>Die Liebes Verzweiffelung< des Laurentius von Schnüffis: Eine bisher unbekannte Tragikomödie der frühen Wanderbühne mit einem Verzeichnis der erhaltenen Spieltexte 9783110545166, 9783110544626

This book presents the first edition of the traveling theater play Die Liebes Verzweiffelung as well as variants of the

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German Pages 751 [754] Year 2017

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Table of contents :
Inhaltsübersicht
Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne
Teil 1
Originaltext: Tragico Comoedia Genant Die Liebes Verzweiffelung. Componiret von Johann Martin Studioso von Veltkirchen
Teil 2
Historischer Hintergrund
Die beiden erhaltenen Manuskripte der „Liebes Verzweifflung“
Zur Sprache
Besonderheiten des dramatischen Sprachstils in Martins „Liebes Verzweiffelung“
Besonderheiten des dramatischen Sprachstils in Martins „Liebes Verzweiffelung“
Probleme
Motive
Personen und Schauplätze
Dramatischer Aufbau
Dramatischer Aufbau
Im Überblick
Teil 3
Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert (Manuskripte und Druckwerke)
Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen
Übersicht über die in den einzelnen Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen
Bibliographie
Register
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>Die Liebes Verzweiffelung< des Laurentius von Schnüffis: Eine bisher unbekannte Tragikomödie der frühen Wanderbühne mit einem Verzeichnis der erhaltenen Spieltexte
 9783110545166, 9783110544626

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Ruth Gstach Die Liebes Verzweiffelung des Laurentius von Schnüffis

Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte Begründet als

Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker von

Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer

Herausgegeben von

Ernst Osterkamp und Werner Röcke

92 (326)

De Gruyter

Die Liebes Verzweiffelung des Laurentius von Schnüffis Eine bisher unbekannte Tragikomödie der frühen Wanderbühne Mit einem Verzeichnis der erhaltenen Spieltexte von

Ruth Gstach

De Gruyter

Gefördert durch das Land Vorarlberg und die Gemeinde Schnifis

ISBN 978-3-11-054462-6 e-ISBN (PDF) 978-3-11-054516-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-054471-8 ISSN 0946-9419 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Satz: Dörlemann Satz, Lemförde Druck und buchbinderische Verarbeitung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhaltsübersicht Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne. . . . . . . . . . . . . . . 1 Teil 1 Originaltext: Tragico Comoedia Genant Die Liebes Verzweiffelung. Componiret von Johann Martin Studioso von Veltkirchen.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

10

Teil 2 Die „Liebes Verzweiffelung“ in der Tradition der deutschen Wanderbühne des 17. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Historischer Hintergrund

Erstes weltliches Berufstheater in Deutschland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Martins Drama als erste deutsche Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Die „Liebes Verzweiffelung“ als typisches Werk Martins. . . . . . . . . . . . . . . 140

Die beiden erhaltenen Manuskripte der „Liebes Verzweiffelung“ Beschreibung der Handschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Wiener Manuskript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Karlsruher Manuskript . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften Die Schauspieler des Karlsruher Manuskripts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schauspieler des Wiener Manuskripts Das Titelblatt des Karlsruher Manuskripts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Begriff der Tragikomödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

144 144 151 160 174 177

Zur Sprache Sprachliche Unterschiede zwischen den beiden erhaltenen Handschriften der „Liebes Verzweiffelung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Sprachliche Situation des barocken Wanderbühnendramas – Das Ordnungsprinzip der Symmetrie und des Parallelismus. . . . . . . . . . . . 188

VI

Inhaltsübersicht

Besonderheiten des dramatischen Sprachstils in Martins „Liebes Verzweiffelung“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barocke Embleme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Symbol und Vergleich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Echo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das mythologische Exempel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

192 198 201 205 209 215

Die Musik im Wanderbühnendrama des 17. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . 223 Probleme

Der Gottesbegriff im Werk Martins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Moral und Gerechtigkeit im Wanderbühnendrama. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Affekte und Leidenschaften. Das Vanitas-Erlebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Problem der Liebe und Treue bei Martin. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

233 237 239 243

Motive Übersicht über die Motive des Wanderbühnendramas – Motivähnlichkeit mit dem Volksmärchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinsame Motive in Martins „LiebesVerzweiffelung“ und im Volksmärchen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Hauptmotiv in der „Liebes Verzweiffelung“: Die Geschwisterliebe und das damit verbundene Motiv der Verwechslung von Kindern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tod des geliebten Menschen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Motiv der Verleumdung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Requisit und das Motiv der Verkleidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Zweikampf-Motiv. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Motiv des Traums und böser Vorahnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Personen und Schauplätze Die Personen des Dramas als Träger einer bestimmten Idee. . . . . . . . . . . . Die Frauengestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Szenerie des Hofes. Der höfische Schauplatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die männlichen höfischen Personen: Der König. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Hofmeister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Prinzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cassianus, die Verräterfigur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Schäferwelt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Figur des Pickelhering: Geschichte der lustigen Person. . . . . . . . . . . . . . . . Martins lustige Person: Dymas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248 251 258 261 263 264 270 271 275 278 284 289 291 293 296 298 304 321

Inhaltsübersicht

Dramatischer Aufbau

Das Gesetz der Spannung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Parallelhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kontrastwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dramatische Wirksamkeit der Anfangs- und der Schlussszene. . . . . . . . . . Die ‚drei Einheiten‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Realisierung des Schauspiels auf der Bühne Formaler Aufbau der „Liebes Verzweiffelung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Regieanweisungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Beiseitesprechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dialog und Monolog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII

333 334 336 339 340 343 346 348 350 355

Im Überblick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Teil 3 Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts:

Derzeitige Forschungssituation – Verfügbarkeit der Spieltexte. . . . . . . . . . 379

Verzeichnis der erhaltenen deutschen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert (Manuskripte und Druckwerke). . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 Übersicht über die in den einzelnen Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 Bibliographie Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen der englischen und deutschen Wandertruppen des 17. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuausgaben von Wanderbühnendramen in Sammelwerken . . . . . . . . . . . Werke des Laurentius von Schnüffis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwendete Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register Komödianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Komödientitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

699 711 716 722 739 742

Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne Das Bühnenmanuskript „Die Liebes Verzweiffelung“ nennt als Verfasser­ namen Johann Martin, Studiosus von Veltkirchen – Mitglied der Insprugger Comoedianten, Sänger, Tänzer, Stückeschreiber für die eigene Schauspieltruppe und Poet am Innsbrucker Hof des Erzherzogs Ferdinand Karl. Warum ist dieser Name heute völlig unbekannt – und welche Entwick­ lung ließ den jungen Komödianten zu dem bedeutenden Barockdichter und Musiker Laurentius von Schnüffis werden? Über drei Jahrhunderte hinweg lag sein Wanderbühnen-Manuskript unbe­ achtet zwischen den Durlacher Miszellenbeständen in der Badischen Lan­ desbibliothek Karlsruhe. Erst vor etwa fünfzig Jahren (1969) erkannte der damalige Bibliotheksdirektor Dr. Kurt Hannemann hinter dem bürgerlichen Namen Johann Martin den bekannten Barockdichter Laurentius von Schnüf­ fis, der nach seiner Komödiantenzeit mit 33 Jahren Priester wurde und als Kapuzinerbruder acht künstlerisch bedeutsame Werke schuf. Der Roman „Philotheus“ etwa, das „Mirantische Flötlein“ oder die „Mirantische Maul­ trummel“ gehören in den Kreis der wichtigsten literarischen Schöpfungen des 17. Jahrhunderts in Österreich. Der Dichter nennt sie fast alle „miran­ tisch“ (lat. mirandus = wunderbar) und verweist damit auf die erstaunliche Umkehr seines Lebensweges vom Wanderkomödiant zum Priester und Klosterbruder Laurentius. Wie aber sah seine erste Lebensidentität aus, die in einem kleinen Bergdorf in Vorarlberg, am Eingang zum Großen Walsertal, als Bauernbub im Au­ gust 1633, mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges, begann? Seine erste Einführung in die Welt der Gedanken und Erkenntnisse erhielt er vom gelehrten Dorfpfarrer. Später, als er mit zehn Jahren seinen Vater Kaspar und vier Jahre danach auch seine Mutter Maria verloren hatte, kam er wahr­ scheinlich in die Palastschule des Grafen Karl Friedrich in Hohenems (Vor­ arl­berg). Schwerpunkte seiner etwa dreijährigen Ausbildung waren Latein, die Kirchensprache, und Musik. Beides war notwendig für die Gestaltung von Gottesdiensten und Begräbnissen. Die Bibel als wichtigster Lesestoff – welch wunderbare Geschichten, welch eine Vielfalt von Namen und Ereig­ nissen, die er hier kennenlernte und die in seinen späteren Werken – auch in der Tragikomödie „Die Liebes Verzweiffelung“ – wieder lebendig wurden,

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Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

ebenso wie die zahlreichen Helden und Götter der griechischen Mythologie, die als Zeugen für das Gesagte auftraten, deren Leben sich als Gleichnis für die erzählte Geschichte in den eigenen Dichtungen eignete. 1650/51, als Teenager von 17–18 Jahren, bezeugen ihn die archivalischen Quellen als Student in der neugegründeten Jesuitenschule in Feldkirch. Jo­ hann war wohl zum Priesteramt bestimmt: Schon sein Vater hatte in seinem Testament die Kirche mit einer für einen Bauern großen Geldsumme be­ dacht. Und ein Christoph Martin, wohl ein Verwandter, war Provisor an der Lateinschule und Domorganist in der nahen Bezirksstadt Feldkirch. Außer­ dem wird er in den Periochen, den Theaterprogrammen des Jesuitengymna­ siums, als Dominus erwähnt, als Priester. Bei ihm also konnte Johann Martin vielleicht Unterkunft und Verpflegung finden. In den Periochen1 zum Schulabschluss September 1650 und 1651 ist der Student Johann Martin als „Basso“ und als Schauspieler verzeichnet, aller­ dings zwei Jahre lang in derselben Klasse, der Humanistae. Das Theaterspiel bei den Jesuiten war in der Schulordnung „Ratio studiorum“ als verbindliches Unterrichtsfach ausgewiesen; eingeübt wurden die Stücke aber außerhalb der gewöhnlichen Unterrichtszeit und während der Ferien. Bis zum Herbst 1651 war Johann Martin also noch in Feldkirch und hat seine drei Theaterrollen in der September-Aufführung gespielt, in lateinischer Sprache.2 Die Zuschauer kannten den Inhalt aus dem deutschen Text der jeweiligen Perioche und wur­ den vor Beginn der Handlung auch durch einen Herold informiert. Für die Aufführung waren zwei Tage bestimmt: Am ersten kamen die Frauen, am zweiten waren Männer Zuschauer. Außer der großen Aufführung im September gab es auch während des Schuljahres zu bestimmten Anlässen kleinere, nur von einzelnen Klassen inszenierte Fasnachtspiele, Dialoge, Moralitäten oder Mysterienspiele: Der Jahresbericht von 1651 erwähnt ein Weihnachtsspiel, und im gleichen Jahr auch ein Fronleichnamsspiel in vier Teilen: An den vier Stationsaltären der Prozession wurden Gedichte rezitiert, an die sich ein kleines Zwiegespräch knüpfte. Daneben wurden, wie der nächste Jahresbericht 1652 bezeugt, auch Gelegenheitsspiele aufgeführt, z.  B. zu Ehren der Churer Fürstbischöfe, die sich als Gründer und Gönner des Feldkircher Gymnasiums hervortaten. Die Jesuitenspiele galten als gesellschaftliches Ereignis, zu dem hochgestellte Per­ sönlichkeiten von weit her anreisten,1652 z.  B. Fürstbischof Johann VI. von Chur und der Hohenemser Graf Karl Friedrich und der in Chur residierende 1 2

Bayerische Staatsbibliothek München, Sig. P.o.lat. 1637–1 Beiband 22 und Beiband 24. In Universitäten war die tägliche Unterrichtssprache ebenfalls Latein. Erst 1687 wurden in Leipzig die ersten Vorlesungen in deutscher Sprache gehalten, und zwar von dem Rechtsleh­ rer und Philosophen Thomasius (1655–1728)



Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

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Gesandte der katholischen Majestät Franz Casate. Die Kosten übernahm die Stadtverwaltung. Johann Martin konnte hier also das erste Mal auf der Bühne in kleineren Rollen singen und spielen. (Die bedeutenden zentralen Rollen waren den ad­ ligen Studenten zugedacht). Dem Jesuitengymnasium in Feldkirch verdankte er wohl die Beherrschung der lateinischen Sprache in Prosa und in Versen, ebenso eine umfassende Kenntnis der klassischen Literatur und Mythologie. Anscheinend waren es diese Jahre in Feldkirch 1652/53, die in dem jungen Studenten die Liebe zur Bühne, aber auch die Sehnsucht nach Freiheit und Abenteuer weckten. Er stellte sich der ersten großen Entscheidung in seinem Leben, ließ alles hinter sich: die Heimat, die religiös orientierte Ausbildung, aber auch die Geborgenheit in einer bekannten Gemeinschaft, die Erwar­ tungen seiner Verwandten, die Aussicht auf eine gesicherte Existenz. Was er vorhatte, war auch gefährlich, denn noch Jahre nach Ende des Dreißig­ jähringen Krieges zogen verrohte Söldner und Bauern, die alles, ihre Familie und ihren Besitz, verloren hatten, durch das Land und machten die Straßen unsicher. Fast ein Jahrzehnt lang wanderte Johann Martin als Mitglied einer Komö­ diantentruppe durch Deutschland und Österreich. Das war nicht so unge­ wöhnlich, ein Großteil der Wanderbühnen-Komödianten waren Studenten, die sich vorübergehend eine Auszeit gönnten, so z.  B. auch Christoph Blümel, der im April 1660 zur Truppe der Insprugger Comoedianten gestoßen war. Schon vorher muss er Mitglied der Truppe gewesen sein, denn zwei Nürn­ berger Protokolle aus den Jahren 1655 und 1657 nennen seinen Namen: Er hatte seinen Prinzipal Joris Joliphous wegen Gewalttätigkeit angeklagt. Die Truppenmitglieder hatten mehrmals unter dem Jähzorn ihres Prinzipals zu leiden.3 Das war dann wohl auch einer der Gründe, warum sich einige der Komödianten und mit ihnen Johann Martin von ihrem Prinzipal Joliphous trennten und mit einer eigenen Truppe, den Hochteutschen Comoedianten, er­ folgreich in Konkurrenz zu dem Engländer traten. Die englische Komödiantentruppe unter Joris Joliphous, der sich Johann Martin noch vor seinem 20. Lebensjahr angeschlossen haben dürfte, agierte vor allem im mittel- und süddeutschen Raum zwischen Köln, Wien und Ba­ sel. Die englischen Komödianten waren seit ihrer Ankunft auf dem Kon­ tinent in den Neunzigerjahren des 16. Jahrhunderts mit ihrem ganz neuen 3

Hampe, Theodor: Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg, S. 210–211. Ebenso Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, S. 82–92.

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Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

Theater überall, besonders aber am dänischen Hof König Friedrichs II. und bei Kurfürst Christian I. von Sachsen, sehr begehrt. Wenn auch die ersten Aufführungen teils noch in englischer Sprache und daher stark von Mimik und Gestik abhängig gewesen sein mochten, so spielte der bekannteste Prin­ zipal unter ihnen, John Greene, 1608 in Graz seine Stücke doch schon zur Gänze in deutscher Sprache. Auch in einem Spielansuchen an den Danziger Rat aus dem Jahr 1615 versprechen die 18 englischen Komödianten, in reiner deutscher Sprache zu agieren.4 Die lange Schauspieltradition in England und die Werke ihrer großen Vertreter Marlowe, Dekker und Shakespeare empfahl die Engländer als beste und begehrteste Wanderbühnentruppen, so dass sie noch Ende des 17. Jahr­ hunderts ihre Herkunft aus England betonten.5 Aber auch die neugegründete Truppe der Hochteutschen Comoedianten un­ ter ihren Prinzipalen Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwarz setzte sich durch: Frankfurt, Strassburg, Heidelberg, Nürnberg waren ihre bevorzugten Ziele, bis sie 1658 bis 1662 von Erzherzog Ferdinand Karl als eine der ersten Wandertruppen Deutschlands ein festes Engagement am Innsbrucker Hof erhielten. Johann Martin beschreibt 1665 in seinem ersten Roman, dem „Philotheus“, dass er hier als Schauspieler, Poet und Musiker besonderes Ansehen genossen habe, dass ihm von einem verschlagnen Bär6 [Hofdichter Francesco Sbarra?] und anderen Hofbeamten aber auch Mißgunst und Intrigen entge­ gengebracht worden sei. Diese Zeit prägte ihn als Mensch und Künstler. Hier erlebte er auch den Tiefpunkt seines Lebens: eine Todeskrankheit und den persönlichen Ver­ rat seiner bisherigen vermeintlichen Freunde. Hier stand auch seine zweite existentielle Entscheidung an: die Bühne zu verlassen und sein ganzes kom­ mendes Leben auf den Dienst für Gott auszurichten. Im August 1662 kehrte er in sein Heimatland zurück, wurde Priester und Organist in Hohenems und entschied sich schließlich für ein Leben als Kapuziner im Kloster zu Konstanz. (In seinem ersten Roman „Philotheus“ beschreibt er seine inneren 4 5

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Bolte, Johannes: Das Danziger Theater im 16. und 17. Jahrhundert, S. 45. Siehe dazu M. Jacob Daniel Ernst: Ausersehene Gemüths-Ergetzligkeiten Das ist: fünffzig sonderbare Lust- und Lehr-Gespräche. Magdeburg 1697, S. 93: Wie ists, meine Herren, werden sie sich nachmittags auch auf das Comödien-haus verfügen umb anzuschauen, was die neulich aus England allhier angelangten Comödianten werden gutes fürbringen?Ich höre sie wollen ihres vorigen Königs Carol Stuarts Kriege mit seinen Unterthanen und dessen darauf erfolgte Hinrichtung fürstellen, welches sich wol wird sehen und hören lassen … (Nach Köhler, Reinhold: Einige Bemerkungen und Nachträge zu Albert Cohn’s „Shakespeare in Germany“. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 1, 1865, S. 417.) Laurentius von Schnüffis: „Philotheus“, S. 85 und 98.



Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

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Zweifel und seine Erfahrungen am Hof zu Innsbruck). Erst nach 17 Schwei­ gejahren tritt er unter dem Dichternamen ‚Mirant‘ mit seinem erfolgreichen ‚Bestseller‘, dem „Mirantischen Flötlein“ (1682), wieder an die Öffentlichkeit, und nun erscheinen im ungefähren Zeitraum von jeweils drei Jahren seine weiteren Bücher: die „Mirantische Wald-Schallmey“ (1688), der „Mirant“ (eine erweiterte und veränderte Neuauflage des „Philotheus“, 1689), die „Mirantische Mayen-Pfeiff“ (1692), die „Mirantische Maul-Trummel“ (1695), das „Futer über die Mirantische Maul-Trummel“ (1698) und – nach seinem Tod am 7. Jänner 1702 – die „Lusus mirabiles orbis ludentis – Wunderspiele der Welt“ (1703) und das vom Dichter neu redigierte Gebetbuch „Vilfärbiger Himmels-Tulipan“ (1699).7 Als dominanter Coautor wirkte der Dichter auch an den poetischen Viten der beiden Heiligen Franziskus von Assisi (1694) und Antonius von Padua (1698) mit.8

… und die frühe deutsche Wanderbühne Im späteren Werk des Laurentius von Schnüffis, besonders im „Philotheus“, finden sich immer wieder Hinweise auf die Komödiantenjahre des Dich­ ters: Die Welt wird als betriegliche Schau-Büne9, der Hof als verkleidter Comoediant bezeichnet, welcher in einer Stund underschidliche Personen spihlt.10 Seinem ersten Druckwerk, dem „Philotheus“, wünscht der Dichter Glück zu seinem FechtSprung.11 Nach seiner eigenen Aussage im Vorwort zur zweiten erweiterten Auflage, dem „Mirant“ (Konstanz 1689), hat er diesen Roman noch in der Welt / der Comoediantischen Schaubühne kaum abgnadend / und dahero der Geistlichkeit gar nicht erfahren … / auf solche Comoediantische Arth geschriben.12 Auch noch in seinem Alterswerk, den „Wunderspielen der Welt“, sieht er die Welt unter denen Menschen als ein eitel Spielwerck / wie auf einer Schau-Bühne / wo man eine Comoedie agiret / allerhand Abwechslungen und Spiele fürgestellet werden.13 Um die Mitte des 17. Jahrhunderts, zu der Zeit, da Johann Martins Wander­ truppe die deutschen Städte bereiste, hatten sich die Hochteutschen Comoedianten bereits von ihren Vorbildern, den englischen Komödianten in Deutschland, unabhängig gemacht. Sie bedurften eigener neuer Schauspielstücke, um sich 7 8 9 10 11 12 13

Zur Biographie des Laurentius von Schnüffis siehe die Monographie von Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch. Graz/Feldkirch 2003. Genaue Buchzitate im Anhang! „Philotheus“, S. 179. „Mirant“, 28. Kap. (Thurnher-Ausgabe, S. 133) „Philotheus“, Vorrede An den günstigen Leser. Vorwort zu „Mirant“ (Thurnher-Ausgabe, S. 3) „Lusus mirabiles orbis ludentis“, Kempten 1703, Vor-Ansprach.

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Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

gegen die renommierten Konkurrenztruppen zu behaupten und ihrem Pu­ blikum ein immer wieder neues Repertoire vorstellen zu können. Es ist also anzunehmen, dass „Die Liebes Verzweiffelung“ nicht Johann Martins einziges Wanderbühnendrama war, das er in der Tradition der englischen Schaubühne geschrieben hat. Möglicherweise ist er auch der erste deutsche Bearbeiter des Shakespeareschen „Hamlet“14. Ebenso scheint die Sprache (Rhythmus, Reim und die vielen Hinweise auf mythologische Gestalten) in den Wanderbüh­ nen-Manuskripten „Das Labyrinth der Liebe“ und „Die Egyptische Olympia und der flüchtige Virenus“ auf die Autorschaft des Dichters hinzuweisen. Gebildete Mitglieder der Wandertruppen bearbeiteten die von den Englän­ dern übernommenen Spiele, wandten sich aber auch niederländischen, ita­ lienischen, französischen und spanischen Dramenstoffen zu und bereicherten diese Vorlagen mit den traditionellen Motiven der deutschen Wanderbühne. Durch den Fund in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe konnte eine weitere, etwa zehn Jahre jüngere Abschrift des Dramas in der Österreichi­ schen National-Bibliothek Wien, „König Frondalpheo“, identifiziert werden. Das Titelblatt des Wiener Manuskripts ist verloren, deshalb konnte dieses Wanderbühnendrama bisher keinem bestimmten Verfasser zugeordnet wer­ den. Es ist nun nach der ersten auftretenden Figur, dem König Frondalpheo, benannt. Die biographische Situation des Dichters beschränkt die Entstehungs­ zeit des Schauspiels auf die Jahre 1655 bis 1662. Beide erhaltenen Manu­ skripte sind mit den Namen der jeweiligen Darsteller versehen, so dass die Aufführungen von Martins Drama ziemlich sicher in die Zeit zwischen 1660 und 1690 datiert werden können. Es ist dies die Blütezeit des erst seit Ende des Dreißigjährigen Krieges sich entfaltenden deutschen Wanderbühnendramas. In den letzten Jahrzehn­ ten des 17.  Jahrhunderts erfährt es einen künstlerischen Niedergang, und als Stranitzky in Wien mit seiner Hanswurst-Figur die Bühne mit neuer Le­ bendigkeit füllt, hat sich das Wanderbühnentheater in seiner ursprünglichen Atmosphäre längst verändert. Es fehlt nun das existentiell Bedeutsame, das sowohl Schauspieler wie Publikum in seinen Bann gezogen hat; es fehlt der Anspruch, den Zuschauer nicht nur zu unterhalten, sondern im Innersten anzurühren; und es wird nicht mehr nach bisher unbekannten Stoffen ge­ sucht. Das ursprüngliche Wanderbühnendrama war als einzige Institution imstande gewesen, die inneren und äußeren Abgrenzungen des in viele Ein­ zelstaaten und verschiedenste Volksgruppen zerfallenen deutschen Sprach­ 14

Gstach, Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shakespeareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort, Jg 30, Heft 1, 1978, S. 7–19.



Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

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gebiets nach dem Dreißigjährigen Krieg zu überbrücken und auf kultureller Ebene wieder gemeinsame Werte erkennen zu lassen und das Gefühl einer inneren menschlichen Verbundenheit zu fördern. Gegen Ende des Jahrhunderts verkommen manche ursprünglich be­ deutsamen Dramenstoffe zur unverbindlichen Spielerei, nur noch der Sensa­ tionslust und dem oberflächlichen Geschmack des Publikums verpflichtet. Und auch das Bemühen um sprachliche Gestaltung – etwa in den Versen am Szenenende oder am Schluss des Dramas – weicht einer alltäglichen, oft ziemlich groben Ausdrucksweise. So wie fast jede neue Kunstrichtung in ihrer Anfangsphase sehr schnell zu einem Höhepunkt gelangt15, zeigt auch der Beginn des weltlichen Dramas im deutschen Sprachgebiet eine nur wenige Jahrzehnte andauernde Hochphase. Es scheint, dass Martins Tragico-Comoedia ebenso wie später sein episch-lyrisches Werk in weitesten Kreisen Anerkennung fand, denn sie dürfte noch um 1690 aufgeführt worden sein und fand als Repertoirestück einer deutschen Bühnentruppe ihren Weg bis nach Moskau. Wie in den meisten Werken des Barockdichters Laurentius ist die Liebe das Hauptthema seines Dramas. Im „Philotheus“, im „Mirantischen Flötlein“ und in der „Mirantischen Mayen-Pfeiff“ ist es die religiöse Liebessehnsucht, die eine möglichst innige Verbindung der menschlichen Seele mit Gott anstrebt. Die Welt der Schaubühne zeigt das Liebesthema in Martins Tragico Comoedia als erotische Zuneigung zwischen Bruder und Schwester. Das Problem der Geschwisterliebe erfährt hier eine mehrfache Variation an Paaren verschie­ dener Gesellschaftsschichten. Stoffliche Quelle scheint eine frühe Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“ durch die englischen Komödianten zu sein. Probleme wie Geschwisterliebe und verkannte Herkunft werden zwar auch in anderen Wanderbühnendramen öfters variiert, doch gestaltet Martin das Thema völ­ lig frei und unterwirft es den dramaturgischen Bedürfnissen seiner Bühne und seiner Truppe. Die „Liebes Verzweiffelung“ kann daher als typisches Werk der deutschen Wanderbühne verstanden werden, welches das sprachliche und dramaturgisch gestalterische Können seines Verfassers beweist.

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Zwei Beispiele: Die Entstehungszeit der mittelalterlichen Heldenepen etwa beschränkt sich in ihren hervorragendsten sprachlichen Zeugnissen auf wenige Jahrzehnte um 1200. – Und als sich die deutsche Dichtung des Märchens annahm, geschah dies ebenso innerhalb weniger Jahrzehnte während der Romantik, in denen Inhalt, Sprache und Ausformung des Volks- und Kunstmärchens einen intensiven unübertroffenen Höhepunkt erreichten.

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Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

Johann Martins „Liebes Verzweiffelung“ ist eines der interessantesten Stücke der Anfangszeit der deutschen Wanderbühne. Den Passionsspielen, den sta­ tischen Rollenspielen der Nürnberger Meistersinger und des Hans Sachs, den religiösen Schulspielen der Jesuiten, allen diesen Anfängen deutscher dramatischer Dichtkunst wird nun leidenschaftliches Emotionstheater da­ gegengehalten, das sich aus den Spielen englischer Wanderkomödianten ent­ wickelt und schon bald auch an Bühnentexten aus anderssprachigen Ländern orientiert. Die Aufführungen der ersten deutschen Berufstheater bilden die Brücke zum anspruchsvolleren Drama etwa eines Andreas Gryphius, Lo­ henstein oder Christian Weise und führen letztendlich zum Kunstdrama des 18./19. Jahrhunderts oder in die Richtung des Wiener Volkstheaters. Es sind die Wanderkomödianten zwischen 1650 und 1700, es ist ihr Bemühen um gutes, spannendes, lebendiges Theater, von dem die deutsche dramatische Dichtung den entscheidenden Impuls erhält. In der vorliegenden Arbeit werden vor allem die Bezugspunkte zum Drama der englischen Komödianten aufgezeigt. Das Verzeichnis der erhal­ tenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert am Schluss der Arbeit lässt aber erkennen, dass auch zahlreiche Bearbeitungen von italienischen, französischen und spanischen Schauspielen, die letzteren meist über hollän­ dische Umwege, auf die Bühne der frühen deutschen Komödianten kamen. Die deutsche Wanderbühne verarbeitet und variiert diese oft wahllos über­ nommenen Motive zu einem eigenen, dem deutschen Publikum angepassten Theater. Johann Martins Tragikomödie „Die Liebes Verzweiffelung“ kann daher als besonders typisches Paradigma dieser ganz neuen Komödienrichtung dienen, die nach dem Dreißigjährigen Krieg die höfische und bürgerliche Bühne erobert hat und den Beginn eines entwicklungsfähigen Dramas im deutschen Sprachraum kennzeichnet. Ihre Entstehungszeit um 1660 spiegelt noch die emotionalen, gesellschaftlichen und stilistischen Gegebenheiten der Anfangsphase, deutet aber aufgrund der künstlerischen Kompetenz des Ver­ fassers schon auf die weitere Entwicklung des deutschen Dramas. Der umfangreiche dritte Teil der vorliegenden Arbeit gibt einen Über­ blick über die erhaltenen deutschen Wanderbühnendramen aus dem unge­ fähren Zeitraum 1650 bis 1700, in dem das deutsche Bühnendrama zunächst unter dem Einfluss der englischen Komödianten zu einem eigenständigen Ausdruck findet, sich bis 1680/1690 in seiner charakteristischen Weise ent­ wickelt und dann um 1720 seinen vorläufigen Endpunkt erfährt. Die vorliegende Übertragung zeigt eine genaue Wiedergabe der Textvorlage und der Eigenheiten in der Schreibweise, z.  B. V oder W anstatt U (Vnglück, Vbel, Fraw), y oder j anstatt i (beyde, seyn, Leyd); ebenso wurden die üblichen Konsonantenhäufungen und die von der jetzigen Schreibweise unterschied­



Johann Martin und die frühe deutsche Wanderbühne

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liche Groß- und Kleinschreibung beibehalten. Allein die Interpunktion wurde an manchen Stellen durch zusätzliche Punkte oder Beistriche erwei­ tert, um eine bessere Verständlichkeit des Textes zu ermöglichen. Ebenso wurden Kürzel des Schreibers aufgelöst, z.  B. für die Nachsilbe -ung oder -er am Ende eines Wortes. Die Textübertragung hält sich an das ältere Karlsruher Manuskript. Die wichtigsten Varianten der Wiener Handschrift sind in den Fußnoten er­ wähnt; die unterschiedliche Orthographie wurde jedoch nicht durch eigene Anmerkungen kenntlich gemacht, da es sich bei beiden erhaltenen Manu­ skripten um Abschriften und nicht um das Originalmanuskript des Dichters handelt. Auffallend ist jedoch, dass sich die Wiener Handschrift an die üb­ liche Kleinschreibung hält, während das Karlsruher Manuskript eine mo­ dernere Groß- und Kleinschreibung aufweist. Dieser regelmäßige Gebrauch von Großbuchstaben ist auch für die späteren Druckwerke des Laurentius von Schnifis typisch, während z.  B. Friedrich von Spee oder Abraham a Santa Clara in ihren Druck- und Handschriften eine willkürliche Groß- und Klein­ schreibung verwenden.16 Im Übrigen hat auch die Karlsruher Handschrift eine uneinheitliche Orthographie, z.  B. Betheurung, euch, scheuh neben ewer, getrew, Frewd, vertrawen, trawrig. Auch die Schreibweise einzelner Buchstaben ist oft verschieden.17 Die Strukturierung des Karlsruher Textes wurde nach Möglichkeit bei­ behalten, wenn auch das Einrücken der Zeilen in den gereimten Abschluss­ strophen der „Liebes Verzweiffelung“ kaum von Bedeutung ist.

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Friedrich Spee schreibt nur das Einsatzwort und Eigennamen konsequent mit großen An­ fangsbuchstaben. Nach Albrecht Schöne (Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. München 1963, S. XVI) gehört die uneinheitliche Schreibweise, dieses Schwelgen in der Fülle unterschiedlicher Möglichkeiten, dies immer neue Verkleiden der Worte in andere Buchstaben … zu den wesentlichen Signaturen des Barockzeitalters.

Abb. 1: Titelblatt der Liebes Verzweiffelung (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. D 119)

TRAGICO – COMOEDIA Genant Die Liebes Verzweiffelung. Componiret Von Johan Martin Studioso Von Veltkirchen. [Handschrift Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Sig. D 119] A ctor es Figaar Nesse. Fraat. Jan von Au Daniel Lene Gradnimo Valentin Maria Anna

Frondapheo Konig von Epiro Myrandon sein Sohn Rodiman ein printz von Creta Ottonias Königs Frondalpheo Hoffmeister Cassianus ein Landsfürst und Verrähter Fidelmo Myrandons Hoffmeister Evandra Königs Frondalpheo vermeinte Tochter, Myrandons liebste Page von dem Cassiano Damon ein alter schäffer Amoena Damons auffgenohmenes kindt, Königs von Creta vermeinte tochter, doch Frondalpheo recht und leibliche Pickelhering genandt Dymas, Damons Sohn Alidea der Evandra Hoffmeisterin

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KÖNIG FRONDALPHEO [Handschrift Wien, Nationalbibliothek, Sig. Ms 13191. Die Wiener Handschrift hat kein Titelblatt] Spielende Pe rs on e n Richt. 1. König Frondalpheo Stark. 2. M  irandon, sein sohn. 3. Evandra, Printzeßin von Rodis, ist vertauscht mit Amena 4. Amena, Königs Frondalpheo Tochter, vertauscht mit Evandra Satz. 5. Rodeman, Printz von Rodis und Evandra Bruder Bam. 6. Ottonias, des Königes Hoffmeister 7. Cassianus, Ein Landes Fürst Pf. 8. Fidelmo, Mirandons Hoffmeister Adl. 9. Alidea. Der Evandra Cammer-Frau Pf. 10. Damon. Ein alter Schäffer Riß 11. Dimas, Sein sohn Riß 12. Page von Cassiano 1667

Actus I, Scena 1



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[Die Wiener Manuskript-Variante ist in den Fußnoten kursiv verzeichnet.] Actus I. Scena 1.  Actus I, Scena 1 Frondalpheo, Myrandon, Ottonias, Fidelmo. Frondalph.: Ottonias:

Frondalph.:

Myrandon:

Ottonias, war der Ambassador mit unseren Tractamenten wol zufriden, hat man ihn wol bekleidet? Und wie hat er sich gebeerdet?1 Deßgleichen, Gnädigster König, hab ich nie gesehen, daß allein war sein größte Klage, weil er sich an dem Epirischen Hofe mit Gutthaten überwunden sehe; Er könne dem Kö­ nig von Rhodus die Ehre mit wortten nicht erzehlen, auch daß sein König solches nicht zu vergelten vermöge.2 Wir hören es gerne, denn durch die Legaten werden die Könige geehret. Wir wollten nicht gerne hören3, daß unser bester Freund, König von Rhodus, durch seinen Legaten sollte von uns einige Wiederwertigkeit verstehen, denn er [ist] uns in schwehren Zeiten, da die Cretische Bellona4 un­ ser Ionisches Königreich zu wasser überzogen, alß ein Bru­ der beygesprungen, also zwar,5 daß wir offtermahl durch seine Hülff obgelegen und mit victorien gekrönet worden. Der Feind ist erleget, die grausame Göttin vertrieben, ihr Hochmuth gehemmet, das Reich von Beschwernüßen ent­ laden und wir sind in unserem Alter in guther Ruh, wenn nur eins nicht were, welches unser ehrliebentes Hertz naget und ängstiget. Was mag meinen Gnädigsten Herrn Vatter doch kräncken?6 wessen ich noch nicht theilhafftig bin. Ich bitte, Er wolle es mir offenbahren. Soll es müglich sein, so soll meinem Gnädigen Herrn Vattern geholffen werden. Denn meine kindliche Liebe verpflichtet mich, meines Herrn Vattern hertzenleid zu betrauren und zu wenden. Solches hat mich

1 … wie hat Er sich in geberden erzeiget? 2 … solches nicht zu vergelten wiste oder vermöchte. 3 … wir mögen nicht gerne vernehmen, daß … 4 Bellona: Schwester des Mars. Die barocke Emblematik

stellt Bellona mit Waffen und Gold dar, aber auch mit Narrenkappe und Narrenstab. Ihr Hochmut, ihre Grausamkeit durchbrechen jedes menschliche Gesetz.

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… daß wir offtermahls durch Hülffe obgesieget, und mit victoria den Feindt erleget, ihren Hochmuth verhönet, das Reich von den Beschwerungen entlediget, und wir sind nunmehro in unßerer gutter Ruhe, wenn nur … Was muß meinen gnädigsten Herrn und Vatter betrüben?

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Actus I, Scena 1

Frondalph.:

Myrandon:

Frondalph.:

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Aeneas und Ainapius gelehret7, welche ihre Vätter auß der Brunst8 auff ihren Schultern getragen; weniger soll nicht von Myrandon gesagt werden. Ach, liebster Sohn, deine verständige Rede vermag mir mein Hertz zu brechen9, denn ohne deine Gegenwart werde ich hart gequälet, in deiner Gegenwart bekümmere ich mich, den ich förchte mich, daß ich an meinem Sohn, was Flua­ raedus Vatter beklaget10, erfahren muß. Wie bald were es geschehen, daß eine Tochter verliebt würde, welche meine Königliche Ehre11 schändet, und unter ewiger Rewe nicht könnte abgewendet werden. Weistu wol, was der gottlose Cambyses12 gethan, weistu wol, was der Ehr vergeßene und verfluchte Caligula13 mit seiner Schwester begangen? Cambyses und Caligulae erschröckliche Blutschandt, so sie mit ihren Schwestern getrieben, sind mir wol bewust, Gnä­ digster Herr Vatter. Aber wozu sollen diese reden dienen? Habt Ihr dergleichen Historien, die newlich geschehen, mir zu erzehlen?14 Und kräncket dieses ewre Ehrliebende Seele so sehr? Es ist gut, daß du mich hirinn noch nicht verstanden hast, denn hettestu dergleichen begangen, würde dir dein Ge­ wißen wohl zeigen, wonach ich geschoßen hab. Dein Ge­ wißen ist noch unschuldig. Doch ist solches mehr meiner Vorsichtigkeit als deinem freyen Willen zudancken. Ich habe die große Liebe, so du innerlich gegen deiner Schwe­ ster Evandra getragen, schon eine geraume Zeit vermercket, und Sie ist dir, weyl ihr beide von Jugend auff bis in das zehendte Jahr einerley Milch gesogen, ein Bett und Speiß gehabt, gar nicht zuwieder, sondern liebet dich von Hert­

Solches hat mich Aeneas gelernet … (Aeneas war außer Hektor der Tapferste der Trojaner. Bei der Eroberung Trojas zog Aeneas mit seinem greisen Vater auf den Schultern aus der Stadt, ohne von den Griechen gehindert zu werden.

8 Feüers-Brunst 9 … deine verständige Rede vermögen meinen Schutz zu brechen. 10 Fluaredus: Die Herkunft dieses Namens ist unklar. Fluaredus wird nur in der Karlsruher Handschrift als Beispiel verbotener Geschwisterliebe genannt.

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… meinen Königlichen Stamm Cambyses: Persischer König von 529–522 v. Chr., der seine Schwestern Atossa und Roxane heiratete.

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Habt ihr dergleichen Historien neülicht gesehen, welche bey dieser zeit geschehen, dadurch ihr eüere ehrliebende Seele kräncket.

Caligula: Römischer Kaiser von 37–41 n. Chr., der mit allen seinen Schwestern, vor allem mit Drusilla, eine Geschwisterehe führte.

Actus I, Scena 1



Ottonias:

Frondalph.:

Myrandon:

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15

zen.15 Wenn ihr beysammen seyd, so befinde ich, daß ihr frölich, aber voneinander abgesondert melancholisch und trawrig herumb gehet. Also daß solchen Zustands und un­ zuläßlicher Liebe halben eine große Sorg und Schande zu besorgen ist.16 Ihre Mayestät reden wohl, doch verhoffe ich, der Prinz, ­eines guten Verstandes und Wandels, werde so weit seines Herkommens nicht vergeßen, sondern sich wohl vorsehen, insonderheit weil sie beyde gutes auffsehen haben17, und ih­ nen keine Zeit allein zu sein vergöhnet wird. Fidelmo wartet dem Prinzen auff, welcher ihm stehts beywohnet, und gute Zucht hält. Getrewer Ottonias, dieses alles ist uns wol bewust, aber das Geblüt in der zarten und hitzigen Jugend kann nicht alß durch Gegenlieb gekühlet werden. Die Liebe ist wild und läst sich in vollem Trab nicht zäumen18. Wißet ihr nicht, was Ero19 gethan? War sie nicht eine keusche Pristerin Dianae mit vielen Frawenzimmer umbgeben, in einem hochen und vesten Thurm versperret, und dennoch nicht ungeschändet verblieben, und weil sie ihres liebsten Todten Corper am Gestaad deß Meers ersahe, [hat sie] sich selbsten von dem Thurm in das wilde Meer gestürtzet. Die Liebe verblendet die Gesichter, daß sie keine Gefahr, ia gar den Todt nicht achten. Wie viel haben sich selbsten aus ungewohnter Liebe umbgebracht? Oder [sind] von andern jämmerlich ermor­ det worden. Gnädigster Herr und Vatter, ich bekenne es, daß ich meine Schwester von hertzen liebe, iedoch betrübet mich das große Mißtrawen meines Herrn Vatters, weil er Ihme sol­

… ich habe eüre große Liebe, so ihr schon eine geraume zeit zu eüer Schwester Evandra getragen, gespüret. Ihr seyd ainander nicht zuwieder, sondern liebet euch von hertzen. Und ich befinde, daß ihr niehmahls frölich von einander gehet, sondern melancholisch und betrübt, derowegen ich auch bey solchen zustande eine große Schande zu befürchten habe. … insonderheit weil sie beyde gutte aufsicht haben. zehmen Hero, die Priesterin der Aphrodite (nicht der Diana) in Sestos, fand wegen ihrer verbotenen Liebe zu Lean­der aus Abydos am Hellespont ein unglückliches Ende. Leander ertrank in den Meeresfluten, weil ein Sturm Heros Lampe gelöscht hatte, die sie jede Nacht als Wegweiser für ihren Geliebten in ihrem Turmfenster aufstellte. Hero stürzte sich aus Verzweiflung ins Meer. (Berichtet wird diese Sage von Musaios, Ovid und Vergil). In der Wiener Handschrift wird fälschlicherweise Juno als Priesterin Dianae genannt. Als treue Gemahlin des Jupiter repräsentiert Juno das Weibliche. Sie ist die Ehegöttin, die bei Hochzeiten angerufen wurde.

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Actus I, Scena 1

Fidalmo:

Frondalph.:

Myrandon: Fidelmo: Myrandon:

Frondalph.:

20 21 22 23 24 25 26 27

che Liebe einbildet, vor welcher ich ein Abschewen trage.20 Laßet ab, Gnädigster Herr und Vatter, Euch mit solchen Gedancken zu kräncken.21 Niemalen soll ein solcher Sinn in unsre Hertzen kommen, welcher uns verdächtlich22 were. Gnädigster Herr und König, meine getrewe dienste sollen erst recht an den Tag kommen, da man ihrer vergeßen will. Meine Macht soll vor Ihr Mayestät sorgen.23 Ein wildes Pferd kann ia in dem Zaum gehalten werden, warumb nicht dieser Prinz? Welcher sich vor meiner Straffe sehr förchtet. Ein wildes Pferd fühlet den Zaum und Spohren, wird von vielem tummeln müde. Aber ein liebender empfindet keinen Spohren der Gefahr, wird in der Liebe nicht einmal müde24, sondern iemehr Er liebet, iemehr ergibet er sich der liebe. Ich weiß hier ein gutes Mittel, die scheinbare Gefahr aus dem wege zu räumen. Der Prinz ist jung und noch wenig er­ fahren. Weil wir noch etwas bey Kräfften seynd, wollen wir Ihn nacher Rhodis, dem König auffzuwarten, schicken. In wehrender Zeit wird ihre Liebe in etwas gelöschen25, denn die Gegenwart der Augen entzündet die Liebe, die Abwe­ senheit aber vergißet alles. Evandra aber wollen wir heim­ lich ohne deß Prinzen wißen verheyrathen, alßdann werden wir solcher Sorgenlast [los kommen und] ein ruhiges alter erleben.26 Ihr aber, Fidelmo, sollet den Prinzen begleiten, und wol achtung auff Ihn geben, und so ist unser will. Wie bald soll? … Ach Myrandon! Schweige, es ist deß Königs Wille. Ich gehorche alß ein Sohn seinem Vatter.27 Aber meine Seele ersticket, meine Liebe ra­ set, und mein Verstandt vergehet. Wie bald soll unsere Reise angehen, Gnädigster Herr und Vatter? Alsobald, damit unser Wille vollbracht werde, denn ohne Gefahr zu leben ist unser Meinung, wir haben schon alles zur Reise bereiten laßen, darumb empfanget den Vätter­ lichen Seegen, und hernach gehet zu Schiff.

… vor welcher ich und die Natur einen abschey trage. quelen verdächtig „Meine Macht soll vor Ihr Mayestät sorgen“ fehlt in der Wiener Handschrift. Aber ein liebhaber fühlet keinen Sporn, die gefahr wird in der liebe nicht einmahl müde, sondern … verlöschen … verheyrathen, auf daß wir solcher sorge loß kommen. Ich gehorsame denjenigen alß ein Sohn.

Actus I, Scena 2

Myrandon: Frondalph.: Myrandon: Frondalph.:

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Ich folge meinem Herrn Vattern und empfange den Vätter­ lichen Seegen. Der Himmel bewahre dich zu landt und Meer und die keu­ sche Göttin Diana wolle dein Hertz von solcher unzulaß­ licher Liebe entladen, und so fahre wol.28 Wird mir denn nicht zuvor von meiner Schwester Abschied zu nehmen vergönnet, Gnädigster Herr Vatter! Es ist eben viel29, wir wollen solches an deiner Statt ver­ richten. Halte dich wohl, damit wir in deiner Wiederkunfft Freude haben30 mögen. Ottonias leitet an, und bringet uns nach unserem Gemach, wir verlangen allein zu seyn.31

Actus I. Scena 2.  Actus I, Scena 2 Myrandon und Fidelmo. Myrandon:

O erschrecklicher Donnerschlag auff mein geängstichte Brust! Ohne Uhrlaub von dero zihen32, welche mich gebun­ den hat. O Evandra! Werthester Engel, meine Schwester33, mit was Jammer wird unser Hertz umgeben? Wie kann ich das verlaßen, was ich im Hertzen trage?34 Die Liebe zwi­ schen mir und meiner liebsten Schwester ist eine gespannte Schnur. Wie weiter man mich von ihr drucket35, ie harter wird die Schnur gespannt, also zwar, daß sie mir entlich mein Hertz durchschneiden und mich meines lebens be­ rauben wird. Wer hette gedacht, daß so ein erschröcklicher Sentenz auff einen so unverhofften Tag fallen soll? Eacus36 und Radamant37 haben noch kein so schröckliches Ur-

28 „und so fahre wol“ fehlt in der Wiener Handschrift. 29 Es ist eben so viel 30 … damit wir an Eüre wiederkunfft Freüde erleben. 31 Ottonias begleitet und bringet unß nach unserem gemach, wir verlangen allein zu seyn. (König, Ottonias und Cassianus gehen ab.) [In der Wiener Handschrift ist hier kein Szenenwechsel.] 32 … von derselbigen zu ziehen … 33 „meine Schwester“ fehlt in der Wiener Handschrift. 34 …verlaßen, so ich hertzlich liebe. 35 … von ihr entfernet 36 Aiakos wurde nach seinem Tod einer der drei Richter im Totenreich, der auch die Schlüssel zur Unterwelt bewahrte, Wegegeld einhob und die von Hermes geleiteten Schatten einem ersten Verhör unterzog.

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Rhadamanthys unterwies seinen Sohn Herakles in Tugend und Weisheit. Die spätere Sage machte ihn neben Minos und Aiakos zum Totenrichter. Im Tartaros sitzen diese drei auf einem Platz, wo drei Straßen

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Actus I, Scena 2

theil38 über die Höllischen Geister ergehen laßen, alß mein Vatter über seinen Sohn. Du unnatürlicher Vatter hast mir das Leben mißgönnet, weil du daßelbige von mir abgeson­ dert, denn Evandra ist mein Leben. Sie ist meine Sonne, ohne welche meine Seele in Finsternus wandelt, und den Irrgang ihres Lebens gehet. Dich mein Königlicher Hoff, den ich alß ein rechtmäßiger Erbe nach meines Vatters Todt hette besitzen sollen, gesegne ich diesen Tag. Dieses ist die Stunde, in welcher dich mein Leichnam, und sonst zu ewi­ gen Zeiten hernach nicht mehr sehen wirdt. Myrandon soll nicht mehr Prinz von Epiro, sondern ein verzweiffelter Rit­ ter, welcher nach dem Todte ringet, genennet werden. Laße kommen auß dem Plutonischen Reich39 alle Furien, Teuffel und Geister40, laß alles ungewitter, so Pyrrha oder Prome­ theus41 erfahren, über mich ergehen. Ich fürchte mich nich­ tes, nichtes kann mich erschröcken, alß der Name der Un­ glückseeligkeit und langen lebens.42 Ach Evandra, sol­testu meinen Zustand und Intent wißen, ich weiß, du würdest dich durch einen angenehmen Todt bald zu mir begeben. Die verfluchte gleichheit machet mich verzweiffelt, werest du von einem geringen Stand, niemand sollte dich aus mei­ nen armen reißen, und sollte Hercules43 sich an mich wagen, ich wollte ihm den trotz bieden: Aber, o erschröckliche Err­ innerung, Schwester! Vor dieser Liebe muß ich selbsten und die Natur ein Abschewen tragen! Meine Schwester, meine Liebste! Wer hat iemalen von dergleichen Liebe gehöret! Wolan, ich muß dich laßen, aber durch den Todt, er soll

zusammentreffen, und halten Gericht über die neu ankommenden Geister. Rhadamanthys richtet über Asiaten, Aiakos über Europäer. Die schwierigsten Urteile lassen sie Minos fällen.

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Aeacus und Radamandus haben noch kein so scharff urtheil … Plutonisches Reich = Unterwelt, Reich des Pluton = Hades. Vgl. auch den Plutonischen Schwitz-Ofen im „Mirantischen Flötlein“, 1. Teil, 10. Elegie, Str. 16; und den Höll-Gott Pluto im „Mirantischen Flötlein“, 2. Teil, 8. Elegie, Str. 10 und 18.

40 … alle Furien und Geister 41 Pyrrha: Gemahlin des Deukalion, des Königs von Phthia, der, nachdem ihn sein Vater, der Titan Prometheus, vor einer großen Flut des Zeus gewarnt hatte, eine Arche baute und mit seiner Gemahlin so die große Deukalionische Flut überlebte, wie es von Noah in der Bibel oder, noch früher, von Utnapischtim im Gilgamesch-Epos berichtet wird. (Das Thema der Sintflut scheint nach heutiger Forschung wesentlich älter als die erste epische Dichtung der Welt, das akkadisch-sumerische Gilgamesch-Epos, zu sein.)

42 … alß der Nahme glückseeligkeit und langes Leben. 43 Hercules: Sohn des Zeus, der unter die Götter aufgenommen und ihr Mundschenk wurde.

Schon als Säugling tötete er zwei Schlangen, er half den Göttern in ihrem Kampf gegen die Giganten. Berühmt wurde Herkules durch seine zwölf Heldentaten, die er auf Weisung des Zeus verrichten musste.

Actus I, Scena 3



19

mir ein Ehestand seyn, daß du, o liebste Schwester, in einer [anderen] Welt mit mir solt vermählet werden. Evandra, lebe wol, mir ware nicht vergönt, daß ich, mein Seel, von dir den Abschied nehmen könt.    Komm Schwester, liebe Braut, dir wart ich mit verlangen,    Dort in der Ewigkeit dein leichnam einzufangen.44 Fidelmo:

O Himmel, wende doch das Übel, welches scheinbar vor­ handen ist.  (abit) Actus I. Scena 3.45  Actus I, Scena 3 Evandra Evandra:

Ein unnatürlich Schrecken erkaltet meinen Leib, Frost und Hitze empfinde ich auff einmahl, meine Seele wird in die enge getrieben, meine Glieder zittern und mein Haar fähret in die Höhe. Der Himmel beschirme mich, wo ein Unfall vorhanden. Ich hatte mich ein wenig zu ruhe begeben. Ach, was harte Einbildungen hat mir Morpheus vorgemahlet, die erschröckliche Phantaseyen haben meinen Schlaff unruhig gemacht. Mir traumte, alß hette ein wildes Thier meinen liebsten Bruder Myrandon zerrissen, sein mit Blut bespreng­ ter Geist46 bald hernach erschiene mir, winckte und sagte: Ach liebste Schwester, folge mir nach durch den Todt, so du mich recht liebest. Ich wollte ihm solches versprechen und seinen Leichnamb küssen. Er aber verschwandte und ich er­ wachte. Ach, ich besorge mich eines Unfalls, den offtermals durch die Träume zukünfftige Sachen geoffenbahret werden. Amilias hatte geträumet, wie er Syrams eingenommen47,

44 Dort in der Ewigkeit dein Seelgen zu umbfangen. 45 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 2.] 46 … sein mit Bludt besprengte Brust darnach mir baldt erschiene, er wickte mir und sagte: … 47 „Amilias hatte geträumet, wie er Syrams eingenommen“ fehlt in der Wiener Handschrift.

Ob mit Syrams die fruchtbare und menschenreichste Insel der Kykladen, Syros, neugriech. Syra, gemeint ist, bleibt unklar. Wahrscheinlich ist Aemilius Paulus Macedonicus (um 228–160 v. Chr.), der römische Staatsmann und Feldherr gemeint. Er siegte am 22. Juni 168 bei Pydna über König Perseus von Makedonien und beendete damit den dritten Makedonischen Krieg.

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Actus I, Scena 4

Xerxes48 hat sein Glück im Schlaff ersehen, Darius König in Persien49 sahe im Schlaff, wie Alexander und sein Volck fewrig durch sein Heer gedrungen, welches seinen Unter­ gang bedeutet hat, und dieses alles ist war worden; dar­ umb erschrecke ich und förchte mich allein zu seyn. Aber hier kommt meine Vertraute, Alidea, was iaget dich so ge­ schwind herein?50 Alidea verblaß und sprachloß!51 O du bist gewiß ein trawriger Botte! Angenehm soltestu mir seyn, so du mir den Todt verkündigest.



Actus I. Scena 4.52  Actus I, Scena 4 Alidea und Evandra. Alidea: Evandra: Alidea: Evandra: Alidea: Evandra: Alidea: Evandra:

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49 50 51 52

53

Gnädigste und unglückseeligste Princessin! Ach! Ach! Alidea, du tödtest mich! Ewer, o ihr Götter! Mein Vatter? Was schadet ihm? Ewer Bruder. Mein liebster Bruder Myrandon? Wer hat ihn verletzet; ich habe schon all bereit seine Wunden gefühlet. Einer, an welchem ihr euch nicht rächen dörffet, oder wann ihr es thut, gegen den Göttern nicht verantwortten könnet. Seinen Namen, Alidea! Meine Nemesis53 wird keinen, und solt er von der Götter Zahl sein, verschonen.

Xerxes unternahm 480 v. Chr. nach Unterwerfung der Aufstände in Ägypten und Babylon einen vier Jahre lang vorbereiteten Eroberungsfeldzug gegen Griechenland. Herodot berichtet, dass ein Gespenst in einem Traumgesicht Xerxes drei Nächte hintereinander dringend und mit Drohungen zu diesem Krieg drängte. Obwohl er das größte Heer des Altertums aufstellte, unterlag Xerxes den Griechen, die von Themistokles angeführt wurden, in mehreren Schlachten, zuletzt in der Seeschlacht bei Salamis. – Der von seinem Traumgesicht geforderte Feldzug nach Griechenland bedeutete für Xerxes also nicht „sein Glück“, wie es in der „Liebes Verzweiffelung“ heißt, sondern seinen Untergang. Alexander der Große besiegte das Heer des persischen Großkönigs Darius III. bei Issos 333 v. Chr. Darius floh, auch seine Königssitze Babylon, Susa, Persepolis und Ekbatana fielen in Alexanders Hand. (Der in der LV erwähnte Traum bewahrheitete sich also).

Sage an, Alidea, was treibet dich so schnell herein. „Alidea verblaß und sprachloß“ fehlt in der Wiener Handschrift. Hier fehlt in der Wiener Handschrift offenbar ein Blatt, obwohl die Blattzählung lückenlos von 6 nach 7 wechselt. Die Szene I/4 der Karlsruher Handschrift fehlt in der Wiener Hand­ schrift völlig. Die Fortsetzung des Wiener Textes erfolgt erst wieder in der Mitte eines Satzes der 5. Szene. Nemesis: . Nymphengöttin des Todes-im-Leben, mit dem Beinamen Adrasteia (= die Unentrinnbare). Sie konnte auch Rächerin eines Frevels sein, besonders an überheblichen Sterblichen, und sorgte für die

Actus I, Scena 4

Alidea: Evandra: Alidea:

Evandra:

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Die kan es nicht, Ewre kindliche Pflicht helt euch ab. So ist es Frondalpheo, mein Vatter? Hat er seinen Sohn er­ mordet? So soll Evandra ihres Vatters vergessen und sich an Frondalpheo rächen. Er ist nicht todt, schönste Princessin, aber auff Befehl deß Königes augenblicklich verreiset. Es ware ihme nicht vergönnet, wie sehr er auch angehalten, von euch seinen Abschied zu nehmen. Er verfluchte seine Geburt und Her­ kommen, begehrte den Todt und sprach: Ach Evandra, weil ich deiner Gegenwart in dieser Welt nicht genißen kan, so will ich deiner in den Eliseischen Feldern54 erwarten. Der gantze Hoff hatte großes Mitleiden mit dem Printzen. Ich fürchte, Gnädigste Princessin, daß er sich selbsten in sol­ cher Verzweiffelung deß Lebens berauben werde. O Printz meiner Seelen, ohne dich wird Evandra nicht lang leben, aber was klage ich? Die Bitterkeit der Schmertzen verstopffet meinen Mundt, was meine Zunge nicht klagen kann, daß sollen meine Augen beweinen. Lebe wohl, o himlische Frewde, die ich an meinem Bruder gehabt. Fahre nach der Höllen, du falsches Glück, und peinige die gottlose Calusia55, welche bey ihrem Bruder geschlaffen. Laße ab zu verfolgen die keusche Sophronia56. Ob ich schon meinen Bruder geliebet, soll doch kein solcher Gedancken in mein Hertz kommen, fahre wohl Myrandon, meine Seele!

Was mir das Glück da nimbt, das gibt es wieder dort. Drumb eyl ich durch den Todt zu meinem Liebsten fort.  (abeunt)

54 55 56

richtige Verteilung von Glück und Recht im Menschenleben. Evandra nennt sie in der LV „meine Nemesis“ und gibt ihr damit eine persönliche Dimension. griech. Elysion = schönes Gefilde, wo ewiger Frühling herrscht. Dorthin gelangten nur die Seelen, denen die Götter besonders gewogen waren. Calusia: Es könnte Caligula gemeint sein, dem Inzest mit seiner Lieblingsschwester Drusilla vorgeworfen wurde. Sophronias Gemahl, der Gouverneur von Rom, gab dem Drängen des Kaisers Marentius nach, der ­Sophronia für sein Vergnügen beanspruchte. Als sie zum Kaiser geholt werden sollte, bat sie um einige Zeit Aufschub, angeblich um sich schön zu machen, und erstach sich selbst mit einem Dolch im Jahr 310 n. Chr.

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Actus I, Scena 5

Actus I. Scena 5.  Actus I, Scena 5 Cassianus allein. Cassianus:

Nun ist mein Hertz erfrewet, denn der Printz ist verreiset und auff solche weise verhoffe57 ich die Princessin zu mei­ ner Liebe zu bewegen. Ich hette mich schon offt gern an dem Prinzen gerochen58, habe mich aber nicht dörffen un­ terfangen, denn ich wuste wol, daß ich in seiner Gegenwart nichts ausrichten würde. Sie liebte ihn sehr, mich aber hat sie verachtet und meine Liebe gehönet. Will sie ietzt nicht in meine Liebe bewilligen, so schwehre ich, daß sie es mit dem Todte bezahlen soll, denn soll sie meine Liebe noch eines verachten59 und ihre Gegenliebe mir weigern, ohne welche ich nicht leben kann, so schwehre ich, selbige in Haß und Neid zu verwandeln. Ist sie unbarmhertzig gegen mir, so soll sie größere Unbarmhertzigkeit von Cassiano erfahren. Alß Tyrannischer Busiris60, der seine Gäste zu der Götter opfer geschlachtet, wil ich mit ihr handeln.61 Waß? Soll sie einen Landsfürsten verachten? Und sich an ihren eigenen Bruder wieder die Natur hengen. Ich weiß schon rath. Ihre Gewohnheit ist, in den Garten62 spatzieren zu gehen und alldorten bißweilen etliche Stunden zu verbleiben, entwe­ der zu schlaffen oder ihren Liebes Gedancken abzuwarten. Ich habe meinem Pagen anbefohlen auffzupassen, wann sie wieder in den Garten gehet, heimlich hineinzuschleichen und sich darinnen, biß sie sich zu schlaffen in den Schatten legt, zu verstecken; alßdann ihr Kleinod, welches ihr anhän­ get63, abzunehmen. In wehrender Zeit aber will ich mit dem König kommen, sie überfallen, der Unzucht bezüchtigen64, den Page tödten65, mit dem Kleinodt überzeugen und alß

57 [In der Wiener Handschrift beginnt hier wieder die Fortsetzung des Textes] 58 Ich hätte mich offt gerne an die Prinzessin gemacht 59 … denn sollte sie meine Liebe verachten 60 Busiris, König von Ägypten, Sohn Poseidons.

61

Busiris opferte Zeus auf Anraten eines kyprischen Wahrsagers jedes Jahr einen Fremdling, um Hunger und Dürre von seinem Land am Nil fernzuhalten. Als Herakles zum Opferaltar gezerrt wurde, zerriss er seine Fesseln und tötete Busiris, dessen Sohn Amphidamas und alle anwesenden Priester.

„Alß Tyrannischer Busiris, der seine Gäste zu der Götter opfer geschlachtet, will ich mit ihr handeln“ fehlt in der Wiener Handschrift. 62 … täglich in den Garten 63 … Kleinoth, welches sie am Halß traget … 64 … sie zu überfallen, und einer unzucht beschuldigen 65 den Pagen will ich alßobaldt mit diesem meinen gewehre tödten

Actus I, Scena 6 und 7



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eine unkeusche Dame zum Tode veruhrtheilen und so ihre Unbarmhertzigkeit belohnen. Zuvor aber will ich noch ein­ mahl umb Liebe anhalten, alßdan derselbigen zugenißen oder mich der Rache zugebrauchen.66 Actus I. Scena 6.67  Actus I, Scena 6 und 7 Page und Cassianus Page:

Gnädiger Herr, die Princessin kombt, und wird, wie ich ver­ meine, nach dem Garten gehen. Cassianus: Verzihe68 hier, ich will sie ansprechen. Page: Thut es nur, ihr werdet ihr angenehm seyn –. Ia (hinder sich), ich weiß, daß er so schön69 durch den Korb fallen wird. Actus I. Scena 7.70 Evandra, Cassianus, Page Cassianus:

Evandra: Cassianus:

Hier komt das Leben meiner Seel, sehet an die güldene Au­ rora71, durch welcher anschawung auch die wilden Thiere zahm werden.72 Ach Göttin meiner Seelen! Sehet an mein betrübtes Hertz, welches ewertwegen in großer Gefahr stecket73. Nehmet mich doch einmahl in ewre Huld und Gnaden an.74 Cassian, ich hasse euch nicht, warumb bittet ihr umb Gnade? Ewere Gnade, welche iederman genißet, bestätiget75 mein verliebtes Hertz nicht.

66 … entweder derselbigen zu genüßen oder der Rache mich zu gebrauchen. 67 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 4.] 68 [verzihe hier = warte hier] 69 braff 70 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 5.] 71 röm. Aurora, griech. Eos, Göttin der Morgenröte. Sie wird als schöne junge Frau gesehen, deren Leib und Kleidung in den Farben Rosenrot, Safrangelb und Gold schimmern. Sie wird als schöne junge Frau gesehen, deren Leib und Kleidung in den Farben Rosenrot, Safrangelb und Gold schimmern.

72 73 74 75

Hir kömmet das Leben meiner Seelen, sehet doch an die güldene Aurora, durch welcher anschauen auch die wilden Thiere ganz zam werden. stehet … und Gnade an, denn ohne eürer Liebe ist mir unmöglich zu leben. befriediget

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Actus I, Scena 7

Evandra: Cassianus:

Was begehret ihr dann vor eine Gnade? Ewre Gegenliebe ist das contentum76, welches ich so lange Zeit gesucht. Evandra: Cassian, ewer Discurs ist über meinen Verstand, ich weiß nicht, was Gegenlieb ist. Sollte dieses Prinz Myrandon sagen, ich weiß ewer Verstand Cassianus: were größer. Ia ihr sollet diesen terminus, welcher ewres Hertzen termin ist, wol auszulegen wißen.77 Ach schönste Princessin, seyd doch nicht so hartnäckigt gegen ewren un­ terthänigsten Vasallen.78 Evandra: Ihr bemühet euch mir zu gefallen, ist es nicht war, Cas­ sianus? Cassianus: Ia, werthester Engel! Evandra: Wohlan, so thut mir zu Gefallen, waß ich von euch begehre. Cassianus: So begehret dann; kann ichs mit verlust meines Lebens zu­ wegen bringen, so will ichs auch nicht schonen.79 Evandra: Cassian, es ist eine kleine Sach; wann ihr mir zu gefallen begehret, so macht euch weit von mir80, denn ie mehr ihr von mir abwesend seyt, ie mehr gefallet ihr meinem Hert­ zen, den ewere überlästige Discursen seyn mir zuwieder, darnach ihr euch zu richten wißet. Fahret wol.  (abit)81 Cassianus:

76 77 78 79 80 81 82

83 84

O vergüldeter Drache, in welchem das Gifft der Ungnade zu meinem Verderben verborgen liegt. Halt, durch MedeaKunst82 will ich alß ein Jason deine Grausamkeit mit einem Schlafftrüncklein der Rach entschläffern. Aber lang83 soltu schlaffen, alß Endimion84, indem du nicht mehr erwachen solt!  Actus I, Scena 7

Contento … Euer Verstandt were größer, und ihr würdet ihm mit andern höfflichern reden schon wißen zu begegnen. Sclaven … so will ich es auch nicht scheüen. Soll ich den dreyköpfichten Hundt Cerberum bestreiten und ans Tage Licht schlöppen, so will ich es nicht unterlaßen. weit von hir [In der Wiener Handschrift beginnt hier Scena 6.] Gestalten aus der griechischen Sagenwelt. Der thessalische Königssohn Jason wird auf der Insel Kolchis, von wo er das Goldene Vlies entführen soll, von der zauberkundigen Medea unterstützt. Sie betäubt mit einem Schlaftrunk den mächtigen Drachen, der das Goldene Vlies bewacht, so dass Jason über den schlafenden Schuppenleib hinwegsteigen und das Vlies vom Stamm der Eiche lösen kann.

länger Wenn Endymion nachts in seiner Höhle auf dem Berg Latmos in Karien schläft, verlässt die Mondgöttin ihren Wagen, um ihn zu besuchen und im Schlaf zu küssen.



Actus I, Scena 8

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Page:

(ad spectatores)85 Dieses war ein trefflicher Bescheid von einer Damen. O du armer Liebhaber, wie bistu angelauffen, das heist mit der langen Nasen abziehen. Ich bin ein schlechter Kerl, aber sollte mir dieses wiederfahren, ich wollte lieber wie unser Pferd86 beschnitten seyn und aller Jungfern verschonen. Cassianus: Page, was ich befohlen habe, verrichte. 1000 Cronen soltu vor dein Trinckgeld zu empfangen haben.87 Page: Umb 1000 Cronen wollte ich auch meine Schwester verkup­ peln, ich geschweige diese Sache zu verrichten88, aber, Gnä­ digster Herr, wegen deß Kleinods förchte ich mich, wenn es offenbahr sollte werden.89 Cassianus: Besorge dich deßen nicht, ich habe es ihr geschenckt, nun aber will ichs wieder haben, du solst außer aller Gefahr seyn. Page: Wohlan, so sey es dann, ich sehe meine Gelegenheit schon hineinzukommen.  (abit) Cassianus: Gehe nur hin, du wirst den rechten Lohn empfangen. Ich will mich ietz zu dem Könige begeben und ihme andeu­ ten, wie mein Page täglich von deß Prinzen Abreiß an bey der Princessin im Garten were und mit ihr unkeusche Liebe pflegte, so soll sie ihren verdienten Lohn90 wegen meines erlangten Abschieds empfangen.  (abit) Actus I. Scena 8.91  Actus I, Scena 8 Evandra im Garten Daß Th. verendert in einen walt oder garten.92 Evandra:

Ich bin eine weile in den Garten gespatziret, und [habe] das liebliche Florenreich betrachtet. Es scheinet alles trawrig zu seyn und mit mir Mitleiden zu haben. Die Narcißen ver­

85 [diese Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift] 86 wie unßerer Capaun verschnitten 87 … solt du vor dein Trünckgeldt von unß empfangen. 88 … ich schwere diese Sache zu verrichten. 89 … förchte ich mich, es möchte offenbahr werden. 90 … so soll sie ihren, den sie verdienet … 91 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 7] 92 [Die in der Karlsruher Handschrift von anderer Hand hinzugefügte Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift.]

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Actus I, Scena 9

welcken in ihrem Auffgang, die Purpurfarbe[nen] Rosen erbleichen93, Violen und Nägelein fallen von ihren Strau­ chen, der Hiacinth und Tulipan94 sind verdorret, die Son­ nenblume läst ihr güldenes Angesicht vor Trawrigkeit nach dem Boden hangen, und mag ihren liebsten Cynthian, nach welchem sie sich allzeit sehnet, nicht mehr anschawen.95 Es scheinet an dem jungen Morgen Nacht und in dem schönen Lentzen ein grawer Winter zu werden.96 Die zarte Jugent wird in ihrer Wiegen begraben. Nichts sehe ich, welches meiner betrübten Seelen zum Trost dienen könt; seit daß mein liebster Bruder verreiset, habe ich weder Frewd noch Schlaff97 gehabt. Ach, was kan eine unglückseelige Stunde zuwegen bringen, in welcher ein gantzes Königreich zu­ grunde gehen kann. Ich werde von Träumen und Melanco­ lay gantz müde, der Schlaff beginnet mich zu überfallen. Ich wil mich hier unter diesem Baum ein wenig niederlaßen. Der Himmel gebe, daß ich ein wenig ruh empfinde. O komm, Morpheus, zu mir, und erquicke meine krancke Seele mit einem süßen Traum.

Mach mich der Sorgen loß98, ein süße Ruh mir schaff, Daß meine Seel in dir, o werther Printz, entschlaff.99

Actus I. Scena 9.100  Actus I, Scena 9 Page und Evandra Page:

Mich beduncket nun Zeit zu seyn101, mein Vorgenommenes Werck zu verrichten. Geht es mir an, so habe ich 1000 Cro­ nen zu empfangen, fehl es mir, so kann ich mich entschuldi­ gen102, weil man kein arges auff mich gedencken wird. Aber

93 … die purpurfarben Rosen verbleichen … 94 Tulpanon 95 … nicht mehr vor traurigkeit anschauen … 96 Es scheinet an den jungen Meyen und in den schönen Lentzen ein grausamer winder zuwerden. 97 … Fröligkeit noch Schlaff … 98 Mach mich der Sorgen frey 99 [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] legt sich nieder. 100 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 8] 101 Mir deücht, es sey nun zeit 102 so kan ich mich leichtlich entschuldigen, derweil man …

Actus I, Scena 10



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Abb. 2: Szenenbild aus einer gekürzten Aufführung durch Mitglieder des Theaters für Vorarlberg in Schnifis am 25. August 1983.

hier schlafft sie eben. St! still103, und das Kleinodt hanget gut abzunehmen! Wohlan, ich wage es, und sollte es meinen Halß kosten. (Er nembt das Kleinod ab und will hinweg gehen)104



Actus I. Scena 10.105  Actus I, Scena 10 Evandra, Page, König, Cassianus Cassianus:

103 104 105 106 107

Sehet, Gnädigster König, dieses habe ich schon offtermals gesehen, doch nicht alß in Abwesenheit Ewrer Mayestät straffen wollen.106 Sachte, sie hett uns hören rauschen, dar­ umb symulirte sie107, alß wenn wie schlaffe, damit sie der

Aber stille, sie schläffet, das Kleinoth … [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] geht zu Ihr. [In der Wiener Handschrift ist es Scena 9] … aber ich habe sie in abwesenheit Ihrer Mayestät nicht anreden wollen … … darumb stellet sie sich, alß ob sie schliffe …

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Actus I, Scena 10

Schandtthat108 nicht bezüchtiget werde. Nimme hin, du ver­ fluchter Hund, deinen verdienten Lohn. (Er ersticht den Page) Ich empfange den Lohn, warumb bin ich so frech gewesen, Page: diese That zu verrichten?109 O Himmel, ich sterbe! König: Was wir mit Augen sehen, das kan unser Hertz nicht betrie­ gen, o Ihr Götter! Dieses [habe ich] lang gesorget, darumb meinen Sohn verschicket, o du unkeusche Zoe!110 du ver­ fluchte Phrire111 und nicht eines Königes Tochter! Ich habe so viel Sorge für dich getragen, und du Ehren-Vergeßene schändest meine Ehre in meinen alten Tagen. Schlaffe nur fort, dieses Eysen soll dich auf ewig entschläffen.112  (wil sie erstechen) Cassianus: Haltet ein Gnädister Herr, mäßiget ewren Zorn, es were allzu erschröcklich, seines eigenes Kind zu ertöden. Evandra: Ach, was sehe ich hier, meinen Königlichen Vatter? mit ­einem bloßen Degen? Was soll das bedeuten? König: Deinen Todt, verfluchte Hexe113, bedeutet es. Evandra: Ach, was habe ich denn begangen? daß ich meinen liebsten Herrn Vattern so erzürnet hab?114 König: Fort, führet sie fort nach dem Gefängnus. Wir wollen lieber ohne Kinder alß ohne Ehre leben. Wo ich selbsten sie straf­ fen werde115, so wird die gantze Welt bekennen müßen, daß ein ehrliebendes Gemüth von einem lasterhafftigen Men­ schen nicht könne entunehret werden. Cassianus: Hier bey dem toden Cörper sehe ich was gläntzen. König: Sehet zu, was es ist. Cassianus: Es ist ein Kleinod und deme gleich, welches die Princessin zu tragen pfleget. König: Die hat ihren Hurenbuben ia bezahlen müßen, mit diesem kan ich ihre leichtfertigkeit überzeugen.116 108 Schande 109 Ich empfange den Lohn, o Himmel, ich sterbe. 110 Zoe (gest. 1050), drei Monate lang byzantinische Kaiserin, berüchtigt durch ihre zahlreichen Affären. Sie soll den Mörder ihres Gatten geheiratet und zum Kaiser gekrönt haben. Phrire: Phryne, griechische Hetäre des 4. Jahrhunderts vor Chr., berühmt wegen ihrer großen Schönheit.

111 Ach du unkeusche! du verfluchtes mensch … 112 … soll dir einen ewigen schlaff bedeuten. 113 du verfluchte Hure 114 … so sehr erzürnet habe. [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] (gehet ab) 115 Wann ich sie selbsten straffen werde … 116 … mit diesem nun kann ich Ihren Hurenstück und Leichtfertigkeit bezeugen.

Cassianus: König:

Cassianus:

Actus I, Scena 11

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Es gerewet mich Ihre Mayestät, daß ich es offenbahret hab, doch konte ich solche Schande nicht mehr ansehen.117 Cassian, ihr habt wohl dran gethan, unsere Gnade solt ihr derentwegen empfangen. Wir lieben auffrichtige Leute und hassen die Schmeichler118, derenthalben folget uns, wir wol­ len die Ritterschafft beruffen laßen, umb das Urtheil über eine unkeusche Dame zu fällen. Wenn aber einer vorhanden were, ihre Unkeuschheit zu defendiren, sollet ihr ihn durch ewre dapfferkeit bestreyten.119 Ihre Mayestät haben zu befehlen, ich habe einen tewren Eyd geschwohren, eine unkeusche Dame zu straffen. Auff Ewre Mayestät begehren schlage ich solches nicht ab.120

Der Anfang ist sehr gut, so wird das Ende schließen, So muß ihr ungenad ein stoltze Dame büßen.  (abeunt) Actus I. Scena 11.121  Actus I, Scena 11 Damon, Dymas, Amoena Damon:

Amoena:

Dymas:

Wie kombt es, liebes Kindt Amoena, daß du so trawrig her­ umbgehst? Deine süße Stimm habe ich alle Tag bey den Schaffen gehöret122, nun aber schweigestu und schlägest deine Augen gen boden.123 Lieber Vatter, mein Bruder thut mir so übel, er begehret ohne unterlaß unzuläßliche Sachen von mir124 und trawet mir, so ich es ihm nicht bewilligen wil, daß er mich schlagen wolle.125 Vatter, es ist erlogen, daß ich was unrechts von ihr begehre, nur daß sie mein Weib sol seyn.126

117 … doch konte ich solches nicht länger ansehen. 118 … und haßen die schelmerey … 119 [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] (gehet ab) 120 Auf ihro Mayestät Befehl schlage ich solches nicht ab, sondern bin, wie auch schuldig, zu gehorsamen fertig. 121 [In der Wiener Handschrift beginnt hier „Actus Secundus. Scena Prima“] 122 Deine süße stimme liesestu allezeit bey den schaffen hören. 123 … und schlägest deine augen zur Erden nieder. 124 … mein bruder thut mir so viel übels, er begehret ohn unterlaß ettliche sachen von mir … 125 … träuet er mir mit schlägen. 126 O Vatter, sie lügt es in ihren Halß, es ist nicht wahr, daß ich was ungebürliches von ihr begehre, sondern ich will, daß sie mein weib seyn soll.

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Actus I, Scena 11

Damon:

Du Ehrloser Schelm, ist es nicht gnug? soltu deine Schwe­ ster zum Weibe haben? Dymas: Warumb nicht? Sie ist mir ia näher befreund alß ein andere, und darzu ist sie viel schöner auch alß andere. Du magst deinem Sohn ia ehe was gönnen, alß einem andern.127 Amoena: Sehet, liebster Vatter, diß hat er schon offt begehrt, und ich habe mich geschämbt, solches zu offenbahren. Gib dich zufrieden, liebe Tochter, ich wil dir schon ruhe128 Damon: schaffen, sey nur fleißig und hüte wol. – Du ungeschlieffener Esel, solt hinfüro nicht mehr hüten, sondern in dem Wald das Holtz zubereiten. Dymas: So soll ich dann meine Schwester nicht zum Weibe haben?129 Amoena: Nein, ich wil dich nicht, du garstiger Schelm. Damon: Nein, du solt sie nicht haben, und wo du nicht ablassest, so wil ich dich prügeln. Dymas: So wil ich nicht mehr hier bleiben, mit Steinen wil ich mirs vergeben – Adieu, liebe Schwester! Adieu, Vatter, du alter Schelm.130 Damon: Gehe hin, wo du wilt, du wirst mich nicht viel kräncken. Komm, liebe Tochter, nach Hauß, und treibe deine Schäff­ lein wiederumb auff die bunden Felder. Laße deine Trawrig­ keit fahren, dein Bruder soll dich wohl zufrieden laßen. Amoena: Lieber Vatter, ich wil heute meine Lämmer auff das Bergel, welches an den Wald stoßet131, treiben, damit ich mich vor der heißen Sonnen beschatten möge.132 Damon: Treibe hin, wo du hin wilt, aber gib wohl achtung, daß dich kein abschewlicher Satyr entführe, welche Abendszeit all­ dort zu erscheinen pflegen. Sihe zu, daß du bey Zeiten wie­ der nacher Hause kommest.  (abeunt)

127 [Dieser Part des Dymas ist in der Wiener Handschrift nach den folgenden Sätzen der Amoena eingeschoben:] Warumb denn nicht, sie ist mir so lieb alß eine andere, und ist mir auch mit freundschafft näher verwandt alß eine andere, und ich habe sie so lieb, ich wolte sie vor Liebe auffreßen. 128 … ich wil dir schon recht schaffen … 129 Dimas: Vater, soll ich sie denn nicht lieben? 130 Nun wohlan, soll ich meine Schwester nicht haben, so will ich auch nicht länger bey dir bleiben, sondern will von dir lauffen, und mich mit steinen vergeben. Adieu Vatter, du alter Schelm! (Gehet ab) 131 … auf den kleinen Berg, der so an den Waldt stößet … 132 … verbergen mag.

Actus I, Scena 12 und 13



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Actus I. Scena 12.133  Actus I, Scena 12 und 13 Myrandon Myrandon:

Unglückseeligkeit ist mein Nam, Verzweiffelung mein Le­ ben, und der Todt mein Königreich. Der bleichen Hecate134 habe ich schon 100 Opfer135 nach der Höllen geschicket, ie­ mehr ich durch fechten den Todt suche, iemehr überwinde ich. Proserpina136 wartet mit verlangen auff mich, und Ca­ ron137 hält sein Schifflein schon fertig mich überzuführen. Die Sonne scheinet zwar heiß, und bemühet sich, mich zu erlegen138, die Erde spaltet sich auff und träwet mich zu ver­ schlingen, und thut es doch nicht. Ich bin meinem Hoffmei­ ster entkommen und habe mich bey der Nacht verkleidet. Wenn er mich schon antrifft139, er wird mich nicht erkennen. Ich bin heut den gantzen Tag140 durch Hecken und Stauden gelauffen, daß ich sehr müde bin. Ich wil mich hier unter diesem baum ein wenig zur ruhe begeben. Ach daß ich doch meines Lebens ein Ende machen köndte.

Actus I. Scena 13.141  Actus I, Scena 13 Evandra in der Gefängnuß Die gaße mit der gefängnuß. Th.142

133 [In der Wiener Handschrift ist es Actus II, Scena 2] 134 Hekate: alte mächtige Gottheit, die im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt herrscht. Göttin des Zaubers (Kirke und Medea hatten von ihr gelernt und galten als ihre Begleiterinnen.) Hekate kann Sterblichen jede Gunst gewähren oder verweigern. Deshalb ruft in der „Liebes Verzweiffelung“ Myrandon sie an, als er den Tod sucht.

135 … schon über 1000sent opfer … 136 Proserpina (röm., Persephone (griech.) = die Furchtbare, die Zerstörung Bringende, Göttin der Unterwelt, Todesgöttin. Sie wurde von Hades in den Tartaros entführt. Auf Drängen der Erdmutter Demeter musste Hades sie wieder in die Oberwelt bringen, wo sie neun Monate verweilen durfte; drei Monate im Jahr musste sie aber im Tartaros verbringen. Caron: Fährmann über den Fluss Styx, der das Totenreich, den Tartaros, im Westen begrenzt.

137 138 … mit ihren strahlen mich zu erlegen. 139 … schon antreffen solte, würde er mich doch nicht kennen. 140 … ich bin die gantze Nacht … 141 [In der Wiener Handschrift fehlt dieser Auftritt an dieser Stelle. Er ist dort als 10. Scena des II. Aktes eingeschoben.] 142 [Die in der Karlsruher Handschrift von anderer Hand hinzugefügte Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift]

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Actus I, Scena 13

Evandra:

Nun erfrewe dich, Evandra, bald wirstu deiner Qual ent­ lediget werden.143 Meine unschuld wil ich verläugnen und gutwillig bekennen, was ich nie begangen hab, denn durch diesen angenehmen Todt kan ich erlangen, was mir die Welt und das falsche Glück mißgönnet hat. Fidelmo schreibet, wie sein liebster Prinz ihme gantz rasend und verzweiffelt in der Nacht entkommen sey, seine Kleider aber sind am Gestaade deß Meers gefunden worden, und nach aller Men­ schen Muthmaßung [hat] er sich darinnen ersäufft. Ach Neptunus und Thetis144, bewaret wol einen so edlen Gast.145 Schicket eylends ewre schnelle Delphinen146, mich bald alß seine liebste Schwester und Braut abzuholen. O angeneh­ mer Tag, an welchem ich solle gerichtet werden, niemalen soll Venus147 eine so fröliche Zeit gehabt haben148, wenn sie sich mit ihrem liebsten Adonis149 ergözet, alß ich, indeme ich durch den Todt mit meinem Liebsten geparet werde.150 Die Götter werden sich erfrewen und auff unsere Ver­ trawung kommen. Ietz erkenne ich, daß die Götter barm­ hertzig seyndt, Jupiter151 hat meine Angst, Diana152 meine keusche, doch verliebte Seele angesehen153, Mercurius154 soll umb seiner frölichen Bottschafft willen, nach meinem Todte einen süßen Kuß von mir zu lohn empfangen. Ver­ zeihe, liebster Prinz. Ich höre deinen Geist ruffen. Verzeihe, wertheste Seele, bald wil ich deiner angenehmen Gegenwart genißen.155  (abit)

143 … baldt wirstu deiner Qual entkommen und entlediget werden. 144 Neptunus (griech. Poseidon): Gott des Meeres. Thetis: Unsterbliche Göttin des Meeres, Mutter des Achill. 145 … bewahret wohl einen so lieben und werthen gast. 146 … schicket schnell eüre geschwinde Delphine … 147 Venus (griech. Aphrodite): Göttin der Lebenskraft, der Liebe, des Glücks und der Siege. 148 … niehmahls soll Venus fröhlichre zeitung gehabt haben … 149 Nachdem Venus dem Adonis bei seiner Geburt aus einem Myrrhenbaum rettend zu Hilfe gekommen war, machte sie ihn später zu ihrem Geliebten, obwohl auch Persephone Anspruch auf Adonis’ Liebe zu haben glaubte.

150 … vermählet werde 151 Jupiter (griech. Zeus): höchster Himmelsgott, von dem alle Himmelserscheinungen kommen. 152 Diana (griech. Artemis): Göttin der Jagd, Herrin der Tiere, der freien Natur, ewig jungfräuliche Schwester des Apollon.

153 … meine keusche Seele angesehen … 154 Mercurius (griech. Hermes): Er konnte die Zukunft vorhersagen und geleitete die Verstorbenen in die Unterwelt. (Deshalb ruft Evandra ihn an, denn sie sucht den Tod.)

155 … theilhafftig werden.



Actus II, Scena 2 und 3

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Actus II. Scena 2.156  Actus II, Scena 2 und 3 Amoena Th: Wieder verendert, In dem Walt.157 Amoena:

Ach, wie wunderbarlich ist das Glück, sowohl bey den ho­ hen alß niederen Stands-Persohnen. Ich zwar beklage mich nicht darüber, ob ich schon weder mein Geschlecht noch Herkommen weiß, denn mein Zuchtvatter erzehlet offt, wie mich in Kriegsläufften eine Fraw bey ihm verlaßen und nicht mehr abgeholet. Er fand in meinem Packetlein etli­ che Windeln, ein Ringel und ein Contrefait einer schönen und wackeren Frawen, daß es scheinet, daß ich von einem vornehmen Geschlecht gebohren sey.158 Doch weil es das Glück also haben wil, vergeße ich es gar leicht. Aber eines beklage ich, was ich erst newlich gehöret, nemlich dieses, daß deß Königs Frondalpheo Tochter soll mit dem Schwert hingerichtet werden. Ey159 waß für ein großes Unglück über ein so schöne Dame!

Actus II. Scena 3.160  Actus II, Scena 3 Amoena, Myrandon Myrandon Amoena: Myrandon: Amoena: Myrandon: Amoena:

Hirtin! waß machstu hier auff dem unglückseeligsten Orth, so auff der Welt ist?161 Were es der Ort, wo die Princessin Evandra sitzt, soltet ihr also reden, aber auff solche weise kan ich es nicht glauben. Was Unglück widerfähret denn der guten Princessin? Daß sie sterben soll, und darzu unschuldig, wie man sagt. Weßen Lasters wird sie bezüchtiget? Daß sie mit einem schlechten Page in Unzucht soll gelebet haben, welches nicht wohl zu glauben ist.

156 [Der Schreiber der Karlsruher Handschrift lässt in der Szenennummerierung die „Scena 1“ weg. – In der Wiener Handschrift ist es Scena 3. Als Scena 1 hat sie das Gespräch zwischen Damon, Dymas und Amoena; als Scena 2 den Monolog des Myrandon] 157 [Diese in der Karlsruher Handschrift von anderer Hand hinzugefügte Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift] 158 … aus einen vornehmen stamm gebohren … 159 … ach … 160 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 4] 161 Seid gegrüßet, Hirtin, was machet Ihr hir an diesen unglückseeligen Orte, so auf der weldt ist, dieweil ihn der unglückseeligste dieser Werltdt bedritt.

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Actus II, Scena 3

Myrandon:

So ist sie nicht unglückseeliger alß ich, durch den Todt und sonderlich durch einen unschuldigen wird man aller Un­ glückseeligkeit befreyet. Ich aber suche den Todt und kan ihn162 nicht erlangen. Amoena: Was schadet euch dann? daß ihr alß ein Verzweiffelter nach dem Tode ringet. Myrandon: Eine Liebe, welche mir die Natur eingegeben, und derselbi­ gen zu genißen verbietet. Amoena: Kan dann die Liebe der Menschen Hertzen also bethören?163 so wil ich mich wol darfür hütten. Ich flihe164 von hinnen, ich förchte mich, weil er so rasend und verzweiffelt ist. Er möchte mir einen schaden zufügen!  (abit) Myrandon: Evandra, Meine Liebste, in Gefahr deß Todes, und welche mir allezeit keuscher alß Tigranus Liebste verblieben, eines abschewlichen Lasters bezüchtiget.165 O unnatürlicher Morder einer Princessin! Hat iemahls Phaleris166 eine so grausame Tyranney verrichtet? alß die­ ser Bluthundt an meiner Seelen.167 Nun komm, gerechte Nemesis168, und verrichte dasjenige, was Myrandon befihlt. Stürtze den Todtengraber in das Grab, welches er meiner Liebsten machet. Du mein Arm und gerechtes Schwerdt, mache dich auff durch deinen dapfferen Muth169, die Un­ schuldige auff den Thron und die Falschheit in das Grab zu stürtzen. Nichts kan dich verhindern, in dieser Verkleidung wirstu nicht erkennet, insonderheit weil dich allbereit der Hoff vergeßen. Bey solcher Begebenheit ist nicht zu feyern, darumb wil ich mich alsobald auff den Weg begeben und nacher Hoff verfügen.  (abit)

162 … denselbigen … 163 Kann denn die Liebe der Menschen so bethören … 164 … gehe … 165 [In der Wiener Handschrift fehlt: „und welche mir allezeit keuscher alß Tigranus Liebste verbliben, eines abschewlichen Lasters bezüchtiget.“ 166 Phaleris (etwa 570–555 v. Chr.): Tyrann von Akragas (heute Agrigent). Die Erzählung vom ehernen Stier, in dem er seine Gegner verbrannt haben soll, ist vielleicht auf karthagische Kultformen zurückzuführen.

167 … an meiner Seelen thun kann? 168 Nemesis: Tochter des Okeanos, so schön wie Aphrodite, Nymphengöttin des Todes-im-Leben. Sie konnte Rächerin eines Frevels sein und sorgte für die richtige Verteilung von Glück und Recht im Menschenleben. Evandra nennt sie in der LV „meine Nemesis“ und gibt ihr damit eine persönliche Dimension.

169 … durch deine Tapferkeit …

Actus II, Scena 4



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Actus II. Scena 4.170  Actus II, Scena 4 Rodiman Rodiman:



Die Fama ist durch die dicke Wolcken171 über das Ionische Meer nach dem Ponto an das Cretische Ufer geflogen und [hat] angedeutet den ungewohnten Todt, so die Princessin Evandra leiden soll. Ich erschrack über diese trawrige Zei­ tung und empfande Schmertzen, daß ich mich über meine Feinde erbarmen must. Ich wurde innerlich getrieben, dem Königlichen Pallast, meinen alten Vatter und die liebe Un­ terthanen zu verlaßen172: Die verlassene Princessin zu schüt­ zen und ihr in ihrer höchsten Noth ein Trost zu seyn. Ich habe durch große Gefahr zwischen Stein und Klippen in höchstem Sturm durchgeseegelt und mich den Wasser­ bergen, welche dem Caucaso zu vergleichen wahren, anver­ trawet; aber Tiphys173 hat meine Flotte regirt, Zephyr174 ist in meinen Flanken gesessen, [hat] sich in meine Schuldern gelehnet und mich alß ein Gott zu meinem Vorhaben be­ gleitet.175 Waßer und Lufft haben mich zugleich in meiner gefährlichen Reise befördert. Nun habe ich das Landt erlan­ get, wonach ich geschiffet. Dieses düncket mich ein lustiger, schöner und bequemer Ort zu seyn zu meiner Erfrischung. Morgen, geliebt es den Göttern, sobald Aurora176 die ge­ spitzten Berge vergülten wird177, wil ich vor dem Stadt-Thor seyn und mich zu dem Kampff bereiten; Mars178 wird mei­ nen Arm stärcken. Vielleicht können unsere Eltern durch

170 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 5] 171 … durch die trieben Wolcken … 172 … den Königlichen Pallast meines alten Vatters unter der Liebe der unterthanen zu verlaßen … 173 Tiphys: Böotier, Steuermann auf der Argo. Während der Fahrt starb er an einer Krankheit. Sein Nachfol174

ger war Ancäus, des Neptun Sohn. – Die Wiener Handschrift nennt an dieser Stelle Triton, den boiotischen Steuermann auf der Argo. Zephir: In der Antike der warme, Feuchtigkeit bringende Westwind des Mittelmeergebiets, später verallgemeinerter poetischer Begriff für lauen sanften Wind. Denn wenn in der „Liebes Verzweiffelung“ Rodiman von Creta nach Epiros segelte, hätte er den Ostwind gebraucht.

175 … glücklich begleitet. 176 röm. Aurora, griech. Eos, Göttin der Morgenröte. Der Morgenstern eilt ihr voran, während die übrigen Sterne vor ihr fliehen. Ihre Kinder sind die Winde und die Sterne.

177 … sobald Aurora die spitzen des gebürges vergölden wird … 178 röm. Mars, griech. Ares. Gott des blutigen zerstörerischen Krieges (im Gegensatz zu Athena, der Göttin des besonnenen Krieges). Seine Symbole waren der reißende Wolf, der kriegerische und weissagende Specht und die Lanze.

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Actus II, Scena 4

diese meine dapfferkeit gute Freundt, und ich hernach mit der Princessin vermählet werden. Aber was höre ich vor eine liebliche Stimme? Es ist gewiß eine Nymphe, denn ihre Kehle übertrifft weit unser gewohntes Sirenen-Gesang.179

(Amoena singt:)180

Melodia

Abb. 3: Notation des Amoena-Liedes in der Karlsruher Handschrift auf Seite 6 v.

179

Die Sirenen verzauberten mit ihrem Gesang alle, die an ihrer Insel vorübersegelten, und brachten ihnen den Tod. Sie hatten das Antlitz von Mädchen, aber die Füße und Federn von Vögeln. Sie saßen und sangen auf einer Wiese zwischen den aufgehäuften Knochen der Seeleute, die sie in den Tod gelockt hatten. [Wiener HS: … denn ihre Liebligkeit übertrifft weit unßere Syrenen].

180 Die Wiener Handschrift hat keine Melodie verzeichnet; über dem Text ist dort die Regie­ anweisung: (wird gesungen)



Actus II, Scena 4

Textus Daphnis ist mein gröste Freud, Daphnis wendet alles Leyd.    Bey den Schaffen    Darff ich schlaffen   Ohne Waffen.181 Daphnis wacht vor mich und schützet meine Weyd.182 Kein grimmigs Tiegerthier Find man auff meiner Heyd, ja auch kein Satyr hier    (Echo) – Bey mir.183 Ich kan mein Heerd ietz treiben aus und ein184 Und bey den Lämmern sicher sein. 2. In dem heißen Sommertag, Wenn ich mich der Hitz beklag,    In den Awen   Ohne Grawen    Darff ich bawen, Eine Hütt, die mich vor Hitz beschirmen mag. Wann denn der Zephyr blast, In meiner Lauberhütt von einem dicken Ast    (Echo) – Ich rast.185 Alß denn mein Daphnis bey der Heerde steht, Biß daß die Hitz im Feld vergeht. 3. Tag und Nacht befleist er sich,186 Daß er mög187 beschützen mich,    In der Hitze,    Wann der Glitze188    Von dem Blitze

181 Bey den Schaffen / Kann ich schlaffen / sonder Waffen 182 Daphnis ist und schützet meine Weydt. 183 Findet man auf meiner Heydt, wie auch kein Satyr hir bey mir [ohne Echo]. 184 Ich kann meine Schäfflein treiben aus und ein 185 … durch meine Lauberhüdt, in einen dicken Ast ich rast. [ohne Echo]. 186 --- befließ er sich 187 möcht 188 die glitze

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Actus II, Scena 4

Mich erschröcken, hüt er mir das Wollen-Vieh,189 Er schewet190 kein Gefahr Damit er seine Lieb mir machet offenbahr    (Echo) – Und klar.191 Ich aber schenk ihm meine Gegenlieb,192 Zu welcher mich sein Schönheit trieb.193 4. Drumb, o Daphnis, Edler Hirt, Dem die Güldne Cron gebührt,   Komm gegangen,   Laß umbfangen   Deine Wangen, Werde mit dem Bandt der keuschen Lieb umgürt. Ey laß der süßen Stundt,194 Die ich empfangen hab von deinem Nectar-Mundt,    (Echo) – Ein Wundt.195 Drumb, o Daphnis leid ich großen Schmertz, Komm, heyle mein verliebtes Hertz. Rodiman:

189 190 191 192 193 194 195 196

O Philomela196, hätte dich nicht der berühmte Lautenschlä­ ger auß Thracia mit seiner Süßigkeit überwunden, gewiß­ lich würde dich diese Nymphe an singen ubertreffen und erlegen!197

mich erschrickt, so hüt er mir das wollen Vieh fürchtet damit er mir seine Liebe macht offenbahr und klahr [ohne Echo] Ich aber schenk ihm dargegen meine Lieb Darzu mich seine schönheit trieb. Ich preiß die süße Stundt Da ich empfangen hab Von deinen Nectar Mundt, eine Wundt [Ohne Echo] Philomela: Griechische Sagengestalt, Schwester der Prokne. Proknes Gemahl Tereus verführte Philomele und schnitt ihr die Zunge heraus, um seine Tat geheimzuhalten. Philomele webte das Geschehene jedoch in ein Tuch. Um sich zu rächen, töteten beide Schwestern des Tereus und der Philomele Sohn Itys und setzten sein Fleisch dem Vater als Speise vor. Nachdem dieser die grausame Tat erfahren hatte, wollte er die Schwestern töten, doch Zeus verwandelte alle in Vögel: Tereus in einen Wiedehopf (oder Habicht), Philomele in eine Schwalbe und Prokne in eine Nachtigall. In späteren Überlieferungen wird Philomele zur Nachtigall.

197 an singen weidt übertreffen.

Actus II, Scena 5



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Actus II. Scena 5.198  Actus II, Scena 5 Rodiman, Amoena Amoena:

Rodiman:

Amoena: Rodiman:

Mich düncket, die Sonne habe sich hinder die dicken Wolc­ ken verstecket, denn ich sehe ihre Strahlen nicht mehr über den Gebündten Wiesen199 gläntzen. Ha! was seh ich hier? den Abendstern an dem Himmel stehen? Ich habe mich in etwas verspäthet, doch höre ich andere Hirten ruffen, wel­ che auch erst eintreiben.200 Ich wil mich auch nacher Hause begeben. Laße sich Cynthia mit ihrem liebsten Endimion201, o schwartze Nacht, verstecken. Rodiman wird sich dennoch keiner Dunckelheit befürchten. Diese Hirtin oder viel mehr Göttin scheinet alß der güldene Abendstern.202 Ich wil sie anreden und umb dieses Orts Gelegenheit fragen. Es wird doch zu spat seyn, das offene Tohr zu erlangen.203 Schönste Hirtin, denn so zeiget ewer Habit, was macht ihr allein und so spat?204 Fürchtet ihr euch nicht für den wilden Thieren und Satyren205? Es ist wahr, ich habe mich etwas zu lang auffgehalten, doch weil die Hitze mittags206 so groß war und die Lämmer nicht weyden kundten, habe ich etwas an dem Abend zugegeben. Schönste Hirtin, hat es in der Nähe keine Herberge, worinn sich frembde Leute benachten207 können.

198 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 6] 199 … denn ich sehe ihren glantz nicht mehr über die bunden wiesen gläntzen. [Bünt = alem. Wiese mit Obstbäumen] 200 … welche erstlich eintreiben 201 Endimion: Schöner Sohn des Zeus und der Nymphe Kalyke. – Nicht Cynthia, sondern die Mondgöttin Selene war Endymions Geliebte, mit der er fünfzig Töchter zeugte. Wenn Endymion nachts in seiner Höhle auf dem Berg Latmos in Karien schläft, verlässt die Mondgöttin ihren Wagen, um ihn zu besuchen und im Schlaf zu küssen.

202 Diese Hirtin scheinet vielmehr eine Göttin zu seyn alß der göldene Abendstern. 203 … das Thor offen zu finden. 204 … was machet ihr so alleine an diesen Orth bey so später zeit? 205 Die Satyrn waren das ausgelassene Gefolge des Dionysos (des lat. Bacchus); ursprünglich Wald- und



Wiesenkobolde, als lüsterne, halb tierische Lebewesen gedacht. Später verwischte sich die Grenze zwischen Satyr und Faun. Die ältere griechische Kunst zeigt die Satyrn als hagere, spitzohrige Wesen mit Bart und Rossschweif. Die Gestalt des Satyrs, der Mädchen nachstellt und von den treuen Schäfern verjagt wird, ist internationales Allgemeingut der Schäferpoesie und findet sich in Tassos „Aminta“ wie auch in den Wanderschauspielen „Tragikomoedie“ (Liebeskampff 1630) und im „Tugend- und Liebesstreit“.

206 … auf den Mittag … 207 einlogiren

40 Amoena:

Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena:

Rodiman:

Amoena:

Rodiman:

Amoena: Rodiman:

Actus II, Scena 5

Es hat auff etliche Mayl keine Herberge und zudeme ist dieser Orth ringsumb mit unsicheren Wäldern umgeben208, also daß man dieselbige Straße nicht viel gehet, es seye dann, daß ihrer etliche sich versamlen und vor der wilden Lewen Angriff sich waffnen.209 Wie kan ich dann sicher zu der Stadt kommen? Morgen, mein Herr, werden unsere benachbarten Hirten und mein Vatter gar früh nach der Stadt gehen, welche die Abwege durch die Sträuche wohl wißen. Was ist dann ihr Geschäffte? Deß Königs Tochter ist zum Todte veruhrtheilet. Sie ver­ langen den Kampff zu sehen, wann sich ein Manubenicier210 vor die Princessin zu streiten angeben wolt, dann iederman trägt großes Mitleiden mit ihr. Dieses ist auch meine Meinung, darumb were diß eine gute Gelegenheit und Gesellschafft, wann ich nur an einem Ort diese Nacht zu verbleiben hette. Solte mich ewer Vatter nicht unterkommen laßen?211 O mein Herr, es komt in vielen Jahren außerhalb deß Krie­ geslauffs kein einziger frembder Mensch allhierher, die Ge­ legenheit solte viel zu schlecht212 für einen solchen Herrn seyn. Wir seyndt schlechte Leut und behelffen uns sehr ge­ naw, wir sind auch mit Lagerstatt, Eßen und Trincken sehr übel versehen213, die Lämmer seyndt all unser Reichthumb. Schönste Jungfraw, die Noth bricht die Gesetze, und die Unnathürligkeit der Noth214 vermag auch dapffere Helden zaghafft zu machen. Wenn ihr soviel bey ewrem Vatter könt zuwegen bringen, daß er mich diese Nacht beherberge, ich wolte mich sehr danckbar gegen euch erzeigen. Es steht mir nicht zu, mein Herr.215 Warumb das?216

208 Es hatt hir auf ettliche Meil weges kein dorff, und zudeme ist dieser orth ringsumb mit unsicheren wald umbgeben 209 … und vor den wilden Thieren angriff sich waffen. 210 [Manubenicier = guter Kämpfer, Ritter]; … wann sich etwan ein Ritter vor die Princessin zu streiten angeben wird … 211 … solte ich nicht bey eüren Vatter können unterkommen? 212 [schlecht = schlicht, einfach] 213 … wir seynd mit Lagerstäten und drüncken gar übel versehen … 214 … der Nacht … 215 Mein Herr, es stehet mir nicht zu. 216 Warumb nicht?

Actus II, Scena 5



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Er ist ein junger Herr.217 Und was schadet das? Es möchte mir übel ausgelegt werden, wenn ich vor euch bitten thäte, denn ich bin ein junges Mägdgen. Das fühlet mein Hertz wohl. Rodiman: Mein Vatter ist ein guter Mann, er wird euch solches nicht Amoena: abschlagen. Er ist auch lang in frembden Insuln gewesen und [hat] wol gelernet, beträngten zu helffen. Gehet nur nach der Schäfferey. Rodiman: Wo ist dann der Weg nach der Schäfferey? und wie heist ewer Vatter?218 Amoena: Über diesem Hügel auff der lincken handt in dem Thal, wer­ det ihr sie schon ersehen. Meinen Vatter heist man den alten Damon und meine Mutter Daphereta.219 Rodiman: Wohlan, ich gehe, schönste Jungfraw, kommet bald her­ nach –. Meine Furcht und Abschewen [vor] der Nacht ist nicht so groß wie ich sage. Ich habe auch wol öffter in den Wäldern benächtet, den solches muß einem Jäger keine Kunst und Verdruß seyn. Aber deine Schönheit reitzet mich, umb Herberg zu bitten.220 Amoena: Ich muß mich hier noch ein wenig auff der rechten Handt umsehen, ob ich noch etliche meiner Schäfflein finde und sie nach Hauß treibe.  (abit)221 Rodiman: Gehe nur hin, du übermenschliche Schönheit, deine süße Stimme undt freundliches Gespräch hat meine Seele ent­ zucket, deine Augen haben die meinigen bezaubert und deine Sanfftmuth hat mich meiner Königl. Mayestät be­ raubet. Prinz Rodiman soll ein Schäffer oder die Schäfferin eine Königin werden. Nun, Cupido222, lasse deinen Pfeil schißen, und erzeige, daß du ein Hertzen Zwinger bist.

Amoena: Rodiman: Amoena:

217 Darumb, weil ich ein junges Mägdlein bin. 218 Wohlan, ich gehe, schönste Hirtin, kommet baldt hernach. Mein Furcht und abscheu der Nacht ist nicht so groß, wie ich sage. Ich habe mich wohl öffters in den wäldern benächtiget, denn solches muß ein jäger nicht achten, aber deine schönheit reitzet mich umb Herberge zu bitten. – Wie heist euer Vatter und wo ist der weg? 219 Über diesen bergk auf der Linken Handt in den Thal werdet ihr sie schon sehen. Mein Vatter heißet Damon. Ich muß mich aber noch ein wenig umbsehen, ob ich nicht ettliche Lämmer finde, sie nacher Hauß zu bringen. (gehet ab) 220 [Dieser Part des Rodiman fehlt in der Wiener Handschrift] 221 [Dieser Part der Amoena fehlt in der Wiener Handschrift] 222 Cupido: Römischer Liebesgott Amor, griech. Eros. Sohn des Ares und der Aphrodite; geflügelter Knabe, der mit Pfeil und Bogen Götter und Menschen ins Herz trifft und der Liebe unterwirft. Eros selbst wurde von Liebe zur schönen Psyche, der personifizierten sterblichen Menschenseele, ergriffen.

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Actus II, Scena 5



Und du, o liebreiche Mutter der Liebe, stehe heut deinem gehorsamen Sohn bey. Zu Papho223 auff deinem Altar sol dir ein heiliges opffer rauchen.224 O glückseeliger Ort, wür­ dig von den Göttern bewohnet zu werden! Ist nicht dieses der Orth, wo Jupiter seine Juno entführet225, hat nicht Pan seine Syrinx hier verlohren? welche wieder zu erlösen ich hier kommen bin?226 Hat nicht an diesem Ort Phoebus seine geliebte Daphne hier gesucht?227 Solte sich diese Schönheit am Ufer deß Meeres blicken lassen, Neptunus228 wurde sich verlieben und Sie auff seiner Muschel nach dem naßen Reich führen. Aber diesem vorzukommen, soll Rodiman seine Stärcke dran wagen. Ich schwehre, daß ich ihre Liebe zu genießen den Königlichen Trohn verlassen wil. Denn wer über eine solche Schönheit herrschet, hat reichs genug, dann ein Reich machet große Sorgen, Jene Schönheit aber himlische Frewden.229 O Fortuna, steh mir bey! –



Nun heute diese Nacht soll Rodiman vergeßen, Daß Er auff einem Stul zu Creta sey geseßen,

223 Paphos (Hafenstadt in Zypern): Pygmalion verliebte sich in Aphrodite. Da die Göttin aber unerreichbar für ihn war, schnitt er ihr Bild in Elfenbein und flehte es an, ihn zu erhören. Gerührt von so viel Ergebenheit, belebte es die Göttin mit menschlicher Wärme. In Gestalt der Galatea gebar sie dem Pygmalion den Sohn Paphos, seinen Nachfolger auf dem kyprischen Thron. Dieser wurde der Vater von Kinyras, der die kyprische Stadt Paphos gründete und dort einen berühmten Tempel zu Ehren der Aphrodite errichtete.

224 [Der Satz „Zu Papho auff deinem Altar sol dir ein heiliges Opffer rauchen“ fehlt in der Wiener Handschrift] 225 röm. Jupiter, griech. Zeus, höchster Himmelsgott … Die Entführung der Juno durch Jupiter ist eine

226



Verwechslung, denn Jupiter ist ihr Ehegemahl. Juno als höchste Himmelsgöttin wurde nie entführt. Gemeint ist hier wohl Zeus und Io. (In der Wiener Handschrift wird diese Verwechslung berichtigt und Io eingesetzt.) Pan: Ziehbruder des Zeus. Er hatte bei seiner Geburt Hörner und einen behaarten Körper, einen Schwanz und Ziegenbeine und war so hässlich, dass seine Mutter entsetzt vor ihm floh. Gutmütig und faul, lebte er in Arkadien und bewachte die Herden. Pan verführte mehrere Nymphen, darunter auch Echo. Die in der LV erwähnte Nymphe Syrinx verfolgte er vom Berg Lykaion bis zum Fluss Ladon. Hier nahm sie die Gestalt eines Schilfrohrs an, dem der Wind süße klagende Töne entlockte. Da Pan sie nicht vom anderen Schilf unterscheiden konnte, schnitt er willkürlich einige Rohre ab und formte daraus eine Flöte (Panflöte). [In der Wiener HS fehlt der Satz:

227 [Dieser Satz fehlt in der Wiener HS] 228 Neptunus: griech. Poseidon. Gott des Meeres, von eigensinnigem und streitsüchtigem Wesen. Neptun gab seiner Gemahlin, der Nereide Amphitrite, fast ebenso viel Grund zur Eifersucht wie Zeus. Außerdem war er gierig nach irdischen Königreichen und forderte dadurch die Götter immer wieder heraus.

229 [In der Wiener HS fehlt der Satz: „Denn wer über eine solche Schönheit herrschet, hat reichs genug, dann ein Reich machet große Sorgen, Jene Schönheit aber himlische Frewden.“]



Actus II, Scena 6

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   Vertauscht umb eine Magd sein gantzes Königreich,    So wird Prinz Rodiman den grösten Göttern gleich.230                              (abit) Actus II. Scena 6.231  Actus II, Scena 6 Amoena Amoena:

Ich finde keine Schäfflein232 mehr, sie seyn schon alle voraus nach Hauß. Ich fürchte, mein Vatter werde böß seyn, daß ich so lang ausgeblieben. Ach, was mag doch das für ein schö­ ner Jungling oder Ritter seyn? Was mag doch seine Ankunfft und Verrichtung bedeuten? Seine Reden seynd lieblich, sein Angesicht schön, und seine Kleider zeigen an, daß er von hohem Stamme muß gebohren seyn. Ich empfinde mich recht wunderlich, er hat mein Hertz gantz eingenomen. Cupido233 schißet mich und ich fühle einen bitteren süßen Schmertzen234, solte er mich wol wieder lieben? Wann ihm meine keusche Liebe bewust were. Ach nein, Amoena, du bist viel zu schlecht235, du bist ein armes scheinendes Nacht­ würmlein236 gegen dieser hellgläntzenden Sonnen. Deine Liebe ist vergebens in deinem Hertzen auffgefahren. Solte er die Brunst meines Hertzens sehen, er würde erschreckent davon lauffen und selbe nicht zu löschen begehren. Ich wil mich nach Hause begeben, auffs wenigste seiner Gegenwart zu genißen, und seine Schönheit zu verwundern. –

Wer nicht liebet, trotze nicht auff die große Liebes-Macht,237 Wer die Lieb verspotten will, wird zum Sclaven gar gemacht.    Götter hat Amor gebracht in den süßen Liebes Orden.238    Dem ich zu gebieten hab, bin ich unterthänig worden. (abit)

230 Und machet sich dadurch dem grösten Göttern gleich. 231 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 7] 232 Lämmer 233 Cupido: Römischer Liebesgott Amor, griech. Eros. 234 Cupido hatt mich verwundet, ich fihle bey mir süße und angenehme schmertzen, … 235 In der Bedeutung von ‚schlicht, einfach‘. 236 … du bist ein armes und geringes Nachtwürmlein 237 Wer nicht liebt, der trutz auch nicht auf die große Liebes Macht 238 Amor hat auch Götter bracht in den süßen Liebes Orden.

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Actus II, Scena 7

Actus II. Scena 7.239  Actus II, Scena 7 Damon, Rodiman240 Damon: Rodiman: Damon: Rodiman:

Damon: Rodiman: Damon:

Rodiman: Damon: Rodiman:

Es komt mir seltzam vor, daß Amoena heute so lang auß­ bleibet; solte ihr wol was wiederfahren seyn?241 Einen guten Abend, lieber Schäffer. Ich bedancke mich, guter Freund. Was bedeutet ewre An­ kunfft an dem ungewohnten Ort, und was ist ewer begeh­ ren? Ich bin ein Frembder, lieber Schäffer, und durch einen ­starcken Wind an dieses Land getrieben. Es überfallet mich dunckele Nacht, also daß ich gezwungen werde, mich hier in dieser Gegend umzusehen, damit ich mich diese Nacht vor Ungehewer und wilden Thieren beschützen möge242, habe derowegen diese Schäfferey ersehen, und mich auff gute Hoffnung dahin begeben, bester Zuversicht, ich werde von den Innwohnern nicht außgestoßen werden, welches ich freundlich wil gebetten haben. Ich wil mich so verhalten, daß ihr nicht über mich klagen solt. Ist mein Herr allein? Gantz allein, ich hatte zwar noch etliche Gesellen, aber sie haben sich von mir verlohren. Mein guter Freundt, ihr sehet die Gelegenheit deß Orts, Ihr werdet vor ewre Persohn keine Herberg finden, doch so ihr wollet mit unser Armuth vor lieb nehmen, so möget ihr wohl einkehren. Ich bin zufrieden mit ewer Guttwilligkeit, ewere Freundlig­ keit wil ich niemals vergeßen. Saget mir doch, mein Herr, habt ihr nicht etwan auff dem Wege, wo ihr herkommt, eine Hirtin gesehen? Ich stehe in Sorgen, daß sie so lange außen bleibt. Hier kommt eben eine her. Wenn sie es ist, nach der ihr fraget, so könt ihr getrost seyn.243

239 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 8] 240 Damon, zu ihm Rodiman. 241 … solte ihr auch wohl einziges Leid wiederfahren seyn? 242 … damit ich mich diese Nacht vor wilden und ungeheüren Thieren beschützen möge. 243 Hier kombt eben eine her, ob sie es ist, nach der ihr fraget?



Actus II, Scena 8 und 9

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Actus II, Scena 8.244  Actus II, Scena 8 und 9 Amoena, Rodiman, Damon Amoena, was schadet dir, daß du außer der Gewohnheit so lange außen geblieben?245 Amoena: Lieber Vatter, es ist heute eine sehr große Hitze gewesen, die Lämmer haben erst gegen Abend angefangen zu wey­ den, habe derentwegen gedacht, etwas länger zu hüten, und darzu hat mich nicht gedüncket, so spat zu seyn. Damon: Es ist wol, Amoena, weyl dir nur nichts schadet, gehe nur hinein, deine Sachen abzuwarten. Rodiman: Ist das Ewre Tochter, lieber Schäffer?246 Damon: Ich halte sie darvor. Ich habe auch einen Sohn, aber er ist mir schon lengst entlaufen, er wolte kein gut bey seinem Vatter thun. Rodiman: (heimlich)247 O Schäffer, ich frage nichts nach deinem Sohn, ich frage nach der, welche mein Hertz beseßen. – Es ist gut, ich gehe mit euch hinein. Morgen, geliebts den Göttern, wil ich nach der Stadt.248 Damon: So gebe ich dann euch einen Wegweiser und Reißgefährten, denn ich habe mir ohne das vorgenommen, hinein zu ge­ hen.249  (abeunt) Damon:

Actus II. Scena 9.250  Actus II, Scena 9 Dymas Dymas:

244 245 246 247 248 249 250

Amoena, meine Schwester, muß mein seyn, und sollen sie zwey dutzent Schergen verhüten, ich wil meine Schwester haben251, oder ich wil meinem Vatter für die Thür schei­

[In der Wiener Handschrift ist es Scena 9] … so lange außen bleibest? Schäffer, ist dieses eüre Tochter? [Diese Anweisung fehlt in der Wiener Handschrift] Morgen aber will ich nach der Statt. Und ich will eüch den weg weißen und gesellschafft leisten, weil ich auch dahin gehe. [In der Wiener Handschrift ist es Scena 11. Die vorhergehende Scena 10 zeigt „Evandra in Gefängnuß“; in der Karlsruher Handschrift ist diese Scena in Actus I, Scena 13 eingebaut. 251 … und solten sie auch 2 tutzend Büttel oder Schergen verwahren, oder ich wil …

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Actus II, Scena 9

ßen.252 Er wil mir meine Schwester verbieten253 und er schläfft gar bey meiner Mutter, ich habe es wohl gesehen. Ich habe das Cornakel zu Delphus durch den Schwartzkünzt­ ler fragen laßen254, welches gesagt hat, es könne wol seyn, wenn ich nur meine 7 Sinnen und allmächtigen Verstandt auffthue. Ich habe mich eine Zeitlang bey dem schwartzen Kühmacher255 auffgehalten, welcher mir gerathen, ich solle nach der Stadt, allwo der König wohnet, reysen, derselbige könne wohl so viel durch seine Vorbitt bey meinem Vatter zu wege bringen, daß er mir sein Tochter lasse.256 Ich bin die halbe Nacht durch stauden und hecken gelauffen, ich habe mein Capitolium, an den Bäumen erbärmlich zerstoßen, meine Hände an den Dornern zerrißen und meine Füße wund gegangen.  – O wir arme betrübte Liebhaber! Was müßen wir nicht umb unserer Liebsten willen außstehen! Ich bin so sehr in meine Schwester verliebet, alß wie ein hungeriger Hund in einen fetten braden.257 Wenn ich sie nicht bekommen kan, so schwehre ich bey meinen gebrämbten underhosen258, und das ist ein hoher Schwuhr, daß ich mich wil vor Bekümmernuß zu Todte fre­ ßen, und solte es nichts andres alß lauter Pickelhäring seyn; Nun aber muß ich eylen, daß ich in aller früh in der Stadt sey.259(abit)

252 … meinen alten Vatter vor die thiere hoffiren. 253 Er will nicht haben, daß ich meine Schwester nehmen sollt 254 Drumb bin ich bey den Carnacul zu Delphus gewesen … 255 [schwartzer Kühmacher = alchimistischer Zauberer oder Schwarzkünster der barocken Wan­ derbühne. Schwarze Tiere galten als Geschöpfe des Teufels.] 256 … welches gesaget, es könte wohl geschehen, wann ichs nur recht anfinge, und zu dem Könige gienge, denselben anspreche, daß er mir sie gebe. 257 Ich habe mir mein Capitolium so zerstoßen, undt meine Hände und füße in den Thornen zerrißen, daß michs recht schmertzet. Ach! und was muß ein Liebhaber vor unglück ausstehen. Ich will meine Schwester haben, denn ich bin so sehr in sie verliebt, alß ein hungricher Hundt in einen Braten. Ich will derowegen zum Könige gehen, und anhalten, damit ich sie bekommen möge. (gehet ab) [In der Wiener Handschrift endet hier die Scena] 258 [gebrämbt = aus Pelz oder mit Pelz versehen – meist Seehunds- oder Otterfell) 259 [Dieser ganze Absatz ab „Wenn ich sie nicht bekommen kan …“ fehlt in der Wiener Handschrift]

Actus II, Scena 10 und 11



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Actus II. Scena 10.260  Actus II, Scena 10 und 11 Amoena Amoena:

Ach, was für frewde empfindet meine Seele, es ware ihm vergönnet von meinem Vatter mit mir zu reden.261 Er bote mir alsobald seine Liebe an und schwuhr bey seiner Rit­ terschafft, er wolle mich zu seiner Gemahlin haben. Wer wolte einem solchen die Liebe abschlagen262, welcher seine roth- und weiße Wangen von Narcissus und Adonis geer­ bet, und seine Reden und Gebeerden von Apollo gelernet hat. Dessen ist billich meine Ehre, welcher mir sein Leben und Liebe an meine Hände präsentiret. Unser Pflicht und Eyd ist gethan, die Handschrifft von süßen Liebes Gesprä­ chen ist geschrieben, und mit 1000 Küßen von Nectar und Ambrosia verzuckert, verzuckert. Er hat mir versprochen, wieder zu mir zu kommen, drumb will ich ihn hir mit Ver­ langen erwarten. –

Amor263 mein verliebtes Hertz mit den Pfeilen hat gescho­ ßen.264 Wovon nicht ein Tropfen Blut, sondern nur die Lieb geflo­ ßen.   Dennoch leyd ich großen Schmertz, welches mir doch wohl behagt,    Amor hat mich biß ins Netz diesen Abend gar gejagt.265 Actus II. Scena 11.266  Actus II, Scena 11 Rodiman Rodiman:

260 261 262 263 264 265 266

Es scheinet alles nach meinem Wunsch zu ergehen, nach meinem Willen thut das Glück, alß ob ich alß ein Gott darüber zu gebieten hätt. Diese Jungfraw hab ich lieb ge­

[In der Wiener Handschrift ist es Scena 12] Es war ihm von meinen Vatter vergönnet, mit mir zu reden. Wer wolte nun einen solchen Helden seine Liebe abschlagen Amor: römischer Liebesgott. (griech. Eros) Amor hatt mein schwaches Hertz mit den Liebes Pfeil geschoßen. Indem Amor diesen Abendt in sein Netze mich gejagt. [In der Wiener Handschrift ist es Scena 13]

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Actus II, Scena 12

wonnen, auch dero Liebe genoßen.267 Wir sind bis auf die offentliche Solennitet268 versprochen. Sie hat mir zugesagt, ehe dann der Tag anbricht, zu mir zu kommen. Aber hier finde ich sie eben, kommt her, werthester Engel, in meine Arme.269 Actus II. Scena 12.270  Actus II, Scena 12 Amoena, Rodiman Amoena:

Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman:

Ach vor frewden umbfaße ich meinen Schatz. Sehet, liebste Seele, ob nicht die Nachtigall frewde ob unse­ rer Liebe habe, welche uns zu Ehren vor frewden singet.271 Die Götter selbsten werden frewde ob unserer Liebe haben. Juno272 wird uns glück wünschen und unser rechtmeßiges Ehebett segnen.273 Ach Amoena, mein Engel! Ach werthester Schatz! Ewer Nam ist Lieblich. Ewer Angesicht ist schön. Wer solte nicht lieben? Einen solchen schönen Ritter.274 Eine solche Göttin! O der unaussprechlichen Liebe, welche mein Hertz verzeh­ ret! Welche meine Liebe einäschert.275 Ach werthester Schatz! Was vor ungewohnte Frewden emp­ findet meine Seele. Amoena ist mein Schoß, nicht ein artiger Trohn.

267 [„auch dero Liebe genoßen“ ist in der Karlsruher Handschrift von anderer Hand durchgestri­ chen.] 268 [Solennität = Feierlichkeit, Hochzeit] [In der Karlsruher Handschrift ist der Ausdruck „Solennitet versprochen“ von anderer Hand durchgestrichen und durch ein unleserliches Wort ersetzt] 269 Aber hir ist sie schon, ach last mich euch, mein Engel, in meine Arme umbfangen. 270 [Die Wiener Handschrift hat hier keinen Szenenwechsel] 271 … welche unß zu Ehren singet. 272 Juno: griech. Hera. Als treue Gemahlin des Jupiter repräsentiert Juno das Weibliche. Sie ist die Ehegöttin, die bei Hochzeiten angerufen wurde. Bei römischen Hochzeiten musste der Knoten in dem der Juno geweihten Brautgürtel vom Bräutigam geöffnet werden.

273 … und unßer Ehebette seegnen. 274 Einen solchen Ritter? 275 Welche mein Leben einäschert.

Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena:

Rodiman:

Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman:

Actus II, Scena 12

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Ein Trohn, mein Lieb?276 Ja, auff welchem eine Königin Sie mayestätisch sitzet. Eine Königin? Was vor eine, ewres verliebten Hertzens viel­ leicht, ist es nicht also?277 Ja, mein Lieb278, und eine Königin aus Creta. Eine Königin aus Creta? Und deß Prinzen Rodimans liebstes Ehegemahl. Schertzet mein Lieb? Oder ist es Ernst? Nein, ich schwehre bey den Göttern, daß es war ist. O was große Mißhandlung habe ich begangen! Soll ich ar­ mes Magdgen auff deßen Schoße sitzen, welchen ich billich anbeten solte. O durchleuchtigster Printz, vergebet Ewrer unterthänigsten Magd. Stehet auff, Gebieterin meiner Seelen, die Königinnen werden nicht gebohren, sondern gekrönet. Euch manglet nichts alß die Kron, welche schon auff Ewre Mayestät zu Creta wartet, allwo wir uns bald befinden werden. Aber mir deucht, ich höre iemand kommen. Wir müßen uns scheiden, und so fahret wohl, in 2 oder 3 Tagen wil ich meine liebste Braut abholen.279 O allzu frühes Scheyden! Es kan nicht anderst seyn. O gar zu kurtze Nacht. Der Tag kombt heran, fahret wohl. Fahret wol, mein Prinz und Ehegemahl. (abit) Ich empfinde Schwehrmütigkeit in meinen Gedancken280, mein Hertz ist etwas geängstiget. Ich habe mich etwas zu tieff in der Liebe eingelaßen. Nicht daß Sie mir zu schlecht ist, sondern weil ich diese Liebe ohne reiffes Bedencken an­ gefangen. Doch was frag ich darnach. Die große Liebe kan alles verstellen.281

276 Ein Thron? Mein Kindt! 277 Was vor eine, vieleicht eine eures verliebten Hertzens? 278 Ja, mein Hertz … 279 … in zwey oder drey tagen will ich sie alß meine liebste Braudt abholen. 280 Ich empfinde schwermüthige gedancken 281 Doch es ist geschehen, die Liebe kann alles verstellen.

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Actus II, Scena 13

Actus II. Scena 13.282  Actus II, Scena 13 Damon, Rodiman Damon:

Rodiman: Damon: Rodiman: Damon: Rodiman:

Damon: Rodiman: Damon:

Rodiman: Damon: Rodiman:

Es fanget an Tag zu werden, der Morgenstern vergehet an dem gesternten283 Himmel. Meine Nachbarn habe ich schon gehöret, sie werden nach der Stadt wollen. Darumb wil ich diesen frembden Herrn wecken.  – Ich sehe wol, mein Herr ist schon erwacht. Er wird nicht viel geschlaffen haben, denn mann pflegt in einem frembden Hause unruhig zu seyn, und bißweilen harte Träume zu haben. Nein, ich habe nicht hart geträumet, doch wünsch ich dieses wahr zu werden, was mich geträumet hat. Edler Herr, ich wolt ihm dieses gern gönnen, oder köndte ich solches in eine Histori verwandeln, so wol[t] ich es thun. Ihr könt es, wann ihr wollet. So ich es kan, thue ich es gern, saget nur den Traum. Mir traumete, wie ich auff einem königlichen Trohn ge­ seßen284, ewer Tochter geliebet, sie zu einer Königin, und euch zu einem vornehmen Herrn gemacht.285 Seyd ihr damit zufrieden. Das solte ein thorichter, närrischer und nicht ein alter, wei­ ser Man abschlagen. Aber sagt mir, wie alt ist ewre Tochter Amoena? Nach meiner Muthmaßung ist sie 16. Jahr alt, dann ich sie alß ein 2-jähriges Kindt in gewesenen Kriegsläufften286 von einer frembden Frawen bekommen, und ist niemals mehr abgeholet worden. So ist sie dann nicht ewer Tochter?287 Ich habe nicht gesagt, daß sie meine Tochter sey, sondern ich halte sie darfür. Es schadet nicht, Schäffer, sie ist mir dennoch lieb und an­ genehm.288

282 [In der Wiener Handschrift ist es Scena 14] 283 gestirnten 284 saße 285 … und wie ich eüre Tochter liebte, ich machte sie zu einer Königin, und eüch zu einem großen Herren. 286 … in großen Kriegesläufften 287 So ist sie nicht eüre rechte Tochter? 288 …, aber hatt man nichts bey ihr gefunden?

Actus III, Scena 1



51

Damon:

Nichts hat die Mutter bey ihr verlaßen, alß etliche Kindts­ hembdlein, ein Contrefaict und einen Ring. Was es werth ist, kan ich nicht wißen.289 Rodiman: Bringt es mir, ich wil es sehen, und folget mir nach der Stadt. Wir wollen weiter hiervon reden. Mir gehet ein schwehres Übel vor, ich fürchte mich einiges Unglücks.  (abeunt) Actus III. Scena 1.  Actus III, Scena 1 Frondalpheo, Cassianus, Ottonias, Evandra mit gantzem Staht.290 Die gaße oder der Königliche Hoff291 Frondalph.:

Ottonias:

Frondalph.:

Sih an deine Leichtfertigkeit, du laster aller Damen, ob sie nicht meinen Purpur und Königliches Kleidt Schamroth gemacht haben?292 Doch durch verdiente Straffen soll die Schande außgelöscht werden.293 Hat Aegles294, der sein Leben lang stumm gewesen, aus Be­ gierd, einen Betrug zu entdecken, die Sprach bekommen; warumb solle mir nicht auch das Hertz gebieten, vor diese arme Princessin zu sprechen. Gnädigster Herr und König, die Buße und Straffe ist vielerley295, wann sie doch schuldig seyn soll, welche ein Vatter gegen seinem Kindte brauchen kann. Von der Sünden abstehen, ist auch eine Buß.296 Ein König hab Macht, die Gesetze zu geben und zu brechen.297 Redet nicht zuviel, Ottonias, ihr wißet ewren Schwuhr der Ritterschafft, keine unkeusche Dame zu vertheidigen. Hütet euch der Straffe und saget kein Wortt mehr. Man frage sie selber, ob sie es nicht begangen habe.298

289 290 291 292 293 294

kan niemandt wissen König, Ottonias, Cassianus, Evandra und ettliche Ritter. [Von anderer Hand im Karlsruher Manuskript hinzugefügt] …, ob du nicht mein Purpur Kleidt mit schande beflecket hast. …, aber durch deine verdiente straffe soll alle schande abgewaschen werden.

295 296 297 298

die Straffe ist vielerley wie auch die buße Der von Sünden abstehet, das ist die gröste buße. Ein König hatt macht, gesetze zu geben, und gesetze zu brechen. Hüttet euch vor der straffe. Man sage kein wortt mehr, sondern man frage sie selber, ob sie es nicht begangen hatt.

Aegles war ein berühmter Fechter auf der Insel Samos, von Natur stumm. Als man ihn um den verdienten Preis des Sieges bringen wollte, entrüstete er sich so sehr darüber, dass sich das Band seiner Zunge löste und er sein Recht behaupten konnte. Er behielt nun die Sprache bis an sein Lebensende.

52 Ottonias: Evandra: Cassianus: Frondalph.: Ottonias: Frondalph.: Cassianus:

Actus III, Scena 2

Sagt, Evandra, habt ihr diese That begangen? Wofern ihr Euch unschuldig befindet, könnt ihr noch wol ledig kom­ men.299 Macht doch ein Ende. Was bedencket ihr euch viel, eine lasterhaffte Dame zu straffen! Ich begehre keine Gnade oder Verzeihung.300 Ach, ich erschrecke. Mein Gewißen plagt mich, sie bekennet und ist dennoch unschuldig. So gebet denn Befehl, daß man die Trommel 3 mahl rühre, wann einer vorhanden, umb die unkeusche Dame zu fech­ ten, daß er bald auch seinen rest empfange.301 (Die Trommel wird 3 mal geschlagen.)302 Gnädigster Herr und König, es laßen sich 2. Ritter anmel­ den, vor die Princessin zu fechten. So laßet sie kommen. Willkommen sollen sie seyn, wann sie erzeigen303, daß diejenige unschuldig ist, welche sich selbsten schuldig dargibt. O was habe ich angefangen! Es wird mein Leben kosten, denn die Götter stehen den Gerechten bey!304

Actus III. Scena 2.  Actus III, Scena 2 Frondalpheo, Ottonias, Cassianus, Evandra, Rodiman, Myrandon mit einem Schild, worauff ein Todenkopff.305 Frondalph.: Evandra:

So erwehle dir aus diesen Zweyen einen, welcher vor dich fechten soll, und Ihr, Cassianus, richtet euch zum Wieder­ standt.306 Der Himmel wolle dir deine Handt stärcken, Cassianus, daß du deiner Straff und ich meines Lebens erlediget werde.

299 … könt ihr noch wohl erlediget werden. 300 Ich begehre keine gnade. 301 So laßet befehl geben, ob ein Ritter vorhanden, der eine unkeusche Dame zu verfechten willens ist; laßet es mit den Paucken und Trompeten ausruffen. 302 (wird dreymahl geruffen und auf der Trompete und Paucken gespielet) 303 erweisen 304 … stehen jederzeit den gerechten bey. 305 [In der Wiener Handschrift sind hier nur die dazukommenden Personen verzeichnet:] Mirandon verkleidet, Rademon [gemeint ist Rodiman] 306 machet euch fertig zum Wiederstandt.

Cassianus: Frondalph.: Evandra:

Rodiman:

Myrandon: Evandra: Myrandon:

Actus III, Scena 2

53

Ach, ich sehe meinen Untergang auff ihren Schilden ge­ schrieben!307 So wehle dann. O daß du den rechten erwehlest!308 Wir wol­ ten gerne eine Tochter, iedoch keine unkeusche haben!309 Ich verachte den andern nicht, indem ich nur den einen wehle, beyderseits dapffer und starck. Ich erwehle ienen, welcher einen Todt310 im Schild führt. Ihr, edler Ritter, schei­ net nach dem Todt [zu] ringen in diesem Kampff. Könntet ihr denselben erlangen und mir denselben schicken311, nach welchem ich verlange, welcher schon lang in iener Welt auff mich wartet. Laßt ewern Streich, edler Ritter, nicht hart312 auff den Feind fallen. Vergönnet ihm die Victori313, alßdann könnet ihr mir sagen, daß ihr mir geholffen habt. Ritter! Die Ehre, so du von der Princessin empfangen, ist groß. Sie vertraut ihr Leben in deine Handt. Drumb sihe zu, daß du dich wohl haltest. Ich schäme mich, daß ich deßen nicht würdig geschätzet werde, da ich doch derentwegen eine weite Reise gethan. Doch wil ich verhoffen, du werdest auch dein bestes thun. Ritter, werestu nicht auff meiner Seyten, ich wolte meine Tapfferkeit an dir sehen314, aber so halt ich dich vor meinen Freund. (ad Cassianum)315 Ha! Last die Bestia kommen, welche sich hierzu wil gebrau­ chen laßen. (Sie fechten. Cassianus fält zur Erden)316 Ich sehe zwar gern, daß die Boßheit gestraffet wird; iedoch verfluche ich, Ritter, deine Handt, welche mich deß Todes und meines Liebsten beraubet.317 Sie thut318 es nicht. –

307 Ach Himmel! ich sehe albereit meinen untergang an. 308 Ach, der Himmel gebe, daß du den rechten wehlest. 309 Wir wolte gerne eine Tochter behalten. 310 Todenkopf 311 Könntet ihr denselbigen empfangen und mich zu denjenigen schicken … 312 nicht allzu hart 313 Victoria 314 sehen laßen 315 [Diese Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift] 316 (Mirando und Cassianus fechten, Mirando aber sieget ob.) 317 beraubet hatt. 318 thue

54

Actus III, Scena 2

Evandra: Myrandon: Cassianus: Myrandon: Cassianus:



Myrandon:



Was sagt ihr, Ritter? Daß der Hund sterben soll.319 Ach Ritter, haltet ein mit diesem Streich, nicht meines Le­ bens zu verschonen, sondern damit ich Evandra Unschuld und meine falsche Verleumdungen erzehlen möge.320 So sage, du verfluchter Tyrann. Evandra ist keusch und unschuldig. Ich habe sie fälschlich angegeben, auß Haß321, weil sie nach deß Prinzen Myran­ dons Abreyse mir keine Lieb erzeigen322 wolte. Den Page habe ich mit Geld bestochen und hernach den unschuldi­ gen Knaben, welchem mein Schelmen Stück nicht bewust war, durch mein verfluchtes Schwerdt umbgebracht.323 Ich besorgte, daß er mich verrathen würde. Evandra aber hat vernommen324, daß Prinz Myrandon todt ist, damit hat sie die That bekennet; derentwegen zu meinem Vorhaben billich zu helffen325, verzeihet mir, keusche und un­ schuldige Evandra, was ich an euch verübet. Ich habe es alß ein närrischer Verliebter getan. Verzeihe mir, Myrandon, daß ich deine liebste Schwester in solche Noth gebracht habe. Und nun Ritter vollführet ewre Rach, ich wil meine ver­ diente Straffe empfangen.326 Diesen Stich nun an Statt deß Printzen Myrandons, und die­ sen vor die Princeßin, und diesen an Statt seiner. Sterbe327, verfluchter Hund, und deine Seele fahre nach der Höllen, die du 1000 mahl verdienet hast. Heute soltu noch deine fleckende Sünden in dem Schwefel siedenten328 Phlegeton abwaschen. (Er ersticht ihn.)329

319 Der Hundt soll sterben. 320 Ach Ritter, haltet ein mit diesen stoß. Verschonet so lange mein Leben, biß daß ich der Evadra unschuldt und meine falsche Verleumbdung erzehlen mag. 321 [„auß Haß“ fehlt in der Wiener Handschrift] 322 beweisen 323 … das Leben benommen, auß furcht, daß er mich verrathen würde. 324 vermeinet 325 Damit hatt sie bekandt, umb auch nur den Todt zu erlangen, derowegen ist sie mir in meinen Vorhaben völlig behilfflich gewesen. 326 Nun, Ritter, vollführe deinen stoß, willig will ich meine verdiente straffe empfangen. 327 stirb 328 schwefflichten Phlegeton: Nebenfluss des Styx, des Flusses, der den Tartaros auf seiner westlichen Seite begrenzt. Der Ausdruck („Phlegeton“ = brennen) bezieht sich auf die Sitte der Leichenverbrennung, vielleicht aber auch auf die Vorstellung, dass Sünder in einem Strom von Lava verbrannt würden.

329 [Diese Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift]

Frondalph.:

Myrandon:

Evandra:

Actus III, Scena 2

55

Habt Danck, edler Ritter, Ihr erfrewet unser betrübtes Hertz. Ewre Belohnung soll seyn eine immerwehrende Gnade und Liebe, und hier empfanget dieses Kleinodt an Statt meiner Tochter, dieses soll ein Zeichen ewrer Tapfferkeit, und nur eine Gnade und Errinnerung seyn.330 Gebrauchet euch aller frewde unseres Hoffes. Was wir an unserem Sohn hier nicht haben, von welchem ich keine Erfahrung haben kan, daß sollet ihr seyn331; sollen wir unsere Tochter vermählen, so sollet ihr noch ein Wortt zu sprechen haben.332 Ich bedancke mich aller dieser Gnaden in Unterthänig­ keit, dieselbe nicht zu verschmehen. Wegen großer Kriegs Geschäfften, von welchen ich mit großem Schaden herge­ kommen, werde ich zu[rück]geruffen. Wenn ich dieselbigen werde verrichtet haben, so wil ich Ewer Mayestät alß ein gehorsamer Diener auffwarten. Verhoffe, meine Entschul­ digung werde genug seyn.333 Was Danck soll ich euch vor meine Lebens Errettung ge­ ben? Ich weiß es nicht. Wenn ich ewer Mitleiden mit mir und große Trew betrachte, so bin ich euch viel schuldig. Betrachte ich ewre Dapfferkeit, die mich zu einer Märty­ rin macht, so muß ich mich ewer erzürnen, denn ihr habt mir den Todt, welcher mir lieber ist alß das Leben, abge­ nommen. Were ewre Liebe groß gewesen, gerne würdet ihr mit mir gestorben seyn. Doch weil ewre Meynung gut war, so nehmt diesen Kuß auff ewre dapffere Handt, denn kein Mund soll von mir durch einen Kuß berührt werden, alß deß Myrandons.334

330 … dieses soll ein zeichen eürer Tapferkeit, so ihr unß aniezo erwiesen, seyn. 331 [„Was wir an unserem Sohn hier nicht haben, von welchem ich keine Erfahrung haben kan, daß sollet ihr seyn“ fehlt in der Wiener Handschrift] 332 …, so sollet ihr allezeit ein wortt darinne zu reden haben. 333 [Diese Rede des Myrandon ist in der Wiener Handschrift völlig verändert:] Allergnädigster Herr und König, die Hohen gnaden, die Ihre Mayestät mir aniezo erweisen, derowegen bin ich gantz unwürdig, denn was ich gethan, ist meiner Ritterlichen Pflicht nach meine schuldigkeit gewesen. Habe alßo in tieffster unterthänigkeit schuldigen Danck darfür abzustatten. Weil aber große Kriegsgeschäffte, von welchen ich mich dieser ursachen wiewohl mit großen schaden entfernet, wiederumb zu sich beruffen, alß werden solches Ihro Mayestät nicht in ungnaden einer Verschmähung aufnehmen, sondern sich vielmehr versichert halten, daß, sobald ich solches werde verrichtet haben, Ihrer Mayestät ich alß ein gehorsamster Diener wieder aufwarten werde. 334 [Diese Rede Evandras ist in der Wiener Handschrift verändert:] Ritter! Was vor danck soll ich eüch vor meine Lebensrettung mittheilen. Eüer Mittleiden hatt die große treüe betrachtet, so lobe ich Eüre Tapferkeit, die mich zu einer Märderin gemacht. Denn Ihr habet mir den Todt, welcher mir lieber alß das Leben gewesen, mißgönnet. So nehmet zur belohnung diesen Kuß auf Eüer tapfere Handt, denn mein Mundt soll durch Küßen von niemandt alß von Mirando berühret werden.

56 Myrandon: Evandra: Myrandon:

Actus III, Scena 3

So habe ich euch, Princessin, durch diese Überwindung ein Mißfallen gethan?335 Ja, ihr habt mich zum unglückseeligsten Menschen gemacht. Haltet ein, beraubet mich meines Nahmens nicht336, oder ich laße mich gerewen, waß ich gethan hab. Der Name Un­ glückseeligkeit ist mein. Princessin, ihr möget wohl unglück­ seelig, aber nicht die Unglückseeligste seyn.

Actus III. Scena 3.  Actus III, Scena 3 Dymas, Frondalpheo, Ottonias, Evandra, Rodiman, Myrandon, Cassianus todt. Frondalph.: Ottonias: Dymas: Frondalph.: Dymas: Frondalph.: Dymas: Frondalph.: Dymas:

Sehet zu, Ottonias, was dieser Mensch begehre. Es scheinet, Er habe etwas anzubringen.337 Was ist dein Begehren an den König? Was gehts dich an, ich wil selber mit dem König reden.338 (Ad Regem)339 Wohl Edler Vester und doppelt Gestrenger Juncker König. Warumb doppelt Gestrenger? Der nur einfach gestreng ist, der last seine Tochter nicht richten, wie ihr habt thun wollen. Du bist ein Narr nach allem Ansehen, iedoch redestu die Warheit. Sag, was ist dein begehren? Ich habe eine große Frage zu proportioniren. Ich habe eine Schwester, und ich bin ihr Bruder, ist nicht wahr, Juncker König?340 Er scheinet kurtzweilig zu seyn. Sollet ihr per Intercessione so viel bey meinem Vatter zuwe­ gen bringen, daß er mir seine Tochter gibt.341

335 … durch diese Verenderung mißfall gethan? 336 … beraubet mich meines Vorhabens nicht, … 337 [Vor der Rede Frondalpheos spricht in der Wiener Handschrift Dymas:] Dimas: Wo ist der König und welches ist Er? 338 Was geht es dich an, ich bin selbsten Mannes genug, mit ihm zu reden. EhrenVester gestrenger, und doppelt gestrenger Herr Juncker König! 339 [Diese Regieanweisung fehlt in der Wiener Handschrift] 340 Ich bin ein Manns Person, und habe eine Schwester, das ist meine Schwester, und ich bin ihr Bruder, ists nicht wahr? 341 Könnet ihr nicht per intercessionem zuwege bringen, daß ich meine Schwester vor meine Frau bekommen möge.

Actus III, Scena 3



57

Wiltu leichtfertiger Schelm deine Schwester zum Weibe ha­ ben? Dymas: Ja, warumb nicht, sie ist mir lieber alß ein andere.342 Frondalph.: Packe dich aus meinem Angesicht, du errinnerst mich eines großen Übels. Prinz Myrandon, was hat dich zu einer solchen Liebe343 ge­ trieben, welche du doch nicht wirst genißen können und vielleicht gar dein Leben kostet, denn ich [habe] lange nichts von dir gehöret. Diesem Narren ist es leichtlich zu verzeihen, denn er verste­ het es nicht beßer. Du aber hast es verstanden und dennoch gethan. Daß man den Narren aus meinem Gesicht jage. Ihr Edler Ritter, machet euch lustig an Unserem Hoff344 und gebrau­ chet euch aller Plaisir.345 Ottonias, bedienet sie wohl und bringet uns nach unserem Zimmer.  (abeunt omnes. Myrandon manet.)346 Myrandon: Glückseelig solte [ich] seyn347, wenn ich meine Liebste er­ lediget hette alß Mendoza348 und andere, welche hernach der erledigten Liebe theilhafftig worden. Aber ach, dieses ist ein allzu schröcklicher Zustandt. Ich liebe und kan nichts genißen, ich verzweiffle und kan nicht sterben. Hastu denn, du abschewliche Lachesis349, deine Schere verlohren, mein Frondalph.:

342 343 344 345 346 347 348



349

sie ist mir mit freündschafft näher zugethan alß einen andern. Soll ich sie nicht haben? … zu solchen übel … … an unßern Königlichen Hoffe. aller ergötzligkeit [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] gehen alle ab, alß Mirando bleibet. … sagen, … Ana Mendoza de la Cerda, Fürstin von Eboli (1540–1592), entstammte dem kastilischen Hochadel, Mutter von zehn Kindern. Sie wurde von ihrem Gatten Didacus von Mendoza, Fürst von Melito, Herzog von Francavilla, Grand von Spanien (gest. 1578), verlassen. Durch Indiskretionen und Intrigen waren Gerüchte entstanden, dass sie die Geliebte König Philipps II. gewesen sei. Ab 1553 war sie mit Roderich Gomez von Silva, dem Fürsten von Eboli, verheiratet. In Lope de Vegas Komödie „Die verschmähte Schöne“ (III/4) ist von einem Don Ignigo Lopez de Mendoza die Rede, der seine Frau und Kinder von den rebellischen Mauren zurückerhalten habe. Lachesis: Eine der drei weißgekleideten Moiren (Schicksalsgöttinnen oder „die Dreifache Mondgöttin“), die Erebos mit der Nacht gezeugt hat. Sie misst jedem Menschen eine bestimmte Länge des Lebensfadens zu. Nicht sie ist es, die den Lebensfaden abschneidet, sondern Atropos, die kleinste und schrecklichste der drei Moiren. (In der Wiener Handschrift steht an dieser Stelle der Name der Atropos. Der Schreiber der Wiener Handschrift, Christian Janethsky, war in der Mythologie anscheinend gut bewandert.)

58

Actus III, Scena 4

Leben350 abzuschneiden? Waß soll ich hier machen? Unter den Leuten zu sein ist mir ein Grewel, gebe ich mich zu erkennen, so kan ich doch der Princessin351 nicht genißen. Ich muß ihrer beraubt seyn und mein Leben in Sorgen und Einsamkeit elendiglich beschlißen. Nun wil ich mich wiederumb in die Wüsteney begeben und alldorten mit Verlangen meines Tods erwarten.352  (abit) Actus III. Scena 4.  Actus III, Scena 4 Rodiman Rodiman:





350 351 352 353 354 355

Meine schwehre Gedancken treiben mich vom Hoff. Die Schäfferin, welche ich geliebet, ist meine Schwester. Die Zeit, Zeichen und Contrefaict stimmen alle über eins. Meine Frau Mutter ist in dem Krieg353 vertrieben worden und nie wieder kommen, welche ihr kleines Kind, so Amoena ge­ heißen, bey ihr gehabt. Wo solte dieser Man meiner Mutter Contrefaict anders herhaben?354 O Ihr Götter, wie habt ihr eine solche schändliche Blut­ schandte zwischen uns können zulaßen? Were es Tag ge­ wesen, Phoebus355 were ob dieser That erschrocken und wieder zurück nach dem Auffgang gefahren. Nicht ohne Uhrsach hat sich Luna356 hinder Aethna dem Thesalischen Berg verstecket, damit sie solche grewliche Schande nicht anschawen dörff.357 Ich will alsobald der Amoena bey ihrem Vatter schreiben, wie daß ich ihr leiblicher Bruder und Ehrenschänder sey. Ist iemals ein unglückseeliger Mensch auff Erden gefunden worden alß ich? Habe ich unvernünfftig gehandelt, so wil ich auch mit den unvernünfftigen Thieren leben und alldorten

Hastu denn abscheulichte Atropos deine schere verlohren, meinen Lebensfaden abzuschneiden. die Princessin und aldort meinen Todt mit Verlangen erwarten. in Krigeszeiten anders bekommen haben Phoebus Apollo, Sonnengott, Sohn des Zeus. (Siehe Apollo!) In der „Liebes Verzweiffelung“ wird Phoebus dreimal als Sonnengott erwähnt, in II/5 ist er der verliebte Apollo, welcher der Bergnymphe Daphne nachstellt. Luna: römische Mondgöttin, griech. Selene, Schwester des Helios. Hier poet. Ausdruck für „Mond“.

356 357 [In der Wiener Handschrift fehlt: „… damit sie solche grewliche Schande nicht anschawen dörff.“]

Actus III, Scena 5 und 6



59

meine Straffe erwarten. Pericus358 hat eine newe Tortur und Marter erfunden, mit welcher mich die Furien359 plagen wer­ den.360  (abit) Actus III. Scena 5.361  Actus III, Scena 5 und 6 Dymas Dymas:

Ich habe alles angefangen, nichts wil mir dienstlich zu mei­ ner Liebe sein. Sie nagt in meinen Hosen, gleich wie ein Kä­ fer in dem Roßdreck. Ich liebe und kan nicht genießen. Der König hat mich auch schlecht respectirt, ich hette eine be­ ßere Antwort von ihm verhofft.362 Ich wil ietz noch einmahl nach Hause gehen und noch einmahl anhalten. Erlange ich nichts, so wil ich mich umbringen und hernach gar darvon lauffen.  (abit)

Actus III. Scena 6.363  Actus III, Scena 6 Evandra, Alidea Evandra:

358 359

Verfluchtes und verdrießliches Leben, kan ich denn deiner nicht loß werden. Ich schwere dir, Parca364, wo du mich nicht töden wilst, daß ichs selbsten thun wil.365

Periander, Tyrann von Korinth (627–586 v. Chr.) verfolgte durch harte und grausame Maßnahmen eine systematische Kolonialpolitik. Der Sage nach einer der Sieben Weisen. Furien: griech. Erinyen, Eumeniden. Unbarmherzige fluchvollstreckende, im Erebos lebende Mächte. Sie klagen den Übeltäter an und verfolgen ihn, bis er unter Qualen stirbt.

360 Hatt jemahls jemandt eine dergleichen Tortur und Marder erfunden, mit welchen mich die Fourien plagen werden. 361 [Diese Dymas-Szene fehlt an dieser Stelle im Wiener Manuskript. Sie ist dort nach der folgen­ den Szene als Scena 6 eingefügt.] 362 … von ihm erwartet. 363 In der Wiener Handschrift ist es Scena 5] 364 Parca: griech. Moirai. Schicksalsgöttin.

Ursprünglich gab es nur eine Schicksalsgöttin, Parca, die Geburtsgöttin, die später der griechischen Moira gleichgesetzt wurde und entsprechend den drei Moiren (Klotho, Lachesis, Atropos) verdreifacht wurde. In der „Liebes Verzweiffelung“ ist mit Parca die todbringende Atropos gemeint.

365 Wo du mich nicht töden wilst, so will ich es selbst thun. [„Ich schwere dir, Parca“ fehlt in der Wiener Handschrift.]

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Actus III, Scena 6

Alidea:

Evandra: Alidea: Evandra:

Alidea: Evandra: Alidea: Evandra: Alidea:



366 367 368 369 370 371

Gnädigste Princessin, laßet ab, ewre Seele zu ängstigen. Ihr ladet der Götter Zorn auff euch und richtet euch eine im­ merwehrende Pein an. Es stehet Königlichen Persohnen nicht an zu verzweiffeln. Wer weiß, ob Ewer Prinz nicht noch lebet, und ihr seiner noch einmal theilhafftig werden könt. Ach, Ewre Reden, Alidea, seynd mehr mich zu trösten alß mir zu helffen. Der Prinz ist todt, wie sollet ihr ihn zu leben bringen? Es ist war, ich kan es nicht, aber wer weiß, ob er todt ist!366 Ach es ist allzu wahr, und wenn er schon noch lebete, wie woltestu zuwegen bringen, daß Schwester und Bruder ohne der Götter Zorn und der Menschen Abschewen könten ge­ paaret werden? Dein367 Trösten ist alles vergebens. Schwester und Bruder können nicht gepaaret werden, aber Evandra und Myrandon wohl. Auff was weise können sie?368 Ich glaub es nicht. Wann mir die Princessin wird verzeihen369, wo wil ich eine wunderlich histori erzehlen. Redet, was ihr wollet, aber macht es kurtz, denn es ist nur die Zeit zu verlieren.370 König Frondalpheo führte vor 16. Jahren schwehren Krieg mit dem König aus Creta, daß es offtermahls zu Land und Waßer ein blutiges Treffen gesetzt, doch victorisirte Fron­ dalpheo offtermahls. Einsmahls wurde deß Königs aus Creta Ehegemahl, eine schwangere Fraw, gefangen und wegen ihres großen Leibes Königlich, wie auch Myrandons Mutter Agardis, die auch hoch schwanger wahr, gehalten. Nach gehaltenem Kindtbette wurde die gefangene Köni­ gin ihrem Ehegemahl nacher Creta geschicket, daß Kindt aber wegen der versprochenen ranzion371 wurde auff etliche Monath zuruck behalten. Unterdeßen schrieb die Königin an die Hoff-Dame, welche ihr allhir auffgewartet, und be­ gehrte, daß sie ihr das Kind heimlich zubringen wolte, wel­ che auff vieles Verhoffen das zu thun bewilligte, schreibet

…, aber sein todt ist noch ungewiß. Eüer trösten Auf was weise kann dieses geschehen? Wenn mir die Printzeßin verspricht zu verzeihen …, damit man nicht die zeit verliehre. [Ranzion = Lösegeld für Kriegsgefangene oder für gekaperte Schiffe]

Actus III, Scena 6



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derohalben nacher Creta, ihr ein Succurs Schiff372 zu schic­ ken. Die Dame bediente mich, schmeichelte mir, ich aber forchte mich keines Übels. Sie verblieb etlich mahl über nacht bey mir und stelte sich, alß were ich ihr so lieb, daß sie nicht ohne mich leben kunte. Einsmahls, da ich etwas hart geschlaffen, ersiehet sie die Gelegenheit, nahm das eine Kind und flohe mit besteltem Schiff darvon und also nacher Creta. Alß ich erwachte, erschrack ich sehr, sahe nur das eine Kind, welches der Königin aus Creta zugehorete. Agardis, unser Königin Kind, war entführet. Damit ich aber nicht allzu­ sehr gestrafft würde, habe ich vorgeben, das were das rechte Kindt und deß Königs von Creta were entführet, auff wel­ ches ich großen verweiß, aber nachmahls wieder Gnade er­ langt. Und also ist die Princessin von Creta, sonst Amoena genandt, in dem Nahmen Evandra mit dem Prinz Myran­ don aufferzogen und rechtmäßiger Weise verliebt373 worden. Evandra: Was höre ich? Träume oder wache ich? Alidea, dieses ist unglaublich.374 Alidea: Die Götter wißen es, und ich schwehre bey dem höchsten Iupiter375, daß es nicht anderst ist. Evandra: O Alidea, hettestu solches längsten offenbahret, so were mein Liebster nicht so jammerlich umbkommen und ich nicht in solche Verzweiffelung gerathen. O deine Erzeh­ lung komt zu spat, ich höre seinen Geist stets umb meinen Leichnamb winßeln. Alidea: Setzet ewre Hoffnung auff die Götter, sie werden euch die­ ser Qual schon entladen.376 Und kombt, ich wil euch noch mehr377 trost bringen und die sach erzehlen. Evandra: Ich folge dir, Alidea, und tröste mich selbst, du werdest mich nicht verlaßen.  (abeunt)

372 [Sukkurs = Hilfe, Unterstützung, Beistand] 373 … gegen ihm verliebt worden. 374 Alidea, ist es glaublich? 375 Jupiter, griech. Zeus: Jupiter ist auch Wächter über Recht und Wahrheit, daher der älteste und vornehmste Schwurgott, der als Zeuge angerufen wurde.

376 entledigen 377 nochmahls

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Actus III, Scena 7

Actus III. Scena 7.378  Actus III, Scena 7 Damon, Amoena Th. verendert in einen walt.379 Damon:

Amoena: Damon: Amoena: Damon: Amoena:

Damon:

Was schreibet dein liebster Prinz Rodiman gutes? Es schei­ net, daß du nicht wohl zufrieden bist. Er wird dich ia nicht verlaßen. Er hat zwar auff dem Wege sich etwas melacho­ lisch erzeiget, doch vermeine ich, es seye umb deinetwegen geschehen, weyl du nicht bey ihm warest. Es ist war, er schreibet mir selber, daß er meinetwegen trawrig ist, sonderlich, weil er mich verlaßen muß. Verlaßen? Was treibet ihn darzu? Ein erschröcklicher Zwang der Natur. Warumb wolte Fron­ dalpheo nicht zulaßen, daß Evandra mit dem Prinz Myran­ don solte vermählet werden? Darumb, weil er ihr Bruder war. Das kan aber euch nichts hindern, weil ihr aus einem Land, aber nicht von einer Mut­ ter gebohren seyd. Ach were ich ewre Tochter, so würde ich Königin in Creta. Weil ich aber eine Königliche Princessin auß Creta bin, werde ich keine Schäfferin, sondern von den Göttern eine verfluchte Schlange [seyn]. Ich habe bestialisch gelebt, darum naget mir mein Gewißen in meinem Hertzen alß wie der Geyer in Titius Brust.380 Wart nur, Titius381, ich wil dir bald gesellschaft leisten. Ich erschrecke über deinen Reden, liebes Kindt, schlage sol­ che Gedancken aus deinem Sinn. Ich sehe wohl, die Liebe verrücket dier den Verstandt. Lebe nur getrost, er wird bald wieder kommen und dich alß seine liebste Braut erfrewen. Er hat mir ia nichts davon gesagt.

378 [In der Wiener Handschrift folgt hier als Scena 6 der Monolog des Dimas: „Ich habe alles angefangen, nichts wil mir dienstlich zu meiner Liebe sein …“. (Siehe Karlsruher Manuskript, Actus III, Scena 5). 379 [Diese Regieanweisung, in der Karlsruher Handschrift von anderer Hand hinzugefügt, fehlt in der Wiener Handschrift.] 380 … alß ein nagender Wurm an meiner Brust. [Titius: Der Riese Titius überfiel Leto im Gebet in einem abgelegenen heiligen Hain in Delphi und versuchte sie zu vergewaltigen. Apollon und Artemis hörten ihre Hilferufe und töteten Tityos mit Pfeilschüssen. Im Tartarus erhielt Tityos seine Strafe: Seine Arme und Beine wurden an den Boden genagelt; die Fläche, die er bedeckte, war mindestens neun Acker groß. Zwei Geier zerhackten seine stets wieder nachwachsende Leber (nicht seine Brust, wie in der „Liebes Verzweiffelung“ vermerkt).

381 Wart nur, mein Lieb, …



Actus III, Scena 7

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Amoena: Thais382 habe ich überwunden und all ihre Schande an mich gehenckt. Die Erd schewet sich, meinen lasterhafften Leib zu verschlingen, den sie schämet sich einer so unnathür­ lichen Dochter! Ach was fang ich doch an, mein Kind zu trösten? Damon: Amoena: Mit den Furien wil ich lauffen, diesen Platz alß ein bezau­ berter Geist bewohnen. O wie werde ich vor meinem Daph­ nis383 bestehen? Wenn er sehen wird, daß ich aus ­einer un­ schuldigen Hirtin ein abschewlicher Drach und höllischer Hundt worden bin. Ich schäme mich, die Wiesen zu betret­ ten, welche ich alß eine schöne Flora bezierte. Den Wäl­ dern war ich eine keusche Diana, nun aber eine zauberische Circe384. Den Thälern385 war ich ein frölig und singender Echo386. Nun bin ich ein Monstrum und heulende Nacht­ eule. Damon: Ich wil mich umbsehen, ob ich iemand sehe, der mir meine Tochter hilfft trösten.  (abit) Amoena: Ja lauff nur hin, wo du wilt, ich werde auch meinen Weg nach der Höhle nemen, wo Hercules den Cacus387 erschlagen. 382 Thais: berühmte Hetäre in Athen und Geliebte Alexanders des Großen; 4. Jahrhundert vor Chr. 383 Daphnis: In der Dichtung des 17. Jahrhunderts – auch in den späteren Werken des Laurentius

384

von Schnüffis – wird Daphnis zum Inbegriff des göttlichen Hirten. Im „Philotheus“, dem ersten Buch des Laurentius, steht der Name Daphnis für Erzherzog Ferdinand Karl von Innsbruck. – [Der Sage nach war ­Daphnis ein sizilianischer Hirte. Wegen seiner Untreue gegenüber der Nymphe Nomia wurde er mit Blindheit gestraft. Für eine Weile suchte er Trost in traurigen Liedern, aber er lebte nicht mehr lang. Sein Vater Hermes verwandelte ihn in einen Stein; und in Syracus ließ er einen Brunnen hervorquellen, der Daphnis genannt wurde und wo jährlich Opfer dargebracht wurden.] Circe: Mächtige Zauberin auf der mythischen Ostinsel Aia. Berühmt durch das Abenteuer des Odysseus, dessen Gefährten sie zunächst in Schweine verwandelt hat. Mit ihrer Hilfe stieg Odysseus in die Unterwelt, um sich von Teiresias sein Schicksal verkünden zu lassen.

385 Thierlein 386 Echo: Pan verführte die Nymphe Echo, die später aus Liebe zu Narkissos ein unglückliches Ende fand.

387

Der nur in sich selbst verliebte Narkissos verschmähte sie und ließ sie für den Rest ihres Lebens in einsamen Schluchten zurück. Dort siechte sie vor Liebeskummer dahin, bis nur noch ihre Stimme zurückblieb. Echo war einst mit dem Verlust ihrer Sprache gestraft worden (sie konnte nur die Rufe anderer nachschwätzen), weil sie Hera mit langen Geschichten unterhielt, damit sich Zeus unbeobachtet mit seinen Geliebten treffen konnte. Kakos, ein Sohn des Hephaistos und der Medusa, war der Schrecken des Aventinischen Forstes. Aus seinen drei Mäulern schnaubte er Flammen, menschliche Schädel und Arme hingen über dem Türstock seiner Höhle, und innen leuchtete der Boden weiß von den Knochen seiner Opfer. Als Herakles das Vieh des Geryon vor sich hertrieb (zehnte Arbeit für den Perseidenkönig Eurystheus) und sich in einem Grasbett zur Ruhe legte, stahl ihm der Räuber Cacus die zwei schönsten Stiere und vier Kühe, die er an ihren Schwänzen rückwärts in seine Höhle zog. Das hungrige Muhen der Kühe verriet Herakles nach langem Suchen ihr Versteck in der Höhle, er fand aber den Eingang von einem Felsen verschlossen, den zwanzig Ochsen kaum bewegen konnten. Herakles schob ihn beiseite, als ob er ein Kieselstein wäre. Kakos spie

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Actus III, Scena 8

Actus III. Scena 8.  Actus III, Scena 8 Myrandon, Rodiman, Dymas, ein ieder auff einem besondern Ort. Myrandon: Rodiman: Dymas: Marandon: Rodiman: Dymas: Myrandon: Rodiman: Dymas: Myrandon: Rodiman: Dymas: Myrandon:

Dymas: Myrandon: Rodiman: Dymas:

O unbarmhertziger Todt! O verfluchtes Leben! O were ich gestorben! Meine Schwester ewiglich meiden! Meine Schwester geschändet und meine Liebste verlaßen! Meine Schwester geliebet und verlohren! O unglückseeliger Mensch. O verzweiffelter Prinz! O ich armer Hundts-Furt.388 Ist dann auff Erden auch ein unglückseeliger Mensch alß ich? Was höre ich meinen Nahmen in dieser Wüsteney? Wer weiß, daß ich der unglückseeligste bin? Ach armer Prinz! Dein Gewißen sagt es, ach Unglückseeligster! Unglückseeligster? Das weiß ich vor wohl, daß ich der un­ glückseeligste bin. Ha! Was höre ich eine Stimm? und sehe einen Menschen389, welcher von Unglückseeligkeit saget. Ich schwehre, daß ers thewer bezahlen soll, und diß verfluchte Frevelwortt wieder freßen. Hörstu Kerl, was vor Verwegenheit brauchstu dich, meinen Nahmen in Presentia meiner390 dir zuzueignen? Wie heistu denn? Ich heiße der Unglückseeligste.391 Das ist beym Element erlogen392, Ritter, halt ein mit diesen Wortten, sonst wird dir der Unglückseeligste den Halß zer­ brechen. Ja, du sagest recht, ich wils thun.

ihm rauchige Flammen entgegen, doch Herakles ergriff ihn und schlug in seine drei Gesichter, bis sie unkenntlich waren.

388 Berenheüter: Dieser Ausdruck ist im alemannischen Dialekt unbekannt. Bedeutung: Fau­ lenzer, Nichtstuer, wüst und ungepflegt aussehend. Zu jener Zeit der beliebteste Soldaten­ schimpfname. (Sprichwörtlich geworden durch die von Tacitus, „Germania“, Kap. 15, über­ lieferte Sitte, während der kampffreien Zeit faul herumzuliegen.) Der Ausdruck findet sich erstmals in Grimmelshausens Erzählung „Vom Ursprung des Nahmes Bernhäuter“ (1670). 389 Ha, was höre ich und sehe einen Menschen, … 390 … in meiner Gegenwarth 391 … der allerunglückseeligste 392 Das ist erlogen, Ritter, …



Actus III, Scena 8

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O wer kan das vertragen? Alle beyde spotten meines Elends.393 Da, ihr verfluchten Hunde, durch das Streiten soll der Unglückseeligste erfahren, daß er der Unglückseeligste ist.  (fechten)394 Dymas: O meine Hosen zittern. Were ich doch zu diesen Narren nicht kommen! Wenn sie über mich kommen, so zerreißen sie mich und freßen mich wiederumb auff. Hette ich mich dieses Elends niemals angemaßt! Sol das so ein großer Titul seyn, ich bin der Unglückseeligste? Es ist ein wackeres gra­ vitetisch wortt. Hette ich darfür gesagt, ich bin ein Narr, so were es mir nicht so gangen. Rodiman: Halt ein wenig, Ritter! Was sagstu von Narren? Dymas: O wehre ich 100 Meilen von hier. Ich bin zwar verzweifelt genug, ich wolte gerne sterben, wens mir nicht wehe thät. – Nein, nein, Herr, ich sagte, wie die zwey Herren so dapffer stritten, ich sage nichts von Narren. Rodiman: Es ist dir zu rathen, du Bösewicht. Myrandon: So, Ritter, laß uns ein wenig rasten, ich wil dir die uhrsach sagen, warumb ich der Unglückseeligste bin. Rodiman: Ich wil sie hören, aber ich weiß, daß sie nicht so groß seyn wird, alß die meine. Nun muß ich dran. Sie reden miteinander ab, wie sie mit mir Dymas: umbgehen wollen. O meine Hosen stincken.395 Myrandon: Aber wo ist der dritte, daß er es auch höre. Dymas: O er stecket in engen Hosen. Rodiman: Dort stehet er gantz erschrocken, er düncket mich ein Narr zu seyn. Myrandon: Komm her und höre zu. Ich bin einer aus dem hohen Rit­ ters Orden. Dymas: Und ich einer aus dem hohen Hirten Orden. Myrandon: Habe eine Schwester, schön und tugendhafft, und weil ich sie mehr alß meine Seele396 geliebet, wurde ich unbarmhert­ ziger weise von derselben durch meinen Vatter verstoßen, Myrandon:

393 … meines unglückes 394 [Regieanweisung im Wiener Manuskript:] Mirandon und Rodiman fechten. 395 … meine Hosen stincken schon vor angst. 396 … alß meine Schwester

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Dymas: Rodiman:

Myrandon: Rodiman: Dymas: Rodiman:

Dymas: Rodiman:



Actus III, Scena 8

welche ich in meinem Leben nicht laßen kan397, und dieses ist meine Unglückseeligkeit. Dem armen Teuffel gehts wie mir. Ritter, ich bekenne es, deine Unglückseeligkeit ist groß, aber der meinen nicht zu vergleichen, denn sihe an meine Be­ trübnis, ich bin der allerunglückseeligste Prinz Rodiman auß Creta398, wegen Lieb und Erbarmnus bewogen, in frembder Gestalt die zum Todte veruhrteilete Princessin Evandra zu erlösen. Nicht näher, oder ich schwehre, daß du meine Liebste oder dein Leben laßen solt. Aber weil mir das Glück nicht wolte, habt ihr es gethan. Aber ehe ich hinkam, kehrte ich nachts halber399 bey einem Schäffer ein, welchen man Damon nennet. Das ist beym Element mein Vatter. Ihre schöne Gestalt und Geberden haben mein Printzliches Hertz so eingenommen, daß ich meine Mayestät vergeßen, dem Mägdlein die Ehe versprochen, hernach ihrer Liebe ge­ noßen. O du Teuffels Kerl, was hastu gethan? Ich habe es nie wagen dörffen; nun habe ich einen Schwager, der eines Königes Sohn ist. Ich befragte den Vatter, wie alt sie were. Er aber sprach, ohngefähr 16 Jahr, denn es schon 14 Jahr ist, daß ich sie von einer wackeren Frawen, welche in Kriegsläufften400 vertrie­ ben, bey mir über Nacht lag, bekommen.401 Sie bathe mich, das Kind auff etliche Tag lang zu behalten402, sie wolte sich in der Stadt umb gelegenheit umsehen, sich auffzuhalten, ist aber nicht mehr kommen. Ich eröffnete hernach das Packetlein, so sie beym Kind verlaßen, und fand etliche Windeln, auff welchen mit Seyden gesticket war, Amoena, beneben einem Ring und Contrefaict, welches er mir hernach zeiget. Und weil dieses meiner Mutter Contre­ faict war, nahm ich klärlich ab, daß diese Schäfferin meine leibliche Schwester seyn muß. Gedenckt, Ritter, in so großer

397 … verstoßen, ich wurde gezwungen, diejenige zu laßen, welche ich in meinem Leben nicht laßen kann … 398 … ich bin der unglückseeligste Mensch und Printz Rodiman aus Creta. 399 Aber die Nacht zuvor, ehe ich hinkahm, kehrte ich bey einem Schäffer ein, … 400 Kriegeszeiten 401 … von einer wackeren Frawen bekam. Dieselbige beherbergte ich eine Nacht. 402 Frühmorgens aber bathe sie mich, ich möchte dieses kindt auf etliche Tage bey mir behalten.

Actus IV, Scena 1



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Lieb, weßwegen ich auch meinen Königlichen Trohn ver­ laßen wolt, muß ich mich ihrer entschlagen und über meiner begangenen Mißethat einen Abschewen tragen. Ich fürchte, die Erde wird mich alß Aedippus403 verschlingen.404 Myrandon: Ich bekenne es, Prinz, Ewer unglück ist groß, doch wer­ den die Götter nicht so sehr405 über ewere begangene Blut­ schande zürnen, weilen ihr sie unwißent begangen. Deßwegen aber wird meine unbesonnene Liebe gestrafft. Rodiman: Myrandon: Beliebt es euch, unglückseeligster Prinz, nach deroselben In­ sul und trawrigen Dame zu reisen? Wir wollen sie besuchen, denn bey vielen Betrübten findet man bißweilen Trost. Rodiman: Wolan, ich bin zufrieden.  (abeunt)406 Actus IV. Scena 1.  Actus IV, Scena 1 Frondalpheo, Ottonias, Evandra. Das Th.: Den Pallast.407 Frondalph.: Ottonias: Frondalph.:

Ottonias, ist es wahr? Ist der Prinz verzweiffelt und todt? So schreibet Fidelmo, welcher aus forcht nicht erscheinen darff. Die Princessin hat den Brieff empfangen und die trawrige Bottschafft schon mit vielen Trähnen beweinet. O was hab ich gethan? Ein unbarmhertziger Vatter bin ich an meinem Sohn gewesen. Derowegen werden die Götter mir auch keine Barmhertzigkeit erweisen. Hette ich nicht ander Mittel finden können, die zwey Verliebte von der Blutschande abzuhalten. O ich habe sehr mißgehandelt, verzeihe mir, liebster Sohn, weßen zarten Leib ich mit un­ schuldigem Blut befärbet.408

403 Aedipus = Oidipus, wegen eines unheilvollen Orakels von seinem Vater, dem thebanischen König Laios, im Wald ausgesetzt, heiratete unwissentlich seine Mutter Iokaste, nicht, wie in der LV von Rodiman angedeutet, seine Schwester.

Ich fürchte, die Erde werde mich verschlingen. nicht so groß [In der Wiener Handschrift beschließt Dimas die Szene:] Dimas: Ich muß diesen Kerlen auch nacheilen zu vernehmen, was weiter erfolgen wird. Denn es gefällt mir nicht allzuwohl, daß dieser Mausekopf meine Schwester beschlaffen, da man mirs doch verboten hatt. (gehet ab) 407 [Von anderer Hand hinzugefügte Regieanweisung in der Karlsruher Handschrift] 408 …, einen zarten Leib habe ich mit Blutte gefärbet.

404 405 406

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Actus IV, Scena 1



Ottonias: Frondalph.:

Evandra:

Frondalph.:

Evandra:

Verfluchte Ehre! nach der ich allzusehr gestrebet.409 Meinen Sohn hab ich derentwegen ermordet und meine Tochter zum Todte verdammet. Wer hat iemahlen einen grausame­ ren Vatter gesehen? O ich erschröcklicher C …410, welcher seinen Sohn zwar zuvor gekrönet, doch hernach iammer­ lich ermorden laßen. Ich habe meinem Sohn das Leben ge­ geben und zum Erben dieses Reichs erzeuget, aber durch meine Grausamkeit seines Lebens und Reichs enterbet. Was Theodorus411 gethan, kan auch mir gesagt werden.412 Der Götter Unbarmhertzigkeit empfinde ich schon in meiner verzweiffelten Seele.413 Verzweiffelt nicht an den Göttern, gnädigster Herr414, sie können alles Übel und Unglück wenden. Ach, getrewer Ottonias, solte ich nicht klagen? sehet an das betrübte Turteltäublein, weßen frewde ich alß ein Habicht entführet. Sehet an ihre wäßerichte Augen und große Me­ lancholey, welche eine Verzweiffelung und allzufrühen Todt veruhrsachen können. Ewrer Mayestät unnatürliche Grausamkeit zeiget an, daß ihr nicht mein Vatter seyd, sondern mein gröster Feind, welcher mich meines Liebsten beraubet, und hernach mißtrauisch zum Tode veruhrteilet. Du sagest recht, liebes Kindt, ein solcher Tyran ist kein Vat­ ter, sondern ein Feind, ia gar ein Mörder zu nennen. Ob ich dich schon mit meiner liebsten Agardis gezeuget, bin ich doch nicht würdig, dein Vatter zu sein. Und Ihre Mayestät ist auch nicht mein Vatter, noch weniger Agardis meine Mutter.

409 [Der Satz „Verfluchte Ehre! nach der ich allzusehr gestrebet“ fehlt in der Wiener Handschrift.] 410 [In der Karlsruher Handschrift ist dieses Wort nur durch ein C angedeutet. In der Wiener Handschrift heißt es: O ich erschröcklicher Mörder!] 411 Der Ostgotenkönig Theoderich (geb. 455) wurde in seinen alten Tagen sehr misstrauisch und veranlasste



nicht nur den Tod des Papstes Johannes, sondern ließ auch Boethius und Symmachus, zwei der angesehensten Männer Italiens, wegen unbegründeten Argwohns am 23. Oktober 524 enthaupten. Boethius war Theoderichs vornehmster Staatsminister, Bürgermeister von Rom, Verfasser und Übersetzer von theologischen und philosophischen Werken [Der Hinweis in der „Liebes Verzweiffelung“ dürfte sich auf die erwähnten unbegründeten Todesstrafen beziehen.

412 [Der Satz „Was Theodorus gethan, kan auch mir gesagt werden“ fehlt in der Wiener Handschrift.] 413 … an meiner verzweiffelten Brust. 414 gnädigster Herr und König

Frondalph.: Evandra: Frondalph.:

Evandra:

Frondalph.:

Actus IV, Scena 2

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Evandra, du begehrest meine Grausamkeit zu erwecken und durch meinen Zorn getödet zu werden. Nein, ich habe all­ zuviel Mörderthaten begangen. Ich schwehre bey den Göttern, daß ich nicht auß Fron­dal­ phaeus Geschlecht gebohren bin und derowegen nicht My­ randons Schwester. Ich weiß es beßer, liebes Kind, angenehm solt es uns ge­ wesen seyn, wenn ihr aus schlechtem Geschlecht gebohren weret.415 Die große Liebe meines Sohnes solte euch darnach auff den königlichen Thron, alß seine Seelen Göttin, gesetzt haben. Aber ein Schwester zu lieben ist allzu schröcklich. Ihre Mayestät, Evandra ist des Königs von Creta leibliche Tochter und heist Amoena. Die rechte Evandra ist entfüh­ ret worden, nach erzehlung meiner getrewen Alidea; Ihr Mayestät können sie befragen. So laßet sie dann, lieber Ottonias, zu uns kommen416, wir wollen dieses Abenthewer und unverhofften Zufall verneh­ men. Wo Myrandon noch bey Leben were, solte es uns er­ frewen. Aber nun erschrecken wir, weilen wir beyder Kinder uns beraubet sehen. Alidea, hütet euch vor der Unwarheit und erzehlet uns, was vorgelauffen.417

Actus IV. Scena 2. Actus IV, Scena 2 Frondalpheo, Ottonias, Evandra, Alidea.418 Alidea:

Gnädigster Herr und König, ich habe in meinem Sinne be­ schloßen, umb der Warheit willen zu sterben. Ich fürchte die darauff folgende Straffe nicht, willig wil ich sie außste­ hen. So wißet denn, daß das Kind, so vor 16. Jahren ent­ führet worden, Ewer Mayestät rechte Tochter gewesen. Die Princessin aber ist des Königs von Creta und Alaura419 leib­ liche Tochter. Damit ich aber nicht zu sehr gestrafft würde, habe ich diese vor Ewrer Mayestät Tochter außgeben. Und

415 …, wann ihr von einen geringen und schlechten Standt gebohren wehret. [„schlecht“ hat auch noch zu Goethes Zeiten die Bedeutung von „schlicht, einfach“.] 416 Ottonias, last sie alßbaldt zu unß kommen. 417 … und erzehlet unß den rechten Verlauff. 418 [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] Alidea zu Ihnen. 419 Alvara

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Actus IV, Scena 3

so schwehre ich bey meinen Göttern, Himmel und Erden und allen Elementen, daß es nicht anderst ist. Ottonias: O were dieses längsten offenbahr worden, so were Myran­ don seiner Liebe theilhafftig, wir aller Kümmernuß loß420 und diese zwey Könige alß gute Freunde vereiniget. Frondalph.: Ottonias, bringet uns von hinnen, wir empfinden uns schwach und werden mit einer ohnmacht überfallen. O ihr Götter!  (abit Frondalph. cum Ottonia)421 Alidea: O Himmel! was wiederfähret dem Könige? Hette ich es doch nicht offenbahret. Evandra: Gebt euch zufrieden, Alidea, der König wird in sich selber gehen. Fürchtet euch keiner Straffe. Alidea: Ewrenthalben, gnädigste Princessin, wil ich gerne mein Le­ ben laßen. Sterbe ich, so bringe ich ewrem Liebsten Prinzen die Pottschafft, das ihr bald nachfolgen werdet! Evandra: Und ich schwehre, solte euch was wiederfahren, daß ich euch keine halbe stunde überleben wil, denn in der frembde unter meines Vatters Feinden ohne meinen Liebsten zu leben, were mir länger unmüglich. Hattet ihr nicht meine betrübte Seele offtermahls durch einen sanfftmütigen Trost gestärcket, so were ich längst meiner Qual entlediget und den Eliseischen Seelen, allwo mein Liebster meiner mit Ver­ langen wartet, einverleibet. Aber ach! komt mit mir hinein, wir wollen beysammen des Königs Urtheil erwarten.  (abeunt) Actus IV. Scena 3. Actus IV, Scena 3 Damon, Myrandon, Rodiman. Verendert – In dem Walt.422 Damon:

Alß eine Verzweiffelte ist [sie] herumbgeloffen423, [hat] ihr Glück und Lieb verflucht, ihr selbsten den Todt geschwoh­ ren. Ich bemühete mich, sie zu trösten, es wolte aber alles nichts helffen, also daß ich mit ihr zu verzagen angefangen.

420 …, die Prinzessin ihre Bekümmernuß entlediget 421 [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] gehen beyde ab. 422 [Von anderer Hand in der Karlsruher Handschrift hinzugefügte Regieanweisung] 423 Alß eine Verzweiffelnde ist sie herumbgelauffen.

Actus IV, Scena 3



Myrandon: Damon:

Rodiman:

Myrandon: Rodiman:

Damon:

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Kaum lauff ich etliche Schritt nach meines Nachbarn Hause, umb Rath zu fragen, so ist sie mir entkommen und nach dem Walte alß ein schnelles Hirschlein zugeeylet. Ich folgete ihr auff dem Fuß nach, konte [sie] aber, sobald sie den Wald erlanget, nicht wieder zu sehen bekommen; weßwegen ich in großer Betrübnuß bin, und [ich] fürchte sehr, es werde ihr was wiederfahren.424 Hat sie euch die Uhrsach gesagt, warumb? Sie sagte, der Prinz Rodiman hette bey ihr geschlaffen, Ihr die Ehe versprochen. Nun aber habe sie von ihm erfahren, daß sie seine Schwester sey, deßwegen sie die schändliche That beweinet. Und weil sie ihres Liebsten nicht genißen kan, verzweiffelt sie. O liebes Kind, in was für Unglück hat dich dieser Prinz gestürtzet! Ach, was für ein Unglückswind hat mich eben an diese Insul getrieben? Hätten mich die schaumenden Wellen auff mei­ ner Seefarth verschlungen, wie Leander wiederfahren425, so weren wir alle dieser trawrigen Begebenheit befreyet. O Spiegel meiner Verzweiffelung! Habe ich dann nicht alß ein unschuldiger Astianas426 in mei­ ner Jugend Gott Mars können auffgeopffert werden?427 O daß mich die wilden Thiere in dieser Wüsteney, so bald ich darein kommen, zerrißen hetten! O Götter, erbarmet euch über diese zarte Blume! Laßet sie nicht in die Klawen deß erschröcklich verwandelten Licaons gerathen! welcher ihren Leib unbarmhertzig zerreißen würde. Hat sie sich in den Wald in die Wüsteney begeben,

424 …, es möchte ihr etwas Böses wiederfahren. 425 [„wie Leander wiederfahren“ fehlt in der Wiener Handschrift.]- Hero und Leander, klassisches Lie

426

bespaar. Hero war Priesterin der Aphrodite in Sestos, und ihr Geliebter Leander durchschwamm allnächtlich den Hellespont vom gegenüberliegenden Abydos aus, um zu Hero zu gelangen. Als er in einer Sturmnacht ertrank, stürzte sie sich vom Turm ins Meer. (siehe Hero) Astianax, auch Skamandrios genannt, Hektors Sohn. Damit Astianax seine Eltern und die Zerstörung der Stadt Troja nicht rächen konnte, wie die Prophezeiung sagte, riss Neoptolemos das Kind aus den Armen seiner Mutter Andromache und schleuderte es auf die weiter unten liegenden Felsen. Die rituelle Opferung eines Kindes war eine alte Sitte im östlichen Mittelmeer, wenn eine neue Stadt eingeweiht wurde. (Astianax wurde also nicht dem Kriegsgott Mars geopfert, sondern wegen einer unheilvollen Prophezeiung und aus Hass von den Mauern Trojas geschleudert.)

427 Habe ich denn in meiner Jugend alß ein unschuldiger sollen geopfert werden.

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Actus IV, Scena 3

so behüte sie, o keusche Forst Göttin Diana.428 Laß ihr in deiner bärenreichen Wildnus kein Unglück429 wiederfahren. Liebes Kind, soltestu deines Zucht Vatters430 große Beküm­ mernus wißen, du würdest dich meiner erbarmen und zu mir kommen, ehe daß ich mich zu todt gräme. Ich kan euch wohl glauben, lieber Schäffer, daß sie euch sehr Myrandon: kümmert.431 Hette ich einen solchen Vatter gehabt, so were ich nicht in dieser schmertzlichen Veränderung. Der Pur­ pur ist in ein abschewlich schwartz432 verkehret worden, die grüne Wiesen, welche die Hertzen zur Hoffnung anreitze­ ten, verdunckeln vor meinen Augen, der liebliche Geruch der schönsten433 Blumen errinnert mich deß Rauchs, so bey den Todten und stinckenden Leichen434 angezündet wird. Rodiman: Ritter, ich bin schwach und von der langen Reise matt, be­ liebt es euch, ein wenig hier zu verbleiben. Der Man ist gut, und darzu wil ich ihn schon bereden. Vielleicht können wir in dieser Gegend etwas von ihr erfahren.435 Myrandon: Ich bins zufrieden, aber nicht lang436, dann die Ruhe hilfft mir nicht zum sterben. Lieber Schäffer, wolt ihr uns wohl auff etliche Tage unterhalt geben? So wollen wir bey euch verbleiben. Damon: Von Hertzen gern, ich habe nicht weit von der Stadt.437 Im fall mir etwas abgehet, so kan ich einkauffen. Rodiman: Es ist gut, aber ihr müßet nicht sagen, daß zwey Ritter so nahe seyn, sonst würde uns der König fordern laßen. Damon: Auff ewer Begehren wil ichs niemand sagen. Rodiman: Ritter, beliebt es euch, morgen mit in den Wald zu gehen, umb etwas Wildbrät zu fangen. Myrandon: Mein Prinz, ich verbleibe zu Hauß und erwarte ewer allhir.  (abeunt)

428 Hat sie sich in den waldt begeben, so behütte sie in dieser wüsteney, o keüsche Göttin Diana! Diana (griech. Artemis): Göttin der Jagd, Herrin der Tiere, der freien Natur, des Lichts. Ihre Priesterinnen waren zur Jungfräulichkeit verpflichtet.

429 Leid 430 deines zustandes 431 bekümmert 432 in abscheüliche schmach 433 herrlichen 434 Leibern 435 Vieleicht können wir etwas von Ihm erfahren. 436 [„aber nicht lang“ fehlt in der Wiener Handschrift.] 437 …, ich habe nicht weit nach der Statt.

Actus IV, Scena 4



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Actus IV. Scena 4.Actus IV, Scena 4 Frondalpheo, Ottonias. Verendert – In die gaße.438 Frondalph.:

Ottonias:

Frondalph.: Ottonias: Frondalph.:

Ottonias:

Unser Melancholey ist groß, daß wir fürchten, das Leben dadurch zu verlieren. Wir haben unweißlich regiert, daß wir so unachtsam umb unsere Kinder kommen. Solte solches Agardis, unser verstorbenes Ehe Gemahl wißen, sie würde sich darüber betrüben und über mich ergrimmen. Ach sol­ ten die Götter nur eines von meinen Kindern wieder schic­ ken, ich wolte mich danckbar erzeigen und ihnen zu ehren einen Tempel auffbawen und das gantze Jahr Weyrauch von Saba439 brennen laßen. Was hülfft uns, [daß wir] Erben ge­ zeugt, welche nicht zu der Regierung gelangen? Gnädigster Herr und König, es ist mir leid wegen deß be­ trübten Zustandes, welcher Ihm wiederfähret. Eß trawert derentwegen das gantze Reich von Hertzen. Es were mein Rath, daß Ihre Mayestät sich selbsten ein wenig erlustrirten, sich etliche Tage auff die Jagt begeben. Vielleicht möchten Sie linderung Ihrer Qual empfinden. Die Jagt ist uns nicht zuwieder, doch wird sie nicht so viel vermögen, unser Kummernuß abzunehmen.440 Wann das Unglück komt, kan man Ihm nicht aus dem Wege weichen. Durch die Jagt können aber die beschwerthen Gemüther ihres Zustands in etwas vergeßen. Die Jagt hat auch seine Plagen und Wiederwertigkeit. Wi­ ßet ihr nicht, wie Niceas441 auff der Jagt in einen glüenden Ofen gefallen und verbrunnen, hat nicht Anteum ein wildes Schwein zerrißen. Ich weiß wol, Adrastus hat Athyn442, deß Croesi Sohn, er­ schoßen, denn er ihn ein wildes Schwein zu seyn vermeinet.

438 [Regieanweisung in der Karlsruher Handschrift, von anderer Hand hinzugefügt] 439 [Saba = Landschaft in Südarabien (Jemen) mit hoher Kultur, berühmt durch ihren Handel mit Gold und Weihrauch. Nach dem Buch der Könige 3, Kap. 10, 1–10, besuchte die Königin von Saba (Balkis) den König Salomo in Jerusalem. 440 unßer Bekümmernüß wegzunehmen 441 Niceas: In der Mythologie gibt es keine Person dieses oder eines ähnlichen Namens, die auf der Jagd in

442

einen glühenden Ofen gefallen und verbrannt sein soll, wie in der „Liebes Verzweiffelung“ behauptet wird. Könnte vielleicht Zagreus, „der große Jäger“, Sohn der Persephone, gemeint sein, der auf Geheiß Heras von den Titanen in sieben Teile zerrissen, in einem Kessel gekocht und verschlungen wurde? König Kroisos sah im Traum, wie sein einziger gesunder Sohn Atys von einer eisernen Lanz getroffen und getötet wurde. Deshalb bestimmte er, dass Adrastos, ein Phryger von königlicher Abstammung, auf der Jagd nach einem gewaltigern Eber auf Atys achten und ihn beschützen solle. Die Jagdgesellschaft

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Actus IV, Scena 4

Frondalph.:

Ottonias:

443 444

Adonis ist von einem großen Häuer ertödtet worden.443 Actaeon haben seine Hunde444 zerrißen. Aber doch mü­ ßen Ihre Mayestät betrachten, was Melanion445 für frewde an den Jagten gehabt habe446, weil er auch die schönsten Damen verachtet, bey Wind und Regen der lieblichen Jagt abgewartet. Hyppolitus447 und Sylvius448 haben die Jagt allen frewden der Welt449 vorgezogen. Die betrübten Geister wer­ den vertrieben, und die Begierden, das Gewild zu fangen, vergißet deß Elendts. Jäger, Mahler, Poeten werden gebohren, von Jugend450 kön­ nen sie ihre frewde dran haben. Ich kan mir die Jägerey nicht so lustig einbilden alß Mytritates451, welcher 7. Jahr sich auff der Jagt auffgehalten und unter kein Dach kommen. Wer eine Jungfraw liebet, dem scheinet alles an ihr schön zu seyn, und so ist es mit der Jagt. In den Feldern kan man sehen die edle Kunst der Natur, wie daß eine Blume die andere anlachet und gleichsam sich einander umhalsen.452 Hier siehet man eine Violen glänt­ zen, hier ein anderes Blümlein vor Schönheit schimmern. In dem Wald kan man sich deß kühlen Schattens gebrauchen,

spürte den Eber auf dem Berg Olympus auf, die Jünglinge bewarfen ihn mit ihren Speeren. Adrastos aber verfehlte den Eber und traf Atys. Wegen dieses Unglücks und weil er schon in früherer Zeit seinen eigenen Bruder getötet hatte, gab sich Adrastos am Grab des Athys selbst den Tod. Athis ist die Hauptperson in dem Wanderbühnenspiel „Der stumme Prinz Atis“. [Vgl. die „Historien“ des Herodot (I/34 – Adonis ist von einen großen Beeren ertötet. [Adonis wurde von einem Eber (dem eifersüchtigen Ares) ge­ tötet.] seine eigene Hunde [Actaeon überraschte Artemis und ihre Nymphen unfreiwillig beim Bad in einer Quelle. Zur Strafe wurde er von der Göttin in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Hunden zerrissen. (Hans Sachs verarbeitete das Thema in dem Spiel „Acteon zu eim Hirschen wur“. Auch das Weimarer Komödienverzeichnis (um 1710) nennt als Nr. 152 ‚Der im hirschen verwandelte acteon‘.) Melanion besiegte Aphrodite durch eine List im Wettlauf, um ihre Hand zu gewinnen.

445 446 …, was manche auch vor freüden an den [dem] jagen gehabt haben. 447 Hyppolitus, unehelicher Sohn des Theseus. Hyppolitus war ein begeisterter Jäger und verehrte, ebenso

448

wie seine Mutter Antiope, besonders die keusche Göttin Artemis. (Siehe auch Laurentius von Schnüffis: Mirantisches Flötlein, III. Teil, IX. Elegie, Str. 12, S. 322; ebenso „Mirantische Mayen-Pfeiff“, III. Teil, VI. Elegie, Str. 1, S. 279–280.) Silvius, Sohn des Aeneas und der Lavinia, hat den Namen vom Wald, in dem er geboren wurde, erhalten. (Vergil, Aeneis VI, V. 763)

449 … aller weldt Freüde 450 von Jugendt auf 451 Mithridates IV. (gest. 63 v. Chr.), König von Pontos in Kleinasien, konnte auf Grund seiner physischen Kraft und Ausdauer angeblich sehr weite Strecken in kurzer Zeit auf seinem Pferd zurücklegen.

452 gleichsam einander liebkosen



Actus IV, Scena 4

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wann Phoebus453 die gantze Erde erhitzet. Die Bäume be­ schirmen vor dem Regen, wenn sich ein Wetter erhebet454 In summa, die Jagt ist eine Göttin aller Ergetzlichkeit. Wann Ihre Mayestät solche nicht vor der Handt nehmen, so sehe ich keine Hoffnung zur beßerung. So gebet den Befehl, daß die Jägermeister alles anordneten, Frondalph.: was dazu erfordert wird. Wir wollen ewrem Rath folgen und etliche Tage uns darmit erlustigen, wo es möglich seyn kan. Ottonias: Ich wil alles auffs beste verrichten und befehlen, damit nichts an Lustigkeit ermangle. Auff den Jagten erfahret man die denckwürdigsten Abenthewer. Man trifft wunderliche Thire an, woran man sich verwundert.455 Auff der Jagt hat Arethusa456 dem Cyreno viel Unglücks zuvor gesagt, die Er vermeidet hat. Frondalph.: Wolan, bereitet uns eine Jagt. Wir wollen mit hinaus, derent­ wegen zeiget es meiner457 Tochter an (denn wir halten sie dennoch vor unsere Tochter)458, wenn es ihr beliebet mitzu­ kommen, damit sie sich bereite. Ottonias: Ja, meines erachtens braucht sie es eben wohl, daß ihr die melancholische Gedancken aus dem Sinn gejagt werden. Frondalph.: Morgen früh wollen wir hinaus, daß man die Zelten bey Zei­ ten bey dem langen Wald auff der Westseyten auffschlage. Wir unterdeßen gehen hin, noch etliche Reichs Geschäffte zu verrichten, welche sehr nöthig und keinen Verzug zu­ laßen.  (abit) Ottonias: Ach, köndt ich meinen Gnädigsten Herrn, wie auch die be­ trübte Princessin, auff dieser Jagt in etwas erlustigen. Doch allen Fleiß wil ich anwenden, denn solten sie lang in dieser Schwermüthigkeit verbleiben, so hätte man sich eines gro­ ßen Übels zu befürchten.

453 Titan [Phoebus Apollo, Sonnengott, Sohn des Zeus. In der „Liebes Verzweiffelung“ wird Phoebus dreimal als Sonnengott erwähnt, in II/5 ist er der verliebte Apollo, welcher der Bergnymphe Daphne nachstellt.]

454 Die Bäume, wenn sich ein wetter erhebet, beschirmen vor den regen. 455 worüber man sich verwundern muß. 456 Arethusa war eine Nymphe am Peneios-Fluss, als Liebhaberin der Jagd auch Gefährtin der Diana. Der Zusammenhang mit dem Inhalt der „Liebes Verzweiffelung“ ist unklar.

457 unßerer Tochter 458 [Dieser Satz ist im Karlsruher Manuskript eingeklammert, die Wiener Handschrift setzt ihn zwischen Beistriche.]

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Actus IV, Scena 5

Hier komt die Princessin, man sehe an, wie bekümmert sie daher gehet, und der König trawet ihm offt selbst das Leben zu benehmen. Gnug hat man an beyden zu trösten.

Actus IV. Scena 5.  Actus IV, Scena 5 Evandra, Ottonias, Alidea. Evandra:

Ottonias, wie stehet es mit [dem] Könige? Wil er mich nicht bald nacher Creta zihen laßen, weil ich nicht seine Tochter bin? Denn es verlanget mich sehr darnach. Ottonias: Nein, Gnädigste Princessin, ihr bleibet dennoch seine Toch­ ter alß wie zuvor; das allein sucht er, ewre Trawrigkeit zu stillen, indeme er selber gnug mit Ihm zu schaffen hat.459 Er hat eine Jagt auff Morgen und etliche Tage angestelt, dar­ umb er mich zu euch, Gnädigste Princessin, geschicket, Sie zu bitten, daß Sie sich mit ihme darauff begeben und sich etwas460 erfrischen wolle. Evandra: Wo soll sie angestellet werden? Ottonias: In dem großen und wilden Wald. Evandra: Ich bins zufrieden, aber gibt es viel wilde Thier darinnen? Ottonias: So sagt der Jägermeister, Gnädigste Princessin. Evandra: Wohlan, ich folge meinem König, gehet nur und saget ihm, daß ich kommen wil. Ottonias: Fahret wohl, Gnädigste Princessin.  (abit) Evandra: Ich gehe nach der Jagt, nicht alldorten mich zu erlustigen, dieses ist weit von meinem Vorhaben, sondern mich in die Gefahr der wilden Bären zu begeben. Gar leicht wil ich auff diese weise meines überlästigen Lebens ein Ende machen. Der Gemeine wil ich mich entschlagen und mit Fleiß den hungrigen Thieren vorwerffen. Alidea: Ach, Gnädigste Princessin, waget euch nicht so bloß hinaus. Die Götter tragen ein Abschew vor solchen Gedancken. Wer sich der scheinbaren Gefahr ergiebet und gehet darinn zugrunde, der wird selbsten vor den Thäter gehalten. Dieses solte euch ewige Schande seyn, wenn man sagen würde, die Princessin ist verzweiffelt nach dem Tode geloffen.461 459 …, da er doch selbsten mit sich genugsam zu schaffen hatt. 460 ein wenig 461 gelauffen

Actus IV, Scena 5

Evandra:

Alidea:

Evandra: Alidea: Evandra: Alidea: Evandra: Alidea: Evandra: Alidea: Evandra:

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Alidea, du redest alß eine, welche die Liebes Schmertzen nicht fühlet. Amors462 Pfeil ist vergifftet, das Fewer heiß, seine Schmertzen unerträglich463 und seine Plage unauffhör­ lich. Wer wolte nicht lieber sterben alß eine solch höllische Marter außstehen? Gnädigste Princessin, wer nichts hoffet, verzweiffelt auch nicht.464 Der Götter Schluß ist wunderbarlich. Was offt an­ fangs unmüglich scheinet, kan durch ihre Macht zuwegen gebracht werden. Die Götter können mir meinen verstorbenen Liebsten nicht wiedergeben. Sie können, wann sie wollen. Hat Aesculapius465 dem My­ tridates wieder zum Leben geholffen, warumb sollen es die Götter nicht auch thun können? Wann sie es schon können, so thun sie es doch nicht. Thun sie das nicht, so können sie doch ewer Hertz von die­ ser unnatürlichen Liebe entladen.466 Das begehre ich aber nicht, denn diese Liebe behagt mir in den größesten Schmertzen.467 Lieber wil ich sterben, alß von dieser ablaßen. Einem Halßstarrigen ist nicht gut Mittel vorschreiben, denn er steht von der Speiß nicht ab, die ihm die Kranckheit ver­ uhrsacht. Das vermag nichts, ein Fieber wird offt von einem Trunck oder Speiß verursachet und eben mit derselben vertrieben. Ewre Kranckheit hat kein Fiber-Art. Ihr habet einen Durst, welcher unersättlich ist. Je mehr ihr liebet, iemehr müst ihr lieben.468 Ein Krancker stirbt, ich aber wil und kan nicht sterben.

462 Amor, griech. Eros:

Er verschoss wahllos seine Pfeile oder setzte Herzen mit seinen schrecklichen

Fackeln in Flammen.

463 Amors Pfeil ist vergifft, das Feüer seiner schmertzen unerträglich … 464 …, wer hoffet, verzweiffelt nicht. 465 Aesculapius (latl.) = Asklepios (griech.), Gott der Heilkunde. Er hatte die Kunst des Heilens von Apollo und von seinem Ziehvater Cheiron gelernt. Mit dem Blut der Gorgo Medusa konnte er sogar Tote wieder erwecken.

466 [Alidea spricht hier von „unnatürlicher Liebe“, obwohl sie schon in Actus III, Scena 6 (Evandra / Alidea) und später noch einmal in Actus IV, Scena 2 (Frondalpheo  /  Alidea) die Kindesverwechslung gestanden hat, so dass inzwischen geklärt ist, dass Evandra nicht Myrandons Schwester ist.] 467 … behaget mir in meinen Hertzen 468 Je mehr ihr liebet, je mehr Ihr lieben müßet.

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Actus IV, Scena 6

Alidea:

Princessin, Ewer Natur ist verdorben. Ihr lebet in Gefahr der Verzweiffelung. Wollet ihr meinem Rath, welcher zu ewrem Heyl gelanget, nicht folgen, so wißet, daß es mich meiner getrewen Diensten halben, die ich offt mit Gefahr meines Lebens verrichtet, gerewen soll. Ich wil meinen Ab­ schied nehmen und ewren Ungehorsam, so ich an euch er­ lebet, beweinen. Evandra: O Ihr Götter, nun wil sie mich auch verlaßen, die mich biß­ hero erhalten. Ach Alidea! bleibet bey mir, ich wil euch so viel folgen, alß ich kan. Alidea: Es ist Zeit, daß man sich zur Jagt schicke, wenn Ewre Durchlaucht mitwollen. Evandra: Gehe nur voran und bereite mir meinen besten Schmuck und Kleider. Alidea: Ich gehe, folget mir bald nach, es wird bald nacht. Denn der König wil morgen früh hinaus.  (abit) Evandra: Gehe nur hin, mein Vorhaben ist dir unbewust. Ich wil mich gleich einer Braut schmücken, daß ich, wenn mir das Glück den Todt vergönnet, also meinem Liebsten gefallen möge. Ich erfrewe mich deß angefangenen Wercks.  (abit) Actus IV. Scena 6.  Actus IV, Scena 6 Fidelmo, Dymas. Fidelmo:

Dymas: Fidelmo: Dymas:

Durch Vorbitt der Princessin hab ich wieder an diesem Hoff erscheinen dörffen, denn sie wuste wol, daß ich unschuldig an deß Prinzen Todte war. Nun aber ist die Jagt angestellet. Drumb, Dymas, soltu die Hunde morgen früh hinausführen und wol achtung geben, daß dir keiner von der Jagt auß­ reiße, sonst solte er das Gewild verjagen. So wil ich sie dalaßen, wann sie das Gewild nicht jagen sol­ len.469 Sie sollen jagen. So wil ich sie lauffen laßen. Wie können sie jagen, wenn ich sie auffhalte.470

469 So will ich sie zu Hause laßen, wenn sie das wildt nicht verjagen sollen. 470 halte

Actus V, Scena 1



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Fidelmo:

Du Schelm, so verjagen sie das Gewild, wann du sie lauffen läst. Dymas: Eben recht, so laße ich sie da. Ich führe sie ohne das nicht gerne mit. Du bist ein leichtfertiger Schelm. Sie müßen hinaus und ja­ Fidelmo: gen, aber zu seiner Zeit, wenn der König kompt. Dymas: Soll ich die kleine Hündlein, die gestern der Princessin Pol­ ster-Hündlein ausgeschüttet, auch mit bringen?471 Fidelmo: Was sollen sie draußen machen?472 Dymas: Sie sollen jagen. Fidelmo: Wiltu nicht deine Esel auch mitnehmen? Dymas: Meiner ist außer473 der Welt, ich wil ewren mitnehmen; oder gehet ihr gleich mit, so darff ich nicht lang herumb lauffen. Fidelmo: Packe dich, du Schelm. Verrichte, was ich dir befohlen, oder ich wil dich prügeln laßen.  (abeunt) Actus V. Scena 1.  Actus V, Scena 1 Amoena allein. Ist der walt und bleibet biß zum ende.474 Amoena:



471 472 473 474 475 476

Diese dunckele Höle hab ich mir an diesem weit abgelege­ nen Orth erwehlet, damit ich von keinem Menschen biß an mein Lebens Ende möge ersehen werden. Das erschröck­ liche brüllen der Löwen und murmeln der Bären bey der Nacht geben mir zu verstehen, daß ich unmenschlich seye. Meine Liebe kan ich nicht brechen475, und das vorige zu ver­ üben ist allzu lasterhafftig. Darumb bleibe ich hier an diesem Ort, so lange die Götter wollen. Das Glück hat mich aus Königlichem Blut erzeuget, aber noch476 in der Wiegen der Cron beraubet. Ich beklage mich aber nicht darüber, denn ich war es nicht würdig. Mars hat mich bey Zeiten mit sei­ nem blutigen Schwerdt mit meiner Mutter davon getrieben, [um] anzudeuten, daß ein Thron nicht mit Blutschande zu

Soll ich der Printzessin kleine Polster Hündgen auch mitbringen? Was sollen dieselbigen mitmachen? aus der Weldt [Regieanweisung in der Karlsruher Handschrift, von anderer Hand hinzugefügt.] bergen mich

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Actus V, Scena 2

besprengen sey. Die unvernünfftige Vögelein wißen meine Mißethat, weilen sie sich niemalen an diesem Orth hören laßen. Die Eule erfüllet meine Ohren mit abschewlichem Heulen, daß ich zittere und bebe. O schmertzliche Errinne­ rung meiner Veränderung. Zuvor auß Königlichem Blut477 entsproßen, jetzt eine Sclavin. Mein Gewißen war zuvor alß der Schnee, ietzt aber mit schwartzen Flecken besudelt. Zuvor war ich ein Kind ohne Sorgen, nun mit Kümmer­ nuß und wilder Verzweiffelung umbgeben. Vor diesem eine Hirtin und Freude der Felder, nun bin ich eine ver­ zauberte Furi478 in dieser menschlosen Wüsteney. Komt, ihr Bären, und zerreißet meinen Leichnam. Aber ihr richt das ­stinckente Laster an mir, euch eckelt vor diesem Aas. Der Gesporkelte Tiger479 ist mit Abschewen verbeygeloffen480 und wil nicht bey seines gleichen einkehren. Ich gehe wieder in meine Höle alß mein Todten-Grab, in welchem ich deß angenehmen Todtes mit Verlangen warten wil.  (abit) Actus V. Scena 2.  Actus V, Scena 2 Frondalpheo, Ottonias, Evandra. Frondalph.:

Diese Jagt scheinet uns unserer Melancholey ein wenig zu entladen. Ihr habt wol gerathen, Ottonius. Ich wolte wün­ schen, daß sich meine liebste Tochter auch in etwas lustiger erzeigte. Evandra: Gnädigster Herr und Vatter, ich befinde mich recht wohl auff getröst, (Still)481 in Hoffnung, das Leben zu verliehren. Ich wil mich sehr bemühen, damit ich etwas schiße, daß ich nicht verge­ bens jage. Frondalph.: Thut solches, ihr werdet unser betrübtes Hertz recht erfre­ wen, denn ihr seyd noch unser bester Trost. Ewer fröliches 477 geblüthe 478 Furien: griech. Erinyen, Eumeniden. Unbarmherzige fluchvollstreckende, im Erebos lebende Rachegöttinnen.

479 der besprongte Tyger 480 vorbey gelauffen 481 [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] heimlich.



Actus V, Scena 2

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Angesicht kan uns frölich und ewre Melancholey trawrig machen. Ottonias: Sehet an, gnädigste Princessin, Ewres Herrn Vatters große Liebe. Laßet nicht von euch gesagt werden482, daß ihr ewren Liebsten durch die Liebe in das Grab geleget, den Vatter durch Trawrigkeit getödet und euch selbsten durch Ver­ zweiffelung zur Höllen geschicket. Gedencket und betrach­ tet den thewren Todt eines Königes, welcher mit einem Meer voller Thränen nicht kan beweinet werden. Evandra: Ich sehe es gnugsam, allergnädigster Herr und Vatter. Ich wil meine Schmertzen brechen und mit euch mich frölich erzeigen. So, Ihr Jäger, laßet das Horn erschallen und blaset die Jagt an. Herr Vatter, ich wil mich ein wenig hier auff die Höhe begeben, mich düncket, ich habe was gesehen.483 Ihr aber verbleibet, damit es uns nicht entgehe.484 Frondalph.: Begleitet sie, damit ihr nichts wiederfahr. Wir wollen uns schon beschützen. O Tochter, deine Simulation der ange­ nehmen Freude485 ist mir allzusehr bekandt. Ich mercke wol, daß du darumb von mir hinwegbegehrest, weil du deine er­ zeigte Freude nicht länger halten kanst. Daß man sie nicht allein laße, sondern wohl achtung auff sie gebe! Ottonias: Das Frawen Zimmer ist schon voran, und die Cavaliers war­ ten ihnen auff. Sie werden sie nicht allein laßen. Frondalph.: Ottonias, komt, last uns hier an dem Bergel vorbey ge­ hen. Wenn sie etwas ausjagen, kombt es uns gleich unter die Hände. Mich düncket, ich höre schon etwas durch die Sträuche brechen, sehet486 geschwind nach. Ach keusche Sylvia487, bewahre uns vor allem Unglück und Schaden, be­ reite uns eine lustige Jagt und laß uns diese Zeit deiner sü­ ßen Frewden genißen.  (abeunt)

482 Kann nicht von Eüch gesaget werden, … 483 [Der Satz „mich düncket, ich habe was gesehen“ fehlt in der Wiener Handschrift.] 484 … damit unß das wildt nicht entgehe. 485 Deine Simulation und angenehme Freüde 486 setzet 487 Sylvia, auch Rhea oder Ilia genannt, wurde von ihrem Onkel Amulio zur Priesterin der Vesta gemacht, damit sie stets Jungfrau bleiben und keine Kinder haben möge, die ihn einst vom Thron stürzen könnten. (In der „Liebes Verzweiffelung“ scheint sie als Waldgöttrin gemeint zu sein.)

82

Actus V, Scena 3

Actus V. Scena 3.  Actus V, Scena 3 Rodiman, später Echo.488 Rodiman:

Rodiman: Rodiman:

Ich muß bekennen, daß dieser Ritter, welcher in der Schäffe­ rey geblieben, schier größeres Leid über seinen Zustand trägt alß ich. Denn alles, was nur eine Anzeigung einer Frewde kan genennet werden489, haßet er auffs ärgste. Ich bate ihn, er solte mit mir in den Wald spatzieren. Er aber wolte nicht, sondern legte sich auff sein Angesicht und klagte so sehr, daß es übel umb ihn zu stehen scheinet. Er machte mir zu meinem eigenen Leid eine große Kümmernus. Darumb hab ich mich in den Wald begeben, weil ich diesen Jammer nicht länger anhören kundte, in Hoffnung, etwas von meiner Schwester zu erfahren. Ach, könt ich sie noch einmahl se­ hen, von Hertzen gerne wolt ich hernach sterben. Es ist hier eine lustige Gegend, ich befinde mich etwas beßer getröst alß zuvor. Das liebliche Schlagen der Wachtel, das süße Züc­ ken der Nachtigall und fröliche Singen der Amsel erquicket meinen halb todten Leichnamb. Ich fühle das angenehme Zephyr-Windlein, und der Schatten der Bäume kühlet mein von Hitze abgemattetes Hertz.490 Solte wol Echo491 oder der Schönen Galathé492 allhier zu finden seyn wie in Arcadia – Echo: Ja. So sag mir denn, hastu nicht meine Schwester gesehen, wel­ che ich so inniglich geliebet hab? Echo: Hab. Wo hat sie ihren Weg hingenommen, nach Awen oder Feldern?493 Echo: Wäldern.

488 Rodiman alleine. 489 … waß unß zur anzeigung einer Freüde vorgenennet worden … 490 … und den Schatten der Bäume auf mein von Hitze abgemattetes Hertz. 491 Der nur in sich selbst verliebte Narkissos verschmähte die Nymphe Echo und ließ sie für den Rest ihres

492

Lebens in einsamen Schluchten zurück. Dort siechte sie vor Liebeskummer dahin, bis nur noch ihre Stimme zurückblieb. – Echo war einst mit dem Verlust ihrer Sprache gestraft worden und konnte nur die Rufe anderer nachschwätzen. Galathe, auch Silvia genannt. Galatheia war dem Kyklopen Polyphem verbunden, wurde aber von dem Hirtenknaben Akis geliebt. Polyphem erschlug den erst 16jährigen Akis, worauf die Nymphe aus Mitleid das strömende Blut des Knaben in einen Fluss verwandelte. [Die in ihrem Muschelwagen über das Meer dahinfahrende Galateia erscheint auch in Goethes klassischer Walpurgisnacht (Faust II/2); und die Oper „Acis und Galatea“ von Georg Friedrich Händel (1720) verarbeitet den Mord an Acis, dem Geliebten der Galatea, durch Polyphemos.]

493 in den Auen und Feldern

Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman: Rodiman:

Actus V, Scena 3

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Was macht sie in dem Wald494, ich förcht, Sie wird verlaßen seyn.495 Echo: Nein. Ich erfrewe mich dessen, aber was macht sie in den wilden Heynen? Echo: Weynen. Warumb weint sie, wer hat ihr [etwas] gethan496, ein wildes Thier? Echo: Ihr. Du sagest recht. Ich bin der Thäter. Aber sage doch schön­ ste Galathé Echo: He! Ich frag, ob sie mich deßwegen haßet oder liebet? Echo: Liebet. Deßen erfrewet sich meine Seele. Viel Frewde bringet mir deine Bottschafft. Echo: Schafft. Es ist wahr, aber was soll ich thun, schönste Galathé? Echo: Geh! Wohin soll ich gehen, da ich mich doch auf keinem rechten Weg befinde? Echo. Finde. Es ist gut, wenn ich ihn finde, aber soll ich sie in dem Wald finden, schönste Sylvia? Echo: Ja. Noch eines frage ich, wie bald soll ich sie finden, schönste Sylvia? Galathé? Echo?497 O, sie ist mir entwichen. Sie hat mir zwar gute Hoffnung gegeben, aber läst mich im besten fragen.498 Nun wil ich gehen, wo mich das Glück hinträgt. Vielleicht mag ich meine liebste Schwester wiederfinden.499

494 in den Wäldern 495 … ich fürcht, sie wird verlohren seyn? 496 wer hat ihr etwas zuwieder gethan … 497 [In der Wiener Handschrift fehlt „Galathé, Echo“] 498 …, aber läst mich in besten fragen muthwillig hingehen, wo mich das Glück hinträgt. 499 baldt finden.

84

Actus V, Scena 4

Actus V. Scena 4.  Actus V, Scena 4 Evandra, Alidea, Rodiman.500 Evandra:

Rodiman:

Alidea: Rodiman:

Evandra: Rodiman: Evandra: Rodiman:

Evandra:

Alidea, diese klägliche Stimm muß in dieser Gegend seyn.501 Wer mag doch ein so großes Anliegen in dieser Wüsteney haben? Aber sihe, hier sehe ich einen frembden Jäger, ich erschrecke schier. Doch was kan mich erschrecken, indeme ich den Todt nicht fürchte. Ich wil gehen und ihn befragen, was er so sehr beklage. O was sehe ich hier, die Sylvia, welche mir Antwort gegeben und Glück versprochen? O Englische Schönheit! Es ist eine von den Musen oder Gratien, denn ihr Angesicht, welches Göttlich scheinet, zeiget an, daß sie nicht von der Natur gebohren. Er ist erschrocken, sehe ich wohl. Keusche Diana oder Nymphe, verzeihet mir sterblichen Menschen, daß ich vor ewrer Gottheit502 erscheinen darff. Ich habe es unwißend gethan, laßet nicht so ein scharpfes Urtheil über mich ergehen.503 Wer seyd ihr dann, und was macht ihr an diesem Orth? O schönste Göttin! Saget sterbliche und unglückseelige Princessin Evandra. Schönste Princessin, ich habe vor etlichen Tagen einem Gewild nachgejaget und darnach geschoßen, habe aber ohngefähr zu allem Unglück meinen besten und liebsten Bracken504 getroffen, welcher mich scharff angesehen und alsobald entlauffen.505 Ich suche ihn schon etliche Tage, kan ihn aber nicht finden, deßwegen führe ich diese Klagrede. Habt ihr ihn unwißent verletzt, so seyd ihr entschuldiget. Ein[en] Bracken, Edler Jäger, solt ihr wohl verschmertzen können. Aber ach!

500 Evandra und Alidea. 501 … muß umb diese bäume herumb seyn. 502 …, daß ich für eine Göttin erscheinen darff. 503 … gleichwie den Actaeon geschehen. [Actaeon: Actaeon überraschte Artemis und ihre Nymphen unfreiwillig beim Bad in einer Quelle. Zur Strafe wurde er von der Göttin in einen Hirsch verwandelt und von seinen eigenen Hunden zerrissen. (Hans Sachs verarbeitete das Thema in einem seiner Stücke: Acteon zu eim Hirschen wur. Auch das Weimarer Komödienverzeichnis (um 1710) nennt als Nr. 152 ‚Der im hirschen verwandelte acteon‘.

504 Bracke = ursprünglich Spür- und Spielhund, später nur noch in der Bedeutung eines Jagdhun­ des 505 [In der Wiener Handschrift fehlt „welcher mich scharff angesehen und alsobald entlauffen“]

Rodiman: Evandra: Rodiman: Evandra:

Rodiman: Evandra:

Rodiman: Evandra:

Rodiman:

Evandra:

Actus V, Scena 4

85

Was bedeutet dieser Seuffzer, schönste Dame? Einen thewren Verlust, gegen welchen ewrer nicht zu ver­ gleichen. Ich schwehre, mein Verlust ist groß, dann ich schätze ihn meinem Leben gleich. Lieber wolt ich mein Leben verloh­ ren haben.506 Umb ein Bracken sein Leben laßen, daß ist wunderlich und erschröcklich. Evandra, wie wirstu vor Myrandon beste­ hen? Wenn er sehen wird, daß ich mein Leben vor ihn dar­ zugeben mich geschewet, und dieser Jäger hat es umb ein schlechtes Hündlein507 geben wollen. Nun sehe ich, daß ich bißhero nicht recht geliebet hab. Was sagt sie, Princessin? Nichts, mein Herr, alß daß ich eine betrübte Frawens Per­ sohn bin. Meinen Liebsten habe ich verlohren und muß un­ ter meines Vatters Feinden leben. Ob ich zwar Königlich gehalten werde, verlanget mich doch, meine rechte Eltern zusehen. Was wunder höre ich? Ist sie denn nicht deß Königs Fron­ dalpheo, Königs von Epiro, Tochter? Nein, mein Herr, ich bin sie nicht. Ich bin deß Königs von Creta Tochter und Rodimans Schwester. Solte er es wißen. Ach, ein zweyjähriges Kindt, bin ich vertauscht und anstatt der entführten Evandra unwißend aufferzogen und Evandra genennet worden, welche ich doch Amoena heiße. Und weil mich Myrnadon, mein vermeinter Bruder, so inniglich gelie­ bet, ist er gezwungen worden zu verreysen, hat aus großer Liebe mich und sein Leben auffgeben.508 Das ist, welches mir so viel Seuffzer ausgepreßt.509 O Himmel, was höre ich! Soll dieses meine Schwester seyn und die, welche ich geliebet, die rechte Princessin von Epyro? Schertzet die Princessin mit ihrem unterthänigsten Vasallen? Nein, fraget meine Hoffmeisterin, welche es offenbahret und alles wohl weiß.

506 [In der Wiener Handschrift fehlt „Ich schwehre“ und „Lieber wolt ich mein Leben verlohren haben“.] 507 … umb einen schlechten Bracken … 508 … aus großer Liebe sein Leben aufgeben. 509 Das ist es, welches mir so viel Thränen auspreßet.

86

Actus V, Scena 5

Rodiman:

Ich bekenne, es ist der Princessin ein großes Unglück, mir aber frewde wiederfahren.510 (heimlich) Denn hieraus schließe ich, daß ich nicht meine Schwester, sondern deß Frondalpheo, Königs von Epiro, Tochter geliebet, denn die­ ses ist Amoena, meine Schwester. Doch wil ich mich noch verborgen halten511, biß ichs recht erfahre. Schönste Prin­ cessin, verbleibet sie weit von hier diese Nacht? Denn nach der Stadt were es zu weit. Evandra: Edler Jäger, vor dem großen Walde seynd Zelten auffge­ schlagen, worinnen wir etliche Nächte verbleiben. Beliebt ihm, morgen an diesem orth wiederumb mit mir zu reden, so wird es mir angenehm seyn, den ich empfinde Linderung meiner Betrübnus durch einen Discours.512 Und so fahret wohl.  (abit) Rodiman: Fahret wol  – Soltestu deinen Bruder in diesen Kleidern wißen, was vor freude würdest du empfangen. Aber es ist noch Zeit genug, mich zu offenbahren. Ich muß wieder nach der Schäfferey zu sehen, wie es umb den betrübten Ritter stehe.513 Ich bin lange außgeblieben, ich fürchte, ich werde ihn kaum noch bey Leben finden. Habe Danck, o schönste Galathé, daß du mir eine so frewdige Bottschafft gebracht. Ich habe gute Hoffnung, meine Liebste auch wie­ derzufinden, denn ich wil den gantzen Wald durchsuchen.514  (abit) Actus V. Scena 5.  Actus V, Scena 5 Ottonias, Dymas. Ottonias: Dymas: Ottonias: Dymas:

Wo muß der König so lang verbleiben? Er ist mir in dem gebüschten Thal, da er einem Schweine nachgefolget, ent­ kommen. Hastu ihn nicht gesehen, Dymas? Freylich habe ich ihn gesehen. Wo war er dann? Da – da – da –

510 Ich bekenne es, der Printzeßin unglück ist groß, mir aber ist große freüde wiederfahren. 511 Doch will ich mich noch verbergen, … 512 …, denn ich befinde linderung durch unßern Discurs wegen meiner Betrübnüß. 513 … was der betrübte Ritter mache. 514 …, denn ich wil die gantze weldt aussuchen.



Actus V, Scena 6

87

Ottonias: Dymas:

Wie sah er dann aus? Er hatte einen schönen langen rauhen Peltz an und schliffte515 ein langes stück Federn, welches ihm im Sprung von dem Hut gefallen, hinder ihm her. Ottonias: Er zihet nicht also auff516, er ist es gewiß nicht. Dymas: Wen meint ihr dann? Ottonias: Den König.517 Dymas: Ja, und ich meine einen Fuchs. So sollen wir lange nicht518 zusammenkommen. Den König hab ich nicht gesehen.519 Ottonias: Es ist schon zimlich spät, er ist gewiß nach den Zelten zu­ rücke gangen. Gehe, wir wollen alsobald dahin.  (abeunt) Actus V. Scena 6.  Actus V, Scena 6 Frondalpheo allein. Frondalph.:



Ich habe dem Schweine so weit520 nachgefolget, biß ichs endlich erleget521 habe, aber unterdeßen befinde, daß ich viel Zeit darmit zugebracht. Ich habe noch weit zu den Zel­ ten und ist schon gantz Nacht. Ich höre noch spühre kein eintziges Mensch umb mich. Die gantze Hoffstadt hat mich verlaßen, ich bin allein und darzu in großer Gefahr. Ach, wo wende ich mich hin! Ich werde gezwungen, in dem Walde zu verbleiben. O Abschewliche Nacht, du hast mich allzu geschwind überfallen. Ich sehe auch keine Köhler Hütten in dem gantzen Walde, ich befinde mich geängstiget. Holla Ottonias! Marschalck! Fidelmo! Jägermeister! Keinen Menschen höre ich, kein Strauch rührt sich. Luna522 fähret durch die dicken Wolcken, daß ich mich weder nach West oder Osten richten kan. Wolan, ich wil mich hier unter die­ sem Baum niederlaßen und allda mit schmertzen deß Mor­ gens erwarten. Vielleicht werden mich die Götter vor allem

515 schleüffte [= schleifte] 516 Er siehet nicht alßo aus. 517 Ich meine den König. 518 langsam 519 Den König, den habe ich nicht gesehen. 520 so lange 521 erlanget 522 Luna: römische Mondgöttin, griech. Selene, Schwester des Helios. Hier poet. Ausdruck für „Mond“.

88

Actus V, Scena 7

Unglück behüten.523 Ach, were ein Mensch vorhanden, wel­ cher mir524 nach den Zelten weisen köndte. Actus V. Scena 7.  Actus V, Scena 7 Amoena, Frondalpheo.525 Amoena: Frondalph.: Amoena: Frondalph.: Amoena: Frondalph.: Amoena: Frondalph.:

Amoena:

523 524 525 526 527 528 529 530 531 532

Ich höre umb meine Höhle eine menschliche, doch sehr klägliche Stimme, was mus ich ihm doch schaden, welcher sich so sehr beklaget.526 Ich höre was rauschen, ich entsetze mich. Ich höre wohl527, aber sehe niemandt. Es ist gleichwohl eine menschliche Stimme. Ich höre wol, aber sehe niemandt, sagt sie. Ich wil fragen, vielleicht ist es iemand von meiner Hoffstath. Holla, wer da?528 Ein Mensch, welcher ewre Klägliche Stimm gehöret und aus Erbarmnus her kommen, Euch zu helffen und zu trösten.529 Eben recht schicket euch der Himmel zu mir. Saget doch, wer seyd ihr, und wie kan ich West Seiten aus diesem Walde kommen?530 O Guter Freund, ihr habt einen weiten Weg nach der West Seyten. Diese Nacht könnt ihr nicht hinkommen. Saget denn, was machet ihr so spät hier? Oder habt ihr in der nähe eine Hütte, worinn ihr euch auffhaltet. So laßet mich diese Nacht bey euch verbleiben, ich wil euch Morgen eine gute Verehrung geben. Guter Freund, meine Wohnung ist nichts alß eine dunc­ kele und grobe Höle, in welcher ich mich unglückseeliger Mensch auffhalte. Meine Unglückseeligkeit lehret531 mich, Betrübten zu helffen. Ihr findet anders nichts bey mir alß einen unglückseeligen Menschen.532 Wollet ihr diese Nacht

Vieleicht werden mich die Götter behütten. … der mich … Amoena zu ihm. …, weil Er sich so sehr beklaget. Ich höre etwas, aber ich sehe niemandt. Sachte, ich vernehme jemandt dort; ich wil fragen, vieleicht ist es iemandt von meiner Hoffstatt. Wer seyd Ihr? … herkommen, eüch zu trösten. …, und wie kann ich denn aus diesem walde kommen? lernet mich Dieser Satz „Ihr findet anders nichts bey mir alß einen unglückseeligen Menschen“ fehlt in der Wiener Handschrift.

Actus V, Scena 8



89

bey mir verbleiben, so könnet ihr es thun. Alßdenn Morgen wil ich euch wieder auff den rechten Weg helffen. Frondalph.: Wohlan, ich gehe mit euch hinein, nicht schlaffens halben, sondern damit ich vernehmen mag, was ewre Unglücksee­ ligkeit sey, die ihr so offt meldet.  (abeunt) Actus V. Scena 8.  Actus V, Scena 8 Rodiman, Myrandon. Rodiman:

Myrandon: Rodiman: Myrandon: Rodiman:

Myrandon:

533 534 535 536 537 538

Nun bekenne ich, Edler und unglückseeliger Ritter533, daß ihr unglückseeliger seyd alß ich534, denn heute diesen Tag habe ich Linderung in meinem betrübten Hertzen empfan­ gen.535 Es ist die Princessin Evandra zu mir kommen. Liebet ihr sie denn?536 Ja, alß meine Schwester. Alß Ewre Schwester, warumb daß? Sie ist ja deß Königs Frondalpheo Tochter und ihr ein gebohrner Prinz aus Cre­ ta.537 Nein, sie ist [nicht] eine Princessin von Epyro, denn ihre Hoffmeisterin bekennt öffentlich, daß sie in ihrer Jugend umb die Amoena, so ich meine Schwester zu seyn vermeinte, vertauscht und also Amoena vor Evandra und Evandra vor Amoena gehalten worden. Dieses Geschrey erhallet durch das gantze Königreich. Es erzehlte mir die Princessin selbst und führte erbärmliche Klagen, daß sie ihren Liebsten My­ randon nicht genißen könte, welcher wegen ihrer gestorben, wie man gäntzlich der Meinung ist, denn man nichts von ihm erfahren kan, seuffzet und sagte: were nur mein liebster Prinz noch bey leben, was frewde könnten wir genießen, dann uns ietzund zugelaßen were, gepaaret zu werden. Sie bate mich, morgen wiederumb bey Ihr zu erscheinen. Dieses ist wunderseltzam zu hören. Ihr Prinz seyd glücksee­ lig, wie ich höre.538

Edler, doch unglückseeliger Ritter denn ich habe ich linderung in diesem verliebten Hertzen gefunden, indem die Princessin … Liebstu sie dann? … Frondalpheo Tochter und eine geborne Princessin aus Epiro! Ihr Printz, seyd glückseelig.

90

Actus V, Scena 9

Rodiman:

Gehet morgen mit mir, so könnt ihr es selbsten sehen und hören. Myrandon: Prinz Rodiman, ist diesem also, so ist meine Schwester Ewre Liebste und Ewre Schwester meine Braut. Es ist nicht anders, so fern ihr Myrandon seyd. Aber die­ Rodiman: ses kan ich nicht wohl glauben, denn Fidelmo schriebe der Princessin, er were in dem Meer ertruncken. Myrandon: Prinz, ewre Reden und fröliche Bottschafft haben mich wie­ der zu Myrandon gemacht. Rodiman: Ach Myrandon! Was unaussprechliche Freuden werden morgen Schwester und Brüder genißen, wofern ich nur meine Liebste, Ewre Schwester, finde, denn das Glück sagt sie mir zu. Myrandon: Ich erwarte mit Schmertzen deß Morgens, diese unmügliche Begebenheit zu sehen.539 Rodiman: Ewre Begierden werden bald ihren Wunsch erlangen, denn mich düncket, der Morgen breche an. Es wird über eine Stunde oder andthalben nicht mehr an den Tag seyn.540 Ich bin späth hier kommen.541 Myrandon: Wir wollen den Schäffer auffwecken, daß er mit uns dahin gehe. Komt, Prinz, ich kan nicht länger warten.  (abeunt) Actus V. Scena 9.  Actus V, Scena 9 Evandra, Alidea, Ottonias, Fidelmo, Dymas. Evandra:

Ottonias:

539 540 541 542

O wie lang war mir diese Nacht. Ich vermeinte, es würde nicht mehr Tag werden. Ich konte nicht ein Augenblick schlaffen, denn ich förchte, es werde dem König was wie­ derfahren seyn. Daß man den gantzen Wald durchsuche542 und überal wohl achtung gebe. Nicht weit von hier ist er mir entkommen. Wir wollen uns in der Nähen umbsehen. Vielleicht hat er eine Köhler Hütten angetroffen, worinnen er sich auffhält.

Ich erwarte mit schmertzen, morgen diese unmögliche Begebenheit zu sehen. Es wird eine stunde oder anderrhalbe nicht seyn, daß der Tag herbeykommet. [Der Satz „Ich bin späth hier kommen“ fehlt in der Wiener Handschrift.] Daß man derowegen alßobaldt den gantzen waldt durchsuche …

Fidelmo: Dymas: Alidea:

Actus V, Scena 10

91

Dort sehe ich 3. Persohnen durch die Sträuche herwarts kommen.543 Vielleicht ist iemand bey dem Könige. Es ist nicht der König. Es sind sonsten tolle Kerle. Ich kenne sie wohl, sie haben mir längsten so ängstig gemacht, daß ich schier in die Hosen gepurgieret hette. Es ist der gestrige Jäger, welcher mit der Princessin geredet hat. Vielleicht haben sie einige Wißenschafft von dem Kö­ nige.

Actus V. Scena 10.  Actus V, Scena 10 Rodiman, Myrandon, Damon, Evandra, Ottonias, Fidelm, Alidea, Dymas.544 Evandra:

Myrandon: Evandra: Myrandon:

Evandra:

Edle Herren, haben sie nichts von dem Könige Frondalpheo in diesem Walde vernommen? Er ist in dem Walde benäch­ tet und nicht zu den Zelten kommen. Ach, ich fürchte545, es möchte ihm was wiederfahren seyn. Schönste Princessin, Niemand haben wir gesehen, doch ge­ liebt ihr, wir wollen helffen suchen, dann wir haben auch etwas verlohren, das wir mit schmertzen suchen. Alidea, dieses ist der Ritter, welcher mich erlöset hat, ich kenne ihn an dem Schildt. Ach, du bist mir gewiß wieder kommen zu helffen –.546 Wen suchet ihr denn, Edler Ritter, so begierig in diesem Wald. Schönste Princessin, meine Schwester hab ich verlohren, welche ich in 16. Jahren nicht gesehen hab, habe aber erfah­ ren, daß sie in diesem Wald soll gesehen seyn.547 Ach Göttin meiner Seelen, soll ich dich länger in der Qual laßen, welche vor Liebe wegen meiner hat sterben wollen.548 Schönste Princessin, hat ihr Liebster Myrandon Ihr nie ge­ schrieben, wie es umb ihn stehe? Ach Ritter, ihr tödet mich mit meines Liebsten Todt. Der Todt von Myrandon ist ein Schwerdt, welches meine Seele durchstoßet.

543 herauskommen 544 [Regieanweisung in der Wiener Handschrift:] Rodiman, Myrandon, Damon, zu den Vorigen. 545 Darumb fürchte ich 546 Er ist gewiß kommen, mir wieder zu helffen. 547 … soll gesehen worden seyn, alß bin ich bemühet, solche zu finden. 548 „welche vor Liebe wegen meiner hat sterben wollen“ fehlt in der Wiener Handschrift.

92

Actus V, Scena 10

Myrandon: Evandra:

Princessin, habt ihr ihn dennoch lieb? O erschröckliche Frage, welche meine Liebe und Trewe ­einer Wankelmuth beschuldiget. O Ritter, Ihr habt mich von dem Todte erlöset. Meine Seele ist in diesem Leibe verzau­ bert, sehet, daß ihr dieselbige auch ihrer Qual durch ewer Schwerdt erlöst. Myrandon: Meine große Liebe, so ich zu euch trage, gebietet mir, euch ewrer Qual zu entledigen549, so kniet denn nieder. Evandra: Von Hertzen gerne. Nim an dieses keusche Opffer, o werthester Schatz Myrandon. Mich düncket schon, in iener Welt mit dir vereinigt zu seyn. Myrandon: Ihr seyd in diesen Armen mit ihm vereiniget, sehet an den verzweiffelten, doch ietz glückseeligen Prinzen. Ich bin My­ randon und Ewer Liebster. Stehet auff und genießet ewre unaussprechliche Freuden. Evandra: Ach, was die Trawrigkeit nicht kan verrichten, das thut anietzo die freude. O Prinz, ich sterbe.  (fallet in Ohnmacht.) Myrandon: O Himmel, die Princessin stirbt! Dymas: Ein dreck stirbt sie, sie schläfft nur. Sie hat die gantze Nacht nichts geschlaffen. Myrandon: Nun verrichte daßelbe, welches mir vielhundertmal550 das Leben salvirt, und durchstoße meine Brust; verfluchte Clo­ tho551, soltu meine Liebste in meiner praesenz552 ermorden und vorbeygehen553 und mich nicht mitnehmen. Alidea: Helfft! Helfft! Der Ritter ersticht sich selber. Evandra: Ach, was vor ein süßer Schlaff! Dymas: Hab ichs nicht gesagt, sie schlaffe nur. Myrandon: Wie, lebet sie noch?554 Rodiman: Was ist ihr wiederfahren? Prinz, solte ich mich zu erkennen geben, sie solte gar sterben. Myrandon: Haltet euch noch verborgen, biß daß sie wieder zu ihren Kräfften kommt. 549 eüch Eürer qual zu erlösen. 550 viel 1000 mahl 551 Clotho: Eine der Moiren (Schicksalsgöttinnen). Sie spinnt den Lebensfaden. Nicht sie (wie in der LV angedeutet), sondern Atropos, die Unabwendbare, schneidet den Lebensfaden ab. Auch im „Philotheus“ (S. 120) erwähnt der Dichter die „scharpfen Pfeile der Cloto“, die den geliebten Daphnis (Erzherzog Ferdinand Karl) getötet hätten.

552 in praesens meiner 553 In der Wiener Handschrift fehlt „und vorbeygehen“. 554 Dieser Satz fehlt im Wiener Manuskript.

Actus V, Scena 11



93

Evandra:

Ach liebster Prinz, was vor Trawrigkeit hat mir ewre Abwe­ senheit veruhrsachet. Die Götter haben mich sonderbar er­ halten, sonst were ich schon längsten verzweiffelt. Ich hette mir ehe eingebildet daß das Meer solte trucken werden, alß daß ich auff Erden euch noch einmahl sehen würde. Myrandon: Ehe hette ich geglaubet, Sonn und Mond solten ihren glantz verlihren, alß erfahren, Ewer Liebe zu genißen. Rodiman: Ehe hette ich geglaubet, daß Dymas meine Schwester were, alß Evandra. Dymas: O ho! lacht ihn aus! Ich sein Schwester? Schwager habt ihr wollen sagen, gelt Schwager Prinz. Evandra: O was unaussprechliche Frewden! Mein Bruder Rodiman, vor Frewden laß mich dich umbfangen555, in einer Stunde Bruder und Liebsten zu finden. Ach Frondalpheo, soltet ihr das wißen, vor Frewden würdet ihr sterben. Willkommen, liebster Bruder, willkommen, Myrandon, Erretter und Er­ halter meines Lebens und auffenthalt meiner Seelen. Ottonias: Ach, wo mag doch der König sich auffhalten? Myrandon: Last uns ihn miteinander suchen. Mit Frewden wollen wir ihm sein bekümmertes Hertz überschütten. Dymas: Wenn ich Ihn sehe, so wil ich ihn todtschißen. Fidelmo: Wen wiltu todtschießen, den König? Dymas: Nein, den Haasen. Oder wenn ich ihn erlauffe, so wil ich ihn in meine Mütze stecken.  (abeunt omnes) Actus V. Scena 11.  Actus V, Scena 11 Frondalpheo, Amoena. Frondalpheo:

Amoena:

Liebste Tochter, giebe dich zufrieden. Es ist nicht dein Bru­ der, Evandra ist seine Schwester, und du bist mein Kindt. Laß es dich nicht so hart gerewen. Wir wollen dich ihm ver­ mählen. Er soll nach unserm Todt König von Epiro seyn, weil wir unseren Sohn verlohren haben. Gnädigster Herr Vatter, die Vorsichtigkeit deß Himmels hat euch in diesen Waldt verirren laßen, damit nicht ewere Tochter in Verzweiffelung deß Lebens irre gehen möchte.

555 vor freüden laßet mich eüch umbfaßen

94 Frondalph.

Amoena: Frondalph.:

Actus V, Scena 12

Es ist war, es ist der Götter Schluß gewesen. Ach köndt ich auch so meinen Sohn überkommen556, gern wolte ich umb ihn hier mich befehlen laßen.557 Aber es ist vergebens, die Todten können nicht zum Leben gebracht werden. Gnädigster Herr Vatter, hier sehe ich Leute ankommen. Sie seyndt gewiß von eurem Hoff, umb euch zu suchen. Ja, liebste Tochter, dieses ist die Princessin, welche ich an Statt deiner aufferzogen hab.558

Actus V. Scena 12. et ultima.  Actus V, Scena 12 Myrandon, Rodiman, Fidelmo, Evandra, Alidea, Damon, Dymas, Frondal­ pheo, Amoena.559 Frondalph.: Rodiman: Myrandon: Frondalph.: Myrandon:

Frondalph.: Myrandon: Frondalph.:

Ottonias, ihr habt uns gestern übel auffgewartet, doch ver­ zeihen wirs Euch von Hertzen. Prinz Myrandon, das ist meine Liebste und ewre Schwester. Ach, werthester Engel, seyd gegrüßet. Liebste Schwester, vor Frewden laßet euch umbfaßen.560 Ritter, ihr irret, dieses ist meine Tochter, und Myrandon, welcher gestorben, war ihr rechter Bruder. Gnädigster König, habe ich nicht Myrandon an mich ge­ nommen561, da ich die Princessin Evandra von dem Todte erlediget. Hier sehet das Kleinod, ein Zeichen meiner Tapf­ ferkeit und eine Errinnerung Ewrer Lieb und Gnadt. Es ist wahr, ihr habt es verdienet, meine Liebe und Gnade solt ihr haben. Ich begehre vor meine Lieb und Gnad die Princessin Evandra, Gnädigster Herr.562 Es ist viel, Ritter, was ihr begehret. Die Cron gehöret meiner Tochter rechtmäßiger weise zu, wo wollet ihr die Princes­ sin Königlich halten? Und darzu wird sie euch nicht wollen,

556 [überkommen = alem. Dialekt (veraltet): bekommen] 557 … gerne wolte ich umb Ihn hir mein Leben laßen. 558 [Dieser Satz des Frondalpheo ist im Wiener Manuskript an den Anfang der 12. Szene gesetzt.] 559 [In dieser Aufzählung fehlt Ottonias. In der Regieanweisung im Wiener Manuskript ist er genannt.] 560 … laßet mich euch umbfaßen. 561 habe ich nicht Myrandons stelle vertreten, … 562 Gnädigster Herr und König



Myrandon: Frondalph.: Evandra: Frondalph.: Myrandon:

Frondalph.: Evandra: Amoena: Myrandon: Rodiman: Dymas:

Damon:

Actus V, Scena 12

95

denn sie haßet alle Ritter und wil keinen mehr lieben, weil sie Myrandon verlohren hat. Gnädigster Herr563, stellet es auff ihren Willen. Im übrigen lebet ohne Sorgen. Hat Sie euch lieb, Ich bins Zufrieden.564 Herr Vatter, ich wil keinen565 alß Myrandon. Sehet ihr, Ritter, ich wuste es wol. Es were euch beßer ge­ wesen, daß ihr euch nicht so viel unterstanden, denn eine Abschlägliche Antwortt Schmertzet einen Ritter. Mich nicht, ich habe erhalten, was ich begehret. Sie sagte, sie wolte keinen alß Myrandon haben.566 Ich sehe es gerne, und desto mehr Frewde empfinde ich ob meiner Liebsten Be­ ständigkeit. Sehet, Gnädigster Herr Vatter, Ewren gehorsa­ men Sohn Myrandon, welchen Ihr todt zu seyn vermeinet. Machet heute ein Ende seiner Liebes-Verzweiffelung. Ach, was Freude empfindet meine Seele! In einem Tage Sohn und Tochter bekommen, die ich nicht mehr zusehen verhofft hatte. Ach, was vor Frewde! in einem Tage Liebsten und Bruder gefunden, welches ich unmüglich zuseyn vermeinet. Ach der großen Frewde! In einem Tag finde [ich] meinen Bruder, werde meiner Sünden entbunden567 und mit mei­ nem Liebsten in newer Liebe verstricket.568 Ach, wer hat das gedacht569, daß Evandra nicht meine Schwester, sondern meine Liebste und unseres Feindes Tochter were. Ich verwundere mich über diese seltzame Begebenheit und deß wunderbahren Glücks. Hätte ich gewust, daß Amoena nicht meine Schwester were, du soltest sie nicht bekommen haben. ich habe es schänd­ lich übersehen570, drumb hat das Cornakel zu Delphus ge­ sagt, daß es wol seyn könne.571 Wie wunderbar ist doch der Götter Schluß!

563 Gnädigster Herr und König 564 Hält sie eüch lieb, meines theils bin ich sehr wohl zufrieden. 565 …, ich begehre keinen alß Myrandon 566 …, ich begehre keinen alß Myrandon. 567 werde der Sünde entlediget 568 … und mit meinem Liebsten in Liebe aufs neue verstricket. 569 Ach, wer hätte das gemeinet, … 570 versehen 571 …, drumb hatt das Cornicul zu Delwig gesaget, es könte wohl seyn.

96 Alidea: Ottonias: Fidelmo: Frondalph.:

Rodiman:

Dymas: Fidelmo: Dymas:

Actus V, Scena 12

Niemand soll an seinem Glück verzweifflen. Dieses hat die lustige Jagt veruhrsachet. O wie kan man betrogen werden! Ottonias, ewer Rath war gut. Wir werden deßelben uns danckbar gegen Euch erzeigen.572 Wir hatten eine Jagt, deßgleichen keiner iemahlen gehabt. Andere haben wilde Schweine, Bären, Löwen und dergleichen Thiere gefangen. Wir aber fangen unsere verlohrene Kinder. Unsere Feind­ schafft, so wir zu dem Cretischen Regenten getragen573, ha­ ben wir auff der Jagt verlohren und eine immerwehrende Freundschafft gefunden, weil ich sie mit meiner Tochter verknüpffen wollen.574 Weilen aber dieser Princessinen Na­ men verwechselt Amoena Evandra, und Evandra Amoena heißen soll575, wollen wir ihnen diese Nahmen laßen, weil es ihnen das Glück gegeben. Unsere Tochter soll Amoena hei­ ßen und mit Prinz Rodiman von Creta vermählet; Evandra aber, Rodimans Schwester, soll mit unserem Sohn Myran­ don vertrawet werden, und dieses alsobald. Wir wollen die Jagt verlaßen und uns nach Hoff, einer größeren Freude zu­ genißen, begeben. Damon, Ihr solt mit uns nach Creta verreysen, theils weil ihr meine Liebste alß ewer Eygenes Kind aufferzogen, t­ heils weil ihr mir eine so große Freund[schafft] manchmal erwie­ sen.576 Ewer Trew soll wohl belohnet werden. Und du, Dy­ mas, kanst auch mit, wann du wilst.577 Warumb nicht, Herr Vice-Schwager, ich muß meiner Schwe­ ster das Geleid geben; ich sehe sie eben so gern alß ihr. Du must aber zuvor die Hunde nach Hauß führen. Die Hundt? Vor wen sihestu mich an? Meine Vice-Schwe­ ster ist eine Königin, und ich solte die Hunde führen? Was bildestu dir wol ein, du Großmaul? Fürchtestu dich nicht, daß du meinem Vice-Schwager eine Unehr anthust. Ich sehe wohl, du haltest nicht viel auff meine Reputation, ich wil dir ein dreck die Hund führen.

Wir werden uns deßwegen danckbar gegen eüch erzeigen. …, die wir zu den Cretischen König getragen welche ich mit meiner Tochter verknüpfen will. Weil aber diese Printzeßinnen beyde Namen verwechselt haben, Amoena Evandra, und Evandra Amoena heißen, … 576 Der Satz „theils weil ihr mir eine so große Freundschafft manchmal erwiesen“ fehlt im Wiener Manu­ skript. 577 Und du, Dimas, wenn du wilst, kanstu auch mit. 572 573 574 575



Actus V, Scena 12

Nun sind wir sorgen frey. Myrandon:    Die schwartze wolcken weichen.    Das schröcklich Wetterleuchten Und Blitzen ist vorbey.    Der Himmel steht nun offen Und Phoebus gläntzet sehr.    Was ich niemahls kont hoffen, Das kombt mir ohngefähr. Evandra: Das Glück hat mich gehört.578   Ich trachte579 zuerwerben    Den Untergang und Sterben, Doch wars mir nicht vergönnt.    Nun kan ich mich erfrewen Der süßen Glückes Gab.    Ich laß mich nicht gerewen, Was ich gelitten hab. Amoena: Auß Königlichem Stam    War ich ein Kind gebohren,    Hernach dreymal verlohren. Evandra war mein Nahm,    Das Glück hat mir gegeben, Daß ich Amoena heiß,    Und wil mich höher heben, Alß ich zu sagen weiß. Rodiman: Seht an, mein gröster Feind,    Der mich vom Thron getrieben,    Fangt an, mich ietzt zu lieben Und wird mein bester Freundt.    Wer solte doch gedencken, Daß dieser Feinde mir    Sein Tochter solte schencken, Die Schönste von Epyr.

578 Das Glück hatt mich gehönt. 579 dachte

97

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Actus V, Scena 12

Frondalph. Den Göttern sag ich Dank,    Die meine Stimm erhöret,    Da mich das Glück bethöret,580 Vor Angst zu boden sanck.    Euch, schönsten Wald Göttinnen, Zu großer Danck und Ehr    Soll heut ein581 Opfer brennen Und nicht erlöschen mehr. Alidea: Durch mich seyd ihr getröst.    Was euch so sehr geblendet,    Das hab ich abgewendet, Und euch davon erlöst.    Nun lebet ohne Sorgen, Ihr zwey verliebte Paar.    Was newlich war verborgen, Durch mich wird offenbahr. Dymas: Das Elementisch Glück582    Hat mir mein liebste Schwester    Heut früh und nicht vorgester Entführt an einem Seil – (Strick.)    Sie ist gar hoch ankommen, Sie wird ein Königin.    Der Prinz hat sie genommen Und führts nach Creta zu – (hin.) Myrandon: Komm, Freundin meiner Seel    Und meiner Augen Sonne! Rodiman:    Komm, meines Hertzens Wonne, Es ist deß Glücks befehl. Myrandon:    Habt Danck, ihr grünen Awen Und Baumenreicher Wald,    Durch euch kan ich nun schawen583 Meins Lebens Auffenthalt.

580 581 582 583

Alß ich durchs Glück bethöret mein Das Element’sche Glück Durch Eüch kann ich anschauen



Actus V, Scena 12

Ietz zwar verlaßen wir Frondalph.:    Die schöne Satyr-Plätze    Und freudenreiche Schätze, So wir genißen584 hier.    Epiro soll auch wißen Von dieser großen Freudt,    Denn in den Freuden flüßen Ertrencket585 alles Leid.

584 genoßen 585 ertrüncket

Fin is

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Die „Liebes Verzweiffelung“ in der Tradition der ersten deutschen Wanderbühnen im 17. Jahrhundert

Historischer Hintergrund Erstes weltliches Berufstheater in Deutschland Johann Martin (geb. 1633 in dem kleinen Dorf Schnifis am Eingang des Gro­ ßen Walsertales, gest. 1702 in Konstanz), der Bauernbub aus Vorarlberg in Österreich, tauschte noch vor seinem zwanzigsten Lebensjahr sein Studen­ tenleben in Feldkirch mit dem abenteuerlichen und ungewissen Dasein eines Wanderkomödianten. Wahrscheinlich schloss er sich um 1653 einer Wander­ bühnentruppe an, die im Raum Basel – Köln – Wien agierte, alljährlich die Messestadt Frankfurt besuchte und 1656/57 längere Zeit am Heidelberger Hof Carl Ludwigs von der Pfalz weilte. Diese Komödiantentruppe stand unter der Leitung des englischen Prin­ zipals Joris Joliphous1 und spielte in den Jahren 1655 und 1656 in der UbierStatt Köln. Johann Martin berichtet in seinem ersten Buch „Philotheus“, dass er dort under vil andern Ruhm- und denckwürdigen Seltzamkeiten eine Nachtigall so lieblich singen hörte …2 In Köln erfuhr er auch sein erstes Traumgesicht, in dem ihn die Mutter Gottes in Gestalt der griechischen Jagdgöttin Diana auf seine eigentliche Aufgabe, den Dienst an Gott, hinweist. Knapp ein Jahrzehnt spä­ ter wird der Dichter diesem Ruf folgen, die Priesterweihe empfangen und bis zu seinem Tod mit 66 Jahren als Kapuzinerpater im Kloster Konstanz le­ ben.3 Er nannte sich nun Frater Laurentius von Schnüffis, und nach 17 Jahren Schweigen erschienen zwischen 1682 und 1703 seine acht Druckwerke, die zu den bedeutendsten des österreichischen Barock gezählt werden können. Dass er sein künstlerisches Schaffen als Komödiant und Musiker im Kreis einer Wanderbühnentruppe begonnen hat, deutet auf sein eigentliches dichterisches Talent: Laurentius von Schnüffis (heute ‚Schnifis‘) ist Dramati­ ker. Auch in seinen späteren episch-lyrischen Werken wird alles zum Bild; die dargestellte Welt zeigt sich in Szenen, in denen sich der einzelne Mensch – als

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Robert J. Alexander: George Jolly (Joris Joliphus), der wandernde Player und Manager. In: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Heft 29/30, Berlin 1978. 2 „Philotheus“, S. 3. – Mit der „Nachtigall“ ist die Gedichtsammlung „Trutz-Nachtigall“ des Fried­ rich Spee von Langenfeld (erschienen 1649) gemeint. 3 Zum Leben des Barockdichters Laurentius siehe Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch. Graz/Feldkirch 2003, S. 13–243.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Paradigma der allgemein menschlichen Seele – in seiner Auseinandersetzung mit Gott und mit sich selbst darstellt. Die Komödiantenzeit des Dichters kann daher als sehr wichtige und prägende Schaffensperiode des späteren Dichters gewertet werden. Vermut­ lich hat er in diesen etwa zehn Jahren seines Lebens mehrere Wanderbüh­ nenstücke geschrieben; sein Name ist jedoch nur auf einem, der „Liebes Ver­ zweiffelung“, dokumentiert, so dass dem Dichter nur dieses mit Sicherheit zugeordnet werden kann. Als er sich wahrscheinlich um 1652/53 der Schauspieltruppe des eng­ lischen Prinzipals Joris Joliphous anschloss, hatte sich diese aus holländi­ schen und englischen Mitgliedern bestehende Truppe4 längst den deutschen Verhältnissen angepasst und spielte in deutscher Sprache. Auch ihre Mitglie­ der waren nach 1650, nach dem Dreißigjährigen Krieg, durchwegs Deutsche, zumeist Studenten, die auf diese Weise eine Zeitlang die weite Welt kennen­ lernen wollten. Die Engländer galten damals als die besten und unterhaltsamsten Schauspieler. Sie brachten neue englische Komödien – Shakespeare, Mar­ lowe, Dekker – und eine bis dahin unbekannte Art der Darstellung voller Emotionen und dramatischer Spannung auf die Bühne und wurden so zum Ausgangspunkt in der Entwicklung des neuzeitlichen deutschen Dramas. Englische Musiker waren schon seit der Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Kontinent unterwegs. Wanderbühnentruppen kamen vor allem im letzten Jahrzehnt vor der Jahrhundertwende in den deutschsprachigen Raum. König Friedrich II. hatte sogar schon früher, 1579–1586, englische Komödianten in seinen Diensten. 1586 sind sie vom 17. Juni bis 18. September in Helsingör nachgewiesen. Der Zulauf des Volkes war so stark, dass es den Bretterzaun zwischen dem Hof und der Wohnung des Stadtschreibers Lauritz niederriss.5 1591–92 sind sie auch bei dem zukünftigen König von Schweden, Karl IX. auf Schloss Nyköpingshus zu Gast.6 Ab 16. Oktober 1586 (bis 17. Juli 1587) spielten englische Komödianten in Weidenhain vor Kurfürst Christian I. von Sachsen. In Ulm sind englische Komödianten erstmals 1594 nachweisbar, in Nördlingen ab 1604 fast jährlich. In einem Ulmer Ratsprotokoll aus dem Jahr 1602 werden die dort auftretenden Schauspieler einmal als Niderlender, dann 4 5 6

1649 berichtet Joliphous in einem Spielansuchen vom 31. März 1649 an den Stadtrat von Köln, dass einige seiner Truppenmitglieder aus England stammen. Nach Bolte: Englische Komödianten in Dänemark und Schweden. In: Jahrbuch der deut­ schen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 23, 1888, S. 99–106. Dahlberg, Gunilla: Die holländischen Komödianten im Schweden des 17. Jahrhunderts. In: De zueventiende eeuw. Jaargang 10, Hilversum 1994, S. 310–327.



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wieder als englische Comoedianten bezeichnet, vielleicht weil beide Truppen in ihrer eigenen Sprache spielten. Ab Ende des 16. Jahrhunderts wurde auch die schwedische Königsstadt Stockholm von englischen, später ebenso von deutschen Wanderbühnen­ truppen immer wieder bespielt, bis das Königsschloss samt dem Theater 1697 einem Brand zum Opfer fiel. Am 28. August 1592 agierten englische Komödianten in Nyköping wäh­ rend der Hochzeit des Herzogs Karl von Schweden mit Prinzessin Christine von Holstein, und zur Krönung des dänischen Herrschers am 29. August 1596 kam eine englische Truppe nach Kopenhagen und trat hier vier Wochen lang auf. Der neue Stand der Wanderkomödianten war also gesellschaftlich anerkannt, man erlebte ihre Auftritte bei Hof als willkommene Abwechslung und empfahl sie weiter an befreundete Höfe. Ein Beispiel dafür ist die Truppe des bekannten englischen Prinzipal John Green: 1617 wird er vom polnischen König Sigismund III. weiteremp­ fohlen an den Bruder seiner Gattin Konstanze, Erzherzog Karl, Bischof von Breslau, und dieser schickt die Truppe Greens wieder an den Bischof von Olmütz und Statthalter von Mähren, Kardinal Franz Graf von Dietrichstein. Die Komödianten folgen dem Kardinal nach Prag, wo dieser am 19. Juni 1617 Ferdinand II. zum Böhmischen König krönt.7 Herzog Heinrich Julius von Braunschweig, der Schwiegersohn des dä­ nischen Königs Friedrich II., holte sich die Truppe des englischen Prinzipals Browne mit ihrem berühmten Komiker Thomas Sackville an seinen Hof in Wolfenbüttel. Die Stücke, die er im Anschluss an deren Gastspiele selbst schrieb und 1593/94 drucken ließ, lassen den Einfluss der englischen Ko­ mödianten erkennen: Aus ihren Stücken übernahm der Herzog den ProsaDialog, die enge Verknüpfung von Haupt- und Nebenhandlung und vor al­ lem die neue Gestalt des typischen Sackvilleschen Narren Jan Bouschet.8 In der anschließend bespielten Messestadt Frankfurt am Main, aber auch danach in Köln und Nürnberg hatte die Truppe, die inzwischen von John Browne geleitet wurde, zunächst keinen Erfolg. Sie trat in den da­ rauffolgenden Jahren in den Dienst des Landgrafen von Hessen und spielte, abgesehen von den vielen Gastfahrten, immer wieder am Kasseler Hof. Of­ fenbar waren die Komödianten neben ihrem Sold bei Hof auf den Ertrag öffentlicher Vorstellungen angewiesen. So ist die Truppe von Robertus Braun samt 12 Personen in Straßburg ab 22. Dezember 1599 drei Wochen lang nach­ gewiesen, ebenso am 21. Juni 1606 mit 14 Personen, und im Juni/Juli 1618 7 8

Schindler, Otto: Sonst ist es lustig allhie. Italienisches Theater am Habsburger Hof, S. 613. John Bousset, Jan Bosset. Nach dem Grimmschen Wörterbuch stammt der Name von „Bos­ sen“ = Witz, Spaß. Erst später entwickelt sich daraus die Bedeutung von „Possen“ = derb­ komisches Bühnenspiel, Schwank.

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mit 17 Personen und vier Kisten mit Kleidern. Um diese Zeit gehörte Robert Reinolds als Coprinzipal noch zu dieser Truppe.9 1608 fand sich eine englische Komödiantentruppe unter John Green in Graz ein. Das Erzherzogpaar Ferdinand und Magdalena berichtet in meh­ reren Briefen von den Aufführungen der Engländer und belohnte sie beim Abschied mit der großen Summe von vierhundert Talern. Dieselbe Truppe ist in den Straßburger Ratsprotokollen am 14. Juli 1606 nachgewiesen.10 Als Greene 1632 in Frankfurt seine letzte Vorstellung gibt und von dort wieder nach England zurückkehrt, bedauert ein Theaterbesucher: Der trawrig Krieg hat die engllender vertrieben.11 Bekannt waren auch die ursprünglich von Webster, später von Reeve12 geführte Wanderbühnentruppe und die Brandenburgischen Hof­ko­mö­dian­ ten. Im süddeutschen Raum agierte die von Blackreude und Theer geführte Truppe. Zu den bedeutsamsten zählt wohl die vor allem im Norden Deutsch­ lands (bis Königsberg) spielende Truppe unter John Spencer aus London, der die berühmte Narrenfigur Hans von Stockfisch schuf. Spencers Komödian­ ten traten vor dem Churfürsten zu Brandenburg und vor der Rom.Keis.Majt. auf dem Reichstag auf. In Straßburg sind sie vom 23. Mai bis 24. Oktober 1614, und im Juni/Juli 1615 nachgewiesen. Am 2. Juli 1614 wurden ihnen zwei zusätzliche Sonntagsspiele erlaubt: darumb daz sie sich mit Ihrer Music alle Sontag, weiln sie hie, In der Kirchen vff den orgeln brauchen laßen vnnd gute disciplin halten.13 Ebenso im Norden, in Danzig und lange Zeit am Dresdener Hof, wirkte die von Robert Reynolds und Aron Asken geführte Truppe, die sich aus einigen ehemaligen Mitgliedern der Browne-Truppe formiert hatte. Sie bespielten Utrecht, Stockholm, Königsberg, Riga, Warschau, Hamburg und Lüneburg. Nach vielen Fahrten kamen sie über Köln, Straßburg, Ulm, 9 10 11 12

13

Die betreffenden Straßburger Ratsprotokolle sind abgedruckt bei Crüger: Englische Komoe­ dianten in Strassburg, S. 120–121. Crüger: Englische Komoedianten in Straßburg, S. 118. Mentzel, Elisabeth: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main. Frankfurt 1882, S. 74 und 71. Ralph Reeve (Rudolph Remius, Rudolph Riveus) ist zur Zeit der Frankfurter Ostermesse 1603 als Principal der fürstlich hessischen Comoedianten nachweisbar. Vom 19.  Juni bis 13. Juli 1605 wird Rivius als Coprincipal der Richard Mechin-Truppe viermal in Straßburger Ratsprotokollen erwähnt. Weitere urkundlich nachgewiesene Stationen: Stuttgart (10. Mai 1609), Nördlingen, Nürnberg (8. Juli bis Ende Juli 1609), und während der Herbstmesse in Frankfurt. – Nach Trautmann: Englische Komoedianten in Stuttgart, S. 215; ebenso Crüger: Englische Komoedianten in Strassburg, S. 117. Am 8. Juni 1614 spielten sie in Straßburg die Ratskomoedie „Von Einnehmung der Statt Constantinopel“. – Die betreffenden Straßburger Ratsprotokolle sind abgedruckt bei Crüger: Englische Komoedianten in Straßburg, S. 118–120.



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Dresden und Prag im Herbst 1653 an den Innsbrucker Hof, wo man sie mit hohen Beträgen entlohnte. Robert Reynolds machte den Pickelhering zu je­ nem bekanntesten Narrentypus, der in kaum einem Wanderbühnenspiel des 17. Jahrhunderts fehlen durfte. Aber auch niederländische Truppen drängten in den deutschsprachigen Raum; so sind z.  B. Brüsseler Comoedianten unter ihrem Prinzipal Jan Bat­ tista van Fornenbergh 1649 in Hamburg dokumentiert. Sie spielten vor allem spanische und französische Komödien. Im deutschsprachigen Süden waren es zunächst vor allem die italienischen Comici dell’Arte, die das Theaterleben aus der religiös/ethisch geprägten Atmosphäre der Jesuiten und dem groben Gauklertum des Jahrmarkts in eine neue unterhaltsame und entwicklungsfähige Epoche führten. Ihr Ein­ fluss scheint sich jedoch auf die Texte der deutschen Wanderbühnenautoren nicht so stark ausgewirkt zu haben14, denn sie spielten fast nur an Fürsten­ höfen. Außerdem nahmen sie keine deutschsprachigen Schauspieler in ihre Truppe auf. In Österreich sind italienische Theatergesellschaften schon im 16.  Jahrhundert nachgewiesen; die früheste Nachricht von einem italieni­ schen Komödianten stammt vom Dezember 1565, als Andre Kromppo in Wien auftrat. 1568 bis 1574 spielte die Truppe des Giovanni Tabarino in Linz, Prag und Wien, er wurde dort vom Kaiser als Römisch-Kaiserlicher Majestät Spielmann entlohnt. Ab 1576 ist die berühmte Gelosi-Truppe in Wien nachweisbar; und die Comici Accesi unter der Leitung des großen Fritellino-Darstellers Pier Maria Cecchini, der von Kaiser Matthias am 12. November 1614 sogar in den Adelsstand erhoben wurde, traten von August bis November 1614 mit 25 Personen in Innsbruck und Wien auf. 1627 bis 1629 spielte die FedeliTruppe, die begehrte Theatertruppe des Herzogs von Mantua, unter ihrem Prinzipal Giovan Battista Andreini in Prag und Wien, und sie hatte dort den größeren Zulauf als die gleichzeitig anwesenden englischen Komödianten.15 Allerdings war die Anwesenheit der Comici dell‘Arte in Wien durch einen mächtigen Gegner ernsthaft gefährdet: Die Jesuiten, die Erzieher der Habs­ burger Herrscher, setzten es durch, dass das eigens für die Italiener erbaute, erste freistehende Theatergebäude Wiens auf dem heutigen Josefsplatz nach kurzer Zeit wieder abgebrochen werden musste. Über den Widerstand der Je­ 14 15

Günther Hansen (Formen der Commedia dell’Arte in Deutschland, Emsdetten 1984) kennt bis 1670 nur sieben deutschsprachige Werke, in denen Namen aus der Comédie italienne-Ty­ pologie vorkommen. Eine grundlegende Arbeit über diese erste Zeit des italienischen Theaters in Österreich gibt Otto G. Schindler: „Mio compadre Imperatore“. Comici dell’arte an den Höfen der Habs­ burger. In: Maske und Kothurn, Jg 38, Heft 2–4, 1997, S. 25–154.

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suiten gegenüber den Comici dell’Arte empört sich die Witwe Ferdinands III. am Wiener Hof: Die Jesuiten padres sind dermaßen gegen die Komödianten eingestellt, daß es nicht zu beschreiben ist, und dabei haben sich diese weder in der Darstellung noch in der Rede eine einzige Unanständigkeit erlaubt.16 – Anscheinend sah der religiöse Orden im Spiel der Comedia dell’Arte das Seelenheil bedroht. So nennt der apostolische Nuntius Giovanni Battista Pallotto in einem Schreiben nach Rom die Jesuiten, die ja auch selbst mit ihren Schülern Theateraufführungen gaben, Schauspieler des Paradieses, während er in den Comici dell’Arte jene des Teufels sieht.17 Dass sich diese trotzdem halten konnten, ist ihrer Kunst zu verdanken, denn die Comedi der Jesuwiter sei mit ihren fünf Stunden doch gar zu langweilig, wie Cäcilia Renate aus Prag an ihren Bruder, Erzherzog Leo­ pold Wilhelm, am 6. Dez. 1627 nach Wien schreibt.18 Diese italienischen Comici dell’Arte standen noch bis Ende des 17. Jahrhun­ derts in Konkurrenz zu den Engländern. Der Wiener Hof allerdings bevor­ zugte zu dieser Zeit die italienischen Komödianten, die dort fest engagiert waren und für ihre Singspiele in italienischer Sprache großzügige Gagen be­ kamen. Den größten Erfolg hatten die ersten englischen Komödianten im mittel- und norddeutschen Raum, und sie waren anscheinend gut ausgebil­ det: Was aber die actores antrifft, werden solche (wie ich in England in Acht genommen) gleichsam in einer Schule täglich instituiret, daß auch die vornembsten actores deren arten sich von den Poeten müßen vnder wayßen laßen, welches dann einer wolgeschriebenen Comoedien das leben vnd Zierde gibt vnd bringet; daß also kein wunder ist, warumb die Engländische Comoedianten (Ich rede von geübten) andern vorgehen vnd den Vorzug haben.19 Anfangs spielten die Engländer noch in ihrer eigenen Sprache mit ausge­ prägter Mimik und Gestik, die es dem deutschen Publikum ermöglichte, auch ohne Sprachverständnis der Handlung zu folgen. Während der Herbst­ messe 1593 spielte die Browne-Truppe in Frankfurt geistliche Komödien noch in englischer Sprache, ebenso 1599 in Hildesheim und München. Hier allerdings sprach die lustige Figur, die in den Zwischenspielen auftrat, schon deutsch. Ein Spielansuchen an den Rat der freien Reichsstadt Nördlingen aus dem Jahr 1604 weist ausdrücklich darauf hin, dass in deütscher Spraach vnndt

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Seifert, Herbert: Die Oper am Wiener Kaiserhof im 17. Jahrhundert (= Wiener Veröffent­ lichungen zur Musikgeschichte, Bd 25). Tutzing 1985, S. 660. – Ebenso Schindler, Otto: Sonst ist es lustig allhie. Italienisches Theater am Habsburgerhof, S. 610. Schindler, Otto: Sonst ist es lustig allhie. Italienische Theater am Habsburger Hof, S. 609. Schindler, Otto: Sonst ist es lustig allhie. Italienisches Theater am Habsburger Hof, S. 608. Vorwort zum „Speculum aistheticum“ (1613) des Mediziners Johannes Rhenanus. (Handschrift in der Bibliothek Cassel, Theatralia 4° 2.) Abgedruckt in Creizenach: Schauspiele der engli­ schen Komödianten, S. 327–329.



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Zierlichem Habit gespielt werde.20 Und 1605 erwähnen die englischen Komö­ dianten Richard Machin und Rudolph Riobe in ihrem Spielansuchen an den Frankfurter Rat, dass sie ihre züchtigen und lieblichen Comödias und Tragödias in hochdeutscher Sprach agiren werden.21 Die Figur des Narren, gespielt meist vom Prinzipal der Truppe, erklärte und kommentierte auf seine Weise das meist höchst dramatische Gesche­ hen auf der Bühne. Sie wurde dadurch zum wichtigsten Repräsentanten der jeweiligen Komödiantengesellschaft, und es entstanden die berühmten Nar­ rentypen des Jan Posset, des Hans Stockfisch und des Pickelhering, zu denen sich später um die Jahrhundertwende der Wiener Hanswurst gesellte. Neben diesen um großes Theater bemühten Komödianten gab es auch jene umherziehenden gemeinen Marckschreier  /  Zahnbrecher und Fratzendichter, von denen Johann Rist (1607–1667) berichtet, er habe in seiner Jugend selber von diesen Phantasten / welche ihren Quarck nebenst allerhand Schand-Possen dem Volcke zu verkauffen pflegen, manchen elenden und jämmerlichen Auffzug gesehen. Sie haben das historische Bild der englischen und deutschen Wanderkomödianten für die Wissenschaft lange Zeit verzerrt und zwiespältig erscheinen lassen. Als Beispiel solcher lumpen Komödianten und Akker-Studenten beschreibt Rist eine Aufführung vom reichen Mann und armen Lazarus, deren Hauptattraktion ein üppiges langes Mahl auf der Bühne war, bei dem nichts anderes gesagt wurde als ‚Schenck inn / es gilt / trinck aus / ich werde voll / der Wein ist guht‘. Er habe auch eine solche Gaukler-Aufführung von „Judith und Holoferne“ ge­ sehen, bei der Judith in gestalt einer groben / dikken / vierschröthigen Bauer-Magd auftrat. Holofernes trug einen verrosteten Brust-Harnisch, der war schon viele Jahre her für einen Färckel-Trog gebrauchet worden. Statt dieses Holofernes legten sie ein lebendes Kalb ins Bett, und als ihm Judith mit einer stumpfen Plötze den Kopf abzuhacken versucht, rarete und bölkete das Kalb so grausahm / das es kläglich war anzuhören, biß sie ihme endlich den Kopf gantz herunter gefiedelt / welchen sie in die Höhe gehoben / mit lauter Stimme dabey ruffend: Sehet da, daß ist das schelmische Haubt des Tyrannen Holofernes / und wie sich hierüber unter den Zuschauern / ein grausahmes Gelächter erhoben, hat die schöne Judith dieselbe mit folgenden Wohrten zu straffen angefangen: Wie stehet ihr Narren und lachet? Könnet ihr euch bey diesem Kalbe nicht 20 21

Spielansuchen vom 20. Januar 1604. Abgedruckt in Trautmann, Carl: Die älteste Nachricht über eine Aufführung von Shakespeares Romeo und Julie in Deutschland (1604). In: Archiv für Literaturgeschichte, Bd 11, S. 625–626. Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, S.  285.  – Die 16 Personen zählende Truppe unter der Leitung von Richardus Mechinus und Rudolph Rivius sind auch in den Straßburger Ratsprotokollen vom 11. Mai bis 13. Juli 1605 fünfmal verzeichnet. Sie konnten auf ein Repertoire von 24 schonen Comedien tragoedien vnd pastoral und auf vier Jahre Aufenthalt bei Landgraf Moritz verweisen, furnemblich der vrsachen dz sie ein solche Musicam haben, dergleichen nit baldt zu finden. (Crüger: Englische Komoedianten in Straßburg, S. 116–117.)

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inbilden / das es Holofernes gewesen? Wann ich einen rechten / natürlichen Menschen also in den Hals hätte gehauet / wie ich in diesem Kalbe gethan / würde er den zehnten Theil nicht so viel Parlamentes und Gebölckes gemacht haben / als dieses unschuldige Kalb / aber dieses sind Sachen / wovon ihr keinen Verstand habet.22 Das Theaterspielen musste eine große Anziehungskraft auf die bodenstän­ dig-bürgerlichen Laienspieler, die Nachfolger der Meistersinger, ausgeübt haben, so dass z.  B. in Nürnberg eigene Handwerker-Ensembles entstanden. Sie hatten jedoch mit großen Vorurteilen und Restriktionen von Seiten des Stadtrats und der Kirche zu kämpfen23, weilen sie die leut nit sein, die bei der jugend grossen nutzen schaffen können. Ihre derb-komischen Darbietungen entsprachen anscheinend in keiner Weise den Vorstellungen von wohl eingerichteten und lehrreichen Schauspielen, die religiös-moralische Auswirkungen auf das Volk haben sollten. Aber auch Handwerker, die nicht zum Kreis der Meistersinger gehörten, wollten Theater spielen, manche von ihnen gaben sogar ihren erlernten Be­ ruf auf und gründeten eigene Ensembles. So bat z.  B. der Goldschmied Hans Mühlgraf in Nürnberg 1609, nachdem er das zweiwöchige Gastspiel der eng­ lischen Komödianten des Markgrafen von Hessen-Kassel erlebt hatte, den Nürnberger Rat um die Erlaubnis, mit seinen Gesellen einige Stücke auffüh­ ren zu dürfen. Vergebens. „Sie sollen sich auf etwas besseres und nuzliches begeben und nit nur auf den müssiggang legen.“24 Es dauerte fast zwanzig Jahre, bevor er mit seinem Ensemble in Nürnberg im Heilsberger Hof auftreten durfte und schließlich 1628 sogar die Ehre erhielt, mit seiner Truppe das neu errichtete Schauspielhaus auf der Insel Schütt (Nürnberg) einzuweihen.25 Um das Spielverbot zu umgehen, traten manche Handwerkergruppen in Nürnberg vorübergehend mit renommierten Wanderbühnen gemeinsam auf: Der Nürnberger Handwerker Schübler tat sich mit der gerade anwesen­ den Truppe der Catharina Elisabeth Velthen zusammen; und die Gruppe um Bortenmacher Hengels schloss sich vom 20. Juli bis 13. September 1700 ei­ ner in Nürnberg angekommenen Theatertruppe unter dem Prinzipal Chris­ tian Müller an, sie brachten gemeinsam 17 Aufführungen auf die Bühne.

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Johann Rist: Die AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Apri­ lens-Unterredung, Hamburg 1666. (= Johann Rist: Sämtliche Werke, Bd 5, hg. von Eberhard Mannack, Berlin 1974, S. 282–286.) Siehe dazu Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002, S. 584–591. Zitat nach Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel, 2002, S. 36. Zu Mühlgraf siehe Rudin, Bärbel: Hans Mühlgraf & Co., Sitz Nürnberg. In: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Bd 29/30, 1978, S. 15–30.



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Eine Konkurrenz zu den Gastspielen der englischen und hochdeutschen Ko­ mödiantentruppen konnten sie niemals sein. Johann Rist erzählt von einer fürnehmen englischen Komödiantentruppe mit reicher Kleiderausstattung, die ihre Einnahmen in einer bekannten deutschen Stadt durch solche Handwerker gefährdet sieht. Um dem Publikum die Lust auf deren Komödien zu verder­ ben, spielen die Engländer auf ihrer Bühne eine handwerkliche Parodie der ‚betrübten Geschicht und jämmerlichen Begebenheit von Pyramus und Thysbe“: Als zer­ lumpte Handwerker verkleidet, bieten sie dem fiktiven König zur Hochzeit seines Erbprinzen so stümperhafte und alberne Possen, dass sie am Ende durch seine (fiktiven) Trabanten vom Platz geprügelt werden.26 Es war also allein das professionelle Theater mit meist gebildeten Komö­dian­ ten, das sich durchsetzen konnte. Gespielt wurde auf städtischen Bühnen und an den Höfen, an denen berühmte Truppen auch über Jahre hinweg eine feste Anstellung erhielten, so etwa am Innsbrucker Hof des Erzher­ zogs Ferdinand Karl, am Hof des Fürsten Johann Christian zu Eggenberg in Böhmisch Krumau27, am kurpfälzischen Hof zu Heidelberg und Mannheim oder am Hof zu Dresden. Dort hatte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahr­ hunderts die Sitte eingebürgert, dass die komödiantischen Darstellungen und die Ballette der Hofleute in das Programm der Hoftafel eingefügt wurden. So heißt es bei der Schilderung eines Festmahls aus dem Jahr 1651, dass beim dritten Gang eine Komödie vom „Herzog von Mantua und Herzog von Ferrara“ aufgeführt worden sei, worauf der junge Prinz (Johann Georg III.) mit dem Ballettmeister d’Olivet im Mohrengewand eine Maskerade tanzte.28 Die Kurfürsten von Sachsen haben seit den Anfängen professioneller Theaterkunst nahezu ununterbrochen deutsche Hofkomödianten privile­ giert; ihre Schirmherrschaft betraf so berühmte Truppen wie die des Velthen oder der Neuberin. Das Churfürstlich-Sächsische – und, seit 1697, das Königlich Polnische Privileg war von Rang und praktischer Bedeutung das begehrteste überhaupt. Es beinhaltete vor allem das Messprivileg für Leipzig, das diesen Hofkomödianten 15 Aufführungstage garantierte, meist aber auf vier Wo­ chen ausgedehnt wurde. Das bedeutete eine Monopolstellung der begünstig­ 26 27

28

Johann Rist: Die Aller Edelste Belustigung, Aprilens-Unterredung, Hamburg 1666. (= Jo­ hann Rist: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 287–303.) Ab 1666 führte Johann Christian (1641–1710) den Titel ‚Herzog von Krumau‘; im selben Jahr wird seine Heirat mit der siebzehnjährigen Maria Ernestine (1649–1719) gefeiert, die sehr gebildet war und eine Auswahl aus Senecas Briefen übersetzt hat. 1676 wurde eine ständige Hofkomödiantengesellschaft angestellt, die bis 26. Juni 1691 im Dienst des Eggenbergischen Fürsten stand. (Ludvik, Dusan: Die Eggenbergischen Hofkomödianten. In: Acta Neophilo­ logica, Bd 3, 1970, S. 65–92) Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, 1861, S. 128, ebenso S. 243 und 249.

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ten Truppe.29 Erfolgreiche Ensembles wurden oft auch an verwandte oder befreundete Höfe weiterempfohlen.30 Das war besonders dann von Vorteil, wenn wegen eines Todesfalls ein Trauerjahr ohne Belustigungen oder Ko­ mödien eingehalten werden musste oder wenn die ausgebrochene Pest das Umherreisen oder den Aufenthalt in einer Stadt einschränkte, so etwa in Wien 1679 bis 1681. Die bekanntesten Prinzipale dieser Zeit waren Joris Joliphous, der frü­ here Puppenspieler Michael Daniel Treu und Carl Andreas Paulsen mit sei­ nen Nachfolgern, dem Schwiegersohn Mag. Johannes Velthen und dessen Witwe Catharina Elisabeth Velthen. Die Velthen-Truppe prägte fast ein Jahr­ hundert lang das Bühnengeschehen in Deutschland. Das Schauspiel der Wanderkomödianten war – im Gegensatz zu den Laien­spielen der Handwerker – vom jeweiligen Stadtrat meist sehr erwünscht, erfüllte es doch gesellschaftliche und soziale Funktionen und diente nicht nur der Unterhaltung der Bürger, zur Erbauung und Belehrung, sondern ließ sich auch für repräsentative Zwecke, z.  B. bei Ratsvorstellungen, einsetzen. Zu­ dem sorgte es für die finanzielle Aufstockung der Stadtkasse, was in manchen Jahren mehrere tausend Gulden einbrachte. In der Hand des Stadtrates lag die sittliche und ästhetische Beurteilung und die Zensur der Komödien, die Zuweisung der Spielzeit und des Aufführungsortes und die Aufsicht während der Aufführungen. Die Stadt verwaltete auch die finanziellen Einnahmen, so dass dem Unternehmen Wanderbühne nach Abzug der Unkosten und der Abgabe für das Spital meist nur zwei Drittel der Einnahmen blieb. Nicht immer war der Erfolg der Komödianten gesichert, so dass sie die Stadt oft mit Schulden verlassen mussten oder auf Almosen des Stadtrats angewiesen waren. Das geschah z.  B. der englischen Truppe des Joris Joliphous, mit der Johann Martin seine ersten Komödiantenjahre verbracht hatte: Am 15. Dezember 1651 klagt er, dass ein Großteil ihrer Kostüme und ihres Besitzes gestoh­ len und verloren sei. Einige Monate vorher hatte er in Frankfurt gegen die Opernkonkurrenz der Niederländer keinen Erfolg gehabt und musste seine Requisiten verkaufen, die er jedoch noch im gleichen Jahr von Köln aus wie­ der auslösen konnte.  – Sein Ende war schmählich: Aus einem Brief Carl Ludwigs von der Pfalz vom 11. Juni 1658 erfahren wir, dass Master George, 29

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1679 erhielt Velthen in der Nachfolge seines Schwiegervaters Carl Andreas Paulsen das kur­ sächsische Patent. Nach dem Tod seiner Witwe Catharina Elisabeth Velthen im Jahr 1712 ging es an die Prinzipalfamilie Elenson-Haacke-Hoffmann, ab der Saison 1727/28 an die Eheleute Neuber. Die Zeit vor und nach den Messen in Leipzig wurde mit Spielen im Dresdener Ge­ wandhaus überbrückt. (Rudin, Bärbel: Zwischen den Messen in die Residenz, S. 75–77.) Am Beispiel der Eggenbergischen Hofkomödianten besonders eindrucksvoll dargestellt von Dusan, Ludvik in: Acta Neophilologica, Bd 3, 1970, S. 65–92.



Erstes weltliches Berufstheater in Deutschland

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der Comediant, in die Nachbarschaft gekommen, aber in einer elenden Gestalt, dan seine Compagnie gantz abtrünnig worden und sich in zwei Theil getheilt, auch die Weiber von ihm gegangen. Am 13. Juni schreibt er: George sein Cholera aber hatt die Compagnie wieder zerspaltet und hatt nur acht personen bey sich. In einer letzten Erwäh­ nung vom 31. Jänner 1660 wird berichtet, dass Joliphous wegen Streit mit Johann Jenicke von Weissenfels ausgewiesen worden ist.31 – Johann Martin hat bei diesem Prinzipal also keine einfache Lehrzeit ausgestanden: Es gab immer wieder gewalttätige Auseinandersetzungen. Am 20. Nov. 1655 muss sich sogar der Nürnberger Stadtrat mit einer Klageschrift des Komödianten Christoph Blümel auseinander setzen, weil Joliphous ihn verwundet habe. 1657 gab es sowohl in Nürnberg wie auch in Frankfurt Streit mit dem Prin­ zipal Hans Ernst Hoffmann; beide Male musste dieser die Stadt verlassen. Hoffmann, Schwarz, Johann Martin und einige andere Mitglieder32 trennten sich daher von ihrem englischen Prinzipal und gründeten 1656 eine eigene Truppe, die Hochteutschen Comoedianten, ab 1658–1662 mit dem Namen Insprugger Comoedianten. Ab 1667, wahrscheinlich nach einem längeren Engage­ ment beim Kurfürsten Carl Ludwig von der Pfalz, nennen sie sich Churpfälzische Compagnie Comödianten. 1669 scheinen die Schauspieler in den Dienst des Markgrafen von Baden-Durlach getreten zu sein, denn sie nennen sich nun Fürstlich marggräflich badische Comoedianten. Die Truppe zählt zu dieser Zeit etwa zwanzig Personen und wird von der Witwe Hoffmanns, Maria Ursula, geleitet. Das Beispiel der Joliphous-Truppe zeigt, dass das Wanderbühnendasein in seiner Anfangsphase nicht immer leicht und völlig von der Gunst der Stadt­ räte und des Publikums abhängig war. Meist aber verstanden es die Truppen, Aufmerksamkeit und Begeis­ terung zu wecken: So lockte Carl Andreas Paulsen Ende der 1660er-Jahre in Nürnberg 20–25000 Zuschauer in seine Aufführungen. (Einen solchen Erfolg hatte nur noch die Velthen-Truppe unter Catharina Elisabeth, die in Nürnberg vom 25. Mai bis 24. September 1697 in 40 Vorstellungen 21500 Zuschauer erreichte. Bei einem Eintrittspreis von 6–8 kr ergab das einen selten großen Gewinn). 1667 spielte Paulsen die ganze Sommersaison – von Ende Juni bis Mitte September – in Nürnberg oft dreimal pro Woche, und hatte in diesem Jahr insgesamt etwa 20.000 Zuschauer. Doch schon im Jahr darauf bekam er Konkurrenz durch die Truppe des Michael Treu, die sich zur gleichen Zeit in Nürnberg aufhielt und schlussendlich den Rat für sich 31 32

Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, 2003, S. 91–92. Ihre Namen sind in einer Besoldungsliste von 1660 verzeichnet. (Hofpfennigmaisterische Ambtscoppey Raittung im Archiv der Tiroler Landesregierung, Cod. Hs. Nr. 1965, S. 83 v). Abgedruckt in Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, 2003, S. 124–125.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

gewinnen konnte. Die Stadt entschied nach erbitterten Zwistigkeiten zwi­ schen den Konkurrenten, dass Paulsen die Stadt verlassen müsse, denn er habe bereits mehr Stücke gezeigt, als ihm erlaubt gewesen sei, und nicht so guet wie die andere partei agiret.33 Die Wanderbühnentruppen waren aber auch im Gefolge des Heeres zu fin­ den: So wurde etwa die Witwe Velthen während des Spanischen Erbfolgekrie­ ges zur Truppenbetreuung ins kaiserliche Lager auf die pfälzische Festung Landau engagiert.34 Während des Holländisch-Französischen Krieges 1673 eilte Andreas Elenson mit seiner Truppe aus Sachsen direkt vor die französi­ schen Linien; und Jakob Kuhlmann stellte ein (vergebliches) Spielansuchen an die einzige neutrale Bastion, Straßburg.35 Ein Theaterzettel aus Frank­ furt (wahrscheinlich von der Eytel-Truppe) datiert den 17. November 1673, obwohl dort, wie auch in Ulm, schon vor Ausbruch des Holländisch-Fran­ zösischen Krieges (1672) alles Theatervolk abgewiesen worden war: Man habe bey disen gantz gefährlich außsehenden Zeiten wol etwas anderes zu thun, alß daß man dergleichen Kurtzweyl suchen sollte.36 Man kann daher annehmen, daß die auf dem Theaterzettel angegebenen Hoch-Teutsche Compagnie Comödianten mit ihrem kurtzweiligen Pickel-Häring nicht vor städtischem Publikum, sondern fürs Kriegsvolk gespielt haben. Die Schauspieltruppen aus England waren so hoch angesehen, dass sie sich auch mit deutschen Ensemblemitgliedern und nachdem sie sich längst in den deutschen Sprachraum integriert hatten, noch ‚englische Komödianten‘ nannten.37 Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges traten neue niederlän­ dische38 und hochdeutsche Komödiantentruppen in Konkurrenz zu den 33 34 35 36 37

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Zur Theatersituation in Nürnberg im 17. Jahrhundert siehe die umfassende Darstellung von Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Tübingen 2002. (hier das Kapitel „Importeure der großen Bühnenwelt: Gastspiele auswärtiger Wandertruppen und Theaterbanden, S. 161–184. Hansen, Günter: Formen der Commedia dell’arte in Deutschland, Emsdetten 1984, S. 18–19. Kurz  /  Rudin: Prinzipale, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren. Berlin 1988, S.  49, Anm. 117. Stadtarchiv Ulm, Ratsprotokoll Bd 123, fol. 179v, vom 4. VIII. 1673. Dass es daneben auch kleinere, weniger angesehene Komödiantentruppen gab, verrät ein 16seitiges Pamphlet (ohne Ort und Datum) eines englischen Komödianten: Ich hab vor dieser Zeit bey andern Nationen, als ich mein Brodt mit Comoedien und Tragoedienspielen gesuchet, genugsame Spottreden wieder unser Engeland anhören und einfressen müssen. Da hat man uns nicht anders, als Englische Tanzmännerlein, Comoedien-Spieler, Feyge Memmen, Taschenspieler, Seiltänzer, Zuckerfresser, Milch und Honigschlucker und dergleichen geheissen. (Nach Loffelt A. C.: English Actors on the Continent. In: Shakespeare-Jahrbuch, Bd 4, 1869, S. 377.) Die Truppe des Jan Baptist van Fornenbergh (1624–1697), ebenso die Nachfolgetruppe des Jacobus Sammers und jene des Jacob van Rijndorp, alle drei von europäischem Rang. (Aus­



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Engländern, die ersteren jedoch nur in Norddeutschland, da sie fast aus­ schließlich in ihrer Muttersprache agierten und die Mitwirkung deutscher Schauspieler in ihrer Truppe ablehnten. Die englische Truppe des Joris Joliphous hatte schon in England, den Nie­ derlanden, in Danzig, ab 1649 nachweisbar in Köln, Wien, Frankfurt, Prag und Basel, Regensburg, Nürnberg, Ulm und Straßburg agiert, bevor sich ihr Johann Martin wahrscheinlich um das Jahr 1652 oder 1653 anschloss. Sie spielte zu dieser Zeit sicher schon in deutscher Sprache. Joliphous’ Truppe zeigte erstmals weibliche Darsteller auf der Bühne, die man bisher nur aus italienischen Ensembles kannte.39 Und er dürfte zu dieser Zeit schon über perspektivisch gemalte Kulissen oder Schieber (‚Theatren‘) verfügt haben. Um 1654/55 trennten sich die deutschen Mitglieder dieser Truppe von ihrem englischen Prinzipal und bildeten eine eigene Truppe unter der Lei­ tung von Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz. Sie nannten sich nun die Hochteutschen Comoedianten40 und standen immer wieder in gegenseitiger Konkurrenz zur Joliphous-Truppe, z.  B. 1656 und 1657 auf der Frankfurter Ostermesse, traten zeitweise jedoch auch gemeinsam auf (1656 am Heidel­ berger Hof des Kurfürsten Carl Ludwig, 1657 in Frankfurt, 1658 wieder in Heidelberg). Sie bereisten die Städte Frankfurt, Straßburg (1656 und De­ zember 1657; sie besuchten diese Stadt mehrere Jahre lang)41, Heidelberg, Nürnberg, Basel und erhielten ab 1658 in Innsbruck unter Erzherzog Ferdi­ nand Karl vier Jahre lang ein festes Engagement. Dort wurden sie auch sehr gut bezahlt: Die beiden Prinzipale erhielten – als zusätzliche Silberdiener und Guarda Roba Gehilf – insgesamt 400 Gulden im Jahr, das war achtmal so viel wie das durchschnittliche Jahresgehalt eines Kammerdieners.42 Johann Martin, der spätere Dichter Laurentius von Schnifis, war einer dieser hochdeutschen Komödianten, sein Gehalt betrug 72 Gulden. Etwa ein Jahrzehnt lang führte er dieses Wanderleben als Musiker, Schauspieler, Verfasser von neuen Bühnentexten und wohl auch als Tänzer. Zu der Zeit,

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führlich dargestellt in Junkers, Herbert: Niederländische Schauspieler und niederländisches Schauspiel im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland. Haag 1936.) Joris Jolifaß ist auch in den Straßburger Ratsprotokollen nachweisbar vom 13. Jänner bis ca. 23. Februar 1654 und am 20. Juni 1657. (Crüger: Englische Komoedianten in Strassburg, S. 123). – Siehe dazu auch Robert J. Alexander: Georg Jolly (Joris Joliphus), der wandernde Player und Manager. Neues zu seiner Tätigkeit in Deutschland 1648–1660 (= Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Bd 29/30), Berlin 1978. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es mehrere Truppen, die sich „Hochdeutsche Komödianten“ nannten. Von den insgesamt etwa 70 wandernden Truppen waren sie es, die sich am längsten halten konnten. Die betreffenden Straßburger Ratsprotokolle sind abgedruckt bei Crüger: Englische Komö­ dianten in Strassburg, S. 124–125. Siehe dazu Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, S. 124  f.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

als die Truppe in Innsbruck auf der neuerbauten und technisch wohl an­ spruchvollsten Bühne des deutschen Sprachraums spielte, hatte Johann Mar­ tin schon einen bedeutenden Ruf als Musiker und Dichter. Das bezeugt sein Ehrengedicht auf den Erzherzog Sigismund Franz, als dieser am 16. Juni 1659 von seiner entscheidungsvollen Reise nach Wien wieder an den Hof zu Innsbruck zurückkehrte. Dieses kunstvolle lateinisch-deutsche Mischge­ dicht ist heute nur noch in einem einzigen Exemplar erhalten, eingebunden in einen Sammelband mit der Oper „L’Argia“ aus dem Jahr 1655 und dem „Balletto a Cavallo“ von 1652.43 Martins Tragico-Comoedia „Die Liebes Verzweiffelung“ dürfte jedoch vor seiner Innsbrucker Zeit entstanden sein.

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„Ehrengedicht von Johann Martini Ertzfürstl. Comoediant“. – Universitätsbibliothek Inns­ bruck, Sig. 30271, Teilabdruck in Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, S. 269–274.

Das Repertoire der Insprugger Comoedianten Bühnenstücke waren rar. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts waren es zumeist primitive Nachahmungen englischer Dramen von Shakespeare, Marlowe und Dekker, oder es wurden italienische Stücke, besonders jene des Hiacinto Andrea Cicognini, für die deutsche Wanderbühne bearbeitet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg finden sich anspruchsvollere Stücke auf der Bühne der nun schon in deutscher Sprache spielenden Theatertruppen. Ihre Repertoirelisten verraten, dass sie neben Haupt- und Staatsaktionen auch biblische Stoffe und Darstellungen aktueller politischer Ereignisse, etwa die Enthauptung des englischen Königs Carl Stuart oder die Belagerung ­Wiens unter ihrem türkischen Anführer Cara Mustafa, auf die Bühne brach­ ten. Da die wandernden Komödianten in den betreffenden Städten jeweils um Spielerlaubnis ansuchen mussten, nennen die Ratsprotokolle manchmal auch die Titel oder den allgemeinen Stil der aufgeführten Komödien. Es wird angenommen, daß Joliphous’ Truppe schon 1651 die ersten Dramen von Gryphius, „Catharina von Georgien“ und „Leo Armenius“, in Köln zur Auffüh­ rung brachte. Johann Rists „Fridtwünschendes Deutschland“ stand 1654 auf seinem Spielplan in Straßburg. Auch Stücke aus den beiden ersten gedruck­ ten Schauspielsammlungen des deutschen Sprachraums, aus den „Engelischen Comedien vnd Tragedien“ von 1620 und aus dem „Liebeskampff oder Ander Theil der Engelischen Comödien vnd Tragödien“ von 1630, gehörten zum Repertoire der beiden bekannten Komödiantentruppen unter ihren Prinzipalen Joris Joliphous und Hans Ernst Hoffmann. Das erste und achte Stück dieser letz­ teren Sammlung, „Macht des Knaben Cupido“ und „Bestrafter Fürwitz“, wurde in Frankfurt während der Ostermesse 1657 aufgeführt. Zum Repertoire des Prinzipals Joliphous gehörte 1656 auch das politische Drama „Carolus Stuardus“, das die Hinrichtung Karls I. unter Cromwell (1649) zeigte. Da Johann Martin die beiden Wanderbühnenstücke „Vntrew schlägt sein eignen Herren“ und „Des Fortunatus Wünschhütlein“ in seinen späteren Druckwerken erwähnt1, ge­ hörten wohl auch sie zum Repertoire der Hoffmannschen Truppe. Auch die zwölf Schauspielhandschriften in einem Sammelband der Wien­bibliothek (Cod. 38589 Ja) dürften in direkter Beziehung zu den Insprugger Comödianten stehen. Papier und Handschrift sind bei fast jedem Stück 1 „Philotheus“, S. 47, und „Mirantisches Flötlein“, I. Theil, 3. Elegie, Strophe 13.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

anders, und die einzelnen Schauspiele sind inhaltlich verschieden, so dass man annehmen kann, dass sie wohl erst in späterer Zeit zusammengehef­ tet worden sind. Die Wiener National-Bibliothek besitzt ebenfalls mehrere Manuskripte von Wanderbühnendramen, einige davon gehörten sicher dem Repertoire der ‚Insprugger‘ an. Im Zusammenhang mit Johann Martins „Liebes Verzweiffelung“ sind be­ sonders zwei dieser Wiener Schauspiele, „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“ und „Der eyserne Tisch“, interessant, weil alle drei einige Gemeinsamkeiten aufwei­ sen: Für die weiblichen Darstellerinnen sind jeweils zwei Hauptrollen und eine Nebenrolle vorgesehen. Im „Eysernen Tisch“ sind dies die tyrannische Königin Orismanna und die gefangene Prinzessin Hedregundis, als kleine Rolle Saga, die alte Zigeunerin. In „Aspasia“ spielen die Titelfigur und Cyp­ rine als zwei hübsche Schäferinnen die Hauptrollen, während Lodippe, die alte Hexe, als Nebenrolle geplant ist. Bei allen drei Dramen sind es also zwei junge Darstellerinnen, die ihre Rolle das ganze Stück hindurch zu spielen haben, während die alte Frau Alidea in der „Liebes Verzweiffelung“ ebenso wie Saga und Lodippe nie zu Beginn der Handlung auftreten, sondern erst später in das Geschehen eingreifen. Die Rolle der alten Frau hätte somit auch von einer der beiden Hauptdarstellerinnen übernommen werden können, denn in keinem der drei Dramen fällt der Auftritt der alten Frau mit Szenen zusam­ men, in denen beide Hauptdarstellerinnen zugleich auftreten.2 – Sowohl von der Truppe des Joliphous wie auch von Hoffmanns Truppe ist bekannt, dass ihr zwei weibliche Darstellerinnen angehörten. Sie gelten als erste deutsche Vertreterinnen des beruflichen Komödiantentums. Auch der Szenenaufbau und die Schauplätze zeigen in den drei genann­ ten Spielen (Liebes Verzweiffelung, Eyserner Tisch, Aspasia) auffallende Übereinstimmung. Während der „Eyserne Tisch“ besonders durch seine sprachliche Ähn­ lichkeit und die vielen mythologischen Andeutungen dem Drama Martins nahesteht, zeigt „Aspasia“ eine große Ähnlichkeit mit der Dymas-Handlung: Damon, ein junger Schäfer, bewirbt sich um die schöne Schäferin Aspasia,

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Dasselbe gilt auch für die Comoedia „Der Flüchtige Virenuns Oder die Getreue Olympia“ (Regens­ burg 1687): Die Prinzessinnen Asteria und Olympia stehen im zentralen Geschehen, während das alte Weib Glicerium nur in einer einzigen Spaßszene mit Pickelhering auftritt (II/9). Dazu muss allerdings festgestellt werden, dass mehrere Wanderbühnenspiele dieser Zeit zwei oder drei weibliche Rollen aufweisen. Zwei weibliche Hauptrollen mit einer für eine alte Frau vor­ gesehenen Nebenrolle begegnen in „Margaretha, die Märtyrin“, „Die Ermordete Unschuld oder Die Enthauptung des Graffen von Essecs“, „Comoedia genant Der Verliebten Kunstgriffe“, „Der unbesonnene Liebhaber“, „Die getreue Sclavin Doris“, „Conte de Monte Negro“, „Comoedia Bestehendt in 12 Personen“ und „Die zwey Brüder ungleichen Humors“.



Das Repertoire der Insprugger Comoedianten

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kränkt sie aber durch seine Zudringlichkeit.3 Er holt sich von der Hexe Lo­ dippe ein Zaubermittel, mit dessen Hilfe er Aspasia für sich gewinnen will.4 Unterdessen hat der König von der Schönheit Aspasias erfahren und lässt sie an seinen Hof bringen. Nachdem Aspasia die Tugendprobe bestanden und der König ihre Liebe gewonnen hat, werden beide ein Paar. Die Schäferin Aspasia besteigt den königlichen Thron.5 Auch in der Verwendung und im Rhythmus der Verse zeigen die drei Dramen verwandte Züge. Wie in Martins Spiel werden in „Aspasia“ in der letzten Szene alle Personen auf der Bühne gezeigt, und jede kennzeichnet in gereimten Versen ihre Stellung und Funktion im Drama. Ob diese Ähnlichkeiten nur zufällig aufgrund einer herrschenden Mode bestehen, ob die Schauspiele nach dem Willen des Prinzipals in diese Form gebracht wurden oder ob sie vielleicht in gemeinsamer Arbeit mehrerer Schauspieler mit Martin entstanden, bleibt unentscheidbar. Die völlig ver­ schiedene Sprache in „Aspasia“ gegenüber Martins „Liebes Verzweiffelung“, dagegen aber die überraschende Versähnlichkeit ließe eine Zusammenarbeit wohl möglich erscheinen. Die Wanderbühne der Anfangsphase hatte einen großen Bedarf an neuen Spieltexten, daher scheint es wahrscheinlich, dass Johann Martin für seine neugegründete Truppe mehrere Spieltexte geschrieben hat. Außer den vorgenannten zeigt auch „Die Egyptische Olympia und der flüchtige Virenus“ auf­ fallende Übereinstimmungen mit der „Liebes Verzweiffelung“, besonders in den beiden umfangreichen Verspartien im Prolog und im Akt II/2, im Aufbau und Sprachrhythmus, in der flexiblen Reimkunst, im Echo-Spiel in III/6 und in einzelnen Ausdrücken (elementische Lieb). „Die Egyptische Olympia oder der flüchtige Virenus“ gehörte zum Repertoire der Insprugger Comoedianten in Wien. Sie spielten es am 14. Mai 1665 in Wien und 1666 in Salzburg. Wie in Martins Drama handelt es sich auch hier um eine verwickelte Liebesgeschichte, die glücklich in eine Doppelhochzeit mündet. Die Wahl des Schauplatzes – Das Theatrum ist der Egytpische und Cyprische Hof, wie auch Feld- und Meer-Gestade – erinnert wieder an Schauplatz und Bühnenbild in Martins „Liebes Verzweif­ felung“. Ähnliche Übereinstimmungen gibt es im „Labyrinth der Liebe“, wo sich zu­ sätzlich mit den zahlreichen mythologischen Anspielungen und Exempeln 3 4 5

In der „Liebes Verzweiffelung“ (I/11) stößt der junge Schäfer Dymas, Damons Sohn, seine schöne Schwester Amoena durch seine Zudringlichkeit ab. Dymas lässt in der „Liebes Verzweiffelung“ (II/9) durch den Schwartzküntzler das Cornakel zu Delphus fragen, wie er Amoena für sich gewinnen könne. Vgl. die Rodiman-Amoena-Handlung: Die Schäferin Amoena wird von dem Cretischen Prin­ zen zu seiner Gemahlin auserwählt.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

eine typische sprachliche Eigenart der „Liebes Verzweiffelung“ und der späteren Werke des Dichters zeigt. Dass das „Liebes Gefängnus“ und der „Tugend- und Liebesstreit“ ebenfalls Ähnlichkeiten mit der „Liebes Verzweiffelung“ aufweisen, bestätigt schon Werner Richter in seiner Arbeit „Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670“ aus dem Jahr 1910, S. 249. – Solche Hinweise bleiben jedoch hypothetisch, da gerade in thematischer Hinsicht viele Wanderbüh­ nentexte Ähnlichkeiten aufweisen, ebenso tauchen die gleichen Motive in immer wieder neuen Variationen auf. Johann Martin verließ seine Truppe 1662. Aus dem gleichen Jahr datiert die „Comoedia Von der Glückseligen Eyfersucht zwischen Rodrich und Delomira von Valenca“ seines Schauspielkameraden Christoph Blümel. In dessen Bearbeitung des „Juden von Venetien“ vertritt Pickelhering die Begleitperson des Prinzen und wird so zu einer zentralen Figur des Dramas. Wie in Martins Spiel besteht die Hauptfunktion der komischen Person darin, das höfische Liebesleben zu verspotten und der echten inneren Zuneigung eine grobe und geheimnislose niedere Erotik gegenüberzustellen. Der „Jude von Venetien“ zeigt diese Eigen­ schaft Pickelherings noch ausgeprägter als Martins Drama. Pickelhering wird bei Blümel zum persiflierten Spiegelbild seines Herrn. In dem von M. Dorscheus geschriebenen Stück „Der stumme Prinz Atis“ glaubt Heine eine Nachahmung des „Königs Frondalpheo“ (Wiener Handschrift der „Liebes Verzweiffelung“) zu erkennen.6 Die beiden Stoffkreise scheinen aber doch zu verschieden, als dass solch eine Annahme bestätigt werden kann. Allerdings gibt es mehrere gemeinsame Motive, so etwa die treue Liebe eines Königssohnes zu einer Prinzessin und deren unwandelbare Treue. Dieses Motiv ist jedoch in vielen Dramen jener Zeit vertreten. Es könnte vielleicht noch die Intrige des Generals Orsanes mit jener des Cassianus aus der „Liebes Verzweiffelung“ verglichen werden: Orsanes will, während er den Bräutigam der Prinzessin Elmira, den stummen Prinzen Atis, abwesend wähnt, Elmira dazu bewegen, in seine Liebe einzuwilligen. Der Intrigant Orsanes schreckt vor keiner Niedertracht, auch nicht vor dem Mord an Atis zurück, um zum Ziel zu gelangen und die Königswürde an sich zu reißen. Doch Elmira wei­ gert sich standhaft, in seine Anträge einzuwilligen. Prinz Atis, der in einem Augenblick größter Angst um seinen Vater die Sprache wiedererlangt hat, kehrt verkleidet an den Hof zurück, um Elmira zu prüfen.7 (Dieses Motiv, 6 7

Heine, Carl: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, S. 89–90. Solche Prüfungen kehren in vielen Dramen der Wanderbühne wieder, z.  B. in der „Tragoedi vnzeitiger Vorwitz“ aus der Sammlung von 1630: Ein Bräutigam überlässt die Geliebte seinem Freund und ermuntert ihn dazu, die Geliebte zu prüfen. Doch wie in Mozarts Oper „Cosi fan tute“ ergibt sich die Frau der Untreue. Allerdings ist das 17. Jahrhundert nicht – wie Mozarts



Das Repertoire der Insprugger Comoedianten

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die verkleidete Rückkehr des Prinzen, ist ebenso in der „Liebes Verzweiffelung“, aber auch in zahlreichen anderen Spieltexten vorhanden.) Der Prinz geht scheinbar auf die Intrige des Orsanes ein, führt jedoch alles zu einem guten Ende, indem er mit Heldenmut den Vater aus der Gefangenschaft und seine Stadt vor dem Überfall der Feinde errettet. Elmira und Atis werden ein Paar, Orsanes erlangt Verzeihung, und das Spiel endet mit einer Doppel­ hochzeit8, ebenso wie in der „Liebes Verzweiffelung“. Der Vergleich zeigt also, dass sich mehrere Motive aus der „Liebes Verzweiffelung“ in dem Wanderbühnendrama „Der stumme Prinz Atis“ auf auf­ fallend ähnliche Weise wiederholen. Auch wenn diese zum allgemeinen Motivkreis des damaligen Wanderbühnendramas gehörten, könnte sie der Verfasser aus der „Liebes Verzweiffelung“ übernommen haben. Die meist nur durch Zufall erhaltenen Wanderbühnenstücke aus dem Reper­ toire der Insprugger Comoedianten wie auch anderer Truppen verarbeiten im Grunde immer dieselben Themen und Motive, die dem Verlangen des Publi­ kums entsprachen. Auch der Schauplatz bleibt sich gleich: Es ist jener des glücklichen, genügsamen Schäfers und, im Gegensatz dazu, jener des Hofes als Ort des Überflusses, der Intrige und der schicksalhaften Liebe. Das Spiel der deutschen Komödianten bot Unterhaltung für alle Kreise des Volkes, für den naiven Bürger wie auch für den gebildeten Höfling. Eine Artzeney des Menschlichen Elends nannte der Barockdramatiker Christian Weise die Komödie. Neben der Belehrung und Verbreitung moralischer Anschauun­ gen wurde bei der Auswahl und Darbietung der Bühnenstücke besonders die Wirkung auf den Zuschauer berechnet. Zum erstenmal wurde das Publikum zum entscheidenden Faktor in der dramatischen Produktion. Die Wander­ komödianten schenkten den Problemen ihrer Zuschauer Beachtung und ga­ ben deren Illusionen jene Erfüllung, die die Wirklichkeit versagte. So bauten sie auf ihrer Bühne meist nicht den wirklichen Schauplatz eines notvollen und unbarmherzigen Alltags, sondern zeigten die reiche Welt des Hofes oder die friedliche Hütte des guten Schäfers. Ihre Geschichten halten sich nicht an die meist enge Erlebniswelt des Zuschauers, sondern sie durchlaufen große Leidenschaften, Verwirrungen, Trauer, Intrige und Grausamkeiten im höfi­ schen Milieu, zeigen aber auch ideale Liebe, Treue und Standhaftigkeit, bis

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Zeit – bereit, diese Schwäche zu verstehen: Dem Freund und Geliebten ist in diesem Stück ein grausamer Tod beschieden, ebenso wie dem Cassianus in der „Liebes Verzweiffelung“. Fast alle Wanderbühnendramen enden glücklich und problemlos. Bösewichten und Geset­ zesbrechern, denen im Verlauf der Handlung ein grausamer Tod beschieden gewesen wäre, wird am Ende des Spieles verziehen.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

sie in ein gutes Ende münden, das die Erfüllung aller Wünsche und die Auf­ lösung aller Probleme bringt. Der Alltag des bürgerlichen Zuschauers steht im Spannungsfeld von Macht und Hilflosigkeit, von täglich erlebter Armut und höfischem Hoch­ mut und Gepränge, von religiös bedingter oder gesellschaftlicher Abhängig­ keit und dem Bedürfnis nach Auflehnung. Ungerechtigkeiten und allgegen­ wärtige Ängste finden für ihn auf der Bühne ihren Ausgleich. Gnadenlos wird das Böse bestraft, Eitles verlacht, Hochmütiges erniedrigt. Jede Figur auf dieser Bühne agiert gleichsam vor ihren Richtern, einem Publikum, das in ihr seine eigenen Schwächen aburteilt, seine eigene Not zu Reichtum und Ruhm transponiert. Der bürgerliche Alltag expandiert auf der Wanderbühne zur abenteuerlichen Welt voller Spannung und Überraschungen. Das Wanderbühnendrama des 17.  Jahrhunderts ist den verschiedensten Einflüssen unterworfen: Die Tragödien der Engländer9, der Niederländer und des Gryphius bringen heldisches Denken und großes leidenschaftliches Gefühl in die Dramen der Komödianten; das italienische, französische und spanische Schauspiel vereinheitlicht sich auf der späteren deutschen Wander­ bühne zum höfischen Liebesdrama, das sich in ausgefallensten dramatischen Situationen und künstlicher Verwicklung gefällt. Die Wanderbühne gegen Ende des 17. Jahrhunderts entlehnt ihre Motive ebenso aus der italienischen Oper und Pastorale wie aus dem Jesuitentheater. Das Komödiantendrama liebt die Überraschung; es führt seine Helden in Situationen, die sie schuldig erscheinen lassen und starke seelische Spannungen auslösen. Am Schluss des Spiels wird die Wahrheit entdeckt; das Problem wird also nicht gelöst, sondern aufgehoben; das Gute triumphiert. Die Schwerfälligkeit der frühen englischen Schauspiele auf deutschem Boden weicht nun im deutschen Wanderbühnendrama einem feineren see­ lischen Ton. Sprachliche Stilisierung, Musik und Tanz gewinnen immer mehr an Bedeutung. Der Höhepunkt dieser Entwicklung zeigt sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Schon um die Jahrhundertwende beginnt dann die inhaltliche und dramaturgische Substanz immer mehr abzuflachen, und das Wanderbühnendrama mündet in die Hanswurstiade, die der damaligen Erwartung des Publikums mehr entsprach.

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Von den 36 Shakespeareschen Dramen sind sieben mit Sicherheit, vier mit ziemlicher Wahr­ scheinlichkeit in Deutschland aufgeführt worden. Die erste urkundlich erwähnte Auffüh­ rung ist die von „Romio und Julietta“ in Nördlingen im Jahr 1604. Nach Creizenach scheinen insgesamt 53 Stücke auf englische Autoren zurückzugehen, von denen 21 Dramen durch alte deutsche Bearbeitungen oder ausführliche Berichte genauer definiert werden können. (Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. LXII und LXVI).



Das Repertoire der Insprugger Comoedianten

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Die Dramen der Wanderkomödianten zeigen, im Gegensatz zu den geist­ lichen Spielen des Mittelalters und den polemischen Reformationsspielen, keinerlei kirchliche, religiöse oder politische Tendenzen. Sie vertreten eine allgemein menschliche Moral und richten nicht nach dem Gesetz, sondern nach dem Willen des Volkes. In mancher Hinsicht wird das Wanderbühnendrama auch zum Vermitt­ ler einer toleranten und neuen Weltanschauung: Es öffnet im Bereich der Bühne die engen gesellschaftlichen Schranken zwischen dem Höfling und dem einfachen Volk und bemüht sich um eine innere Wertung des Men­ schen. Hexen und Zauberer werden auf der Wanderbühne als gewinnsüch­ tige Schwindler verspottet10, oder es wird dem verachteten Zigeunerstand eine so geheimnisvoll kluge und selbstlose Frauengestalt wie die Saga im „Eysernen Tisch“ geschaffen. In ihrer Mischung von Tragik und Komik, Helden und fehlbaren Menschen bleiben die Wanderbühnendramen, wenn auch in veränderter Form, weiter­ hin neben dem deutschen Kunstdrama erhalten. Sie sind den verschiedens­ ten Einflüssen ausgesetzt und nehmen diese in sich auf, wie es ja für das Komödiantendrama so charakteristisch ist, und münden schließlich in die unüberschaubare Vielfalt des Volksstücks.

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Vgl. z.  B. die Figur der Hexe Lodippe in „Aspasia“. Die Hexenprozesse waren um diese Zeit noch weit verbreitet, und auch Martin dürfte mit diesem Problem konfrontiert worden sein, denn im Palastarchiv Hohenems (heute im Vor­ arl­berger Landesarchiv), wo sich der junge Martin wohl als Schüler und später zwei Jahre lang als Priester aufgehalten hat, sind mehrere Protokolle über Hexenprozesse erhalten. In einem seiner späteren Bücher, der „Mirantischen Mayen-Pfeiff“, II. Teil, berichtet er am Ende der 7. Elegie von der wunderlichen Geschicht / so sich zu Villingen mit einer Hexen zugetragen.

Martins Drama als erste deutsche Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“ Im Zuge der englischen Komödianten kamen schon Ende des 16. Jahrhun­ derts mehrere englische Dramen nach Deutschland und erfuhren hier eine den Bedürfnissen des deutschen Zuschauers und den Sprach- und Bühnen­ verhältnissen angepasste Form. Dabei konnten die deutschen Bearbeiter meist auf keine gedruckten Texte zurückgreifen, sondern es standen ihnen oft nur Bühnenmanuskripte zur Verfügung. Die Struktur der deutschen Bear­ beitung beschränkte sich zunächst auf ein einfaches und leicht überschauba­ res Handlungsgerüst, das seinen Schwerpunkt in der dramatischen Spannung des Geschehens sah und keinerlei Wert auf künstlerische Sprache oder einen differenzierten Aufbau legte. Sensationelle Effekte wurden ausgebaut, feinere seelische Aspekte blieben unbeachtet. Das Rigorose einer auf den Zuschauer bedrückend oder schrecklich wirkenden Handlung wurde von der lustigen Person mit groben Witzen ad absurdum geführt. Das Geschehen auf der Bühne traf den Zuschauer viel direkter in seinem innersten Lebensbereich als heute. Die beste Fluchtmöglichkeit vor dem Bedrückenden bot die lus­ tige Person. Sie belachte und entspannte nicht nur die dramatische Situation auf der Bühne, sondern erreichte auch – durch die weitgehend aufgehobene Trennung zwischen Bühne und Realität – die persönliche Lebenssituation jedes Einzelnen. Von den Manuskripten der englischen Komödianten blieben nur wenige erhalten. Eine Aufführung des „Niemand und Jemand“, die 1608 am Grazer Hof viel Beachtung gefunden hatte1, veranlasste den englischen Schauspiel­ direktor John Green, dem Erzherzog Maximilian eine sorgfältig angefertigte Handschrift dieses Dramas zu schenken.2 Diese Bearbeitung des englischen „Nobody and Somebody“ ist das älteste erhaltene Bühnenmanuskript englischer Schauspieler auf deutschem Boden. 1

Brief der Erzherzogin Magdalena von Graz an ihren Bruder, vom Februar 1608, abgedruckt in Flemming: Wanderbühne, S. 72. 2 „Eine warhafftige unndt glaubwirdige History unnd Geschicht, wie es sich vor villen Jarren in Englandt mit Khunig Arzngall und seinen dreyen Prüder zu getragen“. Abgedruckt in: Mittheilungen des histori­ schen Vereines für Steiermark, Heft 47, Graz 1899, S. 138–192. Auf Blatt 46 v Widmung des Principals Johannes Gruen an seinen Fürsten, Erzherzog Maximilian, dessen Mutter und Brüder.



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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Von den Shakespeare-Umformungen durch englische Wanderschau­ spieler sind nur die beiden in der ersten gedruckten Schauspielsammlung von 1620 überlieferten Tragödien „Von Julio vnd Hyppolita“3 und „Eine sehr klägliche Tragaedia von Tito Andronico und der hoffertigen Kayserin“4 erhalten. Dass jedoch mehrere Bühnenwerke Shakespeares für die englische Wanderbühne in Deutschland bearbeitet worden sind, beweist ein zufällig erhaltenes Auf­ führungsverzeichnis aus Dresden5 aus dem Jahr 1626; es finden sich darin Hinweise auf eine „Tragoedia von Julio Cesare“ und eine „Tragoedia von Lear, König in Engelandt“. Die Dresdener Ratsprotokolle verzeichnen am 26. Februar 1661 auch eine „Tragi-Comoedie vom Moor von Venedig“6, und 1678 wurde in Dresden die „Comoedia von der zornigen Catharine“7 aufgeführt. Doch scheinen diese Ma­ nuskripte heute ebenso verloren zu sein wie die der Tragoedien von „Doktor Faustus“8 und „Der Prinz wird ein Schuster“9, die Paulsen zwischen 1674 und 1679 in Dresden zur Aufführung gebracht hat.10 Die Aufführungen der englischen Schauspieler in Nord- und Mittel­ deutschland begannen schon vor 1600, das deutsche dramatische Schaffen zu beeinflussen. Das neue Theater bekam einen großen Stellenwert im Leben auch der höheren Gesellschaftsschicht: Herzog Heinrich Julius von Braun­ schweig (auch Bischof von Halberstadt) verfasste unter dem Einfluss des 3

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Cohn (Shakespeare in Germany, S. CXI) verweist auf die Beziehungen dieses Dramas zu Shakespeares „Two Gentleman in Verona“. Das Thema könnte jedoch auch aus dem Szenarium „Flavio tradito“ entliehen sein, das als fünfte Giornata des „Teatro delle Favole rappresentative“ 1611 in Venedig gedruckt worden war. (Vgl. dazu Wolff, Max: Shakespeare und die Comme­ dia dell’arte. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 46, Berlin 1910, S. 10). Erste Aufführung in Deutschland um 1600. Verzeichnis des Magister Joh. Kretzschmer. Abgedruckt in Cohn: Shakespeare in Germany, S. CXV–CXIX. Cohn: Shakespeare in Germany, S. CXVIII–CXIX. Cohn (Shakespeare in Germany, S. CXIX) hält dieses Spiel für eine Bearbeitung von Shake­ speares „Taming of the Shrew“. Eine zweite – oder dieselbe? – Bearbeitung dieser Shake­speareKomödie ist auch das aus dem Jahr 1672 überlieferte Spiel „Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zu machen. Rapperschweyl 1672“. (Nach Goedeke: Grundriß, Bd DIII, S. 224.) Nach Bolte (Danziger Theater, S. 114) kann Marlowes oder Dekkers Drama als Vorbild an­ gesehen werden. Genauere Daten zum Schauspiel, Puppenspiel und Marionettenspiel des Faust-Stoffes im 17. und 18. Jahrhundert siehe „Faust-Spiele der Wanderbühnen“, hg. von Günther Mahal, Sonderausstellung 1988 im Faust-Museum Knittlingen. Dieses Drama geht wahrscheinlich zurück auf William Rowleys Komödie „A Shoemaker a Gentleman“. Es wurde 1650 in Dresden von einer englischen Truppe, ebenso 1674 und 1679 von Paulsen aufgeführt. (Bolte: Danziger Theater, S. 114.) Bolte (Danziger Theater, S. 110–122) verzeichnet 59 Stücke aus Paulsens Repertoire in Dres­ den, darunter zehn Bearbeitungen englischer Schauspiele. Es ist fast das gleiche Repertoire, das Velthen 1679 in Heidelberg und Friedrichsburg präsentiert. (Velthen hatte längere Zeit in der Truppe Paulsens gespielt und später, als Paulsens Schwiegersohn, eine eigene Truppe gegründet.)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Prinzipals einer englischen Truppe, Thomas Sackville, 1593/94 elf Komö­ dien und übernahm dessen lustige Person Jan Bouset. Nach dem Muster der englischen Komödianten entstanden auch die Ko­ mödien des Nürnberger Notars Jacob Ayrer mit dem Spaßmacher Jahn oder Jodel.11 Die Themen seiner beiden Shakespeare-Bearbeitungen, der „Comedia Von der schönen Phaenicia vnd Graf Tymbri von Golison auß Arragonien“12 und der „Comedia Von der schönen Sidea“13, hatte Ayrer gewiss erst auf der Bühne eng­ lischer Schauspieler kennengelernt, wahrscheinlich jener des Robert Brown, der Ayrers Heimat Nürnberg um die Jahrhundertwende bespielte. Der Dreißigjährige Krieg brachte das Theater auf Deutschlands Bühnen wieder zum Schweigen, und erst um die Jahrhundertmitte trennten sich aus den englischen Wandertruppen deutsche Nachwuchsschauspieler ab, die nun eigene Banden bildeten. Zugleich begann sich das Schäferdrama und das Singspiel nach italienischer Manier seinen Platz im Repertoire der Wander­ truppen zu erobern; spanisches, französisches und niederländisches Theater stellte sich in Konkurrenz zum deutschen. Vor allem aber war es das Drama der Engländer, das nun durch deutsche Schauspieler übernommen und für deren Bühne umgeformt wurde.14 Die Be­ arbeiter solcher von englischen Truppen hinterlassenen Bühnentexte blieben meist unbekannt, und nur die vielen thematischen Bezüge lassen ihre Ko­ mödien als Bearbeitungen von ursprünglich Shakespeareschen, Mar­low­schen oder Dekkerschen Dramen erkennen. Die Komödianten der deutschen Wan­ derbühne schöpften also nicht aus der direkten englischen Quelle, sondern sie kannten nur die Bearbeitungen der englischen Schauspieler.15 Diese hatten sich, da sie ja schon seit 1586 auf deutschem Boden spielten16, längst der 11 12 13 14 15

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Jodelet war einer der besten französischen Komiker der Moliere-Truppe. Bearbeitung von Shakespeares „Much Ado about Nothing“. Zwischen 1594 und 1624 erlebte dieser Komödienstoff mindestens sieben Bearbeitungen. (Verzeichnet in Cohn: Shakespeare in Germany, S. LXXII, Anm. 1.) Diese Komödie Ayrers deutet auf ein verlorenes englisches Schauspiel, das auch Shake­ speares „Tempest“-Handlung zugrundeliegt. (Vergleich der Textstellen bei Cohn: Shakespeare in Germany, S. LXVIII–LXXI.) Freudenstein (Der bestrafte Brudermord, S. 122) nimmt an, dass deutsche Schauspieler schon in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts englische Bühnentexte für die eigene deutsche Bühne bearbeiteten. Allerdings meint Freudenstein (Der bestrafte Brudermord, S.  95) der Verfasser der deut­ schen Hamlet-Bearbeitung habe die englische Sprache beherrscht, weil sein Werk Bezüge zur Shakespeareschen Quarto-I-Ausgabe von 1603 zeige und Erweiterungen nach der Quar­ to-II-Ausgabe aufweise. Im Jahr 1585 kam eine Schauspielertruppe im Gefolge des Earl of Leicester, der den General­ staaten gegen Philipp II. auf Befehl seiner Königin Elisabeth II. beistehen sollte, in Holland an. 1586 hatte der Kurfürst von Sachsen englische Komödianten in Sold, und 1592 finden



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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deutschen Sprache bemächtigt. Ihre Truppen waren hier die angesehensten, sie boten das reichste Programm, ein Orchester (Lauten, Zithern, Violen, Pfeifen) bestimmte Anfang und Ende der meist drei- bis vierstündigen Dar­ bietung, musikalische Einlagen, Tänze, die Künste von Springern und Fech­ tern und Zwischenspiele des Pickelhering unterhielten das Publikum. Auch noch über die Jahrhundertmitte hinaus nannten sie sich „englische Komö­ dianten“, weil das als Empfehlung für ihre Bühne galt. So schreibt etwa die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans noch 1697: Ich habe vnßer herr vatter offt sagen hören, daß keine schönere commedien in der welt sein alß die englische.17 Bearbeitungen englischer Bühnenwerke durch deutsche Wanderkomö­ dianten orientierten sich also an den Spielen der Engländer, das originale Werk kannten sie nicht. Eine Ausnahme bildet allerdings das „Wintermärchen“, das anscheinend wegen seiner späteren Entstehungszeit (1611) im Repertoire der Engländer nicht aufscheint. So ging 1626 Shakespeares „Merchant of Venice“ in Dresden als „Comedia von Josepho Juden von Venedigk“ über die Bühne.18 Dieses heute verlorene Schauspiel scheint auf die heute ebenfalls nicht erhaltene „Comoedia Von ein khünig in Cypern und von ein Herzog in Venedig“ zurückzugehen, die 1608 von dem englischen Prinzipal John Green in Graz aufgeführt worden war. Sie erhielt ihre spätere Bearbeitung in Blümels „Comoedia Genandt der Jude von Venetien“. Auch die „Tragoedia von Hamlet einen Printzen in Dennemarck“ ist schon 1626 im Aufführungsverzeichnis von Dresden bezeugt. Der einzige erhaltene Text ist jedoch die Abschrift einer Bearbeitung aus der Mitte des 17. Jahrhun­ derts, die den veränderten Titel „Der bestrafte Brudermord oder: Prinz Hamlet aus Dänemark“ trägt.19 Diese erste deutsche Bearbeitung des Shakespeareschen Hamlet-Themas könnte aufgrund auffallender stilistischer Ähnlichkeiten mit der „Liebes-Verzweiffelung“ von Johann Martin stammen.20

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sich englische Komödianten für längere Zeit am Hof des Heinrich Julius von Braunschweig. Alle diese Komödianten drängten in den Süden. 1604 findet sich die Truppe von John Green in Passau, 1608 in Graz. Auch der Prinzipal John Spencer war 1604 von England gekommen, 1612 ist er mit seiner Truppe in Regensburg, 1613 in Nürnberg nachweisbar. Briefe der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orleans, hg. von W. L. Holland (= Stuttgarter Literarischer Verein, Bd 88, Stuttgart 1867, S. 82 (Brief vom 17. März 1697). 1626. Julius 13. Dresten. Ist eine Comoedia von Josepho Juden von Venedigk gespielt worden. Eine weitere Aufführung erfolgte am 5.  November desselben Jahres. (Cohn: Shakespeare in Germany, S. CXV–CXVI.) Der Text war nur in einer späten Handschrift aus dem Jahr 1710 erhalten, die heute ebenfalls verschollen ist. Es gibt jedoch mehrere Abdrucke davon (von Reichard aus dem Jahr 1781, Cohn 1865 und Creizenach 1889). Gstach, Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shakespeareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarl­ bergs, Jg 30, Heft I, 1978, S. 7–19. Einige Andeutungen im Text des „Bestraften Brudermordes“ (z.  B. II/7) weisen auf die Wander­ bühnentruppe des Carl Paulsen oder auf Velthens Bande hin, was die Entstehungszeit um

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Eine ähnliche dramatische Struktur und dieselbe Art und Verwendung von Versen zeigt sich in der „Tragoedia von Romio und Julieta“. Den Shake­ speareschen Dramenfiguren ist in dieser deutschen Bearbeitung die Person des Pickelhering beigefügt, die sogar den Tod der unglücklich Liebenden mit solch übertriebener Sensationslust und oberflächlicher Trauer bejammert, dass der Zuschauer das Bedrückende des Bühnengeschehens abschütteln kann, noch ehe es ihm fühlbar wird. Max Wolff meint, dass diese deutsche Bearbeitung auf ein Vor-Shake­ spearesches englisches Romio-Drama als zweite Quelle hinweise.21 – Eine komische Version des Romeo-und-Julia-Themas findet sich aber schon in der alten Commedia dell’arte22, und es ist wohl wahrscheinlicher, dass sich – über die Vermittlung Shakespeares – deren Motivspektrum in der deutschen Bearbeitung spiegelt. Von allen deutschen Shakespeare-Bearbeitungen des 17. Jahrhunderts dürfte Gryphius’ kurzes Schimpfspiel „Absurda Comica oder Peter Squentz“ am be­ kanntesten sein. Es ist wohl im Anschluss an eine entsprechende Aufführung englischer Wandertruppen entstanden und folgt ziemlich genau der Shake­ speareschen Vorlage im „Sommernachtstraum“.23 Das 1677 in Bevern erschienene Freudenspiel „Tugend- und Liebesstreit“ ist thematisch eine Nachahmung von Shakespeares „Twelfth Night or What you will“.24 Der Anfang des Spiels ist jedoch nach Shakespeares „Winters Tale“ geformt. Ein Textvergleich des „Tugend- und Liebesstreits“ mit Martins „Liebes Verzweiffelung“ lässt mehrere auffallende Ähnlichkeiten im Stil, in der Wort­ wahl und in der Motivik erkennen, ebenso die Art und Anwendung der Verse: Wie in Martins Schauspiel stehen auch im „Tugend- und Liebesstreit“ jeweils am

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die Mitte des 17. Jahrhunderts bestätigt. Auch Cohn (Shakespeare in Germany, S. CXXIII) nimmt an, dass die erste Form der deutschen Bearbeitung des „Brudermordes“ aus dem Jahr 1654 stammen dürfte. Eine Abschrift ist aus dem Jahr 1710 erhalten. Wolff, Max: Die Tragoedia von Romio und Julieta. In: Jahrbuch der deutschen ShakespeareGesellschaft, Bd 47, Berlin 1911, S. 100. Es ist die 1611 in dem „Teatro delle Favole rappresentative“ von Flaminio Scala detto Flavio als 18. Szenarium herausgegebene Komödie „Li tragici successi“. (Wolff, Max: Beitrag zur Ge­ schichte des Stoffes von Romeo und Julia. In: Zeitschrift für vergleichende Literatur­ geschichte, Neue Folge, Bd XVII, Berlin 1909, S. 439.) Cohn (Shakespeare in Germany, S. CXXXI) legt Gryphius’ Schimpfspiel eine Bearbeitung von Daniel Schwenter (gest. 1636) zugrunde und folgert daraus, dass dieser Komödienstoff schon vor 1636 in Deutschland bekannt gewesen sein müsse. Einen Textvergleich gibt Meissner: Die englischen Comoedianten zur Zeit Shakespeares in Österreich (= Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und des geistigen Lebens in Österreich, Bd IV), Wien 1884, S. 112–127. – Daneben ist auch eine ganze Szene mit Pickel­ hering (Tugend- und Liebesstreit, III/2, Ausgabe Creizenach, S. 94–96) wörtlich aus Blümels „Jude von Venetien“ (III/3, Ausgabe Meissner, S. 146) entlehnt.



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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Szenenende und am Schluss des Spiels vier Verszeilen im sechshebigen jam­ bischen Rhythmus, die nach der dritten Hebung eine Zäsur aufweisen. Die beiden ersten Verszeilen heben sich durch den Wechsel vom weiblichen zum männlichen Versschluss und durch den neuen Reim von den beiden nächs­ ten Verszeilen ab. Dieses Reimschema a-a-b-b entspricht dem der „Liebes Verzweiffelung“. Die deutschen Bühnenbearbeitungen „Romio und Julietta“ und „Der bestrafte Brudermord“ zeigen ebenfalls deutliche Parallelen zu den Versen der „Liebes Verzweiffelung“. Cohn25 war der erste, der die Wiener Handschrift „Frondalpheo“ mit Shakespeares „Winters Tale“ in Verbindung brachte. Doch gab es genug Stim­ men, die jeden Zusammenhang mit dem Shakespeareschen Schauspiel be­ zweifelten.26 Die Kontaktpunkte zwischen „Liebes Verzweiffelung“ und „Wintermärchen“ beschränken sich allerdings auf thematische Ähnlichkeiten. Es gibt keine sprachlichen Übereinstimmungen mit Shakespeare, was sich im Hinblick darauf, dass Martin ja nicht die direkte Quelle kannte, von selbst versteht. Auch die anderen erhaltenen deutschen Shakespeare-Bearbeitun­ gen der Wanderbühne zeigen nur wenige sprachliche Ähnlichkeiten mit dem Original. Sie beschränken sich auf die thematische Umformung eines Vor­ bilddramas, das wohl nur über den Umweg der englischen Wanderbühne bekannt war. Shakespeares „Wintermärchen“ erlebte seine ersten Aufführungen 1611 im Globe-Theater und im Palais Whitehall in London. Das zentrale Motiv der Aussetzung und des Wiederfindens von Kindern ist in der europäischen Schäferdichtung sehr alt. Es reicht zurück bis zu Longus’ „Daphnis und Chloe“ (ca. 3. Jahrhundert n. Chr. in Griechenland). Sowohl Daphnis wie auch Chloe verdanken ihr Leben der Milch eines Schafes und einer Ziege. Sie wachsen beide unerkannt als Hirten auf, werden aber an zwei Zeichen als reiche Her­ renkinder erkannt und feiern ihre Hochzeit im Kreis ihrer angestammten Familie. Während sich Boccaccio in seiner Idylle „Ninfale Fiesolano“ (1344–46) und der Italiener Sannazaro in seiner Schäferei „Arcadia“ (1351) schon früh dieses Themas bemächtigten, fand es in England seine Bearbeitung erst 25 26

Cohn, Albert: Shakespeare in Germany, S. CXXXIV: It [das Drama „Frondalpheo“] forms the second part of Shakespeares Winters Tale. Dimas, the son of Damon, the sheperd, plays here the part of Autolycos. Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, S. 93; ebenso Creizenach, Wil­ helm: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Einleitung S. XLIII. –Carl Heine (Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, S. 89) weist irrtümlich darauf hin, dass Martins Drama eine frühe Bearbeitung des Stoffes vom „Prinzen Atis“ darstelle, wie er in Herodots Historien (I, 34–45) berichtet wird. Es gibt jedoch nur wenige inhaltliche Zusam­ menhänge zwischen den beiden Dramen.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

durch Philip Sidney („Arcadia“, 1590) und durch Robert Greene in dessen Roman „Menaphon“ (1589) und Novelle „Pandosto. The Triumph of time“ (1588), die später unter dem Titel „Dorastus and Fawnia“ mehrere Auflagen erfuhr. Die Novelle erzählt die Abenteuer einer Prinzessin, die an der Küste Arca­ diens Schiffbruch erleidet und sich hier der Liebe eines Hirten unterwirft. – Diese Novelle Greenes wurde zur Vorlage für Shakespeares „Winters Tale“. Als zusätzliche Quelle für einige Motive könnte die alte Commedia ­dell’Arte gedient haben, die 1610 durch italienische Wanderschauspieler nach London gebracht worden ist.27 Wolff nimmt an, dass Shakespeare die be­ rühmte Gelosi-Truppe, deren Repertoire viele Bezüge zu den Schauspielen des Dichters zeigt, zwischen 1586 und 1592 in Paris kennengelernt hat.28 Shakespeare habe sich dort den Ideenkreis und die Motive der Commedia dell’Arte angeeignet, und es gebe kaum einen Stoff in seinen Dramen, der dem italienischen Theater – sei es als improvisierte, sei es als aufgeschriebene Komödie – nicht vertraut gewesen sei.29 Jedenfalls zeigen sich in zwei Spielen der Commedia dell’arte deutliche Parallelen zu Shakespeares „Wintermärchen“. Das Schicksal der Perdita ist in „La Fortuna di Foresta, Principesse di Moscovia“ (50. Giornata aus dem „Teatro delle Favole rappresentative“) vorgeformt: Der König von Moskovien vertritt hier die Stelle von Hermiones Vater, des großen Kaisers von Russland. 30 Wie Perdita bei Shakespeare, so wird in der italienischen Komödie Foresta als Wickelkind ausgesetzt, von Menschen geringen Standes gefunden und erzogen, bis sich ihre wahre Abkunft herausstellt – und dies gerade zu einer Zeit, da sich auch ihre Eltern nach langer Trennung wiederfinden. Auch die 32. Giornata, „Duo finti Zingani“, zeigt eine Parallele zu Shake­ speares letzter Szene im „Wintermärchen“, die Greenes Vorlage nicht kennt: Die angeblich tote Geliebte wird dem Geliebten gezeigt und verrät erst nach längeren, die Entdeckung hinauszögernden Aktionen, dass Leben in ihr ist.

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Schon 1573, 1577/78 und 1582 berichten die Quellen vom Besuch italienischer Komödian­ ten in London. (Wolff: Shakespeare und die Commedia dell’arte, S. 3) Wolff: Shakespeare und die Commedia dell’arte, S. 5 und S. 20. Das Repertoire der Gelosi-Truppe ist erhalten in dem von Flaminio Scala detto Flavio her­ ausgegebenen „Teatro delle Favole rappresentative“ (Venedig 1611). Diese Sammlung von 50 Ko­ mödien beinhaltet allerdings nur die Szenarien. Flaminio Scala war das Haupt der berühmten Gelosi-Truppe, die zwischen 1576 und 1604 quer durch Europa reiste und häufig in Frank­ reich auftrat. Bezeichnenderweise verweist auch der deutsche Bearbeiter von Shakespeares „Taming of the Shrew“ (Titel der deutschen Komödie: „Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zu machen“. 1672) auf den italienischen Ursprung des Themas! Bolte: Moliere-Übersetzungen, S. 93, Anm. 3) Hermione in Shakespeares „Wintermärchen“ (III/2): Der große Kaiser Rußlands war mein Vater …



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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Ein direkter Einfluss der italienischen Commedia dell’arte auf Shakespeare ist also anzunehmen. Schöpfte auch Johann Martin aus dem Szenarium der Gelosi-Truppe? Er beherrschte ja die italienische Sprache, das beweisen seine Ansuchen um eine Schreiberstelle am Innsbrucker Hof. Es gibt keinen einzigen Hinweis darauf, dass das „Wintermärchen“ von den englischen Komödianten in Deutschland jemals aufgeführt worden ist. Auch John Green, der in Dresden mehrere Shakespeare-Bearbeitungen auf die Bühne brachte, hatte das „Wintermärchen“ nicht in seinem Repertoire. Es war ja eines der letzten Dramen Shakespeares und wurde erst in der Fo­ lio-Ausgabe von 1623 gedruckt. Zu dieser Zeit waren die englischen Wan­ derkomödianten teils schon zwei Jahrzehnte in Deutschland. Oder arbeitete Martin nach den mündlichen Erzählungen seiner eng­ lischen Schauspielfreunde, die sich an eine Aufführung des „Winters Tale“ in ihrer englischen Heimat erinnerten oder Zugang zu einer englischsprachigen Textausgabe hatten? Vielleicht existierte, trotz aller fehlenden Hinweise in den Quellen, doch eine Bearbeitung der englischen Komödianten, wie für alle anderen deutschen Shakespeare-Umformungen des 17.  Jahrhunderts? Da die Mitglieder der Wanderbühne um diese Zeit nur dramatisch vorge­ formte Stoffe bearbeiteten, benutzte Martin wohl kaum die epische Vorlage eines Longus oder Boccaccio. Die vielen thematischen Bezüge zu Shakespeare lassen eher diese eng­ lische als eine italienische Prosa-Quelle vermuten. Im Hinblick auf den vom „Wintermärchen“ völlig verschiedenen dramatischen Aufbau der „Liebes Verzweiffelung“ kann jedenfalls eine Kenntnis der Shakespeareschen Original­ quelle für Martin ausgeschlossen werden. Als deutsche Bühnenbearbeitungen des „Wintermärchens“ sind nur der Be­ ginn des „Tugend- und Liebesstreits“ und Martins „Liebes Verzweiffelung“ be­ kannt.31 Doch existiert in holländischer Sprache aus dem Jahr 1671 ebenfalls ein Schauspiel, das eine Parallele zur Schlussszene des „Wintermärchens“ und thematische Übereinstimmungen mit Martins Cassianus-Evandra-Handlung aufweist. Dieses Schauspiel von Hendrik de Graeff trägt den Titel „Alcinea, of stantvastige Kuysheydt. Treur-bly-eynd Spel“, Amsterdam 1671. Die Figur Evandras wird in diesem Drama durch Alcinea, die tugendhafte Königin von Alba, ver­ treten. Wie Evandra weist auch Alcinea die Liebesanträge ihres Schwagers Klarimeen zurück und wird von ihm aus Rache der Untreue bezichtigt. Der 31

Meissner (Die englischen Komödianten in Österreich, S. 143 und 149) nennt noch die ham­ burgische Oper „Die glücklich wider erlangte Hermione“ aus dem Jahr 1695 als Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“. Doch konnte Herz (Englische Schauspieler, S. 93) die Un­ abhängigkeit dieses Stückes von Shakespeare beweisen. Creizenach (Schauspiele, S. XLIII) verweist auf die Euripideische „Andromache“ als Vorlage der Hamburger Oper.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

rechtmäßige Gatte Karismont, der sich gerade auf einem Feldzug gegen die Türken befindet, glaubt den Anklagen seines Bruders und beschließt, Alcinea töten zu lassen. Als aber Klarimeen mit dem blutigen Beweis der vollzogenen Strafe konfrontiert wird, bricht er in Klagen aus und bekennt seine Arglist ebenso wie Cassianus in der „Liebes Verzweiffelung“ (III/2). Möglicherweise diente Martins Drama als Vorlage für dieses Hauptmotiv des holländischen Schauspiels. Der Schluss bei de Graeff folgt Shakespeares „Wintermärchen“: Alcinea ist gerettet worden und hält sich als Schäferin verborgen. Als unbewegliches Standbild auf ihrem Grabmal fordern ihre schönen unschuldsvollen Züge die Reue ihres Gatten heraus. Verzweifelt bittet er die Statue um Verzeihung. Diese hält plötzlich seine Hand fest und spricht ihn an.  – Diese Lösung entspricht also ganz dem versöhnlich-märchenhaften Schluss des Shake­ speareschen „Wintermärchens“.32 Die Motivähnlichkeit des holländischen Dramas „Alcinea“, des deutschen „Tugend- und Liebesstreits“ und der „Liebes Verzweiffelung“ lassen einen, wenn auch vielleicht nur indirekten Bezug zum Shakespeareschen Vorbild vermu­ ten. Martins Drama scheint das älteste dieser drei Schauspiele zu sein; in der Entwicklung der übernommenen Motive weicht es jedoch am weitesten von der Shakespeareschen Vorlage ab. In seiner Tragikomödie überlässt er die Handlung und die Personen des englischen Dichters einer völlig freien Entwicklung. Aus der einspurigen Handlung des „Wintermärchens“, die auf zwei Schau­ plätze – Böhmen und Sizilien – verteilt ist, konstruiert Martin nach dem Vor­ bild Robert Greenes zwei Haupthandlungen, die jedoch nur im Königreich Epirus spielen. Die Hauptpersonen entsprechen jenen von Shakespeares „Wintermärchen“: Rodiman übernimmt die Rolle des Shakespeareschen Florizel; als Gegen­ figur zu Leontes’ Sohn Mamillius könnte Myrandon gelten, der unter dem tyrannischen Misstrauen seines Vaters ebenso leidet wie jener. Das Bühnen­ geschehen bei Martin lässt beide Haupthelden der „Liebes Verzweiffelung“ in der Rolle Florizels auftreten. Wie der Sohn des Böhmenkönigs Polyxenes entbrennen Rodiman und Myrandon in Liebe zur Tochter des jeweils feindli­ chen Königs. Wie Florizel ahnen sie nicht die wahre Herkunft der Geliebten, die sich Rodiman als Schäferin, Myrandon als leibliche Schwester zeigt. Wie Florizel bestehen sie auf ihrer Liebe, sei es in deren Erfüllung, sei es im Ver­ 32

Vgl. dazu Bolte: Zur Schlussszene des Wintermärchens, S. 87–90.



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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zicht; und auch die Gefahr, das königliche Erbe zu verlieren, kann sie von ihrem Entschluss nicht abbringen. Doch während Myrandon in all seinem Handeln Todesbereitschaft zeigt, versucht Florizel mit seiner Geliebten auf einem Schiff zu entfliehen. Die Aktivität Florizels sucht das Leben, bei Myrandon spiegelt sich die schein­ bare Ausweglosigkeit seiner unglückseligen Liebe nur in Sehnsucht nach dem Ende des Leidens, dem Tod. Das Schiff, das bei Shakespeare Florizel und Perdita zur Flucht verhilft, bringt in der „Liebes Verzweiffelung“ Rodiman an die Küste von Epirus; My­ randon soll mit einem Schiff das Land verlassen und nach Rhodos segeln. Wie im „Wintermärchen“ Florizel, so empfindet auch Myrandon seinen Vater als Feind, weil sich dieser der Liebe seines Sohnes widersetzt. Die Prinzen beteuern ihre Liebe, indem sie der geliebten Schäferin das Erbe des Königreiches zu Füßen legen. Die Königswürde erscheint ihnen erst in der Erfüllung ihrer Liebe erstrebenswert, ihren Adel wollen sie erst im Spiegelbild der Geliebten erkennen: Florizel („Wintermärchen“, IV/3): …“ trüg ich auch des größten Reiches Krone als Würdigster; wär’ ich der schönste Jüngling, der je ein Aug’ entzückt, an Kraft und Wissen mehr als ein Mensch – dies alles schätzt’ ich nichts ohn’ ihre Lieb’; ihr schenkt’ ich alles dann, in ihrem Dienst nur würd’ es niedrig, hoch oder als nichts verdammt. Rodiman („Liebes Verzweiffelung“, II/5): … Vertauscht umb eine Magd sein gantzes Königreich, so wird Prinz Rodiman den grösten Göttern gleich. Um die Geliebte sehen zu können, müssen beide Prinzen ihre wahre Gestalt verbergen. Florizel trifft sich als Schäfer Doricles mit Perdita und zerstreut ihre Bedenken wegen des großen Standesunterschiedes.33 Auch Myrandon kann nur in der Verkleidung eines fremden Ritters am väterlichen Hof er­ scheinen. Auf Anraten Camillos will Florizel den früheren Freund seines Vaters, König Leontes von Sizilien, mit Polyxenes wieder versöhnen. Dies gelingt aber erst, nachdem die Braut Florizels, Perdita, als Tochter des Leontes er­ kannt wird. Auch Rodimans Ziel ist es, als er am Strand von Epirus landet, die Feindschaft seines Vaters mit dem epirischen König Frondalpheo zu 33 „Wintermärchen“, IV/3.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

beenden. Die Versöhnung kommt erst zustande, nachdem sich seine Braut Amoena als Frondalpheos Tochter erweist. Amoena trägt die Züge von Shakespeares Perdita. Beide Prinzessinen wer­ den als unbekannte kleine Kinder von einem Schäfer aufgenommen und er­ zogen. Sie ahnen nicht ihre wahre Herkunft, als die Prinzen sie ihrer Liebe versichern. – Die Mutter Perditas ist um 16 Jahre gealtert, als Leontes sie wiedersieht; Perdita und Amoena sind also gleich alt.34 (Dieser Zeitraum von 16 Jahren begegnet auch in der „Liebes Verzweiffelung“ wieder: Myrandon bleibt 16 Jahre von seiner Schwester Evandra fern, bis er sie als seine Ge­ liebte wiederfindet.) An Schönheit und Anmut übertrifft Perdita alle anderen Schäferinnen; auch Amoena ist von übermenschlicher Schönheit und Sanftmuth.35 Beide beherr­ schen den Tanz und den Gesang36, sie unterscheiden sich weder durch ihre Sprache noch durch ihre Gebärden von Königinnen. Als sie ihr Verlöbnis eingehen, sind die Prinzen Florizel/Rodiman der Überzeugung, dass ihre Braut dem Schäferstand angehöre. Erst durch äußere Zeichen, die sie als Wickelkinder bei sich getragen und die der alte Schäfervater verwahrt hat, wird ihre königliche Abkunft erkannt. Im „Wintermärchen“ (V/2) sind dies der Mantel der Mutter Hermione, Juwelen und Briefe, in der „Liebes Verzweiffelung“ (II/13 und III/8) Ring und Contrefaict.37 Beide Prinzessinnen sind bereit, für ihre Liebe zu sterben, wenn ihr keine Erfüllung beschieden sein sollte.38 Evandras Schicksal ist dem Hermiones ähnlich. Auch sie ist die Liebende, die schuldlos der Untreue verdächtigt und verurteilt wird. Das Orakel und der scheinbare Tod Hermiones führen den Gatten zur Erkenntnis ihrer Un­ schuld. Evandras Treue erweist sich durch das Geständnis des Cassianus. – Beiden steht, auch in Zeiten größter Not, eine Dienerin zur Seite, die durch ihr selbständiges Handeln das Geschick der Herrin beeinflussen und in die Bahn des Glücks zurücklenken kann. Alidea wie Pauline setzen in ihrem Dienst für die Königin das eigene Leben aufs Spiel.39 Leontes von Sizilien und Polyxenes von Böhmen spiegeln sich in der Figur des Königs Frondalpheo wider. Leontes erzürnt wegen der angeb­

34 „Wintermärchen“, V/3; „Liebes Verzweiffelung“, II/13 und III/8. (Auch Julieta ist nach den Wor­ ten ihrer Amme 16 Jahre alt. – „Romio und Julieta“, III/1; Ausgabe Cohn, Sp. 347) 35 „Wintermärchen“, IV/3; „Liebes Verzweiffelung“, II/5. 36 „Wintermärchen“, IV/3; „Liebes Verzweiffelung“, II/4. 37 Konterfei = Bildnis, Porträt in einem Schmuckstück 38 „Wintermärchen“, IV/3; „Liebes Verzweiffelung“, V/1. 39 „Wintermärchen“, II/3; „Liebes Verzweiffelung“, IV/2.



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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lichen Unkeuschheit seiner Gemahlin und verurteilt sie öffentlich als Ehe­ brecherin: Erwarte wen’ger nicht als Tod!40 Diese Handlungsweise entspricht der des Frondalpheo, wenn auch die Motive – auf der einen Seite Eifersucht, auf der anderen verletztes Ehrgefühl – verschieden sind. Wie Leontes will auch Frondalpheo seiner Tochter den Tod geben, als er sie in Gegenwart des Pagen schlafend im Garten entdeckt. Wie Leontes lässt er ein öffentliches Gericht, die Versammlung der Ritter, über Schuld und Strafe der Ehrverges­ senen entscheiden.41 Diese Versammlung endet in beiden Spielen mit dem Unschulderweis der Verurteilten. Beide Könige, Polyxenes wie auch Frondalpheo, verlangen Unterwer­ fung des eigenen Sohnes, und das Schicksal der Prinzen droht an der autori­ tären väterlichen Gewalt zu zerbrechen. Der Einfluss der königlichen Väter bleibt jedoch auf Äußerlichkeiten beschränkt, von seelischer Verwandt­ schaft oder einer inneren Beziehung zwischen Vater und Sohn kann weder im „Wintermärchen“ noch in der „Liebes Verzweiffelung“ gesprochen werden. – Beide Prinzen, Florizel und Myrandon, versuchen den Willen des Vaters zu durchbrechen, indem sie, unter Verzicht auf ihr Erbe, an ihrer eigenen Ent­ scheidung festhalten und die Erfüllung ihrer Liebe durchzusetzen versuchen. Die Situation Frondalpheos unterscheidet sich jedoch insofern von jener des Polyxenes, als er nicht mit dem Problem einer unstandesgemäßen Heirat sei­ nes Sohnes, sondern mit dem der Geschwisterliebe konfrontiert ist. Den starren Standesbegriff des Polyxenes kennt Frondalpheo nicht: … angenehm solt es uns gewesen seyn, wenn ihr [Evandra] aus schlechtem Geschlecht gebohren weret42 Misstrauen gegenüber den eigenen Familienmitgliedern und absoluter könig­ licher Machtanspruch auch im privaten Bereich kennzeichnen die Figur des Königs bei Shakespeare wie bei Martin. Der Hofmeister Frondalpheos, Ottonias, entspricht den beiden Edelleuten des Leontes, Camillo und Antigonus. Sie sind in beiden Dramen um das Wohl des Königs besorgt und von unwandelbarer Treue. Camillo, der im Bewusstsein des Unrechts, das sein König an Polyxenes verübt, Sizilien ver­ lassen hat, wartet mit Sehnsucht auf die Stunde, da er sein Land und seinen König wiedersehen darf.43 Wie Camillo versucht auch Ottonias zu Beginn des Bühnengeschehens, das unberechtigte Misstrauen Frondalpheos gegen Myrandon zu zerstreuen.44 Er ist der einzige, der für Evandra spricht und um

40 „Wintermärchen“, III/2. 41 „Wintermärchen“, III/2; „Liebes Verzweiffelung“, III/1 und 2. 42 „Liebes Verzweiffelung“, IV/1. („schlecht“ hier in der Bedeutung von „schlicht, einfach“) 43 „Wintermärchen“, IV/3. 44 „Wintermärchen“, I/2; „Liebes Verzweiffelung“, I/1.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Gnade für sie bittet.45 Ottonias ist es, der den König zur Jagd überredet, auf der sich alle Fäden entwirren werden. In der Gestalt des Fidelmo, des Hofmeisters von Myrandon, zeichnet Martin den eitlen und unterwürfigen Höfling. Er hat im „Wintermärchen“ kein Gegenbild. Der einzige Zusammenhang mit Camillo besteht darin, dass auch Fidelmo nach seiner unglückseligen Abreise mit Myrandon wieder an den Hof zurückkehren darf. Der alte Schäfer, der im „Wintermärchen“ Perdita, in der „Liebes Verzweifflung“ Amoena an Kindes Statt aufnimmt, wird am Ende beider Spiele in den Hof­ staat aufgenommen. Sein einfältiger Sohn, den Martin Dymas nennt, gefällt sich zuletzt in der Rolle des eingebildeten und lächerlich wirkenden Edelmannes. Cohn46 meint zwar, Dymas, the son of Damon, the shepherd, plays here the part of Autolycus. Doch obwohl der Tagedieb Autolycus einige Charakterzüge wie Niedrig­ keit des Denkens und Egoismus mit Dymas gemeinsam hat, ist seine Rolle im Drama von jener des Dymas völlig verschieden. Autolycus ist außerdem schlau, berechnend, habgierig und diebisch – Eigenschaften, die Dymas nicht kennt. Beide Schäfersöhne, der namenlose im „Wintermärchen“ und Dymas in der „Liebes Verzweiffelung“, spielen plumpe Liebhaber. Doch im Gegensatz zu Shakespeare gibt Martin seinem Dymas ausgeprägte Pickelheringszüge. Die Wanderbühne forderte einen anderen Narr, einen anderen bäuerlichen Lieb­ haber als das gepflegte Elisabethanische Theater. Ein Narr, der sich um eine Liebesbeziehung zu einer der Hauptheldinnen bemüht, wäre im Schauspiel des englischen Dichters undenkbar. „Wintermärchen“ und „Liebes Verzweiffelung“ enden mit einer Doppelhochzeit: Florizel und Perdita erreichen endlich ihr Ziel, und die Edelleute Camillo und Paulina werden durch König Leontes zu einem Paar vereint. Ebenso verbindet sich Rodiman mit Amoena, Myrandon mit seiner Ziehschwester Evandra. Doch während bei Shakespeare der Konflikt zwischen Hermione und Leontes, zwischen Leontes und Polyxenes, zwischen Polyxenes und Flo­ rizel durch das aktive Mitleiden, Mithandeln und Mitbestimmen der betrof­ fenen Bühnenfiguren gelöst und zum Positiven gewendet wird, verlöschen die Probleme in der „Liebes Verzweiffelung“ durch äußere Zufälle. Sie werden nicht gelöst. Wenn das Spiel zu Ende ist, hebt sich jede Anteilnahme des Zu­ schauers auf. Es bleibt kein Nachklingen, kein Bezugnehmen auf sich selbst. Der Zuschauer wurde – wie bei allen anderen Wanderbühnendramen dieser Zeit – nur unterhalten. Große Leidenschaften wurden ausgelebt, auch Angst, 45 „Liebes Verzweiffelung“, III/1. 46 Cohn, Albert: Shakespeare in Germany, S. CXXXIV.



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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Empörung, am Schluss Erleichterung und Freude. Existentiell aber wurde nichts in Frage gestellt, es bleibt kein Erkenntnisgewinn. Die Übereinstimmung der „Liebes Verzweiffelung“ mit Shakespeares „Wintermärchen“ besteht also nur in der Art der Charaktere und in den verarbeiteten Motiven. Die dramatische Durchführung und der Handlungsablauf dagegen sind in beiden Dramen so verschieden, dass kaum an eine schriftliche Vor­ lage der englischen Komödianten, die sich ja an das Handlungsgerüst der Originaldramen hielten, gedacht werden kann. Martin musste unabhängig von einem klar festgelegten Vorbild des „Wintermärchen“-Themas gearbeitet haben; nur so konnte die Vielzahl der entlehnten Motive in völlig neue Bah­ nen gelenkt werden. Shakespearesche „Wintermärchen“-Motive, die sich in Martins Drama wieder­ holen: 1) Feindliche Könige werden durch die gegenseitige Liebe ihrer Kinder wieder zu Freunden. 2) Garten als Ort, an dem die Frau scheinbar das Gesetz der Treue über­ tritt.47 3) Verstoßung der scheinbar untreuen Frau und Übergabe der Urteilsent­ scheidung an das öffentliche Gericht. 4) Wahre Liebe und Treue der Frauen. 5) Ablehnung des Kindes durch den Vater aufgrund eines Irrtums.48 6) Schäfer nimmt sich 16 Jahre lang des fremden Kindes an und erzieht es zu Liebenswürdigkeit und Treue. 7) Motiv des wilden Tieres, das den Menschen anfällt und bedrängt. (Bär im „Wintermärchen“ (III/3), Traum Evandras in der „Liebes Verzweiffelung“ (I/3); und auch Amoena bittet in ihrer Verzweiflung die Bären, sie zu zerreißen (V/1). 8) Verkleidung der Prinzen. 9) Gespräch der Schäferin/Prinzessin mit dem unerkannten Vater, bzw. dem Vater des Geliebten. (Perdita-Polyxenes im „Wintermärchen“, IV/3, Amoena-Frondalpheo in der „Liebes Verzweiffelung“, V/7) 10) Verzweiflung der Liebenden bei Nichterfüllung der erwählten Liebe. 11) Versöhnungswille der Prinzen gegenüber den einander feindlich gesinn­ ten Königen. 12) Schiffsreisen der Prinzen.

47 „Wintermärchen“, I/2. 48 „Wintermärchen“, II/3; „Liebes Verzweiffelung“, III/2

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Die „Liebes Verzweiffelung“

13) Traurigkeit des verlassenen Königs, der seine tyrannischen Befehle be­ reut. 14) Auftritt des Liebespaares, das sich vereint hat, vom König aber noch nicht erkannt wird. (Florizel-Perdita vor König Leontes, „Wintermärchen“, V/1; Myrandon –Evandra vor Frondalpheo im Wald, „Liebes Verzweiffelung“, V/12) 15) Schmuck und andere Gegenstände als Erkennungszeichen, die die kö­ nigliche Abkunft der Schäferinnen verraten. 16) Der bäurische Narr als Edelmann bei Hof. 17) Belohnung des alten Schäfervaters durch seine Aufnahme in den Hof­ staat. Motive aus dem „Wintermärchen“, die in Martins Drama fehlen: 1) Eifersucht des Leontes 2) Die ablehnende Haltung des Königs gegenüber einer unstandesgemä­ ßen Heirat. 3) Das Motiv der lebenden Statue. „Wintermärchen“-Motive, die in Martins Drama verändert sind: 1) Dymas als tölpischer Liebhaber und seine Abweisung durch Amoena. (Der junge Schäfer im „Wintermärchen“ befasst sich nur mit Mädchen seines eigenen Standes, nicht mit der Schäferin/Prinzessin Perdita.) 2) Die erste Szene beider Dramen zeigt den Abschied vom König. Doch in der „Liebes Verzweiffelung“ wird Myrandon weggeschickt, im „Wintermärchen“ wird der Gast zum Bleiben aufgefordert. 3) Die Geduld Hermiones im Kerker zeigt sich bei Evandra als Sehnsucht nach dem Tod. 4) Das Wiedersehen des Leontes mit seiner totgeglaubten Tochter ge­ schieht im Palast. In der „Liebes Verzweiffelung“ begegnet Frondalpheo seinem totgeglaubten Sohn im Wald. Völlig neue Motive in Martins Drama, die jedoch der typischen Wanderbühne des 17. Jahrhunderts entsprechen: 1) Zweite Handlung und zweites Liebespaar 2) Problem der Geschwisterliebe 3) Kindestausch 4) Intrige des boshaften Cassianus und Figur des Pagen 5) Fechtkampf des Cassianus mit Myrandon 6) Verkleidung Myrandons und Rodimans 7) Motiv vom Bruder, der seine Schwester wiederfindet 8) Echo-Motiv



Bearbeitung von Shakespeares „Wintermärchen“

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9) Jagd 10) Vorahnung Evandras in Form eines Traumes 11) Versuchter Selbstmord Amoenas, indem sie sich (wie auch Evandra) den wilden Tieren des Waldes aussetzt und als Einsiedlerin in eine dunkle Höhle zurückzieht 12) Komische Szene mit Fidelmo und Dymas (Gespräch über die Jagd­ hunde) 13) Verirren des Königs auf der Jagd 14) Freundschaft der beiden Prinzen. Es fehlen in Martins Drama vor allem jene Szenen und Motive aus Shake­ speares „Wintermärchen“, die keine Aktionsmöglichkeiten zulassen, die nur vom Wort getragen werden. Die Wanderbühne verlangte nach sichtbarer Ak­ tion; seelische Feinheiten hatten hier keinen Platz, da sie dem Publikum nicht zugänglich gemacht werden konnten. Während sich in Shakespeares Drama das Misstrauen des Königs Leon­ tes, der Übertritt Camillos zu Polyxenes als Folge einer inneren Entwicklung darstellt, ist in Martins Spiel die innere Situation der Personen völlig klar und erfährt bis zum Ende keine Änderung. Nur Frondalpheos Haltung zeigt einen Ansatz jener Shakespeareschen Problematik, die nicht nur der Hand­ lung, sondern vor allem den Bühnenfiguren selbst ein inneres Fortschreiten ermöglicht. Martins Personen zeigen keine Entwicklungsmöglichkeit, ihre einspurige Charakteranlage stagniert jede wirkliche und lebendige Proble­ matik. Ihre Tragik liegt im äußeren Handlungsablauf, während sie sich bei Shakespeare aufgrund der seelischen Anlage jedes einzelnen und seiner Dis­ sonanz mit der Umwelt erst aufbaut. So steht die „Liebes Verzweiffelung“ durch die Wahl ihres Themas zwar in der Nachfolge Shakespeares und der Commedia dell’Arte, sie stellt aber zugleich eine völlig einmalige und neue Bearbeitung des Daphnis-und-Chloe-Themas dar. Martins Dramatisierung ist wahrscheinlich die erste dieses Themas auf der deutschsprachigen Bühne.

Die „Liebes Verzweiffelung“ als typisches Werk Martins Die Doppelbegabung Martins als Musiker und Dichter zeigt sich nicht nur in seinen späteren Werken, sondern schon in seinem ersten dichterischen Zeugnis, der Tragico-Comoedia. Kein anderes frühes Wanderbühnen-Ma­ nuskript auf deutschem Boden – abgesehen von den frühen Singspielen der englischen Komödianten1 – legt die Melodie einer Liedeinlage durch Noten­ schrift fest. Auch durch die mehrstrophigen Lied- und Vortragstexte in Akt II/4 und am Schluss des Spiels unterscheidet sich die „Liebes Verzweiffelung“ von anderen Wanderbühnendramen, die Szenenende und Spielschluss meist mit nur wenigen Verszeilen hervorheben. Martin bemüht sich also schon in seinem frühesten Werk als einer der ersten um eine künstlerische Aufwertung der Bühnensprache. Seine Vorliebe, durch Umstellen der Buchstaben aus dem eigenen Na­ men andere Namen zu konstruieren, zeigt sich nicht nur in seinem späteren Künstlersignum MARTIN – MIRANT; schon in der „Liebes Verzweiffelung“ wird aus M ARTINO M IRANDON und ROD IMAN. Der Name Myrandon findet sich allerdings schon in Shakespeares „Tempest“ in der weiblichen Figur Miranda: Sie ist die Tochter des Prospero, des recht­ mäßigen Herzogs von Mailand. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass Martin diesen Namen aus der englischen Vorlage bezogen hat; und die deutsche Bearbeitung des „Tempest“-Themas, Ayrers „Comoedia Von der schönen Sidea“, kennt den Namen der Miranda nicht. An den einmal gewählten Namen für seine dichterischen Figuren hält der Dichter auch in seinen späteren Werken fest: Seine Wohltäterin am Hohen­ 1

Die Singspiele mit Notenschrift, die Bolte (Die Singspiele der englischen Komoedianten und ihrer Nachfolger in Deutschland) für die Zeit nach 1650 verzeichnet, betreffen nur kurze Zwi­ schenspiele des Pickelhering und können kaum zu den eigentlichen Wanderbühnendramen gerechnet werden.



Die „Liebes Verzweiffelung“ als typisches Werk Martins

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emser Hof, Gräfin Cornelia Lucia, begegnet als Amoena, die Liebliche, im „Philotheus“ wieder. Auch Evandra, die königliche Prinzessin der „Liebes Verzweiffelung“, zeigt sich zweimal im „Philotheus“: als Rheinische Hirtin Evandre, die dem Miranten in der Silber-Statt Straßburg durch freundtliches Zusprächen so vil zuschaffen gegeben / daß er auff so inständiges anhalten schier geblieben wäre; und als verführerische Evadne, die den Hof mit all seiner Falschheit, seiner Un­ barmherzigkeit und seinem Hochmut vertritt.2 Der Name des alten Schäfers Damon ist der zeitgenössischen Schäfer­ dichtung entnommen3, während Cassianus an den Waffengefährten des Brutus aus Shakespeares „Julius Caesar“, an Cassio, erinnert. Martin kannte dieses Schauspiel wahrscheinlich in der deutschen Bearbeitung der engli­ schen Komödianten. Der Name des Hofmeisters Fidelmo nimmt wohl auf die lateinische Bedeutung von „fidelis“ (treu, ehrlich, zuverlässig) Bezug. Er begegnet in der „Mirantischen Wald-Schallmey“ als Pastor Fidus wieder, der hier den treuen Prinzenbegleiter darstellt. Doch rechtfertigt der Charakter des Fidelmo in keiner Weise diesen Sinnbezug: Martin hatte den Namen wohl gewählt, bevor die Funktion und der dramatische Charakter dieser Figur festgelegt war. Als Repertoirestück der beiden bekanntesten deutschen Wanderbühnen­ trup­pen, der Velthenschen und der Hoffmannschen Truppe, wurde Martins Schauspiel wohl überall in Deutschland aufgeführt. Das Velthen-Verzeichnis aus dem Jahr 1679 nennt als Nr. 48 „Die Liebesverzweiffelung“. Eine weitere bezeugte Aufführung von „Frantalpeus, dem König von Epirus und seinem Sohne Mirandon“ fand nicht in Deutschland, sondern in Moskau statt!4 Der Zarenhof unter Peter dem Großen unterhielt um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert deutsche Seiltänzer, Musiker und Schauspieler, die das russische Theater entsprechend den verschiedenen Formen des damali­ gen deutschen Theaters prägten und es vom Einfluss der Kirche emanzipier­ ten. Gespielt wurde vor allem in dem dichtbevölkerten deutschen Stadtteil von Moskau, der deutschen Slobode. Es war jedoch nicht die Velthensche Truppe oder die der Anna Paulsen, die deutsches Theater nach Moskau brachten, obwohl diese beiden Wandertruppen vom Gesandten des Zaren angeworben worden waren. Sie waren nie in Russland. 2 „Philotheus“, S. 2; und Vorrede zu „Des Miranten Weg“. 3 In dem Karlsruher Wanderbühnen-Manuskript „Comoedia genant der Verliebten Kunstgriffe“ ver­ körpert Damon eine schäferliche Hauptfigur und steht auf der Liste der Agirenden Personen an erster Stelle. Der Name Damon begegnet auch in der späteren Literatur, z.  B. in Schil­ lers Ballade „Die Bürgschaft“ oder in Lessings Jugenddrama „Damon“, und bürgt für ehrliche Freundschaft. 4 Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater. Prag 1876, S. 54.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

1701 folgte eine Truppe von acht deutschen Schauspielern unter Johann Kunst5 und seiner Frau Anna, die sich damals gerade in Danzig befand, dem Ruf nach der russischen Stadt. Wesselofsky (S. 42) nennt ihre Namen: Jo­ hann Morton Beidler, Johann Plantin, Antonius Rodax, Michael Wirth, Jakob Erdmann Starkey, Carl Ernest Nitz und Michael Jesowsky. Keiner von ihnen ist in dem Ensemble Velthens oder Hoffmanns vertreten, sie scheinen in den überlieferten Namen deutscher Wanderbühnentruppen überhaupt nicht auf. 1739, unter Zarin Anna, kam die Neubersche deutsche Komö­dian­ten­bande aus Leipzig nach Petersburg; außer dem Ehepaar Neuber, den Komödianten Koch, Fabricius und der Buchnerin waren auch ein paar ungelernte sächsi­ sche Mädchen mit dabei, deren Aussprache und Geberden nicht viel taugten, und also auch nicht sehr gefielen.6 Die Truppe war überdies den Anfeindungen des italieni­ schen Oberhofmarschalls ausgesetzt, dem es nach dem Tod der Zarin Anna 1740 gelang, die deutschen Komödianten zu vertreiben. Ab nun gab es nur noch italienische Oper und französisches Theater am Hof zu Moskau und Petersburg. Erst 1748 und 1749 konnte die in Hamburg und Berlin so be­ kannte Ackermannsche Schauspielergesellschaft das Publikum in Petersburg zurückgewinnen. Sie spielte auf einem selbst errichteten Stadttheater zumin­ dest zu Beginn mit ziemlichem Beifalle, der aber im kommenden Jahr immer mehr verebbte. Dieser Truppe gehörten auch Hilferding und Scolari an, die später eine eigene Truppe führten: Ab 1757 spielte die privilegierte deutsche Bande unter ihrem Pantalon Helferting und dem Arlequin Scolari auf ihrer eigenen Schaubühne in der Morskoj in Petersburg. Als aber die italienische Opera Burlesque unter der Zarin Elisabeth und nach deren Tod 1762 unter Zarin Katharina II. Mode wurde7, hatten sie kein Publikum mehr und zogen nach Reval. Manche ihrer Schauspiele wurden sowohl in deutscher als auch in russischer Sprache gegeben. Zum Repertoire gehörten Stücke polnischer Herkunft, Improvisationen nach dem Muster der Commedia dell’arte, aber auch viele Spiele, die die deutsche Wanderbühne jener Zeit dominierten, darunter ein Werk Cicogninis, „Il tradimento per l’honore“ und „Prinz Pickelhering oder Jodelet, durch sich selbst verhaftet“. Daneben wurden Stücke ganz unbekannter Herkunft ge­ spielt, die offenbar zur Zahl der späteren Staatsaktionen gehören und uns bisher bloß dem

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Wesselofsky (S. 39) hält den Namen von Johann Kunst für fingiert. Stählin, Jakob von: Zur Geschichte des Theaters in Rußland, 1. Theil, S. 403. Die Opera buffa kam unter Giovanni Battista Locatelli, mit der berühmten Sängerin Farinella, im Herbst 1757 aus Italien nach Petersburg, 1759 spielten sie in Moskau und waren 1762 bankrott.



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Namen nach bekannt sind, so das Stück von „Frantalpeus, dem König von Epirus und seinem Sohne Mirandon“.8 Dass der Titel der „Liebes Verzweiffelung“ nur in Velthens Aufführungsver­ zeichnis aus dem Jahr 1679 aufscheint, erklärt sich aus der Sitte der Prinzi­ pale, ihre Repertoirestücke von Zeit zu Zeit mit verändertem Titel anzukün­ digen. Damit wurde beim Publikum der Eindruck erweckt, dass völlig neues Theater zu erwarten sei. Ob auch die am 28. Oktober 1741 in Frankfurt am Main aufgeführte „Lustige und intrigante Pieco-Comique, betitult: Das gecrönte Schäffer-Paar. Oder: Die verlohrne und wieder gefundene Fürstenkinder …“ und die Aufführung in Frank­ furt am 16. Jänner 1742, die als „Eine aus einer wahrhafften Historie gezogene recht charmante Haupt-Action, Betitult: Die majestätische Schäferin, oder: Die über Tyranney und Verfolgung obsiegende Treue …“9 über die Bühne ging, als Bearbeitungen von Martins Drama zu sehen sind, lässt sich heute nicht mehr entscheiden; es fehlen die entsprechenden Texte.

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Wesselofsky, S. 54. Zitiert nach Mentzel: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main, S. 458.

Die beiden erhaltenen Manuskripte der „Liebes Verzweifflung“ Beschreibung der Handschriften Die „Liebes Verzweiffelung“ ist in zwei Manuskripten erhalten, die sich in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (Sig. D 119) und in der Österreichi­ schen Nationalbibliothek Wien (Sig. Ms 13191) befinden. Beide Handschrif­ ten lassen eine ungewöhnliche Sorgfalt in der Ausführung erkennen. Andere Bühnentexte aus der Mitte des 17. Jahrhunderts zeigen flüchtige, meist grob­ flächige Handschriften, während beide Manuskripte von Martins Drama ein feines, zierliches und sauberes Schriftbild aufweisen. Sie stammen jedoch von zwei verschiedenen Schreibern. Alle Literarhistoriker, die Martins Drama erwähnen1, beziehen sich nur auf die Wiener Handschrift, die kein Titelblatt hat und deshalb nach der erstge­ nannten Figur des Personenverzeichnisses „König Frondalpheo“ genannt wird.

Das Wiener Manuskript umfasst 37 Blätter, die vom Originalschreiber selbst paginiert sind. Das Format, 165 mal 217 mm, stimmt mit den meisten erhaltenen Wanderbüh­ nendramen (außer den Quartformat-Manuskripten Stranitzkys) überein. Als Schreiber konnte der Schauspieler Christian Janethsky identifiziert werden, der auch die „Comoedia genandt Die getreue Octavia“ (Universitätsbibliothek Kas­ sel, Sig. Ms. theatr. 7) und die „Comoedia genandt Die Heillose Königin Odomire oder Die lebendig Begrabene Printzeßin Merolome“ (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1 Bd 100 E) geschrieben hat und sich auf den Widmungsblättern dieser Manu­ skripte namentlich zu erkennen gibt. Seine typischen Anfangs- und Schluss­ schnörkel beginnen und beenden auch das König Frondalpheo-Manuskript. 1

Cohn, Albert: Shakespeare in Germany, 1865, S. CXXXIV. Creizenach, Wilhelm: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, Einleitung S. XLIII. Heine, Carl: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, 1889, S. 28, 43 und 89. Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 93.



Beschreibung der Handschriften

Abb. 5 a: Erste Seite aus dem Wiener Manuskript „König Frondalpheo“ mit dem Signum des Schreibers Christian Janethsky. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13191)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 5 b: Letzte Seite aus dem Wiener Manuskript.



Beschreibung der Handschriften

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Auch das Wolfenbütteler Manuskript „Der mayestätische Sclav“ (Herzog August-Bibliothek, Cod. Extravag. 197.4) ist von Christian Janethsky als Widmungsexemplar für Herzog Ferdinand Albrecht von Braunschweig und Lüneburg angefertigt worden. Der Wanderkomödiant Christian Janethsky aus Dresden gehörte als Pickelhering lange Zeit, nachweislich von 1680 bis 1688, der Velthenschen Truppe an. (gest. am 8. Jänner 1688 in Leipzig als Churfürstlich Sächsischer Comoediant.) Das Manuskript des „Frondalpheo“ ist sorgfältiger als die anderen Wan­ derbühnenhandschriften in der Wiener Nationalbibliothek ausgeführt; Fremdwörter, Eigennamen und Verse wurden vom Schreiber mit besonderen Schriftzeichen hervorgehoben. Da die Handschrift keinerlei Ausbesserungen oder Zusätze durch eine andere Hand aufweist und auch keine abgegriffenen Blätter hat, wäre es möglich, daß sie eigens als Geschenk der Truppe an den Landesherrn angefertigt worden ist.2 Die Widmung hätte in diesem Fall, wie im Manuskript der „Getreuen Octavia“ und in der „Heillosen Königin Odomire“, auf einem eigenen, dem Titelblatt folgenden Blatt gestanden. Die Handschrift des „König Frondalpheo“, also jene von Janethsky, zeigt eine auffallende Ähnlichkeit mit jener der Prinzipalin Maria Margarethe Elenson, die uns aus zwei Manuskripten der Wiener Nationalbibliothek und aus einem der Wienbibliothek bekannt ist.3 Alle drei Dramenhandschriften Elensons zeigen dieselbe dekorative Form: Das Verzeichnis der Actores ist in Zierschrift verfasst, die einzelnen Personen sind fortlaufend nummeriert. Über den einzelnen Ziffern ist im Manuskript des „Verirrten Liebes Soldaten“ und des „Königs Frondalpheo“ derselbe charakteristische Strich. Alle drei Hand­ schriften verzeichnen die Personenangabe am Beginn jeder neuen Szene in Zierschrift. Auch die charakteristische sprachliche Fehlbildung des Akkusa­ tiv anstatt des Dativ wiederholt sich in den Elenson-Manuskripten. Es gibt jedoch einige kleine formale Unterschiede, besonders in der Form der Zier­ schriftbuchstaben.) Geringfügige Abweichungen in der Szeneneinteilung und in der Sprache lassen das Wiener Manuskript „König Frondalpheo“ als Abschrift erkennen. Typische Abschreibfehler verkehren manchmal den Sinn ins Gegenteil, z.  B. in Szene V/12: Niemand soll an seinem Glück [statt ‚Unglück‘] verzweiffeln.

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Handschriftliche Widmungsexemplare sind erhalten von dem englischen Schauspieldirektor John Green („Niemand und Jemand“) und von der Principalin Maria Margarete Elensohn („Die Glickseelige Eifersucht Don Rodrichs König von Valenza“) 3 „Comoedia genandt Die Glickseelige Eifersucht Don Rodrichs von Valenza“ (Nat.Bibl. Wien, Ms 13229); „Tragico-Comoedia genand der Verirrte Liebes Soldat oder Deß Glickes Probier Stein“ (Nat.Bibl. Wien, Ms 13250); „Comoedia von der Glüeckseligen Eyfersucht …“ (Wienbibliothek, Sig. 38589 Ja, Bl. 201–285).

Abb. 6 a und b: Widmungsblatt und letzte Seite der Comoedia „Die getreue Octavia“: Typisches Signum Janethskys auf dem Titelblatt der „Octavia“ (Siehe auch das Titelblatt der „getreuen Octavia“, Abb. 40, S. 560) (Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, Sig. Ms. theatr. 7)

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Beschreibung der Handschriften

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Abb. 7: Widmungsblatt der Comoedia „Die Heillose Königin Odomire oder Die lebendig Begrabene Printzeßin Merolome“ mit dem Signum von Christian Janethsky Pickelhäring (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Sig. J 1 Bd 100 E)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 8: Christian Janethsky aus der Truppe von Johannes Velthen. Eines der ältesten bekannten Bildnisse eines deutschen Berufsschauspielers. (Aus Könnecke, Gustav: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationalliteratur. Marburg 1895, S. 198)



Beschreibung der Handschriften

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Der große Vorteil der Wiener Handschrift liegt in der auf dem ersten Blatt des Personenverzeichnisses überlieferten Jahreszahl 1 6 6 7 . Stammt sie aber wirklich von Janethsky, dem Schreiber des Manuskrips? Immerhin ist die Form der Ziffern anders als jene in der Originalpaginierung in der rechten oberen Ecke der Blätter. Außerdem verweisen die im Manuskript verzeichne­ ten Schauspieler auf den Zeitraum 1685–1691. Sollte die Jahreszahl 1667 trotzdem echt sein, d.  h. dem Zeitpunkt der Aufzeichnung entsprechen, so ist das Bühnenmanuskript in eine Zeit zu datieren, in der Johann Martin schon seit fünf Jahren seine Theatertruppe verlassen und inzwischen das zweite Jahr als Noviziat im Kapuzinerkloster Zug (Schweiz) gelebt hat.

Das Karlsruher Manuskript scheint eine direkte Abschrift des Originals zu sein. Dass es sich – trotz der Notenschrift – nicht um das Original selbst handeln kann, verraten einige kleine Flüchtigkeitsfehler und das Fehlen mancher für das Verständnis des Textes notwendigen Wörter, z.  B.: Was hülfft uns, [daß wir] Erben gezeugt, welche nicht zu der Regierung gelangen? (IV/4) oder V/8, als Rodiman seinen Freund Myrandon überzeugen will, dass Evandra nicht von Epiro gebürtig sei: Nein, sie ist [nicht] eine Princessin von Epyro … oder V/12:  … weil ihr mir eine so große Freund[schaft] manchmal erwiesen … In I/1 verteidigt sich Myrandon vor seinem Vater gegen die Anschul­ digung der verbotenen Geschwisterliebe: Niemalen soll ein solcher Sinn in unsre Hertzen kommen, welcher uns verdächtlich [= verächtlich] wäre. Solche Fehler konnten nur beim Abschreiben entstehen. Wahrscheinlich war das Manuskript Eigentum eines Mitglieds der ers­ ten Schauspieltruppe, die Martins Drama aufführte. Vielleicht könnte die In­ nenseite des Umschlagdeckels darüber Auskunft geben: Der linke Rand ist etwa 3 cm breit vom übrigen Blatt durch einen senkrechten Strich abgeteilt und enthält eine Aufstellung über verschiedene kleinere Geldbeträge. Über­ schrieben ist die Spalte mit „Hans und Marthin“. Die Handschrift dieser Spalte weist in die Mitte des 17.  Jahrhunderts. Wer mit dem Vornamen „Hans“ gemeint ist, lässt sich nicht klären. Der Name „Marthin“ könnte sich jedoch auf den Dichter beziehen, denn obwohl die im Rollenverzeichnis genannten Schauspieler späteren Jahren angehören, als der Dichter die Bühne längst verlassen hat, stammt das Manuskript und mit ihm der Umschlag wohl aus

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Die „Liebes Verzweiffelung“

einer früheren Zeit.4 Die übrige Beschriftung des inneren Umschlagblattes stammt aus dem 16. Jahrhundert: 1598 virzen tag vor Martini bin ich von dem sail heimgezogen auf die neue Sorge. Anscheinend gehörte der Umschlag früher zu einem anderen Manuskript.5 Die Karlsruher Handschrift zeigt ein für Bühnenmanuskripte jener Zeit un­ gewöhnliches Quart-Format: Sie ist etwa 320 mal 200 mm groß und besitzt einen mit grünem abgegriffenem Pergament bezogenen Umschlag mit je zwei Lederschließbändern am vorderen und rückwärtigen Einbanddeckel. (Einer davon ist abgerissen.) Das Manuskript besteht aus 19 original-pagi­ nierten Blättern und ist, wie auch die Wiener Handschrift, im Vergleich zu gleichzeitigen Bühnenhandschriften sehr sorgfältig und sauber geschrieben. Fremdwörter und Eigennamen sind durch Lateinbuchstaben besonders hervorgehoben. Ob es sich bei der kleinen, zierlichen Schrift der Karlsru­ her „Liebes Verzweiffelung“ um die eigene Handschrift des Dichters handeln könnte, bleibt unentscheidbar. Sie findet sich in keinem anderen Wanderbüh­ nen-Manuskript wieder.6 Ein anderer Schreiber hat mit großen nachlässigen Schriftzügen etliche Än­ derungen innerhalb des Dramentextes vorgenommen.7 Sie sind mit dunkler glänzender Tinte ausgeführt und betreffen vor allem zusätzliche Schau­platz­ angaben bei Szenenwechsel: Blatt 4 v (I/8) Das Th[eater] verendert In einen Walt oder garten Blatt 5 v (I/13) Die gaße mit der gefängnuß: Th. Blatt 6 r (II/2) Th. wieder verendert In den walt Blatt 9 v (III/1) Die gaße oder der königliche Hoff Blatt 12 v (IV/1) Daß Th.: Den pallast Blatt 13 v (IV/3) Verendert In den Walt Blatt 15 r (V/1) Ist der Walt undt bleibet biß zum ende 4

5 6

7

Die Schrift des Dramentextes und jene der Rollenbesetzung ist verschieden! Wird eine Iden­ tität des Namens Marthin mit dem Dichter angenommen, so würde sich auch der Name Hans auf einen Schauspieler der Hoffmannschen Truppe beziehen. Es könnte an Hans Ernst Hofmann, Johann Wohlgehaben oder Johann Christoph Pernegger gedacht werden. Dasselbe trifft auf die Karlsruher Handschrift, Sig. D 93, „Der Verliebten Kunstgriffe“ zu, die als Einband eine Makulatur aus einer liturgischen Pergamenthandschrift des späteren Mittelalters benützt. Leider existiert von Martin, bzw. von Laurentius von Schnüffis keine einzige handschriftliche Zeile. In den Bibliographischen Nachträgen zu den Durlacher und Rastatter Handschriften, beschrieben von Alfred Holder (= Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, Bd III), Wiesbaden 1970, S. 209, wird Titel und Verzeichnis der Actores fälschlicher­ weise als Autograph des Dichters beschrieben. Eine genaue Auflistung dieser Zusätze und Änderungen innerhalb des Dramentextes siehe die Fußnoten des Originaltextes.



Beschreibung der Handschriften

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Die großflächige Schrift dieser zweiten Hand gehört dem Prinzipal Carl Ludwig Hoffmann, dem Sohn jenes Hans Ernst Hoffmann, der die erste deutsche Wanderbühnentruppe geleitet hat, in der auch der Komödiant und Dichter Johann Martin selbst gespielt hat. Carl Ludwig Hoffmann war durch seine Heirat mit Sophie Julie Elenson-Haacke (er war deren dritter Ehemann) späterer Direktor der Elenson-Truppe geworden.8 Damit ist bewiesen, dass das Karlsruher Manuskript der „Liebes Verzweiffelung“ im Besitz der Elen­ son-Truppe war und als eines ihrer Repertoirestücke in den Zwanzigerjahren des 18. Jahrhunderts aufgeführt wurde. Die Schrift Carl Ludwig Hoffmanns findet sich nicht nur in Martins Manu­ skript. Auch die „Comoedia genandt Die gekröndte Schäfferin Aspasia“ (Wienbib­ liothek, Sammelband 38589 Ja, S. 89–132) und „Die ermordete Unschuld oder die Enthauptung des Grafen von Essecs“ (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13117) hat nachträgliche Änderungen der Szeneneinteilung und der Regieanweisungen in derselben Schrift. Die „Comoedia Genandt Die zwey brüder ungleichen Humors“ (Badische Lan­ desbibliothek Karlsruhe, Sig. D 95) zeigt diese Schrift auf dem Titelblatt und dem Verzeichnis der Agirenden Perschohnen, während der übrige Dramentext von anderer Hand stammt. (Auf der Rückseite des vorderen Einbandes steht oben von alter Hand das Signum F.H.W.; diese Initialen kennzeichnen den Besitzer des Manuskripts (Siehe Abb. 11, S. 157). Es sind wahrscheinlich jene des Herzogs Friedrich von Württemberg-Neuenstadt (1615–1682), der nach dem Vorbild seines Braunschweiger Schwiegervaters eine große Bibliothek mit 25000 Einzelbänden in Neuenstadt aufbaute. Ein ähnliches, jedoch un­ deutlicheres Signum weist die letzte Seite des Sammelbandes D 93 auf, der sich ebenfalls in der Karlsruher Landesbibliothek befindet (Abb. 12, S. 157).

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Sophie Julie Elenson-Haacke stammte aus Hamburg. Sie war in erster Ehe die Gattin des Schauspielers Julius Franz Elenson, des Sohnes jenes bekannten Prinzipals Andreas Elenson aus Wien und dessen Gattin Marie Margarete. Als Julius Franz Elenson am 7. Juli 1708 in Schwalbach starb, führte Sophie Julie die Truppe zuerst allein weiter, heiratete dann aber 1711 ihren Harlekin Haacke, einen ehemaligen Dresdener Barbiergehilfen. Er muss ein erfolgrei­ cher Komödiant gewesen sein, denn bald darauf erhielt er das Privileg eines mecklenburgischen Hofkomödianten und am 28. Februar 1714 das eines kursächsischen Hofkomödianten, dazu auch die Freiheit, auf den Leipziger Messen spielen zu dürfen. Als Haacke 1722 starb, heiratete Sophie Julie ein drittes Mal, und zwar den Schauspieler Carl Ludwig Hoffmann.– Die Truppe mit Carl Ludwig Hoffmann als Prinzipal spielte vor allem im Leipzig (jährlich von 1723 bis 1727), aber auch in Nürnberg (1725), Braunschweig, Wolfenbüttel und Hamburg (1726). Sophie Julie starb Ende 1725. Nach ihrem Tod trennten sich die Mitglieder ihrer Truppe. Hoffmann ging, von Schulden bedrängt, nach Petersburg. (Siehe dazu Bolte: Das Danziger Theater, 1895, S. 157–158)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 9: Karlsruher Manuskript der „Liebes Verzweiffelung“ (Blatt 15 r) mit zusätzlichen Änderungen in Karl Ludwig Hoffmanns Schrift.



Beschreibung der Handschriften

Abb. 10: Schriftvergleich mit dem Wanderbühnenmanuskript „Die ermordete Unschuld oder die Enthauptung des Grafen von Essecs“, mit Änderungen in der Schrift des Prinzipals Karl Ludwig Hoffmann. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13117)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Laut Heine9 stammen auch die zufällig erhaltenen Zeilen auf der Innenseite des zweiten Deckblattes des Wanderbühnendramas „Die rasende Medea“ (Na­ tionalbibliothek Wien, Ms 13189) von der Hand Carl Ludwig Hoffmanns. Es handelt sich dabei um einen Dialog, teils in Versen, zwischen Call[ot] und Gor[gas] aus dem Wanderbühnendrama „Der eiserne König“ (Siehe Abb. 36, S. 518). Auf dem zweiten Blatt des Manuskripts „Das Labyrinth der Liebe“, Augsburg 1722 (Nat.Bibl. Wien, Cod. Ms 13149), steht Hoffmanns Namensunter­ schrift: C. L. Hoffmann. D. C. [Direktor Comicus] 1723 in Augsburg. Dazu die Bemerkung zum Schauspiel: Arlequin ein lustiger Hofspion. Dieselbe Situa­ tion findet sich im Manuskript „Der Wollüstige Croesus König in Lidien“ (Nat. Bibl. Wien, Cod. Ms 13175); es hat denselben Schreiber, und die 40 Blätter weisen auch hier Regiebemerkungen, die Anfangsbuchstaben der Rollen­ besetzungen und den letzten Teil des Titels „wunder einer getreuen Ehefrau“ von Hoffmanns Hand auf. In dieser großen, selbstbewussten, mit breiter Feder ausgeführten Schrift Carl Ludwig Hoffmanns gibt es noch drei weitere vollständige Wanderbüh­ nen-Manuskripte in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Es sind dies die in dem Sammelband D 93 zusammengebundenen drei Komödien „Der Verliebten Kunstgriffe“, „Von Fortunato und seinem säckel und Wunschhüttlein“ und „Der unbesonnene Liebhaber“. Leider ist das Signum auf der letzten Seite des Sammelbandes kaum lesbar; es könnte F. V. W. oder F. H. W. bedeuten. Es wurde eine andere feinere Schreibfeder als jene für den übrigen Dramen­ text benutzt, was darauf hindeutet, dass diese Anfangsbuchstaben wohl vom Biblio­thekar des Herzog Friedrich von Würtemberg-Neuenstadt stammen dürften. (Üblicherweise setzte der Besitzer eines Wanderbühnendramas, meist der Prinzipal einer Truppe, seine Initialen auf die erste Seite und nicht an den Schluss des Textes.) Von dritter Hand stammt das Titelblatt und die Angabe der Schauspie­ lernamen auf Blatt 1 v. Diese Tinte ist im Lauf der Zeit hell und gelblich geworden. Die Eintragungen mit dieser bleichempfindlichen Tinte sind bes­ ser leserlich und sorgfältiger geschrieben als die Zusätze mit der dunkelglän­ zenden Tinte. Die Blätter 5, 7, 10, 12, 13, 15, 17, 18 der Karlsruher Handschrift weisen ein Wasserzeichen auf, das kleine Posthornzeichen.

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Heine, Carl: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, Halle 1889, S. 73.



Beschreibung der Handschriften

Abb. 11: Signum aus „Die zwei Brüder ungleichen Humors“ Rückseite des vorderen Einbands. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. D 95)

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Abb. 12: Signum auf der letzten Seite des Sammelbandes in der Badischen Landes­ bibliothek Karlsruhe (Sig. D 93)

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts gab es kaum eine Papiermühle, die nicht auch dünnes ‚Postpapier‘ hergestellt hätte. Die Herkunft des verwendeten Papiers lässt sich daher nicht mit Bestimmtheit festlegen. Außerdem könnte davon weder Ort noch Zeit im Hinblick auf die Entstehung des Manuskripts abgeleitet werden, da die Komödianten ja im ganzen deutschen Sprachraum unterwegs waren. Die Namen der angeführten Schauspieler beweisen jedoch eine Aufführung des Dramas um das Jahr 1669. Diese Komödianten müssten es auch gewesen sein, die das in Karlsruhe auf­ bewahrte Manuskript von Martins Schauspiel dem Markgrafen von Durlach übergeben haben. Die Markgrafen der Ernestinischen Linie besaßen eine umfangreiche Sammlung von Handschriften und Büchern, die sie in ihrer Residenz, dem 1565 erbauten Schloss zu Durlach (östlich von Karlsruhe) aufbewahrten.10 Diese Durlacher Bibliothek wurde 1674 nach Basel gebracht und 1720 dort geordnet. 1765 kamen die Schriften in die Badische Landes­ bibliothek Karlsruhe, wo Martins Manuskript bei der Katalogisierung um 1895, verborgen unter den Miscellenbänden von Durlach, die heute noch gültige Signatur D 119 erhielt. Das Karlsruher Bühnenmanuskript des Johan Martin blieb von der Literatur­ wissenschaft völlig unbeachtet, obwohl es schon 1894 in dem von Theodor Längin herausgegebenen Katalog der „Deutschen Handschriften der Großh. Badischen Hof- und Landesbibliothek“, S. 102, zitiert wird. Erst 1970, als dieser Druck für eine Neuauflage bearbeitet wurde11, erkannte der damalige Direktor der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Dr. Kurt Hannemann, in dem Ver­ 10 11

Die heute noch unter Sig. D 1–262 erhaltenen Handschriften sind nur ein Teil des früher vorhandenen Bestandes. Die Durlacher und Rastatter Handschriften, beschrieben von Alfred Holder. Neudruck mit bibliographischen Nachträgen (= Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karls­r uhe, Bd III), Wiesbaden 1970, S. 41; Bibliographische Nachträge S. 209.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

fassernamen Johan Martin den Barockdichter Laurentius von Schnüffis. Seiner Aufmerksamkeit, seinem Wissen und seiner Initiative ist es zu verdanken, dass das künstlerische Persönlichkeitsbild des Dichters und Musikers Lau­ rentius durch die Kenntnis seines frühen dramatischen Schaffens seine Ab­ rundung erfahren hat und dass die Verfasserfrage eines der interessantesten Bühnenmanuskripte der Wiener Nationalbibliothek aus dem 17. Jahrhun­ dert, des „König Frondalpheo“, dadurch geklärt ist.

Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften Die übliche Reihenfolge, in der die Actores im Personenverzeichnis angege­ ben sind, folgt der Rangordnung ihrer gesellschaftlichen Stellung, die ihnen das Bühnenspiel zuweist. Diese Anordnung ist in den meisten älteren Manu­ skripten der Wanderbühne zu beobachten. Erst in jüngerer Zeit wurden die Spieler in der Reihenfolge ihres ersten Auftritts eingestuft oder nach männ­ lichen und weiblichen Rollen getrennt verzeichnet.1 Beide erhaltenen Handschriften der „Liebes Verzweiffelung“ nennen als erste Bühnenfigur den König Frondalpheo. Die Karlsruher Handschrift lässt nun alle männlichen Personen des Hofes folgen; sogar die kleine Rollenfigur des Pagen steht noch vor der des bäuerlichen Damon. Nach dem Muster anderer alter Wanderbühnendramen stehen die Dienerin Alidea und die komische Figur des Dymas an letzter Stelle.2 Die Wiener Handschrift weicht insofern von dieser Anordnung ab, als sie die beiden weiblichen Hauptrollen Evandra und Amoena unmittelbar auf die Namen ihrer königlichen Geliebten folgen lässt, ihnen also einen ranghö­ heren Platz zuordnet als die Karlsruher Handschrift. Die kleinste Rollen­ figur, die des Pagen, steht am Schluss des Verzeichnisses; Alidea ist den Hof­ meistern beigesellt und steht an letzter Stelle der höfischen Standespersonen. Die gesellschaftliche Rangordnung der dramatischen Personen deckt sich in beiden Manuskripten mit der Bedeutsamkeit und dem Umfang ihrer Rolle im Drama. So setzt die Karlsruher Handschrift die Figur des verräte­ rischen Cassianus zwischen die umfangreichere Rolle des Ottonias und jene des Fidelmo, dessen Rolle wesentlich kleiner ist als die der beiden vorherge­ henden Personen.

1

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Ausnahmen: „Romio und Julietta“ (Die Gräfin wird hier nach dem Pickelhering genannt) und die Comoedia von „Niemand und Jemand“ (König Edowart steht nach dem Bauern und dem Torwärter). Vgl. dazu Freudenstein: Der bestrafte Brudermord (S. 42) und Mauermann: Die Büh­ nenanweisungen im deutschen Drama bis 1700 (S. 106  f). Nach Mauermann (S. 107) gehörte der lustigen Person die letzte Stelle des Personenverzeich­ nisses. Sehr oft finden sich aber auch die Figuren der Diener und Dienerinnen an diesem letzten Platz, z.  B. in der „Comoedia, genandt Der unbesonnene Liebhaber“ (Karlsruhe, Sig. D 93) oder in „Der Verliebten Kunstgriffe“ (Karlsruhe, Sig. D 93).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

In der Wiener Handschrift zeigt sich diese Einstufung der Figuren nach ihrer dramatischen Bedeutsamkeit und dem Umfang ihrer Rolle noch klarer, da die Unterscheidung zwischen männlichen und weiblichen Rollen wegge­ lassen ist.

Die Schauspieler des Karlsruher Manuskripts Es ist als besonderer Glücksfall zu werten, dass sowohl das Wiener wie auch das Karlsruher Manuskript die Namen der einzelnen Darsteller verzeichnet. Anhand von Vergleichen mit den Schauspielerlisten anderer Wanderbüh­ nendramen lassen sich dadurch die Aufführungen der „Liebes Verzweiffelung“ zeitlich ziemlich genau festlegen. Die beiden erhaltenen Manuskripte nennen keinen einzigen Komö­dian­ ten­namen aus jener Truppe, die mit Martin am Innsbrucker Hof gespielt hat. Das bedeutet, dass es sich bei der Karlsruher Handschrift – denn nur diese kommt als Abschrift des Originals in Frage – entweder nicht um das Originalmanuskript der Hoffmannschen Truppe handelt oder dass die ein­ getragenen Namen auf die Aufführung einer späteren Truppe hinweisen. Diese letztere Annahme ist die wahrscheinlichere, denn vier Namen dieser Komödiantentruppe (N.Nesseni, Johann von Aue, M. Daniel und Leonore) sind noch in einem anderen Manuskript verzeichnet, in der „Comoedia  /  Genandt Der Jude von Venetien“. Verfasser dieses Bühnenspiels ist ein Mitglied jener Truppe, der auch Johann Martin angehört hat, Christoph Blümel. Unter ihrem Prinzipal Hans Ernst Hoffmann erhielten sie von 1658 bis 1662 ein festes Engagement am Innsbrucker erzherzoglichen Hof. Die 14 Mitglieder dieser Insprugger Comoedianten-Truppe sind in einer Besoldungsliste aus dem Jahr 1660 verzeichnet, darunter auch Johann Martin und Christoph Blümel. Nach seiner Entlassung aus Innsbrucker Diensten (1662) blieb Blümel wohl bei der Hoffmannschen Truppe, denn 1668 unterzeichnete er, gemeinsam mit Hans Ernst Hoffmann, Peter Schwartz und Johann Wohlgehaben, ein Ansuchen um Spielerlaubnis an den Frankfurter Rat.3 Johann Martin und Christoph Blümel waren also langjährige Mitglie­ der derselben Truppe, beide schrieben Bühnenstücke. Es kann angenom­ men werden, dass die Karlsruher Handschrift aus dieser Zeit stammt, denn Christoph Blümels Name scheint später urkundlich nirgends mehr auf. Das Karlsruher Manuskript dürfte also mit der Originalfassung des Schauspiels weitgehend übereinstimmen.

3

Nach Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 281.

Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften



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Um diese Zeit gehörte auch Johann Christoph Pernegger zu Hoffmanns Truppe.4 Nach dem Tod des Prinzipals H.E. Hoffmann um 1670 übernahm zu­ nächst seine Gattin, Maria Ursula Hoffmann, und später Christoph Perneg­ ger die Leitung. Die Truppe bestand um diese Zeit aus etwa zwanzig Perso­ nen5, also doppelt so vielen, wie in den Manuskripten Martins und Blümels verzeichnet sind. Kein einziger der in der „Liebes Verzweiffelung“ und im „Juden von Venetien“ genannten Namen ist mit einem Schauspieler der Hoffmann­ schen Truppe identisch, ihre Namen scheinen auch in keinem anderen Ma­ nuskript auf. Es war also nicht Martins früherer Prinzipal Hoffmann mit seiner Truppe, den Churpfälzischen Compagnie Comoedianten oder, wie sie sich später nannten, den Fürstlich Markgräflich badischen Comoedianten, welche diese beiden Schau­ spiele in der verzeichneten Besetzung der beiden Manuskripte aufführte. Glücklicherweise kann das Aufführungsdatum von Blümels „Jude von Venetien“ in der im Karlsruher Manuskript verzeichneten Besetzung zeitlich festgelegt werden. In Szene V/96 liest Pickelhering einen Brief seines Va­ ters vor, der dem aufmerksamen Zuhörer ein reales Datum verrät: … Datum Famagusta dem 36 January Eintausend friß hundsdreck 69 pfund … Die phoneti­ sche Übereinstimmung mit Eintausend sechs hundert 69 musste, wenn der Witz des Pickelhering die Zuhörer beeindrucken sollte, auf das wirkliche Auffüh­ rungsdatum zielen.7 Johann Martins Drama in der Karlsruher Fassung wurde also ebenso wie Blümels „Jude von Venetien“ um das Jahr 1669 von den nachfolgend ge­ nannten Komödianten einer unbekannten Truppe aufgeführt. Die folgende Gegenüberstellung zeigt, dass die einzelnen Schauspieler in der Comoedia des „Juden“ wie auch in der „Liebes Verzweiffelung“ bestimmte gleichbleibende Rollentypen darstellten:

4 5 6 7

1667 unterzeichnete Pernegger gemeinsam mit Hoffmann ein Ansuchen an den Stadtrat von Augsburg. (Nach Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 278) Von Perneggers Hand stammt auch die Handschrift der Wiener Nationalbibliothek, „Orbetcha und Orontes, 1665“, die in Köln am Rhein entstanden ist. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13350) Vgl. das Ansuchen um Aufführungsbewilligung an den Stadtrat von Basel (Anfang August 1670), in dem die Fürstlich-Marggräflich-badische Comediantendirectrice Ursula Hoffmann von den zwanzig Personen ihrer Truppe spricht. Ausgabe Fleming, S. 274. Das andere, in der Nationalbibliothek Wien (Ms 13791) erhaltene Manuskript des „Juden von Venedig“ nennt als Datum des Pickelheringbriefes „Famagusta den 36. Feberarschi Anno frisshundt Treck 59 Pfundt“ [1659]. (Ausgabe Meissner, S. 187)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 13: Personenverzeichnis (actores) der „Liebes Verzweiffelung“ (Karlsruher Manuskript, Sig. D 119)



Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften

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Personenverzeichnis Blümels „Jude von Venetien“ Martins „Liebes Verzweiffelung“ (Badische Landesbibliothek (Badische Landesbibliothek, Karlsruhe, Karlsruhe, Rast. 193) Karlsruhe, Sig. D 119) Frondalpheo Figaar. Page Gradnim Florello. Ein M. Nesseni Myrandon Nesse. Venetianischer Ratsherr König von Cypren Fr. bild. Rodiman Fraat. Hertzog von Fr. Bildh. Venetien Jude Josephus Cassianus Daniel von Venetien M. Daniel [Fidelmo] [Daniel ?] Ancilletta des Florello Tochter Leonora Evandra Lene Factor aus Cypren Valentin Damon Valentin Amoena Ma. Anna Franciscina M. Schliss [Alidea] [Ma. Anna?] seine Liebste und Ancil lettae Kammermagd Bickhelhäring des Pickelhering Printzen diener Königlicher Printz Schleicher 2 Schergen Wig. et Camer Als Darsteller des Pickelhering ist wohl in beiden Spielen der Name des Prin­ zipals einzusetzen. Die beiden wichtigen Rollen des königlichen Prinzen im „Juden“ und des Königs Frondalpheo in der „Liebes Verzweiffelung“ wurden anscheinend mit Schauspielern besetzt, die der Truppe nur zeitweise angehörten, denn ihre Namen werden nur jeweils in einem der beiden Manuskripte genannt. Als Darsteller von Hauptfiguren würden sie, wenn sie bei der Truppe verblie­ ben wären, sicher in den Rollenverzeichnissen beider Dramen aufscheinen. Figaar und Schleicher sind in keinem anderen Wanderbühnenmanuskript nachweisbar. Ob die Darstellerin der Amoena, Ma. Anna, mit der Darstellerin der Franciscina, M. Schliss, identisch ist, wäre erst durch Vergleiche mit anderen

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Quellen  – falls solche überhaupt existieren  – mit Sicherheit entscheidbar. Der weibliche Schauspielberuf war, fünfzehn Jahre nach dem ersten öffent­ lichen Auftreten einer Komödiantin8, noch nicht allgemein üblich geworden; fast immer waren es die Gattinnen der Schauspieler und Prinzipale, welche die weiblichen Rollen übernahmen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass eine Truppe eine große Auswahl an weiblichen Hauptdarstellerinnen hatte, dass also neben Lene und Ma. Anna noch eine dritte Komödiantin, M. Schliss, eine Hauptrolle spielen konnte. Auch die anderen Wanderbühnendramen verzeichnen immer nur zwei oder drei weibliche Rollenfiguren, die im dramatischen Handlungsablauf meist so verteilt sind, dass drei Frauenrollen von zwei Darstellerinnen ge­ spielt werden konnten.9 Die Amoena-Darstellerin hatte also wohl auch die Rolle der Alidea zu spielen, da neben der Alidea-Figur kein Name verzeichnet ist. Die Verwand­ lung geschah wahrscheinlich nur durch Überstreifen eines anderen Kleides oder Mantels und einer Perücke. Die kleine Pause, die dadurch entstand, deckte sich meist mit dem Szenerienwechsel10, oder es wurde ein kleines Zwi­ schenspiel mit Pickelhering eingeschoben: Die komische Szene mit Fidelmo und Dymas (IV/6) hat keine direkte Beziehung zur Haupthandlung, ihr ein­ ziger Zweck scheint darin zu bestehen, Zeit für die Verwandlung der Amoena in die Rolle der Alidea zu gewinnen. In Szene V/10 stürzt Alidea mit dem Ausruf „Helfft! Helfft! Der Ritter ersticht sich selber!“ von der Bühne und kann sich so bis zum Beginn der nächsten Szene in die Figur der Amoena verwandeln. Im letzten Akt (letzte Szene) wäre diese Doppelrollenfunktion allerdings nur durchführbar gewesen, wenn Amoena nach ihrem Abschlusspart die Bühne verlassen hätte und in kürzester Zeit danach als Alidea aufgetreten wäre. Der einzige bekannte Schauspieler der Truppe, von dem auch noch andere Quellen berichten, scheint M. Daniel gewesen zu sein, der in der „Liebes 8

Dass Joliphous 1654 in seinem Ansuchen an den Stadtrat von Basel auf die beiden weiblichen Darstellerinnen in seiner Truppe hinweist, bestätigt, wie ungewöhnlich es zu dieser Zeit war, Frauen auf der Bühne auftreten zu lassen. Es dürfte sich bei diesen beiden ersten urkund­ lich bezeugten deutschen Berufskomödiantinnen um Maria Ursula Hoffmann und Rebekka Schwartz, die Gattinnen der beiden späteren Direktoren der „hochteutschen Comoedian­ ten“, handeln. 9 Vgl. z.  B. „Tugend- und Liebesstreit“: Die Dienerin Petrona stirbt schon im 2. Akt / Szene 3 (Crei­ zenach-Ausgabe, S. 87); deren Darstellerin konnte daher auch die Rolle der Agalanta spielen. Auch im „Eysernen Tisch“ kann die Darstellerin der Orismanna (Königin von Böhmen) zu­ gleich die Rolle der Zigeunerin übernommen haben. – Die Rolle der Hexe in „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“ überschneidet sich mit keiner der weiblichen Rollenpartien, sodass auch hier eine Doppelbesetzung möglich war. Solche Beispiele könnten beliebig fortgesetzt werden. 10 „Liebes Verzweiffelung“, III/6–7, S 40.

Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften



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Verzweiffelung“ die Rolle des Cassianus, in Blümels „Jude von Venetien“ die Ti­ telrolle übernommen hat. Vielleicht ist dieser M. Daniel identisch mit dem ehemaligen Puppenspieldirektor aus Lüneburg, Michael Daniel Treu (1634– 1708). Er war 1666 aus Dänemark nach Lüneburg und München gekommen und hatte in einer Bittschrift an den Stadtrat von Lüneburg eine „Demonstratio actuorum“ (25 Repertoire-Stücke) hinterlassen.11 In den Jahren 1668/1669 ist Treu in den Nürnburger Ratsprotokollen als Direktor einer Komödianten­ truppe bezeugt. Ab 1669 spielte er mehrere Jahre lang, bis etwa 1696, am Bayerischen Hof zu Schleißheim bei München, konnte sich jedoch nicht durchsetzen und starb völlig verarmt im Jahr 1708.12 (Vielleicht war er ein Sohn oder Verwandter des ersten bekannten deutschen Wanderprinzipals Carl Treu, der sich 1622 und 1625 in Berlin nachweisen lässt.) Das Münchner Repertoireverzeichnis aus den Jahren 1681–1685 zeigt Treu als fortschrittlichen Prinzipal, dessen Spielplan eine europäische Durch­ schnittsauswahl an Komödien aufweist und der als einer der ersten auch Be­ arbeitungen des spanischen Barocktheaters, des Lope de Vega und Calderon, auf die Bühne bringt. Ein Großteil der von Treu inszenierten Komödien stammte aus dem Repertoire Carl Paulsens13, so z.  B. „Der durchlauchtige Kohlenbrenner“, „Die getreue Sclavin Doris“ und – eventuell eine Bearbeitung der „Liebes Verzweiffelung“ – „Das verhönde und wieder gekröhnte Liebes Paar“, dessen Text nicht erhalten ist.14 Sicher ist jedoch, dass die Wanderbühnentruppen, die Martins „Liebes Verzweiffelung“ auf ihrem Spielplan führten, nicht aus Landstreichern15 bestanden, sondern aus gebildeten, meist jungen Menschen, die sich um ein neues deut­ sches Theater bemühten.

Die Schauspieler des Wiener Manuskripts „König Frondalpheo“ gehörten der Velthenschen Truppe an. Velthen hatte im Februar 1678 am kurfürstlichen Hof zu Dresden vor sämtlichen Mitgliedern des sächsischen 11 12 13 14 15

Die „Demonstratio actuorum“ von D. Drey und weitere Daten zu seinem Leben siehe vorlie­ gende Arbeit, S. 643–646. – Treus Auftreten in München ist dokumentiert bei Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, 1889, S. 300–318.) Vgl. dazu Hampe, Theodor: Die Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg, S. 214  f. Das Repertoire Paulsens in Dresden aus den Jahren 1674–1679 siehe Bolte: Danziger Thea­ ter, S. 110–122. (Siehe vorliegende Arbeit, S. 647–649.) Nr. 14, Nr. 4 und Nr. 13 des bei Bolte verzeichneten Repertoires. Breuer, Dieter: Der „Philotheus“ des Laurentius von Schnüffis, S. 5, Anm. 20. Vgl. auch Hampe (Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg, S.  210), der Joliphous’ Truppe eine Gesellschaft von „Landstreichern und verlotterten Studenten“ nennt.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Fürstenhauses Johann Georg II. große Komödien gespielt; aufgrund seines Erfolges wurde seiner Truppe der Titel Chursächsische Hoff-Comoedianten ver­ liehen. 1679, wahrscheinlich im Juni, agierte er in Worms vor Kaiser Leo­ pold I., im Juli war er in Frankfurt und bat den Magistrat, auch während der Herbstmesse hier spielen zu dürfen. Von Frankfurt aus begann Ende Sep­ tember 1679 sein Briefwechsel mit dem kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs, in dem die Spielbedingungen für Heidelberg und Mannheim (Friedrichsburg) im Oktober/November d. J. festgeschrieben wurden. Velthen legte eine Liste seines Repertoires bei: Stegreifstücke, Haupt- und Staatsaktionen, Komö­ dien, Tragikomödien, Farcen, Lustspiele; insgesamt sind es 87 Stücke. Unter Nummer 48 nennt er „Die Liebes Verzweiflung“. Johann Martins Schauspiel stand also nachweisbar auf seinem Spielplan.16 Die Namen der Velthenschen Komödianten sind im Tagebuch des Her­ zogs Ferdinand Albrecht I. von Braunschweig-Bevern verzeichnet.17 Seine Eintragungen vom 1. bis 23. Oktober 1680 verraten, dass Velthen auf der Durchreise von Kassel nach Bremen im Schloss Bevern zu Gast war und beinahe täglich, insgesamt vierzehn große Komödien mit je einem Nachspiel oder einem Gruppentanz aufführte. Der Herzog notierte ihre Titel, die han­ delnden Personen und die Namen der Darsteller. Pickelhering der Velthentruppe war um diese Zeit Christian Janethsky, der Schreiber des Wiener „Frondalpheo“-Manuskripts. Bei welcher Truppe aber war Janethsky 1667, dem Jahr, das auf dem Titel­ blatt des Wiener Manuskript eingetragen ist? Seine Truppe müsste in diesem Jahr in Wien gewesen sein, wo Janethsky sein Exemplar des „Frondalpheo“ angefertigt oder zumindest einer höheren Standesperson gewidmet hat. Gehörte er der Truppe der ehemaligen Insprugger Comoedianten an, die sich 1667 im Juli in Straßburg, im Juli / August in Basel mit 21 Perso­ nen, einem Chor und Orchester nachweisen lässt, im September/Oktober in Baden-Baden und dann vom 20. Oktober 1667 bis 8. März 1668 in Hei­ delberg weilt? Die Truppe nannte sich nun Churpfälzische Compagnie Comoe­ dianten und hatte seit ihrer Innsbrucker Zeit ein wechselvolles Schicksal hin­ 16

17

Die Liste Johann Velthens aus dem Jahr 1679 ist abgedruckt in Speyer, Carl: Magister Jo­ hannes Velthen und die sächsischen Hofkomödianten am kurfürstlichen Hof in Heidelberg und Mannheim. In: Neue Heidelberger Jahrbücher, Neue Folge 1926, S. 73–77, ebenso in vorliegender Arbeit, S. 649–656. Siehe Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, S. 111–156. (Nach den tagebuchartigen Aufzeichnungen des Herzogs in einem Schreibkalender: „Kriegs- Mord- und Todt- Jammer und Noth-Calender“, 1680 erschienen bei Christoph Endter in Nürnberg, aufbewahrt im Herzog­ lichen Landeshauptarchiv Wolfenbüttel.) Siehe vorliegende Arbeit, S.  653–654, ebenso Abb. 49, S. 681.



Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften

Abb. 14: Spielende Personen im „König Frondalpheo“ (Wiener Manuskript, ÖNB, Sig. Ms 13191)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

ter sich. Nachweisbare Mitglieder sind zu dieser Zeit ihr Principal Hans Ernst Hoffmann, Johann Wohlgehaben, Johann Dietrich Krämer, Peter Schwartz, Christoph Blümel, Johann Christoph Bernecker. Vergleicht man jedoch die nachträglich eingesetzte Rollenbesetzung der Wie­ ner Handschrift des „Frondalpheo“ mit der Velthenschen Truppe im Jahr 1690, die am Torgauer Hof des Churfürsten Johann Georg III. spielte, so ergibt sich eine völlige Übereinstimmung in der Zusammensetzung der Truppe. Die im Wiener „Frondalpheo“-Manuskript verzeichneten Schauspieler verwei­ sen dessen Aufführung eindeutig in die Jahre 1685 bis 1691, in denen diese Velthensche Truppe im Dienst des Churfürsten von Sachsen stand. Die Zu­ sammensetzung der Velthen-Bande hatte sich also seit 1680 von Grund auf verändert, nur Riß, Salzsieder und Starck waren ihr treu geblieben. Komödianten der Velthen-Truppe im Jahr 169118 des „König Frondalpheo“ (Wiener Handschrift) Christian Starke Stark. [Myrandon] Riß. [Dimas, Page] Joh. W. Ries19 Joh. Velthen --Dessen Eheweib und Tochter --Gottfried Salzsieder Salz. [Rodiman] Hermann Reinhard Richter20 Richt. [Frondalpheo] Dessen Eheweib --Benjamin Pfennig Pf. [Fidelmo, Damon] Elias Adler [dessen Eheweib] Adl. [Alidea] David Bamberger Bam. [Ottonias] Christian Müller … Dessen Eheweib … Tanzmeister

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Nach Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe der Kurfürs­ ten von Sachsen, Johann Georg II., Johann Georg III. und Johann Georg IV., unter Berück­ sichtigung der ältesten Theatergeschichte Dresdens, S. 311. Das Tagebuch Herzog Ferdinand Albrechts I. von Braunschweig-Bevern verzeichnet einen Schauspieler als Georg Julius Ries, den Voigtländer, als Mitglied der Velthentruppe. (Eintra­ gung vom 1. Oktober 1680. Nach Zimmermann, S. 141) 1695 spielte Hermann Reinhard Richter dann, von Merseburg kommend, mit Ferdinand Paulsen auf der Leipziger Messe. Als Prinzipal einer Truppe bereiste er ab 1695 hauptsächlich Preußen und Sachsen. 1699 ist er als Brandenburgischer Hoff-Comödiant in Prag



Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften

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Der Darsteller des Cassianus war also entweder Müller oder Velthen selbst. Für die beiden weiblichen Hauptrollen standen die drei Ehefrauen der Schau­ spieler Velthen, Richter oder Müller zur Verfügung. Die Truppe Velthens gilt als die einflussreichste und angesehenste des 17. Jahrhunderts.21 Goldschmit nennt sie d i e berühmte Bande, aus der alle spä­ teren Schauspielergesellschaften hervorgegangen seien.22 Unter der Leitung des Hamburgers Carl Andreas Paulsen (geb. um 1620) bestand die Truppe schon um 1650, nachweisbar ist sie ab 1663.23 Ihre Mitglieder bereisten als „Hamburgische Comoedianten“ den ganzen norddeutschen Raum bis Schwe­ den. Auf ihren Streifzügen kamen sie aber auch in den Süden Deutschlands bis Basel.24 1678 wurde die berühmte Bande, der Velthen seit längerer Zeit an­ gehörte, nach Dresden berufen. Der 1640 in Sachsen geborene Johannes Velthen, der an der Leipziger Universität zum Mag. phil. promoviert hatte, vermählte sich schon 1671 mit der Tochter Paulsens, Catharina Elisabeth. Ein Jahr vor Paulsens Tod im Jahr 1679 übernahm er daher die Leitung der Truppe.25 Sie erhielt in diesem Jahr von Kurfürst Johann Georg II. von Sach­ sen das Titelprivileg „Chursächsische Comoedianten-Gesellschaft“.26 Das Repertoire Paulsens27 umfasste 59 Schauspiele; Magister Velthen übernahm etwa die Hälfte davon in sein eigenes Repertoire, das er umge­ formte und modernisierte: Als erster Prinzipal brachte er Moliere und Cor­ neille auf die deutsche Bühne. Von den 18 französischen Stücken in seinem Spielplan erfuhren unter Velthens Leitung 12 ihre deutsche Uraufführung. Neben Shakespeare-Bearbeitungen und den Schauspielen des Gryphius („Peter Squentz“, „Papinian“) wurden auch Werke von Calderon28 auf Velthens

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Nach Kindermann: Theatergeschichte Europas, III. Bd, S. 396. Velthen starb Anfang 1693 in Hamburg. (Siehe Heine, Carl: Johannes Velten. Diss. Halle 1887.) 22 Goldschmit: Repertoire der Wandertruppen in Österreich, S. 22. 23 Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 394  f; ebenso Creizenach: Die Schau­ spiele der englischen Komödianten, S. 144; ebenso Bolte: Danziger Theater, S. 96–100. 24 Zu den Wanderzügen der Hamburgischen Comoedianten siehe Bolte: Danziger Theater, S. 96–100. 25 Velthen, geb. 1640 in Halle an der Saale, gest. Anfang 1693 in Hamburg. Die Truppe Velthens wurde nach dem Tod ihres Prinzipals von dessen Witwe Catharina Elisabeth und später von deren beider Tochter Anna Elisabeth weitergeführt. 1720 spielte sie noch in Hamburg, da­ nach versiegen die Quellen. 26 Im Tagebuch Herzog Ferdinand Albrecht I. von Braunschweig-Bevern ist Velthen am 1. Ok­ tober 1680 noch als Director der Hamburgischen Komödianten verzeichnet. (Zimmermann, S. 140) 27 Paulsens Repertoire zwischen 1674 und 1679 verzeichnet Bolte: Danziger Theater, S. 110– 122. (Vorliegende Arbeit, S. 648–649.) 28 „Sigismundus, prinz von Polen“ und „Göttliche Filotea“. Diese beiden Schauspiele scheinen auch im Lüneburger Repertoire des M. Daniel Treu auf (1666), der Paulsens Komödien zum Großteil übernommen hat.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Bühne dargestellt. Eines der interessantesten Dramen aus dem Spielplan Velthens dürfte „Der bestrafte Brudermord“, eine Bearbeitung von Shakespeares „Hamlet“ aus der Mitte des 17. Jahrhunderts, sein.29 Im II. Akt (Szene 7) wird direkt auf den Prinzipal Carl Paulsen und dessen Schwiegersohn Johannes Velthen angespielt.30 Velthens Einfluss auf die deutsche Schauspielkunst war so groß, dass er oft als deren Begründer bezeichnet wird.31 Sein Spielgebiet konzentrierte sich auf den Norden Deutschlands, streifte aber auch den ganzen deutschsprachigen Raum bis München, wo das Spielgebiet der gleichzeitigen Truppe des Andreas Elenson begann.32 Velthen hatte trotz des Ansehens seiner Truppe schwer um seine Existenz zu kämpfen. Die evangelische Geistlichkeit verweigerte ihm in Berlin und auch in Hamburg das Abendmahl, aus Protest gegen die Theatromania oder die Werke der Finsterniss in denen öffentlichen Schauspielen.33 Churfürst Johann Georg IV. ver­ trieb die Truppe Velthens aus Dresden, da seine Vorliebe ausschließlich der italienischen Oper gehörte. Auch in Berlin konnte sich die Truppe Velthens nicht gegen die Konkurrenz der italienischen Komödianten durchsetzen.

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Vgl. dazu Gstach, Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shake­ speareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort, Jg 30, Heft 1, 1978, S. 7–19. Hamlet fragt Carl, den Prinzipal der eben angekommenen deutschen Comoedianten: Seyd ihr nicht vor wenig Jahren zu Wittenberg auf der Universität gewesen? Mich dünckt, ich habe euch da sehen agiren … – Velthen hatte auf den Universitäten Wittenberg und Leipzig Philosophie, Bered­ samkeit und Poesie studiert und in Leipzig den Magistergrad erreicht. Mit seinen Studenten­ freunden spielte er schon zu jener Zeit öffentlich Theater. Da aber „Carl“ als Prinzipal der angekommenen Schauspieltruppe genannt wird, ist das Spiel zunächst wohl dem Repertoire Paulsens zuzuordnen. Flemming: Wanderbühne, S. 146. – Goldschmit (Das Repertoire der Wandertruppen in Ös­ terreich, S. 22) nennt die fruchtbarste Theaterepoche des 17. Jahrhunderts nach dem Namen Velthens. – Vgl. auch die Dissertation von Heine, Carl: Johannes Velten, Halle 1887. Die Truppe des aus Wien stammenden Prinzipals Andreas Elenson ist das erste Mal 1671 in Graz nachweisbar. Sie bereiste vor allem den Süden des deutschsprachigen Raumes von Wien, Graz und Klagenfurt, tangierte aber auch zeitweise die nördlichen Städte Deutsch­ lands. Das Tagebuch Herzog Ferdinand Albrechts I. von Braunschweig-Bevern verzeichnet die einzelnen Komödianten sowie die Aufführungen der Elenson-Truppe in Bevern vom 23. bis 28. August 1680. – Die Elenson-Truppe ist in fünf Manuskripten von Wanderbüh­ nendramen nachweisbar: Blümels „Glückselige Eifersucht“ (Nat.Bibl. Wien, Ms 13229) trägt eine Widmung der Maria Margaretha Ellensohnin. Sowohl die beiden erhaltenen Manu­ skripte dieses Stückes (Nat.Bibl. Wien, Ms 13229, und Wienbibliothek, Ja 38589, Bl. 201–285) wie auch „Der Verirrte Liebes Soldat“ (Nat. Bibl. Wien, Ms 13250) sind von Maria Margaretha Elensohn geschrieben. – Die Darstellernamen der Elenson-Truppe sind in drei Manuskrip­ ten verzeichnet: „Margaretha die Märtyrin“, „L’Avaro“ und „Der unerschrockene Jäger“ (Nat. Bibl. Wien, Ms 13115, Ms 13151, Ms 13159). 1681 veröffentlichte Schrift des Hamburger Pastors L. Anton Reiser. (Nach Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 399)



Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften

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Nach dem Tod Velthens zu Beginn des Jahres 1693 übernahm seine Witwe die Leitung der Truppe. Mehrere Unglücksfälle und die Existenz­ bedrohung durch die Truppe der Witwe Elenson-Haacke führten um 1712 zur Auflösung der berühmten Velthen-Bande.34 Von den einzelnen Schauspielern der Velthenschen Truppe wird beson­ ders der Danziger Gottfried Salzsieder als von den besten einer gelobt, so einen Tyrannen wohl repraesentieren kan.35 Die Aufzeichnungen Herzog Ferdinand ­Albrechts I. vom 1. bis 23. Oktober 1680 nennen ihn insgesamt zwölfmal, meist als Hauptdarsteller, der in den in Bevern aufgeführten Wanderbühnen­ stücken einen Herzog, einen Liebhaber, einen Fechtmeister und Prinzen, den verräterischen Golo im „Genoveva“-Spiel und die Titelrolle in „Die Ehrliche Verrätherei oder Don Gaston“ und in „David und Bathseba“, den Mohren Aron in „Titus Andronicus“ und den Grafen Gormas im „Cid“ zu spielen hatte.36 Er soll sich vor allem durch seine Erfindungsgabe in der Stegreifkomödie hervorgetan haben. Salzsieder ist auch 1687 in Velthens Churfürstlich Sächsischen Hofkomödianten-Ensemble in Dresden nachweisbar37. 1690 verkörperte er als Mitglied der Velthentruppe in Torgau am Hof des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg III., die Figur des ‚Rodeman‘ in der „Liebes Verzweiffelung“. Obwohl sich 1693, nach dem Tod des Prinzipals Velthen, mehrere Mitglieder von dessen Truppe getrennt und teils eigene Truppen gegründet hatten, blieb Salzsieder der Witwe Velthen (Catharina Elisabeth, geb. Paul­ sen) und ihrer jetzt 18 Personen zählenden Truppe treu. Später scheint er zur Stranitzky-Truppe gewechselt zu haben, der auch drei Mitglieder der Elen­ son-Familie angehörten.38

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Schmid: Chronologie des deutschen Theaters, S. 33. Eintragung vom 1. Oktober 1680 im Tagebuch Herzog Ferdinand Albrecht I. von Braun­ schweig-Bevern. (Zimmermann, S. 140) Nach Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, S. 141–152. Dresdener Besoldungsliste für das dritte Quartal 1687, abgedruckt in: 300 Jahre Staats­thea­ ter Dresden, hg. im Auftrag des Generalintendanten, Red. Winfried Höntsch und Ursula Püschel. Berlin 1967, S.  24–25.  – Ebenso in Rudin, Bärbel: Zwischen den Messen in die Residenz, S. 85. Asper: Spieltexte der Wanderbühne, S. 17–18 und S. 23, nennt die Namen der StranitzkyTruppe: Johann Ferdinand Elenson, Ferdinand Felix Elenson, Philipp Elenson, Christian Gründler, Felix Kurz, Josef Geissler, Gottfried Prehauser, Gottfried Salzsieder, Christoph Horn, Johann Horn, Johann Georg Schilde, Johann Andreas Schröter, Johann Peter Hilfer­ ding, H. W. Bönicke, J. H. Brunius und F. A. Nuth [?].

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Elias Adler war zwischen 1685 und 1691 zur Bande Velthens gestoßen und blieb, wie Saltzsieder39, auch dessen Witwe treu. Seine Ehefrau verkör­ pert in der „Liebes Verzweiffelung“ Evandras Vertraute Alidea. In zwölf Stücken verzeichnet Herzog Ferdinand Albrecht I. dreimal ­einen Sebastian Gottfried Starck aus Dresden als einen der Kammerdiener. In der Velthen-Truppe um 1680 spielt er einen Edelmann, zweimal den kö­ niglichen Rat, einen Hofkavalier und einmal den Bruder des Kaisers, all dies Rollen für einen wohl schon etwas älteren Mann. Als die Velthen-Truppe Ende 1680 Schloss Bevern verlässt und nach Bremen weiterzieht, bleibt der Schauspieler Starck als Schreiber in Bevern. Sieben Jahre später, 1687 und 1690, ist es Christian Starck, wohl sein Sohn, der als Mitglied der Churfürstlich Sächsischen Hofkomödianten unter Prinzipal Velthen die Hauptrolle des Mirandon in der „Liebes Verzweiffelung“ verkörpert. Ries agierte in den verschiedensten Rollen als Edelmann, Philosophus, Kammerdiener, Jäger oder Kaufmann; eine Hauptrolle wird ihm während der Zeit in Bevern nie zugeteilt. Im Jahr 1690 bezog Johann Wolfgang Ries am Hof Johann Georg III. in Torgau als Mitglied der Velthen-Truppe 200 Thaler festes Gehalt und gehörte zur Oberkämmerei. Christian Starck und Johann Wolfgang Ries zeichneten öfters als Mit­ direktoren der Velthenschen Truppe40, ebenso der Schauspieler Hermann Reinhard Richter, der nach dem Tod Velthens im Jahr 1693 eine eigene Truppe, die Sächßisch Hochteutsche Bande Comoedianten, gründete. Richter war der Sohn eines Malers aus Frankfurt a.M. Er spielte an den Sächsischen Höfen Merseburg und Weißenfels und war einige Jahre als Kam­ merdiener in Diensten des Merseburger Herzogs Christian II. bis zu dessen Tod 1694. Vorher (nachweisbar 1679 und im August 1680) gehörte Richter der Elenson-Truppe an und wechselte erst später, um das Jahr 1684, zur Truppe Velthens; am 13. November 1687 heiratete er in Hamburg Catharina Maria Paulsen, die Tochter des Prinzipals Carl Andreas Paulsen. Einer der Trauzeugen war M Johann Feldhem, Director der Churf. Sächs. Comoedianten als der Braut Schwager. (Im Spielansuchen vom 22. August 1699 an den Münchner Rat heißt es, Richter habe neun Jahre lang unter Velthen gespielt.) Nach dem Tod des Herzogs am 20. Oktober 1694 waren die Merseburger Hofcomoe­ dianten, von deren Spitze Richter zeitweise den bisherigen Prinzipal Balt­ 39 40

Bolte: Danziger Theater, S. 140. Schmid (Chronologie des deutschen Theaters, S. 27) behauptet allerdings, dass sich Saltzsie­ der von der Witwe Velthen getrennt und der Konkurrenztruppe der Elenson angeschlossen habe. Fürstenau: Zur Geschichte der Musik und des Theaters, Bd 1, S. 271. – Herzog Ferdinand Albrecht I. bemerkt in seinem Tagebuch am 23. Oktober 1680, dass Starck in Bevern um eine Schreiberstelle angesucht habe. (Zimmermann, S. 152)



Das Verzeichnis der Actores in den beiden Handschriften

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hasar Brombach verdrängt hatte, genöthigt, ihr Glück anderer Orthen zu suchen. Aus den Jahren 1694/95 sind vier Spielansuchen Richters an den Leipziger Rat erhalten. Er scheint dort aber, in Konkurrenz mit der Oper, keine guten Geschäfte gemacht zu haben, denn nach der Ostermesse 1695 klagt er, daß sie fast schlechter nicht hette seyn können. Er habe mit seinen Leuten so viel Schulden machen müssen, dass man ihn nicht aus der Stadt lassen werde. Im Februar 1698 ist Richter als Gesuchsteller der Comoedianten aus Weimar in Dresden nachweisbar. In der ersten Jahreshälfte 1699 machte Richter Station in Bay­ reuth und Nürnberg, in der zweiten Jahreshälfte in München (22. August) und Prag.41 Er scheint auch im Schauspielerverzeichnis des Wiener Manu­ skripts „Margaretha die Märtyrin“ auf und schrieb 1725 ein Manuskript der Comoedia „L’Cid oder Der Streit zwischen Ehre und Liebe“. Die beiden in „König Frondalpheo“ verzeichneten Komödianten Benjamin Pfennig in der Rolle des Fidelmo und David Bamberger als Hofmeister Ottonias sind in keinem anderen Wanderbühnenstück zu finden. „König Frondalpheo“ wurde, als Repertoirestück der berühmtesten Wander­ truppe Deutschlands, im ganzen deutschsprachigen Raum aufgeführt. Dass es seinen Weg bis nach Moskau gefunden hat, beweist, dass das Drama Mar­ tins zu seiner Zeit bekannt und beliebt war.

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Nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am Bayerischen Hof, S. 334, und Anm. 499, S. 418.

Das Titelblatt des Karlsruher Manuskripts Wahrscheinlich hat Martin seinem Schauspiel den im Karlsruher Manuskript überlieferten Titel „Die Liebes Verzweiffelung“ gegeben, da dieses Manuskript aus einer Zeit stammen dürfte, in der der Dichter selbst noch Mitglied der Wanderbühne war. Jedenfalls verweist das Wasserzeichen des verwendeten Papiers in die Jahre 1651–55. Johann Martin war um 1653 zur englischen Komödiantentruppe des Joris Joliphous gestoßen und gehörte danach bis 1662 zu den Insprugger Comoedianten. Er hat das Stück also während seiner Wanderbühnenzeit geschrieben. Ebenso wahrscheinlich ist es jedoch, dass das Wiener Manuskript einen anderen Titel trug, denn kaum ein Stück wurde zweimal unter demselben Namen angeboten. Das Repertoire der Truppe musste dem Publikum als immer wieder neu und völlig unbekannt erscheinen. Es lag im Interesse des Prinzipals, durch den Titel eines Schauspiels die Neugierde des Publikums zu wecken, jedoch nichts über die Lösung des dramatischen Konflikts zu verraten. Die Vorliebe für Doppeltitel begegnet daher fast bei allen Dramen der Velthenschen und ausnahmslos bei allen der Nachvelthenschen Zeit.1 Ihre Titel nennen die Namen der Haupthelden und machen auf das Kernproblem des Dramas aufmerksam, z.  B. „Tragoedia. genandt Der großmüthige Rechts-Gelehrte Aemilius Paulus Papinianus / oder Der Kluge Phantast und Wahrhaffe Calender Macher“. Nur wenige Schauspiele der Wanderbühne haben einen ausschließlich auf den Inhalt bezogenen Titel wie Martins Drama, z.  B. „Der Verliebten Kunstgriffe“, „Tugend- und Liebesstreit“, „Vnzeitiger Vorwitz“ oder „Der unbesonnene Liebhaber“. Bei einem Vergleich mit dem Titelblatt von Blümels „Jude von Venetien“, auch einer Shakespeare-Bearbeitung, fällt die überraschende sprachliche und for­ male Ähnlichkeit mit dem der „Liebes Verzweiffelung“ auf:

1

Vgl. Goldschmit: Das Repertoire der Wandertruppen in Österreich, S. 341; ebenso Mauer­ mann: Die Bühnenanweisungen im deutschen Drama, S. 104.



Das Titelblatt des Karlsruher Manuskripts

TRAG ICO –COMOEDIA Genant Die Liebes Verzweiffelung. Componiret von Johan Martin Studioso von Veltkirchen.

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C OMOED IA Genandt Der Jude von Venetien. Componirt von Christoph: Blümel Studioso Silesiens.

Die Handschrift sowohl des Titelblatts wie auch des Dramentextes selbst sind jedoch verschieden. Christoph Blümel (Plieml, Pliembl) war im April 1660 zu den Insprugger Comoedianten, der Truppe Johann Martins am Innsbrucker Hof gestoßen. Er war jedoch schon vorher Mitglied der Truppe, das beweisen zwei Nürnber­ ger Protokolle aus den Jahren 1655 und 1657: Im ersten verklagt Blümel seinen Prinzipal Joliphous wegen Gewalttätigkeit, das zweite bezichtigt ihn selbst eines sittlichen Vergehens.2 Blümel zeichnet in späteren Jahren als Mitdirektor der Truppe.3 Von ihm sind zwei Wanderbühnendramen erhalten, „Comoedia genandt Der Jude von Venetien“4 und die „Comoedia Von der Glüeckseligen Eyfersucht zwischen Rodrich vndt Delomira von Valenza“ aus dem Jahr 1662.5 Wie Martin, der sein „Ehrengedicht“ an Erzherzog Sigismund Franz mit Ertzfürstl. Comoediant unterzeichnet, nennt sich auch Blümel auf der Titelseite der in der Wiener

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5

Vgl. dazu Hampe, Theodor: Die Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg. In: Mitteilun­ gen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, Heft 12, Abt. 2, 1898, S. 210–211. Am 13. Februar 1668 unterzeichnet Blümel gemeinsam mit H. E. Hofmann, Peter Schwarz und Johann Wohlgehaben als Director ein Ansuchen um Spielerlaubnis an den Rat von Frank­ furt. (Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 281) Die beiden erhaltenen Handschriften des „Juden von Venetien“ in der Badischen Landesbiblio­ thek Karlsruhe (Sig. Rast 193) und in der Nat. Bibl. Wien (Sig. Ms 13791) weichen nur wenig voneinander ab. Siehe dazu Gstach, Ruth: Mirant, Komödiant und Mönch, Graz/Feldkirch 2003, S. 127–128. Wienbibliothek, Sammelband Sig. 38589 Ja, S. 201–285; und Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13229. Die Handschrift der Wiener Nationalbibliothek bezeugt eine Aufführung des Dramas durch die Elensonsche Truppe zwischen 1673 und 1676, es ist aber anzunehmen, daß es auch von den Insprugger Comoedianten während deren Wiener Zeit (1662–1665) gegeben wurde. Eine noch frühere Aufführung dieses Themas, wahrscheinlich in der italienischen Fassung von Cicognini, verzeichnet ein Brief Kaiser Leopolds an Erzherzog Ferdinand Karl vom 26. Fe­ bruar 1659: … nacher den ‚Rodrigo‘ von aller[lei]Leuten und welschen Scolari zusammen gemacht; haben ihn zimlich wol recitiert und haben den vanto [Vorteil] gehabt, zwei Pagien vom venedischen Ambassador [zu haben], so die Delmira und Plessia gewesen sein. (Zitat nach Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 292)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Stadtbibliothek erhaltenen Handschrift Poet, vnd Ertzfürstl. Comoediant Im Jahr 1662 zu Inspruckh. In dieser „Comoedia von der Glüeckseligen Eyfersucht“ nennt Blümel dreimal einen Namen, der besonders für das Werk Martins kennzeichnend ist: Evan­ der.6 Wählte Blümel diesen Namen im Andenken an seinen Schauspielka­ meraden Martin?

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Evandra spielt eine Hauptrolle in Martins Drama, ebenso gibt es eine Evandre als Geliebte des Mirant im „Philotheus“-Roman, S. 2, und eine Evadne, die die negative Bedeutung des Hofes personifiziert, im „Philotheus“, S. 42–47.

Zum Begriff der Tragikomödie Die Titelblätter der beiden oben angeführten Dramentexte Blümels und jenes der „Liebes Verzweiffelung“ unterscheiden zwischen Comoedia und Tragico-Comoedia, die Wanderbühne kennt den Begriff aber schon aus dem „Liebeskampff“ von 1620, in dem sich eine „Tragi Comoedia“ findet. Und im Dresdener Spieleverzeichnis von 1626 sind neben neun Tragoedien und zehn Comoedien auch elf Tragicomoedien angeführt. Die Tragikomödie als Gattung kennzeichnet die Vorstellung einer wichtigen Handlung unter vornehmen Personen, die einen vergnügten Ausgang hat.1 Sie begeg­ net schon 1494 im „Ferdinandus servatus“ des italienischen Humanisten Carlo Verardi. Doch erst das 17. Jahrhundert entdeckte die Tragikomödie als die ihr gemäße Dramenform, die der Schaulust und dem Verlangen nach Abwechs­ lung den breitesten Spielraum ließ. Sowohl die italienische2 wie auch die spanische Poetik3 des ausge­ henden 16. Jahrhunderts bemühte sich nachzuweisen, dass auch die Antike, obschon sie streng zwischen Komödien und Tragödien unterschied, ein tertium quid kannte, das weder Tragödie noch Komödie war und doch beides zugleich: die Tragödie mit gutem Ausgang; z.  B. „Kyklops“ von Euripides4. Die Berechtigung der Tragikomödie wurde auch aus dem 13.  Kapitel der Aristotelischen Poetik5 abgeleitet, in dem von einem zweifachen Aufbau der Handlung die Rede ist, so dass für die Besseren und die Schlechteren ein entgegengesetzter Ausgang erwartet werden könne, wie in der Odyssee. Guarini und Lope de Vega beriefen sich auf Plautus6, in dessen „Amphitruo“ (V. 59–63) das erstemal der Begriff der Tragikomödie auftaucht: Ich will es so machen, daß es ein Mischstück, eine Tragikomödie werde; denn es durchgängig zur Komödie zu machen, während darin Könige und Götter auftreten, halte ich nicht für richtig. Was ist also zu tun? Weil auch der Sklave mitspielt, will ich es, wie gesagt, zur Tragikomödie machen.7

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Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 55. Stück vom 10. November 1767. Guarini: Compendio della poesia tragicomica. 1599. Lope de Vega: Arte Nuevo de Hacer Comedias. 1609. Euripides: Tragödiendichter aus Athen, ca. 480–407 v. Chr. Aristoteles: griechischer Philosoph, 384–322 v. Chr. Plautus: Komödiendichter in Italien, ca. 251–184 v. Chr. Nach Lessing: Hamburgische Dramaturgie, 55. Stück vom 10. November 1767.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Für die Wanderbühne war der Begriff ‚Komödie‘ wie auch jener der ‚Tragikomödie‘ als literarischer Terminus völlig irrelevant – Komödie bedeu­ tete ganz allgemein jede Art von Bühnendarstellung, in der Tragikomödie fand das tragische Geschehen zu einem glücklichen Ausgang, so wie es der Zuschauer liebte. Das Nebeneinander von Tragik und Komik, von hochgestellten Per­ sonen und solchen eines niederen Gesellschaftsstandes, und der glückhafte Ausgang des Dramas waren jedoch nur zufällige Elemente, die kaum gat­ tungsbestimmend gewertet werden können. Tragisch war nur das Schicksal, dem auch jene scheinbar Unantastbaren, vom Glück Bevorzugten, Mächti­ gen, Schönen ausgesetzt waren, auch sie ausgeliefert den eigenen Leiden­ schaften oder höheren Mächten. Dazwischen der Narr, der Vertreter eigener niedriger Gefühle und Wün­ sche. So war im Grunde jede Haupt- und Staatsaktion der Frühzeit tragisch und komisch zugleich, so wie verschiedene atmosphärische Schichten ein­ ander berühren und durchdringen, so wurde jede Bühnenaktion zur Tragi­ komödie. So zeigt sich denn auch der barocke Gelehrte Martin Opitz in seinem „Buch von der deutschen Poeterei“ (1624) nicht bereit, die neue Literaturgattung der Tragikomödie zu tolerieren. Er kennt nur den Begriff der Tragedie und der Comedie: Die Tragedie ist an der maiestet dem Heroischen getichte gemeße / ohne das sie selten leidet / das man geringen standes personen und schlechte sache einführe: weil sie nur von Königlichem willen / Todtschlägen / verzweiffelungen / Kinder- vnd Vätermörden / brande / blutschanden / kriege und auffruhr / klagen / heulen / seuffzen vnd dergleichen handelt … Die Comedie bestehet in schlechtem wesen vnnd personen … Haben derowegen die / welche heutigen tages Comedien geschrieben / weit geirret / die Keyser vnd Potentaten eingeführet.8 Auch Gottsched und Gryphius untersagen ausdrücklich jede Mischung von Tragik und Komik. Harsdörffer fügt noch eine dritte Gattung hinzu, die Hirten- oder Feldspiele / die das Bauernleben vorstellig machen / und satyrisch genennet werden.9 Er beschreibt aber auch die Trago Comoedia, die er wie Lope de Vega als getreues Abbild des menschlichen Lebens mit seinen vielen Betrübnissen und Ergötzlichkeiten versteht. Harsdörffer nennt sie eine Mittelart / so theils dem Trauer- theils den Freudenspielen gleichet / oder auch einen frölichen Anfang hat / und 8

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Opitz, Martin: Buch von der deutschen Poeterey (1624). Nach der Edition von Wilhelm Braune neu hsg. von Richard Alewyn (= Neudrucke Deutscher Literaturwerke, hsg. von R.  Alewyn und Rainer Gruenter, Neue Folge, Bd 8). Tübingen 1963, S.  20. (Der Begriff ‚schlecht‘ hier in der Bedeutung von ‚schlicht, einfach, niederen Standes‘.) Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter, 2. Teil, Nürnberg 1648. Reprographischer Nachdruck durch die Wissenschaftliche Buchgemeinschaft Darmstadt 1969, S. 71.



Zum Begriff der Tragikomödie

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traurig endet: oder auch eine traurige Geschichte mit lustigen Schalkhandlungen unterbricht.10 Johann Martins Schauspiel erfüllt also, gemessen an den zeitgenössi­ schen Poetiken von Opitz und Harsdörffer, die Prämissen der Tragödie wie auch des Schäferspiels, indem es Könige neben Hirten agieren lässt, von großen Sachen wie der Könige Verzweiffelung / Mordthaten / Verfolgung / Meineid / Betrug / Blutschanden …11 handelt und neben dem Schauplatz des Hofes auch den des Waldes und der Schäferhütte zeigt. Völlig fremd ist dem Wanderbühnenspiel der Bürgerliche Haus- und Mehrstand, den Harsdörffer dem Freudenspiel zuordnet. Auch der Inhalt der Freudenspiele, den Harsdörffer und Opitz mit hochzeiten / gastgeboten / spielen  /  betrug vnd schalckheit der knechte  /  ruhmrätigen Landtsknechten  /  buhlersachen / leichtfertigkeit der jugend / geitze des alters / kupplerey vnd solchen sachen / die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen12, umschreiben, begegnet kaum in den Wanderbühnendramen. Sie wollten nicht zum Abbild des eigenen bürger­ lichen Alltags werden, sondern bevorzugten die Welt des Hofes und jene dem Zeremoniell entgegengesetzte Welt des einfachen Schäfers. Das Problem einer ausweglosen Geschwisterliebe in der Welt des Königs­ hofes ordnet Martins Drama dem Tragischen zu, das komische Element be­ schränkt sich auf die Figur des Pickelhering Dymas. Für die Wanderbühne ist es schwierig, die Grenzen des Tragischen durch eine schwerelose gleichran­ gige Komik zu überwinden, wie es Aristophanes oder Shakespeare gelang. Der Witz des Pickelhering bleibt der Tragik verhaftet und kann deren Ge­ wicht nicht mindern. Der Narr in Martins Komödie ist grob, gefühllos und dumm, und er zeigt gerade dadurch seine aussichtslose Stellung im Wirken der Fortunamächte. Das Lustspielhafte ist also in der Tragikomödie des 17. Jahrhunderts noch nicht jene komplementäre Gestaltungsgröße gegenüber dem Tragi­ schen wie im antiken und im späteren deutschen Theater, es zeigt sich eher als dessen verzerrtes Spiegelbild und nicht als gleichwertige führende Kraft. Die dramatische Mischform, in der sich die „Liebes Verzweiffelung“ präsentiert, kann als Prototyp der Tragikomödie des 17. Jahrhunderts gelten. Sie hat ih­ ren Schwerpunkt im Tragischen, während sich die Komik mehr oder weniger isoliert in der Gestalt des Dymas in die Haupthandlung eindrängt. Personen und Schauplätze sind dem Höfischen wie auch dem Hirtenspiel entnommen; 10 11 12

Harsdörffer: Poetischer Trichter, 2. Teil, S. 97. Harsdörffer: Poetischer Trichter, 2. Teil, S. 80. Harsdörffer: Poetischer Trichter, 2. Teil, S. 96; und Opitz: Buch von der deutschen Poeterey, S. 20.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

die Ausweglosigkeit des dramatischen Problems wird durch einen glückhaf­ ten Ausgang des Spieles aufgehoben. Martins Schauspiel steht daher ganz in der Tradition des Wanderbühnendra­ mas und der komödiantischen Tragikomödie.

Zur Sprache Sprachliche Unterschiede zwischen den beiden erhaltenen Handschriften der „Liebes Verzweiffelung“ Es scheint, dass beide Schreiber eine frühe, vielleicht die originale Vorlage kopierten. Bei ihrer Arbeit hielten sie sich genau an den vorgegebenen Inhalt. Die Karlsruher Handschrift, im Folgenden mit K bezeichnet, scheint die ursprüng­liche Sprachform beibehalten zu haben, während die Handschrift der Wiener Nationalbibliothek, im Folgenden mit W bezeichnet, viele Än­ derungen im Satzbau und in der Wortwahl aufweist.1 Diese Änderungen er­ folgten willkürlich, ohne Rücksicht auf die im Originaldrama beabsichtigte Aussage oder dramatische Wirkung. Der klare Ausdruck eines Gedankens verwirrt sich in W oft zu einer unlo­ gischen Wortreihe, die keinen Sinn ergibt. Nur die Satzmelodie wird beibe­ halten; diese scheint für den Schreiber des Wiener Manuskripts das einzig Bedeutsame gewesen zu sein. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu bedenken, dass das Wort im Wanderbühnendrama nicht nur Sinnträger ist; es vermittelt vor allem ein Klangbild und erreicht sein Publikum daher nicht über den Intellekt, son­ dern wird unreflektiert, rein sensorisch erfahren. Es steht ergänzend neben dem mimischen Ausdruck, wird zum Reizträger, und nicht der geistige Ge­ halt entscheidet, sondern das Wogen der Worte2, das im Zuhörer bestimmte Empfindungsfrequenzen zum Schwingen bringt. Der Wert der dramatischen Sprache liegt für den Wanderkomödianten allein in den Aktionsmöglichkei­ ten, die sie bietet. Sie dient dem agierenden Menschen auf der Bühne und ist nicht so sehr Bedeutungsträger als vielmehr Farbe und Ton. Bewegtes Bild will sie sein, nicht Literatur.

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Eine ausführliche Auflistung von Beispielen siehe Gstach, Ruth: Die Liebes Verzweiffelung, Diss. Innsbruck 1972, S. 413–424. Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 402; ebenso Baesecke, Anna: Das Schau­ spiel der englischen Komödianten in Deutschland, S. 15. – Heine (Das Schauspiel der deut­ schen Wanderbühne vor Gottsched, S.  35) geht daher am Wesentlichen des Wanderbüh­ nendramas vorbei, wenn er von der Wüste dieses gedankenarmen, kraft- und saftlosen Stils spricht.

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Der Schreiber des Wiener Manuskripts, Christian Janethsky, war selbst Komödiant und veränderte und ergänzte den Text, wo immer sein schauspie­ lerisches Empfinden dies für angebracht hielt. Manchmal jongliert er aber auch ohne Grund, wie zum Spaß, mit Worten und Satzbau, z.  B. in Szene IV/4: K: Die Bäume beschirmen vor dem Regen, wenn sich ein Wetter [Ottonias] erhebet. W: Die Bäume, wenn sich ein Wetter erhebet, beschirmen vor den regen. In die Abschiedsworte Myrandons, der sich nach dem Sieg über Cassianus wieder vom Hof und seiner Geliebten zurückziehen muss (Szene III/2), legte der Dichter bewusst einen abweisenden und bitteren Ton. In W wurde daraus eine lange überschwengliche Verbeugung vor Frondalpheo, die wohl mehr dem adeligen Publikum als dem König auf der Bühne galt.  – Solche Zusätze bei höfischen Anreden sind in W die Regel, z.  B. in Szene I/10: K: Auff Ewre Mayestät begehren schlage ich solches nicht ab. [Cassianus] W: Auf ihro Mayestät Befehl schlage ich solches nicht ab, sondern bin, wie auch schuldig, zu gehorsamen fertig. Viele Änderungen in W, die die ursprüngliche Aussage verwirren, können auch als Hörfehler des Schreibers gedeutet werden oder sind auf ein zu schnelles Diktat zurückzuführen: z.  B. Szene I/1 [Frondalpheo] K: … deine verständige Rede vermag mir mein Hertz zu brechen. W: … deine verständige Rede vermögen meinen Schutz zu brechen. Bedeutsam wird das Wiener Manuskript dort, wo der Schreiber der Karls­ ruher Handschrift offensichtlich vom ursprünglichen Original abweicht oder wo Wortgruppen schwer lesbar sind. Hier greift der in Wien erhaltene Text klärend und ergänzend ein und ermöglicht den Rückschluss auf den ursprünglichen Dramentext. Alemannische Mundartausdrücke wurden, da das Verständnis dafür fehlte, in der Wiener Handschrift durch einen oft unpassenden deutschen Sprach­ ausdruck ersetzt: Die Gebündten (=Wiese mit Obstbäumen, K II/5) übersetzt W mit „bunden Wiesen“. Das alemannische „viel“ in der Bedeutung von „oft“ ( K II/5: … also daß man dieselbige Straße nicht viel gehet) begegnet in Handschrift W als „vielmehr“.



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„Ich geschweige“ wird wenig sinnvoll mit „Ich schwere“ übersetzt.3 Auch der mundartliche Ausdruck „schliffte“ (= über den Boden ziehen, schleifen) in Szene V/5 wird vom Schreiber der Handschrift W nicht ver­ standen und als „schleüffte“ übertragen. Dagegen wird aus dem mundartlichen „in die Stadt hineingehen“4 das ver­ ständlichere „dahin gehen“ in Handschrift W. Den gespreizten Ausdruck „und schlägest deine Augen gen boden“ (K I/11) korrigiert Handschrift W: „und schlägest deine Augen zur Erden nieder.“ Dass der Wiener Schreiber das Wort „Hündlein“ (IV/6) durch „Hündgen“ ersetzt, deutet auf seine mittel- bis norddeutsche Herkunft (Janethsky war aus Dresden gebürtig). Allerdings wechselt auch in Handschrift K das Wort „Mägdlein“ (III/8) einige Male mit dem im Alemannischen fremden „Mägdgen“ (II/5) oder „Magdgen“ (II/12), ein deutlicher Hinweis darauf, dass es sich beim Karlsruher Manuskript nicht um das Original von Johann Martin handeln kann. Amoenas Satz: „Ich habe mich in ethwas verspäthet, doch höre ich andere Hirten ruffen, welche auch erst eintreiben“ (K II/5) wird in Handschrift W abgeändert: „… welche erstlich eintreiben“. Der Widersinn ist offenkundig, denn wenn die ersten Hirten das Vieh in den Stall treiben, kann Amoena nicht zugleich von ihrer Verspätung sprechen. Manchmal ist der Inhalt eines Satzes durch unachtsames Abschreiben in W unverständlich oder sogar ins Gegenteil verkehrt: I/1 [Frondalpheo] K:  Aber ein liebender empfindet keinen Spohren der Gefahr, wird in der Liebe nicht einmahl müde. W:  … die gefahr wird in der liebe nicht einmahl müde. IV/3 [Rodiman] K:  Habe ich dann nicht alß ein unschuldiger Astianas in meiner Jugend Gott Mars können aufgeopffert werden? W:  Habe ich denn in meiner Jugend alß ein unschuldiger sollen ge­ opfert werden. IV/5 [Alidea] K:  Wer nichts hoffet, verzweiffelt auch nicht. W:  Wer hoffet, verzweiffelt nicht. V/2 [Frondalpheo] K:  Deine Simulation der angenehmen Freude … W:  Deine Simulation und angenehme Freude … 3 Handschrift K , I/7: [Page] Umb 1000 Cronen wolte ich euch meine Schwester verkuppeln, ich geschweige diese Sache zu verrichten. (= Diese Sache, als die bedeutungslosere, verrichte ich also umso eher.) 4 Handschrift K , II/8 (Rodiman, Damon)

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Durch diese Veränderungen in W leidet auch die Bildlichkeit und Leben­ digkeit. So verliert z.  B. das sprachliche Bild: Die Liebe ist wild und läst sich in vollem Trab nicht zäumen (K I/1) seinen ursprünglichen Sinn, wenn das Wort „zäumen“ in „zehmen“ verändert wird. Weitere Beispiele: Szene I/2 K: [Myrandon] Wie kan ich das verlaßen, was ich im Hertzen trage. W: Wie kan ich das verlaßen, so ich hertzlich liebe. Szene III/2 K: [Cassianus] Ach, ich sehe meinen Untergang auff ihren Schilden geschrieben! W: Ach Himmel! ich sehe albereit meinen Untergang an. Szene IV/3 K: [Myrandon] Der Purpur ist in ein abschewlich schwartz verkehret worden. W: Der Purpur ist in abscheuliche schmach verkehret worden. Charakteristisch für das Wiener Manuskript ist die Verflachung der lebhaf­ ten Sprache Martins: Alidea, was iaget dich so geschwind herein? I/3 [Evandra] K:  W:  Sage an, Alidea, was treibet dich so schnell herein? II/4 [Rodiman] K: … sobald Aurora die gespitzten Berge vergülten wird … W: … sobald Aurora die spitzen des Gebürges vergolden wird … II/3 [Amoena, in Angst vor dem rasenden Myrandon] K:  Ich flihe von hinnen … W:  Ich gehe von hinnen … Ebenso unverständlich wirkt die Änderung in der Taumerzählung Evandras (I/3): K:  Mir traumte, alß hette ein wildes Thier meinen liebsten Bruder Myrandon zerrißen, sein mit Blut besprengter Geist bald hernach erschiene mir, winckte und sagte … W: … sein mit Bludt besprengte Brust darnach mir baldt erschiene, er winckte mir und sagte … Das zeitlose Traumbild aus Handschrift K, das an die gespenstische Traum­ szene in Shakespeares „Hamlet“ erinnert5, wird in Handschrift W ein ver­ blasstes Nacheinander von „darnach“ und „baldt“. An Stelle des winkenden Geistes steht das bildschwache Wort „Brust“.

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Johann Martin scheint also Shakespeares „Hamlet“-Stoff (Szene I/4) gekannt zu haben. In der entsprechenden deutschen Wanderbühnenbearbeitung „Der bestrafte Brudermord“ ist diese Geisterszene ebenfalls vorhanden (Szene I/5, Ausgabe Cohn, Sp. 251)



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Handschrift K reiht oft mehrere in sich abgerundete Bilder aneinander. In Handschrift W werden diese Bilder zu einem einzigen überhäuften Satz­ gemenge verschmolzen und verlieren dadurch ihre Aussagekraft: K:  I/8 [Evandra] Es scheinet an dem jungen Morgen Nacht und in dem schönen Lentzen ein grawer Winter zu werden. W:  Es scheinet an den jungen Meyen und in den schönen Lentzen ein grausamer Winder zu werden. Der Wiener Schreiber bevorzugt auch sinngleiche Verdoppelungen bei Ver­ ben, Adjektiven und Substantiven: K:  … ihre leichtfertigkeit überzeugen. I/10 [König] W:  … ihren Hurenstück und leichtfertigkeit bezeugen. I/13 [Evandra] K: … bald wirstu deiner Qual entlediget werden. W:  … baldt wirstu deiner Qual entkommen und entlediget wer den. I/13 [Evandra] K: … bewaret wol einen so edlen Gast. W:  … bewaret wol einen so lieben und werthen gast. Solche Verdoppelungen finden sich zwar auch im Karlsruher Manuskript, jedoch nur selten: Tortur und Marter (III/4), … ich zittere und bebe (V/1) Ebenso wird die den König betreffende Anrede in W meist verdoppelt: K:  I/1 gnädigster Herr Vatter – W: gnädigster Herr und Vatter K:  gnädigster Herr – W: gnädigster Herr und König I/10, V/12 Das Bemühen, den Text der Vorlage noch mehr den Bedürfnissen der Wan­ derbühne anzupassen, verleitet den Wiener Schreiber zu typischen Übertreibungen und Zusätzen: Ich bin heut den gantzen Tag durch stauden und hecken gelaufI/12 [Myrandon] K:  fen. W: … die gantze Nacht … I/12 [Myrandon] K: Der bleichen Hecate habe ich schon 100 Opfer nach der Höllen geschicket. W:  … schon über 1000sent opfer … V/10 [Myrandon] K:  Nun verrichte daßelbe, welches mir vielhundertmal das Leben salvirt. W: … viel 1000 mahl … Dymas passt sich in der Wiener Handschrift dem kultivierteren Geschmack der Stadtbevölkerung an. Er verliert seine Grobheit, unfeine Ausdrücke in Handschrift K werden weggelassen oder verändert: K: … oder ich wil meinem Vatter für die Thür scheißen. II/9 [Dymas] W: … meinem alten Vatter vor die thiere hoffiren.

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Auch der Ausdruck „O ich armer Hunds-Furt“ (III/8), den sogar Gryphius seinem Peter Squentz in den Mund legt6, erscheint dem Wiener Bearbeiter zu grob; er ersetzt „Berenheüter“. Dem feineren Pickelhering in W entspricht auch die Distanz wahrende Höf­ lichkeitsform in der Anrede: In Handschrift K verwendet Frondalpheo das väterliche „Du“, während W zwischen „du“ und „ihr“ schwankt. Die vertrau­ liche Anrede „du“ verwendet auch Damon gegenüber seinen Kindern. Dy­ mas erwidert dieses „Du“, während Amoena, ihrer hohen Herkunft gemäß, immer beim „Ihr“ bleibt. Die Anrede „mein Herr“ oder „lieber Schäffer“ steht in Handschrift K fast immer am Schluss des Satzes, in W jedoch meist am Beginn. Manchmal wird in der Wiener Handschrift diese Anrede auch noch mit einer rhetorischen Einleitung versehen, die der dramatischen Situation nicht entspricht, z.  B. in Szene I/3: [Evandra in großer Aufregung und Angst] K: Alidea, was iaget dich … W:  Sage an, Alidea, was treibet dich … Dass der Wiener Schreiber einem völlig anderen Landschaftskreis ent­ stammte, beweisen die Umlautformen seines Manuskripts; z.  B. W: hänget K:  hanget I/9  schlafft schläffet  traumte träumte Zudem zeigt Handschrift W die Modernisierung alter Wortformen: W verlöschen K  I/1 gelöschen I/1 niemalen niemals I/9 mich bedunket mir deucht II/4 vergülten vergolden III/6 ich forchte mich ich fürchte mich unmüglich unmöglich IV/2, V/8 herumbgeloffen herumb gelauffen IV/3, V/1 V/3 ich förcht ich fürcht

6 „Absurda Comica. Oder Herr Peter Squentz“, III. Aufzug: Meinet ihr, daß er [der König] eine Hundsfutte ist? (Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, hsg. von Marian Szyrocki und Hugh Powell, Bd 7 (= Neudrucke Deutscher Literaturwerke, hg. von Richard Alewyn und Rainer Gruenter, Neue Folge, Bd 21). Tübingen 1969, S. 23)



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Der bei Martin so häufige Genetiv wird in W in den moderneren Dativ oder Akkusativ umgewandelt: II/4 (Strophe) K:  Ey laß der süßen Stundt W:  Ich preiß die süße Stundt K:  III/1 Hütet euch der Straffe W:  Hüttet euch vor der straffe K:  III/3 So kan ich doch der Princessin nicht genißen W:  … die Princessin Ebenso wird die konjunktive Form durch den Wiener Schreiber meist auf­ gelöst: K:  ob sie es begangen habe III/1 W:  ob sie es begangen hatt K:  III/4 daß ich ihr leiblicher Bruder … sey W:  daß ich ihr leiblicher Bruder … bin Eine typische Eigenart des Wiener Bearbeiters ist die andauernde falsche Verwendung des Dativ und Akkusativ, die auch in einigen anderen Wan­ derbühnendramen der Wiener Nationalbibliothek vorkommt7, z.  B. W:  Es scheinet an den jungen Meyen und in den schönen Lentzen ein I/8 grausamer winder zu werden. W:  … fort nach den Gefangnüß I/10 W:  Was machet Ihr hir an diesen unglückseeligen Orte II/3, II/5 Ein solcher Casusfehler findet sich in Handschrift K nur einmal, und zwar in Szene I/5: Ist sie unbarmhertzig gegen mir, so soll sie … Die Regieanweisungen in der Wiener Handschrift sind nicht in Latein wie in Handschrift K, sondern alle in deutscher Sprache. Wie wenig zusätzlich Positives das Wiener Manuskript auch aufzuweisen hat, es kann als typisches Beispiel dafür gelten, wie die einzelnen Wander­ bühnendramen innerhalb weniger Jahrzehnte ihre ursprüngliche Form- und Sprachgestalt änderten. Ihre Sprache wurde verflacht und maniriert, ihre Aussage lauter und aufdringlicher, ihre Form immer mehr einem Theater angepasst, das sein ursprünglich auch gebildetes Publikum verlor und dem örtlichen Stadttheater Platz machen musste. Diese sprachliche Wandelbarkeit ist auch an anderen Wanderbühnendra­ men zu beobachten. Wenn uns deren Manuskript erst aus einer späteren Zeit 7

In „Der verirrte Liebes Soldat“, „Die getreue Octavia“ und in „Die glückseelige Eifersucht“. Auch „Der bestrafte Brudermord“ weist diese Casusfehler auf, vgl. z.  B. II/7 (Ausgabe Cohn, Sp. 267): … übergab sie ihren Leib den Scharfrichter, den Himmel aber befahl sie ihre Seele …

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erhalten ist, wie dies z.  B. bei „Der bestrafte Brudermord“ der Fall ist, so kann ursprünglich eine künstlerisch wertvollere und originellere Sprachform an­ genommen werden. Das Komödiantendrama wurde einerseits zu einer immer lauteren, ma­ nirierten und undifferenzierten Sprach- und Aussageform geführt. Ande­ rerseits versuchte die Wanderbühne durch die Aufnahme von anerkannten Kunstdramen aus dem französischen und spanischen Literaturkreis ihrem eigenen Reperoire neue Impulse zu geben und den steigenden Ansprüchen ihres städtischen Publikums gerecht zu werden. Es war ein letztlich aussichtsloses Beginnen gegenüber dem unter besse­ ren Bedingungen arbeitenden festen Stadttheater. Doch gerade die verschie­ denen Textformen der erhaltenen Wanderbühnendramen beweisen, dass es lebendiges Theater war und dass es der kommenden deutschen Theaterkul­ tur zum wertvollen Wegbereiter wurde.

Sprachliche Situation des barocken Wanderbühnendramas – Das Ordnungsprinzip der Symmetrie und des Parallelismus Die einzelnen Manuskripte eines Wanderbühnendramas zeigen oft Verän­ derungen von Wörtern oder verstellen deren vorgegebene Reihenfolge in­ nerhalb eines Satzes. Es lässt sich kaum eine Erklärung dafür finden, denn da diese Änderungen meist nur einzelne Ausdrücke oder Wortgruppen be­ trafen, blieben sie von den Zuschauern unbeachtet. Die einzelnen Schreiber verbildeten den Text nach ihrem eigenen Gutdünken, und es entstanden oft sinnlose Wortgruppen, die keine Bedeutung ergaben oder der ursprüng­lichen Bedeutung sogar entgegengesetzt waren. Auch die Wiener Handschrift der „Liebes Verzweiffelung“ zeigt solche Beispiele, z.  B. Szene I/1 [Frondalpheo] K: Ein liebender empfindet keinen Spohren der Gefahr, wird in der Liebe nicht einmal müde. W: Aber ein liebhaber fühlet keinen Sporn, die gefahr wird in der Liebe nicht einmal müde. Szene III/2 [Evandra] K: Wenn ich ewer Mitleiden mit mir und große Trew betrachte, so bin ich euch viel schuldig. W: Euer Mittleiden hatt die große treue betrachtet, so lobe ich Eure Tapferkeit. Szene II/4 [Rodiman] K: Ich wurde innerlich getrieben, den Königlichen Pallast, meinen alten Vatter und die liebe Unterthanen zu verlaßen. W: … den Königlichen Pallast meines alten Vatters unter der liebe der unterthanen zu verlaßen.



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Das Wort hatte für den Berufsschauspieler des Barocktheaters eine völlig andere Bedeutung als für den früheren Laiendarsteller. Weitgehend frei von allen politischen, religiösen oder bildungsorientierten Interessen, erschöpft sich das Wandertheater des 17. Jahrhunderts in der Darstellung menschlicher Leidenschaften; es ist vor allem Aktion, nichts und niemandem verpflichtet als sich selbst und seinem Publikum. Seine nur auf gefühlsmäßige Inhalte bezogene Sprache ist daher kei­ neswegs Träger der Handlung wie im Kunstdrama, sondern die Handlung bestimmt das Wort. Bei den ersten Aufführungen englischer Komödianten in Deutschland war dies umso mehr der Fall, als ja die Gestik das Wort ersetzen musste. In der zweiten Schauspielsammlung von 1630 ist schon eine kleine Verlagerung von der Aktion auf das Wort spürbar.8 Den idealen Ausgleich zwischen Handlungselement und literarischer Stilisierung fand jedoch erst Lessing. Wie alle Wanderbühnendramen des 17.  Jahrhunderts verlangt auch Martins Spiel ausgeprägte Darstellungsformen, auch sein Drama wird mehr durch Handlung bestimmt als durch geistige Spannung. In seiner dramati­ schen Sprache darf nicht in erster Linie nach den künstlerischen Ausdrucks­ formen seiner späteren Werke gesucht werden. Sie dient vor allem der ko­ mödiantischen Darstellung. Im Gegensatz zu manchen anderen Wanderbühnenspielen, z.  B. Blümels „Glückselige Eyfersucht“, hält Martin seine Sprache frei von jeder übertriebenen Dekoration. Sie bleibt auch in den Reden hochgestellter Bühnen­figuren ein­ fach und klarlinig und verfällt nie in den geistigen Leerlauf anderer Schau­ spiele dieser Zeit. König und Schäfer unterscheiden sich in ihrem Sprachstil kaum, nur der einfachere Gedankengang betont den inneren Persönlichkeitsunterschied zwischen Hirt und König. Während jedoch die Sprache des alten Schäfers Da­ mon auf jeden mythologischen Hinweis verzichtet, verfügt seine Ziehtochter aus adligem Haus, Amoena, die in der Wildnis aufgewachsen ist und keiner­ lei Bildung haben kann, über ausgeprägte mythologische Kenntnisse: In der Klage über ihr Schicksal nennt sie Furien, Hercules, Titius, Thais, Diana, Circe (LV III/7 und V/2). Der Sprachrhythmus ändert sich weder in ruhigen noch in spannungs­ geladenen Bühnensituationen9, er bleibt in der Rede des Glücklichen wie des Verzweifelten fast gleich. Doch ist – wenigstens in Martins Drama – der Dialog dynamisch genug, um Einförmigkeit im Sprachrhythmus zu verhin­ dern. 8 9

Siehe dazu auch Baesecke, Anna: Das Schauspiel der englischen Komödianten, S. 107. Harsdörffer (Poetischer Trichter, II. Teil, S. 85) unterscheidet dagegen sehr wohl zwischen der Sprache beglückter oder trauriger Personen.

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Das Schlagwort vom ‚barocken Schwulst‘, mit dem das Sprachschaffen des 17. Jahrhunderts – oft zu Recht, sehr oft aber zu Unrecht – charakterisiert wird, ist bei Martin völlig unangebracht. Er neigt im Drama eher zur Um­ gangssprache, die sich, wenn es die dramatische Situation verlangt, auch in einen sachlichen Kanzleiton differenzieren kann, z.  B. in Szene III/2, als My­ randon nach seinem erfolgreichen Zweikampf den Hof seines Vaters wieder verlässt: Ich bedancke mich aller dieser Gnaden, dieselbe nicht zuverschmehen. Wegen großer Kriegs Geschäfften, von welchen ich mit großem Schaden hergekommen, werde ich zu[rück] geruffen. Wenn ich dieselbigen werde verrichtet haben, so wil ich Ewrer Mayestät alß ein gehorsamer Diener auffwarten. Verhoffe, meine Entschuldigung werde genug seyn. Wendungen wie derohalben, derentwegen, hinfüro, derowegen begegnen auch in Martins späteren Werken und wurden nicht als unschön empfunden. In der „Liebes Verzweiffelung“ sollen sie die innere Distanz des Prinzen zu seinem königlichen Vater betonen. Zugleich bedient sich Martin einiger Stilformen, die wahrscheinlich aus dem italienischen Singspiel übernommen wurden und besonders für das Wan­ derbühnendrama charakteristisch sind. Dazu gehört das Ordnungsprinzip der Symmetrie und des Parallelismus im dramatischen und sprachlichen Aufbau. Deutlich zeigt sich dies in Szene III/8; sie ist nicht als bewegtes Nacheinander eines Handlungsablaufes gestaltet, sondern mutet eher wie ein räumlich geordnetes Bild an: Myrandon, Rodiman und Dymas befinden sich ieder auff einem besonderen Ort. Scheinbar unabhängig voneinander bekla­ gen sie ihr Schicksal. Inhalt und Form ihrer Liebesklage überdecken sich gegenseitig; jeder übernimmt den Seufzer des anderen, ahmt dessen Worte und Gebärden nach, ohne jedoch von der Gegenwart des Leidensgenossen zu wissen. Dass sich die Gebärden des Prinzen in denen des Pickelhering ver­ zerrt widerspiegeln und in dessen niedriger Mentalität zum Kontrapunkt des Höfischen werden, vertieft die symmetrische Kontrastwirkung umso mehr. Das gegenseitige Erkennen der drei Gesprächspartner rückt die Figuren zu einer isolierten Gruppe in der Mitte der Szene zusammen. Während des Fechtkampfes zwischen Rodiman und Myrandon zieht sich Dymas auf einen eigenen Platz auf der Bühne zurück, so dass sich nun eine Zweiergruppe bildet: Höfisches und bäurisches Empfinden stehen einander als reale Kräfte gegenüber und ergeben ein wirkungsvolles symmetrischens Kontrastbild. Das Publikum erlebt hohe und niedere Erlebnissphären der mensch­ lichen Seele dicht nebeneinander. Jede wirkt verstärkend auf die andere und stößt sie zugleich ab wie zwei gleiche Magnetpole. Ihre Unvereinbarkeit hätte Martin kaum deutlicher darstellen können. Bei den beiden kämpfenden Rittern beginnt sich bald ein gegenseitiges Erkennen abzuzeichnen, jedes ihrer Worte fällt dagegen bei Dymas in eine



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Welt schmählicher und unbegründeter Angst und Feigheit. Während der Er­ zählung der Ritter rückt Dymas näher an die Gruppe heran. Myrandon lädt ihn ein: Komm her und höre zu … Doch bleibt der Abstand zwischen der Empfindungswelt höfischer und niedriger Gesellschaftsschicht auch in der Anordnung der Gruppe erhalten, denn es ist kaum denkbar, dass Dymas seine Bemerkungen: Dem armen Teuffel gehts wie mir, oder: Der Teuffel soll dich bescheißen, wo du mir sie entführet hast, in un­ mittelbarer Gegenwart der Prinzen gewagt hätte. Sie sind eher als ein Beisei­ tesprechen von einem gesonderten Platz aus zu verstehen. Die symmetrische Anordnung auf der Bühne bleibt also bis zum Schluss dieser Szene erhalten. Ein ähnlicher symmetrischer Szenenaufbau zeigt sich in Blümels „Jude von Venetien“10, wo sich die Gruppe von Herr und Diener und von Herrin und Dienerin auflöst in eine Herrengruppe und eine Dienergruppe, deren Per­ sonen – ähnlich wie in Martins Drama – Worte und Gebärden aus der kon­ trären Erlebniswelt nachahmen. Auch hier wird ein Kontrastbild zwischen höfischen und niederen Lebenssphären gezeichnet.11 Dieser dramaturgischen Symmetrie entspricht die Technik des sprachlichen Parallelismus in der Dialogführung: Die Gesprächspartner übernehmen trotz ihrer gesellschaftlichen Verschiedenheit und obwohl sie von der Ge­ genwart des anderen nichts ahnen, den Gedanken und dessen sprachliche Formulierung voneinander; und nur kleine typische Verschiedenheiten in der Wortwahl betonen die innere Distanz der einzelnen Sprecher zueinander. Die Wirkung dieser sprachlichen Parallelität in Szene III/8 wird noch erhöht durch die Wiederaufnahme des Eingangswortes oder der Eingangswendung: Myrandon: Rodiman: Dymas: Myrandon: Rodiman: Dymas: Myrandon: Rodiman: Dymas:

O unbarmhertziger Todt! O verfluchtes Leben! O were ich gestorben! Meine Schwester ewiglich meiden! Meine Schwester geschändet und meine Liebste verlaßen! Meine Schwester geliebet und verlohren! O unglückseeliger Mensch! O verzweiffelter Prinz! O ich armer Hundts-Furt!

10 „Jude von Venetien“, III/2. (Ausgabe Flemming, S. 229–235) 11 Ähnlich symmetrisch aufgebaut sind im „Jude von Venetien“ auch Szene V/8 und 9 und Szene IV/9. (Flemming-Ausgabe, S. 268–276 und S. 255–258)

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Ebenso in Szene V/10 Evandra: Ich hette mir ehe eingebildet, daß … Myrandon: Ehe hette ich geglaubet, … Ehe hette ich geglaubet, … Rodiman: Szene V/12 Frondalpheo: Evandra: Amoena:

Ach, was Freude …! In einem Tage … Ach, was vor Frewde! In einem Tage … Ach der großen Frewde! In einem Tag …

Szene II/12 Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman: Amoena: Rodiman:

Ach Amoena, mein Engel! Ach werthester Schatz! Ewer Nam ist Lieblich! Ewer Angesicht ist schön. Wer solte nicht lieben! Einen solchen schönen Ritter. Eine solche Göttin! O der unaussprechlichen Liebe, welche mein Hertz verzehret! Welche meine Liebe einäschert.

Diese Technik des Parallelismus findet sich nicht nur in vielen Wanderbüh­ nenspielen12, sondern auch im Kunstdrama des Barock, z.  B. bei Gryphius.13 Der Dialog mit Satzaufteilung zwischen den einzelnen Sprechern, wie er im spanischen Drama, besonders bei Lope de Vega, häufig vorkommt, findet sich auch in vielen Wanderbühnendramen. Martins Spiel zeigt nur ein einzi­ ges Beispiel, das in der oben angeführten Szene II/12.

Besonderheiten des dramatischen Sprachstils in Martins „Liebes Verzweiffelung“ Obwohl die späteren Werke des Dichters sehr wenige Fremdwörter aufwei­ sen, finden sich in seinem Schauspiel mehrere Wörter französischer und la­ teinischer Herkunft: 12

13

z.  B. in „Romio und Julieta“, I/1. (Ausgabe Cohn, Sp. 311 und 313); ebenso in der „TragicoComoedia genandt der Verirrte Liebes Soldat oder Deß Glickes Probier Stein“ (Österr. Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13250) und besonders gehäuft in „Dulcander vnd Dorella“ (Wienbibliothek, Sammel­ band 38589 Ja, S. 157–200). z.  B. in Gryphius: Cardenio und Celinde, Schluss der 5. Abh., Vs 421–428. (Gesamtausgabe, Bd 5, S. 167)



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Ambassador14, bestialisch, Bestia, Cavaliers, Contentum, Contrefaict, defendiren, Discurs,erlustiren15, Plaisir, praesentiren, in meiner praesenz, in Presentia meiner, ranzion, salviren, Sentenz, Simulation, symuliren, Solennitet, Succurs Schiff, in summa, terminum. Diese Anhäufung von Fremdwörtern ist für Martins späteren Sprachstil uncharakteristisch, bekannte er sich doch zu den Reformbestrebungen der ‚Fruchtbringenden Gesellschaft‘.16 Die vielen Fremdwörter sind wohl nur durch den Repräsentationswillen der Wanderkomödianten erklärbar: Fremdwörter galten als gelehrt, modern und vornehm. Es gab kaum einen Hof in Deutschland, an dem nicht fran­ zösische oder italienische Sprache und Lebensart mehr galt als das Deutsche. Wenn Pickelhering diese fremdsprachigen ‚Alamode‘-Ausdrücke kopiert und sich damit die Anerkennung bei Hof sichern will, beabsichtigt Martin damit die Komik der unangepassten Sprachebene: (V/9, Dymas: Sie haben mir längsten so ängstig gemacht, daß ich schier in die Hosen gepurgieret hette.) Substantiv-Bildungen auf –ung wurden ebenfalls als schön und besonders eindringlich empfunden: Anschauung, Anzeigung einer Frewde, O schmerzliche Errinnerung meiner Veränderung.17 An dieser negativen Sprachentwicklung hatten schon damals die Zeitungen lebhaften Anteil. Sie verbreiteten auch die Plu­ ralformen auf –s, wie sich in Martins Ausdruck die Cavaliers zeigt.18 Die Wanderbühnenspiele verwenden notwendigerweise einen überregiona­ len Sprachstil, nur wenige sind in ihrer Sprache einem bestimmten Land­ schaftsraum verhaftet, z.  B. die Stücke des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, dessen Narr Jan Bouset den niederländischen Dialekt spricht. Auch in Martins Drama finden sich – im Gegensatz zu seinen späteren Wer­ ken – wenige mundartliche Redewendungen. Es handelt sich dabei um ty­ pisch alemannische Ausdrücke, die zum Teil noch heute gebräuchlich sind, z.  B.

14 15 16 17 18

Dieses Fremdwort findet sich auch häufig in „Romio und Julieta“, IV/4 und IV/5. (Ausgabe Cohn, Sp. 375 und 379) Deutsches Wort mit Fremdwortendung: daneben wird auch ‚erlustigen‘ verwendet (IV/4, Frondalpheo). Vgl. das Vorwort An den günstigen Leser im „Philotheus“: … Hab also mit Philotheus der Welt Eitelkeit lachend nachäffen wollen hoch versicherend / daß es der hoch löbl. Fruchtbringenden Gesellschafft / wessen es nur ein geringes Dienerlein were / keinen Eintrag zuthun begehr. Vgl. dazu Mackensen, Lutz: Zur Sprachgeschichte des 17. Jahrhunderts. In: Wirkendes Wort, Jg 14, Düsseldorf 1964, S. 169. Nach Mackensen (Zur Sprachgeschichte des 17. Jahrhunderts, S. 159, Anm. 14) war diese Endung sowohl bei Fremdwörtern als auch bei deutschen Wörtern gebräuchlich geworden (Frauens, Jungens).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

V/11 überkommen = bekommen I/1 es ist eben viel = es gilt gleichviel (heute noch gebräuchlich in der Redewendung „jetzt sind wir wieder eben“ = jetzt sind wir quitt, jeder hat den gleichen Anteil) II/8 kein gut tun = sich unordentlich aufführen. Der Ausdruck „hart“ in der Bedeutung von „kräftig, sehr, tief“ wird von Martin in der Verbindung von „hart geträumet“ (II/13) und „hart geschlafen“ (III/6) gebraucht. Diese Übertragung des realen Begriffes auf einen Begriff der Empfindung (z.  B. ein harter Tod, etwas hart ertragen = schwer, kaum er­ tragen) war schon im Mittelhochdeutschen gebräuchlich und ist noch heute im Vorarlberger Dialekt allgemein üblich. Auch die Hochsprache kennt ihn in der Bedeutung von „schwer“, z.  B. „ein hartes Schicksal, harte Arbeit“ oder „ein Unglück trifft ihn hart“. In Johann Martins späterem Roman „Philotheus“ erzählt Mirant, er habe einen sehr harten Traum gehabt. Das Adjektiv „schlecht“ hat im Sprachgebrauch Martins die Bedeutung von „niedriggeboren“ (II/12, Rodiman: Nicht daß sie mir zu schlecht ist), (II/5, Amoena: [die Behausung] solte viel zu schlecht für „arm, einfach“ ­einen solchen Herrn seyn. Wir seyndt schlechte Leut …“), oder von „wertlos, alltäglich, gewöhnlich“ (V/4, Evandra: … dieser Jäger hat es [sein Leben] umb ein schlechtes Hündlein geben wollen.) In dieser Bedeutung von „schlicht, einfach“ findet sich der Ausdruck auch noch bei Goethe und ist nicht mit dem negativen Werturteil des heutigen Sprachgebrauchs identisch, sondern er bezieht sich auf eine äußerliche, moralisch indifferente Eigenschaft. Martin nennt auch seine„Mayen-Pfeiff“ so schlecht / und verächtlich … / daß sie von niemand als etwan von schlechten Hirten / und Baurs-Leuthen gebraucht werde.19 An die vielen verbalen Neubildungen in der „Mayen-Pfeiff“ und im „Flötlein“ erinnern auch Ausdrücke wie „Er ist in dem Walde benächtet“ (V/10, Evandra) oder: „Er ist mir in dem gebüschten Thal … entkommen“ (V/5, Ottonias). Die „gebündten Wiesen“ (II/5, Amoena) übersetzt Handschrift W mit „bunden Wiesen“. Es wäre jedoch denkbar, dass der Schreiber zwischen „Gebündten“ und „Wiesen“ das Bindewort ausgelassen hat, da er den alemannischen Ausdruck „Bündt“ (ahd. biunde = Obstgarten) nicht verstand. Martin hätte wohl kaum die wenig sinnvolle Änderung des Akjektivs „bunt“ in „gebündt“ 19 „Mirantische Mayen-Pfeiff“, Epistola Dedicatoria.



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durchgeführt. Der Satz hätte also ursprünglich gelautet: „Mich düncket, die Sonne habe sich hinder die dicken Wolcken verstecket, denn ich sehe ihre Strahlen nicht mehr über den Bündten und Wiesen gläntzen.“ Scheinbar altertümliche Wortformen, vor allem bei Perfekt-Bildungen, könnte man als Archaismen im Sprachstil Martins20 verstehen, sie sind aber wohl eher dem walserisch / alemannischen Dialekt zuzuordnen, z.  B. ich förcht (V/3 und I/7) forchte ich aber forchte mich keines Übels (III/6) aus forcht (IV/1) kunte = könne (III/6, Konjunktivform aus mhd. „künte“, ale­ mannisch heute noch als „künt“) verbrunnen (IV/4) „verbrannt“ entloffen (II/8). „entlaufen“ In anderen Wanderbühnendramen ebenso anzutreffen sind die Ausdrücke unmüglich (IV/4 und V/8) längsten (V/9, unlängst), (III/6, früher) Aus der Umgangssprache stammen wohl auch manche Verbformen, die die Perfekt-Silbe ge- vermissen lassen, z.  B. auffgeben statt aufgegeben, außgeben statt ausgegeben, worden statt geworden, kommen statt gekommen, gangen statt gegangen. Andererseits wird das Präfix hinzugefügt, wo es nicht notwendig ist, z.  B. Ich bin gespaziret (I/8). Laurentius gilt als der ausgeprägteste Adjektiv-Dichter des Barock21, doch lässt das Schauspiel der „Liebes Verzweiffelung“ noch nichts von dieser stilisti­ schen Entwicklung des Dichters ahnen. Die wenigen Adjektiv-Reihen blei­ ben farblos und leer in ihrer Aussage: Dieses düncket mich ein lustiger, schöner und bequemer Ort zu seyn   (II/4, Rodiman), rasend und verzweiffelt (I/13 und II/3), lieb und angenehm (II/13). Auch die für die „Mayen-Pfeiff“ so charakteristischen Häufungen von sinngleichen Substantiven22 sind in der dramatischen Sprache Martins kaum vertreten.

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Senninger: Mayen-Pfeiff, S. 54, hält diese Dialektformen für Archaismen. Windfuhr: Barocke Bildlichkeit und ihre Kritiker, S. 53. Die zwei-, drei-, vier- und fünfgliedrigen Substantiv-Häufungen aus der „Mayen-Pfeiff“ sind verzeichnet in Senninger: Mayen-Pfeiff, S. 67.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Deminutiv-Bildungen, die sich z.  B. bei Spee besonders häufig finden, sind im dramatischen wie auch im episch-lyrischen Sprachbereich Martins eher selten. In der „Liebes Verzweiffelung“ ist es nur das Schäfflein, Mägdlein, Hündlein, in den späteren Werken sind es meist Begriffe aus der Heimatnatur des Dich­ ters (Lämblein, Gräßlein, Bächlein, Immlein), die mit der süddeutschen Verkleine­ rungssilbe „-lein“ das emotionale Verhältnis des Dichters zu seiner Heimat verraten.23 Die häufigen Genetivformen sind dem üblichen barocken Sprachstil ange­ passt: Ich besorge mich eines Unfalls (I/3) fürchtet euch keiner Strafe (IV/2) der Liebe genißen (I/5) vergißet des Elendts (IV/4) der Rache gebrauchen (I/5) deß Morgens erwarten (V/6) dieses Orts Gelegenheit fragen (II/5) schlaffens halben (V/7) … hat reichs genug (II/5) wegen ihrer gestorben (V/8) Ich bedancke mich aller dieser Gnaden (III/2) anstatt deiner (V/11) einer Wanckelmuth beschuldigt (V/10) meines überlästigen Lebens ein Ende machen (IV/5) Eine Eigenart der Wanderbühnendramen sind die stereotypen Anredefor­ meln des Hofes, die, unabhängig von der dramatischen Situation oder von der inneren Gefühlslage des Sprechenden, völlig starr und unveränderlich bleiben. Evandra wird – auch in Augenblicken höchster dramatischer Span­ nung – immer als schönste oder gnädigste Princessin angesprochen. Den Lieben­ den gehört die Anrede werthester Schatz, werthester Engel, wertheste Seele. Anreden zwischen Familienmitgliedern werden sowohl bei Hof als auch in der Schäferhütte mit dem Attribut liebste, liebster versehen. So nennt auch Evandra ihren vermeintlichen Bruder Myrandon liebster Prinz, liebster Bruder. Der König beansprucht die Anrede gnädigster Herr und König oder Ewre Mayestät. Seine Kinder nennen ihn gnädigster oder allergnädigster Herr und Vatter. Alles, was dem Menschen bedrohlich erscheint, wird mit dem Attribut wild bezeichnet: Das wilde Thier begegnet in der „Liebes Verzweiffelung“ mindestens siebenmal; Amoena sieht sich mit Kümmernuß und wilder Verzweiffelung umge­ ben (V/1).24 23

24

Johannes Erben (Abriß der deutschen Grammatik, hsg. vom Institut für deutsche Sprache und Literatur der Deutschen Akademie der Wissenschaften, Berlin, 9.  Auflage München 1966, S. 101) bezeichnet Deminutiv-Bildungen als eine Wortform der Anteilnahme, die vor allem bei Benennungen solcher Lebewesen und Dinge vorkomme, zu denen der Sprecher ein emo­ tionales Verhältnis habe. Vgl. dazu „Flötlein“, Teil I, 2. Elegie, 3. Str., S. 16: O was ein wilder Ort / den ich nicht kan erkennen! Man solt’ ihn wohl den Port / der bösen Hoffnung nennen.



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Manche Ausdrücke sind im Lauf der vergangenen dreihundert Jahre unge­ bräuchlich und schwer verständlich geworden, z.  B. Verzihe hier, ich wil sie ansprechen (I/6, Cassianus) = „warte hier“. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm erklärt die Bedeutung des Wortes verzihen mit „säumen, zögern, verschieben einer Handlung“. Im 17. Jahrhundert hatte es die Bedeutung von „warten“ und findet sich nicht nur in vielen Wanderbühnendramen, sondern auch im ba­ rocken Kunstdrama.25 Die Redewendung ‚Bei solcher Gelegenheit ist nicht zu feyern‘ (II/3) deutet nach dem heutigen Sprachempfinden auf eine positive Stimmungsfärbung. Doch Myrandon sagt sie in einem Augenblick höchster Bestürzung, in einem Mo­ nolog, der dem eigenen Vater blutige Rache verspricht. In dieser ernsten schwerwiegenden Bedeutung findet sich die Redewendung noch hundert­ fünfzig Jahre später in Goethes „Clavigo“, 1. Akt: Mein Plan ist der Hof, da gilt’s kein feyern. Als charakteristisches Merkmal zeigt die Sprache der „Liebes Verzweiffelung“ – ihrem Inhalt gemäß – eine besondere Vorliebe für Wörter, die Verzweiflung und Unglück der menschlichen Seele ausdrücken: unglücklich, Unglück wird 49-mal gebraucht, glückseelig, Glück dagegen nur sechsmal. verzweiffelt, Verzweiffelung (25-mal), erschrecklich, Schrecken (20-mal), trawrig (11-mal), melancholisch, Melancholey (7-mal). Martins Spiel zeigt eine auffallende sprachliche Ähnlichkeit mit dem Wan­ derbühnendrama „Der bestrafte Brudermord“. Es handelt sich um die erste schriftlich überlieferte Hamlet-Bearbeitung, deren Verfasserfrage bisher un­ geklärt geblieben ist. Viele Übereinstimmungen mit Martins dramatischem und auch mit seinem späteren episch-lyrischen Sprachstil finden sich – wie in der „Liebes Verzweiffelung“ – auch im „Bestraften Brudermord“. Obwohl eine längere Abhandlung diesen sprachlichen Ähnlichkeiten im Einzelnen nach­

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Siehe das Wanderbühnendrama „Der bestrafte Brudermord“, I/3 (Ausgabe Cohn, Sp. 247): … verzihet nur ein wenig. Ebenso Gryphius: Peter Squenz, 3. Aufzug: Vnsere Comoedianten verziehen ziemlich lange, oder: Bald, bald, verziehet, ich wil es in die Regul detri setzen. (Gesamtausgabe, Bd 7, S. 17 und S. 39) Ebenso in der Einleitung zu Gryphius: Cardenio und Celinde: … er schlafe, man müsse noch ein wenig verziehen. (Gesamtausgabe, Bd 5, S. 101)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

geht, lässt sich nicht mit Sicherheit klären, ob Johann Martin der Verfasser dieses Bühnenstücks ist.26

Barocke Embleme Herder nennt das 17.  Jahrhundert das beinahe emblematische Zeitalter27 und weist damit in ein Zentrum des barocken Denkens und seines künstlerischen Schaffens. Dem ersten lateinischen „Emblematum liber“ von Andree Alciatus, gedruckt 1531 in Augsburg und in mehr als 150 Auflagen bekannt, folgten bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts mehr als 600 Verfasser von Emblembü­ chern und viele anonyme Emblemsammlungen.28 Sie lieferten dem Poeten des Barock die argumenta emblemata, die der besonderen Situation in der Dich­ tung eine allgemeingültige Wahrheit verliehen. Das Emblem ist gekennzeichnet durch das Nebeneinander von Wort und Bild. Pictura (Bild) und Inscriptio (Überschrift, Motto, Lebensregel) ergeben gemeinsam mit der Subscriptio (Epigramm, das die Lösung des Rätsels vermittelt, den Zusammenhang von pictura und inscriptio aufzeigt) ein Emblem, einen allgemeingültigen Präzedenzfall von vorbildlichem oder verwerflichem Verhalten. Die barocke Poetik unterschied nicht zwischen Emblem, Allegorie29 und Symbol30; Harsdörffer spricht nur von Gleichnissen, die in poetischen Werken nicht allzuoft gebraucht werden sollen.31 Die Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts sind im Allgemeinen frei von emblematischen Anspielungen. Sie sind Aktionstheater, das Wort

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29 30 31

Gstach Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shakespeareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarl­ bergs, Jg 30, Heft 1, 1978, S. 7–19. Zerstreute Blätter, 5. Sammlung, 1793. In: Herders sämtliche Werke, hg. von Bernhard Su­ phan, Bd 16, Berlin 1887, S. 230. Einen Überblick über die wichtigsten Emblembücher gibt Albrecht Schöne in: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock, S. 17–25 und S. 226–231. Die wichtigsten Embleme sind verzeichnet in: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, hg. von Arthur Henkel und Albrecht Schöne, Stuttgart 1967. Allegorie = Versinnbildlichung eines Begriffes, daher der umgekehrte Vorgang wie beim Em­ blem, bei dem es um die Deutung eines vorgegebenen Bildes geht. Das Symbol hat keine abgegrenzte Bedeutung. Es öffnet, da ihm die Subscriptio fehlt, einen unendlichen, immer wieder neu erfahrbaren Bedeutungsspielraum. Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Teil, S. 58. – Auch Hans Sedlmayr weist darauf hin, dass die barocke Theorie zwischen Symbol, Allegorie und Emblem keinen Unterschied macht. Er spricht in die­ sem Zusammenhang nur von Symbolik. (Sedlmayr, Hans: Kunst und Wahrheit. Zur Theorie und Methode der Kunstgeschichte. (= Rowohlts deutsche Enzyklopädie, hg. von Ernesto Grassi, Sachgebiet Kunstgeschichte, Nr. 71). Hamburg 1958, S. 178, Fußnote 1)



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Abb. 15: Emblem mit der Inscriptio „Gift wird aus Gold getrunken“. (Aus Albrecht Schöne: Emblemata. Stuttgart 1967, Sp. 1400  f)

spielte eine eher untergeordnete Rolle. Ihrem Publikum wäre wohl auch der Sinn dieser gelehrten Andeutungen entgangen. Außerdem wollte die Wan­ derbühne nicht belehren, sie wollte das dramatische Geschehen in einer zu­ fälligen, isolierten Spannungssphäre halten und ihm keinen beispielhaften belehrenden Charakter aufdrängen.32 Deshalb finden sich in der „Liebes Verzweiffelung“ nur zwei emblema­ tische Bezüge, die auch demjenigen verständlich werden, der das dazugehö­ rende Emblem nicht kennt. In der Rede des Cassianus heißt es (I/7): O vergüldeter Drache, in welchem das Gifft der Ungnade zu meinem Verderben verborgen liegt. Das entsprechende Emblembild zeigt einen Goldpokal mit einer Viper und der Subscriptio: Ein Napf aus Holz oder Kork ist das kostbare Gefäß des armen Hirten in seiner Hütte, woraus er das klare Wasser trinkt, und es entgeht ihm nicht, wenn einmal irgendein giftiger Wurm darin schwimmen sollte. Mag der Wurm auch sehr dick sein: den Reichen, der den Wein aus deutschen Kelchen trinkt, zieht der Widerschein des Goldes so sehr an, daß er seinen Tod darinnen nicht bemerkt.33 Martin will mit diesem Emblem andeuten, dass sich Cassianus von Evandra verraten fühlt, dass er sie als Gift seiner Seele empfindet. Cassianus überträgt den Sinn des Emblems auf seine weiteren Rachepläne: … durch

32 33

Vgl. dazu Schöne: Emblematik und Drama, S. 122. Juvenalis, Satirae X. 25  ff; Seneca: Thyestes 453. – Emblemata, hg. von Arthur Henkel und Albrecht Schöne, Sp. 1400–1401.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Medea-Kunst wil ich alß ein Jason deine Grausamkeit mit einem Schlafftrüncklein der Rach entschläffern. Aber lang soltu schlaffen, als Endimion, indem du nicht mehr erwachen solt! (I/7) Auch der Ausdruck Bellona (I/1) verbirgt ein Emblem, obwohl Bellona ganz einfach auch als Name der römischen Kriegsgöttin verstanden werden kann. Nur im Zusammenhang der Rede Frondalpheos, die den Krieg Cretas gegen Epiro als ungerecht darstellt, verrät sich der emblematische Charakter. Die beiden überlieferten Emblem-Bilder zeigen die Kriegsgöttin Bellona mit ver­ schiedenen Waffen: Das eine Mal kämpft sie mit Waffen und Gold: Sieh, wie die wilde und höllische Bellona, die mit Feuer und Blut die ganze Welt verheert, ihre Gestalt mit zwei verschiedenen Metallen umgibt! Und ihr stolzes Herz verkündet, daß sie jegliches Gesetz der Menschlichkeit durchbricht im Vertrauen darauf, daß sie – wenn ich nicht irre – mit dem Gold mehr Unheil als mit dem Eisen anrichten wird. [Aus Ovid: Metamorpho­ sen I/142] Auf dem anderen Bild trägt sie an Stelle eines Schwertes einen Narrenstab, als sie es wagt, mit Minerva, der Weisheits- und Kriegsgöttin34, zu kämpfen: Bellona nahm eine Narrenkappe, als sie es wagte, mit Minerva zu kämpfen; anstelle eines Schwertes nahm sie einen Narrenstab. Schnell aber wurde sie gefangen genommen. – Schlechter Rat in irgendeiner Angelegenheit schwächt Fürsten und Könige und stürzt sie ins Unglück. Minerva verleiht den Monarchen Tapferkeit, die tolle Bellona wird bald entwaffnet. Auf der Welt gibt es kein gefährlicheres Ungeheuer als eine Törin in Waffen. [Aus Guillaume de La Perrière: Le Theatre des Bons engins, Nr. 99] Übertragen auf die „Liebes Verzweiffelung“ bedeuten die beiden Embleme, dass Creta aus purer Gewinnsucht das Land Epiro überfallen hat, dass seine Machthaber jedoch von Toren schlecht beraten waren.35 In der Kapuzinerchronik des Romuald von Stockach wird betont, dass Laurentius seine Werke mit Emblemen reich ausgeschmückt habe: Poemata elegantibus aerescripturis et emblematibus, ingenio, et sale redundantibus exornavit.36 Tatsächlich ist es kaum möglich, die vielen emblematischen Bezüge aufzude­ cken, die sich im späteren Sprachstil des Dichters verbergen.

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Minerva wurde in alter Zeit auch mit Athene gleichgesetzt. Schöne, Albrecht: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhun­ derts, hrsg. von Arthur Henkel und Albrecht Schöne. Stuttgart 1976, Sp. 1739–1740. Übersetzung: Die poetischen Werke schmückte er mit geschmackvollen Kupferstichen und einer Überfülle von geistreichen Sinnbildern, er versah sie sogar mit Liedern und Musiknoten für Instrumente und Gesang. (Historia Provinciae, S. 324)



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Abb. 16: Emblem mit der Inscriptio „Bellona von Minerva zu Boden geworfen“. Kluge Tapferkeit überwindet die kriegswütige Unvernunft. (Aus Albrecht Schöne: Emblemata. Stuttgart 1967, Sp. 1739–40)

Es wäre Gegenstand einer eigenen Untersuchung, die mannigfachen emble­ matischen Bezüge aufzuzeigen, die in allen späteren Werken Martins eine we­ sentliche Komponente seines Sprachstils darstellen. Die wenigen Beispiele aus der „Liebes Verzweiffelung“ beweisen jedenfalls, dass sich der Dichter schon in seiner Jugend mit der emblematischen Literatur seiner Zeit befasst hat.

Symbol und Vergleich Martins Schauspiel unterscheidet sich vom Sprachstil anderer Wanderbüh­ nendramen wesentlich darin, daß es reich an Vergleichen ist, die der Welt um ihn herum entnommen sind. Der spätere Dichter Laurentius flicht solche Vergleiche auch in seine gedruckten Alterswerke ein und schafft sich damit ein besonderes Stilmittel, das ihn von anderen Barockdichtern unterscheidet. Die Vergleiche in der „Liebes Verzweiffelung“ beziehen sich auf

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Dinge des Alltagslebens: Die zarte Jugend wird in ihrer Wiegen begraben (I/8) Die Liebe zwischen mir und meiner Schwester ist eine gespannte Schnur. Wie weiter man mich von ihr drucket, ie harter wird die Schnur gespannt, also zwar, daß sie mir entlich mein Hertz durchschneiden wird. (I/2) oder auf Naturmächte: das Meer – Ich hette mir eher eingebildet, daß das Meer solte trucken werden, alß daß ich auff Erden euch noch einmal sehen würde. (V/10) den Schnee – Mein Gewißen war zuvor alß der Schnee, ietzt aber mit schwartzen Flecken besudelt. (V/1) oder Sterne – Diese Hirtin scheinet alß der güldene Abendstern. (II/5) Auffallend oft begegnet der Vergleich mit der Sonne als der lebenspendenden hellglänzenden Macht: Amoena, … du bist ein armes scheinendes Nachtwürmlein gegen dieser hellgläntzen­ den Sonnen. (II/6) Komm, Freundin meiner Seel, und meiner Augen Sonne! (V/12) Evandra … ist meine Sonne, ohne welche meine Seele in Finsternus wandelt. (I/2) Ehe hette ich geglaubet, Sonn und Mond solten ihren Glantz verlihren … (V/10)37 Dagegen wird durch Vergleiche mit Blitz und Donner die Hilflosigkeit des Menschen gegenüber einem übermächtigen Geschehen angedeutet: O erschrecklicher Donnerschlag auff mein geängstichte Brust. (I/2) Die Liebe zur Jagd vergleicht Martin mit jener zu einer Jungfrau: Wer eine Jungfrau liebet, dem scheinet alles an ihr schön zu seyn, und so ist es mit der Jagt. (IV/4) Aus der Alltagssprache stammt das Bild: mit der langen Nasen abziehen = den kürzeren ziehen, sich blamieren. (I/7) Tiere bedeuten für Martin das beliebteste Vergleichsobjekt.38 Jedes Tier steht in einem bestimmten Bedeutungsbereich, der durch den Vergleich mit den Eigenschaften des betreffenden Tieres verdeutlicht wird. Diese Eigenschaf­ ten sind dem Tier tatsächlich eigen und müssen nicht erst hineingedacht wer­ den. Das Wesen des Tieres wird dabei nicht vermenschlicht oder auf das vor­ gegebene Schema einer einzigen allgemeinen Eigenschaft reduziert, wie es 37 38

Vgl. dazu auch „Futer über die Mirantische Maul-Trummel“, XII. Elegie, Str. 20, S. 239: Und die Gerechte immerfort / Wie Sonnen / werden gläntzen dort. Über die Tiere in der „Maul-Trummel“ siehe Gstach, Ruth: Mirant, Komödiant und Mönch, S. 364–365.



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im Märchen mit dem „bösen“ Wolf, dem „schlauen“ Fuchs, dem „scheuen“ Reh geschieht. Eine Sonderstellung nimmt dabei das Symbol der Taube ein. Es findet sich in fast allen späteren Werken des Dichters Laurentius von Schnüffis und steht für weibliche Anmut und Reinheit: Im „Flötlein“ nennt der göttliche Daphnis seine Freundin Clorinda seine Daube39, und in der „Mayen-Pfeiff“ wird die Muttergottes als edle Taub, Freuden-Taub, reine Taub bezeichnet.40 Die Emblematiker sahen die Taube als Symbol für ein friedlich-sanftes, treues und fürsorgliches Verhalten.41 Der Widerspruch zur Realität in der Natur störte nicht einmal den mit den biologischen Gegebenheiten vertrau­ ten Dichter Johann Martin, denn das Emblem wie auch das Symbol galt als vorgegebene Größe einer anderen, geistigen Realität. Es bedeutete viel mehr, als es darstellte; Harsdörffer spricht von der Seele des Sinn-Bildes. Das Bild der Turteltaube hingegen steht für Schmerz und Verlust und muss eine weit zurückreichende Tradition gehabt haben, denn auch ­Shakespeare verwendet es in der letzten Szene seines „Wintermärchens“ (V/3, S. 101). Die treue Pauline nennt sich dort eine alte Turteltaube – schwing mich auf einen dürren Ast und weine um meinen Gatten, der nie wiederkommt, bis ich gestorben bin. In der „Liebes Verzweiffelung“ nennt sich Frondalpheo einen Habicht, der seiner Tochter, dem betrübten Turteltäublein, die Freude entführt habe (IV/1). Die einsambe Turteltaube, das süße turtelteublein begegnet auch in dem Wander­ bühnenspiel „Romio und Julieta“42 und hat dort dieselbe Bedeutung wie in der „Liebes Verzweiffelung“: Es ist das Sinnbild des einsamen Mädchens, das dem Schmerz hilflos preisgegeben ist. Die thematische Verbindung mit dem Habicht begegnet auch im „Philotheus“-Roman: Weine, zartes Turtl-Täublein! Such dir einen dörren Ast /  Wein’ / als wann dein liebes Weiblein Von dem Habbich wer gefaßt.43 Und in der „Comoedia genandt Der flüchtige Virenus oder Die getreue Olympia“ (I/7) beweint Olympia ihren Freund, welchen mir ein grimmiger Habicht entführet.

39 „Flötlein“, III. Teil, 7. Elegie, S. 292 und S. 298 (Str. 15) 40 „Mayen-Pfeiff“, III. Teil, 1. Elegie, Str. 7–9, S. 226. 41 Schöne: Emblematik und Drama, S. 121. 42 „Romio und Julieta“, I/2 und III/1 und IV/6. (Ausgabe Cohn, Sp. 315, 347 und 383) 43 „Philotheus“, S. 121 (Deß Miranten Traur-Lied über den unzeitigen Todt deß noch zart-blühenden Daphnis, 4. Strophe).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Im „Mirant“ überträgt Laurentius diese Symbolik der Turteltaube auf eine religiöse Ebene: Lehrne von dem Turtel-Täublein die Betrübtnuß deines Hertzens nit in der Gemeinschafft dern Menschen / sondern in der Einsamkeit auf denen dörren Aesten deiner Trostlosigkeit / in denen Stein-Rizen deiner Verlassenheit gegen dem Himmel auszugiessen.44 Eine besondere Vorliebe zeigt Martin für den Vergleich mit dem Pferd. Es soll die Wildheit und Unbezähmbarkeit der Liebesleidenschaft verkörpern: Die Liebe ist wild und läst sich in vollem Trab nicht zäumen. (I/1) Ein wildes Pferd kan ia in dem Zaum gehalten werden, warumb nicht dieser Printz. (I/1) Ein wildes Pferd fühlet den Zaum und Spohren, wird von vielem tummeln müde. Aber ein liebender empfindet keinen Spohren der Gefahr, wird in der Liebe nicht einmal müde. (I/1) Solte mir dieses wiederfahren, ich wolte lieber wie unser Pferd beschnitten seyn und aller Jungfern verschonen. (I/7)45 Haustiere wie Schwein, Esel oder Hund versinnbildlichen meist negative Be­ griffe und niedrige Gefühlsbereiche, z.  B. Damon: Du ungeschlieffener Esel (I/11) Myrandon: Hat iemahls Phaleris eine so grausame Tyranney verrichtet, alß dieser Bluthundt an meiner Seelen. (II/3) Dymas: Ich bin so sehr in meine Schwester verliebt alß wie ein hungriger Hund in einen fetten braden. (II/9) Myrandon: Sterbe, verfluchter Hund … (III/2); Ihr verfluchten Hunde! (III/8). Den Käfer in dem Roßdreck (III/5) nennt der Tölpel Dymas als Beispiel für seine unbezwingbare Liebessehnsucht. In einen positiven Vergleichsbereich führen schöne und dem Menschen liebenswürdige Tiere, z.  B. das arme scheinende Nachtwürmlein, mit dem sich Amoena gegenüber der hellgläntzenden Sonnen des Prinzen vergleicht (II/6). Martin zeigt also schon in seinem frühen Sprachstil jenen Hang zur Volks­ tümlichkeit, die ihm für seine späteren Werke ein so breites Lesepublikum si­ cherte. Die allgemeine Aussage wird in ein dem Menschen bekanntes, seiner Empfindung nahes Bild gedrängt. Der abstrakte Begriff wird damit zu einer 44 „Mirant“, 27. Kap. (Ausgabe Thurnher, S. 126) 45 Anstelle dieses Beispiels wird in der Wiener Handschrift das dem Stadtmenschen näherlie­ gende Bild des Capaun (= verschnittener und gemästeter Hahn) genannt. Das für Martin typische Gleichnis vom Pferd begegnet auch in der „Maul-Trummel“, Subscrip­ tio unter dem Kupfer, S. 92: Wie wilde Pferd, die ohne Zaum / Ist die Begierd zu leiten kaum.



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lebendigen Erfahrung, welche die dramatische Wirklichkeit in die Realität hineinschmilzt. Diese erweist sich dadurch als eine gemeinsame, bewusst als unvollkommen erlebte Welt, in der sich Komödiant und Publikum begegnen und verstehen können.

Das Echo „Liebes Verzweiffelung“, Szene V/3, und im Amoena-Lied II/4. Rodiman begibt sich in den Wald, weil er den Jammer Myrandons nicht länger anhören kundte, und findet sich in der lustigen Gegend etwas beßer getröst alß zuvor. Das liebliche Schlagen der Nachtigal und das fröliche Singen der Amsel, das Zephyr-Windlein und der Schatten der Bäume zaubern Rodiman den Schauplatz Arcadia vor, die Heimat der Nymphe Echo. Rodiman ruft sie mit den Namen Galathé, Sylvia, Echo.46 Das ursprüngliche Echo-Motiv wird also im Barock auf verschiedene griechische Naturgottheiten übertragen. Im Barock wird das Echo-Motiv zu einem manieristischen Stilmittel, indem der menschlichen Liebessehnsucht in der Einsamkeit des Waldes eine lebende Stimme beigesellt wird, die meist die Erfüllung des ausgesprochenen Wunsches verheißt. Oft erklingt das Echo unverhofft und selbständig, in Martins Werk – auch im „Philotheus“, im „Flötlein“ und in der „Mayen-Pfeiff“47 – wird es vom Liebenden aufgefordert, ihm zu helfen oder das Schicksal seiner Liebe zu prophezeien. In dem Wanderbühnenstück „Der flüchtige Virenus oder die getreue Olympia“ (III/6) verbirgt sich Olympia und täuscht Creonte, dem Prinzen aus Ägypten, das Echo auf seine Fragen vor. In der „Liebes Verzweiffelung“ wiederholt das Echo die Endworte oder –silben des Fragenden (hab – hab, liebet – liebet) oder es erfindet phonetisch gleichlau­ tende Wörter, die die nächste Frage bestimmen: Arcadia – ja, Feldern – Wäldern, seyn – nein, Heynen – weynen, Thier – ihr, Galathe – he, Galathe – geh (V/3). 46

Die Nymphe Echo war mit dem Verlust ihrer Sprache bestraft worden, weil sie Hera einst mit langen Geschichten unterhielt, damit die Konkubinen ihres Gatten Zeus, die Bergnymphen, Zeit finden sollten, sich vor der Eifersucht Heras zu verbergen. Seither konnte Echo nur die Rufe anderer nachäffen. Galatea, die Gattin Pygmalions, war das lebendige Abbild Aphrodites. – Die antike Mytholo­ gie kennt keine Sylvia; das Barock schuf sich diese Nymphe aus dem Namen des Waldgottes Sylvanus. 47 „Philotheus“, S. 162–168; „Mirant“, Kap. XXIV (Thurnher-Ausgabe, S. 108–112); „Flötlein“, II. Theil, 2. Elegie, Strophen 6–15, S. 114–117; „Mayen-Pfeiff“, III. Theil, IX. Elegie, Strophen 6–18, S. 313–319.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Durch seine Aufforderungen: Schafft! Geh! Finde! weist es Rodiman den Weg zu seinem Glück, denn die Antwort der Nymphe Echo gilt dem Fragenden als Orakel. Wie in den späteren Werken des Dichters wird auch in der „Liebes Verzweiffelung“ durch das Rufen der kläglichen Stimm48 jene Person herbei­ gelockt, die alles Unglück zu wenden imstande ist. Martin hält also in sei­ nen Echo-Spielen die Verbindung zur dichterischen Realität aufrecht; das Echo-Motiv hat bei ihm nicht nur dekorativen Wert wie bei vielen anderen Barockdichtern, sondern er stellt es in einen funktionellen Zusammenhang innerhalb des dichterischen Kontexts. Im Lied Amoenas (II/4) formt Martin das Echo aus zwei gleich hohen Tönen, die melodisch und rhythmisch den Nachhall zu den vorhergehenden Tönen bilden, während auf der Sprach­ ebene die Aussage Amoenas durch die Worte des Widerhalls vervollständigt wird. Das Echo-Motiv als dichterische Gestaltungsmöglichkeit reicht bis Ovid zu­ rück, im dekorativen Stil des Barock findet es zu neuer Blüte. Schon 1602 waren im Liederbüchlein des Paul von der Älst drei Echo-Lieder veröffent­ licht worden.49 Harsdörffer übersetzte einen spanischen Nymphenchor mit Widerhall50, und Opitz übernahm aus der französischen Dichtung die Tech­ nik des Echo-Liedes.51 Als Ausdruck der göttlichen Liebessehnsucht wurde das Echo-Motiv besonders durch Spees „Trutznachtigall“ berühmt52 und von Laurentius auf ähnliche Weise in seine späteren Werke übernommen. Die göttliche Liebe, nach der der Gottsuchende in der Einsamkeit ruft, verhüllt sich zuerst in die Stimme des Echos und gibt sich später als der ersehnte Daphnis („Flötlein“) oder als Olympia, die personifizierte Liebe Gottes („Philotheus“) und als Gottesmutter Maria („Mayen-Pfeiff“) zu erkennen. Die Echo-Antworten sind nicht wie bei Spee mit den zuletzt vertönenden Worten des Rufers identisch, 48 „Liebes Verzweiffelung“, V/4: [Evandra] Alidea, diese klägliche Stimm muß in dieser Gegend seyn. Wer mag doch ein so großes Anliegen in dieser Wüsteney haben? 49 Siehe Weimarisches Jahrbuch, hg. von Hoffmann von Fallersleben und Oskar Schade, Bd II. Hannover-Weimar-Amsterdam 1855, S. 320–356. 50 Harsdörffer: Gesprächsspiele, IV. Theil (= Deutsche Neudrucke, Bd 16), 1968, S. 115–119. 51 Martin Opitz: Teutsche Poemata. Abdruck der Ausgabe von 1624, hg. von Georg Witkowski (= Neudrucke deutscher Literaturwerke des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Nr. 189–192). Halle 1902, S. 139 (Gedicht Nr. 135). – ebenso Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, hg. von Hermann Oesterley (= Deutsche National-Literatur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 27). Berlin-Stuttgart 1889, S. 8–9. 52 Friedrich von Spee: Trutz-Nachtigal, hg. von Gustav Balke (= Deutsche Dichter des sieb­ zehnten Jahrhunderts, hg. von Karl Goedeke und Julius Tittmann, Bd 13, Leipzig 1879, S. 8–18, Lied Nr. 4: Spiel der Gesponß Jesu mit einer Echo oder Widerschall; und Nr. 5: Anders Liebgesang der Gesponß Jesu, darin eine Nachtigal mit der Echo oder Widerschall spielet.



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sondern sie bedeuten im „Flötlein“ eine Anleitung, den göttlichen Hirten zu finden:

Wer kan vom Geist-auffgeben Mich retten dann? Ach wer! Echo antwortet: Er.



Ach was kan doch beschönen Mein Eyd-gebrochne Treu? Echo antwortet: Reu.



Wann werd’ ich dann geniessen Des Daphnis Gegenwart? Echo antwortet: Wart’.53

Im „Philotheus“ bereitet die Stimme der Nymphe Echo den Gottsuchenden auf die mystische Vereinigung mit der Liebe Gottes vor.54 In der Erfüllung dieser höchsten Glückseligkeit verstummt der Mensch, die Echostimme gibt sich als Liebe Gottes zu erkennen; sie übernimmt nun den Redepart, während Philotheus in der Funktion des passiven Nachhalls verharrt. Durch dieses Vertauschen der Rollen gelingt es dem Dichter, die innige Wechselbeziehung zwischen Mensch und Gott poetischer und überzeugender darzustellen, als dies z.  B. Gottfried Arnold55 durch ein direktes Aussprechen möglich ist. Formal war das Echo auf ein- bis drei Silben festgelegt, doch durfte die Silbenzahl innerhalb eines Gedichtes nicht geändert werden, weil es der Natur nicht gemäß / daß ein Echo einmal mehrsylbig antwortet / als das andere Mahl.56 Martin verwendet in seinen Werken das einsilbige („Philotheus“ und „Flötlein“) und das dreisilbige („Mayen-Pfeiff“) Echo. Die „Liebes Verzweiffelung“ hält sich nicht an die Regel Harsdörffers; Echo antwortet hier ein- oder zweisilbig, und zwar in unregelmäßigem Rhythmus. Die dramatische Dichtung des Barock fand im Echo-Motiv ein beliebtes und wirkungsvolles Effektmittel, das sich nach dem italienischen Muster von Guarinis „Pastor Fido“ formte und die idealisierte Wirklichkeitsferne 53 „Mirantisches Flötlein“, II/2, Strophe 9, 12 und 13, S. 115–116. 54 „Philotheus“, S. 162–166: Philoth fraget Olympia einer Liebe Gottes bey dem Widerhall nach / wird von derselben beantwortet / und verzucket. S. 167: Philoth falt vor Lieb in Ohnmacht / welche die Liebe Gottes selber bedienet / und vil Himblische Frewde zeiget sprächende … 55 Gottfried Arnold: Die seele erquicket sich an Jesu. Aus: Göttliche Liebes-Funcken. Franckfurt am Mayn 1698. Zitiert nach Schöne: Zeitalter des Barock, S. 238. 56 Harsdörffer: Poetischer Trichter, 9. Stunde, § 13, S. 42.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

des deutschen Schäferspiels noch intensiver erleben ließ. Auch Opitz fügte seinem Singspiel „Dafne“57 ein Echo-Lied ein.  – So wie das Echo schon im englischen Schauspiel „Old Fortunatus“ von Thomas Dekker (gedruckt 1600) als Fortuna begegnet, hat es auch im deutschen Wanderbühnenspiel seinen Platz. In der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630 findet es sich in der „Comoedia und Macht des kleinen Knaben Cupidinis“; in die Umarbeitung von Tas­ sos „Aminta“ wurde zusätzlich eine Echoszene eingefügt (I. Akt, 3. Szene – Im Original fehlt die Echoszene). Auch im heute nicht mehr auffindbaren Wanderbühnenstück „Die Standhaffte Genoveva“ soll das Echo der weiblichen Hauptperson Genoveva geantwortet haben.58 Eine Echo-Szene gibt es auch im „Tugend- und Liebesstreit“ (II/4) und in der „Tragi Comoedie“ (V/3) aus der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630. Die „Comoedia betitult Der Flüchtige Virenus Oder die Getreue Olympia“ (Regensburg 1687) spielt mit dem Echo-Motiv, in­ dem sich in Szene III/6 die verkleidete Prinzessin Olympia verbirgt und als unsichtbares Echo auf die Fragen des Prinzen Creonte antwortet. Als neue Variation des Echospiels gibt sich hier die verborgene Stimme nach und nach zu erkennen, und Olympia zeigt Prinz Creonte den Weg, wie er seine über alles geliebte Prinzessin Asteria für immer an sich binden kann. Der spielerische Charakter des Echospiels bildete einen reizvollen Kontrast zu der eher schwerfälligen und düsteren Lebensstimmung in den deutschen Schauspielen. Im Kunstdrama war das Echo jedoch ausschließlich dem Schä­ ferspiel vorbehalten, in den Trauerspielen eines Gryphius oder Lohenstein ist es undenkbar. Sehr beliebt waren Echo-Arien in Oratorien, z.  B. in der 4. Kantate des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach (1685–1750), oder in den Werken des Barockkomponisten am Salzburger Erzbischöflichen Hof, Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704). Im Salzburger Dom wurden für Echo-Effekte die Musiker auf vier gegenüberliegenden Erkern plaziert. Gottsched nennt das Echo unnatürlich und abgeschmackt, denn wer wird in einen Wald hintreten, um einen fertigen Vers so laut abzulesen, daß ihm das Echo antworten könne! Er billigt es höchstens dem Lied zu: Obwohl ich nun diese Erfindung an sich nicht verwerfe, so kömmt mir doch dieses etwas zu gezwungen vor.59

57 58 59

Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, hg. von Hermann Oesterley (= Deutsche Natio­ nal-Literatur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 27). Berlin-Stuttgart o.  J., S. 61. Tagebuchaufzeichnung des Herzogs Ferdinand Albrecht I. vom 11. Oktober 1680. (Zimmer­ mann: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, S. 146.) Das Wanderbühnen-Manuskript ist verschollen. Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Abschnitt, II. Hauptstück: Von Ringel­ oden, Sechstinnen etc., S. 706–707.



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Wie die Allegorien, so entsprach auch die Spielerei mit dem Echomotiv nur eine kurze Zeit dem Geschmack des Publikums. Mit dem Verstummen der Schäferdichtung wurde auch das Echo von den Bühnen verdrängt.

Verse Martin hat, nach Art aller anderen Wanderbühnendramen und im Gegen­ satz zum Kunstdrama etwa eines Gryphius sein Schauspiel in Prosa ver­ fasst. Johann Rist hält die ungebundene Rede für Komödien angepasster, weil man dabei freyere Gebehrden gebrauchen kan und weil sich der Komödiant besser über Stellen retten könne, an deren vorgegebenen Text er sich nicht erinnere.60 Schon die englischen Komödianten hatten alle von Shakespeare übernommenen Blankvers-Dramen in Prosa aufgelöst, und auch die Origi­ nalspieltexte z.  B. eines Gryphius oder Lohenstein wurden auf der deutschen Wanderbühne in Prosa umgesetzt, da man solche Stücke in Versen nicht mehr sehen wolle, zumal sie gar zu ernsthaft wären und keine lustige Person in sich hätten.61 Erst um 1730 wurde auf der Wanderbühne auch das Versdrama eingeführt.62 Jedoch schon in den frühesten englischen Wanderbühnendramen wur­ den die Szenenschlüsse durch gereimte Verse hervorgehoben. Die deutschen Komödianten übernahmen diese wirkungsvollen Abgänge, zumindest aber wurde der Schluss des Spiels durch Verse dem Publikum eingeprägt. Diese typische Eigenart des Wanderbühnendramas zeigt sich auch in Martins Bühnenstück: Sieben Szenenschlüsse, die sich seltsamerweise alle auf das erste Drittel des Schauspiels verteilen, sind durch zwei oder vier Verszeilen wirkungsvoll hervorgehoben: Myrandon I/1 (4 Verszeilen) Evandra I/4 (2 Verszeilen) Evandra I/8 (2 Verszeilen) Cassianus I/10 (2 Verszeilen) Rodiman II/5 (4 Verszeilen) Amoena II/6 (4 Verszeilen) Amoena II/10 (4 Verszeilen). 60 Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Aprilens-Unter­ redung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 311–312. 61 Gespräch des Prinzipals Hoffmann mit Gottsched in Leipzig. (Vorrede Gottscheds zum „Sterbenden Cato“. In: Kürschners deutsche Nationalliteratur, Bd 42, S. 43  f) 62 Vgl. Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 307: Am Ende dieses Zehends [1730] hatte die Neuberische Bühne, auf mein Anrathen, den Anfang gemachet, Trauerspiele in Versen, als den Cid, den Cinna, meine Iphigenia, die Berenice u.a.m., hier und in Braunschweig aufzuführen. Sie fanden damit bald großen Beyfall, und dieß gab zu der neuen Verbesserung der deutschen Bühne die erste Gelegenheit.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die ersten fünf dieser Szenenschlusszeilen folgen einem Versmaß, das auch in Martins „Ehrengedicht“ an Erzherzog Sigismund Franziscus aufscheint und das der Dichter nach seinem Abschied von der Welt nur noch ein einziges Mal angewandt hat, und zwar in dem an Evadne gerichteten Gedicht, das die Ursache für den Hass der Hofdame wird.63 Es ist der im Barock so beliebte Alexandriner, der auch in den übrigen Wanderbühnendramen das übliche Versmaß für Szenenschlüsse und Liedeinlagen bildet. Die obligate Pause nach dem dritten Takt ist in den Versen der „Liebes Verzweiffelung“ nicht immer eingehalten: vgl. z.  B. Rodiman (II/5): Nun heute diese Nacht soll Rodiman vergeßen … Die Kola, die natürlichen Worteinheiten, setzen in diesem Fall den kleinen Einschnitt anstelle der Pause. Der Alexandriner war im 16. Jahrhundert mit der französischen Renais­ sance-Dichtung nach Deutschland gedrungen. Das 17. Jahrhundert fand in ihm das beliebteste Versmaß, weil es der Neigung des Barockdichters entge­ genkam, Gedanken in Gegensätzen auszudrücken. Der Aussage der ersten drei Takte wurde in den nächsten drei Takten ein Kontrast hinzugefügt: z.  B.

Was mir das Glück da nimbt, das gibt es wieder dort. Drumb eyl ich durch den Todt zu meiner Liebsten fort. [Evandra, I/4]64



Mach mich der Sorgen loß, ein süße Ruh mir schaff, Daß meine Seel in dir, o werther Printz, entschlaff. [Evandra, I/8]



Der Anfang ist sehr gut, so wird das Ende schließen, So muß ihr ungenad ein stoltze Dame büßen. [Cassianus, I/10]

Die Beispiele zeigen, dass die Regel des Gegensatzes nur auf die erste der beiden Verszeilen zutrifft, die vierzeiligen Alexandriner der „Liebes Verzweiffelung“ beachten sie überhaupt nicht. Auch die Alexandriner-Verse anderer Wanderbühnendramen beachten kaum diese Regel des Gegensatzes; vgl. z.  B. die Schlussverse aus „Der eyserne Tisch“:

Die schwartze unglücks Nacht ist nun vorbey gegangen, Die gülden Gnaden Sonn fängt wieder an zu prangen.

63 64

Glückseelig wer ich ja / wann du mich wurdest hassen … – „Philotheus“, S. 44–46. Ähnlich in den Schlussversen des Fürsten in „Romio und Julieta“ (Ausgabe Cohn, Sp. 403): Was hier der Himmel nimbt das kan er widergeben, Wir müssen sein bedacht dort vor das ewig leben. Zweizeilige Alexandriner-Schlüsse weist auch „Der bestrafte Brudermord“, I/7 und II/9, auf (Ausgabe Cohn, Sp. 257 und 273).



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   Daß Laster ist gestrafft durch Himmlische Gewalt,    weil meine Seufftzer sint den Himmel angeschalt. [seither zum Himmel   schallen] Durch nacht und durch gefahr ich auff den Thron bin kommen, Ob er schon wurde mir von Odoard benommen.    Verzey doch alles ihm zu einer wahren prob    der Sanfftmuth, die da ist der Fürsten gröstes Lob. Auffallend ist, dass die Alexandrinerstrophen in der „Liebes Verzweiffelung“, die mehr als zwei Zeilen umfassen, in den beiden ersten Versen immer weib­ liche Endsilben aufweisen. Dies lässt sich auch an den Alexandrinerversen anderer Wanderbüh­ nendramen beobachten, z.  B. im „Tugend- und Liebesstreit“65, im „Juden von Venetien“66, im „Bestraften Brudermord“67, im „Flüchtigen Virenus“68 oder in „Die gekröndte Schäfferin Aspasia“69. Die einzige Ausnahme dieser Eigenart zeigt Martins Spiel in den vier Verszeilen Myrandons in Szene I/2, die zuerst die männlichen und dann die weiblichen Endsilben aufweisen. Manche Wanderbühnenspiele („Die gekröndte Schäfferin“, „Romio und Julieta“, „Der flüchtige Virenus“ und auch die „Liebes Verzweiffelung“) geben am Schluss des Spiels noch einmal jedem Schauspieler die Möglichkeit, in einem Ab­ schiedsvers seine dramatische Funktion innerhalb des Spiels zu klären und sein Schicksal, seinem individuellen Wesen entsprechend, zu bewerten. Diese auf die einzelnen Darsteller verteilten Strophen umfassen in „Romio und Julieta“ und in „Die gekröndte Schäfferin“ je zwei Alexandrinerverse, die Endstrophe besteht aus vier Verszeilen; im „Flüchtigen Virenus“ sind je­ der Bühnenfigur vier Alexandrinerverse zugedacht, insgesamt sind es sechs Vierzeiler. In Martins Drama sind alle neun Schlussstrophen gleich lang, der drei­ taktige Rhythmus wird in acht Verszeilen kunstvoll variiert: Nun sind wir sorgen frey.    Die schwartzen wolcken weichen.    Das schröcklich Wetterleuchten 65 „Tugend- und Liebesstreit“, Szenen I/2, III/3, III/4 (Ausgabe Creizenach, S. 84, 101 und 124). 66 „Jude von Venetien“, Schluss des Spieles (Ausgabe Meissner, S. 189). 67 „Der bestrafte Brudermord“, Szene V/6 (Ausgabe Cohn, Sp. 303). 68 Comoedia Betittult Der Flüchtige Virenus Oder die Getreue Olympia“ (Regensburg 1687), Schluss des Spiels. 69 „Die gekröndte Schäfferin Aspasia“, Szenen II/6 und V/5.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Und blitzen ist vorbey.    Der Himmel steht nun offen Und Phoebus gläntzet sehr.    Was ich niemahls kont hoffen, Das kombt mir ohngefähr. Diesem rhythmischen Schema folgt auch der Reim, der in den ersten vier Zeilen umarmend, in den nächsten vier Zeilen gekreuzt verläuft. Diese acht­ zeilige Strophe mit denselben Reimverhältnissen und denselben weiblichmänn­lichen Versschlüssen findet sich öfters in Martins späteren Werken, z.  B. im „Flötlein“ (I. Teil, VI. Elegie, S. 53–59), in der „Mayen-Pfeiff“ (I. Teil, I. Ele­ gie, S. 5–13; und II. Teil, V. Elegie, S. 155–163), ebenso in der „Wald-Schallmey“ (11. Schallmey, S. 341–350). Der Alexandriner bestimmte auch die Kunstdramen des Gryphius und Lo­ henstein, die zur Gänze in Versen verfasst sind: Weil die Gemüter eifferigst sollen bewegt werden / ist zu den Trauer- und Hirtenspielen das Reimgebäud bräuchlich / welches gleich einer Trompeten die Wort / und Stimme einzwenget / daß sie so viel grössern Nachdruk haben.“70 Die Reien, die die einzelnen Abhandlungen beenden, zeigen in den Gryphischen Trauerspielen jedoch sehr oft auch trochäisches Versmaß, z.  B. in „Catharina von Georgien“ am Schluss der ersten, dritten und vierten Ab­ handlung.71 Ebenso verwendet Martin in der „Liebes Verzweiffelung“ neben dem jambischen Rhythmus auch den vierhebigen Trochäus. Dieser fallende Rhythmus ist aber allein den Versen Amoenas am Szenenende II/6 und II/10 vorbehalten72: Wer nicht liebet, trotze nicht auff die große Liebesmacht, Wer die Lieb verspotten will, wird zum Sclaven gar gemacht.    Götter hat Amor gebracht in den süßen Liebesorden.    Dem ich zu gebieten hab, bin ich unterthänig worden. (II/6) Beidesmal handelt es sich um vier Verszeilen, von denen jede aus zwei Viertak­ tern besteht. Der erste Viertakter endet immer männlich, während die zweite Einheit am Schluss der vier Verszeilen jeweils zwei männliche und zwei weib­ liche Endungen aufweist. Der Reim folgt dem üblichen Schema a – a – b – b. 70 71 72

Harsdörffer: Poetischer Trichter, 2. Teil, S. 79. Gryphius: Gesamtausgabe, Bd VI, S. 163, 191, 206  f. Martin verwendet den Trochäus auch oft in seinen späteren Werken, z.  B. im „Mirant“, 5. und 24. Kap. (Ausgabe Thurnher, S. 25–26 und S. 101–106, ebenso im Echo-Lied und in „Mirant nimbt von seiner Poeterey Urlaub“, S. 108–117)



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Der vierhebige Trochäus findet sich  – allerdings viel seltener als der jambische Alexandriner – auch in einigen Wanderbühnendramen: In „Romio und Julieta“ ist er im Lied des Romio73, er wiederholt sich in den Schlussversen der beiden Hauptpersonen Romio und Julieta.74 Auch das Lied des Schäfers Philos in „Die gekröndte Schäfferin“ (Szene I/1) hat den vierhebigen Trochäus: Sonne, Laß dein Schirmend golt Diesen Tag noch ferner Prangen Bleib mit deinen güldnen Wangen Mir und meinen Schaffen Holdt.    Daß ich khan auf grünen Heyden    Alle meine Schäffgen Weyden. Kom du Silber weiße Schaar    die du weiche Wolle giebest, Unndt mit Unß den Frieden Liebest, Kom Herzue, bey Paar undt Paar.    Daß ich khan auf grünen Heyden    Alle meine Schäffgen Weyden. Der umarmende Reim von Zeile eins und vier erinnert hier an die Schluss­ strophen der „Liebes Verzweiffelung“. Es fällt auf, dass die trochäischen Verse in den Wanderbühnendramen vor allem als Lied gedacht waren und dass auch in Martins Drama nur die Verse Amoenas im Trochäus gehalten sind. Amoena hat also diese Schlussverse in Szene II/10 wohl gesungen. Das mit einer Melodie versehene Lied Amoenas in Szene II/4 zeigt teilweise auch den fallenden Rhythmus des Trochäus: 1. Daphnis ist mein gröste Freud, 2. Daphnis wendet alles Leyd. 3.    Bey den Schaffen 4.    darff ich schlaffen 5.   ohne Waffen. 6. Daphnis wacht vor mich und schützet meine Weyd. 73 „Romio und Julieta“, II/5 (Ausgabe Cohn, Sp. 339): Zwei Strophen zu je vier Verszeilen, die aus zwei Viertaktern bestehen. 74 „Romio und Julieta“, IV/6 (Ausgabe Cohn, Sp. 383): Sechs Strophen zu je sechs Verszeilen, bestehend aus vier Hebungen. Der Rhythmus ist jedoch sehr ungenau.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

7. Kein grimmigs Tiegerthier 8.    Find man auff meiner Heyd, ja auch kein Satyr hier                           (Echo) bey mir. 9. Ich kan mein Heerd ietz treiben aus und ein 10. Und bey den Lämmern sicher sein. In diesem Lied zeigt Martin schon den ganzen Formenreichtum seiner spä­ teren Zeit. Die Strophe zerfällt – im Hinblick auf den Rhythmus und die Reimverhältnisse – deutlich in zwei Teile. Die ersten sechs Verszeilen haben trochäischen Rhythmus, die Verse des zweiten Teils sind jambisch. Der ver­ änderte Rhythmus kündigt sich jedoch, auch in der Musik, schon in den Zei­ len drei bis fünf in ihren wichtigsten betonten Silben ‚Schaf-‘, ‚Schlaf-‘‚ ‚Waf-‘ an. Die sechste Zeile kehrt wieder zum deutlich fallenden Trochäus-Rhyth­ mus zurück, und erst nach dieser Verzögerung setzt sich in der siebten Zeile der Jambus durch. Der fallende Rhythmus des ersten Teils hat zwei Viertakter, drei Zweitakter und einen Sechstakter. Der steigende Rhythmus im zweiten Strophenteil zeigt in jeder Zeile eine andere Taktanzahl: es gibt einen Drei-, Sieben-, Fünf- und Viertakter. Die sechs Takte der achten Verszeile enden mit einem Echotakt. Dieser Strophengliederung folgen auch die Reimverhältnisse. Der tro­ chäische erste Strophenteil wird durch den umarmenden Reim a – a – b – b – b – a vom Paarreim c – c – d – d des zweiten Teils abgegrenzt. Diese Kombination von Paarreim / umarmendem Reim findet sich in Martins spä­ teren Werken sehr oft. Auch der asymmetrische Strophenbau, der ganz auf die Melodie von Sprache und Rhythmus abgestimmt ist, ist typisch für das spätere Schaffen des Dichters.75 Wie eindringlich Martin das Wesen der einzelnen Versmaße empfunden ha­ ben muss, zeigt sich darin, dass der wechselnde Rhythmus innerhalb einer Strophe immer auch inhaltlich begründet ist76, sei es in der „Liebes Verzweiffelung“, sei es im späteren Werk des Dichters. Im ersten trochäischen Teil jeder Strophe des Amoena-Liedes wird ein Bild gemalt; das passive ‚Erleiden‘ eines Zustandes bekommt in dem fal­ lenden Rhythmus etwas Schwerfälliges, ruhig Bestimmtes. Der Trochäus ist 75

76

Krasser (Laurentius von Schnüffis, S. 402) erklärt die auffallende Verkürzung einzelner Verse damit, dass anstelle der fehlenden Verse gehaltlich bedingte rhythmische Pausen treten. Das erweist sich jedoch nur in den seltensten Fällen als zutreffend, so dass die rhythmischen Pau­ sen kaum als strophisches Charakteristicum des Laurentius gewertet werden können. Krasser (Laurentius von Schnüffis, S. 403–404) nennt diese rhythmische Beweglichkeit … ein wesentliches Merkmal der Verskunst des Laurentius.



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dem Rhythmus des immer wiederkehrenden Alltags angemessen: Die erste Strophe bringt das Bild der ruhenden Amoena, während Daphnis,der gött­ liche Hirte, bei der Herde wacht. In den folgenden Strophen wird dieses Bild, das gleich einem Kupferstich aus dem „Flötlein“ anmutet, kunstvoll variiert. Der jambische Rhythmus des zweiten Strophenteils dagegen bringt Be­ wegung in dieses passive Bild: In der ersten Strophe ist es der Name des grimmen Tiegerthieres, des Satyrs, der die einsame Ruhe aufschreckt. Das Bild der ziehenden Herde wirkt ebenfalls als Bewegungsablauf. – Auch in den übrigen Strophen vermittelt der jambische Rhythmus in den letzten zwei Zeilen den Eindruck eines aktiven Tuns. Ruhe und Bewegung, Erleiden und Tun werden innerhalb der Strophe mit Hilfe des fallenden und steigenden Rhythmus einander gegenüber­gestellt. Dem eindringlichen Verweilen bei einem Bild folgt das weichere Ausschrei­ ten in ein bewusstes Tun. So wie die Musik des Laurentius in seinen späteren Jahren sehr oft gleiche oder ähnliche Motive verarbeitet und variiert, so zeigt sich auch in seinen Versen mehrfach diese Tendenz der Wiederholung. Die Abschiedsstrophe Myrandons in der letzten Szene (V/12) beginnt: Nun sind wir sorgenfrey.    Die schwartze Wolcken weichen.    Das schröcklich Wetterleuchten Und Blitzen ist vorbey … Ganz ähnlich verbindet sich die Vorstellung, wie Leid und Sorge sich in Freude verwandelt, im „Ehrengedicht“ an Erzherzog Sigismund Franz aus dem Jahr 1659: Nun seynd wir Sorgenfrey / vergangen ist das Leid /  Nach Regen Sonnenschein / nach Trauren komt die freud.77

Das mythologische Exempel Martin verzichtet in seinem Drama völlig auf das Zauberische und Wun­ derbare, das im Barockschauspiel einen so wichtigen Platz einnimmt.78 An­ statt der mythologischen Gestalten aus der deutschen Vorstellungswelt, der Hexen, Zauberer, Nixen, Zwerge, Feen, dekoriert Martin seine dramatische 77 78

Akrostichon, Zeile 15–16. Vgl. denselben Versrhythmus auch im „Flötlein“, III. Teil, 8. Elegie, S. 313: Die Lieb macht Sorgen-frey … Vgl. dazu Flemming, Willi: Das Wunderbare auf dem Barocktheater in Deutschland. In: Maske und Kothurn, 7. Jg, Graz-Köln 1961, S. 293–312.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Sprache mit antiken Götter- und Heldengestalten und mit historischen Ex­ empeln. Auch in seinen späteren Werken pflegt er diese typisch barocke sprachliche Eigenart und fügt dort etwa in gleicher Anzahl Beispiele aus der Bibel hinzu.79 Diese fehlen im dramatischen Werk vollständig, ebenso die vielen Hinweise auf literarische Autoritäten, die dem episch-lyrischen Werk des Laurentius einen allgemeingültigen Aussagewert verleihen sollten.80 Die antiken Exempel besitzen im Werk der Barockdichter nicht mehr jenen Wirklichkeitscharakter wie im Humanismus. Sie werden nicht mehr als ab­ solutes Vorbild gewertet, sondern nur als dekorative Chiffre für einen allge­ meinen Bedeutungsinhalt, die jedoch dem Poeten des 17. Jahrhunderts die funktionale Bewältigung des Stoffes wesentlich erleichtert. Die Liebe  /  der Neid / die Furcht / die Gewissensplage sind so mächtig in den Menschen / daß die Heyden solche für Götter und Beherrscher der Menschen Hertzen gehalten. Wir Christen lassen sie für Götzen gelten / nennen ihren Namen / und gebrauchen ihrer Gestalt … Weil ihre Vorstellung sich mit der Eigenschaft der Laster / und Lasterstrafen / artig gleichet: So ist mir wol erlaubt von dem Avernischen Reiche / von den Elyser Feldern zu sagen / aber ich muß sie nicht beschreiben / wie sie die Heyden beschrieben haben. – Die Gleichniß sey wie deß Blinden Stab / dardurch man ergreiffe / was man sonst nicht finden oder nennen kan.81 Die mythologischen und historischen Figuren stehen als allegorische Paradigmen für menschliche Begriffe und Verhaltensmöglichkeiten.82 Sie vertreten nicht eine reale Welt, sondern finden sich, gemeinsam mit der idea­ len Schäferei, in Arkadien, in einer Scheinwelt zusammen, in der sich gött­ liche und menschliche Existenz berühren: Echo leitet den Weg Rodimans im Wald, Satyre bedrohen die Hirten. Die Kenntnis der antiken Mythologie und Dichtung wird dem Barockdichter nicht nur zu einer Quelle des Wissens, mit dem er sein Werk ausschmückt und dessen Aussage begründet, sondern sie ist ihm notwendige Vorausset­ zung für jedes künstlerische Schaffen. Der Sprachgelehrte Martin Opitz hält es für verlorene Arbeit, im fall sich jemand an unsere deutsche Poeterey machen wollte,

79 80 81 82

Siehe Breuer, Dieter: Philotheus, S. 86. Siehe Harsdörffer: Poetischer Trichter, 2. Theil, S. 56: Hieher gehoeret / was von der alten Poeten Gedichten als geschehen angefuehret wird / und soll auch dessenwegen der Poet viel gelesen haben / und seine Wissenschafft schicklich einzuflechten wissen … Georg Philipp Harsdörffer: Frauenzimmer Gesprächspiele, V. Theil: Die Dichtkunst, Nürn­ berg 1645, S. 38–39. (Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, Bd 17, S. 150–151.) Siehe Windfuhr, Manfred: Die barocke Bildlichkeit und ihre Kritiker, S.  108.  – Ebenso Schöne: Emblematik und Drama, S. 114.



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der nebenst dem, daß er ein Poeta von Natur sein muß, in den griechischen und lateinischen Büchern nicht wohl durchtrieben ist und von ihnen die rechten Griffe gelernet hat.83 Die Fülle mythologischer Anspielungen, die in der „Liebes Verzweiffelung“ und in den übrigen Werken des Laurentius begegnen, kennzeichnen Martin als belesenen Dichter.84 Urs Herzog und Dieter Breuer halten ihn für einen geschickten Exzerpisten, der die vielen Promptuarien, Symbolsammlungen und Exempelbücher seiner Zeit für das gelehrte Geschäft des Dichtens benutzt habe.85 Dass Martin, besonders in der Verwendung literarischer Zitate, völlig ohne solche enzyklopädische Hilfsmittel arbeitete, ist wohl nicht anzuneh­ men. An einigen Stellen in der „Liebes Verzweiffelung“ zeigen sich Häufungen von mythologischen Vergleichen, die die Benützung solcher thematisch ge­ ordneter Compendien vermuten lassen.86 Doch beweist Martins Schauspiel auch, dass die griechische Sagen­ welt seinem Gedächtnis in großem Umfang zur Verfügung standen, denn welcher Wanderbühnenautor hätte sich in einer Zeit, da nicht die Sprache, sondern die dramatische Spannung zählte, die Mühe gemacht, zutreffende mythologische Exempel in solcher Vielfalt, wie sie bei Martin auftreten, aus Exempelbüchern herauszusuchen. Dies hätte zu viel Zeit beansprucht; die Wanderbühne brauchte immer wieder neue Spiele, keine stilistischen Kunst­ werke. Außerdem hätte er während seiner Komödiantenjahre, die ihn von Ort zu Ort führten, in engen Unterkünften übernachten und oft regenfeuch­ ten Kleidern wandern ließen, wohl kaum die Möglichkeit gehabt, mehrere solcher Nachschlagewerke mit sich zu führen. Dass Martin die meisten mythologischen Exempel in seinem Schauspiel nicht aus Nachschlagewerken entnahm, sondern dass sie zu seinem angelese­ nen oder in der Schule erlernten geistigen Besitz zählten, beweisen die vielen fehlerhaften und ungenauen Beispiele. Diese meist phonetisch bedingten Verwechslungen (Adrastos – Atha­ mas, Antheum – Ankaios, Ainapius – Askanios) wären bei Benützung eines Nachschlagewerks kaum aufgetreten. Die meisten mythologischen Exempel, die Martin in der „Liebes Verzweiffelung“ verwendet, finden sich in Ovids Metamorphosen. Es ist daher anzu­ 83 84 85 86

Opitz, Martin: Buch von der Deutschen Poeterey (1624). Nach der Edition von Wilhelm Braune neu hg. von Richard Alewyn (= Neudrucke Deutscher Literaturwerke, hg. von R. Ale­ wyn und Rainer Gruenter, Neue Folge, Bd 8). Tübingen 1963, S. 16  f. Auch Senninger, Hermine: Mayen-Pfeiff, S. 95 und S. 99, nimmt an, dass die Zitate Martins selbsterworbenem Bildungsgut entstammen. Herzog, Urs: Aspekte, S. 10 und Breuer, Dieter: Philotheus, S. 84. Vgl. die vielen Beispiele für Geschwisterliebe aus der Geschichte und Mythologie (Szene I/1); ebenso die Beispiele für das Jagd-Thema (Szene IV/4).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

nehmen, dass der Dichter zumindest diese literarische Quelle gekannt haben muss. Der große Einfluss, den Ovids Metamorphosen auf die Malerei und Bildende Kunst ausübte, spiegelt sich in der gesamten barocken Literatur. Im „Philotheus“ und im „Mirantischen Flötlein“ werden die Metamorphosen öfters zitiert87, meist jedoch erklärt dort der Dichter nur die Funktion der betref­ fenden mythologischen Gestalt, ohne auf die Quelle zu verweisen. Das hin­ zugefügte „Poet.“ bedeutet in diesen Fällen, dass die genannte mythologische Figur geistiger Allgemeinbesitz der zeitgenössischen Dichter war. In der „Liebes Verzweiffelung“ überwiegen die Beispiele mythologischer Göt­ ter und Helden gegenüber jenen der antiken Geschichte. Die Sagenwelt ist mit insgesamt 117 Namen vertreten, die Geschichte dagegen nur mit zehn, von denen sechs Beispiele der Sittenlosigkeit berühmter Männer und ihrer Hetären gelten: Cambyses, Caligula und Calusia vertreten bei Martin das ne­ gative Beispiel erotischer Geschwisterliebe, Phrire, Thais und Zoe stehen als Beispiele eines sittenlosen Lebens. Von den mythologischen Götter- und Heldengestalten werden manche zweimal (Adonis, Aurora, Cupido, Galathe, Morpheus, Nemesis, Sylvia), manche sogar dreimal zitiert (Amor, Diana, die Furien, Jupiter, Mars, die Nymphen, Satyr). Am meisten mythologische Anspielungen finden sich im ersten (41) und zweiten Akt (32). Wie es ihrem höfischen Status entspricht, finden sich in den Reden des Rodiman (34), des Myrandon, Evandras und Amoenas (je 18), des Frondalpheo (15) und des Hofmeisters Ottonias (13) am meisten mythologische Erwähnungen, während auf Cassianus, Alidea und Damon nur drei bis vier mythologische Hinweise fallen. Dass auch Amoena, die doch als Schäfermädchen in der Wildnis aufgewachsen ist, mehrmals Beispiele aus der Mythologie erwähnt, entspricht ihrer königlichen Abstammung. Sprache wird also als angeboren, nicht als erworben gewertet. Der Bauern­ tölpel Dymas hält sich an die reale Gegenwart und kennt keine antiken Namen.88

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Vgl. z.  B. „Philotheus“, S. 67 und S. 134; oder „Flötlein“, I. Teil, III. Elegie, Str. 11, S. 27, Fuß­ note c. – Im „Mirantischen Flötlein“, III. Teil, III. Elegie, Str. 11, S. 249, verweist der Dichter im Zusammenhang mit dem Namen Evadne auf Ovids „De arte“ (= Ars amatoria libri tres, III. Buch, Vs 22) Vgl. dazu Opitz: Buch von der Deutschen Poeterey, S.  30: Weil aber die dinge von denen wir schreiben vnterschieden sind …, so muß man auch nicht von allen dingen auff einerley weise reden; sondern zue niedrigen sachen schlechte / zue hohen ansehliche, zue mittelmässigen auch mässige vnd weder zue grosse noch zuo gemeine worte gebrauchen.In den niedrigen Poetischen sachen werden schlechte [schlichte, einfache] vnnd gemeine[gewöhnliche] leute eingeführet; wie in Comedien vnd Hirtengesprechen. Darumb tichtet man jhnen auch einfaltige vnnd schlechte reden an, die jhnen gemässe sein.



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Phoebus als Geliebter und als Führer des Sonnenwagens wird im Ge­ samtwerk Martins besonders oft zitiert; Erzherzog Sigismund Franziscus und Graf Carl Friedrich von Hohenems erhalten im „Philotheus“ den Namen „Phoebus“ oder „Apollo“.89 Besonders von protestantischer Seite, aber auch im späteren Werk des Lau­ rentius meldet sich Kritik an der Heyden Fabelwerck90, und Dichter wie Zesen, Rist und Birken verweisen auf Bibelstellen, die jede Nennung heidnischer Namen verbieten. Doch bleibt dieses Aufbegehren gegen die griechische Götter- und Sagenwelt meist nur geschickte Rhetorik: Obwohl Laurentius in seinem ersten gedruckten Buch „Philotheus“ zehn Seiten lang (S. 168–177) den antiken Göttern abschwört, die es in Wahrheit nie gegeben habe, sie einzeln bei Namen nennt – 97 an der Zahl – und als Vbel-Thätter bezeichnet, ihre Geschichten für Zauberey und eitle Dichterey erklärt und ihre tausend Possen verachtet, zeigen doch alle seine späteren Werke Bezüge zur griechischen Sagenwelt und folgen damit dem dekorativen Stil barocken Schaffens.91 Mit großer Unbefangenheit werden in der Barockliteratur die Gestal­ ten der griechischen und römischen Mythologie, der antiken und auch der christlichen Vorstellungswelt nebeneinander gestellt oder sie verschmelzen zu einem einzigen Bedeutungsträger: Die Gestalt des Daphnis, die Lauren­ tius in seinem Alterswerk als Synonym für Christus, den fürnehmsten / wider die wilde Thier sieghafftigsten Hirt92 zeigt, ist in der „Liebes Verzweiffelung“ nach griechischem Vorbild der oberste Hirte, als Seelen-Geliebter Amoenas ist er jedoch mit der Gestalt des christlichen Daphnis, nämlich Christus, identisch. Dieselbe Synthese erlebt der christliche Begriff von Himmel und Hölle mit den antiken Vorstellungsbildern des Plutonischen Reiches93 und der Eliseischen Felder94. Aus der Unterwelt kommen zugleich antike Furien und 89 „Ehrengedicht“ und „Philotheus“, Dedicatio: O gräflicher Apoll. 90 Harsdörffer: Poetischer Trichter, 1. Theil, S. 3: Wir Christen … sollen uns der Heyden Fabelwerck enthalten: die sich auch nicht gescheuet / ihren Goettern solche Laster anzudichten / mit welchen die Dichter selbsten schaendlichst beflecket gewesen. Doch kan man mit Bescheidenheit derer Fabel wol gebrauchen / in welchen natürliche Ursachen bedeutet / oder sondere Lehren verborgen sind. 91 Die klassisch-romantische Theorie, die mit ihrem Mythosbegriff die allegorische Mytholo­ gie überwindet und eine beseelte Form des Mythischen anstrebt, ist ohne diesen barocken Vorgang nicht zu denken. (Vgl. dazu Windfuhr: Die barocke Bildlichkeit, S. 110.) – Dass der Dichter Johann Martin in der Beziehungswelt der mythologischen und allegorischen Figuren eine Deutung des Mensch-Gott-Verhältnisses, eine reale Aussage erstrebte, die das Spielfeld der göttlichen Gnade in der Welt ausleuchten sollte, zeigt Eugen Thurnher (Die Romane des Laurentius von Schnifis, S. 198) am Beispiel der „Wald-Schallmey“ auf. 92 Vorrede zum „Mirantischen Flötlein“. 93 „Liebes Verzweiffelung“, I/2. – Vgl. auch den Plutonischen Schwitz-Ofen im „Flötlein“, Teil I, Elegie X, Str. 16, S. 97; ebenso den Höll-Gott Pluto im „Flötlein“, Teil II, Elegie VIII, Str. 10 und 18, S. 185 und 188. 94 „Liebes Verzweiffelung“, IV/2. – Ebenso in „Philotheus“, S. 175.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

christliche Teufel und Geister95; Jupiter als dem Herrn des Himmels96 wird die sterbende Seele anbefohlen, auch wenn – wie z.  B. in „Romio und Julieta“ (V/3) – ein christlicher Pater die Vermittlerrolle spielt. Die christliche Liebe Gottes verkörpert sich bei Martin in der antiken Sagen­ gestalt der Olympia97 und der Diana98. Und der alchimistische Zauberer der deutschen Wanderbühne, der Schwarzkünstler oder schwarze Kühmacher99, holt sich seine Weissagungen vom Delphischen Orakel.100 Antikes Fühlen wird barockisiert, abendländisches Denken erhält im Barock ein dekoratives antikes Gewand, mit dem es prunkt, das aber rein äußerlich und nur Schein bleibt. Nachdem nun das Heidnische nicht mehr als feindlich, sondern als Vor­ stufe des Christentums angesehen wurde101, bemächtigte sich auch das reli­ giöse Jesuitendrama der mythologischen Gestalten und setzte sie als aktive Sinnbilder für Begriffe (z.  B. Pallas Athene als Weisheit) und Naturmächte (z.  B. Apollo als Sonne).102 Das Jesuitentheater konnte sicher sein, dass deren allegorische Bedeutung seinem Publikum bekannt war. Es baute die mytho­ logischen Figuren daher aktiv in die dramatische Handlung ein. Die Wanderkomödianten hatten zum Großteil keine gebildeten Zu­ schauer, sie spielten vor dem einfachen Volk. Die mythologischen Andeu­ tungen im Drama wurden daher auf die Dekoration der Sprache beschränkt. Allegorische Personifikationen zeigen sich nur in einigen wenigen gleichblei­ benden Typisierungen, die rhetorischen Charakter haben: Aurora vertritt den Begriff der Morgenröte, Phoebus die Sonne, Luna den Mond. Es gibt mei­ nes Wissens nur drei Wanderbühnendramen, in denen solche mythologische Personifikationen dramatisch aktiv ins Geschehen eingreifen: die Gestalt der Diana im „Tugend- und Liebesstreit“ und jene des Cupido in „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“ und in „Der flüchtige Virenus und die getreue Olympia“. Das Wanderbühnendrama verwendet die mythologische Sagenwelt in erster Linie als Quelle von Exempeln, die das Ausgesagte begründen und bildlich 95 „Liebes Verzweiffelung“, I/2. 96 „Liebes Verzweiffelung“, I/13, II/5, III/6. 97 „Philotheus“, S. 162–168: Philoth fraget Olympia, einer Liebe Gottes bey dem Widerhall nach … 98 Das erste Traumbild im „Philotheus“ (S. 9–11) zeigt die christliche Gottesmutter in der Ge­ stalt Dianas. 99 „Liebes Verzweiffelung“, II/9. 100 Daneben gibt es im Wanderbühnendrama auch die Hexenküche, aus der Liebestränke und gute Ratschläge geholt werden können, z.  B. in „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“. 101 Vgl. dazu Adel: Wiener Jesuitentheater, S. 9. 102 Vgl. dazu Windfuhr: Barocke Bildlichkeit, S. 108; ebenso Ludewig: Das Feldkircher Schul­­the­ater, S. 271.



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vorstellbar machen sollen. Martin kleidet diese Exempel meist in einen ein­ fachen Vergleich: Alß tyrannischer Busiris, der seine Gäste zu der Götter opfer geschlachtet, wil ich mit ihr handeln. (I/5) … durch Medea-Kunst wil ich alß ein Jason deine Grausamkeit mit einem Schlafftrüncklein der Rach entschläffern. (I/7) oder er überträgt barockes Denken und Fühlen in ein antikes Sprachgewand: Proserpina wartet mit Verlangen auff mich, und Caron hält sein Schifflein schon fertig mich überzuführen. (I/12) Typhis hat meine Flotte regirt, Zephir ist in meine Flacken geseßen … (II/4) Cupido schißet mich … (II/6) Eine Steigerung des Ausdrucks erreicht Martin durch die Negation des ge­ gebenen Beispiels: … niemalen soll Venus eine so fröliche Zeit gehabt haben, wenn sie sich mit ihrem liebsten Adonis ergöhet, alß ich … (I/13) Hat iemahls Phaleris eine so grausame Tyranney verrichtet? alß dieser Bluthundt an meiner Seelen. (II/3) Ich kann mir die Jägerey nicht so lustig einbilden alß Mytritates, welcher 7. Jahr sich auff der Jagt auffgehalten … (IV/4) Eacus und Radamant haben noch kein so schröckliches Urtheil über die Höllischen Geister ergehen laßen, alß mein Vatter über seinen Sohn. (I/2) Antike Helden- und Sagengestalten werden zu Hilfe gerufen: Laße kommen auß dem Plutonischen Reich alle Furien, Teuffel und Geister, laß alles ungewitter, so Pyrrha oder Prometheus erfahren, über mich ergehen! (I/2) … peinige die gottlose Calusia … (I/4) Nun komm, gerechte Nemesis, und verrichte dasjenige, was Myrandon befihlt. (II/3) oder sie treten in die Funktion eines Schimpfwortes: O du unkeusche Zoe! du verfluchte Phrire! (I/10) Das folgende Beispiel aus der antiken Geschichte muss die Wahrheit des Ausgesagten bezeugen:

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Amilias hatte geträumet, wie er Syrams eingenommen, Xerxes hat sein Glück im Schlaff ersehen, Darius König in Persien sahe im Schlaff, wie Alexander und sein Volck fewrig durch sein Heer gedrungen … und dieses alles ist war worden. (I/3) Das überlieferte mythologische Exempel wird vom Dichter manchmal er­ weitert oder weitergeführt: Solte sich diese Schönheit am Ufer deß Meeres blicken laßen, Neptunus wurde sich verlieben und sie auff seiner Muschel nach dem naßen Reich führen. (II/5) Were es Tag gewesen, Phoebus were ob dieser Tat erschrocken und wieder zurück nach dem Auffgang gefahren. (III/4) Perikus hat eine newe Tortur und Marter erfunden, mit welcher mich die Furien plagen werden. (III/4) Als Gefühls- oder Stimmungsbild zeigt sich der mythologische Vergleich nur in Monologen, nie im Zwiegespräch. Die Konversation hält sich an die rea­ len Taten mythologischer oder historischer Gestalten, um mit deren Hilfe und durch deren Beispiel den Gesprächspartner zu überzeugen. Besonders deutlich zeigt sich dies im Dialog zwischen König Frondalpheo und seinem Hofmeister Ottonias, als sie das Für und Wider einer Jagd erwägen. (IV/4) Schon die Schauspielsammlung des „Liebeskampfes“ aus dem Jahr 1630 zeigt viele solche mythologische Anspielungen103, die fast alle aus Ovids „Metamorphosen“ stammen und, im Gegensatz zu jenen in Martins Tragicomoedia, keine Verwechslungen oder andere Fehler aufweisen. Das Wanderbühnendrama der Jahrhundertmitte ist, wie Martins „Liebes Verzweiffelung“, überreich mit mythologischen Anspielungen ausgestattet, z.  B. „Der durchlauchtige Kohlenbrenner“, „Das Liebes-Gefängnus“, „Der verirrte Liebes Soldat“ oder „Dulcander und Dorella“. Während jedoch Martin, gebunden durch sein sensibles Sprachempfin­ den, kaum jemals die Grenze zum Schwulst berührt, verlieren sich andere Wanderbühnentexte oft in einer verwirrenden Fülle von mythologischen Anspielungen.104

103 z.  B. „Die Macht des kleinen Knaben Cupidinis“ und „Tragi Comoedia“. – Vgl. Richter: Liebeskampf, S. 109; ebenso Creizenach: Schauspiele der Englischen Komödianten, S. CX. 104 Vgl. z.  B. „Romio und Julietta“, II/5: Ich will mich nacher Hauß verfügen, dan ich sehe, daß Aurora ihr langes ligen bei dem alten Triton überdrüssig, vnd Phebus fangt an allgemach herfür zu brechen vnd seine erröthete Wangen auszubreiten.

Die Musik im Wanderbühnendrama des 17. Jahrhunderts Als die englischen Komödianten um die Jahrhundertwende den Kontinent betraten, war es neben ihrer schauspielerischen Leistung vor allem die Musik, die ihnen eine so freundliche Aufnahme bei den Deutschen sicherte. Die Musik hatte einen wesentlichen Anteil an der eindrucksvollen Gestaltung dramatischer Situationen: So wurde z.  B. die Schwurszene im „Titus Andronicus“1 oder der Tod Romios und das Erwachen Julietas in „Romio und Julieta“2 musikalisch untermalt. Auch Monologe, Gebete, Liebeswerbungen und Fest­ mahle auf der Bühne hatten einen musikalischen Hintergrund. Allerdings hatte die Musik im frühen englischen Wanderbühnendrama in Deutschland nur begleitende Funktion. Opernhafte Elemente kamen nach Mitte des 17. Jahrhunderts im deutschen Wanderbühnendrama auf: In der „Comoedia Betittult der Flüchtige Virenus Oder die Getreue Olympia“ (Regensburg 1687) wird der ganze Prolog von Aurora und Cupido gesungen. Die musikalische Ausrichtung der englischen Komödien ergab sich wohl aus einer Tradition, die Shakespeare in seinen Dramen gepflegt hatte. In der Vereinigung von Schauspiel und Musik erreichte er Höhepunkte dra­ matischer Wirksamkeit und inspirierte dadurch nicht nur das dramatische, sondern auch das musikalische Schaffen seiner und der späteren Zeit.3 Shakespeare war überzeugt von der magisch-zauberischen Wirkung der Musik, von ihrer ethischen Heilkraft: Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst, den nicht die Eintracht süßer Töne rührt, taugt zu Verrat, zu Räuberei und Tücken. Die Regung seines Sinns ist dumpf wie Nacht, sein Trachten düster wie der Erebus. Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik!             (Kaufmann von Venedig, V/1 – Lorenzo zu Jessica)

1 2 3

Akt V. – Ausgabe Cohn: Shakespeare in Germany, Sp. 199. Szene V/3. – Ausgabe Cohn: Shakespeare in Germany, Sp. 395 und 399. Musik zum „Sommernachtstraum“ schrieben u.  a. Shakespeares Landsmann Henry Purcell, und 1843 Felix Mendelssohn-Bartholdy. Beethovens Klaviersonate d-moll, Opus 31, Nr. II, und seine Appassionata in f-moll, Opus 57, entstanden unter dem Eindruck von Shakespeares „Sturm“.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Für große Trauerszenen bedarf er der Musik, in denen er ausdrücklich Trauer­ märsche fordert, z.  B. in „Hamlet“, „Coriolan“ oder „König Lear“. Oder er stellt die dämonische Kraft der Musik in den Dienst der dramatischen Idee, wie etwa den Gesang der Ophelia in „Hamlet“, IV/5. – Es gibt in S­ hakespeares Schauspielen kaum einen Narren, der nicht in lustigen Trinkliedern das Le­ ben und seine Unzulänglichkeiten besingt.4 Die Musik war daher auch bei den englischen Komödianten in Deutsch­ land ein wesentlicher Bestandteil der Theatervorstellungen. Im Linzer Landes­ museum hat sich eine Tabulatur für Tasteninstrumente aus den Jahren 1611–13 erhalten, die eindeutig für Wanderbühnen-Aufführungen der Engländer be­ stimmt war. Sie enthält nicht nur manche Englessa, Curanta anglidana und einen Englischen Aufzug, sondern auch Tänze des Pickl-Häring.5 Neben Tasteninstru­ menten wurden wohl auch die verschiedensten Blas- und Saiteninstrumente verwendet. Auf einem Kupferstich in der „Mayen-Pfeiff“ wird im Hintergrund eine Gruppe wandernder Musikanten gezeigt, die auf einer Harfe, auf Trom­ meln und langen geraden Trompeten musizieren. Eine dieser Trompeten hat eine gebogene Form. Auch in den anderen Büchern des Laurentius finden sich mehrere Kupferstich-Darstellungen von Musik­instru­men­ten.6 Die Schlag- und Blasinstrumente wurden wahrscheinlich zur musikali­ schen Umrahmung von Fechtkämpfen verwendet: Die Karlsruher Handschrift der „Liebes Verzweiffelung“ verlangt, dass zu Beginn des Kampfes zwischen Myrandon und Cassianus (III/1) dreimal die Trommel geschlagen werde; die Wiener Handschrift schreibt den Einsatz von Trommeln und Pauken vor. Oft wurde ein Schauspiel mit Musik aus dem Bühnenhintergrund be­ gonnen. Furttenbach beschreibt 1640 in seiner „Architectura Recreationis“ die Einleitung eines Bühnenspiels mit mancherley Canconeti, zu denen auch der Lauten und Tiorben klang gehört werden. Entlich so wird ein grosses getimmel vnd Krachen / als ob alles zuhauffen fallen wolte neben den Hörbaucken vnnd Trompeten Schall gehört / vnd eben in disem Tumult fällt der Vorhang Augenblicklich herunder …7 Auch das Wanderbühnenspiel „Darlo Todo Yno Dar Nada“ wurde mit Trompeten und Paucken eingeleitet. Die englischen Komödianten pflegten die Pausen zwischen den einzelnen Akten mit kleinen Singspielen auszufüllen; die erste Schauspielsammlung von 1620 verzeichnet die Melodie zu fünf solchen „Englischen Aufzügen“. 4 5 6 7

z.  B. in „Was ihr wollt“, II. Akt; oder im „Wintermärchen“, IV/2 und IV/3. Nach Sturm: Theatergeschichte Oberösterreichs im 16. und 17. Jahrhundert (= Österreichi­ sche Akademie der Wissenschafte, Kommission für Theatergeschichte Österreichs, Bd 1, Heft 1), Wien 1964, S. 143. Siehe Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, Graz/Feldkirch 2003, S. 232–233. Furttenbach, Joseph: Architectura Recreationis, Augspurg 1640, S. 60.



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Abb. 17 a: Laurentius von Schnüffis: Mirantische Mayen-Pfeiff, 3. Teil, 4. Elegie, S. 259. Aus dem Haus der Gottesmutter, in der Leier- und Lautenmusik erklingt, öffnet sich der Blick wie auf einer Simultanbühne, von der der Vorhang weggezogen ist. Dahinter erscheint David harfenspielend, der die Arche, die Bundeslade der Israeliten, nach Sion führt. Das Bild zeigt die Begegnung des Alten Testaments mit dem Neuen, das im Vordergrund durch Jesus konkrete Wirklichkeit geworden ist.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 17 b: Laurentius von Schnüffis: Lusus mirabiles orbis ludentis – Mirantische Wunder-Spiel der Welt, S. 204, Zugab, darinn eine Christliche Seel under dem Namen Clorinda, ihre gehabte Eytel- und Sinnlichkeit reumüthig erkennet und betauret / welche sie in denen musicalischen Saytenspilen und üppigen ­Tantzen gesucht / als sie noch im sündlichen Stand sich befande. (Rückblick des Dichters auf seine Zeit als ­Komödiant, siehe die Verszeilen in der vorliegenden Arbeit S. 229–230.)



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Diesen Brauch übernahmen wohl auch die deutschen Wandertruppen. Zwar enthalten ihre Manuskripte diesbezüglich keine Hinweise; es ist jedoch ur­ kundlich gesichert, dass die Vorstellungen drei bis vier Stunden und länger dauerten. Die Komödianten beschränkten sich also nicht auf die Darstellung eines Hauptstücks, sondern füllten die Zeit zwischen den einzelnen Akten mit Tänzen, lustigen Zwischenspielen oder mit Musik ohn Gesang aus.8 Noch Goedeke verzeichnet 21 solche „Musicalische Zwischenspiele“, die zwischen 1748 und 1756 gedruckt wurden.9 Zumindest aber wurde dem eigentlichen Haupt­ stück ein lustiges Nachspiel oder ein Ballett angefügt. Die Spielbedingungen für die Sächsische Bande Comoedianten unter ihrem Prinzipal Velthen aus dem Jahr 1679 schrieben fest, dass am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz das große Theater vor dem großen Abendessen gespielt werden müsse, das Possenspiel danach.10 Auch im Verlauf der dramatischen Handlung wurde die Wirksamkeit der Musik genutzt. Viele der erhaltenen Wanderbühnen-Manuskripte ver­ zeichnen Sololied-Einlagen; allerdings sind die Melodien dazu meist nicht festgelegt. Nur die Regieansweisungen deuten an, dass bestimmte Verse ge­ sungen wurden.11 Die „Comoedia betittult Der Flüchtige Virenus oder die getreue Olympia“ (Regensburg 1687) gibt außer der Anweisung, dass die betreffenden Verszeilen zu singen seien, auch den Hinweis: suche hinten an mit Noten (I/5); im Weimarer Exemplar finden sich jedoch keine Melodien. Auch die Wie­ ner Handschrift des „König Frondalpheo“ verzeichnet über dem Liedtext der Amoena nur die Anweisung ‚wird gesungen‘. Das Karlsruher Manuskript ist daher als besonderer Glücksfall zu werten; seine Notenschrift beweist Martin schon in jener frühen Zeit als den musikalisch bewussten und schöpferischen Künstler. Solche Sololied-Einlagen sind schon aus dem späten 15.  Jahrhundert be­ zeugt12, auch die „Liebeskampf“-Sammlung aus dem Jahr 1630 legt zu ein­ zelnen Liedern innerhalb des Schauspiels die Melodien fest. Diese Lieder 8 9 10 11 12

Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Theil, S. 97: Die Handlungen werden in den Freudenspielen mit der Music ohn Gesang unterschieden. An anderer Stelle (II. Theil, S. 74) schlägt Harsdörffer vor, dass man anstatt der Chorlieder jedesmals zwischen den Handlungen dantzen könne. Goedeke: Grundriß, Bd III, S. 374. Abgedruckt in Carl Speyer: Magister Johannes Velthen und die sächsischen Hofkomödian­ ten am kurfürstlichen Hof in Heidelberg und Mannheim (= Neue Heidelberger Jahrbücher, Neue folge, Jb. 1926, S. 73. z.  B. Lied des Philos in „Die gekrönte Schäferin“ (I/1); oder Lied des Romio in „Romio und Julieta“ (II/5, Ausgabe Cohn, Sp. 339). Die erste Sololied-Einlage in einer deutschen Komödie ist in dem „Schön Spiel von Fraw Jutten“ von Hans Rosenplüt bezeugt (entstanden ca. 1480, gedruckt 1565): Das Lied, das Papst Jutta singt, da sie geberen soll, ist mit einer Melodie versehen. (Nach Gottsched: Nöthiger Vorrath, I. Theil, S. 118)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

sind ihrem Stil nach auffallend verschieden. Manche lehnen sich wohl an Singweisen älterer Volkslieder an, die von den Textdichtern für den neuen Zweck entlehnt wurden.13 Andere Melodien dürften aus den zahlreichen mehrstimmigen Lieder­ büchern jener Zeit geschöpft und zu Monodien umgearbeitet worden sein. Jedenfalls bezeugen Lautentabulaturen aus dem 16. Jahrhundert, dass mehr­ stimmige Gesangsstücke durch Herausnehmen einer Stimme zu Sologesän­ gen mit Instrumentalbegleitung umgestaltet wurden.14 Im späteren 17. Jahrhundert ist es nicht nur das Wanderbühnendrama, sondern auch das Schultheater und das Kunstdrama, das sich solcher Liedeinlagen bedient: In der 1658 erschienenen Ausgabe von Gryphius’ „Peter Squentz“ findet sich eine Melodie zu den Versen des Meister Lollinger, der den Brunnen darzustellen hat.15 Ebenso wurden in Rists „Friedewünschendem Teutschland“ und noch öfter in seinem „Friedejauchzenden Teutschland“ die Hand­ lungen durch Lieder mit Instrumentalbegleitung unterbrochen. Die Truppe des englischen Prinzipals Joris Joliphous, der wahrschein­ lich auch Johann Martin angehörte, scheint zum erstenmal Singspiele nach italienischer Art in ihr Repertoire aufgenommen zu haben. Ein Theaterzettel der Joliphous-Truppe aus dem Jahr 1654 verweist auf schöne Englische Music.16 Englische Verthönungen sind auch auf einem Theaterzettel für eine Auf­ führung in Frankfurt am Main am 17. November 1673 angekündigt.17 1669 versprechen die ehemals Innsprugger Commedianten auf einem Theaterzettel annehmliche Instrumental- auch zum öffteren Vocal Music.18 Hoffmanns Truppe pflegte aber schon zu einer Zeit das Singspiel, als Johann Martin noch Mit­ glied der Truppe war. Von ihren Aufführungen in Innsbruck sind sogar die Namen einiger Hofmusikanten überliefert: Die Geiger Jakob Reichardt und Giovanni Bonaventura Viviani und die Hofmusiker Martin Gasteiger und Andreas Knupfer bitten am 24. Juli 1659 um die versprochene Gnadengabe für ihre Mitwirkung bei den teutschen Comedien.19 Und am 24. Jänner 1660 be­ 13 14 15 16

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Vgl. Richter, Werner: Liebeskampf, S. 78. Nach Handschin, Jaques: Musikgeschichte im Überblick. Zweite Auflage hg. von Franz Brenn. Luzern-Stuttgart 1964, S. 269. 3. Aufzug. Gesamtausgabe, Bd 7, S. 27–29. Der Theaterzettel aus Rothenburg vom 9. Dezember 1654 ist eingelegt in die „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläuft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen.“ Das seit 1628 geführte Kompendium ist in dritter Instanz von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner geschrieben, der diesen Theaterzettel in die Chronik eingelegt hat. (Badi­ sches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 959) Abgebildet bei Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 48. Theaterzettel vom 20. September 1669 für eine Aufführung in Rothenburg (Stadtarchiv Ro­ thenburg, Sig. AA 536/1, Fol. 24r – 25v) Nach Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 235–236, 250–251, 276 und 280.



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zeichnen sich dieselben Musiker in ihrem Ansuchen um ein Kleid als Musici bei den teutschen Comedien.20 Auf ihren Wanderzügen musste sich die Truppe mit eigenen Musikern begnügen, unter denen Martin wohl die erste Stelle einnahm. Wahrscheinlich beherrschte er das Lautenspiel ebenso wie den Tanz, der in den Komödien als stilisiertes Ausdrucksmittel gewertet wurde.21 In der Zugab zu Johann Martins letztem Werk „Lusus mirabiles“ beklagt Clorinda, dass sie ihre Eytelund Sinnlichkeit in denen musicalischen Saytenspilen und üppigen Tantzen gesucht habe. Da Martin in den 28 Strophen dieser Zugab sein eigenes Lebensbild unter dem Seelennamen Clorinda entwirft, hat wohl auch die Erwähnung einzelner Musikinstrumente biographischen Wert: Nichts hat auß sovilen Welt-Freuden und Spilen     Mich also bethört /  Als wann die Narrheiten Erweckende Sayten     Spil wurden gehört.    Da noch die Welt mich Mit ihren Gelüsten Und vollen Liebs-Brüsten    Getränckt / und hielte zu sich. Kaum als man nur rührte /  Die Sayten probierte     Und stimbte die Lauth /  Da blib ich schon nimmer /  Da ward mir im Zimmer      Und bang in der Haut.   Hertz / Ohren / und Zung Bethören sich liessen /  Der Narr in den Füssen    Thät schon ein seltzamen Sprung. Wann Paucken / Trompeten /  Sonaten / Balleten     Und völliger Chor /  20 21

Nach Anton Dörrer: Die englischen Komödianten zu Innsbruck, S. 19; ebenso Walter Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 250–251. Vgl. z.  B. das Geisterballett im „Papinianus“ (Ausgabe Flemming, S. 190), oder den Tanz auf dem Fest der Capolets in „Romio und Julieta“, II/3 (Ausgabe Cohn, Sp. 333).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Sich hören dann liesse Wie lieblich / wie süsse     Sach kamen sie vor!    Stund also mein Hertz Nur immer auff singen Und eytelen Springen /     Auff Music, Kurtzweil und Schertz.22 Auch der Chronist des Konstanzer Kapuzinerklosters, Romuald von Stockach, bestätigt in seiner „Historia Provinciae“ (S. 324), dass Laurentius so kunstgerecht spielte, dass er sich in der Provinz, aber auch in der gesamten Religionsgemeinschaft höchste Wertschätzung erwarb. Die „Liebes Verzweiffelung“ und das „Ehrengedicht“ beweisen, dass sich Martin schon in seiner vorklösterlichen Zeit neben seiner dichterischen Ar­ beit auch in kleinen Kompositionen versuchte. Die Melodie des Amoena-Liedes hat die moderne G-Notation mit Vio­ lin­schlüssel23, alle späteren gedruckten Werke des Laurentius und auch das „Ehrengedicht“ für die Solostimme verwenden dagegen den traditionellen Sopran­schlüssel, der das heutige C eine Terz höher fixierte. Rhythmisch zeigt das Lied eine ungenaue Notation: Der achte Takt beginnt mit einer Auftaktnote, obwohl der vorhergehende Takt vollständig ist. Auch Takt 11 zählt mit der Pause zu Beginn des Taktes neun statt acht Achtel. Das überzählige Achtel lässt jedoch eher auf eine Ungenauigkeit des Schreibers schließen, denn die Melodienführung verlangt als erste Note nach der Ach­ telpause eindeutig eine Achtel-, keine Viertelnote. Im 17. Jahrhundert wurden Takteinheiten nicht immer genau eingehal­ ten, der Taktstrich war ja erst zu Jahrhundertbeginn aus den Orgeltabula­ turen übernommen worden und begann um 1625 allgemeine Anwendung zu finden. Bis zum 17. Jahrhundert kannte man den Takt als Gruppenein­ heit von z.  B. vier Viertel noch nicht. Man zählte die Reihung von aufeinan­ derfolgenden gleichen Grundwerten, den Tactus, von denen jeder einzelne ungefähr einem heutigen Taktteil entsprach. Der rhythmische Wechsel von ‚schweren‘ (betonten) und ‚leichten‘ Zähleinheiten, der sich durch das heu­ tige Taktschema ergibt, war also unbekannt. Der Rhythmus folgte dem Wort. Die Rhythmik des Amoena-Liedes lässt schon jene typischen Formeln er­ kennen, die in den späteren Werken des Dichters wiederkehren: Takt acht etwa hat den typischen Grundrhythmus des Jambus, der sich nicht nur im 22 „Lusus mirabiles orbis ludentis“, Zugab, S. 204–206, Strophe 1–3. 23 Siehe vorliegende Arbeit, S. 36, Abb. 3.



Zur Sprache

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„Flötlein“ und in der „Mayen-Pfeiff“, sondern auch in verschiedenen deutschen Volksliedern findet. Auch melodische Motive des Amoena-Liedes sind in den Druckwerken des Laurentius wiederzufinden: Das D-Dur-Thema aus Takt eins und zwei zeigt sich als Moll-Thema in der „Mayen-Pfeiff“ (Teil 3, Melodie zur 2. Elegie, S. 231) und im „Flötlein“ (Teil 3, Melodie zur 3. Elegie, S. 243).24 Eine Besonderheit zeigt das Amoena-Lied in dem Septimsprung des Taktes neun / zehn, der in der Musik des 17. Jahrhunderts selten zu finden ist. Er deckt sich mit dem Wort ‚Satyr‘ und soll wohl die Vorstellung des Schreck­ lichen und Unnatürlichen vermitteln. Eine ähnliche Deutung lassen auch die Bass-Septimen in einem Choral von Johann Sebastian Bach zu, die das Thema ‚Durch Adams Fall ist ganz verderbt …‘ (BWV 637) musikalisch inter­ pretieren. Obwohl das Metrum den lebhaften Tanzrhythmus des Allabreve-Taktes vor­ schreibt, ist kaum anzunehmen, dass Amoena zu dem Lied tanzte. Weder die lyrische Melodie noch der Text ertragen die Vorstellung des Tanzes, es fehlen auch die in den frühen Tanzrhythmen üblichen Viertakt-Einheiten. Wahrscheinlich erklang das Lied Amoenas sogar teilweise aus dem Hinter­ grund der Bühne, denn Szene II/4 verzeichnet als auftretende Personen nur den Namen Rodiman. Harsdörffer gibt in seinem spanischen „Nymfen Chor“ ein Beispiel dafür, dass die Echotakte von einer zweiten Stimme gesungen werden konnten: Die Music ist hinter dem Fürhang solchergestalt anzustellen / daß die Oberstimmen fragen, eine allein als ein Echo antwortet, dann zusammenfallen.25 Die beiden Echo-Töne in Takt zehn des Amoena-Liedes erklangen also vermutlich aus dem Hinter­ grund der Bühne. Die Tonhöhe, in der das Amoena-Lied gesungen wurde, ist heute nicht mehr feststellbar. Das Barock kannte noch nicht den genormten Stimmton a, der 1885 in Wien mit 435 Hz bei 15 Grad Celsius und im Jahr 1939 aufs Neue mit 440 Hz bei 20 Grad Celsius festgelegt wurde.26 Noch Ende des 16. Jahr­ hunderts wurde der ‚Ton‘ von der Sängerin selbst nach ihrem jeweiligen Stimmumfang gewählt. Erst von Beginn des 17.  Jahrhunderts an begann 24 25 26

Genauere Darstellung in Gstach: Mirant – Komödiant und Mönch. 2003, S. 230–237. Harsdörffer: Gesprächsspiele, IV. Teil (= Deutsche Neudrucke, Bd 16). Tübingen 1968, S. 117. Hz = Schwingungszahl pro Sekunde. Vgl. dazu Riemann, Hugo: Musik-Lexikon, Bd 3, hg. von H. H. Eggebrecht. 12. Aufl. Mainz 1967, S. 907.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

die Notation bestimmte Tonhöhen zu bezeichnen; diese scheinbar absolute Tonhöhe bezog sich jedoch lediglich auf einen Instrumententon, dessen Höhe um einen halben Ton bis eine kleine Terz differieren konnte. Der fran­ zösische Opernton betrug unter Lully um 1698 nur 404 Hz, während der deutsche Opernton um einen gantzen, ja in Teatralischen Sachen umb anderthalb Thon höher gestimmt war.27 Auch die barocken Orgeln in Süddeutschland, der Schweiz und Österreich zeigen einen halben Ton über der Normalstimmung, wie etwa die alte Orgel in Weimar oder die 1642 fertiggestellte Festorgel des Augustinerchorherrenstifts in Klosterneuburg. Sie entsprachen damit dem süddeutschen Chorton. Der Kammerton, nach M. Praetorius bey der Tafel in Zimmern zur Frölichkeit gebraucht, war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sogar noch höher als der Chorton.28 Es kann also mit einiger Sicherheit angenommen werden, dass das Lied in Martins Drama mindestens einen halben Ton über der heutigen Normal­ stimmung gesungen wurde. Wahrscheinlich wurde es von der Laute begleitet. Das Sololied mit Laute, auch ‚Ayre‘ genannt, wurde zu dieser Zeit besonders von den Engländern gepflegt.29 Über Vermittlung der englischen Komödianten wurde das Ayre auch in Deutschland sehr beliebt. Es war ein von italienischen Balletti und Kanzonetten angeregtes populäres Lied zu vier Stimmen, auch reduziert auf Sologesang mit Lauten- oder Streicherbegleitung. Meist waren die Ayres auf Liebestexte komponiert, und ihre zweigeteilte Form ist auch in Martins Amoena-Lied erkennbar. Leider ist die Melodie nur in der Karlsruher Handschrift verzeichnet, es sind also keinerlei Vergleichsmöglichkeiten vorhanden. Zudem lässt das Wiener Manuskript eine andere Melodie vermuten, da die Textänderungen einen von der Karlsruher Handschrift verschiedenen Rhythmus aufweisen. Das Lautenlied in der „Liebes Verzweiffelung“ verrät, dass sich nicht nur der Schauspieler und Dichter, sondern auch der Musiker Martin in den ver­ schiedenen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten seiner Zeit versuchte, bis er zu dem ihm gemäßen Stil der Liedmonodie fand.

27 28 29

Bericht des Komponisten Georg Muffat (um 1645–1704). Nach dem Riemann-Musik-Lexi­ kon, Bd 3: Sachteil, hg. von Hans Heinrich Eggebrecht, 12. Aufl. Mainz 1967, S. 667. Riemann-Musik-Lexikon, Bd 3, Mainz 1967, S. 907, 171 und 435. Die erste englische Sammlung solcher Lautenlieder wurde 1597 von J. Dowland herausgege­ ben. In Frankreich waren sie schon seit Mitte des 16. Jahrhunderts bekannt, das beweist die von Le Roy und Ballard 1571 in Paris herausgegebene Sammlung „Airs de cour“. – Nach dem Riemann-Musik-Lexikon, Bd 3, Mainz 1967, S. 15; und Jaques Handschin: Musikgeschichte im Überblick, hg. von Franz Brenn. Luzern und Stuttgart 2. Aufl. 1964, S. 268–269.

Probleme Der Gottesbegriff im Werk Martins Während der Mensch bei Aristoteles nur die Rolle eines Mitspielers in einem höheren Ganzen vertritt, wird er im Schauspiel des Barock zum Mittelpunkt der Geschehnisse. Umschattet von seiner Umwelt, getrieben und überwäl­ tigt von seiner eigenen Natur, erscheint der Mensch als Opfer einer höhe­ ren Macht, die ihm unbegreiflich bleibt. Vertreten wird diese Macht durch Fortuna oder „die Götter“, und ihr Eingreifen gründet sich auf keine lo­ gische Folge von Ereignissen oder auf Entwicklungstendenzen im Drama, sondern es geschieht plötzlich und unvorhersehbar. Baesecke1 sieht in die­ sem archaischen Gottesbegriff einen Rest des Heidentums der englischen Renaissance bewahrt, das dem englischen Komödiantentheater in Deutschland seine dramatische Wirksamkeit verliehen habe. Doch auch in den Bibeldramen des 17. Jahrhunderts überwiegt das heid­ nische Gottesgefühl; der christliche Gott wird hier nur im Rückblick als gut und weise erkannt, dramatisch aktiv ist er meist in den an ihn gerichteten Gebeten und als strafender Gott. In Martins späteren Werken teilt Gott als Person den Lebensbereich des Menschen; er lässt diesen in einer Art mystischer Gemeinschaft an seiner göttlichen Existenz teilhaben. In dieser Wechselbeziehung wird Gott nicht als ein immanentes Sein empfunden. Er ist nur insofern existent und erleb­ bar, als er den menschlichen Seinswerten entspricht. In ähnlicher Weise zeigt sich auch der Gottesbegriff im „Cherubinischen Wandersmann“ des Mystikers Angelus Silesius (1624–1677). In der „Liebes Verzweiffelung“ erscheint die Macht des Göttlichen in die Ferne gerückt. Sie wird vertreten durch anonyme Götter, und diese werden allein als strafende Kräfte erlebt. Wenn auch Evandra im Gefängnis erkennt, daß die Götter barmhertzig seyndt (I/13), wenn auch Amoena von der Freude der Götter über ihre Liebe spricht (II/12), so wird der Götter Wirken doch allein

1

Baesecke, Anna: Das Schauspiel der englischen Komödianten in Deutschland, S. 104.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

im Kampf zwischen Cassianus und Myrandon aktiv, denn die Götter stehen den Gerechten bey (Cassianus, III/1). Als Eigenschaften der Götter betont Martin in der „Liebes Verzweiffelung“ deren Allwissen2 und Zorn3. Die Götter tragen ein Abschew vor Selbst­ mordgedanken (Alidea, IV/5) und können vor allem Unglück behüten4. Dies bleiben jedoch zufällige und periphere Attribute einer Gottheit, die im Drama nur strafend, nur richtend wirken kann, weil sie dem dramatischen Effekt des Großen, Schrecklichen, Melancholischen5 verpflichtet ist. Der Begriff des Himmels zeigt sich in Martins „Liebes Verzweiffelung“ nur als Redewendung, die Schutz und Hilfe erflehen soll: Frondalpheo: Der Himmel bewahre dich zu landt und Meer (I/1) Fidelmo: O Himmel, wende doch das Übel (I/2) Evandra: Der Himmel beschirme mich (I/3) Page: O Himmel, ich sterbe! (I/10) Alidea: O Himmel! was wiederfähret dem Könige? (IV/2) Evandra: Der Himmel wolle dir deine Hand stärken (III/2) Myrandon: O Himmel, die Princessin stirbt (V/10). Auch der christliche Begriff der Hölle und des Teufels begegnet nur in Re­ densarten: Dymas: Dem armen Teuffel gehts wie mir (III/8) Dymas: Du Teuffels Kerl (III/8) Myrandon: Deine Seele fahre nach der Höllen (III/2) Martin verbindet keine persönlich bestimmte Vorstellung mit diesen religiö­ sen Begriffen, weder in seinem Drama noch in seinem späteren Werk. Sein Bild des Himmels ist das traditionelle eines irdischen Paradieses, voll des Reichtums, der besten Speisen und Getränke.6 Seine Hölle ist von Feuer, Pech und Schwefel erfüllt und mehr ein Ort körperlicher als seelisch-geistiger Qualen.7 2 Alidea: Die Götter wißen es … (III/6) 3 Alidea: Ihr ladet der Götter Zorn auff euch (III/6); ebenso Evandra III/6. 4 Frondalpheo: Vielleicht werden mich die Götter vor allem Unglück behüten (V/6). 5 Lessing: 17. Literaturbrief vom 16. Februar 1759. (Vollständige Ausgabe in 25 Teilen, hg. von Julius Petersen und Waldemar von Olshausen, Bd 4, Teil 4, Hildesheim-New York 1970, S. 57) 6 „Mirantische Maul-Trummel“, 3. Teil, 9. Elegie, Str. 14, 16, 17; 8. Elegie, Str. 17. Zum Begriff des Himmels in den Werken des Laurentius vgl. Krasser, Maria: Laurentius von Schnüffis. Diss. Innsbruck 1937, S. 308 und 371. 7 Vgl. „Lusus mirabiles orbis ludentis“, 1. Teil, 1. Elegie, Str. 14 und 11. Elegie, Str. 15; 3. Teil, 8. Elegie, Str. 7; ebenso „Futer über die Mirantische Maul-Trummel“, 7. Elegie, Str. 14. – Zum Begriff der Hölle siehe Krasser, Maria: Laurentius von Schnüffis. Diss. Innsbruck 1937,

Probleme

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In dem Lied Amoenas8 klingt das erste Mal ein Name auf, der später im „Philotheus“ und im „Mirantischen Flötlein“ zum Symbol des weltlichen und göttlichen Hirten wird: Daphnis. Daphnis hat auch in der „Liebes Verzweiffelung“ die typische christliche Gestalt eines Gottes der Freude. Er beschützt die Herde vor wilden Tieren, während die Hirtin sich vor Hitze und Ungewittern verbirgt. Schon hier zeigt sich Daphnis als der schöne, begehrenswerte Hirte und innige Seelenfreund, dem Amoena – wie Clorinda im „Mirantischen Flötlein“ – in mystischer Erotik verbunden ist. Die Figur des Daphnis stellt in dieser Form einen Fremdkör­ per im Drama dar. Sie ist in ihrer religiösen Thematik an einen Gottesbegriff gebunden, der diesem Drama, der überhaupt dem deutschen Wanderbüh­ nendrama nicht entspricht und daher jener anderen Seinsebene des Dichters angehört, die er in Spees „Trutz-Nachtigall“ als das göttliche Bild des Daph­ nis kennengelernt hat.9 Die gefühlsmäßige Gebundenheit an jene christliche Vorstellungswelt der göttlichen Liebe, in der die Kindheit und die schulische Ausbildungszeit des Dichters ihre Geborgenheit erfahren hat und die in der zweiten Lebenshälfte des Dichters zum Tragen kommt, ist wie eine Prägung zu verstehen, gegen deren Ausschließlichkeit sich der junge Johann Martin jetzt noch wehrt. Er verlässt die bürgerliche Enge und übernimmt in sein Schauspiel jene mythologisch-geheimnisvolle und dramatisch wirksame Welt der griechischen Götter und Helden, wie sie traditionell im englischen und deutschen Wanderbühnendrama vorgegeben ist. Auch als er sich im Kloster längst von allem weltlichen Schaubühnendenken gelöst hat und ganz eins ist mit dem christlichen Gottesbild, benutzt er die Figuren der griechischen My­ thologie als Dekoration und Symbolträger seiner Gedanken. In der „Liebes Verzweiffelung“ blitzt also das erstemal jener christliche Begriff des göttlichen Hirten Daphnis unter all den heidnischen Göttergestalten auf und verheißt eine friedliche, ruhige Geborgenheit. Als der fürnehmste / wider die wilde Thier sieghafftigste Hirt10 verkörpert Daphnis das vollkommene, das liebenswerteste Wesen. Dichter wie Spee, Angelus Silesius und in ihrer Nachfolge auch Lau­ rentius von Schnüffis sehen in ihm das religiöse Liebesobjekt Christus.11

8 9 10 11

S. 306–307. – Vgl. dazu auch Ruth Gstach: Himmlisches Paradies und ewige Hölle. Tod- und Jenseitsvorstellungen im 17. Jahrhundert bei Laurentius von Schnüffis und Martin von Co­ chem. In: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs, Jg 59, 2007, Heft 3/4, S. 261–289. Szene II/4, ebenso Amoenas Klage in III/7: O wie werde ich vor meinem Daphnis bestehen? Aus „Philotheus“ (S. 3–4 und S. 18) lässt sich ableiten, dass Martin dieses Werk in Köln ken­ nengelernt hat: O süsser Schall der Nachtigall / der dich mir zugeschicket. Vorrede zum „Mirantischen Flötlein“. Friedrich von Spee widmet dem göttlichen Hirten Daphnis in seiner „Trutz-Nachtigal“ sie­ ben Lieder (Nr. 39, 40, 41, 44, 45, 47, 48). Im Lied Nr. 39 (hg. von Gustav Balke, Leipzig

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Die „Liebes Verzweiffelung“

In der weltlichen Literatur steht Daphnis’ Name oft anstelle einer realen Per­ sönlichkeit; in Martins „Philotheus“ erhält z.  B. der Innsbrucker Erzherzog Ferdinand Karl den Namen Daphnis.12 Auch Opitz erwähnt in einem seiner Gedichte den großen Daphnis, der in der Stadt Leyden wohne: Daphnis, der berühmbte Mann / der so trefflich spielen kann.13 Während Daphnis in den „Bucolica“ Vergils vor allem von den schäfer­ lichen Freunden als schöner Knabe gepriesen wird, der ihnen begehrenswert erscheint14, geben die barocken Dichter ihrem weltlichen Hirten Daphnis eine Geliebte, Galathée, zur Seite.15 Als erster soll Stesichorus von Himera den mythischen Daphnis in die Dich­ tung eingeführt und mit einem erotischen Motiv verbunden haben. Der Sage nach war Daphnis der Sohn des Hermes und einer Nymphe. Er wurde von seiner Mutter in einem Lorbeerhain ausgesetzt, von Hirten gefunden und von Nymphen erzogen. Pan selbst unterrichtete ihn im Flötenspiel, daher wurde Daphnis in der antiken bukolischen Literatur als Idealbild des Syrinx­ spielers und als Erfinder des Hirtenliedes gefeiert. Die geistliche und weltliche Dichtung des 17. Jahrhunderts fand in dieser mythisch-poetischen Gestalt des Daphnis zu jener typisch barocken Syn­ these von menschlichem und göttlichem Liebesempfinden, das in der „Liebes Verzweiffelung“ angedeutet wird und im „Mirantischen Flötlein“ seine vollendete Formung gefunden hat.

1879, S. 166) heißt es als Erklärung zur Überschrift: Zu merken ist, daß hinfürter durch den Hirten ­Daphnis allweg Christus verstanden werde. 12 „Philotheus“, S. 117–125: Deß Miranten Traur-Lied über den unzeitigen Todt deß noch zart-blühenden Daphnis. 13 Opitz, Martin: Galathee. In: Das Zeitalter des Barock, hg. von Albrecht Schön, Texte und Zeugnisse (= Die deutsche Literatur, hg. von Walther Killy, Bd 3). München 1963, S. 750–752. 14 Vergil: Hirtengedichte. Lateinisch und deutsch, übersetzt von Theodor Haecker, München 1953. – 2. Ecloge, S. 25; 3. Ecloge, S. 29; 5. Ecloge, S. 49–57. 15 Vgl. z.  B. Rist, Johannes: Daphnis’ bekümmerte Liebes-Gedanken / Als er bey seiner Galatheen nicht seyn konte. Erstdruck 1642. In: Zeitalter des Barock, hg. von Albrecht Schöne, S. 752–753. Ebenso Rist: Grab-Lied / Welches der Hirte Daphnis sang / als ihm die klägliche Zeitung zu Ohren kam / daß seine edelste Schäfferinn Galathee were gestorben. In: Deutsche Literatur in Entwicklungs­ reihen, hg. von Heinz Kindermann, Reihe Barock, Barocklyrik, Bd 1: Vor- und Frühbarock, hg. von Herbert Cysarz, Leipzig 1937, S. 249–250.

Probleme

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Moral und Gerechtigkeit im Wanderbühnendrama Obwohl sich die Wanderbühne weder für politische noch für religiöse Ten­ denzen ihrer Zeit interessierte, aus Gründen ihrer existentiellen Abhängigkeit sich auch gar kein Urteil anmaßen durfte, gefiel sie sich im Moralisieren und vertrat eine Gerechtigkeit, die weder in der weltlichen noch in der kirchlichen Justiz zu finden war. Das frühe Wanderbühnendrama sah Leiden und Miss­ geschick meist nicht in der Verantwortlichkeit des Einzelnen, als Auswir­ kung seiner in seinem Inneren verankerten Tendenzen. Fortuna ist es, die für Glück und Unglück verantwortlich gemacht wird oder die Lösung von Kon­ flikten herbeiführt: So trifft Frondalpheo zufällig auf die Höhle Amoenas, seines Kindes; Rodiman trifft zufällig auf Evandra, die ihm ihre wahre Ab­ kunft enthüllt und so sein eigenes Glück ermöglicht. Auch Götter greifen oft entscheidend in den Kampf des Menschen zwischen Gut und Böse ein. Manchmal geht das Gute mit dem Bösen zugrunde, z.  B. in dem Wan­ derbühnenspiel „Titus Andronicus“, meist jedoch ist es ein Sieg des Guten, der das Vertrauen des Menschen auf Gott rechtfertigt und den guten Menschen als den Stärkeren im Kampf gegen böse Mächte darstellt. Dieses Böse zeigt sich nie mit dem Guten gepaart, wie es der menschlichen Natur entspräche, sondern es umschließt ein absolut negatives Wertsymbol, die dramatische Fi­ gur ist dessen bedingungsloser Wertträger (in Martins Schauspiel: Cassianus) Das Drama lässt diesem Typ des Bösen meist keine Chance. Nachdem es seine Aufgabe im Spiel: Habsucht und Rache im „Juden von Venetien“, Grau­ samkeit der Königin im „Eysernen Tisch“, Intrige und Verleumdung in der „Liebes Verzweiffelung“, erfüllt hat, verfällt es gnadenlos dem Tod. Das Wan­ derbühnendrama kennt kein Verzeihen, nach heidnischem Muster gilt das Gesetz der Vergeltung.16 Der Gerechtigkeitssinn im Wanderbühnendrama wirkt – wie im Volksmärchen – aber auch im positiven Sinn: Tugend und Standhaftigkeit, Liebe und Treue werden meist mit der Erfüllung aller Wün­ sche belohnt. In „Die gekrönte Schäferin Aspasia“ ist es die keusche Standhaftig­ keit, die das Schäfermädchen zu königlichen Würden erhebt. Unerschütter­ liche Liebe und Treue führt in der „Liebes Verzweiffelung“ zur Vereinigung der Liebenden, während die Verzweiflung Frondalpheos als Strafe dafür zu wer­ ten ist, dass er dem Schuldigen Gehör geliehen und Unschuldige verfolgt hat: Ein unbarmhertziger Vatter bin ich an meinem Sohn gewesen. Derowegen werden die Götter mir auch keine Barmhertzigkeit erweisen … Der Götter Unbarmhertzigkeit empfinde ich schon im meiner verzweiffelten Seele. (IV/1) 16

Im Jesuitendrama zeigt sich diese Vergeltung am Höhepunkt der Schlussszene, in der Erlö­ sung oder Verdammung durch Gott.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Im „Bestraften Brudermord“ weist Hamlet – nach dem Vorbild Shakespeares – direkt auf dieses Bestreben der Komödianten hin, einem moralischen Aus­ gleich in der Welt ihr Wort zu leihen: Tractiret sie wohl, sag ich, denn es geschiehet kein grösser Lob als durch Comödianten, denn dieselben reisen weit in die Welt: geschiehet ihnen an einem Orte etwas Gutes, so wissen sie es an einem andern Orte nicht genug zu rühmen, denn ihr Theatrum ist wie eine kleine Welt, darinnen sie fast alles, was in der großen Welt geschieht, repräsentiren. Sie erneuern die alten, vergessenen Geschichten und stellen uns gute und böse Exempel vor; sie breiten aus die Gerechtigkeit und löbliche Regierung der Fürsten, sie strafen die Laster und erheben die Tugenden, sie rühmen die Frommen und weisen, wie die Tyranney gestraft wird.17 Im Verlauf des jeweiligen Dramas wurde nicht mit tödlichen Vergeltungs­ maßnahmen gespart, der Schluss durfte jedoch nie den Tod für eine der Hauptpersonen bringen. Das Ausweglose, das Trostlose durfte nicht an das Ende des Spieles gerückt werden.18 Es wird zwar eine klare Trennung zwi­ schen Guten und Bösen, zwischen Belohnung und gerechter Strafe aufge­ zeigt, doch der Böse wird, wenn er sich bis zum Ende des Spiels hin gerettet hat, am Leben gelassen. Dem Publikum bleibt die Gewissheit des Sieges über das Böse. In „Romio und Julieta“ und im „Papinianus“ werden ergreifende Reden am Grab gehalten, der Triumph des Guten und Schuldlosen erscheint für jeden gesichert. Das Wanderbühnendrama erfüllt also die Forderung Harsdörffers: Das Trauer­spiel sol gleichsam ein gerechter Richter seyn / welches in dem Inhalt die Tugend belohnet  /  und die Laster bestraffet.19 Es erschreckt den Zuschauer durch das absolut Böse und versöhnt es wieder mit jener archaischen Gerechtigkeits­ formel, die weder Verzeihen noch Verstehen kennt, sondern nur die Strafe an Leib und Leben.

17 „Der bestrafte Brudermord“, II/9 (Ausgabe Cohn, Spalte 271) 18 Vgl. den Spielschluss von „Aurora und Stella“, „Darlo todo“, „Der stumme Prinz Atis“ u.  a.! (Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 402; ebenso Heine: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, S. 25) 19 Harsdörffer: Poetischer Trichter, Teil II, S. 83.

Probleme

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Affekte und Leidenschaften Das Vanitas-Erlebnis Das dramatische Ich des Barock drängt ungefiltert aus seinem Inneren nach außen. Es erprobt die Wirkung seiner Gefühle an seinem Publikum, dessen Resonanz beurteilt seinen Wert oder Unwert. Fehlt diese Umwelt, so teilt sich der Mensch der Natur mit: Tiere des Waldes (Amoena, V/1), Pflanzen des Gartens (Evandra, I/8) oder die Naturerscheinungen des Himmels20 werden dem Menschen zum Spiegelbild seiner Freude, seiner Traurigkeit oder Ver­ zweiflung. Diese Resonanz in der Natur zeigt sich auch noch in der Dich­ tung des 19. Jahrhunderts, etwa in Gerhart Hauptmanns Novelle „Bahnwärter Thiel“, und ist wohl ein zeitloser Ausdrucksmechanismus künstlerischen Schaffens, begründet im persönlichen selektiven Erleben. Der Mitmensch wird nicht als ein in sich geschlossenes Sein, als eigen­ ständige Du-Welt erlebt, die dem eigenen Ich gegenübersteht. Seine Funk­ tion im Leben wie auf der Bühne ist es, diesem egozentrischen Ich jene Resonanzfläche zu bieten, die es benötigt, um seinen Gefühlen Wirkung und Geltung zu verschaffen. Deshalb verteidigt Myrandon so unerbittlich gegenüber Rodiman (III/8), ja selbst gegenüber seiner Geliebten (III/2) den selbstgewählten Na­ men: der Unglückseeligste. Ausschlaggebend ist das Gesicht, das der Mensch der Außenwelt zuwendet. Erst in der Bestätigung von außen erfährt der Mensch die Berechtigung seines eigenen Seins. Es bleibt ihm also nicht die Flucht in ein inners Exil, so lange er auf der Bühne der Welt seine Rolle zu spielen hat.21 Die Geschlossenheit des eigenen Selbst, die noch in der höfischen Literatur das Bild Parzivals oder Tristans, Sigunes oder Isoldes bestimmt hatte, war schon dem späteren Mittelalter abhanden gekommen. Alle Dinge des Lebens waren von einer prunkenden und grausamen Öffentlichkeit22, auch das Sterben und der Tod, der sich bei höhergestellten Personen vor entsprechendem Publi­ kum vollzog. Der Einzelne war nicht so sehr Individuum als vielmehr Glied einer Gesellschaft, von der er sich abhängig wusste. Sein ganzes Streben ging

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z.  B. im „Ehrengedicht“ Johann Martins (Akrostichon, Zeile 1–6) Erst der weltabgesonderte, gottbezogene Mirant ist imstande, die Einsamkeit als Orth der Unschuld (Philotheus“, S. 179) und als Wohnung des unverstörten Friedens („Mirant“, 29. Kap. – Ausgabe Thurnher, S. 132) zu erfahren. Huizinga, Johann: Herbst des Mittelalters, 9. Auflage hg. von Kurt Köster (= Kröners Ta­ schenausgabe, Bd 204). Stuttgart 1965, S. 1.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

dahin, seinen Platz in dieser Gesellschaft zu behaupten; Macht über andere bedeutete Ausweitung des eigenen Selbst.23 Macht war jedoch nicht in sich selbst, sondern vor allem in der Anerken­ nung durch die Außenwelt begründet. Frondalpheo muss den Standpunkt seines Ehrbewusstseins daher unbeugsam verteidigen und ist bereit, seinem Ansehen in der Welt sogar die eigenen Kinder zu opfern: Wir wollen lieber ohne Kinder alß ohne Ehre leben. Wo ich selbsten sie straffen werde, so wird die gantze Welt bekennen müßen, daß ein ehrliebendes Gemüth von einem lasterhafftigen Menschen nicht könne entuhnehret werden. (I/10) Nicht die scheinbare Unkeuschheit seiner Tochter ist es, die den Kö­ nig beinahe zum Mörder Evandras werden lässt, sondern dass sie mit ihrer Leichtfertigkeit seinen Purpur und Königliches Kleidt schamroth gemacht hat (III/1). Das Unrecht zeigt sich also nicht im existenziell Bösen, sondern alles Tun erhält erst durch das Urteil der Außenwelt seinen Wert oder Unwert. Es gilt, die Menschen und sich selbst zu überzeugen; je lauter, je greller, je intensi­ ver die Stimme ist, die sich Anerkennung verschaffen will, umso eher wird sie gehört, umso besser wird sie verstanden und akzeptiert. Auf der Bühne bleibt also kein Platz für verhaltene Poesie, sondern jedes Gefühl wird in einen geballten Affekt verwandelt, der keine ruhige Aktion, kein gereiftes Entscheiden zulässt. Auch in Martins „Liebes Verzweiffelung“ agieren diese spezifischen Affekt­ träger: Myrandon und Rodiman, Amoena und Evandra sind so sehr erfüllt von ihrer einzigen Leidenschaft, der Liebe zu einem bestimmten Menschen, dass sie keine andere emotionale Funktion übernehmen können. Weder das Gute noch das Böse noch andere moralische oder ethische Werte sind in ih­ rem Wesen entschieden; sie stehen nur als Verkörperung dieses einen Affek­ tes. Frondalpheo ist eingezwängt in die Verpflichtung seiner Ehre, Ottonias und Alidea werden zu Vertretern unbedingter Treue, Cassianus wird nur von dem Rachegefühl des verstoßenen Liebhabers getrieben. Jede Bühnenfigur steht in einem einzigen, einseitigen Affektbereich. Daraus ergibt sich auch die für die Wanderbühne so typische Schwarz-Weiß-Zeichnung, die auch heute noch dem einfachen Volkstheater eigen ist. Der barocke Dramatiker konzentriert sich also auf eine Empfindung und steigert sie zum Affekt, der dann als übermächtige Kraft den Verlauf und den Ausgang des Schauspiels bestimmt. Vor allem sind es Emotionen, die das Tun des Menschen bestimmen, Verstand und Wille haben eher untergeordnete Funktion. Sogar das schöp­ ferische Tun, das sokratische Daimonion, wird als Affekt gewertet, der in der

23

Vgl. dazu Friedrich, Carl Joachim: Das Zeitalter des Barock. Kultur und Staaten Europas im 17. Jahrhundert. Stuttgart 1954, S. 57–58.

Probleme

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Kreationsformel der Dichterkrönungen im 17. Jahrhundert dem stärksten aller Triebe gegenübergestellt wird: Der poetische Furor ist ein Affekt, gleich dem, in welchem der Jüngling sich nach Jungfraun heiß sehnt …24 In dem Wanderbühnenstück „Der Jude von Venetien“ wird die Liebe als ein affect definiert, so seinen sitz in dem innersten theil des hertzens nimbt.25 Wo immer der Mensch von einem solchen Affekt beherrscht wird, ist sein Tun entschuldbar. Der Affekt wird als eine zügellose Macht erlebt, die den Menschen zum Äußersten befähigt: Affekt! dein Ahnen bohrt zum Mittelpunkt; das machst du möglich, was unmöglich schien.26 Das Drama des 17. Jahrhunderts bemächtigt sich dieses wirksamen Mittels, das alle Handlungen zu erklären vermag27, und gestaltet es zu immer neuen leidenschaftlichen Ausbrüchen der menschlichen Seele. Dies geschieht nicht nur durch das Wort; der extravertierte Gebärden­ duktus der deutschen Wanderkomödianten zeigt die Leidenschaften in ihren äußersten Extremen: Der Märtyrer wird zum feurigen Bekenner, der sich energisch dem Tod als letzter Verherrlichung zudrängt.28 Der enttäuschte oder eifersüchtige Liebende zeigt sich rasend vor Schmerz und Verzweiflung. Meine Seele ersticket, meine Liebe raset, und mein Verstandt vergehet, so kennzeichnet Myrandon seine Verzweiflung, als er vom Vater gezwungen wird, Evandra zu verlassen (I/1). Er ringet nach dem Tode (I/2 und I/12) wie Evandra (III/6) und Amoena (III/7), weil ihm die Erfüllung der Liebe scheinbar für immer verwehrt ist. Im barocken Wanderbühnendrama erfüllt das Problem der Liebe das ganze Denken höfischer Personen, es steht über allem und lässt anderen Problemen nur wenig Raum. Im Gegensatz zur oft grausamen Realität, in der die Kinder hoher Standespersonen den politischen und wirtschaftlichen Interessen des Herrscherhauses geopfert worden sind, ist es im Wanderbüh­ nendrama allein die Liebe, die Schönheit und – in der „Getreuen Octavia“ – auch der kluge Verstand, welche eine eheliche Verbindung bestimmen. Die von den Göttern von allem Anfang her füreinander bestimmten Liebespaare haben keine Wahl; sie müssen ihrem Herzen folgen, über alle vermeintlichen 24

Bradish, Joseph von: Dichterkrönungen im Wien des Humanismus. In: The Journal of Eng­ lish and Germanic Philologie, Vol. XXXVI, 1937, S. 367–383. 25 „Jude von Venetien“, II/1 (Ausgabe Flemming, S. 214) 26 Shakespeare: Wintermärchen, I/2 (Rede des Leontes) 27 In den Dramen des Gryphius zeigt sich der Affekt als Sünde schlechthin, in ihm haben alle Handlungen ihre Ursache. (Vgl. dazu Geisenhof, Erika: Die Darstellung der Leidenschaften in den Trauerspielen des Andreas Gryphius. Diss. Heidelberg 1958 (Masch.) 28 Flemming, Willi: Deutsche Kultur im Zeitalter des Barock (= Handbuch der Kultur­ geschichte, begr. von Heinz Kindermann, neu hg. von Eugen Thurnher, Abt. 1: Zeitalter deutscher Kultur). Konstanz 1960, S. 12.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Standesunterschiede, Missverständnisse oder Schicksalshürden hinweg muss sich ihr Geschick erfüllen. Und ihre Liebe auf den ersten Blick erweist sich immer als die richtige Wahl. Wie Lohenstein für das barocke Kunstdrama, so wird Martin für die Wanderbühne zum Darsteller menschlicher Leidenschaften, die er in seinem gleichbleibenden thematischen Bereich, der Liebe, fokussiert. Nicht nur die dramatische, auch die epische Literatur bot ihm zahlreiche Beispiele für die Darstellung affektiver Liebesverzweiflung: Ovid beschreibt in seinen „Metamorphosen“ die Verzweiflung Alcyones über den Tod ihres ertrunkenen Gat­ ten Ceyx.29 Und Ariosts Stanzenepos in 40 Gesängen, der „Rasende Roland“, endet mit der Verzweiflung des Helden über den Verlust seiner Geliebten; dieser flieht mitten in des Waldes dunkeln Graus / und öffnet nun, einsam am öden Orte / mit Schrei’n und Heulen seinem Schmerz die Pforte. / Er hört nicht auf zu klagen und zu weinen / gönnt Tag und Nacht sich keine Ruh noch Rast.30 Diesem dualistischen Seinserlebnis entspricht, als polare Größe gegenüber der affektunterworfenen Gebundenheit an die Außenwelt, das Wissen um die Vanitas, die Vergänglichkeit alles Irdischen. Auch sie ist dem Affekt des Augenblicks unterworfen: Das barocke Vanitas-Erlebnis ist nicht ein Wahrnehmen des Verwesens und der organi­ schen Vergänglichkeit aller Dinge, sondern es zeigt sich als ein plötzliches, unvorhergesehenes Umbrechen, Zusammenstürzen dessen, was mächtig und dauer­haft schien. In „Cardenio und Celinde“ von Gryphius verwandelt sich die geliebte Frau in ein Totengerippe, das mit Bogen und Pfeil auf den Liebenden schießt. Der üppige Garten wird zur Einöde. Das Ziel des Genus­ ses weicht dem der Entsagung. Auch in der „Liebes Verzweiffelung“ ist diese Vanitas allgegenwärtig: Das Leben Myrandons erhält durch den Entschluss des Vaters, ihn von Evandra zu entfernen, eine plötzliche Wendung ins Glücklose. Evandras Leben wird durch die Trennung von ihrem geliebten Bruder aus der ruhigen und glück­ lichen Geborgenheit gerissen, von einem Augenblick zum anderen sieht sich die verwöhnte, von allen geliebte Prinzessin als verachtete und verleumdete Gefangene. Ohne Übergang, ohne Vorbereitung geschieht der Einbruch in 29 30

Publius Ovidius Naso: Metamorphosen. Epos in 15 Büchern, hg. und übersetzt von Her­ mann Breitenbach (= Die Bibliothek der alten Welt, hg. von Walter Rüegg, Römische Reihe). Zürich 1958, 11. Buch, S. 680  ff. Lodovico Ariosto’s Rasender Roland, 23. Gesang, Strophe 124 und 125. Deutsch von J. D. Gries. Eingeleitet von Otto V. Lachmann (= Reclams Universal-Bibliothek, Bd 2393–2396). Leipzig 1886, S. 527. Das Drama „Der rasente orlando“ wurde auch auf der Wanderbühne gespielt; es ist im Weima­ rer Verzeichnis (Nr. 8) und im Prager Repertoire des Johannes Schilling aus dem Jahr 1651 angeführt. (Nach Meissner: Die englischen Komödianten in Österreich, S. 146)

Probleme

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das vorher so sicher scheinende Glück. Nichts ist vor Fortunas Wirken si­ cher. Amoenas überschwengliches Glück findet durch den Brief Rodimans ein plötzliches Ende. Ebenso unvorbereitet kommt aber auch die Wendung zum Glück: Evandra erwacht in den Armen des lang gesuchten und totgeglaubten Ge­ liebten; Amoenas Einsamkeit und Verzweiflung wird durch Frondalpheo plötzlich in Glück verwandelt; ebenso kommt auch für Rodiman und My­ randon die positive Wendung ihres Geschicks völlig unerwartet. Ebenso zeigt sich das persönliche Leben des Dichters Martin dem VanitasErlebnis unterworfen, indem es die äußersten Extreme durchläuft und erst in der sinngebenden Perspektive des Glaubens zur Ruhe kommt. Martin findet seine Bestimmung nicht so sehr als Ergebnis einer inneren Entwicklung, son­ dern seine Entscheidungen fallen scheinbar plötzlich unter dem Eindruck seiner Todeskrankheit in Innsbruck und seiner Traumerlebnisse. Auch er ordnet all sein Denken und Schaffen der einen Leidenschaft unter, die seine jeweilige Lebensphase beseelt: der weltlichen Liebe, später der Hingabe an die göttliche Liebe.

Das Problem der Liebe und Treue bei Martin Die Liebe zwischen Mann und Frau oder zwischen Mensch und Gott ist ein immer wiederkehrendes Thema in den Werken Martins. Während diese Liebe in seinem frühesten Werk, der „Liebes Verzweiffelung“, rein erotischen Gefühlswert hat und sich in der Darstellung unbedingter Treue zwischen den Liebenden beweist, wird die erotische Liebe im „Philotheus“ als feuerspeiender Drache (S.  48), als Frucht der Gotts-vergessenen Abgötterey (S.  35) gewertet, die den Menschen von den wahren Jenseitswerten abhält und in einen Irrgarten der Wollüsten verwickelt (S. 36). Martin verleugnet hier im nachhinein die ethische und moralische Berechtigung der Liebe (S. 30). Die sündliche Liebe (S. 33) wird nun als eine Speise der Würmen und Schlangen (S. 32) abgeurteilt, die sich als Objekt das stinckende / schandtliche / verächtliche / faule Fleisch (S. 33) erwählt hat und die Seele in unaußsprechliche Pein und Quahlen (S. 33) führt. Die erotische Liebe bedeutet für den Mann nicht mehr Aufgabe, Verantwortung, Schicksals­bestimmung und Ziel aller Wünsche wie in der „Liebes Verzweiffelung“, sondern sie führt zu ewigem Hon und Spott (S. 49), Abhängigkeit und Demütigung, von der er sich um jeden Preis befreien muss: Liebe wer lieben will / mir behaget die göldine Freyheit. (S. 96) In der Hinwendung zu Gott findet der Dichter ein neues, weiblich orien­ tiertes Liebesobjekt, die göttliche Olympia, die Liebe Gottes, der er sich in

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Die „Liebes Verzweiffelung“

mystisch-erotischer Hingebung ebenso kompromisslos verbindet wie vorher den weltlichen Liebesobjekten.31 Das „Mirantische Flötlein“ und die „Mirantische Mayen-Pfeiff“ zeigen dieses Thema der erotischen Hinwendung an ein göttliches Liebesobjekt in immer neuer Abwandlung: als Bußstand, Streitstand, Freudenstand der verliebten Seele gegenüber dem göttlichen Liebespartner, welcher sich der Seele in mys­ tisch-erotischer Weise verbindet:    Darumben so komme /     Mein schöne / und fromme /    Clorinda / nun deines /  Verlangens zu geniessen /          Einzuschliessen Dein verliebtes Hertz in meines;    Ich bin nunmehr dein /     Du hingegen mein /  Auff ewig will ich mich dir vermählen /     Es soll dir nicht fehlen.    Beyde wöllen wir    Seyn getreu / ich dir /     Du hingegen mir.32 In der Zugab zu „Lusus mirabiles orbis ludentis“ (Augsburg 1703, S. 205–218), dem letzten Werk des Laurentius von Schnüffis, wird die Erzählung Clorin­ das zu des Dichters eigenen Lebensgeschichte. Die Innigkeit Clorindas, ihre Hinneigung zu dem göttlichen Liebespartner spiegelt des Dichters eigenes Liebesempfinden, das beide Extreme der Zeit zu umfassen scheint: die inten­ sive Sinnenlust seiner Wanderjahre und die enthusiastische Enthaltsamkeit der Mönchszeit. Dass Martin in den meisten seiner Werke zur Variation dieses einen Mo­ tivs, der erotischen Liebe, tendiert, lässt sich aus dem Charakter des Dichters, seinen sozialen und individuellen Erlebnissen interpretieren. Doch muss Jo­ hann Martins intensive, immer wieder neue Ausformung dieses Kernmotivs im Zusammenhang mit der literarischen Tradition gesehen werden, die der Liebe ebenfalls einen zentralen Platz zuweist.

Siehe z.  B. die Elegie im „Philotheus“, S. 162–168: Philoth fraget Olympia einer Liebe Gottes bey dem Widerhall nach / wird von derselben beantwortet / und verzucket. 32 „Mirantische Flötlein“, Teil III, Elegia I, Strophe 19, S. 228–229. 31

Probleme

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Im Jesuitentheater erfuhr nur die Eltern- und Kindesliebe eine positive Wertung, die Liebe zwischen Mann und Frau beschränkte sich auf die Treue oder Untreue von Ehegatten.33 In der zeitgenössischen weltlichen Literatur jedoch bekam die eroti­ sche Liebe eine unumschränkte Zentralstellung. Honoré d’Urfê’s „Astrée“ (1607–1627) verstand diese Liebe als diskretes, unaufhörliches Versteckspiel vor der Gesellschaft.34 In diesem Arkadien der französischen Vorzeit zeigt sich die Frau in spröder Zurückhaltung; sie prüft und lenkt den Liebenden und dämpft seine Liebesglut, während der Mann – nach dem Vorbild der mittelalterlichen Minnesänger – von einer unbegrenzten Ehrfurcht vor der Würde der Frau erfüllt ist. Er glaubt an ihre Vollkommenheit und ihre lie­ bende Selbstaufgabe. Beide Liebespartner sind einander zu ewiger Liebe und Treue verpflichtet. Das deutsche Wanderbühnendrama übernimmt diese dominierende Stellung der Frau, doch wird das Thema der erotischen Liebe nicht psychologisch ausgewertet, sondern seiner dramatischen Wirksamkeit untergeordnet. Die Liebe wird auf ihre spieltechnische Qualität reduziert. Das beseelte Lieben der Shakespeareschen Dramenfiguren verliert sich auf der Wanderbühne teils in eine pathetische egozentrische Leidenschaft für das geliebte We­ sen, die vor allem die eigene Glückseligkeit, den erotischen Liebesgenuss anstrebt; teils gleicht es sich dem sentimental-galanten Schäfergefühl nach italienischem Vorbild an.35 In der „Liebes Verzweiffelung“ wird der Gegenwart des geliebten Wesens eine entscheidende Bedeutung beigemessen: Die Gegenwart der Augen entzündet die Liebe, die Abwesenheit aber vergißt alles. (Frondalpheo I/1)36

33

34 35 36

In Avancinis „Amor coniugalis“ zieht die Gattin aus, ihren gefangenen Gatten zu befreien; Frischlins „Frau Wendelgard“ hält dem verschollenen Gattin die Treue. Scheinbare Untreue der Gattin findet sich in Frischlins „Hildegard“-Spiel (Österr. Nat.Bibl. Wien, Cod. 18960), in Gretsers „Idda von Toggenburg“ und Avancinis „Genoveva“ (Österr. Nat.Bibl. Wien, Cod. 13221). (nach Adel, Kurt: Das Wiener Jesuitentheater und die europäische Barockdramatik. Wien 1960, S. 36) Vgl. dazu Heetfeld, Gisela: Vergleichende Studien zum deutschen und französischen Schä­ ferroman. Aneignung und Umformung des preziösen Haltungsideals der Astrée in den deut­ schen Schäferrromanen des 17. Jahrhunderts. Diss. München 1954. Vgl. die Commedia dell’arte und die Dramen der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630; typi­ sches Wanderbühnen-Beispiel: „Die gekrönte Schäferin Aspasia“ (Landes- und Stadtbibliothek Wien, Sammelband 38589 Ja, Bl. 89–132). Vgl. auch „Mirantisches Flötlein“, Teil III, Elegie 3, Str. 9, S. 249: Die Lieb ist gar unärtig / Will stäts seyn gegenwärtig.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Nicht in der Nähe der Geliebten sein zu dürfen, empfindet Myrandon als lebensbedrohenden Schmerz: Die Liebe zwischen mir und meiner liebsten Schwester ist eine gespannte Schnur. Wie weiter man mich von ihr drucket, ie harter wird die Schnur gespannt, also zwar, daß sie mir entlich mein Hertz durchschneiden und mich meines Lebens berauben wird. (I/2) Auch Blümel, der Schauspielerkollege Martins, nennt die Liebe eine Kranck­ heit des Hertzens37. Sie lässt den Liebenden weder Gefahr noch Müdigkeit empfinden, sondern ie mehr er liebet, iemehr ergibet er sich der Liebe.38 Die Liebe zeigt sich gleich einem Durst, welcher unersättlich ist (Alidea, IV/5). Unerfülltes Liebesverlangen ist für beide Partner gleich einem ver­ giffteten Pfeil Amors, das Fewer heiß, seine Schmertzen unerträglich und seine Plage unauffhörlich. Wer wolte nicht lieber sterben alß eine solch höllische Marter erdulden? (Evandra, IV/5). Der vergeblich Liebende sieht also im Tod die einzige Er­ lösung, wenn ihm, dem Unglückseeligen, die Erfüllung seiner Liebe verwehrt bleibt (Myrandon I/12, ebenso Evandra IV/5). Frondalpheo betont immer wieder die Gefährlichkeit der Liebe: Die Liebe ist wild und läst sich in vollem Trab nicht zäumen. – Die Liebe verblendet die Gesichter, daß sie keine Gefahr, ia gar den Todt nicht achten. (I/1) Die Entwicklung, die das Motiv im Lauf der Jahre bei Martin erfährt, wird hier schon in einer Zeit vorweggenommen, da der Dichter der welt­ lichen Liebe noch positiv gegenübersteht. Auf der barocken Wanderbühne vermag treue Liebe alles. Ihre Macht schenkt selbst Schäferinnen die Krone. Die Wanderbühne liebt dieses Motiv und zeigt es in immer neuer Variation: Ohne die Liebe Rodimans würde Amoena trotz ihrer hohen Abstammung das arme Schäfermädchen blei­ ben. Die Ablehnung jeder niederen Erotik ist dabei Voraussetzung für die Erfüllung ihres glücklichen Geschicks. Auch das Schäfermädchen Aspasia entzieht sich dem Liebeswerben des Hirten Damon, bis es von König Cyrus zur Gemahlin gewählt wird.39 Ebenso wird in den Dramen und Sonetten des Gryphius oft auf die Kraft treuer Liebe verwiesen: Die Liebe, wenn sie will, verrichtet Wundersachen. – 37 „Jude von Venetien“ IV/9 (Flemming-Ausgabe, S. 256). 38 „Liebes Verzweiffelung“ I/1 (Frondalpheo); ebenso IV/5 (Alidea: Je mehr ihr liebet, iemehr müst ihr lieben.) 39 „Die gekrönte Schäferin Aspasia“ (Landes- und Stadtbibliothek Wien, Sammelband 38589 Ja, Bl. 89–132). Das Motiv der Liebestreue steht ebenso im Zentrum in „Aurora und Stella“, in „Die getreue Sclavin Doris“, in „Prinz Atis“, in „Medea“ und vielen anderen Wanderbühnendramen.

Probleme

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Die Liebe wächst in Noth vnd stärckt sich durch Gefahr.40 In seinen beiden Spielen „Das verliebte Gespenst“ und „Die geliebte Dornrose“ (1660) zeigt sich treue Liebe mächtiger als jede andere zwischenmenschliche Beziehung. Martins Liebespaare scheinen von Fortuna füreinander bestimmt, sie haben nicht die Freiheit der Wahl. Die Erfüllung ihrer Liebe zeigt sich als so uner­ bittliche Forderung, dass die Liebenden eher ihr köngliches Erbe, ja selbst ihr eigenes Leben opfern, als dass sie auf die Gegenwart des Partners und den Liebesgenuss verzichten könnten. Selbst das Abschewen vor der Unnatürlichkeit einer geschwisterlichen Lie­ besverbindung vermag ihre Gefühle nicht in andere Bahnen zu lenken. Es zwingt sie, die Nähe des Geliebten zu meiden, und liefert sie dadurch den größten Qualen aus. Sie wird als unausweichliche, grausame Macht empfun­ den, der der Mensch hilflos ausgeliefert ist. Und doch ist es das Märchen der großen, dauerhaften, ja ewigen Liebe auf den ersten Blick, das sich auf der barocken Wanderbühne verwirklicht und die immanente Sehnsucht des Menschen nach der Unvergänglichkeit dieser großen Gefühle erfüllt.

40

Gryphius: Cardenio und Celinde, I. Abh., Vs 81–84 und Vs 340 (Gesamtausgabe, Bd 5, S. 109 und S. 116).

Motive Übersicht über die Motive des Wanderbühnendramas Motivähnlichkeit mit dem Volksmärchen Alle Motive, die Martin in sein Schauspiel aufnimmt, begegnen in überra­ schender Gemeinsamkeit in allen Wanderbühnendramen seiner Zeit wie­ der. – In jeder Theaterepoche trifft man auf bevorzugte Hauptmotive, wel­ che die Grunderlebnisse und Sehnsüchte ihrer Zeit vertreten.1 Doch kaum eine Generation zeigt eine so völlige Übereinstimmung von Problemen, Stof­ fen, Bildern und Symbolen wie die der Wanderkomödianten des 17. Jahrhun­ derts. Die Wanderbühne ist in ihrer frühen Entwicklungsphase vergleichbar mit der einer einzelnen Dichterpersönlichkeit, die, je mehr ihre Entwicklung noch am Anfang steht, umso abhängiger an eine bestimmte Prävalenz von Motiven gebunden ist. Viele Schauspiele vor 1690 verknoten diese Motive wahllos in eine übernommene Fabel, ohne einen inneren Zusammenhang anzustreben.2 In die „Comoedia Betittult Der Flüchtige Virenus und die Getreue Olympia“ etwa, in der es um die Untreue des Geliebten und die selbstbewusste unbeirrbare Zuneigung seiner ihm angelobten Prinzessin geht, drängen sich zur Belus­ tigung des Königs  – und auch des Publikums  – völlig unmotiviert einige Szenen vom betrunkenen Bauern, der in königlichen Kleidern im Palast er­ wacht und dort zum Schein die Rolle des Herrschers übernimmt. Als die Hofgesellschaft des Spaßes überdrüssig ist, wird der Bauer in seinen alten Kleidern wieder ausgesetzt, und er glaubt, er habe im Rausch alles nur ge­ träumt. Dieses Motiv stammt aus Shakespeares „Taming of the Shrew“; es fin­ det sich auch in den Wanderbühnenstücken „Kunst über alle Künste“ und „Der verwandelte Baur“ und in einem polnischen Spiel aus dem Jahr 1638. Chris­ tian Weise hat das Motiv in seinem „Wunderlichen Schauspiel vom niederländischen Bauern“ verarbeitet, ebenso Ludwig Holberg in seiner Komödie „Der Seppe vom Berge“. In etwas veränderter Form kommt das Motiv aber auch schon in der indisch/persisch/arabischen Erzählsammlung „Tausendundeine Nacht“ (8.–10. Jahrhundert) in der Geschichte von Badraddin Hasan von Basra und 1 2

Siehe dazu Frenzel, Elisabeth: Stoff- und Motivgeschichte (= Grundlagen der Germanistik, hg. von Hugo Moser, Bd 3). Berlin 1966, S. 66–67. Vgl. dazu Heine: Das Schauspiel der Wanderbühne vor Gottsched, S. 24.

Motive

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seiner Geliebten Sitt al-Husn vor.3 Das heißt, dass dieses Motiv wohl aus archetypischen Wurzeln entstanden sein muss. Doch während die Motivwelt des europäischen Volksmärchens eine große Übereinstimmung mit jener des Wanderbühnendramas erkennen lässt, unterscheidet sich jene der orien­ talischen Erzählsammlung grundlegend von der abendländischen Vorstel­ lungswelt: Sieben der 18 handlungstragenden Motivkreise aus dem Wander­ bühnendrama „Die Liebes Verzweiffelung“ kommen dort nur sehr selten oder gar nicht vor: Requisiten wie Bilder oder Schmuck dienen ausschließlich der Darstellung von Reichtum und Schönheit und sind als handlungstragendes Element nicht wichtig. Zweikämpfe als Gottesurteil fehlen völlig, die Gesell­ schaftsordnung und die festgelegten Machtverhältnisse entscheiden sich eher durch List zwischen der Sieger- und Verlierergruppe, selten geht es um den Kampf zwischen einzelnen Persönlichkeiten. Die orientalischen Geschich­ ten spielen am Hof von Kalifen, selten im Kaufmannsmilieu; Bauern und Hirten sind in diesen Handlungen nicht vorstellbar. Auch Prophezeiungen spielen kaum eine Rolle; Geistererscheinungen im abendländischen Sinn, wie sie das Wanderbühnendrama als Verkörperung verstorbener Seelen­ wesen kennt, gibt es in der orientalischen Vorstellung dieser Erzählsamm­ lung nicht; stattdessen greifen oft Dämonen, Dschinnen und Ifriten in das Schicksal der Menschen ein. Und Gott wird in stereotyper Formelsprache zwar thematisiert, aber der Mensch drückt dadurch eher Ergebenheit in sein Schicksal aus, als dass er Hilfe von Allah erwartet. Das Motiv der Geschwis­ terliebe fehlt völlig, ebenso der auf der deutschen Wanderbühne so inten­ siv ausgelebte Wahnsinn bei unglücklicher Liebe. Während sich die Liebe in der orientalischen Erzählung ausschließlich an der Schönheit der Geliebten und am Reichtum des Mannes orientiert, ist es im deutschen Märchen und auf der Wanderbühne schicksalhafte Bestimmung, unerklärliche Hingabe und meist bedingungslose Treue, die den beiden Liebenden am Ende ein günstiges Schicksal bereiten. Während sich die orientalischen Erzählungen an ­einem extrem patriarchalischen Machtsystem orientieren, darf die Frau auf der späteren barocken Wanderbühne es wagen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und für ihre Liebe Verstand und List einzusetzen (z.  B. Die Egyptische Olympia Oder Der flüchtige Virenus“). In der „Liebes Verzweiffelung“ allerdings bleiben sowohl Evandra wie auch Amoena völlig passiv. Das oben erwähnte Wanderbühnenmotiv des für eine Nacht in eine an­ dere Gesellschaftswelt versetzten Schläfers scheint also eher als Einzelfall auch im orientalischen Erzählgut vertreten.

3

Tausendundeine Nacht. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muh­ sin Mahdi erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott. München 2/2004, S. 245–260 und S. 292–294.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die Aufeinanderfolge von immer wieder gleichen Motiven und daher stereo­ typen Vorgängen auf der Wanderbühne entsprach dem theatralisch meist un­ geschulten Verlangen des Publikums, seine Erwartungen und sein Wunsch­ denken in einer bestimmten Form bestätigt zu sehen.4 Dies führte jedoch teilweise zu einer Stagnation des deutschen Wanderbühnenspiels zwischen 1660 und 1690. Die Wanderbühne musste ihr Programm in dieser Zeit an den vielen Übersetzungen aus dem französischen und spanischen Drama orientieren, bis es gelang, auf neuen Wegen zu eigenen schöpferischen Leis­ tungen zu finden. Manche Wanderbühnenspiele zeigen jedoch schon früh ein eigenwilliges Formstreben, das die vorhandenen Motive einer einheitlichen Idee unter­ ordnet. Zu diesen gehört auch Martins „Liebes Verzweiffelung“. Das Tun der auftretenden Personen wird durch ihren Charakter motiviert, wenn auch Fortuna noch ein sehr großer Anteil an der Entwicklung des Geschehens eingeräumt wird. Thematisch jedoch folgt Martins Schauspiel dem Vorbild aller anderen Wanderbühnendramen seiner Zeit: Von den 19 Motivkreisen, die Gold­ schmit5 aus 78 Wiener Wanderbühnenmanuskripten auskristallisiert, schei­ nen 18 auch in Martins Drama auf. Einzig das Motiv des Ehebruchs fehlt in der „Liebes Verzweiffelung“. Das Kernmotiv dieses Dramas, die Liebesbeziehung zwischen wirk­ lichen oder vermeintlichen Geschwistern, findet sich in sechs Wanderbüh­ nenstücken der Österreichischen Nationalbibliothek.6 Das weitaus häufigste Motiv scheint das der treuen Liebe gewesen zu sein, dem sich das Motiv der Liebesuntreue und der Wollust mit etwas geringerer Häufigkeit beigesellt. Wie leicht sich einzelne Motive zwischen verschiedenen Komödien aus­ tauschten, zeigt z.  B. das Motiv der Verkleidung: Im „Verirrten Liebes-Soldat“, in Blümels „Jude von Venetien“ und in „Virenus und Olympia“ verkleidet sich die 4 5

6

Als Vergleich könnte das frühe Kindesalter dienen, das immer wieder nach denselben Mär­ chen in genau derselben Erzählweise und Wortwahl verlangt. Goldschmit, Grete: Das Repertoire der Wandertruppen in Österreich. Diss. Wien 1930, S. 346–376. Goldschmit scheint sich in ihrer Aufstellung an Heine (Das Schauspiel der deutschen Wan­ derbühne vor Gottsched, S. 15–23) zu orientieren, der die Motivhäufigkeit an elf Dramen untersucht und nach der Anzahl der Szenen ordnet. Als weitaus häufigstes Motiv nennt Heine das des geplanten oder ausgeführten Mordes oder Selbstmordes (36 Szenen). Mit je 20 Szenen folgen die Motive Großmut, Standhaftigkeit und Liebesuntreue, während sich treue Liebe nur in 12 Szenen findet. Verkleidungen, Verstellungen und angenommene Namen stehen mit 21 Szenen ebenfalls an der Spitze der Motivhäufigkeit. Missverständnisse, denen Heine auch die vermeintliche Geschwisterliebe zuordnet, finden sich in 13 Szenen. Goldschmit: Das Repertoire der Wandertruppen in Österreich, S. 375–376. Vgl. auch Les­ sings „Nathan der Weise“ und Goethes „Die Geschwister“!

Motive

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Geliebte als Mann, um den Geliebten zurück zu gewinnen. Oder umgekehrt verbirgt der Geliebte seine Identität in einer anderen Persönlichkeit, um un­ erkannt um seine Geliebte zu kämpfen wie Myrandon in der „Liebes Verzweiffelung“ oder Selimor im „Verirrten Liebes Soldat“; schon die Schauspielsamm­ lung von 1620 („Engelische Comedien und Tragedien“) verarbeitet das Motiv in „Julio und Hyppolita“ und in der „Comoedia von eines Königes Sohne auß Engellandt und des Königes Tochter auß Schottlandt“. Das Motiv des bewusst herbeigeführten Scheintods als Möglichkeit, einer Gefahr zu entrinnen, findet sich in „Romio und Juliette“ ebenso wie im „Verirrten Liebes Soldat“. Eine Übersicht über die beliebtesten Motive der Wanderbühnenstücke, die sich in der Österreichischen National-Bibliothek befinden, bestätigt die große Abhängigkeit, der die ersten Verfasser oder Bearbeiter von Komödian­ tenspielen unterworfen waren. Sie zeigt aber auch die direkte Verwandtschaft mit den deutschen Märchenmotiven auf:

Gemeinsame Motive in Martins „Liebes Verzweiffelung“ und im Volksmärchen Treue Liebe findet sich in 32 von den 78 untersuchten Wiener Wanderbüh­ nendramen. LV: Märchen:

Liebe zwischen Myrandon und Evandra, zwischen Rodi­ man und Amoena. Treue Liebe des Königssohnes, der im ganzen Land nach seinem Aschenputtel sucht. („Jorinde und Joringel“, „Rapunzel“)

Verkleidungen, Verstellung, angenommene Namen: in 29 Dramen LV:

Märchen:

Myrandon erscheint als fremder Ritter mit dem Zeichen des Totenkopfs auf seinem Schild am Hof seines Vaters (III/2). Auch Rodiman muss sich verkleidet haben, da ihn der Schäfer Damon bei seiner Wiederkehr nicht erkennt (IV/3). Verkleidungen wilder Tiere oder böser Menschen dienen dazu, das Böse und Gefährliche zu verhüllen, z.  B. den Wolf in „Rotkäppchen“ und in „Die sieben Geißlein“, oder die Stief­ mutter Schneewittchens, die in verschiedenen Gestalten das Kind im Wald zu töten versucht.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Geplanter und ausgeführter Mord oder Selbstmord: in 27 Dramen LV:

Märchen:

Cassianus plant den Mord an dem Pagen als Teil seiner In­ trige. Auch Evandra soll durch seine Intrige den Tod fin­ den. – Alle Liebenden des Dramas suchen den Tod in der Wüstenei des Waldes. Die Ermordung des Guten bedingt fast immer einen Tod auf Zeit, z.  B. in „Dornröschen“, „Die sieben Geißlein“, „Rotkäppchen“ u.  a. Der Selbstmord erscheint im Märchen als letzte verzweifelte Fluchtmöglichkeit des Guten vor dem Bösen, wird aber in seiner Wirkung meist aufgehoben: In „Rapunzel“ stürzt sich der Prinz nach dem Verlust seiner Geliebten vom Turm und irrt blind durch die Wüste, bis er in der Begegnung mit der Geliebten sein Augenlicht zurück­ erhält. Die Verzweiflung über den Verlust der Geliebten ist ein häufiges Märchenthema. Wie im Wanderbühnendrama führt sie selten den Tod des Liebenden herbei, sondern die Geschichte endet mit der Vereinigung der Liebenden.

Wollust und Untreue: in 25 Dramen LV:

Märchen:

Cassianus will Prinzessin Evandra zur Untreue gegenüber Myrandon bewegen und selbst ihre Liebe erringen. – Dy­ mas strebt nur nach der niederen Liebe und schafft dadurch den dramaturgischen Gegensatz zum Idealbild höfischer Liebe. Der Wollust und Untreue im Wanderbühnendrama ent­ spricht im Märchen Bosheit und Habsucht, die meist durch weibliche Personen oder Zwerge vertreten ist, z.  B. durch die böse Stiefmutter in „Schneewittchen“, „Frau Holle“, „Aschenputtel“ und in „Die sechs Schwäne“; oder durch den Zwerg in „Rumpelstilzchen“, „Schneeweißchen und Rosenrot“. Am Ende trium­phiert auch hier wie im Wanderbühnendrama das Gute, das Unschuldige.

Missverständnisse: in 24 Dramen LV: Märchen:

Frondalpheo argwöhnt grundlos, dass sein Sohn eine uner­ laubte Beziehung zu seiner Schwester Evandra pflege. Auch sein Verdacht gegenüber Evandra erweist sich als falsch. Auf Grund von Missverständnissen wird oft das Unschul­ dige verdächtigt und verfolgt, z.  B. in „Die sechs Schwäne“ und

Motive

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„Die zwölf Brüder“: Das Schwesterchen kann seine sieben Brüder nur erlösen, wenn es sechs (sieben) Jahre lang kein Wort spricht. Es kommt daher als Hexe in Todes­gefahr. Belauschungen: in 23 Dramen LV: Märchen:

Frondalpheo und Cassianus belauschen den Pagen, als er Evandra das Kleinod rauben will (I/10). Das Motiv des heimlichen Belauschens findet sich in den Märchen vom „Rumpelstilzchen“, „Simeliberg“ und „Rapunzel“.

Großmut und Standhaftigkeit: in 22 Dramen LV: Märchen:

Die Prinzessinnen halten an ihrer Liebesneigung zum er­ wählten Geliebten standhaft fest. Evandra wählt lieber den Tod als die Untreue (I/13). Großmut und Standhaftigkeit sind eher Motive des orienta­ lischen Märchens oder des deutschen Sagengutes. Im Volks­ märchen zeigen sie sich vor allem als unerschütterliche Treue gegenüber dem Herrn („Der getreue Johannes“) oder in der Erfüllung einer Aufgabe („Die zwölf Brüder“, „Die sechs Schwäne“, „Die sieben Raben“).

Betrug und Hinterlist: in 21 Dramen LV: Märchen:

Intrige des Cassianus Fast jedes Märchen kennt in irgendeiner Form den Betrug oder die Hinterlist, die das Unschuldige bedrohen; meist je­ doch – und diese Variation ist dem Wanderbühnendrama ziemlich fremd – verhilft List und Lüge dem Schlauen, dem Unterdrückten zu seinem Recht („Tapferes Schneiderlein“, „Gestiefelter Kater“). Wie das Wanderbühnendrama kennt auch das Märchen die Verleumdung, die das Schwache, Unschul­ dige einem egoistischen Ziel opfern will. So versucht in dem Märchen „Die sechs Schwäne“ die böse Königsmutter ihre Schwiegertochter des Mordes an deren drei neugeborenen Kindern zu verklagen.

Bilder, Briefe, Kleinodien als handlungstragende Requisiten: in 21 Dramen LV:

Amoena wird aufgrund eines Ringes und eines Bildes als Prinzessin erkannt. Myrandon beweist mit dem Geschenk

254

Märchen:

Die „Liebes Verzweiffelung“

des Königs, einem Kleinod, dass er der siegreiche Ritter ist, der für Evandra gekämpft hat (V/12 und III/2). Evandras Kleinod in der Hand des Pagen soll die Schuld der Prin­ zessin vor aller Welt beweisen (I/10). Myrandon wird von Evandra als Ritter auserwählt, weil er einen Todt im Schild führt. (III/2) Als handlungstragende Requisiten verzeichnet das deutsche Märchen das blaue Licht, die blaue Blume, goldene Äpfel oder gläserne Schuhe, die dem Besitzer nicht zur Erkenntnis seiner Herkunft, sondern zur Erreichung eines Lebenszieles verhelfen. Der Ring als Erkennungszeichen findet sich im Märchen „Die sieben Raben“; er wird hier von dem Mädchen bewusst als Erkennungszeichen eingesetzt.

Hinrichtungen in 20 Dramen LV: Märchen:

Evandra soll zur Strafe für ihre Unkeuschheit hingerichtet werden. Cassianus erleidet den Tod als Strafe für seinen Betrug. Wanderbühne und Märchen gemeinsam ist ein ausgeprägter Gerechtigkeitssinn, der die Bestrafung des Bösen verlangt: Das Böse verfällt gnadenlos dem Tod. Öffentliche Hinrich­ tungen jedoch, die auf der Wanderbühne so gern in allen Einzelheiten gezeigt werden, vereitelt das Märchen meist im letzten Augenblick („Das blaue Licht“, „Die sechs Schwäne“, „Die zwölf Brüder“ …)

Fürstliche und kriegerische Pracht in 20 Dramen LV:

Märchen:

Frondalpheo pflegt nur in Begleitung seines Hofstaates auf der Bühne zu agieren. Beim Kampf um die Ehre Evandras versammeln sich alle Ritter des Hofes (Wir wollen die Ritterschaft beruffen lassen. I/10) Standesunterschiede werden im Märchen tiefer und ent­ scheidender empfunden als auf der Bühne der Komödian­ ten. So wendet sich in dem Märchen „Die sechs Schwäne“ die Königsmutter gegen ihre Schwiegertochter, da sie ihr eines Königs nicht würdig erscheint.

Motive

255

Duell in 18 Dramen LV: Märchen:

Fechtszenen zwischen Cassianus und Myrandon (III/2) und zwischen Myrandon und Rodiman (III/8). Kampfszenen und Duelle werden nur erwähnt, um die Tap­ ferkeit eines Ritters zu beweisen, und nicht, um dadurch Entscheidungen herbeizuführen („Eisenhans“, „Tapferes Schneiderlein“).

Bauern- und Hirtenleben in 16 Dramen LV: Märchen:

Vertreten durch die positive Figur des Damon und den töl­ pelhaften Dymas. Das Bauern- und Hirtenleben, das im Wanderbühnendrama als Nachahmung italienischer Schäferspiele begegnet und ein erstrebenswertes, zufriedenes Dasein ohne Intrige und Falschheit zeigt, findet sich im Märchen als das ärmliche Leben niederer und unterdrückter Gesellschaftsschichten. Durch einen besonderen Glücksfall, z.  B. durch Wünsche, die in Erfüllung gehen („Der Arme und der Reiche“) oder durch Gegenstände, denen eine besondere Kraft innewohnt („Tischlein, deck dich“, „Der süße Brei“), sehr oft auch durch die Liebe eines Prinzen kommen diese Armen zu königlichen Ehren, zu Reichtum und Ruhm.

Prophezeiungen, Geistererscheinungen in 15 Dramen LV: Märchen:

Traum und böse Vorahnung Evandras (I/3); Dymas befragt das Orakel durch den Schwarzküntzler (II/9). Prophezeiungen und Geistererscheinungen, die im Wander­ bühnendrama wegen ihres dramatischen Effektes so beliebt sind, verkünden im Märchen das Wirken eines unausweich­ lichen Schicksals: Wünsche der Feen in „Dornröschen“, Pro­ phezeiung der drei Raben in „Der getreue Johannes“. Sie haben aber auch ihren dramatischen Zweck in der Komposition des Märchens (Zauberspiegel in „Schneewittchen“, Effektwir­ kung im Märchen „Der Geist im Glas“).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Religiöses, Auftreten von Göttern in 15 Dramen LV: Märchen:

Echo wird als eine Art Waldgöttin verstanden, die den Prin­ zen Rodiman durch ihre Antworten in die Gegend der Jagd­ gesellschaft lockt. (V/3) Religiosität bestimmt eher die Volkssage. Im Märchen zeigt sie sich im kindlich-naiven Glauben an einen guten Gott, welcher der christlichen Vorstellungswelt und einem einfa­ chen Moralkodex verpflichtet ist („Das Marienkind“), wäh­ rend die Wanderbühne die dramatisch wirksameren strafen­ den Götter bevorzugt.

Herrschaft und Tyrannei in 13 Dramen LV:

Märchen:



Frondalpheo bestimmt unumschränkt das Tun seiner Um­ gebung, er kann jedoch nicht als der grausame Tyrann gewertet werden, wie ihn die Wanderbühnenstücke des 17.  Jahrhunderts kennen („Der Großmüthige Rechts-Gelehrte Amilius Paulus Papinianus“). Tyrannei und Unterdrückung sind Kennzeichen des arabi­ schen Herrschers in der Märchensammlung Tausendund­ eine Nacht, nicht jedoch des Königs im deutschen Mär­ chens. Dieser vertritt die absolute Autorität und bestimmt durch seinen Machtanspruch das Schicksal der von ihm abhängigen Personen. Dieser Machtanspruch gründet sich ­allein auf seinen Status, nicht auf seine intellektuellen Fä­ higkeiten oder seine charakterliche Größe („Der treue Johannes“). Der König wird oft als einfältig und von vielen Zwän­ gen abhängig gezeigt. Nur weibliche Personen vertreten manchmal Herrschsucht und Maßlosigkeit, doch es ereilt sie dafür immer die ge­ rechte Strafe („ Von dem Fischer und seiner Frau“, „Der Arme und der Reiche“).

Liebesbeziehungen zwischen wirklichen und vermeintlichen Geschwistern: 6 Dramen LV: Märchen:

Beide Liebespaare in der „Liebes Verzweiffelung“ glauben, dass sie Geschwister sind. Konstruierte Problemstellungen wie etwa die erotische Liebe zwischen Geschwistern sind dem Märchen fremd; es beschränkt sich auf die einfache Auseinandersetzung zwi­

Motive

257

schen gut und böse, zwischen stark und schwach; auf jene Mächte, die den Lebenskreis jedes einzelnen Menschen be­ rühren und seine gesellschaftliche Stellung entscheiden. Wahnsinn: in 5 Dramen LV:

Märchen:

Die auf der Wanderbühne überzeichneten Emotionen wer­ den oft als Wahnsinn erlebt: Myrandon wird, als er vom Hof seines Vaters und seiner geliebten Schwester Abschied nehmen muss, als Rasender bezeichnet. Auch Amoena ge­ bärdet sich als Wahnsinnige, als sie von ihrer geschwister­ lichen Beziehung zu Rodiman erfährt. blendet den Wahnsinn aus; seine Figuren vertreten die ih­ nen zugemessene Identität und behalten diese von Anfang bis Ende bei, ohne eine Entwicklung oder Verunsicherung zu erfahren.

Die Wanderbühne zeigt sich in ihrer Ähnlichkeit mit dem Märchen in einer dramatischen Sphäre, die dem allgemeinmenschlichen Erlebnisbereich ent­ spricht, vom Volk ausgeht und auf das Volk gerichtet ist. Ihre Figuren sind dieselben: Hohe und niedere Standespersonen, Könige und Prinzen. Auch Pickelhering findet sich im Märchen als „Hans im Glück“ oder „Daumesdick“, als „kluge Gretel“, „Katerlieschen“ oder „kluge Else“ wieder. Zauberer und He­ xen vertreten die Stelle des Bösewichts und Intriganten, dessen hinterhältige Machenschaften dem Märchen nicht entsprechen würden. Der Schauplatz erfährt zwar im Wanderbühnendrama als Königshof von Epirus oder Königreich Creta eine Benennung, bleibt im Grunde aber doch in der Anonymität eines typischen Thronsaales, Gefängnisses, eines Waldes oder einer Höhle, und könnte – wie der Schauplatz des Märchens – überall auf der Welt sein. Diese nahe Verwandtschaft der Wanderbühne mit dem Märchen kann kaum überraschen, denn beide versuchen sich in der Variation von Grund­ the­men der menschlichen Seele.7 Zwar erfahren die gemeinsamen Motive auf der Wanderbühne eine viel lautere, direktere und grelle Ausformung, während sie im Märchen von einer verhaltenen bildhaften Dramatik blei­ ben. Die Wanderkomödie entbehrt auch der tiefen Symbolik, die Tradition

7

Vgl. dazu Jung, Carl Gustav: Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen. In: Symbolik des Geistes (= Psychologische Abhandlungen, Bd VI, hg. von C. G. Jung). Zürich 1953, S. 3–65.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

und Mythos in das Märchen gelegt haben.8 Sie bleibt an der Oberfläche und übernimmt vom Märchenmotiv nur so viel, wie die reale Erlebniswelt wi­ derzuspiegeln vermag. Die archaische Erlebnissphäre des Märchens, die den Menschen oft als Tier, das Tier als vernunftbegabtes vermenschlichtes We­ sen zeigt, ist deshalb der Wanderbühne, wie alles Zauberische, fremd. Hexen­ kunststücke werden im Komödiantendrama des 17. Jahrhunderts meist nur als komische Zwischenszenen gezeigt („Die gekrönte Schäferin Aspasia“) – im Unterschied zu den zukunftweisenden Prophezeiungen alter weiser Men­ schen oder Zigeunerinnen, die in das tragische Geschehen eingeordnet ­werden.9 Auf der Wanderbühne des 17. Jahrhunderts erfährt alles seine vernünftige und glaubhafte Erklärung, doch rückt auch sie Unmögliches in den Bereich der Möglichkeiten. Sie wird, indem sie für das Schwache, Unschuldige und Gute Partei ergreift und eine ausgleichende Gerechtigkeit schafft, zu einer inneren Zuflucht für den Zuschauer – wie das Märchen.

Das Hauptmotiv in der „Liebes Verzweiffelung“: Die Geschwisterliebe und das damit verbundene Motiv der Verwechslung von Kindern Die erotische Zuneigung zwischen Geschwistern variiert Martin an fünf Personen, die verschiedenen Gesellschaftsschichten angehören. Prinz Rodi­ man glaubt der Bruder seiner geliebten Schäferin Amoena zu sein. Prinz Myrandon hält sich für den leiblichen Bruder seiner geliebten Prinzessin Evandra. Nur dem einfältig-rohen Schäferssohn Dymas, der sich für den Bruder Amoenas hält, ist jede Einsicht in die Problematik einer solchen Ge­ schwisterbeziehung fremd: Sie [Amoena] ist mir ia näher befreund alß ein andere … Du magst deinem Sohn ia ehe was gönnen alß einem andern. (Dymas zu seinem Vater, I/11) Solange Rodiman von seiner geschwisterlichen Bindung zu Amoena nichts ahnt, bekennt er offen seine Zuneigung. Mit dem Einverständnis der Göt­ ter hat er die Jungfrau lieb gewonnen, auch dero Liebe genoßen (Rodiman, II/11), 8

9

Vgl. dazu: Märchenforschung und Tiefenpsychologie, hg. von Wilhelm Laiblin (= Wege der Forschung, Bd CII), Darmstadt 1969; ebenso die im Walter-Verlag Olten und Freiburg i. Breisgau herausgegebene Reihe „Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet“ von Eugen Drewer­ mann und Ingritt Neuhaus. In „Der eyserne Tisch“ wird das Geschehen von der Zigeunerin Saga gelenkt.

Motive

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und Amoena erinnert sich am Morgen an 1000 Küße, von Nectar und Ambrosia verzuckert (Amoena, II/10). Die Liebesbeziehung zwischen Rodiman und Amoena findet also schon vor der Ehe ihre Erfüllung und stellt sich damit außerhalb des christlichen Moralkodexes auf den Standpunkt von Guarinis ‚Erlaubt ist, was gefällt‘. Erst die Erkenntnis der gegenseitigen verwandtschaftlichen Beziehung rückt ihre Liebe in den Bereich des Unerlaubten: Beide flüchten, verzweifelt über ihre Schande, in die Wüstenei. Auch Myrandon zeigt seine Verzweiflung über die Liebe zu seiner Schwester, vor der er selbsten und die Natur ein Abschewen tragen muss.10 Diese abendländische bedingungslose Ablehnung der Geschwisterehe schließt sich dem Moralbegriff der antiken Griechen und Römer an, bei de­ nen für derartige Vergehen die Todesstrafe verhängt werden konnte.11 Der Begriff der Blutschande hatte sich jedoch auch dort erst im Lauf der Zi­ vilisationsentwicklung gebildet, denn die Sagen des klassischen Altertums kennen sehr viele göttliche Geschwister-Ehepaare, z.  B. Zeus und Hera12 oder Okeanos und Thetis, Hyperion und Theia, Kronos und Rhea, und der Windgott Aiolos verheiratet seine sechs Töchter mit seinen sechs Söhnen.13 Der griechische König von Pontos, Mythridates IV., ca. 160 v. Chr., rühmte sich seiner Ehe mit seiner Schwester Laodike; den Beinamen Philadelphos (= Schwesterliebender) ließ er sogar auf seine Münzen prägen. Auch das Alte Testament nennt Verbindungen zwischen Geschwistern, obwohl sie als Entehrung galten und man in Israel nicht so handelt.14 Es ist erwiesen, dass das alte Ägypten die Geschwisterehe als Institution des gesellschaftlichen Lebens kannte. In der iranischen Religion galt die Ehe mit der Mutter oder der Toch­ ter sogar als besonders heilig.15 Die Verzweiflung über die Unmöglichkeit einer Liebeserfüllung zwischen den Geschwisterpaaren der „Liebes Verzweiffelung“ zeigt sich in Ovids „Metamorphosen“ (9 / Vs. 456–665) vorgebildet: Byblis ist in ihren Bruder ver­

10

11 12 13 14 15

Myrandon, I/2; ebenso Rodiman: Ich muß mich ihrer entschlagen und über meiner begangenen Mißethat einen Abschewen tragen. Ich fürchte, die Erde wird mich alß Aedippus verschlingen.(III/8); und Evandra zu Alidea: … wie woltestu zuwegen bringen, daß Schwester und Bruder ohn der Götter Zorn und der Menschen Abschewen könten gepaaret werden? (III/6) Thierfelder, Helmut: Die Geschwisterehe im Hellenistisch-römischen Ägypten (= Fontes et Commentationes, Schriftenreihe des Institus für Epigraphik an der Universität Münster, hg. von H. Erich Stier, Heft 1). Münster i. Westfalen 1960, S. 90. Ovid: Metamorphosen, III/266. Odyssee, X / 5–7. Samuel, II 13 / 11–14; ebenso Genesis 20 / 11–13; Ezechiel 22 / 11; Levitikus 18 / 9. Thierfelder: Die Geschwisterehe im Hellenistisch-römischen Ägypten, S. 90 und S. 4.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

liebt und verzweifelt, als sich dieser der unerlaubten Liebesbeziehung durch Flucht entzieht. Ganz ähnlich wie Martin hat auch ein anderes Mitglied aus seiner Wan­ derbühnentruppe, Christoph Blümel, dieses Motiv der Geschwisterliebe dramatisch bearbeitet: In seiner „Glückseligen Eyfersucht“ werden zwei Kin­ der miteinander verwechselt, so dass die vermeintliche Schwester ihre Liebe zum Bruder unerfüllt lassen will. Erst die alte Theodora verrät den wahren Sachverhalt: Roderich ist – wie Evandra und Amoena – als Kind zweimal verwechselt worden. Am Schluss steht einer Heirat zwischen Delmira und Roderich, der als illegitimer Sohn Theodoras und des Königs erkannt wird, nichts mehr im Wege. Theodora spielt also in Blümels Drama dieselbe Rolle einer ‚Dea ex Machina‘ wie Alidea in Martins „Liebes Verzweiffelung“. Das Motiv der Verwechslung oder des Tausches von Kindern spielt in meh­ reren Wanderbühnendramen eine zentrale Rolle, so etwa in der Komödie „Erminio / In denen eüßersten Vnglicksß Zufällen beglickhet“, in der sich Bruder und Schwester am Schluss als Königskinder verschiedener Familien erweisen. In „Ein verliebter Verdruß“ wird das Motiv so oft variiert, dass der Zuschauer den Verwicklungen kaum noch folgen kann: Albert, ein französischer Edel­ mann, vertauscht seine zweite Tochter Dorothea mit dem Sohn einer armen Frau, weil er sich einen Erben wünscht. In seiner Abwesenheit stirbt jedoch dieser angenommene Sohn; Alberts Gemahlin nimmt, auß mütterlicher Liebe getrieben, ihre leibliche Tochter Dorothea heimlich wieder zu sich und gibt ihr den Namen des verstorbenen Knaben Ascagne. Ihrer Schönheit wegen wird Ascagne von zwei Kavalieren bedrängt, und sie vermählt sich sinnlich mit dem einen, indem sie bey nächtlicher weile ihrer Schwester stelle vertritt. Daraus er­ gibt sich für alle Beteiligten ein verliebter Verdruß, bis endlich, nach vielen Ver­ wirrungen und einem geplanten Duell zwischen den beiden Kavalieren, die wahre Abstammung Ascagnes erkannt wird.16 Das Bühnenstück endet wie die meisten Wanderbühnendramen, wie auch Blümels „Glückselige Eyfersucht“ und Martins „Liebes Verzweiffelung“, mit einer Doppelhochzeit.17 In keinem der Wanderbühnendramen wird auch nur versucht, die Pro­ blematik der unerlaubten Geschwisterliebe einer Lösung zuzuführen. Das

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Die zitierten Stellen finden sich in der dem Manuskript vorangestellten Inhaltsangabe des Stückes. (Sammelband der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Cod. 38589 Ja, Blatt 286– 287.) Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Teil, I. Abschnitt, XI. Hauptstück, S. 646, sind solch simple Problemlösungen ein Greuel: Ist denn weiter nichts in der Welt, als das Hochzeitmachen, was einen fröhlichen Ausgang geben kann?

Motive

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Problem wird aufgehoben, indem nachträglich das Motiv der Kindesver­ wechslung eingefügt wird. Martin hat diesem Motiv in keinem seiner späteren Werke Beachtung geschenkt. Es war für ihn nur eine von der Tradition der Wanderbühne ange­ botene Variante seines bevorzugten Themas, der Liebe, und hinterließ keine Spuren, nachdem diese Zeit des Komödiantentums aus seinem Blickfeld ver­ schwunden war.

Der Tod des geliebten Menschen Dass der Geliebte für tot gehalten wird, ist auf der Bühne der Wander­ komödianten ein sehr häufiges Motiv und bedeutet zugleich auch den Tod des Liebenden. Romio wählt den Freitod an der Bahre der scheinbar toten Julieta.18 In dem Wanderbühnenstück „König Mantalors unrechtmäßige Lieb und derselben Straff“ beweinen einander Galathea und Florisel gegenseitig, weil sie den anderen für tot halten. Auch Myrandon will sich erstechen, als er Evandra scheinbar tot neben sich niedersinken sieht (V/10). Doch was bei Shakespeare echt empfundene Tragik ist, mutet auf der Wanderbühne als pathetischer Verzweiflungsausbruch an, der dem Publikum die nahe Rettung und die Lösung des Problems ankündigt. Denn die Geliebte ist nicht tot – sie schläft nur. Genauso ist im „Liebes Gefängnus“ von 1678 Constante in seiner Toten­ gruft nicht tot; die schlafwirkende Artzeney hat ihn nur in einen todesähnlichen Zustand versetzt, und er erwacht, als sich die Geliebte Rigorosa bei seinem Anblick den Tod geben will. Wie in der „Liebes Verzweiffelung“ steht nun der glücklichen Vereinigung der Liebenden nichts mehr im Weg. Eine Vor­ lage dieses Motivs findet sich in dem deutschen Amadis-Roman von 1573 (18. Kap.) und in dem griechischen Roman des Achilles Tatius, „Clitophon und Leucippe“. Der versuchte Selbstmord ist ebenfalls ein häufiges Motiv der Wanderbühne, z.  B. in „Die getreue Sclavin Doris“ oder in „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“: Das Hirtenmädchen fällt vor Entsetzen in Ohnmacht, als König Cyrus sie zu unerlaubter Liebe verführen will. Cyrus fürchtet ihren Tod und will sich das Leben nehmen. Doch Aspasia kommt rechtzeitig zu sich und wird die Ge­ mahlin des Königs. Auch Gryphius hat dieses Motiv aus der spanischen Lite­ ratur in sein Trauerspiel „Cardenio und Celinde“ (1657) übernommen.19 18 „Romio und Julieta“, V/3 (Ausgabe Cohn, Sp. 399). 19 1. Abhandlung, Vs. 281–282 und Vs. 321–323. Die Urform des „Cardenio und Celinde“-Stoffes ist im ersten Teil von Cervantes’ „Don Quijote“, 1605, vorgeprägt.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Kein anderes Drama zeigt jedoch eine so ausgeprägte Vorliebe für das Selbstmordmotiv wie Martins „Liebes Verzweiffelung“. Jedem der vier unglück­ lich Liebenden bleibt nur das Streben nach Selbstvernichtung, denn den Ge­ liebten aufzugeben ist ihnen unmöglich: Lieber wil ich sterben, alß von dieser Liebe ablaßen (Evandra, IV/5).20 Evandra begibt sich dreimal in unmittelbare Todesgefahr: Sie lässt sich von Cassianus verleumden und hofft zum Tod verurteilt zu werden (I/13). In Hoffnung, das Leben zu verliehren (V/2), sondert sie sich im Wald von der Jagdgesellschaft ab und begibt sich in die Gefahr der wilden Bären (IV/5). End­ lich hofft sie durch das Schwert des fremden Ritters den Tod zu empfangen (V/10). Wie Cardenio in Cervantes’ „Don Quijote“21, so stürzt auch Amoena verzweifelt in die Wildnis (III/7). In einer Höhle, ihrem Todten-Grab, will sie deß angenehmen Todtes mit Verlangen warten (V/1). Myrandon sucht durch fechten den Todt (I/12). Er meidet den Frieden der Schäferhütte, denn Ruhe hilfft mir nicht zum sterben (IV/3). Ebenso will Rodiman mit den unvernüfftigen Thieren leben und alldorten [seine] Straffe erwarten (III/4). Meist wird also der Selbstmord nicht selbst ausgeführt, denn dieses wäre ewige Schande, und die Götter tragen ein Abschew vor solchen Gedanken (Alidea, IV/5). Die Selbstmordabsicht ist nur dem zum Tod Verzweifelten bekannt, er begibt sich in Gefahr und hofft darin zu Grunde zu gehen. Doch der Liebende findet niemals den Tod – außer in „Romio und Julieta“, und auch dort nur, weil die Vorlage keinen anderen Schluss zulässt. Welches Wanderbühnendrama hätte es wohl gewagt, die von seinem Publikum als glücklich und gerecht empfundene Liebe dem Verderben preiszugeben! Der Zuschauer wurde in dem befriedigten Bewusstsein entlassen, dass er an diese höchste Macht auf Erden, die unschuldig Leidende zu ewiger Glückseligkeit vereinen konnte, über alle gesellschaftlichen Schranken hinweg glauben durfte.

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Vgl. dazu Buhl, Wolfgang: Der Selbstmord im deutschen Drama vom Mittelalter bis zur Klassik. Diss. Erlangen 1951 (Masch.) Im Jahr 1613 soll eine englische Komödiantentruppe das heute verlorene Wanderbühnen­ stück „Cardenno“ aufgeführt haben. Nach Frenzel, Elisabeth: Stoffe der Weltliteratur. Ein Le­ xikon dichtungsgeschichtlicher Längsschnitte (= Kröners Taschenausgabe, Bd 300). Stuttgart 1962, S. 98.

Motive

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Das Motiv der Verleumdung Unter diesem barocken Gesichtspunkt, welcher der Schicksalsmacht Liebe einen so exponierten Vorzugsplatz einräumt, erscheint die Forderung nach unbedingter Treue gerechtfertigt. Der Vorwurf der Unkeuschheit musste daher als das größte Vergehen gegen den göttlichen und menschlichen Eh­ renkodex gelten, das nicht nur Schande über den Ungetreuen, sondern auch über dessen Anverwandte brachte. Frondalpheo sieht daher durch die Un­ treue seiner Tochter Evandra seine Ehre gefährdet: Du Ehren Vergeßene schändest meine Ehre in meinen alten Tagen. (I/10) Sih an deine Leichtfertigkeit, du Laster aller Damen, ob sie nicht meinen Purpur und Königliches Kleidt schamroth gemacht haben. (III/1) Umso teuflischer muss der Plan des Cassianus erscheinen, Evandra der Un­ keuschheit mit einem Pagen anzuklagen, und umso mehr musste die Todes­ strafe für den Verleumder aus der Hand Myrandons das Publikum befrie­ digen. Die Verleumdung, die Anklage der Unkeuschheit gegen die unschuldige Ge­ liebte oder Gattin, war nicht nur der Wanderbühne als dramatisch wirksames Mittel bekannt. Ariost verwendet es in seinem „Orlando Furioso“ als tragische Ursache für die Verzweiflung des Helden. Shakespeare variiert dieses Motiv in „Much ado abouth Nothing“, in „Winter’s Tale“ und in „Cymbelin“. Als Schau­ platz der angeblichen Untreue wird sowohl bei Ariost als auch bei Shake­ speare der Garten genannt. Auch in Martins „Liebes Verzweiffelung“ spielt diese Szene im Garten des Palastes. Es war dies wohl der einzige Ort, an dem sich Liebespaare heimlich treffen konnten, ohne von den zahlreichen Bedienten des Hofes gestört zu werden. Ayrer übernimmt das Verleumdungsmotiv in seine „Comoedia von der schönen Phönicia“, und auch das holländische Spiel „Alcinea, of stantvastige Kuysheydt. Treur-bly-eynd Spel. Amsterdam 1671“ von Hendrik de Graeff22 zeigt den zu­ rückgewiesenen Liebhaber, der sich an der geliebten Frau rächt, indem er sie der Untreue bezichtigt. Ebenso wird die unschuldige Titelfigur in der „Königlichen Schäferin Aspasia“ von neidischen Hofdamen eines liederlichen Lebenswandels bezichtigt; sie kann jedoch die Intrige aufklären und verzeiht ihren Widersachern.

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Universitäts-Bibliothek Leyden

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die Cassianus-Handlung, des intriganten und verschmähten Verführers, der sich durch Verleumdung an der unerreichbaren Geliebten rächt, findet sich in vielen Wanderbühnendramen. Eine besonders deutliche Übereinstimmung mit der „Liebes Verzweiffelung“ zeigt die „Erfreuete Unschuld“ des Caspar Stieler aus dem Jahr 1666: Der Statthalter Pancalier wirbt vergebens um Eleonore, die Gattin des Herzogs von Savoyen, und er will sich für ihre Zurückweisung rächen. Wie der Page in der „Liebes Verzweiffelung“ wird ein junger Ritter dazu benutzt, einen Ehebruch mit Eleonore vorzutäuschen; und wie der Page wird auch er von dem verschmähten Intriganten Pancalier erstochen. Wie Evandra erwartet nun Eleonora im Gefängnis ihren Tod. Ein fremder Ritter (siehe Myrandon!) unter der Bezeichnung des zwiefach Betrübten und unendlich Verbundenen, der sich von Eleonores Unschuld überzeugt hat, fordert den verruchten Pancalier zum Kampf heraus und besiegt ihn. Pancalier bekennt seine schmählichen Taten und erleidet den Tod. Damit ist Eleonores Un­ schuld in aller Öffentlichkeit erwiesen. Der fremde Ritter entfernt sich uner­ kannt, er wird aber am Schluss des Dramas glücklich mit Eleonora vereint. Eine völlige Übereinstimmung mit dem Verleumdungsmotiv in der „Liebes Verzweiffelung“ bietet auch das Trauer-Freuden-Spiel „Das Liebes-Gefängnus“, Bevern 1678: Constante und die Prinzessin Rigorosa schwören einander Treue. Aber der eifersüchtige Zeloso verleumdet beide vor dem König, der Rigorosa gefangensetzen lässt. Sie soll zum Tod verurteilt werden, wenn sich kein Ritter findet, der für ihre Unschuld eintreten will. Constante stellt sich dem Verleumder Zeloso, besiegt ihn und rettet so die Ehre seiner Gelieb­ ten.23

Das Requisit und das Motiv der Verkleidung In jedem Schauspiel der barocken Wanderbühne gibt es mindestens eine Verkleidungsszene24, und die Lösung des dramatischen Problems ist meist mit der Demaskierung verbunden. Motive wie Verstellungen, falsche Na­ men, Belauschen und Verkleiden, das Verwechseln von kleinen Kindern oder von Frauen finden sich ebenso häufig im englischen Drama und in der italienischen Commedia dell’Arte25 und wurden ebenso von der deutschen Wanderbühne als wirkungsvoller Effekt eingesetzt. Sie hatten den Zweck, die dramatische Handlung so verwirrend wie möglich zu gestalten und Ver­ 23 24 25

Nach Werner Richter: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670. Berlin 1910, S. 230. Baesecke: Das Schauspiel der englischen Komödianten in Deutschland, S. 33. Wolff, Max: Shakespeare und die Commedia dell’arte, S. 8; ebenso Goldschmit: Das Reper­ toire der Wandertruppen in Österreich, S. 138.

Motive

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bindungen zwischen Bühnenfiguren zu schaffen, so dass sich die Lösung des Problems ohne logische Entwicklung von selbst ergab. Nicht mühevolles Streben des Helden, nicht die Kraft seiner Persönlichkeit oder seine Ent­ scheidungen konnten sein Schicksal beeinflussen, sondern allein Fortuna, die unberechenbare Schicksalsgöttin. Sie konnte durch die Entdeckung eines Briefes, eines Kleinods oder eines Bildes das dramatische Problem einem Ende zuführen, das den Wünschen der Bühnenfiguren wie auch denen des Publikums entsprach. Das Problem zeigt sich dadurch nicht gelöst, sondern es wird ad absurdum geführt. Die „Liebes Verzweiffelung“ stellt sich ganz in diese Tradition der Wander­ bühne. Das Requisit eines Kleinods vermag dreimal die Handlung wesentlich zu beeinflussen: Amoena wird aufgrund eines Ringes und eines Contrefaicts, ebenso an dem Namen, der in die Hemdlein des Kindes gestickt ist, als kreti­ sche Prinzessin erkannt (Damon, II/13; und Rodiman, III/8). – Das Kleinod am Hals Evandras wird zum Lockmittel für den Pagen, Cassianus bezieht es in seine Intrigenpläne mit ein (Cassianus, I/5 und I/10). – Auch Myran­ don empfängt nach seinem Kampf mit Cassianus vom König ein Kleinod (Frondalpheo, III/2), das später vor Frondalpheo seine Identität beweist: Hier sehet das Kleinod, ein Zeichen meiner Tapfferkeit und eine Errinnerung Ewrer Lieb und Gnadt (V/12). So wird auch in dem Wanderbühnendrama „Erminio“ die als Mann ver­ kleidete Filidra durch die eine Hälfte eines Goldstücks am Ende als Kind der Königin erkannt, und die Ehe mit Erminio ist dadurch standesgemäß gerechtfertigt. Und in „Die Unglücklich-Verliebte Stieffmuter Ormonda oder Der großmüthige Altamiro“ ist es ein Ring, der den scheinbar toten Sohn und kö­ niglichen Nachfolger identifiziert. Das Requisit erhält also auf der Wanderbühne eine selbständige und hand­ lungstragende Bedeutung, während es in den späteren, literarisch ausgeform­ ten Schauspielen nur noch zur äußeren Ausschmückung oder zur Betonung eines bestimmten Sachverhaltes eingesetzt wird. Im Barockdrama hilft es meist, die wahre Herkunft einer Bühnenfigur zu entdecken26: Wie in der „Liebes Verzweiffelung“ und in Shakespeares „Wintermärchen“27, so wird auch in dem Wanderbühnendrama „Erminio“ ein Goldstück am Hals eines Kin­ des, das vom Meer angeschwemmt worden ist, zum Beweis dessen könig­ licher Abkunft. Das Mädchen wird als Schwester des Königs erkannt, und 26 27

Baesecke: Das Schauspiel der englischen Komödianten, S. 29. Der junge Schäfer (IV/3) und der Dritte Edelmann (V/2) erzählen von dem Juwel, das Per­ dita, das aufgefundene Mädchen, bei sich getragen hat und das es als Tochter des siziliani­ schen Königs ausweist.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

das Stück endet mit einer standesgemäßen Hochzeit. – Ebenso wird in „Das verliebte und geliebte Ehrenbild“ ein Findelkind durch die Juwelen, die es bei sich trägt, als Prinz von Dänemark erkannt und darf die längst auserwählte Geliebte zur Ehe nehmen.28 Auch die Verkleidung bekommt in der „Liebes Verzweiffelung“ eine zentrale Bedeutung: Myrandon verbirgt seine Identität hinter der Maske eines frem­ den Ritters, dessen Erkennungszeichen, der Totenkopf auf Schild und Helm, Evandra dazu bestimmt, ihn zu ihrem Ritter zu erwählen (III/2). Myrandon berichtet dem Publikum schon vorher von seiner Verkleidung: Ich bin meinem Hoffmeister entkommen und habe mich bey der Nacht verkleidet. Wenn er mich schon antrifft, er wird mich nicht erkennen.29 Dass sich Prinz Rodiman in einen edlen Jäger verkleidet hat, wird dagegen erst aus den Worten Evandras (V/4) klar. Die Verkleidung muss jedoch schon früher, in Szene III/8, erfolgt sein, denn Myrandon erkennt den Ritter, dem er ja am Hof Frondalpheos begegnet ist und mit dem er gesprochen hat, nicht mehr (Damon IV/3). Auch Damon spricht in Szene IV/3 von Prinz Rodiman als von einer dritten Person, obwohl der Prinz vor ihm steht. Ebenso muss auch Evandra in ihrem Jagdkostüm völlig verändert aus­ gesehen haben, denn Rodiman erkennt sie nicht, als er ihr im Wald wieder­ begegnet. Er glaubt, eine von den Musen oder Gratien, Diana oder eine Nymphe zu sehen, denn ihr Angesicht, welches Göttlich scheinet, zeiget an, daß sie nicht von der Natur gebohren (Rodiman, V/4). Die Demaskierung fand zum Zeitpunkt des dramatischen Höhepunkts statt, sie wurde auf der Wanderbühne mit allen dramatischen Mitteln zu einem überwältigenden Schlusseffekt ausgebaut: Nach Gottsched bestand die Schönheit in dergleichen Fabeln … darin, daß dieser Glückswechsel ganz zuletzt und zwar unvermuthet geschieht; indem die Entdeckung der verkleideten oder unbekannten Personen, wenn dergleichen vorhanden sind, unmittelbar vorhergeht.30 Mit der Demaskierung war meist die Lösung bzw. die Aufhebung des dramatischen Problems ver­ bunden. Myrandon behält die Verkleidung des Totenkopf-Ritters bis zum Schluss des Spieles bei. Seine Demaskierung wird zweimal wirkungsvoll dargestellt, wo­ bei der Augenblick des Erkennens um der dramatischen Spannung willen so 28 29 30

Nach Goldschmit: Das Repertoire der Wandertruppen in Österreich, S. 138 und S. 146. Myrandon, I/12; ebenso II/3: … in dieserVerkleidung wirstu nicht erkennet. Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, S. 618.

Motive

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lang wie möglich hinausgezögert wird. Während Evandra von dem fremden Ritter den Todesstoß erwartet, lässt Myrandon die Maske fallen: Ihr seyd in diesen Armen mit ihm vereiniget (V/10). Doch muss er sich diese bei Ankunft des Königs wieder über sein Gesicht gezogen haben, denn Frondalpheo sieht in ihm den Ritter mit dem Toten­ kopf (V/12), bis sich Myrandon durch die Worte: Sehet, Gnädigster Herr Vatter, Ewren gehorsamen Sohn Myrandon (V/12) zu erkennen gibt. Die Demaskierung erfolgt also plötzlich und mit Hilfe eines einzigen Requisits. Wahrscheinlich war dies eine Gesichtsmaske31, die Myrandon ohne Mühe rasch überstreifen oder abnehmen konnte. Sie musste fest über den Kopf gezogen sein und glaubhafte Wirklichkeit vortäuschen, denn der Ritter mit dem Totenkopf wird von niemandem erkannt: Myrandon ficht mit der Maske, er umarmt Amoena (V/12), Evandra küsst seine Hand (III/2), ohne dass er erkannt wird und ohne dass ihn die Maske behindert. Rodiman scheint seine Maske nach der Ohnmacht Evandras abgenommen zu haben, denn Myrandon bittet ihn, sich noch verborgen zu halten, biß daß sie wieder zu ihren Kräfften kommt (V/10). Er verrät sich erst durch den Satz: Ehe hette ich geglaubet, daß Dymas meine Schweser were, alß Evandra (Rodiman, V/10). Im gleichen Augenblick gibt er sich wohl auch als Prinz zu erkennen, denn Dymas, der den Cretischen Prinzen bisher nur in Jägergestalt gesehen hat32, nennt ihn nach der Demaskierung sofort Schwager Prinz. Die Kleidung musste also die hohe Abkunft des Prinzen verraten, denn sie allein war es, die die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer bestimmten Gesellschaftsschicht kennzeichnete. Auch die Personen der „Liebes Verzweiffelung“ werden durch ihre Kleidung charakterisiert: Amoena erkennt in dem Fremdling Rodiman den Ritter, denn seine Kleider zeigen an, daß er von hohem Stamme muß gebohren seyn (II/6). Rodiman begrüßt das unbekannte Mädchen im Wald mit Schönste Hirtin, denn so zeiget ewer Habit … (II/5), und auch Dymas verrät sich durch seine Kleidung als Pickelhering; Frondalpheo nennt ihn einen Narren nach allem Ansehen (III/3). Mehr als jede andere Zeit zeigt sich das Barock vom äußeren Schein ab­ hängig. Das Gewand bestimmte den Wert eines Menschen, es gab seinem 31 32

Nach Kindermann (Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 404) wurden bei Verkleidungen oft Gesichtsmasken verwendet. Dymas’ einzige Begegnung mit Rodiman erfolgt in der Wüsteney. (III/8)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

inneren Sein, seinem Persönlichkeits- und Gesellschaftsstatus nach außen Ausdruck. So wird in der Komödie „Niemand und Jemand“ unter dem vorneh­ men Gewand des Scheinaristokraten Jemand der Bauernkittel sichtbar, der eine niedere und rohe Gesinnungsart verraten soll. Solche negativen Anspie­ lungen auf einen niederen Gesellschaftsstand sind allerdings auf die Spiele der ersten englischen Komödianten beschränkt.33 Im deutschen Wander­ bühnendrama, das den Bauern fast nur als arkadischen Schäfer kennt, sind sie nicht üblich. Im „Eysernen Tisch“ führt sogar der Erbe des Königreiches Böhmen, Prinz Sigislaus, unerkannt das Leben eines Bauern; und seine Ge­ liebte, Prinzessin Hedregundis, wird für eine Zigeunerin gehalten, bis beide von den Untertanen zum Herrschertum geführt werden. Nur wer sich anmaßt, bessere Kleider zu tragen, als seinem Stand zukom­ men, wird auf der Wanderbühne schändlich entlarvt. Martin greift dieses Motiv in seinem Roman „Philotheus“ (S. 61) auf: Er erzählt von der Schande einer stolzen Hofdame beim zeremoniellen Tanz, die in einem groben / rupfinen / zerrissnen / und kaum jhre Schand bedeckenden Hembde mit höchstem Spott da gestanden, nachdem ihr das mit französischem Tand geschmückte Obergewand durch ein Missgeschick entglitten war. Das Wanderbühnendrama liebte dieses Spiel mit dem Sein und Schein des Menschen, und es versah die ursprünglichen Vorlagen zusätzlich mit den verschiedensten Verkleidungseffekten. In der Komödie vom „Juden von Venetien“ wird der Jude als alter Soldat, der Prinz als französischer Arzt gezeigt.34 Im Bühnenstück „Der verirrte Liebessoldat“ rettet der totgeglaubte Selimor, der verkleidet und unerkannt unter dem Namen Dromachus auftritt, seinen Vater im Kampf. In „Die getreue Sclavin Doris“ zeigt sich der ägyptische Prinz Ptolomaeus in Frauenkleidern, während sich die ägyptische Prinzessin Doris als Mann Hali ausgibt. Diese männliche Verkleidung einer Prinzessin findet sich auch im „Tugend- und Liebesstreit“, wo sich die Prinzessin von Cypern als Page in den Dienst des von ihr geliebten Herzogs von Venedig begibt. Dass sie in dieser Rolle die Liebe einer anderen Prinzessin entfacht und An­ lass zu verschiedenen Verwechslungen und inhaltlichen Verwicklungen gibt, ist ein öfter wiederkehrendes Motiv in den Wanderbühnendramen; auch in „Der flüchtige Virenus Oder die Getreue Olympia“ (Szene I/5), wo Olympia in Mannskleidern unter dem Namen Amidoro alles daransetzt, um ihren Ge­ 33

Vgl. auch die als dumm und einfältig gezeichneten Bauerngestalten in Shakespeares „Wintermärchen“. 34 „Jude von Venetien“, I/4 (Flemming-Ausgabe, S. 212): Jude gehet ein soltatisch gekleit, und ein aug mit pflaster zugemacht. – Ebenso Szene IV/3 (Flemming-Ausgabe, S. 244): Prinz mit Pickelhering verkleidet.

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liebten Virenus wiederzugewinnen. Auf die Spitze getrieben wird das Ver­ kleidungsmotiv in der Comoedie „Der vermeinte Printz“, in welcher die Haupt­ person Prinz Floridor von Sizilien (eigentlich Prinzessin Zelide) von Orgille, der Prinzessin von Neapel, geliebt wird, die in männlicher Verkleidung unter dem Namen Lirindus am Hof von Sizilien weilt. Floridor/Zelide jedoch wählt als Ehegemahl schließlich den Prinzen von Kastilien, Alphonsus, der sich am sizilianischen Hof in weiblicher Verkleidung unter dem Namen Cla­ rice ungestraft mit Zelide treffen kann. Ursache der ganzen Verwirrung ist der Wunsch des Herrschers, seinem einzigen Kind die Nachfolge zu sichern, die aber laut Gesetz nur einem männlichen Erben vorbehalten wäre. So wird Celide von Geburt an als männlicher Thronfolger ausgegeben. Auch in den Shakespeare-Dramen finden sich häufig Verkleidungen, etwa in dem Lustspiel „Was ihr wollt“ oder in „Cymbelin“, in dem sich Imogen als Mann Fidelio verkleidet und erst in der letzten Szene erkannt wird. Auch die barocke Oper ließ sich den Verkleidungseffekt nicht entge­ hen: In „L’Argia“35 verkleidet sich die schöne Argia, die Tochter des Königs ­Toante, als Mann, um auf diese Weise unerkannt nach ihrem Liebsten suchen zu können. Der Kostümbestand zeigt sich also auf der Bühne viel wichtiger als die Bühnendekoration oder die Kulissen. Er bestimmt den ganzen Reichtum und den Erfolg einer Komödiantentruppe. Martin wendet sich in seinen späteren Werken oft gegen die Unwahrheit und Ungerechtigkeit einer Wertung, die nur nach dem Gewand, nach dem äuße­ ren Schein misst, da doch unter solcher köstlicher Kleydung manches mahl ein armseeliger / schandlicher / mit allerhand Gebrächligkeiten behaffter stinckender Sünden-schwartzer Leichnamb verborgen sei.36 Im „Mirant“ erzählt der Dichter die Geschichte eines frommen und gelehrten Mannes, der sich in seinem schwarzen schlich­ ten Doktorkleid ein Jahr lang vergeblich bemüht habe, bei Daphnis [dem Innsbrucker Erzherzog Ferdinand Karl] vorgelassen zu werden. Erst als er sich einen sammeten Rock ausleiht und mit einer Hof-Gutschen vorfährt, wird er zu Daphnis geführt: Worauß ich gelehrnet / auf was der eitlen Welt verblendetes Aug gerichtet / daß nit die Wissenschaft / Tugend und Frombkeit / sondern nur die Kleyder geehret wurden.37

35

Aufführung in Innsbruck im Jahr 1655, zu Ehren der Königin Christina von Schweden. (Siehe Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, Graz/Feldkirch 2003, S. 111–113 und S. 224–225. 36 „Philotheus“, S. 58. 37 „Mirant“, 22. Kap. (Thurnher-Ausgabe, S. 93)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Das Zweikampf-Motiv Der Kampf Myrandons mit Cassianus (III/2) bedeutet einen Höhepunkt im Drama Martins. Dieser Kampf entscheidet über das Leben Evandras und Myrandons und wird als Gottesurteil gedeutet. Der Sieger erweist sich nicht nur als der stärkere und geschicktere Fechter, mit seinem Sieg wird auch das Recht für ihn entschieden, und der Unterlegene büßt sein Unrecht mit dem Tod. Außerdem stellt der Ausgang des Kampfes Evandras Ehre wieder her. Ein weiterer Fechtkampf findet zwischen Rodiman und Myrandon um den Namen des Unglückseeligsten statt (III/8). Für unser heutiges Empfinden scheint diese Kampfursache ungewohnt, ja komisch. Doch dem barocken Menschen bedeutete der äußere Schein mehr als das Sein. Wer den Namen des Unglückseeligsten für sich beanspruchen konnte, bewies damit, dass sein Leid am tiefsten, seine Liebe daher am größten sei. Jede kleinste Andeutung des Mitmenschen, welche die eigene Ehre verletzen konnte, fordert im Drama Vergeltung mit dem Schwert. Die Ehre ist das höchste und wertvollste Gut des Menschen im gesellschaftlichen Statusden­ ken des Barock. Myrandons Ehrempfinden zeigt sich äußerst sensibel. Als er sich zum Kampf gegen Cassianus rüstet, wendet sich sein Groll sogar gegen Rodiman, weil sich dieser von seinem Sieg nicht bedingungslos überzeugt zeigt (III/2). Der Name Evandras im Mund eines fremden Ritters genügt schon, dass Myrandon ihm mit dem Tod droht (III/8). Auch in Bezug auf den König duldet Myrandon nicht die geringste Un­ ehrerbietigkeit: Als Myrandon von seinem königlichen Vater der Verzweif­ lung preisgegeben wird, verweist er den Hofmeister, der sein Mitleid zu be­ kunden wagt: Schweige, es ist deß Königs Wille. (I/1) Seine Ehre mit dem Schwert zu verteidigen, ist jedoch das alleinige Vorrecht des Hochgeborenen. Pickelhering kämpft mit Worten, mit seinen Gebärden, mit List, und gibt seinen Gegner der Lächerlichkeit preis. Dymas fehlt jedes Verständnis für das Ehrenduell der beiden Prinzen (Szene III/8), seine Angst stellt sich auf der Bühne bewusst in Gegensatz zur Tapferkeit der Helden. Diese Fechtszenen enden fast immer tödlich und sind der Höhepunkt einer Komödie. Die beeindruckende Dramatik des Fechtkampfes begegnet schon in den Stücken von Hans Sachs38, auch im Elisabethanischen Drama, in den Schau­

38

Siehe dazu Hermann, Max: Forschungen zur deutschen Theatergeschichte des Mittelalters und der Renaissance. Berlin 1914, S. 149–150.

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spielen Shakespeares wird er gepflegt39. Von den englischen Komödianten, bei denen die Kunst des Tanzens, Fechtens und der Akrobatik in Verbindung mit Musik einen Hauptteil des Vorstellungsprogramms darstellte, übernahm die deutsche Wanderbühne diese Vorliebe für Duelle und Schaukämpfe und brachte sie in innere Beziehung zur Handlung. Fechtszenen sorgten für Ab­ wechslung und Spannung; sie finden sich z.  B. in „Jemand und Niemand“, „Romio und Julieta“, „Der bestrafte Brudermord“. Auch in Corneilles „Cid“ (V/1) muss Rodrigo ebenso wie Myrandon den Widersacher bekämpfen, um als Siegerpreis die Geliebte Chimene zu erringen. In der Vorrede zu seinem Roman „Philotheus“ erinnert sich Martin an die Kunst des Fechtens: … darumb so mach ich einem stärckern Platz / und wünsch jhme Glück zu seinem Fecht-sprung. Mit diesen Worten übergibt der Dichter sein ers­ tes Druckwerk dem Publikum und meint damit wohl, dass es nun den Schritt hinaus in die Welt wagen und den Hieben der Kritik standhalten müsse.

Motiv des Traums und böser Vorahnungen Nicht erst seit Sigmund Freud und C. G. Jung bedient sich die Psychoanalyse des Traumes als einer Möglichkeit, Vorgänge und Probleme der mensch­ lichen Seele zu erkennen und das Unterbewusstsein zu entschlüsseln. Die archetypische Vorstellung, dass mit Hilfe des Traumes in die Tiefe des Unter­ bewusstseins eingedrungen und das dunkle Rätsel des Todes oder zukünfti­ ger Geschehnisse erfahrbar werden können, scheint allen Kulturen aller Zei­ ten eigen zu sein. Der griechische Halbgott-Heiler Asklepios zeigte Kranken in seinen Heiltempeln in Ephesos, Athen, Kos und anderen Städten durch Träume den Weg zur Heilung. Nach antikem Vorbild wird der Traum als eine Aussage der Götter an den Menschen gewertet. Er zeigt sich als Rat für kommende Taten und Entschei­ dungen40, oder er steht anstelle der Wirklichkeit, die dem Träumer erst im nachhinein bewusst wird.41 Meist verrät der Traum ein schon geschehenes, dem Menschen jedoch noch unbekanntes Unglück, oft bereitet er auf ein kommendes Unglück vor. Träumen wurde im Orient, besonders am persischen Hof, große Bedeu­ tung beigemessen. In ihren verschiedenen Heiligtümern erfuhren die Priester 39 40 41

Siehe dazu Ilse Katharina Boll: Tanz, Sprung und Fechten bei den englischen Komödianten und ihren Nachfolgern. Diss. Köln 1958, S. 122. Ovid: Metamorphosen, 9. Buch, Vs 686–701. Ovid: Metamorphosen, 7. Buch, Vs 635–642.

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im Traum den Willen der Götter. Wie uns Herodot berichtet, spielten Träume auch in der mythischen Kindheitsgeschichte des Cyrus (gest. 529 v. Chr.) eine Rolle.42 Laut Xenophon träumt Cyrus sogar seinen Tod voraus: Eine über­ menschliche Gestalt nähert sich ihm und spricht: Mache dich fertig, Cyrus! Du wirst jetzt zu den Göttern gehen.43 Auch in Shakespeares „Wintermärchen“ (III/3) findet sich der Wahrtraum, der Antigonus den letzten Willen seiner scheinbar verstorbenen Herrin Her­ mione kundtut und sein eigenes bitteres Ende ankündigt: Tand sind die Träume; doch für dieses eine Mal, ja, abergläubig tu ich, was dieser mir befahl. Ebenso erzählt Prinz Creonte in „Der flüchtige Virenus oder die getreue Olympia“ (IV/3) von einem Wahrtraum, den seine Geliebte Asteria gehabt habe. Dem Hirten Gorgas im „Eysernen König“ wird der Traum seiner Mutter Auslöser für einen verhängnisvollen Schicksalsweg: Er fühlt sich dadurch zum Tragen der Königskrone berufen und erreicht dieses Ziel (wie Shake­ speares Macbeth) nur unter blutigen Opfern.44 Ein Traum prophezeit Urania (im gleichnamigen Schäferspiel von Jo­ hann Christian Hallmann, Szene I/2)45 einen unglücklichen Ausgang der Jagd, den die Göttin Diana dann auch über die Schäfer verhängt, weil sie auf ihre Gebete vergessen haben. In der „Liebes Verzweiffelung“ misst Evandra ihrem Traum in Szene I/3 ab­ solute Wirklichkeitsbedeutung zu und begründet dies durch historische Bei­ spiele, in denen der Träumer seine Zukunft vorhergesehen habe. Sie träumt, dass ihr geliebter Bruder Myrandon von einem wilden Tier zerrissen worden sei, und sein mit Blut besprengter Geist fordere sie auf, ihm zu folgen. Ovids „Metamorphosen“ erzählen einen ähnlichen Traum: Alcyone, die schon lange auf ihren verschollenen Gatten Ceyx wartet, erlebt im Traum dessen Ertrinkungstod.46 Morpheus verrät hier ein geschehenes Unglück, während Evandra auf ein kommendes Unglück vorbereitet werden soll. Sie erwacht mit dem Gefühl der Gewissheit, dass etwas Schreckliches in ihr Le­ ben treten werde: Ein unnatürlich Schrecken erkaltet meinen Leib, Frost und Hitze 42 43 44 45

46

Herodot I / 107, 108, 120. Xenophon: Anabasis, III, 1, 11; IV / 3, 8. Inhaltsangabe des „Eysernen Königs“ auf einem Theaterzettel im Nationalmuseum Prag, Thea­ ter­abteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. 11654. Abgedruckt bei Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1735, Wien 1999, S. 52–53. Johann Christian Hallmann: Pastorella Fida Oder Sinnreiche Urania. Lust-Spiel. Breslau 1666. Neudruck in Johann Christian Hallmanns Sämtlichen Werken, hg. von Gerhard Spellerberg, Bd 3/1, Berlin/New York 1987 (= Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahr­ hunderts) Ovid: Metamorphosen, 11. Buch, Vs 650–679.

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empfinde ich auff einmahl, meine Seele wird in die enge getrieben, meine Glieder zittern und mein Haar fähret in die Höhe. Der Himmel beschirme mich, wo ein Unfall vorhanden. Böse Vorahnungen, die den Menschen plötzlich überfallen, ohne dass sich aus dem realen Geschehen eine Begründung dafür ergäbe, vertreten auf der Wanderbühne die Stelle einer Prophezeiung. Sie lassen den Menschen eine meist unheilvolle Zukunft vorausahnen. Doch zeigt sich diese Vorahnung für den Betreffenden verschlüsselt, allgemein und unbestimmt, so dass sie sich im Drama viel besser einfügen lässt als der klar umrissene, auf ein bestimm­ tes Ereignis hinzielende Traum. Das Schauspiel der englischen Komödianten war voll von bösen Träu­ men und Vorahnungen. Teils wurde dadurch die Stimmung für das Kom­ mende vorbereitet, teils ergab sich die Möglichkeit, Geschehnisse durch den Traum näher zu erklären oder in die vom Bearbeiter beabsichtigte Bahn zu lenken. Auch in den Schauspielen, die zum Repertoire der Truppe Martins ge­ hörten, finden sich mehrere solcher zukunftweisenden Empfindungen: Dem einfachen Landmädchen in „Die königliche Schäferin Aspasia“ wird im Traum ein königlicher Gemahl versprochen. Es lehnt daher die Werbung des Hirten Da­ mon immer wieder ab. Da dem Traum Orakelbedeutung beigemessen wird, erfüllt sich seine Vorhersage auch im Leben Aspasias. Ebenso fühlt sich im „Bestraften Brudermord“ die Königin von einer grundlosen Traurigkeit ergrif­ fen: … ich weiß nicht, was vor ein bevorstehendes Unglück unser Gemüth verunruhiget.47 Auch Rodiman empfindet plötzlich Schwermütigkeit in seinen Gedanken, und sein Herz ist voller Angst, nachdem er sich liebevoll und voraussichtlich nur für kurze Zeit von seiner Geliebten getrennt hat (II/12). Als ihm Damon von der unbekannten Herkunft Amoenas erzählt, vertieft sich Rodimans böse Vorahnung, obwohl sich im äußeren Ablauf des Geschehens kein Grund da­ für zeigt: Mir gehet ein schwehres Übel vor, ich fürchte mich einiges Unglücks (II/13). Nebensächliche Vorkommnisse oder Dinge des Alltags, die normalerweise kaum beachtet werden, können auf der Wanderbühne plötzlich eine zentrale Bedeutung erlangen und kommende Geschehnisse prophezeien. Cassianus sieht seinen Tod als gerechte Strafe voraus, nachdem er auf dem Schild My­ randons das Zeichen des Totenkopfes erkannt hat (III/2). Im „Bestraften Brudermord“ findet sich eine ähnliche Situation: Als sich Hamlet zum Fechtkampf gegen Leonhardus anschickt, wird es als böses Omen gewertet, dass der Held von einer plötzlichen Ohnmacht überwältigt wird und Blutstropfen aus seiner Nase fallen.48 47 „Der bestrafte Brudermord“, II/8. (Ausgabe Cohn, Sp. 269) 48 „Der bestrafte Brudermord“, V/3. (Ausgabe Cohn, Sp. 297)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Auch in Martins späterem Werk, dem „Philotheus“, wird das Traummotiv als übernatürliche Mahnung an den Miranten eingesetzt: In drei Traumbildern49 wird ihm die Schuldhaftigkeit seines bisherigen Lebens und seine eigentliche Lebensaufgabe, die Hingabe an Gott, bewusst. In der späteren Überarbei­ tung des Romans, im „Mirant“, schwächt der Dichter das im „Philotheus“ so eindringlich geschilderte unmittelbare Traumerlebnis ab und erklärt in der Vorrede, es müsse als gehabte Gedancken in der Einbildung verstanden werden, die der Dichter nach gemeinem Brauch bei den Poeten durch solche Vorbildungen entwerfe. Wie in der Antike und ebenso in der Bibel zeigt sich in Martins „Philotheus“ die Traumsphäre als mögliche Verbindungsebene zwischen Gott und Mensch. Die Traumgestalt bildet zwar ein menschliches und sterbliches Wesen vor, sie ist für den Miranten aber in der Wesenheit anders nichts / als ein Sinn- und Ebenbild der gegen deiner Seele Göttlicher Liebe / welche deinen noch in dem Fleisch verwölckten Augen besser nicht / als auff solche Weyß hette können vorgebildet werden (S. 13). Das Traumgesicht erhält also in Martins dramatischen und lyrisch-epischen Werken, eine warhaffte Bedeutung50; der Mensch darf sich seiner Botschaft nicht verschließen. Besonders bedingungslos zeigt sich dieser Auftrag in den Träumen indianischer Schamanen, die von tödlichen Krankheiten bedroht sind, wenn sie sich den Forderungen des Traumes zu entziehen versuchen.51 Die Angst vor Krankheit und Schmerz, das Gefühl des Ausgeliefert­ seins an höhere Mächte öffnet den Menschen nicht nur auf der Bühne für das Irrationale, für Wunder, und er ist bereit, jede Art Hilfe anzunehmen, die ihm jene unbekannte, alles leitende jenseitige Macht anzubieten scheint. Kleine unbedeutende Nichtigkeiten werden bei Bedarf mit dem Nimbus des Unerklärlichen, Geheimnisvollen ausgestattet und als Fingerzeig übernatür­ licher Mächte gedeutet. Auch auf der Bühne wird dieses Preisgegebensein an ein unerklärliches Spiel zwischen Gott und Welt, zwischen Natur und Übernatur dargestellt.

49 „Philotheus“, S. 7–21, S. 75–80 und S. 103–105. 50 Überschrift eines Kapitels in „Philotheus“, S.  103: Deß Miranten wunderliches  /  und warhafftes Traum-Gesicht. 51 Eugen Drewermann geht in seinem Buch „Tiefenpsychologie und Exegese“ (Bd II: Die Wahrheit der Werke und der Worte. Wunder, Vision, Weissagung, Apokalypse, Geschichte, Gleichnis. Olten 1985, S. 79–95) auf den existentiellen Traum des letzten großen Schamanen der Oga­ lalla-Sioux Schwarzer Hirsch (1863–1952) ein, den dieser später in seinem Lebensrückblick „Ich rufe mein Volk“ auf 20 Seiten aufgeschrieben hat: Vor und während dieses existentiellen Traumes ist dieser sehr krank und 12 Tage lang wie tot. Als er bis zu seinem 16. Lebensjahr dem Auftrag des Traumes ausweichen will, erkrankt er abermals schwer, bis er sich den Traum wie ein Sakrament im rituellen Geschehen aneignet und zugleich dem Volke mitteilt. (Drewermann, S. 84)

Personen und Schauplätze Personen des Dramas als Träger einer bestimmten Idee In den frühen Stücken des Wanderbühnentheaters gibt es drei gesellschaft­ liche Klassen: die herrschende Schicht, eine Mittelschicht und das niedere Volk von Dienern mit Pickelhering.1 Später werden die Unterscheidungen feiner, es gibt eine ständische und eine höfische Differenzierung, die sich auch in Martins Drama zeigt. Allein im höfischen Bereich vertritt jede Person einen eigenen Gesellschaftsbereich: Der König ist der unumschränkte Herr­ scher, Myrandon und Evandra sind ihm äußerlich unterworfen, behaupten aber das Recht auf innere Freiheit. Die Hofmeister Ottonias und Fidelmo und die Hofmeisterin Alidea stehen in unmittelbarer Abhängigkeit. Sie genie­ ßen kaum die Freiheit eigenmächtiger Entscheidungen, sondern sind ihrem Herrn verpflichtet und haben nur dienende und beratende Funktion. Einzig Alidea scheint  – wie die Pauline-Figur in Shakespeares „Wintermärchen“  – ­einen Rest innerer Entscheidungskraft zu beanspruchen; bald aus Angst vor eigenem Unglück, bald aus Sorge um ihre Herrin greift Alidea in das drama­ tische Geschehen ein und beeinflusst es wesentlich.2 Cassianus hat als Intrigantenfigur eine Sonderstellung bei Hof, der Page und Pickelhering vertreten die unterste Gesellschaftsschicht. Der Schäfer steht außerhalb gesellschaftlicher Einordnungen. Er lebt in einer eigenen, isolierten Welt, die gerade durch ihr Losgelöstsein vom hö­ fischen Gesellschaftskodex einen idealen Ruhepunkt, ein Arkadien für den Hofmenschen darstellt. Die einzelnen Personen des Dramas vertreten nicht nur einen gesellschaft­ lichen, sondern auch einen ethisch festgelegten Standpunkt. Sie sind – wie im Volksmärchen – entweder gut oder böse und verkörpern eine bestimmte Leidenschaft, die ganz von ihnen Besitz ergriffen hat, die sie in all ihren Handlungen und Wünschen leitet und die ihnen innerhalb des Dramas ein bestimmtes Ziel festlegt. Es wäre falsch, von einem bestimmten Charakter zu 1 2

Baesecke, Anna: Das Schauspiel der englischen Komödianten in Deutschland, S. 125. Alidea verheimlicht nach dem Kindesraub die wahre Herkunft Evandras. Aus Sorge um ihre Herrin verrät sie ihr Geheimnis, und sie droht mit ihrem Abschied, wenn sich Prinzessin Evandra ihrem Rat nicht fügen will.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

sprechen, denn Charaktere sind immer Mischtypen, die Gutes und Schlech­ tes in sich vereinen und die sich entwicklungsfähig zeigen. Erst Lessing ge­ lingt es, die Ausgangsposition eines Charakters weiterzuführen und in das Spannungsfeld von Gut und Böse zu stellen.3 Das barocke Drama und besonders das Wanderbühnenstück ist an sol­ cher Charakterdarstellung aber nicht interessiert. Der Mensch zeigt sich auf der Bühne – wie meist auch im Leben – den gesellschaftlichen, religiösen oder auch emotionalen Wertvorstellungen verpflichtet. Die Aufgabe ist klar definiert und muss um jeden Preis erfüllt werden. Kennzeichnend ist die enorme persönliche Energie, die sich auf das vorgegebene Ziel fokussiert. Für die Bühnenfigur gibt es keine Entwicklung und daher auch keinen Aus­ weg aus einem Problem, es sei denn, Fortuna leitet alles zum Guten. Des­ halb zeigt die dramatische Handlung des Wanderbühnendramas auch keine Kontinuität, sondern nur einzelne Feuerwerks-Taten, affektive Reaktionen auf eine zufällige augenblickliche Lage.4 Noch 1751 verlangt Gottsched, dass sich der Charakter einer Person vom Anfang bis Schluss der Handlung gleichbleiben müsse.5 Ebenso ist Harsdörffer hundert Jahre vorher (1648) der Ansicht, dass nicht das Wider­ spiel der Kräfte im Menschen den dramatischen Handlungsablauf bestimme, denn der Held sei ein Exempel aller vollkommenen Tugenden.6 Ihre Heldenfigur verkörpert also eine bestimmte einseitige Idee und wird von einem einzigen Affekt beherrscht. Das Persönliche, Einmalige des Menschseins existiert nicht, weder auf der Wanderbühne noch im traditio­ nellen Jesuitentheater7, sondern das Wesen der Bühnenfigur wird auf einen bestimmten Typus reduziert, der – bei gleichbleibendem Motiv – beliebig wiederholbar ist. Dies gilt ebenso für das epische Werk des Laurentius, dessen Figuren keine Individuen darstellen, sondern Typen, die ihre Rolle s­ pielen.8

3

4 5 6 7 8

Ich getraue mir zu behaupten, daß nur dieses allein wahre Komödien sind, welche sowohl Tugend als Laster, sowohl Anständigkeit als Ungereimtheit schildern, weil sie eben durch diese Vermischung ihrem Originale, dem menschlichen Leben, am nächsten kommen. (Lessing, Gotthold Ephraim: Aus der Theatrali­ schen Bibliothek, Abhandlung von dem weinerlichen oder rührenden Lustspiele. In: Werke. Vollständige Ausgabe in 25 Teilen, hg. von Julius Petersen und Waldemar von Olshausen. Hildesheim/New York 1970, Bd 10, Teil 12, S. 157) Flemming: Deutsche Kultur im Zeitalter des Barock, S. 23. Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, S. 618. Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Teil, S. 84. Vgl. auch Adel, Kurt: Das Wiener Jesuitentheater und die europäische Barockdramatik. Wien 1960, S. 36. Vgl. dazu Thurnher, Eugen: Die Romane des Laurentius von Schnüffis. Zur Frage des baro­ cken Romans. In: Festschrift für Moriz Enzinger, hg. von Herbert Seidler (= Schlern-Schrif­ ten, hg. von R. Klebelsberg, Bd 104). Innsbruck 1953, S. 195–196.



Personen und Schauplätze

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Als Träger einer bestimmten Idee, als Verkörperung guter oder schlech­ ter, helfender oder störender Kräfte9 ist dieser Typus scharf und eigensinnig ge­ prägt und lebt nach vorgegebenen Gesetzen.10 Seine scheinbar individuellen Erlebnisse sind Ausdruck eines kollektiven Motivs, und der Held wird auf der Bühne zum Bekenner eines allgemeinen Wertprinzips.11 Die Freiheit sei­ nes Handelns erstickt in der starren Einseitigkeit seiner Aufgabe. Jede innere Entwicklungsmöglichkeit ist ihm genommen. So bestimmt auch Harsdörffer, daß die Personen ihre Sitten / welche so wol von ihrem Alter / als ihrer Auferziehung hergenommen werden / nicht ändern sollen / sondern wie sie das erste mal beschrieben / also müssen sie durch das gantze Spiel eingeführet werden. Die Sitten sollen der Wahrheit ähnlich seyn …12 Die typische Eigenart einer Person drückt sich von vornherein in ihrem Na­ men aus, der andeutend und beziehungsreich gewählt wird. Der Name ist Mitträger der Atmosphäre des Scheins, des Schwankens zwischen Anspruch auf Sein und Preisgabe der Illusion.13 So wird der Held in der „Liebes Verzweiffelung“ Myrandon, d.  h. der Wun­ derbare, genannt. Fidelmo muss als Hofmeister den Getreuen verkörpern. Amoena heißt ‚die Liebliche‘. Evandras Name weist – nach dem Vorbild in Ovids „Ars amatoria“ – auf den Typus der opferbereiten liebenden Frau. Cas­ sianus’ verräterische Absichten enthüllt schon der Name, der wohl nach dem Verräter Cassio in Shakespeares „Julius Caesar“ gewählt ist. Auch Rodiman trägt einen Namen, der in der Wanderbühnen-Literatur meist dem König oder tapferen Ritter gebührt. Genau so haben die Personen in Laurentius’ späterem Werk „Mirantische Wald-Schallmey“ den Namen jenes Begriffes, den sie darstellen. Sie bringen sich dadurch selbst in einen offenen allegorischen Beziehungsbereich. Ihre Hand­ lungen sind von vornherein auf ein bestimmtes, eng umgrenztes Aktionsfeld beschränkt; ihr Name prädestiniert ihren Typus und ihr Schicksal. 14 Sogar der Dichter selbst gibt sich in seinem ersten Buch den Namen MIRANT, der nicht nur als Anagramm seines bürgerlichen Namens MARTIN verstanden werden kann, sondern ein Hinweis auf die wunderbare Errettung aus seiner 9 10 11 12 13 14

Thurnher: Die Romane des Laurentius von Schnüffis, S. 195. Hierin liegt der tiefste Unterschied zur späteren klassischen Zeit, in der sich der Mensch nach seinen Eigengesetzen formt, innerlich wächst und sich entwickeln kann. Siehe dazu Flem­ ming: Deutsche Kultur im Zeitalter des Barock, S. 8. Vgl. dagegen Lessings Drama „Nathan der Weise“, in dem nicht der Mensch, sondern die Lehre, die Gesinnung humaner Toleranz, im Mittelpunkt steht. Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Teil, S. 39. Nach Adel: Das Jesuitendrama in Österreich, S. 105. Die Namen sollen etlichermassen der Personen Eigenschaften bemerken / und wird unter selben / vielmals eine Kunst / Tugend oder Wissenschaft verstanden. (Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Teil, S. 103)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Todeskrankheit und – im weiteren Sinn – aus den Täuschungen der vergäng­ lichen Welt sein soll. Trotzdem – und das ist entscheidend für das Verständnis der Wander­ bühne – handelt es sich hier nicht um Typen-, sondern um Affekttheater. Die einzelnen Personen agieren auf Grund ihrer Affekte. Immer ist es der von Leidenschaften getriebene Mensch – und sei er noch so sehr Ausdruck einer kollektiven Idee – der Zentrum, Anfang und Ende des Dramas bestimmt. Es bleibt nicht die Erkenntnis einer allgemeinen Wahrheit wie ein Jahrhundert später etwa in Lessings „Nathan“ oder in Goethes „Iphigenie“, sondern das Bekenntnis des Helden selbst, seine Bewährung. Sein Glück oder Unglück steht isoliert in einer andersgearteten Welt. Dabei ist es nicht die Person selbst, die dem Ziel ihrer Wünsche oder ihrem Untergang zusteuert, sondern sie wird getrieben von Fortuna, von den Göttern, oder – im späteren Werk des Laurentius – von der göttlichen Gnade. Im Roman bleibt Laurentius die Entscheidung für oder gegen das Gute, für die Welt oder für Gott zu leben. Im Drama unterliegt der Einzelne völlig seiner Prädestination. Nicht Aktivität führt den Helden zum Ziel, sondern der Wille der Götter und der Zufall.

Die Frauengestalten Die beiden weiblichen Hauptfiguren der „Liebes Verzweiffelung“ sind Exempel aller vollkommenen Tugenden, wie Harsdörffer es von Helden in Trauerspielen verlangt.15 Als Objekt idealer Liebe, als fehlerlose Wunschgestalt ihres Ge­ liebten rechtfertigen sie dessen bedingungslose Zuneigung. Auch im Roman „Philotheus“ stehen die Frauengestalten Evadne/ Evandre und Dorilis an zentraler Stelle. Sie vertreten hier jedoch nicht nur das weibliche Geschlecht, sondern werden zum Symbol für Welt und Hof. Sie sind also problematische Größen, denen nicht ein einmaliges persön­ liches Charakterbild, sondern ein absolutes Wertprinzip zugrunde liegt. Das Motiv der Frauenfeindschaft, das in der literarischen Tradition, in persönlichen Erfahrungen des Dichters und in der unüberbrückbaren Ge­ gensätzlichkeit himmlischer und irdischer Liebe begründet ist, wird zum Ge­ fäß für alle anderen negativen Werte, die dem Dichter gefährlich, ungerecht und unwahr erscheinen.16

15 16

Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Teil, S. 84. Siehe dazu das Kap. „Auseinandersetzung mit dem Weiblichen“ in Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, Graz/Feldkirch 2003, S. 178–190.



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Das episch-lyrische Werk des Dichters zeigt also gegenüber dem frühen dra­ matischen Werk eine paradoxe Umkehrung der Werte: Die ideale irdische Gefährtin des Mannes vergeistigt sich zur Vorstellung der personifizierten göttlichen Liebe17, während die Frau in der Welt als gefährliche Verführerin des Mannes erfahren wird. In allen seinen Werken zeigt der Dichter, dass der Mann nicht in sich selbst Genüge findet, sondern abhängig ist von dem geliebten Bildnis seiner Göttin.18 Dieser Extremstandpunkt leitet sich aus dem allgemeinen dualisti­ schen Seinserlebnis des Barockmenschen ab: Der Mensch des 17. Jahrhun­ derts will kein Hineinwachsen in ein weises Mittelmaß, kein individuelles Abwägen der Werte und deren Umformung auf die Eigenart des inneren Bedürfnisses. Er lebt nach objektiven Gesetzen, beugt sich starren Dogmen; diese geben das Maß aller Dinge an und übertönen die Stimme der eigenen Seele. Im 17. Jahrhundert erlebte die Tradition der theologischen und satiri­ schen Abwertung der Frau einen letzten Höhepunkt.19 Während das Jesui­ tendrama diese Ablehnung des Weiblichen übernimmt und die Frau nur in der Rolle der Mutter oder Märtyrerin positiv erlebt20, orientiert sich das Wan­ derbühnendrama an dem neuen höfischen Vorbild der „Astrée“21. Die Frau tritt in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens und prägt feinere Sitten. Sie zeigt sich auf der Wanderbühne nicht als die sehnsüchtige und hilf­ lose Jungfrau, wie sie die spätere Romantik lieben wird, nicht als die See­ lengeliebte und geistige Heimat des Mannes, sondern als Partnerin, die ihre Gleichwertigkeit mit dem Mann durch selbstbewusstes Auftreten zu betonen versucht.22 Sie ist dessen sinnliches Liebesobjekt, bleibt jedoch meist nicht in der passiven Zurückhaltung, die ihr bisher Überlegenheit und inneren Abstand gegenüber dem Mann gesichert hat. Die Frau der Wanderbühne ist in der Erlebnisstruktur dem Mann gleichgestellt. Gleiche erotische Liebesleiden­ 17 „Philotheus“, S. 162–168: Olympia als die personifizierte Liebe Gottes. 18 „Liebes Verzweiffelung“, II/12: Rodiman nennt seine Geliebte Amoena Göttin. Ebenso „Philotheus“, S. 12 und S. 63. 19 Das negative Frauenbild zeigt sich z.  B. in Grimmelshausens „Landstörtzerin Courasche“ und in Moscherosch: Gesichte Philanders von Sittewald, 1. Teil: Welt-Wesen (S. 66–68) und Ve­ nus-Narren (S. 74–78). De Boor (Die deutsche Literatur im späten Mittelalter [= Geschichte der deutschen Literatur, Bd III/1]. München 1962, S. 271) sieht in dieser Verzerrung des Frauenbildes eine auch an der Moraltheologie orientierte Reaktion auf das überhöhte Frauen­ bild der hohen Minnedichtung. 20 Adel: Das Wiener Jesuitentheater, S. 82. 21 Die weibliche Hauptperson des umfangreichen Schäferromans „L’Astrée“ von Honoré d’Urfé, 1607–1627 in fünf Bänden veröffentlicht, diente als Vorbild für andere barocke Schä­ ferromane, -gedichte, -spiele und -opern. 22 Vgl. dazu Flemming: Deutsche Kultur im Zeitalter des Barock, S. 42.

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schaft verwirren ihr die Sinne; es wird die gleiche Aktivität von ihr verlangt, dieselbe kompromisslose Verpflichtung zu ewiger Treue bindet sie an ihren Mann. Dabei verfolgt sie ihr Ziel meist nicht so offen wie der Mann, sondern aus dem Hintergrund, mit List, mit verborgener Intelligenz. Die Wanderbühne kennt nur dieses weibliche Bild der Geliebten und Gattin. Die Rolle der Mutter ist kaum vertreten, es sei denn, dass sich am Schluss des Spiels eine Frau als Mutter des Helden zu erkennen gibt, um dessen adelige Abstammung zu beweisen.23 Auch Lohensteins Dramen, die (ab 1661) die Frau im Mittelpunkt des Geschehens zeigen und alles Weibliche in den negativen Erfahrungsbereich rücken, haben keine Mutterrollen.24 Die beiden weiblichen Hauptfiguren in Martins „Liebes Verzweiffelung“ folgen nicht ganz diesem vorgegebenen Schema. Sie haben kaum aktiven Anteil am Verlauf des Bühnengeschehens und sind von Fortuna dazu verurteilt, für ihre Liebe zu leiden. Ihre einzige Aktivität liegt in ihrer Bereitschaft zum Tod, den sie – wie die männlichen Partner – in der Einsamkeit bei den wil­ den Tieren oder im Gefängnis suchen. Dabei zeigen sie die gleiche mutige Entschlossenheit und beugen sich weder dem Willen des Königs noch der Gesellschaft. Wie den männlichen Helden gibt Martin auch den Frauenfigu­ ren bedeutungsvolle Namen25: Evandras Name, im „Philotheus“ auch als Evandre und Evadne26, kann aus den beiden antiken Namen Evadne und Evander abgeleitet werden.Im „Mirantischen Flötlein“27 verweist Laurentius auf das Exempel der treuen Evadne, die sich aus Liebe zu ihrem Gemahl Kapaneus28 bei dessen Bestattung in den brennenden Scheiterhaufen gestürzt hat. Ovid berichtet darüber in seiner „Ars amatoria“: Kapaneus, nimm mich auf! Es vermische sich unsere Asche! rief Evadne und sprang mitten hinein in die Glut.29 23 24

Vgl. dazu Goldschmit: Das Repertoire der Wandertruppen in Österreich, S. 122. Siehe dazu Wadsley, Lupton Philipp: Die Frauengestalten in den Trauerspielen Daniel Casper von Lohensteins. Diss. Wien 1954 (Masch.) 25 Harsdörffer (Poetischer Trichter, II. Teil, S. 81) fordert, daß die Helden nicht nur an den Kleidern / sondern auch an den schicklichen Namen und ihren Redarten zu erkennen sein müssten. 26 Evandre: Schöne Hirtin am Rhein, die dem Miranten durch freundliches Zusprächen so vil zuschaffen gegeben / daß er auff so inständiges anhalten schier geblieben … („Philotheus“, S. 2) Evadne: eine von Herkunfft zwar schlechte / doch an Stoltzheit gar Edle Pfaw („Philotheus“, S. 42), die als allegorische Verkörperung des Hofes gedacht ist. 27 „Mirantisches Flötlein“ III. Teil, 3. Elegie, Str. 11, S. 149. 28 Kapaneus war vor Theben durch den Blitz des Zeus erschlagen worden. 29 Publius Ovidius Naso: Liebeskunst. Ars amatoria, libri tres. Nach der Übersetzung W. Hertz­ bergs bearbeitet von Franz Burger. München 1964, S. 114–115.



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Als Beispiel für Treue begegnet Evadne auch in der „Mirantischen Mayen-Pfeiff“: Ja wie getreu auch hat geliebt Biß in den Tod Evadne.30 Ovids Evadne wird also bei Laurentius zum Sinnbild treuer Liebe, ihr Name bürgt für die Treue Evandras zu Myrandon. Evander, der griechische König aus Arkadien und Verbündete des Ae­ neas, der in Italien die Stadt Palatium gegründet haben soll, verbindet mit seinem Namen die Vorstellung eines tapferen, edlen und redegewandten Herrschers, wie er in Ovids „Metamorphosen“ vorgezeichnet ist.31 Also schon der Name verpflichet Prinzessin Evandra zur Treue bis in den Tod, er betont ihren Edelmut und ihre Tapferkeit. Als Name einer weiblichen Hauptfigur findet sich Evadne noch in einem anderen Wanderbühnenstück, das 1679 im Repertoire Velthens verzeichnet ist32: Evadne ist in diesem Trauerspiel die Kurtisane eines Königs, der sie mit dem nichtsahnenden Hofherrn Amintor verheiratet. Als Amintor die Vorgeschichte Evadnes erfährt, verbündet er sich mit deren Bruder zur Ra­ che an dem König. Evadne tötet den König. Sie selbst und Amintor beenden freiwillig ihr Leben. Männliche Heldenfiguren werden noch bis Mitte des 18. Jahrhunderts nach dem griechischen König Evander benannt: In dem Wanderbühnenstück „Das Labyrinth der Liebe“ ist Evander der verstorbene König, dessen Sohn Eumenes von einem Schäfer aufgezogen worden ist und, nun erwachsen, sein königliches Erbe zurückerobern will.33 Ebenso findet sich dieser Name in dem Wanderbühnendrama „Die glückselige Eyfersucht“ von Christoph Blümel, eines Mitglieds der Insprugger Comoedianten, deren Truppe auch Johann Martin angehört hat. Ein Breslauer Szenar des Wanderbühnenstücks „Die möglich gemachte Unmöglichkeit“ nennt Evander als Hofe-Diener in einer nebensächlichen Rolle.34

30 „Mirantische Mayen-Pfeiff“, III. Teil, 8. Elegie, Str. 4, S. 300–301. 31 Ovid: Metamorphosen, 14. Buch, Vs 456. Der griechische Ursprung des Namens bedeutet ‚bene vir‘ = guter Mann. 32 „Die Jungfrau“, deutsche Bearbeitung des Schauspiels „The Maid’s Tragedy“ von Francis Beau­ mont und John Fletcher, verfasst um 1610, zwischen 1619 und 1661 siebenmal herausgege­ ben. (Nach Fischer: Wandertruppen des 17. Jahrhunderts in Salzburg, S. 463). 33 Nach Heine: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, S. 61. 34 Das Szenar ist abgedruckt in Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerker­ spielen, S. 459–460. – In diesem Spiel gibt es auch eine Alidora (Ähnlichkeit mit dem Namen Alidea) als Liebste des Kammerdieners Ruperto.

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1684 nennt Johann Christian Hallmann in seinem „Theodoricus“ einen Evan­ der.35 Salomon Geßner schreibt 1762 das Schäferspiel „Evander und Alcinea“, und Lessing beschreibt in seiner „Hamburgischen Dramaturgie“ die von dem berühmten Schauspieler Konrad Ekhof dargestellte Rolle des alten Vaters Evander in der Tragödie „Olint und Sophronia“ von Johann Friedrich von Cro­ negk (1757).36 Der Name Evanders galt also der deutschen dramatischen Literatur als Symbol für die edle Abstammung des Helden, dessen Tapferkeit und Treue. Amoena Den Namen der zweiten Prinzessin in der „Liebes Verzweiffelung“ dürfte Mar­ tin der epischen Schäferliteratur des Frühbarock entnommen haben37, die in Amoena eine Hirtin von unerhörter Schönheit und heroischer Holdseligkeit sieht.38 In Martins späterem Werk, dem Roman „Mirant“, wird Gräfin Cornelia Lucia von Hohenems, die Gattin des Hoch-Edlen und weit berühmten Hirten Clarefrid Sembrich zu Hohenfrag [Anagramm für Graf Karl Friedrich zu Ho­ henems] und Wohltäterin des Dichters, nach dem Namen Amoenas be­ nannt.39 Entsprechend der lateinischen Bedeutung bezeichnet der Name Amoena die schöne, anmutige und liebenswerte Frau. Alidea Als dritte weibliche Figur in Martins Drama verkörpert Alidea die selbst­ bewusste und treue alte Hofmeisterin Evandras. Sie wendet durch ihr Ge­ ständnis des Kindestausches alles zum Guten. Als Unglücksbotin meldet sie Evandra die Abreise Myrandons (I/4). Seltsamerweise fehlt sie während der Fechtszene zwischen Myrandon und Cassianus, die Evandras Unschuld er­ weisen soll (III/2). Wäre es doch ihre Aufgabe, der Herrin im Unglück zur Seite zu stehen. Erst in Szene III/6 betritt sie mit Evandra wieder die Bühne und verrät deren wahre Abkunft. Warum erst jetzt, nachdem Evandra so lange Zeit in Verzweiflung und Todessehnsucht zugebracht hat? 16 Jahre hat

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Hallmann, Johann Christian: Trauer- Freuden- und Schäffer-Spiele, nebst Einer Beschreibung Aller Obristen Hertzoge über das gantze Land Schlesien. Breslau o.  J. [1684] Lessing, Gotthold Ephraim: Hamburgische Dramaturgie, 1. Bd, 2. Stück (5. Mai 1767) und 4. Stück (12. Mai 1767). (= Lessings Werke, hg. von Julius Petersen und W. v. Olshausen, Bd 5, Teil 5, S. 33 und S. 40–41) Jüngst-erbawete Schäfferey Oder Keusche Liebes-Beschreibung Von der Verliebten Nimfen AMOENA, Vnd dem lobwürdigen Schäffer AMANDUS, vbersetzet Durch A. S. D. D. / Leipzig 1632. Jüngst-erbawete Schäfferey … In: Schäferromane des Barock, hg. von K. Kaczerowsky. Hamburg 1970, S. 14. Des Miranten / Eines welt- und hof-verwirrten Hirtens wunderlicher Weeg nach der Ruhseeligen Einsamkeit. Konstanz 1689 (Thurnher-Ausgabe, Kap. 15–17, S. 67–79). Diese Kapitel fehlen in der ursprünglichen Fassung des „Philotheus“ von 1665).



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Evandra Myrandon nicht gesehen40, 16 Jahre ihres Lebens hat sie also auf ihr großes Glück verzichten müssen. Und Alidea, die doch ihrer Prinzessin so treu und selbstlos ergeben ist, sollte in all dieser langen Zeit das erlösende Wort verschwiegen haben? Dass sich die Hofmeisterin erst jetzt dazu ent­ schließt, dieses ihr Geheimnis aufzudecken, deutet darauf hin, dass sie eine Problemlösung gesucht und diese in der Lüge des Kindestausches gefunden hat. O were dieses längsten offenbahr worden, so were Myrandon seiner Liebe theilhafftig, wir aller Kümmernuß loß und diese zwey Könige alß gute Freunde vereiniget, klagt auch Ottonias (IV/2). Wollte der Dichter durch dieses späte Geständnis bewusst den Zweifel an dessen Wahrheit wecken? Jedenfalls scheint es unglaubwür­ dig, dass das kleine Prinzesschen von Epirus die Wickeltücher der kretischen Königstochter und auch noch deren Contrefaict (Erzählung des Damon in II/13 und des Rodiman in III/8) trug, als es geraubt wurde. Nimmt also Alidea aus Liebe zu ihrer Herrin die Schuld einer unnatürlichen Liebesver­ bindung auf sich? In den Schlussversen (V/12) nennt sie nicht Fortuna oder die Götter als Ursache des allgemeinen Glücks, sondern sich selbst: Durch mich seyd ihr getröst.    Was euch so sehr geblendet,    Das hab ich abgewendet Und euch davon erlöst. Für ein Wanderbühnenstück des 17. Jahrhunderts erscheint der Gedanke, dass sich eine Hofmeisterin nicht nur in ihrem äußeren Leben, sondern auch in ih­ rem Gewissen dem Glück der Herrin unterwirft, zu unwahrscheinlich. Einem Werk Johann Martins, dem bedingungslose Liebe und Treue ein Lebensthema war, könnte man diese psychologische Konstruktion jedoch zutrauen. War es doch gerade das Problem der gebrochenen Freundschaft, die völlige Verlas­ senheit von allen Freunden, die ihn in Innsbruck bewog, diese unbeständige Welt zu verlassen und die unzerstörbare Freundschaft Gottes zu suchen. Als Vertraute und Dienerin handelt Alidea konsequent, wenn sie ihre Herrin Evandra der tödlichen Verzweiflung, der Qual der Selbstvorwürfe, den eige­ nen Bruder zu lieben, durch ein wenn auch unwahres Geständnis entreißt. Sie kann ja nicht ahnen, dass Myrandon noch lebt, dass die Verbindung zwi­ schen Evandra und dem Prinzen jemals zustandekommt. Ihre Aussage ist ein Liebesdienst, dessen ihre Herrin bedarf. Es ist anzunehmen, dass Martin zu jener Zeit das Ideal der Freundschaft höher wertete als das der unbedingten Wahrheit. 40 Myrandon: … meine Schwester hab ich verlohren, welche ich in 16. Jahren nicht gesehen hab. (Szene V/10)

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Jedenfalls gewinnt das Drama durch die Annahme, dass Alidea die Ge­ schichte der Kindesverwechslung nur ersinnt, um ihre Herrin zu retten, eine neue interessante Komponente. Die dramatische Handlung würde dadurch psychologisch und künstlerisch aufgewertet und gegenüber der Wanderbüh­ nentradition einen Entwicklungsschritt in Richtung verinnerlichte Charak­ terzeichnung aufzeigen. Wie immer auch die Figur der Alidea gesehen werden mag, sie ist das Urbild einer treuen Dienerin, die sich mit den Forderungen des Alltags realistisch und selbstbestimmt auseinandersetzt. In Blümels „Comoedia von der Glüeckseligen Eyfersucht“ steht die alte Theo­ dora, die ebenfalls mit dem Problem der Geschwisterehe konfrontiert ist, in derselben Rolle wie Alidea: Auch sie klärt erst am Schluss auf, dass Roderich als ihr und des Königs illegitimer Sohn geboren sei; nach dem Tod seiner Ge­ mahlin habe der König sie geheiratet, und so sei Roderich der rechtmäßige Erbe und keinesfalls Delmiras Schwester. Theodora spielt hier also auch die Rolle der Dea ex Machina wie Alidea in der „Liebes Verzweiffelung“; auf Grund ihrer Aussage stehen am Schluss der „Glüeckseligen Eyfersucht“ drei glückliche Liebespaare auf der Bühne. Die übrigen weiblichen Namen werden im Dramentext der „Liebes Verzweiffelung“ nur erwähnt und haben keinerlei dramatische Bedeutung: Agardis wird als Myrandons Mutter genannt (III/6 und IV/1), Alaura, die kretische Königin, als Rodimans Mutter (IV/2 – in der Wie­ ner Handschrift heißt Rodimans Mutter „Avaar“) und Daphereta als Amoenas schäferliche Ziehmutter (II/5).

Szenerie des Hofes. Der höfische Schauplatz Die Welt der meisten Wanderbühnendramen teilt sich in jene des Hofes und in die der Hirten und Bauern. Der Hof, besetzt mit Königlichen Palästen / wolgezierten Gärten / Jagthäusern, Thiergärten / etc.41, war ursprünglich allein dem Trauerspiel vorbehalten; die Tragödien von Gryphius und Lohenstein spie­ len nur auf höfischen Schauplätzen. Doch auch das Publikum der Wanderbühne verlangte Könige und Fürs­ ten zu sehen, keine Bürger aus der allzu nahen Alltagswelt. Aus dem bürger­ lichen „Verlorenen Sohn“ der Reformationszeit wurde nun ein Kavalier, der mit seinem Diener eine Bildungsreise unternimmt; den Shakespeareschen 41

Harsdörffer: Poetischer Trichter,2. Teil, S. 98.



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„Kaufmann von Venedig“ macht das Wanderbühnendrama zum Prinzen, der seinen Diener Pickelhering mit sich führt. Das Bühnengeschehen wirkte auf den gemeinen Zuschauer intensiver, wenn es in die Welt von Königen und Prinzen verlegt wurde. Es zeigte sich gewichtiger, allgemeingültiger, weil es nicht in der bekannten Alltagswelt spielte, sondern den Zuschauer auf einen Schauplatz entrückte, der ihm glanzvoller, bunter, Inbegriff alles Erstrebenswerten erschien. Der Hof be­ deutete Freisein von Alltagssorgen und Armut – und je ferner das Land die­ ses Königshofes sich zeigte, umso glaubwürdiger wurde seine Pracht. Martin folgt in seinem Drama zwar der Forderung seines Publikums nach fremdländischer Atmosphäre, doch ist seine höfische Welt ein Ort der In­ trige, Ungerechtigkeit und Lüge. Schon in der „Liebes Verzweiffelung“ kündigt sich also Martins negative Einstellung zum Hof an, in den späteren Werken zeichnet er ihn in den verschiedensten Bildern als Ort der Lieblosigkeit42, des Betruges, der Grausamkeit und der Ausbeutung, der Vergänglichkeit und der Unsicherheit des Glücks43, als Ort der Seelen-Pest und der Scharlach-rothen Sünden44: Lebe wohl / o Welt / und betrieglicher Hofe, lebe wol du auch zur windstillen Zeit falsches / unthrewes / und zur zeit deß Vngewitters grausames Meer … Du / du bist ein Wald voll der Dörneren / Ein Meer der bittern Gall …45 Die Ablehnung des Hofes ist ein bekanntes Motiv in der barocken Literatur, das schon 1539 in Guevaras Traktat „Verachtung des Hoflebens und Lob des Landlebens“46 seinen Ausdruck fand.

42 „Philotheus“, S. 165. 43 „Philotheus“, S. 49–65. 44 „Philotheus“, S. 143–144. 45 „Philotheus“, S. 178–179. – Vgl. auch das Hof-Vhrlaub Lied“ im „Philotheus“, S. 100–102! Zur Hofkritik im „Philotheus“ siehe Breuer, Dieter: Der „Philotheus“ des Laurentius von Schnüffis. Zum Typus des geistlichen Romans im 17.  Jahrhundert (= Deutsche Studien, hg. von Willi Flemming und Kurt Wagner, Bd 10), Meisenheim am Glan 1969, S. 113–118; ebenso Gstach, Ruth: Mirant, Komödiant und Mönch, Graz/Feldkirch 2003, S. 275–278; und Gstach, Ruth: Nachwort zur Neuauflage des „Philotheus“ (= Schriftenreihe der Rheticus-Ge­ sellschaft). Feldkirch 2018. 46 Übersetzt von Albertinus: Zwey schöne Tractätl / dem das eine Contemptus vitae aulicae, et laus ruris: intituliert. München 1598. Vgl. auch Abraham a Sancta Clara: Judas der Erzschelm. In: Abraham a Sancta Clara: Hui und Pfui der Welt, hg. von J. v. Hollander. München 1963, S. 130  ff.; oder Moscherosch, Hanß Michael: Gesichte Philanders von Sittewald, hg. von Felix Bobertag, I. Teil, 7. Gesicht: Hof­ schule (= Deutsche National-Literatur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 32). Berlin und Stutt­ gart 1883.

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Auch auf der Bühne der Wanderkomödianten, die ja in ihrer Existenz von Fürstenhöfen abhängig war, wird versteckte Kritik am Hof geübt, indem er als Ort der Intrige und der Ungerechtigkeit („Der stumme Prinz Atis“), der Grausamkeit („Titus Andronicus“), der Machtgier („Der eyserne Tisch“) und oft auch Dummheit der Höflinge („Der bestrafte Brudermord“) gezeigt wird. Daneben jedoch erweist sich der Hof als einzig mögliche Lebenssphäre für Helden, in ihm vereinigt sich Bildung und Kultur, Großmut des Denkens und edles Pathos. Dasselbe Urteil über den Hof findet sich auch im Kunstdrama: Der Hof ist einerseits Heimat so edler Gestalten wie etwa einer Catharina von Georgien, andererseits zeigt er sich als Mördergrube / Als ein Verrätherplatz, ein Wohnhauß schlimmer Buben.47 Eine Variation beider Sichtweisen findet sich in den verschiedenen Bear­ beitungen der „Königlichen Schäferin Aspasia“: Jacob Cats stellt in seinem Spiel den Hof als Ort der Intrige und Gegenintrige dar, als einen Ort, an dem jeder auf seinen Vorteil bedacht ist, und er warnt damit vor einem Leben im Umfeld der Macht. Das entsprechende Singspiel sieht den Hof ebenfalls als Wohnstatt des Lasters, führt aber am Schluss zu einer Versöhnung der Ge­ gensätze. Die „Aspasia“ im Wanderbühnenrepertoire verzichtet dagegen auf jede Kritik des Hofes und zeichnet ihn als Ort des Glücks. Dass der Hof auch im wirklichen Leben in dieser Gegensätzlichkeit erfah­ ren wurde, beweist Martins „Philotheus“: In seiner tiefsten Verlassenheit und seiner Enttäuschung über die Bosheit höfischer Pracht-Hansen48 findet der Mirant Hilfe bei seinem Daphnis, dem Erzherzog Ferdinand Karl von Tirol; und das Grafenpaar von Hohenems bietet ihm sein Schloss als Zuflucht an. Der höfische Schauplatz bleibt in den Wanderbühnendramen meist anonym, manchmal jedoch wird ein bestimmtes Land genannt: Im Schauspiel „Der eyserne Tisch“ ist es der Königshof von Böhmen, in „Prinz Sigismund“ der Hof von Polen. Martin verlegt den dramatischen Schauplatz des Epirischen Hofes nach Griechenland – in Shakespeares „Wintermärchen“ ist es die ‚Küste‘ Böhmens. Damit kommt Martin dem Verlangen des Publikums nach, sich in fremde Länder versetzen zu lassen. Epirus ist keineswegs eine irreale Dichterlandschaft, sondern eine histo­ risch durch die mykenische Kultur geprägte Provinz an der Nordwestküste Griechenlands gegenüber der Insel Korfu, welche gegen Morgen an Thessalien,

47 Gryphius, Andreas: Leo Armenius, I. Abhandlung, Vs 23–24. 48 „Philotheus“, S. 60.



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gegen Westen an das Ionische Meer, gegen Norden an Albanien und gegen Süden an Linadia grentzt.49 Es war jedoch nie das friedliche und gefestigte Land, wie es in Martins Drama gezeigt wird. Ovid scheint die Landschaft Epiros in die Dichtung eingeführt zu ha­ ben50. Im neunten Buch des deutschen Amadis-Romans (1573) ist es das Land, in dem sich das Schloß der Grausamkeit des Königs Mantales51 befindet. Wie Herr Florisel und Silvia als die Prinzessin Alastraxerea suchende umbzohen, sich umbkehreten, das Schloß der grausamkeit, deß Königs Manatales zu Epiro zu besichtigen. Von dort wurde es in die vierte Komödie der „Liebeskampf“-Sammlung (1630) übernommen, in die „Comoedia von König Mantalors vnrechtmessigen Liebe und derselben Straff“, deren Held Arpilior der Sohn des Königs Mantalor von Epiron ist: Der König tötet seine Gattin, um für die Geliebte des Sohnes frei zu sein. Seither ist Epirus der Schauplatz mehrerer Wanderbühnendramen geworden: Das Weimarer Verzeichnis nennt als Nr. 72 „Die Dreyfache Epyrische Krönung“, und eine Komödie von Stranitzky (Heinrich Rademin) lässt die erste Szene in einer angenehmen Gegend bey der Statt Epiro spielen, deren Gezelte von Epirischen Soldaten bewacht werden. Der König von Epiro heißt dort Pyrrhus.52 Auch in der Danziger Tragicomoedia „Der stumme Ritter“ gibt es einen Herzog von Epyro, Statthalter in Sicilia; die englische Vorlage von Machin Lewis, „The dumbe Knight“ (1608), nennt ihn Duke of Epire. Sogar der deutsche Jesuite Jakob Balde (1604–1668) erwähnt in seinen Dichtungen die historischen Könige von Epiros, die als unerschrockene, wilde und grausame Feldherren bekannt waren53: 49

Nach Zedler: Universal-Lexikon (1750), Bd 8, Sp. 1420–1421. (Die heutige Landschaft Epi­ rus im Nordwesten Griechenlands umfasst nur die südliche Hälfte der antiken Landschaft Epirus. Der Nordteil gehört seit 1914 zu Albanien. Südliche Begrenzung ist der Ambrakische Golf des Ionischen Meeres.) Epirus war immer wieder Schauplatz blutiger Kämpfe, bis Mitte des 20. Jahrhunderts erhoben Italien, Nazideutschland und vor allem Griechenland Besitz­ ansprüche.) 50 Ovid: Metamorphosen, 8. Buch, Vs 282, und 13. Buch, Vs 720. 51 Siehe „König Mantalors unrechtmäßige Lieb und derselben Straff“ aus der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630. 52 „Nicht diesem, den es zugedacht, Sondern dem daß Glücke lacht. oder Der großmüthige Frauenwechsel unter Königlichen Personen, mit Hanß Wurst“, Anweisung für die erste Szene. (Siehe auch Rudolf Payer von Thurn: Wiener Haupt- und Staatsaktionen, Bd 1, Wien 1908, S. 205–206.) 53 Auf die Frage Scipios an Hannibal, wen er für den größten Feldherrn halte, soll Hannibal dem Alexander den ersten Platz, Pyrrhus den zweiten eingeräumt haben. (Die epirischen Könige hießen Pyrrhus). Nach Zedler: Universal-Lexikon, Bd 29, Sp. 1857 und 1853.

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Turmas ipse suas duxit Iulius Epirique potens: ipse pericula Cingentum medius reppulit hostium Belgarum leo Carolus. Caesar führte sein Heer selber, und ebenso Von Epirus der Herr. Selber hat abgewehrt Die Gefahr, wenn der Feind rings ihn umzingelte, Karl, der Löwe, der Belgier.54 Nach dem Personenverzeichnis der Wiener Handschrift „König Frondalpheo“ sind Rodiman und Evandra von der Insel Rodis gebürtig, während die Karls­ ruher Handschrift das Königreich Kreta als ihre Heimat nennt. Die Angabe im Wiener Manuskript beruht offensichtlich auf einer Änderung des ursprüng­ lichen Dramentextes, denn Rodiman nennt sich im Verlauf des Dramas auch in der Wiener Handschrift öfters Prinz auß Creta (II/4, II/12, III/8). – Kreta war also die von Martin gewählte Heimat seines zweiten Dramenhelden.55 Als Schauplatz eines Königshofes findet sich Kreta in mehreren Wanderbüh­ nendramen: 1653 wird auf dem Reichstag zu Regensburg eine Oper aufge­ führt, die Ferdinandus, den König von Creta, als Partner der Lidesta von Thracien zeigt.56 Velthen eröffnete seine Dresdener Gastspielzeit mit der „Tragoedie von dem wilden Mann in Kreta“, deren Schauplatz der Königshof von Kreta ist; und auch Blümels „Jude von Venetien“ lässt einen König von Creta auftreten. Die dramatischen Schauplätze Epirus und Kreta gehörten also zum Vor­ stellungsbereich der Wanderbühne. Ihre Namen wollen keine Beziehung zu den realen Landschaften herstellen. Es zeigt sich auch, dass Martin keinerlei geographische Kenntnisse mit der Wahl seiner Schauplätze Epirus, Kreta und Rhodos (I/1: König von Rhodus) verband. So wird z.  B. der Aethna als Berg in Thessalien bezeichnet57, obwohl es sich in Wirklichkeit um die an Epirus angrenzende Landschaft in Nordgriechenland handelt. Das Theater der Wanderbühne strebte auch gar keine geographische oder historische Rea­ 54 „Ludus Palamedis“, 21. Strophe, Zeile 82. (Jacob Balde: Dichtungen. Lat. und Deutsch in Aus­ wahl hg. von Max Wehrli, Köln und Olten 1963, S. 15.) 55 In Shakespeares „Wintermärchen“ ist es das Inselreich Sizilien. 56 Es handelt sich um die Oper „L’Inganno d’amore“. Das deutsche Szenar dieser Oper ist er­ halten unter dem Titel „Innhalt und Verfassung der Comoedie vom Liebes Betrug“. – Nach Weilen: Geschichte des Wiener Theaterwesens, Bd 1, Wien 1899, S. 69. 57 Nicht ohne Uhrsach hat sich Luna hinder Aethna, dem Thesalischen Berg verstecket … („Liebes Verzweiffelung“, III/4)



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lität an, sondern Schauplatz und Historie bildeten nur den Spiegel, in den der barocke Zuschauer sein eigenes Denken, Fühlen und Wünschen hineinprojizierte.

Die männlichen höfischen Personen Der König Das Wanderbühnenstück ab etwa 1660 macht die dramatische Handlung nicht mehr einseitig vom Affekt, von der Leidenschaft nach Macht und Liebe abhängig, sondern legt ihr eine geistige Aufgabe zugrunde. Daher agiert die Königsfigur in den späteren Wanderbühnendramen nicht mehr vor dem Hintergrund persönlicher Interessen, sondern sie steht in der Verantwortung für das anvertraute Volk und ordnet dieser Aufgabe die eigenen Interessen unter, z.  B. in „Der stumme Ritter“ in der Danziger Fassung. In Martins Drama fehlt noch diese höfische Geisteshaltung, die den König zum ‚edelsten Diener des Staates‘ prägt. Der Hof ist in der „Liebes Verzweiffelung“ nur Staffage, er hat nur stoffliche, keine politische Bedeutung. König Frondalpheo lebt nur den eigenen Interessen, und die Aufgabe des Regierens, die Sorge für die Untertanen bleibt unerwähnt. Diese egozentri­ sche Haltung zeigt sich in allen Königsfiguren des frühen Wanderbühnendra­ mas, besonders deutlich auch schon 1618 in Ayrers „Comedia vom König in Cypern, wie er die Königin in Frankreich bekriegen wollt und zu der Ehe bekam“. Die Figur des Königs besitzt unumschränkte persönliche Macht, der König allein entscheidet über Leben und Tod seiner Untertanen und seiner Familie (Evandra, du begehrest meine Grausamkeit zu erwecken und durch meinen Zorn getödet zu werden …, IV/1). Er ist das Oberhaupt eines auserwählten höfischen Kreises und vertritt die Macht Gottes auf Erden.58 Die Königsgestalt erhält dadurch eine unumschränkte Zentralstellung auf Erden, die ihn weit über seine Umwelt erhebt. Bewusst wird das Volk in Einfalt und Unwissenheit gehalten, um diese Vormachtstellung des Königs als oberste Instanz, als Ver­ treter einer gottgewollten Ordnung, als Hirte und Vater zu betonen.59 Wenn er fehlt, gerät alles in Unordnung, der Hof als Mikrokosmos hat Auswirkung auf den Makrokosmos des Volkes und damit auf jeden Einzelnen, der Zu­ schauer ist persönlich davon betroffen.

58 59

Auch die Herrscherfiguren bei Gryphius regieren alle von Gottes Gnaden. (Vgl. dazu Adel: Das Jesuitendrama in Österreich, S. 7) Vgl. dazu Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, S. 597; ebenso Flemming: Deut­ sche Kultur im Zeitalter des Barock, S. 36.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Umso schwerer wiegt eine Verfehlung des Königs, für die er die unbarmher­ zige Strafe der Götter zu befürchten hat: Ein unbarmhertziger Vatter bin ich an meinem Sohn gewesen. Derowegen werden die Götter mir auch keine Barmhertzigkeit erweisen … Der Götter Unbarmhertzigkeit empfinde ich schon in meiner verzweiffelten Seele. (IV/1) Das Leben des Königs erhält durch sein Auserwähltsein einen das rein Menschliche übersteigenden, unschätzbaren Wert: Gedenket und betrachtet den thewren Todt eines Königes, welcher mit einem Meer voller Thränen nicht kan beweinet werden (Hofmeister Ottonias, V/2). Die königliche Ehre, die zugleich Gottes Ehre in der Welt darstellt, muss um jeden Preis, sogar um den des eigenen Kindes verteidigt werden: Wir wollen lieber ohne Kinder als ohne Ehre leben (Frondalpheo, I/10). Nicht die scheinbare Tatsache der Unkeuschheit ist es, die Frondalpheo dazu verleitet, das Schwert gegen die eigene Tochter zu richten, sondern dass Evandra als Tochter des Königs ihre Ehre vergessen und damit den Purpur und das Königliche Kleidt schamroth gemacht hat (III/1): Du Ehren-Vergeßene schändest meine Ehre in meinen alten Tagen (Frondalpheo, I/10). Die verletzte Königsehre muss vor Gott, vor allem aber vor den Menschen wiederhergestellt werden: Wo ich selbsten sie straffen werde, so wird die gantze Welt bekennen müßen, daß ein ehrliebendes Gemüth von einem lasterhafftigen Menschen nicht könne entuhnehret werden (Frondalpheo, I/10). Durch verdiente Straffen soll die Schande außgelöscht werden (Frondalpheo, III/1). Zu spät erkennt Frondalpheo, dass ihn seine Ehrsucht zur Ungerechtigkeit verführt hat: Verfluchte Ehre! nach der ich allzusehr gestrebet (Frondalpheo, IV/1). Gegenüber den frühen Wanderbühnendramen ist diese Einsicht des Königs, dass sein Handeln grausam und ungerecht sei, ein Fortschritt. Bei den frühen



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Herrscherfiguren wurde Unrecht, wie auch immer es gestaltet war, mit dem Tod gerächt. Frondalpheo dagegen bekennt sich neben seiner unantastba­ ren Stellung als König zu seiner fehlbaren Menschennatur. Diese geradezu modern anmutende Ambivalenz findet sich in Wanderbühnendramen sehr selten, sie entsprach nicht der allgemeinen Vorstellung einer erhabenen, von Gott zu ihrem Königtum bestimmten Herrscherfigur, noch weniger der üb­ lichen Schwarz-Weiß-Zeichnung von Figuren, die in ihrer fixierten Gestalt entweder gut oder böse und nur ihrer vorgegebenen Gesellschaftsrolle ver­ pflichtet waren. Frondalpheos Handeln kann also nicht als tyrannisch bezeichnet werden; es entspricht der Ordnung in der Welt. Der König glaubt es seiner Ehre schuldig zu sein, dass er seinen Sohn vor verderblicher, unerlaubter Liebe schützen müsse. Seine Sache ist es, zu befehlen; jene der Kinder, ihrem von Gott bestellten Oberhaupt zu gehorchen. Martins Drama ist eines der ersten auf der deutschen Wanderbühne, das auf die Figur des Tyrannen verzichtet und in dem das dramatische Problem nicht aus der ungerechten Forderung eines Mächtigen abgeleitet, sondern als allgemein menschlicher seelischer Zwiespalt dargestellt wird.

Der Hofmeister In den Barockdramen tritt der König nie ohne seine Trabanten auf. Daher spricht der König bei der Regelung öffentlicher Angelegenheiten nie von sich selbst, sondern verwendet das ‚Wir‘, das sich heute noch in der Höflichkeits­ form des ‚Ihr‘ oder ‚Sie‘ abzeichnet. Der Hofmeister gleicht des Königs Schatten, er weiß sich seinem Herrn über sein eigenes Leben hinaus verpflichtet. Als einziger darf er es wagen, dem König zu raten oder ihn von der Nützlichkeit einer Sache zu überzeu­ gen. In der Figur des königlichen Hofmeisters Ottonias zeichnet Martin eine menschlich überzeugende Persönlichkeit, die dem lauten Pathos der ande­ ren dramatischen Personen unaufdringliche Überlegenheit und Toleranz entgegenstellt. Für alle handelnden Figuren ist Ottonias der ausgleichende Pol; er stellt sich gleich einem weisen Nathan zwischen die Extreme und trachtet nach Verständigung. Als treuer Diener seines Königs, der sich je­ doch seiner Verantwortung als Berater immer bewusst ist, leitet Ottonias seine Reden immer mit einem Wort der Zustimmung oder Anerkennung ein: Ihre Mayestät reden wohl, doch … (I/1)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

und argumentiert erst dann unaufdringlich gegen des Königs Entscheidun­ gen, wenn es sein Gewissen und das Wohl seines Herrn notwendig erschei­ nen lässt. Er ist sich seiner untergeordneten Stellung immer bewusst und stellt sich nie in den Mittelpunkt des Gesprächs wie etwa Myrandons Hof­ meister Fidelmo. Sowohl der Prinz als auch Evandra haben in Ottonias einen Fürsprecher, der vor dem König einen ungewöhnlich toleranten Standpunkt vertritt.60 Die erstaunlich fortschrittliche Leistung Martins besteht darin, dass er in der Ottonias-Figur das starre Typenschema der Wanderbühne abstreift und hinfindet zu einer Charakterzeichnung, die das Wanderbühnentheater um diese Zeit noch gar nicht kennt. Während der Hofmeister Frondalpheos sein einziges Interesse auf den Dienst an seinem Herrn wendet und völlig von sich selbst absieht, zeigt Fi­ delmo, der Hofmeister Myrandons, jene typische höfische Eitelkeit, die Mar­ tin im „Philotheus“-Roman anprangert.61 Schon die ersten Sätze Fidelmos kennzeichnen ihn unmissverständlich als einen dummen und eingebildeten Niemand, der sich durch die geringe Beachtung von seiten des Königs ge­ kränkt fühlt: Meine getrewe dienste sollen erst recht an den Tag kommen, da man ihrer vergeßen will (Fidelmo, I/1). Intuitiv erkennt Martin, dass der Machtlose am liebsten mit seiner Macht prahlt: Meine Macht soll vor Ihr Mayestät sorgen. Ein wildes Pferd kan ia in dem Zaum gehalten werden, warumb nicht dieser Prinz, welcher sich vor meiner Straffe sehr fürchtet. (Fidelmo, I/1). In der Konfrontation mit Dymas zeigt sich deutlich der verschiedene Persön­ lichkeitsstatus der beiden Hofmeister: Ottonias geht auf die Späße des Pi­ ckelhering gar nicht ein (Szene V/5); Fidelmo dagegen wird durch die dum­ men Scherze über die Hündlein an seiner empfindlichsten Stelle getroffen, und wieder zeigt er seine angebliche Macht: Packe dich, du Schelm. Verrichte was ich dir befohlen, oder ich wil dich prügeln lassen (Fidelmo, IV/6).

60 61

Vgl. die Rede des Ottonias in I/1 oder III/1. Siehe die Beschreibung des eitlen Höflings im „Philotheus“, S. 58.



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In der Schlussszene, als alles sich über das unverhoffte Glück der vereinten Liebespaare freut, verharrt Fidelmo allein in der für ihn so unrühmlichen Erinnerung an Myrandons Flucht: O wie kan man betrogen werden! (Fidelmo, V/12) Ärgerlich über die positiv veränderte Stellung des Pickelhering bei Hof, hat Fidelmo im Trubel der allgemeinen Freude nichts Eiligeres zu tun, als Dymas an seine frühere Pflicht zu mahnen: Du must aber zuvor die Hunde nach Hauß führen (Fidelmo, V/12). Jeder der wenigen Sätze, die Fidelmo in dem Spiel zukommen, enthüllt eine negative Eigenschaft des Höflings und betont seinen seelischen und geisti­ gen Abstand zu Ottonias. Es ist eine erstaunliche Leistung des Dichters, dass er den beiden Hof­ meisterfiguren innerhalb ihres beschränkten Aktionsradius eine so kenn­ zeichnende, unterschiedliche und klar festgelegte Wesensform geben konnte.

Die Prinzen Die Wanderbühne realisierte das Wunschdenken des Volkes: Standesunter­ schiede wurden durch die Macht der Liebe aufgehoben, und Prinzen suchten sich ihre schöne Gattin sehr oft unter Schäferinnen. Es ist dies ein Motiv, das schon in Shakespeares „Tempest“ und „Winter’s Tale“ anklingt: Im „Sturm“ ver­ bindet sich Ferdinand, der Königssohn von Neapel, mit dem unbekannten Mädchen Miranda, ohne von deren hoher Abkunft zu wissen (Szene III/1). Auch im „Wintermärchen“ wählt Florizel, der Sohn des Böhmenkönigs, die Schäferin Perdita zur Gattin, deren königliches Geschlecht erst in der vor­ letzten Szene (V/2) offenbar wird. Das Naturgesetz einer standesgemäßen Heirat wird jedoch nur scheinbar übertreten, denn die edle Abkunft wird im Barock nicht nur physisch, son­ dern vorwiegend in bezug auf eine edle Denkweise und Wesensart gewertet62: Die Königinnen werden nicht gebohren, sondern gekrönet (Rodiman, II/12). Shakespeares Florizel und Ferdinand wie auch Martins Rodiman erkennen hinter dem schäferlichen Aussehen ihrer Geliebten deren hohe adelige Ab­ 62

Vgl. dazu Flemming: Deutsche Kultur im Zeitalter des Barock, S. 39.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

stammung. Auf der Wanderbühne wird die schöne Schäferin am Schluss des Schauspiels meist als verlorengegangene oder als Kind vertauschte Prinzessin erkannt. Doch tritt das Wanderbühnendrama auch für die unstandesgemäße Heirat ein, wenn es die schicksalhafte Liebe verlangt: In „Die gekrönte Schäferin Aspasia“ z.  B. verbindet sich der König vorsätzlich mit einer Schäferin, weil er an seinem Hof keine schöne und sittsame Dame finden kann, die der Würde einer Königin entsprochen hätte. Nicht nur der Liebende selbst, also Rodiman, macht das vermeintliche Schäfermädchen Amoena zu seiner Königin, auch Frondalpheo betont ge­ genüber Evandra seine gesellschaftliche Toleranz: … angenehm solt es uns gewesen seyn, wenn ihr aus schlechtem [schlichtem] Geschlecht gebohren weret. Die große Liebe meines Sohnes solte euch darnach auff den königlichen Thron, alß seine Seelen Göttin, gesetzt haben (Frondalpheo, IV/1). Auch Myrandon: Werest du von einem geringen Stand, niemand solte dich aus meinen Armen reißen (I/2). Die Wanderbühne wollte damit keineswegs gegen die sozialen Standesunter­ schiede ihrer Zeit rebellieren, sondern sie folgte dem Vorrecht des Märchens, Unmögliches kraft einer großen Liebe möglich zu machen. – Wie wenig von dieser Wunschvorstellung, die auch dem Armen und Niedriggeborenen die Chance des Alles-ist-Möglich offenhielt, in den späteren Werken des Lau­ rentius übriggeblieben ist, zeigt seine bittere Verteidigung gegenüber dem Vorwurf der Adeligen Evadne, Mirant sei nicht von edlem Geschlecht ent­ sprossen.63 Die Bezeichnung ‚Schäferin‘ hatte auf der Wanderbühne einen poetischen Doppelsinn: Auch die adelige Geliebte wurde Schäferin des Herzens genannt, ihre Gegenwart vermittelte dem Geliebten die Ruhe und Zufriedenheit der paradiesischen Schäferhütte. Die Bezeichnung ‚Hirtin‘ oder ‚Schäferin‘ deu­ tete auf der Bühne eher auf eine sanfte, anmutige und unschuldsvolle We­ sensart als auf einen Gesellschaftsstand.64 Myrandon und Rodiman sind bereit, für die Verteidigung ihrer Dame das Leben zu wagen. Ihr Schmerz über den Verlust der Geliebten bricht mit Seuftzen  /  Erhebung der Stimm und vielen Klagworten hervor.65 Sie leben nur dieser 63 „Philotheus“, S. 46. 64 Vgl. das Gedicht des Miranten an seine adelige Geliebte: Drumb hast O Schäfferin  / Mein Hertze / Lieb / und Sinn. (Philotheus, S. 44) 65 Der Held / welchen der Poet in dem Trauerspiel aufführet / soll ein Exempel seyn aller vollkommenen Tugenden / und von der Untreue seiner Freunde / und Feinde betrübet werden; jedoch dergestalt / daß er sich in alle



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einzigen Leidenschaft, der Liebe, und kennen keinen anderen Gedanken, kein anderes Ziel, als ihre Liebe zu genißen.66 Beide Prinzen suchen den Tod, nachdem sie ihre Liebste für immer verloren glauben.67 Der Name der Unglückseligkeit wird ihnen zum Symbol, dem sie sich verpflichtet fühlen, er rechtfertigt den Affekt ihrer Verzweiflung. Diese alles bestimmende Lie­ besnot, der niemand widerstehen kann, ist besonders Thema der zweiten Schauspielsammlung „Liebes-Kampf“ von 1630: Vier der sehnsüchtigen Liebhaber, Florettus, Florisel, Listanus und Aminta, ziehen das Schwert, um sich selbst von ihrer Liebesqual zu befreien, werden aber rechtzeitig an ihrem Freitod gehindert. Der Name Rodimans verbürgt die edle Abkunft des Ritters. In mehreren Wanderbühnendramen bezeichnet er einen edlen und tapferen Ritter: Der tapfere Rodoman führt in „Der eyserne Tisch“ (I/1, Blatt 2 r) den Triumpfzug der Königin an, Roderich von Valenza trägt die Hauptrolle in Blümels „Glückselige Eyfersucht“, und als reicher Edelmann begegnet Roderigo in „Der unerschrockene Jäger“. Wie schon der Name andeutet, sieht sich der Dichter selbst in der Gestalt des Myrandon. MARTINO wurde, nach Art eines typisch barocken Anagramms, zu MYRANDON, das sich später als MIRANT im „Philotheus“-Roman wie­ derfindet. Es wäre absurd, in der Gestalt Myrandons eine Wesensart Martins erkennen zu wollen. Myrandon zeigt sich in dem Wanderbühnendrama als Idealgestalt, wie sie der barocken Vorstellung eines Prinzen entsprach: lei­ denschaftlich, ehrenhaft, ohne Standesdünkel, immer sieghaft. Auch in sei­ nem Leid ist er der Maßloseste: Ich muß bekennen, daß dieser Ritter … schier größeres Leid über seinen Zustand trägt alß ich. Denn alles, was nur eine Anzeigung einer Frewde kan genennet werden, haßet er auffs ärgste (Rodiman, V/3). Gleich einem Parzival flieht er jede Freude und Ruhe, irrt in der Einsamkeit umher und vergisst über seinem einzigen, scheinbar unerreichbaren Ziel jede andere Beziehung zum Leben. Doch das, was der mittelalterliche Mensch als das Entscheidende empfand, die ‚maze‘, ist dem Barockmenschen fremd. Anstatt durch das Medium des Leidens mehr zu sich selbst zu finden, ver­ Begebenheiten großmütig erweise und den Schmertzen / welche mit Seufftzen / Erhebung der Stimm / und vielen Klagworten hervorbricht / mit Tapferkeit überwinde. (Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Teil, S. 84) 66 „Liebes Verzweiffelung“, II/3, II/5, III/3. 67 Rodiman III/4; Myrandon I/2, I/12, IV/3.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

liert sich Myrandon in Klagen, Selbstmitleid und Passivität. In Augenblicken des Überwältigtseins erstarrt der mittelalterliche Parzival in Schweigen, My­ randon dagegen schreit sein Leid in die Welt und fordert die Anerkennung seines Schmerzes (III/8). Er ist das barocke Bild eines Helden; ein Held zu s e i n , dafür war auf der Wanderbühne noch kein Platz. Solcher Liebesschmerz war dem Wanderbühnendrama und seinem Publi­kum ein willkommener Anlass für das Ausleben maßloser Gefühle. In „Die Unglücklich-Verliebte Stieffmuter Ormonda oder Der großmüthige Altamiro“ wird der von seiner Geliebten Tersilla verschmähte Alcontes als Wahnsinniger vorgeführt. Und wie Myrandon steigert sich der abgewiesene Constante im „Liebes Gefängnus“ in einen ebenso verzweifelten Wahnsinnsausbruch: Bleiche Hecate, finstere Harpygen, verzweiflete Chymenen und plag geister … Das ist der typi­ sche Ton der frühen englischen Komödien und noch des „Liebeskampfes“ von 1630. Auch in dem späteren Wanderbühnenstück von der „Getreuen Olympia und dem flüchtigen Virenus“ entlädt sich diese Tollheit aus Liebesqual im Mono­ log des Prinzen in vielen mythologischen Anspielungen.

Cassianus, die Verräterfigur Kaum ein Wanderbühnenspiel verzichtet auf die Intrigantenfigur; sie ent­ stammt meist dem höfischen Milieu und steuert die Gegenhandlung. Wie alle Typen der Wanderbühne wird der Intrigant als Verkörperung des Bösen gezeichnet, der das Edle verleumdet und bekämpft. Er ist ganz Wille und Verstand und findet sich, nach seiner ersten Ausprägung durch Machiavelli68, in der dichterischen und theoretischen Literatur des 17.  Jahrhunderts als Kains-Gestalt, deren oberstes Gesetz der eigene Vorteil, die eigene Ehre ist. Alles, was sich seinen Plänen widersetzt, wird ohne moralische oder ethische Bedenken aus dem Weg geräumt oder zertreten. Die Zurückweisung durch Evandra bedeutet für den Landesfürsten Cassianus nicht nur Verzicht auf die Frau, die er erstrebt, sondern vor allem eine Kränkung seiner Ehre: Was, soll sie einen Landesfürsten verachten? (Cassianus, I/5) Schon bevor Cassianus mit Evandra im Garten zusammentrifft, beschließt er ihren Tod, wenn sie seine Liebe weiterhin verachten und verhöhnen sollte (I/5). 68

Machiavelli, Niccolo: Il principe. Der Fürst. Übersetzt und hg. von Rudolf Zorn (= Kröners Taschenausgabe, Bd 235). Stuttgart 3. Aufl. 1963.



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Sein ganzen Denken und Handeln wird in der Folge dieser einen Lei­ denschaft der Rache unterworfen. Da er sein Ziel nicht auf direktem Weg erreichen kann, wird er zum Intriganten des Dramas, durch den die ganze Handlung ins Rollen kommt. Wie Cassius in „Julius Caesar“, von dem der Plan für die Verschwörung gegen Caesar ausgeht, ist auch der Cassianus der „Liebes Verzweiffelung“ ein leidenschaftlich erregbarer und sehr tatkräftiger Charakter. Er weiß um die Abgründe der menschlichen Seele und begreift ihre Affekte als berechenbares Triebwerk der Natur: Die Habgier des Pagen, die verletzliche Ehrsucht des Königs treiben die Intrigen zum Ziel, und nur das Recht in Gestalt Myrandons verhindert den Erfolg des Cassianus. In gleicher Weise zeigt der Intrigant Laetus in Gryphius’ „Papinianus“, dass er die Verführbarkeit des Machtmenschen kennt: Er denkt vor, weckt Zweifel, vermehrt die Machtlust und liefert das sinnverwirrende Stichwort. Auch für Laetus fungiert der Kaiser nur als Werkzeug der eigenen Macht­ besessenheit. Die Wanderbühnendramen erhalten durch diese Intrigantenfiguren ­einen düsteren Ton, der auch durch die schwerfälligen Späße des Pickel­ hering nicht aufzuheben ist. Das Böse zeigt sich zielsicherer und stärker als das Recht, und nur das Eingreifen der Götter kann den Unschuldigen retten. Meist geht der Intrigant durch seine eigenen verderblichen Pläne zugrunde. Er stirbt ohne Reue69, Strafe empfindet er als Unrecht, das ihn völlig unge­ rechtfertigt trifft. In Martins Intrigantenfigur liegt daher durch die späte Reue des Cas­ sia­nus eine Inkonsequenz des Charakterbildes. Alle Rachepläne des Landes­ fürsten verlangen ja den Tod Evandras (vgl. Cassianus, I/10). Dass er nun, unter dem Schwert des Rächers, seine verdiente Straffe empfangen will (Cassia­ nus, III/2) und Myrandon, seinen ärgsten Feind, für die Verleumdungen an Evandra um Verzeihung bittet (III/2), kann mit seinem negativen Charakter in keiner Weise vereinbart werden. Sein Bekenntnis erklärt sich allein aus einer Notwendigkeit der dramatischen Handlungsführung; das Geschehen kann sich nur positiv weiterentwickeln, wenn Evandras Unschuld allen Mit­ gliedern des Hofes geoffenbart wird. Das wäre aber auch ohne reuevolle Einsicht des Bösewichts möglich. Dem offenen vordergründigen Charakter des Alemannen Martin musste die Intrigantenfigur wesensfremd und unverständlich bleiben, das zeigt sich auch

69

Laetus im „Papinianus“ steht im Angesicht des Todes beherzt und ohne Reue zu seinen Taten. (Gryphius, Andreas: Großmütiger Rechts-Gelehrter oder Sterbender Aemilius Paulus Papi­ nianus, 1657–1659, 3. Abh., Vs 587–622.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

in der Anfälligkeit des Dichters für Intrigen, denen er am Innsbrucker Hof und in seinem Heimatland Vorarlberg ausgesetzt war.70 Die Intrigantenfigur ist die einzige des Dramas, deren Charakter nicht in sich geschlossen und eindeutig ausgeprägt ist, deren Wesen sich zwiespältig und veränderlich zeigt. Sie deckt eine Schwäche des Dramas auf: Die Ab­ hängigkeit der logischen Handlungsführung von einem völlig unmotivierten Geständnis des Cassianus.

Die Schäferwelt Das idealisierte Schäferleben in den Schauspielen der Wanderbühne folgt dem unmittelbaren Vorbild der italienischen Pastoraldichtung. Die Truppe Greens, die 1626 nach England zurückgekehrt war, kannte noch keine Schä­ ferspiele. Erst in den Stücken des „Liebeskampfes“ von 1630, etwa in der „Comoedia von Aminta und Silvia“, taucht die schäferliche Atmosphäre auf, und Reinolds, der englische Prinzipal, zeigt als erster das neue Schäferdrama auf deutschen Bühnen. Damit schloss sich auch der deutsche Sprachraum einer dichterischen Mode an, die sich von Italien über Spanien (Montemayors Ro­ man „Diana“, 1542), England (Sidneys Roman „Arcadia“, 1590) und Frank­ reich (Roman „Astrée“ von D’Urfé, 1607  ff) über ganz Europa ausbreitete. Die Vorliebe für die Schäferdichtung entsprang – in einer Zeit, da Eti­ kette, äußerer Schein und gesellschaftlicher Stand das Zusammenleben be­ stimmte – der Sehnsucht nach dem goldenen Zeitalter71, nach einer natür­ lichen und ausgeglichenen Lebenssphäre und wohl auch der Vorliebe für Maskerade. Sogar die Landpartien der Höfe wurden im bäuerlichen Kostüm unternommen. Das Landleben wurde nicht als Auseinandersetzung mit der Natur, der Einsamkeit und der Armut erlebt, sondern es erschien dem Stadt­ menschen als ideales Gegenbild seines lauten, von Intrigen und Täuschung beherrschten Alltags. Er erlebte diese Idylle bewusst als Traum, denn das beschauliche, ausgeglichene Dasein in ländlicher Zurückgezogenheit hätte wohl dem Humanisten vollkommene Glückseligkeit bedeuten können; dem aktiven und geltungsabhängigen Mitglied der höheren Gesellschaftsschicht aber war dies unmöglich. Er lebte nach außen, er brauchte die Antwort der Welt; er konnte – in der Dichtung wie im Leben – nur kurzfristig ausweichen 70 „Philotheus“, S. 107. 71 Harsdörffer (Poetischer Trichter, II. Theil, S. 102) verlangt von den poetischen Hirten, dass sie die guldene Tugendzeit / und die alte Redlichkeit / Frömmigkeit und Erbarkeit vorstellen und sich gleichstellen sollen denen Hirten / so vor Zeiten mit den Nymphen und Göttern Gemeinschaft gehabt. Auch Gottsched (Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Theil, 1. Abschnitt, IX. Haupt­ stück, S. 582) nennt die poetische Schäferei eine Abschilderung des güldenen Weltalters.



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in jene Welt, die alles versprach, was er sich wünschte und was ihm doch sein eigenes Wesen, seine moralischen und gesellschaftlichen Gesetze im Alltag verwehrten. Die Keimzelle der europäischen Schäferdichtung war schon seit Stesichorus von Himera, dem griechischen Lyriker auf Sizilien (um 600 vor Chr.), seit den Hirtengedichten Theokrits (3. Jahrhundert vor Chr.) und Longos’ „Daphnis und Cloe“ (3. Jahrhundert nach Chr.) in Italien wach und fand in den Eklogen Vergils (71–19 vor Chr.) ihre künstlerisch vollkommenste Darstel­ lung. Petrarca (1304–1374) nahm das Schäferthema in seinen lateinischen „Bucolica“ wieder auf, doch erst im 16. Jahrhundert fand es Eingang in die gesamteuropäische Dichtung. Am Beginn dieser Entwicklung steht der Roman „Arcadia“ des Neapolita­ ners Sannazaro (1504), der das antike Arkadien mit der neuen moralischen Freiheit des ‚Erlaubt ist, was gefällt‘ ausstattete. In unmittelbarer Nachfolge entstand 1573 Tassos Drama „Aminta“. 1590 wandte sich Guarini in seinem Schauspiel „Il pastor fido“ gegen Sannazaro und forderte: Es soll gefallen, was erlaubt ist. Sein „Pastor fido“ wurde zum eigentlichen Vorbild der deutschen dramatischen Schäferdichtung. Mit der „Schäferey von der Nymphen Hercinie“ (1630) und seiner deutschen Bearbeitung von Sidneys „Arcadia“72 schaffte Opitz einen den deutschen gesellschaftlichen Verhältnissen angepassten neuen Typus der Schäferdichtung. Der Schwerpunkt lag vorerst nicht so sehr auf der Darstellung von Lieben­ den, die sich völlig unabhängig von moralischen, gesellschaftlichen oder sonstigen Bindungen zeigen durften, sondern eher auf der Eroberung eines neuen, dem höfischen Pathos entgegengesetzten Schauplatzes. Diese schä­ ferliche Idealwelt – Gottsched nennt sie die Welt in ihrer ersten Unschuld73 – verband sich auf geistige Weise mit der Wirklichkeit und ließ Wunsch und Erfüllung so nahe zusammenrücken, dass Schein und Sein oft ineinander zu verschmelzen schienen. Die lyrische Schäferdichtung umfasste den welt­ lichen wie auch den geistlichen Motivkreis.74

72 73 74

Dieser englische Roman war schon 1629 von Th. von Hirschberg übersetzt worden, wurde aber erst 1638 durch Opitzens Bearbeitung in Deutschland bekannt. Johann Christoph Gottsched: Versuch einer critischen Dichtkunst. Leipzig 1751. Reprint Darmstadt 1982, S. 582. Harsdörffer / Birken / Claj: Pegnesisches Schäfergedicht, 1644–45; Spee: Trutznachtigall, 1649; Scheffler: Heilige Seelen-Lust oder geistliche Hirtenlieder der in ihren Jesum verliebten Psyche, 1657. Auch das „Flötlein“ und die „Mayen-Pfeiff“ des Laurentius von Schnüffis gehören dazu.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Der „Philotheus“ des Laurentius von Schnüffis ist streckenweise der epi­ schen Schäferdichtung verwandt; in ihr fand die sonst nicht übliche dichteri­ sche Gestaltung persönlicher Bekenntnisse den objektiv erfahrbaren Raum. Im Bereich der Dramatik sind es nicht die bedeutenden Werke eines Gryphius oder Lohenstein, die diese neue schäferliche Idealwelt auf die Bühne brachten75  – den Tragödien war ja die heroische Welt des Hofes vorbehalten – sondern die Schauspiele der Wanderkomödianten. Wohl kaum eines ihrer Bühnenstücke verzichtete auf die attraktive Gegenüberstellung von Hof und ländlicher Idylle, auf das Widerspiel zwischen Schäfern und Königen, auf die Liebesbeziehungen zwischen Hirtinnen und Prinzen. Doch hat das Bild der Schäferwelt in den Wanderbühnenspielen wenig ge­ meinsam mit jener lyrisch-sentimentalen Scheinwelt der zeitgenössischen Kunstdichtung: Als Schauplatz der lyrischen Dichtung wird Arcadien genannt, das Zwischenland zwischen Mythos und Wirklichkeit, das Zwischenland zwischen den Zeiten, das Land der Seele, in dem das Gefühl nicht wild und leidenschaftlich ist, sondern empfindsame Sehnsucht.76 Dort gibt es keine reißenden Tiere, sondern nur Schafe. Der Wald wird zum Wäldchen, der Wildbach zum Bächlein oder stillen Fluss, und aus der Natur führen gefahrlose Weglein in die nächste Stadt oder zum Hof zurück. Der schäferliche Schauplatz der Wanderkomödien zeigt wohl auch die fried­ liche Hütte des Schäfers, doch der umgebende Wald ist eine gefährliche Wildnis voll großer und wilder Tiere und dunkler Höhlen.77 In dieser menschlosen Wüsteney78 wird der Mensch von wilden Löwen, vom Tiger, wilden Bären und anderen Ungeheuern bedroht.79 Auch die reale Welt des Hirten und Bauern im 17. Jahrhundert war der Gefahr wilder Tiere ausgesetzt, wobei das ‚ge­ fürchtete Tier‘ teils vielleicht als Synonym für räuberische Landsknechte und anderes Strandgut aus dem Dreißigjährigen Krieg gelten kann; das Landkind Johann Martin kannte diese Welt, er war als Hirte in den Wäldern des Wal­ sertales, seiner Heimat, der Gefahr vieler Raubthieren / als Beren / Luechs / Marder / Illtiß80 ausgesetzt gewesen.

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Gryphius lässt keines seiner Dramen auf dem schäferlichen Schauplatz spielen. Nur ein einziges Schäfergedicht, eine Stychomitie von 109 Alexandrinern, ist von ihm bekannt, das „Hirtengespräch auf eine Hochzeit“ (In: Gesamtausgabe, Bd 3, S. 150–153). 76 Snell, Bruno: Arkadien. Die Entdeckung des Geistes. 2. Aufl. Hamburg 1948, S. 392. 77 „Liebes Verzweiffelung“, IV/3 und IV/5. 78 „Liebes Verzweiffelung“, III/3, V/1, V/3. 79 „Liebes Verzweiffelung“, II/5, V/1, IV/4, II/7. 80 Nach Schleh: Embser Chronik. Hohenems 1616, S. 38.



Personen und Schauplätze

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Obwohl sich der arkadische Hirte auch vor den mythologischen Wesen der Satyrn fürchtet81, ist dieser Schauplatz kein Land der Dichtung, wie es Vergil geschaffen, sondern realistisch wie jenes, das Theokrit als Heimat sei­ ner sizilianischen Hirten dargestellt hat. Daneben kennt Martins Drama aber auch das poetische Arkadien, in dem der Mensch jenseits der Alltagswelt seine Sehnsucht nach der Idealform des Lebens in der Natur erfüllt sieht. Es bleibt jedoch ein bewusst irreales Land, das sich nur dem Träumenden öffnet82 oder das der Mensch plötz­ lich wie ein unwirkliches Paradies inmitten der Wildnis erfährt: Nachdem Rodiman in der „Liebes Verzweiffelung“ die Schäferhütte verlassen hat, um in der Wüsteney des Waldes nach Amoena zu suchen, kommt er plötzlich in eine lustige Gegend, wo ihn das liebliche Schlagen der Wachtel, das süße Zücken der Nachtigall und fröliche Singen der Amsel erquicket (V/3). Es ist das Arkadien der zeitgenössischen Schäferdichtung, in dem die Nymphe Echo Antwort gibt auf das Suchen der menschlichen Seele, in dem sich der königliche Hofstaat an der Jagd ergötzt. Eine dritte Naturlandschaft, die weder der Schäferwelt der Wanderbüh­ nendramen noch dem Traumland Arkadien gleicht, zeigt sich in den Schilde­ rungen des Ottonias und Evandras (IV/4 und I/8). Es ist ein Pflanzenreich, in dem die Blumen Traurigkeit und Freude der menschlichen Seele wider­ spiegeln. Wie im späteren „Ehrengedicht“ Johann Martins wird die Natur hier zum Gleichnis der inneren Welt des Menschen. Das liebliche Florenreich ist nicht an die natürliche Umgebung des Waldes gebunden, sondern breitet sich auch im Garten des Königshofes aus und unterscheidet sich dadurch grundsätzlich von jeder schäferlichen Szenerie. Evandra beschreibt das Mitleiden der Natur in lyrischen Farben: Die Narcißen verwelcken in ihrem Auffgang, die Purpurfarbe[nen] Rosen erbleichen, Violen und Nägelein fallen von ihren Strauchen, der Hiacinth und Tulipan sind verdorret, die Sonnenblume läst ihr güldenes Angesicht vor Trawrigkeit nach dem Boden hangen, und mag ihren liebsten Cynthian, nach welchem sie sich allzeit sehnet, nicht mehr anschawen. Es scheinet an dem jungen Morgen Nacht und in dem schönen Lentzen ein grawer Winter zu werden. (I/8)

81 „Liebes Verzweiffelung“, I/12. – In dem Wanderbühnendrama „Tugend – und Liebesstreit“ II/4 (Ausgabe Creizenach, S. 91–92) wird die Dienerin Petrona von einem Satyr zerrissen und blutig über die Bühne geschleppt. 82 Vgl. das erste Traumgesicht des Mirant im Wäldchen der Diana und seine Beschreibung des anmuthigen Wäldleins. („Philotheus“, S. 6–7)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Auch Ottonias versucht den König von der edlen Kunst der Natur zu überzeu­ gen, damit dieser den Hof mit seiner bedrückenden Atmosphäre verlasse und in der Natur Heilung suche: In den Feldern kan man sehen die edle Kunst der Natur, wie daß eine Blume die andere anlachet und gleichsam sich einander umhalsen. Hier sihet man eine Violen gläntzen, hier ein anderes Blümlein vor Schönheit schimmern. In dem Wald kan man sich deß kühlen Schattens gebrauchen, wann Phoebus die gantze Erde erhitzet. Die Bäume beschirmen vor dem Regen, wenn sich ein Wetter erhebet … (IV/4) Martin zeigt gegenüber der farblosen starren Kulisse des Hofes eine über­ raschende Vielfalt im Erleben der Natur. Doch in der ihm von Kindheit vertrauten bunten Welt des Waldes findet auch er keine anderen Bilder als die der zeitgenössischen Dichtung. Das Beispiel der Blumen, der große wilde Wald, das ideale Arkadien sind längst zum konturlosen Begriff geworden. Martin übernimmt in seinem Schauspiel diese Naturbilder wie ein poetisches Idiom – welch ein Unterschied zu der lebhaften farbigen Beschreibung des anmuthigen Wäldleins in seinem späteren Werk, dem „Philotheus“! Was im Drama ein allgemeines leeres und isoliertes Bild bleibt, vervielfältigt sich im Roman von 1665 zu einem lebendigen Zusammenspiel von Duft, Farbe, Ton und Empfindung. Auch das traditionelle Schäfermotiv, das den kleinen Gott Amor oder Cu­ pido für die bitteren süßen Schmertzen der Liebe verantwortlich macht, fin­ det sich nirgends in Martins Werken – außer in der „Liebes Verzweiffelung“ (II/6 und II/10). Cupido kommt in den Wanderbühnendramen mehrmals persönlich, mit Pfeil und Bogen, auf die Bühne (z.  B. in der „Gekrönten Schäferin Aspasia“, IV. Akt, oder im Prologus zu „Der flüchtige Virenus und die getreue Olympia“). In Martins Drama wird er als Gegenspieler des Daphnis verstanden, als Ur­ heber von Liebesleidenschaften, die im religiös orientierten Liebeserlebnis, z.  B. zwischen der menschlichen Seele Clorinda zum göttlichen Daphnis, in den späteren Werken Martins eine ebenso intensive diametrale Entsprechung finden. Die Figur des Damon folgt der idealisierten Vorstellung eines redlichen, bescheidenen und ehrliebenden Schäfers. Er nennt Amoena, die er im Alter von zwei Jahren in seine Familie aufgenommen hat, sein Kind (III/7: Ach was fang ich doch an, mein Kind zu trösten) und schützt sie gegen die ungebührliche Liebeswerbung seines einfältigen Sohnes. Der Name Damon ging aus Vergils Bucolica (3. und 8. Ecloge) in die Schäferdichtung des Barock über. In Spees „Trutz Nachtigal“ (1649) ist Damon einer der Hirten, die je einer umb den andern



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in die wett spielen, vnd zu nacht Gott loben, dieweil Mon vnd Sternen scheinen.83 Auch der Zeitgenosse Martins, Johann Caspar Weissenbach, nennt sein Werk, in dem er dem Miranten (Johann Martin) ein sprachliches Denkmals setzt, ­„Damons, deß Unseeligen Hirten einfältige Cither“84. Einer der bedeutendsten schäferlichen Liebesromane der Barockzeit er­ zählt die Geschichte „Vom Damon vnd der Lisillen“85, und auch Martin selbst wiederholt den Namen im „Philotheus“ (S. 69), als er von dem fromb’ unnd Gott-geliebten Seelen-Hirten Damon erzählt, der sich während seiner Todeskrank­ heit um ihn bemüht habe. In der „Wald-Schallmey“ (Vierter Schultag, S. 132) ist die Geschichte je­ nes Damon erwähnt, die später von Schiller in der Ballade „Die Bürgschaft“ bearbeitet wurde und die auch in einer Aufführung des früheren Feldkircher Jesuitentheaters überliefert ist.86 In den Komödien des 17. Jahrhunderts ist Damon der übliche Name für die schäferliche Hauptfigur.87 Martin scheint das poetische Schäfermotiv in seinen Werken geliebt zu ha­ ben: Die Schäferlandschaft gibt den Rahmen zu der „Philotheus“-Erzählung, zu den Liebesliedern des „Flötleins“ und der „Mayen-Pfeiff“ und auch zu den Schultagen der „Wald-Schallmey“. Jedes der vielen Kupfer im „Flötlein“ zeigt – und sei es noch so versteckt – ein oder mehrere Schäflein, die dem Menschen, meist der Hauptfigur Clorinda, freundschaftlich beigesellt sind und das Bild in eine beruhigende friedliche Atmosphäre stellen. Das Schäfermotiv war für Martin wohl nicht nur der im Barock übliche poetische Hintergrund, sondern Erinnerung an eine erlebte innere Heimat.

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Spee: Trutz-Nachtigal (1649), hg. von Gustave Otto Arlt, S. 178–331. Lied 30, 31, 32, 34, 36, 45, 47–50. 84 Druck: Feldkirch 1678. 85 Jonsohn, Matthias [Pseud. für Johann Thomas]: Keuscher Liebes-Beschreibung Vom Damon vnd der Lisillen. Franckfurt 1663. 86 „Amici usque ad aras. Tragoedia. Wahre Freundschaft bis in Tod, an Phythias und Damon vorgestellet.“ – Die betreffende Perioche aus dem Jahr 1737 befindet sich in der Innsbrucker Universitäts­ bibliothek. (Nach Heinzle, Karlheinz: Zur Entwicklung des Theaters in Vorarlberg, Diss. Innsbruck 1960, S. 64–65) 87 In dem Wanderbühnenspiel „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“ wirbt Damon vergeblich um As­ pasia. In „Der neugierige Ehemann. Ein Lustspiel von einem Aufzuge, aus dem Französischen des Hn. d’Allainval übersetzt“ ist Damon der getreue Liebhaber Henriettes. Und in Gottscheds „Atalanta“ zeigt sich Damon als prahlerischer Schäfer. (Deutsche Schaubühne, 2. Bd, 3. Theil, 1746, S. 367–442). Vgl. auch „Damons Triumpfspiel“ in der „Schaubühne“ von 1670; und das Jugendwerk Lessings „Damon oder die wahre Freundschaft“.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die Figur des Pickelhering: Geschichte der lustigen Person in den Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts Kaum ein Schauspiel der älteren Zeit kommt ohne die Figur der lustigen Person aus. Im mittelalterlichen religiösen Drama war es der Quacksalber mit seinem Knecht Rubin oder der dumme geprellte Teufel. In den Fas­ nachtspielen übernahm der tölpelhafte Bauer diese Rolle zur Belustigung des städtischen Publikums. Um die Jahrhundertwende, in der „Susanna“ des Heinrich Julius von Braunschweig und in vier Spielen Jacob Ayrers erhält die deutsche Narren­ figur nun einen Namen: Jahn Clant/Jahn Clam, oder er heißt ganz einfach Jahn Panser, Jahn Molitor der Müller, Jahn der Bote, Jahn der Lackey, Jahn Türck. In der am Bayerischen Hof, aber auch in Linz und Wien so belieb­ ten Commedia dell’Arte ist es Zanni, der Diener seines Herrn Magnifico. 1568 erlebt er bei den Hochzeitsfeierlichkeiten des bayerischen Thronfolgers Wilhelm in München seinen ersten deutschen Auftritt an der Seite des geizi­ gen venezianischen Kaufmanns Magnifico: Im Interesse einer Liebesaffäre tauscht er mit diesem die Kleider und damit die Rolle und provoziert dadurch eine Umkehrung aller hierarchischen Herrschaftsstrukturen. (Dieses Motiv verwendet hundert Jahre später auch Mozart in seiner Oper „Don Gio­vanni“!)88 Die Pickelheringfigur scheint einer sehr alten Tradition anzugehören, obwohl sie erst durch die englischen Komödianten in Deutschland ihr volles Selbst­ bewusstsein und die Lebendigkeit bekommen hat, die sie zu e­ iner wichti­ gen Person der meisten Wanderbühnendramen werden ließ. So schreibt der deutsche Dramatiker Christian Weise noch 1682:  … Zwar die Meinung ist allenthalben eingerissen  /  daß man kein Spiel ästimiret, da nicht ein Pickelhering darbey ist! Und obwohl im menschlichen Leben nichts oder wenig vorgehet  /  darbey sich ein leibhafftiger Pickelhering sehen last; so ist es doch eine anmuthige Prosopopoeia [Personifikation]. Seinen Namen hat Pickelhering – wie die anderen Narrentypen des Hans von Stockfisch oder des Jan Bouset89 – von einer Speise. Abbildungen in al­ ten flämischen Handschriften des 15. Jahrhunderts, die über manchen Figu­

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1594 allerdings verbot Herzog Wilhelm V., der Fromme, seinen eigenen Söhnen jeden Kon­ takt mit Schalckhsnarren und Gauglern. (Arthur Kutscher: Die Comédia dell arte und Deutsch­ land (= Die Schaubühne, Bd 43), Emsdetten 1955, S. 30). Bilder der genannten Aufführung siehe Schöne, Günter.: Die Commedia dell’arte – Bilder auf Burg Trausnitz in Bayern. In: Maske und Kothurn, Jg 5, 1959, S. 74–77 (Tafel II–IV) und S. 179–192 (Tafel V–VIII). ‚Posset‘ war ein bevorzugtes englisches Gericht oder ein Molkegetränk mit Alkoholzusatz. Nach Loffelt, A. C.: English Actors on the Continent. In: Jahrbuch der deutschen Shake­ speare-Gesellschaft, hg. von Karl Elze, Bd 4, 1869, S. 377–381.



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ren das Symbol eines Herings erkennen lassen, verleiteten manche Forscher90 zu der Annahme, die Pickelheringsfigur sei ein ursprünglich holländischer Narrentypus. Doch ist das erste Auftreten eines Pickelhering in Holland erst für das Jahr 1648 bezeugt. Der Stoff zu der betreffenden Posse von Jan Vos, „Pickelhering in de kist“, aus dem Jahr 1648 stammt jedoch nachweislich aus der deutschen Schauspielsammlung von 1620 (erstes Zwischenspiel). Die holländischen Bildquellen scheinen also eher allegorische Gestalten des nie­ derländischen Volksschauspiels anzudeuten, die den Bückling als Mahnung an die kommende Fastenzeit trugen. In Deutschland scheint Pickelherings Name schon in der ersten Samm­ lung englischer Schauspiele (1620) auf: In „Julio und Hyppolita“ erscheint er als grober Diener Julios; auch in dem „Lustigen Pickelherings-Spiel von der schönen Maria und dem alten Hanrey“ übernimmt er die Rolle von Hanreys Diener. Au­ ßerdem war Pickelhering die Hauptperson der Singekomödien, die zwischen den einzelnen Akten der Komödien eingeschoben wurden und das Gesche­ hen der Hauptaktion thematisch gar nicht berührten. Diese Haupthandlung war ernst und meist blutrünstig und kannte keine lustige Person. Allerdings sind diese Pickelheringszenen sprachlich nicht ausgeführt, sondern es heißt nur: hier agieret Pickelhering. Erst die zweite Schauspielsammlung von 1630 vermittelt eine ausge­ formte, sehr charakteristische Pickelheringsprache; und auch in den frühen Spielen deutscher Wandertruppen bekommt Pickelhering schon jene teils wichtige Stellung im Spielgeschehen, die später immer mehr an Bedeutung gewinnt und das Bühnengeschehen nicht nur begleitet, sondern, meist durch Intrige, wesentlich beeinflusst. Ab der Mitte des 17.  Jahrhunderts gibt es kein weltliches ernstes Drama mehr, in dem das komische Element gefehlt hätte. Der barocke Zuschauer liebte diesen ausgleichenden Faktor gegen das meist bedrückende Geschehen auf der Wanderbühne. Diese wichtige Aufgabe übernahm die Narrenfigur, die schon in den ersten Aufführungen englischer Schauspieler in Deutschland als einzige die deutsche Sprache be­ herrschte und mit spaßhaften Interpretationen des Bühnengeschehens, mit Ausrufen und gespielter Anteilnahme die mimische Darstellung der teils noch fremdsprachigen Komödianten erklärte. Die lustige Person übernahm damit die Vermittlerrolle zwischen Schauspieler und Publikum, sie holte das Bühnengeschehen gleichsam in die naive und unreflektierte Erlebniswelt des Zuschauers. In dieser gesonderten Stellung zwischen Bühnen- und Publi­ kumswirklichkeit wurde die lustige Person zur Kontrafakturgestalt des Höfischen,

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Vgl. z.  B. Van de Straeter: Le Theatre villageois en Flandre. Bruxelles 1874, S. 46. – Ebenso Wesselofsky: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater, S. 27.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

indem sie die Idealwelt als erträumtes Wunschbild mit der derben Handgreiflichkeit des kleinbürgerlichen Alltags verband.91 Wie wichtig die lustige Person und damit eine eingefügte lustige Handlung – auch in Trauerspielen wie etwa in „Virenus und Olympia“ – für das damalige Publikum war, erhellt aus der Bemerkung Johann Rists (1607–1667), dass seine ersten Tragödien von den meisten erst dann gelobt wurden, nachdem er zu einer jedweden tragischen oder traurigen Handlung ein lustiges Zwischen-Spiel gesetzt habe (das gleichwol mit dem rechten Hauptwercke eigendlich nichtes zu schaffen hatte). Der Welt sei mehr mit dem lustigen Jean Potage oder Hans Suppe / als mit dem traurigen und ernsthafften Cato gedienet.92 Wegen ihrer wichtigen Stellung im älteren Wanderbühnendrama wurde die lustige Person meist vom angesehensten Schauspieler der Wandertruppe ver­ körpert: Auch Joris Joliphous, der Prinzipal jener Truppe, in der Johann Mar­ tin zuerst spielte, übernahm die Rolle des Pickelhering; das beweist ein früher Theaterzettel aus dem Jahr 1654, in dem sich Joliphous als der rechte Englische Pickelhering / mit bey sich habender Compagnia ankündigt (Abb. 18, S. 307).93 Die Prinzipale der berühmtesten Truppen schufen sich eigene Narren­ typen, die sie mit bestimmten äußeren Kennzeichen ausstatteten. Heute sind nur noch ihre Namen bekannt: Jan Bouschet oder Jan Potage (engl. Posset = Würzbier), wurde von dem Engländer Thomas Sackville ins Leben gerufen. Er verkörperte diese Rolle nicht nur auf der Bühne, sondern scheint von seinem Publikum auch im täglichen Leben mit dieser Rolle identifiziert worden zu sein: In den Straß­ burger Ratsprotokollen ist dokumentiert, dass hier vom 23. Juli bis 8. August 1597 ein Johann Busset et cons[orten] 14 Commoedias, so wol weltliche alß geistliche, gespielt hat.94 Als Schambitasche begegnet er in der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630, in der „Comoedia von König Mantalors vnrechtmessigen Liebe vnd derselben Straff“; und auch in einem (ohne Ort und Datum erhaltenen) Flugblatt, einem 91 Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, S.  27.  – Ebenso Kindermann: Theater­ geschichte Europas, III. Bd, S. 402. 92 Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Aprilens-Unter­ redung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 306. 93 Theaterzettel, der von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner einer seit 1628 geführ­ ten Chronik von Rothenburg beigelegt worden ist. (Badisches Generallandesarchiv Karls­ ruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 959). Abgebildet in Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 36. 94 Crüger, Johannes: Englische Komoedianten in Strassburg im Elsass. In: Archiv für Littera­ turgeschichte, Bd 15, Leipzig 1887, S. 115.



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Abb. 18: Theaterzettel der englischen Komödiantentruppe unter dem Prinzipal Joris Joliphous mit handschriftlicher Tagesankündigung für eine Vorstellung in Rothenburg im Jahr 1654. (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 959)

„Gesprech zwischen dem Englischen Bickelhering und Frantzösischen Schampetansen über das Schändliche Hinrichten Königl. Majestät in Engeland, Schott- und Irrland“ trägt der hier als Franzose angesprochene Narr diesen Namen. In seiner kurzen, lose hängenden Jacke, einem kleinen Mantel und dem breitkrempigen Schlapphut unterscheidet er sich auch in seiner Kleidung von seinem Gesprächspartner Pickelhering.95 Jakob Ayrer und Herzog Heinrich Julius von Braunschweig nannten den Narren in manchen ihrer Stücke ebenfalls Jan Posset. Diese Narrenfigur muss allgemein bekannt und beliebt gewesen sein, denn sie wird noch in der 1658 gedruckten „Absurda Comica“ von Gryphius genannt; dort sagt Pickelhering: … denn ich kann nicht zugleich lachen und weinen / wie Jean Potage.96 Gryphius spielt damit auf das charakteristische Merk­ mal Jan Bousets an: seine ausgeprägte Gesichtsmimik. Seine Gewohnheit,

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Beschreibung nach A. C. Loffelt: English actors on the Continent. Shakespeare-Jahrbuch Bd 4, 1869, S. 378. Abgebildet bei Helmut G. Asper: Hanswurst. Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Emsdetten 1980. Andreas Gryphius: Absurda Comica, 1. Aufzug (Gesamtausgabe, Bd 7, S. 10).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

den Hut während des Spiels in allerlei wunderliche Formen zu drücken, fin­ det sich auch bei anderen Narrentypen, etwa bei Hanswurst.97 John Spencers lustige Person hieß Hans von Stockfisch. Der englische Prin­ zipal hatte diesen Namen vielleicht aus Shakespeares „Tempest“ übernom­ men.98 Diese komische Figur des Stockfisch lebte nicht nur in den verschie­ denen Wanderbühnendramen99 weiter, sie begegnet auch in einem Ulmer Puppenspiel100 und in Grimmelshausens „Simplicissimus“.101 Mit der Commedia dell’Arte kamen ebenfalls verschiedene Narrentypen in den deutschen Sprachraum: der Zanni, Scapin, Truffaldino, der Magnifico oder Dienerfiguren wie Arleccino, Brighella, Pulcinella, Colombina oder der Capitan Spaventa da Vall’Inferno. Die italienische Pulcinella wurde in der Truppe der Comici Fedele von dem Neapolitaner Silvio Fiorillo gespielt. Ab etwa 1665 tritt der Diener Scaramutza, kreiert von Giovan Battista Fio­ rillo (Silvios Sohn), in einer Reihe von Lustspielen auf, die am Rudolstädter Theater gespielt wurden. Er konnte sich bis in Hofmannsthals „Ariadne auf Naxos“ auf der Bühne halten. Es war vor allem der Wiener Hof, der italienische Truppen mit ihren speziellen Narrenfiguren bevorzugte. Königin Maria aus Spanien (geb. 1634), die Gemahlin Ferdinand III., hebt in einem Brief an ihren Bruder Leopold Wilhelm in Wien besonders den pandalon hervor (in Prag am 9. Jan.1628 gespielt von Marc’Antonio Romagnesi aus Ferrara) und den Dottore Graziano aus Bologna (gespielt von Giovanni Rivani), beide aus der Truppe Comici Fedele. Auch König Ferdinand, ihr Gemahl, war ein großer Bewunderer des 97 Vgl. Moscherosch (Gesichte Philanders, Ausgabe Bobertag in Deutsche National-Litteratur, Bd 32, S. 139): Mein Name ist Philander, bin ein geborner Teutscher, hab mich wie Hanswursts Hut auf allerlei Weise winden, drehen, drücken, zerrn und bügeln lassen“. 98 In Shakespeare: Der Sturm, II/2 und III/2, sagt Stephano: … ich gebe meiner Barmherzigkeit den Abschied und mache einen Stockfisch aus dir (… and make a Stockfisch of thee). Vgl. auch Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, hg. von G. Eitner (= Bibl. des Litterarischen Vereins Stuttgart, Bd 113), Tübingen 1872, S. 276: Auf dem Meer des Lebens fische jeder mit unterschiedlichem glück. Der eine fange einen Walfisch, der andere nur einen Stockfisch. 99 Schon in der „Macht des kleinen Knaben Cupidinis“ (II/3) der zweiten Schauspielsammlung von 1630 wird der Diener Hans Wurst einmal mit Stockfisch angeredet. In „Romio und Julieta“, V/3, heißt es: … ist so steuff alß ein gefrohrner Stockfisch; oder IV/4: Weither kein vnglickh alß das er todt ist wie ein stockfisch. (Ausgabe Cohn, Sp. 393 und 373). Ebenso „Jude von Venetien“, III/2: (Franciscina:) O mein Pickelhäring! (Pickelhäring:) O mein Stockfisch! (Ausgabe Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, S. 233) 100 Mein Vater heißt Stockfisch, meine Mutter heißt Blatteiß … (Nach Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XCV). 101 Buch II, Kap. 10: Wenn du dies nicht verstehst und der Eltern Eigenschaften auf die Kinder forterben, so muß ich dafür halten, dein Vater sei ein Stockfisch und deine Mutter eine Platteiße gewesen. (Deutsche National-Literatur, Bd 33, S. 125.)



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Doctoris Gratiani. Königin Maria bevorzugte die Comici Fedele unter ihrem Prinzipal Giovan Battista Andreini102 besonders wegen ihrer Narrenfigu­ ren: … und wan ich jn der wal het das ich solt auß vnd ein gantzen tag reiten oder zue der comedi so wolt ich lieber da haimb bleyben vnd zue der comedi gehen … aber kayner ist mier lieber als der docktor gratian, der sol ein docktor sein vnd ist der gröste nar jn der comödi.103 Die ausgeprägteste Figur des Narren war jedoch der Pickelhering. Bereits in der 1604 gedruckten Version des „Dr. Faust“ nennt die Allegorie-Figur für Fraß und Völlerei den Pickelhering als einen ihrer Ahnen. Obwohl sein Name bis ins 16. Jahrhundert zurückweist, hat ihn doch erst der englische Schauspieler Robert Reynolds zu jenem bekannten Clowntypus gemacht, der bis Ende des 17. Jahrhunderts in fast jedem Wanderbühnenspiel das Gesche­ hen interpretierte und beeinflusste.104 Reynolds erstes Auftreten als Robert Pickelhäring ist in den Quartierlisten 1627 des kursächsischen Torgau bezeugt. Seine Truppe, die sich zur Unter­ scheidung von anderen die bicklingsherings compagnie nannte, gastierte um diese Zeit in Köln, Nürnberg und Frankfurt.105 Der „Reichs- und Weltspiegel“ von 1631 berichtet: Diesen Monsieur Pickelhaering haben die Engländischen in Deutschland eingeführet, da es noch in gutem Wohlstand war, und jedermann gerne mit Comoedien und andern Aufzügen sich belustiget.106 Pickelherings Aussehen ist in mehreren Abbildungen überliefert und dem der anderen Narrentypen wahrscheinlich ähnlich. Sein Kostüm ist derb-komisch, meist viel zu groß und mit auffallenden Lätzen versehen. Aber es ist nicht so festgelegt wie etwa das des Wiener Hanswurst, weil die Pickel­ heringfigur nicht auf einen bestimmten Darsteller fixiert ist. Je nach Bedarf wird besonders die Form des überdimensionalen Hutes variiert. Auch im 102 Andreini: Prinzipal und bedeutender Bühnenautor, von dem über 50 Werke in Druck er­ schienen sind. Andreini war zuerst Miglied der Comici Gelosi wie seine berühmten Eltern Francesco und Isabella Andreini. Seine eigene Gesellschaft, die Comici Fedele, stand fast ein halbes Jahrhundert im Dienst der Gonzaga in Florenz. 103 Brief der Königin Maria aus Prag an Leopold Wilhelm in Wien, 5. Jänner 1628, abgedruckt in Otto Schindler: Sonst ist es lustig allhie. Italienisches Theater am Habsburger Hof, S. 620. 104 Pickelhering agierte auch in den 13 Schauspielen, die Kaspar Stieler 1660 am Hof des Her­ zogs Gustav Adolf von Mecklenburg eingereicht hatte. (Nach Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XXIX). – Noch 1678 wurden Pickelheringstücke in Dresden aufgeführt. (Nach Fürstenau: Zur Geschicht der Musik und des Theaters, Bd I, S. 251). – In Gryphius’ „Absurda Comica“ ist Pickelhering des Königs lustiger Rath. 105 Nach Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XCIV; und nach Cohn: Englische Komödianten in Köln, S. 266. 106 Zitiert nach Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XCV. Abgebildet bei Asper, Helmut G.: Hanswurst. Studien zum Lustigmacher auf der Berufs­ schauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Emsdetten 1980. Dieses

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 19 a: Zwei Narrenfigur des Pickelhering im „Futer über die Mirantische Maultrummel“ des Laurentius von Schnüffis: Kupferstich gegenüber dem Titelblatt (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz)



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Abb. 19 b: Die Figur des Kapuziners dürfte sich auf Laurentius von Schnüffis beziehen, der auf sein früheres Leben in der Welt verweist. Kupferstich zu Beginn der XV. Elegie, S. 282. (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

„Futer über die Mirantische Maultrummel“ des Laurentius von Schnüffis gibt es zwei Kupferstiche, die beide dieselbe Narrenfigur zeigen: Sie trägt eine sehr hohe Kappe ohne Krempe, an deren Spitze eine kleine Öffnung sichtbar wird. Sie rahmt das Gesicht des Narren ein, sodass keine Haare zu sehen sind. Die enganliegende Jacke ist mit großen kugelförmigen Knöpfen ver­ sehen; statt des Kragens hat sie eine breite Halskrause. Die weiten Hosen reichen etwa eine Handbreit unter das Knie und sind dort zusammenge­ bunden. Der Narr trägt niedrige Schuhe ohne Absätze; ein kurzes Schwert, anscheinend aus Holz, oder ein Hirschfänger vervollständigen den Anzug. Der Pickelhering des oben erwähnten, politisch orientierten Flugblatts, in dem er sich mit dem französischen Jean Potage unterhält, ist genau so gekleidet, nur trägt er statt dem hohen Trichterhut eine Art sehr hohen Tiro­ lerhut, der mit zwei langen Hahnenfedern geschmückt ist. Auch hier wird die überdimensionale Halskrause und die enganliegende Jacke erwähnt. Und auch er trägt die kurzen weiten Hosen, die niedrigen Schuhe und vor allem das kurze hölzerne Schwert. Andere Abbildungen des Pickelhering finden sich auf zwei Einblattdrucken des Jahres 1621. Der eine Druck war als Satire gegen die Calvinistische Bil­ derstürmerei in Böhmen zur Zeit König Friedrichs von der Pfalz gedacht: Pickelhering erzählt, er habe die Schauspielerei aufgegeben und wolle nach Prag ziehen, um dort den Calvinisten Beile und Äxte für ihr Vernichtungs­ werk zu verkaufen. Pickelhering als Kaufmann stiehlt sich aus jeder persönlichen Verantwortung für die Folgen seines Waffenverkaufs: Das gehet mich nun gar nichts an, Will mich drum unbekümmert lan. Was acht ich deß? Ich nehme Geld, Trag meine Butte übers Feld … Ich aber helfe dazu nicht, Verkaufe nur, wie man hie sicht, Die Aexte, Beil und Haun dazu. Fürwahr, weiter ich gar nichts thu, Das sind nur bloße Instrument, Daß sie die brauchen zu dem End, Da mögen sie für sich zusehen, Wie sie es könn’ verantworten.



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Abb. 20: Englischer Pickelhäring, jetzo vornehmer Eisenhändler, mit Aext, Beil, Barten gen Prag jubilirend. (Aus J. Scheible: Die Fliegenden Blätter des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1850, S. 86)

Das andere Flugblatt zeigt ebenso einen Engelländischen Pickelhäring, welcher jetzund als ein vornehmer Händler und Jubilirer mit allerlei Judenspießen nach Frankfurt in die Meß zeucht. Auch diesmal bietet er Freund und Feind seine Waffen an und überlegt, wie er das viele erhandelte Geld anlegen und wo er es verste­ cken soll. (Frankfurt war damals nicht nur das kulturelle und soziale Zentrum des Judentums im deutschsprachigen Raum, sondern auch das der jüdischen Finanzwelt.107) 107 Kasper-Holtkotte, Cilli: Die jüdische Gemeinde von Frankfurt/Main in der Frühen Neuzeit. Familien, Netzwerke und Konflikte eines jüdischen Zentrums. Berlin/New York 2010.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 21: Engelländischer Pickelhäring. (Aus J. Scheible: Die Fliegenden Blätter des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1850, S. 81.)

Diese sehr alten Darstellungen eines Pickelhering in Deutschland stimmen mit Martins Narrenbild nicht überein: Es fehlen der hohe Hut, die Hals­ krause, das Schwert. Im Gegensatz zu dem üblichen bartlosen Gesicht des Pickelhering hat der Narr der Einblattdrucke einen Schnurr- und Knebel­ bart. Es ist jedoch anzunehmen, dass der bäurische Pickelhering Martins ein ähnliches Aussehen hatte, wie es die Bilder im „Futer über die Mirantische Maul-Trummel“ zeigen. Pickelhering stellte in der ersten Zeit den tölpisch-dummen Narren dar, der mit seiner Einfalt sich und seinem Herrn oft Schaden zufügt. Dieser Art ist auch der Pickelhering aus der „Liebes Verzweiffelung“. – Später entwickelt er sich unter italienischem Einfluss zum Intriganten und zeigt einen boshaften Charakter. In der allmählichen Verschmelzung mit der Figur des Hanswurst, der um 1720 in den Wiener Haupt- und Staatsaktionen endgültig den italienischen Harlekin verdrängt108, wird er wieder das gutmütige, aber durchtriebene Ge­ 108 Schon bevor Stranitzky in der Figur des Wienerischen Hanswurst zu seiner Lebensrolle fin­ det, gibt es den deutschen Harlekin des Komödianten Leonhard Andreas Denner. Nach Stra­



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schöpf des Volkes, das allem, was er als sich überlegen empfindet, zynische Kritik entgegenbringt. Der letzte berühmte Pickelhering-Darsteller war Janethsky (gest. 1690), Ko­ mödiant der Churfürstlich Sächsischen Hoffcomoedianten unter Johannes Velthen. Ein letztes Lebenszeichen gab Pickelhering 1707 in einer Aufführung der Witwe Catharina Elisabeth Velthen (gest. 1712), danach setzte sich Harlekin durch, der 1707 in der Gesellschaft von Johann Christian Spiegelberg das erste Mal mit deutscher Sprache auftritt. Genau wie Pickelhering ist Hanswurst eine sehr alte Narrenfigur, dessen Name das erste Mal in Sebastian Brants „Narrenschiff“ (1494, Kap. 76) auf­ taucht und bei Hans Sachs im „Wiltbad“ (1550) als Wursthans den lusti­ gen Diener eines Edelmanns spielt. Auch den englischen Truppen war er schon vor der Jahrhundertwende bekannt; 1597 gab es in der Sackvilleschen Truppe neben Jan Bouset auch einen Wursthänsel.109 In der zweiten Schau­ spielsammlung von 1630, in der „Comoedia vnd Macht des kleinen Knabens Cupidinis“ tritt er als Diener Hans Worst auf. Ein halbes Jahrhundert später verkörperte der lange Zeit fast vergessene Komödiant Johann Valentin Petzold aus der Steiermark (ca.1648 – ca. 1730) den einfältigen Bauern Kilian Brustfleck110, der zwar ländlich gekleidet, aber von durchdringender Intelligenz ist. Ab 1694 macht Petzold als Kilian Brust­ fleck auch in den Nachspielen der Marionettenstücke des A. J. Geißler seine Späße, gemeinsam mit der Kontrastfigur des französischen Dieners Chambre. Einige Jahre später findet diese Dienerfigur durch die Stegreif-Dar­ stellungen Stranitzkys als bäuerlicher Salzburger Hanswurst, danach durch Prehausers Figur des großstädtischen, typisch wienerischen Hanswurst111, nitzky ist es Gottfried Prehauser, der sein Publikum am Kärntnertortheater in Wien durch seine Hanswurst-Darstellungen begeistert. 109 Siehe Marx Mangoldt: Marckschiffs Nachen. 1697. Abgedruckt in Creizenach: Schauspiele der englischen Komödianten, S. 325–326. 110 Johann Valentin Petzold (1648 – ca. 1721) war Prinzipal des Eggenbergischen Hoftheaters in Böhmisch-Krumau ab 1677 bis zu deren Auflösung 1691. – Siehe dazu Neuhuber, Christian: Der Vormund des Hanswurst – Der Eggenbergische Hofkomödiant Valentin Petzold und sein Kilian Brustfleck. In: Daphnis, Bd 35, Nr. 1–2, 2006, S. 263–300. Zu Prehauser siehe auch Monika Baar de Zwaan: Gottfried Prehauser und seine Zeit. Phil. Diss. [masch.] Wien 1968, ebenso: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 509–512. 111 Bekanntester Hanswurst-Darsteller in Süddeutschland und Österreich war der Wanderbüh­ nenkomödiant Gottfried Prehauser, der ab 1725 als Nachfolger Stranitzkys in Wien vierzig Jahre lang den Hanswurst verkörperte. Eine Darstellung Prehausers als Hanswurst findet sich in „Prehauser oder der Wienerische Hannßwurst nebst lustige Reysebeschreibungen aus Salzburg in verschiedene Länder“, Pintzkerthal [Wien] o.  J. Zu Hanswursts Aussehen siehe Trutter: Neue Forschun­ gen über Stranitzky, S. 35–38; ebenso Loeffler, Peter: Hanswurst in Bildern, Basel 1984; und Asper, Helmut G.: Hanswurst: Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 22: Petzolds lustige Figur Kilian Brustfleck. Auch in späteren Schwank- und ­ nekdotensammlungen gibt es diesen Kilian Brustfleck; in Goethes 1775 begonnener Farce A „Hanswursts Hochzeit oder der Lauf der Welt“ fand Kilian Brustfleck eine vergröberte Wiedergeburt. Das Fragment umfasst nur einen Einleitungsmonolog und einen Dialog zwischen Hanswurst und seinem Vormund Kilian Brustfleck.

vielleicht auch durch die böhmische Hanswurst-Variante des gebürtigen Münchners Franz Albert Defraine112 zu seiner damals beliebten typischen in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert, Emsdetten 1980. Zur privaten Situation Prehau­ sers siehe S. 665. 112 Franz Albert Defraine (de Fraine) machte die lustige Person, den Hanß Wurst, in der Compagnie teutscher Comoedianten, deren Prinzipal er war und zu der 1724 auch das Ehepaar Rademin gehörte. (Rudin, Bärbel: Heinrich Rademin, Hanswursts Schattenmann. In: Maske und Ko­ thurn, Jg 48, Heft 1–4, Wien 2002, S. 295.) Defraine stammte wahrscheinlich aus München. Um 1716 trat er in Brünn als Marionetten­ spieler auf. 1719 ist er das erste Mal als selbstständiger Prinzipal in Kukus und Prag belegt. (Eine Empfehlung des Grafen Franz Anton Sporck bestätigt, daß er in Kukus sowohl weltli­



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Wesensgestalt, voller Gefräßigkeit, Hinterlist, Feigheit und Freude an rohen Zweideutigkeiten. Wie er ausgesehen haben könnte, zeigen mehrere Kupferstiche in der ersten Auflage von Stranitzkys Büchlein „Lustige Reys-Beschreibung aus Salzburg in verschiedene Länder (1717 ?), auf denen Hanswurst in verschiedenen Hand­ werkskostümen abgebildet ist.113 Ab 1740 will Gottsched keinen Hanswurst mehr auf der Bühne sehen, und auch die berühmte Prinzipalin Caroline Neuber verbannt ihn von ihrer Bühne. Lessing meint allerdings, dass sich nur Aussehen und Kleidung der lustigen Person geändert habe, der Narr aber erhalten geblieben sei: Harlekin hieß bei ihr [der Neuberin] Hänschen und war ganz weiß anstatt scheckicht gekleidet. Wahrlich, ein großer Triumph für den guten Geschmack!114  – Hans Wurst wurde trotzdem von den verschiedenen Prinzipalen wie Schuch, Brunian oder Kurz, wenn auch unter verschiedenen Namen, am Leben erhalten, sie spiel­ ten selbst die lustige Figur. Im Kärntnertor-Theater in Wien standen 1737 Hanswurst (Gottfried Prehauser), Harlekin (Franz Anton Nuth), Bernardon (Felix Kurz) und Pantalone (Johann Ernst Leinhaas) alle vier gemeinsam auf der Bühne: Während seinerzeit der bereits ältere Hanswurst auf dem Wege einfacher und treuherziger Bornirtheit die Gunst des Publikums nur langsan errang, eroberte sie der um zehn Jahre jüngere Bernardon auf dem Wege einer mehr bewussten und nur scheinbar naiven Dummheit wie im Sturme. In Ihm nahm der etwas antiquirte Hanswurst eine modernere, fast möchte man sagen, geistvollere Gestalt an.115

che wie auch geistliche Spiele vortrefflich aufgeführt und sich auch sehr anständig benommen habe). Defraines Spieltätigkeit in Prag (im Manhartschen Haus) umfasst die Jahre 1724 (ab Herbst) – 1732, möglicherweise auch 1734–1735. Mit seinen Pragischen Komödianten spielte er zwischendurch aber auch in anderen Städten, z.  B. 1725 in Augsburg, Frankfurt und Köln. Im Frühjahr 1728 wirkte Defraine in Weißenfels, die Sommersaison 1727 bis 1729 stand er auf dem Theater des Grafen Sporck in Kukus auf der Bühne, wo er 1728 und 1729 die ins Deut­ sche übertragene italienische Komödie „Der undankbar Basiliscus“ spielte. Zu seiner Truppe gehörten Persönlichkeiten wie Heinrich Rademin und Christian Schultze mit ihren Frauen, Ignatz Faschinger und Ferdinand Reichel, Christopher Funck, Johann Schmidt, Georg Noth und Bartolomäus Fischer. – Aus der Zeit nach 1753 gibt es im Wiener Burgtheater Belege für seine Tätigkeit als Goldoni-Übersetzer. (Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag, Wien 1999, S. 91–113, gibt auch eine genaue Darstellung der von Defraine aufgeführten Stücke.) 113 Später hat sich Prehauser dieses Büchlein angeeignet und unter seinem Namen herausgege­ ben. (Nach Fritz Brukner: Türckisch-bestraffter Hochmuth oder das anno 1683 von denen Türcken belagerte und von denen Christen entsetzte Wienn. Innsbruck/Wien/München 1933, S. 8–9). 114 Gotthold Ephraim Lessing: Hamburgische Dramaturgie, hg. und kommentiert von Klaus L. Berghalm, 18. St., Stuttgart 1981, S. 97. 115 Ferdinand Raab: Johann Joseph Felix von Kurz genannt Bernardon. Ein Beitrag zur Ge­ schichte des deutschen Theaters im XVIII. Jahrhundert, aus dem Nachlaß hg. von Fritz Raab. Frankfurt a.M. 1899, S. 13. – Siehe dazu auch Herrmann: Hoftheater – Volkstheater – Na­tio­ nal­theater, S. 149.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 23: Hanß Wursts kurtze Urlaubs-Rede von seinem Saltzburgischen Bauren dem Riepel /  und die darauff erfolgte Abreyß in die Länder. Stranitzky als Hanswurst – geboren 1670 in Schweidnitz (südwestlich von Breslau), in Leipzig Mitglied der Velthen-Truppe. Stranitzky kam 1708 nach Wien und hatte dort von 1712 bis zu seinem Tod 1727 das Stadttheaterhaus am Kärntnertor in Pacht. (Schabkunstblatt aus „Lustige Reyß-Beschreibung. Aus Saltzburg in verschiedene Länder. Herausgegeben von Joseph Antoni Stranitzkhy, Oder den sogenannten Wiennerischen Hannß Wurst“.)



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Abb. 24: Gottfried Prehauser als Hanswurst. Untertitel: Inter Vienn[enses-Comico elictus Hans-Wurst. Prehauser (1699–1769) trat die Nachfolge Stranitzkys als Hanswurst (nie als Prinzipal) an, hatte aber zuvor schon komische Rollen, vor allem die des Bauern Riepel, gespielt. Auch unter ­Prinzipal Hilverding agierte er als Hanswurst, so etwa 1720 in Salzburg. Er machte aber aus­ schließlich in Wien Karriere. (Kupferstich aus „Prehauser oder der Wienerische Hannßwurst nebst lustige Reysebeschreibungen aus Salzburg in verschiedene Länder.“ Nach dem Ölgemälde von J. Hickel).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Neben diesen bekannten Namen finden sich für die lustige Figur auch Bezeichnungen wie Knapkäse116, Hans Supp, Domine Johannes117, Schräm­ gen118 oder Schoßwitz119. Die Person des Pickelhering ist es vor allem, die von den zeitgenössischen Literaturgrößen wie Harsdörffer oder Stieler verurteilt wird: Sie sehen die fahrenden Komödianten einseitig als Quaksalber und Zahnbrecher. Sigmund von Birken allerdings unterscheidet zwischen Schauspielern und Gauklern und erkennt das Schauspiel als eine Kunst an. Aber auch er verurteilt die schändlichen Pickelhering-Nachspiele, da manche Matron oder Jungfrau / die schamhaftig und züchtig in das Spielhaus gegangen / geil und frech wieder nach Hause gehet.120 Pickelherings Persönlichkeit ist 1665 bis 1667 auch in den Werken des Ru­ dolstädter Festspieldichters Caspar Stieler, in der lustigen Figur des Scara­ muz wieder erkennbar. Seine charakteristische Respektlosigkeit gegenüber höherstehenden Personen oder auch gegenüber höheren Werten und Idea­ len, seine Äußerungen der Furcht, das Verdrehen von Botschaften und wörtliche Auffassen von Befehlen, das parodierende Nachäffen von Worten der anderen Personen, die Lazzi vom Gehen und Wiederkommen und die typische Aufgeblasenheit, wenn er sich bei Hof sicher fühlt, indem er etwa Redewendungen aus der Sprache vornehmer Personen verwendet, die keinen Sinn ergeben – all diese Eigenschaften des Pickelhering, wie ihn die „Liebes Verzweiffelung“ kennt, sind auch jene des Scaramuz bei Caspar Stieler.121 Pickelhering ist jedoch die häufigste und die erste typisch deutsche Nar­ rengestalt.122 Sie wird aber erst in den späteren Spielen zu einer integrierten 116 Lustige Figur in der „Comoedia von der Königin Esther und Hoffertigen Haman“. 117 Beispiele siehe Werner Richter: Liebeskampf, S. 85 und S. 83, Anm. 1. 118 Im „Wiltbad“ des Hans Sachs; ebenso im zweiten Singspiel der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630 und im „Aminta“. 119 In der „Liebeskampf“-Sammlung („Tragi Comoedie“ und „Unzeitiger Vorwitz“), wo sich auch Be­ merkungen wie „der schoßhafftige Galan“, „schoßwitzige Damichen“ finden. Der Ausdruck „schoßhaftig, schoßwitzig“ ist im „Deutschen Sprachschatz“-Lexikon (1691) von Caspar Stieler belegt. 120 Sigmund von Birken: Teutsche Rede-, Bind- und Dichtkunst. Nürnberg 1679 (FaksimileNachdruck Hildesheim/New York 1973, S. 336  f.). 121 Siehe dazu Höfer: Die Rudolstädter Festspiele aus den Jahren 1665–67 und ihr Dichter, S. 117–119. 122 Italienischer Einfluss kann überall dort angenommen werden, wo der komischen Figur eine entsprechende weibliche Partnerin im Dienerstand beigeordnet ist und die Arlecchino-Co­ lombine-Konstellation auftritt; z.  B. im „Juden von Venetien“, wo Pickelhering mit Franciscina das Liebesverhältnis des Prinzen mit Ancilletta parodiert. (Vgl. dazu Hinck, Walter: Das deut­ sche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts und die italienische Komödie. Commedia dell’arte und Théâtre italien. Stuttgart 1965, S. 84.).



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Figur, die das Bühnengeschehen auf ihre Weise beeinflusst. In den frühen englischen und deutschen Wanderbühnendramen, auch in der „Liebes Verzweiffelung“, steht Pickelhering noch außerhalb des zentralen Geschehens, er kommentiert, parodiert, lockert auf, bildet ein Ventil für allzu hochgeheizte Emotionen, stellt durch seine Sicht der Dinge das Gleichgewicht wieder her. Seit der Mitte des 17. Jahrhunderts tritt er unter immer wieder neuen Namen auf. In Johann Martins „Liebes Verzweiffelung“ heißt er Dymas.

Martins lustige Person – Dymas Der Name Dymas begegnet in Homers „Ilias“ (16/716) und in Ovids „Meta­ morphosen“ (11/761 und 13/620). Der treffliche Dymas ist dort der Vater der trojanischen Königin Hecuba. Es gibt also keinen inneren Zusammenhang des Namens zu Martins Figur. Sein Dymas, der einfältige Bauernsohn, hat eher Ähnlichkeit mit dem Sohn des alten Schäfers aus Shakespeares „Wintermärchen“. Während der Bauer in Gryphius’ „Die geliebte Dornrose“ (Druck 1660) das erstemal in das höfische Festspiel Einlass fand, kannte die Wanderbühne schon lange vorher den bäurischen Tölpel. Gryphius zeichnet ihn tückisch in seiner Rache, prahlerisch und feige, und diese schonungslose Darstellung des Bauern begegnet auch in Grimmelshausens „Simplizissimus“. Die Wan­ derbühne dagegen steht der Einfalt und Pfiffigkeit des bäurischen Narren viel toleranter gegenüber und lacht über dessen primitiven Aberglauben, Maßlosigkeit und Überheblichkeit. Typisches Beispiel ist die Szene mit dem verwandelten Bauern in „Virenus und Olympia“. War es doch an Fürstenhöfen üblich, einen Narren zu halten, der sich die Freiheit herausnehmen durfte, die Wahrheit aus seiner Sicht zu sagen. Dymas zeigt all jene typischen Verhaltensweisen und Eigenschaften, die der lustigen Person des 17. und 18. Jahrhunderts auf der Wanderbühne zu ­eigen sind und die sich auch schon beim Zanni der Commedia dell’Arte finden: bäuerliche Herkunft, grobe Tölpelhaftigkeit gepaart mit maßloser Egozentriertheit, materialistische Weltsicht, Fress- und Sauflust, niedere Se­ xualität, Feigheit, unflätige Ausdrucksweise und mit dem nie hinterfragten Glauben an Übernatürliches.123

Eine umfassende Darstellung der lustigen Figur im barocken Wanderbühnenspiel in Crei­ zenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XCIII–CVIII (93–108), ebenso in Werner Richter: Liebeskampf, S. 80–101. 123 Vgl. dazu Helmut G. Asper: Hanswurst. Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspie­ lerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Emsdetten 1980, S. 122–233. – Ebenso Peter Sprengel: Herr Pantalon und sein Knecht Zanni, Berlin 1988, S. 13.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Bei Martin ist die lustige Person nur locker in die Handlung eingebaut, sie überträgt das Zentralproblem der Geschwisterliebe in die bäurische Ge­ genwelt und schafft so einen thematisch und sprachlich wirkungsvollen Kon­ trast zum höfischen Pathos der Helden. Er zeigt sozusagen die ‚Rückseite des Spiegels‘: Die ernsten und oft existiell bedrohenden Affekt-Szenen verkehren sich durch ihn ins Proletarisch-Komische und nehmen der Handlung das Tragische. Wie im „Juden von Venetien“ wird der Pickelhering in der „Liebes Verzweiffelung“ zum Gegenbild höfischen Denkens und Verhaltens, das sich dem oft armen und geringgeachteten Publikum in die eigene bekannte Er­ lebniswelt übersetzt. Er lügt nicht, verstellt sich nicht, tut ohne Überlegen, was ihm gerade in den Sinn kommt, plant nicht, entscheidet nicht nach vor­ gegebenen Regeln. Völlig uneinsichtig auch gegenüber ethischen Regeln, ist für ihn nichts heilig, nichts unantastbar, Er ist also die extreme Gegenfigur zu der ins höfische Korsett einge­ zwängten Gesellschaft. Im Gegensatz zum späteren Harlekin fehlt ihm das bewusst Geistig-Witzige. Weil er auf seiner Ebene nicht reflektiert, kann er auch die Verzweiflung Myrandons und Rodimans nicht verstehen. Diese wird bei Dymas zur komischen Posse, wenn er mit denselben Ausdrücken wie der Prinz klagt: Ich liebe und kan nicht genießen (III/5), oder Das weiß ich vor wohl, daß ich der unglückseeligste bin (III/8). Dymas ahmt in Szene III/8 die Ausrufe der verlassenen Prinzen, wahrschein­ lich auch ihre Gestik, ganz mechanisch nach, und nur eine kleine Änderung daran bewirkt, dass seine Worte, seine Mimik unecht bleiben und gerade dadurch das höfische Pathos bloßlegen. Dem verzweifelten „O barmhertziger Todt! O verfluchtes Leben!“ der Prinzen setzt Dymas sein reales „O were ich gestorben“ entgegen. Auf die gleiche Weise, wie die Prinzen klagen: Meiner Schwester ewiglich meiden! Meine Schwester geschändet und meine Liebste verlaßen, so klagt auch Dymas: Meine Schwester geliebet und verlohren. Das Selbstmitleid der Prinzen: O unglückseeliger Mensch! O verzweiffelter Prinz! wird bei Dymas zum angemesse­ nen Echo: O ich armer Hunds-Furt! Diese Gleichstellung der niederen unerwiderten Liebe mit dem hohen Gefühl der Prinzen musste das Publikum gerade wegen der Unvereinbar­ keit beider Empfindungswelten zum Lachen bringen. Dymas’ Schmerz zeigt sich nicht tragisch wie der der Prinzen, nicht bedrückend, sondern alltäglich und höchstens bemitleidenswert. Er wirkt durch die Gleichartigkeit des Pro­ blems mit dem der Prinzen befreiend auf das Publikum. Dymas’ Unglück hat nicht die Gewalt der Ausschließlichkeit in seinem Inneren, es macht den Zuschauer gewissermaßen immun gegen die bedrückende Verzweiflung der Prinzen.



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Das Publikum hat gar nicht die Muße, mit den Prinzen zu weinen, denn jeden Augenblick taucht der mit demselben Problem geschlagene Pickel­ hering auf und buhlt ebenso um die Tränen des Zuschauers. Dymas zeigt sich damit im Gegensatz zum Pickelhering in Blümels „Juden von Venetien“, dessen Rolle bewusst komisch gezeichnet ist und der gegenüber seinem Herrn, dem Prinzen, und gegenüber dem Publikum lustig wirken will. In seinem ’rührenden’ Narren erahnt Johann Martin eine Regel der Schauspielkunst, die erst in den dramaturgischen Schriften Lessings theore­ tisch erkannt wird: Wenn die Darstellung des Narren recht lustig ausfallen solle, müsse sie als tragische Rolle gespielt werden.124 Alles, was Dymas tut, scheint ihm ernst und wichtig zu sein, doch der Zuschauer erlebt es als Nichtigkeit, als Komik. Wo das wirklich Bedeutsame in die Handlung eingreift, wird Pickelhering unfähig, es zu begreifen. Er nimmt es als Scherz und streift dem naiven Zuschauer damit die Bürde des Schrecklichen ab: Als Evandra scheinbar tot zu Füßen des langentbehrten und endlich gefundenen Myrandon hinsinkt, hebt Dymas die Bestürzung mit der derben Feststellung auf: Ein Dreck stirbt sie, sie schläfft nur. Sie hat die gantze Nacht nichts geschlaffen. (V/10) Diese Verständnislosigkeit für tragische Situationen zeigt auch der Pi­ ckelhering in „Romio und Julieta“, z.  B. in Szene IV/4, als Pickelhering den Tod des Vetters Tibold melden soll: Ach Ellend, ach noth, ach barmhertzigkeit, ach Vnglickh, was kan schlimmer sein in der Welt alß zerrissene Hosen und nichts zu fressen …; oder in Szene V/3, als er Julieta scheinbar tot findet: O Ellend, o noth, o barmbhertzigkeit, o mausericordia, Julieta hat sich zu todt gestorben, o erschröckliche bost Zeitung, sie ligt auß gestreckt mit Händt vndt Füeßen, vnd ist so steuff alß ein gefrohrner Stockfisch.125 Dymas kann gar nicht unglücklich sein, seine totale naive Ichbezogenheit hindert ihn daran. Im Mittelpunkt von Dymas’ Liebe steht nicht das geliebte Objekt, sondern allein er selbst. Der Pickelhering kann nicht von sich abse­ hen; alles, was um ihn herum geschieht, bezieht er auf seine eigene Person. Das Gespräch der Prinzen in Szene III/8 deutet er um: Sie reden miteinander ab, wie sie mit mir umbgehen wollen. Als Evandra nach ihrer Ohnmacht die Au­ gen aufschlägt und mit dem Seufzer „Ach, was vor ein süßer Schlaff!“ ins Leben zurückfindet, empfindet Dymas nur den Triumph des Rechthabens; er hört das Wort Schlaff und deutet es sofort auf seine Weise: Hab ichs nicht gesagt, sie schlaffe nur! (V/10) 124 Lessing: Abhandlungen von dem weinerlichen oder rührenden Lustspiele. In: Kleinere dra­ maturgische Schriften, 2. Abt.: Aus der „Theatralischen Bibliothek“ (= Lessings Werke, Bd 10, Teil 12), 1970, S. 117–159. 125 Ausgabe Cohn, Sp. 371 und 393.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

In der fremden Umgebung des Hofes fühlt sich der Bauer Dymas keineswegs unsicher.126 Er wertet höfische Standespersonen als seinesgleichen127 und stellt ihrem hohen Ritters Orden seinen hohen Hirten Orden gegenüber. (III/8) Mit erstaunlicher Einsicht in die Psychologie eines Narren lässt Martin seinen Pickelhering die Prinzen als tolle Kerle (V/9) und als Narren (III/8) er­ leben.128 Der König wird von dem Bauern Dymas mit Juncker König angesprochen (III/3)129, Prinz Rodiman mit dem vertraulichen Schwager Prinz (V/10) oder Herr Vice-Schwager (V/12). Diese Vertraulichkeit des Narren gegenüber hochgestellten Personen ist ein typisches Merkmal der Wanderbühnenspiele und zeigt erneut, wie gerade in der Figur des Pickelhering die Brücke zur Rea­ lität geschlagen wurde: Ein Narr kennt das Gefühl der Ehrfurcht nicht. Im „Juden von Venetien“ wird diese niedrige Vertraulichkeit überforciert, Pickel­ hering nennt hier  – wahrscheinlich im Beiseitesprechen  – seinen Herrn Hannß König, der alte Hundsfutt oder alte Scheishose, gleich darauf wieder ‚Ey ia Mayestät‘.130 Um seine Gleichrangigkeit mit den Höflingen zu betonen, hat sich Dymas für sein Erscheinen bei Hof wohl andere Kleider zugelegt. In einer Komö­ die des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig131 hat der Narr bei Hof ein statlich, aber doch Nerrisch Kleidt an, hat sich mit viel Gülden Ketten behangen, den Schnupftuch hat er im Gürtel stecken … Er hat die Finger all mit Ringen besteckt. Dabei spreiset er sich wie eine Katz, setzet die Füsse all nach der kunst, rücket den Mantel hin und wieder, wirfft das Maul auff, dreihet den Barth. Wie alle Pickelheringe redet Dymas bei Hof in wunderlich verschnör­ kelten Sätzen, die einfachsten und alltäglichsten Dinge werden in metapho­ rischen, geschraubten Redewendungen ausgedrückt.132 Daneben benutzt Pickelhering einige typische, teils grobe Redewendun­ gen, die auch Martins Dymas kennt, z.  B.

126 Vgl. auch die Szene des Bauern am Hof des Königs in „Der flüchtige Virenus oder Die getreue Olympia“, Szene II/10–12 und III/3. (Regensburg 1687) 127 z.  B. in Szene III/8: Dem armen Teufel [gemeint ist der Prinz] gehts wie mir. 128 Ebenso ruft die geistesumnachtete Hedregundis in „Der eyserne Tisch“ den Zigeunern zu: Ich bin nicht närrisch, wie ihr saget, sondern so verständig als ein Mensch sein mag. (Szene III/2, Blatt 23 r) 129 Vgl. auch den Junker König in Gryphius „Peter Squentz“, 1. Aufzug (Gesamtausgabe, Bd VII), S. 6); oder den Vetter König in „Der bestrafte Brudermord“, IV/5 (Ausgabe Cohn, Sp. 289). 130 „Jude von Venetien“, I/3 (Ausgabe Flemming, S. 211). 131 „Comoedia Hidbelepihal von Vincentio Ladislao“, Szene V/1, Wolfenbüttel 1594. In: Die Schau­ spiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, hg. von Wilhelm L. Holland (= Biblio­ thek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd 36). Stuttgart 1855, S. 526–527. 132 Vgl. dazu Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 403–404; ebenso Richter: Lie­ beskampf, S. 96–97.



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beim Element – (Dymas III/8 und V/12). Auch Phantasmo, der närrische Höfling in „Der bestrafte Brudermord“ (III/11, Ausgabe Cohn, Sp. 283) nennt Ophelia das elementische Mädchen. Morian, der Bösewischt aus dem „Titus Andronicus“, 2.  Akt (Ausgabe Cohn, Sp. 173), droht:  … ich schlag auff euch beyde, daß ihr die Elemente krieget. Dass auch Rodiman in der „Liebes Verzweiffelung“ diesen Ausdruck ver­ wendet (III/8), und dass auch Alidea bei ‚allen Elementen‘ schwört, deutet darauf hin, dass es sich um eine allgemein gebräuchliche Redewendung aus der Umgangssprache handeln könnte. Sie findet sich z.  B. auch in dem Schauspiel „Der flüchtige Virenus und die getreue Olympia“ (II/4); dort führt sich der verrückte Doktor Theophrastus mit den Worten ein: Lieber will ich in einem das Podagra als die unheilsame Elementische Lieb vertreiben / dann für diese ist kein Kräutlein gewachsen. ein dreck stirbt sie (Dymas V/10 und V/12: Ich wil dir ein dreck die Hund führen) In „Romio und Julieta“ (IV/4, Ausgabe Cohn, Sp. 373) meint Pickelhering ebenso: Ein treckh, es ist tausendtmahl schlimmer. Dieser Ausdruck war noch bis vor wenigen Jahrzehnten in Vorarlberg gebräuchlich. Hundts-Furt oder Berenheuter (Dymas III/8) ist nur in der Pickelheringsprache denkbar. Der Schimpfname Hundts-Furt begegnet schon in der „Tragi Comoedia“ der zweiten Schauspielsammlung von 1630, wo die lustige Figur Moron von sich selbst behauptet: O ich bin ein guter Hunßfott; ebenso im „Peter Squentz“ von Gryphius (III. Aufzug – Gesamtausgabe Bd 7, S. 23), in „Romio und Julieta“ (Szene I/4 – Ausgabe Cohn, Sp. 327) und im „Juden von Venetien“ (Szene I/3 – Ausgabe Flemming, S. 211). Beerenheuter war zu jener Zeit der beliebteste Soldatenschimpfname, der seinen Ursprung wahrscheinlich in einem alten Volksmärchen hat.133 Die für die übersteigerte und unechte Anteilnahme Pickelherings so typi­ schen gehäuften Ausrufe, z.  B. ‚O Unglück, o Jammer, o Elendt, o Wehe mir betrübten Menschen‘ („Aminta“, Richter: Liebeskampf 1630, S. 23), die auch in „Romio und Julieta“ die Pickelheringsprache charakterisieren134, sind in der „Liebes Verzweiffelung“ nicht vorhanden. 133 Zum Ausdruck „Bärenhäuter“ siehe vorliegende Arbeit, S. 64, Fußnote 388. – Vgl. dazu auch Grimmelshausens Erzählung „Vom Ursprung des Nahmens Bernhäuter“. In: Grimmels­ hausens Werke, Bd 1: Der abentheuerliche Simplicius Simplicissimus, hg. von Felix Bobertag (= Deutsche National Literatur, hg. von J. Kürschner, Bd 33). Berlin und Stuttgart o.  J., Ein­ leitung S. XLIII–LIV. 134 „Romio und Julieta“, z.  B. Szene IV/4 und V/3 (Ausgabe Cohn, Sp. 371 und 393).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Wie der Narr in der „Liebeskampf“-Sammlung von 1630 gebraucht Dymas lateinische Ausdrücke, um sich damit das Ansehen eines gebildeten Mannes zu geben: Ich habe mein Capitolium an den Bäumen erbärmlich zerstoßen. (II/9) Ich habe eine große Frage zu proportioniren … (III/3) Der König hat mich auch schlecht respectirt … (III/5) … sie haben mir längsten so ängstig gemacht, daß ich schier in die Hosen gepurgieret hette. (V/9) Ich sehe wohl, du hältest nicht viel auff meine Reputation. (V/12) Als Kontrast zu dieser pseudo-gelehrten Ausdrucksweise steht der naive Aberglaube des einfältigen Dymas, der sich beim Cornacel von Delphus (II/9 und V/12) sein Schicksal deuten lassen will. Als Vermittler dient ihm der Schwartzkünstler135 oder der schwartze Kühmacher (II/9), der ihn auf die Hilfe seiner 7 Sinne136 und auf seinen allmächtigen Verstandt verweist. Obwohl Dymas vom Hofmeister Fidelmo die von altersher höchst schimpfliche Arbeit des Hundeführens aufgetragen wird137 (IV/6), verliert er nichts von seiner inneren Werteinschätzung. Die Einladung Rodimans, an den königli­ chen Hof nach Creta mitzukommen, bläht den Hochmut des Pickelhering noch weiter auf, und die Schranken zwischen Adel und Bauernstand heben sich in seiner Vorstellung auf: Hätte ich gewust, daß Amoena nicht meine Schwester were, du [Rodiman] soltest sie nicht bekommen haben (V/12). In der ihm eigenen groben Art weist er nun die Arbeit des Hundeführens von sich: Ich will dir ein dreck die Hund führen (V/12). Voller Stolz betont er seine Verantwortlichkeit für die Ehre seines Vice-Schwagers und seiner Vice-Schwester (V/12). Es ist eine typische Eigenschaft des Wanderbühnen-Pickelherings und wohl jedes Narren, dass er Reden und Befehle seiner Gesprächspartner allzu wört­ lich versteht und auf keine Sprachsymbolik eingeht. Missverständnisse füh­ ren daher immer wieder zu falschen und komischen Handlungen des Narren. Dieses Nichtverstehen wird vom Pickelhering manchmal bewusst ausge­ spielt, um sich selbst auf Kosten anderer einen Spaß zu erlauben: Dymas 135 Ein Schwartzkünstler ist ein Zauberer. – Vgl. auch die „Tragico Comoedia von Conte de Monte Negro“, in deren Personenverzeichnis ‚Doctor Warmsemmel‘ als Schwartzkünstler bezeichnet wird. 136 Dieser dem Pickelhering vorbehaltene Ausdruck begegnet auch im „Peter Squentz“ des Andreas Gryphius (Gesamtausgabe, Bd 7, S. 5): … setzt eure 7. Sinnen in die Falten … 137 Vgl. noch 1787 Johann Wolfgang von Goethe: Philipp Neri, der humoristische Heilige (In: Italienische Reise, 3. Teil. Weimarer Ausgabe, I. Abt., Bd 32, Weimar 1906, S. 195): Es ist bekannt, daß Hundeführen, Hundetragen im Mittelalter überhaupt, und wahrscheinlich auch in Rom höchst schimpflich gewesen.



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ärgert mit seinen vielen Fragen wegen der Jagdhunde (IV/6) den Höfling Fidelmo und zieht damit das lachende Publikum auf seine Seite.138 Meist jedoch scheint es unsicher, ob sein Missverstehen auf Schelmerei oder Dummheit beruht. Martin liebt es, um solche sprachliche Missverständ­ nisse einen Dialog auszuspinnen und erst am Schluss zu verraten, was jeder der beiden Gesprächspartner wirklich meint.139 Beim Versprechen von einzelnen Wörtern bot sich dem Pickelhering Ge­ legenheit, Mimik und Gestik voll auszuspielen (Schlussverse des Dymas in Szene V/12). Die absichtlich inhaltlosen Verse am Ende des Spiels enthüllen noch einmal die pathetische Alltäglichkeit dieser Figur. Die beiden Manuskripte der „Liebes Verzweiffelung“ enthalten, ebenso wie die anderen Wanderbühnentexte dieser Zeit, keine Spielanweisungen für die Ko­ mödianten. Da die Manuskripte nur für die eigene Truppe bestimmt waren, erübrigten sich solche Hinweise. Doch lassen die wenigen Auftritte des Pi­ ckelhering vermuten, dass Dymas nicht einen plumpen und schwerfälligen Bauern darstellen sollte, wie er meist im späteren Volksstück gezeichnet ist. Er ist eher als quicklebendiger Narr vorstellbar, der die ganze Szene beherrscht und über einen unerschöpflichen mimischen Vorrat verfügt. Seine Komik beruht mehr auf Aktion als auf dem Wort; er nimmt damit Gottscheds An­ weisung vorweg: Das Lächerliche in den Komödien muß mehr aus den Sachen als Worten bestehen.140 Als Beispiel diene Szene V/5, die schon beim Lesen den Eindruck eines geschäftigen Dymas vermittelt, der mit seinem ‚Da – da – da‘ über die Bühne rennt, an die unmöglichsten Orte zeigt und beim Einwand des Ottonias: Er ist es gewiß nicht, betroffen stehenbleibt. Pickelhering musste die Mimik des Übereifers während des Suchens, die verschiedensten Gesten bei der Beschreibung des Fuchses beherrschen; er musste das Erstaunen in der Frage: Wen meint ihr dann, mitsamt seiner Erinnerung an den Fuchs lang­ sam aus dem Gesicht streifen können, bevor das Verständnis des ‚Ja – und ich meine einen Fuchs‘ in seiner Mimik breit werden durfte. In Szene V/10 musste – im Widerspiel zwischen dem gefühlvoll-pathe­ tischen Ton der Liebenden und dem geschäftigen Eifer des Narren – dessen völlige Uneinfühlbarkeit in das Glück des Prinzen glaubhaft werden.

138 Ebenso verulkt Pickelhering im „Juden von Venetien“ (IV/4 – Ausgabe Flemming, S. 247–248) durch sein andauerndes Missverstehen den venetianischen Ratsherrn Florello, der ihn nach der Herkunft seines Herrn aushorchen will. 139 „Liebes Verzweiffelung“, Szene V/5, oder am Schluss von Szene V/10. 140 Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, 2. Theil, I. Abschnitt, XI. Hauptstück, S. 652.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die Figur der lustigen Person durfte sich weder des höfischen Pathos noch der sentimentalen Schwärmerei des Schäfers bedienen, ihre Rolle verlangte die Beherrschung aller mimischen und gestischen Ausdrucksmöglichkeiten. Martin formte diese Pickelheringsfigur wohl nach dem Können des Komö­ dianten, der sie spielte, und verrät damit, dass die Mitglieder seiner Truppe den Gebärdenduktus der damaligen Zeit beherrschten. Die Tradition der Pickelheringrolle kannte einen größeren Vorrat an komi­ schen Situationen, die sich in die verschiedensten Stücke einflechten ließen, ohne deren Charakter zu verändern. Diese ‚Lazzi‘, wie sie seit Ende des 17. und im 18. Jahrhundert genannt wurden, kristallisierten sich schon in den ersten Aufführungen der englischen Schauspieler in Deutschland heraus und wurden später zu einem großen, ziemlich mechanisch angewandten Appa­ rat.141 Zu den beliebtesten Lazzi gehörte das mehrmalige Gehen und Wieder­ kommen der lustigen Person: Pickelhering verließ mit irgendeinem Auftrag seines Herrn die Bühne, kam jedoch sofort wieder, um etwas Vergessenes zu holen, nach etwas zu fragen oder sonst noch eine Bemerkung zu machen. Creizenach142 verweist in diesem Zusammenhang auf Shakespeares „Antonius und Kleopatra“143 und auf Ayrers Fasnachtspiel „Die wiedervereinigten Buler“144. Auch Gryphius zeigt in seiner „Absurda Comica“ dieses wiederholte Hin- und Herlaufen nach Pickelheringsart: Nachdem Thisbe ihrem geliebten Pyramus eine gute Nacht gewünscht hat, will sie sich entfernen, kommt aber mehr­ mals mit verschiedenen Fragen wieder zu Pyramus zurück, bis dieser endlich vor Thisbe die Bühne verlässt.145 Bestimmt muss auch die Szene mit den Hündchen in der „Liebes Verzweiffelung“ (IV/6) als ein ähnliches Kommen und Gehen des Pickelhering verstanden werden. Eine sprachlich ähnliche Szene gibt es in der „Comoedie von Aminta und Silvia“ (Szene IV/2) aus der zweiten Schauspielsammlung von 1630, in der

141 Baesecke (Das Schauspiel der englischen Komödianten in Deutschland, S. 63) verweist in diesem Zusammenhang auf Stranitzky (ca. 1676–1726), der die Komik seines Hanswursts allerdings mehr durch das Wort als durch Aktion steuerte. 142 Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. C–CI. 143 Akt V, Szene 2: Der Narr bringt das Körbchen mit den Schlangen und warnt Kleopatra mehrmals vor deren Gefährlichkeit. Diese antwortet jedesmal ‚get thee hence‘ oder ‚get thee gone‘ oder ‚farewell‘, bis der Narr nach der fünften Verabschiedung endlich geht. Offenbar hat er sich jedesmal, wenn ihn Kleopatra entließ, der Tür genähert und ist dann wiedergekommen. 144 Sophie trägt dem Jahn Panser auf, Wein zu holen. Jan kehrt öfters mit verschiedenen Fragen zurück: Ob er den Wein vielleicht in einem anderen Wirtshaus holen könne, wieviel er holen, was für einen Wein er bringen, welches Gefäß er mitnehmen solle. 145 Gryphius: Absurda Comica oder Herr Peter Squentz, III. Aufzug (Gesamtausgabe, Bd 7, S. 25–26).



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die lustige Person Schrämgen den Aminta durch Wiederholung der Fragen und ausweichende Antworten hinhält: Aminta: Was bist du denn vor einer? Schrämgen: Ich bin eine Mannspersohn. Aminta: Das seh ich ohn diß wol, ich frage was du vor ein Landsmann seyest? O, was ich vor ein Landsmann bin, ich bin daher wo mein kleiner Schrämgen: Bruder ist. Aminta: Wo ist er dann her? Schrämgen: Wo ich her bin. Aminta: Wo seit ihr dann alle beyde her? Schrämgen: Herr wir sind alle beyde auß einem Vaterlandt. So sehr der deutsche Pickelhering in Abhängigkeit von der lustigen Person der Engländer stand  – die Tradition des Improvisierens, die vorher dem Clown der Commedia dell’Arte und der englischen Komödiantenbühne in Deutschland vorbehalten war, wird schon Mitte des 17.  Jahrhunderts auf der deutschen Wanderbühne zur Seltenheit. Noch in der ersten englischen Schauspielsammlung von 1620 sind die Reden des Pickelhering der Im­ provisation überlassen. Sie standen wohl in Zusammenhang mit aktuellen Orts- und Zeitereignissen und schafften für Publikum und Bühne ein ge­ meinsames begrenztes Forum. Jeder fühlte sich in diese Welt einbezogen, die Pickel­hering aufbaute. Seine anonyme Welt erhielt damit jeden beliebigen gewünschten Namen, und die Meinung des Publikums fand in Pickelherings Worten ihre offene oder heimliche Bestätigung. Zur Zeit Martins war es kaum noch üblich, den Redepart der lustigen Person dem Zufall zu überlassen. Schon Shakespeare hatte sich gegen das Extemporieren des Narren gewandt: Die bei euch die Narren spielen, laßt sie nicht mehr sagen, als in ihrer Rolle steht, rät Hamlet den Komödianten am Hof des Dänenköngs.146 Pickelherings Reden wurden nun im Wanderbühnendrama ebenso ge­ nau festgelegt wie die der anderen Personen. Damit verlor das Spiel seine Ab­ hängigkeit von der Person des Schauspielers, der die lustige Figur verkörperte und der bei den Engländern im Mittelpunkt der Aufführung gestanden hatte. Das Drama wurde auch für andere Truppen spielbar. Pickelhering verlor je­ doch den privaten einmaligen Charakter. Sein genialer Witz, der Schauspieler und Narrenfigur zu einer einzigen berühmten Größe verschmolzen hatte, so dass sogar in den erhaltenen Urkunden oft nur Jan Bouset anstatt des persön­ lichen Darstellernamens verzeichnet wurde – diese Schlagfertigkeit wurde nun zum Schema. Pickelhering wurde zum Typus, der zwar verschiedene 146 Shakespeare: Hamlet, III/2.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Namen hatte (Dymas), der aber gleichbleibende Eigenschaften verkörperte. Erst den Wiener Hanswurst-Darstellern Stranitzky und Prehauser gelang es, aus dieser Tradition wieder herauszutreten und durch ihren aktuellen Witz zur wichtigsten und handlungsbestimmenden Person auf der Bühne zu wer­ den. Die Engländer hatten die ersten berühmten Narrenfiguren für die Deut­ schen ins Leben gerufen. Jan Posset, Stockfisch und Pickelhering waren Per­ sönlichkeiten, die die Welt nach ihrem Willen formten und verlachten, das Publikum ergötzten und zugleich seine Schwächen verspotteten. Die deut­ schen Wanderkomödianten übernahmen diese lustigen Figuren, doch wurde Pickelhering auf ihrer Bühne, die ja noch aus anderen Theatertraditionen schöpfte, jede Entwicklungsmöglichkeit genommen. Der tolerante, weise, um alles Kleinliche des Lebens wissende und doch nicht verurteilende eng­ lische Narr, der in Shakespeares Lustspielen agierte und im Spiel der ersten englischen Wanderkomödianten noch erahnbar gewesen war, wurde zum Vertreter einiger weniger Sinnbezüge menschlicher Existenz; er vergröberte und stagnierte in dem einseitigen Verhaltensschema von Hochmut und Se­xua­lität. Er war nicht mehr jener im Lachen weinende, in der Trauer lä­ chelnde Narr Shakespeares, der niemandem angehörte und dessen Witz nur seiner eigenen Weltordnung diente. Pickelhering, so wie ihn Martin auf der Wanderbühne erlebt und in seinem Werk dargestellt hat, ist nun reduziert auf einige wenige isolierte, dafür extreme Wesensmerkmale. Seine auffallendste und typischste Eigenschaft ist die unersättliche Fressgier und niedere Leidenschaft für alles Weibliche. Schon in den frühesten grie­ chischen Komödien wird Denken, Fühlen und Handeln der lustigen Person von den triebhaften Vitalelementen beherrscht.147 Es gibt wohl kein Wanderbühnendrama, das diese bezeichnende We­ sensart des Narren nicht bei jeder Gelegenheit betont und in derben Bildern ausmalt. So muss etwa Pickelhering im „Juden von Venetien“ auf einer Seereise die Folgen seiner Gefräßigkeit erleiden, ist jedoch an Land sofort wieder zum Essen eines gewaltigen Kalbs-braten bereit.148 Auch der arme betrübte Liebhaber Dymas findet Trost im Gedanken an das Essen, er will sich vor lauter Bekümmernuß zu Todte freßen, und solte es nichts andres alß lauter Pickelhäring seyn.149 147 Hinck (Das deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts, S. 41) sieht darin die Paradoxie der Komik, dass sie sich zwar an den Intellekt wende, aber die Aufmerksamkeit weitgehend an das Physische fessle. Indem sich alles vom moralischen Forum auf das Physische über­ trage, werde jene Indifferenz und jene innere Entwicklungslosigkeit ermöglicht, deren der komische Typus bedarf. 148 „Jude von Venetien“, II/3 (Ausgabe Flemming, S. 222). 149 „Liebes Verzweiffelung“, II/9. – Auf diese Speise der lustigen Person wird in mehreren Wander­ bühnendramen angespielt, z.  B. im „Juden von Venetien“, II/3 (Ausgabe Flemming, S. 221).



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Die Liebe des Narren zielt nur auf das Äußerliche. Dymas kennt nicht die edlen Motive wahrer Liebe, sondern sein ganzes Denken kreist um die Er­ füllung seiner eigenen sexuellen Leidenschaft. Er selbst nennt sich in seine Schwester verliebt alß wie ein hungeriger Hund in einen fetten braden (II/9, ebenso III/5). Diese niedere Sexualität des Pickelhering wird in den Wanderbühnendramen zum Konstrastelement gegenüber dem Pathos der höfischen Liebe. Pickel­ hering zieht alle Register seiner groben niederen Ausdrucksart, um den Un­ terschied zwischen materieller und ideeller Liebe zu betonen und damit – dem Bedürfnis des Zuschauers entsprechend – die galanten Liebeserlebnisse aus dem höfisch abgehobenen Umfeld in Beziehung zu setzen mit der weni­ ger schönen Wahrheit, die dem ‚kleinen Mann‘ gehörte. Gottsched sieht in Pickelhering das Geschöpf einer unordentlichen Einbildungskraft150, und auch Tieck beklagt die Unfläthereyen in den frühen deut­ schen Theaterstücken, die man bey keinem Volke in diesem Übermaße und in solcher Grobheit finde.151 Es darf jedoch nicht vergessen werden, dass der barocke Mensch im Anschluss an die Greuel des Dreißigjährigen Krieges mit ande­ ren Maßstäben urteilte und dass die Sinnenfreude in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts jene grauenhaften Erlebnisse kompensierte. (Ein Vergleich mit den Jahren nach den beiden Weltkriegen drängt sich auf!). Man bekannte sich nun zum vollen lebendigen Leben und wollte es in all seinen Extremen auskosten. Aus dieser Sinnenlust wurden die herrlichen Barockbauten Wiens und Salzburgs geboren, die überirdisch schönen Kirchen und Klöster. In diesem Drang, das ganze Leben in Besitz zu nehmen, wurzelten auch die wis­ senschaftlichen Erfolge der Gelehrten, die die moderne Naturwissenschaft ins Rollen brachten. Diesem Bedürfnis nach Ausdehnung in beide Richtungen, in die ­Extreme des Guten, Edlen wie in jene des Niedrigen und Hässlichen, entsprach die Gestalt des Pickelhering, ein in seiner Dummheit, Überheblichkeit und Er­ folglosigkeit beinahe rührendes, beinahe bemitleidenswertes Geschöpf. Es lässt jene uneingestandene Seite jedes Menschen öffentlich werden, die er auch vor sich selbst gerne verbirgt, die er aber im Narrengewand ungestraft und ohne innere Betroffenheit ansehen kann. Sein Bild kehrt in der dramatischen und epischen Dichtung des Barock in den verschiedensten Gestalten und Schattierungen wieder, als „Landstört-

150 Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Theil, I. Abschnitt, XI. Hauptstück, S. 654. 151 Tieck: Deutsches Schauspiel, Vorrede, S. X; ebenso Tieck: Anfänge des deutschen Theaters. In: Kritische Schriften, I. Theil, S. 331.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

zer Gusman von Alfarche oder Picaro“152 oder als „Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche“.153 Dass man darüber lachen durfte, wirkte befreiend und öffnete dem Positiven Raum. Dem modernen Schauspiel ist die Unterscheidung zwischen dem Narren und den übrigen dramatischen Personen weitgehend fremd geworden. Was allein Pickelhering vorbehalten war, ist nun jedem erlaubt, der vorgibt, auf der Bühne die Wahrheit des Menschen zu zeigen. Die Hülle des Verborgenen ist gefallen, und die unbedingte Forderung nach psychologischer Wahrheit ersetzt das Narrenkleid. Pickelhering durfte seinen Zuschauern den Spiegel ihres Selbst vorhal­ ten, es schmerzte nicht. Es wurde ihm verziehen, denn er hob die menschliche Unzulänglichkeit in einen Bereich, den jeder für sich selbst leugnen durfte. Er war ein Narr, der die Schwächen der Allgemeinheit auf sich nahm, damit jene darüber lachen konnte. Lag darin nicht mehr Toleranz und mindestens ebenso viel versteckte Realität wie im ernsthaften Schauspiel der Gegenwart?

152 Aegidius, Albertinus: Der Landstörtzer: Gusman von Alfarche oder Picaro genannt. Aus der Übersetzung von Mateo Alemáns „Cuzmán de Alfarache“ (1599). Erstdruck 1615. Teilweise abgedruckt in: Zeitalter des Barock, hg. von Albrecht Schöne, S. 954–960. 153 Grimmelshausen: Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche, hg. von Wolfgang Bender (= Grimmelshausen. Gesammelte Werke in Einzelausgaben, Bd 3, hg. von Rolf Tarot). Tübingen 1967.

Dramatischer Aufbau Das Gesetz der Spannung Wie im Drama der englischen Komödianten, so war auch im deutschen Wanderbühnendrama der rasche, spannungsgeladene Ablauf eine Grund­ bedingung für dessen Wirkung, ein Kriterium für seine Annahme durch das Publikum geworden. Nicht personarum imitatio, sondern actiones wurden auf die Bühne gefordert. Noch das geistliche Drama des Mittelalters, das Spiel des Hans Sachs und das Schuldrama pflegten zwischen den dramatischen Bühnenhandlun­ gen den ausruhenden epischen Berichtstil. In der Komödie der englischen und deutschen Komödianten reihte sich ein dramatischer Höhepunkt an den anderen. Es gab kein Ausruhen, kein ruhiges Dahinwellen der Handlung. Es gab auch nicht die verdeckte Dramatik der Idylle, die entscheidende Situa­ tionen hinter die Bühne verlegte und nur deren Echo in den Vordergrund dringen ließ. Übernommene Dramen wurden daher zu extremen Aktions­ spielen umgearbeitet. Ein Beispiel bietet Andreas Gryphius’ „Papinianus“, der auf der Bühne der Komödianten alles Reflektierende verliert und zu reiner Aktion umgearbeitet ist. Ebenso signifikant zeigt sich der Unterschied zwi­ schen dem epischen Schauspiel „Der verlorene Sohn“ von Hans Sachs (1556) und der auf der Komödiantenbühne dargestellten echten Wirtshaus- und Festmahlszene, die den Bericht des Hans Sachs in Aktion verwandelt. Einzelne ruhige Szenen und lange Monologe in den Vorlagen wurden gestrichen oder gekürzt, es sei denn, sie gaben dem Komödianten Gelegen­ heit, sich selbst zu exponieren. Anstelle eines einzigen oder weniger großer Gipfelpunkte der Handlung bevorzugte das Komödiantenstück mehrere Brennpunkte des Geschehens, so dass sich der dramatische Verlauf auf ziemlich gleichbleibender Span­ nungshöhe hielt. Emotionale Erholungspausen für den Zuschauer boten die Zwischenspiele: Fecht-, Tanz-, Musikeinlagen, oder es wurde – wenn die Dramenhandlung einen gefühlsmäßig besonders belastenden Höhepunkt erreicht hatte – ein Zwischenspiel des Pickelhering eingefügt.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Parallelhandlungen Die Spannung im Geschehnisablauf wurde auch durch den häufigen Wech­ sel und die Kontrastierung von Teilen der Haupthandlung gegenüber jenen der Gegenhandlung erreicht. Während diese dramatische Technik im frühen deutschen Wanderbühnendrama jedoch zu einer Zersplitterung der Hand­ lung, zu einem losen Aneinanderreihen von effektvollen Szenen führte, zeigt sich bei Martin schon eine für seine Zeit ungewöhnliche Komplexität in der Handlungsführung. Die einzelnen Szenen werden aus den vorhergehenden motiviert und stehen in logischem Zusammenhang mit dem Ganzen. Das Drama der „Liebes Verzweiffelung“ verläuft in einer Haupt- und zwei Parallelhandlungen, die das Problem der Geschwisterliebe in verschiedenen Lebenssphären variieren: in der des Hofes (Myrandon – Evandra), der des niedersten Gesellschaftskreises (Dymas – Amoena) und jener gemischt hö­ fisch-schäferlichen Sphäre (Rodiman – Amoena), die auch in Shakespeares „Wintermärchen“ aufscheint. Diese mehrschichtige Handlungsführung begeg­ net in sehr vielen Wanderbühnendramen, z.  B. im „Vermeinten Prinzen“ (1665) des Kaspar Stieler, in dem das Liebesverhältnis von Scaramuza und Camille ebenso als komisches Gegenstück zu der dreifachen höfischen Beziehungs­ problematik dient. Harsdörfffer nennt solche Parallelhandlungen viel gebräuchlicher als die einschichtige Handlung, weil das Gemüt durch seltne Verwirrung und unerwartete Begebenheit bestürtzt / deß Ausgangs mit Verlangen erwartet. Besagter Nebeninhalt muß mit der Hauptsache Kunstrichtig verbunden / und nicht bey den Haaren herbey gezogen seyn.“1 Während das barocke Kunstdrama von einem Problem-Mittelpunkt aus seine Handlung in einem großen Spannungsbogen ausstrahlen lässt, zeigt die „Liebes Verzweiffelung“ keinen eindeutigen Höhepunkt im Handlungsge­ schehen: Sowohl die Rodiman- wie auch die Myrandon-Handlung fluten von einem Gipfelpunkt zum anderen und gliedern das dramatische Geschehen dadurch in einzelnen Spannungselemente. Myrandon – Evandra-Handlung Die lange Exposition der ersten Szene bereitet den Verzweiflungsausbruch Myrandons, einen ersten dramatischen Gipfelpunkt, vor. Ebenso leitet der Traum Evandras und ihr Gespräch mit Alidea (I/3 und I/4) über zur Cas­ sianus-Handlung. Der Spannungsbogen erreicht seinen Höhepunkt in der

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Harsdörffer: Poetischer Trichter, II. Theil, S. 75.



Dramatischer Aufbau

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Entdeckung der scheinbaren Untreue Evandras im Garten, als der König sein Schwert gegen seine Tochter erhebt. (I/10). Das zweite Handlungselement der Myrandon-Handlung beginnt mit der Vorbereitung zum Kampf gegen Cassianus. In der Begegnung der Lieben­ den und in der Entdeckung von Evandras Unschuld zeigt sich der dramati­ sche Gipfelpunkt der Myrandon-Handlung (III/2). Das dritte Handlungselement wird durch die Entdeckung der wahren Herkunft Evandras durch Alidea vorbereitet (III/3). Hier liegt der Wende­ punkt des Geschehens, sowohl der Rodiman- als auch der Myrandon-Hand­ lung, die sich nun zum Guten entwickeln kann. Die Verzweiflung der Lieben­ den verliert dadurch, dass für das Publikum die Ursache dieser Verzweiflung bereits eine positive Klärung erfahren hat, zwar an Gewicht, nicht aber an Spannung. Die Vorbereitung zur Jagd dehnt den letzten Spannungsbogen bis zum Gespräch Evandras mit Rodiman und zu den beiden letzten Gipfelpunk­ ten, der Begegnung der Liebenden und ihrer Vereinigung vor dem König. Die Rodiman – Amoena-Handlung setzt erst im II. Akt (4. Szene) ein. Auch hier zieht sich der Spannungsbogen weit über das Gespräch der Liebenden und die Gespräche mit Damon hin, bis er im Verlöbnis der beiden Liebenden (II/12) und in dem Augenblick, da sich Rodiman als Prinz zu erkennen gibt, seinen ersten Höhepunkt erreicht. Dieser Hauptteil der Rodiman-Handlung bewegt sich in einer idyllischen, wenig spannungsgeladenen Atmosphäre, die dem Schäferdrama entspricht. Von nun an bleiben der Rodiman-Handlung nur noch einzelne, nicht aufeinanderfolgende Szenen, die zum überwiegenden Teil mit der Myran­ don-Handlung verflochten sind. Die einzelnen Kulminationspunkte der Ro­ diman – Amoena-Handlung zeigen auf Grund ihrer Abhängigkeit von der Haupthandlung mit Myrandon nur gemäßigte dramatische Effekte: 1) Rodiman entdeckt in einem Monolog das Problematische seiner Liebe und stellt sich damit in Parallelität zu Myrandons Schicksal (III/4). 2) Amoena verzweifelt, verlässt den Vater und flüchtet in die Wildnis (III/7). 3) Während sich Rodiman gemeinsam mit den anderen beiden Liebenden, Myrandon und Dymas, seiner Verzweiflung überlässt (III/8), bereitet sich durch die Lösung des Myrandon-Problems auch die Wendung sei­ nes eigenen Geschickes vor. Aus der Begegnung Rodimans mit Evandra und jener Amoenas mit Frondalpheo folgert die Vereinigung der Lie­ benden vor dem König. Die Rodiman-Handlung hält sich also nach einem ruhigen schäferlichen Lie­ besduett mit Amoena immer auf gleicher Spannungshöhe und entbehrt die grellen dramatischen Effekte, während die Myrandon-Handlung von Höhe­ punkt zu Höhepunkt drängt.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Als dritte Parallelhandlung können die komischen, teils groben, teils witzigen Szenen mit Dymas gewertet werden. Die ernsthaft-höfische Liebeshandlung wird der niederen Sphäre einer rein körperlichen Begehrlichkeit gegenüber gestellt. Diese Persiflage höfisch-erotischer Liebe durch den Pickelhering be­ gegnet in vielen Wanderbühnendramen des 17.  Jahrhunderts2, in Blümels „Jude von Venetien“ wird sie sogar zum Hauptthema des Stückes. Neben der zeitgemäßen, äußerst groben Ausführung dieses Themas in anderen Wander­ bühnenstücken überrascht bei Martin die verfeinerte, witzige Gegenüberstel­ lung des höfischen und des bäurischen Liebhabers in Szene III/8. Die komische Dymas-Handlung entbehrt daneben aller Höhepunkte und dient nur der Belustigung und Entspannung des Publikums.

Kontrastwirkungen Indem der tragischen Haupthandlung eine komische Persiflage-Handlung gegenübergestellt wird, ergibt sich eine Kontrastwirkung, die besonders dem Wanderbühnendrama als bevorzugte mimisch-dramatische Gestaltungsweise eigen ist. Sogar die lustige Person Kilian Brustfleck spielt in den Marionet­ tenspielen Geißlers gemeinsam mit einer Kontrastfigur, dem französischen Diener Chambre. Die Kontrastwirkung polarer Seins- und Erlebnisformen ist ein allgemeines Kennzeichen barocker Darstellungsweise. Sie entspricht der Erlebnisart des Barockmenschen und zeigt sich auch in anderen Künsten als Licht- und Farbkontrast, als Nebeneinander von Heiligen und Tölpeln, als Darstellung des Hässlichen, Alten neben pompöser Zurschaustellung höfi­ schen Selbstbewusstseins in den Bildern Rembrandts. Die Gegenüberstellung höchster und niedrigster Lebensauffassung zeigt das Bestreben des Barockmenschen, in der Umfassung der Pole die Fülle des Seins zu begreifen. Überall dort, wo der Pickelhering Dymas in die ernste Situation der Haupthandlung eingreift, bildet dieser Konstrast einen drama­ tischen Effekt und findet entsprechenden mimischen Ausdruck: Schon das erste Auftreten des Dymas bei Hof (I/11) setzt dem Moralgesetz des Königs (I/10) das grobe deutliche Verlangen des Bauern nach dem Liebesgenuss mit seiner Schwester Amoena entgegen. – In die verhaltenen schäferlichen Liebesszenen Amoenas und Rodimans bricht plötzlich Dymas (II/9) mit bewusst groben und niedrigen Andeutungen ein:

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Rollenhagens „Amantes Amentes“ (1609) wird in der „Comoedia Von der Königin Esther und hoffertigen Haman“ unter dem Einfluss der englischen Wanderkomödianten zur derben Persiflage der sentimentalen höfischen Liebeshaltung, indem die Parallelhandlung zwischen Knecht und Magd jede große Liebesempfindung in niedere Erotik verkehrt.



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Ich bin so sehr in meine Schwester verliebet, alß wie ein hungeriger Hund in einen fetten Braden. (II/9) Auch die unerkannte Anwesenheit Myrandons am Hof seines Vaters wird unterbrochen durch das Auftreten des Dymas, der vom König die Erlaubnis für seine Liebe zu erlangen hofft (III/2). Die Kontrastwirkung zu Myrandon, den dasselbe Problem quält, ist offensichtlich. Auch der Monolog des Dymas in Szene III/5 ist als eine vom Dichter gewollte direkte Persiflage der vorher­ gehenden Monologe der beiden Prinzen zu verstehen. Die intensivste Kontrastwirkung erreicht der Dichter in Szene III/8, in der sich die pathetische Verzweiflungsstimmung der Prinzen in die niedrige Erlebniswelt des groben Narren übersetzt, so dass sich hohe und niedere Liebe wie ein Spiegelbild gegenüberstehen. Es erforderte vom Dichter eine beachtliche Sprachbeherrschung, denselben Gedanken in zwei verschiedene psychische Erlebnissphären zu transponieren. Die Kontrastwirkung vertieft sich umso mehr, je mehr sich des Pickel­ herings Worte der höfischen Ausdrucksweise der Prinzen anzupassen su­ chen: Die Ritter nennen sich unglückseelig – so sieht sich auch Pickelhering als unglückseeliger Narr. Den Prinzen aus dem hohen Ritters Orden stellt sich Dymas als einer aus dem hohen Hirten Orden vor. (III/8) Durch seine Bemerkung: Dem armen Teufel gehts wie mir (III/8), unter­ bricht der Narr nicht nur die Erzählung Myrandons, er zerstört zugleich jedes aufkeimende Mitgefühl des Zuschauers und reißt ihn bewusst aus der höfi­ schen Erlebniswelt auf den Boden seiner eigenen alltäglichen Begrenztheit. Dramatische Höhepunkte auf der Bühne, wie der vermeintliche Tod Evandras, der alle Anwesenden zutiefst erschreckt und Myrandon – nach dem Muster Romeos – zum Selbstmord zu treiben scheint (V/10), findet bei Dymas ein äußerst nüchternes Echo: Ein dreck stirbt sie, sie schlafft nur. Sie hat die gantze Nacht nichts geschlaffen.3 Ebenso wird durch die Gegenüberstellung von Szenen, in denen wichtige Entscheidungen fallen, und solchen mit nebensächlichen Tändeleien des Pi­ ckelhering (Beispiel: IV/5 und IV/6) eine Kontrastwirkung erzielt, die vom Dichter gewollt ist: Dymas’ komische Zwischenspiele begegnen immer zwi­ schen tragischen und stimmungsmäßig bedrückenden Szenen.



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Vgl. dazu die ähnliche Stelle in „Romio und Julieta“, Szene V/3: Fraw: Achliebster Herr und Gemahl, Julieta ist dodt. Pickelhering: Ist dan das so grosse sach, das ein Mahl ein Mensch stirbt? – oder, nachdem er Julieta scheinbar tot auffindet (V/3): O Ellend, o noth, o barmhertzigkeit, o mausericordia, Julieta hat sich zu todt gestorben, o erschröckliche bost Zeitung, sie liegt auß gestreckt mit Händt undt Füeßen, vnd ist so steuff alß ein gefrohrner stockfisch. – oder in Szene IV/4, als Pickelhering Julieta vom Tod ihres Vetter Tibold berichtet: … Weither kein vnglickh alß das er todt ist wie ein stockfisch. (Ausgabe Cohn, Sp. 393 und Sp. 373)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Wenn auch in den Szenen mit Pickelhering die Konstrastwirkung am offensichtlichsten zutage tritt, zeigt sie sich in Martins Drama doch als ein allgemein dramatisches Formmittel, das auch in verschiedenen anderen Sze­ nen vertreten ist: So wird dem Jammer Evandras über die Abwesenheit My­ randons und ihrem letzten Satz in Szene I/4: Drumb eyl ich durch den Todt zu meinem Liebsten fort, zu Beginn der folgenden Szene Cassianus’ Freude ent­ gegengestellt: Nun ist mein Hertz erfrewet, denn der Printz ist verreiset … (I/5). Und auch der Konstrast zwischen dem bösen Intrigenplanen des Cassianus (I/7) und dem unmittelbar darauf folgenden Selbstgespräch Evandras, das dem Blühen im Garten ringsum und der Traurigkeit zarten Ausdruck verleiht (I/8), ist sicher nicht zufällig. Das Prinzip des Gegensatzes und der Parodie war dem Wanderbühnendich­ ter schon aus den Werken des Mittelalters bekannt. Martini4 wertet diese Ähnlichkeit dichterischer Ausdrucksweise als Übereinstimmung des spätmit­ telalterlichen Lebensgefühls mit jenem, das im 17. Jahrhundert in einigen Schichten, vor allem dem bodenständigen Kreise, verdichtet durchbrach.5 Schon um 1260 benutzte Konrad von Würzburg in „Der Welt Lohn“ den Kontrast als poeti­ sches Gestaltungsmittel. Das um 1460 entstandene „Lochheimer Liederbuch“ setzt seiner zarten Liebeslyrik parodistische Schlussscherze hinzu, die die Stimmung des vorher Gesagten auf den Boden der Realität zurückverweisen, vgl. z.  B. den Schluss des Liedes: und dessen parodistische Ergänzung: Nr. 24: Du liebest mir vnd anderß kayne mehr

praeter septuaginta octo vel paulo plus (= nebst achtundsiebzig oder auch ein klein wenig mehr)

Nr. 31: wann trew vnd stet hye gefunden wirt

Als ein lauß an ainer ungrischen gappen6

Nr. 14: [nach einem gefühlvollen Abschiedslied steht als Nachsatz:]

hab urlaub, du allter flederwisch7

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Martini, Fritz: Dichtung und Wirklichkeit bei Oswald von Wolkenstein. In: Dichtung und Volkstum. Neue Folge des Euphorion, Bd 39. Stuttgart 1938, S. 410. Vgl. dazu auch Ranke, Friedrich: Zum Formwillen und Lebensgefühl in der deutschen Dich­ tung des späten Mittelalters. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Jg 18, Halle a.d. Saale 1940, S. 312–313. gappe = Kappe, Mütze. hab Urlaub: Du kannst jetzt gehen; flederwisch = federwisch (Federn an einem Stab, hier: Federkiel, Schreibgerät))



Dramatischer Aufbau

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Nr. 35: [Die Liebesklage:] Ich hab in [schließt mit:] Nu erparms got von Hauß zu Hauß.8 allen zeyten verlangen nacht vnd tag

Dramatische Wirksamkeit der Anfangs- und der Schlussszene Die Exposition war bei den Wanderbühnendramen mit ihrer Fülle kompli­ zierter Handlungsverflechtungen weitaus wichtiger als bei den Dramen der späteren Zeit. Das Publikum musste durch eine schnelle Information mit den Motiven und Problemen des Schauspiels und mit der Funktion der auftreten­ den Personen bekanntgemacht werden. Im frühen Wanderbühnendrama ge­ schah dies, indem über die Eigenschaften und Herkunft einer Person durch andere berichtet wurde, oder indem sich die dramatischen Personen selbst dem Publikum vorstellten. Die „Liebes Verzweiffelung“ weist schon in eine spätere Zeit, ihre Perso­ nen werden durch ihr Handeln charakterisiert, ihre Funktion im Drama ist schon bei ihrem ersen Auftreten klar erkennbar und ändert sich während des Spieles kaum mehr: Frondalpheo zeigt schon zu Beginn sein unerbittliches Ehrempfinden. Die ausgleichende Art des Ottonias, das anmaßende Wesen Fidelmos, das unglückliche Schicksal des verliebten Prinzen Myrandon wird schon in der ersten Szene als Muster für das ganze Spiel entworfen. Nicht die Personen sind es also, die den Zuschauer verwirren könnten, denn sie sind in eine festgelegte Schablone gezwängt, typische Vertreter einer ein­ zigen Leidenschaft und ohne innere Entwicklung. Es war die Handlung selbst, ihre vielfache Verflechtung in ein Neben-, Über-, Ineinander, die dem Publikum das Verständnis für das Dargestellte erschwerte und vom Dichter zusätzliche Information forderte. Er musste Erklärungen einschalten9, Berichte in die Vergangenheit10 oder in die Zu­ kunft einblenden11, durch Vorahnungen oder Träume das Kommende vor­ 8 9

10 11

Das Locheimer Liederbuch nebst der Ars Organisandi von Conrad Paumann. Aus den Ur­ schriften kritisch bearbeitet von Friedrich Wilhelm Arnold. Wiesbaden 2. Aufl. 1969, S. 128, 136, 111, 141. Cassianus klärt das Publikum in einem langen Selbstgespräch über sein eigenes Geschick und seine Intrigenpläne auf (I/5). – Auch der Page spricht laut seine Gedanken aus, die das Für und Wider seiner Tat abwägen sollen (I/9). – Myrandon erzählt ausführlich von seiner Flucht (I/12). – Auch Evandras und Amoenas Monologe sind dazu bestimmt, das Publikum über ihr Schicksal zu informieren (I/13, V/1). Sowohl Amoena (II/2) als auch Rodiman (II/4) erzählen dem Publikum von ihrer Herkunft und charakterisieren ihren Platz im Drama. Myrandon, Rodiman und Dymas erzählen jeder für sich, dass sie sich in die Wüsteney begeben und dort den Tod erwarten wollen (III/3, III/4, III/5). Fast in jeder Szene wird das Publikum über zukünftige Pläne der handelnden Personen informiert.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

bereiten12, so dass es vom Publikum gleichsam erwartet und daher besser verstanden werden konnte. Dieser besseren Verständlichkeit diente auch das Zusammenraffen des dramatischen Inhalts auf einzelne wirksame und dra­ matische Höhepunkte. Das erleichterte dem Publikum den Überblick über das Geschehen und ermüdete nicht durch aktionsarme Szenen, die weder in den künstlerischen Absichten des Dichters noch in der Erwartungshaltung des Zuschauers gelegen hätten. Die erste Szene der „Liebes Verzweiffelung“ zeigt die ganze prächtige Ausstat­ tung, die der Wanderbühne zur Verfügung stand. Es war ein Merkmal der Velthenschen und Nachvelthenschen Dramen, dass sie mit dem Schauge­ pränge eines Kronrats, eines Triumpfzuges oder ähnlichen aufwendigen Szenerien begannen. Die Dramen früherer Zeit konnten sich dieser Technik nicht bedienen, da die Mittel ihrer Ausstattung zu begrenzt waren, als dass sie zu Beginn einen später nicht mehr überbietbaren Prunk auf die Bühne zu stellen wagten. Das Schaugepränge und der großartige Aufwand an Sze­ nerien und Kleidung blieb in diesem Fall der Schlussszene des Dramas vor­ behalten, die dem Publikum als außergewöhnlicher Eindruck in Erinnerung bleiben sollte. Martin verlegt sein Schlussbild in die anspruchslose Szenerie des Waldes. Doch vereinigt auch er zuletzt alle Schauspieler auf der Bühne und lässt sie in letzten effektvollen Versen vom Publikum Abschied nehmen. Fast alle Wanderbühnendramen zeigen diesen letzten Massenauftritt, der den Komö­ dianten die Möglichkeit gab, am Schlusseffekt des Dramas und zugleich am Beifall des Publikums teilzuhaben. In den effektberechnenden Gattungen des Schauspiels (Operette, Revue) ist diese Tradition des letzten Massenbil­ des bis heute erhalten geblieben.

Die ‚drei Einheiten‘ Die Lehre von der Einheit des Ortes, der Zeit und der Handlung, die Gott­ sched in seinem „Versuch einer Critischen Dichtkunst“ 1730 auch für die Ko­ mödie fordert13, ist den Theoretikern des 17. Jahrhunderts schon bekannt. Sie ist zwar von Aristoteles nicht ausdrücklich festgelegt, doch kann sie aus seiner Poetik ohne Mühe abgeleitet werden. In Nachfolge der 1561 erschie­ 12 13

Evandra träumt, daß ein wildes Tier ihren Liebsten Myrandon zerrissen habe, und deutet diesen Traum als böses Vorzeichen. (I/3) Gottsched, Johann Christoph: Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Theil, 1. Abschnitt, XI. Hauptstück: Von den Komödien oder Lustspielen, 4. Aufl. Leipzig 1751, S. 647.



Dramatischer Aufbau

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nenen Poetik von Scaliger erwähnen auch die Poetiken von Opitz (1624) und Harsdörffer (1648), daß das Trauerspiel nur eine Veränderung (Peripetia) haben / und die Geschichte nur eines Tages Verlauf seyn sol: die meinsten aber / so hiervon geschrieben / setzen solche auf jede Handlung / und sagen / daß in dem Trauerspiel fünf denkwürdige Tage / (darbey auch so viel Nächte verstanden werden) / vorgestellet / und durch vorbesagte Chorlieder unterschieden werden müssen.14 Obwohl sich die Wanderbühne des 17. Jahrhunderts literarisch weder der Vergangenheit noch der Gegenwart verpflichtet fühlte, gibt es doch einzelne Schauspiele, die sich an diese poetische Regel halten: So ist etwa in der „Comoedia Der Flüchtige Virenus Oder die Getreue Olympia“ ausdrücklich vermerkt, dass sie des Morgens anfange und sich des Abends ende.15 Auch Martin hält sich in seiner „Liebes Verzweiffelung“ an die zeitliche Einheit von fünf Tagen und Nächten: Der erste Tag (bis I/10) zeigt die Abreise Myrandons vom Hof, Evandras Traum und den Verrat des Cassianus. Der zweite Tag (I/11 bis II/12) beginnt mit der Amoena-Handlung und ist dem Liebesduett Rodimans und Amoenas gewidmet. Myrandon ist während der vorhergehenden Nacht seinem Hofmeister entkommen und hat sich bey der Nacht verkleidet (I/12). Ein Monolog Evandras im Gefängnis ist eingescho­ ben (I/13). Die Liebesbeziehung Amoenas und Rodimans umfasst den Abend, die Nacht und den Morgen des dritten Tages. Der dritte Tag (II/13 bis IV/6) bringt den Kampf Myrandons mit Cassia­ nus. Alidea verrät das Geheimnis der Herkunft Evandras. Es wird ein Jagdzug für die kommenden Tage beschlossen. (Alidea: Der König will morgen früh hinaus. IV/5)16 Eingeschoben ist der Verzweiflungsausbruch Amoenas, als sie von ihrer geschwisterlichen Beziehung zu Rodiman er­ fährt. Rodiman und Myrandon kommen aus der Wüsteney zur Hütte Damons und wollen dort die Nacht verbringen. Rodiman plant, am folgenden Tag in den Wald zu gehen und zu jagen (IV/3).

14 15 16

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter, 2. Theil. Nürnberg 1648, S. 83. (Reprogra­ phischer Nachdruck der Originalausgabe, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1969) Gedruckt zu Regenspurg 1687 (Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Stiftung Weimarer Klas­ sik, Sig. 09: 27). Vgl. auch Frondalpheo: Morgen früh wollen wir hinaus. (IV/4); ebenso Ottonias: [Der König] hat eine Jagt auff Morgen … angestelt (IV/5).

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Der vierte Tag (V/1 bis V/7) zeigt die höfische Jagdgesellschaft im Wald. Rodiman wird von Echo getröstet und findet Evandra, die ihn morgen an diesem Orth wiederumb sprechen will (V/4). Der Abend wird durch Ottonias (Es ist schon zimlich spät – V/5) und durch Frondalpheo (… und ist schon gantz Nacht – V/6) angezeigt. Der König bittet Amoena, die kommende Nacht in ihrer Höhle verbringen zu dürfen (V/7). Der Morgen des fünften Tages (V/8 bis Ende) beginnt mit dem Gespräch Rodimans mit Myrandon vor der Hütte Damons. (Rodiman: Mich düncket, der Morgen breche an. … Ich bin späth hier kommen – V/8; ebenso Evandra: O wie lang war mir diese Nacht. Ich vermeinte, es würde nicht mehr Tag werden – V/9). Dieser letzte Tag bringt die Vereinigung der Liebenden. Diese klare fortlaufende Zeiteinheit existiert allerdings nur scheinbar, denn zwischen dem Weggehen Myrandons von seinem väterlichen Hof und dem glücklichen Wiederfinden im Wald sind, wie Myrandon erwähnt, 16 Jahre vergangen.17 Auch muss Evandra längere Zeit im Gefängnis geschmachtet haben, ehe der Kampf der Ritter ihre Unschuld beweist. Der Schauplatz wird vom Dichter willkürlich verändert und hält sich weder an die Einteilung nach Tagen noch nach Akten. Die Handlung bewegt sich in einem unregelmäßigen Rhythmus von Spannung und Entspannung, und die dramatischen Höhepunkte fallen nicht mit den Entscheidungsmomenten, den Peripetien, zusammen.

17

Liebes Verzweiffelung, V/10. Myrandon: … meine Schwester habe ich verloren, welche ich in 16. Jahren nicht gesehen hab.

Realisierung des Schauspiels auf der Bühne Formaler Aufbau der „Liebes Verzweiffelung“ Fast alle Wanderbühnenspiele – auch Martins Drama – haben fünf Akte1, un­ abhängig davon, ob es sich um Trauer-, Freuden- oder Hirtenspiele handelte. Diese verschiedenen Gattungen waren ja kaum voneinander unterschieden. Die klassische Fünfzahl der Akte, die in der ersten Schauspielsammlung von 1620 noch mehrmals überschritten ist, wird in den Spielen der zweiten Sammlung (1630) schon regelmäßig eingehalten. Auch die Kunstdramen des Gryphius und Lohenstein folgen der Aufteilung in fünf Abhandlungen; das Jesuitendrama des 17. Jahrhunderts hingegen schwankt zwischen drei und sieben Akten. Die einzelnen Akte blieben im frühen Jesuitendrama ohne weitere sze­ nische Unterteilung.2 Gryphius verzeichnet zwar den Wechsel des Schau­ platzes und der einzelnen Personen, doch kennt auch er keine Szenenzählung innerhalb einer Abhandlung. Shakespeare unterließ sogar die Einteilung in einzelne Akte.3 Die Wanderbühnendramen dagegen zeigen eine verschieden große An­ zahl von Szenen innerhalb der einzelnen Akte, die gewissenhaft nummeriert wurden. „Die gekröndte Schäfferin“ hat zum Beispiel im vierten Akt nur eine Szene, während der zweite Akt acht Szenen umfasst. Martins „Liebes Verzweiffelung“ unterteilt in außergewöhnlich viele Szenen: Die Karlsruher Hand­ schrift hat im ersten Akt 13 Szenen, Akt II und V haben zwölf Szenen.4 Die Akte III und IV zeigen die üblichen acht und sechs Szenen.5 1 2 3 4 5

Ausnahme z.  B. die „Tragaedia. Von Julio vnd Hyppolita“ mit vier Akten. Auch Harsdörffer emp­ fiehlt in seinem „Poetischen Trichter“ (II.Teil, S. 73) fünf Akte; nur die Hirtenspiele würden mit drei Akten auskommen. Im späteren Jesuitendrama dagegen sind ein Dutzend und mehr Szenen innerhalb eines Ak­ tes keine Seltenheit; bei Avancinus schwillt die Szenenanzahl bis auf 28 an. (Vgl. dazu Adel: Jesuitendrama, S. 104) Die Angaben des veränderten Schauplatzes und die Akteinteilungen wurden von den kriti­ schen Herausgebern erstmals in der Folioausgabe von 1623 hinzugefügt. Akt II der „Liebes Verzweiffelung“ zählt zwar 13 Akte, doch beginnt die Zählung irrtümlicher­ weise mit Szene 2. Die Wiener Handschrift „König Frondalpheo“ ändert diese Einteilung im ersten und zweiten Akt: Der Aktwechsel wird auf die Szene I/11 der Karlsruher Handschrift vorverschoben, so dass der erste Akt nur neun Szenen, der zweite Akt 14 Szenen umfasst.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die einzelnen Szenen zeigen große Unterschiede in Umfang und Anlage: Szene I/6 der „Liebes Verzweiffelung“ besteht nur aus einem Dialog von vier kurzen Sätzen, während die Szenen II/5, II/8 und V/12 vier bis fünf Schreibmaschinenseiten füllen. Der überwiegende Teil der Szenen ist dem Monolog oder dem Dialog zwischen zwei Personen gewidmet. Nur ein Drit­ tel der gesamten Szenenanzahl – 18 von 51 Szenen – vereinen drei oder mehr Personen auf der Bühne.6 Die „Liebes Verzweiffelung“ beschränkt sich auf zwei Massenauftritte: Der eine zeigt den Fechtkampf zwischen Cassianus und Myrandon am Hof des Königs (III/2 und III/3), der andere Massenauftritt wird an den Schluss der Komödie gestellt (V/9, 10, 12). Die Pausen zwischen den einzelnen Akten sollten dem Zuschauer durch Musik, Tanz, Fechtvorführungen oder – besonders im frühen Wanderbüh­ nendrama – durch lustige Zwischenspiele Entspannung und Erholung ver­ schaffen. Daher dauerte ein Wanderbühnenspiel etwa vier und mehr Stun­ den! Die Akteinteilung gründete sich in den frühen Wanderbühnendramen nicht so sehr auf ein bewusstes Formstreben, sie wurde eher nach dem Ruhe­ bedürfnis des Zuschauers ausgerichtet.7 Bei Martin dagegen trifft der Aktschluss fast immer auf einen entschei­ denden Drehpunkt der Handlung, der auch den Wechsel des Schauplatzes bedingt: Der zweite Akt zeigt die schäferliche ruhige Welt, in der sich die Liebe zwischen Rodiman und Amoena entwickelt. Der dritte Akt führt in die laute Welt des Hofes, der Verleumdung, des Kampfes. Er endet auf dem Schauplatz der Wüstenei, wo sich die Prinzen ihrer Verzweiflung hingeben. Der Beginn des vierten Aktes zeigt wieder die Umgebung des Hofes, mit Frondalpheo, Ottonias und Evandra, es dominiert die Stimmung von Trau­ rigkeit und Verzweiflung. Vom Ende des vierten Aktes (Vorbereitung zur kö­ niglichen Jagd) leitet der fünfte Akt über in die Umgebung des Waldes, in der höfische und schäferliche Welt zusammenfinden. – Der Wechsel zwischen Akt I und Akt II ist inhaltlich nicht gerechtfertigt, denn die Amoena-Hand­ lung hat schon in Szene I/11 begonnen, sie setzt sich nun im zweiten Akt 6 7

17 Monolog-Szenen: I. Akt, Szene 2, 3, 5, 8, 9, 12, 13; II Akt, Szene 2, 4, 6, 9, 10, 11; III. Akt, Szene 4, 5; V. Akt, Szene 1, 6. 16 Dialog-Szenen mit zwei Personen: I. Akt, Szene 4, 6; II. Akt, Szene 3, 5, 7, 12, 13; III. Akt, Szene 6, 7; IV. Akt, Szene 4, 6; V. Akt, Szene 3, 5, 7, 8, 11. In zehn Szenen treten drei Personen auf: I. Akt, Szene 7, 10, 11; II. Akt, Szene 8; III. Akt, Szene 8; IV. Akt, Szene 1, 3, 5; V. Akt, Szene 2, 4. Acht Szenen vereinen mehr als drei Personen auf der Bühne: I. Akt, Szene 1; III. Akt, Szene 1, 2, 3; IV. Akt, Szene 2; V. Akt, Szene 9, 10, 12. Anna Baesecke (Das Schauspiel der englischen Komödianten, S. 67 und S. 128) nennt dies ein Charakteristikum a l l e r Wanderbühnendramen.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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fort. Die spätere Wiener Handschrift verlegt daher den Aktwechsel folge­ richtig auf diese Szene (I/11), die den Hof und den königlichen Garten mit der Verleumdungsszene des Cassianus verlässt und zur friedlichen Schäfer­ hütte des Damon führt. Gottsched fordert in seiner „Critischen Dichtkunst“, dass die einzelnen Szenen eines Aktes miteinander verbunden sein müssten: Es muß also aus der vorigen Szene immer eine Person da bleiben, wenn eine neue kömmt oder eine abgeht, damit der ganze Aufzug einen Zusammenhang habe.8 Martins Drama erfüllt nicht immer diese wohl zu starre Forderung Gottscheds. Der Wechsel der Personen fällt zwar meist mit der Veränderung des Schauplatzes, d.  h. mit dem Wechsel zwischen Vorder- und Hinterbühne zusammen, doch kommt es auch vor, dass alle Personen die Bühne verlassen und eine andere Person denselben Schauplatz betritt, z.  B. in Szene I/11 und I/12: Amoena, Damon und Dymas verlassen den Schauplatz des Waldes, an dem nun Myrandon seinen Verzweiflungsmonolog hält. Ebenso zeigen die Szenen III/4, 5 und 6 den höfischen Schauplatz, den hintereinander Rodi­ man, Dymas, Evandra und Alidea betreten und wieder verlassen, ohne dass eine Begegnung stattgefunden hätte oder irgendein Zusammenhang zwi­ schen den einzelnen Personen geschaffen worden wäre. Der etwa zwei Generationen später (1730) von Gottsched geforderte innere Zusammenhang zwischen den einzelnen Szenen wurde von den Wanderbüh­ nen-Autoren kaum angestrebt. Sie wollten Kontrasteffekte, die eilige Weiter­ führung des dramatischen Geschehens duldete kein ruhiges Dahingleiten der Handlung. Eine Aussage drängte die andere, die dramatische Aktion verlief in einem Gegeneinander der einzelnen Personen, nicht in einem harmoni­ schen Miteinander. Weil sich die Wanderbühne über alle starren Theorien ihrer Zeit hin­ wegsetzte und nur dem Gesetz der Spannung und des Gegensatzes folgte, weil sie den Menschen im Mittelpunkt des Geschehens sah und nicht eine abstrakte moralische Idee, weil Empfindungen anstelle des Intellekts und des ästhetischen Empfindens die dramatischen Entscheidungen herbeiführten, eben weil das Wanderbühnendrama lebendiges Theater war – dies sicherte ihm den ersten Platz in der Entwicklungsreihe des modernen deutschen Theaters. Es stand trotz seinem Überangebot an dramatischen Effekten am Anfang eines bühnengerechten deutschen Schauspielschaffens.

8

Gottsched: Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Theil, 1.  Abschnitt, X. Hauptstück, S. 629.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Regieanweisungen Im Karlsruher Manuskript werden am Beginn jeder neuen Szene alle Per­ sonen genannt, die in dieser Szene aufzutreten haben. Es unterscheidet sich darin von der Wiener Handschrift und von den meisten anderen Wander­ bühnendramen, die meist nur die dazukommenden Personen verzeichnen. Zur dramatischen Aktion selbst bieten die beiden Manuskripte der „Liebes Verzweiffelung“ wenig Anweisungen. Die Wanderbühnendramen wurden ja für die eigene Truppe geschrieben, der die notwendigen Aktionen ohnehin bekannt waren. Szenen- und Regiebemerkungen blieben daher auf wenige, für das Verständnis des Textes notwendige Hinweise beschränkt.9 Nur das Auftreten und Abgehen der einzelnen Personen wird genau angegeben: Das Karlsruher Manuskript verwendet dafür lateinische, das Wiener Manuskript deutsche Bezeichnungen, z.  B. Szene IV/2: abit Frondalph. cum Ottonio. (Karlsruher Manuskript) gehen beyde ab. (Wiener Manuskript) oder Szene III/3: abeunt omnes. Myrandon manet. (Karlsruher Manuskript) gehen alle ab alß Mirando bleibet. (Wiener Manuskript)10 Nicht immer stimmen die Regieanweisungen in den beiden erhaltenen Ma­ nuskripten der „Liebes Verzweiffelung“ überein: Die Karlsruher Handschrift setzt z.  B. in Szene I/10 das „abeunt“ an den Schluss der Szene, die Wiener Handschrift verzeichnet den Abgang des Königs dagegen vor der Antwort des Cassianus, als Zeichen dafür, dass er keinen Widerspruch erwartet. Dass Cassianus trotzdem in unterwürfigem Ton weiterredet, könnte als zynische Überheblichkeit gewertet werden, die sein wahres Gesicht hinter dem teuf­ lichen Plan verrät. 9

Creizenach (Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. LXXXVIII) behauptet irrtüm­ licher­weise, dass das Drama der englischen Komödianten eine große Sorgfalt auf die Bühnen­ anweisungen verwende. Wahrscheinlich liegt hier eine Verwechslung mit dem Jesuitendrama vor, das dem Darsteller eine Unmenge von Anmerkungen und Hinweisen bietet, z.  B. in den Spielen Adolphs oder jenen des Avancinus; allein im fünften Akt seines Genoveva-Spiels gibt es etwa 70 Anmerkungen. (Vgl. Adel: Das Jesuitendrama, S. 105) 10 Die deutschen Bezeichnungen sind auch in den Dramen der beiden ersten gedruckten Schauspielsammlungen von 1620 und 1630 üblich. Der Schreiber des Wiener Manuskripts, Christian Janethsky, verwendet die deutschen Regieanweisungen auch in der Comoedie „Die getreue Octavia“. Lateinische Bezeichnungen hat z.  B. „Der eyserne Tisch“ oder „Romio und Julieta“. Auch die in Stil und Dramaturgie Johann Martins Drama sehr ähnliche Komödie „Der flüchtige Virenus oder die getreue Olympia“ (Regensburger Druck 1687) bezeichnet das Abgehen der Personen auf Lateinisch.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Einige Anweisungen in der Karlsruher Handschrift, welche die Gestik oder den Sprechton des Darstellers in einer bestimmten Weise festlegen, feh­ len in der Wiener Handschrift, z.  B. K in Szene II/8: (Rodiman) „heimlich“, I/7: (Page) „ad spectatores“, III/2: (Myrandon) „ad Cassianum“, III/3: (Dymas) „ad Regem“, II/2: (Myrandon) „Er ersticht ihn“. Andere Anweisungen, die vom Schauspieler eine bestimmte notwendige Ak­ tion fordern, sind in der Wiener Handschrift (W) geringfügig verändert, z.  B. Szene I/9: [Page]: „Er nembt das Kleinod ab und wil hinweg gehen“ (Handschrift K) „gehet zu ihr“ (Handschrift W) Szene II/4: „Amoena singt“ (K) „wird gesungen“ (W) Szene III/2: [Myrandon] „Sie fechten, Cassianus fällt zur Erden“ (K) „Mirando und Cassianus fechten, Mirando aber sieget ob.“ (W) Szene III/8: [Myrandon] „fechten“ (K) „Mirandon und Rodiman fechten“ (W) Szene V/2: [Evandra] „still“ (K) „heimlich“ (W) Nur wenige Bemerkungen haben in Handschrift K und W den gleichen Wortlaut: Szene I/6: [Page] „hinder sich“ I/10: [Cassianus] „Er ersticht den Page“ I/10: [König] „Wil sie [Evandra] erstechen“ V/10: [Evandra] „fallet in Ohnmacht“. Die einzige Anweisung, die nicht einem bestimmten Darsteller gilt, sondern von einem Statisten vor oder hinter der Bühne auszuführen war, begegnet in Szene III/1: (K): „Die Trommel wird 3 mal geschlagen“ (W).: „wird dreymahl geruffen und auf der Trompete und Paucken gespielet“ Es ist für Martins Drama bezeichnend, dass Verkleidungen durch keinerlei Regieanweisungen angemerkt werden. Sie können nur aus dem Dramentext selbst erschlossen werden. Von der Verkleidung Prinz Rodimans erfährt man erst im Nachhinein durch die Anrede Evandras „Edler Jäger“ (V/4). Auch der Augenblick der Demaskierung wird allein aus den Worten der Prinzen ersichtlich.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Beiseitesprechen oder kurzes Verlassen der Bühne und Wiederkommen wird nur in den seltensten Fällen durch eine Regiebemerkung angezeigt: Der Plan des Königs, Evandra während der Abwesenheit Myrandons heimlich ohne deß Printzen wißen zu verheiraten, wird von Frondalpheo in Gegenwart seines Sohnes ausgesprochen, und keine Regiebemerkung deutet an, dass es sich um ein Beiseitesprechen zu Ottonias oder zum Publikum handelt (I/1). Die „Liebes Verzweiffelung“ zeigt sich also in Bezug auf Regiebemerkungen noch dürftiger als andere Wanderbühnendramen, ein Hinweis dafür, dass Martin sein Spiel nur für seine eigene Truppe geschrieben und die Auffüh­ rung selbst überwacht hat. Regieanweisungen mussten in diesem Fall nicht schriftlich festgelegt werden, sondern konnten von Martin mündlich gege­ ben oder je nach Bedarf abgeändert werden.11

Das Beiseitesprechen Daher wird auch das Beiseitesprechen der Personen bei Martin nur selten durch eine Regieanweisung im Drama angedeutet. Szene II/8 und V/4: „heimlich“ V/2: „still“ I/7: „ad spectatores“ I/6: „hinder sich“. Es versteht sich meist aus dem Text selbst und bedeutet für den Zuschauer eine Quelle der Information, z.  B. in Szene V/2: [Evandra] „… ich befinde mich recht wohl auff getröst (still) in Hoffnung, das Leben zu verliehren“, oder ist als ironische Bemerkung zu verstehen: Szene I/6: [Page] „… ich weiß, daß er so schön durch den Korb fallen wird“, oder I/7: [Page] „Dieses war ein trefflicher Bescheid von einer Damen. O du armer Liebhaber …“.

11



Auch Shakespeare versah seine Dramen kaum mit Regieanweisungen, er beschränkte sich auf das „exit“ oder „exeunt“. In den Quartos fehlen sogar die Akteinteilungen. (Die Angaben des veränderten Schauplatzes stammen von den Herausgebern und sind erst in der 1623 erschienenen Folioausgabe hinzugefügt worden.) Vgl. dazu Genée: Über die szenischen Formen Shakespeares im Verhältnis zur Bühne seiner Zeit, S. 134.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Fast immer wird mit dem Beiseitesprechen das wahre Wesen einer Person enthüllt: Szene V/10: [Myrandon] „Ach Göttin meiner Seelen, soll ich dich länger in der Qual lassen …“ oder II/5: [Rodiman] „Meine Furcht und Abschewen vor der Nacht ist nicht so groß wie ich sage … Aber deine Schönheit reizet mich …“, oder I/1: [Myrandon] „Ich gehorche … Aber meine Seele ersticket, meine Liebe raset und mein Verstandt vergehet …“ oder I/7: [Cassianus in Gegenwart Evandras] „Sollte dieses Printz Myrandon sagen, ich weiß ewer Verstand were größer …“, oder es werden dem Publikum mit dem Beiseitesprechen Pläne verraten und Handlungen motiviert, deren Sinn bisher nicht offenkundig ist: Szene I/1: [Frondalpheo, in Gegenwart Myrandons]  „Evandra aber wollen wir heimlich ohne deß Printzen wißen verheyrathen …“ In Szene V/4 hilft Rodiman mit seinem Beiseitesprechen dem Publikum die verwandtschaftlichen Beziehungen Evandras und Amoenas zu den Prinzen zu erklären: „O Himmel, was höre ich. Soll dieses meine Schwester seyn und die, welche ich geliebet, die rechte Prinzessin von Epyro? … Denn hieraus schließe ich, daß ich nicht meine Schwester, sondern deß Frondalpheo, Königs von Epiro, Tochter geliebet, denn dieses ist Amoena, meine Schwester.“ Das Beiseitesprechen war auch in den anderen Wanderbühnendramen üb­ lich, besonders häufig begegnet es in „Kunst über alle Künste, Ein bös Weib gut zu machen“12 und im „Labyrinth der Liebe“ (II/1,2,5). Das deutsche Kunstdrama verzichtet im Allgemeinen darauf, da es seit Scaliger (1561) für e­ inen Fehler gehalten wird, wann jemand beyseite redend eingeführet wird  /  daß es die Zuhörer vernehmen können / welche vielmals entfernet / der aber auf der Binne nahend darbeystehet / soll es nicht hören.“13 Im ausländischen Theater, z.  B. bei Lope de Vega, begegnet es jedoch öfters. Harsdörffer übernimmt dieses Beiseitesprechen sogar in eines jener Schauspiele, die der literarischen Welt als Vorbild dienen sollten: In seinem Freudenspiel „Die Redkunst“ (im späteren Wanderbüh­ nendrama unter dem Titel „Der beklägliche Zwang“), für das Lope de Vegas „La fuerza lastimosa“ (1609) als indirekte Vorlage gedient hatte, hört der hinter einem Brunnen verborgene Graf Kargkram den geheimen Liebesabmachun­ 12 13

Vgl. dazu Tittmann: Die Schauspiele der englischen Komödianten in Deutschland, S. 203; und Mauermann: Die Bühnenanweisungen im deutschen Drama, S. 135. Harsdörffer: Poetischer Trichter, 2. Theil, S. 84. Harsdörffer zitiert zu diesem Thema Scaliger, 1.I. Poetices c. 21.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Abb. 25: Harsdörffer: Die Redkunst, I. Handlung (In: Gesprächspiele, V. Teil, S. 342): Graf Kargkram, hinter dem Brunnen verborgen, belauscht die heimlichen Abmachungen des Liebes­ paars und kommentiert das Gehörte, ohne dass er von den beiden Liebenden bemerkt wird. (Kupferstich in der Originalausgabe der „Gesprächspiele“, V. Teil, Nürnberg 1645. Reprint­ ausgabe der Deutschen Neudrucke, Reihe Barock, Bd 17, Tübingen 1969, S. 469.) (Foto: Württembergische Landesbibliothek Stuttgart)

gen von Prinzessin Wortigund und Graf Wahltemar zu und kommentiert das Gehörte, ohne dass das belauschte Paar ihn bemerkt.14

Dialog und Monolog Das Wanderbühnendrama bedient sich nicht jenes Austauschs von Gedan­ kensplittern, wie er für das natürliche Zwiegespräch im Leben und auf der realistischen Bühne charakteristisch ist. Es setzt den fertigen und ausführ­ lichen Gedanken des einen Sprechers neben den des anderen, ohne den Gesprächspartner zu unterbrechen. Und obwohl das Publikum auf Aktion ausgerichtet ist, besitzt es viel Geduld für jeden, der das Für und Wider einer inneren oder äußeren Situation mit Beispielen aus Historie und Mythologie klären oder die Zustimmung des anderen erringen will.

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Harsdörffer: Gesprächspiele, V. Teil: Die Redkunst, I. Handlung, S. 342–247.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Das Gespräch gleitet ohne Eile in die vorgegebene Richtung; Überra­ schungsmomente gibt es nur für den Bühnenpartner, nicht für das Publikum, das ja längst die Absicht einer jeden Spielfigur aus deren Monologen kennt. Nur selten folgt Rede und Gegenrede knapp aufeinander; sie zeigt in diesen Fällen eine kunstvolle Konstruktion nach den Gesetzen der Paralleli­ tät oder des Gegensatzes und verzichtet selten auf sprachliche und phone­ tische Effekte.15 Nur wenige Personen sind am Gespräch beteiligt, meist bewegt sich der Dialog zwischen zwei Partnern, während die anderen auf der Bühne an­ wesenden Personen mehr oder weniger als Statisten fungieren.16 Sie steuern nur Bemerkungen bei, die zudem meist als ein Beiseitesprechen, als ein dem Publikum mitgeteilter Gedanke verstanden sein wollen. Besonders deutlich wird das in der Massenszene III/2, die den Kampf zwischen Cassianus und Myrandon zeigt: Das Gespräch bewegt sich zuerst zwischen Frondalpheo und Evandra, es wechselt kurz zu Rodiman und Myrandon, zu Myrandon und Evandra, und bleibt dann zwischen Cassianus und Myrandon haften. Zum Abschluss teilt sich der Dialog Myrandons teils auf Frondalpheo, teils auf Evandra auf. Die von Cassianus eingestreuten Bemerkungen bereiten das Publikum auf den Ausgang des Kampfes vor. Sie gehören nicht zum Dialog und werden von den anderen Figuren nicht gehört, sondern bleiben das gedankliche Eigentum des Sprechers. Das Wanderbühnendrama kann also nicht eigentlich ein dialogbestimm­ tes Spiel genannt werden wie das Shakespeare-Drama oder das moderne Schauspiel. Es versteht den Gesprächspartner nicht als Antwortenden, als Spiegel, der den eigenen Gedanken reflektiert. Es sind eher viele aneinan­ dergereihte Selbstgespräche; sie erfassen den Partner erst in zweiter Linie. Primär verfolgen sie den Zweck der Selbstbehauptung, dienen dem Ziel, den Gesprächspartner zu überzeugen. Sie fordern den anderen nicht zum Ge­ genpart heraus, sondern bleiben egozentrisch auf die eigene Erlebnismög­ lichkeit beschränkt. Die Erfahrungskreise der Sprechenden berühren sich, aber sie gehen nicht ineinander über, um gemeinsam ein neues Farbbild, ein neues Gedankengeflecht entstehen zu lassen. Diese Egozentrik im Wanderbühnendrama, diese Unbeeinflussbarkeit des Einzelnen auf der Bühne und seine innere Einsamkeit spiegelt sich auch in den vielen Monologen. Sie sind kein isoliertes Merkmal der Wanderbühne, sondern bestimmen schon das gelehrte Drama des Humanismus und der Renaissance. Auch Hans Sachs und Ayrer liebten den Monolog in ihren Büh­ 15 16

Vgl. z.  B. den Dialog zwischen Rodiman und Amoena in Szene II/12; oder das Dreieck-Ge­ spräch zwischen Myrandon, Rodiman und Dymas in Szene III/8. Vgl. dazu auch Richter: Liebeskampf, S. 61.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

nenspielen. Je bühnengerechter die Technik wurde, umso häufiger wandte sich der Monolog an den Zuschauer. Der Sprecher fand in ihm – anstelle des antiken Chores17 – den Partner, den Teilhaber, den Urteilenden. Die Situation der E i n samkeit wurde damit aufgehoben.18 Der Monolog wurde aber auch zu einer unentbehrlichen dramaturgischen Hilfe. Er informierte das Publikum und wurde so zur gesprochenen Büh­ nenanweisung. Nicht nur das Komödiantendrama, auch Shakespeare be­ diente sich manchmal des Monologs, um zeitliche und inhaltliche Lücken im dramatischen Geschehen zu schließen. Beispiel: der Monolog des Schäfers in „Cymbelin“, Szene III/3. Im Wanderbühnendrama übernimmt der Monolog vor allem die Aufgabe, Pläne der handelnden Personen zu verraten. Das Selbstgespräch will auf das kommende Geschehen vorbereiten und so das Verständnis des Zuschauers sichern. Nicht weniger als zehn lange Monologe dienen in Martins Drama die­ sem Zweck.19 Damit wurden zwar Überraschungsmomente abgeschwächt; die Spannung erhöhte sich jedoch, indem das Publikum durch sein Mehr­ wissen auf etwas warten konnte, das sich auf der Bühne immer wieder hin­ auszögerte oder in scheinbare Irrwege zu laufen drohte. Das Drama Martins braucht z.  B. das Wissen des Publikums um die Identität des Totenkopfritters (Myrandon). Ohne die Gewissheit, dass Myrandon lebt, würde der Mittelteil des Dramas jeder Spannung entbehren. In ausführlichen Monologen wird auch die Vergangenheit des Sprechers enthüllt, seine Herkunft20 oder was seit seinem letzten Auftreten auf der Bühne geschehen ist21. In pathetischen Selbstgesprächen werden Unglück22 17 18

19 20 21 22

Gottsched lehnt den Monolog ab, da nicht mehr wie früher der Chor da sei, mit dem der Ein­ zelne reden könne. (Versuch einer Critischen Dichtkunst, II. Theil, 1. Abschnitt, XI. Haupt­ stück, S. 648–649) Dieses Bedürfnis, für seine Gedanken und Empfindungen ein Gegenüber zu finden, ein Forum, auf welches das eigene Selbst transponiert werden kann, scheint die psychische Situa­ tion des Menschen wesentlich mitzubestimmen und seine Handlungen zu beeinflussen. Er sucht sich in Gott, im Freundeskreis oder in themenorientierten Veranstaltungen, heute in den Massenmedien des Fernsehens, des Internet und der Presse, die Illusion der überwunde­ nen Einsamkeit. Szene I/2 (Myrandon), I/5 (Cassianus), I/13 (Evandra), II/3 (Myrandon), II/4 (Rodiman), II/5 (Rodiman), II/9 (Dymas), III/3 (Myrandon), III/4 (Rodiman), III/5 (Dymas). Szene II/4 (Rodiman), Szene II/2 (Amoena). Szene I/12 (Myrandon), II/9 (Dymas), II/10 (Amoena), II/11 (Rodiman), III/4 (Rodiman), V/3 (Rodiman), V/6 (Frondalpheo). Szene I/2 (Myrandon), I/8 (Evandra), III/3 (Myrandon), V/1 (Amoena).



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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und die Freuden der Liebe23 vor dem Zuschauer ausgebreitet. Äußere und innere Erlebnissituationen der einzelnen Personen werden in die laufende Handlung sprachlich eingeblendet und durch lange Monologe beleuchtet. Beispiel: Die Gefängnisszene Evandras (I/13) durchbricht die Amoena-Ro­ diman-Handlung wie ein Bild aus ferner Welt; und der Verzweiflungsmono­ log Amoenas vor der dunklen Höhle (V/1) trennt die Vorbereitungen zur Jagd vom eigentlichen Jagdbeginn. In Martins Drama nimmt der Monolog eine beherrschende Stellung ein: 17 von 51 Szenen, also genau ein Drittel aller Szenen, sind allein von Monolo­ gen der einzelnen Personen ausgefüllt. Auf Cassianus, den Pagen und Fron­ dalpheo fällt je eine Monologszene, Myrandon und Dymas füllen mit ihren Monologen je zwei Szenen, Evandras und Rodimans Monologe beanspru­ chen je drei, Amoenas Monologe vier Szenen.24 Vier Monologe sind nicht szenenfüllend, sie beenden den jeweiligen Dialog und stehen am Schluss der Szene.25 Die untergeordnete Dienerstellung der Hofmeister und Alideas schließt den Monolog für diese Personen von vornherein aus. Auffallend ist, dass besonders die ersten beiden Akte der „Liebes Verzweiffelung“ vom Monolog her bestimmt sind, während die folgenden Akte fast nur Dialoge aufweisen.26 Könnte diese bühnengerechtere Form im zweiten Teil des Schauspiels mit einer fortschreitenden dramaturgischen Gewandt­ heit Martins erklärt werden? Diese Annahme würde voraussetzen, dass die „Liebes Verzweiffelung“ das erste dramatische Werk des Dichters war. Wenige Wanderbühnenspiele sind so sehr vom Monolog her bestimmt wie die „Liebes Verzweiffelung“. Das dramatische Geschehen wird auf der Bühne zusammengedrängt, und nur die mit Aktion und sichtbaren Effekten überla­ denen Szenen werden aus dem dramatischen Ablauf herausgelöst und breit ausgespielt.

23 Szene I/2 (Myrandon), II/5 (Rodiman), II/6 (Amoena). 24 Cassianus (I/5), Page (I/9), Frondalpheo (V/6)  – Myrandon (I/2 und I/12), Dymas (II/9 und III/5) – Evandra (I/3, I/8 und I/13), Rodiman (II/4, II/11 und III/4) – Amoena (II/2, II/6, II/10 und V/1). 25 Myrandon (II/3 und III/3), Rodiman (II/5 und V/4). 26 I. Akt: 7 Monologe (7 szenenfüllend) – insgesamt 13 Szenen, II. Akt: 8 Monologe (6 szenenfüllend) – insgesamt 12 Szenen, III. Akt: 3 Monologe (2 szenenfüllend) – insgesamt 8 Szenen, IV. Akt: kein Monolog! – insgesamt 6 Szenen, V. Akt: 4 Monologe (2 szenenfüllend) – insgesamt 12 Szenen.

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Die Handlung greift in den meisten Wanderbühnenstücken nur äußeres Geschehen auf, denn die innere Situation des Helden bot zu geringe Ef­ fektmöglichkeiten. Ihre Darstellung hätte den Komödienschreiber wie auch einen Großteil des Publikums überfordert. – Im Gegensatz dazu verharrt Martins Schauspiel im Monolog wie auch im Dialog auf inneren Spannungs­ punkten. Martin verdichtet die dramatische Situation, indem er dem äußeren Geschehen auch in der psychischen Sphäre der einzelnen Personen Aus­ druck verleiht. Dies bedeutet nicht immer ein Aufhalten der dramatischen Spannung: Indem das Publikum z.  B. die verzweifelte Todessehnsucht der Liebenden miterlebt, wird ihm ein weiterer Erfahrungskreis geöffnet, der ihm Spannungselemente bietet, wie sie das auf das äußere Geschehen be­ schränkte Wanderbühnendrama nicht kennt. In immer wieder neuen Varia­ tionen beklagen die Liebenden in Martins Drama ihr Unglück. Das übliche Wanderbühnendrama hingegen weiß für jedes Leid nur ein „O wehe, o wehe“.27 Das Geschehen wird in den Monologen der „Liebes Verzweiffelung“ reflektiert, das Publikum wird zur Wertung aufgefordert, z.  B. in Myrandons Monolog, in dem er die Handlungsweise des Königs verurteilt: Du unnatürlicher Vatter hast mir das Leben mißgönnet … (I/2); … dieser Bluthundt an meiner Seelen (II/3). Myrandons Auflehnung gegenüber dem königlichen Vater trifft hier auf eine Tabusphäre des Publikums, das seinen König als Herrscher von Gottes Gna­ den erlebte. Zugleich boten die Monologe eine Möglichkeit, die vielen verwirrenden Fäden der Handlung in eine übersichtliche Ordnung zu bringen oder diese Ordnung vorher festzulegen, ehe eine Fülle von dramatischen Ereignissen das Verständnis erschwerte. Auch in den Dramen des Gryphius sind lange Selbstgespräche die Regel.28 Sie hemmen den Ablauf des dramatischen Geschehens und bringen Längen in das Schauspiel, die das Publikum der Wanderbühne abgelehnt hätte. Martin gelingt es, das Spannungsverhältnis zwischen Monolog und fort­ schreitender Handlung so zu halten, dass sich beide Komponenten gegen­ seitig steigern: Aktion und Reflexion verbinden sich zu parallelen Gestal­

27 Beispiele: „Titus Andronicus“, IV. Akt (Ausgabe Cohn, Sp. 189 und 193); „Julius und Hyppolita“, IV. Akt (Ausgabe Cohn, Sp. 153); „Der bestrafte Brudermord“, V/6 (Ausgabe Cohn, Sp. 299 und 301); „Romio und Julieta“, V/3 (Ausgabe Cohn, Sp. 393 und 395). 28 Vgl. z.  B. den Monolog des Chach Abas, nachdem er Katharina von Georgien für sich verloren sieht. Hier wird die Seelenlage des Perserkönigs in allen Schattierungen vor dem ­Publikum ausgebreitet. (Gryphius: Katharina von Georgien, II. Abhandlung, Vs 183–277. In: Gesamtausgabe, Bd 6, S. 171–173).



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tungsfaktoren. Martins Drama ist darin dem üblichen Wanderbühnenspiel des 17. Jahrunderts weit überlegen.

Die Bühne Das Drama der „Liebes Verzweiffelung“ ist in seiner szenischen Komposition ganz der Bühne der Wandertruppen angepasst. Wie jeder dramatische Dich­ ter schrieb Martin sein Stück aus der Vorstellung jener Bühne, die ihm ver­ traut war.29 Es war dies, mit geringen Abweichungen, die sogenannte Shake­ speare-Bühne, die, wenn auch wohl in primitiverer Form, von den englischen Komödianten in Deutschland eingeführt wurde.30 Sie gliederte sich in eine große, nach drei Seiten offene Vorderbühne und eine kleinere Hinterbühne. Über der Hinterbühne befand sich manchmal eine Oberbühne, die je nach Bedarf des einzelnen Schauspiels als Platz für die Musikanten, für Balkon­ szenen, als Stadtmauer oder Turm benutzt wurde. In Martins Spiel gibt es je­ doch keinen Hinweis darauf, dass der Oberbühne eine Szene zugedacht war. Die Vorderbühne – der barocke Architekt Joseph Furttenbach31 nennt sie in seiner „Architectura Recreationis“ (1640] die Sciena oder Brucken – war auf der Wanderbühne für den Blick des Publikums immer offen; nur die großen, fest eingebauten Bühnen kannten den Portalvorhang, der alles verdecken konn­ te.32 Denn es wäre nit fein, meint Furttenbach, wenn die Zuseher / so bald sie in das Theatrum hinein Spatzirten, die ganze Ausstattung der Bühne anschauen 29 30 31

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Vgl. auch Genée, Rudolph: Über die szenischen Formen Shakespeares, S. 142. Schon um die Jahrhundertwende schrieb auch Jacob Ayrer für diese Illusionsbühne. Vgl. dazu Rückert, Lothar: Die Bühne Jacob Ayrers, rekonstruiert aus seinen Bühnenanweisun­ gen. Diss. Phil. Mains 1955 (Masch.) Joseph Furttenbach aus Leutkirch in Süddeutschland (1591–1667 in Ulm). 12 Reise- und Lehrjahre in Italien und Kontakt mit Galilei (Furttenbachs Reisebericht war ein Bestseller seiner Zeit). Ab 1631 war er als Verwaltungsleiter des Ulmer Bauamts für alle öffentlichen Bauten zuständig (ab 1636 Ratsherr) und konzipierte u.  a. ein Krankenhaus, Festungsanlagen und Gärten. Nach italienischem Vorbild baute er innerhalb von sechs Wochen ein neues Thea­ter in Ulm, den Vorgängerbau des heutigen Theaters. Es wurde hauptsächlich von Schü­ lern des Gymnasiums und von fremden Komödiantentruppen bespielt. Ab 1702 diente es allerdings als Kaserne. Die Schauspieltruppen spielten 1712 im städtischen Wagenhaus, einer Remise für Kutschen – fortan Hauptort des Ulmer Theaterlebens. Furttenbachs Kunstkam­ mer enthielt u.  a. Modelle technischer Geräte und Bühnenapparate. Das architektonische und technische Wissen seiner Zeit fand in seinen fünf Büchern über Architektur Ausdruck. Furttenbach berichtet in seiner „Architectura Recreationis“, S. 60, dass das 1641 in Ulm errichtete Stadttheater einen Vorhang vor der Bühne hatte, der a l l e s verdeckte. Er wurde entweder beiseite geschoben oder in einen Graben fallen gelassen. – (Vgl. dazu Kindermann: Theater­ geschichte Europas, Bd III, S. 406.)

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b Abb. 26: Beispiele bemalter Vordervorhänge für größere Bühnen. Wenn das eigentliche Spiel begann, wurde diese bemalte Fuora zur Seite geschoben oder sie fiel in den vorderen Graben, wo sich auch die Musiker befanden. Aus Furttenbach: Architectura Recreationis, III. Theil, S. 59, Kupferstich Nr. 20. (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz) a) Straße mit Vorplatz   b) Haus mit Straßensäulen   c) Straße mit Tiefenwirkung   d) La piazza di Siena



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könnten. Was noch darhinder erbawet worden / das ist jhnen vnwissent / vnnd mit disen wundergernen Gedancken müssen sie sich ein kurtze Zeit patientiren / welches jhnen aber nur desto mehr begierd verursacht (Abb. 26, S. 357 und 358). Auch Johann Rist (1607–1667) spricht in seiner „AllerEdelsten Belustigung“ von einem Teppiche oder Vorhange, der, wann etwas neues sol fürgebildet werden, eiligst herunter gelassen und wider auffgezogen werden kann.33 Den Luxus des alles verdeckenden Vordervorhangs gab es aber höchs­ tens auf den festen Bühnen größerer Städte oder Höfe. Allgemein wurde der Portalvorhang jedoch erst im Hoch- und Spätbarock eingeführt. Wie sich Furttenbach schon in der ersten Jahrhunderthälfte diese Augenblicke vor Komödienbeginn vorstellt, öffnet sicher auch einen interessanten Blick auf die Gebräuche der Wanderkomödianten: Er beschreibt, wie Mezetino und Scapino vor geschlossenem Vorhang einander mit Abentheirigen Reden und Geschrey umbjagen, es werden mancherley Canzoneti gesungen, auch der Lauten vnnd Tiorben klang gehört. Entlich so wird ein grosses getimmel vnd Krachen / als ob alles zuhauffen fallen wolte, neben den Hörbaucken vnnd Trompeten Schall gehört / vnd eben in disem Tumult fällt der Vorhang Augenblicklich herunder / da praesentiert sich das so Heroische Prospectivische Gebäu der Sciena di Comedia …, daß die Zuseher vber dergleichen so Heroischen Dingen dermassen bestürtzt / daß sie kaum mehr wissen / ob sie noch inn oder ausser der Welt sich befinden.34 Diese Beschreibung lässt ahnen, wel­ che Begeisterung, welche Bereitschaft und Neugierde, welch inneres Staunen dem Schauspieler des 17. Jahrhunderts entgegenpulste. Nicht nur Augen und Verstand, sondern der ganze Mensch mit allen Gefühlen, deren er fähig war, nahm das Bühnengeschehen wahr und in sich auf, als wäre es sein eigenes Geschick. Er ließ sich unterhalten, aber auch anrühren und erschüttern; die Bühne galt ihm als direktes Abbild einer eigenen gewünschten oder unein­ gestandenen Wirklichkeit. Die Wanderbühne verwendete diesen Vorhang erst gegen Ende der zweiten Jahrhunderthälfte. Auf der offenen Vorderbühne zeigten die engli­ schen Komödianten während der Spielpausen lustige Aktionen des Narren, kleine Singspiele oder Tanzszenen, und auch das frühe Theater der deutschen Wanderkomödianten scheint diese auflockernden Zwischenaktionen beibe­ halten zu haben, denn eine Aufführung dauerte meist etwa fünf Stunden. Die erhaltenen Manuskripte geben zwar keine diesbezüglichen Hinweise, die Theaterzettel aus dieser Zeit erwähnen jedoch immer wieder zusätzlich zur angekündigten Hauptkomödie ein kurzes Singspiel oder eine Pickelhering­ 33

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Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Aprilens-Unterre­ dung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 308. Diese Bemerkung könnte sich auch auf die Mittelgardine (vor der Hinterbühne) be­ ziehen. Furttenbach: Architectura Recreationis, III. Teil: Von der Sciena di Comedia, S. 60.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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posse. Flemming35 zeigt am Beispiel des am russischen Hof aufgeführten Bibelstücks „Artaxerxes“, das auf einer Verwandlungsbühne nach deutschem Muster über die Bühne ging, dass während der komischen Zwischenspiele oder auch während des Handlungsablaufs auf der Vorderbühne die Ausstat­ tung der Hinterbühne gewechselt wurde. Die Vorderbühne hatte auf der einfachen Wanderbühne keine Bühnenaus­ stattung, sie stellte bei zugezogenem Mittelvorhang meist einen neutralen Ort dar, z.  B. eine gaße oder, in Martins Spiel, den Platz vor Damons Hütte. In Verbindung mit der Hinterbühne wirkte die Vorderbühne oft als erweiterter Schauplatz des Waldes oder Palastes. Dieser vordere Bühnenraum war nur durch wenige Kulissen charak­ terisiert, die wahrscheinlich beidseitig der Mittelgardine eingeschoben und als Zugänge benutzt wurden. Flemming36 beschreibt sie als Schnurrahmen mit bemalter Leinwand. Es wäre aber auch denkbar, dass neutrale Vorhänge anstatt dieser Kulissen verwendet wurden. So heißt es z.  B. in „Der Jude von Venetien“ in der letzten Szene des IV. Aktes: Santinelli komt an einer, Grimaldi an der anderen Seiten heraus. Auch in der „Liebes Verzweiffelung“ werden diese Zugänge wohl öfters dem Zu- und Abgehen der Personen gedient haben. Stehende Theater, auf denen renommierte Komödiantentruppen in den Städten oder an Höfen ja auch spielten durften, boten eine reichere Ku­ lissenausstattung, wie die beiden folgenden Abbildungen auf S. 360 zeigen (Abb. 27). Gegen die kleinere Hinterbühne zu war die Vorderbühne durch eine Mittelgardine abgetrennt.37 Dieser Vorhang, auch „Tapet“ oder „Teppicht“ genannt, konnte nach beiden Seiten auf- und zugezogen werden (Siehe Abb. 54, S. 709). Er ermöglichte eine vom Zuschauer unbemerkte Umgestal­ tung der Hinterbühne, so konnte die Handlung inzwischen ohne Unterbre­ chung auf der Vorderbühne weitergeführt werden. In einem „Pro memoria“ im Manuskript der „Rasenden Medea“ (um 1723) wird für den ersten und drit­ ten Akt eine Prospect Gardine erwähnt, die zur Verwandlung diente, im vierten 35 36 37



Flemming, Willi: Deutsches Barockdrama als Beginn des Moskauer Hoftheaters (1672). In: Maske und Kothurn, Jg 4, 1958, S. 112–113. Flemming: Gryphius und die Bühne, S. 100. In der Epilogszene der „Maria-Stuart“-Tragoedie des Leipzigers Christoph Cormart aus dem Jahr 1673 heißt es z.  B. in einer Anweisung: … Bei erhebung der inneren Gardine … (Nach Kinder­ mann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 406). Im „Tugend- und Liebesstreit“ steht in Szene IV/8 die Anweisung: Sanffte Music, und wird die hintere Guardine auffgezogen, in welcher ein Bette steht. Auch in „Die gekrönte Schäfferin Aspasia“ beginnt der V. Akt mit der Anweisung: Die gardine wirth Eröffnet, vndt Aspasia gekröndt. – Vgl. auch die Anweisung in „Der bestrafte Brudermord“, III/5 (Ausgabe Cohn, Sp. 275): Corambus hustet hinter der Tapete. – In der Komoedia „Die getreue Octavia“ schließt die erste Szene des I. Aktes mit dem Hinweis: Hier höret man inwendig etliche Freudenschüsse.

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Abb. 27: Vorderbühnenkulissen, wie sie Furttenbach in seiner „Architectura Recreationis“ III. Teil, Kupferstich Nr. 21 (S. 62–63) für größere stehende Theater vorschlägt und auf der Ulmer Bühne realisiert. Wann nun vor angehörter massen der erste Actus der Comedia zu ende geloffen / thun sich alsdann in einem Augenblick (ja so geschwind das der Mensch / wie scharpff er auch jmmer zu sihet / dannoch nit begreiffen kan) alle Ecker der Häuser von einander schwingen [Telari] / in solchem tempo so zerreist sich auch die hinderste Wand [Kulisse] vnnd verwandelt sich also die erste Sciena augenblicklich in ein schönen Lustgarten. (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek, Bregenz)



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Akt eine Mittelgardine: So bald Hysiphile die lichter außlöscht, muß hinter der Mittel gardine gleich das Theatrum in Specie hinten verfinstert werden. So ergibt sich dann im letzten Akt das schwartze hinter zimmer.38 In Christoph Cormarts „Maria Stuart“ wird die innere Tappete oder innere Gardiene hochgezogen oder fallengelassen: Maria Stuart wird auff das Ruhe Bette geführet und fällt die Innere Gardiene (III,6); zu Beginn einer großen Staatsszene: Das Theatrum zeiget den grossen Audientz-Saal, auf welchem sich in Erhebung der innersten Tappeten der hohe Rath versamlet (III,6). In England war dieser Mittelvorhang schon vor der Zeit stehender Thea­ter verbreitet. Auch dort bestand er aus zwei Courtains. Die holländi­ schen Rederyker verwendeten ihn seit der Mitte des 16.  Jahrhunderts. In Deutschland war dieser Zwischenvorhang wohl auch schon vor Beginn des 17. Jahrhunderts üblich.39 Für das Theater der deutschen Wanderkomödianten gehörte die Mittelgar­ dine zur allgemein gebräuchlichen Bühnenausstattung. Die szenische Kom­ position der „Liebes Verzweiffelung“ beweist, dass die Hinterbühne unbemerkt vom Publikum und ohne Spielpause umgestaltet wurde. Dies war nur mit Hilfe der Mittelgardine möglich. Durch das Wegziehen dieses Mittelvorhangs enthüllte sich dem Zuschauer eine vorher verborgene Welt. Dieser szenische Effekt wurde durch die dekorative Ausstattung der Hinterbühne noch ge­ steigert.40 Der hintere Bühnenraum hatte zwei Funktionen: Er konnte den Schau­ platz der Vorderbühne vertiefen und den Eindruck eines unbegrenzten Waldes oder eines geräumigen Palastes vortäuschen. Dieser große Platz war besonders für Massenszenen geeignet, in der „Liebes Verzweiffelung“ etwa für die Fechtszene (III/1–3) oder für die höfische Jagdgesellschaft im Wald (V/9–12).

38 39

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Abgedruckt in Asper, Kurt: Spieltexte der Wanderbühne, S. 93–94. Nach Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, S. 46. – Baesecke (Das Schauspiel der englischen Komödianten, S. 57) glaubt den Zwischenvorhang allerdings erst nach dem Drei­ ßigjährigen Krieg, also um die Jahrhundertmitte, in Deutschland ansetzen zu dürfen, da die Texte von 1608 und 1620 deutlich gegen seine Verwendung sprächen. – Diese Ansicht vertritt auch Carl Hermann Kaulfuß-Diesch (Die Inszenierung des deutschen Dramas an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts, Leipzig 1905): Er habe in den acht Stücken der Sammlung von 1620, in den Schauspielen Ayrers und des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig und auch in den von ihm untersuchten acht englischen Komödien keine Spur eines die Hinterbühne verdeckenden Zwischenvorhangs gefunden. Sowohl Kindermann (Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 405) als auch Flemming (Gry­ phius und die Bühne, Halle 1921, S. 99 und S. 100) betonen, dass die Ausstattung der Wan­ derbühnen keineswegs als ärmlich und farblos gesehen werden darf.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Die Hinterbühne fügte dem neutralen Schauplatz der Vorderbühne aber auch einen neuen intimen Lebensbereich hinzu, in Martins Spiel z.  B. das Gefängnisgemach Evandras (I/13) oder die Höhle im letzten Akt. Als Hütte Damons hat die Hinterbühne in der „Liebes Verzweiffelung“ fiktiven Charakter, denn sie wird nie von innen gezeigt. Das Geschehen spielt immer v o r der Hütte, und nur die Rede der Personen charakterisiert sie als Wohnung Damons, z.  B. in Szene II/8: [Damon zu Evandra] … gehe nur hinein, deine Sachen abzuwarten. oder in IV/3: [Myrandon zu Rodiman] Mein Prinz, ich verbleibe zu Hauß und erwarte ewer allhir. oder in V/8: [Myrandon zu Rodiman] Wir wollen den Schäffer aufwecken, daß er mit uns … gehe. Komt, Prinz … Durch die künstliche Beleuchtung mit Öllampen41 gewann der Raum der Hinterbühne noch an Intimität. Seine Requisiten hatten symbolischen Cha­ rakter und blieben für bestimmte Schauplätze in jedem Spiel ungefähr diesel­ ben. Den Thronsaal oder Palast kennzeichnete ein Thron, zu dem mehrere Stufen hinaufführten, das Gefängnis wurde durch Tisch und Bett gekenn­ zeichnet.42 Die drei Wände der Hinterbühne waren im frühen Wanderbühnendrama wahrscheinlich mit Teppichen behängt.43 Ab 1650 setzte sich in Deutsch­ land die Kulisse durch. Das früheste Zeugnis für eine Kulissenausstattung ist das Titelblatt zur „Cid“-Bearbeitung von Isaak Clauß aus dem Jahr 1655 in seiner „Teutschen Schawbühne“. (Siehe vorliegende Arbeit, Abb. 32, S. 442: Perspektiv-Prospekt mit vier Kulissenpaaren)

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42 43

Vgl. Furttenbach: Architectura Recreationis, S. 64–68. Die Furttenbachsche Bühne verwen­ det eine große Anzahl Öllampen jnnwendig vnd oben zwischen den Wolken, auch an beeden nebenseyten, wie auch nit weniger in dem vordern vnnd hindern Graben. Mit Hilfe solcher Öllampen wurde auch die Vorbildung der Sonnen zubereittet: Sie bestand aus einem entsprechend geformten doppelten Glas, mit Wasser gefüllt, dahinter eine brennende wolriechende Fewrkugel, die über die Bühne gelei­ tet wurde. Auch in den Dramen Cormarts ist dies die übliche Einrichtung des Gefängnis-Schauplatzes. Vgl. dazu Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, S. 45. Genée (Über die szenischen Formen Shakespeares, S. 136) nimmt für die Wanderbühne ge­ nerell keine veränderlichen Dekorationen an. Er glaubt, dass an den Seiten statt der Kulissen geschlossene Tapeten oder Teppiche befestigt waren. Dieser Ansicht folgt auch Creizenach (Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XCII). Flemming (Das Schauspiel der Wan­ derbühne, S. 44) hält es nur für die Comoedia „Der Jude von Venetien“ für wahrscheinlich, dass auf einer lediglich mit Teppichen abgegrenzten Bühne gespielt worden sei.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Wahrscheinlich hatten die Wandertruppen nur bemalte Leinwand bei sich, Kulissenrahmen aus Holz fanden sich wohl an den meisten Spielplätzen.44 Zur Verwandlung des inneren Bühnenraumes wurden die Kulissenrahmen und die Dekorationsstücke ausgetauscht. Furttenbach beschreibt in seiner „Architectura Recreationis“ (S. 64–68), dass diese Rahmen an Seilen den hinte­ ren Graben entlang gezogen wurden. Es waren drei Parallelseile gespannt, die hinteren Rahmen konnten daher, sooft es nötig war, unbemerkt ausge­ wechselt werden. Das galt aber wohl nur für größere Theater. Einfachere Bühnen verfügten über keinen Graben, Vorder- und Hinterbühne bildeten bei geöffnetem Zwischenvorhang einen einzigen großen Raum mit Tiefen­ perspektive. Ob solche bewegliche Schiebekulissen schon während der Wanderbühnen­ jahre Martins verwendet wurden, ist ungewiss. Der Prinzipal Daniel Treu spricht noch im Jahr 1666 in seiner Eingabe an die Stadtväter von Lüneburg im Ton der Neuigkeit von seinem schonen, wohl erfunden deatro mit allerhandt unterschiedlichen schonen mutationen.45 Aber auch einfachere Hofbühnen, etwa im Hirschensaal des Schlosses Krumau in Böhmen, wurden mit mehreren Ver­ wandlungen ausgestattet, die der Salzburger Maler Johann Martin Schaum­ berger vorerst als kleine Szenenmodelle anfertigte. Am 30. Juli 1675 waren die 17 ‚Theatra‘ fertiggestellt, sechs davon mit 18 Kulissen, vier mit 14 Kulissen. 1677 malte der Hofmaler Heinrich de Veerle acht weitere Dekorationen. Auf dieser Bühne spielten mehrere Wandertruppen mit bekannten Schauspielern, etwa Johann Christoph Pernecker aus Wien, Johann Karl Samenhammer, Andreas Elenson und die Nachfolgetruppe der Innsbrucker Komödianten. Auch der ‚Krumauer Komödienbauer‘ Johann Valentin Petzold, bekannt als ‚Kilian Brustfleck‘, trat hier längere Zeit auf.46 Größere Bühnen besaßen beidseitig der Hinterbühne (wahrscheinlich auch der Vorderbühne) dreiseitige drehbare Prismen, die Telaria. Johann Rist er­ wähnt solche Telaria in seiner „Aller­Edelsten Belustigung“ (1666): Man könne sie vermittelst einer Rollen geschwinder als man eine Hand ümwindet, ümdrehen und bald dieses / bald ein anders sehen lassen.47 Telaria (vorliegende Arbeit, Abb. 28, S. 365) 44 45 46

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Nach Flemming: Gryphius und die Bühne, Halle 1921, S. 99. Nach Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd III, S. 405. Záloha Jirí: Zu den Anfängen der Eggenbergischen Hofkomödianten in Böhmisch Krumau. In: Maske und Kothurn, Jg 48, Heft 1–4, Wien 2002, S. 265–269. Die Eggenbergischen Hof­ komödianten wurden 1691 aus Krumau entlassen und kamen 1692 nach Wien, wo sie eyßerste Notturfft leiden. Im Fasching 1699 führten sie sechs Spiele im kleinen Ballhaus in der Tein­ faltstraße in Wien auf. Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Aprilens-Unter­redung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 308.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

bestanden aus starken, mit Leinwand bezogenen Rahmen, die je nach Bedarf die Illusion von Gebäuden, einen Innenraum oder Wald ergaben. Jeder Telaro steht auff einem sehr starcken Eysern Nagel / oder aber auff einem Eichen Wellbaum / ob welchem dann der gantze telaro, lincks oder rechts / vnd nit anderst / als wie ein Thür sehr geschwind kan umbgewendet vnnd verwandelt werden. Zwischen den Telari können die Schauspieler herfürtreten. Die Rahmen der Telari konnten während des Spiels unbemerkt vom Zuschauer abgenommen und durch andere ersetzt werden. Das Ulmer Stadttheater etwa besaß für beide Bühnenseiten je fünf Telaria.48 Sie wurden schon für die Aufführung von Gryphius-Spielen verwendet und konnten z.  B. den Schauplatz des Lustgartens in „Cardenio und Celinde“ in der vierten Abhandlung plötzlich in eine abscheuliche Einöde verwandeln.49 Die einfachere Bühne der Wandertruppen musste auf diese Telaria wohl verzichten, in den erhaltenen Manuskripten werden sie jedenfalls nirgends erwähnt. Durch den Wechsel zwischen Vorder- und Hinterbühne wurde die Raum­ tiefe regelmäßig verändert, was dem Wanderbühnendrama jene typische alternierende Motorik verlieh, die es von den damaligen Festspielen, den Festa ­Teatrales, und auch von den Jesuitendramen unterschied. Besonders eindrucksvoll zeigen auch die Werke von Andreas Gryphius den Wechsel von Szenen auf flacher und solchen auf tiefer Bühne, etwa in „Cardenio und Celinde“: Indem sich der Lustgarten plötzlich in eine abscheuliche Einöde verwan­ delt und die verhüllte Gestalt des vermeintlichen Geliebten sich zeigt als Totengerippe, welches mit Pfeil und Bogen auf den Cardenio zielet, wird das barocke Grunderlebnis der vanitas mundi zum tief erlebten Bild. Das zweigeteilte, verschiedenartige Bühnenfeld bot eine Menge thea­ tra­lischer Möglichkeiten, die dem Wanderbühnendrama Bewegtheit und Ab­ wechslung gab. Die Pausen für den Bühnenumbau fielen weg, die Stücke konnten daher eine dramatisch geraffte und lebendige Darstellung finden. Für die meisten Wanderbühnendramen lässt sich das alternierende Prinzip zwischen Vorder- und Hinterbühne einfach rekonstruieren.50 Blü­ mels „Jude von Venetien“ z.  B. zeigt auf der Vorderbühne immer den neutralen Schauplatz einer Straße, während die innere Bühne zu Beginn (I/1–3) und am Schluss des Spiels (V/6–9) einen Thronsaal zeigt. Während des Spiel­ 48 49 50

Nach Furttenbach, Architectura Recreationis, S. 64–69. Gryphius: Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, Bd V, S. 148. Heine (Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, S. 48) hält den als Hin­ terbühne bekannten Raum, die Hütte, für den Ankleideraum der Schauspieler, in dem auch verschiedene hinter der Bühne wirkende Maschinen aufbewahrt wurden. Seine Ansicht, die Hinterbühne sei erst in den Achtzigerjahren des 17. Jahrhunderts von Velthen als Doppel­ bühne geschaffen worden, wird durch den alternierenden Szenenaufbau der früheren Wan­ derbühnendramen widerlegt.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Abb. 28: Telari-Schema der Ulmer Bühne, die Furttenbach ursprünglich für Schüleraufführungen geplant hatte. Telari und Schnurrahmen gestatteten fünf schnelle Verwandlungen. Auch der Pflas­ terstrich des Bodens wurde so formiert, daß er nach Prospectivischer Manir in die ferne verlauffen möge. Aus Furttenbach: Architectura Recreationis, 3. Theil: Von der Sciena di Comedia, 1640, S. 69–70, Kupferstich Nr. 22. (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz)

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Die „Liebes Verzweiffelung“

verlaufs bleibt die Hinterbühne als Ancillettes Gemach dekoriert. Auch das Schauspiel „Der eyserne Tisch“ zeigt auf der Vorderbühne den Schauplatz des Hofes (Akt I und V) oder des Waldes (Akt III und IV), die Hinterbühne er­ hält die Ausstattung eines Tempels mit Altar (Szene I/3 bis III/7) oder eines Gefängnisses (IV/2). Schwieriger ist es, die einzelnen Szenen der „Liebes Verzweiffelung“ diesem Wechselprinzip zwischen Vorder- und Hinterbühne einzugliedern. In den beiden erhaltenen Manuskripten sind nur zwei Schauplätze ausdrücklich ge­ nannt: Evandra im Garten (I/8) und Evandra im Gefängnuß (II/13), ev. noch in Szene III/8: ein ieder auff einem besonderen Ort. Dieser Mangel an szenischen Hinweisen beruht wohl darauf, dass Martin sein Drama für seine eigene Truppe und ihre Bühne schrieb. Die Wahl der Schauplätze bedurfte daher keiner schriftlichen Fixierung. Einige unverbindliche Hinweise geben die später von anderer Hand hin­ zugefügten Anweisungen im Karlsruher Manuskript. Sie sind jedoch sehr lückenhaft: Die Szenen vor Damons Hütte werden z.  B. nicht unterschieden von jenen, die im weglosen Waldesinneren spielen. Auch die Massenszene des Fechtkampfes (III/1–3), die wahrscheinlich beide Bühnenräume bean­ spruchte, hat nur die auf die Vorderbühne bezogene Anweisung: Die gaße oder der Königliche Hoff. Dass ein Wechsel zwischen Vorder- und Hinterbühne stattgefunden hat, ist sicher. Jede nachträgliche Verteilung der Schauplätze bleibt jedoch eine unbefriedigende Annahme, weil verschiedene Möglichkeiten zutreffen könnten. So erscheint z.  B. unsicher, wie der Eingang zu Damons Hütte angedeu­ tet wurde. Der Szenenaufbau verweist diesen Schauplatz vor der Schäfer­ hütte auf die Vorderbühne. Auf Szene IV/3, die vor Damons Hütte spielt, folgt unmittelbar eine Szene, die wiederum die Vorderbühne, die Gaße, be­ ansprucht. Die Lösung könnte darin liegen, dass diese folgende Szene mit Frondalpheo und Ottonias auf der Hinterbühne ihren Anfang nimmt. Wäh­ rend des Gesprächs über die Vor- und Nachteile der Jagd werden die Wald­ kulissen beidseitig der Mittelgardine durch andere ersetzt. Die Handlung wird nun auf die Vorderbühne verlegt. In Szene IV/6 schließt die Gardine den Palast nach vorne ab, so dass nun Fidelmo und Dymas allein auf der Gasse, der Vorderbühne, agieren. Ein anderer kritischer Punkt im Alternierungsprinzip ist der Wechsel zwischen I. und II. Akt: Unmittelbar vor der Waldszene (II/2) wird das Ge­ fängnis mit Evandra auf der Hinterbühne gezeigt (I/13). Amoenas Monolog in der folgenden Szene musste also auf der Vorderbühne vor geschlosse­ ner Mittelgardine stattfinden, damit die Hinterbühne umgestaltet werden konnte. Die Hirtin begegnet dem auf der Vorderbühne unter einem Baum



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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schlafenden Myrandon. Nachdem beide die Vorderbühne verlassen haben und Rodiman sein Selbstgespräch beendet hat (II/4), ertönte wahrscheinlich von der Hinterbühne her Amoenas Gesang. (Rodiman: Doch was höre ich vor eine liebliche Stimme …). Nun erst konnte sich die Mittelgardine öffnen und die Waldszenerie mit Amoena enthüllen, während Rodiman auf der Vorder­ bühne dem Gesang lauschte. (Die Stimme musste aus der nach drei Seiten geschlossenen Hinterbühne akustisch besser klingen und konnte die Illusion des Näherkommens vermitteln.) Dieses Beispiel zeigt, dass auch bei Schauplätzen wie dem Wald, die nor­ malerweise Vorder- und Hinterbühne beanspruchten, zwischen benötigter Tiefenwirkung und einfachem Vordergrund unterschieden wurde. Wichtiger als die Dekorationen auf der Bühne waren die reichen Kostüme. Mussten sie in Notsituationen versetzt oder gar verkauft werden, so stand der Theaterbetrieb still, die Existenz der Truppe war gefährdet. Trotzdem wurde auch auf die Ausstattung der Bühne großer Wert gelegt, das beweist der handschriftliche Entwurf eines Theaterzettels – wohl für eine größere Stadt- oder Hofbühne bestimmt – der dem Manuskript der „Rasenden Medea“ (Nat. Bibl. Wien, Sig. 13189, ohne Jahr) beigelegt ist und Hinweise auf die Außzierungen des Theatri gibt. Erwähnt werden ein Vorsaal, welcher sich in eine Wüsteney verwandelt, Wald und Tempel, Stadt und Wall, Juno in einer Wolke, Charon in seinem Schiff, Der flug des Cerberi übers Theatrum, Proserpina auff ein wagen, so von den geistern gezogen wird, Medea in der lufft, Der eröffnete Himmel, worin Jupiter Juno und Venus sich zeigen.51 Die späteren Wanderkomödianten bedienten sich also bei besonders fest­ lichen Aufführungen auf großen Hofbühnen der barocken Theatermaschi­ nerie, wenn auch vielleicht in einfacherer Ausführung; denn sie hatten nicht so viele Helfer hinter der Bühne und auch nicht die finanziellen Mittel. So heißt es etwa in dem Schauerstück „Amor der Tyrann oder die bereuete Rache“ (in Szene III/7): Die Erde thut sich auf, aus welcher 4 Geister mit brennenden lampen hervor treten.52 Auf einem Theaterzettel der Joliphous-Truppe aus dem Jahr 1654 wird eine offtmalige Veränderung der Theatren vnd Kleider … mit schönen Praesentationen

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Abgedruckt in Asper: Spieltexte der Wanderbühne, S. 95. Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 572.

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und schöner Englischer Music versprochen.53 (Theatrum bedeutet zu dieser Zeit ‚Bühnenraum‘). Der englische Prinzipal konnte also schon in dieser frühen Zeit eine verwandelbare Illusionsbühne vorweisen. 1669 kündigen die ehemals Innsprugger Commedianten auf einem Theater­ zettel in Rothenburg anmuthige Verwandlungen … mit Machinis, und aus der Lufft fliegen an.54 Und im März 1661 hatte eine Wanderbühnentruppe in Rothenburg auff dem Rathaus bey der Richterstuben ein theatrum auffgericht, alle Fenster mit Tüchern und Teppichen umbhengt … und bey vielen angezündeten Liechtern gespielt.55 Bei solcher Professionalität war also kaum Platz für Improvisation. Auf der frühen deutschen Wanderbühne wurde nur selten aus dem Stegreif ge­ spielt, sondern jede Aufführung benötigte viel Vorbereitung. So wird es auch verständlich, wenn Kurfürst Carl Ludwig von der Pfalz seinen Komödian­ ten, der sogenannten Sächsischen Bande unter der Leitung von Johannes Velthen, im Jahr 1679 für wohl aus gelernte Aufführungen 20 Reichstaler, für halbstudirte Comoedien, da sie den halben theil dazu selbst erdenken, aber nur die Hälfte ihrer Gage zu bezahlen bereit war.56 Wir dürfen uns also die Bühne der Wanderkomödianten zumindest ab der Jahrhundertmitte nur in seltenen Fällen als Bretterbude auf einem öffent­ lichen Platz vorstellen. Renommierte Truppen spielten zumeist in größeren Städten auf ste­ henden Bühnen57, in Ballhäusern (ursprünglich für das Ballspiel ähnlich dem Tennis vorgesehen, so etwa in Genf, Basel und Bern), in Herrschaftshäusern 53

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Theaterzettel vom 9. Dezember 1654 aus Rothenburg a.d.Tauber, eingelegt in die „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläuft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg ander der Tauber zugetragen“, fol. 959 (Abb. 18, S. 307). Es handelt sich dabei um ein seit 1628 geführtes Kompendium, in dritter Instanz von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner geschrieben. (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420) Theaterzettel vom 20. September 1669 (Stadtarchiv Rothenburg, Sig. AA 536/1, fol. 24r – 25v) Eintragung in „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläufft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen“. (Kompendium, seit 1628 geführt, in dritter Instanz von Sebastian Dehner; erhalten im Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 1005). Speyer, Carl: Magister Johannes Velthen und die sächsischen Hofkomödianten am kurfürst­ lichen Hof in Heidelberg und Mannheim, S. 73. Ein festes Schauspielhaus stand den Wanderkomödianten in Innsbruck und Kassel (das Otto­ nium) zur Verfügung. In München war das Rathaus für Aufführungen vorgesehen, in Nürn­ berg der Heilsbrunner Hof, manchmal auch das Augustinerkloster, in Danzig das Fechthaus, in Frankfurt die ‚Sanduhr‘ in der Fahrgasse, später am Wolfseck. Höfische Schlossauffüh­ rungen gab es in Wolfenbüttel, in Graz, in Warschau, in Dresden. (Siehe dazu Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd 3, S. 374)



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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oder in den Schlössern des wohlhabenden Adels. Ihre Ausstattung an Ku­ lissen, Kleidern und Requisiten hielten sie, je nach den aktuellen finanziellen Möglichkeiten, reichhaltig und für ihr Publikum immer wieder sehenswert. Wie wichtig dies für den Zuschauer war, zeigt z.  B. ein Schreiben des schlesischen Beamten Zacharias Allert vom 25. Nov. 1627, der am Hof zu Prag eine Theateraufführung anlässlich der Krönung Kaiser Ferdinand III. erlebt hat. Darin hebt er vor allem die szenischen Effekte auf der Bühne mit ihren besonderen Dekorationen hervor, wie Bäume bemalt und hintereinander perspectivisch gar artig gesetzt waren und wie Hirten in silberstückenen langen Röcken mit Stäben in Händen aus dem wie ein Wald gemachten Busche hervorkommen und sich bald hinter die Büsche, bald wieder hervor begeben.58 Sogar während des Dreißigjährigen Krieges wurde darauf Wert gelegt: In einem Saal der kaiserlichen Favorita in Wien war anlässlich einer Festaufführung zu Ehren des Geburtstags von Ferdinand II. im Juli 1631 eine neue Bühne geplant, die mehrere Szenenwechsel erlauben sollte (bisher gab es nur Flug- und Himmelserscheinungen): eine Meereslandschaft mit einem Felsen, der sich öffnen ließ ein lieblicher Garten ein Tempel des Kriegsgottes Mars, der sich ebenso öffnen und schließen ließ eine Wald- und eine Himmelsdekoration. Dazu Bühnenmaschinen: 2 fliegende Pferde 1 Delphin ein goldener Widder 2 Stiere und ein Drache, die Feuer speien sollten. (alle diese Tiere aus Karton und Papiermaché geformt und bemalt) Bühnenbeleuchtung: 400 kleine Blechlampen und 250 kleine Spiegel als Re­ flektoren.59 Auch in Nürnberg wurde trotz der finanziellen Not während des Dreißigjäh­ rigen Krieges60 1627/28 ein neues Fecht- und Tagkomödienhaus gebaut. Es 58

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Ferdinand III. beschreibt hier die erste Comoedia in musica, die als früheste Oper in Böhmen und eine der ersten nördlich der Alpen bezeichnet wird: La transformatione di Calisto, Libretto von D. Cesare Gonzaga Principe die Guastalla. (Schindler,Otto: Sonst ist alles lustig allhie. Italienisches Theater am Habsburger Hof, S. 604–605). Die entsprechende Aufführung (Lope de Vega: „El vellocino de oro“) fand dort wegen drei To­ desfällen im Kaiserhaus erst am 13. Juli 1633 statt (eine der wenigen in spanischer Sprache!). Nach Andrea Sommer-Mathis: Ein pícaro und spanisches Theater am Wiener Hof, S. 676– 678. Ab März bis Ende Juni 1627 wurde das Gebiet der Reichsstadt Nürnberg vom Markgrafen Jo­ hann Georg von Brandenburg und dem Herzog Julius Friedrich von Sachsen-Lauenburg als

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Die „Liebes Verzweiffelung“

war der erste städtische Theaterbau auf deutschem Boden, ein eigenständi­ ger Bau, der ausschließlich für öffentliche Schaustellungen diente und 3000 Besuchern Platz bot. Ein handschriftlicher Bericht um 1650 (im Stadtarchiv Nürnberg) gibt ein Bild davon: Das hölzerne Bühnengerüst verfügte über zwei Aufgänge und eine Oberbühne. Die Vorder- und Hinterbühne konnte mit Vorhängen abgeteilt werden. Mehrere bemalte, an Seilen hängende Teppiche vermittelten die ­Illusion der jeweils gezeigten Szene: ein palatium, ein landschafft, ein Closter, ein Gartten, ein Schiffarth, ein Kirch ein alter Baum; dazu ein papierener Himmel, sowie zwölf stückh auf tuch gemaltes Gewülckh. Blecherne Laternen und 48 große und kleine irdene Lampen buegelein sorgten für die Beleuchtung. Welch enorme Wirkung das neue Haus auf die Zuschauer ausgeübt hat, zeigt sich in der Besucherzahl: In den beiden folgenden Jahren waren es 38600 Zuschauer, sie brachten dem Rat insgesamt 3867 Gulden ein. Ab 1630 gab es wegen allgemeiner Not keine Aufführungen mehr.61 Jiri Záloha zeigt am Beispiel der Stadt Böhmisch-Krumau auf, wie entschei­ dend das Interesse des jeweiligen Landesfürsten für die Theaterkultur eines Landes sein konnte: Wie am Heidelberger, am Wiener oder Innsbrucker Hof holte Johann Christian Fürst zu Eggenberg (1641–1710) die renommiertes­ ten deutschen Schauspieler an seinen Hof, darunter auch jene aus der Inns­ brucker Hofkomödiantentruppe. Der Theaterraum befand sich zuerst im großen Saal gegenüber der Waschküche, dann im oberen Schloss, später im Hirschensaal. Die Bühne dieses etwa 24 mal 14 Meter großen Saals wurde professionell mit 17 Szenen (‚Theatra‘) ausgestattet, zehn davon mit 14 bis 18 verschieden großen Kulissenrahmen für bemalte Leinwand-Dekoratio­ nen, mit Bühnenvorhang, mit Blechlampen und weiteren illusionistischen Holzkonstruktionen. 1674 unterhielt der Eggenberger ein ständiges Schau­ spielerensemble, für das er zwischen 1680–82 sogar ein eigenes aufwendiges Theatergebäude – das erste in Böhmen – errichten ließ.62 Als der Fürst starb, wurde 1691 unter seinem Nachfolger das ganze Ensemble entlassen, das Schlosstheater stand leer.

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Kriegsmusterplatz genutzt. Die Lage spitzte sich so sehr zu, dass es der Stadtregierung nicht mehr möglich war, die Landbevölkerung an Leben und Gut zu schützen. (Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel, S. 45 und 41). Die Stadt musste 100 Truppendurchzüge verkraften und bis 1630 außerdem 1.200.000 Gulden zur Unterstützung der kaiserlichen Armee zahlen. Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel, S. 40–59. Ausführlich dargestellt in Záloha, Jiri: Zu den Anfängen der ‚Eggenbergischen Hofkomö­ dianten‘ in Böhmisch Krumau. In: Theater am Hof und für das Volk, Beiträge zur verglei­ chenden Theater- und Kulturgeschichte. Festschrift für Otto G. Schindler, hg. von Brigitte Marschall (= Maske und Kothurn, Jg 48, Heft 1–4). Wien/Köln/Weimar 2002, S. 265–269.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Abb. 29: Ältestes deutsches Schauhaus (Fechthaus), 1628 erbaut von der Stadt Nürnberg auf der Insel Schütt, mit offenem Hof und dreifach übereinander stehenden Galerien für die Zuschauer. Aufführungen von Tierhatzen, Comoedien, Akrobatik- und Fechtdarbietungen. (Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur, S. 172)

Stehende Bühnen scheinen im Allgemeinen über eine ausgeklügelte Theater­ maschinerie verfügt zu haben. Schon Johann Rist (1607–1667) verlangt, dass oben über dem Schauplatze auch schöne und künstliche verfärtigte Wolcken schweben / aus welchen man Engel / Geister / Adler und dergleichen herab bringen kan (wiewol unsere Christliche Potentaten mehr von den verfluchten Heidnischen Götzen halten / die sie oft auf ihren hohen Festen / also lassen aus den Wolcken steigen).63 Furttenbach hat uns in seinen Plänen für das Ulmer Stadttheater, das ursprünglich für Aufführungen der Lateinschule bestimmt war, ein genaues Bild einer solchen Verwandlungsbühne hinterlassen. Sie zeigt neben den bekannten deutschen Umformungsmöglichkeiten vor allem die Herkunft von italienischen Vorbildern – Furttenbach hatte in Florenz ein Jahr lang die berühmte Kriegs- uind Kunstakademie des Bühnenbildners Giulio Pa­ rigi besucht und die Perspektivkunst des Architekten Paolo Ritzio mit seiner gewaltigen ‚Sepultura santa‘ im Dom zu Genua kennengelernt. Italienische Bühnenarchitektur, deren illusionistisches Gestaltungsprinzip von den For­ men realer Architektur immer mehr abrückte, galt als Maßstab schlechthin, an dem sich die frühe deutsche Bühnendekorationskunst orientierte. In sei­ ner „Architectura civilis“ (1628), noch genauer in seiner „Architectura recreationis“ 63 Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Aprilens-Unter­ redung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 308–309.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

(1640), gibt Furttenbach Anweisungen, wie man nach der poetischen Tradition die Götter auff den Karren triumphalen auß dem Gewülck herunder auff die Brucken schweben lassen kann. Durch hilff deß hindern Grabens konnten Hangwägen oder Gutschen neben einer Cavallerie fürüber marschieren. Aber auch Schiffe, Seeungeheuer und Pferde konnte man in diesem Graben zwischen Spielbühne und Hin­ tergrundprospekt vorübergleiten lassen. Die Sciena oder die Brucken konnte mit Wellen wie das wilde Meer bedeckt werden. Die perspektivischen Malereien täuschten einen Bühnenraum von un­ endlicher Tiefe vor; die Grenze zwischen Wirklichkeit und Schein verwischte sich, denn das Theater wollte nicht Abbild der Welt, sondern deren Sinnbild sein, in unaufhörlicher Bewegung, in Aufregung, Ekstase, Berauschung.64 Eröffnet wurde dieses von Furttenbach entworfene Ulmer Theater am 17.  August 1641, also während der größten Notzeit (genau so wie in Nürnberg, wo das Theater von der Hilflosigkeit der Stadtväter gegenüber der Kriegsmaschinerie ablenken und ihr Ansehen stärken sollte). Ab 1651 bekamen auch Berufsschauspielertruppen die Erlaubnis, dort Gastspiele zu veranstalten. Den Anfang machten englische Komödianten; in der Folgezeit wurden aber nur noch deutsche Truppen zugelassen. Wie sich Furttenbach Mitte des 17. Jahrhunderts eine Theaterszene vor­ stellt, beschreibt er in seiner „Architectura Recreationis“, S. 63–64: Die Wolcken öffnen sich und zeigen die Musici, ob dero holdseligem Gesang vnd Instrumentenklang / sich die Zuseher sehr recreirn. Ein Dea oder Dama auff einem Adler sitzend schwingt sich zwischen den Wolcken herfür, die mit lieblicher Musica auch neben jhrer Tiorba die Aspectores sehr erquicket / aber sich endlich also vmbkehrent widerumben in die Wolcken hinein begeben / welches abermahlen nit mit geringem verwundern der Zuseher geschihet. Danach kann sich die Szene wieder in einem Nun vnd Augenblick in das Wilde Meer verwandeln. Ein Schiff wallt daher, fährt an Land und findet daselbsten den Karren der Tranquileta, welcher von zweyen Ballenen oder Wahlfischen gezogen / beneben mit Meermuscheln vnd dergleichen geschmückt ist. Auf einer Wolke lässt sich inzwischen nach poetischer Manier die Unsterblichkeit sehen, ihr zur Seite eine menge Musicanten mit holdseligen Gesangen / vnd Instrumenten. Also passiren sie in dem Gewülck vorüber. Im Hinblick auf die Bühnenausstattung kann wohl auch die „Liebes Verzweiffelung“ als anspruchsvolles Paradigma des frühen deutschen Wanderbüh­ nendramas gesehen werden. 64

Zur Bühne der Wanderkomödianten und des Schultheaters siehe auch Kindermann: Thea­ tergeschichte Europas, Bd 3, Salzburg 1959, S. 432–440.



Realisierung des Schauspiels auf der Bühne

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Wahrscheinlich war es nicht das einzige Schauspiel, das Johann Martin während seiner Komödiantenjahre geschrieben hat. Auffallende Ähnlichkeit in Sprache und Dramaturgie zeigen auch die Wanderbühnenstücke „Die getreue Octavia“ (Universitätsbibliothek Kassel, Sig. Ms theatr. 7), und „Der eyserne Tisch“ (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13188). Und obwohl die englischen Komödianten schon 1626 einen „Hamlet“ in ih­ rem Repertoire hatten, zeigt dessen spätere deutsche Wanderbühnenbear­ beitung „Der bestrafte Brudermord“65, die auch Carl Paulsens und Velthens Truppe aufgeführt hat, viele, besonders sprachliche Übereinstimmungen mit der „Liebes Verzweiffelung“ (abgedruckt in Cohn: Shakespeare in Germany, Sp. 237–304; und in Creizenach: Schauspiele der englischen Komödianten, S. 147–186)66. Ebenso spiegelt die so beliebte und in mehreren Handschrif­ ten und Szenarien erhaltene Comoedia „Der flüchtige Virenus oder Die getreue Olympia“ (Druck Regensburg 1687) Johann Martins Sprachstil, der sich auch im „Tugend- und Liebesstreit“ und im „Liebes-Gefängnus“ wiederfin­ det.67 Die Verse am Szenenende und am Spielschluss erinnern in Rhythmus, Form und Sprache stark an jene in der „Liebes Verzweiffelung“. Es sind die­ selben zahlreichen mythologischen Anspielungen, Echoszenen, dieselben Gedankeninhalte und derselbe Verlauf der Gedankengänge; vor allem aber ist es der sprachliche Rhythmus, der diese Stücke in die Nähe der „Liebes Verzweiffelung“ rückt. Johann Martins Name taucht jedoch im Zusammenhang mit diesen Komödien nirgends auf, und so ist es derzeit nicht möglich, eine definitive Entscheidung über deren Verfasser zu fällen. Mit einiger Wahrscheinlich­ keit kann jedoch angenommen werden, dass dafür Johann Martin in Frage kommt.

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Siehe dazu Gstach, Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shake­ speareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort 1978, Jg 30, Heft 1, S. 7–19. (In Szene II/8 sagt Corambus: … die Comödianten haben einen stumpf gemacht. Dieser Ausdruck ist nur im Alemanni­ schen bekannt in der Bedeutung von „Dummheit, Unsinn“. Siehe Jutz, Leo: Vorarlbergisches Wörterbuch, mit Einschluß des Fürstentums Liechtenstein, hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Bd 2, Wien 1965, Sp. 1372.) Gstach, Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shakespeareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarl­ bergs, Jg 30, Heft 1, 1978, S. 7–19. Diese Ähnlichkeit bestätigt auch Werner Richter: Liebeskampf, S.  249.  – Im „Tugend- und Liebesstreit“ aus dem Jahr 1677 verwendet der Pickelhering in Szene III/5 den Ausdruck ‚Rumpelpoth‘ für ein bäurisches Musikinstrument. Eine Rumpel bezeichnete in der Heimat Johann Martins, im Alemannischen, ein Waschbrett aus gewelltem Holz oder Blech. Der Ausdruck ist im Hochdeutschen anscheinend nicht bekannt, denn Creizenach (Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. 104) kann ihn nicht erklären.

Im Überblick Die Tragikomödie „Die Liebes Verzweiffelung“ ist erst vor fünf Jahrzehnten in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe als Jugendwerk des österreichi­ schen Barockdichters und Musikers Laurentius von Schnüffis entdeckt wor­ den. Der Autor nennt sich auf dem Titelblatt mit seinem bürgerlichen Na­ men Johann Martin, studiosus von Veltkirchen. Aus seinen späteren Klosterjahren sind mindestens neun künstlerisch wertvolle Werke erhalten.1 Die Österrei­ chische Nationalbibliothek Wien besitzt ein mit der Karlsruher Handschrift nahezu identisches Bühnenmanuskript ohne Titelblatt; es ist nach der zuerst auftretenden Person „König Frondalpheo“ benannt und trägt die Jahreszahl 1667. Als sein Schreiber konnte der Schauspieler und Prinzipal Christian Ja­ nethzky identifiziert werden. Die Karlsruher Handschrift enthält außerdem Musiknoten zu einem Schäferlied und bietet damit ein erstes musikalisches Dokument für das spätere Liedschaffen des Künstlers. Johann Martin war in seiner Jugend mehrere Jahre lang Mitglied einer hochdeutschen Komödiantentruppe, die sich aus der Truppe des englischen Prinzipals Joris Joliphous abgespaltet und am Innsbrucker Hof von 1658– 1662 ein festes Engagement erhalten hatte. Die „Liebes Verzweiffelung“ dürfte jedoch schon früher während der Wanderzeit im Raum Köln – Wien – Basel entstanden sein. Sie verarbeitet mehrere Motive aus Shakespeares „Wintermärchen“. Obwohl dieses englische Schauspiel in keiner deutschen Wander­ bühnenbearbeitung erhalten ist und auch auf keiner zeitgenössischen Reper­ toireliste aufscheint, muss es der damaligen Bühne doch bekannt gewesen sein, da auch im „Tugend- und Liebesstreit“ aus dem Jahr 1677 die Anfangs­ szene aus Shakespeares „Wintermärchen“ aufscheint. Das holländische Spiel „Alcinea, of stantvastige Kuysheydt“ von Hendrik de Graeff aus dem Jahr 1671 zeigt auffallende thematische Übereinstimmungen mit der Cassianus-Evand­ 1

Zwei seiner Werke, die der Chronist Romuald von Stockach in der Konstanzer Kapuzi­ nerchronik anführt, galten lange Zeit als verschollen. Die Autorin glaubt diese beiden Bücher in der „Vita S. Antonij Paduani“, Augsburg 1698, und in der „Vita et admiranda Historia Seraphici S. P. Francisci“, Augsburg 1694, gefunden zu haben und begründet die Autorschaft des Laurentius von Schnüffis in ihrem Buch „Von Verzicht und Erfüllung – Auf der Suche nach Gott“. Hard 2008. – Eine weitere Arbeit befasst sich mit den handschriftlichen Liedern, die in einer besonderen Ausgabe des „Mirantischen Flötleins“ aus dem Jahr 1682 eingebunden sind und deren Melodien bisher noch nicht aufgearbeitet sind. (Ruth Gstach: Unbekannte Liederhandschrift im „Miran­ tischen Flötlein“ des Laurentius von Schnüffis. In: Montfort, Jg 57, Heft 2, 2005, S. 151–170)



Im Überblick

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ra-Handlung aus der „Liebes Verzweiffelung“; möglicherweise diente Martins Spiel als Vorlage. Eine Aufführung der „Liebes Verzweiffelung“ ist nur durch die VelthenTruppe, der bedeutendsten des 17.  Jahrhunderts, dokumentiert. Martins Drama stand wohl auch auf dem Repertoire anderer Wandertruppen, die es vielleicht unter einem anderen Titel aufführten. Bezeugt ist außerdem eine Aufführung in der deutschen Sloboda in Moskau um 1740–1750, ev. durch die Neubersche oder Ackermannsche Truppe.2 Die fiktiven Personen des Spiels entsprechen den beiden im Wanderbüh­ nendrama üblichen konträren Schauplätzen, der Szenerie des königlichen Hofes und der Schäferhütte im Wald. Sie ermöglichen die beiden Parallel­ handlungen des Schauspiels und schaffen jene möglichst grelle Kontrastwir­ kung, die das Publikum des 17. Jahrhunderts verlangte. Auch die Wahl der Motive  – die Verwechslung von Kindern, die das dramatische Geschehen problemlos zu einem positives Ende führt, das Motiv der Verleumdung, der Verkleidung, des Zweikampfs, des Traums und böser Vorahnungen – bewegt sich ganz in der Tradition des barocken Wanderbühnendramas. Reien am Sze­ nenende und am Schluss der Komödie gehören ebenso zum üblichen Wan­ derbühnenspiel wie das dramaturgische Prinzip des Gegensatzes, das sich in der Wahl des Schauplatzes wie auch in der Abfolge des dramatischen Ge­ schehens zeigt. Die sprachliche Vorliebe des Dichters für mythologische An­ spielungen und für Vergleiche aus dem Bereich der Natur zeigt sich in seinen späteren Werken genauso wie schon in seiner Tragikomödie. Obwohl sich der Dichter nach vielen Jahren klösterlichen Schweigens in seinen Druckwerken dem lyrischen Sprachbereich zuwendet, bleibt er im Grunde Dramatiker, der in Bildern und Szenerien die imaginäre Welt der suchenden Seele aufzeigt. Die „Liebes Verzweiffelung“ kann als besonders geeignetes Paradigma der neuen Komödienrichtung um die Mitte des 17. Jahrhunderts gesehen werden, da sie auf Grund ihrer Entstehungszeit um 1660 noch der frühen englischen Wan­ derbühnentradition nahesteht und die emotionalen, gesellschaftlichen und stilistischen Gegebenheiten der Anfangsphase des deutschen Schauspiels widerspiegelt, im Hinblick auf die künstlerische Kompetenz des Dichters jedoch schon die kommende Entwicklung des dramatischen Schaffens im deutschen Sprachraum ahnen lässt. 2

Diese deutsche Vorstadt nordöstlich vom Zentrum Moskaus, mit hochdeutscher Umgangs­ sprache, war schon seit dem 15. Jahrhundert von hanseatischen Kaufleuten, Bergarbeitern, Ärzten und Gelehrten bewohnt. Unter Zar Peter I., dessen Jugendjahre vom Leben in der Sloboda mit ihren etwa 1200 gebildeten Deutschen geprägt wurde, galt die Sloboda als Zen­ trum des modernen Lebensstils, mit eigenem Theater. Deutsche Komödiantentruppen wur­ den bis zu seinem Tod 1725 hierher engagiert.

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Die „Liebes Verzweiffelung“

Ein Blick auf die erhaltenen Wanderbühnendramen zeigt, dass sich das deutsche Wanderbühnenspiel im 17. Jahrhundert ganz an den importierten Spielen der englischen Komödianten, teils auch der italienischen Ko­mö­ dian­ten­truppen orientiert. Französisches Theater wird erst gegen Ende des Jahrhunderts auf die deutsche Bühne Einfluss nehmen, während die großen Themen des spanischen Dramas fast nur auf dem Umweg über holländi­ sche Bearbeitungen in den deutschen Sprachbereich gelangten. Hier erfuh­ ren sie wiederum eine dem deutschen Publikum angepasste Umformung: Fremd­artig erscheinende Motive wurden gelöscht; andere, dramatisch wirk­ same Motive wurden immer wieder neu variiert. Das deutsche Wanderbüh­ nendrama zeigt daher eine relativ begrenzte Motivanzahl, weil es sich an den Wünschen und Vorstellungen seines Publikums orientiert, das überschau­ bare Handlungen und große Emotionen bevorzugte. Dies ist auch einer der Gründe, warum das Theater des 17. Jahrhunderts als das erfolgreichste in der Literaturgeschichte gelten kann. Weil die neu geschaffenen Bühnenstücke auch immer wieder unter ande­ rem Titel angeboten wurden, ist es heute oft schwierig, ihre Vorlagen, ihre Mo­ tivwurzeln zu erkennen. Das in der vorliegenden Arbeit angefügte Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnendramen soll einen einfacheren und übersichtli­ chen Zugang ermöglichen. Die ebenfalls abgedruckten Repertoirelisten, die einzelne Truppen ihrem Spielansuchen oft beilegten, geben überdies inter­ essante Auskünfte über die Beliebtheit und die Wanderung einzelner Stücke. Auch das Tagebuch des Danziger Ratsherrn Georg Schröder aus dem Jahr 1669 und die Kalendereintragungen des Herzogs Ferdinand Albrecht I. von Braunschweig-Bevern aus dem Jahr 1680 vermitteln wertvolle Hinweise auf das Theaterleben der damaligen Zeit; ebenso die Briefe der österreichischen Erzherzogin Maria Magdalena, in denen sie 1608 ihrem Bruder Ferdinand die Aufführungen der englischen Komödianten in Graz beschreibt, oder die Dres­ dener Aufzeichnungen des Magister Johannes Kretschmer aus dem Jahr 1626. Da die Art der Aufführung auch wesentlich durch den künstlerischen Gestaltungswillen und den Bildungsstand der jeweiligen Komödianten­ truppe geprägt wurde, scheint es wichtig, die Persönlichkeiten der Prinzi­ pale und ihrer Mitglieder und die Besetzungen der einzelnen Spiele näher zu betrachten. Sie sind in einzelnen Manuskripten verzeichnet, finden aber auch in Briefen und Tagebucheintragungen hochgestellter Persönlichkeiten Erwähnung. Im vorliegenden Verzeichnis wurde versucht, die überlieferten Namen und Daten möglichst vollständig aufzulisten. Das Wanderbühnendrama in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts kenn­ zeichnet den Beginn des künstlerischen dramatischen Schaffens im deut­ schen Sprachgebiet. Es leitet ein völlig neues Verständnis des Theaters und seiner Möglichkeiten ein.

Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts Die ersten fünfzig Jahre

Derzeitige Forschungssituation – Verfügbarkeit der Spieltexte In das vorliegende Verzeichnis wurden jene Texte aufgenommen, die einen direkten Bezug zur Wanderbühne des 17. Jahrhunderts aufweisen. Sie gehören jenem älteren Spielrepertoire an, das die Wanderbühne bis in die ersten Jahrzehnte des 18.  Jahrhunderts charakterisiert. Vor allem sind es Hauptund Staatsaktionen und jene Pickelhering-Nachspiele, aus denen sich später die Wiener Hanswurstiade entwickelt hat. Beliebt waren auch Singspiele: gesprochenes Theater mit einzelnen Liedeinlagen. Die späteren Stücke ab etwa 1700 gehören nicht mehr in den Kreis der typischen ersten deutschen Wanderbühne mit ihrem schweren Grundton, ihrer Mischung aus Scherz, Ernst, Trauer, Leidenschaft und Pathos, mit der begrenzten Schauspielerzahl und dem im Grunde sich wiederholenden Repertoire. Die zeitliche und thematische Zuordnung mancher erhaltenen Komödien zu den in den Repertoirelisten verzeichneten Komödientiteln ist teils recht schwierig, weil diese von den jeweiligen Wanderbühnen willkürlich verändert wurden. Einzelne Komödien scheinen in solchen alten Titelverzeichnissen überhaupt nicht auf; da sie aber dem Wanderbühnendrama inhaltlich nahestehen, wurden auch sie in das folgende Verzeichnis aufgenommen. Andererseits verzeichnet das späte Weimarer Verzeichnis (um 1710) mehrere Titel, die der ursprünglichen Wanderbühne nur mehr bedingt zuzurechnen sind. (Im Zweifelsfall wurden auch sie in das vorliegende Verzeichnis aufgenommen.) – Manche Wanderbühnenstücke haben sich anscheinend in der späteren Form nur als Singspiel erhalten. Dass ihre Thematik dem ursprünglichen Sprechtheater zugeordnet werden kann, lässt sich aus den Repertoirelisten und anderen erhaltenen Verzeichnissen erschließen. Umgekehrt ist es zum Beispiel für die Eggenberger Truppe in Böhmisch-Krumau verbürgt, dass sie auf Verlangen ihres Arbeitgebers Johann Christian, Herzog von Krumau und Fürst zu Eggenberg, Singspiele und Opernlibretti für ihre eigene Sprechbühne bearbeiteten. Das betraf vor allem die zahlreichen Opern, die am Wiener Hof aufgeführt und deren Libretti zuerst in Italienisch, ab 1669 auch in deutschen Übersetzungen gedruckt wurden. Manche Höfe hielten sich zusätzlich zu zeitlich begrenzt engagierten oder auch fix angestellten Komödiantentruppen – wie etwa am Innsbrucker herzoglichen Hof – auch eine eigene Hofkapelle. So war der langjährige Leiter der Hofmusik in Ansbach, Johann Wolfgang Franck, ab 1673 gleichzeitig

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mit der direction der Hoffmusic und Comedien betraut.1 Hieß das, dass sich die Prinzipale der ankommenden Komödientruppen den Bestimmungen eines dominanten Hofkapellmeisters beugen mussten? 1683 hatten ja die Fürstlich Eggenbergischen Hofkomödianten aus Böhmisch Krumau wegen der dortigen Hoftrauer um Spielerlaubnis in Ansbach angesucht und auch erhalten. Die 14 Aktionen aus dem Fundus der Österreichischen Nationalbibliothek, die lange Zeit Stranitzky2 zugeschrieben wurden, als deren Autor heute jedoch das Mitglied des Ensembles vom Kärntnertortheater Heinrich Rademin3 vermutet wird, sind nicht mehr in dieses Verzeichnis aufgenommen. Auch sie haben sich aus Wiener und venezianischen Libretti in italienischer 1 2

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Sachs, Kurt: Die Ansbacher Hofkapelle unter Markgraf Johann Friedrich (1672–1686). In: Sammelbände der internationalen Musikgesellschaft, 11. Jg 1909–1910, hg. von Max Seiffert. Leipzig 1910. (Reprint Wiesbaden 1971), S. 109. Josef Anton Stranitzky (1676–19.5.1726), seit 1705 in Wien; seine Truppe bezog 1710 das neu erbaute und im Jahr zuvor noch in italienischer Hand befindliche Kärntnertortheater. Die von ihm verkörperte charakteristische lustige Person des Hanswurst prägte die ‚Wiener Haupt- und Staatsaktionen‘. – Stranitzky war zuerst Marionettenspieler (Augsburg 1699 und 1702, München 1699, Nürnberg 1701) und arbeitete eng mit Johann Baptist Hilverding zusammen, der schon seit 1672 in Wien spielte und mit dem er dann 1716 bis 1720 gemeinsam am Kärntnertortheater auftrat. – Am 30. Sep. 1707 absolvierte er das Examen als Zahn- und Wundarzt an der Wiener Universität, er übte dieses Gewerbe in Wien neben seiner Schauspielerei bis zu seinem Tod aus. Heinrich Rademin (1674–1731) stammte aus einer Hamburger Juristenfamilie und promovierte im Dezember 1697 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zum Doktor der Jurisprudenz und Lizentiat beider Rechte. Der Schauspieler Konrad Ekhof erklärt, mit Ausgang dieses Seculi sei der Licentiat Rademin von Hamburg nach Wien gegangen und habe daselbst das Theater wo nicht gegründet doch befestiget (Staatsbibliothek Berlin, Ms Germ. Fol. 771, Ekhofs lit. Nachlass Nr. III. – Rademin ist in den Jahren 1709, 1710, 1719 und 1726 in Wien nachgewiesen). Als Prinzipal der ‚Wienerischen Komödianten‘ spielte er in mehreren Städten Süddeutschlands, z.  B. in Regensburg 1711, Ulm 1712, Frühherbst 1714 gemeinsam mit Anton Joseph Geißler in Linz, Sommer 1715 in Augsburg, 1716/17 in Brünn, Frühjahr 1718 in Prag. 1719 wechselte Rademin nach Wien ans Kärntnerthortheater Stranitzkys. 1723 übernahm er die Prinzipalschaft des Churfürstl. Trierisch privilegierten Anton Joseph Geißler über die Hochdeutschen Komoedianten und spielte mit ihnen in Breslau und Brünn. Im Juli/August 1724 entstanden in Wien fünf Libretti-Umarbeitungen für den Hanswurst, bis 1726 insgesamt 14 sog. Hauptund Staatsaktionen, die Rademin aus italienischen Librettitexten zusammenstellte. Drei Tage vor dem Tod Stranitzky wurde am 16. Mai 1726 Rademins erfolgreiches Nepomuk-Oratorium „Der liegend-obsiegende Held“ (Musik von Georg Reuter) am Kärntnertortheater aufgeführt. Als dieses Theater 1728 einer italienischen Leitung übertragen wurde, verwirklichte Rademin seine Idee des aufführungsbegleitenden Textbuches, teils in italienisch-deutschem Paralleldruck, teils als gesonderte Versübersetzung der welschen Sing-Verfassung. In seinem letzten Lebensjahr legte er mit seiner „Römischen Lucretia“ und dem Tanz- und Singspiel „Runtzvanscad, König deren Menschenfressern“ den Keim für das erfolgreiche Genre der Parodieoper. Rademin starb am 29. November 1731. – Seine Tochter Barbara heiratete den bekannten Prinzipal und letzten deutschen Harlekin Franz Schuch d.Älteren. Rademins Sohn Karl heiratete Sophie Eckenberg, die Tocter des ‚starken Mannes‘ und Theaterprinzipals Johann Carl von Eckenberg. (Bärbel Rudin: Heinrich Rademin, Hanswursts Schattenmann. In: Maske



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Sprache (Nicola Minato, Adriano Morselli, Matteo Noris, Donato Cupeda, Antonio Bernardoni, Apostolo Zeno) bedient. Diese freien deutschen Übertragungen sind uns in einzelnen Quart-Handschriften aus dem Jahr 1724 überliefert. Die Abhängigkeit des Wanderbühnendramas von der italienischen Oper erweist sich auch in den Untersuchungen Boltes anhand der 22 Bühnenhandschriften der Spiegelberg-Truppe aus den Jahren 1698 bis 1727, heute in der Forschungsbibliothek Gotha.4 Diese Handschriften aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof zeigen aber auch, dass die Wanderbühnenspiele des 17. Jahrhunderts größtenteils noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts auf dem Programm berühmter Truppen gestanden haben. Bis zur Jahrhundertwende um1700 wurden am Wiener Hof mehr als 300 solcher Musikdramen aufgeführt. Der Prinzipal und Bühnenautor Rademin hat in diese Aktionen später die Figur des Hanswurst (dargestellt durch Stranitzky) eingefügt, der die meist inhaltsschwache Handlung mit seinen extemporierten Szenen auflockerte und so dem veränderten Geschmack des Wiener Publikums anpasste, das nun leichtere, von der groben Burleske bestimmte Unterhaltung verlangte. Die ursprüngliche Haupt- und Staatsaktion trat damit immer mehr in den Hintergrund, und Hanswurst übernahm den Hauptpart. Damit verlieren diese Aufführungen aber ihre Gewichtung, die sie während der paar Jahrzehnte nach 1650 zu bedeutsamen Ereignissen an den Höfen und auch in den Städten gemacht hatte. Theateraufführungen waren der Höhepunkt bei Geburtstagsfeiern und anderen Festen bei Hof gewesen, Tagebucheintragungen hochgestellter Persönlichkeiten und sorgfältig abgeschriebene Widmungsexemplare bezeugen, welch wichtiger Stellenwert dem Theater zugebilligt worden ist. Manche Prinzipale und beliebte Schauspieler erhielten den Titel ‚poeta laureatus‘, sie wurden in den Adelsstand erhoben5 und hatten für ihre Kinder höchstgestellte Taufpaten. und Kothurn, Jg 48, Heft 1–4, Wien 2002, S. 271–301; ebenso Schäffler, Rudolf: Heinrich Rademin. Phil. Diss. Wien 1932.) 4 Die Spiegelberg-Truppe gehörte in die Familientradition der Schröder / Ackermann / Ekhof-Truppe. Nach dem Tod des berühmten Schauspielers und Theaterdirektors des Gothaischen Hoftheaters, Konrad Ekhof (16. Juni 1778), wurden diese Bühnenmanuskripte auf Betreiben des Mitprinzipals und Nachfolgers Heinrich August Reichard vom Gothaischen Hoftheater angekauft. Nach dem Tod Herzog Friedrichs IV. kam die Theaterbibliothek samt der Privatbibliothek Ekhofs in den Besitz der herzoglichen großen Bibliothek in Gotha, dazu 14 Bände Comödienzettel (die von Ekhof gesammelten Theaterzettel samt Rollenbesetzung aus der Zeit, ehe er in Gotha gespielt hat). – Siehe dazu Ehwald, Rudolf: Ekhofs literarischer Nachlass. In: Mitteilungen des Vereins für Gothaische Geschichte und Altertumsforschung 1915–1916, S. 50–66. Ebenso Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der wissenschaften vom 21. Juni 1934, Bd XIX, S. 446–487.) 5 Der Principal der Eggenberger Truppe, Johann Carl Samenhammer, erhielt das Adels­ diplom ‚Herr von Sonnenhammer‘, sein Mitprincipal Johann Georg Göttner wurde 1687 in

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Rademins Hanswurst-Komödien, aufgeführt von der Stranitzky-Truppe, gehören also nicht mehr direkt zur Wanderbühne, sie wurden teils sogar von der Hofgesellschaft selbst gespielt; Titel und Thematik jedoch spielen mehrfach in die Wanderbühnenszenerie hinein. Da die Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges in der Staatsbibliothek Berlin und auch anderen Bibliotheken Deutschlands, ebenso der Gebäudeeinsturz des Historischen Archivs Köln und der Brand in der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek in Weimar auch alte Manuskriptbestände betrafen, wurden die im folgenden Verzeichnis angeführten handschriftlichen Wanderbühnentexte dieser Bibliotheken auf ihre Verfügbarkeit und Signatur überprüft. Als Informations-Ergänzung wird auf die verschiedenen in der vorliegenden Arbeit abgedruckten Repertoire-Verzeichnisse, besonders die drei umfangreichen zeitgenössischen Titellisten von Dresden (1626) und Weimar (um 1710) und jenes des Prinzipals Velthen (1679) hingewiesen. Sie waren den Spielansuchen der jeweiligen Truppe beigelegt; die angegebenen Schauspiele sind jedoch zum Teil nicht erhalten, oder bekannte Stücke wurden unter einem veränderten Titel angepriesen, um den Eindruck eines möglichst neuen Repertoires zu erwecken: Das Dresdener Verzeichnis umfasst das Repertoire des englischen Komödiaten John Green. Die von Magister Johannes Kretzschmer aufgeschriebenen Schauspiele wurden in Dresden zwischen dem 31. Mai und dem 4. Dezember 1626 aufgeführt. Aus der Zeit 1674/1679 sind 59 Spieltitel bekannt, die der Prinzipal Carl Andreas Paulsen in Dresden aufgeführt hat. Paulsens Schwiegersohn Johannes Velthen, der zuerst in der Paulsen-Truppe gespielt hatte, machte sich spätestens ab 1679 selbständig. Von seiner Truppe, der wohl erfolgreichsten und bekanntesten des 17. Jahrhunderts, ist eine Liste mit 87 Theatertitel erhalten; Velthen hat dieses Verzeichnis seinem Spielansuchen am kurpfälzischen Hof in Mannheim 1679 beigefügt. Velthens Repertoire zeigt, dass er nahezu die Hälfte seiner Komödien aus Paulsens Repertoire übernommen hat.

den Ritterstand erhoben (‚Göttner von Göttersberg‘), beide waren 16 Jahre lang am Krumauer Hoftheater angestellt und wurden dort vom Herzog Johann Christian zum ‚poeta laureatus‘ gekrönt. Auch Johann Martin, das ehemalige Mitglied der Hoffmann-Truppe, soll – wo und von wem, ist unbekannt– den Titel ‚poeta laureatus‘erhalten haben. (Teils nach Bärbel Rudin: Das Fürstlich-Eggenbergische Hoftheater in Böhmisch-Krumau (1676–1691). In: Daphnis. Zeitschtrift für Mittlere Deutsche Literatur, Bd 25, Heft 2–3, 1996, S. 470.)



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Das Weimarer Verzeichnis, benannt nach seinem Fundort, ist um 1710 von einem unbekannten Schreiber angefertigt worden, betrifft aber Aufführungen, die in Nürnberg stattfanden. Es umfasst 160 Schauspiele. Weniger reichhaltige Repertoire-Listen sind erhalten von den Churpfälzischen Compagnie Comoedianten, der Nachfolgetruppe Hans Ernst Hoffmanns, als sie 1667 in Mannheim am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz spielten; ebenso von der Truppe des Prinzipals Daniel Treu, als dieser 1666 in Lüneburg seine „Demonstratio actionum“ vorlegte und 1669/70 und 1681–1685 am bayerischen Hof zu Schleißheim bei München mehrere Vorstellungen gab. Daneben gelten das Tagebuch des Danziger Ratsherrn Georg Schröder6 aus dem Jahr 1669 und das Tagebuch Herzog Ferdinand Albrechts I. von Braunschweig-Bevern7 aus dem Jahr 1680 als wichtige Quellen für das Aufführungsrepertoire der Andreas Elenson- und der Velthen-Truppe, den beiden wohl bedeutendsten Wanderbühnentruppen im Hinblick auf die Entwicklung des Theaters im 17. Jahrhundert. Eine Repertoireliste der Prinzipalin Victoria Clara Bönicke, die ihre Aufführungen in Riga 1718/19 aufzählt, nennt immer noch viele beliebte Stücke des alten Wanderbühnenrepertoires. Anhand dieser Listen zeigt sich, dass die englischen Stücke immer mehr durch Bearbeitungen zunächst niederländischer, später spanischer, französischer und ab dem letzten Jahrzehnt vor 1700 italienischer Dramen verdrängt wurden und dass auch völlig neue Stücke deutscher Autoren allmählich die Bühne eroberten. Umgekehrt wurden aber auch deutsche Stücke ins Holländische übersetzt, z.  B. „Die schöne lustige Comoedia von Jemant und Niemant“ (1620) von Isaak Vos (Den Haag 1661). Das Repertoire solcher renommierten Wanderbühnentruppen umfasste an die hundert Titel; im Spielansuchen einer deutschen Komödiantentruppe an den Danziger Rat vom August 1662 heißt es: Wir erbieten uns dermaßen nützliche, erbäuliche und lehrhaffte Comoedien, derer wir bey 90 und mehr haben, auf den Platz zubringen und solche mit unserer eigenen Musik der maßen zubeziehren, daß Niemand geergert noch beleidiget, vielmehr aber ein jederman erbauet und die liebe Bürgerschafft zur einigkeit, gehorsam und tapferkeit angefrischet werden möge.8 6

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Stadtbibliothek Danzig, Sig. III a fol. 36, abgedruckt in Bolte: Danziger Theater, S. 103–110. Der studierte und weitgereiste Ratsherr Schröder (1635–1703) hat in seinem Tagebuch ausführliche Inhaltsangaben von acht Schauspielen überliefert, die er von der Truppe des Karl Andreas Paulsen in Danzig aufgeführt gesehen hat, darunter die Commedia vom Doktor Faust. Abgedruckt in Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern. In: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, Jg. 3. Wolfenbüttel 1904, S. 111–156. (Original in der Herzog August-Bibliothek in Wolfenbüttel, Sig. M: Ne 394.1) Nach Bolte: Danziger Theater, S. 94.

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Die ersten Komödiantentruppen besaßen keine gedruckten Texte, sondern meist nur handschriftlich festgelegte Spiele, und sie waren deren größtes Vermögen, das nicht in die Hände einer Konkurrenztruppe fallen durfte. Außerdem war zu befürchten, dass durch eine Veröffentlichung ihr eigenes Repertoire an Aktualität und damit an Wert verlieren könnte. Schauspieler wie z.  B. Blümel bearbeiteten meistens vorhandene Übersetzungen fremdsprachiger Texte für ihre eigene Bühne. So hat Martino9 42 Wanderbühnen-Handschriften als Übersetzungen italienischer Autoren identifiziert, die aus lateinischen Vorlagen altgriechischer Prosawerke schöpften; im Lauf des 18. Jahrhunderts kamen noch 167 Libretti als Übersetzungen italienischer Werke dazu. Nur ein Bruchteil dieser Wanderbühnentexte ist uns erhalten, durch Zufall oder als Widmungsexemplar. Die meisten davon besitzt heute die Österreichische Nationalbibliothek Wien; sie hat diese Theaterhandschriften von Sammlern wie Ignaz Franz Castelli, dessen Bibliothek über 10 000 gedruckte deutsche Stücke und über 500 Manuskripte aufwies, oder von Josef Maria Varesi gekauft, der etwa 300 Schauspielhandschriften besaß, die er als seinen wertvollsten Besitz bezeichnete: Das sind Juwelen, mein Herr, es sind Schätze! Alles, was ich sonst noch auf der Welt besitze, ist nicht so viel wert, als ein Band davon.10 Castellis noch verfügbare Theaterstücke11 wurden von der damaligen Hofbibliothek im Jahr 1841 käuflich erworben; 1839 und 1849 wurden im Antiquariat Kuppitsch insgesamt 26 Handschriften von Rademin (Stranitzky ?) und anderen meist unbekannten Schreibern gekauft, die ‚Wiener Haupt- und Staatsaktionen‘ (15 Folio- und elf Quarthefte). Auch Johann Martins „Liebes Verzweiffelung“ als eines der älteren Manuskripte scheint zu jenen elf im Jahr 1839 erworbenen Manuskripten gehört zu haben; sie fallen durch den ihnen gemeinsamen dünnen blauen Heftumschlag ohne jegliche Gebrauchsspuren auf, der ihnen sicherlich erst im 19. Jahrhunderts statt des schadhaften Originaleinbandes beigegeben worden ist. Leider sind damit auch wichtige Hinweise für immer vernichtet. Asper schreibt diese Serie von elf Bühnentexten der berühmten Wandertruppe Elenson-Haacke-Hoffmann zu.12 Es ist 9 10

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Alberto Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 354–355. Aus den „Denkwürdigkeiten des Venezianers Lorenzo da Ponte“, hg. von Gustav Gugitz. Dresden 1924 / 25. Abgedruckt in Asper, Helmut: Spieltexte der Wanderbühne, S. 138–139. Der aus Genua stammende Varesi war ab 1772 Direktor des Kärntnerthortheaters in Wien (gest. 1787). Ein handschriftliches Verzeichnis der „Manuscripte der Castellischen Sammlung“ befindet sich in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, Sig. Cod. 13404. Siehe Asper, Kurt: Spieltexte der Wanderbühne, S. 35. – Genauere Angaben über Besitzverhältnisse und den Ankauf der Wiener Theaterhandschriften siehe Asper, Kurt: Spieltexte der Wanderbühne, S. 3–96.



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jedoch erwiesen, dass einige ursprünglich der Velthentruppe gehört haben müssen, denn sie stammen von der Hand Janethskys, des Pickelherings dieser Truppe, oder von Christoph Blümel, der eine eigene Truppe, die Insprugger Comoedianten, führte. Johann Martins „König Frondalpheo“-Manuskript, eine sorgfältige Abschrift der „Liebes Verzweiffelung“, wurde ebenfalls von der Velthentruppe aufgeführt. Der so bedeutsame Sammelband von 14 Wanderbühnendramen der Wienbibliothek (Ia 38 589) wurde 1911 angekauft; Vorbesitzer war der damalige Postdirektor Dr. Theodor Ritter von Gerl gewesen. Die von verschiedenen Händen geschriebenen Manuskripte sind erstmals 1866 in der Zeitschrift Serapeum erwähnt.13 Es handelt sich dabei nicht um Widmungsexemplare für hochgestellte Gönner, sondern die oft flüchtig geschriebenen Texte waren für die tägliche Aufführungsarbeit bestimmt. Viele der angegebenen Stücke haben einen möglichst suggestiven Doppeltitel: Der eine, meist ein Eigenname, verweist auf den Inhalt, den Stoff der Aktion; der andere deutet darauf hin, was durch das vorgestellte Ereignis bewiesen werden soll. Der Name wird also oft zur emblematischen Figur, die durch den zweiten sachbezogenen Titel eine bestimmte moralische Deutung erfährt, eine Erkenntnis bildhaft macht.14 Die Bezeichnung Komödie bedeutet ganz allgemein Schauspiel, dramatisches Ereignis. Mit dem Mischspiel ist die Tragikomödie gemeint; diese Bezeichnung, die auch Johann Martin für seine „Liebes Verzweiffelung“ verwendet, wird erst allmählich ab der Jahrhundertmitte allgemein gebräuchlich. Im vorliegenden Verzeichnis gilt das signifikante Titelwort (meist der Eigenname der Hauptperson) als Ordnungswort und ist jeweils unterstrichen; damit gestaltet sich die Suche nach einem bestimmten Drama einfacher. Szenare sind unterstrichen, aber ohne Fettdruck. Außer dem Titel ist auch die literarische Vorlage, soweit bekannt, verzeichnet. (Diese Angaben stammen zumeist aus wissenschaftlichen Abhandlungen zu dem betreffenden Drama oder sind das Ergebnis eigener Recherchen.) Es handelt sich dabei nicht um die Originalversion des betreffenden

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Alte Dramen. Mitgetheilt von Jos. Maria Wagner in Wien. In: Serapeum. Zeitschrift für Bibliothekswissenschaft, Handschriftenkunde und ältere Litteratur, hg. von Robert Naumann, Bd 66, Leipzig 1866, S. 319–320. Siehe dazu Schöne, Albrecht: Emblematik und Drama im Zeitalter des Barock. München 1964, S. 190–196.

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angegebenen Werks, die zu Beginn des Jahrhunderts meist dem englischen, später hauptsächlich dem spanischen, dann dem französischen oder italienischen Kulturkreis angehört. Denn der Verfasser des Wanderbühnenstücks wird mit dessen Inhalt meist nur auf dem Umweg über eine anderssprachige Bearbeitung bekannt. Und diese Bearbeitung erfährt dann auf der deutschen Wanderbühne eine neuerliche Umformung, die den Gegebenheiten und den Intentionen der jeweiligen Truppe und ihrem Publikum entspricht. Oft wird der Titel geändert, manchmal verschmelzen zwei oder drei Vorlagen zu einem neuen deutschen Theaterstück. Da sich die Verfasser keiner poetischen Regel verpflichtet fühlten und ihr Publikum vor allem unterhalten wollten, waren sie in ihren Umarbeitungen oft sehr produktiv. Das holländische Theater spielt eine besondere Rolle in der Dramatisierung von biblischen oder antiken historischen Stoffen. So findet z.  B. die von griechischen Historienschreibern überlieferte Liebesgeschichte zwischen dem Perserkönig Cyrus und der schönen Schäferin Aspasia in der Dramatisierung des holländischen Dichters Jacob Cats auf die deutsche Bühne, und hier wird „Die königliche Schäferin Aspasia“ in verschiedenen Versionen, als höfisches Festspiel, als Singspiel, als Wanderbühnenspiel, zu einem der beliebtesten Schäferspiele der damaligen Zeit. Spanisches Theater findet fast immer über Vermittlung holländischer Zwischenstufen auf die deutsche Bühne. Die Niederländer hatten schon sehr früh, noch vor dem Dreißigjährigen Krieg, noch vor dem deutschen Theater, ihre theatralische, wenn auch kurze Glanzzeit, da sie auf Grund ihrer kolonialen Zugehörigkeit direkt aus dem spanischen Kulturkreis schöpfen konnten. Später, nach 1650 allerdings war es die deutsche Wanderbühne, die all diese Einflüsse, besonders auch aus dem Italienischen adaptierte und zur Büte brachte. Grundsätzlich war nach der Jahrhundertmitte jedoch das spanische Theater, aus dem die meisten Motive in die französische, holländische und italienische Komödienliteratur einflossen und dadurch indirekt in die deutschen Bearbeitungen dieser Stücke (typisches Beispiel: „Aurora und Stella“). Daher gleichen sich viele Stücke in ihren Grundthemen, in den Titeln, auch wenn sie im Übrigen nichts gemeinsam haben. Ein Beispiel für die Übernahme und stetige Abwandlung eines Motivs gibt das beliebte Wanderbühnenspiel „Genoveva“, das aus dem Spanischen (Calderon) in den niederländischen Kulturraum (Bearbeitung durch Woulther) gewandert ist und von dort allmählich die deutsche Bühne (Velthen, Elenson-Haacke-Hoffmann-Truppe) erobert hat. Das gilt auch für die Puppenbühne, deren Genova-Spiel sich teils an die deutsche Volksbuchversion hielt, teils aber auch an die holländische alte Legende aus dem 8. Jahrhundet. In den späteren literarischen Genoveva-Dramen von Maler-Müller, Tieck, Heb-



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bel, Raupach sind Motive der niederländischen und deutschen Überlieferung miteinander vermischt.15 Ein Vergleich des Genoveva-Spiels mit der „Liebes Verzweiffelung“ zeigt diese Überschneidung von Motiven besonders eindrücklich: Die Intrigantenfigur (Golo / Cassianus) – wie immer eine Inkarnation des Bösen  – rächt sich für die zurückgewiesene Liebesleidenschaft (Genoveva / Evandra), indem sie die Frau des Ehebruchs, der Unkeuschheit beschuldigt. Beide vermeintlichen Liebhaber (Drogan / Page) werden neben der schlafenden Frau erstochen und damit zum Beweis der Untreue. Beide Frauen werden ins Gefängnis geworfen und mit dem Tod bedroht. Die unverhoffte Wiedervereinigung mit ihrem Gatten / Geliebten geschieht im Wald. Ihre Unschuld und die Auflösung des Problems erfolgt in beiden Dramen durch eine Frau (Hexe Mirna, Hofmeisterin Alidea). Der Bösewicht und Verursacher allen Unglücks wird durch einen grausamen Tod bestraft. Beide Dramen enden mit einer Doppelhochzeit. Die auf Lope de Vega oder Calderon zurückgehenden deutschen Manuskripte beruhen teils auch auf Bearbeitungen italienischer Opern. Italienisches Theater, die Commedia dell’Arte der Gelosi-, der Nannini- oder der Calderoni-Truppe findet jedoch nur an österreichischen und süddeutschen Höfen statt und beeinflusst von hier aus die deutsche Theaterentwicklung, besonders jene der Altwiener Volkskomödie. Die im vorliegenden Verzeichnis angegebenen Aufführungsdaten beziehen sich immer auf das im Titel angegebene Thema. Welche diesbezügliche Bearbeitung in den betreffenden urkundlichen Hinweisen gemeint ist, kann heute meist nicht mehr festgestellt werden. Auch zeitlich frühere Daten, etwa von Meistersingeraufführungen, sind in das Verzeichnis aufgenommen, weil sie die thematische Entwicklungsgeschichte erkennen lassen, ebenso spätere höfische Singspiel-Bearbeitungen, die oft von Mitgliedern des Hofes aufgeführt wurden. Manche Dramen (z.  B. von Hallmann, Kormart, Gryphius, Weise) finden sich sowohl auf der späteren Wanderbühne wie auch bei Schulaufführungen. Die im folgenden Verzeichnis angegebenen Aufführungsdaten wurden wissenschaftlichen Arbeiten entnommen. Allerdings bedeuten die in den Repertoirelisten verzeichneten Titel nicht unbedingt eine gesicherte Aufführung in der jeweiligen Stadt, denn oft wurde die erbetene Spielerlaubnis auch verweigert. Eine sehr wichtige Quelle sind die teils noch vorhandenen Thea­ 15

Junkers, Herbert: Niederländische Schauspieler, S. 189–205, hier S. 192.

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terzettel und Szenare (Programme), die außer dem Titel und der Inhaltsangabe des Schauspiels auch den genauen Aufführungsplatz in der betreffenden Stadt und meist eine zeitliche Datierung enthalten. Leider fehlt oft die Angabe von Tag und Jahr der Aufführung, dem Publikum wurde in diesem Fall nur der Wochentag und der zeitliche Beginn der Aufführung, meist 5 Uhr am Nachmittag, mitgeteilt.16 Am Schluss der jeweiligen Titelangaben finden sich auch eventuelle Hinweise auf Sekundärliteratur, die sich speziell mit dem jeweiligen Wanderbühnendrama befassen.

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Die in Werner Richter: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra, Bd 78, Berlin 1910) angegebenen Theaterzettel aus der früheren Stadtbibliothek Breslau, die sich heute in der Universitätsbibliothek Wroclaw befinden müssten – ebenso aufgelistet in H. Wendt: Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau, Breslau 1903, S. 356 – sollen laut Auskunft der Direktion der Universitätsbibliothek Wroclaw während des Zweiten Weltkrieges vernichtet worden sein.

Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert (Manuskripte und Druckwerke) Drei Abende in Madrid (Siehe „Dame Kobold“) Abraham in der vermeinten Opferung Seines Isaacs (Siehe „Das Ebenbild eines Gehorsamen Glaubens“) Absurda Comica. Oder Herr Peter Squentz / Schimpff-Spiel. Von Andreas Gryphius. (Siehe „Peter Squentz“) Christlicher Actaeon, oder Das Leben des heiligen Märtyrers Eustachii, seines Weibes Theophistae und seiner beiden Söhne als Agapij und Theophistij. [1662 ?] Der Prinzipal der Innspruckerischen Komoedianten, Hans Ernst Hoffmann, widmet die Handschrift Graf Wolf Engelbert von Auersperg. [Ursprünglich bis 1895 in der Auersperg-Bibliothek der Universitätsbibliothek Laibach, nach deren Auktion in den 1980er-Jahren nicht mehr auffindbar.] Abgedruckt im Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau, hg.von der Verwaltung der Stadtbibliothek. Breslau 1903, S. 355  f. Die Gestalt des Hl. Eustachius wurde im Jesuitentheater als Postfiguration Christi dargestellt. In der volkssprachlichen Hagiographie eines Augsburgers aus dem Jahr 1648 wurde sie mit weltlichen Episoden und kontrastreichen dramatischen Effekten ausgestattet und fand so auf die Bühne der Wanderkomödianten, mit komischen Intermezzi von Bauern, Zigeunern und dem Diener des Eustachius, Metho, der sich II,2 volltrunken einbildet, er sei Aktäon und ein Hirsch.1 Auff.: 1648 als Jesuitenschulaufführungen in Bamberg und Burghausen. 1

Nach Rudin, Bärbel: von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg. 35, 2006, S. 236, Anm. 165.

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1662 in Laibach 1662 (1668?). 1686/87 in Böhmisch-Krumau (Eggenberger Komödianten). 1692 in Breslau durch die Hochteutschen Comoedianten des Andreas Elenson: Christlicher Acteon oder Märtyrer Eustachius. Weimarer Verzeichnis Nr. 27 und 28: Das Leben und todt des hl. Eustachii oder der cristliche acteon. Lit.: Radics, P. v.: Der verirrte Soldat oder: Des Glück’s Probirstein. Agram [Zagreb] 1865, S. XV–XVI. Adam und Eva. (Forschungs-Bibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1608) Titelblatt fehlt, 20 Bl. 4°, Einband: marmoriertes Papier mit Schweinslederrücken. 5 Akte in Versen; Prolog der vier Elemente. Manuskript der Spiegelberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Laut Bolte (Wanderkomödianten, 1934, S. 457) ist Christian Richter als Verfasser anzusehen. Als Vorlage nennt Bolte J. Theiles Singspiel „Der erschaffene, gefallene und auffgerichtete Mensch“, Hamburg 1678. Zwei Jahre früher datiert Dedekinds „Die Versündigte und begnadigte Aeltern Adam und Eva“, Dresden 1676. Auff.: 1611 in Nördlingen (Schulkomödie). 1688 in Hamburg (Velthen). [?] Weimarer Verzeichnis Nr. 26: Die wunderthättige liebe oder der fall und erlössung des menschlichen geschlechts. Weimarer Verzeichnis Nr. 36: Der fall und verstossung adams und Evä aus dem paradeiß. Bibl. 1711 in Hannover. 1718 in Riga (Truppe der Victoria Clara Bönicke). Zwischen 1672 und 1676 in Moskau zur Zeit des Zaren Alexei Michailowitsch (handschriftlich erhaltene russische Übersetzung).2 Um 1720 in Petersburg (Prinzipal Johann Heinrich Mann, mit Victoria Clara Benecke).

2

Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater von 1672–1756. Prag 1876, S. 33.



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Statua, Oder: Die in ein Marmor-steinernes Bild verliebte Princeßin ­ADAMIRA Die Königl. Pohlnische und Chur-Fürstl. Sächsische Hoff-Comoedianten, werden Heute Freytags den 4 Novemb. umb ihnen sonderbahre Affection zuerwerben / auffführen / eine von dem berühmten Italiänischen Meister Cicognini entlehnete Haupt-Action. Nach dieser vortrefflichen / raren / Haupt-Action / soll / damit jedermann vergnügt uns verlassen möge / den Beschluß machen / eine Nach Comoedie / welche ungemein lustig / und sich betitult: Pickelherings Doppelte Heyrath. (Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. 34/III – 4° (Box – Teater- plakater, ca. 1700–1805) Theaterzettel (ein Blatt in Quartformat) vom 4. November [1707 oder 1710, 1730 ?] mit Inhaltsangabe der 5 Akte. [Fürlinger: Vierzehn handschriftliche Dramen, S.  42–47, ordnet diesen Anschlagzettel der Witwe Velthen zu und datiert ihn in das Jahr 1707.] Abgedruckt in Paludan: Deutsche Wandertruppen in Dänemark. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 25, Halle 1893, S. 318–321. Vermutlich Velthensche Bearbeitung von Cicogninis „L’Adamira ovvero la statua dell’Onore. Opera scenica in pros, Venedig 1657, Perugia 1659, Bologna 1662 und Venedig 1663). Libretto: Die beseelte Statue. In einem Singe-Spiel Auf dem Blanckenb. Theatro vorgestellet Und … Fr. Elisabeth Sophien Marien Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg … Auf Dero Hohen Geburts- und Vermählungs-Tag Mit dem Hrn. August Wilhelm Regierenden Hertzog zu Braunschw. und Lüneb. Wolffenb., So am 12. Septembr. Hocherwünscht celebriret wurde, unterthänigst gewidmet. Blankenburg o.  J. [um 1710]. 18 Bl., Personen, Vorspiel, 3 Handlungen. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Terxtb. 742).3 Auff. 21. Mai 1681 in Innsbruck (Cicogninis „L’Adamira“, s.  o.) 1684 und 1689 in Dresden. 1690 in Torgau (Velthen-Truppe): Adamira oder die Stadua der Ehren. 4. November [1707 oder 1709? 1710?, 1730?] in Kopenhagen auf dem Brauer Gelachs-Hause durch die Truppe der Witwe Velthen: Die Königl. Pohlnische und Churfürstl.-Sächsische Hoff-Comoedianten Werden mit gnädigster Erlaubnüs, Heute Freytags den 4 Novemb. umb ihnen sonderbahre Affection zu erwerben, aufführen

3

Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, S. 71, Nr. 350.

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eine von dem berühmten Italiänischen Meister Cicognini entlehnte Haupt-Action, die sich betitult: Statua, Oder: die in ein Marmorsteinernes Bild verliebte Prinzeßin Adamira.4 1708 in Graz. Weimarer Verzeichnis Nr. 11: Die in eine steinerne stadua verlibte prinzesin Adamira aus Nordwegen. 2. Mai und 15. Mai 1718, 11. Februar 1719 in Riga: Statua. (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). Montag, 11. November 1720 in Prag (Wiennerische Bande Comoedianten unter Baptist Hilverding und Paul Tilly): Die Lieb macht gescheid / Oder: Die verliebte Statua.5 Freitag, 18. September 1722 in Braunschweig durch die Hoch-Fürstl. Sächs. Hildburgh. Hoff-Comödianten.(Theaterzettel: Statua Oder: Die in einen Marmor-Stein verliebte Princessin Adamira, Nebst einem Prologo). Auch im Repertoire der Victoria Clara Bönicke in den Jahren 1718–1719. (Siehe dazu „Das verliebte und geliebte Ehrenbild“) Die Schaubühne des Glückes Oder  Die Unüberwindliche ADELHEIDE. Aus dem Italiänischen Von Johann Christian Hallmann Übersetztes und vermehrtes Freuden-Spiel. Breszlau / Verlegts Jesaias Fellgibel. Buchhändler. [Einziger Druck in der Sammelausgabe 1684] Neudruck in Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke, hg. von Gerhard Spellerberg, Bd 3, Teil 2 (= Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, hg. von Hans-Gert Roloff, Bd 126), Berlin / New York 1987, S. 442–566. Laut Richter (Liebeskampf, S. 261) soll der Stoff zuerst unter dem Titel „Adalbert“ von Hallmann bearbeitet und erst später als die oben genannte Hauptund Staatsaktion „Adelheide“ veröffentlicht worden sein. Vorlage: das italienische Drama per musica „L’Adelaide“, Da Rappresentarsi nel Teatro Vendramino à San Saluatore L’Anno M.D.C.LXXII [Venedig 1672]. Text von Pietro Dolfino, Musik von Antonio Sartori. Mehrseitiges Programmheft einer Aufführung der Chur-Pfältzischen Hof-Comödianten in Graz anlässlich der Arrivée und Ankunfft Ihrer Römisch.Kayserl. wie 4 5

Vollständiger Text des Szenars bei J.Paludian: Deutsche Wandertruppen in Dänemark. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 25, 1893, S. 318–321. Theaterzettel im Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193. (Abgedruckt bei Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680– 1735, Wien 1999, S. 70.



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auch Königl.Cathol. Majestäten Caroli VI. Und Elisabethae Christinae. Graz 1728. (Steiermärkisches Landesarchiv, Graz, Handbibliothek, Sig. 1797 e.) Der Kurtze Inhalt der Geschicht / Auß welcher die Vorstellung gegenwärtigen Schau-Spieles herstammet, ist im Programmheft textidentisch mit Hallmanns „Inhalt der Geschicht“. Abgedruckt in Günther Jontes: Zum Auftreten barocker Wandertruppen in Graz. Drei Neufunde von Szenarien der kurpfälzischen Hofkomödianten. In: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz, Bd 9, 1977, S. 73–99.6 Programmheft: Adelheid / Schaubühne des Glückes (Der kurze Summarische Innhalt zeigt einen identischen Handlungsablauf mit dem Hallmannschen Drama. Der Dramentext selbst ist nicht mehr auffindbar. Im Repertoire der Fürstl. Eggenbergischen Hofkomödianten 1687/88 in Böhmisch-Krumau) Szenar von einer Aufführung in Nürnberg: Eine gantz neue Comödie Genannt: Schau-Bühne des Glückes / Kaysers Otto des ersten dieses Nahmens / Krieges- Liebes- und Helden-Geschicht / Mit der unüberwindlichen Adelheid … Von denen anjetzo anwesenden Hoch-Teutschen Comödianten. Montags den 23. September A. 1709. 4 Bl. (Stadtbibliothek Nürnberg, Sig. Nor.4475. 8°) Ein Nürnberger Ratsprotokoll vom 20. Sep. 1709 verweist ebenfalls auf diese Aufführung. Szenar von einer Aufführung in Hamburg: Adelheid. In einem Sing-Spiele Auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet Im Jahr 1727 (Nat.Bibl. Wien, Sig. 625.363-B.Th. und Sig. 4352-B). Textbearbeitung und Musik: Georg Philipp Telemann (teils wörtlich nach Hallmanns Fassung). Frühere Aufführung in Bayreuth 1725 unter dem Titel Adelheid, oder die ungezwungene Liebe. Auff.: [Die beiden folgenden Aufführungsdaten gehören vielleicht zu einem anderen Themenkreis:] 1683, 28.Nov., in München: Der vermeinte Fischerssohn (Daniel Treu), 1681–1685 im Repertoire des Daniel Treu (Nr. 7) in München unter dem Titel Kaiser Otto als Fischer verkleidet. 1687/88 in Böhmisch-Krumau: Adelheid / Schaubühne des Glückes (s.  o.) Um den 20. Sep.1709 in Nürnberg: Schaubühne des Glückes. (s.  o.) Weimarer Verzeichnis Nr. 159: Das Leben keisers otto und adelheit. Noch 1718 im Repertoire der Witwe des Prinzipals Heinrich Wilhelm Benecke. 6

Die Zitate der drei Szenare stammen aus Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 115–117.

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1725 in Bayreuth. (s.  o.) 1727 in Hamburg. (s.  o.) 1728 in Graz (s.  o.) Die Große Neapolitanische Unruhe durch den Fischer Thomas Agniello. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13173) 4°, 40 fol. unpaginiert. Titelblatt: J. R. Richter Dantzig den 9ten Juny Anno 1714. Masaniello. fol. 1 v: Mr. Tröster 9. Bravo, Banditen Hauptmann M Wagner, Pasquella, des Masan. Frau. Vorlage scheint das „Trauerspiel von dem neapolitanischen Hauptrebellen Masaniello“ von Christian Weise zu sein (Uraufführung am 11. Februar 1680 auf dem Schultheater in Zittau), das die von dem Fischer Tommaso Aniello d‘Amalfi geleitete Volksrevolte in Neapel gegen die Steuerbedrückung der spanischen Vizekönige im Jahr 1647 verarbeitet und das dem Wanderbühnentheater sehr nahesteht. Aniello wurde von den eigenen Anhängern am 16. Juli 1647 in Neapel ermordet. 1714 wurde eine Kopie dieses Manuskripts für die Haacke-Gesellschaft angefertigt. Erster Abdruck in Weise, Christian: Zittauisches Theatrum, Wie solches anno 1682 praesentiret worden. Bestehende in drey unterschiedenen Spielen: 1. Von Jacobs doppelter Heyrath. 2. Von dem Neapolitanischen Haupt-Rebellen Masaniello. 3. In einer Parodie eines neuen Peter Squenzes von lautern Absurdis Comicis. Zittau 1683. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 3893-A.Alt Mag; und Sig. 628990-A.The) Neudrucke: Christian Weise: Sämtliche Werke, hg. von John D. Lindberg, Bd 1, Berlin 1973, 1971, S. 153–373. Martini, Fritz (Hg.): Masaniello. Trauerspiel von Christian Weise. Stuttgart 1972. Petsch, Robert (Hg.): Masaniello. Trauerspiel von Christian Weise. Halle a. S. 1907. Das Einladungsprogramm zu Weises Erstaufführung „Von dem Neapolitani­ niversitätsschen Haupt-Rebellen Masaniello“ in Zittau 1682 befindet sich in der U und Landesbibliothek Sachsen- Anhalt, Halle, Sig. Pon Ye 5235, Fk. Der Theaterzettel einer Aufführung der Voltolinischen Schauspielergesellschaft in Ulm am 1. Juli 1791: Masaniello von Neapel, mit Personenverzeichnis



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und Inhaltsangabe7, bezieht sich jedoch möglicherweise auf das Masaniello-Drama von Paul Weidmann aus dem Jahr 1775, abgedruckt in: Theatralische Sammlung. Wien 1790, S. 3–128. Spätere Opernlibretti: Reinhard Keiser / Barthold Feind: Masagniello Furioso Oder: Die Neapolitanische Fischer-Empörung. Hamburg im Junio 1706 praesentiret. J. R. Richter8: Thomas Agniello. Danzig 1714. Daniel Francois Esprit Auber: Die Stumme von Portici. 1828. Auff.: 1682 auf dem Zittauischen Schau-Platze (Weise: Masaniello. Schulaufführung). Juni 1706 in Hamburg (Singspiel von Barthold Feind). 9. Februar 1719 in Riga: Masanyello. (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). 1. Juli 1791 in Ulm: Masaniello von Neapel. Voltolinischen Schauspielergesellschaft. (s.  o.) Ahasverus und Esther 1654. (Siehe „Esther“) Betrug der Allamoda. Sittliches Gedicht. vnd Schawspil; auß dem Wällischen in die Hoch-Teutsche Sprach versetzt von … Don Constanzio Arzonni von Wien … Anno 1660 zu Prag dargestellet. Gedruckt in der Alten Stadt Prag. (Staatsbibl. Berlin, Preuß. Kulturbesitz, Sig 6096, 4° Xq (Kriegsverlust) Ursprünglich mit sieben Kupferstichen, die anscheinend verschollen sind. Eine Abschrift dieses Prager Druckes (ohne Kupferstiche) in der Lobkowiczschen Bibliothek in Mühlhausen (Nelahozeves) an der Moldau, Sig. VI Eb 6. Vorlage: Francesco Sbarras italienisches Opernlibretto: La moda favola morale, Lucca: Bidelli 1652. 3 Akte. Musik von Marco Bigorgiarni. – Uraufführung in Lucca im Teatro del seminario. (Nationalbibliothek Wien, Sig. 38.H.49.Mus.S).

7 8

Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Aufführung um das 1790 veröffentlichte Drama von Paul Weidmann: Masaniello von Neapel, Wien 1790. 1687 ist unter den „Churfürstlich Sächsischen Hofkomödianten“ in Dresden ein Christian Reinhard Richter; 1690 in Torgau am Hof Johann Georgs III. von Sachsen ein Hermann Reinhard Richter, der nun 1690 in der Velthen-Truppe den König spielt (Siehe S. 688–689).

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Eine spätere Ausgabe dieses Librettos, Venedig 1668, in der Schlossbibliothek in Böhmisch-Krumau, Sig. 27 B 5697 adl.2. Der Übersetzer Arzonni, ein Paulaner Mönch, hat das Libretto von Sbarra textlich erweitert und die Personenliste teilweise verändert, z.  B. durch die komische Figur Burlachin. Die allegorischen Namen der Vorlage wurden durch ins Deutsche übersetzte Namen ersetzt. Die Regieanweisungen in Arzonnis Prosaübersetzung verlangen eine Verwandlungsbühne mit ziemlich anspruchsvoller Maschinerie. Nachspiel: Tanz eines Soldaten in voller Rüstung, ein komischer Tanz des Burlachin und der Alamoda/Armut in zerlumpten Kleidern.9 Auff: 30. Sep. und 25. Nov. 1660 in Prag im Palaistheater des Grafen Bernard Ignaz Martinitz, in der Nähe der Prager Burg. 23. Mai 1667 in Augsburg (Insprugger Comoedianten): Die verführerische Alamoda. 1674/1679 in Dresden (Paulsen-Spielplan Nr. 15): Die verführerische Alamoda. 9. Aug. 1669 in Nürnberg (Truppe Daniel Treu). Tagebuch-Eintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedi von Mad[ame] Alamoda gesehen.10 1679 am kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs in Heidelberg und Mannheim, Velthen-Verzeichnis Nr. 32: Die betrügliche Fräulein a la Mode. 1681 in München (Repertoire des Daniel Treu, Nr. 8) Der siegreiche König der Gothen Alaricus als Überwinder des Mächtigen Roms einem Singe-Spiele auf dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet 1702. Handschrift erhalten in der Nat. Bibl. Wien, Ms 13869). Drei Akte, 9 Personen. Als Druck (Text: Nothnagel, Musik: Johann Christian Schieferdecker) erhalten in der Nat.Bibl. Wien, Sig. 625313-B.The. 1698 auch als Singspiel auf dem Württembergischen Schauplatz in Stuttgart aufgeführt: Alarich in Pulcheriam verliebt. Mit einem Kupfer, in 3 Handlungen mit 59 Arien, darunter einige Duette. In den Vorerinnerungen an den Leser heißt es: Alarich erscheinet, nach der von Ihm im Jahr Christi 410 eroberten Stadt Rom, Nach Scherl, Adolf: Die deutsche Rezeption von Francesco Sbarras „La Moda“ auf der Prager Bühne und im Repertoire der deutschen Wanderbühne. In: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der frühen Neuzeit, Wiesbaden 2010, S. 17–116. 10 Der Frankfurter Katalog Ostern 1668 zeigt an: „Alamodesierender Staatsteufel in einem Schauspiel abgebildet. Berlin bei Dan. Reichel.“ – Nach Kröll: Die Tagebücher des Sigmund von Birken, Teil 1, S. 488. 9



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auf hiesiger Schau-Bühne; wie er, von seiner gefangenen Pulcheria selbst in die lieblichen Fesseln der Liebe geschlagen, und endlich mit einem gewaltigen Tod davon befreyet wird. Torismond aber ziehet, samt seinen Sclaven-Kleidern, die Furcht aus, Seine treugeliebteste Pulcheriam zu verlieren; und diese kleidet ihn bei glückseeliger Befreiung der Stadt, neben sich, in Purpur ein. Spiel von Tyrannei und Rache, Eifersucht, erdichteter und wahrer Liebe.11 Der im Schreibkalender 1680 von Herzog Ferdinand Albrecht I. aufgezeichnete Inhalt (siehe Anm.12) einer Aufführung durch die Velthen-Truppe passt zu dem italienischen Drama „Alarico. Vedasi L’Ingratitudine castigata“. Weitere italienische Bearbeitungen des Themas: a) „Alarico in Roma. Dramma recitata in Padova“, 1680. b) G. Steffano: Alarico Re de’ Goti. Bologna 1685 (Musik: Giambattista Bassani.) c) Eine italienische Oper von Margaretha Salicola: Alarich. Dresden 1686. (Aufführung 1686 in Magdeburg auf dem Theater des Kurfürsten Johann Georg III. – Nat.Bibl.Wien, Sig. 216682-D.Alt Mag). d) Die 1687 in München aufgeführte Oper „Alarico il Baltha, civè l’Audace, Rè de Gothi“, Monaco 1687 (Libretto von Agostino Steffani, Musik von Luigi Orlandi). Auff.: 1668, 28. Sep., in Nürnberg. Tagebuch-Eintragung (S. 397) des Sigmund von Birken, dass er die Comoedie von Alari gesehen habe. 1674 und 1679 auf dem Spielplan Paulsens in Dresden, Nr. 13: Alarich. [Vielleicht auch 1679 in Heidelberg am kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs (Velthen-Verzeichnis Nr.  2: Die Kroonsüchtigen Brüder Alari und Somiro, und Nr. 27: Die gestraffte Kroonsucht). 1679, Dienstag, 18. Oktober, in Breslau: Alexanders Glücks- und Unglücksprobe. (Badener Comödianten). 1680, 4. Oktober, in Bevern (Velthen): Tragoedia vnd operos Werck: Die vmb die Krone Streitende Brüder Alari vnd Somiro.12] 1686 in Dresden: Alarico. – Alarich in einer Oper, auf dem Schauplatze zu Dreßden bey Johann Georg III. vorgestellet wälsch und deutsch. (Übersetzer: Christoph Bernhardi).

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Josef Sittard: Musik und Theater am Württembergischen Hof, Bd I, S. 266–271. Das Personenverzeichnis mit Besetzung der Velthen-Truppe ist im Tagebuch des Herzogs Ferdinand Albrechts I. aus dem Jahr 1680 überliefert. Abgedruckt in Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. Theatralische Aufführungen im Schloß zu Bevern, S. 141–142.

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1686 in Magdeburg. 1697 in Nürnberg: Alarich, vermittelst eines hochdeutschen Singe-Spieles, in Pulcheriam verliebt. In der freyen Stadt Nürnberg aufgeführt 1697. Gedruckt allda … 1698, am Württembergischen Hofe: Alarich in Pulcheriam verliebt. Sing-Spiel, Auf dem Hoch-Fürstl. Württembergischen Schau-Platz vorgestellt. 1698. 1702 in Hamburg: Der Siegreiche König der Gothen / Alaricus. Als Überwinder des mächtigen Roms. (s.  o.) 13. September 1706 in Nürnberg: Alari oder die irrende Geilheit (Württembergische Hofkomödianten unter Jakob Wilhelm Augustin und Johann Fromm). 1711 in Regensburg. Weimarer Verzeichnis Nr. 23: Die gestraffte geilheit. 1723, 11. Mai, in Ulm: Alari und Halari (Gottfried Prehauser-Truppe). Die Liebes-Geschicht deß Alcippe und der Cephise Oder Die Hanreyin nach der Einbildung. (Siehe: „Die Hanreyin nach der Einbildung“ ) Liebes Sieg Alexandri deß Grossen und Rossane. Verfasset in Welscher Sprach. Und anjetzo in Teutsch versetzt. Wienn, Math. Cosmerovius 1665. (Nat. Bibl. Wien, 4088-B.Mus.) Musik: Giovanni Giacomo Arrigoni. Es sind mehrere Szenare und Textbücher von Alexanderdramen erhalten, die teils jedoch einen verschiedenen Inhalt vermitteln: Nach Flemming (Gryphius und die Bühne, S.  102) und Richter (Liebeskampf, S. 225 f) befindet sich in der Breslauer Stadtbibliothek ein Szenar: Daß Wieder-spänstdige Glück Oder der Glück-reiche Welt-bekriegende Alexander, König in Macedonien. Triumphirendes Schau-Spiel Dargestellet von Einem unbenandten doch wohlbekandten Anno 1665. (Inhalt ist die weitschweifige Dramatisierung der Kämpfe Alexanders mit Darius). Das in Breslau erhaltene Szenar „Die Triumffirende Gerechtigkeit oder der Vergnügte Alexander Magnus“ dokumentiert eine Aufführung in Breslau im Oktober 1700. (Nach einem sehr kurzen allgemeinen Inhaltsüberblick wird eine genaue Inhaltsangabe der fünf Abhandlungen und einzelnen Auftritte gegeben. Thema ist eine Verschwörung gegen Alexander den Großen, seine Liebe zur schönen Jungfrau Antigone und die Eifersucht seiner Gattin Roxane. Zum Schluss eine musikalische Huldigung an Kaiser Leopold). Das Szenar ist abgedruckt in Werner Richter: Liebeskampf, S. 357–365.



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Vorlage: Giacinto Andrea Cicogninis „Gli amori di Alessandro Magno, e di Rossane“, aufgeführt und gedruckt in Venedig 1651. Das Programmheft der Badischen Komödianten in der Stadtbibliothek Breslau „Alexanders Glücks- und Unglücksprobe“ aus dem Jahr 1700 dürfte – mit geändertem Titel – die Ratskomödie zu obiger Aufführung darstellen: Dinstags den 18. October Soll den Großgünstigen Herren Zuschauern auffgewartet werden mit einer gantz Neuen, vortrefflichen und wohl sehenswürdigen Action, welche wenig ihres gleichen hat. Und wird genandt Alexanders Glücks und Unglücks-Probe. (mit Personenverzeichnis und Inhaltsangabe der fünf Handlungen. Abgedruckt in Werner Richter: Liebeskampf, S. 221–226. Thema ist die verbotene Liebe Friedrichs, des Herzogs von Sizilien, zur Kammerfrau Rosabella. Er lässt seine Gattin Margaretha töten und seinen Sohn Alexander in einer Wüsteney auff der Insel Creta an einen Felsen schmieden. Dieser übt zum Schluss blutige Rache.) Der hochmüthige Alexander. Singe-Spiel auf dem Braunschweigischen Schau-Platz vorgestellet  … Frauen Friderica Amalia, gebohrner aus Königlichen Stamm zu Dennemarck und Norwegen … gewidmet. Musik: Agostino Steffani, Text: Ortensio Mauro: La Superbia d’Allessandro, übersetzt von Gottlieb Fiedler. Braunschweig 1699. 30 Bl. Personen, Vorspiel, 3 Handlungen. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 25).13 Ein Textbuch mit demselben Titel, aufgeführt am 18. September 1700, ist im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Sig. Bestand A 21, Bü 593) erhalten. Anonymer Schauspieldruck von Durlach 1666: Alexander der Große / SchauSpiel  /  … In dem Fürstl. Residentz-Schloß Carlspurg Den Herbstmonat  /  deß 1666  Jahrs vorgestellt. Durlach  /  Druckts Henning Müller. Erste und bis 1808 einzige deutsche Übersetzung der im Jänner 1666 gedruckten Erstausgabe von Racines „Alexandre le Grand“. Die Aufführung fand anlässlich des Besuchs des Ansbacher Markgrafen Albrecht V. und seiner Durlacher Gattin Christina auf der Karlsburg statt.14 (Exemplar in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena (Sig. 4 Art.lib. XIV, 37). (Das Exemplar in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, angeheftet an den Sammelband Sig. Qb 228, ist bei dem großen Bombenangriff 1942 verbrannt.) 13 14

Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  180, Nr. 875. Nebrig, Alexander: Alexander in Durlach, 1666. Zur bisher frühesten deutschen Übersetzung eines Dramas von Racine. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, Bd 55, Heft 2, 2005, S. 227–230.

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Die erste bekannte deutsche Übersetzung in Versen ist die des Medizinprofessors Christoph Günther Schelhammer aus dem Jahr 1706: Der grosse Alexander. Von dem in der ehmahligen Teutsch-gesinneten Genossenschaft genannten Zerschellenden. Braunschweig 1706. (Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Sig. 09: 43, und Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 27) Das Szenar „Alexanders und Roxanen Heyrath, in einem Sing-Spiele vorgestellet, Bey Vermählung Sr. Königl. Majestät von Preussen mit der Durchlauchtigsten Printzeßin Sophie Louyse, Hertzogin von Mecklenburg, geschehen den 28. Novemb. 1708“ ist in der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel erhalten (Sig. P 1676 I Helmst.), mit Inhalt, Personen, Prolog, 3 Handlungen. Musik: Augustin Reinhard Stricker, Text von Johann von Besser. (Spätere Ausgabe in „Des Herrn von Besser Schriften“, Leipzig 1711, S. 277–305).15 Alexander der Große: An dem Geburts-Tage der durchlauchtigsten Fürstinn und Frauen, Frauen Dorotheen Sophien, Hertzogin zu Mecklenburg etc. auf dem Strelitzschen Schau-Platze vorgestellet im Jahr 1720, den 4. Dec. Pentzlau 1720. (Den anonymen Prenzlauer Druck von 1720 hatte bereits Gottsched im Nöthigen Vorrat von 1757 verzeichnet. Eine weitere Übersetzung von 1762 gibt es nur in einer Handschrift.)16 Der große Alexander. Wurde in einem Schauspiele, als der Frau Christinen Louisen vermählten Herzogin zu Braunschw. und Lüneburg, gebohrenen Fürstin zu Oettingen [Christine Luise Herzogin von Braunschweig] hoher Geburts-Tag, welcher den 20. Martii einfiel … gefeyret wurde. Auf dem Blanckenburgischen Theatro aus unterthänigster Devotion praesentiret. Im Jahre 1723. Blankenburg 1723. 40 Bl., 5 Handlungen mit Arien und Rezitativen. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 600)17 Lit.: Doering, Pia Claudia: Jean Racine zwischen Kunst und Politik. Lesarten der Alexandertragödie. Heidelberg 2010.

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Thiel, Eberhard: Libretti. Katalog der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, S. 12, Nr. 56. Nebrig, Alexander: Alexander in Durlach, 1666. Zur bisher frühesten deutschen Übersetzung eines Dramas von Racine. In: Germanisch-Romanische Monatsschrift, Bd 55, Heft 2, 2005, S. 227–230. Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, S. 171, Nr. 836.



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Alexander der Schutz-Herr. 1699. (Badische Landesbibl. Karlsruhe, Rast. 118) Deutsches Singspiel in drei Akten, mit Intermedien, 57 Seiten, 4°. Schluss auf S. 57: Finis / Ad Maiorem Dei Deiparaeque Gloriam, 1699. Vorlage: Racines „Alexandre le Grand“. Gottsched (Nöthiger Vorrath, S. 212, 214, 252, 254 und 260) verzeichnet zwischen 1662 und 1695 zwei Schauspiele und zwei Opern dieses Themas. Auff.: (Mit welchem der oben genannten Dramen um die Gestalt Alexanders die jeweils erwähnte Aufführung zu tun hat, ist nicht immer ersichtlich.) 1657 und 1665 in Wien: Gli amori d’Alessandro Magno, e di Roxane. Festa teatrale. Text: Giacinto Andrea Cicognini, Musik von Giovanni Giacomo Arrigoni. Vorlage für die Wiener Aufführung ist das 1651 in Venedig und 1652 in Genua aufgeführte und gedruckte Musikdrama von Cicognini, dort mit der Musik von Francesco Luccio. 1665 in Breslau: Dass Wieder-spänstdige Glück … (s.  o.) 1666 in Lüneburg: Repertoire-Liste „Demonstratio actuorum“ des Daniel Treu, Nr.4: Von Alexander de medicis, ist auch eine materien von wohlgesetsten reden undt schonen praesentationen. (Vorlage: Diego Jiménez de Encisos: Los Médicis de Florencia). 1666 in Durlach (s.  o.). 1679 im Velthen-Spielverzeichnis Nr. 52: Alexanders Glücks und Unglücksprobe. 1690 am sächsischen Hof zu Torgau (Velthen): Alexanders Liebessieg. 1695 in Nürnberg (Merseburger Komödianten). 1695 in Hamburg: Der hochmüthige Alexander. Singspiel, Prolog, 3 Handlungen, mit 56 Arien. (Libretto von dem Hannoverscher Hofpoeten Hortensio Mauro, Musik von Steffani. 1699 in Braunschweig: Der hochmüthige Alexander (Textbuch s.  o.). 1700, 18. Sep., am Württembergischen Hof in Stuttgart: Der hochmüthige ­Alexander, Sing-Spiel. (Libretto: Hortensio Mauro, Musik: Giannettini). 20. Jänner 1708 in Blankenburg: Die Vermählung der Großen [Alexander der Große und Roxane]. Schauspiel mit Prolog und Epilog nebst des Arlequins Zwischenspielen. (Truppe des Christian Spiegelberg, Principal der königlichen Großbritannischen und churfürstlichen Br. Lüneb. Hof-Comoedianten). 28. Nov. 1708 in Köln: Alexander und Roxanen Heyrath (Libretto siehe oben). Weimarer Verzeichnis Nr. 113: Allexanders glück und uncklicks probe. Weimarer Verzeichnis, Nr. 115: Der sich mit des königs der barbarien tochter vermehlente könig allexander. 1718/19 in Riga: Alexanders Unglücks Prob (Repertoire der Victoria Clara Bönicke).

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In Moskau am Hof des Zaren Peter des Großen: Alexander von Macedonien (in russischer Sprache) 1720, 4. Dez., in Prentzlau (Brandenburg) (Textbuch s.  o.) 1723 in Blankenburg (Textbuch zu dem Singspiel s.  o.) Tödtliche Frucht der Trunckenheit / Oder Alexanders Mord-Banquet. Theaterzettel mit Inhaltsangabe. Ort- und Datumangabe weggeschnitten. Vorlage: „The Bloody Banquet“ von T. D. [wahrscheinlich Thomas Drue], London 1639.18 Auff.: 1679 am kurpfälzischen Hof im Repertoire (Nr. 33) von Velthens Churfürstl. Sächs. Hof-Comoedianten“: Des großen Alexanders Mord Panqueet, auf welchem Clytus erstochen wird. 1688 in Dresden (Velthen-Truppe): Alexandri Mordbanket. Weimarer Verzeichnis, Nr. 114: Der von dem trunckenen allexander ermordete Clitto, seiner gedreuen hauptleuten einer. Der großmüthige Altamiro (Siehe „Die Unglücklich-Verliebte Stieffmutter Ormonda“) Tragicomoedia von Amadis. Die Inhaltsangabe dieses verlorenen Wanderbühnenspiels ist überliefert in Gabriel Tzschimmers Bericht19 über eine Aufführung in Dresden am 12. Februar 1678, abgedruckt in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Anhang S. 339–346. Tragoedia. genandt Der Großmüthige Rechts-Gelehrte AMILIUS PAULUS PAPINIANUS / oder Der Kluge Phantast und Wahrhaffte Calender Macher. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13161) (Siehe „Papinianus“) 18 19

Weisstein, Gotthilf: Geschichte des Theaterzettels. 1902, Nr. 1170. (Alle Angaben nach Bärbel Rudin: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘, In: Daphnis, Jg 35, 2006, S. 193–195.) Tzschimmer, Gabriel: Die Durchlauchtigste Zusammenkunfft / Oder: Historische Erzehlung / Was Der Durchlauchtigste Fürst und Herr / Herr George der Ander / Herzog zu Sachsen … Bey Anwesenheit Seiner Gebrüdere / dero Gemahlinnen / Princen / Princessinnen / zu sonderbahren Ehren / und Belustigung / in der Residenz und Haubt-Vestung Dresden im Monat Februario des M.DC.LXXVIIIsten Jahres An allerhand Aufzügen / Ritterlichen Exercitien, Schau-Spielen  /  Schiessen  /  Jagten  /  Operen, Comoedien, Balleten, Masqueraden, Königreiche  /  Feuerwercke  …  aufführen und vorstellen lassen. Nürnberg: Johann Hoffmann; Christian Sigmund Froberg, 1680, S. 204  ff.



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Comoedia von Aminta vnd Silvia und Praeludia ad Ludum comicum de Aminta et Silvia (mit Musiknoten). (Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Sig. 100.1 Eth.(2–3) Abgedruckt in: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630; und in: Schau-Bühne, Bd 3, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 91–210. Stoff aus Torquato Tassos „Aminta“ (Erstaufführung am 31. Juli 1573 auf der Po-Insel Belvedere in Ferrara, gedruckt in Venedig 1580). Das Wanderbühnendrama zeigt jedoch eine radikale Veränderung und Kürzung der italienischen Vorlage; Einführung der lustigen Person Schrämgen und des Schäfers. Viele gemeinsame Motive mit dem Wanderbühnenspiel „Die Macht des kleinen Knaben Cupidinis“ aus dem „Liebeskampff“.20 Direkte Vorlage scheint Michael Schneiders deutsche Übersetzung des italienischen Originals zu sein: Des beruembten Italiaenichen Poeten Torquati Taszi Amintas oder Wald-Gedichte, Aus dem Originale Deutsch gegeben, und mit dem Fran­ tzoesischen Exemplar Wilhelm Beillardts collationiret und verglichen von Michael Schneiderns, professorn zu Wittenberg. Wittenberg 1639, Hamburg 1642. (Exemplare in der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Xb 180 (Ausgabe 1639) und Sig. 206.6 Poet (Ausgabe 1642). Obwohl es vier französische Übersetzungen des ursprünglichen „Aminta“ aus den Jahren 1584, 1593, 1603/04 und 1618 gab21, vermutete Albert Cohn (Shakespeare in Germany, S. CXIV) noch eine englische Vorlage von John Reynolds aus dem Jahr 1628. Weitere deutsche Übertragungen: Philipp von Zesen: Der herzlich-verliebte / schmerzlich-betrübte / beständige Roselieb: Oder Waldspiel / fast nach dem des T. Tassens Amintas umgesäzt. Hamburg 1646 (Chöre zwischen den Akten). (Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Sig. 70.5 Eth.(2) Georg Wilhelm von Rheinbaben: Der aus dem Italiänischen des berühmten Torquato Tasso übersetzte Schäffer Amintas, Weimar 1711. (Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Sig. La 149).

20 21

Siehe dazu Richter: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670, S. 13–25. Übersetzungen von Pierre de Brach (1584), Sieur de la Brosse (1593), Guill. Belliard (Rouen 1603 und 1604; Vorlage für die deutsche Übertragung von Schneider aus dem Jahr 1642), Cathérin le Doux (Frankfurt 1618). Der letztgenannte Verfasser gab noch vor 1630 eine „Schola Italica“ heraus, in der er den „Aminta“ als Übungsstoff italienisch abdruckte. – Alle diese vier französischen Übersetzungen sind in deutschen Bibliotheken nicht vorhanden. – Siehe dazu Richter, Werner: Liebeskampff, S. 18–19.

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Johann Heinrich Kirchhoff: Amyntas. Hirten-Gedichte des Berühmten Poeten Torquati Tassi. Hannover 1742. Das „Poßenspiel Von Amynta und Sylvia“ soll auch in „Johann Friedrich Hekels blutiger und unglücklicher Türcken- Krieg und erfreulicher Christen-Sieg. Hof 1698“ abgedruckt sein. (Zitat nach Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 265  f). Auff.: 1699 in Rotterdam durch eine holländische Truppe unter Jacob van Rijndorp: Den dollen Amintas (gedruckt 1666). Weimarer Verzeichnis Nr.  133: Die über lieb und todt triumphirente liebhaberin aminta. Dezember 1737 in Wien am Kärntnertortheater in Wien: Aminda. Amor der Artzt. Possenspiel, Vorlage wahrscheinlich Molière: L’amour médecin (1665). In: Schau-Bühne, Bd 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 9–49. Zwei weitere Drucke 1694 und 1695. Auff: 1674 und 1679 auf Paulsens Dresdener Repertoire; 25. Oktober 1679 in Heidelberg und Friedrichsburg (Sächsische Bande Comoedianten) als Nachspiel: Amour Medecin. 1679 im Velthen-Verzeichnis Nr. 71: Amor der beste Artzt. 4. Oktober 1680 in Bevern als Nachspiel (Velthen-Truppe). Weimarer Verzeichnis Nr. 91. Amor der Tyrann oder die bereuete Rache. (Wienbibliothek Sammelband 38589 Ja, Bl. 540–576) Schauerstück in 3 Akten, 9 Personen. Vermutlich Handschrift des Schriftstellers und Komödianten Heinrich Rade­ min, der mit Stranitzky zusammengearbeitet hat. (vollständiger Abdruck bei Adolf Scherl: Berufstheater in Prag 1680–1739, Wien 1999, S. 147–193.) Vorlage: Andrea Cicogninis Musikdrama „Il tradimento per l’onore, ovvero il Vendicatore Pentito“. Roma 1664. Übersetzung durch Johann Riemer (1648–1714). Eine textlich fast identische Handschrift des Stücks aus dem Jahr 1684, „Die bereuete Rache“, befindet sich in der Forschungsbibliothek Gotha, Sig. Sammelband Poes. 4° 2169. Zwei Theaterzettel aus den Jahren 1717 und 1718 bezeugen Aufführungen im Sporckschen Komödienhaus in Prag: a) „Amor der Tyrann Oder: Der in Staats und Liebs Affairen verwickelte und verwirte



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König von Arabien Asphalides“, vom 25. April 1717, unter Prinzipal Anton Joseph Geißler. b) „Amor Der Tyrann. Oder: Arlequin der lustige Advocat“, mit einer Inhaltsangabe der drei Akte. Nachkomödie: Les Fourberies de Scapin. deß Scapins Betrügereyen. auß Monsieur Moliere entlehnet. Aufführung am 15. Februar 1718 durch die Königl. Pohlnischen und Churfürstlich Sächsischen Privilegirten Hof-Comoedianten (Haacke-Truppe). (Beide Theaterzettel im Nationalmuseum Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. 11653)22 Gottsched (Nöthiger Vorrath, Leipzig 1757) und Goedeke (Grundriß, Bd III, S. 226) nennen den Weißenfelser Gymnasialdirektor, Prediger und Pastor Johann Riemer als Verfasser von „Amor der Tyranne, mit seiner lächerlichen Reuterey wider die vermaledeyete Eifersucht, vorgestellet durch J. R. Merseburg 1685“. Diese Komödie verarbeitet jedoch die Sage von Eginhart und Imma und steht in keinem Zusammenhang mit dem Wiener Wanderbühnendrama „Amor der Tyrann“. Auff.: 1713 in Hannover (Bericht Herzog Ernst August aus dem Jahr 1713: L’on voioit quantité de pandus [pendus] et décapités qui résussitoit tous un moment aprais, et le roi manjoit le coeuer, le fois et les entrailles de ses sugets.)23 25. April 1717 in Prag im Sporckschen Komödienhaus (Geißler-Truppe). 15. Februar 1718 in Prag im Sporckschen Komödienhaus (Haacke-Truppe). 1719 in Hamburg (Haacke-Truppe) Amor ein Lehrmeister listiger Anschläge (Siehe „Das Labyrinth der Liebe“) Comoedie von Jupiter und Amphitrio. (Siehe „Jupiter“) Anabella von Mömpelgard (Siehe „Tiberius von Ferrara“) Die unvergleichlich-schöne Printzeßin Andromeda. Oder derselben Vermählung mit dem heldenmühtigen Perseus. (Nat.Bibl. Wien, Ms 13150) 4°, 32 fol. unpaginiert. 22 23

Beide Theaterzettel sind abgedruckt in Adolf Scherl: Berufstheater in Prag 1680–1739, Wien 1999, S. 54 und 59. Zitat nach Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1739, Wien 1999, S. 55, Anm. 76.

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letzte Seite: D. S. L. D. B. (nach 1695; mit Szenenbemerkungen von Carl Ludwig Hoffmann, zwei seiner Schauspieler sind im Personen-Verzeichnis genannt: Perseus – Geisler, und Phineus – Hr. Angott.) Abdruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 733–809. Comoedia. Perseus et Andromeda oder die Weiß gebohrene Mohrin (Nat. Bibl. Wien, Ms 13134) 4°, 20 fol, unpaginiert. Inschrift auf dem Titelblatt: Angefangen In Berlin den 2. Januarius Anno 1700. F. E. Paulßen. (Gleicher Inhalt wie das vorgenannte Drama, einige Szenen sind weggelassen oder gekürzt, Schlusschor fehlt). Gekürzte und bühnenwirksamere Fassung von Ferdinand Egidius Paulsen, dem Sohn des Prinzipals Carl Paulsen und Bruder der Katharina Velten, geb. Paulsen. Der Schauspieldruck Perseus und Andromeda, Lustspiel, Straßburg 1665, eingebunden in einen Sammelband, ist während des großen Bombenangriffs in Karlsruhe 1942 verbrannt. (Badische Landesbibl. Karlsruhe, Sammelband Sig. Qb 228) Vermutliche Vorlage des Wanderbühnenstoffes, der wohl aus Corneilles „Andromède“ stammt (1647 verfasst, aber erst 1650 mit der Musik von Charles Coypeau, genannt d’Assouci, im großen Saal des Petit-Bourbon aufgeführt), könnte dieser Schauspieldruck von 1665 sein. Das Thema wurde schon zu Beginn des Jahrhunderts mehrmals bearbeitet: Am 1. Dezember 1616 fand in Salzburg eine Aufführung der Action in Musica „Andromeda“ durch italienische Musiker statt, die dort am 5. Februar 1617 wiederholt wurde. Am 15. November 1618 wurde in Salzburg die „Opera Il Perseo“ gegeben. – Das lateinische Drama von Caspar Brülow wurde 1612 ins Deutsche übersetzt: Andromeda, eine schöne Tragedia aus dem Poeten Ovidio fürnemblich genommen, darinnen fürgebildet, wie aller Frewel, Gotlosigkeit vnd Hoffarth gestrafft wird, so zu Straßburg auf dem Theatro agirt, vnd auß dem lateinischen M. Casp. Brulovii verteutscht. Straßburg 1612. Deutsche Übersetzung durch Isaac Fröreisen. Aufführung im Juli 1612 im Theatro Akademico in Straßburg. (Verzeichnet bei Gottsched: Nöthiger Vorrath“, S. 167). Zwischen 1612 und 1692 sind bei Gottsched (Nöthiger Vorrath, S. 167, 243, 252 und 255) und bei Goedeke (Grundriß, Bd I, S. 417, und Bd II, S. 519) insgesamt sieben Bearbeitungen dieses Stoffes verzeichnet.



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Auch von Monteverdi (1567–1643) ist vor wenigen Jahrzehnten eine „Andromeda“ aus dem Jahr 1617 aufgefunden worden. Von Johann Rist gibt es ebenfalls ein Schauspiel „Perseus“,1634, mit plattdeutschen Bauernszenen; Aufführung am 1. Juni 1634. Schon 1637 wurde in Venedig eine „Andromeda“ von Benedetto Ferrari gedruckt. Pierre Corneilles Operndichtung „Andromède“ aus dem Jahr 1647 gilt als erste französische Oper und wurde 1650 mit der Musik von Charles Coypeau, genannt d’Assouci, 1650 im großen Saal des Petit-Bourbon in Paris aufgeführt. 1665 erschien in Venedig „Il Perseo“ von Aurelio Aureli. 1669 wurde Aurelio Amalteos Oper „Il Perseo. Dramma musicale nel giorno Natalizio della Sacra Cesareo Real Maestà dell’Imperadrice Margherita“ in Wien veröffentlicht (Musik von Antonio Draghi, Ballettmusik von Johann Heinrich Schmelzer). Dieses Singspiel ist als Handschrift in italienischer Sprache in der Österr. Nationalbibl. Wien (Sig. Ms 18846) erhalten. 1691 erschien in Wien Niccolò Minatos „Le azioni fortunate di Perseo“, 1697 in Bologna „Il Perseo“ von Pier Jacopo Martello.24 Calderon hat das Thema in „Fortunas de Andromeda y Perseo“, Madrid 1663, übernommen. 1659 schrieb Herzog Anton Ulrich von Braunschweig ein Libretto zum 81.  Geburtstag von Herzog August von Braunschweig und Lüneburg: „Andromeda. Ein Königliches Fräulein aus Aethiopien, des Cepheus und der Cassiope Tochter / Wie Sie an einen See-Felsen angefässelt / und einem Meer-Drachen übergeben / endlich aber vom Perseus erlöset / und demselben vermählet wird. Als der … Herr Augustus Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg … den LXXXI.sten … Geburts-Tag … 10. Aprilis, deß 1659. Jahres … gefeiret. Wolfenbüttel: Stern 1659. Aufführung am 10. April 1659. 24 Bl. Text: Anton Ulrich Herzog von Braunschweig. Musik vermutlich von Johann Jakob Löwe). Personen, Vorrede, 3 Akte. (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Textb. 139)25 Das undadierte Theaterprogramm „Perseus und Andromeda, Oder Die Weiß-gebohrne Mohrin / und deren prächtige Vermählung mit dem Heldenmüthigen Perseus“, mit einer Widmung an Herzog Anton Ulrich von Braunschweig, stammt

24 Die vorhergehenden fünf Zitate nach Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 31–32. 25 Eberhard Thiel: Libretti. Die Kataloge der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, S. 26, Nr. 127.

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wahrscheinlich von der Velthen- Truppe, die sich 1687 in Braunschweig aufhielt.26 (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Textb. 592) Aus dem Jahr 1695 stammt die Tragico-Comoedia „Die Unvergleichlich schöne Princeßin Andromeda. In einem Misch-Spiel aufs neu auf die Schau- Bühne geführet von Michael Kongehl, beygenahmt Prutenio“. Gedruckt in Königsberg 1695. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 720.039 – A. Alt. Rara 120 und 820172 – A. Adl. 2 The; Staatsbibliothek Berlin, Sig. Yi 7466=R; Bayerische Staatsbibl. München, Sig. P.o.germ. 745 y; Forschungs- und Landesbibl. Gotha, Sig. Poes 8° 2596/29 (2).] 1675 wird am Ansbacher Hof die „Gesungene Vorstellung Der unvergleichlichen Andromeda. Zu Ehren Der Durchleüchtigsten Fürstin und Frauen / Frauen Johanna Elisabetha Markgräfin zu Brandenburg / (usw. usw.) Beglükkwünschung Ihrer Hochfürstl. Durchl. Beyderseits höchsterfreülichen Kindbetthervorgangs und Geburthstags. Gehalten in der Hochf. Brandenb. Hofstatt Onolbach. Gedrukkt bey Jeremias Kretschmann 1675.“ (53 Oktav-Seiten, Musik wahrscheinlich von Johann Wolfgang Franck)27 aufgeführt.28 Ein zweites Mal gedruckt in Hamburg 1679 mit dem Titel: „Die errettete Unschuld Oder Andromeda und Perseus. In einem Singspiel vorgestellet“. (Nächster Druck 1692.) Der Autor beruft sich im Vorwort auf Pierre Corneille, der Text wird Johann Philipp Förtsch zugeschrieben, Musik von Johann Wolfgang Franck. Das Stück zeigt jedoch einige wesentliche Unterschiede zum Wanderbühnendrama (Ausgabe von 1679 in der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Textb. Sammelbd 7(6); und in der Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. 4243-B. Mus. Ein Druck von 1692 befindet sich in der Österr. Nat. Bibl. Wien, Sig. 625.269 A.The.)

26 Nach Rudin, Bärbel: Die Textbibliothek der eggenbergischen Hofkomödianten, S.  94, Anm. 132. 27 Ausführliche Besprechung des Inhalts bei Schwarzbeck, Friedrich Wilhelm: Ansbacher Theatergeschichte bis zum Tode des Markgrafen Johann Friedrich (1686). (= Die Schaubühne. Quellen und Forschungen zur Theatergeschichte, Bd 29). Emsdetten 1939, S. 88–98. (Das Textbuch befindet sich im brandenburg-preußischen Hausarchiv in Charlottenburg (Sig. Preußen F. III. b. 440). Genaue Inhaltsangabe auch bei Curt Sachs: Die Ansbacher Hofkapelle, S. 119–122. 28 Das Textbuch bemerkt am Schluss, dass das Stück in Welschland und Deutschland schon wiederholt aufgeführt und für Ansbach in höchster Eile nachgeahmt worden sei. Siehe dazu Kurt Sachs: Die Ansbacher Hofkapelle unter Markgraf Johann Friedrich (1672–1686). In Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft, 11. Jg 1909–1910, hg. von Max Seiffert, Leipzig 1910, S. 121.



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Ein Libretto „Die Befreyte Andromeda“, zum Geburtstag des Herzogs Johann Adolph von Sachsen am 2. Nov. 1688 in einem Ballet vorgestellet (Musik vermutlich von Johann Valentin Meder, zuerst Kapellmeister in Danzig, ab 1699 Organist im Dom zu Riga) ist erhalten in der Forschungs- und Landesbibl. Gotha, Sig. Poes 4° 2164–2165 (56)R. Aus dem Jahr 1692 stammt das Singspiel „Andromeda“, vorgestellet auf dem Braunschweigischen Schauplatz. Wolfenbüttel 1692. (Text: Friedrich Christian Bressand, Musik: Monsr. Cousser, fürstl. Capellmeister zu Wolfenbüttel. (Niedersächs. Landesbibl. Hannover, Sig. Op. 1,49) In Riga entstand die Oper „Die befreite Andromeda“ mit Ballett von Johann Valentin Meder, zuerst Kapellmeister in Danzig, ab 1699 Organist im Dom zu Riga. Spätere Bearbeitung als Ballett von Anton Vigano: „Andromeda, befreyet von Perseus. Ballet in 4 Aufzügen aufgeführet auf der Brunner Schaubühne den 24. Maij 1778“. In der Nat. Bibl. Wien (Sig. 115192 – B.Alt.Mag) ist auch das gedruckte Szenar eines allegorischen Schul-Spiels vom 25. August 1709 erhalten: „Perseus Befreyet die Befreyte Andromeda. Wildberg: Stribig 1709. Auff: 1675 und 1679 als Singspiel in Ansbach; 1679 in Hamburg „Perseus und Andromeda“ (Oper mit der Musik von J.W. Franck). 1683 in Ansbach: Die weisse mohrin (Spielansuchen der Eggenbergischen Komödianten an den Markgrafen Johann Friedrich vom 25. Juni 1683). Weimarer Verzeichnis Nr. 5: Die von dem perseum von den trachen erledigte, und sich dem perseum vermehlende prinzesin aus aethiopien Andromeda; und Weimarer Verzeichnis Nr. 75: Gesungene Vorstellung der unvergleichlichen andromeda. Braunschweig 1687, Gastspiel der Veltheimischen Compagnie-Comoedianten. Am 14. November 1702 rühmt sich der Marionettenspieler Johann Hilverding in Lüneburg, mit seinen Figuren und Dekorationen über fünfzig Komödien spielen zu können, darunter „Perseus und Andromeda“. 1710 in Wolfenbüttel. Um 1720–30 Aufführung der Haacke-Gesellschaft: Vermählung des heldenmüthigen Prinzen Perseus mit der durchlauchtigsten Prinzessin Andromeda, oder Belohnung der Tugend in der Person der Isabella von Castilien. Haupt- und Staatsaction. [„Die heylige Margaretha. Margaretha Märtyrin“ verarbeitet das gleiche Motiv.]

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Abb. 30: Titelkupfer aus dem „Mirant“ des Laurentius von Schnüffis, Konstanz 1690 (Original im Benediktinerkloster Mehrerau, Bregenz, Sig. G 1543 lm): Andromeda in Ketten an den Felsen geschmiedet. Der Dichter Mirant hält die Gorgonenmaske und flieht. Das Motiv der an einen Felsen angeketteten Andromeda und deren Befreiung durch den Helden Perseus begegnet unter verschiedenen Namen auch in anderen Dramen, etwa in dem Märtyrer­ drama „Margaretha“ (Dort ist es der fremde Ritter Georg, der den Drachen besiegt), oder in Johann Christian Hallmanns Schäfer-Singspiel „Lionato“, in dem die durch ihren Entführer Ferino an einen Felsen im Meer angekettete Silvia von ihrem zukünftigen Schwiegervater, dem Schäfer Lionato, befreit wird.29 In „Alexanders Glücks- und Unglücksprobe“ von Johann Christian Hallmann lässt der Herzog von Sizilien seinen Sohn Alexander an einen Felsen schmieden. Dieser wird von Männern des kretischen Königs befreit. 29

Szene III, 1–6. Hallmanns Singspiel „Das Frohlockende Hirten-Volck oder Der Gekrönte Schäffer Lionato“, aufgeführt in Breslau 1704, ist verloren, war aber als Szenar in der früheren Stadt­bibliothek Breslau überliefert. Alle Szenare sind laut Auskunft der Bibliotheksdirektion während des Zweiten Weltkrieges verlorengegangen. Abgedruckt in Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra, Bd 78), Berlin 1910, S. 385–392.



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Tragoedia: genandt Der vom Christentum abgefallene und dazu wiederbekehrte Andronicus. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 318–350) Inschrift auf dem Titelblatt (mit hellerer Tinte und von anderer Hand): Jason und Medea. Die Comoedia hat mir gegeben Mons. Johan Adolph Eck von Franckfurt am Main. [Nicht zu verwechseln mit der „Kläglichen Tragoedia von Tito Andronico“!] Manuskript mit dem Wasserzeichen einer Böhmisch-Krumauer Papiermühle. Vorlage war wohl das 1659 zum Schuljahresschluss des Innsbrucker Jesuitengymnasiums aufgeführte Spiel „Andronicus, ein ägyptischer Jüngling“. Die Komödianten der Hans Ernst Hoffmann-Truppe hatten den jungen Akteuren dieser Aufführung laut Aussage der Ordensannalen das größte Lob gespendet.30 Auff.: Auf der Repertoire-Liste des Daniel Treu am bairischen Hof zu Schleißheim bei München (1669/70 und 1681–85): Der geistliche Andronicus. Das Stück ist im Weimarer Verzeichnis Nr. 93 unter dem Titel „Der gecreuzigte Andronicus“ verzeichnet. Tragicomoedia Antiochus In: Schau-Bühne, Bd 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd 3, Berlin 1970, S. 353–432. Vorlage ist Thomas Corneilles „Antiochus“. Eine Bearbeitung des Themas durch Johann Christian Hallmann „Antiochus und Stratonica, Oder Merckwürdige Vater-Liebe“ ist im Mai 1669 im Magdalenen-Gymnasium im Breslau als Schulaufführung bezeugt.31 Abgedruckt in Johann Christian Hallmanns von Breslau … Trauer- Freudenund Schäffer-Spiele unter dem Titel: Die Merkwürdige Vater-Liebe Oder Der vor Liebe sterbende Antiochuns Und Die vom Tode errettende Stratonica. Breslau 1684. Lit.: Richter Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra Bd 78). Berlin 1910, S. 324–328.

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Karl Lechner: Geschichte des Gymnasiums. III: Dramatische Aufführungen. In: 60. Programm des K.K. Staatsgymnasiums in Innsbruck, veröffentlicht am Schlusse des Schuljahres 1908/1909. Innsbruck 1909, S. 105. Szenar gedruckt In der Baumannischen Erben Druckerey durch Johann Christoph Jacob / Factor. (Als Reprint in Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1994, S. 495–498)

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Printz Selimor und Aribene. (Siehe „Printz Selimor“) Artaxerxes und Estra Russische Aufführung am 17. Oktober 1672 in Moskau. (Siehe „Esther“) Comoedia genanndt: Die verliebte Königin Artemisia, oder Die heimliche Liebe. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1 Bd. 100 G (2 r – 53 v) Der p. Magd. Sibylla ded. von Philipp Kuhlmann, Comöd., Martio 1699. 55 Blatt; 3 Akte, 11 Personen, Prosa, Schluss gereimt. Widmung an Herzogin Magdalena Sibylla. Schlussdatum: Stuttgardt M[ense] Martio 1699. Der Truppe des Prinzipals Jakob Kuhlmann zuzuordnen. Ein italienisches Manuskript der „Artemisia“ ist auch in der Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. Ms 13283, erhalten. Mögliche Vorlage: Niccolo Minato: L’Artemisia. 1656. (Venezianisches Libretto, Musik von Francesco Cavalli). Weitere „Artemisia“-Opern: Von Gottfried Heinrich Stölzel (Musik von Reinhard Keiser), aufgeführt in Naumburg 1713 (Herzogin Anna Amalia-Bibliothek, Sig. 08:75); und in Hamburg 1715 (Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. 625329-B.The, und Sig. 4192-B. Alt Mag). Ebenso ein Singspiel von Giannambrogio Migliavacca (Musik von Johann Adolph Haße), welches auf dem königl. Pohln. und Churfürst. Sächß. Hof-Theater 1754 in Dresden in italienischer und deutscher Sprache aufgeführt worden ist. (Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. 4093-B.Alt Mag). Auff.: 1688 in Böhmisch-Krumau: „Die verliebte Feindin“ (Fürstl. Eggenbergische Hofkomödianten). 1679 im Repertoire (Nr 8: Die Verliebte Königin Arthemisia) des Prinzipals Velthen am kurpfälzischen Hof in Heidelberg und Mannheim. Weimarer Verzeichnis Nr. 142: Das von arthemisia prächtig gebauet wordene begrebnuß des königs mausoles. [?] 5. Mai 1700 in Weissenfels: Arthemisia oder Die beständige Liebe (zum Geburtstag der Herzogin Friederike Elisabeth von Sachsen). 1713 in der Naumburger Petri Pauli-Messe, und 1715 auf dem grossen Hamburgischen Theatro (s.  o.)



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1715 in Köln: Liebe zwischen Feinden (Ratsprogramm). 1716 in Durlach: Artemisia und Cleomedes. (Text: Johann Friedrich Braun, Musik: Casimir Schweizelsberger). 1718/19 in Riga: Repertoire der Victoria Clara Bönicke. 1741 in Frankfurt. 1754 in Dresden (s.  o.) 1756 in Köln. Von zwayer Königen Son Olvier und Artus. (Siehe „Olvier“) Khünig Artzngall (Siehe „Niemand und Jemand“) Comoedia genandt Die gekröndte Schäfferin Aspasia. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 89–132) Bl. 132 v: D. A. M. D. G. 5 Akte, 14 Personen (Damon, Cyrus König in Persien, Lodippe eine Hexe, Cupido …) Von anderer Hand stammen die später eingefügten Änderungen der Szeneneinteilung und Regieanweisungen; es ist dieselbe Schrift, die auch in der „Liebes Verzweiffelung“ Änderungen vorgenommen hat, nämlich jene des Prinzipals Carl Ludwig Hoffmann. Eines der bekanntesten Schäferspiele im deutschen Sprachraum. (In Prosa, der höfische Narr Phryx ist nur lose in den Handlungsablauf eingebunden. Keine Hofkritik! Der Hof als Ort des Glücks.)32 Überlieferung der Geschichte durch Plutarch, Perikles, Xenophon und Justin: Die Tochter des Hermotimos aus Phokaia in Jonien wird im 5. Jahrhundert vor Chr. in den Harem des persischen Prinzen Kyros entführt. Nach dessen Tod wechselt sie in den Harem seines Bruders Artaxerxes und wird noch vierzig Jahre später von dessen ältestem Sohn als Herrschaftsgabe erbeten. Dies verhindert Artaxerxes, indem er Aspasia zur Priesterin weiht. – Cats greift auf die Vorlage des römischen Sophisten Claudius Aelianus zurück, verwandelt aber dessen armes Stadtkind Aspasia in eine Schäferin, deren Verehrer der Hirt Damon ist.33

32 33

Siehe dazu Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit, 1998, S. 394–400. Nach Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit, 1998, S. 376.

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Der Stoff stammt – stark verändert, gekürzt, ohne lange Monologe – aus Jacob Cats: Koningklijke Herderin Aspasia, 1655, oder Bly eyndig spel Aspasia, 1656. (Cats erste Gestaltung des Stoffes in der Erzählung „Spoock-Liefde, besloten met het Houvvelyck van Cyrus en Aspasia“ in der Erzählsammlung „Trouringh“, 1637.) Kritische Ausarbeitung der gesellschaftlichen Unterschiede zwischen der ständisch gebundenen Lebenswirklichkeit und dem Hof. Anmerkungen zu Absolutismus und Willkürherrschaft. 5 Akte in Alexandrinerversen. Erste deutsche Singspiel-Bearbeitung dieses Cats-Stücks vermutlich von David Elias Heidenreich aus Leipzig (Musik: David Pohle): „Trauer-Freuden-Spiel, Die königliche Schäfferin Aspasia“, Halle in Sachsen 1672 (11 Bl. Fol.), aufgeführt zum 58. Geburtstag des Herzogs August von Sachsen-Weißenfels am 13. August 1672. 1673 wahrscheinlich noch einmal aufgeführt anlässlich der Hochzeit des jungen Herzogs August zu Sachsen mit Prinzessin Charlotte von Hessen. Nur als Kartell überliefert (Personenregister, Inhaltsangaben der einzelnen Szenen und die Texte des Prologs, der Zwischenspiele und Arien. (Schwerpunkt: Liebe gegen weltliche Macht. Vor jedem Akt ein allegorisches Zwischenspiel, das die Tugend der Liebe gegen die Laster weltlicher absolutistischer Herrschaft in der Haupthandlung antreten lässt. Der Hof als Wohnstatt des Lasters.) Erste gedruckte deutsche Textfassung (nicht identisch mit dem Singspiel von 1672): Des Welt-berühmten Niederländischen Poeten Jacob Cats, Rittern und Raht-Pensionarii &c. Sinn-reiche Wercke und Gedichte  /  Aus dem Holländischen übersetzet. Sechster Theil. Hamburg 1714, S.  1–91. [Verzeichnet auch bei Goedeke (Grundriß, Bd III, S. 224). Exemplare: Niedersächs. Staats- und Univ.Bibl. Göttingen, Sig. Dr. 5953 und 4 P DRAM III, 950; Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel; Forschungsund Landesbibl. Gotha, Sig. Poes. 4° 2160–2163 (221)R und Sig. 4° 2168(18) R. Adam Gottfried Uhlich bearbeitete in seiner „Elisie“ Cats „Aspasia“. Aufführung im Juni und Juli 1744 in Hamburg durch die Schrödertruppe. Abgedruckt in Gottscheds „Deutscher Schaubühne“, Teil 5. Faksimile-Druck nach der Ausgabe von 1741–1745. In: Deutsche Neudrucke, Reihe Texte des 18. Jahrhunderts, Stuttgart 1972, S. 449–535. Auff.: 1656, 14. September, (Cats „Aspasia“) in der Amsterdamer Schouwburg unter dem Titel „Cirus en Aspasia“. (Titelrolle: Ariana van den Bergh-Nozemann, der ersten Schauspielerin auf einer niederländischen Bühne). Bis 1662 auf dem Spielplan. Ab 1666 bis 1671 in der Nieuwen Schowburgh.



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1667 in Den Haag (Prinzipal Baptist von Fornenbergh, vermutlich mit der Truppe des Carl Andreas Paulsen). 1672, 13. August, in Halle in Sachsen (Singspiel-Fassung). 1672 in Weissenfels. 1674 / 1679 in Dresden auf Paulsens Spielplan; Januar/Februar 1690 in Torgau auf Velthens Spielplan. 1711 und 1718/19 in Riga (Repertoire der Victoria Clara Boenicke). [?] 30. November und 14. Dezember 1738, ebenso 6. Jänner 1739 am Kärntnertortheater in Wien: Die durchleuchtige Schäfferin. [?] 16. Jänner 1742 in Frankfurt am Main: Eine aus einer wahrhafften Historie gezogene recht charmante Haupt-Action, Betitult: Die Majestätische Schäferin, oder: Die über Tyranney und Verfolgung obsiegende Treue. Juni und Juli 1744 in Hamburg durch die Schröder-Truppe (Uhlichs Text, wenig Erfolg). Lit.: Bolte, Johannes: Verdeutschungen von Jacob Cats’ Werken. In: Tijdschrift voor Nederlandsche Taal- en Letterkunde, Bd 16, 1897, S. 241–251. Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit. Deutsche Schäferspiele des 17. Jahrhunderts. Stuttgart 1998, S. 371–410. Berge, D. J. M. ten: De „Koningklyke herderin Aspasia“ van Jacob Cats. In: De nieuwe taalgids 69, 1976, 4, S. 315–335; und 70, 1977, 2, S. 121–140. (weitere Artikel von D. J. M. Berge in: De nieuwe taalgids 69, 1976, 1, S. 33–38 und S. 111–117; ebenso 70, 1977, 3, S. 319–323). Schenkeveld van der Dussen, Maria A.: Over de interpretatie van Cats’ „Aspasia“. In: De nieuwe taalgids 71, 1978, 3, S. 228–236.

Der stumme Printz Atis. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13107) 4°, 35 fol. unpaginiert, Titel auf der ersten Textseite. Besitzvermerk auf Blatt 1 r: Hoffmann / Direct. Comicus Ao. 1723 / Mense Augusto [Prinzipal Carl Ludwig Hoffmann]. Blatt 35 am Schluss des Manuskripts: Finito d. 27ten Mart. / 1708. M Dorscheus. [Matthias Dorscheus?]34

34 Ein Matthias Dorsius aus Bregenz scheint 1668 in den Matrikeln der Universität Salzburg auf. Vielleicht handelt es sich um den Hof Commedianten Matthias Duisinio (Dissins), der als Mitglied der Insprugger Hofkomödiantentruppe von 1659 bis 1662 gemeinsam mit Johann Martin in Innsbruck in derselben Unterkunft lebte. – Rudin (Der Blankenburger Herzog Ludwig Rudolph und die Mecklenburgischen Hofkomödianten. In: Daphnis 24, 1995, S. 332) hält Andreas Dorscheus aus der meist in Nordeuropa agierenden Elenson-Truppe für den Verfasser und deutet das ‚M.Dorscheus‘ als Monsieur. Ist die Selbstbezeichnung als ‚Monsieur‘

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Mit zwei Requisitenverzeichnissen von Hoffmanns Hand, eines davon durchgestrichen. (Siehe dazu die Abbildung Nr. 47 auf S. 675). Die Geschichte vom stummen Sohn des Königs Kroisos erzählt Herodot in den Historien I/34–45. Bei Herodot ist es allerdings nicht der taubstumme Sohn des Kroisos, der Athys heißt, sondern es ist der gesunde, dem ein früher Tod beschieden ist. ) Inhaltlich und sprachlich in engem Zusammenhang mit dem Wanderbühnendrama „Der Wollüstige Croesus König in Lidien“. Etwa zeitgleich entstand Gerbrand Adrianssen Brederoods [1585–1618] „Stommer Ridder“ [in Versen], gespielt von der Niederdeutschen Academie 1618, gedruckt in Amsterdam 1635. (Staatsbibl. Berlin, Sig. 50 Ma 20453) Englische Vorlage: Lewis Machin (and Gervase Markham): The dumpe knight. An historical Comedie, acted sundrie times by the Children of his Majesties Revels. London 1608. (Neudruck 1633). Spätere Bearbeitung: Lope de Vegas Lustspiel „El caballero mudo“ oder „El desden vengado“. 1662. Als direkte Vorlage zu dem Wanderbühnenspiel diente wahrscheinlich die deutsche Bearbeitung des ursprünglich italienischen Wiener Singspiels „Cresus“ von Antonio Draghi (Musik) und Johann Albrecht Rudolph (Libretto) aus dem Jahr 1678. (Siehe „Der Wollüstige Crösus König in Lidien). Lucas von Bostel bearbeitete diese italienische Oper acht Jahre später als deutsches Singspiel unter dem Titel „Der Hochmüthige / Gestürtzte / und Wider-Erhobene Croesus“, Musik von Johann Philipp Förtsch. Hamburg 1684 und 1692. Spätere gekürzte Ausgaben: Hamburg 1711 und 1730 mit Musik von Reinhard Keiser. Um 1710 und 1717 erscheint das Singspiel in Wolfenbüttel mit dem neuen Titel „Atis, Oder der stumme Verliebte. In einer Opera Auf dem grossen Braunschweigis. Theatro vorgestellet. Musik von Georg Caspar Schürmann, mit Vorrede, Inhalt und Vorbericht, Personen, Szenarium. 3 Handlungen. (Herzog August Bibl. Wolfenbüttel, Sig. Textb. 614; und Herzog August Bibl., Sig. Textb. 513). Bostels Text stimmt im Wesentlichen mit der Handschrift von „Prinz Atis“ überein. (Das Atis-Manuskript hat den Verstext Bostels in Prosa aufgelöst

denkbar, ist sie nicht eher für dritte Personen gedacht? Alle Schreiber von Wanderbühnentexten nennen sich selbst als Verfasser mit ihrem Vor- und/oder Nachnamen, das ‚Monsieur‘ oder ‚Hr‘ taucht nur in Besetzungslisten der Elenson-Truppe auf, so etwa im Manuskript „Die rasende Medea“ (Nat.Bibl.Wien, Sig. 13189). Siehe vorliegende Arbeit, S. 673.



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Abb. 31: Erste Textseite aus dem Wiener Manuskript „Der stumme Printz Atis“. (Siehe auch Abb. 46 und 47, S. 674 u. 675: Personenverzeichnis und Besitzvermerk des Prinzipals Carl Ludwig Hoffmann)

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und teils gekürzt, Arien und Duette sind fast unverändert aus dem Bostel-Text übernommen. Die Rolle des fahrenden Krämers Elcius ist stark gekürzt und verändert: Aus dem zynischen Satiriker gesellschaftlicher Missstände und höfischer Unmoral wird ein harmloser Spassmacher.35) Neudruck aller drei Texte in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/1, Berlin 1999, S. 1–111 („Creso“, italienisch), S. 113–190 (Bostels „Croesus“, 1692) und S. 191–252 (Dorscheus-Manuskript „Atis“). Eine Ratsaufführung in Nürnberg 1716 dokumentiert der Theaterzettel in der Stadtbibliothek München, Sig. Nor. 4479: … die hiesig-anwesend Bande Comoedianten  … stellet auf dem gewöhnlichen Theatro / in einem Schau-Spiel / vor / Den hochmüthig-gestürtzten und wieder-erhobenen König Cresum: Und / Den stummen Printzen Atis … Nach Endigung dieser Haupt-Action wird schliessen eine curieuse Nach-Comödie; welche betitult wird: Chrispin Medecin, Oder / Crispin Universal-Medicin. 4 Blätter. Die Inhaltsangabe ist wörtlich aus der Wiener Übersetzung von Johann Albrecht Rudolph von 1678 übernommen. Im Titel und Personenverzeichnis dagegen folgt es der Bearbeitung von Bostel, Hamburg 1684. Zwei Atis-Aufführungen auf dem Braunschweigischen Theatro 1717 und 1719 dokumentieren zwei Libretti in der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel: a) Atis, oder der stumme Verliebte. In einer Opera Auf dem grossen Braunschweigis. Theatro vorgestellet Und dem … Herrn Georg Albrechten Fürsten zu Ost-Frießland … Wie auch dem … Herrn Albrecht Ernsten Fürsten zu Oettingen … unterthänigst gewidmet. Musik: Kaspar Georg Schürmann, Text: Lukas von Bostel (Der hochmüthige, gestürtzte und wieder erhobene Crösus) 1717. 30 Bl., Vorrede, Inhalt und Vorbericht, Personen, Szenarium, 3 Handlungen. (Herzog August-Bibliothek, Textb. 513) b) Atis, oder Der stumme Verliebte. In einer Opera auf dem grossen Braunschweigischen Theatro vorgestellet. (Schürmann / Bostel). Wolfenbüttel o.  J. [um 1719]. 28 Bl., Personen, Szenarium, 3 Handlungen. (Herzog August-Bibliothek, Textb. 614).36 35 36

Siehe dazu auch Rudin, Bärbel: Der Blankenburger Herzog Ludwig Rudolph und die „Mecklenburgischen Hofkomoedianten“ oder: Die Katholiken kommen!. In: Daphnis 24, 1995, S. 332  f. Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, S. 51, Nr. 246 und 247. – S. 53 sind noch 2 französische Atis-Opern mit Musik von Jean Baptiste Lully und Text von Philippe Quinault, gedruckt in Amsterdam 1690, verzeichnet. (Herzog August-Biblio-



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Im Jahr 1726 wurde Buchhöfers gereimtes Possen-Zwischenspiel für drei Personen (Elmire, die medische Prinzessin; Atis, der unter dem fürstlichen Kleid ein Harlekin-Kleid trägt; und Nerillo, des Atis närrischer Page) gedruckt: Der Stumme Printz Atis, In einem Intermezzo Auf dem Hamburger SchauPlatze Vorgestellet Im Jahre 1726. Hamburg:Stromer. 8 Bl. Diese kurze Drei-Personen-Parodie spielt auf den Inhalt des Atis-Dramas an, hat aber sonst nichts mit dem ursprünglichen Drama zu tun. (Staats- und Univ.Bibl. Hamburg, Sig. MS 639/3: 17, Sammelband Nr. 253; Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. 14,5: 75 [g]; ebenso in der Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. 625385-B. Theat.  S. – Volltext im Internet). Auff: 1660 in Güstrow (im Spielansuchen des Kaspar Stiller als Nr.  6 erwähnt: Untrew schlecht ihren eygen Herrn). 1674 und 1679 im Repertoire Paulsens in Dresden: Der stumme Ritter, oder Vntrew schlecht ihren eygen Herrn. 1678 (9./10. und 12./13. Jänner) in Wien. Weimarer Verzeichnis Nr. 134: Der von Ciro gefangene könig Crössus, desen freiheit. 1710/11 an der Hamburger Oper im Theater am Gänsemarkt (Bostel: Der Hochmüthige / Gestürtzte / und Wider-Erhobene Croesus). Lübeck 1713 (Programm der Hochteutschen Chur-Sächsischen Hoff-Comoedianten). 1716 in Nürnberg „Der stumme Prinz Atis“. Ratsaufführung der Wienerischen Comoedianten unter der Prinzipalin Witwe Victoria Clara Bönicke. 1717 und um 1719 in Wolfenbüttel (Libretto siehe oben). 1718/19 in Riga (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). Lübeck 1720. 1723, 23. April, in Ulm: Der stumme Prinz (Truppe Gottfried Prehauser). 1723 in Wien: Creso. Tragicomedia per musica. (Musik: Francesco Conti, Ballettmusik: Nicola Matteis.) Übersetzung durch Johann Peter van Ghelen 1723: Crösus, König in Lydien. Hamburg 1726 (Buchhöfers Puppenspiel). Regensburg 28. Nov. 1727 (Chur-Pfältzische Hof-Comoedianten). 1730 an der Hamburger Oper am Gänsemarkt. Frankfurt, 10. April 1741 (Theaterzettel Wallerotty): Der stumme Redner oder die Unbeständigkeit des Glückes, dargestellt in dem erstaunungswürdigen Fall des reichen Crösi. Hanswurst als ein lustiger Brüllen-Krämer …

thek, Sig. Textb. 767:1 und 768:1); ebenso eine französische Atis-Oper mit Ballett, aufgeführt 1676 und 1699 (Lully / Quinault), 78 S., gedruckt in Paris 1699. (Sig. Lm 2315 a).

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Frankfurt, 18. September 1741 (Theaterzettel Wallerotty): Der unglückseelige Reichthum oder der stumm gebohrne Redner. Mit Hans-Wurst einem lächerlichen Dollmetscher … Frankfurt, 11.  Januar 1742 (Theaterzettel Wallerotty): Niemand soll sich vor seinem Ende glücklich schätzen, oder die Würkung der Kindlichen Liebe. NB. Diese Hauptaktion ist aus dem Italiänischen gezogen, allwo sie betitelt wird: La forza della Natura. [Gemeint ist das Opernlibretto „La forza dell’ amore filiale“, das 1698 in Wien vor Leopold I. und seiner Gattin Eleonore aufgeführte Singspiel von Donato Cupido Napolitano, Musik von Antonio Draghi Ferrarese.] 1749 in Horn: Untreu trift ihren eigenen Herrn (Schulaufführung, gedrucktes Szenar in der Österr. Nationalbibl. Wien, Sig. 303072-C.Alt.Mag). 1990 (!) im Cuvilliés-Theater München: Wiederaufführung einer bearbeiteten Version von Bostels Singspiel „Der Hochmüthige / Gestürtzte / und Wider-Erhobene Croesus“ mit der Musik von Reinhard Keiser (Leitung: Reinhard Schwarz, Regie: Didier von Orlowsky). Lit.: Müller, Sieglinde: Die Haupt- und Staatsaktion. Untersuchung einer Theatergattung am Beispiel der Wanderbühnenhandschrift „Der stumme Prinz Atis“ unter Berücksichtigung der musikdramatischen Vorlagen und der bisher unveröffentlichten Handschrift. Diss. Innsbruck 1990.

(Siehe: Der Wollüstige Crösus König in Lidien“) Der Welt Erschrökende Attila. (Nat. Bibl. Wien, Ms 12851) nach 1682, 4°, 155 pag., 4 Akte. Provenienz: Antiquariat Kuppitsch, Wien (Cod. Ser.n.18105, Supplementum-Katalog). Vorlage scheint das italienische Libretto des Matteo Noris: „Attila. Dramma recitato“, Musik von Pietro Andrea Ziani, Venedig 1672; oder dessen deutsche Bearbeitung durch den Librettisten Lucas von Bostel.: „Attila. ein Singspiel nach dem Italiänischen“, Musik von Johann Wolfgang Franck, Hamburg 1682. (Exemplare: Nat.Bibl. Wien, Sig. 4281-B. und Sig. 625412-A.Th.) Abgedruckt in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/1, Berlin 1999, S. 507– 619). Theaterzettel der kooperierenden Schauspielergesellschaften von Johann Christian Spiegelberg und Johann Caspar Haacke, Prag, 4.  Juli 1713: Mit gnädiger Bewilligung hoher Obrigkeit werden heute die Hochfürstl. Würtembergischen Hof-Comödianten, welche bishero in dem alten Gericht agiret  /  nunmehro mit denen



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neu-angekommenen Hochfürstl. Mecklenburgischen Hoff-Comödianten  /  so in unsere Compagnie getretten / und numehro dieselbe in 24. Personen bestehen wird / eine vortreffliche Haupt-Action aufführen / von uns betitult: Das Leben und Tod des grossen Welt-schröckenden ATTILA. NB. Hierbey ist zu sehen: 1. Der Triumph-Wagen so von 6 Könige gezogen wird. 2. Der grosse Comet so im Feüer praesentirt. 3. Wie das Bett von einem Geist in einem Sarg verändert wird. 4. Wie die güldene Cron sich in einen Toden-Kopff verstelt. 5. Die Entleibung deß Attilae. Nach-Comoedi: „Die verzauberte Pistoles / oder: Arlequin künstlicher Zauber-Stock“. Aufführung in Prag am 4. Juli 1713, im Gräflichen Sporckschen Ko­mö­dienHaus auf der Neustadt. (Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr.  1193, abgedruckt in: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 646.) Ein weiterer Theaterzettel des Prinzipals Johann Heinrich Brunius, mit Gottfried Prehauser als Hanß-Wurst und vermutlich Johann Leinhaas als Pantalon, dokumentiert eine Aufführung im Manhartschen Haus in Prag am 8. Jänner 1719: Der Fall deß grossen Attilae Oder Hanß-Wurst der tyranisch und groß-prallende Soldat. (Erstmals zwei komische Figuren im Rahmen einer ernsten Handlung! Erhalten im Nationalmuseum Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. 11656). Auff: 1683 in Ansbach: „Der fall des weltschröckens Attila“ (Spielansuchen der Eggenbergischen Hofkomödianten vom 25. Juni 1683 an den Markgrafen Johann Friedrich.) Dienstag nach dem 6. August 1695 in Augsburg: Ratskomödie „Der Fall des weltschrökens Attila“ (Eggenbergische Komödianten). Weimarer Verzeichnis Nr. 18: „Der tyrannische attila, könig der hunen und Gotten samt desen untergang“. 4. Juli 1713 in Prag im Sporckschen Komödienhaus auff der Neu-Stadt: „Das Leben und Tod des Welt-schröckenden Attila“ (Theaterzettel siehe oben). 1713 am Magdalenen-Gymnasium in Breslau (unter dem Rektor Christian Stieff): „Die Geissel der Welt / Den glückseeligen Tyrannen Attila“.37

37

Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1994, Nachwort S. 36.)

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8. Jänner 1719 in Prag (Truppe Heinrich Brunius. Theaterzettel „Der Fall des großen Attilae“ im Národni muzeum, Theaterabteilung, Sig. P-6-A-265, Inv. Nr. C 33595). 5. September 1740 in Hamburg: „Der Weltschröckend Attila und dessen erfolgtes Ende. Mit Arlequin, einen lächerlichen Profosen.“ (Hoch-Fürstliche Hessen Casselsche Schauspieler).38 Comoedia Bestehendt in 12 Personen – Oder Aurelianus, König in Lycien (Nat. Bibl. Wien, Ms 13312) um 1690, 4°, 65 fol. unpaginiert, 5 Akte. Abgedruckt in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 621–731. Vermutlich zwei gedruckte italienische Vorlagen: Ciacomo Dall’ Angelo: Aureliano. Dramma per musica recitato. Musica di Carlo Pallavicino. Venezia 1666; und Giovanni Faustini:Doriclea. Dramma recitato. Musica di Francesco Cavalli. Venezia 1645. Kronenstreit zwischen Aurora und Stella, Prinzessinnen aus Barcelona. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 501–539) 5 Akte, 10 Personen. (Von derselben Hand – von Rademin – geschrieben wie „Amor der Tyrann“.) Wörtliche Übereinstimmung mit dem folgenden Drama: Der Kronen Streitt zwischen Aurora und Stella Prinzessinen auß Barcelona. (Nat. Bibl. Wien, Cod. Ms. 13516) 2°, 16 fol. unpaginiert. Titelblatt: NB. Muß hin und her verbessert und nach ieziger Reguln eingerichtet werden Cum Tempore. – fol. 16 r: Baaden den 8. November aus einer Copia des Sign. H. Rademins descripsit Carl Kopp 1754 (Handschriftlicher Spieltext der Badner Truppe). [Der Schriftsteller und Komödiant Heinrich Rademin hat lange Jahre mit Stranitzky gearbeitet. Carl Theodor Kopp, Mitglied der Baadner Gesellschaft deutscher Schauspieler, ist auf einem Theaterzettel von 1766 als Verfasser des Versdramas „Der Boshafte mit Jean, dem gewissenhaften Diener“, genannt. Ein anderer Theaterzettel aus der Stadt Brünn nennt ihn als Bearbeiter des Lustspiels „Der Zanksüchtige“.] 38

Die Meinung, dass es sich bei der Vorlage für dieses Wanderbühnenspiel wahrscheinlich um Pierre Corneilles „Attila“ (1668) handle, vertreten Meissner: Die englischen Komödianten in Österreich, S. 146; und Dusan Ludvik: Die Eggenbergischen Hofkomödianten, S. 84 und 87. (Siehe dazu auch Alberto Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 196).



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Dieses Wanderbühnenstück aus dem Castelli-Besitz (Nr. 77), aber auch die anderen beiden Aurora-Texte gehen ursprünglich zurück auf Calderons „Lances de amor y fortuna“ (1635). Die von Kopp abgeschriebene Rademin-Fassung ist eine wörtliche Übertragung von Quinaults „Les coups de l’amour y fortune“ (1656). Das deutsche Wanderbühnenstück ist also von Spanien über Frankreich in den deutschen Sprachbereich gekommen. Eine holländische Version gibt es von Hendrik de Graeff aus dem Jahr 1656: „Aurora en Stella of zusterlijcke kroonzucht“. Glück und Liebstück oder Aurora et Stella. (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1 Bd. 100 C (3r – 36v) um 1673, 39 Bl, 5 Akte, 10 Personen, Prosa mit einzelnen Versen, zweistrophige Arie mit Stimmnotierung. Geschrieben von drei Händen, einzelne Regienotizen in Bleistift. Ein Komödienzettel der Churfürstlich Sächsischen bestalten Hoff-Comoedianten (=Velthen-Truppe) (abgedruckt in Bolte: Danziger Theater, S. 143  f) dokumentiert eine Aufführung am Samstag, dem 27. August [1695 ?] in Danzig „Der künstliche verliebte Lügner Oder Die beyden umb der Cron streitenden Schwestern AURORA und STELLA“. Nachkomödie: „Der durch Pickelhärings List betrogene Gewissen-lose Advocate“. Auff: 1666 und 1681 in Lüneburg (im Repertoire des Michael Daniel Treu). 1668, 14. April, in Nürnberg. Tagebuch-Eintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie von Aurora und Stella besucht.39 1673 (6. Nov.?) am Württembergischen Hof in Stuttgart zur Vermählung des Herzogs Wilhelm Ludwig mit Magdalena Sibylla, Prinzessin von Hessen-Darmstadt: Glück und Liebstück. Oder Aurora et Stella. (aufgeführt durch die Adeligen bei Hof).40 1676, 24. Januar, in Dresden. 1679 in Danzig durch die Paulßen-Truppe unter dem Titel „Der künstliche Lügner“). 1679, 7. November, in Heidelberg (Velthen-Truppe): Comoedie von Aurora und Stella. Ebenso im November 1679 in Heidelberg (Velthen-Truppe): Die gestrafte Kronsucht; (Velthenverzeichnis 1679, Nr. 27). 1680 in Torgau (Velthen): Aurora und Stella.

39 40

Kröll, Joachim: Die Tagebücher des Sigmund von Birken, Teil 1, 1971, S. 359. Sittard, Josef: Musik und Theater am Württembergischen Hof, S. 230–231.

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Danzig um 1680: Aurora und Stella, und 1690: Der künstliche verliebte Lügner oder die beyden umb der Cron streitenden Schwestern Aurora und Stella (beidesmal Velthen-Truppe). 29. Mai 1681 in München (Daniel Treu): Von den zwey miessgünstigen Schwestern, auf seiner Repertoire-Liste Nr. 16). 1683 in München (Daniel Treu): Der Streit zwischen Ehr und Liebe. 1688 in Böhmisch Krumau. 1690 in Torgau (Velthen): Der künstliche Lügner. Ebenso im Velthen-Verzeichnis Nr. 43: Aurora und Stella. 1695, 27. August, in Danzig (Velthen) Der künstliche verliebte Lügner Oder Die beyden umb der Cron streitenden Schwestern Aurora und Stella. Nürnberg um 1710. Weimarer Verzeichnis Nr. 122: Glück und Liebestück: oder die beiden verlibten Königlichen schwestern von barzelona oder der zwistreit zwischen Ehr und Liebe. 1741, 24. August und 4. Dezember, in Frankfurt a.  M. (Wallerotty-Truppe): Eine wohl elaborierte, sehenswürdige lustige Action Betitult: Die zwei Cronen-Streitende Schwestern Aurora und Stella: Oder die triumphierende Unschuld mit Arlequins Lustbarkeit durch und durch untermischt. 1747 in Kopenhagen. 1754 Aufführung der Baadenschen Komödianten. Lit.: Über die Wanderungen dieses Dramas siehe Heine, Carl: Calderon im Spielverzeichnis der deutschen Wandertruppen. In: Zeitschrift für Vergleichende Literaturgeschichte, N.F. Bd 2, S. 395  ff. Junkers, Herbert: Niederländische Schauspieler und niederländisches Schauspiel im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland. Haag 1936, S. 178–183.

L’Avaro oder Der Geitzige Harpagon. Aus dem Französischen des Herrn Moliere in das Italienische von dem Herrn Castelli, aus dem Italienischen aber ins Teutsche von F. W. Elenson. In Hannover angefangen den 27. December Anno 1741 / und vollendet den 4. Jan. Anno 1742. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13151) 4°, 28 fol. unpaginiert. In der Schaubühne von 1670, Bd 3, Nr. 4: „Der Geizige“. Nach Molières Komödie „L’avare“, 1668. (Übersetzung Molières ins Deutsche 1694 und 1695; bis Ende 20. Jahrhundert 55 Übersetzungen und Bearbeitungen). Auff: 1674/79 in Dresden (in Paulsens Repertoire: Der alte Geizhals). Oktober 1679 im Heidelberger Schloss des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz durch die Velthen-Truppe, ebenso im Velthen-Verzeichnis Nr. 70: L’Avar oder der Geitzige.



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Dresden im Februar 1674 und 1688 (Hamburgische Comoedianten, Velthen). Weimarer Verzeichnis Nr. 56: Der alte geizige aus dem Moliere. 1758, 26. August, in Zurzach (Schweiz) durch die Ackermann-Wanderbühnentruppe. 1764, 14. Juni, in Hannover (Ackermann-Truppe).41 Basilisco di Bernagasso oder Undanck ist der Welt ihr Danck (Nat.Bibl.Wien, Sammelband Ms 13193, S. 114–137) Textbuch wahrscheinlich für eine Aufführung 1738 im Theater am Kärntnertor (oder eine spätere Abschrift davon). Der Stoff entstammt einem alten Commedia dell’Arte-Stück, die italienischen Dienerfiguren sind jedoch durch Hanswurst (dargestellt von Gottfried Prehauser) und Bernardon ersetzt, so dass dieses späte Wanderbühnenstück schon in den Bereich der Wiener Volkskomödie hineinreicht. (Ältester Spieltext mit einer Bernardon-Rolle). Von dieser vielgespielten Komödie sind von Neapel bis Göttingen und von Paris bis St.Petersburg mehrere Handschriften und Drucke erhalten. (Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 1173– 1229.) In der Österr. Nat. Bibl. Wien (Sig. 406.748-B Mus.) ist ein italienisches gedrucktes Szenar zu einer italienischen Aufführung am Wiener Kaiserhof im Jahr 1692 erhalten: „Il Basilisco del Bernagasso. Comedia Burlesca da rappresentarsi Alle Augustissime M. M. Cesaree. Per Divertimento nel Carnevale L’Anno M.DC.XCII, Vienna d’Austria, Susanna Christian Cosmoverius, 1692.“ (aus der Bibliothek des Grafen Nostitz). Die deutsche Version dieses Szenars aus dem gleichen Jahr ist in der Forschungsbibliothek Gotha, Sig. Poes. 8-02171-2172-12, erhalten: „Basilisco von Bernagasso. Ein lächerliches Schau-Spiel Denen Römisch-Kayserlichen Mayestäten Zu einer Faßnachts-Kurtzweil vorgestellt.Im Jahr 1692. Wienn in Oesterreich, Bey Susanna Christina Cosmerovin“ (mit Inhaltsangabe und Szenar).42 Für die italienische Aufführung hat sich in der böhmischen Schlossbibliothek von Radenín (bei Tabor)43 der Text der „Tirata“ gefunden, die in der sonst 41 42 43

Schauspiele-Verzeichnis der Ackermann-Truppe, mit Angabe der Besetzung, in der Staats­ bibliothek Berlin, Ms germ. fol. 771, Bl. 118v. Abgedruckt in Otto G. Schindler: Mio compadre Imperatore. In: Maske und Kothurn, Jg 38, Heft 2–4, 1997, S. 103–111. (Volltext im Internet abrufbar unter http://archive.thulb.unijena. de/ufb/receive/ufb_cbu_00009416). Knihovna Národního Muzea v Praze [Bibliothek des Nationalmuseums in Prag, Sig. Radenín 151 Adl. 5.] Die „Tirade“ repräsentiert jene Textsorte, die zu den rhetorischen Glanznummern der Commedia dell’Arte gehörte. Sie war in der Regel dem Dottore zugeteilt und sollte durch ihre

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italienisch gehaltenen Aufführung von 1692 wahrscheinlich in Deutsch gespielt worden ist (handschriftlicher Vermerk: 1692). Diese „Tirata“ ist mit jener aus der Wiener Handschrift „Basilisco di Bernagasso oder Undanck ist der welt ihr danck“ von 1738 (Nat. Bibl. Wien, Sig. 13193) fast identisch, nur das szenische Umfeld ist völlig verändert. Vorlage für die Tirata ist die Scène de la Tirade aus Regnards Komödie „Arlequin Homme à bonne Fortune“ (aufgeführt 1690 am Pariser Théâtre Italien und abgedruckt in Gherardis „Théâtre italien“, Amsterdam 1701, t.2, S. 361–415.) Eine ebensolche Tiradenszene ist 1711 in das beliebte Schelmenbuch „Ollapatrida des durchgetriebenen Fuchsmundi“ ins Deutsche übertragen.44 Der Tiratentext der Wiener „Basilisco“-Fassungen von 1692 und 1738 findet sich nahezu wörtlich auch auf dem Einblattdruck „Interompiment, genannt Der Stolperer. 1767.“45, der zu einer Ulmer Aufführung (Truppe Andreas Fiedler) der vielgespielten Burleske vom Totenreich46 im Jahr 1767 gehörte.47

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45 46

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inhaltsleere Wortfülle die pseudogelehrte Rede der Ärzte und Juristen parodieren: Arlecchino kommt ratsuchend zum Dottore, wird von diesem aber mit einem Wortschwall empfangen und kommt gar nicht dazu, seinen Fall vorzutragen. Bei einem zweiten Notar geschieht ihm genau dasselbe; die beiden Notare streiten sich wortgewaltig um ihren Klienten, bis es diesem zu bunt wird und er beide verprügelt. – In der Version von 1738 ist die Perspektive verschoben: Der geprellte Hanswurst begegnet in der Narrengasse acht unterschiedlichen Narren mit ihrem tollen Nonsens-Wortschwall. Ollapatrida des durchgetriebenen Fuchsmundi. 1711. Neu hg. von R. M. Werner: Der Wiener Hanswurst, Bd 2. In: Wiener Neudrucke, Bd 10, Wien 1886, S. 50–63. (Fuchsmundi will einen Advocaten fragen / ob er ein braunes oder ein weisses Mägdlein heurathen solle / kan aber wegen seines Philosophischen Plauderns nicht zur Rede kommen.). Nach neueren Forschungen ist nicht Stranitzky der Verfasser der „Ollapatrida“. Eingebunden in einen Sammelband der Ulmer Stadtbibliothek, Sig. 17382–17397, Bl. 118– 119). Neudruck von Paul Beck: Intercompiment, genannt: Der Stolperer, 1767. In: Alemannia, Bd 20, Bonn 1892, S. 276–280. Der Prinzipal Andreas Fiedler nennt das Stück „Die lächerliche Zusammenkunft in den Elisäischen Feldern, Oder: Das Reich der Todten in dem Reich der Lebendigen“ (Theaterzettel im Stadtarchiv Ulm, Sig. G 3/43). Siehe dazu Schindler, Otto G.: Das Reich der Toten, der Lederhändler von Bergamo und der Philosoph in der Narrengasse. Commedia dell’Arte bei der Neuberin. In: Vernunft und Sinnlichkeit. Beiträge zur Theaterepoche der Neuberin. Ergebnisse der Fachtagung zum 300. Geburtstag der Friederike Caroline Neuber, Reichenbach 1996, hg. von Bärbel Rudin und Marion Schulz. Reichenbach 1999. – „Der Lederhändler von Bergamo. Wer leicht glaubt wird leicht betrogen“ wurde im Juni 1728 in Hamburg von der Gesellschaft der Karoline Neuber aufgeführt. Das Stück weist zahlreiche Parallelen zum Wiener „Basilisco“ auf. Die „Tirata“ aus „Basilisco die Bernagasso“ aus dem Jahr 1692 (aus der Schlossbibliothek Radenín) ist gemeinsam mit den Textvarianten der Wiener Handschrift (Aufführung 1738, Nat. Bibl. Wien, Sig. 13193) und dem Ulmer Einblattdruck von 1767 (Interompiment, genannt: Der Stolperer) abgedruckt bei Otto G. Schindler: Mio compadre Imperatore. In: Maske und Kothurn, Jg 38, Heft 2–4, 1997, S. 112–118.



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Das Manuskript „Der gutherzige Polterer. Eine Comoedie in drey Aufzügen des Herrn Goldonie aus dem Französischen“ mit zahlreichen Verbesserungen von der Hand des Schauspielers Konrad Ekhof, erhalten in der Forschungsbibliothek Gotha (Sig. Ch A 1186 und B 1584), gehört vermutlich auch in diesen Themenkreis. Spätere Szenare: a) „Passalisco“, von Karl Richter vom 23. April 1760, kam mit der Badner Truppe von Kolin (östlich von Prag) nach Wien. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 13611); b) Theaterzettel aus der Mitte der 1760er Jahre: Die rechtmäßig bestrafte unbesonnene Freygebigkeit des Hanns-Wursts, nach dem Sprichwort Wer Haab und Gut verschenkt, und denn durch Dürftigkeit Sich selbst nicht helfen kann, der ist nicht recht gescheid. Oder Die wandernde Rache in dem großmüthigen Betler, mit Hanns-Wurst, Dem von seinen Dienstboten am Narrn-Seil herum gezogenen Phantasten. (Österr. Theatermuseum Wien, Sig. G 624) Neubearbeitung 1816 durch Carl Schikaneder: Die Prellerey in der Narrengasse, Musik von Wenzel Müller. Auff.: 1667 in Paris. (Repertoirestück des Italienischen Theaters in Paris). 1692, 28. Jänner, in Wien in italienischer Sprache (vermutlich Truppe des Giovanni Tommaso Danese, genannt Tabarino). Vielleicht wurde das Stück auch in deutscher Sprache gegeben, da sich im Jahr 1692 die Eggenbergischen Hofkomödianten (die Nachfolgetruppe der Innsbrucker Komödianten), ab Oktober dann auch die Andreas Elenson-Truppe in Wien aufhielten. 1728 und 1729 in deutscher Sprache auf dem Schlosstheater des Grafen Franz Anton von Sporck im ostböhmischen Kukus [Kuks] und in Prag (Wandertruppe des Franz Albert Defraine): Der undankbar Basiliscus. 1738 in Wien im Theater am Kärntnertor. Auf der Wiener Vorstadtbühne stand der „Basilisco“ noch bis 1816 auf dem Programm. (Auch im Repertoire des Joseph Felix von Kurz, genannt Bernardon; siehe die Nürnberger Theaterzettel-Sammlung, Nr. 31). Unter dem Titel Kasperle der Hausherr in der Narrengasse, oder Der verstellte Bettler“ erlebte das Stück bis 20. Juli 1816 insgesamt 76 Vorstellungen. (Einige Theaterzettel in der Wienerbibliothek, Sig. 64525-C). Zwei Theaterzettel des Jahres 1802 (Wienbibliothek, Sig. 64525-C) bezeugen Aufführungen am Kreuzertheater in Pest („Kasperl der Hausherr in der Narrengasse“ und „Das lächerliche Donationsschreiben oder Passalisko di perno Casso“). 11. Mai 1804: Theaterzettel einer Aufführung im Theater in der Leopoldstadt: „Kasperle, der Hausherr in der Narrengasse, oder: Der verstellte Bettler“ (Stadtund Landesbibliothek Wien).

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Lit.: Schindler, Otto G.: „Mio compadre Imperatore“: Comici dell’arte an den Höfen der Habsburger. In: Maske und Kothurn, Jg 38, 1997, Heft 2–4, S. 25–154. Schindler, Otto G.: Hanswurst und „Der gelehrte Stolperer“. Zur Narrenszene des Wiener Basilisko von 1738. In: Maske und Kothurn, Jg 43, Heft 1–3, S. 9–27. (Abdruck der Tirade S. 20–27) Schindler, Otto G.: Romeo und Julia auf Schloß Krumau, der Basilisco von Kolin und das Armenspital in Kukus. Über böhmische Theaterhandschriften in Wiener Bibliotheken und das Wasserzeichen in Wissenschaft und Praxis. In: Biblos. Beiträge zu Buch, Bibliothek und Schrift, hg. von der Österreichischen Nationalbibliothek, Bd 44/1, Wien 1995, S. 81–103.

Der durchlauchtige Bauer. (Siehe „Der Verirrte Liebes-Stand“) Verarbeitet das gleiche Thema wie das folgende Stück: Der Verwandelte Baur. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1598) Comödie in fünf Akten. Aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzt. (aus dem Nachlass von Konrad Ekhof.) Vorlage: Ludwig Holbergs Komödie „Der Seppe vom Berge oder der verwandelte Bauer“. (Holbergs Vorlage war wahrscheinlich Jakob Biedermanns „Utopia“, Dillingen 1644.) Ursprünglich scheint die Komödie eine Bearbeitung aus dem Vorspiel von Shakespeares „Taming of the Shrew“ gewesen zu sein. Auch Calderon bearbeitet dieses Thema (La vida es sueno), das dann Schouwenbergh ins Niederländische überträgt. 1690 spielt Andreas Elenson eine deutsche Bearbeitung Schouwenberghs vor dem Olmützer Stadtrat unter dem Titel „Basilius der große Sternseher, oder Das menschliche Leben vergleicht sich einem Traum“. Das Motiv vom betrunkenen Bauern, den der König schlafend findet, zur Unterhaltung der Hofgesellschaft auf sein Schloss bringen lässt und glauben macht, er sei der König, findet sich auf ähnliche Weise schon in der aus dem 8. bis 10.  Jahrhundert stammenden indisch-persisch-arabischen Märchensammlung „1001 Nacht“.48 Der Schwank bildet auch die Rahmenhandlung in 48

Diese Erzählung betrifft die 78. bis 83. Nacht: Der Sultan von Kairo wünscht sich die Tochter seines Wesirs Schamsaddin zur Frau. Diese wurde jedoch schon vor der Geburt ihrem Cousin Badraddin Hasan von Basra versprochen. Voller Wut bestimmt der Sultan sie nun dem geringsten seiner Sklaven, einem buckligen Stallknecht, zur Frau. Ein Ifrit (geflügelter Dämon) trägt inzwischen den schönen schlafenden Badraddin nach Kairo, wo er den Hochzeitszug und die Zeremonien an der Seite des Buckligen mitmacht und schließlich die Hochzeitsnacht



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Shakespeares „Taming of the Shrew“ (erste überlieferte Aufführung 1594, in der „First folio“ 1623 erstmals abgedruckt): Dort schläft der Kesselflicker Schlau betrunken vor einer Kneipe, wird von der Jagdgesellschaft eines Lords an dessen Hof gebracht und bedient, als wäre er ein reicher Lord. Eine fahrende Theatergruppe spielt ihm auf Weisung des Lords die Komödie „Taming oft he Shrew“ vor. Am Ende der Vorstellung wird der inzwischen eingeschlafene Kesselflicker Schlau wieder auf die Straße vor dem Gasthaus gelegt. Das Thema findet sich ebenso in den Wanderbühnenstücken „Kunst über alle Künste“ und in „Die Egyptische Olympia und der flüchtige Virenus“, ebenso in dem polnischen Spiel „Tragi-komedya o puanym ktory mniemal iz iest krolem, prezez J. Gawinski. W Gdansku“, 1638. In der Staatsbibliothek Berlin (Sig. Ms. germ. Fol. 772, Bl. 16–31) hat sich im Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof der zweite und dritte Auftritt eines Lustspiels erhalten, in dem der plattdeutsch redende Claas betrunken in ein Prachtzimmer gebracht und als König Alexander behandelt wird. (Geschrieben von Konrad Ekhof). Auch das 1767 in Hamburg aufgeführte Lustspiel „Claus Lustig, ein Milchbauer, als Alexander der Große oder die Komödianten auf dem Lande“49, eine deutsche Bearbeitung von P. Langendyks „Krelis Louwen of Alexander de Groote op het poetenmaal“ (1715), verarbeitet dieses Thema. Ebenso nimmt der Barockdichter Christian Weise das Thema in sein „Wunderliches Schauspiel vom Niederländischen Bauer, welchem der berühmte Printz Philippus Bonus zu einem galanten Traume geholffen hat“ auf. (In: Christian Weise: Neue Proben von der vertrauten Redenskunst, Dresden und Leipzig 1700. Aufgeführt am 25. Oktober 1685 in Zittau). Laut Fulda50 kannte Weise die Erzählung aus Simon Goularts „Thrésor d’histoires admirables et merveilleuses de notre temps“ (Genf 1610), wo sie den Titel „Vanité du monde magnifiquement représentée“ trägt.

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mit seiner Geliebten genießt, während der Bucklige durch den Ifrit in einem Toilettehäuschen festgehalten wird. Nachdem Badraddin eingeschlafen ist, trägt ihn der Ifrit wieder an den Ort in Damaskus zurück, von dem er ihn tags zuvor weggeholt hat. Als Badraddin erwacht, glaubt er (wie der Bauer der Wanderbühne), daß alles nur ein Traum gewesen sei. – In variierter Form noch einmal in der Erzählung der 100. Nacht. (Tausendundeine Nacht. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott. München 2/2004, S. 246–260 und S. 292–294). Der Schauspieler Konrad Ekhof (1720–1778) spielte den Bauern Clas, der in urwüchsigem Hamburger Plattdeutsch redet. (Bolte, Wanderkomödianten, 1934, S. 447, Anm. 5) Fulda Ludwig: Christian Weise. In: Deutsche National-Litteratur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 39: Die Gegner der zweiten schlesischen Schule, 2. Teil, S. LX.

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Das Motiv ist auch in Jesuitendramen und später in „Seppe vom Berg“ des dänischen Lustspieldichters Ludwig Holberg (1684–1754) zu finden. Ludwig Tieck hat das Thema in seiner Novelle „Der Alte vom Berge“, Breslau 1828, noch einmal aufgegriffen. Das schon 1636 von Calderon als Versdrama „La vida es sueno“ bearbeitete Motiv wird später von Grillparzer („Der Traum ein Leben“, 1840) und Hugo von Hofmannsthal („Der Turm“, 1926) neu interpretiert. G.F.Malipiero vertonte es 1943 in der Oper „La vita è sogno“. Eine sehr frühe Aufführung des Schwankes vom betrunkenen Bauern fand 1638 im städtischen Rathaus in Danzig durch polnische Einwohner statt. Als Vorlage diente wahrscheinlich die kurz zuvor erschienene polnische Komödie von Piotr Baryka: Z Chlopa krol. Krakau 1637. (Bolte: Danziger Theater, S. 66–67). – 1639 erscheint das Spiel auf der Bühne in Graz. Noch 1738, am 25. Juni, ist die Aufführung „Der Bauer auf einen Tag Fürst“ der untersten Gymnasialklasse auf dem ‚Kleinen Theater‘ in Salzburg bezeugt, und am 16. Juni 1751 wird auf der Universitätsbühne „Der Bauer auf dem Weg zum Himmel“ gegeben. 1749 bearbeitete es Marian Wimmer unter dem Titel „Der wachend träumende König Riepel“.51 (Siehe „Kunst über alle Künste“ und „Die Egyptische Olympia“) Kurtzer Inhalt von der Belagerung und Entsatz von Wien, Mit herlichen Praesentationen. 2 Bl., 4°. Gedrucktes Theaterprogramm mit genauer Inhaltsangabe der 6 Akte, abgedruckt bei Bolte (Danziger Theater, S. 131–133). Die Hollandsche und bey Ihr K. M. in Schweden engagirte Compagnie Comedianten unter ihrem Prinzipal Jacob Sammers52 legten das Programm ihrer Bittschrift an den Danziger Stadtrat bei. Der Inhalt in 6 Teilen stimmt mit keinem der vier dramatischen Spiele über die zweite Türkenbelagerung aus den Jahren 1683–1685 überein, die A. Sauer in den Wiener Neudrucken, Heft 8, 1884, veröffentlicht hat. 51

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Friedrich Johann Fischer: Das Salzburger Theater vom Barock zum Rokoko. In: Mitteilungen der Geschichte für Salzburger Landeskunde, Bd 95, 1955, S. 149–150 und S. 159. – Siehe auch Kutscher, Artur: Vom Salzburger Barocktheater zu den Salzburger Festspielen. Düsseldorf 1939, S. 160. Der holländische Prinzipal Jacob Sammers gehörte später der Amsterdamer Schauspielertruppe des Jacob von Rijndorp an. Erhalten sind drei Suppliken an den Danziger Rat, in denen Sammers um Spielerlaubnis bittet. Die oben angeführte Bittschrift ist die dritte. Als die Nachricht vom Siege Sobieskys über die Türken bei Neuhäusel eintraf, beschloss der Danziger Rat am 30. Oktober 1683, diesen durch Dankpredigten, Glockenläuten, Musik und Lösen der Geschütze zu feiern. (Nach Bolte: Danziger Theater, S. 130–133.)



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Lit. A.Sauer: Vier dramatische Spiele über die zweite Türkenbelagerung aus den Jahren 1683– 1685. (= A. Sauer: Wiener Neudrucke, Heft 8, Wien 1884).

Die erbärmliche Belagerung und der erfreuliche Entsatz der Kayserl. Residenz-Stadt Wien: in einem Trauer-Freuden-Spiel entworfen. von Johann Matthäus Lüther. [Nürnberg]: Loschge 1683 (Nat. Bibl. Wien, 178511-A Alt. Mag. – Weitere Exemplare in der Staatsbibliothek Berlin, Sig. 8° Yq 8041; und in der Bayerischen Staatsbibliothek München, Sig. Res P.o.germ.586 d (Beiband 3). Aufführungen siehe „Türkisch bestraffter Hochmuth“, siehe auch „Cara Mustapha“) Bellemperie (Siehe „Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel, und seiner Tochter Pelimperia, mit dem gehengten Horatio“) Geistliches Hirten-Spiel / Von dem Sünd-bereuenden Johannes de Beremond, auf öffentlichem Schau-Platze. In der Weltberühmten Kayserlichen freyen Reichs-Stadt Nürnberg. Von einer Gesellschafft Hochteutscher Comoedianten vorgestellet / Den 13. Octobr. Anno 1668. [21 Actores, mit Pickelhäring, des Fürsten Diener, und Amyntas] Aufgeführt in Nürnberg von der Gesellschaft des Michael Daniel Treu. Bewehrte Beständigkeit (Siehe „Catharina von Georgien“) Das durchleichtigste Bettelmägdlein (Siehe „Unglück über Unglück“) Der betrogene Betrug. Lustspiel Bey fröhlicher Einsegnung Des Hochgebohrnen Jungen Grafen und Herrleins / Herrleins Ludwig Friderich / Grafens zu Schwartzburg und Hohnstein / Herrn zu Arnstadt / Sondershausen / Leutenberg / Lohra und Klettenberg etc. In Anwesenheit vieler Fürstlichen / Gräflichen und andern Standes Personen des 4. Wintermonats 1667. Uff der Gräfflichen Residentz Heydeck unterthänig übergeben und vorgestellet. Rudelstadt / Gedruckt mit Freyschmidischen Schrifften. Prosa-Lustspiel von Kaspar Stieler, aufgeführt 1667 am Hof zu Rudolstadt anlässlich der Taufe des Erstgeborenen des Grafen Albert Anton von Schwarzburg, Ludwig Friedrich. Wie der Verfasser Kaspar Stieler (1632–1707) selbst vermerkt, ist

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dieses gegenwertige lustspiel von einem Französischen Apt / Nahmens Scarron in einem Buche / so er Romant Comique nennet / und im Jahr 1662 zu Amsterdam nachgedruckt worden / beschrieben. Mit dieser Überschrifft Trompeur, trompeur à demy. [Originalausgabe Bd 1, 1651, Überschrift des 22. Kapitels: A Trompeur Trompeur et demy. Neudruck: Le Roman Comique. Par [Paul] Scarron. Nouvelle Edition. Revue, annotée et précédée d’une Introduction par M. Victor Fournel. Tome I. A Paris. Chez P. Jannet, Libraire 1857. Zwei Jahre vor der Erstaufführung wurde das Spiel in dem Sammelband „Filidor’s Trauer- Lust- und Mischspiele. Jena: Johann Ludewig Neuenhahn 1665“ das erstemal veröffentlicht. 1690 durch Christian Weise neu bearbeitet. Die Komödie „Der betrogene Betrug“ ist auch angebunden an das Zittauer Exemplar „Lust und Nutz der spielenden Jugend“ von Christian Weise, Dresden und Leipzig 1690. Lit.: Paludan, J.: Ältere deutsche dramen in kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.  S. 1891, S. 226–240. Höfer, Conrad: Die Rudolstädter Festspiele aus den Jahren 1665–67 und ihr Dichter. Eine literarhistorische Studie (= Probefahrten. Erstlingsarbeiten aus dem Deutschen Seminar in Leipzig, hg. von Albert Köster, Bd 1). Leipzig 1904, S. 78–85 und S. 174.

Comoedia. Genandt Die Zweij Brüder ungleichen Humors. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, D 95) Inschrift auf der Rückseite des Umschlags vor 1 r: F. H. W. [Es kann sich dabei nicht um die Initialen des Friedrich Herzog von Wirtenberg, gest. 1608, handeln, wie in manchen Katalogen angegeben, da das Manuskript aus einer späteren Zeit stammt.] (Das Manuskript ist am Schluss defekt, es enthält nur noch die Personen von Actus III, Außgang 9.) Bearbeitung nach Moliere „L’Ecole des maris“, 1661. (Siehe „L’Ecole des Maris“) Herrn Scarrons eines vornehmen Frantzösischen Scribenten zweene Seitenbuhlende Brüder / ins Teutsche übersetzt. Gedruckt im Jahr Christi 1670. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 24999 – A. Alt.Mag) Auff.: Weimarer Verz. Nr. 123: Die 2 mordbegirigen firstlichen gebrüdern. [?] 9. Juni 1767 in Ulm: Die Neigung ungleicher Brüder oder: Der unbillige Kronenraub zwischen Hunrich und Heinrich, Prinzen aus dem königlichen Geblüt der Hunnen, Gothen und Wenden. Theaterzettel. (Aufführung durch die vom Kurbayerischen



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Theater abgegangene Gesellschaft deutschen Schauspieler unter der Direktion des Herrn Fiedler). (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel Fasz. 1670–1780, Nr. 066). Tragoedia Der bestrafte Brudermord oder: Prinz Hamlet aus Dänemark. Relativ späte deutsche Handschrift mit Datum: Pretz, den 27. Oktober 1710 (heute verschollen). Nach Weilen: Hamlet auf der deutschen Bühne, S. 1, stammt das Werk aus der Zeit zwischen 1660 und 1680. Erster teilweiser Abdruck durch August Ottokar Reichard in: Theater-Kalender auf das Jahr 1779, Gotha 1779, S. 47–60. [Ausführliche Inhaltsangabe mit Textproben. Reichard hatte die Handschrift von dem berühmten Schauspieler Konrad Ekhof (1720–1778) erhalten, der damals in Gotha lebte und in den Aufführungen des Hamlet als Geist des alten Königs auftrat. Ekhof hatte sie vermutlich aus dem Nachlass seines Schwiegervaters Johann Christian Spiegelberg (gest. 1732) geerbt, dessen Truppe sich 1710 von der Velthenschen Gesellschaft getrennt hatte.]53 Erster vollständiger Druck durch Reichard in: Olla Potrida, 4. Jg, 2. Stück, Berlin 1781, S. 18–68. Dieser Ausgabe folgt der Abdruck in Cohn: Shakespeare in Germany, Wiesbaden 1865, Sp. 237–304 (mit einer englischen Übersetzung von Miß Archer); ebenso der Abdruck in Creizenach: Schauspiele der englischen Komödianten, Berlin / Stuttgart 1889, S. 147–186 (Einleitung S. 125–145). Vorlage: Gustav Tanger sieht die englische Shakespeare-Quart-Ausgabe aus dem Jahr 1603 als direkte Vorlage für die deutsche Bearbeitung an. Nach Creizenach (Schauspiele der englischen Komödianten, S. 129–137) kann als Vorlage eine verlorene englische Dramenversion angenommen werden, die weder mit der Quartausgabe von 1603 noch mit jener von 1604 noch mit der Hamlet-Tragödie, die 1589 über die englische Bühne ging, identisch ist. Zwei englische Übersetzungen des deutschen Wanderbühnenstücks: Latham, Robert Gordon: Two dissertations on the Hamlet of Saxo Grammaticus and of Shakespear. Teil II: The relation of the „Hamlet“ of Shake-

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Ekhof heiratete Georgine Spiegelberg (1706–1790) 1746 in Stettin. (Nach Bolte: Von Wanderkomödianten, 1934, S. 447.) – 20 weitere Theaterhandschriften der Denner/Spiegelbergschen Truppe aus den Jahren 1698–1737 aus dem Ekhofschen Nachlass befinden sich heute in der Forschungsbibliothek Gotha. (R. Ehwald: Ekhofs literarischer Nachlaß. In: Mitteilungen des Vereins für Gothaische Geschichte 1915 bis 16, S. 50–66.)

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spear to the German play „Prinz Hamlet aus Dänemark“. London, Edinburgh 1872, und Furness, Horace Howard: A new variorum edition of Shakespeare, Bd II, Philadelphia 1873 (Neuausgabe New York 1963). Auff: 1625 (Bericht des Pastors Johann Rist aus Hamburg; nach Weilen: Hamlet auf der deutschen Bühne, S. 1). 1626, 24. Juni, in Dresden (englische Komödianten). 1674 und 1679 auf Paulsens Repertoireliste in Dresden, Nr. 57: Hamlet. [?]1683, 30.  Dezember, am bairischen Hof zu Schleißheim bei München (Prinzipal Daniel Treu): Der unschuldige Bruder Mordt. 1710, 27. Oktober, im holsteinischen Damenstift Preetz. Lit.: Meissner, Johannes: Alt-Wiener Faustspiele. In: Deutsche Zeitung vom 21. 12. 1882. Creizenach W.: Die Tragödie „Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet aus Dänemark“ und ihre Bedeutung für die Kritik des Shakespeareschen Hamlet. In: Berichte der philologisch-historischen Klasse der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften, Sitzung vom 12. Februar 1887. Tanger, Gustav: „Der bestrafte Brudermord oder Prinz Hamlet aus Dänemark“ und sein Verhältniß zu Shakespeare’s Hamlet. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 23, Weimar 1888, S. 224–245. Litzmann, Berthold: Hamlet in Hamburg 1625. In: Deutsche Rundschau, Jg 18, Berlin 1892, S. 427  ff. Weilen, Alexander von: Hamlet auf der deutschen Bühne bis zur Gegenwart (= Schriften der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 3). Berlin 1908. Freudenstein, Reinhold: Der bestrafte Brudermord. Shakespeares „Hamlet“ auf der Wanderbühne des 17. Jahrhunderts (= Britannica et Americana, hg. von den Englischen Seminaren der Universitäten Hamburg und Marburg/Lahn, Bd 3). Hamburg 1958. Gstach, Ruth: Laurentius von Schnüffis – erster deutscher Bearbeiter des Shakespeareschen Hamlet-Stoffes? In: Montfort, Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs, Jg 30, Heft 1, 1978, S. 7–19.

Türckische Tragoedia Und Christliche Comoedia Oder Leben, vnnd Todt deß Türckischen Wütterichs, vnd strangulierten Gross-Veziers Cara Mustapha. Von mir Thoma Bernardo De Lillis, Hoch-fürstl. Freys[ingische] Trompetern, vnnd Teutschen Poeten. München, bey Lucas Straub, 1685. Gewidmet dem Churfürsten Maximilian Emanuel. 3 Bl. + 58 Seiten in 8°; 3 Akte, Singspiel in Versen. (Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. 453145-A.Alt Mag; Bayer. Staatsbibl. München, Sig. Bavar. 1675 und P.o.germ.861)



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Der Glückliche Groß-Vezier Cara Mustapha. Erster Theil. Nebenst der grausamen Belagerung und Bestürmung der Kayserlichen Residentz. Wien 1686. Der Unglückliche Cara Mustapha. Anderer Theil. Nebenst dem erfreulichen Entsatze der Kayserlichen Residentz. Wien [1686]. Text: Lukas von Bostel, Musik: Johann Wolfgang Franck.54 (Verzeichnet bei Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 251). Eine weitere zeitgleiche Ausgabe erscheint in Hamburg: Cara Mustapha, zweiter Theil, nebst dem erfreulichen Entsatz von Wien von Luc. von Bostel. Hamburg 1686. Vorlage: der französische Roman von Preschac: Cara Mustapha, Grand-Visir, histoire Contenant son elevation, ses amours … et les particularitez de sa mort Suivant la copie imprimee a Paris 1684. (Österreichische Nationalbibl. Wien, Sig. 63.K.29 (Paris 1684) und Sig. 47609-A.Alt Mag (Paris 1685). Beide Exemplare in der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek Weimar, Sig. 14,5: 75 [a]; in der Thüringischen Univ. und Landesbibliothek Jena, Sig. 4 Art. lib. XIV,9 (12); und in der Österreichischen Nationalbibl. Wien, Sig. 4340-B.Mus. (Aufführungen siehe „Türckisch-bestraffter Hochmuth“. Siehe auch „Belagerung und Entsatz von Wien“) Carl et Julio (Siehe „Krafft und würckung der Nattur“) Ermordete Majestät. Oder Carolus Stuardus König von Groß Brittannien. (Staatsbibl. Berlin, Sig. Ms. germ. qu. 586) Von Andreas Gryphius (begonnen 1649, Reinschrift 1650), der die lateinische Übersetzung „Imago Regis Caroli“ einer zuerst 1648 in England erschienenen Schrift über Karl I. benutzt hat. Erste Drucklegung in: Andreae Gryphii / Teutscher Gedichte / Erster Theil. Breßlau 1657: Ermordete Majestät oder Carolus Stuardus König von Gross Brittannien (überarbeitet 1663).

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Johann Wolfgang Franck war spätestens ab 1666 bis 1678 Hofmusikus am Ansbacher Hof, ab 1. Juni 1673 wurde er zum Direktor der Hofmusik und Komödie ernannt. Ab 1679 wechselte Franck an die Hamburger Oper und war dort einer ihrer bedeutendsten Meister.

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Historischer Hintergrund: Karl I. aus dem Haus Stuart (1600–31. Jan. 1649) war ab 1625 König von England, Schottland und Irland. Der Konflikt mit dem Parlament löste einen Bürgerkrieg aus, der mit Karls Enthauptung in London und der zeitweiligen Abschaffung der Monarchie endete. Noch im gleichen Jahr 1649 findet sich „Die Enthauptung deß Königs Caroli von Anfang biß zu End“ im Repertoire des englischen Prinzipals Joris Joliphous. Rudin verweist auf dessen englische Vorlage „The famous Tragedy of King Charles I. basely Butchered“ (Bayerische Staatsbibliothek München), ein anonymes Prosadrama, seit Mai 1649 auf dem Markt.55 Auff: 1649 in Bremen (dreiviertel Jahre nach der Hinrichtung Karl Stuarts!): Die Enthauptung deß Königs Caroli von Anfang biß zu End. (Englische Komödianten unter Joris Joliphous). 1649, 23. August, in Thorn/Polen, im Hof des Rathauses: Tragödie von der Enthauptung Carl Stuarts. (Schulaufführung des evangelischen Gymnasiums unter Peter Zimmermann). 1655, 16./26.4., in Dresden: Wurtt abents von den Englendern eine Tragedie von dem entleibten König in England gespielet.56 (Während eines dreimonatigen Aufenthalts der landgräflichen Familie in Sachsen.Tagebucheintragung der Landgräfin Sophia Eleonora). Am 24. Februar 1656 wird im Spielansuchen der Truppe Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz in Schweinfurt die „tragoediam vom dekollirten König von England Carl Stuard“ angeboten.57 Am 9. März 1656 wurde in Windsheim am Main von fremden Komödianten eine „Tragoedie von Karl Stuart, dem Englischen König“ gespielt (Truppe Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz) April 1656 in Köln (Truppe des Joris Joliphous, der auch der Verfasser der „Liebes Verzweiffelung“, Johann Martin, angehörte). 1660 in Güstrow, Repertoireliste des Prinzipals Caspar Stieler, Nr. 10: Die Enthauptung des Königes in Engellandt. 1665 in Augsburg (Laienspieler).

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Nach Rudin, Bärbel: Karl Stuart und König Lear. In: Migrationen / Standortwechsel. Deutsches Theater in Polen, 2007, S. 88–89. Meise, Helga: Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in Hessen-Darmstadt 1624–1790, S. 103: Tagebuch-Eintragung der Landgräfin Sophia Eleonora von Hessen-Darmstadt. Oeller, Anton: Zur Geschichte des Schweinfurter Theaters. In: Schweinfurter Heimatblätter. Beilage zum Schweinfurter Tagblatt 1950, Nr. 18.



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1667, 11. Sep., in Nürnberg: Tagebucheintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie vom Geist des Cromwel gesehen.58 1671 in Altenburg (durch Schüler des Paul Martin Sagittarius). 1697 in Magdeburg. Auch im Weimarer Verzeichnis, Nr. 49: Die enthauptung königs Caroli stuarti I. und einsetzung Caroli stuarti seines sohnes des andern in Engeland. 1723, 4. Mai, in Ulm: Carl Stuart (Gottfried Prehauser-Truppe). Der unglückseelige Todes-Fall Caroli XII. von Schweden (Siehe „Mars in tieffster Trauer“) Julius Caesar. Außer der englischen Folio-Ausgabe des Shakespeareschen Dramas aus dem Jahr 1623 scheint aus dem 17. Jahrhundert nur eine lateinische dramatische Bearbeitung für eine Schulaufführung erhalten zu sein, obwohl mehrere deutsche Wanderbühnen-Aufführungen nachgewiesen sind: Cajus Julius Caesar, tragoedia ex Plutarcho, Appiano Alex. Suetonio, D. Cassio, Joh. Xiphilino etc. von Gualtherius Bruele. Argentorati 1616 [und Halle 1618]. (Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Sig. 8 Art.lib.IX,67(2); Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Sig. 4.A.5137) An das Werk angebunden die deutsche Inhaltsangabe: Argument oder Inhalt der Tragoedien – genandt C. Julius Caesar: sampt einem Prologo und Epilogo …, gehalten auff dem Theatro der Academien zu Straßburg. Von Jacob Gerson. Straßburg 1616. (8 Bl.) Die italienische Oper von Giacomo Francesco Bussani, „Giulio Cesare in Egitto“, Venedig 1677, wurde dort mit der Musik von Antonio Sartorio aufgeführt. Bearbeitungen zu Beginn des 18. Jahrhunderts: Der durch den Fall des Grossen Pompejus Erhöhete Julius Caesar. In einem Sing-Spiel Auf dem grossen Hamburgischen Schau-Platz aufgeführet. Im Jahr 1709 im Monaht Novembris. Hamburg 1710 [und 1715]. Text: Barthold Feind, Musik: Reinhard Keiser. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 4323 – B.Mus, und Sig. 625393 – B. The; Exemplare auch in den Bibliotheken von Berlin, Weimar und Hamburg) Giulio Cesare in Egitto. Drama da rappresentarsi nel Regio Teatro di Hay-market, per la Reale Accademia di Musica. Londra: Tomaso Wood 1724. 58

Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, Teil 1, S. 311.

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Musik: Georg Friedrich Händel. Erste Aufführung London 1724. (Exemplar in der Britisch Library, London). Julius Caesar in Aegypten, in einem Sing-Spiele auf dem Hamburgischen SchauPlatz vorgestellet im Jahr 1725. Hamburg 1726. Text: Nicolaus Franz Haym, Musik von Georg Friedrich Händel. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 4318 – B.Mus; und Staatsbibl. Berlin, Yp 5226 – no.14) Weitere Bearbeitungen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts: In der Universitätsbibliothek Tübingen (Sig. Dk XI 488 b) ist eine Übersetzung Aus dem Englischen Wercke des Shakespeare von Caspar Wilhelm von Borck, Berlin 1741, erhalten. Eine Jesuitenperioche von dem Hochfürstl. Lyceo und Gymnasio der Gesellschaft Jesu zu Ellwang nennt die „Tragoedia Julius Caesar Oder Kläglicher Sturz-Fall Des Hochmuths In dem gewaltigen Römischen Helden Julius Caesar. Ellwang den 5. und 6. Herbstmonat 1757.“ (Universitätsbibliothek Freiburg, Sig. D 8153,e). „Julius Caesar. Ein Trauerspiel“ von Johann Jacob Bodmer, Leipzig 1763, ist in der Universitätsbibliothek Tübingen (Sig. Dk XI 173  f) erhalten. Johann Joachim Eschenburgs Übersetzung des „Julius Caesar“ ist in seiner ersten 13-bändigen Gesamtausgabe William Shakespear’s Schauspiele, Neue Ausgabe, Bd 9, Zürich 1777, S. 323–442, erschienen. (In einem Sammelband der Nationalbibliothek Wien (Sig. 698427-A.271 The) ist dieser Text wortgetreu abgedruckt, eingebunden in einen Band mit zwei weiteren Stücken aus den Jahren 1781/1782, gebunden in Wien 1797. Er trägt die nicht zu den beiden anderen Stücken passende Paginierung S. 221–379, ist also ursprünglich in einem anderen Sammelband, laut Angabe auf S. 379 in Frankenthal bey Ludwig Bernhard Friedrich Gegel, kurpfälz. privilegirte Buchdruckern [o.  J.], erschienen. Der Druck muss daher aus der Zeit zwischen 1777 und 1797 stammen.59 Auff.: 1626, 8.  Juni, in Dresden (englische Truppe des Robert Reynolds) Ist eine Tragoedia von Julio Cesare gespielt worden. 1631 (April) in Dresden: Julius Caesar. 1651 in Prag (im Repertoire der Churfürstlich Sächsischen Hoff-Comoedianten unter Prinzipal Schilling, Nr. 3): Von Julio Caesare, dem ersten erwählten römischen Kaiser.

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Es handelt sich eventuell um einen Raubdruck. Er enthält sämtliche Fußnoten Eschenburgs aus seiner ersten Shakespeare-Gesamtausgabe, nicht jedoch Eschenburgs Erläuterungen Über das Trauerspiel Julius Cäsar. (Informationen des Bibliothekars Othmar Barnert, Österreichisches Theatermuseum, Wien.)



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Um 1660 in Güstrow am Hof des Herzogs Gustav Adolf von Mecklenburg (Repertoire des Prinzipal Kaspar Stieler, Nr. 13): Tragoedia von Cajo Julio Caesare. 1660 in Lüneburg (Prinzipal Christian Bockhäuser): Vom Römischen Kayser Julio Caesare, wie er auf dem Rathhause zu Rom erstochen wirt. Weimarer Verzeichnis Nr.  61: Der 1. römische keiser Julius Cesar wie derselbe von seinen besten freunden Cassio und Brutto mit 23 tödtlichen wunden hingerichtet wird. 1718, 21.  Februar, in Prag im Sporckschen Komödienhaus: Der mit 23. Wunden auf dem Capitolio zu Rom  /  ermordete Julius Caesar Erster Römischer Kayser Oder: Arlequin Der lustige Neapolitaner. Theaterzettel der HaackeTruppe.60 Catharina von Georgien. Oder Bewehrte Beständigkeit. (1647). Von Andreas Gryphius. Thema ist das 1624 vollzogene Martyrium der Königin Catharina von Georgien, die in jahrelanger Gefangenschaft am persischen Hofe lebt, trotz aller Versprechungen und Drohungen gegen die Begehrlichkeit des Chach Abas ihre Keuschheit und den Christenglauben bewahrt und am Ende in der Qual der Folter und des Feuertodes ihre Beständigkeit behauptet. Erste Veröffentlichung in: Andreae Gryphii / Teutscher Gedichte / Erster Theil. Breßlau 1657. Im Drama von Gryphius finden sich ähnliche Motive wie in Hallmanns „Liberata“: Nachstellungen des Königs, Beharren auf dem christlichen Glauben, Martertod, Reue des Machthabers. Auff.: 1651 in Köln durch die Truppe des Joris Joliphous. 1655 wahrscheinlich im Schloss Ohlau (zwischen Breslau und Brieg), zu der eine Szenen-Kupferstichserie von sieben Blättern (ohne Dramentext) von Vigilio Castore (= Gregor Bieber) und Johann Using mit Ansichten des Ohlauer Schlosses erhalten ist.61

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Theaterzettel im Nationalmuseum Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. 11655. (Abgedruckt in Adolf Scherl: Berufstheater in Prag 1680–1739, Wien 1999, S. 61) Heute nur noch in zwei Exemplaren in der Universitätsbibliothek Wroclaw und in der Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel erhalten: Feste theatrali tragiche  /  per la Catharina di Giorgia / del Sig. Andrea Gryphi e Dedicate a Lodovica Duchessa di Ligniz, Brieg e Wohlaw / Principessa d’Anhalt, Contessa d’Ascania, Signora de Zerbst e Bernburg; Rappresentate da Vigilio Castore Budorgese, Inventore / Fatte / coll acqua forte / da Giouan Using / Pittore / MDCLV. Nachdruck in der Gryphius Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke, hg. von Marian Szyrocki und

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1666 in Halle (Goedeke: Grundriß, Bd 3, S. 217). Auch im Weimarer Verzeichnis, Nr. 35: Die iber todt und liebe triumphirente Catharina von georgien oder der verliebte mörter. 1745 in Breslau am Magdalenen-Gymnasium durch Rektor Gottlieb Wilhelm Keller (Gryphius’ Drama in lateinischer Übersetzung!) Lit.: Zielske, Harald: Andreas Gryphius’ Trauerspiel „Catharina von Georgien“ als ’Festa Teatrale’ des Barock-Absolutismus. In: Funde und Befunde zur schlesischen Theatergeschichte, zusammengestellt von Bärbel Rudin, Bd 1: Theaterarbeit im gesellschaftlichen Wandel dreier Jahrhunderte. Dortmund 1983, S. 1–32.

Die böse Catherine. (Siehe „Kunst über alle Künste“) Comoedia. Genandt L’Cid oder Der Streit zwischen Ehre und Liebe. (Nat. Bibl. Wien, Ms 15114) 4°, 31 fol. unpaginiert. Inschrift auf dem Titelblatt: I. R. Richter, den 25. Julij. Anno 1723. Gera. fol. 31 v: Kostümangaben. (nach Corneilles „Cid“, 1636, und dessen wörtlicher Übersetzung von Georg Grefflinger, Hamburg 1650 und 1679). Grefflingers „Sinnreiche Tragi-comoedia, genannt Cid, ist ein Streit der Ehre und Liebe“ aus dem Jahr 1679 ist erhalten in der Nat.Bibl. Wien (Sig. 6546-A.Alt. Mag) und in der Niedersächsischen Staats- und Univ.Bibl. Göttingen (Sig. 8 P DRAM II, 4665). 1655: Übersetzung von Isaac Clauß aus Straßburg in der Teutschen Schawbühne, Erster Theyl  /  Auff welcher in Dreyen sinnreichen Schau-Spielen  /  die wunderbahre Würckung keuscher Liebe / und der Ehren vorgestellet wird. I. Der CID; II. Der Chimena Trawer Jahr; III. Der Geist deß Graffen von Gormas / oder der Todt deß Cids. Anfänglich Frantzösisch beschrieben / Und Jetzt ins Teutsche übergesetzet / und auff Begehren in Truck verfertiget durch Isaac Claußen von Straßburg. Getruckt zu Straßburg bey Jacob Thielen. In Verlegung deß Authoris Im Jahr M.DC.LV.62 [Nat. Bibl. Wien, Sig. 38.Dd.96, und 22044-B. Alt.Mag. (Ausgabe 1665)

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Hugh Powell, Tübingen 1963–72, Bd 6, Abb. 5–12. (Nach Zielske, Harald: Andreas Gryphius’ Trauer­spiel „Catharina von Georgien“ als politische ‚Festa teatrale‘ des Barock-Absolutismus. In: Funde und Befunde zur schlesischen Theatergeschichte, Bd 1: Theaterarbeit im gesellschaftlichen Wandel dreier Jahrhunderte. Dortmund 1983, S. 1–32). Nachdruck der Ausgabe Straßburg 1655 herausgegeben und eingeleitet von Robert J. Alexander (= Nachdrucke deutscher Literatur des 17. Jahrhunderts, Bd 26), Bern 1986.



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Univ.- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt in Halle, Sig. AB S 949 (1); Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Sig. 103.4 Eth.(2)] Als Titelblatt ein Kupferstich, der erstmals eine moderne Kulissenbühne zeigt. Danach folgt in 12 sechszeiligen Strophen ein Loblied auf die deutsche Sprache, gewidmet seinem geehrten und werthen Freund Hanß-Michael Moscherosch in Straßburg. Jedem der drei Teile wird eine ausführliche Inhaltsangabe vorangestellt. Gottsched verzeichnet in seinem „Nöthigen Vorrath“ außer diesen beiden Greflinger-Ausgaben und jener in der Teutschen Schawbühne von 1655 noch drei weitere Ausgaben des Corneilleschen „Cid“: Braunschweig 1699 (aus dem Französischen übersetzt von Gottfried Lange), Leipzig 1742 (beide in Gottscheds „Deutscher Schaubühne“, 1.Teil); und Braunschweig/Lüneburg 1748 (Schönemannische Schaubühne). Die Übersetzung von G[ottfried] L[ange] wird 1746 noch einmal in Wien gedruckt (Gottsched: Nachlese, S. 272), ebenso Wien 1753 (Nat. Bibl. Wien, Sig. 627080 – A.The). 1752 und 1753 veröffentlicht Die deutsche Schaubühne zu Wien im 2. und im 4. Teil eine Übersetzung des „Cid“ von Herrn G. C. Goedeke verzeichnet in seinem Grundriß, Bd 3, S. 222, ein Politisches Tractat von Staats- und Liebes-Sachen, welche mit sich führen den Krieg deß Streits der Ehr und Liebe, zwischen den Cavalliren, Courtisanen und Damen. Franckfurt und Hamburg 1664, von Andreas Rihlmann. Vielleicht bezieht sich auch der Theaterzettel des Prinzipals Defraine vom 29. September 1728, der die Aufführung einer auß dem Spanischen übersetzten galanten Action im Manhartschen Haus in Prag ankündigt, auf Corneilles „Cid“: Die Würckung der Ehre in dem Hertzen einer Edlen Dame, Oder: Die Tugend lehret recht lieben / Wobey Hanß-Wurst ein beängstigter Kuppler / und seltzsam vexirter Cammer-Jungfern Amant. (Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193) Theaterzettel der Pragerischen Komödianten in Ulm [undatiert, vor Februar 1753]: Le Cit oder Der Streit zwischen Ehre und Liebe, dargestellt in Roderich und Chimena oder: Die ihren auf dem Monument liegenden Vater beweinende, dessen Mörder aber zugleich verfolgend und liebende Tochter. Mit Hannß-Wurst, Einem grossen Prahler und schlechten Zahler. Mit Inhaltsangabe. (Stadtarchiv Ulm, Fasz. 1670–1780, Nr. 009).

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Abb. 32: Szene aus dem „Cid“, übersetzt von Isaac Clauß. (= Teutscher Schaw-Bühnen: erster Theyl, Straßburg 1655. Titelbild). (Foto: Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. 38.Dd.96.)



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Aufführungen: 1650 in Zittau: Corneilles Cid. Schulaufführung der Zittauer Gymnasiasten. 1656, Ende Mai, am Altenburger Hof in Weimar: Tragoedia Der Cit, anlässlich der Eheschließung des Herzogs Johann Ernst II. von Sachsen-Weimar mit einer Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg (wahrscheinlich Paulsen-Truppe).63 1665, 21. April, in Wien (Insprugger Comoedianten): 1679 im Velthen-Spieleverzeichnis Nr. 79: Le Cit. oder Rodrig und Schimena. 1680, 14. Oktober, in Bevern: Le Cid oder Liebes-geschichte Rodorigen vnd Chimena (Velthen).64 Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 79: Le Cit. oder Rodrig und Schimena. 1684 im niederländischen Altona: Fornenbergh führt Corneille’s „Cid“ in der niederländischen Fassung von 1641 auf. Ebenso 1690 in Velthens Repertoire. Das Weimarer Verzeichnis nennt als Nr. 120: „Streit zwischen Ehre und Liebe oder Der tapffere Rodrigo in Spanien“. 1724, 16. Jänner, in Leipzig. 1725 (nach Gottsched: Vernünftige Tadlerinnen, 17. Stück, S. 139  ff). Auf Anraten Gottscheds wurde der „Cid“ 1730 in Braunschweig durch die Neubersche Bühne aufgeführt. 1728, 29. September, in Prag (siehe obigen Theaterzettel). [?]1741, 26. Juni, im Repertoire Gervald Wallerottis in Frankfurt/Main: La forza del honore nel core d’una donna nobile, Das ist: Die Wirkung der Ehre in dem Hertzen Einer Edlen Dame, Oder der vor den grössten Feind gehaltene wahre Freund.65 1746 aufgeführt zu Wienn auf dem Kayserl. Königl. Stadt-Theater (nach Gottsched: Nachlese, S. 272). 1749–1751 im Repertoire des Prinzipals Franz Schuch. Vor 1753 in Ulm: Le Cit oder Der Streit zwischen Ehre und Liebe (s.  o.).

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Hauptstaatsarchiv Dresden 100024 Geheimer Rat: Loc. 9604/1. Nach Rudin, Bärbel: In Dresden gelesen, aufgekauft und an andere Orte verschickt, 2016, S. 13, Anm. 47. Die im Schreibkalender 1680 des Herzogs Ferdinand Albrecht I. überlieferte Besetzung ist abgedruckt bei Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schloß zu Bevern, S. 148. Mentzel, Elisabeth: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main, S. 450.

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Comoedia. Die Comoedie ohne Comoedie. In: Schaubühne, Bd 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 51–151. Vorlage ist Quinault: Comédie sans comédie. Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra Bd 78). Berlin 1910, S. 316–324.

Comoedia Bestehendt in 12 Personen (Siehe „Aurelianus, König in Lycien“) Tragico Comoedia von Conte de Monte Negro (Nat. Bibl. Wien, Ms 13135) 4°, 27 Bl. [ohne Jahr]. Vorlage war James Shirleys „The Maid’s Revenge“, 1626 lizensiert, 1639 gedruckt. In der deutschen Bearbeitung sind alle Figurennamen außer dem Conte verändert oder vertauscht. Auff.: 1658, 17. Juli, vor Herzog Carl Ludwig von der Pfalz. Freilichtaufführung auf seinem Schiff zu Ehren der Churfürstin von Sachsen: Collation und Comoedi Conte di Monte Negro (Truppe des Joris Joliphous). 1661, 6. März, in Rothenburg: „Von 2. Zancketen Schwestern“ (Truppe des Joris Joliphous). 1681 am churbayrischen Hof: „Von den Zwey Mießgünstigen Schwestern“. 1688 am herzoglichen Hof in Böhmisch-Krumau: „Conte de bello moro“. 1720, Dienstag, 19. November, im Manhartschen Haus in Prag durch die Hochteutsche Wiennerische Bande Commoedianten unter Johann Baptist Hilverding und Paul Tilly: Conte de Monte Negro Oder: Die zwey spitzfindige Schwestern. Eine gantz neue rare Haubt Action.66

66 Theaterzettel im Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193. Abgedruckt bei Scherl, Adolf: Beruftstheater in Prag 1680–1739. Wien 1999, S. 77.



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Comoedia von Christabella. Eine Inhaltsangabe dieses Wanderbühnenspiels ist überliefert in Gabriel Tzschim­mers Bericht67 über eine Aufführung in Dresden am 14.  Februar 1678, abgedruckt in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Anhang S. 339–346. Vorlage dürfte laut Creizenach (Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. LXVI) ein verlorengegangenes englisches Drama sein, das die Geschichte von Sir Eglamour of Artois verarbeitete. Auff.: 1. Juni 1626 in Dresden: Comoedia von der Christabella (Truppe Robert Reynolds). 1651 in Prag (Churfürstlich Sächsische Hofkomödianten unter Principal Johannes Schilling): Von den zwei streitbaren Rittern Etelmor und Trauenmor. 14. Feb. 1678 in Dresden. 1681–1685 in München im Repertoire des Michael Daniel Treu, Nr. 11: Die beständige Christabella. Der Wollüstige Crösus König in Lidien Oder Das Wunder der Brüderlichen Liebe und Treue, in anderer Schrift:] das Wunder einer getreuen Ehefrau. (Nat.Bibl. Wien, Sig.Ms 13175) Titelblatt: Geschrieben von J. F. G. in augspurg 1722 C[arl] L[udwig] Hoffmann / Dir. Com. 1723. [Hoffmann war in diesem Jahr Prinzipal der Kurfürstl. Sächs. Hofkomoedianten geworden]. [Das „Labyrinth der Liebe“ hat denselben Schreiber.] 40 Bl. in 4°, unpaginiert, 3 Akte, 9 Personen. Viele Textpassagen sind von anderer Hand durchgestrichen. Erste Bearbeitung des „Crösus“-Stoffes durch Girolamo Bartolomei Smeducci: Creso. Roma: Francesco Cavallo 1632. Wiener Aufführung des Crösus/Atis-Stoffes in dem italienischen Singspiel: „Creso. Drama per Musica, Nel Felicissimo Di’ Natalizio, Della S. C. R. Maestà Dell Imperatrice Eleonora, Maddalena, Teresa.Per Commando Della S. C. R. Maestà Dell’ Imperatore Leopoldo.In Vienna d’Austria, Per Gio: Christoforo Cosmerovio, Stampa67

Tzschimmer, Gabriel: Die Durchlauchtigste Zusammenkunfft / Oder: Historische Erzehlung / Was Der Durchlauchtigste Fürst und Herr / Herr George der Ander / Herzog zu Sachsen … Bey Anwesenheit Seiner Gebrüdere / dero Gemahlinnen / Princen / Princessinnen / zu sonderbahren Ehren / und Belustigung / in der Residenz und Haubt-Vestung Dresden im Monat Februario des M.DC.LXXVIIIsten Jahres An allerhand Aufzügen / Ritterlichen Exercitien, Schau-Spielen  /  Schiessen  /  Jagten  /  Operen, Comoedien, Balleten, Masqueraden, Königreiche  /  Feuerwercke  … aufführen und vorstellen lassen. Nürnberg: Johann Hoffmann; Christian Sigmund Froberg, 1680, S. 209  ff.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

tore di S. C. M. l’Anno M.DC.LXXVIII. [1678]. 134 S. (Text: Nicolo Minato, Musik: Antonio Draghi) (Nat. Bibl. Wien, Sig. 407399-A.Adl.6, und Sig. 4615-A.Mus; ebenso in der Herzog August Bibl. Wolfenbüttel, Textb. 410)68 Übersetzung: Gesungene Vorstellung. Poesia dell Cav. Niccolo Minato Bergamasco, Poeta di S. M. Ces., Musica di Antonio Draghi. Auß dem Welschen übersezet von Johann Albrecht Rudolph. Gedruckt zu Wienn 1678. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 4933-A Mus) Aufgeführt am 9./10. Jänner 1678 in Wien, Wiederholung am 12./13. Jänner. Acht Jahre später wurde Minatos Musikdrama von Lucas von Bostel unter dem Titel Der Hochmüthige / Gestürtzte / und Wider-Erhobene „Croesus“ (Musik von Johann Philipp Förtsch). Hamburg 1684 und 1692, neu herausgegeben. Spätere gekürzte Ausgaben: Hamburg 1711 und 1730 mit Musik von Reinhard Keiser. Bostels Singspiel erscheint ca. 1710 und 1717 in Wolfenbüttel unter dem neuen Titel „Atis, Oder der stumme Verliebte. In einer Opera Auf dem grossen Braunschweigis. Theatro vorgestellet“. Musik von Georg Caspar Schürmann, mit Vorrede, Inhalt und Vorbericht, Personen, Szenarium. 3 Handlungen. (1710: Herzog August Bibl. Wolfenbüttel, Sig. Textb. 614; und 1717: Herzog August Bibl., Sig. Textb. 513). Es stimmt im Wesentlichen mit dem Manuskript von „Prinz Atis“ überein. (Siehe: „Der stumme Prinz Atis“) Neudruck aller drei Texte in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/1, Berlin 1999, S. 1–111 („Creso“, italienisch), S. 113–190 (Bostels „Croesus“, 1692) und S. 191–252 (Manuskript „Atis“). (Auff. des deutschen Crösus- (oder Atis-) Stoffes siehe „Der stumme Prinz Atis“.) Macht des kleinen Knaben Cupidinis (Siehe „Macht“)

68

Die Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Bd 14: Libretti, zusammengestellt von Eberhard Thiel, verzeichnen S. 101–102, Nr. 500–503, insgesamt 4 italienische Creso-Libretti aus den Jahren 1678, 1681, 1723 und 1760.



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Dame Kobold oder Drei Abende in Madrid. Ein Lustspiel in vier Akten. Nach dem Calderon frei bearbeitet. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13773). Verfasser unbekannt. Vorlage: Calderons „Dama Duende“, (1629 Uraufführung in Madrid, gedruckt 1636). (Siehe „Isabella Spirito Voletto“) Georg Dandin oder Der verwirrete Ehemann. Comoedia. In: Schau-Bühne, Bd 3, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd IV, Berlin 1972, S. 537–608. Vorlage: „Georges Dandin“ von Molière, 1668. Weitere Bearbeitungen erfuhr das Stück 1670, 1694 und 1695, bis heute sind insgesamt 32 Bearbeitungen bekannt, mindestens 23 allein im 20. Jahrhundert. Auch von Rademin ist ein Singspiel „Der verwirrte Ehemann“ mit der Musik des Hauskomponisten vom Kärntnertor-Theater, Johann Ignatz Beyer, erhalten.69 Auff: Bremen im Haus eines Kapitän Nielsen in der Langenstraße [nach 1668] durch die Sächsischen Hochdeutschen Komödianten. 1679, 3. und 5. November, in Heidelberg im Schloss des Kurfürsten Karl Ludwig: Der Ehrliche Koupler George Dandin. 1680, 14. Oktober, im Schloss Bevern als Nachspiel zu „Le Cid“: Der Verwirrete Ehemann (Velthen-Truppe). Velthen-Verzeichnis Nr. 68: Georg Dandin. Weimarer Verzeichnis Nr. 87: Der verwirte Ehman geörg Dantin, Moliere. Um 1720 in Petersburg: „Der arme Jäger“ [Nachahmung von Molieres „George Dandin“]. Unter Prinzipal Johann Heinrich Mann, mit Victoria Clara Benecke. 1729, 24. Oktober, durch die Defraine-Truppe in Prag (als Nachspiel]: Folget ein Tantz und die molierische Nach-Comödie George Dandin, Genannt: Der gequälte Ehmann oder arme Görge.70 In Moskau am Hof des Zaren Peter des Großen (gest. 1725), in russischer Übersetzung.

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Keck, Thomas A.: Molière auf Deutsch. Eine Bibliographie deutscher Übersetzungen und Bearbeitungen der Komödien Molières. Mit Kurzbeschreibungen. Hannover 1996, S. 24–25. 70 Theaterzettel im Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193.

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Daniel. Der Hoffmann Daniel, Wie er als ein bescheidener und treuer Hof-Diener bey dem König in Persien Dario sich verhalten … vorgestellet bey dem Hoch-Fürstlichen Beylager des … Herrn Christiani … Hertzogens zu Schleßwig, Holstein … Mit Der … Fräulein Sibylla Ursula, Gebohrner Hertzogin zu Braunschweyg und Lüneburg … den 20. Septembr. dieses 1663sten Jahres … (Text: Anton Ulrich Herzog zu Braunschweig, Musik vermutlich von Johann Jakob Loewe). 39 Bl., Personen, Vorrede, 3 Akte. Alttestamentliches Singespiel, Wolfenbüttel 1663. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 137 (2), und Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. Germ.bis.75200) Dasselbe Textbuch: Der Hoffmann Daniel. Wie er bey dem Könige Dario gedienet: In einem Singespiel … vorgestellet Als … Herr Augustus Hertzog zu Braunschweig und Lüneburg … den 10. Tag Monats Aprilis, dieses jetztlauffenden 1663sten Jahres frölich erlebet und dergestalt … dero 84. Jahr ruhig abgeleget … (39 Bl). Wolfenbüttel 1663. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 137 (1); Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Sig. D.D.qt.K.46; Private Theatersammlung Rainer Theobald.71) Daniel. In einem Sing-Spiel vorgestellet auf dem grossen Braunschweigischen SchauPlatz. Braunschweig 1701. (Musik: Georg Kaspar Schürmann, Text: Christian Knorr von Rosenroth), 72 S., Personen, Szenarium, 3 Handlungen. – Ein handschriftlicher Vermerk im Exemplar der Stadtbibliothek Braunschweig vermerkt die Erstaufführung während der Sommermesse 1701 in Braunschweig. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 157). Der siegende Hof-Mann Daniel. In einem Trauer-Freuden-Spiel vorgestellet. Libretto, gedruckt in Halle 1671. Zur Hochzeit des Herzogs Johann Adolf zu Sachsen mit Herzogin Johanna Magdalena am 25. Weinmonat [Oktober] 1671 zu Altenburg. Aufführung am Ersten des Wintermonats [Dez.] 1671 in der Residenzstadt Halle a.  d. Saale 1671. Text vermutlich von David Elias Heidenreich, Musik von David Pohle. 15 Seiten, Personen, 5 Handlungen, ein Zwischenspiel. (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. M:Gm 4° 938)72

71

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Theobald, Rainer: Frühe Libretti als Ereignis-Dokumente. Bemerkungen zu einer Sammlung von Textbüchern des barocken Musiktheaters. In: Theater am Hof und für das Volk. Festschrift für Otto G. Schindler, hg. von Brigitte Marschall. (= Maske und Kothurn. Internationale Beiträge zur Theaterwissenschaft, Jg 48, Heft 1–4). Wien-Köln-Weimar 2002, S. 190. Diese vier Singspiele (1663, 1701, 1663 und 1671) sind verzeichnet in Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, S. 104, Nr. 515 und Nr. 516; S. 181, Nr. 878, und S. 305, Nr. 1489.



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Gottsched (Nöthiger Vorrath, S. 251) verzeichnet die Oper „Die gehönte aber endlich gekrönte Gottesfurcht an Daniel in der Löwengruben vorgeführet“. Auff.: 1604 Nördlingen (Spielansuchen einer Komödiantentruppe, wahrscheinlich der Theerschen Truppe unter Prinzipal Eichelin): Auß dem Buch Daniellis 6 Capitel. 1604 und 1606 in Rothenburg (Theersche Truppe unter Prinzipal Eichelin): Auß dem Buch Danielis 6 Kapitel. 1663, 10. April, in Wolfenbüttel: Der Hoffmann Daniel (Textbuch s.  o.) 1663, 20. Sep., in Braunschweig: Der Hoffmann Daniel (Textbuch s.  o.) 1663 in Wolfenbüttel. 1671, 1. Dezember, in Altenburg. Weimarer Verz. Nr. 138: Daniel in der löben gruben. 1701 in Braunschweig zur Sommermesse. 1723, 20. Mai, in Ulm: Der Prophet Daniel (Gottfried Prehauser-Truppe). 1736 auf dem Spielplan des Prinzipals Felix Kurtz in Prag: Daniels Verhalten in der Löwengrube. Lit.: Paludan, J.: Ältere deutsche dramen in Kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.  S. 1891, S. 226–240.

Der Gefallene und Büsende David. Auf dem Fürstl. Altenburgischen Theatro vorgestellet. (Forschungs- und Landesbibl. Gotha, Sig. Poes 4° 2168(9)R) 2 Bl. 2°. Auch in Freieslebens Nachlese, S. 35, verzeichnet mit dem Zusatz: um 1662. Mögliche Vorlage: Ambrosius Papen: Adulterium. Zwo christliche Spiele vom Laster des Ehebruchs. Magdeburg 1602. (Das erste handelt davon, wie der König David in Sünde gerathen und schließlich Buße gethan.) Auff.: Schon für Februar 1580 ist in Nördlingen eine Aufführung des Meistersinger-Stücks „David und Besabett“, wohl von Hans Sachs, bezeugt.73 Wanderbühnenaufführungen 1674 und 1679 in Dresden (Repertoire der Paulsen-Truppe).74 73 74

Trautmann, Karl: Archivalische Nachrichten über die Theaterzustände der schwäbischen Reichsstädte im 16. Jahrhundert. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd XIII, Leipzig 1885, S. 45. Bolte: Danziger Theater, S. 120, Repertoire der Paulsen-Truppe Nr. 41.

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Weimarer Verzeichnis Nr. 17: Der über begangenen Ehbruch und mord buß wirckente könig Davidt in Jerusalem. Bibl. 1680 in Bevern (Velthen-Truppe): Der schwere sündenfall, vnd die darauff erfolgte hertzliche Busse des Königes Davids, oder: David vnd Batseba.75 1718/19 in Riga: David und Bathseba (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). Der verfolgte David. In: Christian Weises Neue Jugend-Lust  /  Das ist  /  Drey Schauspiele. Wie selbige Anno 1683 Von den gesamten Studirenden im Zittauischen Gymnasio aufgeführet worden. Franckfurt / Leipzig 1684. Exemplare: Forschungs- und Landesbibl. Gotha (Sig. Poes 8° 2940/27 (1). Univ.- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle (Sig. Dd 5403 k und AB 59356 (1) = Ha 179). Herzog Karl August-Bibl. Wolfenbüttel (Sig. Lo 7868.1) mit handschriftlichem Vermerk: F[erdinand] A[lbrecht] H[erzog] Z[u] B[raunschweig] U[nd] [L]üneburg. Dazu das Ankündigungsprogramm von Christian Weise zur Wiedereröffnung des Zittauischen Theaters am 2. März 1683: Davids unschuldige Verfolgung. Zittau: Hartmann 1683. (Univ.- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt, Halle, Sig. an Dd 5403 k. Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. = 9: 228 [b]. Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel). Thema: Die Feindschaft Sauls gegen David und dessen Flucht, nach biblischem Vorbild (1. Sam. 18–26). Eine Geschichte von David und Goliath findet sich schon in der Comoedia Von David und Goliath / Gestellet durch M. Georgium Mauricium den Eltern. Leipzig 1606. Gottsched verzeichnet im „Nöthigen Vorrath“, S. 174, auch Joseph Götzii eyn geystliche Comedia von Goliath. Magdeburg 1616. Zwei Theaterzettel ohne Ort und Datum enthalten den Inhalt des ersten und zweiten Teils einer „Historia Vom Saul und David“, in fünf Handlungen. (Univ.- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle, Sig. an Pon Vc 5318/19, FK 1und FK 2).

75

Die im Schreibkalender des Herzogs Ferdinand Albrechts I. überlieferte Besetzung ist abgedruckt bei Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schloß zu Bevern, S. 144–145.



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Eine italienische Bearbeitung stammt aus dem Jahr 1634: Il Davide perseguitato Del Marchese Virgilio Malvezzi. Bologna M.DC.XXXIV. Vier Jahre später ins Deutsche übersetzt: Der Verfolgte David  /  Auß Jtalianischem Herrn Marggraffen Virgilio Malvezzi. Teutsch vbergesetzt Durch Wilhelm von Kalcheim  /  genant Lohausen  /  Obristen-Feld-Wachtmeister  /  vnd zur Zeit Ober-gebietigern. in Rostock. Gedruckt daselbst / Durch Michael Meder / Jn verlegung Johann Hallervorts. Rostock 1638. (Kalckheim wurde 1629 Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft.) Eine Neuausgabe neun Jahre später wurde von Ludwig Fürst von Anhalt-Köthen und Diederich v.  d.Werder revidiert, mit vielen Randglossen versehen und mit angehefter erklerung etzlicher gebraucheten neuen Wörter / Auch mit vorwissen und einwilligung der Fruchtbringenden Geselschaft an den Tag gegeben. Gedruckt zu Cöthen im Fürstentume Anhalt / Jm Jahre 1643 in der Fürstlichen Druckerei. (Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Sig. C 77.8°) Auff.: Schon 1542 wird in Innsbruck von Comoedipersonen das Spiel „David und Goliat“ aufgeführt. 2. März 1683 in Zittau (Schulaufführung durch Christian Weise). Weimarer Verzeichnis Nr. 38: Die Erlegung des Philisters Goliath durch die hand Davits. Bibl. Pückelherings Dill dill dill, so hat er mir verdorben mein allerschönste Möhl. (Siehe „Pückelhering“ und „Die doppelt betrogene Eyfersucht“) Don Gaston (Siehe „Spiegel wahrer Freundschaft“) Don Hieronymo, Marschall in Spanien. (Siehe „Von dem Griechischen Keyser in Constantinopel“) Don Petro Todten-Gastmahl Schröck-Spiegel der ruchlosen Jugend Oder Das Gastmahl des Gastes. Die Liebe der Eltern gegen ihre Kinder und der Undanck der Kinder gegen ihre Eltern oder Don Petro Todten-Gastmahl.76 Theaterzettel ohne Orts- und Datumangabe, mit Inhaltsangabe der einzelnen Handlungen. Druck in der Puppentheatersammlung Dresden. 76

Zitat und weitere Angaben nach Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Bd 35, 2006, S. 206–209.

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Angeführt im Antiquarischen Verzeichnis von Ernst Carlebach, Nr.  211: Theater und Musik. Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1039. Theaterzettel einer Aufführung in Ulm am 18. Juni 1767: Der Schreckspiegel ruchloser Jugend / Oder: Das grose steinerne Todtengastmal mit Lipperle, einem furchtsamen Bedienten seines Herrn / und übel abgefertigten Aufwärter bey der Todtentafel. Aufführung durch die vom Kurbayerischen Theater abgegangene Gesellschaft deutscher Schauspieler unter der Direkton des Herrn Fiedler. (Stadtarchiv Ulm, Findbuch des Bestandes G 3, Sammlung von Theaterzetteln 1670–1780, Nr. 073) Theaterzettel einer Aufführung in Ulm (nach 1776): Le Festin de Pierre, oder Das steinerne Todten-Gastmahl. Zum Straf- und Schreckspiegel verkehrter Jugend. Aus dem Französischen des Herrn Molier entlehntes sehenswürrdiges Schauspiel in Prosa und drey Handlungen. Aufführung durch die Grimmersche Gesellschaft. (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 114.) Die direkte Vorlage für das deutsche Wanderbühnenspiel scheint das französische Spiel „Le Festin de Pierre, ou Le fils Criminel“ von Nicolas Dorimond (Nicolas Drouin, 1658) oder dessen Bearbeitung durch Claude Deschamps de Villiers (Paris 1659) gewesen zu sein. Bekannt wurde die Komödie durch Molières Bearbeitung: Le festin de Pierre (Erstaufführung am 15. Feb. 1665). Spätere Bearbeitung durch Thomas Corneille (1677). Das Thema erfuhr von 1694 bis Ende des 20. Jahrhunderts mindestens 28 deutsche Bearbeitungen unter verschiedenen Titeln: Das Steinerne Gastmahl (1694), Des Don Pedro Gastmahl (1695), Dom77 Juan: oder, der steinerne Gast (1752), Don Juan oder Der Spötter von Sevilla (1932).78 Vermittler zum deutschen Wanderbühnenspiel scheint Jan Baptist van Fornenbergh mit seiner ungedruckten Übersetzung „De Maeltijdt van Don Pedroos Gheest“ gewesen zu sein. Auff.: 1679 im Velthen-Repertoire, Nr. 38: Der gottlose Jan. Oder Don Petro todten Gastmahl. 1679 als Oper in Hamburg (Musik von J. W. Franck). Ab 1688 in Böhmisch-Krumau auf dem Spielplan der Eggenbergischen Komödianten. 77 78

Spanische Version „Dom Pedro“, französisch „Don Pedro“. Keck, Thomas A.: Molière auf Deutsch, 1996, S. 20.



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Jan. und Feb. 1690 in Torgau am Hof Johann Georg III., des Kurfürsten von Sachsen: Don Juan oder des Don Petro Todtengastmahl (Velthen-Truppe). Um 1710 im Weimarer Verzeichnis Nr. 59 (Der gottlose Don Juan aus moliere) und 158 (Don petro gastmahl). 1718, 24. Nov., im Repertoire der Victoria Clara Bönicke-Truppe in Riga. 1727 im Repertoire der Neuberin: Don Jan oder Don Pietro Gastmahl.79 1736 in Hamburg. Truppe des Johann Ferdinand Beck: Le Festin Pierre, Oder: Don Pietro steinernes Todten-Gastmahl. 1747 in Hamburg. Truppe des Johann Friedrich Schönemann. 1767, 18 Juni, in Ulm: Der Schreckspiegel ruchloser Jugend oder: Das große steinerne Totengastmal (mit Spaßfigur Lipperle). (Theaterzettel siehe oben). 1776 in Ulm: „Le festin de Pierre oder: Das steinerne Totengastmahl. (Grimmersche Gesellschaft). (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 114). 1789, 14. Nov., in Brünn: Don Juan, oder Das steinerne Gastmal. Theaterzettel (Schauspiel des österreichischen Dramatikers Anton Cremeri, 1752–1795). Ca. 1790–1820 im Repertoire des berühmten Mechanikus Georg Geißel­ brecht (Schattenspiel und Marionetten): Don Juan, oder: Der steinerne Gast (auch unter dem Titel „Das steinerne Gastmahl“). Heroische Comödie von Don Sancho von Arragon. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13311) 4°, 48 fol. unpaginiert, 5 Akte. Signum auf dem Titelblatt: I. N. I. Übersetzung von Corneilles gleichnamigem Drama „D[on] Sanche d’Arragon, Comedie heroique“. Paris 1650 (Nat. Bibl. Wien, Sig. 38.M.172). (Siehe „Des hochberühmten Spannischen Poeten Lope de Vega Verwirrter Hof oder König Carl“) Die getreue Sclavin Doris. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13125) 4°, 28 fol. Vermerk am Ende des Textes auf Bl. 28: Straßburg Die 20. Januarii Anno 1720. Schreiber: G. F. V. Entstehungszeit vor 1673, da im Text Kaiser Leopold I. und seine Gattin Margerita (= Margaretha Theresia von Spanien, gest. 1673) erwähnt werden. Abänderungen und Regiebemerkungen wahrscheinlich von Carl Ludwig Hoffmann.

79

Schmiedecke, Adolf: Die Neuberin in Weißenfels.In: Euphorion 4. F. 54, 1960, S. 192.

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Die komische Figur des Eunuchen Bajous ersetzt in dieser Hoffmannschen Bearbeitung die Ballettszenen der Oper. (Abgedruckt in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 811–878.) Die getreue Sklavin Doris aus Ägypten. Handschrift 1724, Schreiber G. M. Jänisch. Fast identisch mit der 1720 in Strassburg angefertigten Handschrift. In Druck hg. von Th. Konietzky: Die getreue Sklavin Doris aus Ägypten. (= Frank’s Heimatbücher von Oberglogau, Bd 2, 1936). Musik: Johann Adam Strunck. Personenverzeichnis, Inhalt, Prologus, drei Handlungen.80 (Exemplar in der Herzog-August-Bibl. Wolfenbüttel, Textb. Sammelbd 10(7). Vorlage: Italienisches Verslibretto (in der Wiener Nat.Bibl., Sig. Ms 18136) zu Giovanni Apollonio Apollonis Oper „Lo Schiavo fortunato overo La Dori“, die vermutlich erstmals 1657 in Innsbruck mit der Musik von Marc’ Antonio Cesti aufgeführt wurde, später in Florenz 1661, Venedig 1663, Wien 1664 und 1674, und in Innsbruck 1680. Druckausgaben: Venedig 1663: „La Dori, ovvero, lo Schiavo Regio“, 1665, 1671 und Rom 1672: „Dori, ovvero, la Schiava Fedele“.81 (Auch bei Gottsched, „Nöthiger Vorrath“, I, S. 244, verzeichnet.) Die deutsche Bearbeitung stammt von Johann Philipp Förtsch: „Doris oder Der Königliche Sclave in einem Sing-Spiel vorgestellet“. Libretto, 8°, 34 Bl. Personenverzeichnis, Inhalt, Prologus, drei Handlungen. Aufführung 1680 in Hamburg mit der Musik von Nikolaus Adam Strungk. (Exemplar in der Herzog-August-Bibl. Wolfenbüttel, Textb. Sammelbd 10(7). (Vgl. dazu „Die wieder Erkante Freundschafft Oder Der Mayestättische schlaw [Sklav] aus Aßirien“) Aufführungen: 19. Feb. 1657 in Innsbruck (Hofsaal): Lo Schiavo fortunato overo La Dori. 1661 in Florenz (Musik von Marc Antonio Cesti)82 80 81 82

Zitat nach Hausmann: Bibliographie Bd I/1, 1992, S. 0036. Die Oper „La Dori, ovvero, la Schiavo Fedele“ wurde 1672 im Teatro di Torre di Nona in Rom aufgeführt und das Libretto gedruckt: Dieses Libretto unterscheidet sich jedoch von jenem des Apolloni. Nach Hausmann: Bibliographie Bd I/1, S. 0034.



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1667, 25. Juni, in Nürnberg: Comoedie von der Slävin Doris (Truppe des Carl Andreas Paulsen). 1673 und 1674 in Wien. 1677 in München (Michael Daniel Treu). 1679, 12. Nov., am kurfürstlichen Hof zu Heidelberg (Velthen-Truppe). Auch im Velthen-Spieleverzeichnis von 1679, Nr. 29: Die Ägyptische Sclavin Doris. 1680 in Innsbruck. 1680 in Hamburg (Musik von Nikolaus Adam Strungk). 1685, 10. Dez. 1683 und 29. Oktober, in München (Daniel Treu-Truppe). 1690 in Lübeck. Weimarer Verzeichnis Nr. 105: Die gedreue sclavin Doris aus Egypten. 1719, 4. Dez., in Lüneburg durch die Spiegelberg-Truppe: Die beständige Treue und treue Beständigkeit in der Persohn der Sclavin Doris auß Ägypten, Oder: Die unumschrenckte Liebe Orontis Königs von Persien Und der von der Liebe einer alten Frau ü bel vexirte Arlequin.- Christian Spiegelberg, Principal der Königl. Groß-Britannisch- und Churfürstl. Braunschweig-Lüneburgischen Hoff-Comoedianten. Um 1722 durch die Truppe des C. L. Hoffmann (siehe obiges Manuskript). Zwischen 1720 und 1730 in Lübeck (hochdeutsche Comödianten): Die getreue, leibeigne Sklavin Doris, oder die Prinzessin aus Egypten. Lit.: Konietzky, Th. (Hg.): Die getreue Sklavin Doris aus Ägypten. Von G. M. Jänisch (1724). (= Frank’s Heimatbücher von Oberglogau, Bd 2, 1931).

S. Dorothea virgo martyr (Nat. Bibl. Wien, MS 13259) 5 Akte. Vorlage: Johannes Serwouters „Hester oft Verloosing der Jooden“ (1659), dessen Stück auf Lope de Vegas „La hermosa Ester“ beruht. Schon 1620 hatte Philip Massinger seine Tragödie „The Virgin Martyr“ publiziert. Johann Georg Göttner, der Prinzipal der Fürstlich Eggenbergischen Hofkomödianten, soll dieses Stück als Vorlage für seine „Heyl. Martyrin Dorothea“ verwendet haben.83

83

Nach Schwarzbeck, Friedrich Wilhelm: Ansbacher Theatergeschichte bis zum Tode des Markgrafen Johann Friedrich (1686) (= Die Schaubühne. Quellen und Forschungen zur Theatergeschichte, Bd 29). Emsdetten 1939.

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Die Heyl. Martyrin Dorothea. 1697. (erst kürzlich aufgefundenes Bühnenmanuskript in der Bibliothek Solothurn. Schrift des Johann Georg Gettner, Prinzipal der Fürstlich Eggenbergischen Hofkomödianten, die 1691 ihr Engagement am Böhmischen Hof zu Krumau verloren hatten. Neudruck in der Publikation von Margita Havlicková und Christian Neuhuber: Johann Georg Gettner und das barocke Theater zwischen Nikolsburg und Krumau (= Opera Universitatis Masarykianae Brunensis. Fac. Philos. 427). Brno 2014, S. 83–130, S. 153–181 von Christian Neuhuber ediert und bühnentechnisch eingeordnet.84 Programmheft für eine Aufführung 1655 am Dresdener Hof: Inhalt Des Trauer-Spiels Von der heil. Märterin Dorothea. 4 Seiten, abgedruckt in Rudin: In Dresden gelesen, aufgekauft und an andere Orte verschickt, S. 14. (Forschungsbibliothek Gotha der Universität Erfurt, Chart. A 1101, Bl. 70–71.) Theaterzettel der Hochteutschen Compagni Comoedianten des Prinzipals Leonhard Eytel: Freitag, 6. Jan. 1671 in Rothenburg auf der Tauber auf dem Tantzhauß: Die H. Märtyrin Dorothea. Wie dieselbige offentlich enthauptet und der Groß-Kantzler Theophylus mit glüenden Zangen zerrissen wird  /  mit Pickelhärings Kurtzweil durch und durch. (Abgedruckt in Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 46.) Auff.: 1626, 5. Juli und 1. Oktober, in Dresden: Tragoedia von der Märthyrin Dorothea. (Truppe Robert Reynolds). 1651 in Prag: Von der hl. und im christ-katholischen Glauben überaus beständigen Jungfrau Dorothea. (Repertoire der Churfürstl. Sächsischen Hofkomödianten unter Prinzipal Schilling). um 1652 in Dresden: Maximini und Diokletiani Krieg und Verfolgung der Christen. (Damit könnte das Dorothea-Thema gemeint sein.)85 1652, 3. März, am Dresdener Hof: Tragoedia von St. Dorothea (englische Komödianten unter Reynolds, nach „The virgin Martyr“ von William Massinger 1622).

84 85

Nach Rudin, Bärbel: In Dresden gelesen, aufgekauft und an andere Orte verschickt, S. 13–14 und Anm. 37. Nach Rudin, Bärbel: In Dresden gelesen, aufgekauft und an andere Orte verschickt, S. 13.



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1655 am Dresdener Hof. 1655, 25.März und 4. April, in Darmstadt am Sächsischen Hof (Engl. Komödianten unter Reynolds): Wurde eine Tragetia von der Dorodea gespielt aufm Rießensaal. (Tagebucheintragung der Landgräfin Sophie Eleonora von Hessen-Darmstadt). 1660 in Güstrow: Die action von der hl. martyrin Dorothea, wie sie nemblich enthauptet vndt Theophilius mit glüenden Zangen gezwicket wird. (Repertoire des Prinzipals Kaspar Stieler). 1661 in Rothenburg (wahrscheinlich Truppe des Johann Janicke). 1667, 22. Juli, in Nürnberg: Die schöne Comoedie von Dorothea (Truppe des Carl Andreas Paulsen, 13oo Zuschauer!)86 1671, Freitag, 6. Jan., in Rothenburg auf der Tauber auf dem Tantzhauß: Die H. Märtyrin Dorothea. Wie dieselbige offentlich enthauptet und der Groß-Kantzler Theophylus mit glüenden Zangen zerrissen wird  /  mit Pickelhärings Kurtzweil durch und durch. (Theaterzettel der Hochteutschen Compagni Comoedianten des Prinzipals Leonhard Eytel).87 1672 in Dresden (nach Gottsched: Nöthiger Vorrath, I., S. 232). Weimarer Verzeichnis Nr. 53: Die märtererin S. Dorothea. 1753/54 in Merseburg (Truppe des Johann Martin Lepper[t]. Lit: Rudin, Bärbel: Fräulein Dorothea und der Blaue Montag. Die Diokletianische Christenverfolgung in zwei Repertoirestücken der deutschen Wanderbühne. In: Adam J. Bisanz / Raymond Trousson (Hg.): Elemente der Literatur. Beiträge zur Stoff-, Motiv- und Themenforschung. Elisabeth Frenzel zum 65.  Geburtstag, Bd 1 (= Kröner Themata 702). Stuttgart 1980, S. 95–113.

Comoedia von Dulcander vnd Dorella. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 157–200) Keine Akteinteilung, 9 Personen (Dorella verkleidet sich als Mirtillo). – Im „Philotheus“, dem ersten Druckwerk des Laurentius von Schnüffis, ist Mirtill der Erzähler, der gute Freund unnd vertrawte Mit-Hirte deß Miranten.)

86 87

Sigmund von Birken: Die Tagebücher, Bd 1, S. 303, Eintrag vom 23. Juli 1667. Abgedruckt in Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 46.

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Tragico-Comoedia Von der verliebten Schäfferin Dulcimunda. Jena 1643. Von Ernst Christian Homburg. Bearbeitung von Jean Mairets fünfaktigem Schäferspiel „Sylvie“; in Alexandrinern, Paris 1627; bei Homburg jedoch in Prosa und mit Liedeinlagen und Zwischenchören. Episode aus dem Amadis-Roman. In der Vorrede heißt es, dass die Dulcimunda seinen Freunden schon lange vor Drucklegung bekannt gewesen sei. Auff.: 1646 in Königsberg (von einer Studentengruppe mit Maschinen und Musik in einem Gartenhaus aufgeführt). 1652, 14. Oktober, in Thüringen am Altenburger Hof (ein Pastoral Comedia von der Dulcimunda mit Musikalischen Intermediis). 1668 oder 1669 in Danzig auf der Fechtschule durch die Truppe von Carl Andreas Paulsen und Magister Velthen.88 Das Ebenbild eines Gehorsamen Glaubens Welches Abraham In der vermeinten Opferung Seines Jsaacs beständig erwiesen. Wie solches Den 4. Mart. MDCLXXX. Auf der Zittauischen Schaubühne Vorgestellet worden. Durch Christian Weisen. MDC L XXXII [1682]. In Verlegung Joh. Christoph Mieths [Dresden]. Druckts in Zittau Michael Hartmann. Einladungsprogramm zur Erstaufführung in Zittau 1680 in der Univ.- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt, Halle (Sig. Pon Ye 5231, FK). [Gottsched verzeichnet im Nöthigen Vorrath, Bd 1, S. 245 und S. 268: Opferung Isaacs, von Christian Weise. Zittau 1680, 1682; Dresden 1699.] 224 Seiten, am Schluss ab S. 203 Musiknoten zu den einzelnen Liedern. Musik von Moritz Edelmann, Text von Christian Weise. Exemplare: Univ.- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt in Halle (AB 40 28/h, 12(3)=Ha 179; und Sig. an Dd 1832 n (2)). Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel (M:QuN 466(4). Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar (Sig. 09:228). Ausgabe Dresden 1699: Staatsbibl. Berlin (Sig. an:@Yq 7174).

88

Johannes Bolte (Das Danziger Theater im 16. und 17. Jahrhundert, 1895, S. 113) behauptet, diese Aufführung habe nicht Homburgs Text als Grundlage gehabt.



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1676 erscheint in Dresden Dedekinds ‚Der Wundergehorsame Isaak und großgläubige Abraham. Goedeke: Grundriß, Bd 2, S. 493: Abraham der Großgläubige und Isaac der Wundergehorsame in einem Singspiel vorgestellt von … Celadon (= Chr. Ad. Negelein). Nürnberg 1682. Auff.: 1680 und 1682 auf der Zittauischen Schaubühne (s.  o.). 1699 in Dresden (Gottsched: Nöthiger Vorrath, Bd 1, S. 268). Weimarer Verz. Nr. 37: Die aufopfferung Isaacks. Bibl. 1736 auf dem Spielplan des Prinzipals Felix Kurtz in Prag: Die Opferung Abrahams mit seinem Sohne Isaak. L’Ecole des Maris. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13163) 4°, 64 pag. paginiert. Titel auf der Außenseite des Einbandes: Die Männerschule. Von Monsieur Moliere. Auf dem Einbandrücken eingepresst: C J Nro. 9. (Siehe dazu „Comoedia. Genandt Die Zweij Brüder ungleichen Humors“) Auff: 5. und 6. November 1679 im Schloss des Kurfürsten Karl Ludwig zu Heidelberg (Velthen-Truppe). 1690, Jan./Feb., in Torgau am Hof Johann Georg III. (Velthen): Die Männerschule. Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 54: L’Ecole de Maris oder die Männer-Schule. (Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 55: L’Ecole des Femmes. Die Frauen-Schule.) 1748–1751 im Repertoire des Prinzipals Franz Schuch. Die Lebendig begrabene und aus dem Grab auf den Königl. Schwedischen Thron steigende Edelberga oder Der woll thut findt die Gabe Des glücks auch in dem grabe. mit Hans Wurst Dem gescheiten Narren, verstellten s[c]laven, unglückseligen fischer und masquirten Türcken. Aus einem welschen Exemplar genandt: a chi ben opera anche il Sepolchro è fortuna gezogen. 2°, 28 Bl. unpaginiert. Bl 28 v: finis Wien Mense Maj 1725 H[enricus] R[adem]in. (Wienbibliothek, Sig. Ic 26.500) Die im Titel genannte Vorlage ist das Prosaschauspiel von Giorgio Ippolito Giorgi (1694 und 1695). Als Vorlage könnte aber auch ein älteres Schauspiel gedient haben, denn in Zittau ist schon 1680 eine Aufführung nachgewiesen.

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Auff.: 4. März 1680 in Zittau. Weimarer Verzeichnis Nr. 46: Die lebentig begrabene prinzesin. Comoedia. Genandt Eginhart und Imma / oder Die Politische Reyterey. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13133) 4°, 23 fol. unpaginiert. Inschrift auf dem Titelblatt (von anderer Hand): Wien 1704. Vide in fine. Signum auf dem letzten Blatt (von dritter Hand): Geschrieben In Wien den 21. Martius Anno 1700. F.E. Paulßen / C[omicus]. P(antalon]. [Ferdinand Egidius Paulßen = Sohn des Prinzipals Carl Paulßen und Bruder der Katharina Velten, geb. Paulßen] Die 1685 in Merseburg gedruckte Komödie „Amor der Tyranne mit seiner lächerlichen Reuterey wider die vermaledeyete Eifersucht, vorgestellet durch J. R.“ [Johann Riemer, Gymnasialdirektor und Pastor von Weißenfels] verarbeitet das gleiche Thema und diente wahrscheinlich als Vorlage. Sage aus dem Umkreis Karls des Großen: Eginharts (=Angilbert, der unter Alkuin gebildete Berater und Freund Karls des Großen) Liebe zur Tochter des Kaisers ist auch in der mittelalterlichen Sage von Amicus und Amelius verarbeitet. Dieses beliebte Thema ist in spanischen und portugiesischen Romanzen, in Italien und in Deutschland im 14. bis 16.  Jahrhundert mehrfach bearbeitet worden: in Boccaccios „Decameron“ (V,4); im „Rollwagenbüchlein“ des Jörg Wickram von Kolmar (in die 2. Auflage 1557 aufgenommen); in der arabischen Erzählung von Nureddin Ali und Maria der Gürtelmacherin aus „1001 Nacht“; aber auch schon in der „Lorscher Chronik“ zu Worms aus dem 12.  Jahrhundert (mit dem zusätzlichen Motiv  – das auch in Wolfram von Eschenbachs „Tristan und Isolde“ aufscheint – dass die Tochter des Kaisers Karl ihren Geliebten Eginhard auf ihrem Rücken über den frischgefallenen Schnee trägt). Spätere deutsche dramatische Bearbeitungen des Stoffes durch Franz Kratter (1801), Friedrich de la Motte Fouque (1811) und Helmina von Chézy (1812 in Aschaffenburg auf Dalbergs Theater aufgeführt). Auff: Weimarer Verzeichnis Nr. 132: Die alles erdultente liebe Immä gegen Eginharten oder die lecherliche reutterei. Goedeke nennt eine 1728 in Hamburg aufgeführte Oper von Christian Gottlieb Wend „Emma und Eginhard oder die lasttragende Liebe“.



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Lit. Varnhagen, Hermann: Eginhard und Emma. Eine deutsche Sage und ihre Geschichte. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd 15, hg. von Franz Schnorr von Carolsfeld, Leipzig 1887, S. 1–20.

Der verwirrete Ehemann (Siehe „Georg Dandin“) Comoedia / Genand: Das verliebte und geliebte Ehrenbild Oder Die Ehren Statue. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 1–46) 3 Akte, 13 Personen (‚Despino ein verschnittener Junge‘ ist durchgestrichen und durch ‚Hanswurst‘ ersetzt.) Umarbeitung der Velthenschen Bearbeitung von Cicogninis Opera scenica „Adamira ovvero la statua dell’ onore“, Venedig 1657. (Laut Rudin89 soll Christoph Blümel der Verfasser sein.) 1683 war in Böhmisch Krumau, dem Stammschloss des Fürsten Johann Christian zu Eggenberg, „Die verliebte Statua“ kopiert worden. Auff. Siehe „Statua, Oder Die in ein Marmor-steinernes Bild verliebte Princeßin ADAMIRA“. Comoedia von der Glüeckseligen Eyfersucht zwischen Rodrich vndt Delomira von Valenza. Ein Königliches Werckh, Erstlichen gemacht von Hern Doctor Hiacinto Andrea Cicognini, auß Florentz In Italienischer Sprach, Itzo Aber In Hochteutscher sprach, auß der Italienischen Uber[setzt] von Ihr Gnadl. Hl. N. N. Künickhl. verbeßert aber vndt zierlicher in hochteitscher sprach gegeben durch Christoph Blümel: Poet vndt Ertzfürstl. Comoediant Im Jahr 1662. Zu Insprukh. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 201–285) 4°, 5 Akte, 13 Personen. Vorlage: Cicogninis Prosakomödie „Le Gelosie Fortunate del Principe Don Rodrigo“ (Perugia 1654, Venedig 1658 und 1672, Bologna 1666). Blümels Handschrift ist auch auf einem Theaterzettel und auf zwei Spielansuchen (Ansbach, 30. Nov. 1654; und Rothenburg, 12. März 1656) erhalten.90 89

90

Rudin, Bärbel: Heinrich Rademin, Hanswursts Schattenmann. In: Maske und Kothurn, Jg 48, Heft 1–4, Wien 2002, S. 279. – Rudin bezieht sich dabei auf Alberto Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum. Ergänzungen und Berichtigungen zu Frank-Rutger Hausmanns Bibliographie. In: Chloe, 17, Amsterdam 1994, S. 90  f. Theaterzettel von einer Vorstellung in Rothenburg a.  d. T. am 9. Dezember 1654: Die vier

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Eine frühere Bearbeitung der „Glüeckseligen Eyfersucht“ bezeugt der Brief Kaiser Leopolds vom 26. Februar 1659 an den Innsbrucker Erzherzog Ferdinand Karl. (Nach Senn: Musik und Theater am Hof zu Innsbruck, S. 292) Comoedia / genandt / Die Glückseelige Eifersucht Don Rodrichs König von Valenza. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13229) 94 Bl. in 4°, Einband gelbe Seide, 3 Akte, 13 Personen. Diese idente, nur um einige kleine Szenen gekürzte Abschrift trägt auf der ersten Seite eine Widmung an die zweite Gemahlin Kaiser Leopolds I. (1673–1676), Claudia Felicitas, deren Hochzeit am 15. Oktober 1673 in Graz stattfand. Das Widmungsexemplar ist wie „Der verirrte Liebes Soldat“ in gelbe Seide eingebunden: Der Allerdurchleüchtigisten vnnd Großmächtigisten Fürstin vnnd Frauen Frauen Claudiae Felicitae Römischen Kayserin und Erzherzogin zu Österreich. Yberreicht von dero unterthänigist: vnnd unwürdigsten Dienerin Maria Margaretha Ellensohnin / Comoediantin. Eine aus dem Spanischen In das Hoch-Teutsche übersetzte Haupt-Opera, Betitult: Die Glückseelige Eifersucht Zwischen Don Roderich Und Delmira, Programmheft, 8 Seiten, mit 13 Actores, Inhaltsangabe der 3 Akte mit 10, 16 und 10 Szenen. Vorangestellt ist ein Wol-meynender Glückes-Wunsch Bey Glücklicher Ankunfft allhier in Glückstadt Des Allerdurchläuchtigsten Großmächtigsten Herrn Hn. Friederich dem Vierdten … / Meinem Allergnädigsten König und HerrnHerrn. Von Andreas Elenson Principal Der Hochfürstl. Marggraff-Baadischen Hochteutschen Hoff-Comoedianten. Glückstadt [1700]. Aufführung am 10. oder 11. Juli 1700.91

91

Hochzeiten. (Der Theaterzettel ist als einer von drei anderen eingelegt in die „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vund Verläuff, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen“, seit 1628 geführtes Kompendium, in dritter Instanz geschrieben von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner. Dieser hat die Theaterzettel eigenhändig datiert und teils kommentiert. (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420). – Abdruck des Theaterzettels mit Blümels Handschrift in Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 36. Supplik in Christoph Blümels Handschrift aus Ansbach vom 30. November 1654 (Stadtarchiv Rothenburg, Sig. AA Nr. 536/1, fol. 18r – 19v). Supplik in Blümels Handschrift aus Rothenburg vom 12. März 1656 ((Stadtarchiv Rothenburg, Sig. AA Nr.  536/1, fol. 20r  – 21v.  – Beide Suppliken abgedruckt in Kurz  /  Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 38–39) Der dänische König Friedrich IV. (1671–1730) stand im Jahr 1700 vor dem Beginn des ‚Großen Nordischen Krieges‘ zwischen Dänemark und Schweden. (Faksimile des Programms aus



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Auff.: Februar 1659 im kleinen Hoftheater zu Wien (Brief des Kaisers Leopold an Erzherzog Ferdinand Karl in Innsbruck: Der Rodrigo sei von allerlei deutschen und welschen Scolari zimlich wol recitiert worden, wobei Pagen des venezianischen Gesandten die Delmira und Belisa gewesen seien.). 1679, 1. Nov., in Mannheim, Friedrichsburg: Die glückselige Eyffersucht. VelthenTruppe. (Älteste mit Titel und Datum fixierte Vorstellung in der Stadt aus Anlass des Besuchs von Johann Friedrich, Markgraf von Brandenburg, bei Kurfürst Carl, dem Sohn Carl Ludwigs von der Pfalz – hundert Jahre vor der Eröffnung des heutigen Nationaltheaters. 1700, 10. oder 11. Juli, in Glückstadt vor dem dänischen König Friedrich IV. (Truppe Andreas Elenson, Programmheft siehe oben). Altenburg 1671. 29. Oktober 1671 und Februar 1679 in Dresden (Hamburgische Comoe­dian­ ten des Prinzipals Paulsen). (Repertoire des Carl Andreas Paulsen, Nr. 46: Die glückliche Eifersucht). 1671 in Altenburg. 1673 in Graz, Festaufführung unter Prinzipal Andreas Elenson. 1677 in Böhmisch-Krumau (Eggenberger Truppe). 1679 in Nördlingen. 1680 in Lüneburg durch die Hoffmannsche / Elensonsche Truppe. Johannes Velthen spielte es am 1. Nov. 1679 in Mannheim in der Friedrichsburg (älteste mit Titel und Datum fixierte Theatervorstellung in dieser Stadt), im Jan./Feb.1690 spielte Velthen in Torgau: Die glückliche Eifersucht. Ebenso im Velthen-Verzeichnis von 1679, Nr. 3: Die Glückseelige Eifersucht zwischen Rodrigo König von Valenz und Delmira Printzeßin von Arragonien. 1680, 22. Juli, in Lüneburg (Sächsisch-Lauenburgische Komödianten). Weimarer Verzeichnis Nr. 156: „Erdöttete Eiffersucht“. 1713, 23.  Juli, im Sporckschen Komödienhaus in Prag. (Spielansuchen der Haacke-Truppe: „Die glücksselige Eyffersucht zwischen Roderich und Delmiren“. Theaterzettel im Zentralstaatsarchiv Prag (Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193)92

92

der Königlichen Bibliothek Kopenhagen (Magasin Kalvebod Brygge I/10, in Rudin, Bärbel: „Ein herrlich und treffliches Stück“. In: Pernerstorfer: Theater – Zettel – Sammlungen, S. 17–24). S. 16 und S. 25 gelingt es Rudin, das genaue Aufführungsdatum und die Situation des Königs sowie jene des Principals Andreas Elenson zu rekonstruieren. Dieser Theaterzettel ist nicht mehr auffindbar. Zitat nach Benedikt, Heinrich: Franz Anton Graf von Sporck (1662–1738). Zur Kultur der Barockzeit in Böhmen, Wien 1923, S. 124. Ebenso Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1739 (= Theatergeschichte Österreichs, Bd X: Donaumonarchie, Heft 5). Wien 1999, S. 48.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

1718/19 in Riga: Roderich und Delmira. (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). 1741, 18. Oktober, in Frankfurt (Wallerotty-Truppe). Titus und Tomyris oder Trauer-Spiel, Beygenahmt die Rachbegierige Eyfersucht. Von Hieronymus Thomae von Augstburg. (Siehe „Titus“) Die doppelt betrogene Eyfersucht. (1672) Singekomödie. Gedruckt als Anhang zu „Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zu machen“. Rapperschweyl 1672. Bearbeitung nach der gedruckten Vorlage: „Das ander Engelländisch Possenspiel von Pückelherings Dill dill dill, so hat er mir verdorben mein allerschönste Möhl“. 4 Bl. in 8°, ohne Ort, ohne Jahr (Staatsbibliothek Berlin, Sig. Yq 9101). 1658 ins Holländische übersetzt als „Domine Johannes“ (deutscher Titel: „Die Müllerin und ihre drei Liebhaber“, 268 Verse und etwas Prosa). Alle drei Texte abgedruckt in Bolte: Die Singspiele der englischen Komödianten und ihrer Nachfolger in Deutschland, Holland und Skandinavien, Hamburg und Leipzig 1893, S. 110–137. Comoedia. Die Eyfernde mit ihr selbst, oder Die betrügliche Maske. Vorlage wahrscheinlich das Drama von Boisrobert: La jalouse d’elle même (1649), das eine Bearbeitung von Tirso de Molina: La zelosa de si misma, darstellt. In: Schau-Bühne, Bd 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 263–351. Auff.: 1674/79 auf Paulsens Repertoire (Nr. 47) in Dresden. Weimarer Verzeichnis Nr. 69: Die mit sich selbst Eifernde. Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra, Bd 78). Berlin 1910, S. 332–335.

Die Enthauptung des Graffen von Essecs. (Siehe „Die Ermordete Unschuld“) Die Enthaubttung deß Weltberühmten Wohlredners CICERONIS. (Siehe „Ciceronis“)



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Erminia. Oder: Die in Liebe verwandelte Widerwertigkeit. (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Sig. A 21 Bü 635) In einem Schäfer-Spiel vorgestellt Auf den Hoch-Fürstlichen Geburts-Tag der durchleuchtigsten Fürstin und Prinzeßin Prinzessin Eberhardina Ludovica, Herzogin zu Wirtemberg und Teck / Gräfin zu Mömpelgart / Herrin zu Heidenheim etc. Den 11. Octobr. 1698. Stuttgart. Singspiel mit 5 Personen. Erminio / In denen eüßersten Vnglickhs Zufällen beglickhet. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 10143) 27 Bl., 3 Handlungen [Akte], ohne Personenverzeichnis, mit kurzer inhaltlicher Einführung. Verwechslungs- und Verkleidungskomödie, in der sich Bruder und Schwester am Schluss als Königskinder verschiedener Familien erweisen. Ernelinde Oder Die Viermal Braut. Prosa-Mischspiel von Filidor [Kaspar Stieler, 1632–1707], aufgeführt und gedruckt am Hof zu Rudolstadt anlässlich der Hochzeit von Graf Albert Anton Schwarzburg mit Emilie Juliane von Barby-Mühlingen am 7. Brachmonat [Juni] 1665. In: Filidor’s Trauer- Lust- und Mischspiele. Jena: Johann Ludewig Neuenhahn 166. Neu hg. von Willi Flemming (= Deutsche Literatur in Entwicklungsreihen, Reihe Barock, Bd 6), Leipzig 1933, S. 209–308. Gottsched verzeichnet in seinem „Nöthigen Vorrath“, I.Theil, S. 218: Ernelinde oder die viermal Braut, ein Mischspiel von Jacob Schwieger. Rudolstadt 1665. [Schwieger wurde längere Zeit als Verfasser dieses Stücks und anderer Werke Stielers angesehen, bis 1897 Albert Kösters Untersuchung über den „Dichter der Geharnschten Venus“ die Autorschaft Stielers nachweisen konnte.] (Übersetzung der Opera tragica von Andrea Cicognini: „La Moglie di quattro Mariti“, Perugia 1656 und 1659). Stieler ändert nur die Namen zweier Figuren: die Amme Cassiopeia = Empelonie, Ghiribizzo = Gernwitz. In Wolfenbüttel (Herzog August-Bibl., Sig. Textb. Sammelbd. 5/6) ist ein zweisprachiges Libretto aus dem Jahr 1730 erhalten93: Ernelinda. Drama per Musica da recitarsi sul famosissimo Teatro di Braunsviga nella fiera d’inverno l’Anno 1730. – Ernelinda. Jn einer Opera vorgestellet. Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro Jn der Winter-Messe Anno 1730.

93

Nach Hausmann: Bibliographie, 1992, Bd I/2, S. 1078.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Braunschweig 1730. 8°, 34 Bl. – Historischer Vorbericht, Personenverzeichnis, 3 Akte. Weitere Exemplare: Historische Bibliothek Rudolstadt (Sammelband Ma X, Nr. 41), ebenso in der heute als verschollen geltenden Herzoglichen Bibliothek Meiningen [1680 wurden in dieses Exemplar die Initialen des Herzogs Bernhard von Sachsen und die Initialen seines Wahlspruchs eingetragen: J.V.C.T. = in vulneribus Christi triumpho; B.H.Z.S. = Bernhard Herzog zu Sachsen]. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (in: Filidor’s Trauer- Lust- und Mischspiele, Jena 1665; Sig. 8 P DRAM III, 875). Staatsbibliothek Berlin (Sig. Yq 6681). Herzogin Anna Amalia-Bibliothek Weimar (Sig. 09:23 und Sig. 14,3:29). Königliche Bibliothek Kopenhagen (Sig. Germ. bis 44277, 4°). Universitätsbibliothek Marburg (Sig. XVI B 145). Germanisches Nationalmuseum Nürnberg (Sig. 4°L. 1204 d). Auff.: 1665 in Rudolstadt. 1673 zu Neuhaus im Schloss des Grafen Slavata: Die beglückte Unmöglichkeit in Ermelinden, Prinzessin von Alcorta sorgsamb vergnügte Braut erwisen. (Handschriftliches Szenar)94 1679 im Velthen-Spieleverzeichnis Nr. 87: Ernelinde. Weimarer Verzeichnis Nr. 95: Die 4 mal braut Elinde. 1705 durch die Memminger Meistersinger: Von der viermahl Braut. 1730 als Singspiel zur Wintermesse in Braunschweig. (s.  o.) 1730, 27. September, als Oper in Hamburg: Ernelinda. Übersetzer und Bearbeiter des italienischen Librettos von Francesco Silvani ist Georg Philipp Telemann, Musik: Georg Friedrich Händel. (Herr Händel soll das meiste, wo nicht alles komponiert haben.) 1741, 6. Nov.: Eine allhier erst neu componirte Piece, welche aus einer wahrhafften Historie gezogen worden, betitult: Die wunderbahren Glücks- und Unglücks-Fälle der verstossenen Königin Ermelinda. 1742, 28. März, in Frankfurt unter dem Titel „Eine durchaus lustige, neue folglich noch niemahl producirte Hofaction, betitult Der Verliebte Secretarius oder die viermahlige Braut Ernelinde, wobey Hans Wurst als ein Diener des Secretarii mit durchgehender Lustbarkeit aufwarten wird. Lit.: Paludan J.: Ältere deutsche dramen in Kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.  S. 1891, S. 226–240. 94

Wiener Ausstellung für Theaterwesen 1892, Abteilung für deutsches Drama, S. 359. (Zitat nach J. Bolte: Von Wanderkomödianten, 1934, S. 461.)



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Höfer, Conrad: Die Rudolstädter Festspiele aus den Jahren 1665–67 und ihr Dichter. Eine literarhistorische Untersuchung (= Probefahrten. Erstlingsarbeiten aus dem Deutschen Seminar in Leipzig, hg. von Albert Köster, Bd 1). Leipzig 1904,

Tragoedia: Genannt Der unschuldig ermordte Graff von Esseck. (Kantonsbibliothek St. Gallen, Vadiana, Misc. Qa 99/17) Von Denen Hochteutschen Fürstl. Eggenbergischen Comoedianten. St.Gallen: In der Hochreutinerischen Druckerey: 1696. Einladungsprogramm für den Bürgermeister und die Räte der Stadt St.Gallen (Schweiz). 8 Seiten, mit Preisgedicht an die Stadtväter und Szenar der fünf Abhandlungen. Die Ermordete Unschuld / oder / Die Enthauptung des Graffen von Essecs. / aus dem Italiänischen Autor / Sign. Cicognini. [Carl Heine und Goldschmit lesen Creognini]. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13117) 4°, 37 fol. unpaginiert, 1 fl. eingelegt. Bl. 37 v: Strasburg den 31. December 1716 / F. H. Braune St[udiosus] P[hilosophiae]. [Carl Heine liest Brauer] Die zusätzlichen Änderungen im Text und das vorgeklebte Szenar stammen laut Heine von Carl Ludwig Hoffmann, dem späteren Direktor der Elenson/Haacke-Truppe. Das o.  a. Szenar zeigt Abweichungen vom Essecs-Manuskript im Gang der Handlung, in der Reihenfolge der Szenen, die Namen sind anders geschrieben, es fehlt die Schlussszene. [Geschichtlicher Hintergrund: Graf Essex, 1567–1601, englischer Staatsmann und Günstling der Königin Elisabeth, nach einem Aufstandversuch hingerichtet.] Vorlage: C. Heine nennt die italienische Bearbeitung des spanischen Dramas „El Conde de Sex, o Dar la vida por su dama“ (1638) von Antonio Coello (1611– 1652), mit dem sich Lessing in seiner „Hamburgischen Dramaturgie“ ausführlich beschäftigt hat. Paolo Chiarini hält „La Regina Statista d’Inghilterra et il Conte di Esex“, Bologna 1668, von Niccolò Biancolelli für die Vorlage des Braune-Manuskripts. Drei spätere Bearbeitungen des „Grafen von Essex“: von Thomas Corneille, aus dem Französischen übersetzt von Peter Stüve aus Hamburg; Wien 1749, 1754 und 1761. (Abgedruckt in der „Deutschen Schaubühne zu Wienn nach alten Mustern“, Wien 1764, Teil 1, Nr. 1).

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Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen von dem Engländer John Banks, neu bearbeitet von Johann Gottfried Dyk, Leipzig 1777, 1778, 1786 und Gräz 1798. Das Trauerspiel in 5 Akten von Heinrich Laube, Leipzig 1856, 1885, 1906 und 1909, neu hg. von Alexander von Weilen, Leipzig 1902 und 1908. Auff.: 1688 in Dresden: Die ermordete Unschuld oder Graf Essex [Nur der Titel ist bekannt]. 24. 9. 1696 in St.Gallen (Schweiz): Tragoedia: Genannt Der unschuldig ermordte Graff von Esseck durch die Eggenberg-Truppe unter den Prinzipalen Johann Carl Samenhammer und Johann Georg Göttner, der bald darauf, am 24. Nov. 1696, in Basel nach einem Unfall gestorben ist. (Siehe oben angeführtes Rats­ programm). Weimarer Verzeichnis Nr. 48: Die enthauptung des graffen von Esek. 15. Juni 1741 am Kärntnertortheater in Wien. Jan.1759 in Bern, 12. Juni in Solothurn, 21. Juni in Aarau, 5. Juli in Baden: Graf Essex, Ballett von Thomas Corneille (Ackermann-Truppe). 21. Juni 1764 in Hannover: Graf von Essex (Schauspiele-Verzeichnis mit Besetzung der Ackermann-Truppe).95 18. April 1787 in Luzern: Der Graf von Essex, aus dem Engl. bearbeitet von J. G. Dyk (Voltolinische Truppe). Lit.: Heine, Carl: Graf Essex aus Ludwig Hoffmanns Repertoire. In: Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte, Bd 1. Weimar 1888, S. 323–342.

Ahasverus und Esther (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 362, Bü 3(8 r – 14 v). 1654. Anfangs- und Schlusssprüche mit Wechsel der Schrift zur Aufführung in Schiltach. Thematik aus dem Alten Testament, Buch Esther. Ahasverus ist der biblische Name für den altpersischen König Artachschathra (‚der die Rechtsherrschaft hat‘), hebr. Achaschwerosch, bekannt unter dem Namen Artaxerxes. Artaxerxes und Estra Sieben Akte. In russischer und deutscher Sprache.

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Staatsbibliothek Berlin, Sig. Ms germ.fol.771, Bl. 118v.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

Abb. 33: Friederike Carolina Neuberin als Elisabeth im „Essex“. (Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur, S. 221)

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Bearbeitung nach dem Vorbild der deutschen Wanderbühne von Rinhuber und Johann Gottfried Gregorij96. Übersetzung ins Russische: Georg Hähner. Aufgeführt vor Zar Alexei Michailowitsch am 17. Oktober 1672, als Eröffnungsvorstellung des neuen Theaters in Preobraschenskoje bei Moskau. Vorlage scheint die russische Bibelübersetzung des Buches Esther gewesen zu sein (daher die Namen Artaxerxes, Estra, Aman), es gibt keinerlei textliche Beziehungen zum deutschen Wanderbühnendrama. (Gregorij verwendet jedoch auch das Zwischenspiel, das in vier Teilen um die Hauptfigur des Mops gruppiert ist, so wie Hans Knappkäse in der „Comoedia von der Königin Esther und Hoffertigen Haman“.) Aufführende waren größtenteils Russen und die in der Njemjezkaja Sloboda in Moskau lebenden Deutschen. Die Aufführung dauerte 10 Stunden und hinterließ großen Eindruck, 64 Personen erschienen auf der Bühne. Es existiert eine russische Fassung mit deutschen Regieanweisungen, und eine deutsche Fassung mit lateinischen Anweisungen. Die deutsche Fassung wurde 1954 vom Institut d’Etudes slaves de l’Université de Paris (Biblio­ thèque russe tome XXVIII) herausgegeben. Weitere Aufführungen in Russland: In Jaroslaw unter der Leitung von Feodor Wolkow. In Moskau am Hof der russischen Kaiserin Elisabeth Petrowna, der Tochter Peters des Großen (Reg. 1741–1762), in der russischen Bearbeitung von Dimitrij Rostovskij.97 Lit.: Flemming, Willi: Deutsches Barockdrama als Beginn des Moskauer Hoftheaters (1672). In: Maske und Kothurn, Jg 4, Graz/Köln 1958, S. 97–124. Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater, von 1672–1756. Ein Beitrag zur Culturgeschichte. Prag 1876, S. 20. 96

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Gregorij, geb. 1631 in Merseburg, ging 1658 nach Moskau, kehrte aber zu Studienzwecken nach Deutschland zurück und wurde 1662 in Dresden zum Magister der Theologie ernannt. Rückkehr nach Moskau, Pfarrer und Prediger in der ‚Sachsenkirche‘, Lehrer und Leiter der deutschen Schule in der Moskauer Slobode. Gregorij verfasste drei Schauspiele: „Artaxerxes“, „Judith“ und „Tobias“. Sein Kollege Georg Hübner (Hähner, Lehrer für Russisch, ab 1679 unter dem Namen Jurij Michajlov Dolmetscher im Auswärtigen Amt) übersetzte die Schauspiele ins Russische. Regie führte Lorenz Rinhuber, ebenfalls Lehrer an der deutschen Schule in Moskau. Das Szenar einer Schulaufführung „Artaxerxes Mnemon Oder Unglükseliger Vater“ im St. Magdalenen-Gymnasium in Breslau im Jahr 1660, gedruckt durch Gottfried Gründern Baumannischen Facto, als Reprint in Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1994, S. 475–478. Als Verfasser gilt Karl Stanislaus Teutschmann. Der Dramentext, 5 Abhandlungen mit je 6–13 Aufzügen, scheint nicht gedruckt worden zu sein. (Siehe dazu Gajek: Das Breslauer Schultheater, Nachwort S. 64–65).



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Comoedia. Von der Königin Esther und Hoffertigen Haman. In: Englische Comedien und Tragedien. 1620. ebenso in: Schau-Bühne, Bd 3, Frankfurt 1670. Prosabearbeitung von Gabriel Rollenhagens „Amantes Amentes“ (1609, in Versen).Das Stück wurde erst Jahrzehnte später in den Spielplan der Wanderbühne eingegliedert. Die deutsche Bearbeitung wurde später ins Dänische übersetzt. [Siehe dazu Paludan: Renaissance bevaegelsen i Danmarks literatur, Kopenhagen 1887, S. 339.] Neudruck in Tittmann: Die Schauspiele der Englischen Komödianten in Deutschland, Leipzig 1880, S. 3–44.: Vom Könige Ahasvero und Esther und dem hoffärtigen Hamann; ebenso in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd 1, Berlin 1970, S. 3–77. Das Fassnachtspil von Ayrer, „Der engelendische Jann Posset, wie er sich in seinen Dinsten verhalten, mit acht Personen in deß Rolandts Thon“, stimmt in seinem letzten Teil mit dem vorliegenden Stück (2. Akt) überein. Das Esther-Thema wurde auch von Hans Sachs 1536 in Knittelversen bearbeitet; in England erschien 1594 „Hester und Ahasverus“. Auch von Andreas Gryphius 1657 (1663) bearbeitet. Aufführungen des Esther-Themas: [Schon vor 1605 in Deutschland aufgeführt, da Ayrer in seinem „König Edwarto“ das komische Zwischenspiel vom Hans Knapkäse und seiner Frau, wer im Hause das Regiment führen solle, benutzt. Dieses Zwischenspiel knüpft – nach biblischem Vorbild – an das Gebot des Königs Ahasverus an, dass die Frauen den Männern untertan sein müssten.] 1585 im Februar in Nördlingen als Schulkomödie (durch den Notarius und deutschen Schulmeister Johann Böckh: … von dem könig Ahasveros, wie er die königin jres gegen jme bewisnen vnngehorsambs halben, von jrer königlichen ehr abgesetzt vnd er jme für dieselbigen aines Juden tochter, Esther genant, an jrer statt zu ainer königin erwöhlet …)98 1594, 10. Juni: Esther and Ahasverus (Truppe des Lord Chamberlain, der auch Shakespeare angehörte). 1626, 3. Juli, in Dresden (Robert Reynolds): Tragicomoedia von dem Hamann vndt der Koenigin Ester. 98

Trautmann, Carl: Archivalische Nachrichten über die Theaterzustände der schwäbischen Reichsstädte im 16. Jahrhundert. In: Archiv für Litteratur-Geschichte, Bd 13, Leipzig 1885, S. 64–65.

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1651 in Prag: Von dem König Ahasvero und dem hoffärtigen Aman (Prinzipal Schilling). 1652 in Augsburg: Aman. 1654 in Schiltach (Baden-Württemberg). 1660 [?] in Güstrow: Von dem hoffertigen Haman vndt der demütigen Ester. 1660 in Lüneburg: Von der demuthigen Esther und hochmuthigen Haman. 1660 in Prag: Esther. 1665 in Dresden: Von dem König Ahasverus, der Königin Esther und dem hoffärtigen Hamann. 1666 in Burghausen: Esther. 1671, 4. – 9. Januar, in Rothenburg: Von der Dorothea, von der Ester. (Zehn Komödianten – vermutlich unter der Führung von Leonhard Eytel99– haben in einem artlichen auffgerichteten Theatero auff dem Dantzhauß zierlich gespielet100). 17. Oktober 1672 in Moskau; 1673 in Graz: Mardochaeus. Ebenso im Weimarer Verzeichnis Nr. 121: Der grosse ahasvero und die demüttige Esther. „Esther und Ahasverus wurde auf Verlangen der Kaiserin Elisabeth [russische Zarin Petrowna, 1741–1761] in der großen Fasten auf der Hofschaubühne zu Rostov in des Archierejen Wohnung aufgeführt.“101 1748, 7. August, in Nürnberg: Die mit der kindlischen Schuldigkeit streitende Königliche Danckbarkeit, Artaxerxes, König in Persien, Oder: Der Cron-süchtige und lasterhaffte Kinder-Richter Artabanus. Mit Hannß Wurst, dem lächerlichen Gefangen-Meister und Interessirten Quodlibet bey Hofe. NB. Eine mit denen vortrefflichsten Intriguen und Redens-Arten ausgearbeitete Staats-Action.102 (Theaterzettel der kurbayrischen Komödianten unter der Direktion von Johann Schulz; im Germanischen Museum in Nürnberg, Sig. 2° L. 1313w, Schulzesche Gesellschaft 1748, Nr. 3) Ca. 1790 bis 1820 als Puppenspiel „Hamann und Esther“ im Repertoire des bekannten Mechanikus Georg Geißelbrecht (1762 – ca. 1826).

99 Eytel übte als Nebenerwerb das Handwerk des Wachspoussierens (Wachsformen) aus. Im März 1671 wurden dem Rothenburger Rat von einer Comoediantin eine Schale von natürlich-gleichen Weintrauben nebenst etlich gemachten früchten überreicht. (Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 47) 100 Eintragung in „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläufft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen“. Dieses Kompendium wurde seit 1628, in dritter Instanz von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner, geführt. (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 1063) 101 Stählin Jakob von: Zur Geschichte des Theaters in Rußland, 1. Theil, Riga 1769, S. 398. 102 Zitat nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayerischen Hofe, S. 359.



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Das Leben des Hl. Eustachii (Siehe „Christlicher Actaeon“) Doktor Faust. Wahrscheinliche Vorlage: „Doctor Faustus“ von Christopher Marlowe, entstanden nach der englischen Übersetzung des deutschen Volksbuches von 1587: „The tragi-call History oft the Life and Death of Dr. Faustus, as it hath bene Acted by the Right Hono-rable the Earle of Nottingham his servants. London 1604.“ Dieses Faust-Drama in seiner ersten Druckfassung103 von 1604 (1609, 1611), von Thomas Dekker und William Rowley später stark verändert, war die Vorlage für die englischen Komödianten in Deutschland. Die darauf folgende Quartausgabe von 1616 erreichte im 17. Jahrhundert in England mindestens zehn Neuauflagen und diente Goethe als Vorlage für seinen „Faust“. Obwohl das Spektakel von Marlowes „Doktor Faust“, das die englischen Komödianten in einer deutschen Bearbeitung schon 1608 in Graz spielten, einer der meistgespielten Wanderbühnenstoffe des 17. Jahrhunderts war und auch als Marionettenspiel oder im gerade modern gewordenen Schattenspiel geboten wurde, hat sich im 17. Jahrhundert kein einziges vollständiges Manuskript oder originales Druckwerk davon erhalten. In den Niederlanden war das Machwerk des 1689 verstorbenen Floris Groen: De hellevaart van Dokter Joan Faustus (1713) allgemein bekannt. Der Schauspieler und Prinzipal Jacob van Rijndorp (ca. 1665–1733) bearbeitete das Stück unter dem gleichen Titel für seine Bühne in Den Haag und Leiden (einziger Druck Amsterdam 1731). Das erste deutsche Faust-Puppenspiel wurde 1832 in Berlin gedruckt. Es stammt von dem Puppen- und Schattenspieler Johann Georg Geißel­ brecht104, nach Vorlage des deutschen Faust-Volksbuches von 1587 und wohl 103 Deutsche Fassung von Adolf Seebass, Stuttgart: Reclam 1964 / 2012. 104 Georg Geißelbrecht ist am 23. November 1762 in Hanau am Main als Sohn eines Schuhmachermeisters geboren. Erster belegter Auftritt 1790 in Solothurn (Schweiz). Letzte urkundliche Erwähnung 1826. Geißelbrecht führte im Norden Deutschlands auch eine kleine Schauspielertruppe, mit der er meist einaktige Lustspiele zeigte. Nähere Informationen zu Geißelsbrechts „Doctor Faust“, seinem Repertoire und seinen Wanderwegen von Solothurn in der Schweiz bis Kopenhagen, Königsberg, Dänemark und Russland, siehe Eversberg, Gerd: Der Mechanikus Georg Geißelbrecht. Zur Geschichte eines wandernden Marionettentheaters um 1800. In: Wanderbühne. Theaterkunst als fahrendes Gewerbe (= Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Heft 34/35). Berlin 1988, S. 105–128. Ebenso Eversberg, Gerd: Geißelbrechts ‚Faust‘. Nach der Handschrift von Georg Geißelbrecht. In: Mahal, Günther (Hg.): „… aus allen Zipfeln …“. Faust um 1775. Knittlingen 1999, S. 161–206.

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auch früheren Puppenspiel-Versionen um 1775. Nach seinen Faust-Manuskripten wurde die Form der alten Faustspiele rekonstruiert, die von den Wanderschauspielern im 17. Jahrhundert immer wieder mit großem Erfolg aufgeführt wurden.105 Lessing hat in seinem 17. Literaturbrief vom 16.  Februar 1759 die dritte Szene des II. Aktes eines verlorenen Faustdramas der deutschen Wanderbühne abgedruckt: Faust wählt darin den schnellsten aller Teufel, so geschwind wie des Menschen Gedanken, für seine Dienste. Er soll ihm 24 Jahre lang dienen. Diese Szene findet sich auch in dem Faust-Stück, dessen Inhalt in Schröders Tagebuch106 erzählt wird und das 1669 von der Paulsen-Truppe in Danzig aufgeführt worden ist. Das folgende Szenarium in drei Akten, etwa um 1730 in Wien gedruckt, soll sich in der Herzoglichen Bibliothek zu Meiningen befunden haben; diese Bibliothek gilt jedoch laut Auskunft der Stadtbibliothek Meiningen als verschollen: Heute Sambstag den 9. Junii / Zum Erstenmal wird in dem von Ihrer Röm. Kaiserl. und Königl. Cathol. Majest. privilegirten THEATRO bey dem Kärntner-Thor aufgeführet werden: Der Nach teutscher Comoedien- Engelländischer Pantomimien- Und Italiänischer MUSIC-Art eingerichtete D. FAUST / NB. In einer besonderen, auf dergleichen Weise noch niemals dahier aufgeführten, und wegen ihrer vielfältigen Machinen, und unvergleichen Auszierungen extra Sehens-würdigen Action. Aus dem Besitz des Herzogs Anton Ulrich von Sachsen-Coburg-Meiningen. 8 Bl. kl. 8°. (Zitat nach Bolte: Bruchstücke einer Wiener Faust-Komödie vom Jahr 1731. In: Euphorion, Bd 21, 1914, S. 129–136.) Zu diesem Szenarium passen zwei Szenen in italienischen Versen, (I/1 und III/2), die sich in einer Handschrift von vier Quartblättern, eingeheftet in gepresstes Goldpapier, ebenfalls in der Herzoglichen Bibliothek zu Meinigen (Sig. Mscr. 205) befunden haben. Ein Frankfurter Theaterzettel im Repertoire von Prinzipal Felix Kurz, der als ‚Bernardon‘ die Figur des Hans Wurst weiter entwickelt hat, verspricht die zwar uralte, weltbekannte, auch zum öftern vorgestellte, und auf verschiedene Art schon gesehene große Maschinen Comödie, welche aber von uns heute auf solche Art soll

105 Eversberg, Gerd: Der Mechanikus Georg Geißelbrecht. Zur Geschichte eines wandernden Marionettentheaters um 1800. In: Wanderbühne. Theaterkunst als fahrendes Gewerbe, Berlin 1988, S. 121. 106 Abgedruckt in Bolte: Danziger Theater, 1895, S. 108–109.



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aufgeführt werden, dass es solchergestalten wohl schwerlich von andern Gesellschaften wird seyn gesehen worden; genannt: In Doctrina Interitus [Wissenschaft führt zum Untergang] Oder Das lastervolle Leben und erschröckliche Ende des Weltberühmten und jedermänniglich bekannten Erzzauberers Doctoris Joannis Fausti … mit Crispin, einem excludirten Studenten-Famulo, von Geistern übel vexirter Reisender, geplagten Cammeraden des Mephistopheles, unglücklichen Luftfahrer, lächerlichen Bezahler seiner Schulden, natürlichen Hexenmeister und närrischen Nachtwächter“.107 Der Theaterzettel schildert ausführlich die vorgoethesche Faust-Handlung in 15 Bildern.108 Insgesamt vier weitere Theaterzettel dokumentieren spätere Faust-Aufführungen in Ulm um 1749: Hoffart kommt vor dem Fall, dargestellt in dem ruchlosen Leben und Schreckens-vollen Ende des Welt-beruffenen Zauberers D. Joannis Fausti (mit Hannß Wurst als ein lustiger Diener des Fausti). Pragerische Komödianten. (Stadtarchiv Ulm, G 3, Fasz. 1670–1780, Nr. 008); Um 1779 in Ulm: Johann Faust, von Hrn. Gotthold Ephraim Lessing neu verfertigtes Allegorischen Drama (zwei Theaterzettel der Grimmerschen Gesellschaft). (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 112 und Nr. 137). Im „Theaterkalender auf das Jahr 1779“, hg. von Heinrich August Ottokar Reichard in Gotha, ist vermerkt, dass Lessing’s Faust in einem Städtchen an der Donau [Ulm?] um das Jahr 1779 herum aufgeführt worden sei. Eine weitere Aufführung in Ulm am 20. Juni 1788: Johann Faust. Autor: Weidmann, Wien. Schauspieltruppe des Karl von Morocz.(Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel G 3, Fasz. 1788, Nr. 020). Paul Weidmann (1744–1801), österreichischer Autor von mehr als 65 Dramen, Sing- und Lustspielen, versuchte 1775 ein erstes deutsches Kunstdrama des Fauststoffes und ließ darin auch Fausts Eltern auftreten: Johann Faust. Ein Allegorisches Drama von fünf Aufzügen. Prag 1775 (neu herausgegeben von Carl Engel, Oldenburg 1875 und 1882, mit dem Titel-Zusatz: Muthmaßlich nach G. E. Lessing‘s verlorenem Manuscript).109 Es wurde im gleichen

107 Zitiert nach Mentzel, Elisabeth: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt a.  M. von ihren Anfängen bis zur Eröffnung des städtischen Komödienhauses. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte (= Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Neue Folge 9, hg. vom Vereine für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt a.  M.). Frankfurt 1882, S. 511. 108 Gekürzt wiedergegeben in Wilhelm Herrmann: Hoftheater – Volkstheater – Nationaltheater, S. 160–161. 109 Exemplar in der Herzog August-Bibliothek Weimar, Sig. F 530 a. Digitaler Volltext:  /  / haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/epnresolver?id=1238252109. Carl Engel fand das Buch auf einer Auktion in Leipzig, die Edward Dorer-Egloff‘s hinterlassene berühmte Bibliothek versteigerte.

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Jahr [1775] auf der Königl. Prager Schaubühne von der Gesellschaft Brunius aufgeführt).110 Eine weitere Aufführung am 16. April 1776 im Münchner Deutschen [Hof] Theater wurde nach der Erstaufführung verboten; in den nächsten 6 Jahren (1776–1782) Aufführungen in Ulm, Nördlingen und mehrmals in Nürnberg. Lessing (gest. 17. Feb. 1781) hatte laut Aussage seines Bruders Carl ein Faust­ drama in zwei Plänen entworfen, einmal nach der gemeinen Fabel, dann wiederum ohne alle Teufelei, wo ein Erzbösewicht gegen einen Unschuldigen die Rolle des schwarzen Verführers vertrete und daß beide Ausarbeitungen nur die letzte Hand erwarteten.111 Auch G. E. Lessing selbst schrieb am 21. Sep. 1767 von Hamburg aus an seinen Bruder Carl, daß er Willens sei, seinen Faust noch in diesem Winter hier [in Hamburg] spielen zu lassen, und dass er mit allen Kräften daran arbeite. –Lessings Manuskript ging jedoch 1775 verloren, als es in einer Kiste von Wien nach Leipzig geschickt worden war.112 Möglicherweise ist Weidmann auf irgendeine Weise in den Besitz des Manuskripts gekommen und hat es nach seinen eigenen begrenzten Vorstellungen ergänzt oder umgeformt.113 Die beiden Theaterzettel von Ulm 1779 beziehen sich auf Weidmanns Faust­ drama (obwohl einer davon Lessing als Verfasser nennt), denn sie verzeichnen dieselben Personen (Johann Faust, Theodor sein Vater, Elisabeth seine Mutter, Helena seine Geliebte, Eduard ihr Sohn, Ithuriel ein guter Geist, Mephistopheles ein böser Geist, Wagner sein Kammerdiener) und dieselben vorkommenden Charakteurs. In einem anschließenden Text wird auf dem Theaterzettel vermerkt: Wir hätten uns nie unterstanden, unsern Erlauchten und Einsichtsvollen Gönnern die Geschichte des Fausts in ihrem alten buntschäckichten Kleide vorzustellen. Wenn aber Lessing solchen Stoff bearbeitet, so kann man gewiß was außerordentliches erwarten. Ueberall Schröcken und Schauer gegen das Laster, die heftigsten Leidenschaften, die bündigsten Lehrsätze mit jedem Auftritte verknüpft … Auff.: 1607 in Danzig (Green), am 10. Feb. 1608 in Graz (John Green). 6. Juli 1626 in Dresden (Robert Reynolds), 1651 in Prag (Chursächsische privilegierte Hofkomödianten),

110 Die Ausgabe von 1775 neu herausgegeben in der Reihe Michael Holzinger, Berliner Ausgabe 2017. 111 Carl Lessing in seiner Vorrede zum 2. Band des dramatischen Nachlasses seines Bruders. 112 Brief Lessings an seinen Bruder Carl, Braunschweig, 16. Juni 1776. 113 Siehe dazu die Einleitung von Carl Engel, S. I–XXXII, zu „Johann Faust. Ein allegorisches Drama in fünf Aufzügen (Gedruckt 1775, ohne Angabe des Verfassers.) Muthmaßlich nach G. E. Lessing’s verlorenem Manuscript. Herausgegeben von Carl Engel. Oldenburg 1877“. (HAB Weimar, Sig. F 530 a).



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Herbst 1661 in Hann[over (Hamburger Komödianten), 1666 in Lüneburg (Truppe des Michael Daniel Treu). 1669 in Danzig (Paulsen-Truppe; Bericht des Danziger Ratsherrn Schröder), ebenso im Velthenschen Repertoire von 1669. 1675 ließ der Schauspieler Johann Christoph Pernecker für Aufführungen in Schloss Krumau in Südböhmen vier Theaterstücke abschreiben, eines davon war „Doktor Faust und Wagner“. Heidelberg 1679 und Bremen 18. Mai 1688 (Velthen-Truppe). 1682 in Schloss Böhmisch Krumau. 1684, 20. Juli, in Schleißheim bei München (Treu-Truppe). 1696, 24. November, in Basel (Eggenbergische Komödianten Göttner).114 Weimarer Verzeichnis Nr.  66: Das abscheuliche leben und der schröckliche todt Dr. Johan Fausts des berühmten Erzzaubrers. 1701 in Berlin (Truppe des Venezianers Sebastiano di Scio). 1715, 22. Juli, am Kärntnertortheater in Wien, auf dem Spielplan Stranitzkys und dessen Nachfolgers Gottfried Prehauser. 1718/19 in Riga: Faust. (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). 1719, 25. November, im Manhartschen Haus in Prag (Geißler-Truppe mit Prehauser115 als Hanß-Wurst und vermutlich Leinhaas als Pantalon): Das Leben und Todt deß berühmten Ertz-Zauberers Doctor Joannis Fausti. Mit sonderbahren noch nie gesehenen Außziehrungen auff eine gantz neue Manier.116

114 Die handschriftliche Chronik des Primarlehrers J. J. Scherrer, genannt Philibert, berichtet: Als nach geendeter Tragedi der Harlegin wohlgezecht heimgehen und die Treppen hinunter steigen wollte, thatt er ein Misstritt und fiel häuptlingen hinunter auf den Kopf, dass er bis auf die hirnschalen plessiert worden. Dieser ward in sein Logement getragen, verbunden in sein Bett gelegt, aber mornder ist todt gefunden. Hieraus ist zu merken, dass sich nicht schimpfen lasse, so gottlose Comedien zu spielen. (Trautmann, Karl: Faustaufführungen in Basel und Nürnberg. In: Vierteljahrsschrift für Litteraturgeschichte, Bd 4, Weimar 1891, S. 157). Es handelt sich dabei nicht um den Schauspieler Franz Völker, wie Asper vermutet (Asper, Helmut G.: Kilian Brustfleck alias Johann Valentin. Petzold und die Eggenbergischen Komödianten. In: Maske und Kothurn, Jg 16, 1970, S. 32), sondern um den Prinzipal und Pickelhering der fürstl. Eggenberger Comoedianten, Johann Georg Göttner. Das beweist die Kirchenbucheintragung von Allschwil (bei Basel) vom 7. 12. 1696, wo man ihn bestattet hat. (Nach Rudin: Das fürstl. Eggenbergische Hoftheater in Böhmisch Krumau, S. 469–470.). 115 Im November 1719 wechselten Gottfried Prehauser und Leinhaas in Prag zur Truppe Geißler. Ab 1. September 1724 trat Prehauser mit eigener Kompagnie in Linz auf. Spätestens 1726 übernahm er als gefeierter Hans-Wurst Stranitzkys Nachfolge in Wien. Johann Ernst Leinhaas, 1687 von deutschen Eltern in Venedig geboren. Größter Erfolg in der Rolle des Pantalone nach italienischer Spielweise. Um 1714 in Leipzig als sogenannter Pantalon aus Wien; um 1716 in Baden (auch als selbstständiger Prinzipal); 1719 zweimal in Prag, zuerst mit Prinzipal Brunius, dann mit Geißler; bis 1744 abwechselnd als Prinzipal und Schauspieler in Prag, Kukus und Brünn; ab 1744 bis 27. Mai 1767 in Wien. 116 Theaterzettel im Nationalmuseum Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. C 11658. Abgedruckt bei Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1735, Wien 1999, S. 71.

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Um 1720 in Petersburg, unter Prinzipal Johann Heinrich Mann, mit Victoria Clara Benecke. 1728, 25. Jänner, im Manhartschen Haus in Prag (Defraine-Truppe): Den Anfang und das Ende Deß verkehrten und Welt-beruffenen Ertz-Zauberers Doctoris Joannis Fausti. Mit Hanß-Wurst. Einfalt hat den Teuffel betrogen. (Erster Beleg für den Sieg der komischen Figur über den Teufel; dieses Motiv ist in vielen Puppenspielen erhalten.)117 1728 auf der Frankfurter Herbstmesse, ebenso 1730 in Dresden und Leipzig, 1731 in Hamburg und Köln, spielte der Hanß Wurst Johann Franz Deppe mit einer Gruppe von Hunden und einem Pferd als Tierschau die Comoedie von D. Faust. Er hatte diese Tierschau von dem Dresseur G. Künstlich, alias J. Schemering übernommen.118 1730, 9. Juni, am Kärtnertortheater in Wien. 1736, 25. Juni, am Kärntnertor-Theater in Wien (Darstellung als ein gemischtes weesen von Teutsch und Wällscher sprache, von Brosa und wersen, von reden und singen).119 1738, 7. Juli, in Hamburg: Faust. (Truppe der Caroline Neuber). 1742, 2. August, in Hamburg: Die Truppe der Sophie Charlotte Schröder120 spielt die Neuber-Version des „Faust“. (Theaterzettel in der Hamburger Stadtbibliothek erhalten). 117 Theaterzettel im Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193. Abgedruckt bei Schwerl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1735, Wien 1999, S. 97. 118 Johann Franz Deppe aus Ochsenfurt bei Würzburg, ursprünglich Puppenspieler. Später ließ er sich als Barbier, Zahnarzt und Operatuer in Prag nieder, spielte jedoch weiterhin als Prinzipal einer größeren Schauspielgesellschaft den Hanß Wurst. Für die Dauer seiner Theateraktivitäten entzog ihm das Prager Magistrat jeweils seine Bürgerrechte. 1718 ermöglichte er dem Prinzipal J. C. Haacke durch eine Schuldverschreibung, die er auf sich nahm, die Abreise aus Prag. Zuletzt trat er 1756 oder 1757 mit einem dressierten Kamel auf. – Siehe dazu Scherl/Rudin: Johann Franz Deppe. In: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, 2013, S. 151–153. 119 Nach Schindler, Otto G.: Mio compadre Imperatore. In: Maske und Kothurn, Jg 38, Heft 2–4, 1997, S. 93. 120 Am 28. März 1742 eröffnet Sophie Charlotte Schröder im Hamburgischen Opernhaus ihre neugegründete Bühne, gemeinsam mit Ackermann. Im Juli 1744 erfolgt die Auflösung der Truppe; die Schröder schließt sich der damals im russischen Petersburg weilenden Truppe Hilferdings an. Heirat mit dem erfolgreichen Ackermann am 24. November 1749 in Moskau, wo sich die Truppe Hilferdings seit dem Herbst aufhält. 1751–52 Gründung einer neuen Truppe, der Ackermannschen Gesellschaft, in Danzig. Noch 1764 in Danzig nachweisbar. Mitglieder der Ackermann-Truppe: Uhlich ab 1742, ab dem folgenden Jahr Koch, Schuberth, Heydrich, Philippine Tumler, alle von der früheren Neuber-Truppe. (Siehe Winter, Fritz: Die Schrödersche Gesellschaft deutscher Schauspieler in ihren ersten Anfängen. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd XIII, Leipzig 1885, S. 403–408. Abgedruckt sind zwei Artikel des „Hamburger unpartheyischen Correspondenten“ vom 22. Mai 1742, Nr. 81, und vom 10. November 1742, Nr. 179, die die beiden von der Schrö-



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Im Repertoire des Prinzipals Franz Schuch121 (Aufführung 1749 und in Berlin am 14. Juni 1754). 17. September 1748 und im Jahr 1752 in Nürnberg: Die Durch die Weiber-Liebe verführte Weißheit in Dem lasterhafften Leben und erschröcklichen Ende des berühmten Erz-Zauberers Joannis Fausti mit Hanns-Wurst 1. Dem verunglückten Passagier. 2. Dem lächerlichen Famulo. 3. Dem betrogenen Passagier durch die Lufft. 4. Dem betrüglichen Künstler. 5. Dem Zauberer von ohngefehr. 6. Dem betrogenen Schatz-Gräber. 7. Und dem vorsichtigen Nacht-Wächter.122 (Theaterzettel der Kurbayrischen Komödianten unter Johann Schulz; im Germanischen Museum Nürnberg, Sig. 2° L. 1313w Schulzesche Gesellschaft 1748, Nr. 25; und 1752, Nr. 31.) 1749 in Ulm: Hoffart kommt vor dem Fall, dargestellt in dem ruchlosen Leben und Schreckens-vollen Ende des Welt-beruffenen Zauberers D. Joannis Fausti (mit Hannß Wurst als ein lustiger Diener des Fausti). Theaterzettel der Pragerischen Komödianten. (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 008). Auff. im Kärntnertor-Theater in Wien: April 1753 bis Februar 1754 (Repertoire-Nummer 51 und 90). 1775 in Prag auf der Königlichen Schaubühne, Weidmanns Johann Faust (Prinzipal Brunius). 16.  April 1776 in München im Deutschen Hoftheater, Weidmanns Johann Faust. 1779 in Ulm: Johann Faust, von Hrn. Gotthold Ephraim Lessing neu verfertigtes Allegorischen Drama (Weidmanns Johann Faust, zwei Theaterzettel der Grimmerschen Gesellschaft). (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 112 und Nr. 137). S.o. Im Repertoire des Prinzipals Carl von Eckenberg (Aufführung um 1794). ebenso im Repertoire des Prinzipals Johann Joseph von Brunian (1750) und des Prinzipals Johann Joseph Felix Kurz-Bernardon in Frankfurt, der das Faust-Drama als Große Maschinen Comödie in 15 Bildern bezeichnet. 20. Juni 1788 in Ulm (Weidmanns Johann Faust, aufgeführt von der Schauspieltruppe des Karl von Morocz). Als Puppenspiel „Der Doktor Faust“ oder „Fausts Höllenfahrt“ im Repertoire des Mechanikus und Puppenspielers Georg Geißelbrecht (1832 in 24 Exemplaren gedruckt, Neudruck 1917). Lit.: Bolte, Johannes: Bruchstücke einer Wiener Faust-Komödie vom Jahre 1731. In: Euphorion, Bd 21, 1914, S. 129–136.

derschen Gesellschaft aufgeführten Stücke „Das von der Weisheit vereinigte Trauer- und Lustspiel“ und „Die Verbindung des Heldenmuthes mit der Tugend“ besprechen.). 121 Siehe Lessings „Kritische Nachricht von der Schuchischen Schauspielergesellschaft. Danzig 1758. 122 Zitat nach Trautmann Karl: Deutsche Schauspieler am bayerischen Hofe, S. 363 und S. 367.

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Faustspiele der Wanderbühnen. Sonderausstellung 1988 im Faust-Museum Knittlingen, in Zusammenarbeit mit Bärbel Rudin und Gerd Eversberg hg. von Günther Mahal. Knittlingen 1988. Henning, Hans: Faust-Bibliographie, Teil 1: Allgemeines. Grundlagen, Gesamtdarstellungen. Das Faust-Thema vom 16. Jahrhundert bis 1790. Berlin / Weimar 1966. Meissner, Johannes: Alt-Wiener Faust-Spiele. In: Deutsche Zeitung vom 21. 12. 1882. Eversberg, Gerd: Der Mechanikus Georg Geißelbrecht. Zur Geschichte eines wandernden Marionettentheaters um 1800. In: Wanderbühne. Theaterkunst als fahrendes Gewerbe. (= Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Heft 34/35), Berlin 1988, S. 105–124.

Der betrügliche und Doch betrogne Federigo das ist Ein lustiges Schauspiel: welches ohnlängst Auf einem bekanten Theatro mit grossen Vergnügen vornehmer Zuschauer ist praesentiret worden. Franckfurth / Leipzig: Groschuff 1692. 32 Bl., 8° (Herzog Karl August-Bibl. Wolfenbüttel, Sig. Lo 1375) (Auch bei Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 253, unter dem Jahr 1691 verzeichnet.) Auff.: Weimarer Verzeichnis Nr. 2: Der sein selbst Eigener gefangenmeister printz fedrig von sicillien an des königs von Neapolis landschafft in einen schloß. Die beiden verheiraten prinzesinen von Neapel an die 2 prinzen von sicillien. Der für prinz fedrig gehaltene pickelhering. (Siehe dazu „Comoedie König von Neapolis oder Printz-Pickelhering“; ebenso „Der lächerliche Printz Jodelet“) Comoedia Von Fortunato vndt seinem säckel vndt Wunschhüttlein. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sammelband D 93, Bl. 57–92). Neudruck in: Tieck: Deutsches Theater, Bd 2, Berlin 1817, S. 5–57: Comödia, Von Fortunato und seinem Seckel und Wünschhütlein, darinnen erstlich drey verstorbenen Seelen als Geister, darnach die Tugendt vnd Schande eingeführet werden; ebenso in Tieck: Deutsches Theater, Bd 2, Wien 1822, S. 237–308. Tittmann: Die Schauspiele der Englischen Komödianten in Deutschland. Leipzig 1880, S. 75–123. Spieltexte der Wanderbühne, Bd 1, Berlin 1970, S. 129–209. Das Motiv ist alt und wurde im 16. Jahrhundert viele Male gedruckt: 1509 „Fortunatus“-Roman (Neudruck H. Günther, Halle 1914);



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Abb. 34: Fortunatus. Aus: Fortunatus. Nach dem Augsburger Druck von 1509 hg. von Hans Günther. Halle a.  S. 1914, S. 1.

1553 bearbeitet von Hans Sachs; 1600 bearbeitet von Thomas Dekker: „Old Fortunatus, a comedy by Thomas Decker, acted before the Queen at Christmas by the Earl of Nottingham’s servants“; 1610–1620 bearbeitet von einem Kasseler Anonymus; 1620 in den „Englischen Comoedien vnd Tragoedien“ und 1670 in der „Schau-Bühne“, Teil 2, Nr. 4; 1643 deutsche Schulkomödie des Nordhäuser Rektors Gilbertus, und zweiteiliges holländisches Drama des Amsterdamer Arztes B. Fonteyn. 1678 Oper, verzeichnet in Gottscheds „Nöthigem Vorrath“, S. 241. Es seien davon jedoch nur kurze Auszüge oder der bloße Inhalt gedruckt worden.

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Fortunatus (Landesbibliothek Kassel, 8° Ms. theatr. 4 (64 r – 110 r) Tragedia. Vor 1620. Prosa-Textbuch mit wenigen Bühnenanweisungen, ohne lustige Person. (Vorlage ist nicht Thomas Dekkers Drama). Auff.: Feb. 1608 in Graz (Von des Fortunatus peitl und Wünschhietel ist auch gar schön gewest. – Englische Komödianten unter John Green.) 11. Juli 1626 in Dresden. (Truppe Robert Reynolds) Lit. Bolte, Johannes: Zwei Fortunatus-Dramen aus dem Jahr 1643. In: Euphorion, Zeitschrift für Literaturgeschichte, hg. von Josef Nadler und Georg Stefansky, Bd 31, Heidelberg 1930, S. 21–30.

Comoedia, Benandt, Die wieder Erkante Freundschafft Oder Der Mayestättische schlaw [Sklav] aus Aßirien. (Wienbibliothek, Sig. Ja 24314) 4°, 68 fol. unpaginiert. Inschrift am Schluss des Dramas auf S. 68 r: Geschriben In Cruma, zu Ende des Mey. Anno 1680. [Krumau in Südböhmen] Wahrscheinlich identisch mit dem 1683 im Repertoire der Eggenbergischen Hofkomödianten unter dem Titel: „Der Assyrische Majestäts Sclav“ angeführten Drama. (Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/1, Berlin 1999, S. 325–421) Das Wolfenbütteler Manuskript „Der mayestätische Sclav“, ein von Christian Janethsky (Pickelhering der Velthen-Truppe, gest. 8. Jan. 1688) bearbeiteter Text, ist als Widmungsexemplar für Herzog Ferdinand Albrecht von Braunschweig und Lüneburg angefertigt worden. (Herzog August- Bibl. Wolfenbüttel, Cod. Extravag. 197.4) Indirekte Vorlagen vielleicht die beiden Libretti „L’amicizia riconosciuta“ von Cicognini (Venedig 1665) und „La Giocasta Regina di Armenia“ von Giovanni Andrea Moniglia (Venedig 1677). Auff.: 1680 in Hamburg. 1683 in Ansbach: Der Assyrische Majestäts:Sclav (Spielansuchen der Eggenbergischen Komödianten an den Markgrafen Johann Friedrich vom 25.  Juni 1683). (Vgl. dazu „Doris Oder Der Königliche Sklave“)



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Johann Rist: Das Friedewünschende Teutschland. In einem Schauspiele öffentlich vorgestellet und beschrieben Durch einen Mitgenossen der Hochlöblichen Fruchtbringenden Gesellschafft. Nun zum letsten mahl auffgeleget und mit etlichen Liederen / benebenst ammüthigen auff dieselben / auch neügesetzten Melodeien vermehret und gebessert. Hamburg im Jahre 1649 (Geschrieben zu Wedel an der Elbe am 8. Tage des Schlachtmonats / Im 1647. Jahr.). Erstdruck 1647 o.  O. und Hamburg 1649, mehrfach gedruckt. Neuausgabe in Johann Rist: Sämtliche Werke, Bd 2, hg. von Eberhard Mannack (=Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, hg. von Hans-Gert Roloff, Bd 35). Berlin/New York 1972, S. 1–203. Theaterzettel aus dem Jahr 1652123: Das Friedwünschende vnd mit Fried beseligte Deutschland. Eine sehr herrliche Matery / von dem weltberühmten Herrn Johann Risten gesetzet vnd zum erstenmal in Hamburg / dem Autor zu grossen Ehren / vnd den Zusehern zu höchster Ergetzlichkeit auff dem Schawplatze praesentiret. Sigmund von Birken: Kurzer Entwurf eines neuen Schauspiels  /  darinnen ausgebildet wird das Vergnügte Bekriegte und Widerbefridigte Teutschland. Sigmunds von Birken. Nürnberg 1651. Nur als Kartell überliefert. Politisch-allegorisches Schäferspiel in drei Akten, Prosa, mit Prolog, Epilog und Schlussballett. (Historischer Anlass war der Westfälische Frieden, ratifiziert in Osnabrück und Münster am 8. Februar 1649.) Der ganze Text erschien erst 1679 in Nürnberg, anlässlich des Friedensschlusses zu Nymwegen, in seiner Poetik124 unter dem Titel: Margenis oder Das Vergnügte, Bekriegte und Widerbefriedigte Teutschland. (Vorbericht: Gegenwärtiges Schauspiel ist vor 28. Jahren / nämlich Anno 1651 auf dem Nürnbergischen Schauplatze … vorgestellt / und in diesem 1679sten Jahr … zum Druck begehrt worden). Zweiseitiger Kupferstich als Titelblatt, 5 Handlungen, mit Zwischenchören. [Prolog und Epilog des Cupido ist aus den Wanderbühnenstücken „Comedia

123 Abgedruckt in Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 34. 124 Birken, Sigmund von: Teutsche Rede- bind- und Dicht-Kunst. Nürnberg 1679. Reprint: Hildesheim/New York 1973.

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von Aminta und Silvia“ und „Comoedia und Macht des kleinen Knabens Cupidinis“ entnommen]. Titelheldin nicht mehr Teutonia, sondern Margenis (= Anagramm für Germania). [Lesedrama mit langen Monologen]. Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Lo 402. Das vom Krieg gedruckte und vom Fried erquickte Europa. 1679. (Theaterzettel. Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. Germ.bis.75220. 4°). Auff.: 1647 in Hamburg. 1649 auf der Meistersingerbühne in Memmingen. 1650, 19. April, in Nürnberg (Truppe des Caspar Schönhüttius, Theaterzettel in der Nürnberger Stadtbibliothek, nicht mehr auffindbar).125 17. Mai 1652 in Schwäbisch-Hall. Truppe des Carl Andreas Paulsen mit seinem Co-Prinzipal Johann Fosseur [= Faßauer]. 1653 auf dem Regensburger Reichstag (Joris Joliphous). 1654, 13. Jänner, in Strassburg (Spielansuchen des Joris Joliphous). Auf dem Spielplan des Daniel Treu am Bairischen Hof zu Schleissheim bei München (1669/70 und 1681–85): Das Friede wintschende Teitschland. 1661 in Rothenburg: Vom Fried und Krieg. Ristij. (vermutlich Johann Janicke mit 14 Komödianten).126 1666 in Reval [heutiges Tallinn in Estland]: Der Revaler Tanzmeister Heinrich Moos lädt den Rat von Reval am 7. Februar zu einer Aufführung seiner Schüler im Gebäude der St.Canutigilde (Rists „Friedwüntschendes Teutschland“). Aufführung im Freien. 14. April 1718 und 26. Jänner 1719 in Riga: Teutschland. (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). Auf dem Spielplan der meisten deutschen Wandertruppen; ebenfalls im Weimarer Verzeichnis Nr. 3: Das den friden von sich Jagende, und hernach denselbigen wider sich winschente und zu sich erbittente teutschland. 125 Trautmann, Karl: Ein angeblicher Theaterzettel der englischen Komödianten. In: Zeitschrift für Vergleichende Litteraturgeschichte und Renaissance-Litteratur, Neue Folge, Bd 1, Berlin 1887/88, S. 439  f. 126 Eintragung in „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläufft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen“. (Kompendium, seit 1628 geführt, in dritter Instanz von Sebastian Dehner. – Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 1005). Janicke war, wie auch der führende Schauspieler Christoph Blümel, von Prinzipal Joliphous misshandelt worden. (Hampe, Theodor: Die Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg, 1898, S. 158.)



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Abb. 35: Johann Rist: Friedewünschendes Teutschland. Kupfertitel 1647.

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Weimarer Verzeichnis Nr. 74: Das vergnügte begrigte, und wider befridigte Teutschland, oder Marginis [Sigmund von Birken]. Ebenso Weimarer Verz. Nr. 96: Die durch friden gestilte grossen krigsflutten. (Um welchen Text es sich bei diesem Titel handelt, ist nicht geklärt.) Lit.: Paludan, J.: Ältere deutsche dramen in Kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.  S. 1891, S. 226–240. Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit. Deutsche Schäferspiele des 17. Jahrhunderts, dargestellt in einzelnen Untersuchungen. (= Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur, Neue Folge, hg. von Hans-Gert Roloff, Bd 2). Stuttgart/Bad Cannstatt 1998, S. 305–341.

König Frondalpheo. 1667. (Siehe „Liebes Verzweiffelung“) Fürstenmord (Siehe „Leo Armenius“) Der Geitzige. Comoedia. (nach Moliere: L’Avare. 1667) (Siehe „L’Avaro oder der geitzige Harpagnon“). Die unschuldig Verfolgte von dem Himmel aber wunderbar erhaltene Pfalzgräfin in Trier Genovefa in fünf Aufzügen. In Alexandrinerversen. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13686) Eine weitere Bearbeitung dieses Drama sacrum in der Österr. Nat.Bibl. Wien, Sig. Ms 13221. Aufführungen siehe folgendes Wanderbühnendrama: Genoveva, Pfalzgräfin zu Trier. (Forschungsbibliothek Gotha, Sig. Chart. B 1628) 49 Bl., 4°. Fünf Akte in Prosa, Schluss in Reimversen, ein zweiter in Alexandrinern. Es fehlen das Titelblatt und das Actorenverzeichnis. Regieanweisung im 1. Akt: Genoveva in Nacht-Kleidung. Vl. 38b: Lücke vom Ende des 4. Aktes bis Anfang des 5. Aktes. Freie deutsche Bearbeitung nach Antonio Francisco Wouthers: De heylige Genoveva, of herkende onnooselheyt, 1664 (später „De stantvastige Genoveva“, nach einem Breslauer Theaterzettel aus dem Jahr 1707), dem die französische Pro-



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salegende des Cerisier, „L’innocence reconnue“, aus dem Jahr 1638 vorausgeht. Das holländische Stück weicht jedoch von der französischen Erzählung ab. Aus dem Jahr 1648 stammt die deutsche Prosalegende von Michael Staudacher: Genovefa  /  Das ist: Wunderliches Leben vnd Denckwürdige Geschichte der H. Genovefae  /  geborner Hertzogin auß Brabant etc. Dillingen M.DC.XLVIII [1648]. Das Thema wurde auch von Ayrer bearbeitet. Opern-Textbuch ohne Orts- und Jahresangabe: Die getruckte, Aber nicht unterdruckte Unschuld, Mittelst Einer wahrhafften Historia in Musicalischer Opera vorgestellt Durch Genovefam. (23 Bl., 4°; Bayr. Staatsbibliothek München, Sig. P.o. germ.232/3). Auch in Gottscheds „Nachlese“, S. 262, verzeichnet. (Teilabdruck (Szenen I/6, II/6,7 und III/6,7,8,9) dieses völlig undramatischen Singspiels nach Meistersingermanier in: Bayerische Bibliothek. Texte aus zwölf Jahrhunderten, hg. von H. Pörnbacher und Benno Hubensteiner, Bd 2: Die Literatur des Barock, München 1986, S. 370–383.) Das Trauerspiel von Ludwig Tieck „Leben und Tod der hl. Genoveva“, Wien 1817, Berlin 1820 und 1828, wurde in der Oper „Genoveva“ [nach Ludwig Tieck und Friedrich Hebbel, Leipzig o.  J.] durch Robert Schumann (Op. 81) vertont. Auff.: 1674/79 in Dresden (Repertoireliste Carl Andreas Paulsen). 1679 im Velthenverzeichnis Nr. 4: Die Unschuldig vertriebene Genoveva Gräfin von Trier. 1680, 11. Oktober, in Bevern durch die Velthen-Truppe: Die Standhaffte Genoveva Chur-Pfaltzgräffin von Trier.127 1683 in Ansbach: Die beständige Pfaltzgräfin Genofeva (Spielansuchen der Eggenbergischen Komödianten an den Markgrafen Johann Friedrich vom 25. Juni 1683). 1690 in Torgau am Hof Johann Georg III. (Velthen-Truppe). Freitag, 7. Oktober [1707 ?]: Genoveva. (Theaterzettel in der Breslauer Stadtbibliothek; abgedruckt bei B. Golz: Pfalzgräfin Genovefa in der deutschen Dichtung, 1897, S. 49–52.) Weimarer Verzeichnis, Nr.  20: Die unschultig verdriebene pfalzgräfin Genoveva, sampt deren wiedereinsezung. 1719, 12. Jänner, in Riga: (Victoria Clara Bönicke-Truppe).

127 Die im Schreibkalender 1680 des Herzogs Ferdinand Albrecht I. überlieferte Besetzung ist abgedruckt bei Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schloß zu Bevern, S. 146.

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1723, 7. Mai und 19. Mai, in Ulm: Genoveva (Gottfried Prehauser-Truppe). 1736 auf dem Spielplan der Wallerotty-Truppe in Prag: Das Leben der seeligen Genoveva. Ebenso 1736 auf dem Spielplan des Prinzipals Felix Kurtz in Prag: Die selige Genoveva. 1740, 20. September, in Hamburg (holländische Komödianten). 1742 in Frankfurt (Wallerotty). 1750 in Weimar. Als Puppenspiel „Siegfried und Genovefa, oder: Die Unschuld in der Bärenhöhle“, auch unter dem Titel „Die Pfalzgräfin von Trier“ im Repertoire des berühmten Mechanikus Georg Geißelbrecht (1762 – ca. 1826). In Moskau am Hof des Zaren Peter des Großen (gest. 1725), in russischer Sprache. Noch in den späten 1920er-Jahren von der Freilicht-Wanderbühne Süddeutsches Volkstheater des Karl Albert Spindler aufgeführt. Lit.: Golz, Bruno: Pfalzgräfin Genofeva in der deutschen Dichtung, Leipzig 1897. Kentenich, Gottfried: Die Genofeva-Legende, ihre Entstehung und ihr ältester Text. Trier 1927. Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen, 1934, S. 465–466.

Rache zu Gibeon oder die sieben Brüder aus dem Hause Sauls. (Siehe „Rache zu Gibeon“) Glück und Liebstück (Siehe „Aurora und Stella“) Des Glücks probier-stain (Siehe „Der verirrte Liebes-Soldat“) Triumph Römischer tugendt vnd Tapferkeit oder Gordianus der Grosse. (Siehe „Triumph Römischer Tugendt vnd Tapferkeit“) Gottfriedts von Boullion Herzogs von Lothringen Erster theil Betreffende das von Soliman dem Türckischen Kayßer Zerstöhrte durch die Christl.: Waffen erobertte Jerusalem. (Nat. Bibl. Wien, Cod. 13147) 4°, 34 fol. unpaginiert. Titelblatt: 1721 Wien C. Gründler. Dieser Spieltext geht wahrscheinlich nicht unmittelbar auf das Epos des Torquato Tasso „Gottfried von Bouillon, oder Das Erlösete Jerusalem“(1626 übersetzt von Diederich von dem Werder) zurück, sondern auf eines der zahlreichen



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Libretti, die Stoffe des Versepos „Gerusalemme Liberata“(1574) von Torquato Tasso für die Oper gestalteten.128 (Siehe: „Die Verstörung Jerusalem“) Die Ermordete Unschuld / oder / Die Enthauptung des Graffen von Essecs. (Siehe „Essecs“) Griseldis der Italiänischen Schäfferin gegen Gualtero PiemontesischenMarggraffen bewehrte Treu. Dem … Carolo Leopoldo Deß H. R. R. Graffen von Hoyos … Wie auch Mariae Reginae … Gräffin von Sprinzenstein … Auff offentlicher Schau-Bühne Von der allda studirenden Schul-Jugend … dedicirt und dargestellet im Jahr Christi 1695. den 8. Tag Herbstmonaths. Gedruckt zu Wildberg 1695. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 303017-B.Adl.13) Herkunft des Griseldis-Themas, das die völlige Unterwerfung der aus niederem Stand kommenden Ehefrau unter den Willen ihres hochgeborenen Herrn darstellt129: Giovanni Boccaccios hundertste Novelle aus dem „Decamerone“ (entst. 1348– 1353): Il marchese di Saluzzo. „Griseldis und Briseldis oder die wahre Belohnung der hohen Tugend“. (lateinische Nacherzählung durch Petrarca, 1374). Drei frühe deutsche Übersetzungen dieser Boccaccio-Erzählung: a) von Arigo. Erste deutsche Gesamtübertragung des „Decameron“, Ulm ca. 1476, Augsburg 1490 (Neudruck: Bibliothek des literarischen Vereins, Stuttgart 1860, Bd 51) b) Ein Lobwirdige Hystory / von der demütigen vnd gehorsammen fraw Gryselde / die Frawen zu gedult vnd gehorsamkeyt gegen jren Egemaheln ziehende. Gedruckt zu Straßburg / bey Jacob Frölich. 1538. (Exemplar in Wolfenbüttel HAB, 218, 17 Quodl.9) c) Ein gar schöne Historia / von der Tugendtreichen / vnnd vber alle Weiber der Welt demütigen Frawen Grisilla / deß Marggraffen von Salutz Ehe-Gemahl. Gedruckt zu [Erfurt] Erfford / bey Jacob Singe / 1620.130 128 Vgl. dazu Schmidt, Gustav Friedrich: Die frühdeutsche Oper und die musikdramatischen Kunst Georg Caspar Schürmann’s, Bd 2, Regensburg 1934, S. 110–112. 129 Diese völlig unnatürliche Demut der Griseldis, die ihre beiden Kinder jeweils im Alter von zwei Jahren wegen dem niederen Geburtsstand ihrer Mutter durch einen Befehl ihres Herrn dem vermeintlichen Tod übergeben muss und zuletzt selbst verstoßen wird, die all dies ohne ein Zeichen von Trauer oder Misstrauen über sich ergehen lässt, spiegelt wie keine andere Dichtung die auch noch im Barock extrem patriarchalische Haltung der Gesellschaft. Im 18. Jahrhundert scheint es keine Aufführung dieses Stücks mehr gegeben zu haben. 130 Beide Zitate nach Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 315.

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Frühe deutsche Übersetzung der „Griseldis“-Geschichte nach Petrarca: Steinhöwel, Heinrich: Historia Griseldis. Augsburg 1471 (1472/73 in Ulm). (handschriftlich vorhanden in Donaueschingen, Heidelberg, München und Gießen) mehrfach gedruckt. In englischer Übersetzung in Chaucers Canterbury-Tales: Clerk’s Tale. 1432 schrieb der Kartäusermönch Erhart Grosz eine „Grisardis“. In Europa war die Sage im 15. Jahrhundert als Volksbuch verbreitet. Sechs deutsche Dramatisierungen des 16. Jahrhunderts: a) Hans Sachs (1546); b) eine Augsburger „Grysel. Ain schöne Comedi von der demütigkait vnd gehorsame der Weyber gegen jren Ehmännern, zu nutz vnd dienst der Jugent gemacht vnd gestelt.“ Augsburg o.  J. (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel); c) 1575 als Schulspiel von dem Prof. Abraham Burchard in Danzig aufgeführt. Es ist nur in einem Druckexemplar erhalten. (Kunstloses Spiel, das die Geschichte der Griseldis, jedoch ohne Namen darstellt. Griseldis wird nur als Fürstin, ihr Gatte Walther von Salerno nur als Fürst bezeichnet. 5 Akte in Reimpaaren, die Vorrede ist datiert mit Danzig, 6. Mai 1575. (Bolte: Danziger Theater, S. 14–15) d) 1582 eine „Comoedia von Graff Walther von Salutz und Grisolden“ von Georg Mauritius. Erstdruck Leipzig 1606. (1621 ins Lateinische übersetzt durch Georg Mauritius’ Sohn). e) Georg Pondo: Die Historia Walthers, eines Welschen Marggraffens, der sich Griselden seines ärmsten Bawren Tochter vermehlen lest.“ Berlin 1590. (Nach Hans Sachs und der Augsburger „Grisel“). f) Valentin Schreck: Periocha Oder jnhalt der Comedie [von Griseldis]. In: Argvmenta Comoediarum quae Latinè et Germanicè à scholasticis ludi Mariani sunt exhibitae In Hilarijs huius Anni 1578. Scripta et edita à M. Valentio Schreckio. Inhalt der Comedien welche Lateinisch vnd Deudsch von der jugent auß der Pfarrschule zu S.Marien sind agiret worden In Faßnacht Dieses Jares 1578. Gedruckt zu Dantzig 1578.131 [Schreck war seit 1570 bis zu seinem Tod 1602 Professor an der Marienschule in Danzig] Englische Dramatisierungen durch Thomas Dekker, William Haughton und Henry Chettle: Patient Chrisil (aufgeführt um 1600, gedruckt 1603).

131 Alle sechs Zitate nach Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 375.



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Vielleicht ist auch das handschriftliche Bühnenfragment „Walther und Hildegunt“ (Österr. National-Bibl. Wien, Sig. Ms 13383) diesem Themenkreis zuzuordnen. Spätere Dramatisierungen von Friedrich Halm (1837) und Gerhart Hauptmann (1909). Auff.: 9. Juni 1626 in Dresden: Comoedia von der Crysella (Truppe Robert Reynolds). 1660 in Lüneburg: Tragico-Comoedia von der Ehelichen Liebe, wie die Eheliche Liebe recht gepfleget wird. 1671 in Torgau: Comoedia von der Crysella. 1683 in Ansbach: Die beständige Crisella (aus dem Teil-Repertoire der Eggenbergischen Hofkomödianten). 1695, 8. September in Wildberg (Schwarzwald), s.  o. Lit.: Bertelsmeier-Kierst, Christa: „Griseldis“ in Deutschland. Studien zu Steinhöwel und Arigo (= Germanisch-romanische Monatsschrift, Beiheft 8). Heidelberg 1988. Westenholz, Friedrich von: Die Griseldis-Sage in der Literaturgeschichte. Heidelberg 1888. Schröder, Carl: Griseldis. Apollonius von Tyrus. Aus Handschriften herausgegeben (= Mitteilungen der deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache, Bd 5). Leipzig 1873, S. VII–X und S. 1–21. Meyer, Reinhart: Bibliographia dramatica et dramaticorum, 2. Abt.: Einzeltitel, Bd 1, [1700], Tübingen 1993, S. 173–175 und 231–232, verzeichnet zahlreiche Periochen, die verschiedene Griseldis-Dramen und ihre Aufführungen belegen.

Von der Königin Esther und Hoffertigen Haman (Siehe „Von der Königin Esther“) Prinz Hamlet aus Dänemark (Siehe „Der bestrafte Brudermord“) Ein lustig Pickelherings Spiel / von der schönen Maria und alten Hanrey. In: Engelische Comedien und Tragedien. Schauspielsammlung 1620. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 523–555. (Bearbeitung in „Ludwig Achim von Arnim’s Schaubühne, Bd 1, Berlin 1813, S. 233–253: Der Hanrei und Maria vom langen Markte. Ein Pickelheringsspiel (Frei bearbeitet nach dem Altdeutschen (3 Aufzüge).

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Comoedia Sganarelle, Oder Der Hanrey in der Einbildung. In: Schau-Bühne, Teil 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 195–229. Vorlage dieses Possenspiels vielleicht Molière: Sganarelle ou le Cocu imaginaire (1660), oder Montfleury: L’école des jaloux ou le cocu volontaire (1664). Auff. 1673 in Dresden: Der freiwillige Hanrey (Paulsen- Repertoire Nr.  51. Nach Montfleurys „L’ecole des jaloux ou le cocu volontaire“.) 1679 Velthen-Verzeichnis in Heidelberg und Mannheim, Nr. 66: Le cocu imaginaire; und Nr. 67: Le cocu volontaire. Comoedia. Die Liebes-Geschicht dess Alcippe und der Cephise: oder Die Hanreyin nach der Einbildung. In: Schau-Bühne, Teil 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 231–261. Übersetzung des Lustspiels „Les amours d’Alcippe et de Céphise ou la cocue imaginaire“, vermutlich von Francois Doneau (vielleicht auch von Jean Donneau de Visé). Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra Bd 78). Berlin 1910, S. 335–339.

Harlequins Hochzeit. (1693) und Harlequins frühzeitiger und unverhoffter Kindtauffen-Schmaus. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13287) 63 + 2 siebenzeilige Strophen. Nach einem älteren verlorenen Druck. Neudruck von „Harlequins Hochzeit“ in Bolte: Die Singspiele der englischen Komödianten, Hamburg und Leipzig 1893, S. 148–166. (Varianten S. 39–40). Das Drama musicum „Kindtauffen-Schmaus“ wurde von Zarncke in den Berichten der k.sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, 1888, S. 115–131, veröffentlicht. In diesen Themenkreis gehört vielleicht auch das in der Forschungsbibliothek Gotha (Sig. Ch. B. 1588) erhaltene Bühnenmanuskript „Kindbetterin Stuben Oder Daß Curiose Gespräche von Frauens-Leutten in den Kindbetter Visiten. Christiania d. 19. December Anno 1736. [ausgestrichen: Hans Carl Braun]. Übersetzung der 1724 gedruckten dänischen Komödie „Barselstuen“ von Ludevig Holberg. Das Manuskript stammt aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof und gehörte der Spiegelberg-Truppe.



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Auff.: Weimarer Verzeichnis Nr. 130: kintbetts schmauß.

Lit.: Köhler, Reinhold: Harlekins Hochzeit und Goethes Hanswursts Hochzeit. In: Zeitschrift für deutsches Alterthum, Bd XX, Leipzig 1861, S. 119–126.

Der Lustige HARLEQUIN, wird vorgestellet in einem Singe-Spiel. Im Jahre 1693. Erhalten in einem Sammelband von Hamburger Opern. (Stadtbibl. Hamburg, Sig. SC a VII 1. B 3, Nr. 26) (Zitat nach Bolte: Singspiele der englischen Komödianten, S. 186). Aufführungen der beiden Harlequin-Spiele: Weimarer Verzeichnis Nr. 129 und 130: singente harlequin.kintbetts schmauß. 1734, 4. Februar, in Stockholm: Arlequins lustiger und singender Hochzeits-Schmauß als Nachkomödie. 1741, 8. Dezember, in Frankfurt (Wallerotty). 1742 / 1744 in Hamburg (Madame Schröder). 1748 / 1750 in Hamburg (Kuniger). Der Geitzige Harpagon (Siehe „L’Avaro“) Die Glücklich-wieder erlangte HERMIONE zu Ehren Der Durchleuchtigsten Fürstin und Prinzeßin / Prinzessin Eberhardina Ludovica, Hertzogin zu Würtemberg und Teck  /  Gräfin zu Mömpelgart  /  Herrin zu Heidenheim etc. Als dero Höchst-erfreulicher Geburts-Tag Den 11ten Monats-Tag Octobr. Anno 1700. höchst-feyerlich begangen wurde / In einem Sing-Spiel vorgestellet. Stuttgart / gedruckt und zu finden bey Paul Treuen / Hof und Cantzley-Buchdruckern. (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 21 Bü 635) Mit kurzer Inhaltsangabe. (Hat nichts mit der Hermione aus Shakespeares „Winter’s Tale“ zu tun, sondern variiert das Iphigenie-Thema: Pirrhus, der König der Insel Scirus, liebt Hermione, überlässt sie aber am Schluss großmütig ihrem Geliebten Orest, dem König von Theben.)132 Gottsched (Nöthiger Vorrath, 1757, S.  260) verzeichnet „Die glücklich wieder erlangte Hermione“. Hamburg 1695.

132 Sittard: Musik und Theater am Württembergischen Hofe, I, S. 278–280.

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Die wiedergefundene Hermione. In einer italiänischen Opera und angefügten Balletten Denen Anwesenden Hohen Zusehern zu Ehren Auf dem Fürstl. Wolfenbüttelschen Theatro gepraesentiret. Den II. Febuar. 1686. Textautor: Aurelio Aureli, Musik: Sigr. Giannettini („Ermione raquistata“). Wolfenbüttel 1686. (12 Bl., Rollenbesetzung, Prolog, Inhalt der 13 Szenen, Ballett. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 400).133 Auff.: 1686, 11. Feb., am Braunschweigischen Hof: Oper Die wiedergefundene Hermione. (Prolog, 3 Handlungen). 1694, 15. März in Nürnberg im Nachtkomödienhaus: Die glücklich wiedererlangte Hermione. (Gesellschaft Johann Sigismund Kusser.134 Das Textbuch der Nürnberger Vorstellung ist verschollen.) 1695 in Hamburg: Die glücklich wiedergefundene Hermione. Weimarer Verzeichnis Nr. 76: Die glücklich wider erlangte Hermione, singent. 1700, 11. Okt., in Stuttgart: Die glücklich wieder-erlangte Hermione (s.  o.) Tragica comoedia Hibeldeha. Von der Susanna, wie dieselbe von zweyen Alten, Ehebruchs halber, fälschlich beklaget, auch unschuldig verurtheilt, Aber entlich durch sonderliche schickung Gottes des Almechtigen von Daniele errettet, vnd die beiden Alten zum Tode verdammet worden. Von Herzog Heinrich Julius von Braunschweig. Wolfenbüttel 1593. Neudruck Magdeburg 1599. [Hibeldeha = Heinrich Julius Brunsvicensis Et Lunaeburgensis Dux Episcopatus Halberstadensis Antistes] Stoff der Bibelgeschichte von der schönen und keuschen Susanna aus dem Alten Testament, 13. Kap. des Buches Daniel. Frühe Bearbeitungen waren die „Susanna“ von Sixtus Birck (1532)135 und Paul Rebhuns „Geystlich spiel von der Gottfürchtigen und Keuschen Frauen Su­ san­nen“ aus dem Jahr 1536. Direkte Vorlage für Herzog Heinrich Julius von Braunschweig war vermutlich Nicodemus Frischlins lateinisches Schuldrama „Susanna“ von 1578.

133 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S. 352, N. 1713. 134 Zu Kusser siehe Hans Scholz: Johann Sigismund Kusser. Sein Leben und seine Werke. Leipzig 1911. – Ebenso Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002, S. 559–573. 135 Herausgegeben von Johannes Bolte (= Lateinische Litteraturdenkmäler des XV. und XVI. Jahrhunderts, Bd 8). Berlin 1893.



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Aufführungen in den Jahren 1558 (in Rostock)136 und 1592 (in Flensburg)137 zeugen davon, dass es sich dabei um einen beliebten und bekannten Theaterstoff handelt. Eine weitere Bearbeitung von Johann Beer: Triumph der Unschuld / in der Geschicht der keuschen Susannen abgebildet. Singe-Spiel, zum Geburtstag des Herzogs Albrecht von Sachsen aufgeführt am 27. Januar 1686. Coburg [1687]. Auff. (Spielansuchen) des „Susanna“-Stoffes: 1558 in Rostock: Komödie Von der Susanna. 1577 in Altdorf bei Nürnberg: Tragicomoedia Susanna (Schulaufführung des Akademie-Gymnasiums). 1592, 9. Feb., in Tübingen auf dem Marktplatz: Susanna von Sixt Birk. Tübinger Stipendiaten). Mai 1597 in Tübingen am Hof des Herzogs Friedrich (1593–1608), durch englische Komoedianten unter Thomas Sackville. (Herzog Friedrich entlohnte sie dafür mit 300 Gulden). 1602, 2. (oder 8.) September und 10. November, in Ulm: Vom Propheten Daniel, der keüschen Susanna und den zweien richtern in Israel (englische Comoedianten unter Robert Browne).138 1604 in Nördlingen: Von der kheuschen Susanna (Spielansuchen der Theerschen Truppe unter Prinzipal Eichelin; Abweisung am 20. Januar). 1606 in Nördlingen (Der Tragedist vnd Comedienspiller Peter Geyer bittet, die schöne vnnd geistliche comedy oder spill von der gotsförchtigen vnd keuschen, frommen frawen Susanna … aufführen zu dürfen. Abweisung am 26. Februar.) 1630, 26. Jänner, in Reval [heutiges Tallinn in Estland] in der Kanutigilde: Ansuchen des Puppenspielers Hanß Jacob Wigandt an den Revaler Rat, in dem er u.  a. „Die Geistliche Historia von der Gotsfurchtigen Zusanna“ ankündigt.139 Weimarer Verzeichnis Nr. 81: Die keusche sussana. Don Hieronymo, der tolle Marschalk aus Spanien (Siehe „Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel“) 136 A. W. Bärensprung: Versuch einer Geschichte des Theaters in Meklenburg-Schwerin – von den ersten Spuren bis zum Jahre 1835. Schwerin 1837, S. 6–7. 137 Eike Pies: Das Theater in Schleswig 1618–1839. Kiel 1970, S. 183, ebenso Kitching, Laurens P.A.: Die deutsche Wanderbühne in Reval zur Zeit der schwedischen Herrschaft, S. 26–27. 138 Nach Trautmann, Karl: Englischen Komoedianten in Ulm (1602). In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd 15, Leipzig 1887, Miscellen, S. 216–217. 139 Das zweiseitige Ansuchen ist abgedruckt in Kitching, Laurence P.A.: Die deutsche Wanderbühne in Reval zur Zeit der schwedischen Herrschaft. Dreizehn unveröffentlichte Suppliken aus dem Revaler Stadtarchiv 1630–1692. In: Maske und Kothurn, Bd 38/1, 1992, S. 17–46, hier S. 22–24.

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Türckisch-bestraffter Hochmuth oder das ANNO 1683 von denen Türcken belagerte und von denen Christen entsetzte WIENN . und Hans Wurst die kurzweilige Salve-Guarde des Frauen-Zimmers, lächerlicher Spion, und zum Tode verdamter Mißethäter. (Wienbibliothek, Sig. Ic 149539) 2°, 43 Bl. Abgedruckt in Brukner, Fritz: Türkisch bestraffter Hochmuth. Innsbruck/ Wien 1933. Neudruck in: Dichtung aus Österreich, Drama, hg. von Heinz Kindermann und Margret Dietrich, Wien/München 1966, S. 84–115. [Unter Kaiser Leopold I., 1658 bis 1705, drangen die Türken 1683 bis Wien vor, wo sie von Sobiesky entscheidend geschlagen wurden.] Auff.: Vermutlich 1685 und/oder 1689 in Danzig durch die holländische Compagnie Comedianten unter Jacob Sammers. Weimarer Verzeichnis Nr. 62: Der Endsaz wien, in östereich und grose niderlag der tircken 1683. (Unabhängig vom deutschsprachigen Drama gab es auch ein 1689 von der holländischen Sammers-Truppe in Danzig mit herrlichen Praesentationen auf­ geführtes Stück zu diesem Thema: Het beleg en ontzet van Weenen. (Druck 1684) 1685 komponierte der Jesuitenpater Scherer eine „Comedi Austria armata“, die nach dem entßatz Wienn zu nachts Von dem Collegio in München in gegenwarth Ihro Churfrstl. Drch. Maximiliani etc. offentlich producirt und geßungen worden. (Staats­ bibliothek München, Cod. bav. 3169). Lit.: Sauer, August: Vier dramatische Spiele über die zweite Türkenbelagerung aus den Jahren 1683–1685. (= Wiener Neudrucke, Bd 8). Wien 1883–1886. Brukner, Fritz: Türckisch-bestraffter Hochmuth oder das anno 1683. von denen Türcken belagerte und von denen Christen entsetzte Wienn und Hanns Wurst die kurzweilige Salve-Guarde des Frauen-Zimmers, lächerlicher Spion und zum Tode verdamter Miße­ thäter. Die Haupt- und Staatsaktion des Josef Anton Stranitzky. Innsbruck/Wien/München 1933.

(Siehe auch „Kurtzer Inhalt von der Belagerung und Entsatz von Wien“ und „Cara Mustapha“.) Von der hebraeischen Judith und dem Holoferne. (Siehe: „Von der hebraeischen Judith“)



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Ibrahim [Bassa]. von dem damals wahrscheinlich erst fünfzehnjährigen Daniel Casper von Lohenstein. Entstanden 1650; Erstdruck 1653, Erstaufführung im Breslauer Magdalenengymnasium. Quelle: Philipp von Zesens „Ibrahims oder Des Durchleuchtigen Bassa Und Der Beständigen Isabellen Wunder-Geschichte“, 1645 in Amsterdam erschienene Übersetzung des Romans von Madeleine de Scudéry: Ibrahim ou l’illustre Bassa, 4 Bde, 1641. – Lohenstein Drama hat statt der glücklichen Lösung im Scudéry-Roman einen tragischen Schluss. Sein Drama war nicht erfolgreich. Abgedruckt in Tieck: Deutsches Theater, Bd 2, Berlin 1817, S. 275–344; ebenso in Tieck: Deutsches Theater, Theil 3, Wien 1822, S. 273–383. Spätere Bearbeitungen: 1677 von dem Engländer E. Settle, 1684 von A. A. von Haugwitz, 1686 von einem Heidelberger Anonymus, 1689 wurde im Gymnasium zu Lesna eine polnische Bearbeitung gespielt. Weitere Auff.: Auf dem Spielplan der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten (= Truppe des Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz), als sie 1667 in Mannheim am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz spielten: Nr. 10 Von dem christl. Bassa Ibrahim. 1667, 25. Juli, in Nürnberg. Tagebucheintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie vom Ibrahim.140 1669, 5. September, in Danzig (Paulsen-Truppe):Von Ibrahim Bassa und der Isabellen, welche wol anzusehen war. (Den Inhalt erzählt der Danziger Ratsherr Georg Schröder in seinem Tagebuch.141) (Siehe dazu „Der Trew- vnd Tugend-Sieg“) Ibrahim Sultan. von Daniel Casper von Lohenstein. Leipzig und Breslau 1673 und 1708, ebenso Frankfurt und Leipzig 1679. Lohenstein widmete sein letztes Schauspiel dem österreichischen Kaiser Leopold I. zu dessen zweiter Hochzeit 1673 in Graz. (Eine Aufführung kam, vermutlich aus politischen Gründen, nicht zustande). Gottsched vermerkt dazu in seinem „Nötigen Vorrath“ (S. 233): Dieß Stück ist beym Beylager Kaiser Leopolds mit Claudia Felicitas zuerst ans Licht gestellet, und beyden zugeschrieben worden. Der Grund dazu ist aus der türkischen Geschichte genommen. 140 Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, Teil 1, S. 304. 141 Abgedruckt in Bolte: Danziger Theater, 1895, S. 104.

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Hist.krit. Neuausgabe von Klaus Günther Just (= Bibliothek des literarischen Vereins. Stuttgart, Bd CCXCII). Stuttgart 1953. Schau-Spiel. Ibrahim Sultan oder Der Christliche Türcke. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 15077) 4°, 100 Seiten. Wiederholung des Titels auf pag. 3: Der Liebes Rebelle Ibrahim Sultan und Der Christliche Türcke. (Motiv aus dem 1645 von Zesen verdeutschten Scuderyschen Roman „Ibrahim Bassa“. Auch von Lohenstein bearbeitet.) Aufführung: 1673 in Wien: Ibrahim Sultan in einem Musikalischen Schauspiel Bey Vermählung Kays. Maj. Leopoldi I. mit Claudia Felicitas, Erzherzogin von Österreich usw. auffgeführt. Anno 1673.142 1686 am Heidelberger Hof. Irrgarten der Liebe (Siehe: „Der beklägliche Zwang“) Isabell und Ibrahim (Siehe „Trew- und Tugend-Sieg“) Isabella, Spirito Voletto. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1616) 11 Bl. in 4°, zierliche Schrift. Einband: brauner Lederrücken, gelbes Papier (um 1730). Handschriftliches Szenar mit Inhaltsangabe der fünf Akte, vermutlich zum Improvisieren vorgesehen. Manuskript der Spiegelberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Ähnlichkeit mit dem Szenar „Columbine“ (Forschungsbibliothek Gotha, Cod. Chart. A 1187,4) Freie Bearbeitung von Calderons Komödie „La dama duende“, Aufführung 1629, gedruckt 1636, die in Frankreich, Italien, Holland, Schweden und Deutschland mehrere Bearbeitungen auslöste:143 1641 erstmals für die Pariser Bühne bearbeitet von Antoine Le Métel D’Ouville: L’esprit folet. Paris 1642. (= Vorlage für die holländische Bearbeitung von Adriaen Pey: De nachtspookende Joffer, 1670.) 142 Schwarzbeck, Friedrich Wilhelm: Ansbacher Theatergeschichte bis zum Tode des Markgrafen Johann Friedrich (1686). Emsdetten 1939, S. 111. 143 Die folgenden Angaben nach Bolte: Von Wanderkomödianten, S. 465, Anm. 1.



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Zweite französische Bearbeitung von Noel le Breton de Hauteroche: L’Esprit Folet ou La dame invisible, Paris 1684. (Deutsche Bearbeitung durch Friedrich Wilhelm Gotter: Das unsichtbare Frauenzimmer). Vermutlich direkt auf Calderon bezieht sich die zweite holländische Bearbeitung von Lodovijk Meijer: Het spookend Weruwtje, Amsterdam 1677. (Deutsche Übersetzung von Adam Gottfried Uhlich: Der Furchtsame und die Spookende Witwe, abgedruckt in seiner „Zweyten Sammlung neuer Lustspiele“ aus dem Jahr 1747). Italienische Bearbeitungen: „La Donna Demonio“ (französischer Titel: Arlequin persécuté par la Dame invisible, 1667 und 1716 in Paris aufgeführt). „La Dama Frullosa“ von Teodoro Amideno, Bologna 1678. Arcangelo Spagna: La dama folletto ovvero Le larve amorose, Bologna 1684. Außerdem besitzt die Österreichische Nationalbibliothek Wien (Cod. 13614, Suppl. 1258) das wahrscheinlich um 1760 niedergeschriebene umfang­reiche Szenarium „Die unsichtbahre Dame, in 7. Persohnen“ von der Baadnerischen Gesellschaft deutscher Schauspieler, eine Bearbeitung nach D’Ouvilles „Isabel“, mit freien zusätzlichen Hanswurst-Szenen (Colombina ist hier D’Ouvilles Isabel). Schindler nennt als Verfasser des Szenars Karl Richter, den Schauspieler der Menningerschen Gesellschaft. (ebenso Goedeke: Grundriß zur Geschichte der deutschen Dichtung, Bd 5, Abt. 2, Dresden 1893, S. 343). Abdruck des Szenars bei Otto Schindler: Calderons ‚Dame Kobold’ aus dem Stegreif. In: Maske und Kothurn, Jg 15, S. 325–341). Der dazugehörende Theaterzettel (ÖNB, Theatersammlung W 636/50541): „Lo Spirito folleto Amoroso, O vero: La dame Insible, Das verliebte Gespenst, Oder Die unsichtbare Dame, Und Hannswurst, Der von Colombina, als einem erdichteten Teufel glücklich gemachte Liebhaber. Sonst genannt: Die verliebte Schwermerey Unter denen geglaubten Gespenstern. Eine Piece, welche sowohl in der Erfindung, Verwicklung, und Lustbarkeit des Hannswurst nebst Colombina alles Genugthuen geben wird. – Den Beschluß macht ein lustiges Nachspiel“. (Schindler, S. 329). Weitere deutsche Bearbeitung des „Dama duende“-Themas in der ÖNB unter dem Titel „Dame Kobold“: Dame Kobold oder Drei Abende in Madrid. Lustspiel in vier Akten. (Handschrift in der Österr. Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13773). Mindestens sechs deutsche Bearbeitungen im 19. Jahrhundert, im 20. Jahrhundert durch Hugo von Hoffmannsthal (1918) und 1969 durch H. C. Artmann u.  a.

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Auff.: (haben wenig Gemeinsames mit Calderons ursprünglichem Werk): 1669 in Danzig (Prinzipal Carl Andreas Paulsen): Comedia vom Liebes-Gespänste. 1721 in Hamburg: „Spirito folletto, der durch 19malige Verstellung den untreuen Liebhaber Horatio verfolgende Poltergeist der Isabella, mit Arlequin, einem von Geistern überall geplagten Passagier. (Truppe Hoffmann). Ende 1730 am Wiener Kärntnerthor-Theater: Comoedie betitult: Die unsichtbare, und unbekannte Liebhaberin. 1733, 5. Dezember, in Stockholm: Isabella Spirito Foleto. (hochdeutsche Komödianten unter J. C. Kreutzer). 1742 und 1755 in Frankfurt: Lo Spirito Foletto, oder Angiola der verliebte Polter-Geist (Truppe Wallerotty). 1745, 22. Januar, in Königsberg: Der Poltergeist (Schönemann). 1746 in Stuttgart: Lo Spirito Foletto, der flüchtige Polter-Geist. Um 1753 in Riga: Lo spirito folletto cantando, Der singende Poltergeist, oder die weibliche Untreue. Lit.: Schindler, Otto Gerhard: Calderons ‚Dame Kobold‘ aus dem Stegreif. Ein Szenarium der „Baadnerischen Gesellschaft deutscher Schauspieler“. Mit Faksimile. In: Maske und Kothurn, Bd 15, Heft 4, 1969, S. 326–341.

(Siehe auch „Dame Kobold oder Drei Abende in Madrid“) Jacobs doppelte Heyrath. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 3893-A.Alt Mag und Sig. 628990-A.The) von Christian Weise. Dresden 1683. In: Zittauisches Theatrum / Wie solches anno 1682 praesentiret worden. Bestehende in drey unterschiedenen Spielen / 1. Von Jacobs doppelter Heyrath. 2. Von dem Neapolitanischen Rebellen Masaniello. 3. In einer Parodie eines neuen Peter Squenzen von lautern Absurdis Comicis. Zittau 1683. Aufführung am 10. Feb. 1682. (317 Seiten, Inhalt Personen, Vorspiel, 5 Handlungen, Geliebter Leser (S. 50–53), Noten der Gesänge, zum Teil mehrstimmig und mit Instrumenten (S. 138, 139, 236–317), Komponistenvermerk J. K. (= Johann Krieger) S. 236. Zweitdruck in: Zittauisches Theatrum, wie solches anno 1682 praesentieret worden, Teil 1, Dresden 1699. (Thüringer Univ. und Landesbibl. Jena, Sig. 8 Art.Lib.XIV, 49(1), und Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Lo 7879). Neudruck in Weise: Sämtliche Werke, hg. von John D. Lindberg, Bd 4, Berlin 1973, S. 1–249. Dazu das Einladungsprogramm zur Aufführung in Zittau 1682. (Univ.- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt, Halle, Sig. Pon Ye 5235, FK).



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Auff.: 1679 am kurpfälzischen Hof in Heidelberg. Repertoire Velthen Nr. 20: Die verwechselte Brauth und der betrogene Bräutigam Jacob. 10. Februar 1682 auf dem Zittauischen Theatrum. Weimarer Verzeichnis Nr. 13: Der bedrogene Jacob, mit seinen beyden breiten rahel und lea. Der Unerschrockene Jäger oder Der resolvirte Keyserl. Printz Maximilianus. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13159) 4°, 22 fol. unpaginiert. Zusatz in anderer Schrift: oder Arlequin ein Kurtzweiliger Briefträger und närrischer Schäfer-Capitain. (Zwei verschiedene Schreiber, offenbar aus zwei Stücken zusammengesetztes Drama; mit Angabe der Rollenbesetzung) Auff.: Weimarer Verzeichnis Nr. 141: Maximilian stadhalter in spanien. Die Zuruckkunfft, deß Jason mit dem guldenen Fluß. Auß dem Welschen in das Teutsche übersetzt von Johann Albrecht Rudolph. Wien: Cosmerovio 1678. Übersetzung eines italienischen Spiels von Niccolo Minato (La conquista del vello d’oro. Vienna 1678). Nat.Bibl. Wien, Sammlung alter Handschriften und Drucke, Sig. 4631-A. Alt.Mus. Comoedia genandt: Der durchläuchtige Schiffadmiral Jason oder Das bezaubert guldene Fließ. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 351 – 400) (um 1680) 3 Akte, 10 Personen (der 3. Akt hat 24 Szenen!) Papier mit Krumauer Wasserzeichen. Dieselbe Schrift wie das „Andronicus“-Manuskript in der Stadt-Bibliothek Wien (Ja 38589, fol. 318 – 350). Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/1, Berlin 1999, S. 423 – 505. Es handelt sich stofflich nicht um die „Tragödie von Jason und Medea“, eine Bearbeitung von Jan Vos, oder Corneilles „Médée“ (1635), gespielt von der Velthen-Truppe am 24. März 1678, sondern um die dialoggetreue Prosaübersetzung von Andrea Cicogninis „Giasone. Dramma recitato“, Musik von Francesco Cavalli, Venedig 1649. Der Krumauer Schreiber hatte die Vorlage von Monsieur Johann Adolph Eck aus Frankfurt am Main erhalten. Dessen Oper war 1650 oder 1652 in Wien aufgeführt worden. Friedrich Christian Bressand schrieb und der fürstliche Kapellmeister zu Wolfenbüttel, Monsr. Cousser, komponierte das Singspiel: Jason auf dem Braunschweig. Schauplatz vorgestellet im Jahr 1692, Braunschweig / Helmstädt 1692. Gewidmet

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der Frauen Christinen Charlotten zu Ost-Frießland. Braunschweig 1692. 78 Seiten, Widmung, Vorbericht, Personen, Szenarium, 5 Handlungen. (Niedersächs. Staats- und Univ.Bibl. Göttingen, Sig. 8 P Germ III, 1160; Univ. und Landesbibl. Halle, Sig. 67 A 4295; Niedersächs. Landesbibl. Hannover, Sig. Op. 1,51; Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Textb. 389). Gottsched (Nöthiger Vorrath, S. 255) und Goedeke (Grundriß, Bd  III, S.  229) verzeichnen ein Singspiel „Jason“, Braunschweig 1692, Weißenfels 1695 und Braunschweig 1722. 1695 hat L. Postel die fünf Handlungen von Bressands Singspiel für die Hamburger Oper auf drei gekürzt. Postels Bearbeitung wurde die direkte Vorlage des folgenden Wanderbühnenstücks: Jason und Medea. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1634) 24 Bl. 4°; Einband: gelbes Papier. Drei Akte in Prosa und Versen. Handschrift der Spiegelberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Direkte Vorlage: Postels Bearbeitung von Bressands Singspiel „Jason“ aus dem Jahr 1695. Die Unglückliche Liebe Des Tapffern Jasons: Jn einem Singe-Spiel / Auff Dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet. Hamburg 1695. [Staatsbibl. Berlin, Sig. 4°@Yp 5222 und 4°@Mus.T 3020-II.3, Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. 14,5:75 (c), Universitätsbibl. Greifswald, Sig. 520/Bm 225 adn 7] Für das Jahr 1695 verzeichnet Gottsched (Nöthiger Vorrath, S. 260) die Opern „Medea“ und „Die unglückliche Liebe des tapfern Jasonis“ und „Jason“. Dasselbe Singspiel wurde 1698 mit Kussers Musik auch in Stuttgart aufgeführt: Die unglückliche Liebe des Tapfern Jasons. In einem Sing-Spiel, Auf dem Hoch Fürstl. Württ. Schau-Platz vorgestellet. In 3 Handlungen mit 21 Auftritten und einem Prologus. Mit einem Kupfer von G. Ehlinger. Die Musik von Cousser. Das Singspiel ist vom Dichter F. C. Bressand der Fürstin zu Ostfriesland, Christine Charlotte, geb. Herzogin von Württemberg, gewidmet. Die Oper enthält 59 Arien und 6 Chöre.144

144 Josef Sittard: Musik und Theater am Württembergischen Hof, Bd 1, S. 260 – 265.



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Im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Bestand A 21, Bü 593) sind die Textbücher zu den Singspielen: „Jason“ aus dem Jahr 1698, und „Die unglückliche Liebe des tapferen Jason“, aufgeführt am 7. Nov. 1700, erhalten. Jason Oder Die Eroberung des Güldenen Flüsses. In einem Singe-Spiel vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro. Musik und Übersetzung: Georg Kaspar Schürmann, italienischer Text von Flaminio Parisetti: Giasone overò Il conquisto del vello d’oro. Braunschweig 1713. 38 Bl., Personen, Szenarium, 3 Handlungen, Arien mit italienischem und deutschem Text. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 683).145 Das Libretto „Jason, oder Die Eroberung des güldenen Flüsses / Jn einem musicalischen Schau-Spiel auf dem Hamburgischen Theatro vorgestellet im Jahr 1720“ dokumentiert eine deutscheAufführung von Cicogninis „Giasone“ mit der Musik von Reinhard Keiser. Das von Jason eroberte Güldene Flüss. In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Laurentii-Messe 1722. (Die Musik ist bis auf wenige Arien komponiert von Georg Caspar Schürmann. Text von Flaminio Parisetti: Giasone overò Il conquisto del vello d’oro; übersetzt vermutlich von Schürmann). Wolfenbüttel 1722. 26 Bl., Rollenbesetzung, Szenarium, 3 Handlungen, Arien mit deutschem und italienischem Text. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 517). Auff. des Jason-Stoffes: 1678 in Wien: Die Zuruckkunfft deß Jason mit dem guldenen Fluß (s.o.) Jänner 1684 in Nürnberg zur Einweihung des neuerrichteten Hoftheaters „Das von Jason durch Hülffe der Medea eroberte Güldine Fließ“.146 1692 in Braunschweig „Jason“ von Bressand/Cousser (s.o.). 1695: „Medea“ und „Die Unglückliche Liebe Des Tapffern Jasons“, und „Jason“ (s.o.). 1698 in Stuttgart „Jason“(s.o.). 1700, 7. November, in Stuttgart: „Die unglückliche Liebe des tapferen Jason“ (s.  o.). Weimarer Verzeichnis Nr. 144: Jason und Medea, und Nr. 145: auff andere manir.

145 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S. 199, Nr. 966. 146 Paul, Markus: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts, Tübingen 2002, S. 505.

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Am 14. November 1702 rühmt sich der Puppenspieler Johann Hilverding in Lüneburg, mit seinen eineinhalb brabantische Ellen langen Figuren und Dekorationen über fünfzig Komödien spielen zu können, darunter „Jason und Medea“. 1713 in Braunschweig: Jason oder Die Eroberung des goldenen Flüsses (Textbuch s.o.). 1720 in Hamburg: Jason oder die Eroberung des goldenen Flüsses. 1722 in Braunschweig: Singspiel „Das von Jason eroberte Goldene flüss“ (s.o.). 1722 in Weißenfels: Jason. (Siehe dazu die Comedia „Die rasende Medea“, die aber einem anderen Themenkreis angehört.) Jemand und Niemand. (Siehe „Niemand und Jemand“) Tochter-Mord, welchen Jephtha unter dem Vorwande eines Opffers begangen hat. Den 13. Feb. M DC LXXIX. Auff der Zittauischen Schaubühne vorgestellet / Durch Christian Weisen. Dreßden/Zittau 1680. (Musik: Moritz Edelmann) [Zweite Auflage Dresden 1690] 192 Seiten, Personen, 5 Handlungen, Geliebter Leser, S. 152 – 192 Noten der zum Teil mehrstimmigen und instrumental begleiteten Gesänge. (Univ.- und Landesbibl. Jena, Sig. 8 Art.lib. XIV, 47; Sig. 8 Art.lib. XIV, 48; Sig. 8 Art.lib. IV, 57; und in der Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. 0 9: 226;Sig. 0 9: 228 (b); auch in der Herzog Karl August Bibliothek Wolfenbüttel, 466 Qu N (2).147 Auch verzeichnet bei Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 244. Achtseitige Einladungsschrift zu dieser Zittauischen Aufführung (mit einem Entwurf der Handlungen und Auftritte), Zittau 1679. (Univ. und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle, Sig. Pon Ye 5228, FK) Das Thema stammt aus dem alttestamentlichen Buch der Richter, Kap. 11, 30 – 39, und wurde schon im 16. Jahrhundert als Meistersinger-Drama aufgeführt. (Hans Sachs: Der Jepte mit seiner Tochter. 1555). Als Hans Sachs-Plagiat ist es in der Handschrift des Nördlinger Schulmeisters Johann Zihler in der Dresdener Bibliothek (Sig. M 217, Bl. 98b – 116b)

147 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S. 328, Nr. 1600.



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unter dem Titel „Tragedia mit 13 persohnen zu agiern, der Jephte mit seiner dochter, hat 3 act[us]“ erhalten. (Es fehlt die zweite Hälfte des letzten Aktes).148 Darauf folgende Bearbeitungen: Die lateinische Tragödie des Schotten Georg Buchanan (1554) wurde 1569, 1571, 1604 ins Deutsche übersetzt. Jakob Baldes „Jephtias“ wurde 1637 in Ingolstadt uraufgeführt (Druckausgabe 1654). 1659 erschien das Drama des Holländers Joost van den Vondel. Auff.: 1637 in Ingolstadt: „Jephtias“ von Jakob Balde 13. Februar 1679 in Zittau (Schulaufführung durch Christian Weise s.  o.). Weimarer Verzeichnis Nr. 139: Der seine tochter opfferente held Jephta. Am 12. Juni 1665 wird das Thema von Jephthas Tochter auf die Bühne des Breslauer Jesuitentheaters gebracht („Incruenta Hostia Unigeniti DEI Filii adumbrata in cruento Jepthe Sacrificio“).149 1679, 13. Feb. in Zittau: „Tochter-Mord“ von Christian Weise (s.  o.) 1685 in Kronstadt/Siebenbürgen: Die traurige Geschicht vom Jephta, wie er sein eigene Tochter Thamar geopfert, wie er gelobet hat Gott. (Schuldrama)150 Comoedia von Jeronimo, Marschalck von Hispanien Handschrift um 1660. Überliefert in einem wahrscheinlich aus Österreich stammenden Bühnenmanuskript des späten 17. Jahrhunderts. Das Wasserzeichen der ersten Lagen der Handschrift zeigt den kaiserlichen Doppeladler mit Krone und Kreuz. Erstdruck der Handschrift als Reprint mit Übertragung durch Willi Fleming, 1973.151 Die deutsche „Jeronimo“-Komödie ist eine Prosabearbeitung eines anonymen niederländischen Trauerspiels in Alexandriner-Reimpaaren, Erstdruck 1638: Don Jeronimo, Marschalck van Spanjens (mit mindestens 10 Auflagen), dessen Vorlage A.v. den Berghs „Jeronimo“ gewesen sein dürfte (s.  u.).

148 Trautmann, Karl: Die dramatischen Dichtungen des Nördlinger Schulmeisters Johann Zihler. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd XIII, Leipzig 1885, S. 429 – 433. 149 Nach R. J. Alexander: Zum Jesuitentheater in Schlesien: Eine Übersicht. In: Funde und Befunde zur Schlesischen Theatergeschichte, Bd 1, zusammengestellt von Bärbel Rudin, Dortmund 1983, S. 56. 150 Nach Karl Kurt Klein: Shakespeare in Siebenbürgen. In: Siebenbürgische Vierteljahrsschrift, Jg 61, 1938, S. 236  f. 151 Siehe dazu Willi Flemming [Hg]: Jeronimo, Marschalck in Hispanien. Das deutsche Wandertruppen-Manuskript der Spanish tragedy. Mit Erläuterungen und einer Abhandlung. Nachdruck der Handschrift um 1660. Hildesheim, New York 1973.

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1621 verfasste Adrian van den Bergh einen „Jeronimo“, der in Utrecht in nur einer einzigen Auflage erschien und am 6. Mai 1621 dort aufgeführt wurde. Vorlage war wahrscheinlich nicht Kids Spanisches Drama, sondern eine Version der Englischen Komödianten. Berghs Schauspiel steht aber in keiner Beziehung zum deutschen Manuskript. Der tolle Marschall aus Hispanien oder Rach gegen Rach. Breslauer Ankündigungszettel, überliefert im Antiquarischen Verzeichnis von Ernst Carlebach, Nr. 211: Theater und Musik. Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1039. [Der Nebentitel „Rach gegen Rach“ ist derselbe wie in „Titus und Aran“, hat aber nichts mit jenem Greueldrama zu tun.] Eine weitere Bearbeitung des Themas durch Caspar Stieler (Bellemperie. Jena 1680) geht ebenfalls auf den spanischen „Kid“ in seiner anonymen niederländischen Version zurück. Gottsched verzeichnet in seinem „Nöthigen Vorrat“, S. 244, die Oper „Ballemperie ein Trauerspiel des Spaten“ [= Caspar Stieler]. Jena 1680. Auff.: 1621, 6. Mai, in Utrecht: Jeronimo (holländ. Schauspiel des van Bergh). 1626, 28. Juni, in Dresden: Tragoedia von Hieronymo Marschall in Spanien (Robert Reynolds). 1638 auf der Amsterdamer Schouwburgh. 1651 in Prag: Von dem jämmerlichen und niemals erhörten Mord in Hispania. 1660 in Lüneburg: Von Don Hieronimo, Marschalk in Spanien. 1666 im Repertoire des Daniel Treu in Lüneburg, Nr. 13: Von Don Hijeronimo, Marsalck in Spannien. 1680, 23. August, in Bevern: Der dolle Marschalck aus Spanien (Elenson-Truppe). 1682, 3. Oktober, in Meiningen: … ad mandatum Bernhardi ducis Bellemperie tragoedia feliciter in curiae parte superiore per XIV discipulos“. (Schöppach: Geschichte der lateinischen Schule zu Meiningen bis 1705. Programm Meiningen 1843, S. 31). Weimarer Verzeichnis Nr. 29: Der tolle marschalck aus spanien. (Siehe dazu „Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel, vnd seiner Tochter Pelimperia, mit dem gehengten Horatio“, ebenfalls eine Bearbeitung von Kids „Spanish Tragedy“ nach einer niederländischen Version.) Die Verstörung Jerusalem. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13930) In zwei Teilen: Die Eroberung des Tempels.



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Die Eroberung der Burg Zion. In einem Sing-Spiel vorgestellet. Gedruckt im Jahr 1693. [Es handelt sich jedoch um ein einziges Manuskript.] 11 persohnen der Römer, 5 der Juden, In Machinen: Endymion, Diana, Ihr Gefolg, Providentia, Fama. Das gedruckte Singspiel (Text: Christian Heinrich Postel, Musik: Johann Georg Conradi), Hamburg 1692 (1. Teil) und ca. 1695 (2. Teil), geht wahrscheinlich auf eine italienische Vorlage zurück; keine Beziehung zu Vondels „Hierusalem verwoest“ (1620). – Exemplare in der Herzog Karl August-Bibliothek Wolfenbüttel, Staats- und Universitätsbibl. Hamburg, Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar. Theaterzettel der Pragerischen Gesellschaft in Ulm, vor Februar 1753: Die gemäß der Weissagung des Propheten Jeremiä erfolgte Zerstöhrung der Stadt Jerusalem, Oder: Die gerechte Rache des Himmels wider die blßhafften Israeliten, Und die schmertzafte Wahl der Königin Athaliae, Da ihr frey gestellet wird: Den Vater, den Gemahl, oder den Sohn bey dem Leben zu erhalten, die andern aber dem Tod zu überlieffern. Mit Inhaltsangabe und Personenverzeichnis. (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 027). (Siehe dazu: Gottfriedts von Boullion Herzogs von Lothringen Erster theil Betreffende das von Soliman dem Türckischen Kayßer Zerstöhrte durch die Christl. Waffen erobertte Jerusalem.) Auff.: 1666 in Lüneburg (Repertoireliste des Daniel Treu, Demonstratio actuorum, Nr.1). Weimarer Verzeichnis Nr.  41: Die von Nebucatnezar zerstörte stadt Jerusalem. (Wahrscheinlich nicht nach Vondels Vorlage, da in dessen Stück die Zerstörung Jerusalems durch Titus Vespasianus erfolgt). 1748, 2. September, in Nürnberg: Die Zerstöhrung Jerusalem in Dem gestürzten Hochmuth des Zedechias Königs in Israel. Oder: Der tyrannisirende Hochmuth in Nebucadnezar König in Babel.152 (Theaterzettel der Kurbayrischen Komödianten unter Johann Schulz; im Germanischen Museum Nürnberg, Sig. 2° L. 1313w Schulzesche Gesellschaft 1748, Nr. 16.). Vor Februar 1753 in Ulm: Die gemäß der Weissagung des Propheten Jeremiä erfolgte Zerstöhrung der Stadt Jerusalem (s.  o.) Der lächerliche Printz Jodelet. (Siehe: „König von Neapolis oder Printz-Pickelhering“) 152 Zitat nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, S. 362.

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Geistliches Hirten-Spiel Von dem Sünd-bereuenden Johannes de Beremond auf öffentlichem Schau-Platze  /  In der Weltberühmten Kayserlichen freyen ReichsStadt Nürnberg. Von einer Gesellschaft Hochteutscher Comoedianten vorgestellt / Den 13. Oktobr. Anno 1668. (Einziges Exemplar in der Staatsbibliothek Berlin, Sig. Yq 6881) Überliefert ist dieses Schäferspiel nur in einer Vorankündigung (Personenverzeichnis, Einführung und Szenar). Das Stück steht in der Nachfolge des „Geistlichen Waldgetichtes“ von 1640153 und von Harsdörffers „Seelewig“ (1644)154 und erinnert inhaltlich an die „Mirantische Mayen-Pfeiff“ des Laurentius von Schnüffis: Eingefügt in eine weltliche Liebesgeschichte. In der dritten Szene erscheint die göttliche Liebe in Gestalt des Schäfers Amyntas und zeigt auf, was er um der Menschen willen alles gelitten hat. Johannes, als Prototyp des Menschen, bittet um Vergebung der Sünden. Auff.: 13. Oktober 1668 in Nürnberg (Truppe des Michael Daniel Treu).155 (Vielleicht hat in Treus Truppe der später berühmteste Prinzipal Johannes Velthen mitgespielt.)156 Lit.: Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit. Deutsche Schäferspiele des 17. Jahrhunderts, dargestellt in einzelnen Untersuchungen (= Arbeiten und Editionen zur Mittleren Deutschen Literatur, Neue Folge, hg. von Hans-Gert Roloff, Bd 2). Stuttgart/Bad Cannstatt 1998, S. 243–304. 153 Breslau 1637 anonym ins Deutsche übersetzt: „Ein gar schön Geistliches Waldgedicht / genannt die glückseelige Seele, auß zierlichem Welsch / in gemeines Teutsch gebracht / ibid [Eintragung im Messkatalog von Leipzig/Frankfurt, zur Michaelsmesse 1640]. Übersetzung des 1609 in Rom erschienenen geistlichen Schäferspiels „L’Anima Felice: Favola Boscareccia, et Spirituale“ von Nicolò Negri. (Thema: Der Entschluss der Seele für den Himmel. Weg der Schäferin Anima zu ihrem Bräutigam Jesus Christus und ihre Versuchung durch die Anfechtungen der weltlichen Genüsse, mit denen sie ihr Freund, der Hirte Senso, konfrontiert.) Siehe dazu Caemmerer, Christiane: Das „Geistliche Waldgetichte: Die glückseelige Seele“ von 1637 und seine Quelle. In: Daphnis, Bd 16, 1987, Teil 4, S. 665–678. 154 Harsdörffer, Georg Philipp: Seelewig. In: Frauenzimmer-Gesprächspiele, IV. Teil, 2. Auflage Nürnberg 1644. Reprint hg. von Irmgard Böttcher (= Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, Bd 16) Tübingen 1968, S. 44–209 und S. 533–666. Aufführung 1654 am Wolfenbütteler Hof anlässlich des 75. Geburtstages des Herzogs August von Braunschweig-Wolfenbüttel (Musik von Staden). Erhalten sind zwei Drucke des Librettos. (Siehe dazu Joseph Leighton: Die Wolfenbütteler Aufführung von Harsdörffers und Stadens „Seelewig“ im Jahr 1654. In: Wolfenbütteler Beiträge, Bd 3, 1978, S. 115–128.) 155 Siehe dazu die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, Bd 1, S. 346, Anm. 1; und S. 401, Notiz vom 12. Oktober 1668: Die letzte Comoedie von Joh[ann] de Piemont vid[i]. (Siehe auch Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit, 1998, S. 286–288.) 156 Hampe, Theodor: Die Entwicklung des Theaterwesens in Nürnberg, S. 213 und S. 215–216.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Heyliger Johannes von Nepomuk (Siehe „Die Glorreiche Marter“) Der von seinen Brüdern verfolgte und in Egypten verkauffte Joseph. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1630) 1 Bl.+ 112 S., 4°, Einband: brauner Lederrücken, gelbes Papier. Fünf Akte in Prosa. 16 Personen: außer Jacob und seinen Söhnen noch Gehasi, Kedar und Eleasar. Handschrift der Spiegelberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Angebunden ist das folgende Stück: Der erhöhete Joseph. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1630) 1 Bl. + 94 S., 4°, Fünf Akte in Prosa. 13 Personen, zusätzlich die Namen der Schauspieler, teils in doppelter Besetzung. Im Stil von Christian Weises Schulkomödie „Der keusche Joseph“, die die Geschichte von Joseph und Seres, der Gemahlin Potiphars, und die Belohnung Josephs durch Pharao verarbeitet (1. Buch Moses, Genesis 39–41). Abgedruckt in Christian Weises „Lust und Nutz der spielenden Jugend“, Dresden und Leipzig [1690]. Vondel schrieb 1635 bis 1640 drei Joseph-Spiele, es besteht jedoch keine Übereinstimmung mit den beiden Wanderbühnendramen. Lit.: Weilen, Alexander von: Der ägyptische Joseph im Drama des XVI. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur vergleichenden Litteraturgeschichte. Wien 1887. [Hingewiesen sei noch auf die informative Besprechung dieses Buches durch Hugo Holstein in der Zeitschrift für Vergleichende Litteraturgeschichte und Renaissance-Litteratur. Neue Folge, Bd 1, Berlin 1887/88, S. 384–388.]

Auff.: Schon im Dezember 1553 wird in Nördlingen das Meistersinger-Drama „Hystori von Josepho vnd seinen 11 bruedern“ aufgeführt; und im Dezember 1580 ist dort die Meistersinger-Aufführung „Vonn dem patriarchen Jacob vnnd seinen zwölff sönnen“ dokumentiert.157

157 Trautmann, Karl: Archivalische Nachrichten über die Theaterzustände der schwäbischen Reichsstädte im 16. Jahrhundert. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd XIII, S. 41, Anm. 2, und S. 45.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Wanderbühnen-Vorstellungen im 17. Jahrhundert: 1665, 1669 und 1671 in Dresden. 1666 in Lüneburg (Demonstratio actionum des Daniel Treu): Die bekannte Historien von Josepho, welche aufs neueste von einem vornehmen poeten aufgesetzet ist. (= J.van den Vondels Joseph-Trilogie) 1678, 6., 7., 8. Feb., in Dresden (Velthen): Dreiteilige Comedie von dem Ertzvater Joseph. (Trilogie wahrscheinlich nicht nach Vondel, sondern nach einem älteren Bibeldrama). Weimarer Verzeichnis Nr. 31: Der von seinen Brüdern verkauffte Joseph; Nr. 32: Die Herlichkeit Josephs in Egybten; Nr. 33: Der Erfreutte Jacob oder die frollige widerfindung Josephs in Egypten. Bibl.; Nr. 124: Die verfolgung Josephs und verkauffung von seinen brüdern aus der grube bey Dotthan naher theben in Egypten; Nr. 125: Der erfreut verneuete Jacob iber der guten post und widerfindung seines Sohns Josephs in der herrlichkeit. Zwischen 1672 und 1676 wurde im neuen Theater am Hof des Zaren Alexei Michailowitsch in Moskau eine russische Übersetzung des Joseph-Stoffes gespielt. (Manuskript ist erhalten).158 1702, 24. Oktober, in Zittau: Das fröhliche Wiedersehen Jakobs und Josephs, von Christian Weise (Schulaufführung. Text ist heute verloren). Comoedia / Genandt der Jude von Venetien. Componirt von Christoph: Blümel Studioso Silesiens. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Rast. 193) 35 Bl., 4°, Einband aus dem 18. Jahrhundert, mit dem fürstlichen Wappen der Markgrafen von Baden-Baden. Ein witziger Hinweis des Pickelhering im Manuskript (Szene V/9) erschließt das Aufführungsdatum 1669. [Holder: Die Durlacher und Rastätter Handschriften, S. 178, datiert das Manuskript in die Zeit zwischen 1654 und 1660.] Veröffentlicht von Willi Flemming in: Das Schauspiel der Wanderbühne, S. 204–276. Blümels Handschrift ist auf einem Theaterzettel und auf zwei Spielgesuchen (Ansbach, 30. Nov. 1654; und Rothenburg, 12. März 1656) erhalten.159

158 Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater von 1672–1756. Prag 1876, S. 33. 159 Theaterzettel von einer Vorstellung in Rothenburg o.  d. T. am 9. Dezember 1654: Die vier Hochzeiten. (Der Theaterzettel ist als einer von drei anderen eingelegt in die „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vund Verläuff, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen“, seit 1628 geführtes Kompendium, in dritter Instanz geschrieben von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner. Dieser hat die Theaterzettel eigenhändig datiert und teils kommentiert. (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420. –



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Comoedia Genandt Dass Wohl gesprochene Uhrtheil Eynes Weiblichen Studenten oder Der Jud von Venedig. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13791) 4°, 42 fol. unpaginiert. Ein witziger Hinweis des Pickelhering im Manuskript (Szene V/9) erschließt das Aufführungsdatum 1659. Veröffentlicht von Johannes Meissner in: Die englischen Komödianten zur Zeit Shakespeares in Oesterreich, Wien 1884, S. 131–189. Die beiden Handschriften des „Juden“ zeigen nur geringe Abweichungen. Das Karlsruher Manuskript ist jedoch sorgfältiger geschrieben. Inhaltliche Quellen: 1378 entstanden die „Novella di Giannetto“ des Ser Giovanni Fiorentino. (aus: Il Pecorone, Erstdruck Mailand 1558). Ins Englische übertragen von William Painter: „The Palace of Pleasure“, 1566–67. Painters Erzählung wurde zur Vorlage von Shakespeares Spiel „The most excellent History of the Merchant of Venice“ (entstanden zwischen 1596 und 98, Erstdruck 1600 in der ersten Quartausgabe), das als direkte Vorlage für das Wanderbühnenstück anzusehen ist. Laut Creizenach160 könnten die Eröffnung, die Meerfahrt und die tragikomischen Erlebnisse Pickelherings während der Meerfahrt aus der Novelle „Apolonius und Silla“ von Barnabas Riche161 stammen. Die Schuldverschreibung und Gerichtsverhandlung verweisen auf Shakespeares „Kaufmann von Venedig“; einzelne Motive auch auf Marlowes „Jew of Malta“ (um 1589, in die Buchhändler-Register eingetragen 1594, erstmals gedruckt 1633).

Abdruck des Theaterzettels mit Blümels Handschrift in Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 36). Supplik in Christoph Blümels Handschrift aus Ansbach vom 30. November 1654 (Stadtarchiv Rothenburg, Sig. AA Nr. 536/1, fol. 18r – 19v). Supplik in Blümels Handschrift aus Rothenburg vom 12. März 1656 ((Stadtarchiv Rothenburg, Sig. AA Nr.  536/1, fol. 20r  – 21v.  – Beide Suppliken abgedruckt in Kurz  /  Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 38–39) Christoph Blümel ist 1630 in Bolkenhain in Schlesien geboren, 1649 in Frankfurt an der Oder als Student immatrikuliert. Ab 1654 ist er als Schauspieler in Ulm nachweisbar, 1657 in Nürnberg, 1660 in Innsbruck als Mitglied der Komödiantentruppe, der auch Johann Martin angehört hat. 1668 in Frankfurt am Main 160 Siehe dazu auch Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. 62–63. 161 Veröffentlicht in der Novellensammlung „Riches Abschied vom Kriegshandwerk, enthaltend höchst ergötzliche Geschichten für Friedenszeiten“, London 1581.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Auff.: 1604 in Köln: Teutsche Comedia der Jud von Venedig / auß dem engeländischen. Nov. 1607 in Passau: Von dem Juden. 1608 in Graz unter John Green: „Von ein Khünig von Khipern und von ein Herzog von Venedig“. 1611 in Magdeburg und Halle am Hof Christian Wilhelms: Teutsche Comedia der Jud von Venedig / auß dem engeländischen“. 13. Juli und 5. Nov. 1626 in Dresden: Comödia von Josepho Juden von Venedigk (Truppe des Robert Reynolds). 1651 in Prag durch die Sächsischen Hoff-Comoedianten unter Johann Schilling, dem Nachfolger von John Green: Von dem König aus Cypern und dem Fürsten aus Venetia. 1659 und 1669 müssen Aufführungen stattgefunden haben. (Siehe die o.  a. Hinweise des Pickelhering in Szene V/9.) 1674/79 in Dresden durch die Paulsen-Truppe: Josephus Jude von Venetien. 1679 im Velthen-Verzeichnis Nr. 42: Der reiche Jude von Venedig. 1688 in Böhmisch-Krumau (Fürstl. Eggenbergische Hofkomödianten). Lit.: Bolte, Johannes: Der Jude von Venetien, die älteste deutsche Bearbeitung des Merchant of Venice. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Jg 22, Weimar 1887, S. 189–201. Flemming, Willi: Das Schauspiel der Wanderbühne, Leipzig 1931, S. 204–277.

Inhalt der Geschicht von der Hebraeischen Judith und dem Holoferne. Theaterzettel um 1680. Exemplare in der Univ.- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt, Halle (Sig. an Pon Vc 5318, FK(2); Herzog Karl August-Bibliothek Wolfenbüttel (Textb. 4° 47). Zwei frühere Bearbeitungen dieses biblischen Themas: a) Martin Boheim: Tragicomoedia / Ein Schön Teutsch Spiel / Vom Holoferne unnd der Judith. Wittenberg 1608 und 1618. (Herzog Karl August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 173.1 Poet.(3); ebenso Staatsbibliothek Berlin, Sig. 8°@Yq 3201-no.3), und b) Martin Opitzens Judith: worzu das vördere Theil der Historie sampt den Melodeyen auff jedweden Chor auffs neu außgefertiget. Breslau 1635. (Herzog Karl August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Rara Xb 4699) (Eine Ausgabe mit Druckort Rostock 1646 befindet sich in der Univ.- und Landes-Bibl. Sachsen-Anhalt, Halle, Sig. AB 154374 (7), und in der Herzog Karl August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Lo 5835). Laut Goedeke: Grundriß, Bd 1, S. 316 und 326, gibt es auch ein Straßburgisches Spiel aus dem Jahr 1564.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Außerdem sind zwei Periochen der Jesuitengymnasien in Ingolstadt erhalten: vom 6. Oktober 1642: Tragoedie Von Holoferne) und in Landshut: 3. Sep. 1654: Comoedia Juditha et Holofernes). (Bayer. Staatsbibliothek München, Sig. Bavar. 4025, I, 2/51-Beibd.17 und 4 Bavar. 2197, III, Beibd 52) Auff.: 1599 in Nördlingen: Schulkomödie „Judith“. Johann Rist (1607–1667) berichtet von einer Gaukler-Aufführung der schönen Comoedia von Judith und Holofernes in einer kleinen Stadt.162 1655 am Hof des polnischen Königs, zu Ehren einer russischen Gesandtschaft aus Moskau: Wie Holofernes, der Feldherr des Königs von Assyrien, wider Jerusalem zog und wie Judith Jerusalem rettete.163 1665 in Augsburg (Bürgertheater: Schuhmacher Salomon Idler mit einigen Burschen). Zwischen dem 2. und 9.  Februar 1673 wurde am Hof des Zaren Alexei Michailowitsch in Moskau „Judith und Holofernes“ von Johann Gottfried Gregorij in russischer Sprache aufgeführt. 13. Februar 1683 am Bayrischen Hof in München (Bürgertheater unter der Leitung von Schuhmacher Salomon Idler). Weimarer Verzeichnis Nr. 40: Der von Judith enthauptete Holoffernes. Bibl. 1722 in Riga (Prinzipal Johann Heinrich Mann). Tragaedia Von Julio und Hyppolita In: Englische Comedien und Tragedien. 1620. Vorlage: wahrscheinlich ein verlorengegangenes englisches Drama, das auch für Shakespeares „The two gentlemen of Verona“ als Vorlage gedient haben könnte. (Nach Creizenach: Verloren gegangene englische Dramen, S. 49.) Drei Neudrucke: Cohn: Shakespeare in Germany, 1865 / Wiesbaden 1967, S. 113–156; Tittmann: Die Schauspiele der Englischen Komödianten in Deutschland, Leipzig 1880, S. 175–196; Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 427–459. Auff.: [?] Dresden 1631: Von der Hyppolita. 162 Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter, Aprilens-Unterredung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 283–286. 163 Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater von 1672–1756. Prag 1876, S. 9.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Die Jungfrau um 1610, zwischen 1619 und 1661 siebenmal in Druck erschienen. Thema aus Cervantes’ Novelle „El curioso impertinente“ aus dem ersten Teil seines „Don Quijote“, Kap. 34–36, Erstdruck 1605. Zweitabdruck in der Sammlung seiner moralischen Novellen „Novelas ejemplares“ 1613). Schon vor der „Liebeskampff“ – Sammlung wurde das Thema auch in England von Francis Beaumont and John Fletcher dramatisiert unter dem Titel „The maid’s tragedie: As it hath beene diuers times acted at the Black-Triers by the Kings Maiesties Servants“, ca 1610, gedruckt in London 1619 (1622, 1630 und 1641). Neudruck in der Sammlung „The old english Drama“ aus dem Jahr 1825; deutsche Übersetzung von Ludwig Tieck unter dem Titel „Der Tyrann“ in Tiecks „Shakespeares Vorschule“, Bd II, 1829, S. 87  ff. (Das Stück wird dort dem englischen Dramatiker Philip Massinger, 1583–1640, zugeschrieben). (Siehe „Tragoedi Unzeitiger Vorwitz“ mit dem gleichen Thema.) Auff.: 1651 in Prag: Von dem König von Rhodiß, sonsten genannt die Jungfrauentragoedie (Repertoire des Prinzipal Schilling). ca. 1660 in Güstrow: Der unglückliche Breuttigamb oder die Jungfrawen Tragoedie (Repertoire des Prinzipal Stieler). Mai 1678 in Dresden: Die Jungfrau.1679 im Velthen-Spieleverzeichnis, Nr. 50: Die Jungfern Tragoedie. Comoedie von Jupiter und Amphitrio. Eine Inhaltsangabe dieses Wanderbühnenspiels ist überliefert in Gabriel Tzschimmers Bericht164 über eine Aufführung in Dresden am 27. Februar 1678, abgedruckt in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Anhang S. 339–346. In der Österr. Nationalbibliothek Wien (Sig. 4240-B.Mus) ist das Singspiel „Amphitryon, vorgestellet auf dem Hamburgischen Schau-Platze im Jahr 1725“, aus dem Italienischen des Pietro Pariati übersetzt von Johann Philipp Praetorius (Musik von Francesco Gasparini), Hamburg 1725, erhalten. 164 Tzschimmer, Gabriel: Die Durchlauchtigste Zusammenkunfft / Oder: Historische Erzehlung / Was Der Durchlauchtigste Fürst und Herr / Herr George der Ander / Herzog zu Sachsen … Bey Anwesenheit Seiner Gebrüdere / dero Gemahlinnen / Princen / Princessinnen / zu sonderbahren Ehren / und Belustigung / in der Residenz und Haubt-Vestung Dresden im Monat Februario des M.DC.LXXVIIIsten Jahres An allerhand Aufzügen / Ritterlichen Exercitien, Schau-Spielen  /  Schiessen  /  Jagten  /  Operen, Comoedien, Balleten, Masqueraden, Königreiche  /  Feuerwercke  … aufführen und vorstellen lassen. Nürnberg: Johann Hoffmann; Christian Sigmund Froberg, 1680, S. 303  ff.



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Auff.: 1626, 4. Juni, in Dresden (Robert Reynolds): Ist eine Comoedia von Amphitrione gespielt worden. 1678, 27. Februar, in Dresden Karl XII. von Schweden (Siehe „Mars in tieffster Trauer“) Karl Stuart (Siehe „Ermordete Majestät. Oder Carolus Stuardus König von Groß Brittannien“) Die böse Katherine. (Siehe „Kunst über alle Künste“) Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel, vnd seiner Tochter Pelimperia, mit dem gehengten Horatio. In Jacob Ayrer: „Opus Theatricum“, Nürnberg 1618: Bellemperia. Neudruck in Tieck: Deutsches Theater, Bd 1, Wien 1822, S. 291–355. Vorlage ist die „The spanish tragedy“ oder „Jeronimo, first part“ (enthält die Vorgeschichte der „Spanish Tragedy“) von Thomas Kyd (gest. ca. 1594).165 Tieck sagt in seinem „Deutschen Theater“, Bd 1, Berlin 1817, S. XXI, dass dieses Schauspiel vielleicht schon 1570 in England gespielt und um 1593 und 1597 [?] von Kyd neu bearbeitet worden sei. Ayer habe das ältere Original vor sich gehabt (welches wohl nie gedruckt worden ist), denn alle Zusätze der bearbeiteten Version sind ihm unbekannt.) Krieg und Sieg der Keuschheit (Herzogin Anna Amalia- Bibliothek Weimar, Sig. Q. 581). Szenar, 6 Bl. in fol. Handschriftliches Szenar aus dem Jahr 1684 zu „Die triumphirende Keuschheit“ von Christian Weise aus dem Jahr 1668 (bibl. Joseph-Stoff). Das Manuskript ist abgedruckt in: Musikalische Freuden-Feyer / Bey des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrns Hn Wilhelm Ernstens Herzogs zu Sachsen … am 19. Octobris des 1684 Heyl-Jahres Höchstglücklich eingetretenen Geburtstage. (Verzeichnet in Freieslebens „Nachlese“, S. 53.) Christian Weises Drama „Die triumphierende Keuschheit“ (1668 veröffentlicht im ersten Band „Überflüssige Gedanken der grünenden Jugend“, verarbeitet den biblischen Stoff von Joseph und der Potiphar, der sich später in Weises „Keuschem Joseph“ ganz ähnlich wiederfindet. 165 Siehe dazu Schoenwerth, Rudolf: Die niederländischen und deutschen Bearbeitungen von Thomas Kyd’s Spanish Tragedy. (= Literarhistorische Forschungen, Bd 26). Berlin 1903.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Auff.: Weimarer Verzeichnis Nr. 126: Die belobte Keuscheit. Kindtauffen-Schmaus und Kindbetterin Stuben. (Siehe „Harlequins Hochzeit“) Der Durchlauchtige Kohlenbrenner (Siehe „Lieb und Glück / Müh und Tück“) Comedia vom König in Cypern, wie er die Königin in Franckreich bekriegen wolt vnd zu der Ehe bekam von dem Nürnberger Notars Jakob Ayrer (gest. 1605), Reproduktion einer Aufführung von Lewis Machin (and Gervase Markham): The dumpe knight. An historical Comedie, acted sundrie times bey the Children of his Majesties Revels. London 1608. (Neudruck 1633). Eingefügt ist das Pickelheringspiel mit dem Stein (abgedruckt posthum im „Opus theatricum“, 1618). Ayrers Comödie wurde zur unmittelbaren Vorlage für den „Tugend- und Liebes-Streit“. Abgedruckt in Bolte: Das Danziger Theater (= Theatergeschichtliche Forschungen, Bd 12), S. 232–267. Auff.: Februar 1608 in Graz: Von ein khünig von khipern und von ein herzog von venedig. 1626 in Dresden: Vom Herzog von Venedig und des Königs in Cypern Tochter. 1651 in Prag (Churfürstlich sächsische Hoff-Comoedianten unter Johann Schilling): Von dem König aus Cypern und dem Fürsten aus Venetia. Zwischen 1654 und 1663 in Güstrow: Die Verlierung beider Königlichen Kinder aus Cypern, worin Pickelhäring sehr lustig sich erzeiget. 30. Oktober 1677 auf Schloss zu Bevern auf der neuen Schaubühne des neuerbauten Theatersaales (durch die Hofmusikanten). (Siehe „Der stumme Ritter“ und „Tugend- und Liebes-Streit“, die ebenfalls Bearbeitungen von Machins Stück darstellen.) Der eiserne König. Einem Hoch-Edlen und Hochweisen Rath der Stadt Hamburg wurde mit gehorsamstem Respect und schuldigster Dankbarkeit wegen erzeigter Gnade in einer Aktion der ­eiserne König Nebst vorhergehender Musicalischen Serenata Tetitult Die aus Bellonas Reich vertriebene, und an dem Elbe Strande Frohlockende Vergnügung Dedicirt und untertänig vorgestellet, von denen Anwesenden Königl. Pohlnischen und Churfürstl. Sächsischen Priviligirten Hof-Comödianten. Hamburg Gedruckt bey Philip Ludwig Stromer 1719.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Theaterzettel der Haacke-Truppe, der die Inhaltsangabe des „Eisernen Königs“ verzeichnet. Heute als verschollen geltender Druck. (Laut Heine166 soll er sich zuletzt in der Landschaftsbibliothek Stettin befunden haben.) Ähnlicher Inhalt wie Shakespeares „Macbeth“. Inhaltliche Grundzüge aus der Jugendgeschichte des Cyrus, nach Herodot I, 107–122. Mögliche Vorlagen: Justus Hoflandt: Moordagige kroonzucht of Yzere koning, Amsterdam 1666; oder die Oper „Astiage“ von Apollonio Apolloni, 1677 in Venedig aufgeführt. Der Schluss des Dramentextes, teils in Versen, hat sich durch Zufall auf der Innenseite des zweiten Deckelblatts des „Medea“-Manuskripts (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Cod. 13189) in der Schrift des Prinzipals Carl Ludwig Hofmann erhalten (siehe vorliegende Arbeit, S. 548). Die Aufführungsdaten lassen eine frühere Bearbeitung des „Eisernen Königs“ vermuten. Aus dem Jahr 1717, Sonntag, 4. April, ist ein Theaterzettel der hiesigen HochTeutschen Comoedianten unter dem Prinzipal Anton Joseph Geißler erhalten, der eine Aufführung in Prag bezeugt: Der eyserne König Oder Der verrätherische Eremit. Der Schau-Platz ist in dem Hoch-Gräfflichen Sporckischen Comödie-Hauß. (Nationalmuseum Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. 11654) Abgedruckt und kommentiert in Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680– 1739, Wien 1999, S. 51–53). Auff.: 1679 Velthen-Repertoireverzeichnis am kurpfälzischen Hof zu Mannheim und Heidelberg, Nr. 18: Der Eiserne König. 1689 in Dresden: Der eiserne König. 1690 in Torgau: Das veränderliche Glück. 4. April 1717 in Prag (Geißler-Truppe, s.  o.). 1719 in Hamburg (Truppe des Joh. Kaspar Haacke. Siehe obigen Hamburger Druck.). Weimarer Verzeichnis Nr. 70: Der durch seine practicquen auff den persianischen tron gestigene gorgas ein hirte, oder der Eiserne König.

166 Zitiert nach Carl Heine: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, Halle 1889, S. 69. Siehe dazu auch Junkers: Niederländische Schauspieler, S. 269–276, der anhand dieser Inhaltsangabe das Bühnenstück zu identifizieren und einzuordnen versucht.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Abb. 36: Textschluss aus dem „Eisernen König“ (Nat.Bibl.Wien, Sig. Ms 13189)



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Weimarer Verzeichnis Nr. 86: Der zauberente und sich auff den königlichen tron practicirente hirt, sampt desen fall, hircanus. 1741 in Frankfurt (Wallerotty): Eine allhier erst Neu-Componirte, aus einer wahrhafften Historie gezogene Haupt-Piece, betitult Der durchlauchtigste Hirt, oder die aus einem Traume entstandene Tyranney. Comoedie König von Neapolis oder Printz-Pickelhering. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1609) 50 Bl. 4°, Einband: Schweinslederrücken, marmoriertes Papier. Bl. 46a: Trelleborg d. 14. Jul. 1716. Fünf Akte in Prosa, am Schluss Alexandrinerverse.Einige Reden von Laura und Fedrich sind nicht ausgeschrieben, sondern nur in Stichworten angegeben. Bl. 39b – 50b: Musikstücke (Ciaconna, Menuet, Sarabanda, Overtüre du Roy, Aria, March, Lamento, Gigue dz lustige Elendt. Manuskript aus dem Besitz der Spiegelberg-Truppe, Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Mögliche Vorlagen: Thomas Corneille: Le Geôlier de soy-meme ou Jodelet prince, 1655, Paul Scarron: Le Gardien de soi-même, 1655. Calderon: El Alcaide de si mismo. Comedia Famosa De tres ingenios desta corte (ca. 1670). Übersetzung durch Christoph Kormart unter dem Titel „Sein selbst eigener Gefangener“ für eine Leipziger Studentenaufführung. Sein selbst eigener Gefangener. Singspiel. Hamburg 1681. 36 Bl., Personen, Inhalt, Vorrede, 5 Handlungen. Titelblatt fehlt. Musik: Johann Wolfgang Franck, Text nach Thomas Corneille. (Im Weimarer Exemplar wird Heinrich Hintze als Verfasser genannt). Der Inhalt dieses Singspiels ist abgedruckt bei Bolte: Wanderkomödianten, S. 463–464. (HAB Wolfenbüttel, Sig. 629 Qu.N(2).167 1726 erhielt dieses Singspiel durch Praetorius und Keiser eine neue Form (Siehe das folgende Spiel:)

167 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  300, Nr. 1467.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Der lächerliche Printz Jodelet.168 In einem schertzhaften Sing-Spiele auf dem hamburgischen Schau-Platze vorgestellet im Jahr 1726. Hamburg 1726. 5 Handlungen, 26 Bl. (Text: Johann Philipp Praetorius, Musik: Reinhard Keiser) Exemplare in der Staatsbibliothek Berlin, Musikabteilung (Sig. 1:Mus.T 6(16)Rara, Sig. 1:Mus.T 12(23)Rara, Sig. 1:Mus.T 18(15)Rara) und Sig. Mus. ms.11492); Österreichische Nationalbibl. Wien (Sig. 625361-B.The). Neu hg. von Friedrich Zelle: Die Oper von ihren ersten Anfängen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Nach den Quellen hergestellt von Robert Eitner, Theil 5. (= Schriftenreihe Publikation älterer praktischer und theoretischer Musikwerke des XV. und XVI. Jahrhunderts, Bd 18, Jg 20/22). Leipzig 1892.169 Musikalische Neufassung des Singspiels durch Caesar Bresgen (1913–1988). [Das 1689 durch die Dresdener Hofkomödianten aufgeführte Stück „Der in seinen Herren verkleidete Diener Namens Jodelet“ ist jedoch eine Bearbeitung von F. de Rojas Zorrillas „Donde hay agravio, no hay celos“ oder „Amo criador“ nach Scarron: Jodelet ou le maître-valet, Erstaufführung 1643 am Theatre du Marais, ohne Beziehung zum oben genannten Wanderbühnenstück „Prinz Jodelet“. Niederländische Bearbeitung von J. Kommelijn: Jodelet of de knecht meester en de meester knecht, 1683. Englische Bearbeitung durch Davenant: The man’s the master, 1669.] Auff.: 1674/79 in Dresden (Paulsen-Repertoire, Nr. 54). 1679 Heidelberg-Mannheim (Velthen-Repertoire Nr. 72: Jodelet oder sein selbst Eigener Kercker-Meister.) 25. August 1680 in Bevern: Printz Pickelhering, eine lustige Comoedia, wie sie einen närrischen Menschen vor einen Printzen ansehen (Andreas Elenson-Truppe). 1680 in Hamburg: Singspiel von J. W. Franck von Matsen. 1681 in Hamburg. 1684 und 1690 in Dresden und Torgau: Sein selbsteigen Gefangener (Velthen).

168 Jodelet ist der Name eines französischen Komikers, Mitglied der Moliereschen Truppe, gest. 1680. In der anonymen „Comedie des chansons“ (1640) trägt der Diener und Liebling des Helden den Namen Jodelet. 169 Zelle nennt als seine Vorlage eine Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Die Staatsbibliothek Berlin besitzt jedoch kein Manuskript, sondern nur drei gedruckte Exemplare dieses Singspiels.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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1686 in Böhmisch-Krumau (Fürstl. Eggenbergische Hofkomödianten). 1701 in Moskau vor Zar Peter dem Großen: Prinz Pickelhering oder Jodelet durch sich selbst verhaftet. Weimarer Repertoire Nr. 2: Der sein selbst Eigener gefangenmeister printz fedrig von sicillien an des königs von Neapolis landschafft in einen schloß.Die beiden verheiraten Prinzesinen von Neapel an die 2 prinzen von Sicillien. Der fir Prinz fedrig gehaltene pickelhering. 1718 in Riga: Printz Harlequin (Truppe der Victoria Clara Boenicke). 1726 in Hamburg. Lit.: Noe, Alfred: Die Rezeption spanischer Dramen am Wiener Kaiserhof des 17. Jahrhunderts. In: Daphnis, Jg 30, 2001, 159–218.

(Siehe „Der betrügliche und doch betrogene Federigo“) Von eines Königes Sohne auß Engellandt vnd des Königes Tochter auß Schottlandt (Siehe „Von eines Königes Sohne“) Von zwayer Königen Son Olvier und Artus. (Siehe „Olvier“) Krafft und würckung der Nattur / oder Carl et Julio. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13248) 4°, 42 fol. unpaginiert. fol. 1v: Als Darsteller der beiden auftretenden Cavaliere sind Berger und Lipprot eingetragen. fol. 42v: den 30. Sept. Ao 1690 in Dresden. Vorlage wahrscheinlich James Shirley: The court Secret. Vielleicht gleichzusetzen mit dem Spiel „Seltzahmer Irthumb wegen Gleichheit der Gesichter“, das am 25. Okt. 1679 im Schloss des Kurfürsten Karl Ludwig zu Heidelberg von der Velthen-Truppe aufgeführt worden ist. (auch im Velthen-Verzeichnis Nr. 12). Weimarer Verzeichnis Nr. 101: Die 2 einander gleich sehente brüder; und Nr. 140: Die 2 verwechselte brüder Carl und Julius. Kronenstreit zwischen Aurora und Stella (Siehe „Aurora“)

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Kunst über alle Künste ein bös Weib gut zu machen. Vormahls Von einem Italiänischen Cavalier practiciret: Jetzo aber Von einem Teutschen Edelman glücklich nachgeahnet, und In einem sehr lustigen Possen vollen Freuden-Spiele fürgestellet. Samt Angehencktem singenden Possen-Spiele / Worinn Die unnötige Eyfersucht eines Mannes artig betrogen wird. Rapperschweyl Bey Henning Lieblern 1672. (Universitäts Bibliothek Weimar, Sig. 09: 246) Ein Exemplar einer zweiten (fehlerhaften) Auflage in der Österr. Nationalbibliothek Wien (Sig. 23387 – A. Alt Mag). Gleichviele Seiten plus Titelkupfer hat ein weiteres Exemplar in der Landesbibliothek Kassel (Sig. Fab. Roman. Duodez 114). Ein viertes Exemplar soll sich laut Bolte in Dresden befinden Neuausgabe der ersten Auflage durch Reinhold Köhler, Berlin 1864 (mit einer ersten Besprechung von Weises Drama). Verzeichnet in Goedeke: Grundriß, Bd 3, S. 224. Gottsched verzeichnet das Spiel [mit falschem Verlagsort und irrtümlich unter dem Jahr 1653] in seinem „Nöthigen Vorrath“, S. 207. Weitgehend wortgetreue Bearbeitung von Shakespeares „Taming of the Shrew“, das englische Komödianten nach Deutschland gebracht hatten, jedoch mit grundlegenden Veränderungen und possenhaften Zutaten.170 Als Vorlage für die deutsche Komödie könnte auch die niederländische Übersetzung durch Abraham Sybant „De dolle bruyloft“ (1654) in Frage kommen. Im Nachwort an den Gunstgeneigten Leser heißt es aber, das vorliegende Spiel sei italienischen Ursprungs und schon oft von Comödianten auf dem Schauplatz [Zittau] fürgestellet worden. Das bedeutet, dass die Vorlage des Wanderbühnenspiels von 1672 wahrscheinlich die 1658 in Zittau und 1678 noch einmal in Görlitz aufgeführte, aber verlorene Komödie „Die wunderbare Heurath Petruvio, mit der bösen Catharine“ gewesen ist, die auch Christian Weise als Vorlage für seine wahrscheinlich nie aufgeführte „Comoedie von der bösen Catharine“ gedient haben dürfte. Das Personenverzeichnis der Görlitzer Aufführung lässt also vermuten, dass als Vorlage das englische Drama in Frage kommt, denn die im holländischen Drama von Sybaut hinzugefügten Diener fehlen.171(Zwei verschiedene Handschriften erhalten in der Stadtbibliothek Zittau, Sig. Mscr. B,47(1) und B,50a); abgedruckt in: Deutsche National-Litteratur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 39: Die Gegner der zweiten schlesischen Schule, Zweiter Teil, hg. von Ludwig Fulda, Berlin und Stuttgart o.  J., S. 103–272.

170 Junkers: Niederländische Schauspieler, S. 185. 171 Junkers: Niederländische Schauspieler, S. 186.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Eingefügt ist der Schwank mit dem betrunkenen Bauern, der sich schon in der Einleitung zu Shakespeares „Taming of the Shrew“ und später auch in den Wanderbühnenstücken „Der verwandelte Baur“, und völlig unmotiviert in der „Comoedia Betittult Der Flüchtige Virenus Oder die Getreue Olympia“, Regensburg 1687, Szenen I/8, II/1, II/10–12, III/3) wiederfindet. Der Schwank ist auch in das polnische Schauspiel „Tragi-komedya o puanym ktory mniemal iz iest krolem, prezez J. Gawinski. W. Gdansku“, 1638, eingebaut. Die doppelt betrogene Eyfersucht. Singendes Possenspiel. Enthalten in „Kunst über alle Künste Ein bös Weib gut zu machen“, Rapperschweyl 1672, S. 217–337. Personen, Inhalt, 1 Auftritt. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2 Exemplare, Sig. 847 Qu.N.(1) und Lo 4098.1).172 Siehe vorliegende Arbeit, S. 464. Auff.: 5. bis 7. März 1658 auf dem Zittauischen Schauplatze: ‚Die wunderbare Heurath Petruvio, mit der bösen Catharine‘ (Schulaufführung. Programm des Rektors Christian Keimann; erwähnt in Gottscheds „Nöthigem Vorrath“, S. 210; Manuskript jedoch nicht erhalten). 1.bis 3. März 1661 auf dem Zittauischen Schau-Plazze (Schulaufführung): Kurtzweilige Frommachung eines bösen Weibes. 1667 ist „Die tolle Hochzeit von der böß Katharina“ auch als Nr. 15 auf dem Spielplan der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten, als diese am Mannheimer Hof Karl Ludwigs von der Pfalz spielten. (Aufführung am 20. Dez. 1667). 1668, 6. Juli, in Nürnberg: Comoedie von der bösen aber frommgemachten Br[aut].173 Mai 1678 in Dresden (Velthen), 1. und 2. Teil. 1678 in Görlitz: Schulaufführung unter Rektor Christian Funcke.174 1679 in Heidelberg am Hof Carl Ludwigs. (Velthen-Spieleverzeichnis Nr. 46: Die böse Catharina. 1693, am 28. Oktober, wurde in Zittau eine Komödie zu Ehren des Kurfürsten Johann Georg IV. aufgeführt; laut Fulda175 wahrscheinlich Weises „Böse Catharina“.

172 Verzeichnet in Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, S. 118, Nr. 587. 173 Kröll: Die Tagebücher des Sigmund von Birken, Teil 1, S. 381, Eintrag vom 6. Juli 1668. 174 Personenverzeichnis erhalten und abgedruckt im Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 27, 1892, S. 126. 175 Ludwig Fulda: Christian Weise. In: Deutsche National-Litteratur, Bd 39: Die Gegner der zweiten schlesischen Schule II, S. LXXII.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Lit.: Köhler, Reinhold: Kunst über alle Künste: ein bös Weib gut zu machen. Eine deutsche Bearbeitung von Shakespeare’s The Taming of the Shrew aus dem Jahr 1672. Mit Beifügung des englischen Originals und Anmerkungen. Berlin 1864.

Comoedia genanht. Der Verliebten Kunstgriffe. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sammelband D 93, Bl. 1–55) Einband: Pappe mit Maculatur aus einer liturgischen Pergament-Handschrift des späteren Mittelalters. Nach Bolte (Moliere-Übersetzungen, S. 121) handelt es sich bei diesem Stück um eine Übersetzung von Gabriel Gilberta: „Les Intrigues amoureuses“, 1667. Abgedruckt in der „Schaubühne“ 1670, Bd 2. Vorlage ist Gilberts Drama „Les intrigues amoureuses“, das auf Lope de Vegas „Amor sin saber á quién“ zurückgeht. Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra, Bd 78). Berlin 1910, S. 328–332.

Das Labyrinth der Liebe / oder / Amor ein Lehrmeister listiger Anschläge. [von C. L. Hoffmanns Hand:] Arlequin / Ein Kurtzweiliger Hoff=Spion. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13149) Inschrift auf dem Titelblatt: Aus dem Italianischen übersetzt von Mr. H. J. D. – geschrieben von J. F. G. in Augspurg 1722. C[arl] L[udwig] Hoffmann D[irector. C[omicus]. 1723 in Augspurg. 4°, 39 Bl. unpaginiert. (Von demselben Textschreiber stammt auch „Darlo todo Yno Dar Nada“.) Abgedruckt in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 987– 1079. wahrscheinliche Aufführung: 1723 in Augsburg (Elenson-Haacke-Hoffmannsche Truppe). Comoedia Die köstliche Lächerlichkeit. In: Die Schau-Bühne, Bd I, Frankfurt 1670, ebenso 1694 unter dem Titel „Die lächerlichen Kostbaren / oder / die lächerliche Beredsamkeit“, und 1695: Die lächerlichen Einbildnerinnen / oder der verspottete Hochmuth“. Neudruck in: Die Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 153– 194. Vorlage: Molière „Les précieuses ridicules“, 1659. „Les Praecieuses Ridicules. Oder Die lächerliche Jungfern“ wurde als Nachspiel zu der am 21. Februar 1718 in Prag im Sporckschen Komödienhaus gespielten Hauptaktion „Der mit 23. Wunden auf dem Capitolio zu Rom / ermor-



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dete Julius Caesar Erster Römischer Kayser Oder: Arlequin Der lustige Neapolitaner“ aufgeführt. (Theaterzettel der Haacke-Truppe) (Nationalmuseum Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. 11655. – Abgedruckt in Adolf Scherl: Berufstheater in Prag 1680–1739, Wien 1999, S. 61) Auff.: 7. Oktober 1680 im Schloss zu Bevern als Nachspiel (Velthen-Truppe).176 Weimarer Verzeichnis Nr. 88: Die Köstliche lecherlichkeit, Moliere. 21. Februar 1718 in Prag (siehe obigen Theaterzettel). 16. November 1733 in Danzig als Nachkomödie zu „Der Großmüthige Siröe“: Die kostbahren Lächerlichkeiten. (Truppe des Martin Möller). In Moskau in russischer Übersetzung am Hof des Zaren Peter des Großen. König Liear auß Engeland Ein gantz Neues Exemplarisches und sehens-würdiges Schau-Spiel / welches sich in Engeland zugetragen / und wird genandt, König Liear aus Engeland, Dedicirt und praesentirt Denen Hoch-Edelgebohrnen, Gestrengen und Hochbenambten Herren N.N. Praesidi, Bürgermeister und Rathmannen Der Hochberühmten Kayserl. und Königl. Haupt-Stadt Breßlau … von Der anwesenden Bande der Hochteutschen Comoedianten. Gedruckt im Jahr 1692. (Universitätsbibliothek Breslau, 4 F. 268. – Original nicht mehr vorhanden) Programm einer Aufführung hochdeutscher Komödianten für die Breslauer Stadträte im Jahr 1692, 5 Akte, 4 Bl. in 4°, ohne Angabe des Druckorts. Vorlage: Shakespeares „King Lear“. Erstdruck 1608. Laut Information der Uniwersytet Wroclawski leider nur noch als Reprint vorhanden, das in den Sonderabdruck des Jahrbuchs der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 23, 1888, Sig. GSL Yv 978, eingelegt ist. Das Original, das sich in der ehemaligen Breslauer Stadtbibliothek befand, wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet. Abgedruckt in Creizenach: Schauspiele der englischen Komödianten, S. 347– 352. Ein achtseitiges Szenar der Wienerischen Comoedianten, das in der Stadtbücherei Thorn/Polen (Ksiaznica Kopernikánska w Toruniu) erhalten ist, hat den gleichen Wortlaut. Geändert ist nur die Widmung auf der Titelseite: … dedicirt und praesentirt Denen Wohl-Edlen / Wohl-Ehrenvesten / Wohlweisen Herren / Herren Schoeppen-Meister und Schoeppen Der Alt-Neu- und Vor-Stadt Königl. 176 Verzeichnet im Schreibkalender 1680 des Herzogs Ferdinand Albrechts I. (Zimmermann, S. 144)

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Stadt Thorn / Unsern Hochgebietenden Herren / Zu gnädigem Wohlgefallen auffgeführet Von dem [sic] anwesenden Bande Der Wienerischen Comoedianten. [o.  O., o.  J., mit den Agirenden Persohnen und einer Inhaltsangabe der fünf Akte].177 Reprint-Druck in Rudin, Bärbel: Karl Stuart und König Lear. In: Migrationen / Standortwechsel. Deutsches Theater in Polen (= Thalia Germanica 11). Lódz/Tübingen 2007, S. 96–105. Auff.: 1626, 26. September, in Dresden: Tragoedie von Lear, König in Engelandt. 1660 Dresden: Tragicomoedia vom König Lear und seinen 2Töchtern. 1661, 5. März, in Rothenburg: „Von der Lieb der eltern gegen den Kindern“ (14köpfige Truppe des Joris Joliphous). 1665 Augsburg (Bürgertheater: Schuhmacher Salomon Idler mit einigen Burschen). 1666 Lüneburg: Von dem Könnich Liar auß Engelandt, ist eine materien worin die ungehorsamkeit der Kinder gegen Ihre Elder wirt gestraffet, die Gehorsamkeit aber belohnet. (Treu-Truppe). 1676, 22. Juli, in Dresden: König Lear auß Engellandt. 1692 Breslau: König Liear auß Engelland (s.  o.). Weimarer Verzeichnis Nr. 14: Der von seinen ungeratenen 2 töchteren bedrübte könig Liart von Engelant. 1718, 6. Juni, in Wien: „König Liar von Engelland, Oder die große Liebe der Eltern gegen ihre Kinder und der Undank der Kinder gegen ihre Eltern“. (Pragerisch hochdeutsche Comoedianten, mit Heinrich Rademin als Mitdirektor). 13. Februar 1719 in Thorn und Riga: Lier. (Repertoire Victoria Clara Bönicke). Lit.: Trautmann, Karl: Eine Augsburger Lear-Aufführung (1665). In: Archiv für Litteratur­ geschichte, Bd 14, Leipzig 1886, S. 321–324. Cohn, Albert: König Lear 1692 und Titus Andronicus 1699 in Breslau aufgeführt. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 23, 1888, S. 266–281. Rudin, Bärbel: Karl Stuart und König Lear. Transfer und Transformation auf dem Thea­ ter Thorn(Torun) als Wegmarke frühneuzeitlicher Schauspielkarrieren. In: Migrationen  /  Standortwechsel. Deutsches Theater in Polen (=Thalia Germanica 11). Lodz/ Tübingen 2007, S. 85–105.

177 Rudin: Karl Stuart und König Liear, S. 97, datiert das Theaterprogramm ungefähr in das Jahr 1717 und schreibt es der Truppe Benecke/Mann zu.



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Leo Armenius oder Fürstenmord. (1646) von Andreas Gryphius. Erste Veröffentlichung in: Andreas Griphen  /  Teutsche Reimgedichte, I.  Theil, Franckfurt am Mayn 1650. Zweitdruck in: Deutscher Gedichte, Erster Theil. Szenar: Leo Armenius, Oder Fürsten-Mord / Trauer-Spiel. Ohne Ort, ohne Datum. Der Aufführung [vermutlich auf der Breslauer Schulbühne zwischen dem 4.  September 1659 und 9.  September 1660] scheint der Zweitdruck des „Leo Armenius“ aus dem Jahr 1657 zugrunde zu liegen.178 Exemplar in der British Library, Sammelband „Res Scenicae Ratisbonae“, Tom. I. 1645–1717, Nr.  7.  – Fotodruck bei Spellerberg, Gerhard: Szenare zu den Breslauer Aufführungen Gryphischer Trauerspiele. In: Daphnis, Bd 7, Amsterdam 1978, S. 253–256. Auff.: [?] 1651/1652 in Köln und Frankfurt durch die Truppe des Joris Joliphous.179 Tragico-Comoedia genant: Lieb und glückh / Müh und Tückh /  oder Der Durchlauchtige Kohlenbrenner. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 133–156) Bl. 133 r: Adam Christoph Schüler von weissenfelß, Angefangen in Wien, den 6. Augusti 1670. Bl. 156 v: Verfertiget Wien d. 7. Augusti 1670. Lieb glückh                                            vnd Müh Tückh Komödie in 5 Akten, 14 Personen. Von zwei verschiedenen Händen geschrieben. Der Truppe Jakob Kuhlmann in Wien zuzuordnen.180 178 Nach Spellerberg, Gerhard: Szenare zu den Breslauer Aufführungen Gryphischer Trauerspiele. In: Daphnis, Bd 7, Amsterdam 1978, S. 265. 179 Siehe dazu Spellerberg, Gerhard: Szenare zu den Breslauer Aufführungen Gryphischer Trauer­spiele. In: Daphnis, Bd 7, Amsterdam 1978, S. 263–264, Anm. 39. 180 Jakob Kuhlmann aus Bautzen bereiste ab 1665 die sächsischen, süddeutschen und österreichischen Städte samt Prag und trat auch am Bayreuther, Durlacher, Münchner und Stuttgarter Hof auf. Adam Christoph Schüler ist zu dieser Zeit sein Schriftensteller, später übernimmt Philipp Kuhlmann diese Arbeit (siehe „Die verliebte Königin Artemisia oder Die heimliche Liebe“ aus dem Jahr 1699).

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Niederländische Vorlage: M. P. Voskuyl: Don Carl von Kastilien met de Prins van Portugal (1635). Vielleicht gehört auch der folgende Theaterzettel der Pragerischen Komödianten vom Freitag, 30. Mai 1755, in Ulm zu diesem Themenbereich: Das Byespiel tugendsamer und gedultiger Eheleute, dargestellet in Aleran, einem teutschen Fürsten, und Adelheid, einer Kayserl. Printzeßin Ottonis Magni, oder: Die durchläuchtigen Kohlenbrenner. Mit Hannß-Wurst, einem rußigen Kohlenhändler. Mit Inhalt und Personenverzeichnis. (Vorlage: Matteo Bandellos Novelle „Aleran und Adéllaise“. (Stadtarchiv Ulm, Findbuch des Bestandes G 3, Sammlung von Theaterzetteln 1670–1780, Nr. 020.) Auff.: 1667 steht „Der durchlauchtige Kohlbrenner“ als Nr. 2 auf der Repertoireliste der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten (=Truppe des Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz), als sie in Mannheim am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz spielten. 1684, 31. Dezember, in München (Daniel Treu, Repertoire-Liste Nr.14): Der durchlauchtige Kohlbrenner. 1755, 30. Mai, in Ulm: Die durchleuchtigen Kohlenbrenner. (s.  o.) Die Liebe zwischen Feinden. Von dem beriehmten florentinischen Doctor Giacinto Andrea verfertiget. Unnd geschriben von Johanne frommen Hindem 6. Martj. 1697. (Handschrift in der Bayerischen Staatsbibl. München, Sig. Cgm 1008) 4°, 155 fol. – Inschrift am Schluss: Finis Vnd Geschriben Im Jahr 1710. Variation des Romeo und Julia-Themas, übertragen an den Hof des Königs Ridolfo von Neapel, dessen Tochter Tarquinia vom sardinischen Königssohn geliebt wird. Da König Roberto von Sardinien mit jenem von Neapel verfeindet ist, weilt sein Sohn unerkannt unter dem Namen Ernesto am Hof von Neapel. Das Schauspiel endet nicht mit dem Selbstmord der Liebenden, sondern mit einer Doppelhochzeit. Obwohl keine Aufführung unter diesem Titel bekannt ist, haben Sprachstil und Dramaturgie Ähnlichkeit mit den ersten anspruchsvolleren Wanderbühnendramern. Die Liebe thuet allzeit zu Letzt obsigen (Siehe „Der durch den Tryumph einer Flüchtigen Königin Vnterdrückte Tyrann“) Duellierende Liebe (Siehe „Ein verliebter Verdruß“)



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Die heimliche Liebe (Siehe „Die verliebte Königin Artemisia“) Innhalt und Verfassung der Comoedi Von LiebsBetrug. Ersinnet Von Benedicto Ferrari. Dedicieret Dem AllerDurchlauchtigsten / Großmächtigsten vnd Vnüber windlichsten Römischen Kayser / auch zu Hungarn vnd Böhem König Fernando III. Vnserem Allergnädigsten Herren Auff den Kays:ReichsTag zu Regenspurg in Music vorzuhalten in dem Jahr 1653. Von Höchstgedachter Röm:Kays:May:Capelmaiser Antonio Bertalli in die Music gesetzt. Gezieret mit denen Scenen vnd verstellungen des Theatri Durch Johan Burnaccini Röm:Kays:Mayest:Ingenier. Gedruckt in der Kays. Freyen ReichsStatt Regenspurg bey Christoff Fischer. 1653. Szenar, 18 Seiten, aufwendiger Druck mit sechs schönen Kupferstichen von Jacob Sandrart181, die einzelne Bühnenszenen darstellen (Doppelbilder über zwei Seiten). Deutsches Libretto: Benedetto Ferrari, Musik: Antonio Bertalli, Scenen und Verstellungen: Johan Burnaccini, Ingenieur und Architekt. Singspiel in 3 Akten, jeweils mit Zwischenballett, technisch aufwendige Szenerien. Verkleidungskomödie am Hof des kretischen Königs, die mit einer Doppelhochzeit endet. (Nat.Bibl. Wien, Musiksammlung, Sig. 47.Kk.74 M (italienische Version: Oper L’Inganno d’amore, Libretto und Musik von Benedetto Ferrari), ebenso Nat.Bibl.Wien, Musiksammlung, Sig. 47.Kk.74 Adl und Musikabt. Heldenplatz, Sig. MF 2392 (deutsche Version). Auch in der Wienbibliothek, Sig. 26566.182 Spätere Umarbeitung zum Wanderbühnenspiel (Velthen-Truppe); weitgehend inhaltliche Übereinstimmung mit der 12  Jahre später in Wien nachgewiesenen Aufführung der „Comoedia, Betittult Der Flüchtige Virenus, Oder die Getreue Olympia“. Titel und Personennamen wurden im späteren Stück verändert. Dass beide Spiele auch mit sehr ähnlichen Szenerien aufgeführt wurden (1653 und 1665), zeigen die Kupferstiche der beiden erhaltenen Szenare (Das Szenar „Virenus und Olympia“ siehe Abb. 41, S. 565).

181 Jacob von Sandrart (1630–1708) war Kupferstecher, Kunsthändler und Verleger in Nürnberg. Er begründete dort die Maler-Academie (= heute Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg). Zu seiner Zeit war er der teuerste Kupferstecher der Stadt. Viele seiner Stiche entstanden in Zusammenarbeit mit seinem Freund Sigmund von Birken (Illustrationen zu sechs Büchern des Dichters von 1654 bis 1694). 182 Siehe auch Weilen: Geschichte des Wiener Theaterwesens, Bd 1, Wien 1899, S. 69.

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a Abb. 37 a, b: Zwei Szenendarstellungen aus dem Szenar Der Liebs Betrug, für die Regensburger Aufführung entworfen von Johan Burnaccini183, in Kupfer gestochen von dem Nürnberger Kupfer­stecher, Kunsthändler und Verleger Jacob Sandrart (Wienbibliothek Sig. 26566). Eine ähnliche Bühnenszenerie wurde auch für die zwölf Jahre später in Wien aufgeführte ­Comoedia von „Virenus und Olympia“ verwendet, die eine Bearbeitung des „Liebs-Betrugs“ darstellt. (Siehe Abb. 41, S. 565) a)  Szena I,1 – Wütendes, mit Wetterleuchten behaufftes Meer. Die Liebe fliegt zur Erde und ­gebietet dem Gewitter und den Blitzen aufzuhören. Sie ruft Fortuna oder das Glück, so zwischen denen Wellen ober einem Rad erscheinet, und gerät mit ihr in Streit wegen Licasta und Doralba, den ­Prinzessinnen von Tracien und Kreta. Fliegen von dannen, Fortuna durch das Meer, Amor durch die Lüfte. ­(Szenaro-Text)

Da das Szenar vom „Liebs Betrug“ bisher nur bei Martino (Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum) kurz erwähnt ist, soll hier der Inhalt wiedergegeben werden: 183 Johan Burnaccini (1610–1655), Architekt und Bühnenbildner in Venedig, bevor er ab 1651 an den Wiener Hof berufen wurde. Mit seiner Operninszenierung „La Gara“ (1652) brachte er das in Italien erfundene Kulissensystem nach Wien. Sein 1667 erbautes großes Wiener Opernhaus (1683 wegen der Türkengefahr zerstört) hatte eine tiefe Bühne mit 50 möglichen Dekorationen und einem prächtigen Proszeniumsbau. 1668 war das Haus mit der Prunkoper „Il Pomo d’oro“ (Sbarra/Cesti) eröffnet worden.



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b b)  Szena III,4 – Fortuna in untergehendem Schiff beklagt, dass sie von Amor übewunden sei. Venus auf einem von zwei Tauben gezogenen Wagen beruft ihren Sohn Amor wieder zu sich, der daraufhin zum Himmel auffliegt. Hymenäus, Gott der Hochzeiten, begibt sich auf einer silbernen Wolke zur Erde herab zum königlichen Palast des Teodemondo. (Szenario-Text)

Vorgeschichte: Teodemondo, der kretische König, verliebt sich in die tracische Königstochter Licasta. Bevor Teodemondo nach Creta zurückkehrt, schließen beide einen schriftlichen Ehevertrag, in dem sie sich Liebe bis über den Tod hinaus schwören. – Zwischen beiden Ländern kommt es jedoch ‚durch Zufall‘ zu feindlichen Auseinandersetzungen, die allzu lange andauern, so dass sich Licasta zu einer (dem Romeo-und-Julia-Thema abgeschauten) Täuschung entschließt: Sie lässt sich als Tote begraben, und mit Hilfe ihres treuen Dieners entflieht sie aus Tracien. Unerkannt kommt sie nach Kreta, wo sie in männlicher Verkleidung als Edelknabe Lico dem geliebten König dient. Dieser ist nach so langer Zeit jedoch für eine neue Liebesbeziehung mit Rosinda, der Prinzessin von Rhodos, bereit. Eine Gegenhandlung entfaltet sich mit der Liebe zwischen Idraspe, dem Prinzen von Cypern, und der Schwester des kretischen Königs, Doralba (im Wanderbühnendrama ‚Dolobella‘). Eine Heirat wird ihnen jedoch verweigert, und so entführt er Doralba. Unerkannt flüchten sie übers Meer Richtung Zypern, werden aber von Seeräubern überfallen und von einander getrennt.

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Idraspe wird befreit. Weil er aber nicht ohne seine Geliebte nach Cypern zurückkehren will, sucht er als verkleideteter Ritter Oronte Ruhm und Ehre im Kampf. Schließlich wird er am kretischen Hof zum General der Armee ernannt und siegt im Kampf über den König von Tracien. Die immer noch als Mann verkleidete Königstochter Doralba wird in Algier auf dem Sklavenmarkt verkauft. Als ihr neuer Besitzer stirbt, gibt sie sich dessen Ehefrau Capsaria als kretische Königstochter zu erkennen. Beide Frauen machen sich nun unerkannt auf den Weg nach Creta, wo sich ja auch Idraspe als General Oronte aufhält. Hier beginnt die eigentliche Dramenhandlung: In Creta wird des Orontes Sieg über Tracien und der Friedensschluss gefeiert. Doralba und Capsaria werden in Männerkleidung am Ufer Kretas gefangen genommen und als Spione zum Tod verurteilt. Als Edelknabe Lico verkleidet, erfährt Licasta von der Liebe des Königs zu Rosinde, der Prinzessin von Rhodos. Es gelingt ihr, dem früheren Geliebten Teodemondo den einst von beiden unterzeichneten Ehevertrag zuzuspielen. Inzwischen begibt sich Oronte zu den beiden gefangenen vermeintlichen Spionen, um sie zu verhören, und erkennt in Doralba seine verlorene Braut. Im königlichen Garten gibt sich auch Lico/Licasta dem ihr einst versprochenen Ehegemahl Teodemondo zu erkennen. Und so erfüllt sich das glückliche Schicksal der beiden verliebten Paare. – Eingeschoben sind mehrmals Szenen mit Amor, Fortuna und anderen mythologischen Gestalten, die das Geschick der beiden Paare Teodemondo ((Cretischer König) / Licasta (tracische Prinzessin) und Idraspe (Cyprischer Prinz / Doralba (Schwester des kretischen Königs) auf ihre eigene Weise zu beeinflussen versuchen. Auff.: 24. Feb. 1653 auf dem Reichstag zu Regensburg. 1667 in Mannheim am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz: Die Dolobella oder der schöne Betrug (Churpfälzische Compagnie Comoedianten unter Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwarz). 1679 im Velthen-Repertoire zu Heidelberg und Mannheim, Nr. 14: Dolobella oder der Schöne Betrug. (Siehe dazu „Die Egyptische Olympia / Oder Der flüchtige Virenus“)



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Liebes-Gefängnüs. Traur-Freuden Spiel  /  Als Die Durchläuchtigste Fürstin und Frau, Frau CHRISTINA Hertzogin zu Braunschweig und Lüneburg, gebohrne Landgräffin zu Hessen, Fürstin zu Hirschfeld, Gräffin zu Catzenelnbogen, Dietz, Ziegenhain, Nidda und Schauenburg / Mit dem Durchläuchtigsten Prinzen Herrlein August Ferdinand Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg, Ihr Durchl. Dritten Prinzen, und Fünfften Kinde den 2. Hornung [Februar] 1678 sich hatte einsegnen lassen. Nach Hochfürstlicher Verordnung, Ihr Durchl. zu Ehren, in den fürstlichen Residentz-Schloss, auff der neuen Schaubühne, in dem neu-erbauten Freud- und Traur-Spielen Saal vorgestellet worden. Bevern, Druckts Johann Heitmüller M.DC.LXXIIX. [1678] (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. M: Gn 4° Sammelbd. 21 (10); ebenso Niedersächsische Landesbibliothek Hannover, Sig. C 15680) 19 Bl. in 4°. [Im gleichen Verlag wie „Tugend- und Liebes-Streit“ 1677.] Mit zahlreichen Verspartien und musikalischen Einlagen; viele Allegorien in der ersten Szene. Die lustige Figur fehlt in diesem Wanderbühnenstück. Zimmermann184 nennt Herzog Ferdinand Albrecht I. von Braunschweig und Lüneburg als wahrscheinlichen Verfasser, Richter185 den Hofprediger Baldovius. Richter (Liebeskampf, S.  231) sieht eine direkte Anknüpfung an den Roman „Carcel de amor“ des Spaniers Diego de San Pedro (Nat. Bibl. Wien, Sig. 10100), 1630 von Khueffstein ins Deutsche übertragen. Die Ich-Form des Romans wird aufgelöst, indem Khueffstein den erzählenden Verfasser als Don Pedro auftreten lässt.186 Goedeke verzeichnet in seinem Grundriß, Bd 3, S. 246, die 1630 erschienene deutsche Bearbeitung: Carcell de amor. Oder Gefängnüss der Lieb. Darinnen eingebracht wird die trawrige vnd doch sehr schöne Historia von einem Ritter, genant Constante vnd der königlichen Tochter Rigorosa. Aus spanischer Sprach in Hochdeutsch gebracht, durch Hrn. Hans Ludw. Khuffsteinern, Freyherrn. Leipz. 1630. 8°. [Neuauflage 1660 und 1675] Der Große Liebes Irrgarten (Siehe „Der beklägliche Zwang“) Der Liebes Rebelle (Siehe „Ibrahim Sultan oder Der Christliche Türcke“) 184 Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, S. 123. 185 Richter, Werner: Liebeskampf, S. 235. 186 Genau so wird im ersten Roman des Laurentius von Schnüffis („Philotheus“ 1665) der fiktive Erzähler Mirtill eingesetzt, der die [realen] Erlebnisse des Dichters von einem Einsiedler gehört haben will und nun aufzeichnet.

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Tragico-Comoedia / genand der Verirrte Liebes Soldat oder Deß Glickes Probier Stein. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13250) 52 Bl. in 4°, 3 Akte, 10 Personen. [Schauplatz ist Persien] In gelbe Seide eingebundenes handschriftliches Widmungsexemplar des Prinzipals Andreas Elenson an Kaiser Leopold I. (1640–1705), der am 15. Oktober 1673 in Graz seine zweite Hochzeit feierte: Dem allerdurchleuchtigst: Großmächtigist: vnnd Vnyberwindlichisten Fürsten vnnd Herrn Herrn Leopoldo Erwöhlten Römischen Kayser, zu allen Zeiten Mehrern des Reichs, in Germanien, zu Hungarn vnnd Böhaimb König, Erzherzog in Öesterreich etc. / yberreichet von dero Vnterthänigist. vnnd Vnwürdigsten Vasallen Andreas Ellensohn Director der Hochteutschen Compagni Comoedianten. Der verirrte Liebes-Soldat (Nat. Bibl. Wien, Ms 13158) 4°, 22 fol. unpaginiert. (Inschrift auf der Titelseite:) Geschrieben von Gabriel Möller. Anno 1689. den 25. Februarij. in Dresden. [Als Direktor der Sächsischen Hofkomödianten war Möller 1703, 1708 und 1710 aus Weimar nach Berlin gekommen. Er gehörte der damals in Dresden weilenden Truppe Velthens an.] (Besitzvermerk von anderer Hand:) C. L. Hoffmann / Dir. Comicus. A. 1723. (Das Szenar und verschiedene Szenenbemerkungen sind ebenfalls von Carl Ludwig Hoffmanns Hand, der 1723 durch seine Heirat mit Sophie Julie Elenson/Haacke Prinzipal der Kurfürstl. Sächs. Hofkomödianten geworden war). Auf Blatt 1v ist der Titel noch einmal verzeichnet: Comoedia genandt Der verirrte Liebs-Soldat. oder Des Glückes Probierstein. In Druck herausgegeben von P. v. Radics. Agram 1865. Der verirte Soldat oder des glücks Probier Stain. (Universitätsbibl. Ljubljana (Laibach), Manuscript Department Cod. Ms 280) 4°, 70 Seiten. – Geschrieben um 1671 von zwei Krainern, Martin Höndler und Melchior Harrer, die das Manuskript zwischen 1650 und 1673 dem Grafen Wolf Engelbert von Auersperg, gest. 1673, gewidmet haben. (Harrer und Höndler waren 1671 wahrscheinlich Mitglieder der gesammten Kompagnie der hochdeutschen Komödianten.187) Veröffentlicht von P. v. Radics, Agram 1865. 187 Der Jesuitenzögling Melchior Harrer hatte 1659 in dem Wiener „Kaiserspiel Pietas victrix“ von Niccolo Avancini einen Engel gespielt. – Höndler war 1660 Mitglied der Comoedianten am Innsbrucker Hof, in der Kopenhagener Wintersaison 1666/67 bei der Paulsen-Truppe, 1670 Prinzipal in Süddeutschland, später wieder bei Paulsen und Velthen. (nach Rudin: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg 35, 2006, S. 242.



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Comoedia Printz Selimor und Aribene. Bergen d. 18. Janywary Anno 1733. Mad: Madam: Elisabeth Spilenberg. Johan GDI. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1531) 54 Bl., 4°, Einband: brauner Lederrücken, gelbes Papier. Drei Akte in Prosa. 10 Personen. Manuskript der Spielenberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Es handelt sich bei diesem Manuskript um die Reinschrift der von Martin Höndler und Melchior Harrer um 1671 in Laibach aufgeführten und 1865 von P. v. Radics gedruckten Komödie „Der verirte Soldat oder Des glücks Probier-Stain“, die in mehreren Handschriften vorliegt, hier eine Handschrift aus Bergen (Norwegen) von 1733. Der verirrete Liebes-Soldat / Oder Der lebendig todte Printz Selimor / Auß Persien. Undatierter Theaterzettel (im DeutschenTheatermuseum München). Nachdruck in Ruth Eder: Theaterzettel. Dortmund 1980 (= Die bibliophilen Taschenbücher, 153), S. 37. Siehe auch das antiquarische Verzeichnis „Theaterzettel aus dem 17. Jahrhundert“ von Ernst Carlebach, Nr. 211: Theater und Musik, Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1037.188 Der verirte Soldat. (Staatsbibliothek Berlin, Preuss. Kulturbesitz, Sig. Ms. germ.qu.436) [Titelblatt fehlt]189 In der Staatsbibliothek Berlin (Sig. 7 in 4° Yp 5022 – Kriegsverlust, 4°, 4 Bl.), gab es ein Theaterprogramm für eine Ratsaufführung in Köln um 1710 [?], in welchem der Principal der Königlich Grosz-Britt. und Churfürstlich Braunschweigisch Luneburgischen würcklichen Hoff-Acteurs, Leonardus Andreas Denner, zu einer Haupt-Action nebst vorgehendem Musicalischen Prologo Genannt: Der im krieg verirrte und in der lieb verwürrte soldat, einlädt. In der Theaterzettel-Sammlung der dänischen Nationalbühne von 1722 hat sich ein Theaterprogramm [um 1719], samt Personenverzeichnis und Inhaltsangabe der fünf Akte erhalten: Des glückes Probier-Stein, Oder Der im Krieg verirrte, und in der Liebe verwirrte Liebes-Soldat. Heute Montags den 23.Januarii. [1719]. Die vor itzo Anwesende Hoch-Teutsche Comoedianten. Widmung an Detlev 188 Angaben nach Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg 35, 2006, S. 197–198. 189 Zitat nach Bolte: Der verirte Soldat, ein Drama des 17.  Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 19, Halle 1887, S. 86); ebenso Bolte: Danziger Theater im 16. und 17. Jahrhundert Hamburg und Leipzig 1895, S. 112, Fußnote 1).

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von Wiben, Ritter von dem Elephanten-Orden. Sr. Königl. Majestät von Dennemarck und Norwegen. (Königliche Bibliohek Kopenhagen, Sig. 34,III – 4°)(Box  – Teater- plakater ca. 1700–1805). Einen Druck „Oromachus und Arybane oder Die irrende Liebe“, Weißenfels 1684, der wohl auch in diesen Themenkreis gehört, verzeichnet Gottsched in seinem „Nöthigen Vorrath“, S. 249. Undatierter Theaterzettel (im DeutschenTheatermuseum München). Nachdruck in Ruth Eder: Theaterzettel. Dortmund 1980 (= Die bibliophilen Taschenbücher, 153), S. 37. Auch im antiquarischen Verzeichnis „Theaterzettel aus dem 17.  Jahrhundert“ von Ernst Carlebach, Nr. 211: Theater und Musik, Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1037. Auff.: Mai 1662 in Laibach (Insprugger Comoedianten). 1673, 24. Juni, in Dresden, im italienischen Garten der Kurfürstin. 1679, Samstag [15.?] November, am kurpfälzischen Hof in Heidelberg und Mannheim: Der Persische Soldaat Selimor. Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 17: Der im Kriege verirrete und in der Liebe verwirrete Persianische Soldat Selimor. 1684 in Weißenfels. Titel: Oromachus und Arybane, oder die irrende Liebe. (nach Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 249). 1689 im Repertoire der Andreas Elenson-Truppe. Januar und Februar 1690 im Velthenschen Verzeichnis, gespielt am sächsischen Hof in Torgau. Undatierter Theaterzettel (im DeutschenTheatermuseum München). Nachdruck in Ruth Eder: Theaterzettel. Dortmund 1980 (= Die bibliophilen Taschenbücher, 153), S. 37. – Siehe auch das antiquarische Verzeichnis „Theaterzettel aus dem 17. Jahrhundert“ von Ernst Carlebach, Nr. 211: Theater und Musik, Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1037. 1710 in Köln: Der im Krieg verirrte und in der Lieb verwürrte Soldat. (Truppe des L. A. Denner). 1718, 12. Dezember, und 15. Jänner 1719 in Riga: Selimor. (Truppe der Victoria Clara Bönicke). 1719, 23. Jänner, in Kopenhagen Des glückes probierstein, oder der im krieg verirrte, und in der liebe verwirrte liebessoldat. (Spiegelberg-Truppe). um 1720 in Stockholm: Der im kriege verirrte, in der liebe verwirrte und endlich von seinen eigenen affekten bestraffte Selim könig in Persien, oder die heldenmüthige printzessin Arbiane. (Spiegelberg-Truppe?). 1724, 1. Dezember, in Hamburg: Die verwirrte liebe, oder der um eines vermeinten prinzen tod vollführte krieg und liebessieg. (Spiegelberg-Truppe).



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Lit.: Radics, P. von: „Der verirrte Soldat oder: Des Glücks’ Probirstein“. Ein deutsches Drama des XVII. Jahrhunderts aus einer Handschrift der k.  k. Studienbibliothek in Laibach. Agram [Zagreb] 1865. Bolte, Johannes: Der verirte Soldat, ein Drama des 17. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 19, 1887, S. 86–93.

Comoedia Genandt: Der Verirrte Liebes-Stand / Oder Der durchlauchtige Bauer. Dediciert und praesentirt Dem Hoch und Wohlgebornen Herrn Hn. Hans Schach / Graff von Schackenburg  /  Herr zu Bram und Brinck  /  Ritter  /  Königl. Majests. Cammer-Herr  / Stifft-Befehlungs-Mann über Riber-Stifft  /  und Ampt-Mann über Riber-Hauß Ampt / Meinem gnädigsten Grafen und Herrn. Die lange poetische Widmung ist unterzeichnet mit L. A. D. [= Leonard Andreas Denner190]. Theaterzettel ohne Datum [um 1707], mit Personenverzeichnis und Inhaltsangabe der fünf Akte. Mehrere Motive aus Shakespeares „Hamlet“, so z.  B. die Geisterszene mit der Darstellung des Vatermordes aus Shakespeares Hamlet. (Das Stück hat nichts mit dem „Verwandelten Baur“ zu tun.) (Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. 34, III – 4°(Box – Teaterplakater ca. 1700–1805). Abgedruckt in Paludan J.: Deutsche Wandertruppen in Dänemark. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 25, 1893, S. 322–324. Auff.: Ripen in Jütland.

190 Es handelt sich um den älteren Leonhard Andreas Denner, der wie sein Sohn, der bekannte Harlekinspieler, ursprünglich Mitglied der Velthentruppe gewesen sein soll. 1706 mit Stranitzky in Wien, 1732 als Prinzipal der Kgl. Großbritannischen Hofakteurs in Köln. – Denners Tochter heiratete den gleichfalls der Velthenschen Truppe zugehörenden Johann Christian Spiegelberg, der 1706 in Nürnberg abgewiesen, 1711 in Braunschweig als Führer der Hochfürstlich Württembergischen Bande in Frankfurt auftrat. 1717–1718 spielte er in Blankenburg; damals stießen in Weißenfels der Student Johann Neuber und dessen später so berühmte Gattin Karoline Weißenborn/Neuber zu ihm. Spielorte in deutschen Norden. Am 26. September 1732 zu Bergen begraben. – Seine Witwe Elisabeth Spiegelberg, geb. Denner, leitete die Truppe bis 1739. (1736–1737 war die Spiegelbergsche Truppe in Christiania. (Bald darauf verbot eine Verordnung des Königs Christian VI. vom 31. März 1738 allen Komödianten den Aufenthalt in Dänemark und Norwegen.) Elisabeth Spiegelberg trat 1740 zu Lüneburg in Schönemanns Gesellschaft ein und starb 1757 in Hamburg. (Bolte: Wanderkomödianten, S. 449, Anm. 2)

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Tragico-Comoedia genant Die Liebes Verzweiffelung. Componiret von Johan Martin Studioso von Veltkirchen. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. D 119) 19 Blätter in Quart-Format, 5 Akte, 12 Personen. Einige unwesentliche Änderungen, die vor allem die Akteinteilung betreffen, stammen von Carl Ludwig Hoffmann, dem späteren Direktor der Elenson-Truppe. Von dritter, unbekannter Hand stammt das Titelblatt und das Actoren-Verzeichnis. Bis auf kleine Abweichungen mit dem folgenden Wanderbühnendrama ­„König Frondalpheo“ identisch. König Frondalpheo. 1667. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13191) 57 Bl. in 4°. Schreiber: Christian Janethsky. Dieser hat auch die „Comoedia genandt die getreüe Octavia“ (Univ.Bibl. Kassel, Ms. theatr. 7), die Widmung der „Heillosen Königin Odomire oder die Lebendig-Begrabene Printzeßin Merolome“ (Hauptstaats­archiv Stuttgart, J 1 Bd 100 E) und „Der majestätische Sclav“ (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Cod. Extravag. 197.4) geschrieben. Die im Wiener Manuskript nachträglich und mit anderer Schrift verzeichnete Rollenbesetzung stimmt mit der Velthen-Truppe überein, die zwischen 1685 und 1691 in Torgau im Dienst des Churfürsten von Sachsen stand. Das Titelblatt fehlt. Diese Komödie in der Nat.Bibl. Wien wurde nach der ersten auftretenden Figur benannt. Das Stück ist mit der Karlsruher Handschrift „Die Liebes Verzweiffelung“ weitgehend identisch. Aufführungen: Dokumentiert sind nur zwei Aufführungen: 1) Das 1679 am kurpfälzischen Hof von Velthen vorgelegte Spieleverzeichnis nennt als Nr. 48: Die Liebes Verzweiflung. 2) Um 1740 bis 1750 am Zarenhof in Petersburg (ev. durch die Neubersche oder Ackermannsche Truppe): Von Frantalpeus, dem König von Epirus und seinem Sohne Mirandon.191 Aufführungen durch die Elenson-Truppe sind anzunehmen.

191 Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russische Theater. Prag 1876, S. 54. Die Neuber-Truppe spielte von Ende April 1740 bis zum Tod der Kaiserin Anna Iwanowna am 17. Okt. 1640 in Petersburg. – 1726/27 und noch einmal 1739 war auch Carl Ludwig Hoffmann, der dritte Gatte der Prinzipalin Sophie Elenson, in Petersburg.



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Vielleicht ist auch das im Velthen-Verzeichnis von 1679 als Nr. 15 genannte Spiel: „Die glückselige Verzweiflung“ als Bearbeitung der „Liebes Verzweiffelung“ anzusehen. 4. Dezember 1667: Aufführung im Heidelberger Schloss Carl Ludwigs von der Pfalz: Der Wettstreit der Verzweifelnden. (Churpfälzische Compagnie Comoedianten unter Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwarz). Nr.16 des Velthen-Verzeichnissses von 1679 nennt „Die Epirische Krönung“[mit dem Zusatz „war gut“]. Es gibt jedoch keine Verbindung dieses Spiels zu Johann Martins „Liebes Verzweiffelung“. Zwar wurde bisher kein Text der „Epirischen Krönung“ gefunden, doch konnte Rudin192 auf Grund der fast übereinstimmenden Actoren-Verzeichnisse die „Epirische Krönung“ als eine Bearbeitung von James Shirleys Komödie „The Coronation“, 1635, identifizieren. (Siehe Personenverzeichnis einer Aufführung zu „Die dreifache Krönung von Epiro“ durch die Velthen-Truppe in Bevern am 22. Oktober 1680, vorliegende Arbeit, S. 481). 1667 stand die „Epirische Krönung“ als Nr. 11 und Nr. 14 auf der Repertoireliste der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten, der Nachfolgetruppe des Hans Ernst Hoffmann, als sie in Heidelberg am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz spielten. Aufführungen am 16. und 19. Dez. 1667. (Es soll das Lieblingsstück des Churfürsten gewesen sein.) Durch die Velthen-Truppe wurde „Die Epirische Krönung“ am 21. und 24. Oktober 1679 ebenfalls im Heidelberger Schloss des Churfürsten Carl Ludwig aufgeführt. Die Singekomödie „Die vermeinthe Brueder- und Schwester Lieb“, (59 fol, Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13177, Volltext im Internet: data.onb.ac.at/ rec/AL00166259) steht ebenfalls in keinem Zusammenhang mit der „LiebesVerzweiffelung“ des Johann Martin. (Gemeinsam sind nur einige der üblichen Motive: Geschwisterliebe an einem königlichen Hof, verschmähte Liebe und Intrige). – Am 19. Nov. 1680 von Mitgliedern des Wiener Hofes aufgeführt. Musik von Kaiser Leopold I. (vier eingefügte Arien mit Ritornellen, ein Duett und längeres Schlussterzett mit Diana, Juno und Venus zu Ehren des Namenstags von Kaiser Leopold), die Musik zu den Balletten stammt von Andreas Anton Schmelzer (Partitur: Nationalbibl. Wien, Sig. 16312).193 192 Rudin, Bärbel: Liselotte von der Pfalz als Theaterpatin. In: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt. 2008. Jg 12, S. 13. 193 Verzeichnet bei Alexander von Weilen: Zur Wiener Theatergeschichte, S. 26, Nr. 194; ebenso bei Franz Hadamowsky: Barocktheater am Wiener Kaiserhof, S.  83. [Die Signatur 13077 muss berichtigt werden: es ist die Sig. Ms 13177]

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Vielleicht beziehen sich jedoch die folgenden Aufführungstitel auf Martins „Liebes Verzweiffelung“:194 25. Juni 1683 am Ansbacher Hof: Die mayestätische glickes und Liebes-Verwirrung (Nr. 15 auf der Repertoireliste der Eggenberger Comoedianten). [?] 28. Oktober 1741 in Frankfurt am Main: Lustige und intrigante Pieco-Comique, betitult: Das gecrönte Schäffer-Paar. Oder: Die verlohrne und wieder gefundene Fürstenkinder. Comoedia genandt. Der Vnbesonnene Liebhaber. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sammelband D 93, Bl. 93–138) Pergamentband mit Musiknoten. Signum auf der letzten Seite, 138 r: F. U. W. (oder F. H. W.?) Abgedruckt in: Die Schaubühne, Bd 2, Frankfurt 1670. Neudruck in: Die Spielteste der Wanderbühne, Bd IV, Berlin 1972, S. 121– 235. Vorlage ist Quinault: Amant indiscret. Le Maître etourdi. Inhaltlich ähnlich wie Molieres „L’Etourdi“ (Siehe Wanderbühnenstück „Von der Verkehrten Welt“); bei Quinault heißt der Diener ‚Philipin‘, bei Moliere ‚Mascarille‘. Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra Bd 78). Berlin 1910, S. 311–316.

Der schwermende Schäfer Lysis. (Siehe „Der schwermende Schäfer“) Merckwürdiges Schau-Spiel, genannt: Die Macht Des Himmlischen Verhängnüßes in Bestraffung der Laster, nach dem Sprichwort: Untreu schlägt seinen eigenen Herrn. Aus dem Spanischen ins Frantzösische und aus diesem ins Teutsche übersetzet, Von Henrico Rademin, L[icentiatus] p[er] t[empore] Directore Comico. O.O.[1718]. 6 ½ Bogen. Spanische Vorlage: Francisco de Rojas „La traicion busca el castigo“ (1640); französische Bearbeitung: „Le traître puni“ aus Lesages „Théâtre espagnol“ (1700). Ein Exemplar des deutschen Wanderbühnenspiel-Druckes kam bis nach St.Petersburg.195

194 Zitiert nach Mentzel: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main, S. 458. 195 Nach Rudin, Bärbel: Heinrich Rademin, Hanswursts Schattenmann. In: Maske und Kothurn, Jg 48, Heft 1–4, Wien 2002, S. 286.



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Geißler hatte den Text schon vorher im Manuskript erworben und veröffentlichte das Stück zur Bedienung eines hohen Adels / und anderer hochgeneigter Liebhaber theatralischer Gedicht- und Geschichte. Gespielt in Prag am 17. Juni 1717 unter dem Titel „Die belohnte Treue / und gestraffte Untreue“. (Das Schauspiel hat nichts mit der „Tragicomoedia Der stumme Ritter oder Vntrew schlecht ihren eygen Herrn“ zu tun.) Comoedia von der Macht des kleinen Knaben Cupidinis. In: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630; ebenso in: Schau-Bühne, Bd 3, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 9–90. Das Possenspiel ist auch abgedruckt in: „Johann Friedrich Hekels blutiger und unglücklicher Türcken-Krieg und erfreulicher Christen-Sieg. Hof 1698. (Nach Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 265  f) Dieses sehr handlungsarme Wanderbühnenstück zeigt viele Motive und Aktionen aus früherer Literatur, z.  B. den gefesselten Cupido aus Rollenhagens „Amantes amentes“ (1609) und ist zum Teil eine freie Übernahme aus Torquato Tassos 5aktigem Schauspiel „ Aminta“, besonders der Schluss und die Reden Cupidos. Die Namen der Venus in der Rede des Cupido (Szene IV/1) finden sich teils wörtlich in Heinrich Kornmanns „Mons Veneris, Fraw Veneris Berg, das ist, Wunderbare und eigentliche Beschreibung der alten Heydnischen und Newen Skribenten Meynung, von der Göttin Venere“, Frankfurt 1614.196 Auff.: Frankfurt Ostermesse 1657 (Truppe Hans Ernst Hofmann und Peter Schwartz) Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670, S. 68–77.

Drei Abende in Madrid (Siehe „Dame Kobold“)

196 Siehe dazu Werner Richter: Liebeskampf, S. 68–77.

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Tragoedia vom wilden Manne in Creta. Eine Inhaltsangabe dieses Wanderbühnenspiels ist überliefert in Gabriel Tzschimmers Bericht197 über eine Aufführung in Dresden am 15. Februar 1678, abgedruckt in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Anhang S. 339–346. Comoedia von König Mantalors vnrechtmessigen Liebe vnd derselben Straff. Vorlage: 9. Buch einer deutschen Übersetzung des Amadis-Romans (deutsche Erstausgabe 1573). Abgedruckt in: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630; ebenso in: Schau-Bühne, Bd 3, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 312–401. Als Possenspiel „Von König Mantalors unrechtmäßiger Liebe“ abgedruckt in: Johann Friedrich Hekels blutiger und unglücklicher Türcken-Krieg und erfreulicher Christen-Sieg. Hof 1698. (Nach Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 265). Entlehnungen aus dem französischen Schäferspiel „La Silvie, tragi-comédi pastorale“ (1626) von Jean de Mairet.198 Teils auch wörtlich übernommene Textstellen aus Matteo Bandellos erstem Novellenband „Glücks- und Liebeskampf“, 1615. Die in Schröders Tagebuch199 1669 erwähnte Komödie „Dulcimunda“ verarbeitet dieselbe Episode aus dem Amadis-Roman (Aufführung durch die Paulsen-Truppe). (Siehe vorliegende Arbeit, S. 458). Auff.: 1669 in Danzig: „Commoedia Von der Dulcimunda“ durch die Truppe des Carl Andreas Paulsen (Schröder-Aufzeichnungen Nr. 4).

197 Tzschimmer, Gabriel: Die Durchlauchtigste Zusammenkunfft / Oder: Historische Erzehlung / Was Der Durchlauchtigste Fürst und Herr / Herr George der Ander / Herzog zu Sachsen … Bey Anwesenheit Seiner Gebrüdere / dero Gemahlinnen / Princen / Princessinnen / zu sonderbahren Ehren / und Belustigung / in der Residenz und Haubt-Vestung Dresden im Monat Februario des M.DC.LXXVIIIsten Jahres An allerhand Aufzügen / Ritterlichen Exercitien, Schau-Spielen  /  Schiessen  /  Jagten  /  Operen, Comoedien, Balleten, Masqueraden, Königreiche  /  Feuerwercke  … aufführen und vorstellen lassen. Nürnberg: Johann Hoffmann; Christian Sigmund Froberg, 1680, S. 213  ff. 198 Siehe dazu Werner Richter: Liebeskampf, S. 36–48. 199 Die von Georg Schröder in seinem Tagebuch aufgezeichnete Inhaltsangabe ist abgedruckt bei Bolte: Danziger Theater, S. 108.



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Vielleicht die 1741 von Wallerotty aufgeführte Komödie „Der Schauplatz der Unglückseelig Verliebten, oder die Würckung einer unmenschlichen Zauberey und der wider seine eigene Tochter tyrannisierende Vatter“. Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670, S. 36–48.

Ermordete Majestät. Oder Carolus Stuardus König von Groß Brittannien. (Siehe Carolus Stuardus) Die heylige Margaretha. Margaretha Märtyrin. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13115) 3 Akte. In der Milichschen Bibliothek Görlitz (Sammelband B. VII. 71, fol. Nr. 107) hat sich das gedruckte Programm einer hochteutschen Compagnia erhalten, das unter dem Titel „Der verirrte Liebes-Soldat200 Oder Der mit dem Lindwurm streitende Ritter S. Georg“ die bekannte Margaretenlegende mit der Legende vom heiligen Georg verquickt. [Margaretha verweigert dem Tyrannen Olybrius die Ehe und wird von diesem an einen Felsen gekettet, wo sie ein Drache fressen soll. Der fremde Ritter Georg befreit sie und tötet den Drachen. Dieses Motiv begegnet auch in „Andromeda“. Dort ist es Perseus, der die Unglückliche befreit. Das Manuskript verzeichnet in der ersten angeführten Besetzungsliste die Komödianten der Elenson-Haacke-Truppe (1712/13): Den Georgius und die Margareta gaben in der ersten Besetzung Johann Ferdinand Felix Elenson und dessen Frau, die 1714 von der in Kursachsen privilegierten Truppe nach Wien überwechselten. Auff.: 1. Oktober 1669 in Danzig (Schröder-Tagebuch201): Tragoedia von der H. S. Margaretha und dem S. Georgio (Inhalt und Personen mit o.  a. Programm fast identisch). Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 26: Der Ritter Georgius und die H. Margareta. 1690 spielte Velthen in Dresden den Ritter St. Georg. Weimarer Verzeichnis Nr. 52: Die märtererin S. Margaretha.

200 Nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Wanderbühnenstück! 201 Der Danziger Ratsherrn Georg Schröder verzeichnete den Inhalt der von ihm selbst erlebten Aufführung in seinem Tagebuch. Abgedruckt bei Bolte: Danziger Theater, 1895, S. 106–108.

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1690 in Görlitz und Freiberg: Der verirrte Liebes-Soldat. (Titel wurde von dem Schauspiel „Der verirrte Liebes-Soldat“ übernommen und das Thema der türkischen Kaisertochter Aribene auf die Christin Margarethe übertragen.)202 Schuldige Unschuld Oder Maria Stuarda, Königin von Schottland. Trauer-Spiel in gebundener Rede auffgesetzt. Dresden 1683. Von August Adolf von Haugwitz. Abgedruckt in August-Adolph von Haugwitz: Prodomus Poeticus. Dresden 1684. Faksimile-Druck hg. von Robert R. Heitner, Bern 1974.[Maria Stuart, 1542– 1587, wahrscheinlich unschuldig auf Befehl Elisabeth I. hingerichtet] Vorlage: Joost van den Vondel: Maria Stuart of gemartelde Majesteit. Keulen [Köln] 1646. Ins Deutsche übersetzt von Christian Kormart: Maria Stuart: Oder Gemarterte Majestät … Auf Anleitung und Beschaffenheit einer Studierenden Gesellschafft in Leipzig ehemals auffgeführet. Halle 1672. Die Widmung datiert vom 12. Juni 1673. (Kormart erweitert die Personenanzahl von 8 auf 45.) Frühere Bearbeitungen des Themas: Montchrestien: L’Ecossoise (1601, spätere Aufl. 1604 und 1627). In: Les Tragédies de Ant. de Montchrestien, sieur de Vasteville, plus une bergerie et un poème de Susan. Rouen [1601]; Lope de Vega 1627; Regnault: Maria Stuard, reyne d’Ecosse, Paris 1639/1641; Jost van de Vondel 1646. Maria Stuart, Königin von Schottlandt. Apenrade d. 19. Julij 1711. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1607) 47 Bl. 4, Einband: Schweinslederrücken, marmoriertes Papier. Drei Akte in Prosa, zehn Personen. Bühnenmanuskript der lange Zeit im Ostseeraum tätigen Truppe des Johann August Ulich, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Vorlage: Johannes Riemers 1679 erschienenes Schauspiel, gedruckt in seinem Buch „Der Ertz-Verleumder und Ehe-Teuffel von Schottland. In einem Trauer-Spiel abgefast. Weißenfels 1679; und

202 Siehe dazu Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg. 35, 2006, S. 240–241.



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Johannes Riemer: Der Regenten bester Hoff-Meister oder lustiger Hoff-Parnassus, wie sich in demselben Glück und Unglück praesentiret, in Theatralische Discurse … abgefasset, Leipzig 1681, S. 283–384: Von hohen Vermählungen. Auff.: 1672 in Leipzig (Schulaufführung von Kormarts Übersetzung). 1686 in Stockholm: Maria Stuart of Scotland.203 16. Oktober 1707 in Wien: Die Hohe Vermählung. Zwischen Maria Stuart und Heinrich Darley Konig von Schottland und Frankreich. (Württembergische Hof­ komoedianten unter Jakob Wilhelm Augustin und Johann Fromm, sammbt ihrem berühmten Teutschen Arlechin. – Das Stück kam jedoch, wohl aus politischen Gründen, nicht zur Aufführung.) Weimarer Verzeichnis Nr. 109: Das leben maria stuart königin von schottland. und Weimarer Verzeichnis Nr. 110: Die enthauptung maria stuart. 19. Juli 1711 in Apenrade [südliches Dänemark]. 1718 in Riga: Schottland. (Truppe der Victoria Clara Bönicke) Lit.: Maria Stuart im Drama der Weltliteratur, vornehmlich des 17. und 18. Jahrhunderts (= Breslauer Beiträge zur Literaturgeschichte, Bd 9). Leipzig 1907, S. 142, 152–159.

Mars in Tieffster Trauer bey denen blutigen Cypressen Der SchwedischCarolischen Leiche. Das ist: Der unglückseelige Todes-Fall des weyland Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten Herrn, Herrn Caroli XII. Der Schweden, Gothen und Wenden König, welcher in denen Approchen vor Friedrichs-Hall in der Nacht, zwischen den 11. und 12. December des 1718ten Jahres seinen Heldenmüthigen Geist auffgegeben. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13339) 4°, 37 fol. unpaginiert. fol. 61 r: Scrips. Joh. Joseph Kohlhard Dresdae mens Julio MDCCXXIV [1724]. Veröffentlicht durch Carl Heine: Der unglückselige Todesfall Caroli XII. Ein Drama des 18. Jahrhunderts. Halle 1888; ebenso Heinrich Lindner: Karl der Zwölfte vor Friedrichshall. Eine Haupt- und Staatsaction in vier Actus, nebst einem Epilogus. Deßau 1845. [Geschichtlicher Hintergrund ist das Ende Karls XII. (1682–1718), der, von Peter dem Großen in der Ukraine entscheidend besiegt, nach jahrelangem Aufenthalt in der Türkei 1714 zurückgekehrt und vor der norwegischen Festung Frederikshall am 11. 2. 1718 gefallen ist. Mit ihm endete die Großmacht Schwedens.]204 203 Dahlberg, Gunilla: Komediantteatern i 1600-talets Stockholm.Stockholm 1692, S. 216  f. 204 Findeisen, Jörg-Peter: Karl XII. von Schweden. Ein König, der zum Mythos wurde. Berlin 1992.

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Eine weitere Verherrlichung Karls XII. aus dem Jahr 1707: „Der heldenmütige Monarch von Schweden Carolus XII.“ von Barthold Feind. Theaterzettel der Pragerischen Komödianten in Ulm [undatiert; vor Februar 1753]: Mars in der tiefsten Trauer, Bey denen blutigen Cypressen der Schwedisch-Carolinischen Leiche, Das ist: Der unglückseeligste Todes-Fall Des Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten Herrn, Herrn Caroli XII. Der Schweden, Gothen und Wenden König, Glorwürdigsten Gedächtniß, Welcher in denen Aprochen vor Friedrichs-Hall, in der Nacht zwischen dem 11. und 12. Decembris, Anno 1718. seinen Heldenmüthigen Geist aufgegeben. Mit Inhaltsangabe. (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 011). Auff: 29. Juni 1702 am Rostocker Theater: Das von Ihro Königl. Majestät zu Schweden durch Hochdero Glorieuse Waffen glücklich entsetzte Narva nebst den herrlichen und fast unerhörten Sieg wider den Zaaren in Moscau. Ein Nürnberger Aufführungsverbot von 1715 nennt das Stück „Die orientalische Verräterei wider die königl. Maj. in Schweden“ von Johann Georg Ludovici. 24. Juli 1724 in Dresden: „Mars in tieffster Trauer, bey denen blutigen Cypressen der Schwedisch-Carolinischen Leiche“.(Elenson-Haake-Hoffmannsche Truppe). 18. September 1748 in Nürnberg: Die Kläglich schröckende Staats-Finsternus in Schweden bey dem blutigen Untergang ihrer Reichs-Sonne vor Fridrichshalle Oder: Das in dem Blute trauernde Schweden bey dem Großmüthigst / als betrübtesten Todes-Fall des Allerdurchlauchtigsten, Großmächtigsten Caroli XII. Königs derer Schweden / Gothen und Wenden etc. etc.205 (Theaterzettel der Kurbayrischen Komödianten unter Johann Schulz; im Germanischen Museum Nürnberg, Sig. 2° L. 1313w Schulzesche Gesellschaft 1748, Nr. 26.) Vor 1753 in Ulm: Mars in der tiefsten Trauer bei denen blutigen Zypressen der Schwedisch-Karolinischen Leiche. (s.  o.) Bis in die 1760er-Jahre sind Aufführungen zahlreicher Schauspiele über Karl XII. bekannt. Der tolle Marschalck aus Spanien (Siehe „Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel“)

205 Zitat nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayerischen Hofe, S. 363.



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Die lebendige Märtyrin / vorgestellet In dem Leben der Römischen Märtyrin Sophia und ihrer drey Töchtern Spes, Fides und Charitas. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13190) 4°, 36 fol. unpaginiert. Die Handschrift gehörte der Truppe des Carl Ludwig Hoffmann, Schreiber des Prologs: J. F. G. Historischer Hintergrund ist die Figur der Sophia von Mailand, gest. als Märtyrerin zwischen 117 und 138 n. Chr. in Rom, ebenso wie ihre drei Töchter Spes, Fides und Caritas. Bearbeitung des Themas durch Johann Christian Hallmann: „Sophia. TrauerSpiel. Breßlau“, 1671. [Exemplar in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen, Sig. Germ.bis.49750. 4°.] – Zweitdruck in Breslau 1684 unter dem Titel „Die Himmlische Liebe / Oder die Beständige Märterin Sophia“.] Neudruck der Erstausgabe von 1671 (nach dem Exemplar in der Staats­ bibliothek Berlin, Sig. Yq 6831) in Johann Christian Hallmann: Sämtliche Werke, hg. von Gerhard Spellerberg, Bd 2 (= Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, hg. von Hans-Gert Roloff, Bd 89). Berlin – New York 1980, S. 1–140. (Siehe auch die „Mirantische Wald-Schallmey“ des österreichischen Barockdichters Laurentius von Schnüffis (mit bürgerlichem Namen Johann Martin), worin sich die im Titel genannten Figuren Spes, Fides und Caritas wiederfinden.) Das Szenar einer Aufführung von Hallmanns „Sophia“ im Magdalenen-Gymnasium in Breslau im Jahr 1671, gedruckt in der Baumannischen Erben Druckerey durch Johann Christoph Jacob / Factor, ist als Reprint wiedergegeben in Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18.  Jahrhundert, Tübingen 1994, S. 499–502. In der Breslauer Stadtbibliothek ist ein Szenar der Oper „Die Himmlische Liebe oder die Großmüthige Märterin“ erhalten, das die Aufführungen einer veränderten Fassung im Oktober 1699 und im Herbst 1704 in Breslau dokumentiert. Ein „Singspiel betitelt Sophia“ von Sigmund von Birken ist 1662 in Bayreuth gedruckt worden. 16 Bl. (Widmungsgedicht, Vorrede, 3 Handlungen, Schlussrede, Tafel Chur- und Fürstlicher Stammverwandtschaft. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Textb. 4 4 (1).206

206 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  310, Nr. 1512.

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Auff.: Schulaufführungen 1671, 1699 und 1704 in Breslau.207 [?] Weimarer Verzeichnis Nr. 46: Die lebentig begrabene prinzesin. Masaniello (Siehe „Die große Neapolitanische Unruhe durch den Fischer Thomas Agniello“) Der resolvirte Keyserl. Printz Maximilianus (Siehe „Der Unerschrockene Jäger“) Die rasende Medea. Mit Arlequin / einem verzagten Soldaten. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13189) 4°, 35 fol. unpaginiert. Signum auf der Titelseite: C. L. Hoffmann, D. C. Auf der Innenseite des zweiten Deckblatts steht der Textschluss (teils in Versen) aus dem heute verlorenen „Eisernen König“ in der Handschrift von Carl Ludwig Hoffmann. (vgl. Heine, Carl: Das Schauspiel der deutschen Wanderbühne vor Gottsched, Halle 1889, S. 73.)208 Beigegeben ist ein Pro memoria für alle fünf Akte, das wohl wichtigste Dokument zur Aufführungspraxis der uns überkommenen Handschriften; ebenso der handschriftliche Entwurf eines Theaterzettels, der Angaben über die Außzierungen des Theatri enthält. (Siehe vorliegende Arbeit, S.  367). (Abgedruckt in Asper: Spieltexte der Wanderbühne, S. 93–95). Dieses Wanderbühnenstück ist wahrscheinlich eine Bearbeitung der holländischen „Medea“ des Jan Vos (1665). Eine Tragoedia von Medea und Jason wurde jedoch schon am 23. März 1601 in Danzig von Gymnasiasten aufgeführt. 1675 erscheint in Venedig die Oper von Aurelio Aureli: „Medea in Atene. Dramma rappresentato nel Teatro di S.Mosè di Venezia“. 207 Das Szenar einer Aufführung von Hallmanns „Sophia“ im Magdalenen-Gymnasium in Breslau im Jahr 1671, gedruckt in der Baumannischen Erben Druckerey durch Johann Christoph Jacob / Factor, ist als Reprint wiedergegeben in Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1994, S. 499–502. Zu den Schulaufführungen in den beiden Breslauer Gymnasien siehe auch Gerhard Spellerberg: Das schlesische Barockdrama und das Breslauer Schultheater. In: Die Welt des Daniel Casper von Lohenstein. Köln 1978, S. 58–69. 208 Junkers: Niederländische Schauspieler, S. 269–276, versucht anhand eines gedruckten Prologs, der eine Inhaltsangabe des „Eisernen Königs“ verzeichnet, das Wanderbühnenstück zu identifizieren. Dieser Prolog der Anwesenden königl. Pohlnischen und Churfürstl. Sächsischen / PrivilegirtenHof.Comödianten, wurde gedruckt in Hamburg 1719. In diesem Jahr spielte die Elenson-Haackesche Truppe in Hamburg den „Eisernen König“.



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Gottsched verzeichnet in seinem „Nöthigen Vorrath“ (S. 251, 260 und S. 300) die Oper „Medea“ (Musik von Antonio Giannettini, Text italienisch und deutsch) dreimal: Wolfenbüttel 1686, Hamburg 1695 und Braunschweig 1724; ebenso in seiner „Nachlese“ (S. 263) ein Singspiel „Medea“, Augsburg 1697. 1688 erscheint in Wolfenbüttel „Medea in Atene. Drama per Musica rappresentato al Teatro Ducale di Wolfenbuttel. Nel mese di Febraro l’anno MDCLXXXVIII“. Hausmann (Bibliographie, S. 60) verzeichnet eine Bearbeitung von Christian Heinrich Postel: Medea Jn Einem Singe-Spiel vorgestellet. Jm Jahr Christi [Hamburg] 1695. Ein Textbuch zu dem Singspiel „Medea“ (68 Seiten, in 3 Handlungen, 60  Arien und Chor, Übersetzung von Postel, Komponist wahrscheinlich Antonio Gian­nettini)209 ist im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Bestand A 21, Bü 593) erhalten. Festprolog mit 7 Arien und einem Chor. Aufführungen am Württembergischen Hof in Stuttgart, in Braunschweig und Hamburg. (siehe unten) Libretto: Die an des Jasons Untreu sich rächende Medea. In einer Opera vorgestellet auf dem Grossen Braunschweigischen Theatro, In der Sommer-Messe Anno 1724. Musik: Johann Sigismund Kusser (?), Text: Friedrich Christian Bressand, neu bearbeitet von Schürmann. Wolfenbüttel 1724, 26 Bl., Personen, Szenarium, 3 Handlungen. (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Textb. 710).210 Die Neuberin ist als Medea-Darstellerin der Elenson-Truppe in dem Personenverzeichnis des undatierten Wanderbühnenstücks „Die rasende Medea / mit Arlequin / einem verzagten Soldaten“ genannt (um 1724). (Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13189; vorliegende Arbeit, S. 672) Auff.: 24.März 1678 (Velthen-Truppe). 1692 in Braunschweig: Oper Medea (Komponist wahrscheinlich Giannettini). 1694, 25. März, in Nürnberg (Gesellschaft Johann Sigismund Kusser).211 1695 in Hamburg: Oper Medea (Komponist wahrscheinlich Giannettini) 1697 in Augsburg: Medea, in einem hochteutschen Singespiele (Musik von Antonio Giannettini). 209 Giannettini (1649–1721)Hofkapellmeiser in Modena. Soll sich gegen Ende des 17. Jahrhunderts in Hamburg aufgehalten haben. (Sittard: Musik und Theater am Württembergischen Hofe, I, S. 275–278. 210 Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel 1970, S. 25, Nr. 122. 211 Zu Kusser siehe Hans Scholz: Johann Sigismund Kusser. Sein Leben und seine Werke. Leipzig 1911. – Ebenso Markus Paul: Reichsstadt und Schauspiel. Theatrale Kunst im Nürnberg des 17. Jahrhunderts. Tübingen 2002, S. 559–573.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Abb. 38: Friederike Caroline Neuberin als Medea (Deutsche Briefmarke 1976)

1700, 3. Okt., in Stuttgart: Oper Medea. Zum Geburtstag von Johanna Elisabetha Herzogin zu Württemberg (Postel/Giannettini). 1701 in Leipzig, mit Königl-Pohlnischer und Chur-Sächsischer Allergnädigster Bewilligung in einem Sing-Spiele auff dem Leipziger Theatro in der MichaelisMesse 1701 vorgestellet. Um 1724: Die rasende Medea  /  mit Arlequin  /  einem verzagten Soldaten (Elenson-Truppe). Eine Bearbeitung von Wilhelm Gotter (Musik von Georg Benda) wurde am 3. September 1784 in Luzern aufgeführt (Truppe Koberwein). Die getreue Mellisa. (Deutsches Theater- Museum München) Undatierter Theaterzettel, neu abgedruckt bei Ruth Eder: Theaterzettel. Dortmund 1980 (= Die bibliophilen Taschenbücher 153), S. 39. Vorlage: „Melissa“ des Holländers Johan Beets (1668), 40 Jahre nach Entstehung des Manuskripts abgedruckt im 1. Teil von J. Beets „Dichtkonst vn verscheide stoffen“. Hoorn 1668.



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Siehe auch das antiquarische Verzeichnis „Theaterzettel aus dem 17. Jahrhundert“ von Ernst Carlebach, Nr. 211: Theater und Musik, Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1033–1041.212 Auff.: 1674 und 1679 in Carl Andreas Paulsens Repertoireliste in Dresden, Nr. 18: „Der treue Kerker“ 1679 in der Repertoireliste des Johan Velthen am kurpfälzischen Hof in Heidelberg und Mannheim, Nr. 30: „Melißa oder der getreue Kerker“. Die Lebendig-Begrabene Printzessin Merolome (Siehe „Die Heillose Königin Odomire“) Die Unmüglige Mügligkeit. Vorgestellet auf den Schloße Gottorp am GebuhrtsTage Seiner Königl. Hoheit Printz Carl Friedrich Hertzog von Holstein, Vor dem Administrator Hertzog und Bischoff von Lübeck Christian August zu Eutin d. 20. April 1711.213 Johann Anthon Bonn. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1610) 52 Bl. 4°, Einband: Schweinslederrücken, marmoriertes Papier. Manuskript der Spiegelberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Die fünf Handlungen dieser Tragikomödie behandeln das Liebesschicksal von Alphonsus und Dianira und die Frage, ob und wie es möglich sei, ein schönes Weib zu hüten. Das unmöglichste Ding. In einem Sing-Spiel vorgestellet. Hamburg 1684. (Musik: Johann Philipp Förtsch, Text: Lukas von Bostel) 22 Bl., Personen, Inhalt, 3 Handlungen. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. Sammelbd 7 (5).214 Theaterzettel der Pragerischen Komödianten, Aufführung vor Februar 1753: L’impossibile fato possibile, Das ist: Die möglich gemachte Unmöglichkeit, Dargestellet In der mit vielen traurigen Bebenheiten / lächerlichen Zufällen, und intriganten Verwirrungen untermengten Lebens-Geschichte Der Dianira, Einer Spanischen Hertzogin, Und des Alphonsi, Königs in Castilien. Mit Hannß-Wurst, einem Ertz-Feind des Scapins, eyffersüchtigen Amanten, und lächerlichen Feuerwercker. 212 Angaben nach Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg 35, 2006, S. 196–197. 213 Herzog Karl Friedrich zu Schleswig-Holstein Gottorp (1700–1739) war der Vater des Zaren Peter III. – Christian August (1673–1726) war sein Oheim und Vormund. 214 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  339, Nr. 1649.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Mit Inhaltsangabe und Personenverzeichnis. (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 030). Eine ausführliche Inhaltsangabe dieses Themas ist in einem um 1707 gedruckten Breslauer Programm „Die möglich gemachte Unmöglichkeit“ erhalten, abgedruckt bei J. Bolte: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen, 1934, S. 459–460.215 Vorlage: Die 1652 und noch mehrmals gedruckte Tragikomödie „La Forza del Fato, Overo il Matrimonio nelle Morte“ von Giacinto Andrea Cicognini. Das Motiv ist auch in Lope de Vegas Comödie „El mayor imposible“ enthalten, auf der Moretos „No puede ser guardar una muger“ aufbaut. Bearbeitungen dieses Themas: eine italienische Oper von Matteo Noris (Musik von Carlo Pallavicino): Bassiano overo Il maggior Impossibile Possibile, Venedig 1682. Darauf beruht die Oper des Librettisten Lucas von Bostel (Musik von J. Phil. Förtsch: Das unmöglichste Ding, Hamburg 1684. Ein Nachdruck dieser Oper ist das am 9. Februar 1686 in Gotha aufgeführte Singspiel „Bassianus oder das unmöglichste Ding“ (Forschungsbibliothek Gotha, Sig. Poes. 2169 fol. Nr. 12); und „Bassianus“, Coburg 1686. Eine weitere Bearbeitung des Themas dürfte die 1661 entstandene venezianische Oper „La Pasife overo l’impossibile fatto possibile“ von Giuseppe Artale (Musik von Castrovillari) sein. Bolte216 nennt auch noch Boisrobert: La folle gageure ou les divertissements de la comtesse de Pembroc, 1693.217 Auch das Wiener Manuskript (Österr.Nat.Bibl., Ms 13174) „Die närrische Wette oder der geizige Gerhard“ ist diesem thematischen Umkreis zuzurechnen. Auff.: 1686, 9. Februar, in Gotha als Singspiel (s.  o.). Januar/Februar 1690 am sächsischen Hof zu Torgau: Die Unmögliche Möglichkeit und Die närrische Wette (Velthen-Truppe). Weimarer Verzeichnis Nr. 47: Die unmögliche möglichkeit. 1711, 30. April, auf dem Schloss Gottorf (Schleswig-Holstein), (s.  o.). 215 Der Inhalt ist ebenso abgedruckt in Richter, Werner: Liebeskampf, S. 282–283. 216 Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen, 1934, S. 461, Anm. 2. – Zu den Bearbeitungen dieser spanischen Komödie siehe auch Gisbert von Vincke: Gesammelte Aufsätze zur Bühnengeschichte (= Theatergeschichtliche Forschungen, Bd 6), Hamburg 1893, S. 148. 217 Laut Richter, Werner: Liebeskampf, S. 280  f., ist ein unbekanntes holländisches Stück, mit dem das vorliegende von Boisrobert inhaltlich zusammenhängt, die direkte Vorlage für das Wanderbühnendrama.



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1718/19 in Riga: Das Unmögliche möglich. (Truppe Victoria Clara Boenicke). Um 1720 in Petersburg: „Die unmöglich gemachte Möglichkeit“ unter Prinzipal Johann Heinrich Mann, mit Victoria Clara Benecke. Vor 1753 in Ulm [undatiert]: L’impossible fato possibile, das ist: Die möglich gemachte Unmöglichkeit. (s.  o.) (Siehe auch „Die närrische Wette oder der geizige Gerhard“) Conte de Monte Negro (Siehe „Conte de Monte Negro“) Die Kindheit Mosis. Oder Die Dienstbarkeit der [Kinder] Israel in Egypten. … (Deutsches Theater-Museum München) 116 doppelspaltige Druckzeilen, die 5 Handlungen erklärend. Theaterzettel der hoch-teutschen Comödianten vom 18. Jan. 1662 [?]. Erwähnt im Antiquarischen Verzeichnis von Ernst Carlebach, Nr. 211: Theater und Musik, Heidelberg 1896, S. 98, Nr. 1035. Vorlage: Joost van den Vondels Frühwerk „Het Pascha, ofte de Verlossinge Israels uit Egypten“, Schiedam 1612 (Neudruck 1695).218 Das folgende Manuskript ist eine Kopie dieses Wanderbühnenmanuskripts: Mosis Leben und Geschicht / oder / Mosis ausführung der Kinder Israel aus Aegipten. 4°, 24 fol. unpaginiert. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13126) Inschrift auf dem Titelblatt: Geschrieben von J. F. G. in Augspurg, 1723 [J.F.G. auch in „Die lebendige Märtyrin“]. Die Müllerin und ihre drei Liebhaber. (vor 1658) 268 Verse und etwas Prosa. (Übereinstimmung mit dem niederländischen Spiel „Domine Johannes“.) Abgedruckt in Bolte: Die Singspiele der englischen Komödianten, Hamburg und Leipzig 1893, S. 110–128. (Siehe dazu „Die doppelt betrogene Eyfersucht“)

218 Angaben nach Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg 35, 2006, S. 201–202.

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Comoedia genant Der Spannische Münch und Ehrliche Rebell. wurde praesentiert vor Carolo dem 2 ten König von GroßBrittannien. Durch dero HoffComoedianten componiert von Johann Dryden höchstberühmten Poeten, und übersetzt auß dem Englischen in das Hochteutsche durch Caspar Spannagel Englischen Künstler. (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, 1 Bd. 100 B) Nach 1712, 5 Akte, 14 Personen, Prosa. Vorlage: „The spanish Friar“ (1681) von John Dryden. Comoedia Die Bulhafftige Mutter. In: Schau-Bühne, Bd 1, Frankfurt 1670. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd III, Berlin 1970, S. 433–540. Vorlage: Quinault: La mère coquette. Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670. Berlin 1910, S. 306–310.

Die Standhaffte Mutter der Machabaeer. Wie dieselbe mit ihren sieben Söhnen hingerichtet wird. Theaterzettel [der Truppe Andreas Elenson?] vom 23. Oktober [1684 ?]219 mit Angabe der 16 Personen der Action und mit Inhaltszusammenfassung der drei Handlungen. (Beigelegt in „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläufft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen, In dritter Instanz geführt von Sebastian Dehner. – Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420). Die Macchabaeische Mutter mit ihren sieben Söhnen. In einem Singe-Spiel vorgestellet. Hamburg 1679 (Text: Pastor Hinrich Elmenhorst, Musik von Johann Wolfgang Franck). 33 Bl., Personen, Prologus, 5 Handlungen. Fünf Akte. [Das Wanderbühnendrama streicht die letzten Szenen im Paradies]. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, 2 Exemplare, Sig. Textb. Sammelbd 7 (7) und Textb. Sammelbd 10 (4).

219 Das Jahr und die Truppe wurden ermittelt von Bärbel Rudin (Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren, Berlin 1988, S. 31. Abbildung des Theaterzettels S. 51.)



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1704 wurde in Wien „Die Mutter der Machabeer. Oratorio. In Leopold deß Ersten Hof-Capellen Wäsch gesungen“. Mit der Music deß Attilio Ariosti. Wien 1704. Es ist dies die Übersetzung von „La madre de’ Maccabei“. Wien 1704. (Beide Exemplare in der Nat.Bibl. Wien unter derselben Signatur 406747B.M.) Standhafftigkeit Im Glauben / Oder Die Mutter der Machabaeer mit ihren siben Söhnen. Tragoedie. Schulaufführung des Jesuiten-Gymnasiums Köln am 14. Juli 1708. Autor: Paul Aler, Direktor des Gymnasiums. 48 Seiten. Perioche Köln 1708. (2 Exemplare in der Staatsbibliothek Berlin). Zuletz bekompt der Narr doch das beste. (Siehe „Comoedie von eines Königes Sohne auß Engellandt vndt des Königes Tochter auß Schottlandt“) Kayser Nero, In denen ersten fünff Jahren seiner Regierung o[der] Der Sanftmüthige. Programmheft, abgedruckt in Fleischmann, Krista: Das steirische Berufstheater im 18. Jahrhundert. Wien 1974. (= Theatergeschichte Österreichs V/1, S. 19). Nero der sechste römische Kayser In den ersten 5 Jahren seiner löblichen Regierung. Oder Die Beleidigung aus Liebe.Theaterzettel, Hamburg 1719. (Devrient, Eduard: Geschichte der deutschen Schauspielkunst, Bd 1, Leipzig 1848, S. 322  f). Kayser Nero in denen fünff Jahren seiner Regierung der Sanfftmüthige. Graz 1722. Theaterzettel der Churfürstlich Pfälzischen Hofcomödianten unter Prinzipal Johann Heinrich Brunius, 4 Bl, in der Universitätsbibliothek Graz, Sig. I, 91652. Die merckwürdige Vermählung des römischen Kaysers Neronis mit der edelmüthigen Römerin Octavia. Theaterzettel, Hamburg 1726. (Junkers, Herbert: Niederländische Schauspieler und niederländisches Schauspiel im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland. Haag 1935, S. 238). Nero, der Römische Kayser, In denen ersten 5. Jahren seiner löbl. Regierung /  Oder: Die unglückseligen Forderungen eines interessirten Hof-Schmeichlers / in Alindo, einem Regier-süchtigen Favoriten des Neronis. Mit Hannß-Wurst, Einem geplagten Bedienten einer männlichen Braut, und Ertz-Feind der alten Pasquella. Aufführung durch die Pragerischen Comödianten, vor Februar 1753. (Stadtarchiv Ulm, Theaterzettel, Fasz. 1670–1780, Nr. 040).

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Das Thema ist vorgegeben im Libretto zu Händels zweiter Hamburger Oper „Die durch Blut und Mord erlangete Liebe, oder Nero“.Text von Friedrich Christian Feustking (1705). (Nachdruck in: Händel-Jahrbuch 23, 1977, S. 69–133). Auff.: Hamburg 1719. 1722 in Graz (Churfürstlich Pfältzische Hofkomoedianten unter Johann Heinrich Brunius). Hamburg 1726. Niemand und Jemand = Späterer Titel des Wanderbühnen-Manuskripts: Ein Warhafftige unndt glaubwirdige History unnd Geschicht, wie es sich vor villen Jarrn in EnglLandt mit Khünig Artzngall un[d] seinen dreyen Prüder zu getragen. [1608]. (Bibliothek des Zisterzienserstiftes Rein  /  Steiermark, Handschriftenverzeichnis Nr. 128). Titel am Schluss des Textes auf S. 47r. Das Manuskript wurde 1758 von Abt Marian Pitreich aus der erzherzoglichen Bibliotheca Ferdinandea in Graz gemeinsam mit anderen Manuskripten erworben. Buchblock (315 mal 205 mm) mit 47 beschriebenen u. 9 leeren Blättern. In gepresstes Rindsleder über Pappe gebunden. Der vordere und hintere Einband zeigen doppelte Rahmen mit Streicheisenlinien und zwei verschiedenen Rollenstempeln. Auf dem vorderen Einband befindet sich das habsburgische Wappensupralibros (70 mal 50 mm) des Erzherzogs Ferdinand von Innerösterreich, des späteren Kaisers Ferdinand II; der hintere Einband in gleicher Weise das Wappen von Bayern (67 mal 51 mm).220 Auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels: blattgroßes farbiges Bild des ‚Niemand‘ in seiner charakteristischen Kleidung, vermutlich eine Abbildung des engl. Schauspielers John Green, auf der Nebenseite ein lateinisches Widmungsgedicht in Hexametern an Erzherzog Maximilian (kalligraphische Lateinschrift). Komödientext in deutscher Schreibschrift. (Signum von Green, Text mit österrreichischer Dialektfärbung) Ältestes erhaltenes Wanderbühnenmanuskript aus dem Jahr 1608, das der englische Schauspieldirektor Johanneß Grüen seinem Gastgeber in Graz, Erzherzog Maximilian, gewidmet hat und das sich an die ursprüngliche Sze220 Heute befindet sich diese ehemalige Grazer Hofbibliothek in der Nationalbibliothek Wien. (Siehe dazu auch die Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark, Heft 47, Graz 1899. Weitere Abbildungen des ‚Niemand‘ bei Bolte im Jahrbuch der deutschen Shakespearegesellschaft, Bd 29, S. 4, 10, 22.



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Abb. 39: NEMO mit rötlichem Bart, blauer Hose, grünen Ärmeln und Strümpfen, blauem Hut mit drei schwarzen Federn, in der rechten Hand ein Buch, in der linken eine Kette mit Perlen und einem Kreuzanhänger haltend, daneben die Devise „Neminis Virtus ubique laudabilis“. (Foto: Stiftsbibliothek des Benediktinerklosters Rein, Handschrift Nr. 128)

nenfolge der englischen Vorlage hält. Die humorvolle Widmung auf S. 46v vergleicht die Komödie mit einem Glas Wein, dessen Geschmack jeder seiner fünf Freunde anders einschätzt. Neudruck: Bischoff, Ferdinand: Niemand und Jemand. In: Mitteilungen des historischen Vereins für Steiermark, Heft XLVII, Graz 1899, S. 138–192; ebenso in Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, Leipzig 1931, S. 73– 131. Eine von der Grazer Version abweichende Bearbeitung findet sich in der ersten englischen Schauspielsammlung von 1620 (neu hg. von Julius Tittmann: Die Schauspiele der Englischen Komödianten in Deutschland. Leipzig 1880, S. 125–174); ebenso in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 345–425. – Auf dieser deutschen Bearbeitung beruht das Lustspiel des Holländers Isaak Vos „Von Jemant en Niemant“, 1645.

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Der Stoff der Haupthandlung ist der „Historia regum Britanniae“ von Geoffrey of Monmouth entnommen, ebenso aus Raphael „Holinshed‘s Chronicles. England, Scotland, and Ireland“. Als Vorlage für den deutschen „Niemand und Jemand“ diente das englische Drama „Nobody and Somebody, with the true Cronicle Historie of Elidure, who was fortunately three several times crowned king of England“ (um 1590 entstanden, 1606 in Druck erschienen). Ludwig Tiecks Übersetzung des englischen „Nobody and Somebody“ veröffentlichte Bolte im Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 29/30, 1894, S. 36–91. (Handschrift in der Staatsbibliothek Berlin, mit Tiecks eigenen Korrekturen, Sig. Ms 834, Bl. 73r). Neubearbeitung des „Jemand und Niemand“ aus dem Jahr 1620 in Ludwig Achim von Arnim’s Schaubühne, Bd 1, Berlin 1813, S. 240–257: Jemand und Niemand. Trauerspiel. Frei nach dem Altdeutschen (4 Aufzüge). 1661 erschien in Den Haag eine Ausgabe des „Jemant en Niemant, gelijck verthoont by de Compagnie van Jan Babtista van Fornenburg“. Bezeugt ist eine Aufführung durch Fornenburgh in Hamburg 1676. Auff.: Februar 1608 in Graz (John Green). 20. Juni 1626 in Dresden: Tragicomedia von Jemandt vnd Niemandt (Robert Reynolds). 26. September 1632: Von Marsiano und Cariel [die den ersten Akt eröffnen]. 10. Juni 1650: Von denen vier Königligen Brüdern in Englandt mit Jemand und Niemand. 21. Juli 1651 in Ulm (englische Komödianten). 1676, Aschermittwoch, 9.  Februar, in Hamburg im Einbeckschen Haus: ­„Yemant en Niemant“ = niederländische Bearbeitung von Isaac Vos aus dem Jahr 1645. (durch Hofkomödianten des Königs von Schweden; wahrscheinlich die von Johann Rist gepriesene Bande des Jan Baptist van Fornenbergh221). Theaterzettel in der Flugblättersammlung der Herzoglichen Biblio­thek Wolfenbüttel. Lit.: Zur Geschichte des Stoffes und dessen Aufführungen siehe Johannes Bolte im Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 29/30, S. 4–36; und Bischoff, Ferdinand: „Niemand und Jemand“ in Graz im Jahr 1608. In: Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark, Heft XLVII, Graz 1899, S. 127–192.

221 Rist, Johann: Die AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter. Aprilens-Unterredung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 275–276.



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Der Besiegte Obsieger Adalbertus König in Wälschlandt oder Die wurckungen deß Betruchs bey gezwungener Liebe /  (Siehe „Adalbertus“) Comoedia, genandt Die getreüe Octavia. Universitätsbibl. Kassel, 4° Ms. theatr.7) Prosadrama, 5 Akte. 40 Bl. Vollständig erhaltene Reinschrift. (Fehler bei der Originalpaginierung: auf fol. 33 folgt fol. 39) Der Schauspieler Christian Janethsky aus Dresden, der als Pickelhering lange Zeit (1680–1689) der Velthenschen Truppe angehörte, widmete diese Handschrift Charlotte von Hessen-Kassel (gest. 1685), der ersten und später verstoßenen Gattin Karl Ludwigs von der Pfalz: Der Durchlauchtigsten Fürstin und Frauen Charlotta Pfaltzgräffin bey Rhein und Chur-Fürstin / Hertzogin in Bayern und Geborne Landtgräffin zu Heßen, Fürstin zu Herschfeldt, Gräffin zu Catzenellenbogen, Dietz, Ziegenhein, Nidda und Scheünenburg (Siehe die Abbildungen 6a und 6b, S. 148). Die Handschrift kam 1686 mit der Pfälzer Erbschaft an die Landesbibliothek Kassel. [Mehrmalige Anspielungen auf den ‚Liebes Irrgarten‘ (Szene I/7, fol. 7 und 7 v; IV/2, fol. 28 und am Ende des Stücks, fol. 40). Die Comoedia „Der Große Liebes Irrgarten“, die im Velthen-Spielverzeichnis von 1679 (Nr. 25), ebenfalls in Paulsens Danziger Repertoire 1669 (Nr. 12) und im Weimarer Verzeichnis (Nr. 97) angeführt ist, hat jedoch einen anderen Inhalt. Dieser ist nur aus den Aufzeichnungen des Danziger Ratsherrn Schröder bekannt, der den „Irrgart der Liebe“ am 12. September 1669 aufgeführt gesehen hat. (Abgedruckt bei Bolte: Danziger Theater, S. 104–106.) Das Manuskript selbst ist verschollen oder mit einem anderen Titel versehen worden. Denn die Komödie „Der beklägliche Zwang“ hat denselben Inhalt.] Bearbeitung des Octavia-Themas durch Barthold Feind: Römische Unruhe oder: Die Edelmüthige Octavia. Musicalisches Schauspiel. Hamburg 1705 (Musik: Reinhard Keiser). Aufführung in Hamburg am 5. August 1705. Spätere Bearbeitung durch Johann Friedrich Camerer: Octavia. Ein Trauerspiel in 5 Aufzügen. Wienn 1752. In der Deutschen Schaubühne zu Wienn nach alten und neuen Mustern, Teil 4, Nr. 5. (Österreichische National-Bibliothek Wien, Sig. 621602 – A. 4.5 The) [Kein inhaltlicher Zusammenhang mit Senecas Tragödie „Octavia“, die der Professor und Rektor Gottlieb Wilhelm Keller 1736 am Breslauer Magdalen-Gymnasium aufgeführt hat.]

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Abb. 40: Titelblatt Comoedia „Die getreüe Octavia“ mit dem typischen Schnörkel des Schreibers Christian Janethsky. (Universitätsbibliothek Kassel, Sig. 4° Ms. theatr.7)



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Auff.: 5. August 1705 in Hamburg. Weimarer Verzeichnis Nr. 98: Die gedreue Ocdavia. Comoedia genandt Die Heillose Königin Odomire, oder Die Lebendig-Begrabene Printzeßin Merolome. (Hauptstaatsarchiv Stuttgart, J 1 Bd. 100 E (2 r – 43 r) 46 Bl., 5 Akte, 17 Personen, Prosa. Der Herzogin Magdalena Sibilla von Württemberg übergiebet dieses mit unterthänigsten Gehorsam Christian Janetzky Pickelhäring. (Siehe Abbildung Nr. 7, S. 149). [Janetzky war 1680–1689 Pickelhering der Velthen-Truppe und hat das Manuskript wohl im Spätsommer 1680 überreicht, als Velthens Truppe in Stuttgart spielte]. Die Schrift des Dramentextes stammt jedoch von einem anderen Schreiber. Inhalt ähnlich wie „Der verirrte Liebes Soldat“. (In Szene IV/4 Anspielung auf König Noron. – Siehe Treu-Repertoire von 1666 in Lüneburg, Nr. 25: Von dem tyrannischen Konnich Noron.) Italienische Vorlagen möglich: Paolo Francesco Pallieri: L’Innocenza Trionfante. Opera Musicale rappresentata in Genova l’anno 1660; und Prospero Mandosi: L’Innocenza Trionfante, Roma 1676; ebenso Giovanni Andrea Lorenzani: L’Innocenza Trionfante, Roma 1692, entsprechen im Haupttitel genau dem in Nürnberg aufgeführten Spiel. Ein Theaterzettel der Wallerotty-Truppe vom 16. Dez. 1741 verweist auf diesen Titel: Eine charmante aus einer Italiänischen Opera gezogene Tragico-Comoediam, betitult: Il Traditore Tradito overò: L’Innocenza Trionfante, das ist: Der verrathene Verräther, oder: Die siegende Unschuld. Die Hauptperson in dieser remarquablen Piece stellet Monsieur de Wallerotty vor. (Dessen Vorlage könnte auch Camillo Contarinis „Il traditore tradito“, Tragedia, Venedig 1714, sein.) Eine Nürnberger Aufführung aus dem Jahr 1665 dokumentiert der folgende Theaterzettel: Mit Bewilligung / Eines Wohl-Edlen / Gestrengen Hoch- und Wohl-Weysen Rath dieser Weitberühmten Käys. Freyen Reichs Stadt Nürnberg Werden die Teutschen Comoedianten, mit ihren lustigen Pickelhering. Vorstellen etliche schöne Actiones von Comoedien, Tragoedien und Schäffereyen  /  welche sie ausziehren werden mit rechten Frauen-Zimmer  /  angenehmer Music und lieblichen Singen  /  auch artlichen praesentationen und Veränderungen deß Theatri und der Kleider / welches die geneigten Zuschauer sonderlich contendiren wird. Der Anfang soll gemacht werden heute Montag den 30. Martij. Mit einer vortrefflichen Tragi-Comoedi genant Die siegende Unschuld oder Die heyllose Königin Odomire. Nach gehaltener Action soll ein prächtiges Ballet von den Vier Zeiten deß Jahrs bestehend in 9. Personen getantzt werden / und letztlich ein Singendes Nach-Spiel

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von Domine Johanne beschliessen. Alle die Beliebung haben solches zu sehen / wollen sich umb I. Uhr in daß Fechthaus verfügen / allwo man praecise um solche Zeit anfangen wird. (Stadtbibliothek Nürnberg, Nor. 1394, 2°).222 Die Aufführung in Nürnberg wird mit weiblichen Darstellerinnen, mit Veränderungen des Theaters (Kulissen) und der Kleider beworben. Daher passt der Theaterzettel in die Anfangsphase der Wanderbühne, als Frauen auf der Bühne noch als Sensation angesehen wurden. [Die ersten Frauen brachte der englische Prinzipal Joliphous 1654 auf die Bühne; es spielten die Gattinnen der Schauspieler Hoffmann und Schwartz.] In Regensburg erschien 1708 eine gedruckte Einladungsschrift der Hochdeutschen Comoedianten: „Die treulose Königin Odomira, Oder Die siegende Unschuld“. Denen Cammerer und Rath wohllöbl. … Stadt Regenspurg dediciret Von denen allhier anwesenden Hochteutschen Comödianten. 4 Bl. (Staatl. Bibl. Regensburg, Sig. Rat.ep.538 b(3). Auff.: 1665, 30. März, in Nürnberg. 1674/79 in Dresden (Paulsen-Repertoire: Die gottlose Königin Odomire); Oktober 1679 in Heidelberg (Velthen – Ansuchen um Spielverlängerung: Die Arabische Königin Odomire – Italienischer Invention; ebenso im Velthen-Verzeichnis 1679 am kurpfälzischen Hof zu Mannheim und Heidelberg, Nr. 1: Die Heilose Arabische Königin Odomire. Spätsommer 1680 in Stuttgart (Velthen-Truppe). Repertoireliste des Daniel Treu am bairischen Hof zu Schleißheim bei München (1669/70 und 1681–85), Nr. 3: Die siegende Unschult. 1690 in Torgau am Hof Johann Georg III. (Velthen): Odomira. [?] Weimarer Verzeichnis Nr. 46: Die lebentig begrabene prinzesin. 1708 in Regensburg: Die treulose Königin ODOMIRA, Oder Die siegende Unschuld. 1723, 19. April, in Ulm: Die siegende Unschuld (Gottfried Prehauser-Truppe). Von zwayer Königen Son Olvier und Artus. Comedi mit 14 Personen zu agiren, die treuen Gesellen und Brüder, zweyer König Son, Olvier und Artus; hat sieben Actus. (Bibliothek des Zisterzienserstiftes Rein  /  Steiermark, Handschriftenverzeichnis Nr. 135) In weißes Pergament gebundenes Manuskript, 20 Bl, gewidmet dem Erzherzog Ferdinand.

222 Zitat nach Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 103.



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Zu Beginn des 17. Jahrhunderts vermutlich in Graz aufgeschrieben, zur selben Zeit wie „Khünig Artzngall“ [= Niemand und Jemand]. Das Manuskript wurde von Abt Marian Pitreich (1743–1771) gemeinsam mit vielen anderen Handschriften aus der herzoglichen Bibliothek angekauft. Wörtliche Wiedergabe des Spiels von Hans Sachs, mit nur unbedeutenden Abweichungen. Lit.: Bischoff, Ferdinand: „Niemand und Jemand“ in Graz im Jahre 1608. In: Mittheilungen des Historischen Vereines für Steiermark, Heft XLVII, Graz 1899, S. 128, Anm. 1. Siehe auch Weis, A.: Handschriften-Verzeichnis der Stiftsbibliothek zu Rein. In: Beiträge zur Kunde steiermärkischer Geschichtsquellen, Bd XII, S. 88.

Die Egyptische Olympia / Oder Der flüchtige Virenus. Ein mit Theatralischen Machinis geziertes Schawspiel. Denen Oesterreichischen Halb-Göttinnen Vnd Holdseeligsten Donaw-Nymphen Zu gnädigem Wolgefallen vnd vnterthänigen Ehren In Wienn den 14. May M.DC.LXV. [1665] praesentieret Von den hier anwesenden Comoedianten. Gedruckt zu Wienn bey Johann Jacob Kürner. (Nat. Bibl. Wien, Musiksammlung, Sig. 22043-B.Alt.Mag) Das achtseitige Ratsprogramm ist als Faksimile abgedruckt in Pernerstorfer: Theater – Zettel – Sammlungen, Bd 2, S. 7–15. Bearbeitung der Florentiner Pastorale des Andrea Salvadori: Olimpia abbandonata da Bireno (1622). Die Insprugger Comoedianten unter dem Prinzipal Hans Ernst Hoffmann traten von Oktober 1664 bis etwa 25. Juni 1665 im Boyerschen Ballhaus in Wien auf. Einziges Drama der deutschen Wanderbühne im 17. Jahrhundert, das in der gespielten Fassung von den Komödianten selbst veröffentlicht worden ist. Ab 1668 ist das beliebte Schauspiel auch im Besitz des Prinzipals Michael Daniel Treu, ab 1680 gibt es eine Abschrift des Prinzipals Andreas Elenson, Comödiant von Wien. Das Ratsprogramm aus dem Jahr 1665 enthält Inhaltsangaben der einzelnen Szenen der vier Akte. Laut diesem Programmheft brachte das Stück insgesamt 22 Personen auf die Bühne. Der umfangreiche Prolog mit Cupido und Aurora besteht aus umfangreichen, teils gesungenen Versen im trochäischen Rhythmus, ebenso der Chor der Meer-Fräulein und deß Meer/Gotts im II. Akt (Szene 2). Der Prolog gibt zu Beginn einen Lobpreis auf die Stadt Wien. Beide Vers­ partien (Prolog und Akt II/2) haben in der Dramaturgie und im Sprachrhythmus, in der flexiblen Reimkunst, im Echo-Spiel in III/6 und in einzelnen Ausdrücken (elementische Lieb) eine große Ähnlichkeit mit der Sprache des Komödianten und späteren Barockdichters Laurentius von Schnüffis,

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speziell auch mit seiner „Liebes Verzweiffelung“, ebenso im Hinblick auf die Dramaturgie: z.  B. Am Schluss gibt sich Virenus zu erkennen und Amidoro klärt den König auf. Dieser lässt die beiden Gefangenen Asteria und Kreonte aus dem Gefängnis holen. Zwei Paare am Schluss: Virenus und Olympia, Creonte und Asteria. Die Szenen II/4, II/14, V/1 zeigen, zusammenhanglos mit der Haupthandlung, die beliebte Episode mit dem betrunkenen Bauern, der sich im Königsschloss selbst als König wähnt und damit die Hofgesellschaft unterhält. Diese drei Szenen – ursprünglich aus dem Vorspiel von Shakespeares ­„Taming oft he Shrew“ – sind in den jeweiligen Aufführungen an verschiedenen Stellen eingefügt, z.  B. im Frankfurter Ratsprogramm von 1668 als Szene III/4, III/14 und IV/8, im Regensburger Programm von 1687 als Szene II/1, II/10–12, III/3 und V/3. Der beigelegte Kupferstich vereint drei Szenen aus dem Schauspiel223: vorne auf beiden Seiten die Eingangsszene mit dem Bauern und der Hofgesellschaft, im Hintergrund am Himmel Cupido und Aurora aus dem Prolog, auf dem Meer im Hintergrund die Szene aus Akt II/2 mit Neptun und den Meerfräulein (siehe Abb. 41, S. 565). Die Egyptische Olympia oder der flüchtige Virenus. Ein Auff Italiänische Manier Mit MusicalischenScenen geziertes Schau-Spiel … Im Jahr der Erlösung MDCLXVII den Augustij Von der Gesellschaft Inspruggischer Comoe­ dian­ten Gedruckt Im Jahr 1667. (Universitätsbibliothek Basel, Sig. Ki. Ar. H. VI. 8) Ratsprogramm einer Aufführung der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten (= Truppe des Prinzipals Hans Ernst Hoffmann) in Basel am 16.  August 1667. 12 Seiten. Die Insprugger Comoedianten – sie nannten sich nun Churpfälzische Compagnie Comoedianten – hatten die „Olympia“ 1667 auf ihrem Programm (Nr. 16), als sie sich in Mannheim am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz aufhielten.) Im gleichen Jahr, am 16. August 1667, spielten sie das Stück mit Schlussballett und Nachspiel in Basel und schenkten dem Basler Rat Etliche eingebundene Exemplaria. Es handelte sich dabei wohl um das zwölf Seiten umfassende gedruckte Ratsprogramm der Wiener Aufführung (erhalten in der Universitätsbibliothek Basel), das als reichste Information über das Gastspiel einer fremden Truppe in der Schweiz während des 17. Jahrhunderts gilt.

223 Siehe dazu Fehr, Max: Die wandernden Theatertruppen in der Schweiz, S. 116; ebenso Rudin, Bärbel: „Ein herrlich und vortreffliches Stück“. Zur Hermeneutik theatergewerblicher Öffentlichkeitsarbeit 1652–1700). In: Pernerstorfer: Theater – Zettel – Sammlungen, S. 5–15.



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Abb. 41: Die Egyptische Olympia / Oder der flüchtige Virenus. Titelkupfer des Wiener Szenars in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, Musiksammlung (Sig. 22043-B.Alt.Mag). Vgl. dazu die Kupferstiche des Szenars „Liebs-Betrug“, die fast dieselben Szenerien zeigen! (Abb. 37 a b, S. 530 und 531)

Andreas Elenson: Die egyptische Olympia, oder Der flüchtige Vierenus. Ein Auff ittalienische Manier mit Musicalischen Scenen geziertes Schauspiel. Goldgepresster Einband. (Universitätsbibliothek Kassel, Sig. 4° Ms. theatr.6). 53 Seiten. Im Prolog ein Lobpreis Heidelbergs (3 r); Blatt 3 und die Korrekturen von anderer Hand; ohne Noten. Aufführung am 22. Dez. 1667 zum Geburtstag Karl Ludwigs in Heidelberg. Aus dem Besitz der Kurfürstin Charlotte von Hessen, die 1658 bis 1684 in Kassel gelebt hat und dann an den Heidelberger Hof zurückgekehrt ist. Das Manuskript dürfte 1686 mit der Pfälzer Erbschaft an die Landesbibliothek Kassel gekommen sein. Fast identisch mit dem Druck aus dem Jahr 1687. Die Egyptische Olympia, Oder Der Flüchtige Virenus, ein auff italiänische Manier mit musicalischen Scenen geziertes Schau-Spiel. Zu unterthänigen Ehren / und verhoffentlich auch großgünstigem Wolgefallen / Eines Wol-Edlen / Gestrengen / Hoch-und Wol-Weisen Raths  /  Dieser deß Heil. Röm. Reichs freyen Wahl- und Handel-Statt

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Franckfurt / An stadt einer demüthigen Danck-Bezeigung für bißhero Empfangene Gnaden / Auff offentlichen Schau-Platz geführet / Von einer Gesellschafft Hoch-Teutscher Comoedianten, den 2 Aprilis, A.C.M.DC.LXVIII. Im Ball-Hause zum Krachbein. Gedruckt zu Franckfurt / bey Johann Andreae.[1668] Quartheft, 6 Blätter mit Kupferstich wie im Programm von Wien 1665, jedoch ohne Loblpreis der Stadt. Unterzeichnet ist das Ratsprogramm von Hans Ernst Hoffmann, Peter Schwartz, Johann Wolgehaben und Christoph Blümel, den bedeutenden Mitgliedern der früheren Insprugger Comoedianten, denen auch Johann Martin (= Laurentius von Schnüffis) angehört hat. Aufführung am 2. April 1668 zur Ostermesse. Eine Anfrage um Spielerlaubnis wurde schon am 13. Feb. 1668 an den Frankfurter Rat eingebracht.224 15. Oktober 1680 für die Aufführung auf Schloss Neuhaus a.  d. Elbe: Freuden-Spiel / Der Egyptischen Olympiae, und deß Flüchtigen Vireni. An Der Durchleuchtigsten  /  Fürstin und Frauen  /  Frauen Mariae Hedwig Augustae. Hertzogin zu Sachsen / Engern undWestphalen / gebohrnen Hertzogin auß Bayern und Sultzbach / etc. etc. den 15. Weinmonats 1680. eingetretenen Geburths-Tag Auf Gnädigsten Befehl Ihro Durchl. Herrn und Gemahls / etc. etc. Auff der hierzu erbauten grössern Schaubühne in Neuhauß auffgeführet und vorgestellet Von Der Sämbtlichen Hochfürstlichen Nieder-Sächsischen Compagnie Comoedianten. (Universitätsbibliothek Greifswald Sig. 520/Bm 227) 39 Seiten, davon 10 Blatt Notenanhang, 8°, 20 Actores. Der Prinzipal Andreas Elenson widmet das Exemplar der Herzogin von Sachsen-Lauenburg und vermerkt am Schluss des Schauspiels: Geschrieben von Andreas Elenson, Comoedianten von Wien. Aufgeführt von der Truppe des Andreas Elenson zum Geburtstag der Herzogin Maria Hedwig Augusta von Sachsen/Engern und Westphalen am 15. Oktober 1680, auff der hierzu erbauten grössern Schaubühne in Neuhauß [an der Elbe]. Aus den Jahren 1686 und 1687 gibt es für Aufführungen in Regensburg zwei weitere fast identische Drucke der Elenson-Truppe, die das Schauspiel der Handschrift aus dem Jahr 1667 kopieren: Comoedia, Betittult Der Flüchtige Virenus / Oder die getreue Olympia, aufgeführt zum Geburtstage des Kaisers Leopold I. 1687 zu Regensburg von der Bande hoch-teutscher Comoedianten. Regensburg 1686, bey Hofmannen. (Staatsbibliothek Berlin (Sig. Yq 8341 R(Rara). 224 Siehe dazu Richel, Arthur: Ein Frankfurter Theaterprogramm vom Jahr 1668. In: Festgabe für Friedrich Clemens Ebrard zur Vollendung seines 7o. Lebensjahres am 26. Juni 1920 gewidmet von seinen Freunden. Frankfurt a.  M. 1920, S. 118–127. (Einführung, Abdruck des gesamten Theaterprogramms: Inhaltsangabe der einzelnen Szenen und Kupferstich).



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Der Druck ist verzeichnet in Gottsched: Nachlese, S. 260; ebenso in Goedeke: Grundriß, Bd III, S. 229.) Dasselbe Spiel: Regensburg 1686. (Stadtbibliothek Regensburg, Sig. Kat. Ep. 538 b) Comoedia, betittult Der flüchtige Virenus Oder die getreue Olympia. Auf Ihro Röm. Kays. Maj. Allerhöchsten Nahmens-Tag / In der Kays. Freyen ReichsStadt Regenspurg aufgeführet … Von Der anitzo allhier anwesenden Bande Hoch-Teutscher Comoedianten. Regenspurg / Gedruckt bey Johann Georg Hofmann / An. 1687. (Herzogin Anna Amalia Bibliothek  – Stiftung Weimarer Klassik, Sig. 09: 27(n 1) (Stück 1 in Sammelband) 31 Bl., 59 nicht paginierte Seiten. Im Prolog ein Lobpreis auf die Stadt Regensburg und auf Kaiser Leopold. (Spätere Aufführung in Merseburg am 6. März 1705.) (Der Autor des Stücks muss die lateinische Sprache beherrscht haben, da die Figur des verrückten Doktors Theophrastus teils in Latein deklamiert und gelehrte lateinische Bücher erwähnt. In der Sprache des Virenus häufen sich Anspielungen auf mythologische Gestalten. Einzelne alemannische Dia­lekt­ausdrücke wie Runggungel (=verächtlich für altes Weib, II/9), Fretter (= jemand, der trotz Mühen erfolglos bleibt, II/12), Ronthe (= Rontsche: unruhige nächtliche Herumtreiberin, IV/5), es seynd encker so viel (= tirolerisch: es sind euer so viele, II/12), verweisen den Autor in den süddeutschen Raum. Szenen mit dem betrunkenen Bauern im Schloss: II/1, 10–12, III/3 und V/1. Musicalische Opera, Betitult Der flüchtige Virenus, Oder die getreue Olimpia. (Stadtbibliothek Breslau, Sig. Yv 981 / 9) Aufgeführt 1692 vor der Herzogin Charlotte von Schleswig-Holstein-Sondershausen-Wiesenburg von den Hochteutschen Comoedianten. Ohne Ortsangabe. [Zitat nach Bolte: Schauspiele am Heidelberger Hof, S. 588, Fn. 43.] Dieses von Bolte erwähnte Schauspiel soll sich in einem Breslauer Archiv befinden; im Breslauer Archiwum Pánstwowe und in der Universitätsbibliothek Breslau ist es jedoch nicht auffindbar, auch nicht im Ratsarchiv Görlitz, wohin zum Ende des Zweiten Weltkrieges die meisten Handschriften gekommen sind. Es ist verzeichnet im Katalog der Druckschriften über die Stadt Breslau, hg. von der Verwaltung der Stadtbibliothek, Breslau 1903, S. 356. Laut Richter (Liebeskampf, S. 244) handelt es sich dabei nur um den Prolog; dieser stimme mit dem Regensburger Exemplar von 1687 überein.

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Virenus und Olympia. Schwerin 1704. [Laut Bolte: Schauspiele am Heidelberger Hof (S. 588, Fn. 43) soll sich ein Druck dieses Schauspiels im Archiv Hamburg befinden. Er konnte dort jedoch weder im Staatsarchiv noch in der Staats- und Universitätsbibliothek (Zentrum für Theaterforschung, Hamburger Theatersammlung) nachgewiesen werden. Möglicherweise gehört er zu den Verlusten während des Zweiten Weltkrieges.] Die Egyptische Olympia Oder Der Flüchtige Virenus. Ein Auf Italianische Manier Mit Musicalischen Scenen geziertes Schau-Spiel. (Stadtbibliothek Nürnberg, Nor.7628.8°) Theaterprogramm, das in Nürnberg Dem Rath zu Ehren eine Aufführung am 7. Okt. 1668 unter dem Prinzipal Michael Daniel Treu ankündigt. Im Prolog Lobpreis auf die Stadt Nürnberg. Sigmund von Birken verzeichnet diese Aufführung in seinen Tagebüchern, Teil 1, unter dem 7. Oktober 1668.225 Freytags, den 6. Martii, 1705 Wurde Ein mit unterschiedlichen Musicalien vermischtes Schau-Spiel, betitult: Der flüchtige Virenus und Die getreue Olympia, denen … Printzen zu Sachsen-Merseburg, Vor Bißhero gnädigst-erwiesenen Zuspruch … dediciret und präsentiret von Denen allhier anwesenden Comoedianten. Szenar [1705]. (6 Bl.) (Herzogin Anna Amalia Bibliothek – Stiftung, Weimarer Klassik, Sig.16, 5: 6 (Stück 3 in Sammelband) Der flüchtige Virenus, und die getreue Olympia, dem durchlauchtigsten Printzen und Herrn / Herrn Ludovico Rudolpho Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg / etc. Unsern Gnädigsten Printzen / Fürsten und Herrn / Zu Dessen glücklich-erlebten Nahmens-Tag Unterthänigst dedicirt und praesentiert Von denen allhier anwesenden Mecklenb. Comoedianten. Der Schau-Platz ist auf dem Neustadt-Rahthause  /  und wird praecise Um 3 [Uhr]226 angefangen.227 225 Nürnberger Ratsverlässe, Staatsarchiv Nürnberg, Nr. 2617–2624, S. 58: „Michael Daniel Treuen Comoedianten, soll man, seiner vorhabenden Frey-Comoedien von der Egyptischen Olymia auf morgen über 8 tag den 7. Octob. [1712] in dem Neuen Comoedie-Hauß zu agieren, erlauben (notiert am Dienstag, 29. Sep. 1712). (Zitiert nach: Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, 1971, S. 401, Fußnote 208). 226 Der rechte Rand des Theaterprogramms ist zu eng abgeschnitten. 227 Abgedruckt in Rudin: Der Blankenburger Herzog Ludwig Rudolph und die „Mecklenburgischen Hofcomoedianten“ oder: Die Katholiken kommen! In: Daphnis, Bd 24, 1995, S. 367– 374. Neue Erkenntnisse dazu S. 359–360.



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8 Bl. Theaterprogramm der Elenson-Truppe für die Aufführung am 25. Aug. 1712 in Braunschweig. (Herzog August Bibliothek, Sig. Textb. 760)228 Fremdsprachige Bearbeitungen, die inhaltlich jedoch vom Wanderbühnendrama verschieden sind:229 „Olimpa y Vireno“ des Spaniers Montalvan (Hier rächt sich die Gräfin Olimpa, indem sie den ungetreuen Vireno erschießt). „Olimpia vendicata“ von Aurelio Aureli aus dem Jahr 1682 (Personenverzeichnis stimmt nicht mit dem Wanderbühnendrama überein). „Gli Accidenti d’Olimpia abbandonata da Bireno“, Dramma musicale di Andrea Salvadori. Roma 1668. Vorlagen: Die einzelnen Manuskripte lassen jeweils verschiedene, aber nicht eindeutig erkennbare Vorlagen vermuten: Manche nennen Ariosts „Orlando furioso“, andere Lope de Vegas Schauspiel „Die verschmähte Schöne“ (La hermosura aborrecida, 1617). Der Handlungsverlauf und viele einzelne Motive stimmen überein, z.  B. das Motiv des versagten Kusses in Szene I/1. Die von ihrem Geliebten verlassene weibliche Hauptperson Olympia führt ihre Sache als verkleideter Prinz selbst zu einem glücklichen Ende, bei Lope de Vega ist es Juana als verkleideter Doktor. In beiden Komödien spielt sich diese an Intelligenz und Schönheit allen anderen überlegene Hauptperson an einem fremden Königshof in den Vordergrund, in beiden wird sie durch die Liebe einer Frau bedrängt. Wieder andere sehen in dem Wanderbühnenspiel eine Bearbeitung der Florentiner Pastorale des Andrea Salvadori: Olimpia abbandonata da Bireno (1622). Rudin230 nennt als Vorlage ein Florentiner Intermedium von Andrea Salvadori, dem bekannten Librettisten der frühbarocken Oper am Hof der Medici, das der Prinzipal Andreas Elenson übersetzt habe: „Gli Accidenti di Olimpia abbandonata da Bireno“ (1622)231

228 Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  150, Nr. 741, verzeichnet dieses Singspiel-Programm mit 4 Bl., Personen, Prologus, Arien des 1. Aktes, Inhaltsangabe der 5 Akte. 229 Nach Richter, Werner: Liebeskampf, S. 248. 230 Rudin, Bärbel: Der Blankenburger Herzog Ludwig Rudolph und die „Mecklenburgischen Hofcomoedianten“ oder: Die Katholiken kommen! In: Daphnis, Bd 24, 1995, S.  361, Anm. 117; ebenso Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg. 35, 2006, S. 230. 231 Intrigenpastorale „Olimpia abbandonata da Bireno“ in Salvadoris „Le Poesie“. Frà le quali contengonsi unite insieme tutte quelle, che furono divisamente impresse in diverse stampe vivente l’Aurore, e l’altre non più divulgate. P.I.Roma 1668 (Biblioteca Nazionale, Rom. Sig. 35.11.A.25).

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Auffallend ist die inhaltliche Übereinstimmung mit der Comoedia vom Liebs-Betrug aus dem Jahr 1653. Verändert sind die Personen- und Ortsnamen: Amor/Cupido, Fortuna/Aurora, Idraspe/Virenus, Licasta/Olympia, Doralba/Aste­ria … Das Stück spielt nicht mehr in Kreta, sondern in Zypern usw. Größter inhaltlicher Unterschied ist, dass es nicht mehr die Krankheit des Vaters ist, die den Geliebten Idraspe von Doralba trennt, sondern die Verweigerung des Kusses. Im „Liebs-Betrug“ fehlen auch die Szenen mit dem betrunkenen Bauern. Der eingefügte Schwank vom betrunkenen Bauern232, den der König zur Unterhaltung der Hofgesellschaft auf sein Schloss bringen lässt und glauben macht, er sei der König, findet sich auch in der Einleitungsszene zu Shakespeares „Taming of the Shrew“, ebenso in den Wanderbühnenstücken „Kunst über alle Künste“ und „Der verwandelte Baur“; ebenso in dem polnischen Spiel „Tragi-komedya o puanym ktory mniemal iz iest krolem, prezez J. Gawinski. W Gdansku“, 1638. Später wird die Rolle des Bauern dem Hanswurst übertragen. (Siehe die Frankfurter Aufführung von 1741). (Siehe dazu „Der verwandelte Baur“.) Aufführungen: Am 15. Mai 1665 in Wien. (Die Insprugger Comoedianten unter dem Prinzipal Hans Ernst Hoffmann traten von Oktober 1664 bis etwa 25. Juni 1665 im Boyerschen Ballhaus in Wien auf.) Theaterprogramm s.  o.! 1667, 16. August, spielte die gleiche Truppe (jetzt als Churpfälzische Compagnie Comoedianten) das Stück mit Schlussballett und Nachspiel in Basel (siehe das o.  a. Ratsprogramm für diese Aufführung). 1667, 22. Dezember: Die Churpfälzischen Compagnie Comödianten (früher „Insprugger Comoedianten) hatten „Die Olympia“ auf ihrem Programm (Nr. 16), als sie sich in Mannheim am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz aufhielten. (Theaterprogramm s.  o.) 1668, 2. April, in Frankfurt (Theaterprogramm s.  o.) 1668, 7. Okt., in Nürnberg unter Prinzipal Michael Daniel Treu.Tagebuch-Eintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie den Raht zu Ehren angesehen. (Bewilligung im Nürnberger Ratsprotokoll vom 29. Sep. 1668). Theaterprogramm s.  o.!233 232 Szene II/10–12 und III/3 im Weimarer Druck (Sig. 09:27); Szene II/5 und III/2–3 in der Kasseler Handschrift (Sig. Ms theatr. 6); Szene II/1, II/10, 11, 12, III/3 und V/1 im Regensburger Druck 1687. 233 Staatsarchiv Nürnberg, Nürnberger Ratsverlässe Nr.  2617–2624, S.  58: Michael Daniel Treuen Comoedianten, soll man, seiner vorhabenden Frey-Comoediam von der Egyptischen Olympia auf morgen über 8 tag den 7. Octob. in dem Neuen Comoedie-Hauß zu agiren,



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1680, 15. Okt., in Neuhaus an der Elbe durch die Hochfürstlich Niedersächsische Compagnie des Andreas Elenson. 1681 in Venedig: Olimpia vendicata. (Libretto: Aurelio Aureli, Musik: Domenico Freschi). 1686 und 1687 in Regensburg (zweimal während des Reichstages anlässlich des Geburts- und Namenstages Kaiser Leopolds I.). 1692 in Breslau vor der Herzogin Charlotte von Schleswig-Holstein (Hochteutsche Compagnia Comoedianten unter Andreas Elenson). 1705, 6. März, in Merseburg vor dem Prinzen zu Sachsen-Merseburg. um 1710 in Braunschweig: Wurde Ein mit unterschiedlichen Musicalischen vermischtes Schau-Spiel / betitult: Der flüchtige Virenus, und Die getreue Olympia, dem Durchläuchtigsten Printzen und Herrn/Herrn Ludovico Rudolpho, Hertzogen zu Braunschweig und Lüneburg / ec. Unsern Gnädigsten Printzen / Fürsten und Herrn / Zu Dessen glücklich-erlebten Nahmens-Tag Unterthänigst dedicirt und praesentirt Von denen allhier anwesenden Mecklenb. Comoedianten. Der Schau-Platz ist auf dem Neustadt-Rathhause / und wird praecise um 3. Uhr angefangen.234 Weimarer Verzeichnis Nr. 77: Der flüchtige Virenus und die gedreue Olympia. 1712, 25.  August, in Braunschweig: Galavorstellung zum Namenstag des Blankenburger Herzogs Ludwig Rudolph (Mecklenburgische Comoedianten). 1712, 19. Nov., in Dresden, im Beisein Peters des Großen (Elenson-Truppe unter Sophia Haacke). Als Nachspiel wurde „Doctor aus Noth / oder Crispins universalische Pillen-Cur“ gegeben. 1721 in Hamburg: Olympia und Virenus oder der betrunkene Bauer (Sächsisch hochdeutsche Hofkomödianten). 1729 in Glückstadt: Werden heute Donnerstags zum letzten mahl Königl. Groß-Brittannisch- und Churfl. Braunschweig-Lüneburgischen Hoff-Comoedianten, Denen respective Herren Liebhabern Teutscher Schau-Spiele eine rare und sehens-würdige Haupt-Action, mit lebendigen Personen vorstellen / betittult: Der flüchtige Virenus oder getreue Divan Olympia, Wie auch Arlequin der trunkene Bauer.  … mit einer sehr lustigen Nach-Comoedie, auffgeführet werden.235 1741, 30. September, in Frankfurt: Der flüchtige Virenus oder Hanss Wurst der König im Traum (Wallerotty). Die Rolle des betrunkenen Bauern übernimmt hier Hans Wurst. Olmütz 1744 (Wenzel Banka). Kopenhagen 1747 und 1748 (v. Quoten). (Siehe die Comoedia vom „Liebs-Betrug“!) erlauben (notiert am Dienstag 29. Sep.). Nach Kröll: die Tagebücher des Sigmund von Birken, Teil 1, S. 401. 234 Zitat nach Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 237. 235 Zitat nach Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 238.

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Tragoedia Von Orbetcha und Orontes. 1665 (Nat. Bibl. Wien, Ms 13350) 4°, 32 fol. unpaginiert. Inschrift auf Seite 1 v: Und ist gemacht von Johann Christoph Berneger zu Cölln am Rhein. Neudruck: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/1, Berlin 1999, S. 253–323. Vorlagen: zwei italienische Werke von Giraldi Cinthio [Cinzio]: a) „Orbecche. Tragedia“, 1543, Venedig 1551 und 1560; b) Novelle II,2 aus der Sammlung „Hecatommithi Monte Regale Appresso Lio­nardo Torrentino“, 1565. (Darin ist sowohl die Orontes- wie auch die Orbecche-Geschichte enthalten. Deren deutsche Übersetzung erschien 1614 in Frankfurt: Joannis Baptistae Cyraldii, Cynthii, Novellae Oder Außerlesene / lieb­liche / newe Historien vnd Geschichten.) Aus beiden Vorlagen entstand 1631 in einer freien Bearbeitung das dreiaktige Prosadrama „Orontes“ des Holsteiners Nicolaus Meine, gedruckt in Hamburg 1631. (siehe folgendes Drama „Orontes“) Dieses wurde wahrscheinlich ­direkte Vorlage für das Wanderbühnendrama „Tragoedia Von Orbetcha und Orontes“ aus dem Jahr 1665. Orontes. Das ist Lieb vnd Hoff-Lebens Spiegel, darin das vnbeständige Glück, warer vnd getrewer Liebhaber vnd Liebhaberinnen, wie auch der erbermliche außgang getrewer Hoffdiener, geleich als in einem Spiegel für Augen gestellet wird, in einer Tragoedien verfasset Von Nicolao Meinio IC. et P. L. Gedruckt zu Hamburg, Im Jahr 1631. (Schleswig- Holsteinische Landesbibl. Kiel, Sig. 90 B 92) 8°, 3 Akte, 31 Personen; sehr kleiner Druck. [Vorlagen siehe „Orbetcha und Orontes“] Nikolaus Meine gibt eine sehr freie Gestaltung des Stoffes im Stil der Eng­ lischen Komödianten und seines Freundes Rist, jedoch ohne Zwischenspiele. Französische Bearbeitung von Francois LeMetel de Boisrobert: Les Trois ­Orontes, Paris 1653. (Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. M:Lm 484) Von Heinrich Elmenhorst (Musik von Johann Theile) gibt es einen Theaterzettel des Singe-Spiel in Versen: Orontes. Der Verlohrne und wieder gefundene Königliche Printz aus Candia. Hamburg 1678. 32 Bl, Vorwort, Inhalt, Personen, Vorrede, 3 Handlungen. (Die Autorschaft ist nicht gesichert). Exemplare: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel (Textb. Sammelbd 10(12) und Sammelbd 7(8); Landesbibl. Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin (Sig. Ob V



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5,4510); Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar (Sig. 14,5: 75 [a]; und Österr. Nat.Bibl. Wien, (Sig. 4251-B.Mus). Auff.: Laut Asper (Spieltexte der Wanderbühne, S. 148, Anm.52) war „Orbetcha und Orontes“ 1665 Repertoirestück der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten unter Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz. 1674/79 in Dresden (Paulsen-Repertoire Nr. 40: Drei Orontes). Velthen-Verzeichnis 1679 in Heidelberg und Mannheim, Nr. 60: Der dreyfache Bräutigam Oront. Noch hundert Jahre später, am 26.  Oktober 1764, spielt die Ackermann-Truppe „Die dreyfache Heyrath“.236 Lit.: Bolte, Johannes: Unbekannte Schauspiele des 16. und 17.  Jahrhunderts. In: Sitzungs­ berichte der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Phil.-hist. Klasse, Berlin 1933, S. 395–398.

Die Unglücklich-Verliebte Stieffmuter Ormonda oder Der großmüthige Altamiro mit Arlequin einem possierlichen und extraordinair lustigen Galan. ALTAMIRO. (Nat. Bibl. Wien, Ms 15094) 4°, 64 fol. unpaginiert. Vermerk auf dem Titelblatt: Weißenfelß den 3 Marty 1722. Besitzer der Handschrift: J. C. Haacke. Vorlage vermutlich das Libretto „L’Artaxerse overo L’Ormonda costante“ von Aurelio Aureli (Venedig 1669). Abgedruckt in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 879– 986. Bolte (Jude von Venetien, S. 199) verweist auf ein in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe (Sig. Nt 18 a) erhaltenes Argument dieses Wanderbühnenspiels: Der von Ormonda verfolgte Altamiro. Oder Der unbekannte Sohn seins Vatters, vorgestellt in Straßburg von der Gesellschaft Badischer Bedienten Comoedianten. 1670. 4°. Es ist 1942 bei dem großen Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg leider verbrannt. Der Inhalt der drei Akte ist zusammengefasst bei Richter: Liebeskampf, S. 251–258.

236 Schauspiele-Verzeichnis mit Angabe der Besetzung in der Staatsbibliothek Berlin, Ms germ. fol.771, Bl. 120r.

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Vorlage: Inhalt und einzelne Motive stimmen überein mit dem spanischen „El exemplo mayor de la desdicha y Capitan Belisario“, vermutlich von Mira de Amescua (jedoch andere Personennamen und anderer Schluss: Der Kaiser lässt Belisario blenden, und dieser stirbt bald darauf. Im deutschen Wanderbühnenstück wird am Schluss die Hochzeit des Altamiro mit Tersilla gefeiert.) Mögliche Vorlage könnte auch die 1669 in Venedig gespielte und gedruckte Oper „L’Artaxerse overo L’Ormonda costante“ von Aurelio Aureli, Musik von Carlo Grossi, sein. (Auch hier andere Personennamen und eine kleinere Personenanzahl) Aufführungen: 1670 und 1671 in Straßburg: Der von Ormonda verfolgte Altamiro Oder Der unbekannte Sohn seines Vaters (Badische Hofkomödianten, früher Innsbrucker Komödianten). 14. September 1672 in Dresden: Comoedia von Altamire oder verlohrenen Artaxerxe. 1679 im Velthenverzeichnis am kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs in Heidelberg und Mannheim: Der Großmüthige Altamiro, und die Verliebte Kayserin Ormonda von Trapezunt; ebenso 1680 und 1690 in Torgau (Velthen-Truppe). 21. Juni 1681 in München (Truppe des Daniel Treu): Von dem großmüthigen Altamiro. Weimarer Verzeichnis Nr. 119: Der von seinem vatter unerkante prinz artaxerxes oder der großmütige altamiro, und dessen untreue stifmutter. 25. Jänner und 28. Feb. 1718 in Weißenfels (Spielbergsche Truppe, früher Velthen-Truppe). 3. Februar 1730 in Hannover (Baden-Durlachsche Truppe): Der in seiner Treu beständig und über seine Neider obsiegende Großmüthige Altamiro. 1730 in Augsburg (gespielt von Augsburger Bürgern): Der durch seinen Sohn triumphirende Kayser von Trapezont, Oder Printz Altamiro: als verstellter Makler. Haupt- und Staats-Action. 21. November 1736 in Hamburg. 7. Februar 1757 in Nürnberg. Die durchleüchtige Oronthea / Königin von Aegypten. (Wienbibliothek, Sammelband Ja 38589, Bl. 577–600) 3 Akte, 9 Personen (mit Hanswurst als Hofbeamter) (Manche Szene besteht nur aus ein oder zwei Sätzen, z.  B. III/12–14) Handschrift des Schriftstellers und Komödianten Heinrich Rademin, der mit Stranitzky zusammengearbeitet hat. Vorlage: Cicogninis Oper „L’Orontea. Dramma recitato nel Teatro de’ SS. Apostoli



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di Venezia l’anno 1649. Poesia di Giacinto Andrea Cicognini, Fiorentino. – Musica del P. Marco Antonio Cesti, d’Arezzo. Min. Convent. Venezia 1649“. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. Sammelband 20 (1). (Spätere Ausgabe: „Orontea, Regina d’Egitto“, Musik von Cesti, Genua 1661.) Uraufführung 1656 in Innsbruck. 1660 wurde in Wien die Oper „L’Orontea dramma Musicale Del S. D. Hiacinto Andrea Cicognini, Musik von Filippo Vismarri“ (Nat. Bibl.Wien, Mus. Cod.19065) aufgeführt, nachdem sie am 4. Nov. 1655 in Innsbruck, vertont von Cesti, gegeben worden war. Ein Textbuch zu dem Singspiel „Orontea, oder: Die siegende Liebe“, Stuttgart 1699, ist im Hauptstaatsarchiv Stuttgart (Bestand A 21, Bü 593) erhalten. Aufführungen: 4. Nov. 1655 in Innsbruck (mit der Originalmusik von Antonio Cesti). 1660 im Fasching in Wien (mit der Musik von Filippo Vismarri). Nov. 1660 in Dresden: Orondea (so der Italiener übersetzet). 1667, 4. Nov. am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz in Mannheim: L’Argia, Prinzessin von Nigroponte (Churpfältzischen Compagnie Comoedianten unter den Prinzipalen Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwarz). 1674, ebenfalls zwischen 3. und 14. Februar 1679 (Paulsen): Die grosse Königin Orontea. 1678 in Hannover. 1686 in Wolfenbüttel (Exemplar des Librettos in der Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel). Feb. 1679 in Dresden durch hamburgische Komödianten. 1679 im Velthen-Verzeichnis Nr. 80: Die große Aigyptische Königin Oronthea. 1699 in Stuttgart. Tragoedia. genandt Der Großmüthige Rechts-Gelehrte AMILIUS PAULUS PAPINIANUS / oder Der Kluge Phantast und wahrhaffte Calender-Macher. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13161) 4°. Abschrift des Prinzipals Gerhard Rudolph Haskarl.237

237 Prinzipal Gerhard Rudolph Haskarl leitete um 1720 eine eigene Truppe, vorher gehörte er einige Jahre der Truppe von Sophie Julie Elenson ev. als Harlekin an. Haskarl ist auch im Personenverzeichnis des Manuskripts „Der stumme Prinz Atis“ (Österr. Nationalbibl. Wien, Sig. 13107) gemeinsam mit seiner Gattin genannt. (Hansen, Günther: Haskarl contra von Quoten. Ein deutsch-dänischer Theaterrechtsstreit 1718 in Viborg. In: Nertus. Nordisch-deutsche Beiträge, Bd 2. Kopenhagen 1969, S. 275–286, hier 279.)

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Eingeklebter Zettel im Deckblatt: J. C. Haacke. Symb. Semper Idem. auf fol. 2: Titel, Personen- und Requisitenverzeichnis. Unterschrift auf fol. 29r am Schluss des Manuskripts: Tragoediam hanc in memoriam Julianae Compagniae scripsit G. R. Haskarl olim stud.[iosus] N[unc] V[ero] Comicus Merseburg[ensis] 1710 [1716?]. (Haskarl schrieb die Tragödie in Erinnerung an die Juliana Compagnia (= Truppe der Sophie Julie Elenson, deren Prinzipalin unter dem Namen ‚die schöne Juliana‘ bekannt war.) Rückseite des beigeklebten Szenars: Außkunfft auß Papinianus: In Dresden C[arl] L[udwig] H[offmann] Ao 1722 den 3 July. Das Spiel gehörte zum ständigen Repertoire der Wanderbühnentruppen. Es ist eine Bearbeitung des Schauspiels„Großmüthiger Rechts-Gelehrter / Oder Sterbender Aemilius Paulus Papinianus“ von Andreas Gryphius, das als selbständiger Druck 1659 erstmals in Breslau erschienen ist. Abdruck des ersten Aktes und zusammengefasster Inhalt der übrigen vier Akte in Heine, Carl: Eine Bearbeitung des Papinianus auf dem Repertoire der Wandertruppen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 21, Heft 3, Halle 1889, S. 280–309. Am 6. August 1679 überreichte Andreas Elenson dem Rothenburger Magistrat ein Dedikationsexemplar von des „Weldtberühmten Rechtsgelehrten Papiniani Action“ mit dem Vorschlag, solche nach Belieben Exhibirn zu laßen. (Stadtarchiv Rothenburg o.  d. T., Sig. AA Nr. 536/1, fol. 32r – 33v) Tragoedia. genandt Der Großmüthige Rechts-Gelehrte AEMILIUS PAULUS PAPINIANUS / oder Der Kluge Phantast und wahrhaffte Calender-Macher. 51 Bl. in 4°. (Staatsbibliothek Berlin, Preuss. Kulturbesitz, Sig. Ms. germ. qu. 243) Abgedruckt in Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, S. 138–201. (Beide Handschriften fast identisch; die Berliner Abschrift ist jedoch sorgfältiger und wahrscheinlich älter, während die Wiener Handschrift wohl als flüchtige Abschrift des Berliner Manuskripts angesehen werden kann.) Zwei weitere Manuskripte verzeichnet das Lexikon „Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien“, S. 368) im Narodni Archiv Prag, Stará manipulace, Sig. T-61, S. 82 F (1689) und Nová manipulace, Sig. T 2, Nr. 4 und Nr. 10. Szenare: Großmüttiger Rechtsgelehrter Oder Sterbender Papinianus Von Andrea Gryphio, Gesetztes Trauer-Spiel  /  Durch die Den Freyen Künsten zu St.Elisabeth in Breßlau / ergebene Jugend / vorgestellet Im Jahr 1660. Breslau / Gedruckt durch Gottfried Gründern Baumannischen Factor. Mit zusätzlicher kur-



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zer Inhaltsangabe. Rechts oben ältere Tinteneintragung: Breslau gym. Elis. 1660. Erhalten sind zwei Exemplare: Universitätsbibliothek Wroclaw, Sammelband Sig. Yu 1050/6, 39. Stück (aus der Bibliothek der Breslauer Zisterzienser). Fotodruck bei Spellerberg, Gerhard: Szenare zu den Breslauer Aufführungen Gryphischer Trauerspiele. In: Daphnis, Bd 7, Amsterdam 1978, S. 245–248. Biblioteka Narodowa, Zaklad Starych Druków, Warschau, Sammelband aus der ehemaligen Schaffgotschen Bibliothek zu Warmbrunn, Sig. BN.S. 3,584 adl. [vormals Sig. Schles. 3 M. 14]. Der Großmüthige Rechts-Gelehrte AEMILIUS PAULUS PAPINJANUS Oder Der kluge Phantast und warhaffte Calendermacher: Mit allergnädigster Königlicher Bewilligung werden heute als am Donnerstage den 12 Januarij [1719] Die von denen vorjetzo Anwesenden Hoch-Teutschen Comoedianten Denen Respective Liebhabern Teutscher Schau-Spiele / mit lebendigen Persohnen vorstellen / Eine modeste, galante und sehenswürdige Haupt-Action. Theaterzettel mit Inhaltsangabe. (Abgedruckt in J. Paludan: Deutsche Wandertruppen in Dänemark. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Halle 1893, Bd 25, S. 332–234). (Exemplar in der Königlichen Bibliothek Kopenhagen, Sig. 34,III 4° (Box – Teaterplakater, ca. 1700–1805). Spätere Bearbeitung durch Franz Neumayr: Papinian. Ein Trauerspiel. In: Franz Neumayr: Geistliche Schaubühne. Innsbruck, Wolff 1758. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. 845000 – A.249 The) Auff.:238 9. Februar 1660 in Breslau im St. Elisabeth-Gymnasium (Schulaufführung, sieben Vorstellungen).239 7. Jänner 1669 in Breslau: Der großmüthige Rechtsgelehrte P. Papinianus“. 5. Juni 1685 am Bairischen Hof zu Schleißheim bei München (Truppe des Daniel Treu). 20. Juni 1673 in Augsburg (Jakob Kuhlmann-Truppe)240. 238 Siehe dazu Flemming: Gryphius und die Bühne, S. 251–255; und Maraka, Angeliki, S. 8–18. 239 Szenar gedruckt in Breßlau / durch Gottfried Gründern Baumannischen Factor (abgedruckt in Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1994, S. 221–224, und Nachwort, S. 61–62). Siehe dazu auch Spellerberg, Gerhard: Szenare zu den Breslauer Aufführungen Gryphischer Trauerspiele. In: Daphnis, Bd 7, Amsterdam 1978, S. 245–248 und S. 257–260. 240 Theaterzettel im Stadtarchiv Augsburg, Nachtragsfasz. zu den Theaterakten, S. 9, 13. Dass es sich um Kuhlmanns Truppe handelt, ist dem am 20. April 1673 aus Regensburg übermittelten Spielgesuch zu entnehmen. (ebd. S. 1–4)

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1674 in Altenburg („Horribilicribrifax“ als Zwischenspiel) 1674 in Kronstadt/Siebenbürgen. 1677 in München (Truppe des Daniel Treu). 1680 in St. Gallen (Aufführung durch die städtische Jugend). 5. Juni 1685 am Hof zu Schleißheim (Truppe des Daniel Treu). 1689 (Andreas Elenson). Januar/Februar 1690 in Torgau, wo sich die Hofgesellschaft des Kurfürsten von Sachsen aus Dresden zu dieser Zeit aufhielt (Velthen-Truppe). Sep./Okt. 1709 in Nördlingen (Ratsvorstellung der hochdeutschen Komödianten unter dem Prinzipal Johann Carl Samenheimer). Weimarer Verzeichnis, Nr. 50: Die Enthauptung papiniani des rechtsgelehrten unter Caracalla. Herbstmesse 1710 in Frankfurt: Spielgesuch der Prinzipalin Sophie Julie Elenson. 12. Jänner [1719] in Kopenhagen durch Hoch-Teutsche Comoedianten (wahrscheinlich Truppe des Johann Spiegelberg). Am Dienstag, 9. Mai [1719], wird dasselbe Stück in Kopenhagen noch einmal von derselben Truppe aufgeführt, jedoch mit verändertem Titel: Der unschuldige Bruder-Mord Oder Das blutige Rom, unter der Regierung des Römischen Käysers Antonini Bassiani Caracallae, Wie auch Der Kluge Phantast und Warhafte Astrologus. 20. März 1719 in München. 1718/19 in Riga (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). 3. Juli 1722 in Dresden (Elenson-Compagnie unter ihrem dritten Ehemann Carl Ludwig Hoffmann, der dem Manuskript ein Szenar beifügte  – siehe Wiener Manuskript, Ms 13161). Um 1725 in Petersburg (Truppe Peter Hilferding. – Nach Bolte: Danziger Theater, S. 152, Anm. 2). 17.  Mai 1738 in Speyer (Schulkomödie am Gymnasium. Ankündigungsschreiben des Rektors Johann Christian Feistkohl).241 2. Oktober 1738 in Frankfurt durch die Eckenberg-Compagnie; Einladungsschrift zu einer Ratskomödie am 2. Oktober: Der mit weiser Gerechtsame eher Sterben- als Laster billigende Römische Rechts-Gelehrte, Aemilias Paulus Papinianus, wobey zu abwechslender Gemüths-Ergötzung, ein kluger Phantast und verruckt- doch wahrhaffter Calendermacher erscheinen wird. 23. Mai 1741 und 1. März 1742 in Frankfurt durch die Wallerotty-Truppe, während der Festlichkeiten anlässlich der Wahl und Krönung Karls VII. (Die lustige Person Traraeus wird auf dem Theaterzettel von 1741 Hanswurst genannt).

241 Trautmann, Karl: Der Papinianus des Andreas Gryphius als Schulkomoedie in Speyer (1738). In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd 15, Leipzig 1887, Miscellen S. 222–223.



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8.  November 1745 in Prag (durch eine Comische Compagnie, ev. Prinzipal Schröder). In Moskau am Hof des Zaren Peter des Großen (gest. 1725): Der standhafte Papinianus (in russischer Sprache). Lit.: Heine, Carl: Eine Bearbeitung des Papinianus auf dem Repertoire der Wandertruppen. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 21, Heft 3, Halle 1889, S. 280–309. Maraka, Angeliki: Tragoedia genandt Der Grossmüthige Rechtsgelehrte Aemilius Paulus Papinianus Oder Der Kluge Phantast und wahrhaffte Calender-Macher. Diss. Berlin 1970.

Die Gestürzte Tyrannay In der Person deß messinischen Wüttrichs Pelifonte oder Triumph der liebe und Rache. (Siehe: „Die Gestürzte Tyrannay“) Pelimperia, mit dem gehengten Horatio. (Siehe „Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel vnd seiner Tochter Pelimperia, mit dem gehengten Horatio“) Ulisses und Penelope Weisenfels d. 4. Maij 1699. Joh. Anthon Bonn (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1633) 28 Bl. 4°, Einband brauner Lederrücken, gelbes Papier. 3 Akte in Prosa und Versen. Handschrift der Spiegelberg-Truppe, aus dem Nachlass des Schauspielers Konrad Ekhof. Laut Bolte (Wanderkomödianten, S. 453) geht dieses Spiel auf die im folgenden verzeichnete italienische Oper zurück, die durch J. F. Keil in Gotha 1690 verdeutscht worden ist: Die unveränderte treue Ehegattin Penelope. Singe-Spiel nach dem Italienischen von Johann Friedrich Keil. (Staatsbibliothek Berlin, Mus. T 9, Nr. 12) Zum Geburtstag von Herzog Friedrich von Sachsen am 15. Juli 1690, aufgeführt am 20. Juli 1690 auf der Hoch-Fürstl. Schaubühne zum Friedenstein. Gotha: Reyher 1690. Libretto in Prosa mit eingemischten Versen, 46 Bl. 2°. Ankündigung dieses Spiels auf einem Theaterzettel vom Mittwoch, dem 12. Oktober, vermutlich aus dem Jahr 1707 (in der Breslauer Stadtbibliothek, abgedruckt bei Bolte: Wanderkomödianten, 1934, S. 454–456.)

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Aus dem Jahr 1670 ist in der Wiener Nationalbibliothek (Sig. Ms 16877 und Sig. 4645-A.Alt Mag) eine gesungene Vorstellung „Penelope“ erhalten. Libretto von Antonio Draghi, Text von Nicolo Minato. Vienna: Cosmerovio 1670 (zum Geburtstag der verwittibten Römischen Kayserin Eleonora). Gottsched (Nöthiger Vorrath, Bd 1, S. 263 und S. 273) verzeichnet die Oper von Friedrich Christian Bressand: Penelope oder des Ulysses anderer Theil  /  in ­einem Sing-Spiel auf dem Braunschweigischen Schauplatze vorzustellen [1696], Musik vermutlich von Reinhard Keiser. (34 Bl., Widmung, Personen, Szenarium, 3 Handlungen. 1702 in Hamburg mit der Musik von Reinhard Keiser aufgeführt.[Der Text stimmt weitgehend mit dem Sing-Spiel „Ulysses Wiederkunfft“ überein.] Erhaltene Exemplare: (Niedersächs. Staats- und Univ.Bibl. Göttingen, (Sig. 8 P DRAM III, 1160); Staatsbibl. Berlin (2°@ Yp 5201-no.12); Univ. und Landesbibl. Halle (Sig. 67 A 4362; Sig. 78 N 3, Kapsel (157); Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel (Sig. Textb. 277 und Textb. Sammelbd 6 (9), im letzteren fehlt Widmung und Szenarium)242; Niedersächs. Landesbibl. Hannover (Sig. Op. 1,24); Forschungs- und Landesbibl. Gotha (Sig. Poes 4° 2164–2165 (82)R. Ein weiterer Druck, Hamburg 1702, in der Nat.Bibl. Wien (Sig. 625235-B.The; und in der Staatsbibl. Berlin, Sig. Mus. T 3, Nr. 15.). Auff.: 1670 in Wien (s.  o.). 15. und 20. Juli 1690 auf der Hochfürstl. Schaubühne zum Friedenstein (s.  o.). 1690 in Torgau am Hof Johann Georg III. (Velthen): Ulysses und Penelope. 1696 in Braunschweig (s.  o.) 4. Mai 1699 in Weißenfels. 1703 in Leipzig: Oper „Ulysses“. 12. Oktober [1707 ?], Theaterzettel in der Breslauer Stadtbibliothek (s.  o.). Weimarer Verzeichnis, Nr. 104: Vlisses und penelope. [?] um 1710 in Nürnberg. 1719 in Riga: Ulisses. Im Jahr 1724 am Wiener Hof und am 21. Jänner 1739 am Kärntnertortheater in Wien: Penelope (von Pariati und Conti). 1748 in Kopenhagen: Ulysses und Penelope, oder Die treue Beständigkeit. (Siehe dazu „Poetisches Freuden-Spiel von des Ulysses Wiederkunft in Ithaken“) 242 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog Karl August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S. 256, Nr. 1252 und 1253.



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Comoedia Perseus et Andromeda oder die weißgebohrene Mohrin. (siehe „Andromeda“) Absurda Comica oder Peter Squenz Lustspiel von Andreas Gryphius. Erste Drucklegung in Breslau 1658. Das dreiaktige Scherzspiel wurde im Anschluss an die Aufführungen englischer Wandertruppen gespielt, die diese Parodie aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ zu einem selbständigen Lustspiel umgearbeitet hatten. Als unmittelbare Vorlage nennt Gryphius jedoch die Bearbeitung des Altdorfer Professors Daniel Schwenter (gest. 1636). Vielleicht war die Szene in Schwenters ungedruckte, leider verlorene Komödie von „Seredin und Violandra“ eingebaut. Das Thema stammt ursprünglich aus Ovids „Metamorphosen“, 4. Buch, 55– 163 (geschrieben zwischen dem 1. bis 8. Jahr n. Chr.) Als Comedia bearbeitet von Francesco Giovanni Loredano d.Ä.: Li Vani amori. Venedig 1588. – Übersetzt wahrscheinlich von dem Buchdrucker Johann-Kaspar Suter: Die Unglückselige Liebe / fürgestellet under der geschicht Deß Pyramus und der Thisbe: auß dem Jtalianischen deß hochgelehrten vnd welt-berümten Herren / Johann-Franzen Loredans / Venetischen ädel-manns / in das Hoch-Teutsche übergesezet / und getruket in Schaffhausen / bei Johann-Kaspar Sutern in dem 1656. jaare. – Ein Johannes Ott aus Schaffhausen gibt auf vier Seiten eine gereimte Inhaltsangabe. Am Ende ein 40 Strophen umfassendes Liebeslied Thisbes, mit Noten.243 Shakespeare verarbeitet das Thema in seiner Tragödie „Romeo und Julia“ und als Parodie im „Sommernachtstraum“. Gottsched verzeichnet in seinem „Nöthigen Vorrath“ (S. 217) eine Ausgabe von 1663 und vermerkt dazu: In Shake­speare‚ Midsummer-Night’s Dream‘ ist ein Zwischenspiel eingeschaltet, das den Schulmeister Quince nennet. Das ist unser Squenz, doch hat Gryph viel hinzugesetzet, und alles auf deutschen Fuß eingerichtet. Neuabdruck in Ludwig Tieck: Deutsches Theater, Bd 2, Berlin 1817, S. 236– 271; ebenso in Tieck: Deutsches Theater, Theil 3, Wien 1822, S. 219–272. Gryphius’ Stück gehörte zum ständigen Repertoire der deutschen Wandertruppen. Acht Jahre vorher entstand die holländische Version von M. Gramsbergen aus dem Jahr 1650: „Kluchtige Tragoedie Of den Hartoog van Pierlepon“. (Die Figur 243 Hausmann, Frank-Rutger: Bibliographie der deutschen Übersetzungen aus dem Italienischen, 1992, Bd I/1, S. 0610–0612.

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des Königs ist hier ein Bauer, der sich als Herzog verkleiden und die Komödianten als sein Gefolge ausgeben muss. Nach der Pyramus-Thisbe-Aufführung sind die Komödianten verschwunden und lassen den Bauern mit der unbezahlten Rechnung zurück.) Drei frühere handschriftliche Bearbeitungen: Werner Richter (Liebeskampf, S. 70, Anm.1) verzeichnet eine Handschrift aus dem Jahr 1581 in der Staatsbibliothek Berlin: Pyramus und Thisbe. Eine schone kurzweilige Fabel, Von dem berumpten Poeten Publio Ovidio Nason; die vor 1603 entstandene Tragoedia von Abraham Hossmann;244 und die „Tragoedie von Pyramus und Thisbe“ von Samuel Israel, aufgeführt in Münster 1604. Die Parodie eines neuen Peter Squenzen von lautern Absurdis Comicis, das „Lustige Nachspiel, wie etwan vor diesem von Peter Squenz aufgeführet worden, von Tobias und der Schwalbe“, veröffentlichte Christian Weise in seinem „Zittauischen Theatrum, Wie solches anno 1682 praesentiret worden“, als letztes von drei unterschiedenen Spielen. Zittau 1683. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 3893-A.Alt Mag; und Sig. 628990-A. The) Verzeichnet auch bei Gottsched im „Nöthigen Vorrath“, Bd 1, S. 246. 1768 wird die Oper „Piramo e Tisbe“ des Dresdener Hofkapellmeisters Johann Adolph Hasse (it. Giovanni Adolfo) in Wien aufgeführt (Libretto von Marco Coltellini). Auff.: 1604 in Münster (Tragoedie von Pyramus und Thisbe von Samuel Israel, s.  o.). 1604 in Nördlingen: Vonn Thisbes unnd pyramo (Spielansuchen der Theerschen Truppe). Johann Rist (1607–1667) berichtet von einer parodistischen Aufführung der betrübten Geschicht und jämmerlichen Begebenheit von Pyramus und Thysbe durch englische Komödianten, die er selbst in seiner Jugend gesehen habe.245 1601 und 1616: Schuldrama „Pyramus und Thisbe“ von Samuel Israel.

244 In Hossmanns „Vera, verae vitae coniugalis, constantia d. i. Bestendigkeit ungeferbter Liebe in Ehesachen“ aus dem Jahr 1613 (Staatsbibliothek Berlin, Sig. Da 7370) heißt es S. 132: … wie ich denn solcher Exempel in der Dedication meiner Tragoedien von dem jungen Grafen Pyramo und der schönen Jungfrawen Thysbe, welche eines Heidnischen Königes Tochter gewesen, die auff Fürstlicher Personen anhalten auch auff deren Fürstlichen Verlag habe drucken lassen, welche offentlich zu bekommen und auff einer vornehmen Sächsischen Fürstlichen Hochzeit agiret worden … 245 Rist: AllerEdelste Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter. Aprilens-Unterredung, Hamburg 1666. In: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 287–303.



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1604 in Nördlingen: Von Thisbeß vndt Pyramo (Theersche Truppe unter dem Prinzipal Eichelin). 1604 in Rothenburg: Von Pyramo unnd Thysbe (ebenso die Theersche Truppe unter Prinzipal Eichelin). März 1660 in Dresden (Carl Paulsen-Truppe): Tragikomödie vom K. Paul mit dem Possenspiel von Pyramus und Thisbe. 1672, 20.  Februar, in Dresden (bei einem Hofmaskenfest im Riesensaal. Beim Tanz wurde des M. Peter Squenz Comoedia agiret.) 1668 und am 21. Nov. 1679 in Heidelberg im dicken Turm des Schlosses des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz (Velthen-Truppe). Velthen-Spieleverzeichnis 1679, Nr. 28: Pyramus und Tisbe; und Nr. 88: Peter Squentz. 1672, 20. Februar, im Schloss zu Dresden. 1680 in Torgau bei den Hoffestlichkeiten. 1690 auf Velthens Spielplan. 1726 zu Ende des Carnevals in Stuttgart: Oper von Pyramus und Thisbe.246 1730 im Heidelberger Schloss. 1768 in Wien: Oper „Piramo e Tisbe“ (s.  o.) Lit.: Burg, Fritz: Über die Entwicklung des Peter-Squenz-Stoffes bis Gryphius. In: Zeitschrift für Deutsches Altertum und deutsche Litteratur, Bd 25, 1881, S. 130–170. Hausmann, Frank-Rutger: Bibliographie der deutschen Übersetzungen aus dem Italienischen, 1992, Bd I/1, S. 0611–0613.

Von der schönen Phoenicia vnd Graf Tymbri von Golison auß Arragonien. (Siehe „Spiegel Weiblicher zucht vnd Ehr“) Pickelherings Spiel (Siehe“ Ein lustig Pickelherings Spiel  /  von der schönen Maria und alten Hanrey“) Pickelhärings Academie. nach Moliere: La Malade imaginaire. Erstdruck in der Schauspielsammlung von 1620, als Nachkomödie zur „Tragaedia von Tito Andronico“.

246 Sittard (Musik und Theater am Württembergischen Hofe, I, S. 120–122) verzeichnet die Kosten dieser Aufführung: für den Kostümschneider wurden 2120 fl veranschlagt, für Theater und Dekoration 400 fl, für den Ersatz einer Sängerin 5–600 fl, insgesamt 3100 fl.

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Auff.: 1674/79 in Dresden (Paulsen-Repertoire Nr. 31): Pickelherings Anatomie. 25. August 1680 in Bevern (Elenson-Truppe). Das ander Engeländisch Possenspiel von Pückelherings Dill dill dill, so hat er mir verdorben mein allerschönste Möhl. 4 Bl. 8° (Staatsbibl. Berlin, Sig. Yq 9101) Abgedruckt in Bolte: Die Singspiele der englischen Komödiaten, S. 110–128. (Siehe dazu „Die doppelt betrogene Eyfersucht“) Pickelhering in der Kiste Erstmals abgedruckt in den Englischen Komödien von 1620. 1648 bearbeitet von Isaak Vos: Pekelharing in de Kist. Vorlage wahrscheinlich das englische Possenspiel „Singing Simpkin“. In: Actaeon and Diana, with A Pastorall story of the Nymph Oenone / Followed by the several conceited humors of Bampkin, the Huntsman Hobbinal, the Shepheard Singing Simpkin. And John Swabber, the Sea-man. Alle diese drei Pickelhering-Komödien sind abgedruckt in Bolte, Johannes: Die Singspiele der englischen Komödianten und ihrer Nachfolger in Deutschland, Holland und Skandinavien, Hamburg und Leipzig 1893, S. 50–71. Inhaltlich eng verwandt ist das ebenfalls bei Bolte (Singspiele, S. 72–82) abgedruckte Spiel „Der Courtisan in der Kiste“ (vor 1691). Auff. 1680 in Torgau vor dem Sächsischen Hof (Velthen-Truppe). Pyramus und Thisbe (siehe „Peter Squenz“) Der im Christentum biß in den Todt beständige Märterer Polyeuctes. Vorgestellet in einem Singe-Spiel. Hamburg 1688. Aus dem Französischen von Heinrich Elmenhorst, Musik von Johann Phi­ lipp Förtsch. Hamburg 1689. Exemplare der Erstausgabe: Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. 14,5:75[b]; Nat.Bibl. Wien (Sig. 4298-B.Mus; und Sig. 625411-B.The); Staatsbibl. Berlin (Sig. 4°@Yp 5220); Univ. und Landesbibl. Jena (Sig. 4Art.lib.XIV,9 (27). Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel.



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Eine weitere deutsche Wanderbühnen-Übersetzung aus dem Jahr 1698 verzeichnet Trautmann247: Polieuct. Tragoedia, Aus dem Frantzösischen in das Teutsche übersetzt. Stuttgart, gedruckt durch Paul Treuen, Hochfürstl. Hoff- und Cantzley-Buchdrucker. Anno M.DC.XCVIII. [1698] 4°, 46 Bl. (Das Personenverzeichnis nennt die Namen der Darsteller (Truppe der Hofcomödianten unter Jakob Kuhlmann). Vorlage vermutlich Pierre Corneille: Polyeucte, 1642. Deutsche Bearbeitungen Corneilles: Tobias Fleischer: Polyeuct und Cinna. In: T. F. Erstlinge von Tragedien, Helden-Reimen, vnd anderen Tichtereyen. o.  O. 1666. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 819622-A.The). Chr. Kormart: Polyeuctus oder christlicher Martyrer, Leipzig und Hall in Sachsen 1669. (Verzeichnet in Goedeke: Grundriß, Bd 3, S. 223, Nr. 54: In diesem von Schülern gespielten Stücke trat Veltheim auf, der dadurch Neigung zum Schauspiel gewann und später eine Schauspielergesellschaft gründete.) Ein Szenar zu diesem Schuldrama wurde 1678 in Görlitz gedruckt; Aufführung im Oktober 1678). Köber: Der Christen Marter-Krohn und Ehren-Thron. Gera 1669 [mit Scaramuz und Pantalon]. Der Märtyrer Polyeuctes. Ein christliches Trauerspiel.Wien 1749. (Nat. Bibl. Wien, Theaterbibliothek Schikaneder, tit. fict. 247, Sig. 845000 – A.247 The). 1752 in der „Deutschen Schaubühne zu Wienn nach alten Mustern“, Teil 1, Nr. 5: Der Märtyrer Polyeuctes, ein christliches Trauerspiel. Auff.: 28. Aug. 1680 im Schloss zu Bevern: Tragoedia und Martyrium Polyectus oder Der christliche Ritter (Andreas Elenson-Truppe). Der königliche Printz aus Pohlen, Sigismundus, oder Das menschliche Leben wie ein Traum. In einem Singe-Spiel auf dem Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet. Hamburg 1693. (Andrer Druck 1694) (Nat. Bibl. Wien, Sig. 625338-B.The und 4205-B.Mus) 32 Bl. Text: Christian Heinrich Postel, Musik: Johann Georg Conradi. (auch bei Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 257 verzeichnet). Das Thema geht auf Calderons „La vida es sueno“, 1635, zurück, das 1646 als Vorlage für den Franzosen Gillet de la Tessonerie diente: „Le grand Sigismond 247 Trautmann, Karl: Französische Komoedianten in Stuttgart. Stuttgarter Ausgaben von Dramen P. Corneilles (1698 und 1706). Eine deutsche Polyeucte-Uebersetzung vom Jahre 1698. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd 15, Leipzig 1887, Miscellen S. 218–221.

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prince Polonais ou Sigismond duc de Versau“. Calderon wurde auch zur direkten Vorlage von Cicogninis „La Vita è un sogno“. Comedia. Bologna 1663 und Venedig 1664. Spätere spanische Bearbeitung Calderons durch Diego Henriques de Vilhegas: El despertador en el sueno de la vida. Madrid 1667. Direkte Vorlage Postels dürfte die 1647 für die Brüsseler Rederijker erfolgte niederländische Übersetzung Calderons durch Schouwenbergh „Sigismundus, Prince van Poolen, of ’t Leven is een droom. Bly-Eyndig Treur-Spel. Vertoont op d’ Amsterdamsche Schouw-burgh“, Amsterdam 1654, sein. [Universitätsbibliothek Amsterdam, Sig. OK 99–196 (3)]. Bis 1665 wurde Schouwenberghs Trauerspiel 23 Mal auf der Schouwburgh in Amsterdam gespielt, ein Theaterzettel bezeugt die Aufführung durch Fornenburgh in Hamburg 1666. Von Schouwenberghs Trauerspiel gibt es mehrere Ausgaben, von den erhaltenen Drucken ist nur der erste in Brüssel erschienen: „Het leven is maer droom. Bly-eyndigh Treur-Spel. In de wonderlycke Op-vordinghe van Sigismundus, Prince van Polen“, Brüssel 1647 (einziges Exemplar in der Universitätsbibliothek Gent). Die folgenden sieben Ausgaben sind in Amsterdam erschienen: 1654, 1667, 1668 (Univ.-und Landesbibl. Bonn, Sig. Fd 410/1); Ebenso in den Jahren 1670 (4. Druck), 1677 (5. Druck), 1679 (Staats- und Universitätsbibl. Hamburg, Sig. A/15534), 1705 (Universitätsbibl. München, Sig. 0001/8 P.germ.584), ebenso im Jahr 1720. Moderne Bearbeitungen durch Franz Grillparzer (Der Traum, ein Leben – 1834) und Hugo von Hofmannsthal (Der Turm, 1925); die Oper „La vita è sogno“ von G. F. Malipiero (1943). Auff.: 1647 in Brüssel (Schouwenberghs „Sigismundus, Prince van Poolen“, aufgeführt durch de frije liefhebbers der rijmerkonste binnen Brussel). 1654, 18. Mai, in Hamburg in der Schouwburgh (in niederländischer Sprache).248 1666 in Lüneburg: Von Sigismundo oder dem Tyrannischen Printz von Polen. (Demonstratio actuorum des Daniel Treu, Nr. 6). 1674 und 1679 auf Paulsens Repertoire in Dresden: Prinz Sigismondo. 1679 auf Velthens Repertoire in Heidelberg und Mannheim, Nr. 31: Printz Sigismundus von Pohlen.

248 Junkers: Niederländische Schauspieler, S. 79, bezweifelt diese Aufführungsangabe von Heine: Johannes Velthen: Diss. Halle 1887, S. 35.



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Januar/Februar 1690 in Torgau am Hof Johann Georg III.: Prinz Sigismund in Pohlen. (Velthen-Truppe). 1690 in Ölmütz: Basilius der große Sternseher Oder Das menschliche Leben vergleicht sich einem Traum (Elenson-Truppe). 1693, Oper auf dem Hamburgischen Schauplatz. Weimarer Verzeichnis Nr. 4: Das verwirt königreich pollen, der warhafftige traum des prinz sigismunti, die andrettente regirung. 1719, 14. Jänner, in Riga: Sigismund. (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). 1721, 3. August, in Hamburg: Der weise König Basilius, sonst genannt der traumhafte Prinz. Eine Haupt- und Staatsaction. 1741, 8. Dezember, in Frankfurt durch die Wallerotty-Truppe: Eine neue, aus einer wahrhafften Historie gezogene remarquable Piece, betitult: Des Menschen Leben ist ein Traum, oder: Die Bewunderungs-würdige Lebens-Geschichte Sigismundi, Cron-Printzen aus Pohlen. (Theaterzettel). 1742, 30. April, in Frankfurt durch französische Komödianten: Das Leben ein Traum, ein Italiänisches Lust-Spiel, welches abermahls ausdrücklich verlanget worden. (Theaterzettel). Der vermeinte printz. [von Caspar Stieler] Lustspiel / Denen Beyden Hochgräflichen Ehelich vertrauten / Als: Dem Hochgebohrnen Grafen und Herrn / Herren Albert Anthon / Der vier Grafen des Reichs / Grafen zu Schwartzburg und Hohenstein / Herrn zu Arnstadt / Sondershausen / Leutenberg / Lohra und Clettenberg / etc. Wie auch Der gleichfalls Hochgebohrnen Gräfin und Freulein / Fr. Emilien Julianen / Gräfin und Freulein zu Barby und Mühlingen / etc. Auff deren Hochgr. Hochgr. Gn. Gn. Hochansehnlichen Gräfl. Beylager / den siebenden Brachmonatst. 1665 Hochfeyerlich begangen / Auff dem grossen Saale des Hochgräfl. Schlosses Heydeck in Rudolstadt / zu unterthänigen Ehren und gnädigen gefallen / treugehorsamst vorgestellet. Rudolstadt / Gedruckt bey Caspar Freyschmidt / Anno 1665. 140 Seiten, mit singenden Zwischenspielen (S. 123–136), ohne Noten. Exemplare: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 22.28 Eth.; elektr. Volltext im Internet. [Handschriftlicher Besitzvermerk: F.A.H.Z.B. = Ferdinand Albrecht Herzog zu Braunschweig. Am Schluss ist das Titelblatt noch einmal abgedruckt mit dem Zusatz: dargebracht durch Sebastian Martin aus Erfurt.] Herzogliche Bibliothek Meiningen, heute verschollen. [In das Exemplar waren 1680 die Initialen des Herzogs Bernhard von Sachsen und die seines Wahlspruchs eingetragen: J.V.C.T. = In vulneribus Christi triumpho; B.H.Z.S. = Bernhard Herzog zu Sachsen.] Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Sig. 8 P DRAM III, 875. Herzogin Anna Amalia-Bibliothek Weimar, Sig. 09:33 und Sig. 14,3:29.

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Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Sig. 4° L.1204. Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt in Halle, Sig. AB139301 und Sig. Dd 4739 i. Universitätsbibliothek Potsdam, Sig. RSs 184,1/1. Universitätsbibliothek Marburg, Sig. XVI B 145. Staatsbibliothek Berlin, Sig. Yq 6681 R. Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. 4154 – B.Mus. Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. Germ.bis.44275. 4°. Als Vorlage dieser Verkleidungs- und Verwechslungskomödie nennt der Autor Caspar Stieler einen spanischen Roman von Friderich Pallavizin (gedruckt zu Venedig 1640) und dem Ritter Frantz Loredan zugeschrieben. Direkte Vorlage ist jedoch die Novelle des Ferrante Pallavicino „Il Principe Hermafrodito“, Venedig 1640.

Abb.42: a) Der Narr hält sich selbst den Spiegel vor.  b) Narr und König auf der Bühne Aus dem im Schwarzburgischen Hof zu Rudolstadt aufgeführten Mischspiel „Der vermeinte Prinz“ von Caspar Stieler. Druck von 1665. (Könnecke, Gustav: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationalliteratur, 1895, S. 198. Diese Abbildungen aus dem Titelkupfer sind als Blatt 1 des Bogens A vom „Vermeinten Prinzen“ gedruckt und gehören nicht, wie bei Könnecke angegeben, zu „Ernelinde“. Da die beiden Komödien im Jahr 1665 anscheinend in einem Band zusammengebunden erschienen sind, erhielten sie ein gemeinsames in Kupfer gestochenes Gesamttitelblatt.)

Auff.: Erstaufführung auf dem grossen Saale des Hochgräflichen Schlosses Heydeck zu Rudolstadt am 7. März 1665.



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1666 im Repertoire des Daniel Treu in Lüneburg, Nr. 7: Von dem verwirrten Hoff von Cicilien, mit wohl gesetzten reden aus dem holländischen übersetzet. 1679 am kurpfälzischen Hof in Heidelberg und Mannheim. Repertoire Velthens 1679, Nr. 49: Der Vermeinte Printz, und Nr. 77: Der Verwirrete Hoff von Sicilien. Lit.: Paludan J.: Ältere deutsche dramen in Kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.  S. 1891, S. 226–240. Höfer, Conrad: Die Rudolstädter Festspiele aus den Jahren 1665–67 und ihr Dichter. Eine literarhistorische Untersuchung (= Probefahrten. Erstlingsarbeiten aus dem Deutschen Seminar in Leipzig, hg. von Albert Köster, Bd 1). Leipzig 1904, S.  73–78 und S. 170–173).

Comoedia und Prob getrewer Liebe. In: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 211–309. (Zwischen der Haupthandlung komische Szenen mit Lotharios Diener Pickel­häring, dem Bauern Drewes und dessen Frau Lutze.) Inhaltliche Ähnlichkeit mit der Erzählung von Mauritius Brandt: Phönicia, eine Liebliche und Gedechtniswürdige History, was massen ein Arragonischer Graffe de Colisan sich ein Edle und Tugentreiche Sizilianische Jungfrawe Phönicia genandt, verliebete. Magdeburg 1624. Der Schluss des Wanderbühnendramas „Prob getrewer Liebe“ verweist auf eine Übernahme aus dem „Mucedorus“.249 Der inhaltliche Hintergrund könnte auch von Cervantes aus dem ersten Teil seines „Don Quijote“ (1605), Kap. 34–36, stammen. (Erste deutsche Übersetzung aus dem Jahr 1617.) Auch in der Comoedie „Unzeitiger Vorwitz“ verarbeitet. Auff.: 1670 und 1681 durch die Truppe des Daniel Treu. 1674 und 1679 gehörte „Die Liebesprobe“ zu Paulsens Repertoire. 1688 durch die Velthentruppe. (Siehe „Unzeitiger Vorwitz“ und „Spiegel weiblicher zucht vnd Ehr“)

249 Nach Werner Richter: Liebeskampf, S. 61–68. – „Mucedorus, the Kings son of Valentia, and Amadine the Kings daughter of Aragon“, Erstdruck 1598, jedoch schon früher aufgeführt (Handschrift in der Staatsbibliothek Berlin, Sig. 835). Deutsche Übersetzung durch Ludwig Tieck (Handschrift in der Staatsbibliothek Berlin, Sig. 834, Bl. 1r).

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Des glückes Probier-Stein / Oder Der im Krieg verirrte /  und in der Liebe verwirrte Liebes-Soldat. (Siehe „Der verirrte Liebes-Soldat“) Quando Sta Peggio Sta Meglio – Je schlimmer es Steht Je besser es Geht . Arlequins neü erlernete Kunst bey Hofe den Mantel nach dem Winde zu drehen. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13176) 4°, 51 fol. unpaginiert. Titelblatt: C[arl]. L[udwig]. Hoffmann Director Comicorum 1723. Vermerk am Ende des Textes S. 51 r: Weissenfels den 4 April 1722. Jacob Schühmach[er] Comicus. Abgedruckt in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, Berlin 1999, S. 1081– 1171. Der Stoff ist schon 1636 verarbeitet bei Pedro Calderon de la Barca: Peor está que estaba. Maßgebend für das deutsche Wanderbühnendrama ist aber die italienische Bearbeitung Calderons durch G. Boccabadati: Quando sta peggio sta meglio, ovvero, la Dama Innocente creduta colpevole, Commedia. Wien 1699. Auff.: 1721 in Kukus: Je schlimmer es steht, je besser es geht. Die bereuete Rache (Siehe „Amor der Tyrann oder Die bereuete Rache“) Tragoedia genannt Raache gegen Raache. Oder Der streitbare Römer Titus Andronicus. (siehe „Titus Andronicus“) Rache zu Gibeon Oder die sieben Brüder aus dem Hause Sauls. Trauerspiel von David Elias Heidenreich. Meist aus dem Holländischen Jost van Vondel. Görlitz / Leipzig 1662. (Univ.- und Landes- Bibl. Sachsen- Anhalt, Halle, Sig.AB 67 9/b, 13(4). Prosaübersetzung des holländischen Trauerspiels „De Gebroeders“ (1641) von Joost van der Vondel. Thematik aus dem biblischen Buch Josua (9. und 10. Kapitel) und dem zweiten Buch Samuel (Kap. 21). Gottsched verzeichnet in seinem „Nöthigen Vorrath“, S. 219, auch „Die sieben Brüder oder die Gibeoniter“ von Andreas Gryphius. Um 1665. Auff.: Februar 1652 in Breslau: Rache Gabaon (Schulaufführung im Elisabeth-Gymnasium).



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Ein Theaterzettel aus Frankfurt a.  M., „Die Rache zu Gibeon / Oder Die vom Hause Saul ans Creutz gehenckte sieben Printzen“, dokumentiert dort eine Aufführung im Ballhaus zum Krachbein am Montag, dem 17. November 1673.250 (Hoch-Teutsche Compagnie Comoedianten). 1679 auf Velthens Spielplan in Heidelberg und Mannheim, Nr. 78: Die Rache zu Gibeon, oder die Sieben erhenkten Söhne vom Hause Saul. [?] 1688 in Hamburg: Die Rache der Gibeoniter (Velthen-Truppe, urkundlich nicht belegt). Weimarer Verzeichnis Nr. 42: Die 7 Erhängten prinzen des königs sauls, under dem konig Davit. Bibl. Der Ehrliche Rebell (Siehe „Der Spannische Münch und Ehrliche Rebell“) Die Politische Reyterey (Siehe „Eginhart und Imma“) Tragicomoedia Der stumme Ritter oder Vntrew schlecht ihren eygen Herrn. (Stadtbibliothek Danzig, Sig. X, fol. 30, Bl. 87 a – 112 b) Dieselbe Handschrift und dasselbe Papier wie „Tiberius von Ferrara und Anabella von Mömpelgart“, aus dem Besitz Georg Schröders, wahrscheinlich aus dem Nachlass Paulsens. Eingeschoben ist das „Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein“. Abgedruckt in Bolte: Das Danziger Theater (= Theatergeschichtliche Forschungen, Bd 12), S. 232–267. Englische Vorlage: Lewis Machin (and Gervase Markham): The dumpe knight. An historical Comedie, acted sundrie times by the Children of his Majesties Revels. London 1608. (Neudruck 1633). Etwa zeitgleich entstand Gerbrand Adrianssen Brederoods [1585–1618] „Stommer Ridder“ [in Versen], gespielt von der Niederdeutschen Academie 1618, gedruckt in Amsterdam 1635. (Staatsbibl. Berlin, Sig. 50 Ma 20453) Spätere Bearbeitung: Lope de Vegas Lustspiel „El caballero mudo“ oder „El desden vengado“. 1662. Das Schauspiel hat den gleichen Inhalt wie „Der stumme Prinz Atis“, hat aber nichts mit dem „Merckwürdigen Schau-Spiel, genannt: Die Macht Des Himmlischen Verhängnüßes in Bestraffung der Laster, nach dem Sprichwort: Untreu schlägt seinen eigenen Herrn“ zu tun.)

250 Kurz / Rudin: Pickelhering, rechte Frauenzimmer, berühmte Autoren. Berlin 1988, S. 30, und Abbildung des Theaterzettels S. 48.

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Auff.: 1660 in Güstrow (im Spielansuchen des Kaspar Stiller als Nr.  6 erwähnt: Untrew schlecht ihren eygen Herrn). 1674 und 1679 im Repertoire Paulsens in Dresden: Der stumme Ritter, oder Vntrew schlecht ihren eygen Herrn. 1749 in Horn: Untreu trift ihren eigenen Herrn (Schulaufführung, gedrucktes Szenar in der Österr. Nationalbibl. Wien, Sig. 303072-C.Alt.Mag). (Siehe: „Der stumme Prinz Atis“ und „Der Wollüstige Crösus König in Lidien“) Der Gottlose Rodrigo / Und Die Keusche Königin Rosidea (Bayer. Staatsbibliothek München, Sig. Res. 4 P.o.germ. 230,43) Den Ratsherren der Reichsstadt Nördlingen auf öffentlicher Schau-Bühne aufgeführet von denen Anwesenden Hochteutschen Comödianten, Anno 1697. Nördlingen: Hilbrandt 1697. (Szenarium der Andreas Elenson-Truppe.) Mögliche Vorlagen: Lope de Vega: El postrer Godo de Espana; oder Cicognini: Le gelosie fortunate del principe Don Rodrigo, 1654 (ebenso Vorlage für „Die Glüeckselige Eyfersucht zwischen Rodrich und Delomira von Valenza“). In der Bayerischen Staatsbibliothek München ist auch ein gedrucktes Szenar aus Nördlingen aus dem Jahr 1697 erhalten: Der gottlose Rodrigo Und die Keusche Königin Rosidea. Anstatt einer Demüthigen Dank-Bezeugung vor bissherig erwiesene Gnade, auf offentlicher Schau-Bühne auf dem Schuchhauss aufgeführet und vorgestellet Von denen Anwesenden Hochteutschen Komödianten Donnerstags den 9. September Anni 1697. (Nach einem vorangestellten Gedicht wird der Inhalt aktweise angeführt).251 Theaterzettel des Johann Ferdinand Beck vom 31. Juli 1736: Eine galante sehens-würdige Action, genannt Der in Laster und Wollust ersoffene, zuletzt aber davor rechtmäßig bestrafte ruchlose, RODERICH. Oder: Die unschuldig verbannisirte, durch des Himmels Hand aber wunderbarlich erhaltene Königin, Mit Hans Wursten. 1. Einem lächerlichen und lustigen Spion. 2. Einem poßirlichen und wunderlichen Gefangen-Meister. 3. Einem zwischen Himmel und Erden arrestirten unschuldigen Verräther. 4. Einem zum Galgen condemnirten und würcklich aufgehenckten Delinquenten. 5. Und endlich einem in seinem Tode sich verproviantirenden Wald-Hüter.252

251 Der Inhalt ist wiedergegeben in Werner Richter: Liebeskampf, S. 201–202. 252 Schwietering, Julius: Johann Ferdinand Beck in Hamburg. In: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte, Bd 21, 1916, S. 165.



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Auff.: 1659 am Wiener Hof: Cicogninis „Rodrigo“ (von deutschen und welschen Scolari aufgeführt). 1668, 21. Sep., in Nürnberg. (Tagebuch-Eintragung des Sigmund von Birken, dass er die Comoedie von Rodrigo und Rosidra gesehen habe.253 1679 am kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs in Heidelberg und Mannheim: Der gottlose Rodrig (Velthen-Verzeichnis Nr. 44). 1681 und 20. Jänner 1685 am bairischen Hof zu Schleißheim bei München: Der gottlose Roderich. (Treu-Truppe). 1686 durch Velthen: Der schlimme Roderich. 1690 in Torgau am Hof des Kurfürsten von Sachsen, Johann Georg III.: Der gottlose Roderich (Velthen-Truppe). 1697 in Nördlingen: Der gottlose Rodrigo und die keusche Königin Rosidea (A. Elenson-Truppe). Weimarer Verzeichnis Nr. 150: Gottlose Rodrigo. 1718/19 in Riga: Gottlose Roderich (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). Romio und Julie. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13148) Es fehlt das Titelblatt. 4°, 53 Bl., unpaginiert. Einziger Text, der sich von den Eggenbergischen Hofkomödianten254 erhalten hat. Das Papier der Handschrift stammt aus der Krumauer Papiermühle; das Wasserzeichen stellt das etwas vereinfachte Stadtwappen von Böhmisch Krumau dar. Auch die im Text erwähnten Orte Kollschin, Budweis, Gopplitz, Freistadt, Linz verweisen auf die Eggenberger Truppe, die ab 1675 bis 1691 in Krumau angestellt war. Asper nimmt als Vermittler der Handschrift von Krumau nach Wien den bekannten Harlekin-Darsteller Joseph Ferdinand Müller an, der aus der Truppe Elenson-Haacke-Hoffmann ans Wiener Kärtnertortheater engagiert worden war und dort bis 1759 den Scapin spielte.

253 Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, Teil 1, 1971, S. 396. 254 Eggenbergische Hofkomödianten nannte sich die Nachfolgetruppe der ehemaligen Insprugger Comoedianten, der auch der Dichter der „LiebesVerzweiffelung“, Johann Martin, bis 1662 angehört hatte. Die Eggenbergische Truppe trat 1674 in den Dienst des Fürsten Johann Christian von Eggenberg, dessen Stammschloss sich in Böhmisch Krumau befand. Ihr Principal Pernecker entwarf die Bühneneinrichtung für das neue Theatergebäude von 1686, nachdem er 1675/76 auch schon die Bühne im „Hirschensaal“ des Schlosses eingerichtet hatte. 1691 wurde das Krumauer Theater stillgelegt. (Dusan, Ludvik: Die Eggenbergischen Hofkomödianten. In: Acta Neophilologica 3, Ljubljana 1970, S. 65–92.)

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Romeo und Julie. Trauerspiel. In: Neues Theater von Wien. Zur Fortsetzung der Schaubühne und neuen Sammlungen, welche auf der kaiserlich könig­ lichen privil. deutschen Schaubühne zu Wien aufgeführet worden, o.  O. 1769, Teil 32, Nr. 1. Vorlage: Noch vor Shakespeare wurde Bandellos Novelle von zwei Engländern bearbeitet: William Painter („Palace of Pleasure“, Novellen-Anthologie, 1566–1567); und Arthur Brooke („The Tragical History of Romeus and Juliet“, Epos, 1562). Erste Dramatisierung durch Shakespeare: Romeo and Juliet. Erstdruck 1597. (Teilweise hg. von Eduard Devrient in: Geschichte der deutschen Schauspielkunst, Bd 1, Leipzig 1848, S. 408–434. Vollständiger Abdruck in Cohn: Shakespeare in Germany, Wiesbaden 1967, Sp. 305–406.) Ursprungsthema: In Anlehnung an die französische Version (1559) der italienischen Novellensammlung von Matteo Bandello, Lucca 1554, erschien 1615 in Leipzig die Erzählsammlung von Joachim Caesar: „Glücks vnd Liebes-Kampff. Gantz klegliche Tragoedi / in fünff Liebes Historien eingetheilet“. Sie enthält die Geschichte von „Rohmeo und Julieta“. (= Bandello, seconda parte, Novella IX: „La sfortunata morte di dui infelicissimi amanti che l’uno di veleno e l’altro di dolore morirono, con varii accidenti – Giulietta e Romeo“).255 Die Geschichte von Romeo und Julia erzählt auch Harsdörffer in seinem „Großen Schauplatz jämmerlicher Mordgeschichte“, 1656, Teil 5, S. 387–393: Die verzweiffelte Liebe. Das Romeo und Julia-Thema ist fast identisch mit der Geschichte von ­Pyramus und Thisbe aus den Metamorphosen Ovids. (siehe „Peter Squenz“) Auff.: 20. Januar 1604: Eine deutsch spielende Wandertruppe bittet den Stadtrat von Nördlingen um die Erlaubnis, zehn Historien, darunter Nr. 7: vonn Romeo vnndt Julitha, aufführen zu dürfen. (Abgedruckt im Archiv für Litteratur­ geschichte, Bd XI, Leipzig 1882, S. 625–626).

255 Alberto Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 47–48 und S. 380  f.



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Abb. 43: Ältester gedruckter Theaterzettel: Ankündigung der Komödienaufführung „Die Liebes Süssigkeit verändert sich in Todes Bitterkeit“ im Fechthaus Nürnberg an einem Mittwoch, 21. April. [Nach dem Julianischen Kalender des damaligen Nürnberg, der gegenüber dem Gregorianischen um 10 Tage weniger zählt, muss es das Jahr 1652 sein.] (Truppe des Carl Andreas Paulsen?).257 (Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur, S. 171)

Dresden, am 2. Juni und 29. September 1626, ebenso in den Jahren 1646 (15. Oktober) und 1678. 1652, 21. April, in Nürnberg im Fechthaus: Die Liebes Süssigkeit verändert sich in Todes Bitterkeit. Erster gedruckter Theaterzettel. (Truppe des Carl Andreas Paulsen?) [?] 1660 in Güstrow (Prinzipal Caspar Stieler): Die blutige Hochzeit oder die 2 zwespaltige Heuser. 1680, 27. August, in Schloss Bevern (Truppe des Andreas Elenson): Romio vnd Juliette oder der Streit zwischen denn Montagesern vnd Cappalitaneren. Eine Bearbeitung von Wilhelm Gotter (Musik von Georg Benda) wurde am 2. Mai 1787 in Luzern aufgeführt (Voltolinische Wanderbühnentruppe). 1688 im Schlosstheater von Böhmisch-Krumau (Eggenbergische Hofkomödianten) Lit.: Trautmann, Karl: Die älteste Nachricht über eine Aufführung von Shakespeares Romeo und Julia in Deutschland. In: Archiv für Literaturgeschichte, Bd 11, Leipzig 1882, S. 625–626.

256 Paulsen hatte im März 1652 die Spielgenehmigung für Nürnberg bekommen, gemeinsam mit J. Faßhauer. Er spielte fast jährlich im Raum Nürnberg. – Joliphous spielte erst 1658 im April/ Mai das erste Mal in Nürnberg.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Wolff, Max J.: Die Tragoedia von Romio und Julietta. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Jg. 47, Weimar 1911, S. 92–105. Wolff, Max J.: Ein Beitrag zur Geschichte des Stoffes von Romeo und Julia. In: Zeitschrift für vergleichende Literaturgeschichte, Neue Folge, Bd XVII, Berlin 1909, S. 439–441. Schindler, Otto G.: Romeo und Julia auf Schloß Krumau, der Basilisco von Kolin und das Armenspital in Kukus. Über böhmische Theaterhandschriften in Wiener Bibliotheken und das Wasserzeichen in Wissenschaft und Praxis. In: Biblos, Jg 44, Heft 1, 1995, S. 81–103.

Rosetta. Leipzig 1653. Von dem Hamburger Pfarrer Heinrich Elmenhorst. Schäfferey in fünf Abhandlungen, die jeweils in Auskünfte unterteilt sind (mit Vorrede an den Leser, Inhaltsangabe und Beschluß und mit Personenverzeichnis) Auff.: Weimarer Verzeichnis Nr. 99: Schöne schäfferin rosseta. 1732 in Danzig und 18. September 1733 in Stockholm: (durch Martin Möller, den Prinzipal einer Compagnie hochdeutscher Comödianten, und Prinzipal J. C. Kreutzer. Titel auf dem Danziger Theaterzettel: Das affectirte Frauenzimmer oder Die Männerliebende Rosette. Mit Arlequin einem lächerlichem Pilgram. Titel auf dem Stockholmer Theaterzettel: L’Errore honesto o sia Rosetta jardiniera, diventata Contessa di Bavia o di Tortona. – Wahrscheinlich eine karikierende Nachahmung von Elmenhorsts achtzig Jahre zuvor erschienenen Schäferei „Rosetta“.) Lit.: Bolte, Johannes: Danziger Theater, 1895, S. 163–166, mit Abdruck des Danziger Theaterzettels aus dem Jahr 1732. Caemmerer, Christiane: Siegender Cupido oder Triumphierende Keuschheit, 1998, S. 87–89.

Das Leben und der triumphirliche Tod deß Israelitischen Richters Samsons. (Zentralstaatsarchiv Prag, Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv. 1193) Theaterzettel der Geißler-Truppe mit Gottfried Prehauser als Hanswurst und vermutlich Johann Leinhaas als lustigem Diener Riepel (Pantalon) für eine Aufführung am 1.  November 1719 im Manhartischen Hauß in der Zeltner-Gassen in Prag.257 Vorlage: Louis Riccobonis fünfaktige „Tragi-Comédi Italiene Samson“ 257 (Titelseite abgedruckt in Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1735, Wien 1999, S. 69, ebenso in Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: ­Daphnis, Jg 35, 2006, S. 261.)



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(Erstaufführung Paris 1717, veröffentlicht 1718).258 2.  Auflage im selben Jahr – ex libris Herzog Ludwig Rudolph – in der Herzog August Bibliothek, Sig. Lm 4421) Das Leben, die Liebe und Triumphirende Tod Simsons Des berühmten Helden und Richters in Israel Dessen Innhalt zu lesen in dem Buch der Richter. Querformat (21 mal 33 cm, mit abgeschnittenem Seitenrand). Ankündigungszettel für eine Aufführung in Breslau in der Wintersaison 1723/24 vor Fürstbischof Franz Ludwig durch die privilegierten Chur-Pfälzischen HofComoedianten unter Johann Heinrich Brunius. Mit Hans Wurst und Scapin. Abgedruckt im Antiquarischen Verzeichnis von Ernst Carlebach, Nr. 216: Theater und Musik. Heidelberg 1896, S. 23, Nr. 628. Theaterzettel der Kurbayrischen Komoedianten unter Johann Schulz. Auffürung am 9. September 1748 in Nürnberg: Die straffende Gerechtigkeit der ewigen Vorsichtigkeit. Oder: Die durch schädliche Weiber-Liebe gestürzte Männer-Stärke in Simson Richter in Israel. (Germanisches Museum Nürnberg, Sig. 2° L. 1313w Schulzesche Gesellschaft 1748, Nr. 20). 11. April 1678 in Leipzig: s.  o. Frühere Bearbeitungen des Themas: Ein Sing-Spiel nach Christian Weise, von Barthold Feind (Text) und Christoph Graupner (Musik): Der Fall Des grossen Richters in Israel, Simson, Oder: Die abgekühlte Liebes-Rache der Debora: Musicalisches Trauer-Spiel  /  Auff dem grossen Hamburgischen Schau-Platz vorgestellet . Im November des 1709ten Jahrs, Hamburg 1709, ist erhalten in der Staats- und Univ.Bibl. Hamburg, Sig. Ms 639/3:8 (129 in Sammelband) und Sig. Ms 640/3:4 (47 in Sammelband); und in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover (Sig. Op.2,21). Christian Weises Drama „Simson“ aus dem Jahr 1702 ist in zwei Handschriften in der Stadtbibliothek Zittau (Sig. Mscr.Bibl.Zittau. B, 48 und B, 50c) erhalten.

258 Aufführung im Nouveau theatre italien, ou Recueil général de toutes les pieces réprésentées par les comediens de S. A. R. Monseigneur le duc d’Orleans, regent du royaume. T. 1, Paris 1718, 2. Stück, italienisch-französische Parallelausgabe. (Scherl, Adolf: Berufs­thea­ ter in Prag 1680–1739.(= Österreichische Akademie der Wissenschaften. Kommission für Theatergeschichte. Theatergeschichte Österreichs. X, 5), Wien 1999, S. 68  ff. – Nach Rudin, Bärbel: Von ‚Alexanders Mord-Banquet‘ bis zur ‚Kindheit Mosis‘. In: Daphnis, Jg 35, 2006, S. 256–257; ebenso das Zitat und die Informationen zum nachfolgenden Theaterzettel.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Gottsched: Nöthiger Vorrath, S. 155 und 160: Simson, eine geistliche Tragedia, durch M. Wolfarth Spangenberg verteutscht. Straßburg 1604, 1606. (Neudruck in: Ausgaben Deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts). Paul Michaelis: Der Hebraeische Hercules Oder Simson / Des aufferstandenen Christi Fürbild, Ist in einem engen Schau-Platze zu Leipzig vorgestellet worden / Den 11. April im Jahr 1678. Leipzig 1678. Auff.: 1678, 11. April, in Leipzig (s.  o.). 1702, 23. Oktober, in Zittau: Simson. (Schulaufführung durch Christian Weise.) Weimarer Verzeichnis Nr. 39: Das leben und todt simsonis. Bibl. November 1709 in Hamburg. 1. November 1719 in Prag (s.  o.). Breslau 1723/24 (Chur-Pfälzische Hof Comoedianten unter J. H. Brunius). (s.  o.) 1748, 9. September, in Nürnberg: Die straffende Gerechtigkeit der ewigen Vorsichtigkeit. (Schulzesche Gesellschaft) s.  o. 11. April 1678 in Leipzig: s.  o. Des Scapins Betrügerey oder Les Fourberies de Scapin. Von Molière. Hannover d. 15. Mart. 1701. Johann Anthon Bonn. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1663) 32 Bl. 4°, Einband: gelbes Papier. „Deß Scapins Betrügereyen“, ohne Ort- und Jahresangabe, in der Österr. Nationalbibliothek, Theaterbibliothek Schikaneder, tit. fict. 285, Sig. 845000A.285 The. Neudruck 1694 und 1695: Des Scapins listige Betrügereyen.259 Vorlage: Molières 1671 in Paris erschienene Komödie in drei Akten: Les fourberies de Scapin. 1680 in niederländischer Bearbeitung von A. Peys: Scapyn. 1697 erschien in Lipsia die italienische Bearbeitung von Nic. di Castelli „Le furberie di Scappino“. Auff.: 1674/1679 in Dresden in Carl Andreas Paulsens Repertoire, Nr. 54: Scabins Betrügereien. 259 Weitere Neudrucke siehe Keck, Thomas A.: Molière auf Deutsch, S. 23.



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1679 in Heidelberg und Mannheim in Velthens Repertoire, Nr. 64: Les fourberies de Scapin. (Aufführung am Samstag, 15. November 1679). 5. Februar 1733 in Stockholm (hochdeutsche Komödianten): Scapins Bedrügery als Nachspiel (Theaterzettel in Stockholm). Weimarer Verzeichnis Nr. 157: Listig scapin. Je schlimmer es Steht / Je besser es Geht (Siehe „Quando Sta Peggio Sta Meglio“) Comoedia genannt Der Schwechst ligt unden. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 401–453) Ohne Akt- und Szeneneinteilung. Am Beginn Stumme Action und Prologus. Übersetzung von John Websters „The weakest goeth to the Wall“, 1600, 1618. [Konnte sich auf der Bühne nicht durchsetzen.] Der majestätische Sclav Komödie, vermutlich vor 1687. (Siehe „Die wieder Erkante Freundschaft“) Sejanus oder / Eine Beschreibung des großen Favoriten Sejani unter des Keysers Tiberij Regierung, Hoheyt, verübter gewaltthaten und elendigen fall / auß dem Englischen Benjamin Jonsons. (Universitätsbibl. Kassel, 2° Ms. theatr. 2) 66 Bl., weißes Schweinsleder mit goldener Rückenprägung. Reinschrift der älteren Kasseler Handschrift des „Sejanus“, ohne deren Korrekturen zu beachten, in der Universitätsbibliothek Kassel, Sig. 2°Ms. theatr. 3. Sejanus (Universitätsbibl. Kassel, 2° Ms theatr. 3) 69 Blatt mit Buntpapiereinband, englisches Widmungsschreiben von J. M. Girish an den Kurfürsten von der Pfalz. Mit vielen Bleistift-Korrekturen, wahrscheinlich von Kurfürst Karl Ludwigs Hand. Übersetzung der englischen Tragödie „Seianus his Fall“ von Benjamin Jonson (1573–1637), 1603 im Globetheater in London aufgeführt, 1605 gedruckt. Am Hof des pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig ins Deutsche übersetzt von dem Engländer John Michel Girish. Prosa, teils Alexandrinerverse; Chorus am Ende von Akt 2, 3 und 4. Die beiden erhaltenen Handschriften des „Sejanus“ kamen 1686 mit der Pfälzer Erbschaft an die Landesbibliothek Kassel.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Eine niederländische Bearbeitung aus dem Jahr 1667 stammt von Jan Lemmers: Aelius Sejanus. Gottsched verzeichnet in seiner „Nachlese“ (S. 256) unter dem Jahr 1671 die Gesungene Vorstellung an dem Geburtstage der Kaiserlichen Majestät Leopoldi des I.: „Die Glückseligkeit des Elio Sejano“; und in seinem „Nöthigen Vorrath“, S. 241, zwei Opern: „Der steigende Sejanus“ und „Der fallende Sejanus“, beide Hamburg 1678. Der glückseelig-steigende Sejanus. In einem Sing-Spiel vorgestellet. Hamburg 1678. (32 Bl. Inhalt, Personen, Prolog, 3 Handlungen. Musik von Nikolaus Adam Strungk, Text: Christian Richter. Nach „La Prosperità di Elio Sejano“ von Niccolò Minato. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. Sammelbd 10 (8).260 Der Vnglücklig-fallende Sejanus. vorgestellet Jn einem Sing Spiel. Text: Christian Richter, Musik von Johann Theile.261 (Hamburg 1678). 31 Bl., Personen, Inhaltsangabe, 5 Handlungen. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. Sammelbd. 10 (6). Es ist dies die Übersetzung von Nicolo Minatos Libretto „La Caduta di Elio Sejano, drama per musica“, gedruckt und aufgeführt in Venedig am 3. Feb.1667, mit der Musik von Antonio Sartorio.262 Auff: Zwischen 1663 und 1671 am Hof des pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig (aufgeführt von Pagen und Studenten). 3. Feb. 1667 in Venedig (Nicolo Minatos Oper, s.  o.) 1678 in Hamburg: Der Vnglücklig-fallende Sejanus (s.  o.) 1678 in Hamburg: Der glückseelig-steigende Sejanus (s.  o.) Lit.: Bolte, Johannes: Ben Jonsons Seianus am Heidelberger Hof. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Erg.Bd 24, 1889, S. 72–88.

260 Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek, Libretti, S. 168, Nr. 823. 261 Eberhard Thiel: Kataloge der Herzog August Bibliothek, Libretti, S. 338, Nr. 1648, nennt als Komponisten Nikolaus Adam Strungk. 262 Hausmann: Bibliographie der deutschen Übersetzungen aus dem Italienische, 1992, Bd I/2, S. 0708.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Comoedia Printz Selimor und Aribene. Bergen d. 18. Janywary Anno 1733. Mad: Madam: Elisabeth Spilenberg. Johan GDI. (Forschungsbibl. Gotha, Sig. Ch. B. 1531) (Siehe „Der verirte Liebes-Soldat oder Des Glücks Probier-stein“) Comoedia Sganarelle, Oder Der Hanrey in der Einbildung (Siehe: „Der Hanrey in der Einbildung) Comoedia Von der schönen Sidea, wie es jhr biß zu jrer Verheüratung ergangen. Mit 16 Personen, Vnd hat 5. Actus. (um 1595), von Jacob Ayrer. Ludwig Tieck263 weist darauf hin, dass Ayrer wahrscheinlich dieselbe heute verschollene Vorlage benutzt habe, die auch für Shakespeares „Tempest“-Drama angenommen wird. Abgedruckt in: Jacob Ayrer: Opus Theatricum, Nürnberg 1618, S. 433–442. Neudruck in: Ayrer, Jacob der Ältere: Dramen, hg. von Adalbert von Keller (= Bibliothek des Litterarischen Vereins Stuttgart, Bd 79). Stuttgart 1865, S. 2177–2224; ebenso in Cohn: Shakespeare in Germany, Wiesbaden 1865/1967, Sp. 1–76.; in Tieck: Deutsches Theater, Bd 2, Wien 1822, S. 125–178; und in Tittmann: Schauspiele des 16.  Jahrhunderts, Bd II, Leipzig 1868, S. 157  ff. Eine Kurtzweilige lustige Comoedia von Sidonia vnd Theagene. Prosa-Umarbeitung der gereimten Komödie „Amantes Amentes“ von Gabriel Rollenhagen (3. Ausgabe 1604), mit veränderten Personennamen. In: Englische Comedien vnd Tragedien, 1620. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970,S. 269–344. Auff.: 3. August 1680 im Schloss zu Bevern (Darsteller waren männliche Angestellte des Hofes, die auch die Frauenrollen spielten.) Prinz Sigislaus aus Böhmen (Siehe „Der Eyserne Tisch“) Der königliche Printz aus Pohlen, Sigismundus. (Siehe: „Der königliche Printz aus Pohlen“)

263 Tieck, Ludwig: Deutsches Theater, Bd 1, Berlin 1817, S. XXII.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Aminta und Silvia (Siehe „Aminta“) Der Hebraeische Hercules Oder Simson. (Siehe „Das Leben und der triumphirliche Tod deß Israelitischen Richters Samsons“) SingeComoedien (mit Musiknoten) In: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 402–449. Comoedia Von dem verlohrnen Sohn in welchem die Verzweiffelung vnd Hoffnung gar artig introdicirt werden. Abgedruckt in: Englische Comedien und Tragedien, 1620; ebenso in: Schau-Bühne, Bd 3, Frankfurt 1670. Neudruck durch Tittmann: Die Schauspiele der englischen Komödianten in Deutschland, Leipzig 1880, S. 45–74; ebenso in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 79–127. Dieser alte Bibelstoff wurde schon sehr früh literarisch verarbeitet, z.  B. 1507 (1537) als „Asotus“ von dem Niederländer Georg Macropedius; ebenso von Burkardt Waldis: „De Parabell vam vorlorn Szohn“, Halle 1527. Der lateinische „Acolastus“ des Niederländers Gulielmus Gnaphaeus (Willem de Volder) erschien 1529. Weitere Bearbeitungen von Georg Binder (Zürich 1535), Hans Ackermann (1536) und Hans Salat (1537), Jörg Wickram (Colmar 1540) und Wolfgang Schmeltzl: Comedia des verlorenen Sons wie sie zu Wienn in Österreich vor Röm. Khü. May. gehalten worden durch Wolfgangum Schmeltzl. Gedruckt zu Wienn in Osterreich durch Hans Singriener 1545 (1030 Verse); ebenso die beiden Asotus-Comoedien der Schulrektoren Nikolaus Risleben (Magdeburg 1586) und Johann Nendorf (Goslar 1608), und das Prodigusdrama „Freimut, Das ist Vom Verlornen Sohn“ des Pastors Ludovicus Hollonius (Stettin 1603). Eine Neubearbeitung des Stoffes Vom ungerathenen und Verlornen Sohn durch Nicolaus Locke erschien 1619 in Lüneburg. Gottsched verzeichnet in seinem „Nötigen Vorrath“ für das 17. Jahrhundert vier Ausgaben: „Dominicus, oder Comoedia vom verlornen Sohn“ von Johannis Schraderi, Pfarherrn zu Renckersleben. Magdeburg 1605.  – Martini Boehmii Comödie „Acolastus. Eine Lustige Comoedia vom verlornen Sohne“, Wittemberg 1608 und 1618; und ein Fastnachtspiel „Vom verlohrnen Sohn“ mit 4 Personen aus dem Jahr 1628.



Verzeichnis der erhaltenen Wanderbühnentexte aus dem 17. Jahrhundert

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Das Thema findet sich auch oft auf der Schulbühne der Jesuiten, so etwa in Breslau 1678 und im Mai 1745.264 1709 erscheint in Wien „Der verlohrne Sohn“ als Oratorium von Camillo de Rossi (Nat.Bibl. Wien, Sig. 406745-B.M.Adl). Aufführungen: 1593 im Februar ersucht Andreas Hainrich von Coßtnitz in Nördlingen um die Erlaubnis an, beede gaistliche spil oder comedj, nemblich vonn dem verlohrnen sohn vnd enthauptung Johannjs, aufführen zu dürfen. (Weitere Aufführungen im 16.  Jahrhundert siehe Spengler: Der verlorene Sohn, S. 171–174.) 1603 bittet der Hamburger Marionettenspieler Friedrich Hune vergeblich um die Erlaubnis, in Danzig fünf geistliche Komödien spielen zu dürfen, darunter die Komödie „Vom Verlornen Sohn“. 20. Januar 1604: In einer vnderthenigen Supplication an den Stadtrat von Nördlingen bittet eine deutsch spielende Wandertruppe (Theersche Truppe unter dem Prinzipal Eichelin) um die Erlaubnis, zehn Historien, darunter jene „vonn dem verlohrnen Sohn“ aufführen zu dürfen. (Abgedruckt im Archiv für Litteraturgeschichte, Bd XI, Leipzig 1882, S. 625–626). 1606 in Nördlingen: Die geistliche vnd trostreiche comedy von dem verlornen sonn. (Vergebliches Spielansuchen des Peter Geyer). 12. Februar 1607: Vergebliches Ansuchen von Studenten, die „Comoediam von verlohrnen sohn“ in Danzig spielen zu dürfen. 1607 in Passau und 1608 in Graz: Comedi von dem verlohrenen Sohn (englische Komödianten unter John Green). 19. Oktober 1626 in Dresden (Robert Reynolds). 1642 in Saalfeld: Schüleraufführung der „Comoedia germanica de filio prodigo“ mit dem Zwischenspiel „Hans cum lapide miro“ [aus dem Repertoire der englischen Komödianten]. 11. September 1646 in Dresden: ist eine Comödie mit Personen, vom verlorenen Sohn, agiret worden, wo vor jedem actu der inhalt mit stummen Personen repräsentiret und zum Schluß eine Maskerade von 4 Personen getanzt worden. (Schilling-Truppe, eine der ältesten deutschen Wanderbühnentruppen). 1648 in Lüneburg durch englische Komödianten. 1651 in Prag (Chursächsische privilegierte Hofkomödianten unter Johann Schilling).

264 Nach R. J. Alexander: Zum Jesuitentheater in Schlesien: eine Übersicht. In: Funde und Befunde zur schlesischen Theatergeschichte, zusammengestellt von Bärbel Rudin, Bd 1: Theaterarbeit im gesellschaftlichen Wandel dreier Jahrhunderte. Dortmund 1983, S. 58 und 61.

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1658 in Frankfurt (Truppe Hans Ernst Hoffmann, der auch Johann Martin angehörte) und in Heidelberg. 1660: Das Lüneburger Repertoireverzeichnis des Christian Bockhäuser erwähnt eine Aktion Vom verlorenen Sohn, Welche mit englischer praesentation und lieblicher Musik agiret worden, worin sich auch Pickelhering ziemlich lustig erzeiget“. [Möglicherweise beziehen sich die Beisätze auf das gesamte Repertoire Bockhäusers]. 2. Juli 1676 in Dresden. 1692 in Berlin in Anwesenheit des Hofes [zusätzliche Szene, in der sich die lustige Person mit zwei Teufeln balgt. Der Hof soll während der Aufführung den Saal verlassen haben.] Auch im Weimarer Verzeichnis Nr. 43 und Nr. 100. 1718/19 in Riga (Repertoire der Victoria Clara Bönicke. 25. Mai 1764 in Hannover: Der verlohrne Sohn (Spiele-Verzeichnis der Ackermann-Truppe mit Angabe der Besetzung).265 1776 in Ulm: Der verlorene Sohn. (Theaterzettel im Stadtarchiv Ulm, Fasz. 1670–1780, Nr. 156). Mit großen wolausgezierten Marionetten und mit Hanswurst wurde das Spiel „Der verlorene Sohn“ noch 1784, am 22. April, in Basel aufgeführt (Wanderbühnentruppe Christoph Riesam, acht Personen). Ca. 1790 bis 1820 auch im Repertoire des berühmten Mechanikus Georg Geißelbrecht (1762 – ca. 1826; Schattenspiel und Marionettentheater). Lit.: Holstein, H.: Das Drama vom verlorenen Sohn. Ein Beitrag zur Geschichte des Dramas. Halle a.  d. S. 1880. Spengler, Franz: Der verlorene Sohn im Drama des XVI. Jahrhunderts. Zur Geschichte des Dramas. Innsbruck 1888. Rößler, Alice (Hg.): Wolfgang Schmeltzl – Komödie des verlorenen Sohnes (= Neudrucke deutscher Literaturwerke des 16. und 17. Jahrhunderts, Nr. 323. Halle a.  d. Saale 1955.

Eine schöne lustige triumphirende Comoedia von eines Königes Sohne auß Engellandt vndt des Königes Tochter auß Schottlandt. Vorlage: ein heute verschollenes englisches Drama aus der Zeit Shakespeares (nach Creizenach: Verloren gegangene englische Dramen, S. 49). Abgedruckt in: Englische Comedien und Tragedien, 1620. Neudruck durch Tittmann: Die Schauspiele der englischen Komödianten in Deutschland, Leipzig 1880, S. 197–234. 265 Staatsbibliothek Berlin, Sig. Ms germ. fol. 771, Bl. 118r.



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ebenso in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 211–268. Das Wanderbühnenstück „Zuletz bekompt der Narr doch das beste“ aus Paulsens Repertoire (1669, 1674/79 in Dresden) verarbeitet das gleiche Thema. Auff.: 1607 in Kassel: Von den zwei kriegführenden brittanischen Königen, von denen der eine des andern Sohn, der andere aber des ersteren Tochter gefangen nimmt. (In einem Brief vom 1. März 1607 an Landgraf Moritz von Hessen erwähnt dessen Verfasser Johann Eckel die Comoedia vom König auß England vnd schottland, wie die beide gegen einander krieg führten, da der eine des Andren Sohn, der Andre des Andern tochter gefangen hatte.) Frühjahr 1625 [?] in Hamburg. (Johann Rist berichtet in seiner „AllerEdelsten Belustigung Kunst- und Tugendliebender Gemühter“, Aprilens-Unterredung, Hamburg 1666, von einer Aufführung ‚Von einem Könige / der seinen Sohn / den Printzen mit des Königs von Schottland Tochter wolte verheirathen‘. Er habe diese Komödie in seiner Jugend von Engländern aufgeführt gesehen.266) 27. Juni und 22. Oktober 1626 in Dresden (englische Komödianten, Dresdener Verzeichnis von 1626). 8. und 9. März 1628 in Bautzen (Schüler-Aufführung vom Könige von England und Schottland und dem Pickelhering). [?] 1631 in Dresden: Von Serale [Serule ist der Name des englischen Prinzen]. 1660 in Güstrow: Der streit zwischen Engellandt vndt Schottland. 1660 in Lüneburg: Wie England und Schottland ein Königreich worden sey. 1668 in Danzig: Von dem Könige von England und dem von Schottland, dessen Sohn sich in Narrenkleider verkleidet und der Prinzessin abwartet. Der verirte Soldat oder des glücks Probier Stain. (Siehe „Der verirrte Liebes-Soldat“) Das von Soliman dem Türckischen Kayßer Zerstöhrte durch die Christl. Waffen erobertte Jerusalem (Siehe „Gottfriedt von Boullion Herzog von Lothringen“) Der bethörte, doch wieder bekehrte Soliman (Siehe „Der Trew- und Tugend-Sieg“)

266 Johann Rist: Sämtliche Werke, hg. von Eberhard Mannack, Bd 5, Berlin 1974, S. 314.

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Leben der Römischen Märtyrin Sophia und ihren drei Töchtern Spes, Fides und Charitas (Siehe „Die lebendige Märtyrin“) Comoedia genandt Spiegell Wahrer Freundschafft. Anno 1670. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. D 94), 43 Bl. Getreue Übersetzung von Cicogninis populärstem Bühnenwerk, der 1658 und Venedig 1661 gedruckten Tragikomödie „Il Don gastone di Moncada“, (in weiteren Auflagen mit dem Nebentitel „L’Amico Traditor fedele), aber gekürzt. Das Manuskript ist abwechselnd von drei Händen geschrieben. [Im Sommer 1670 waren die Baden-Badischen Komödianten unter der Witwe Maria Ursula Hoffmannin mit Loangkuppy von Augsburg an den Durlacher Hof engagiert worden, um zu den Festlichkeiten anlässlich der Vermählung des Markgrafen Friedrich VI. beizutragen.267] Handschriftliche Initialen:      G. S.      S. S. G. S. M. S. G. S. S. E. S. S.      S. S.     G. S. H. Ein weiteres Manuskript unter dem Titel „Die Ehrliche Verrätherei oder Don Gaston“ (Nat. Bibl. Wien, Sig. 79 Cc. 194) ist ebenfalls eine Bearbeitung von Cicogninis „Il Don Gastone di Moncada“, Venedig 1658. Nachspiel: Comoedia von 5 Actus tituliret Wunderliche Verwirrung, entstanden von zween gleichen Persohnen vnd deren Dieneren [= Shakespeares „Comedy of errors“] Auff.: 1659, 13. Februar, in Wien: L’Amico Traditor fedele. (Brief Kaiser Leopolds an seinen Bruder, Erzherzog Ferdinand Karl in Innsbruck, in dem er begeistert von der Aufführung des „Il Don Gastone di Mencada“ erzählt.) 1660, 20. April, in Augsburg. Spielansuchen des Prinzipals Johann Janicke: „Von dem Unschuldig verbandten Herzog Don Gaston de Mancada“.

267 Die Hoffmannsche Truppe hatte alte Beziehungen zum Rastatter Hof: 1654 hatte Markgraf Ferdinand Maximilian von Baden-Baden, gemeinsam mit dem pfälzischen Kurfürsten Karl Ludwig, während des Regensburger Reichstags die Patenschaft für den Sohn des Prinzipals Hoffmann übernommen. Er erhielt deren Vornamen „Karl Ferdinand“.



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1661 in Rothenburg: Von dem König auß Arragonia, so deß Herzog Gaston Kind erwürgen laßen.268 (wahrscheinlich durch die Truppe des Johann Janicke). 1666 in Lüneburg in der Demonstratio actuorum des Michael Daniel Treu, Nr. 1): Von Don Gaston von Mongado, eine spannisse begebenheit, wirt sonst genandt der streit zwißen Ehr vnd Liebe. 1667 in Heidelberg am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz: Don Gaston oder Spiegel wahrer Freundschaft (Truppe des Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz). 1667, 27. Juni, im Nürnberger Fechthaus (Gastspiel Paulsen-Truppe): Die Comödie von der Treu-Keuschen Violanta, Herz[ogs] v. Moncada, Don Gastons Gem[ahlin] dem getreuen Anshelmo de Bucquij und H[errn] Petern in Arragonien, gesehen.269 1669, 22. September, in Rothenburg: Spiegel wahrer freundschafft (von denen Commoetianten der Inßbruggischen Compagnie unter Wohlgehaben und Peter Schwartz). 1670 am Durlacher Hof. November 1679 am Kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs in Heidelberg: Freytag vor Jhrer Churprinzlichen Durchlaucht und der gantzen Hoffstadt die Comoedie genand Don Gaston de Moncada auf Begehren von Worth zu Worth lauth der Comoedie im Originaal. (Velthens diesbezügliches Spielansuchen Nr. 28: Don Gaston von Moncada oder Ehr und tugend spiegel, deß gantzen weiblichen Geschlechts.). Auch im Velthen-Spieleverzeichnis von 1679, Nr. 86: Die ehrliche Verrätherey. Ebenso 1680, Freitag, 12.  Oktober, in Bevern: Die ehrliche Verrätherei oder Don Gaston. (Velthen-Truppe. Das im Schreibkalender 1680 durch Herzog Ferdinand Albrecht überlieferte Personenverzeichnis stimmt mit jenem von Cicognini überein.)270 1683 in Ansbach: Die Ehrliche verrätherey (Spielansuchen der Eggenbergischen Komödianten an den Markgrafen Johann Friedrich vom 25. Juni 1683). 1683, 5. Dezember, in Schleißheim bei München: Der Streit zwischen Ehr und Liebe. (zwischen 1681 und 1685 auf der Repertoireliste des Michael Daniel Treu in Schleißheim.) [um 1710] Weimarer Verzeichnis, Nr. 19: „Der gedreue, falsche und simulirende Freund sampt der standmütigen liebe“. Weimarer Verzeichnis Nr. 60: Ehrliche veräther, der bereuente recher, oder bluttige malzeit; ebenso Nr. 160: Aloisia von iren man erstochen. 1718/19 in Riga: Ehrliche Verräther (Repertoire der Victoria Clara Bönicke). 268 Notiz in „Kurtze Chronica das ist Historien, Geschicht, vnd Verläuft, die sich in vnd mit der Statt Rotenburg an der Tauber zugetragen. Seit 1628 geführtes Kompendium, in dritter Instanz von dem örtlichen Schulmeister Sebastian Dehner. (Badisches Generallandesarchiv Karlsruhe, Abt. 65, Handschriften Nr. 420, fol. 1005) 269 Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearb. von Joachim Kröll, Teil 1, Würzburg 1971, S. 300. 270 Abgedruckt in Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg Theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, 1904, S. 146–147.

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1729, 24. Oktober, in Prag (Defraine-Truppe): Parere e non essere / Scheinen und nicht seyn Oder: Der ehrliche Verräther Oder aber: Die nützliche Undanckbarkeit / Und Hans-Wurst Der schelmisch-treuhertzige, aber sehr angefochtene Diener eines auffrichtigen Betrügers.271 Als Nachkomödie mit Tanz: „George Dandin, Genannt: Der gequälte Ehman oder arme Börge“. Erste Hälfte 18. Jahrhundert am Zarenhof zu Moskau / Petersburg, in russischer Sprache. Spiegel Weiblicher zucht vnd Ehr. Comedia von der schönen Phoenicia vnd Graf Tymbri von Golison auß Arragonien, wie es jhnen in jhrer Ehrlichen Lieb gangen, biß sie Ehelich zusammen kommen. Mit 17 Personen, vnd hat 6. Actus. Von Jacob Ayrer, um 1595.272 Abgedruckt in Jacob Ayrer: Opus Theatricum, Nürnberg 1618, Nr.  26, S. 408–433. Neudruck in Ayrer: Dramen, hg. von Adelbert von Keller (= Bibliothek des Literarischen Vereins Stuttgart, Bd 78), Stuttgart 1865, S. 2051–2132; in Cohn: Shakespeare in Germany, Wiesbaden 1865 / 1967, Sp. 77–112; und in Tieck: Deutsches Theater, Bd 1, Berlin 1817, S. 252–322; ebenso Tieck: Deutsches Theater, Bd 2, Wien 1822, S. 35–124. Vorlage: Shakespeare: „Much Ado about Nothing“. Zwischen 1594 und 1624 entstanden sieben weitere Bearbeitungen dieses Shakespeare-Stoffes. Der Stoff stammt ursprünglich aus dem ersten Teil der Novellensammlung des Matteo Bandello, Novella XXII, Lucca 1554, S. 264–292: „Narra il signor Scipione Attellano come il signor Timbreo di Cardona essendo col re Piero di Ragona in Messina s’innamora di Fenicia Lionata“. Deren französische Übersetzung: Histoires tragiques extraites de l’italien de Bandel, mises en langue Francoise par Francois de Belleforest Commingeois. Tome III. Paris 1568, Histoire XVIII: Amours de Timbrée de Cardone et de Fenicie Leonati, wird zur Vorlage für die deutsche Prosabearbeitung durch Mauritius Brandt: Phoenicia. Eine liebliche vnd Gedechtnißwirdige History, was maßen ein Arragonischer Graffe 271 Theaterzettel im Zentralstaatsarchiv Prag, Genealogische Sammlung Wunschwitz, sub: Sporck, Theaterzettel 1713–1735, Inv.Nr. 1193. Abgedruckt in Scherl, Adolf: Berufstheater in Prag 1680–1739, S. 102. 272 In Abraham Hossmanns „Vera, verae vitae coniugalis, constantia d. i. Bestendigkeit ungeferbter Liebe in Ehesachen“ aus dem Jahr 1613 (Staatsbibliothek Berlin, Sig. Da 7370) wird der Druck einer „Comedia von der schönen holdseligen Phoenicia, welche von einem, der sie nicht Ehelich bekommen können, an ihren Jungfräwlichen Ehren verletzet worden, doch endlich ihre Unschuld wunderlich an Tag kommen“ erwähnt, von dem jedoch kein Exemplar bekannt ist. (Siehe dazu Werner Richter: Liebeskampf, S. 71–72, Anm. 1)



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de Colisan sich in eine Edle vnd Tugentreiche Sicilianische Jungfraw Phoenicia genandt, verliebte. Vnd was denselben in Heyrath vnd Freysachen wiederfahren, welches billig ein Spiegel Weiblicher Ehr vnd Zucht mag genennet werden. Allen Züchtigen vnd Ehrliebenden Frawen vnd Jungfrewlein zum Newen Jahre beschriben durch Mauritium Brandt. Magdeburg o.  J. (Erstausgabe: Danzig 1594). Spätere Übersetzung der französischen Vorlage durch Wolfgang Seidel, Hof 1624 und Coburg 1627.273 (Siehe „Prob getrewer Liebe“ und „Unzeitiger Vorwitz“) Herr Peter Squentz (Siehe „Peter Squentz“) Statua, Oder: Die in ein Marmor-steinernes Bild verliebte Princeßin ADAMIRA. (Siehe „Adamira“) Das Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein. (Stadtbibliothek Danzig, Cod. X, fol. 30, Bl. 90 a –110 b) Von diesem Pickelhering-Spiel der englischen Komödianten existieren sechs Bearbeitungen, vier deutsche und zwei niederländische. Es ist als Zwischenspiel eingeschaltet in Ayrers Komödie „Vom König in Cypern, wie er die Königin in Franckreich bekriegen wolt vnd zu der Ehe bekam“; ebenso in der Danziger Komödie vom „Stummen Ritter“ und im „Tugend- und Liebesstreit“, Bevern 1677. Abgedruckt in: Englische Comedien und Tragedien. Erste Schauspielsammlung von 1620; und in: Schau-Bühne, Frankfurt 1670, Bd 2: Lustiges Pickelhäringspiel, darinn er mit einem Stein gar artige Possen macht. Neudruck in „Ludwig Achim von Arnim’s Schaubühne“, Bd 1, Berlin 1813, S. 232–241: Der wunderthätige Stein. Ein Hanswurstspiel. Nach dem Altdeutschen. Ebenso abgedruckt in Bolte: Danziger Theater, S.  267–279; in Tittmann: Die Schauspiele der englischen Komödianten in Deutschland, Leipzig 1880, S. 235–248; und in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 557–580. Vorlagen sind zwei verbreitete Volksschwänke (ausführlich bei Bolte: Danziger Theater, S. 226–228). Auff.: 1641 Saalfeld (Zwischenspiel in einer Schulkomödie vom verlorenen Sohn). 273 Nach Matteo Bandello: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, S. 49–50.

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1671 Torgau (Zwischenspiel zur „Geduldigen Chrysilla“). 1673, 1674 und 1679 in Dresden durch die Paulsen-Truppe („Visibilis und invisibilis“). 1680 (11. Oktober) in Bevern durch die Velthen-Truppe („Die Unsichtbarkeit“ als Nachspiel zur „Genoveva“). 1684 (Februar) in Dresden durch die Velthen-Truppe („Visibilis et invisibilis“). Der Streit zwischen Ehr und Liebe (Siehe „Cid“ oder „Spiegel wahrer Freundschaft“) Carl Stuart (Siehe „Carolus Stuardus“) Von der Susanna (Siehe „Tragoedia Hibeldeha“) Bajazeth und Tamerlan. In einem Singspiel vorgestellet. [Hamburg] 1690. Text: Christian Heinrich Postel, Musik: Johann Philipp Förtsch. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 4224-B.Mus, und Sig. 625409-B.The) Historischer Stoff um Timur Lenk, den Großkhan der Mongolen (1336–1405). Direkte Vorlage: Wahrscheinlich das holländische Tyrannendrama von Joannes Serwouter: Den grooten Tamerlan, das erstemal gedruckt 1657 (nach einer spanischen Vorlage). Frühere Bearbeitungen des Themas: Marlowes „Tamburlaine the Great“, 1586274; und die französische Tragödie von Magnon „Le Grand Tamerlan où la mort de Bèjazet“, 1647. 1689 erschien in Venedig „Il gran Tamerlano. Drama per Musica. Da Rappresentars nel famosissimo Teatro Grimano di SS.Gio:e Paolo l’Anno 1689 di Giulio Cesare Corradi.“ Widmung an Ferdinando Gran Principe di Toscana. Die Musik schrieb MarcAntonio Ziani (ab 1700 bis zu seinem Tod 1715 Kapellmeister am Wiener Hof). Georg Friedrich Händels Oper „Tamerlan“ (Erstaufführung in London 1724) wird heute noch aufgeführt. Das Libretto schrieb Nicola Francesco Haym, in Anlehnung an die Tragedia Tamerlano von Agostino Piovene (1710 in Venedig aufgeführt und gedruckt). 274 Creizenach (Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. XXXIII) sagt, daß Marlowe aus inhaltlichen Gründen nicht als Vorlage angesehen werden kann. (ebenso Richter: Liebeskampf, S. 229, Fußnote 1).



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Tamerlan Oder Der Weibliche Arlequin. Theaterzettel der Haacke-Truppe, der die Aufführung im Gräflich Sporckschen Komödienhaus am 18. Juli 1713 ankündigt. (Truppe: Beyde zusammen getretene Banden Hoch-teu[t]scher Comödianten). (Sammlung des Nationalmuseums Prag, Theaterabteilung, Sig. P-VI-A-265, Inv.Nr. C 11652). Theaterzettel der Kurbayrischen Komödianten unter Johann Schulz vom 5. September 1748 und 1752 (ohne Tagesangabe): Der mit zwey und funffzig Cronen prangende Tartar Chan Tamerlan. Oder Der in seiner Gefangenschafft kläglich untergehende Baiazeth Türckische Kayser und Der durchlauchtige Weibliche Hanns Wurst. Mit Hanns Wurst dem lächerlichen Tamerlaniten.275 (Germanisches Museum, Nürnberg, Sig. 2° L 1313w Schulzesche Gesellschaft 1748 (1752), Nr. 19.) Theaterzettel im Stadtarchiv Ulm [undatiert]: Der mit 52. Cronen prangende Tracische Hirt Tartar-Cham Tamerlan oder: Der in seinem größten Glück gestürzte türkische Kaiser Bajazet, und der weibliche Hannß-Wurst / nebst dem wahren HannßWurst / welcher einen verstellten Vater des weiblichen Hannß-Wursts, und einen lächerlichen Spion in dem Lager des Tamerlans vorstellet. Aufführung der Pragerischen Comödianten, vor Februar 1753. (Stadtarchiv Ulm, Findbuch 1749, Fasz. 1670–1780, Nr. 041). Russische handschriftlich erhaltene Übersetzung aus der Zeit des Zaren Alexei Michailowitsch (Auff. zwischen 1672 und 1676): Temir-Aksak oder Komödie von Bajazet und Tamerlan. (Vergröberte Darstellung mit ausführlichen und lärmenden Kriegsszenen, Demütigung der Opfer, ausgeprägte Pickelhering-Szenen.)276 Auff.: 1667 im Nürnberger Fechthaus.277 1673 in Dresden. Februar 1672 in Moskau im Spitaltheater: Bajazet und Tamerlan (keine textliche Übereinstimmung mit dem Wanderbühnendrama). 1679 am kurpfälzischen Hof in Heidelberg und Mannheim in Velthens Spieleverzeichnis, Nr. 41: Der große Tamerlan.

275 Zitat nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, S. 362 und 365. 276 Wesselofsky, Alexis: Deutsche Einflüsse auf das alte russsische Theater von 1672–1756. Prag 1876, S. 31–33. 277 Nach Sigmund von Birken: Die Tagebücher, bearb. von Joachim Kröll, Teil 1, Würzburg 1971 (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränkische Geschichte, Reihe 8, Bd 5, S. 302.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Weimarer Verzeichnis Nr. 12: Der grosse weltschrecken tamerlanes samt desselbigen stürzung und fall. 1713, 18. Juli, in Prag im Sporckschen Komödienhaus (Haacke-Truppe, s.  o.). 1720, 23. Oktober, in Hamburg (Haacke-Truppe). 1723, 12. Mai, in Ulm: Tamerlan (Gottfried Prehauser-Truppe): 1725 in Hamburg: Tamerlan. (übersetzt von Johann Philipp Praetorius). 1740 im Spitaltheater Moskau: Tamerlan (in vergröberter und dilettantischer Form), ebenso 1742: Ich habe im Jahre 1742 in Moskau eine solche Komödie, die was vom Tamerlan vorstellen sollte, mit angesehen, die nicht grotesquer seyn konnte.278 Oktober 1748 und im Jahr 1752 in Nürnberg (Kurbayrische Komödianten unter Johann Schulz, s.  o.). Vor 1753 in Ulm: Der mit 52. Cronen prangende Tracische Hirt Tartar-Cham Tamerlan. (s.  o.) 1753/54 in Merseburg: Tamerlan oder Der von Cron und Thron gestürzte Beherrscher des Ottomanen Bajazeth (Truppe des Johann Martin Lepper[t]. Tarquinius Superbus. (Siehe „Triumph Der Ehre vnd deß Glückes“) Tiberius von Ferrara und Anabella von Mömpelgard. (Stadtbibiothek Danzig, Cod. X fol. 30, Bl. 63 a – 86 a) [Titelblatt fehlt, benannt nach den beiden Hauptpersonen]. In der Handschrift des Danziger Ratsherrn Georg Schröder (wie „Der stumme Ritter“). Stoff aus John Marstons „Parasitaster, or the fawn“, London 1606 und 1633. Abgedruckt in Bolte: Das Danziger Theater, 1895, S. 177–218. Inhaltsangabe in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. 334–338. Auff.: 1604 wollten englische Komödianten unter W. Eichelin die Historie unter dem Titel „Annabella eines hertzogen Tochter von Ferrara“ in Nördlingen spielen. Ein undatiertes Spielansuchen der Eichelin-Truppe an den Rat von Rothenburg nennt den Komödientitel „Annabella, eines Margraffen tochter von Montferrat“. 1626 (11. Juni und 24. September) in Dresden durch die englischen Komödianten unter Robert Reynolds: Comoedia vom Hertzog von Ferrara“. Dresden 1668: Tragicomoedie vom Herzog von Ferrara und der Müllerstochter.

278 Stählin, Jakob von: Zur Geschichte des Theaters in Rußland, 1. Theil, Riga 1769, S. 398.



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1674 und 1679 auf Paulsens Repertoire in Dresden: Tiberius von Ferrara und Anabella von Mömpelgard. Dresden 1684: Komoedie von des Müllers Tochter. [?] Weimarer Verzeichnis Nr. 25: Das durchleuchtige müllermädgen.[?] Der Eyserne Tisch oder Prinz Sigislaus aus Böhmen. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13188) 4°, 47 fol. unpaginiert. Titelblatt stark beschädigt. Motive aus einer Volkssage, aus der auch Grillparzers „Libussa“ schöpft. Auff.: Jänner 1671 in Graz (Hoch-Teutsche Comoedianten). 1679 auf dem Spielplan der Andreas Elenson-Truppe. 1679 im Velthen-Spielverzeichnis Nr. 23: Der eiserne Disch. um 1707 in Ripen (Dänemark). ebenso im Weimarer Verzeichnis Nr. 71. Eine sehr klägliche Tragaedia von Tito Andronico vnd von der hoffertigen Kayserin, darinnen denckwürdige actiones zu befinden. mit der aus dem Französischen übersetzten Nachkomödie „Le malade imaginaire oder Pickelhärings Academie“. Erstdruck in der Schauspielsammlung von 1620. Abgedruckt in Cohn: Shakespeare in Germany, 1865, Wiesbaden 1967, Sp. 157–236; in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Berlin und Stuttgart 1889, S. 17–52; in Tieck: Deutsches Theater, Bd 1, Berlin 1817, S. 367–407 (Wien 1822, Bd 2, S. 179–236); und in Brauneck/Noe: Spieltexte der Wanderbühne, Bd I, Berlin 1970, S. 461–522. Vorlage scheint Shakespeares ältere verlorengegangene Bearbeitung des Stoffes gewesen zu sein, entstanden vermutlich um 1587, aufgeführt um den 23. Jänner 1594; ältester erhaltener Druck 1600 (Aufführung durch die Shakespeare-Truppe und drei andere Truppen), zweite Ausgabe 1611. Auch in der Shakespeareschen Gesamtausgabe von 1623. Die weiße Gothische Königin Thamera wird in der Wanderbühnenfassung von 1620 zur Aetiopissa, Königin auß Mohrenland, die jedoch schön und weiß ist. Geschichtlicher Hintergrund: die beiden Stoffkreise um die Gestalten des byzantinischen Kaisers Andronikus I. (Regierungszeit 1183–85) und der georgischen Königin Thamar (Reg. 1184–1212).

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Titus und Aran. (Wienbibliothek, Sammelband 38589 Ja, Bl. 454–500). 5 Akte, 18 Personen, geschrieben von zwei verschiedenen Händen. Beigeheftetes Requisitenverzeichnis. Cohn (Shakespeare in Germany, S. CXIII) verweist auf die freie holländische Bearbeitung dieses Shakespeare-Stoffes durch Jan Vos, die 1641 unter dem Titel „Aran en Titus, of Wraak en Weerwraak“ in Amsterdam erschienen ist und bis 1726 zwanzig Auflagen erreicht hat. Sie ist in Alexandrinern verfasst, während das Wiener Manuskript in Prosa geschrieben ist und keine Chöre mehr aufweist. Die Vorlage für Vos könnte aber auch der „Andronicus“ von A. v.  d. Bergh (nicht erhalten) gewesen sein. – Wahrscheinlich der Kuhlmann-Truppe zuzuordnen. Eine weitere Bearbeitung gibt es von Greflinger: Andronicus mit dem Aron. Aran und Titus  /  Oder Tragoedia von Raach und Gegen-Raach: Darinn / gleichsam in einem spiegel / vorgestellt wird / waas heimliche Practicken / Meuchelmord / Gleißnerey / und dergleichen Un-thaten nach sich ziehen / zu dem end / damit sich iederman für dem bösen hüten / den Tugenden aber nachstreben solle; in betrachtung / daß Untreu doch endlich seinen eigenen Herrn schlage: Durch die studierende Jugend deß Gymnasii zu Schwäbischen Hall / in V. underschiedlichen Actibus praesentirt / Den 1. Maij / Anno 1656. Allhier aufs kürtzest zusammen gezogen. Gedruckt daselbsten bey Hans Reinh. Laidigen. (Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Sig. BF 8106) Einladungsprogramm des Gymnasiums in Schwäbisch Hall zu „Aran en Titus“ von Jan Vos. Schwäbisch Hall 1656. 8 Seiten Programmheft mit Verzeichnis der Personen und genauer Inhaltsangabe. (Teilabdruck in Rudin: Die Textbibliothek der Eggenbergischen Hofkomödianten, S. 100–105.)279 Titus und Tomyris oder Traur-Spiel, Beygenahmt Die Rachbegierige ­Eyfersucht. Aufgesetzt von Hieronymo Thomae von Augstburg. Gedruckt zu Giessen bey Joseph Dieterich Hampeln der löblichen Universität bestellten Buchdruckern. 1661. (101 Seiten, Personen u.  a. Tigranes und Orontes). (Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Sig. 09: 20 und

279 Rudin, Bärbel: Die Textbibliothek der eggenbergischen Hofkomödianten in Ceský Krumlov / Bömisch Krumau (1676–1691). In: Sammeln, Lesen, Übersetzen als höfische Praxis der Frühen Neuzeit. Die böhmische Bibliothek der Fürsten Eggenberg im Kontext der Fürsten- und Fürstinnenbibliotheken der Zeit. (= Wolfenbütteler Forschu ngen 126, hg. von der Herzog August Bibiothek), Wiesbaden 2010, S. 73–106.



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Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Sig. Yq 6441. Ex libris: Dono Friderici Wilhelmi IV. Regis Augustissimi D. V. Nov. MDCCCL. Ex Bibliotheca B. M. Kar. Hartw. Gregorii De Meusebach). (Wurde wahrscheinlich nie aufgeführt.) Mögliche Vorlage: „Aran en Titus, of Wraak en Weerwraak“, 1641, von Jan Vos, jedoch mit vielfachen Abweichungen. [Nach Fürlinger (14 handschriftliche Dramen der Wanderbühne des 17.  Jahrhunderts, Diss. Wien 1949, S.  25) stehe jedoch das Drama von Jan Vos in keiner Verbindung mit dem Wanderbühnendrama] Im Jahr darauf gibt es in Gießen 1662 eine zweite Auflage, die auch bei Goedeke: Grundriß, Bd 3, S. 221, angeführt ist. Exemplare: Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. Germ.bis.69740. 4°. Staatsbibliothek Berlin, Preuß. Kulturbesitz, Sig. Yq 6442; Bayerische Staatsbibl. München, Sig. P.o.germ. 2064 n; Niedersächsische Staats. und Univers.Bibl. Göttingen, Sig. 8 P DRAM III, 810; Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 236.5 Quod. (5). Von dem Tapffern Römer Tito Andronico (Archives de la Ville De Strasbourg, Serie V 41 / 110) Spielansuchen der Hoch-Teutschen Comoedianten vom 21. Juli 1656 an das Straßburger Stadtmagistrat; Handschrift des Christoph Blümel. Die Festvorstellung sei „eine statliche, wolgeschriebene Histori, die erst ins teutsche gebracht, und noch nie hier gesehen worden“.280 Die unüberwindlichste Tomyris: In einem verkleideten Auffzug verschiedener Amazonen und Sclaven Den 8ten Januarii 1683. Auf dem Schloß zu Heydelberg vorgestellet. (o.  O., o.  J., 9 Seiten, 4°, 1 Aufzug, Verzeichnis der Personen) (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Lo 4° 264 (13).281 Tomyris. par Anne Marie Barbier. Paris 1707. 22 Bl. in 8°. (Bibliothèque de Geneve, Sig. BGE S 13807) Die Großmüthige Tomyris: Wurde in einem Sing-Spiel auf dem Hamburgischen Schau-Platze fürgestellet. Im Monath Julius 1717. Hamburg 1717.

280 Zitat nach Rudin, Bärbel: Die Textbibliothek der eggenbergischen Hofkomödianten, S. 79– 80. 281 Thiel: Kataloge der Herzog August Biolfenbüttel, Libretti, S. 339, Nr. 1652.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Widmung an Maria Aurora, Gräfin von Königsmarck, Pröbstin des freien weltlichen Stifts Quedlinburg. Musik von Reinhard Keiser, Text: Johann Joachim Hoe . 30 Bl., Titelkupfer, 3 Handlungen, Arien teilweise in deutscher und italienischer Sprache. (Staatsbibliothek Berlin, Sig. 2 in: Mujs. T5–1/12). 1723 noch einmal ohne Widmung und Kupferstich, mit der Musik von Georg Philipp Telemann, Text von Joachim Beccau, neu gedruckt in Hamburg 1723. (24 Bl.) (Staatsbibliothek Berlin, Sig. 32 in: Mus. T5–26/41, und Sig. 8 In: Mus. T12– 8/16). Neudruck des Librettos zur Oper 1723 von Telemann/Beccau durch Klaus Zelm (= Die Oper. Kritische Ausgabe von Denkmälern der Operngeschichte, hg. von Heinz Becker, Bd 1). München 1976. Die großmüthige Tomyris. In einer Opera vorgestellet auf dem grossen Braunschweigischen Theatro in der Winter-Messe Anno 1724 und in der Sommer-Messe, Anno 1749, gedruckt in Wolfenbüttel 1724 und 1749. Musik von Johann Adolf Hasse. (22 und 42 Seiten, Personen, Szenarium, 3 Handlungen, Arien mit italienischem und deutschem Text. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Textb. 732 (2) und Textb. 240, und Bayerische Staatsbibl. München, Sig. Sammlung Her 2757). Tragoedia genannt Raache gegen Raache Oder Der streitbare Römer Titus Andronicus. (Stadtbibl. Breslau, Sig. 4 F 501,21(Reprint) Argument einer Aufführung der anjetzo anwesenden Bande Käyserlicher privilegirter Hoch-Teutscher Comödianten für die Breslauer Stadträte, gedruckt 1699; mit lustiger Nach-Comoedia auß dem Frantzösischen, genannt Le Malade imaginaire oder Pickelhärings Academie. 4 Blätter in 4°, ohne Angabe des Druckorts. Mit Personenverzeichnis und Inhaltsangabe der 5 Akte. Nach Fürlinger (14 handschriftliche Dramen der Wanderbühne des 17. Jahrhunderts, Diss. Wien 1949, S. 23–32) war dieses Theaterprogramm für eine Aufführung am 9. September 1699 in Linz durch die Bande Käyserlicher privilegirter Hoch-Teutscher Comoedianten unter ihrem Prinzipal Jakob Kuhlmann bestimmt. Laut Information der Uniwersytet Wroclawski ist nur noch ein Reprint dieses Arguments vorhanden, das in den Sonderabdruck des „Jahrbuchs der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 23, 1888, Sig. GSL Yv 978, eingelegt ist. Das Original, das sich in der ehemaligen Breslauer Stadtbibliothek (Sig. 4 F 501, 21, 4 Blätter in 4°) befunden hatte, wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet.



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Auff.:      [Es ist nicht immer klar, welches der oben angeführten Spiele unter den folgenden Aufführungsdaten gemeint ist.] 1656, 1. Mai, in Schwäbisch-Hall: Aran und Titus / Oder Tragödia von Raach und Gegen Raach: durch die „studierende Jugend deß Gymnasii zu Schwäbischen Hall … [siehe Stuttgarter Programmheft, Sig. BF 8106]. 1656, 21. Juli: Spielansuchen der Hochteutschen Comoedianten in der Handschrift von Christoph Blümel an den Straßburger Magistrat. 1666 in Lüneburg, Nr. 6 der „Demonstratio actuorum“ von Michael Daniel Treu: Von Tito Andronico, welches eine schöne Romanische Begebenheit, mit schöner Ausbildung. 1667, 2. Juli, in Nürnberg (unter der Regie von C. A. Paulsen). (Tagebucheintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie von Tito Andronico und dem Mohren Aron, 10 Mörde, gesehen: Keys[er] Saturnius hängt sich an die gefangene Gothische Königinn, die mit dem Mohren buhlte.282 1668, 5. Okt., in Nürnberg. (Tagebuch-Eintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie vom verk[auften] und wiederbek[ommenen] Andronico gesehen.283 1677 in Kronstadt/Siebenbürgen (Schuldrama): Vom Titus Andronikus und seinem Sohn Vespasian.284 (Bei Shakespeare heißt Titus’ Sohn Lucius. Das Stück scheint also nicht Shakespeare, sondern eher ein Wanderbühnendrama zum Vorbild zu haben.) 1679 im Velthen-Spieleverzeichnis, Nr. 40: Titus und Aran, oder Rache und Gegen Rache. 1680, 15. Oktober, im Schloss Bevern (Velthen-Truppe): Tragoedia vnd wahre historia, tituliret: Der Berühmte Römische General Titus Andronicus vnd grausamer Tyran Aran Gottischer Mohren General.285 1683, 8.Jänner, in Heidelberg: „Die unüberwindlichste Tomyris in einem verkleideten Auffzug verschiedener Amazonen und Sclaven auf dem Schloß zu Heydelberg vorgestellet.“286 Velthen-Verzeichnis Nr. 40: Titus und Aran, oder Rache und Gegen Rache; 1685 in Böhmisch-Krumau. 282 Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, Bd 1, S. 300. 283 Die Tagebücher des Sigmund von Birken, bearbeitet von Joachim Kröll, Teil 1, S. 397. 284 Nach Karl Kurt Klein: Shakespeare in Siebenbürgen. In: Siebenbürgische Vierteljahrsschrift, Jg 61, 1938, S. 238. – Ebenso Fassel, Horst: Franz Rheter und das siebenbürgisch-sächsische Schauspiel des 17. Jahrhunderts, S. 183. 285 Die in Herzog Ferdinand Albrechts I. Schreibkalender von 1680 überlieferte Besetzung des Stücks ist abgedruckt bei Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schloß zu Bevern, S. 149–150. 286 Schwarzbeck, Friedrich Wilhelm: Ansbacher Theatergeschichte bis zum Tod des Markgrafen Johann Friedrich (1686). Emsdetten 1939, S. 103–104.

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1687 in Kronstadt/Siebenbürgen (Wiederholung des 1677 aufgeführten Schuldramas). 1690 in Linz (Hochteutsche Comoedianten): Raache gegen Raache. 1699 in Linz: Titus und Aran (von Jan Vos). Kuhlmann-Truppe. 1699, 9. September, in Breslau unter Prinzipal Jakob Kuhlmann, ev. auch in Linz [Programmheft siehe oben. Die Handlung stimmt mit jener im Programmheft von Schwäbisch-Hall aus dem Jahr 1656 überein]. 1717, Juli, auf dem Hamburgischen Schau-Platz: Die Großmüthige Tomyris. Weimarer Verzeichnis Nr. 94: Der mörderische gotthische mohr sampt desen fall und end. 1719, 17. oder 19. November, in Kopenhagen: Puppenspiel von Tito Andronico und der hoffärtigen Kayserinn und dem Mohr Aran. Mit dem Nachspiel „Wenceslaus, könig von Polen, Tragoedie von mons. Rostran“. 1724 während der Winter-Messe, und 1749 während der Sommer-Messe, auf dem Großen Braunschweigischen Theatro: Die Großmüthige Tomyris. Lit.: Cohn, Albert: König Lear 1692, und Titus Andronicus 1699 in Breslau aufgeführt. In: Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 23, 1888, S. 266 – 281. Dibelius, Wilhelm: Zur Stoffgeschichte des Titus Andronikus. In:Jahrbuch der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Bd 48, 1912, S. 1 – 12. Paludan: Ältere deutsche dramen in Kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.S. 1891, S. 226 – 240.     

Tochter-Mord, welchen Jephtha unter dem Vorwande eines Opffers begangen hat. (Siehe „Jephtha“) Tomyris (Siehe „Titus und Tomyris“) Tragi Comedia. In: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630. Abgedruckt in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten. Berlin und Stuttgart 1889, S. 191–250. Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 451–551. Vorlage dürfte die deutsche Übersetzung einer Erzählung aus Boccaccios „Decamerone“ (entst. 1349 – 1353, Erstdruck Venedig und Florenz 1470) sein: „Ein schöne Historia von der Tugendtreichen / unnd uber alle Weiber der Welt Demütigen Frawn Grisilla deß Marggraffen von Saltz Ehe-Gemahl . Auß Johann.Bocatii Welsch



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in Latein / und von mir auß Latein in Deutsch gebracht. Erfford [Erfurt]1620. (Siehe „Griseldis“, vorliegende Arbeit, S. 489). Freie Dramatisierung von Boccaccios „Abenteuer der Princessin von Babylon“ (Decamerone, II,7 – (Deutsche Übersetzung von 1610: Cento Novella: Hundert Newer Historien: Durch Jo. Boccatium beschrieben mit Figg. / Giovanni Boccaccio, Th. 2. Frankfurt a.  M. 1590 und 1610. Staatsbibliothek Berlin, Sig. 8“ Xr 1482, Xr 1510 und Xr 1616/60) ). Der zweite Teil der „Tragi Comedia“ geht teils wörtlich (in Akt IV,2) auf Boccaccios dritte Novelle des fünften Tages zurück.287 Die veränderten Namen stammen aus dem 16. Buch des „Amadis“. (Boccaccio selbst schöpfte aus dem griechischen Roman „Anteia“ des Xenophon von Ephesus. Und die Begebenheit von der geduldigen Helena gibt es auch schon in dem antiken Roman über König Apollonius von Tyros aus dem 3. Jahrhundert n. Chr.) Der Trew- vnd Tugend-Sieg, Wie derselbe under dem Nahmen Isabell und Ibrahim … den 11. Augusti 1686 Auff dem Chur-Pfältzischen Residentz-Schloß Heidelberg vorgestellet worden“. Heydelberg 1686. (Hessische Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt, Sig. E 4970/115, Kriegsverlust) 3 Akte, in Alexandrinerversen. Dramatisierung des Romans „Ibrahims und Isabellens Wundergeschichte“ (1645) von Philipp von Zesen, einer Übersetzung des Scuderyschen Romans „Ibrahim ou l’illustre Bassa“ (1641). Ein handschriftlicher Vermerk (mit Fragezeichen) weist auf Madeleine de Scudéry als Verfasserin hin. Bolte (Schauspiele am Heidelberger Hof. Euphorion, Bd 31, 1930, S. 589) vermerkt, der unbekannte Verfasser habe das zwei Jahre zuvor gedruckte Vers-Mischspiel von August Adolph v. Haugwitz, „Der bethörte, doch wieder bekehrte Soliman“, zusammen gestrichen und opernartig mit Arien und Balletten ausgeschmückt. [Der Dramendruck ist laut Auskunft der Hessischen Landes- und Hochschulbibliothek Darmstadt bei der Zerstörung der Stadt im September 1944 gemeinsam mit einem Großteil der Altbestände verloren gegangen.] Außerdem gibt es noch ein altes englisches Stück von Ph. Kyd: Solyman and Perseda, aus dem Jahr 1599 (ev. schon 1592).

287 Siehe dazu Werner Richter: Liebeskampf, S. 48–61.

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Auff: 1667, 25.  Juli in Nürnberg: Comoedie vom Ibrahim. (Truppe des Carl Andreas Paulsen).288 1679 am kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs in Heidelberg und Mannheim, Velthen-Verzeichnis Nr. 13: Der türkische Kayser Soliman, Mitfreyer seines GroßVeziers Osimans. 1686 in Heidelberg zu Ehren der Pfalzgräfin Maria Anna Josepha. Weimarer Verzeichnis Nr. 1: Der von den tirckeschen keiser solyman um seine tugent und sieges Ehr beneidete groß veszir osman … (Siehe dazu „Ibrahim Bassa“) Triumph Der Ehre vnd deß Glückes oder Tarquinius Superbus. mit HW, Den Unglückseeligen Verliebten, durchgetribenen Hoffschrantzen, intressirten Kupler, Narrischen Großmütigen, und tapfren schloß Stürmer. Im Jahr 1724. (Nat. Bibl. Wien, Sig. Ms 13493) 20 Bl. in 4°, 3 Akte, 10 Personen (mit Orontes Hauptmann der Leibguarde). [Die Partien des Hanswurst sind nur inhaltlich festgelegt und im übrigen Text durch Unterstreichung hervorgehoben.] Abgedruckt in Rudolf Payer von Thurn: Wiener Haupt- und Staatsaktionen, Bd 2, Wien 1910, S. 63–119. Vorlage: die musikalische Tragicomoedie „Alessandro in Sidone“ von Zeno und Pariati (Musik von Francesco Conti); verändert sind alle Personennamen. Auff.: 1666 in Lüneburg in der Demonstratio actuorum des Daniel Treu, Nr. 10: Von Tarquino [Text des Wanderbühnenstücks nicht mehr vorhanden]. 1721 am kaiserlichen Hof zu Wien. Tugend- und Liebes-Streit. Freuden-Spiel, An Der Durchläuchtigsten Fürstin und Frauen, Frauen CHRISTINEN Herzogin zu Braunschweig und Lüneburg, gebohrnen Landgräffin zu Hessen, Fürstin zu Hirsfeld, Gräffin zu Catzenellenbogen, Dietz, Ziegenhein, Nidda und Schaumburg / Den 30. Weinmonats [Oktober] 1677 Eingetretenen Dreissigsten Geburts-Tage, Auff gnädigsten Befehl Ihro Durchl. Herrn und Gemahls, von dero Hoff-Musicanten, in dero neuerbauten Freud- und Traur-Spielen Saal, und dessen neuer Schaubühne auffgeführet und vorgestellet, in dem Fürstlichen Residentz-Schloß Bevern M.DC. LXXVII [1677]. Text: Samuel Baldov. (18 Bl, Personen, 5 Akte).

288 Sigmund von Birken: Die Tagebücher, Bd 1, S. 304, Eintrag vom 25. Juli 1667.



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Gedruckt wahrscheinlich in der schlosseigenen Druckerei zu Bevern, aufgeführt durch die herzoglichen Hofmusikanten im neu erbauten Komödiensaal des Schlosses zu Bevern. Anlass der Aufführung war der 30. Geburtstag der Gattin Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg.289 (Herzog August- Bibliothek in Wolfenbüttel, Textb. 4° 58, und M: Gn 4°, Sammelband 21(7). Volltext im Internet) 18 Blätter in Folio, 13 Personen, 5 Akte. [Im gleichen Verlag und Jahr wie das „Liebes-Gefängnus“, 1678.] Der Druck stammt wahrscheinlich aus der eigenen herzoglichen Druckerei in Bevern. Opernhafte Einlagen in II/4 und 5, IV/9, V/1; Begleitmusik in II/1 und IV/8. Creizenach (S. 66) vermutet für die Singverse einen anderen Verfasser als für die Rezitationsverse. Ein zweites erhaltenes Exemplar aus der Stadtbibliothek Braunschweig ist abgedruckt in Creizenach: Schauspiele der englischen Komödianten, S. 71– 124. Inhaltliche Verwandtschaft mit Shakespeares „Twelfth night or What you will“, einige Szenen und Motive aus Shakespeares „Winters Tale“ (z.  B. die Anfangsszene, die auch sehr an die erste Szene in Martins „Liebes Verzweiffelung“ erinnert) und aus dem „Juden von Venedig“. Als Vorlage ist für Shakespeare wie auch für das Wanderbühnenstück ein heute verschollenes englisches Drama anzunehmen, das seinen Stoff aus Barnabas Riches 1581 gedruckter Novellensammlung „Abschied vom Kriegshandwerk, enthaltend höchst ergötzliche Geschichten für Friedenszeiten“ bezogen hat. Die Namen im Wanderbühnenstück halten sich an Riches Novelle.290 Unmittelbare Vorlage des Wanderbühnenstücks ist vermutlich die „Komödie Von ein khünig von khipern und von ein herzog von venedig“, aufgeführt in Graz 1608 unter dem englischen Prinzipal Green). Zimmermann291 nimmt an, dass Herzog Ferdinand Albrecht I. selbst der Verfasser des Wanderbühnenstücks „Tugend- und Liebesstreit“ sei. (Siehe: „Von ein khünig von khipern“)

289 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  336, Nr. 1634. 290 Creizenach: Verloren gegangene englische Dramen aus dem Zeitalter Shakespeares, S. 49; ebenso Creizenach: Schauspiele der englischen Komödianten, S.  56–69; ebenso Zimmermann: Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, S. 121 und 125. 291 Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern, S. 123.

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Ulisses und Penelope (Siehe „Penelope“) Poetisches freuden-spiel von des Ulysses wiederkunfft in Ithaken. Güstrow 1668. Theaterprogramm mit Inhaltsangabe. Gewidmet der Fürstin Sophia Elisabeth, Herzogin zu Braunschweig. (Königliche Bibliothek Kopenhagen, Sig. Germ.bis.75210. 4°.) Text: Friedrich Christian Bressand. Musik: Reinhard Keiser. (Herzog August-Bibl. Wolfenbüttel, Textb. 282; Niedersächs. Landesbibl. Hannover, Op. 1,71) Ulysses Wiederkunfft. In einem Sing-Spiel Auf dem grossen Braunschweigischen Theatro vorgestellet. Braunschweig 1708. (Musik: Reinhard Keiser, Text: Friedrich Christian Bressand). 28 Bl., Personen, Szenarium, 3 Handlungen. – Der Text stimmt weitgehend mit „Penelope“ (1696) überein! (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 282292, ebenso in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover, Op. 1,71). Ulysses, In einem Musicalischen Schau-Spiel Auff Ihro Königl. Majest. Friderich IV. Zu Dännemarck, Norwegen … Den 11. Octobris 1722 … Geburths-Tag Auffgeführet, von der Königl. Academie der Music. Copenhagen 1722. (Musik: Reinhard Keiser, Text: Friedrich Maximilian Lersner. 18 Bl., Personen, Prologus, 3 Handlungen. (Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Textb. 543).293 Ulysses, der für todt gehaltene aber endlich glücklich wiedergefundene Ehe-Gemahl. Trauerspiel. (In: Die deutsche Schaubühne zu Wienn nach alten Mustern, Teil 3, Nr. 6) Auff.: 1668 in Güstrow. 1708 in Braunschweig. 1722 in Kopenhagen.

292 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  338, Nr. 1646. 293 Thiel, Eberhard: Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Libretti, S.  338, Nr. 1645.



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Lit.: Paludan, J.: Ältere deutsche dramen in Kopenhagener bibliotheken. In: Zeitschrift für Deutsche Philologie, Bd 23, Halle a.  S. 1891, S. 226–240.

(Siehe dazu auch „Penelope“) Undanck ist der Welt ihr Dank (Siehe „Basilisco di Bernagasso“) Unglück über Unglück oder das durchleichtigste Bettelmägdlein. vorgestellt in Straßburg von der Gesellschafft Badischer Bedienten Comoedianten. (Badische Landesbibl. Karlsruhe, Nt 18 a) 1671. 4°. Argument. Der Inhalt der fünf Akte ist wiedergegeben bei Richter, Werner: Liebeskampf, S. 258–260. – Richter vermutet eine unbekannte italienische Vorlage. (1942 während des großen Bombenangriffs im Zweiten Weltkrieg leider verbrannt) Auff.: 1668, 7. September, in Nürnberg: Tagebucheintragung des Sigmund von Birken: Die Comoedie vom Durchl[auchtigen] Bedtel-Mägdlein gesehen.294 1671 in Strassburg (Badische, ehemals Innsbrucker Comoedianten). 1674/79 in Dresden (Paulsen-Repertoire Nr. 21: Das durchlauchtige Bettelmädchen). 1679, Dienstag, [25.?] November, in Heidelberg im Schloss des Kurfürsten Karl Ludwig (Velthens Sächsische Bande Comoedianten). Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 34: Das Durchläuchtige Bettel Mägdlein. Weimarer Verzeichnis Nr. 24: Das durchleuchtige Bettelmägden oder unglück über unglück. Die große Neapolitanische Unruhe durch den Fischer Thomas Agniello (Siehe „Agniello“) Die Ermordete Unschuld / oder / Die Enthauptung des Graffen von Essecs. / aus dem Italiänischen Autor / Sign. Creognini. (Siehe „Essecs“)

294 Kröll (Hg.): Die Tagebücher des Sigmund von Birken, Teil 1, S. 395.

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Die getruckte Aber nicht unterdruckte Unschuld Mittelst Einer wahrhafften Historia in Musicalischer Opera vorgestellt / Durch Genovefam. (Bayerische Staatsbibl. München, P.o.germ. 232/3) (Siehe „Genovefa“) Schuldige Unschuld Oder Maria Stuarda, Königin von Schottland. (Siehe „Maria Stuarda“) Die siegende Unschuld (Siehe „Die heillose Königin Odomire“) Die Unsichtbarkeit. (Siehe „Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein“) Untrew schlecht ihren eygen Herrn (Siehe „Der stumme Ritter“) Die Ehrliche Verrätherei oder Don Gaston. (Nat. Bibl. Wien, Sig. 79 Cc. 194) Bearbeitung von Andrea Cicognini: Il Don Gastone di Moncada, Venedig 1658. Nachspiel: Comoedia von 5 Actus tituliret Wunderliche Verwirrung, entstanden von zween gleichen Persohnen vnd deren Dieneren [= Shakespeares „Comedy of errors“]. (Aufführungen siehe „Comoedia genandt Spiegel wahrer Freundschaft“) Des hochberühmten Spannischen Poeten Lope de Vega Verwirrter Hof oder König Carl / in eine ungebundene Hochdeutsche Rede gesetzet von Georg Greflinger. Hamburg: Rebenlein 1652. Das gleiche Thema wie im Wanderbühnenspiel „Don Sancho von Arragon“. Exemplare: Staats- und Univ.Bibl. Hamburg (Sig. Scrin A/1949); Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar (Sig. B 1653, Stück 2 in Sammelband). Greflingers Komödie ist die deutsche Übertragung des holländischen „Verwarde Hof“ von L. de Fuyter, dessen Komödie am 19. Sep. 1647 erstmals in Amsterdam aufgeführt wurde. Fuyters „Verwarde Hoff“ ist eine Übersetzung der spanischen Komödie „El Palacio confuso“ von Antonio Mira de Amescua, nicht von Lope de Vega, wie von Greflinger irrtümlich angegeben).



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Hamburger Theaterzettel der Elenson-Haake-Truppe. Die königl. Pohlnischen und churfürstl. Sächsischen privilegierten Teutschen / Hof-Comoedianten warten mit einer gantz Neuen und noch von keiner ander Teutschen Bande auffgeführten Staats-Action auf / betitult: El Palacio Confuso, Der verwirrte Hof in Sicilien / Oder / Der von einem Gemeinen zur Cron Erwehlte / folgendlich wegen seines Hochmuths gedehmüthigte / endlich aber rechtmässig-bestätigte König / Carl / von Sizilien / Und der am Königl. Hof von Sicilien endlich glücklich gemachte Arlequin.295 Aufgeführt am 1.Juli 1720 durch die Elenson-Haacke-Truppe. (Personenverzeichnis wie in Greflingers Komödie) Aufführungen: 1661, am 1.,2. und 3. März in Zittau, Schulaufführung von Greflingers Komödie“Der verwirrte Sicilianische Hoff oder König Karl. Lope de Vega. 1666 in Lüneburg, Demonstratio actuorum (Nr.  7) des Daniel Treu: Von dem verwirrten Hoff von Cicilien mit wol gesetzten reden aus dem hollendischen übersetzet. (Greflingers Übersetzung) 1720, 1. Juli, in Hamburg: El Palacio Confuso (Theaterzettel s.  o.). 1679 am kurpfälzischen Hof in Heidelberg und Mannheim, Velthen-Verzeichnis Nr. 77: Der Verwirrete Hof von Sicilien. 1680, 5. Oktober, in Bevern (Tagebuch des Herzogs Ferdinand Albrecht): Tragi Comödia die verwechslete Königes Kinder. (Das Personenverzeichnis stimmt mit jenem im Wanderbühnenstück „Don Sancho“ überein.)296 Weimarer Verzeichnis Nr. 58: Der verwirrte Hoff von vewilade. 1742 in Frankfurt. 1775 in Hamburg auf der Marionettenbühne: Die Verwirrung bei Hofe oder Der Verwirrte Hof. (Siehe dazu die „Heroische Comödie von Don Sancho von Arragon“) Der flüchtige Virenus (Siehe: „Die Egyptische Olympia Oder Der flüchtige Virenus“) Visibilis et invisibilis (Siehe: „Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein“)

295 Zitat nach Junkers: Niederländische Schauspieler, S. 166. 296 Die im Schreibkalender 1680 durch Herzog Ferdinand Albrecht I. überlieferte Besetzung ist abgedruckt in Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schloß zu Bevern, S. 142.

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Tragoedi Vnzeitiger Vorwitz (mit Musiknoten) In: Liebeskampff. Zweite Schauspielsammlung von 1630. Abgedruckt in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Berlin und Stuttgart 1889, S. 259–322 (Einleitung S. 251–258). Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd II, Berlin 1975, S. 453–659. Die früheste Dramatisierung des Themas findet sich in dem Wanderbühnenstück „Die Jungfrau“ um 1610, zwischen 1619 und 1661 siebenmal in Druck erschienen. Schon vor der „Liebeskampff“-Sammlung wurde das Thema 1622 auch in England von Francis Beaumont and John Fletcher dramatisiert unter dem Titel „The maid’s tragedie: As it hath beene diuers times acted at the Black-Triers by the Kings Maiesties Servants“, gedruckt in London 1619 (1622, 1630 und 1641). Neudruck in der Sammlung „The old english Drama“ aus dem Jahr 1825; deutsche Übersetzung von Ludwig Tieck unter dem Titel „Der Tyrann“ in Tiecks „Shakespeares Vorschule“, Bd II, 1829, S. 87  ff. (Das Stück wird dort dem englischen Dramatiker Philip Massinger, 1583–1640, zugeschrieben). Nach Cervantes’ Novelle „El curioso impertinente“ aus dem ersten Teil seines „Don Quijote“, Kap. 34–36, Erstdruck 1605. Zweitabdruck in der Sammlung seiner moralischen Novellen „Novelas ejemplares“ 1613). Creizenach weist in seiner Einleitung zum „Unzeitigen Vorwitz“ auf eine deutsche Übersetzung von Cervantes’ Novelle hin, die als direkte Vorlage des Wanderbühnendramas angesehen werden kann (annähernd wörtliche Übereinstimmung einzelner Stellen, jedoch mit veränderten Namen: Vnzeitiger Fürwitz, Eine Newe vnnd schöne Historia. Dorinnen etlicher Männer vnzeitiger Eifer, vnd der Weiber schwachheit, auch beyder außgang abgemahlet wird, Nützlich vnd lustig zulesen. Jetzo aus Spanischer Sprache in die Deutsche bracht. Gedruckt im Jahr, 1617. (Original in der Biblioteka Jagiéllonska, Krakau, Sig. Yu 4111). Es ist dies die deutsche Übersetzung einer zweisprachigen Ausgabe, die der Spanischlehrer Cesar Quillen de Castro ohne Angabe des Verfassers Cervantes 1608 in Paris veröffentlichen ließ: Le curieux impertinent – El curioso impertinente. Traduict d’Espagnol en Francois. Die französische Übertragung stammt von Nicolas Francois Baudouin.297 Die deutsche Übersetzung wurde zur direkten Vorlage für das deutsche Wanderbühnenspiel, mit Pickelhering und anderen komischen Szenen.

297 Siehe dazu Richter, Werner: Liebeskampf, S. 25–36; ebenso Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, S. 253–258.



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Der Grundgedanke der Novelle von Cervantes zeigt sich auch in der Comoedie „Prob getreuer Liebe“ (Liebeskampff 1630). Die komische Szene im ersten Teil der Komödie findet sich ebenso in der zweiten Singekomödie des „Liebeskampfes“ von 1630: Der Narr Schoßwitz verliert seine Geliebte an einen alten Gecken. Es wird ihm ein Korb überreicht, und er muss dem Nebenbuhler Hut, Mantel und Degen ausliefern. Auff: Frankfurt 1657 (Truppe Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz). (Siehe „Die Jungfrau“ und „Prob getrewer Liebe“). Die Welt-bekannte Historie von dem Tyrannischen General Wallenstein. Berliner Szenar (in der Landschaftsbibliothek Stettin, konnte dort jedoch nicht nachgewiesen werden), mit Personenverzeichnis und ausführlichem Summarium. Vorlage: Glapthorne, Henry: The Tragedy of Albertus Wallenstein, London 1639 und 1640. Die Bearbeitung von A. A. von Haugwitz gilt heute ebenso als verloren wie Rists „Wallenstein“. Auff: 1666 in Lüneburg: Von General Wahlstein (in der Demonstratio actuorum des Daniel Treu). 1679 im Velthen-Spieleverzeichnis, Nr.  45: Albertus Wallenstein, Hertzog von Friedland. 1688, 16. Mai, in Bremen: Eine Weltberuffene, warhaffte und schauwürdige Materie, Genandt der verrathene Verräther, Oder Der durch Hochmuth gestürtzete Wallen­ steiner, Hertzog von Friedland (Sächsisch-hochdeutsche Komödianten der Velthen-Truppe). Theaterzettel abgedruckt in Könneckes „Bilderatlas“, 1895, S. 199. Montag, 3. September [1690] im Rathaus Berlin, wahrscheinlich durch die Truppe des Sebastian di Scio: Die weltbekannte Historie von dem tyrannischen General Wallenstein. (Theaterzettel mit Personenverzeichnis und summarischer Inhaltsangabe erhalten, abgedruckt in: Baltische Studien, Bd III, Heft  2, 1836.) 1690 (Januar oder Februar) am sächsischen Hof zu Torgau (Velthen-Truppe). Weimarer Verzeichnis Nr. 103: Der wunderlich general wallenstein desen leben und todt. Hamburg, 26. Juli [1720 ?]: Das seltsame Leben und gewaltsamer Todt Alberti von Wallenstein. (Königl. Pohlnische und Churfürstliche Sächsische privilegirte Teutsche Hofcomödianten, wahrscheinlich Haackesche Truppe).

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Abb. 44: Theaterzettel der in Bremen am 16. Mai 1688 durch die Velthen-Truppe gegebenen Vorstellung des „Wallenstein“. (Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur, S. 199)



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Hamburg, 29. Oktober 1736: Das große Ungeheuer der Welt, oder das Leben und Todt des ehemals gewesenen Kayserlichen Generals Wallenstein. (Truppe des Prinzipals Johann Ferdinand Beck). Die Ankündigungszettel dieser beiden letztgenannten Hamburger Aufführungen siehe Otto Rüdiger in den Hamburger Nachrichten, Abendausgabe vom 19. Juli 1887, Nr. 169. Lit.: Bolte, Johannes: Eine englische Wallensteintragödie in Deutschland. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, Bd 19, Halle 1887, S. 93–97. Vetter, Th.: Wallenstein in der dramatischen Dichtung des Jahrzehnts seines Todes. Frauen­feld 1892. Creizenach, Wilhelm: Die Wallenstein-Aufführung in Bremen. In: Shakespeare-Jahrbuch, Bd 41, 1905, S. 201–203.

Walther und Hildegunt. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13383) Fragment. (Siehe „Griseldis“) Lust-Spiel Von der Verkehrten Welt. Praesentiret in Zittau / Den 4. Mart. 1683. (von Christian Weise) 8°, mit Musiknoten. Gedruckt in Christian Weises „Neue Jugendlust. Das ist  /  Drey Schauspiele.“, Frankfurt und Leipzig o.  J. [1684]. Dazu der Theaterzettel von Christian Weise zur Wiedereröffnung des Zittauischen Theaters am 2. März 1683: Davids unschuldige Verfolgung; am 3. März 1683: Von der Sicilianischen Argenis; am 4. März 1683: Von der Verkehrten Welt. Zittau: Hartmann 1683. Vorlage vermutlich Moliere: L’Etourdi, dessen Vorlage „L’inavvertito de Nicolo Barbieri“. Exemplare: Univ.- und Landesbibl. Sachsen-Anhalt in Halle (Pon Ye 5237, FK); Ratsschulbibl. Zwickau (Sig. 49.6.2 (123). Gottlieb Wilhelm Keller, Professor am Magdalenen-Gymnasium in Breslau, führte dort 1725 seine Komödie „Die Verkehrte Welt Der Alten Zeiten“ mit seinen Schülern auf. Das Gerüst der Handlung hält sich an die griechische Komödie „Der Reichtum“ von Aristophanes.298 298 Nach Gajek: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert, Tübingen 1994, Nachwort S. 36.

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In der Österr. Nationalbibliothek Wien (Sig. 4330-B.Mus) ist eine Opera comique „Die verkehrte Welt“, Hamburg 1728, erhalten. Spätere Bearbeitung des Themas durch den ehemaligen Hofrat und Poet am Dresdener Hof, Johann Ulrich von König: Die verkehrte Welt. Ein Lustspiel in einem Aufzuge. (12 Auftritte), 1725, Neuauflage Hamburg 1746 (verzeichnet in Gottsched: Nöthiger Vorrat, 4. Abschnitt, S. 301). Exemplar in der Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. 0 9: 398); Hamburger Druck 1749 in der Universitätsbibl. Regensburg, Sig. 64/GI 5790 V 51.749); Leipziger Druck 1764 (Herzogin Anna Amalia-Bibl. Weimar, Sig. Dd 4: 21 d). Ludwig Tiecks historisches Schauspiel in fünf Aufzügen „Die verkehrte Welt“ erschien 1799 in Berlin (In: Bambocciaden, Sammlung von Erzählungen und Dramen von August Ferdinand Bernhardi, Ludwig Tieck und anderen, Bd 2, S. 103–276.299 Auff.: 1674 und 1679 in Dresden: Der kluge Knecht Mascarillia und der einfältige Herr. (Paulsen-Repertoire, Nr. 11 und Nr. 52). 1679, 6.  November: Velthen-Verzeichnis in Heidelberg und Mannheim, Nr. 63 Mascarilias und Oratin; und Nr. 36: Der in seinen Herrn verkleidete Knecht.300 1683, 2./3./4. März, in Zittau. Januar 1690 in Torgau: Mascarillas (Velthen-Truppe). Weimarer Verzeichnis Nr. 6: Der in underschidlichen stucken sich tum erweisente herr, und hingegen desen arglistiger und kluger knecht. Noch am 1. Juli 1765 als Allegorie-Spiel der Ackermann-Truppe, mit Arlequin (Mascarilias) und Scaramuza.301

299 Neuausgaben: Berlin 1964 (mit Erläuterungen von Karl Pestalozzi), Rom 1994 und Stuttgart 1996 (=Reclams Universal-Bibliothek Nr. 2064). 300 Im Jahr 1694 schreibt Elisabeth Charlotte von der Pfalz: Die Welt kompt mir eben vor alß wie daß balet, so man einmahl zu Heidelberg gedantzt von der verkehrten Welt. (Holland: Schreiben des Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, 1884, 1,27). – Der Kurfürst ließ auf dem Platz des ‚dicken Turms‘, wo die Komödien gespielt wurden, die verkehrte Welt präsentieren: Die Hirsche jagten die Jäger, die Weiber schlugen die Männer, die Schüler castigierten die Präceptores, die Pferde ritten auf Menschen und so fort. (Bericht des Friedrich Lucä, der 1663 in Heidelberg Theologie studiert hat. Siehe „Der Chronist F. Lucä“, 1854, S. 21. (Nach Bolte: Schauspiele am Heidelberger Hof 1650–1687, S. 580.) 301 Schauspiele-Verzeichnis mit Besetzung der Ackermann-Truppe, in der Staatsbibliothek Berlin, Sig. Ms germ.fol.771, Bl. 122v.



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Abb. 45: Von Torheit der umgekehrten Welt. Der griechische Philosoph Heraclit beweint die Torheit der Welt, Demokrit belacht sie. (Der König hält dem Knecht das Pferd, die Frau züchtigt den Mann …) Aus Laurentius von Schnüffis: Futer über die Mirantische Maul-Trummel, Konstanz 1699, 1. Elegie, S. 4. (Foto: Vorarlberger Landesbibliothek Bregenz)

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Närrische Wette oder Der geitzige Gerrhardt. (Nat. Bibl. Wien, Ms 13174) Lustspiel in fünf Akten, 11 Personen. Die Action fänget ohngefähr um 8 Uhr an und endet sich gegen 3 Nachmittags. Ähnliches Thema wie das Wanderbühnendrama „Die Unmüglige Mügligkeit“, als deren indirekte Vorlage Lope de Vegas „El mayor imposible“ angesehen werden kann. (Es geht um die Frage, wie und ob es möglich ist, ein schönes Weib zu hüten.) Das deutsche Manuskript ist jedoch eine wörtliche Übersetzung des holländischen Spiels von Nil Volentibus Arduum: De Malle wedding of gierige Geeraardt (Amsterdam 1671). Dieses beruht auf Boisroberts „La folle gageure ou les divertissements de la comtesse de Pembroc“(1653), das seinerseits auf Lope de Vegas „El major imposible“ zurückgeht. Im gleichen Jahr wie Arduums Komödie, 1671, war auch die erste holländische Übersetzung von Joan Blasius: De malle wedding of Gierige Geeraardt. Blyspel. Vertoont op d’Amsterdamsche Schowburgh, in Amsterdam erschienen; es konnte sich aber nicht durchsetzen. Arduums Komödie dagegen wurde mehrmals gedruckt: 1677, 1681, 1713, 1727, 1750. Weitere Bearbeitungen dieses Themas:302 Johann Joachim Schwabe: „Die närrische Wette“, In: Belustigungen des Verstandes und Witzes vom 31. Juli, München 1741). A. J. Dumaniant [Bourlain]: Guerra aperta, ovvero Astuzia contro astuzia, trad. da P. Andolfatti. Venedig 1798, und Zabel, E.: Der Tugendwächter. 1894 (beide nach der Übersetzung von Lope de Vegas Drama durch Ludwig von Braunfels: Das Unmöglichste von allen. Versdrama. In: Dramen aus und nach dem Spanischen, Bd 2 Frankfurt a.  M. 1856, S. 1–172) (Aufführungen siehe „Die Unmüglige Mügligkeit“) Zuletz bekompt der Narr doch das beste (Siehe „Comoedie von eines Königes Sohne auß Engellandt vndt des Königes Tochter auß Schottlandt“)

302 Nach J. Bolte: Von Wanderkomödianten, 1934, S. 461, Anm. 2.



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Der beklägliche Zwang. Anno 1.6.6.1. H. C. R. [Historisches Archiv der Stadt Köln, Best. 7020 (W*) Nr. 303] 21 Bl. in 8° (19 mal 14,5 cm), Blatt 5r – 5v: Liedeinlage mit Notenlinien, aber ohne Noten, darunter 8 siebenzeilige Strophen. Das Manuskript wurde nach dem Einsturz des Archivs im Jahr 2009 geborgen, Beschädigungen sind jedoch möglich. Alle 21 Blätter sind digitalisiert und abrufbar unter www.historischesarchivkoeln.de/de/lesesaal/4.1.1/ Best.+7020/303?ve Inhaltliche Vorlage: Lope de Vega „La fuerza lastimosa“ (1609, 3 Akte). Hausmann303 sieht die Vorlage in Giovanni Boccaccios Erzählung „Il Corbaccio o laberinto d’amore“. Florenz 1487. Deren Übersetzung aus dem Jahr 1660: Irr-Garten der Liebe: samt angehengtem Liebes-Gespräch. Giovanni Boccaccio. aus Jtalianischer: in Teutsche Sprache übergesetzet durch J.M.D. [Joh. Mackle, Doct.] Frankfurt 1660. (Nach der „Vorrede“, in der Mackle vor der Gefahr warnt, die dem Menschen durch die Leidenschaft droht, folgt ab S. 142 ein „Liebes-Gespräch des Herrn Giovanni Boccaccio. Gesprächs-Führer der Herr Alcibiade und Filaterio der Jüngling. Einer obwohl höhern Standes Damen Gunst zuerlangen“). [Mackle könnte selbst der Verfasser dieses Gesprächs sein!] Direkte Vorlage des Wanderbühnendramas ist jedoch Lope de Vegas holländische Bearbeitung durch Isaak Vos „De beklaagelyke dwangh“ (1648, 5 Akte, geänderter Schluss), die wahrscheinlich durch Georg Greflinger 1650 unter dem Titel „Der beklägliche Zwang“ ins Deutsche übersetzt wurde. [kein Exemplar erhalten]. Harsdörffer hatte schon 1645 die Komödie von Lope de Vega als Vorlage für ein dreiaktiges Freudenspiel in Prosa genommen, setzte jedoch völlig andere Namen ein. Es findet sich unter dem Titel „Die Redkunst“ in seinen „Gesprächspielen“, Teil 5, Nürnberg 1645, S. 329–438. (= Deutsche Neudrucke, Reihe Barock, Bd 17, Tübingen 1969, S. 465–570.) Harsdörffer selbst gibt für sein Freudenspiel keine Quellenangabe. Der Prinzipal Paulsen gibt dem Drama den neuen Titel „Der Große Liebes Irrgarten“ und setzt andere Namen ein. Deren Inhalt ist aus den Tagebuchaufzeichnungen des Danziger Ratsherrn Georg Schröder bekannt, der den „Irrgart der Liebe“ am 12. September 1669 in Danzig von der Paul-

303 Hausmann: Bibliographie, Bd I/1, S. 168.

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sen-Truppe aufgeführt gesehen hat. (Fünf Akte und Schluss wie bei Vos)304 Ein Exemplar ist jedoch nicht erhalten. Der neue Titel scheint aus Cervantes’ „Laberinto de amor“ (1615) entlehnt. (1660 durch Johann Mackle unter dem Titel „Irr-Garten der Liebe“ ins Deutsche übersetzt.) (Das Wanderbühnenspiel „Die getreue Octavia“ bringt im Text mehrere Anspielungen auf den „Liebes Irrgarten“.) Auff.: 1648, 30. März, in Amsterdam auf der Schouwburgh: Uraufführung der holländischen Bearbeitung von Jan Vos. 1658 in Zittau (Schulaufführung, Rektor Keimann). 1660 in Güstrow am Hof des Herzogs Gustav von Mecklenburg (auf dem Spielplan des Caspar Stieler): Comoedia Der klägliche Bezwang, in welcher grose Tyranney geboten wirdt, durch List aber verhindert. 1666 in Lüneburg („Demonstratio actuorum“ des Daniel Treu): Von Konnich Eduardo tertio aus Engeland, wird sonsten genanndt: Der beklegliche Zwank. [Bei diesem Titel könnte es sich auch um einen anderen Inhalt handeln.] 1669, 12. September, in Danzig: Der große Liebes Irrgarten (Paulsen-Truppe). 1674/79 in Dresden (Paulsen-Repertoire Nr. 22). 1679 im Repertoire Velthens, Nr. 25: Der beklägliche Zwangk“. 1683 in Dresden: Der Liebes Irrgarten (Mitglieder der Velthen-Truppe). Weimarer Verzeichnis um 1710, Nr. 97: Der große liebes-Irrgarten. 1718/19 in Riga (Repertoire der Victoria Clara Bönicke): Beklägliche Zwang. 1741, 17. April, in Hamburg (De Hollandsche Tooneel Spelers): De Beklagelyke Dwang of de Ongelukkige Rozaura. Das Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein. (Siehe „Stein“)

304 Tagebuch des Danziger Ratsherrn Georg Schröder. Abgedruckt bei Bolte: Danziger Theater, 1895, S. 104–106.

Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen 1604, 20. Jänner, Spielansuchen einer Komödiantentruppe (Theersche Truppe des Prinzipals Eichelin) in Nördlingen1: Demnach wirr unss ein Zeitlangg den Geistlichen vnndt weltlichen Historien (welche dann Inn deutscher Spraach vnnd Zierichem Habit vonn unss persönlich Comoed: unndt Tragoediweis agiert werden unnd den Zuhörenden sonnderlich aber der Jugenndt Zur Forcht unndt Ehr Gottes, Auch gehorsamm Ihrer Eltern, Feine Exempla Fürstellen) Gebrauchen Lassen, Als Nemlichen: 1) Auß dem Buch Danielis 6. Capitel (Erlösung aus der Löwengrube). 2) vonn der kheüschen Susanna. 3) vonn dem verlohrnen Sohn. 4) vonn einem vngehorsammen Khauffmanns Sohn. 5) vonn dem weisen vhrteil Carolj des hertzogen Aus Burgundt. 6) vonn Thisbes vnndt Pyramo. 7) vonn Romeo vnndt Julitha. 8) vonn Annabella eines hertzogen tochter vonn Ferrara. 9) vonn Botzarhio einem alten Römer. 10) vonn Vincentio ladislao Satrapa a Mantua, welche wir dann inn dieser gegenndt ann vilen Orthen Als zu Ulm, Haylvrunn, Sch. Hall, Dünkelspil unnd Mehrern Orthen Mit sonderm wolgefallen der Zuehörer agieret haben …

1



Spielansuchen vom 20. Januar 1604 beim Rat der freien Reichsstadt Nördlingen (Städtisches Archiv Nördlingen). Siehe Karl Trautmann: Die älteste Nachricht über eine Aufführung von Shakespeares Romeo und Julie in Deutschland. In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd XI, Leipzig 1882, S. 625–626. Ebenso Creizenach, Wilhelm: Die Schauspiele der englischen Komödianten (= Deutsche National-Literatur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 23). Berlin und Stuttgart 1889, Einleitung S. XXVII. – Ebenso Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland (= Theatergeschichtliche Forschungen, Bd XVIII), Hamburg und Leipzig 1903, S. 65. – Ebenso Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd 3, Salzburg 1959, S. 364.

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1604 und 1606 spielte die Theersche Truppe des Prinzipals Eichelin in Rothenburg folgende Dramen2: 1604: 1) Auß dem Buch Danielis 6 Kapitel. 2) vonn Melone, Einem vertriebnen Khönige Auß Dalmatia. 3) vonn Ludovico, Einem Khönige auß Hispania. 4) vonn Celinde unndt Sedea. 5) Von Pyramo unnd Thysbe. 6) von Annabella, Eines Markgraffen tochter von Montferrat. 1606: 1) vonn dem weisen Uhrtel Carolj, des hertzogen Auß Burgundt, wegen Zwayer Riter. 2) vonn der kheüschen Susanna. 3) vonn dem verlohrnen Sohn, 4) von Einem ungehorsammen khauffmans Sohn, 5) vonn Eynem Alten Römer, so seinen Sohn wegen Eines Jungen weibes des guts enterben wollen. 6) vonn Einem wunderbahrlichen khempffer Vincentio Ladislav Satrapa von Mantua genandt. 1607/1608 spielten die englischen Comoedianten unter John Green3 in Graz folgende Stücke4: 1) Comedi von den Verlornen sohn. 2) Von einer frommen frauen von Antorf, ist gewiß gar fein vnd züchtig gewest. 3) dockhtor Faustus. 4) Von ein Herzog von Florenz, der sich in eines Edelmanns tochter verliebt hat. 5) Von Niemandts und iemandt, ist gewaltig artlich gewest. 2 3

4

Nach Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland, 1903, S. 65. John Green (gest. 1626), bedeutendster Vertreter der Englischen Komödianten auf dem Kontinent. Zeitweise gemeinsames Auftreten mit Robert Browne, dem späteren Prinzipal einer eigenen Truppe (gest. um 1621). Kennzeichnend für Greenes Truppe war der dominante Pickelhering. Nach Greenes Tod übernahm der englische Prinzipal Robert Reynolds die Leitung der Englischen alten Comoedianten Johann Grünen Compagnie. (Siehe dazu das Lexikon: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 231–233). Aus dem Brief der Erzherzogin Maria Magdalena vom 20. Februar 1608 an ihren Bruder Ferdinand. Abgedruckt in Meißner, Johannes: Die englischen Komödianten zur Zeit Shakespeares in Österreich (= Beiträge zur Geschichte der deutschen Literatur und des geistigen Lebens in Österreich, Bd IV). Wien 1884, S. 78–79. –Ebenso in Creizenach, Wilhelm: Die Schauspiele der englischen Komödianten, Berlin und Stuttgart 1889, Einleitung S. XXVII– XXVIII. – Ebenso in Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland, 1903, S. 66. – Ebenso in Bolte: Das Danziger Theater, S. 35–36.



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6) Von des fortunatus peitl und Wünschhietel, ist auch gar schön gewest. 7) Von dem Juden. 8) Von den 2 priedern5 khüng ludwig vnd khünig friderich von ungarn; ist eine erschröck­hliche Comedi gewest, ein so hats der khünig Friederich alß erstochen und ermördt. 9) Von ein khünig von khipern vnd von ein herzog von venedig, ist auch gar schön gewest. 10) Von dem reichen mann vnd von dem lazarus; ich khan E. L. nit schreiben, wie schön sy gewest ist, dann khein pissen von puellerey darin gewest ist, sy hat vnns recht bewegt, so woll haben sy aggiert; sy sein gewiß woll zu passieren für guete Comedianten. [19. Nov. 1607 in Graz aufgeführt] 11) Von einem König aus England, der ist in eines Goldschmieds Weib verliebt gewest und hat sie entführt [Heywood: King Edward IV. – Nur bei Bolte: Danziger Theater, S. 36, verzeichnet.] 1613 – Sontag den 27. Junj vnd etliche Tage hernach – spielten englische Comoe­ dian­ten in Nürnberg6: 1) Von Philole vnd mariana. 2) Von Celido vnd Sedea. 3) und 4)  Von Zerstörung der Stette Troia vnd Constantinopel. 5) Vom Turcken vnd andere Historien mehr, neben Zierlichen täntzen, lieblicher musica vnd anderer lustbarkeit etc. 1626, 31. Mai bis 4. Dezember, spielten englische Comoedianten in Dresden (Truppe von Robert Reynolds): (= Dresdener Aufzeichnungen des Magister Johannes Kretschmer, insgesamt 30 Stücke)7: May 31. Dresten. haben die Engelender eine Comedia von Hertzogk von Mantua vnd den Hertzogk von Verona gespielt auff den steinern sahl. Junius 1. Dresten. Ist eine Comedia von der Christabella gespielt worden. 5 6 7

priedern = Brüder Nach Trautmann, Karl: In: Archiv für Litteraturgeschichte, Bd 13, Leipzig 1885, S. 127. Ebenso Creizenach, Wilhelm: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXVIII. Ebenso Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland, 1903, S. 66. Abgedruckt in Fürstenau Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden. Nach archivalischen Quellen, Theil 1). Dresden 1861, S. 96–97. Ebenso in Cohn, Albert: Shakespeare in Germany in the sixteenth and seventeenth Centuries, Wiesbaden 1865, S. CXV–CXVI. – Ebenso in Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXVIII. – Ebenso in Herz, E.: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland, 1903, S. 66–67. – Ebenso in Kindermann: Theatergeschichte Europas, Bd 3, Salzburg 1959, S. 364–365.

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Junius 2. Dresten. Ist eine Tragoedia von Romeo vnd Julietta gespielt worden. Junius 4. Dresten. Ist eine Comoedia von Amphitrione gespielt worden. Junius 5. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von Hertzogk von Florentz gespielt worden. Junius 6. Dresten. Ist eine Comoedia vom König in Spanien vnd den Vice Roy in Portugall gespielt worden. Junius 8. Dresten. Ist eine Tragoedia von Julio Cesare gespielt worden. Junius 9. Dresten. Ist eine Comoedia von der Crysella gespielt worden. Junius 11. Dresten. Ist eine Comoedia von Hertzog von Ferrara gespielt worden. Junius 20. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von Jemandt vnd Niemandt gespielt worden. Junius 21. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von König in Dennemark vnd den König in Schweden gespielt worden. Junius 24. Dresten. Ist eine Tragoedia von Hamlet einen printzen in Dennemarck gespielt worden. Junius 25. Dresten. Ist eine Comoedia von Orlando Furioso gespielt worden. Junius 27. Dresten. Ist eine Comoedia von den Koenig in Engelandt vnd den Koenig in Schottlandt gespielt worden. Junius 28. Dresten. Ist eine Tragoedia von Hieronymo Marschall in Spanien gespielt worden. Julius 3. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von dem Hamann vndt der Koenigin Ester gespielt worden. Julius 5. Dresten. Ist eine Tragoedia von der Märtherin Dorothea gespielt worden. Julius 7. Dresten. Ist eine Tragoedia von Dr. Faust gespielt worden. Julius 9. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von einem Königk in Arragona gespielt worden. Julius 11. Dresten. Ist eine Tragoedia von Fortunato gespielt worden. Julius 13. Dresten. Ist eine Comoedia von Josepho Juden von Venedigk gespielt worden. Julius 22. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von den behendigen Dieb gespielt worden. Julius 23. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von einem Hertzogk von Venedig gespielt worden. Julius 31. Dresten. Ist eine Tragoedia von Barrabas, Juden von Malta gespielt worden. Augustus 2. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von dem alten proculo gespielt worden. Augustus 29. Dresten. Ist eine Tragoedia von Barrabas, Juden von Malta gespielt worden. [Siehe 31. Juli] Sept. 4. Dresten. Ist eine Comoedia von Hertzogk von Mantua vnd den Hertzogk von Verona gespielt worden. [Siehe 31. Mai] Sept. 6. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von dem alten proculo gespielt worden. [Siehe 2. August] Sept. 15. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von Hertzogk von Florentz gespielt worden. [Siehe 5. Juni] Sept. 17. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von den behendigen Dieb gespielt worden. [Siehe 22. Juli] Sept. 19. Dresten. Ist eine Comoedia von König in Spanien vnd Vice Roy in Portugall gespielt worden. (Siehe 7. Juni]



Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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Sept. 22. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von den behendigen Dieb gespielt worden. [Siehe 22. Juli und 17. September] Sept. 24. Dresten. Ist eine Comoedia von Hertzogk von Ferrara gespielt worden. [Siehe 11. Juni] Sept. 26. Dresten. Ist eine Tragoedia von Lear, König in Engelandt gespielt worden. Sept. 29. Dresten. Ist eine Tragoedia von Romeo vnd Julietta gespielt worden. [Siehe 2. Juni] Oct. 1. Dresten. Ist eine Tragoedia von der Märtherin Dorothea gespielt worden. [Siehe 5. Juli] Oct. 4. Dresten. Ist eine Tragicomoedia von Gevatter gespielt worden. Oct. 19. Dresten. Ist eine Comoedia von verlohren Sohn gespielt worden. Oct. 22. Dresten. Ist eine Comoedia von den Koenig in Engelandt vnd den König in Schottlandt gespielt worden. [Siehe 27. Juni] Oct. 29. Dresten. Ist eine Comoedia von den Graffen von Angiers gespielt worden. Nov. 5. Dresten. Ist eine Comoedia von Josepho Juden von Venedigk gespielt worden. [Siehe 13. Juli] Decemb. 4. Dresten. Ist eine Tragoedia vom reichen Mann gespielt worden. 1630, Januar und Februar, Aufführungen in Dresden8: 1) Vom Ritter Arsidos. 2) Von der Agrippina. 3) Von der Isabella, Königin in Klein-Britannien. 4) Von Prinz Celadon von Valentia. 1631, März und April, Aufführungen in Dresden9: 1) Vom Königreich Portugal. 2) Vom Könige aus Graecia. 3) Vom Könige aus Frankreich. 4) Vom Königreiche Valentia. 5) Vom Könige in Engelland. 6) Von der Constantia, Königs in Arragonien Tochter. 7) Vom Prinzen Serale und der Hyppolita. 8) Julius Caesar.

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Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, Theil 1, Dresden 1861, S.  101. Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXIX. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland, 1903, S. 67. Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, Theil 1, Dresden 1861, S. 102. – Creizenach: Die Schauspiele der Englischen Komödianten, 1889, S. XXIX. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel zur Zeit Shakespeares in Deutschland, 1903, S. 67.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

1646, 11. September bis 19. Oktober, in Dresden (Freyberger Springer = Truppe des Johann Schilling)10: 1632 wurde in Dresden die Tragicomödie von Marsiano und Cariel, 1633 die Tragikomödie von Orlando Furioso gegeben. 1646: 1) Comödie vom verlorenen Sohn. 2) Comödie vom stolzen Jüngling Ernesto. 3) Tragödie von Lorenz. 4) Comödie, wie den Kindern Pappe eingeschmiert wird. 5) Comödie von Erschaffung der Welt, mit Puppen gespielt. 6) Tragödia von Romeo und Julia. 7) Tragödie vom Herzog aus Burgund und den beiden Rittern Neudecker und Lamprecht. 8) Tragödie vom reichen Manne und armen Lazaro. 9) Comödia von zwei Pikelheringen und ihren zwei bösen Weibern. 1651, am 17.  Juni, legten die Churfürstlich Sächsischen Privilegierten Hoff-Comoedianten unter Prinzipal Schilling11 in Prag das folgende Repertoire-Verzeichnis vor, um eine Spielgenehmigung für Komoedien und Tragoedien, teils geistliche, teils römische Historien zu erhalten12. Es ist dies der älteste erhaltene Spielplan in der Geschichte des Berufstheaters in Böhmen. a) Tragödien: 1) Von der hl. und im christ-katholischen Glauben überaus beständigen Jungfrau Dorothea. 2) Von dem jämmerlichen und niemals erhörten Mord in Hispania. 3) Von Julio Caesare, dem ersten erwählten römischen Kaiser. 4) Von dem König von Rhodiß, sonsten genannt die Jungfrauentragödie. 10

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Die Truppe des Johann Schilling wurde zuerst als Springer von Erfurt bekannt, nach der Übersiedlung nach Freiberg in Sachsen als Freyberger Springer. (Lexikon: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 600). Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe zu Dresden, Theil 1, Dresden 1861, S.  102 und 107  ff.  – Creizenach: Die Schauspiele der Englischen Komödianten, 1889, S. XXIX. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 67. Johann (Hannß) Schilling stammte aus einer Erfurter Artisten- und Schaustellerfamilie. Er erhielt 1628 das Sächsische Schauspielprivilegium als Nachfolger der alten englischen Schauspielergesellschaft von Robert Reynolds. Von Prag aus reiste der Prinzipal mit seinen Kursächsischen befreiten Komoedianten nach Wien, wo ihm Ferdinand III. ein Privileg für das Reich und die Erblande erteilte. Hanns Heinrich Schilling, wahrscheinlich ein Sohn des Prinzipals, wurde 1685 unter dem Prinzipal Johann Velthen zum Inspektor des Dresdener Hoftheaters berufen. (Lexikon: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 599–601). Täuber: Geschichte des Prager Theaters, Theil 1, 1883, S. 169  f. – Creizenach: Die Schauspiele der Englischen Komödianten, 1889, S. XXIX. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 67–68.



Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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5) Von dem Erzzauberer Doctor Fausto. 6) Von dem reichen Juden von Maltua. b) Komödien: 7) Von dem König Ahasvero und dem hoffärtigen Aman. 8) Vom verlornen Sohne. 9) Von dem König von Cypern und dem Fürsten aus Venetia. 10) Von den zwei streitbaren Rittern Etelmor und Trauenmor. 11) Von Orlando Furigoso. 1655: Tagebucheintragung der Landgräfin Sophia Eleonora von Hessen-Darmstadt (1609–1671), Festaufführungen während des dreimonatigen Aufenthalts der landgräflichen Familie in Sachsen am Hof zu Dresden (unbekannte englische Truppe, vielleicht Joris Joliphous)13: 9./19. 3. wurtt auffm Rießensaal eine Comedie von der Hildegartt gespielt. 11./21. 3. Wurde eine Tragetia im Rießensaal vom Hiraclius gespielt. 25. 3./4. 4. Wurde eine Tragetia von der Dorodea gespielt aufm Rießensaal. 19. / 29. 3. wurde eine Comedie, gespielt von der Gelegenheit, danzte mein Bruder ein Balet darbey. 6./16. 4. wurde eine Comedie von den verlorhnen Herren gespielt. 8./18. 4. brachten eine Bauren Maskratte und wurde eine Comedie gespild von den 2 verlorenen Herren, die erste war eine andere. 16./26. 4. Wurtt abents von den Englendern eine Tragedie von dem entleibten König in England gespielet. 17./27. 4. spilden die Tragetie vom Fürsten.

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Meise, Helga: Das archivierte Ich. Schreibkalender und höfische Repräsentation in HessenDarmstadt 1624–1790. (= Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission, Neue Folge, Bd 21). Darmstadt 2002, S. 103.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Um 1660 legte der Prinzipal Caspar Stiller14 am Hof des Herzogs Gustav Adolf von Mecklenburg in Güstrow folgendes Verzeichnis vor15: 1) Die action von der h. martyrin Dorothea, wie sie nemblich enthauptet vndt Theophilius mit glüenden Zangen gezwicket wird. 2) Von den hoffertigen Haman vndt der demütigen Ester. 3) Der klägliche Bezwang in welcher grose Tyranney geboten wirdt, durch List aber verhindert. 4) Die Verlierung beider Königlichen Kinder aus Cypern, worin Pickelhering sehr lustig sich erzeiget. 5) Von dem unbarmherzigen Vater. 6) Untrew schlegt seinen eignen Herren. 7) Die blutige Hochzeit oder die 2 zwepaltige Heuser. 8) Der unglückliche Breuttigamb oder die Jungfrawen Tragoedi. 9) Der Streit zwischen Engellandt vndt Schottlandt. 10) Die Enthauptung des Königes in Engellandt. 11) Die 4 bestendigen Liebhabers. 12) Die Verfolgung der Christen unter dem Kayser Diocletiano. 13) Die Tragoedia von Cajo Julio Caesare. 1660 in Lüneburg (Prinzipal Christian Bockhäuser)16: 1) Eine Tragico-Comoedia von der Ehelichen Liebe, wie die Eheliche Liebe recht gepfleget wirt. 2) Von der großen Untreue zweyer Römer. 3) Von der demuthigen Esther und hochmuthigen Haman. 14

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Der Dichter der Rudolstädter Festspiele, Kaspar Stieler, später als ‚Filidor der Dorfferer‘ oder als ‚der Spate‘ bekannt, ist wohl nicht identisch mit dem hier verzeichneten gleichnamigen Prinzipal und Schauspieler, denn es heißt in diesem Verzeichnis: Caspar Stiller mit seiner fraw als meister aus Hamburg, und im Ansuchen um Spielerlaubnis: … auch hatt vor 6 Jahren Pickelhering mit seiner frawen vor Ihr fürstl. gn. Hertzogin fr. Mutter agiret. Der Pickelhering wurde meist vom Prinzipal selbst gespielt. – Der Dichter Kaspar Stieler reiste 1658–61 durch Westeuropa und begann 1661 ein kurzes Jus-Studium in Jena, das er 1662 abschloss. Außerdem datiert seine erste Ehe mit der Tochter eines Ratsherrn aus Erfurt erst in das Jahr 1663, im gleichen Jahr begann er sein Berufsleben als Sekretär. Es ist jedoch anzunehmen, daß auch er als Verfasser von technisch sehr fortschrittlichen Bühnenstücken, besonders im Hinblick auf die Szenenführung, eine Zeitlang mit irgendeiner Berufsschauspielertruppe in engerer Verbindung gestanden haben muss. 1663 bis Mitte 1666 lebte der Dichter als Sekretär des Grafen Albert Anton am Hof zu Rudolstadt. (Vgl. dazu Höfer, Conrad: Die Rudolstädter Festspiele aus den Jahren 1665–67 und ihr Dichter, S. 138–139) Bärensprung, Hans Wilhelm: Versuch einer Geschichte des Theaters in Mecklenburg-Schwerin, Schwerin 1837, S. 26–27. – Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXIX–XXX. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 68. Riedel, Emil: Die ersten Wanderkomödianten in Lüneburg. In: Erica. Sonntagsblatt der Lüneburgschen Anzeigen, 1883, Nr. 34. – Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXX. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 68.



Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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4) Wie England und Schottland ein Königreich worden sey. 5) Von dem frommen Orlando, wie er durch falsches praktiziren Rasend und Unsinnig wirt. 6) Vom Römischen Kayser Julio Caesare, wie er auf dem Rathhause zu Rom erstochen wirt. 7) Vom reichen Mann und armen Lazaro. 8) Vom Verlorenen Sohn. Welche mit englischer praesentation und lieblicher Musik agiret werden, worin sich auch Pickelhering ziemlich lustig erzeiget. 1666: Demonstratio actuorum des Michael Daniel Drey [Treu] in Lüneburg17: 1) Erstlich die historie der Stadt Jerusalem, mit allen begebenheiten, undt wie die Stadt zerstöret wirt, naturel durch sonderliche infentiones öffentlich auff dem Teatro präsentiret. 2) Von dem Könnich Liar auß Engelandt, ist eine materien worin die ungehorsamkeit der Kinder kegen Ihre Elder wirt gestraffet, die gehorsamkeit aber belohnet. 3) Von Don Gaston von Mongado, eine spannisse begebenheit, wirt sonst genandt der streit zwißen Ehr undt Liebe. 4) Von Alexander de medicis, ist auch eine materien von wohlgesetsten reden undt schonen praesentationen. 5) Die bekante historien von Josepho, welche auffs neuhe von einem vornehmen poeten auffgesetzet ist. 6) Von Sigismundo oder dem Tyrannißen Printz von Bolen. 7) Von dem verwirrten Hoff von Cicilien, mit wohl gesetzten reden auß den hollendischen übersetzett. 8) Von Orpfeo in welcher materien ein höllischer Fluß repraesentiret wird. 17



Spielansuchen vom 8. September 1666 an den Rat von Lüneburg mit beigelegtem Stückeverzeichnis. Nach Riedel, Emil: Die ersten Wanderkomödianten in Lüneburg. In: Erica. Sonntagsblatt der Lüneburgschen Anzeigen, 1883, Nr. 35. – Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXX–XXXI. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspieler, 1903, S. 68–69. – Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, 1931, S. 57. Michael Daniel Treu (1634 – 22. März 1708) soll in Sachsen geboren sein. Vielleicht war er der Sohn des ersten bekannten Wanderbühnenprinzipals Carl Treu, der 1622–1625 in Berlin auftrat. Michael Daniel Treu spielte zuerst in Dänemark und war der wichtigste Schauspieler in der Truppe des Andreas Joachim Wulff. Später trat Treu als Puppenspieler und Prinzipal in Lünebuerg (1666) und München (1677, 1681–85) auf. Von 1662 bis 1667 spielte er als Prinzipal der Niederländischen Komödianten hauptsächlich im Norden (Kopenhagen, Lübeck, Danzig, Lüneburg, Bremen). Seine Gattin Maria Clara aus München (gest. 1690) war ebenfalls Komödiantin. Ab 1669 bis zu seinem Tod ist Treu mit wechselndem Erfolg 36 Jahre lang in München und im Lustschloss zu Dachau als Kurfürstlicher Hofkomödiant angestellt. Als erster deutscher Prinzipal setzte er sich für die spanische Dramatik ein, spielte aber auch niederländische Barockdramen, italienische Opernbearbeitungen und Stücke von Gryphius. (Treus Auftreten in München ist dokumentiert bei Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, 1889, S. 300–318.)

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

9) Von Tito Antronico, welches eine schöne Romanisse Begebenheit, mit schöner außbildung. 10) Von Tarquinio. 11) Von Könnich Eduardo tertio auß Engelandt, wirt sonsten genandt: Der beklegliche zwanck. 12) Von der parißißen hochzeit. 13) Von Don Hijeronimo, Marsalck in Spannien. Vndt anderen dergleichen viel mehr welche auff daß schönste sollen außgefuret werden. 14) Der streit zwischen Arragonien und Cicilien. 15) Eine Materien wirt genandt der kluge hoffemeister. 16) Von Aurora undt stella. 17) Von Carel undt Cassandra. [Lope de Vega] 18) Von Doctor Johanni Fausto. 19) Von Piron auß Frankreich. 20) Von General Wahlstein. 21) Von dem Einzuch des jetzigen Könniges in Engelandt. 22) Der Geist von krumwell. 23) Von der bestendigen Lugretia. 24) Von der Enthaubtung Johanniß. 25) Von demTyrannischen Könnich Noron. [= das niederländische „De veinzende Torquatus“] Auch vnderschiedliche schone Pastorellen, welche mit lieblicher music auff dem deatro wird außgezieret wie auch mit allerhandt schonen scheffer Balletten geschlossen werden. 10. April bis 21. Juni 1681: Verzaichnus der Comoedien, So Wier [Michael Daniel Treu] Vor Ihr. Churfürstl. Durchl. Vnßern Gnädigsten Herren, Zu Hoffe, Zu Dachau Vnd zu Schleißheim agiret haben Wie Volgt18: 1. den 10. Apriel Zu Hoffe, den Gottloßen Rodrich. 2. den 13. Apriel, die Alamoda. 3. den 27. May, den geist von Crombel. 4. den 29. May, Von den Zwey Mießgünstigen Schwestern. 5. den 7. Junj Zu Dachau, Zwey Poßen Spiel. 6. den 11. Junj Zu schleißheim, Von Silvia Vnd Amintas. 7. den 21. Junj Zu Hoff, Von dem großmüthigen Altamiro.

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Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Hofamtsregistratur. Theater und Hofmusik. Fasc. 5. Nr. 29. (Nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, 1889, S. 310)



Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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25. November bis 30. Dezember 1683: Verzaichnüs der 9 Comoedien, so Wier [Michael Daniel Treu] Vor Ihrer Churfrl:Durchl., Vnßern Gnädigsten Herrn, in Dero Residenz [München] Vorgestellt haben. Anno 168319: 1. Den 25. Novemb., Daß Friede Wintschende Teitschlandt. 2. Den 28. Novemb., den Vermeinten Fischers Sohn. 3. Den 1. Decemb., Daß durch die Liebe Veruhrsachte Trauer Spiel. 4. Den 5. Decemb., Den Streidt zwieschen Ehr Vnd Liebe. 5. Den 10. Decemb., Die getreue Sclavin Doris. 6. Den 13. Decemb., Den geistlichen Andronicus. 7. Den 26. Decemb., Die Siegende unschult. 8. Den 28. Decemb., Die Liebes Probe. 9. Den 30. Decemb., Der unschuldige bruder Mordt. 1681–1685 spielte der Prinzipal Michael Daniel Treu am Bairischen Hof zu Schleißheim bei München:20 1) Der gottlose Roderich. 2) Das durch die Liebe verursachte Trauerspiel. 3) Die siegende Unschult. 4) Die getreue Sklavin Doris. 5) Der geistliche Andronicus. 6) Das Friede wintschende Teitschland. 7) Der vermeinte Fischerssohn. 8) Die Alamoda. 9) Der Geist von Crombel [Cromwell] 10) Die Liebes Probe. 11) Die beständige Christabella. 12) Das beneydte Glück. 13) Das verhönde und wieder bekröhnte Liebes Parr. 14) Der Durchlauchtige Kohlbrenner. 15) Der großmüthige Rechtsgelehrte Papinianus. 16) Den unschuldigen Bruder Mordt. 17) Der Streidt zwischen Ehr und Liebe. 18) und 19) zwei Possenspiel. 20) Von Silvia und Aminta.

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Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Hofzahlamtsrechnungsbelege. Beilage zur Quittung vom 31. Dezember 1683. (Nach Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, 1889, S. 310) Trautmann, Karl: Italienische Schauspieler am bayrischen Hofe. In: Jahrbuch für Münchner Geschichte, Bd 1, München 1887, S. 257. – Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXXI. – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 69–70. – Flemming: Das Schauspiel der Wanderbühne, Leipzig 1931, S. 57–58.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

21) Von dem großmüthigen Altamiro. 22) Teutsche Comedi Doctor Johann Faustus. 1667 – Die Truppe des Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz gastierte im Frühjahr am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz in Mannheim. Sie nannten sich ab nun Churpfälzische Compagnie Comoedianten. Ihr Repertoire in Mannheim:21 1. Die getreue Leibeigene. 2. Der durchlauchtige Kohlbrenner. 3. Die Dolobella oder der schöne Betrug. 4. Don Gaston oder Spiegel wahrer Freundschaft. 5. Der unschuldig verdambte. 6. Der Wettstreit der Verzweifelnden. 7. Pirus und Ariane. 8. Der gezwungene Freund. 9. Die mahlende Liebe von Odia und Prospero. 10. Von dem christlichen Bassa Ibrahim 11. Die epirische Krönung. 12. L’Argia, Prinzessin von Nigroponte. 13. Der durchlauchtige Mahler. 14. Die epirische Krönung. [Siehe Nr. 11.] 15. Die tolle Hochzeit von der böß Katharina. 16. Die Olympia. 1667 im Dezember spielte diese Truppe erneut am Hof des Churfürsten Carl Ludwig von der Pfalz in Mannheim folgende Comoedien:22 2. Dezember: Der unschuldig verdambte 4. Dezember:  Der Wettstreit der Verzweifelnden [Rudin hält dieses Stück für Johann Martins „Liebes Verzweiffelung“.] 6. Dezember:  Pirus und Ariame [= „Styrus und Mariame“ des Holländers Jacob Struys, 1629. Aufführung in Rothenburg a.  d. T. 1669 durch die Truppe des Peter Schwarz; ebenso 1720 in Heidelberg unter dem Titel „Der eyfersüchtige Student / und tyrannische Liebhaber“.] 9. Dezember:  Der gezwungene Freund [Nach Lope de Vegas Komödie „El amigo por Fuerza“; von Isaak Vos ins Holländische übertragen unter dem Titel „Gedwongen vrient“:]

21 22

Abgedruckt in Asper, Helmut: Spieltexte der Wanderbühne. Wien 1975, S. 148, Anm. 52. Samt Erläuterungen in Bärbel Rudin: Liselotte von der Pfalz als Theaterpatin. In: Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt 2008, Jg 12, S. 12–13.



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11. Dezember:  Die mahlende Liebe von Odia und Prospero [Nach Lope de Vegas „El Molino“; für das Holländische bearbeitet von Theodor Rodenburgh unter dem Titel „Hertoginne Celia en grave Prospero“, 1617.] Von dem christl. Bassa Ibrahim 13. Dezember:  16. Dezember:  Die epirische Krönung [= „Die dreifache Krönung von Epiro“ nach James Shirleys Tragicomoedia „The Coronation“, 1640.] 17. Dezember:  L’Argia, Prinzessin von Nigroponte [Nach der Festoper „L’Argia“ von Giovanni Filippo Apolloni, Musik von Pietro Antonio Cesti, 1655 in Innsbruck aufgeführt.] 18. Dezember:  Der durchlauchtige Mahler [Nach Cicogninis „La Orontea“, Musik von Marc Antonio Cesti.] 19. Dezember:  Die epirische Krönung. Die tolle Hochzeit von der böß Katharina [Wortgetreue Überset20. Dezember:  zung aus dem Englischen durch den Holländer Abraham Sybant „De dolle bruyloft“, 1654. Jänner 1668: Peter Squenz. 1669 verzeichnete der Ratsherr Georg Schröder den Titel und ausführlichen Inhalt von einigen Stücken, die er in Danzig von der Truppe des Carl Andreas Paulsen aufgeführt gesehen hat23: 5. Sept. Comoedia von Ibrahim Bassa und der Isabellen. 12. Septemb. Comedie Der Irrgart der Liebe. 1. Octob. Tragedie von der H. S. Margaretha und dem S. Georgio. IV. Commedia von der Dulcimunda. V. Commedia vom D. Fausto. VI. Der Prinz wird ein Schuster. VII. Zuletz bekompt der Narr doch das beste. VIII. Comedia vom Liebes Gespänste.24 23



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Georg Schröder (1635–1703) hatte in Leipzig und Leiden studiert und seine Bildung auf einer Reise durch England, Frankreich, Italien, Deutschland und Polen vervollständigt. Sein Quodlibet oder Tagebuch ist erhalten in der Stadtbibliothek Danzig, Sig. III A fol. 36. Andere Kollektaneen Schröders enthalten die Handschriften X fol. 30 und X fol. 50. (Nach Bolte: Das Danziger Theater im 16. und 17. Jahrhundert, S. 10) Die Titel sind abgedruckt in Hagen: Geschichte des Theaters in Preussen, 1854, S. 95–99. – Creizenach: Die Schauspiele der englischen Komödianten, 1889, S. XXXI. – Bolte, Johannes: Das Danziger Theater im 16. und 17. Jahrhundert (= Theatergeschichtliche Forschungen, Bd 12, 1895, S. 104–117). – Herz: Englische Schauspieler und englisches Schauspiel, 1903, S. 69. Der Inhalt ist bekannt aus Schröders Tagebuch (abgedruckt bei Bolte: Danziger Theater, S. 110). Bolte (Danziger Theater, S. 117) hält dieses Spiel für eine Bearbeitung von Calderons Komödie „El galan fantasma“ (1637), das Quinault 1659 unter dem Titel „Le fantôme amoureux“ ins Französische und Lingelbach 1664 ins Holländische („De spookende Minnaer“) übertragen hat.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

1674 und 1679: Carl Andreas Paulsens Repertoire in Dresden (Fortsetzung der vorhergehenden Repertoireliste)25: 1) Prinz Sigismondo. 2) Die Liebesprobe. 3) Der kluge Knecht Mascarillia und der einfältige Herr. [Liebeskampf 1630] 4) Crispin und Crispiniana. [= Nr. 6: Der Prinz wird ein Schuster. Nach William Rowley: A Shoemaker a Gentleman, 1638. In Wien erscheint 1752 die Komödie von Alain-Rene Le-Sage „Crispin, rival de son maitre“.] 5) Alarich 6) Aspasia. 7) Die verführerische Alamoda. 8) Das veränderliche Glück. 9) Der alte Geizhals. [Molière: L’Avare. 1667] 10) Der treue Kerker. [Siehe Velthen-Verzeichnis 1679, Nr. 30.] 11) Genoveva, Pfalzgräfin zu Trier. 12) Das grosse Ungeheuer, oder Der eifersüchtige Herodes. [Calderon: El mayor monstruo los celos, 1637.  – Französisch von Tristan l’Ermite: Marianne. – Italienisch von Cicognini 1670. – Holländisch von K. Lescailje 1685.] 13) Das durchlauchtige Bettelmädchen. 14) Der beklägliche Zwang. 15) Josepho der Jude von Venedig. 16) Die gottlose Königin Odomire. 17) Mum [Possenspiel] 18) Des Schneiders Weib im Sacke. [Possenspiel] 19) Der alte geizige Pantalon. [Possenspiel] 20) Visibilis und invisibilis. [Englische Comödien 1620: Pickelherings Spiel, darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen machet] 21) Der Dachdecker. [Possenspiel]

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Wohl dasselbe Stück war das im September 1695 von den Merseburgischen Hofkomödianten unter H. R. Richter in Nürnberg gegebene Nachspiel „Das verliebte Nachtgespenst“ und die im Juni 1741 zu Frankfurt a.  M. von Wallerotty aufgeführte Burleske „L’amore vuol politica, oder das verliebte Nachtgespenst“. Das „Verliebte Gespenst“ (1660) von Andreas Gryphius scheint jedoch einem anderen Themenkreis anzugehören. Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hof zu Dresden, Theil 1, 1861, S. 244–253. – Bolte, Johannes: Das Danziger Theater, 1895, S. 104–122. [Die wahrscheinliche Vorlage für die deutschen Bearbeitungen ist in Klammer angegeben, soweit sie nicht schon bei den erhaltenen Manuskripten verzeichnet ist.]  – Carl Andreas Paulsen (1620 – ca.1679) soll schon sehr früh eine eigene Truppe gebildet haben. Im Juli/Aug. 1665 ist der Hamburger Comoediant Carl Andreas Paulsen mit seiner Truppe in Basel nachweisbar [Fehr, S. 140]: In den 70er Jahren spielt er in Kiel und Kopenhagen. 1674 zog Paulsen nach Wien. Paulsens Truppe setzte schon vor Velthen eine weibliche Komödiantin ein: Seine Gattin Anna Paulsen, die 1672 von Kopenhagen nach Petersburg berufen wurde.



22) 23) 24) 25) 26) 27) 28) 29) 30) 31) 32) 33) 34) 35) 36) 37) 38) 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49) 50) 51)

Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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Die Bauernhochzeit. [Possenspiel] Pickelherings Anatomie. [Possenspiel. Molière: Malade imaginaire] Der Speckdieb. [Possenspiel] Das Fleischermädchen. [Possenspiel] Der Niesende. [Possenspiel] Pickelherings Schuldner. [Possenspiel] Der Marktschreier. [Possenspiel] Die Perle. [Possenspiel. Auch von Velthen 1690 gespielt.] Der gestopfte Pickelhering. [Possenspiel] Jungfer Capitain. [Montfleury: La fille capitaine. 1672] Drei Orontes [Boisrobert: Les trois Orontes. 1652] David und Bathseba. Der neue Fund, den Teufel zu betrügen. [Velthen 1688: Des Teufels Betrug. Nach Robert Davenports „A New Trick to cheat the Devill“, 1639.] Das beneidete Glück. Der künstliche Lügner. [Calderon: Lances de amor y fortuna. 1635] Die grosse Königin Orontea. Die glückliche Eifersucht. Die Eifernde mit sich selbst, oder die betrügliche Maske. [Boisrobert: La jalouse d’elle même. 1649] Amor der Arzt. Schreiber und Koch. [Possenspiel. – Auch von Velthen 1690 gespielt.] Capitain Sta. [Possenspiel. Velthen 1690: Capitain Colwey] Der freiwillige Hahnrey. Der ausgestopfte Pickelhering. Mascarilias. Jodelet. Scabins Betrügereien. [Molière: Les fourberies de Scapin. 1671] Die Perle. Hamlet. Tiberius von Ferrara und Anabella von Mömpelgard. Der stumme Ritter, oder Vntrew schlecht ihren eygen Herrn.

1679 legt der Prinzipal Johannes Velthen folgendes Spieleverzeichnis seinem Spielansuchen am kurpfälzischen Hof Carl Ludwigs in Heidelberg und Mannheim bei26: 26

Im Jahr 1679, wahrscheinlich im Juni, spielte Mag. Johannes Velthen aus Halle vor Kaiser Leopold I. in Worms. Während der Herbstmesse trat er mit seiner sächsischen Komödiantentruppe in Frankfurt auf. Von hier aus begann Ende September 1679 Velthens Briefwechsel mit dem kurpfälzischen Hof. Velthens Agent Zunner verhandelte mit einem Herrn von Schmettau, der wohl zum engeren Hofstaat Carl Ludwigs gehörte. Die Repertoireliste ist

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

1) Die Heylose Arabische Königin Odomire. 2) Die Kroonsüchtigen Brüder Alari und Somiro. 3) Die Glückseelige Eifersucht zwischen Rodrigo König von Valenz und Delmira Printzeßin von Arragonien. 4) Die Unschuldig vertriebene Genoveva Gräfin von Trier. 5) Die durch List verwechselten Königskinder oder Carl und Margreta. 6) Der Ehrliche Kupler. 7) Der Unschuldig verbannte Fürst Heinrich von Wallis. 8) Die Verliebte Königin Arthemisia. 9) Die Verstellte und Manhaffte Semiramis. 10) Der Großmütige Altamiro, und die Verliebte Keyserin Ormonda von Trapezunt. 11) Der in die Batseba verliebte David. 12) Der seltzame Irrthum, entsprungen auß Gleichheit der Angesichter. 13) Der türkische Kayser Soliman, Mitfreyer seines Groß-Veziers Osimans. 14) Dolobella oder der Schöne Betrug. 15) Die glückselige Verzweiflung. 16) Die Epirische Krönung. (war gut) 17) Der im Kriege verirrete und in der Liebe verwirrete Persianische Soldat Selimor. 18) Der Eiserne König. 19) Die doppelt verlobte Königs Brauth. 20) Die verwechselte Brauth und der betrogene Bräutigam Jacob. 21) Die unglückseelige Eifersucht zwischen Herodes und seiner Gemahlin Mariane. 22) Die Liebes Probe. 23) Der Eiserne Disch. 24) Rollo und Otto Gebrüdere, Hertzogen von Normandie, umb die Regierung streitende. 25) Der Große Liebes Irrgarten. 26) Der Ritter Georgius und die H. Margareta. 27) Die gestraffte Kroonsucht. [von anderer Hand:] (Ord. Possensp. 10 R.) 28) Don Gaston von Moncada oder Ehr und tugend spiegel, deß gantzen weiblichen Geschlechts. [von anderer Hand:] (2. Possensp. Pyr. u. Tisbe 20 R.) 29) Die Ägyptische Sclavin Doris. 30) Melißa oder der getreue Kercker. 31) Printz Sigismundus von Pohlen. 32) Die betrügliche Fräulein a la Mode. 33) Des großen Alexanders Mord Panqueet, auf welchem Clytus erstochen wird. 34) Das Durchläuchtige Bettel Mägdlein.

abgedruckt in Speyer, Carl: Magister Johannes Velthen und die sächsischen Hofkomödianten am kurfürstlichen Hof in Heidelberg und Mannheim. In: Neue Heidelberger Jahrbücher, Neue Folge 1926, S. 73–77.



34) 35) 36) 37) 38) 39) 40) 41) 42) 43) 44) 45) 46) 47) 48) 49) 50) 51) 52) 53) 54) 55) 56) 57) 58) 59) 60) 61) 62) 63) 64) 65) 66) 27

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Der beklägliche Zwangk. Der in seinen Herrn verkleidete Knecht. Der Protzige Leo und Philippus der gute. Der gottlose Jan, oder Don Petro todten Gastmaal. Die Heldin Judith. Titus und Aran, oder Rache und Gegen Rache. Der große Tamerlan. Der reiche Jude von Venedig. [von anderer Hand:] 3. Possenspiel Impost. Tartuffe 20 R. Aurora und Stella. Der gottlose Rodrig. Albertus Wallenstein, Hertzog von Friedland. Die böse Catharina. [von anderer Hand:] 4 Possenspiel Gentilh. Bourgeois 10 R. Der Spanische Berg-Mann. Die Liebes Verzweiflung. Der Vermeinte Printz. Die Jungfern Tragoedie. Der Behende Dieb. Alexanders Glücks und Unglücksprobe.27 Alexander de Medicis, Großhertzog von Florentz. L’Ecole de Maris oder die Männer-Schule. L’Ecole der Femmes. Die Frauenschule. La Conteße d’Orgueile. Die Gräfin von Hochmuth. La fille Capitaine. Der Jungfern Capitain. Mons. Pourcegnac. Der künstliche Lügener. Der Dreyfache Bräutigam Oront. L’Imposteur Tartuffe. Le Gentilhomme Bourgois. Der Bürgerliche Edelmann. Mascarilias und Oratin. (l’étourdi) Les fourberies de Scapin. Les pretioses ridicules. Die Köstlich lächerlichen Jungfrauen. Le cocu imaginaire. Le cocu volontaire. Der Inhalt ist überliefert auf einem in der Breslauer Stadtbibliothek erhaltenen Theaterzettel der Badener Komödianten: Dinstags den 18. October Soll den Großgünstigen Herren Zuschauern auffgewartet werden mit einer gantz Neuen, vortrefflichen und wohl sehenswürdigen Action, welche wenig ihres gleichen hat. Und wird genandt Alexanders glücks und Unglücks-Probe. (Mit Personenverzeichnis und Inhaltsangabe der fünf Handlungen. Abgedruckt bei Richter, Werner: Liebeskampf, S. 221–225). Der Titel ist auch im Weimarer Verzeichnis Nr. 113 angeführt.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Georg Dandin. Die mit sich selbst Eifernde. L’Avar oder der Geitzige. Amor der beste Artzt. Jodelet oder sein selbst Eigener Kercker-Meister. Daß bekehrte Sachsenland, oder die zerstörte Irmenseul. Die Vorsüchtige Tollheit. Die Versäumte Gelegenheit. Der Verwirrete Hoff von Sicilien. [von anderer Hand:] (5. P. sp. M. de Pourcaugnac. 20 R.) 78) Die Rache zu Gibeon, oder die Sieben erhenkten Söhne vom Hause Saul. 79) Le Cit. oder Rodrig und Schimena. 80) Die große Aigyptische Königin Oronthea. 81) [durchgestrichen:] Der grausame Todt dehrer Brüder Johann und Cornelius de Witt. 82) Der Engeländische Liebes Rebell. 83) Der Neue Fund den teufel zu betrügen. [von anderer Hand: 6. Exc. des Femmes 10 R.] 84) Der große Narren-Spital von Valentz. 85) Celia und Prospero oder die Mahlende Liebe. 86) Die Ehrliche Verrätherey. 87) Ernelinde. [von anderer Hand hinzugefügt: Peter Squentz]. 67) 68) 69) 70) 71) 72) 73) 74) 77)

[1679] Liste der Comoedien und farcen so die sogenannte Sächsische Bande Comoedianten zu Heidelberg und Friedrichsburg gespielt [Velthen-Truppe]28. Freytags den 24.ten October zu Heydelberg im Schloß die Epirische Krönung, davon das Nachspiel von des Schneiders Frau und der Kuplerin so Churpfalz wohl gefallen. Sambstag den 25.ten October zu Heydelberg im Schloß: Seltzahmer Irthumb wegen Gleichheit der Gesichter, das Nachspiel war amour Medecin. Sambstag den 1. November zu Friedrichsburg. Glückseelige Eifersucht zwischen Rodrigo König von Valentz und Delmira Prinzeßin von Arragonien, das Nachspiel: qui vult fieri invisibilis. Der Bruch ins Loch [?] da es finster ist. Den 3. dito. Der Ehrliche Kupler. Nachspiel George Dandin. Den 6.ten dito. Mascarilias und Oratin. Nachspiel L’Ecole des Maris und noch ein Poßenspiel. Den 7. Comoedie von Aurora und Stella, das Nachspiel Pretieuses ridicules. Den 8.ten Der großmütige Altamiro. Nachspiel les Fourberies de Scapin.

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Das Kurfürstlich Sächsische Hofprivileg gehörte von 1679–1712 der Velthen-Truppe. Ab 1727 ging es an die Elenson-Haacke-Hoffmann-Truppe.



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Mitwochs vor Jhrer Churprinzlichen Durchlaucht gespielet die Comoedie genandt die Ägyptische Sclavin Doris. Donnerstag vor Jhrer Churprinzlichen Durchlaucht die Comedie genandt daß veränderliche Glück. Freytag vor Jhrer Churprinzlichen Durchlaucht und der gantzen Hoffstadt die Comoedie genand Don Gaston de Moncada auf Begehren von Worth zu Worth lauth der Comoedie im Originaal. Sambstag. Die Comoedie genandt Der Persische Soldaat Selimor. Specification derjenigen Comoedien und Nachspiel so Churpfalz zu spielen zu werden [?] resolvirt.29 Freytag: Comoed. Don Gaston de Moncada mit dem Poßenspiel Peter Squentz. Sambstag. [durchgestrichen: Der reiche Jud von Venedig] Arabische Königin Odomire mit dem Poßenspiel l’Imposteur Tartuffe. Montag. Der Verwirrte Hoff von Sicilien undt [durchgestrichen: Marquis de Poursoignac.] Dienßtag [durchgestrichen: Neuer Fund den Teufel zu betriegen] Das durchlauchtige Bettelmägdlein, mit dem Nachspiel Ecole des femmes. Die gestrafte Kronsucht und Vorsichtige Tollheit undt 2tens. Die Böße Catherine. 1680 verzeichnet Herzog Ferdinand Albrecht I. zu Braunschweig und Lüneburg theatralische Aufführungen der Elenson- und der Velthentruppe im neuen und reich ausgestatteten Komödiensaal seines Schlosses zu Bevern30: 3. August 1680: Kurtzweilige vnd Lustige Comoedia von Sidonia vnd Theagene. Andreas Elenson-Truppe: 23. August 1680: Die bewegliche Tragoedia der dolle Marschalck aus Spanien. Nachspiel: Die Bezwungene liebe des Sianarelles. [Moliere: Le mariage forcé] 24. August 1680: Die bewegliche Tragi-Comoedia: des zerstreueten vnd wieder erfreueten Fürstlichen paars, oder das verhönete Fürsten paar. 25. August 1680: Printz Pickel-hering, eine Lustige Comoedia. Nachspiel: Pickel-herings Academie. 26. August 1680: Der Schein-heilige Mennonist, eine artliche Comoedie.  [Moliere: Tartuffe] 29 30

Komödien, die zur Aufführung ausgewählt wurden „Kriegs- Mord- und Todt- Jammer- und Noht-Calender für das Jahr 1680“ (Original in der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. M: Ne 394.1), veröffentlicht durch Paul Zimmermann: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern. In: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, Jg. 3, 1904, S. 111–156.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts



Nachspiel: Vom Pickel-hering vnd Schulmeister, genandt: Ich ken euch nicht. [J. Bara: Ik ken je niet. 1664] 27. August 1680: Tragoedia: Romio vnd Juliette oder der Streit zwischen denn Montagesern vnd Cappalitaneren. Nachspiel: Gott lob vnd danck das der korb fertig. 28. August 1680: Tragoedia vnd Martyrium Polyectus oder der Christliche Ritter. Johannes Velthen-Truppe: 4. October 1680: Tragoedia vnd operos Werck: Die vmb die Krone Streitende Brüder Alari vnd Somiro. Nachspiel: Amor der Artzt. 5. October 1680: Tragi-Comoedia: die verwechslete Königes Kinder. 6. October 1680: Comoedia genandt: der Bürgerliche Edelmann. [Moliere: Le bourgeois gentilhomme] Nachspiel: Von einem dummen Knecht, der sich von Beutelschneidern lies den Wein aussauffen, vnd kauffte ein Schwein vor 50 Rth., so 5 Sprachen reden konte. 7. October 1680: Tragicomoedia: Die vorsichtige Tollheit. [Joris de Wyze: Voorzigtige Dolheit, 1650; nach Lope de Vega: El puerdo loco] Nachspiel: Die Köstliche Lächerlichkeit. 8. October 1680: Tragicomoedia, genandt: Der schwere sündenfall, Oder: David vnd Batseba. Nachspiel: Proverbium: Varietas delectat. 11. October 1680: Comoedia genandt: Die Standhaffte Genoveva Chur-Pfaltzgräffin von Trier. Nachspiel: Die Vnsichtbarkeit. 12. October 1680: Tragikomoedia. Die Ehrliche Verrätherei, oder Don Gaston. Nachspiel: Comoedia von 5 Actus tituliret: Wunderliche Verwirrung. [Shakespeare: Comedy of errors] 13. October 1680: Der Englische Erbes Rebell. Haupt-Tragicomoedia. Nachspiel: Prima regula Juris est negare. 14. October 1680: Tragicomoedia: Le Cid oder Liebes-geschichte Rodorigen vnd Chimena. Nachspiel: Der Verwirrete Eheman. [Molière: Georg Dandin] 15. October 1680: Tragoedia vnd wahre historia, tituliret: Der Berühmte Römische General Titus Andronicus vnd grausamer Tyran Aran Gottischer Mohren General. 19. October 1680: Comoedie Das dreifache verliebte Paar. 22. October 1680: Tragi-Comoedia Die dreifache Krönung von Epiro, war ein haupt-stück von Statssachen.



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1689 und 1690 spielte die Truppe des Johannes Velthen in Torgau am Hof Johann Georg III., des Kurfürsten von Sachsen (gest. 1691)31: 1689: Don Jaschet von Armenien. Der eiserne König. Die Jungfer Studentin und mehrere Possenspiele.32 Januar und Februar 1690: Prinz Sigismund in Pohlen. Mascarillas. Die versäumte Gelegenheit. Die Verdrießlichen (Le Misanthrope). Der Ritter St. George. Der künstliche Lügner (nach Goldoni). Der Verirrte Soldat. Der ehrliche Kuppler. Sein selbst eigner Gefangener. Die Männerschule. Unmögliche Möglichkeit. Der bürgerliche Edelmann. Das veränderliche Glück. Odomira. Der große Rechtsgelehrte Papiniano. Glückliche Eifersucht. Herzog von Belvedere. Genoveva. Altamiro. Aspasia. Wallenstein. Trappolino (Zweiter Theil). Die närrische Wette. Der gottlose Roderich. Ulysses und Penelope. Don Juan oder des Don Petro Todtengastmal (Siehe Weimarer Verzeichnis Nr. 59 und 158.) Alexanders Liebessieg . 31 32

Angeführt in Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe der Kurfürsten von Sachsen, Teil 1, Dresden 1861, S. 307–308. In diesem Jahr war das Etat für Kapelle und Theater 17200 fl, davon 2000 fl. für die Komödianten. – 1689–1690 wurden für Veränderungen am Komödienhaus 2950 fl. verausgabt.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Dazu die Possenspiele: Koch und Schreiber. Doctor aus Noth. Kapitain Kolwey. Die gezwungene Heirath. Der Blasebalg. Ich kenne dich nicht. Der gezwungene Arzt (Molière: Le medecin malgrè-luy. Paris 1674, Amsterdam 1675). Die Perlen. Varietas delectat. Die drei bravherzigen Schwestern. Der französische Geist. Der betrogene Sicilianer. Die alte Kuplerin. Cackerlacu. Der verzauberte Kikel. Graf Schornsteinfeger. 25.  Juni 1683: Ansuchen der Eggenbergischen Komödianten an den Markgrafen Johann Friedrich um eine zeitlich begrenzte Spielerlaubnis am Ansbacher Hof, da dessen Schwiegervater Johann Christian, Herzog von Crumau und Fürst zu Eggenberg, gestorben und in Krumau ein Trauerjahr angesagt war. Beigefügt ist eine Specification der Newen Comoedien, welche wir, ausser den andern, so reisende Comoedianten agiren, bey unß haben33: 1. Der fall des weltschrökens Attila. 1. das 1te Brüder Paar Romulus vnd Remus. 2. der grosse Pyrrhus. 3. der Assyrische Majestäts:Sclav. 33



Das heißt also, dass es sich bei dieser Liste nicht um das gesamte Repertoire handelt, sondern nur um die neu einstudierten Stücke. (Der Ansbacher Markgraf Johann Friedrich starb drei Jahre später, am 22. März 1686, im 33. Lebensjahr). – Die Eggenbergische Truppe war die Nachfolgetruppe der Innsprugger Comoedianten, ab 1675 im Dienst des Fürsten Johann Christian zu Eggenberg. Sein Tod bedeutete auch das Ende des Eggenbergischen Komödianten-Engagements in Böhmisch Krumau. Als „Eggenbergische Komödianten“ unter ihrem Prinzipal Karl Samuel Hammer [= Karl Samenhammer] spielten sie vom 9. Sep. 1696 bis 28. Feb. 1697 in Basel, Bern, Solothurn, Schaffhausen und Zürich. Die Repertoireliste ist abgedruckt bei Sachs, Curt: Die Ansbacher Hofkapelle unter Markgraf Johann Friedrich (1672 bis 1686). In: Sammelbände der Internationalen Musikgesellschaft, Bd XI, Leipzig 1909/10, S. 133. – Ebenso bei Asper, Helmut G.: Kilian Brustfleck alias Johann Valentin. Petzold und die Eggenbergischen Komödianten. In: Maske und Kothurn, Jg 16, Köln/Graz 1970, S. 27. – Ebenso bei Ludvik, Dusan: Die Eggenbergischen Hof­ko­mö­ diaten. In: Acta philologica, Bd 3, 1970, S. 84.



4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

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das beneüdte glik. Die Entführung der Sabinerinnen. die Ehrliche verrätherey. die beständige Crisella. der eyfersichtige libestyrann Tristifidus. die beständige Pfaltzgräfin Genoveva. die großmüthige freundtschafft. der Liebes wettstreit: oder Pharanges. der grosse Kayser Conradus. das gröste vngehewer. die weisse mohrin. – die mayestätische glickes vnd Liebes-Verwirrung : Zwey Theil: die verwechselte lieb.

1718–1719: Repertoire der Victoria Clara Bönicke in Riga34: 31. Oktober 1718: Adam und Eva. 14. Oktober: Adelheid. 10. Dezember: Albideo. 4. November: Alexanders Unglücks Prob. 20. April: Artemisia. 8. November: Aspasia. 8. und 15. Dezember: Atis. 1. Dezember: Beklägliche Zwang. 3. November Bezauberte Hof. 14. Mai und 5. Dezember: Cain und Abel. 21. Oktober: Crispinianus. 24. Oktober: David und Bathseba. 29. April 1718 und 6. Februar 1719: Disa. 34 Nach Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Sitzungsberichte der Preussischen Akademie der Wissenschaften vom 21. Juni 1934, philosophisch-historische Klasse, Bd XIX), S. 473–479. Heinrich Wilhelm Bönicke war zuerst Mitglied der Velthen-Truppe, 1707–1709 spielte er in Wien unter Stranitzky, 1714 trat er als Bayreuthischer und Baden-Durlachscher Hofkomödiant in Nürnberg und Leipzig, 1715 in Frankfurt auf. Nach seinem Tod leitete seine Witwe Victoria Clara Bönicke die Truppe. Sie trat 1716 in Nürnberg und während der Wintermonate 1717–1719 in Riga auf. Hier geriet sie in Zahlungsschwierigkeiten; in den Rigaer Ratsakten finden sich ihre ausführliche Spezifikation der Einnahmen und Ausgaben sowie die oben angeführte Liste ihrer Aufführungen. – Im folgenden Jahr schließt sie sich in Königsberg der vom Zarenhof aus Russland zurückgekehrten Truppe des J. C. von Eckenberg an; sie ist nun mit einem früheren Mitglied ihrer Truppe, mit Johann Hinrich Mann, vermählt. 1722 kehrt die Mann-Familie nach Riga zurück .

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

24. November: Don Petro. 22. Oktober: Doris. 17. Oktober: Ehrliche Verräther. 5. November: Faust. Genovefa. 12. Jänner 1719: 15. Oktober: Gottlose Roderich. 20. Oktober: Hunnerich. 13. Februar 1719: Lier. 28. Oktober: Luxemburg. 9. Februar 1719: Masanyello. 12. Jänner 1719: Mirminde. 7. Jänner 1719: Nero. 19. November: Oratin. 29. Oktober: Papinianus. 9. Dezember: Perseus. 30. Oktober: Printz Harlekin. 20. November: Reiche Mann. 27. Oktober: Roderich und Delmira. Sabiner Raub, 1. und 2. Theil. 28. und 29. Jänner 1719: 15. November: Schottland. 13. Dezember 1718 und 15. Jänner 1719: Selimor. Sigismund. 14. Jänner 1719: 2. und 15. Mai 1718 und 11. Februar 1719: Statua. 10. Februar 1719: Tartuff. 24. April 1718 und 26. Jänner 1719: Teutschland. 2. Jänner 1719: Ulisses. 6. Oktober: Unmögliche möglich. Verhehnte Liebespaar. 16. Oktober: Verlohrne Sohn. 28. November: 11. Dezember: Wagner.



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Um 1710: Weimarer Verzeichnis eines unbekannten Schreibers35: (benannt nach dem Fundort, betrifft jedoch ursprünglich die Stadt Nürnberg) 1) Der von den tirckeschen keiser solyman um seine tugent und sieges Ehr beneidete groß veszir osman, auch der von seinen bruder selim und könig origon aus armenien um seiner unrecht messigen liebe willen gegen des osmans weib und anderer tiranischer thaten halben nider geseibelte tirckische sulyman oder der sich zur beschüzung seines lebens in seinen hirn veruckt stellente selym bruder des solymans. Der sich um seine geraubte braut an den sulyman rächende orichontes aus armenien, und dem von orichontes und selym befreiten osman. 2) Der sein selbst Eigener gefangenmeister printz fedrig von sicillien an des königs von Neapolis landschafft in einen schloß. Die beiden verheiraten prinzesinen von Neapel an die 2 prinzen von sicillien. Der fir prinz fedrig gehaltene pickelhering. 3) Das den friden von sich Jagende, und herna denselbigen wider sich winschente und zu sich erbittente teutschland, das die 4 alten teutschen helten, ariovisten oder Ehrnvest, arminium oder herman, Claudium Civilis, und Wittekindum ver … te [unleserlich] und hergegen die wollistigkeit liebente teutschland. 4) Das verwirt königreich pollen, der warhafftige traum des prinz sigismunti, die andrettente regirung. 5) Die von dem perseum von den trachen erledigte, und sich dem perseum vermehlende prinzesin aus aethiopien Andromeda. 6) Der in underschidlichen stucken sich tum erweisente herr, und hingegen desen arglistiger und kluger knecht. 7) Das grosse panquet der götter und die von paris geraubte hellena aus grichenland. [Gottsched, I, S. 203: Paris und Helena, Ballet mit Gesang von David Schirmer, in Dresden gehalten 1650.  – Gottsched, I, S.  251: Die geraubte Helena. Oper. Weißenfels 1687.] 8) Der rasente orlando, sampt den Nerischen sackerpan desen schelmerei und straffe. 9) Der reiche man und arme lazarus, deren beeder todt, und auffenthalt nach demselben. Bibl. [Schon 1608 auf Greens Repertoire in Graz] 10) Die vorsichtige Dolheit des königs aus albanien, desen undreue stiffmutter, und deren fall. 11) Die in eine steinere stadua verlibte prinzesin adamira aus Nordwegen. 12) Der grosse weltschrecken tamerlanes samt desselbigen stürzung und fall. 13) Der bedrogene Jacob, mit seinen beyden breiten rahel und lea. Bibl. 14) Der von seinen ungeratenen 2 töchteren bedrübte könig liart von Engelant. 15) Das grosse Carneval in Venedig, die grosse Verbindnuß der Venediger und Ciprier wider den Dürken. 35 Mit Kommentaren abgedruckt in Meissner, Johannes: Die englischen Komödianten in Oester­reich. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, Jg. 19, Weimar 1884, S. 145–154.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

16) Der Eifersichtige konig herodes ascalonida über sein weib und keiser octavianum. Josephus. 17) Der über begangenen Ehbruch und mord buß wirckente könig Davidt in Jerusalem. Bibl. 18) Der tyra[nn]ische attilla könig der hunen und gotten sampt desen untergang. 19) Der gedreue, falsche, und simulirente freund samp der standmüttigen Liebe. 20) Die unschultig verdriebene pfalzgräfin genoveva, sampt deren wiedereinsezung. 21) Daz verhönte liebes paar oder der zerstreute und wieder erfreute firstenstamm. 22) Der durch Rach [?] und lieb beglikte philareus der freundliche freunt sampt einem schatten werck [?]. 23) Die gestraffte geilheit. 24) Das durchleuchtige bettelmädgen oder unglück über unglück. 25) Das durchleuchtige müllermädgen. 26) Die wunderthättige liebe oder der fall und erlössung des menschlichen geschlechts. 27) Das leben und todt des heiligen Eustachii oder der cristliche acteon. 28) Der ander theil des Eustachii. 29) Der tolle marschalck aus spanien. 30) La Cinttia serva von Jederman gelibt. 31) Der von seinen brüttern verkauffte Joseph. Bibl. [Siehe Nr.  32, 33 und 124, 125. – Auch Christian Weise schrieb eine Komoedie „Vom Keuschen Joseph“. In: Lust- und Nutz der Spielenden Jugend, Dresden/Leipzig 1690.] 32) Die herlichkeit Josephs in Egybten. Bibl. 33) Der Erfreutte Jacob oder die frollige widerfindung Josephs in Egypten. Bibl. 34) La fille Capitain oder der Jungfer Capitain. 35) Die iber todt und liebe triumphirente Catharina von georgien oder der verliebte ­mörter. 36) Der fall und verstossung adams und Evä aus dem paradeiß. Bibl. 37) Die aufopfferung Isaacks. Bibl 38) Die erlegung des philisters Goliath durch die hand Davits. Bibl. 39) Das leben und todt simsonis. Bibl. 40) Der von Judith enthauptete Holoffernes. Bibl. 41) Die von Nebucatnezar zerstörte stadt Jerusalem. Bibl. 42) Die 7 Erhängten prinzen des königs sauls, under den konig Davit. Bibl. 43) Der verlohrne sohn. Bibl. 44) Zerstörung der stad Jericho. Bibl. [Gottsched, I, S. 263: Die Eroberung Jericho unter Anführung des Israelitischen Heldens Josua, in einem Singspiel auf theatralische Art vorgestellet in Nürnberg 1696.] 45) Das leben und Tod arminius oder herman. [Gottsched, I, S.  265: Arminius, der teutsche Ertz-Held, Oper von Christoph Adam Negelein. Nürnberg 1697] 46) Die lebentig begrabene prinzesin.



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47) Die unmögliche möglichkeit. 48) Die enthauptung des graffen von Esek. 49) Die enthauptung königs Caroli stuarti I. und einsezung Caroli stuarti seines sohnes des andern in Engeland. 50) Die Enthauptung papiniani des rechtsgelehrten unter Caracalla. 51) Die märtererin S. Barbara. 52) Die märtererin S. Margaretha. 53) Die märtererin S. Dorothea. [Schon 1626, 5. Juli, in Robert Reynolds Dresdener Repertoire. – Nach Gottsched, I, S. 232, wurde das Stück auch 1672 in Dresden aufgeführt.] 54) Der ermordete herzog allexander de medices von florenz. 55) Der wunderthättige und mit feurigen Wagen und rossen gen himel fahrente Elias. Bibl. [Gottsched, I, S.  243: Der wunderthätige und gen Himmel fahrende Elias von des ulmischen Gymnasii Schuljugend 1680 vorgestellet. – 1702 spielte die Truppe der Witwe Velthen in Hamburg „Eliae Himmelfahrt oder die Steinigung des Naboth“.] 56) Der alte geizige aus dem moliere. 57) Das verwirte brittanien. 58) Der verwirte hoff von vewilade. [Sicilien?] 59) Der gottlose Don Juan aus moliere. [Siehe Nr. 158] 60) Ehrliche veräther, der bereuente recher, oder bluttige malzeit. 61) Der 1. römische keiser Julius Cesar wie derselbe von seinen besten freunden Cassio und brutto mit 23 tödtlichen wunden hingerichtet wird. [Schon 1626 in Reynolds Repertoire: Aufführung in Dresden am 8. Juni 1626.] 62) Der Endsaz wien, in östereich und grose niderlag der tircken 1683. 63) Die durch den schweden entsezte stadt Narva in Liffland. [Schlacht bei Narva 1700] 64) Die eroberung der stadt offen. [September 1686 durch Herzog Karl von Lothringen erobert. – Gottsched, I, S. 251: Das bezwungene Ofen. Oper, Leipzig 1686.] 65) Der entsaz der stadt barzelona samt der flucht des franzößischen generals. [Wahrscheinlich ist die Befreiung Barcelonas am 9. Oktober 1705 durch die Flotte der Verbündeten des Kaisers im spanischen Erbfolgekrieg gemeint.] 66) Das abscheuliche leben und der schröckliche todt Dr. Johan Fausts des berühmten Erzzaubrers. 67) Das abscheuliche leben und todt Cristov Wagners, des Faustens famuli. 68) Der bürgerliche Edelman aus dem Moliere mit 4 balet. 69) Der unglücksellige bräuttigam Darius prinz aus barzelona oder die rasende liebe. 70) Der durch seine practicquen auff den persianischen tron gestigene gorgas ein hirte, oder der Eiserne König.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

71) Der eiserne tisch oder prinz sigislaus aus böhmen. 72) Die Dreyfache Epyrische krönung. 73) Der sich selbst ermordente keiser Nero. [Gottsched, I, S. 217: Nero, der verzweifelte und dadurch das bedrängte Reich befreyende, in einem Singspiel mit Balleten, dargestellt und gedruckt in Halle 1663. – Gottsched, I, S. 250: Nero, der verzweifelte Selbstmörder, Oper, Weißenfels 1685. – La mort de Néron, tragédie de Péchantrés, 1703. – Gottsched, I, S, 276: Die durch Blut und Mord erlangete Liebe oder Nero, Oper von Friedrich-Christian Feustking, Musik von Georg Friedrich Händel, Hamburg 1705.] 74) Das vergnügte begrigte, und wider befridigte Teutschland, oder Marginis. 75) Gesungene vorstellung der unvergleichlichen andromeda. 76) Die glücklich wider erlangte Hermione, singent. 77) Der flüchtige virenus, und die gedreue olympia. 78) Die unglücklich von olaviano um ire Ehre gebrachte Isabela. 79) Der rechtmessig gestraffte Hunnerich oder die unschultige mörderin Rosemunda. 80) Die enthauptung der 4 grossen seeräuber Clauß sturzebecher, göttge michael, wichman und Wichbolt nebst 150 man auff dem graßbock zu hamburg. [Der Platz hieß Brasbrook. – Gottsched, I, S. 279: Störtebecher und Jödge Michaels, Oper in zwei Theilen, Hamburg 1707.] 81) Die keusche sussana. [Tragoedia Hibeldeha] 82) Die enthauptung Johani des tauffers. Bibl. 83) Der fligente geist. 84) Die kinstliche dieberei. 85) Der in einen papagei verstellet harlequin. 86) Der zauberente und sich auff den königlichen tron practicirente hirt, sampt desen fall, hircanus. [Gryphius: Der schwermende Schäffer] 87) Der verwirte Ehman geörg Dantin, Moliere. 88) Die Köstliche lecherlichkeit, Moliere. 89) gezwungene arzt, Mol. 90) mahlente liebe, Mol. 91) Amor der beste arzt, Mol. 92) Der verkehrte und wider bekehrte Jüdische könig manasses. 93) Der gecreuzigte andronicus. [Der heilige Andronicus] 94) Der mörderische gotthische mohr sampt desen fall und End. [Shakespeares ­„Titus Andronicus“] 95) Die 4 mal braut Elinde. 96) Die durch friden gestilte grossen krigsflutten. [Siehe Nr. 74] 97) Der grosse liebes Irrgarten. 98) Die gedreue ocdavia. 99) Die schöne schäfferin rosseta. 100) Der ungerathene sohn samt desen End und fall. [Siehe Nr. 43]



Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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101) Die 2 einander gleich sehente brüder. [Siehe Nr. 140] 102) Guißgartuß und rosimunda. [aus Boccaccio: Decamerone, IV, I: Tancredi prenze di Salerno uccide l’amante della figliuola e mandale il cuore in una coppa d’oro; la quale,messa sopr’esso acqua avvelenata, quella si bee, e cosí muore (= Guiscardo e Ghismonda)]36 103) Der wunderlich general wallenstein desen leben und todt. 104) Vlisses und penelope. 105) Die gedreue sclavin Doris aus Egypten. 106) Das durch den Carollo magno bekehrte land sachsen, und abschaffung der Irmenseulen. 107) Der durch zwitteutige reden deß sattans bedrogene mörderische stuttent. 108) Die endeckte veretherei von Engeland. 109) Das leben maria stuart königin von schottland. 110) Die enthauptung maria stuart. 111) Die endthauptung Anna bopäne Heinrich des 8. königs in Engeland anderer gemahlin. 112) Die woll ausgeklopffte narrenkappen oder der sich einbiltende grosse Don Japhet. 113) Allexanders glück und uncklicks probe. 114) Der von dem trunckenen allexander ermordete Clitto, seiner gedreuen hauptleuten einer. 115) Der sich mit des königs der barbarien tochter vermehlente könig allexander. 116) Der ungedreue hoffmeister oder der streittbare pickelhering. 117) Der nächtliche herumschwermente hanßwurst. 118) Die gedreue spartanerin. 119) Der von seinem vatter unerkante prinz artaxerxes oder der großmüttige altamiro, und desen untreue stifmutter. 120) Streit zwischen Ehre und liebe oder der tapffere rodrigo in spanien. 121) Der grosse ahasvero und die demüttige Esther. 122) Glück und liebestück: oder die beiden verlibten Königlichen schwestern von barzelona oder der zwistreit zwischen Ehr und liebe. 123) Die 2 mordbegirigen firstlichen gebrüdern. 124) Die verfolgung Josephs und verkauffung von seinen brüdern aus der grube bey Dotthan naher thebe in Egypten. [Siehe Nr. 31–33 und Nr. 125] 125) Der freut verneuete Jacob iber der gutten post und widerfindung seines sohns Josephs in der herrlichkeit. 126) Die belobte keuscheit.

36

Martino: Die italienische Literatur im deutschen Sprachraum, 1994, S. 377.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

127) Der unbekande liebhaber oder gelibete feint timocrates. [Gottsched, I, S. 247: Der unbekannte Liebhaber oder geliebte Feind Timocrates. Freudenspiel von dem lustigen Pickelhering angefüllet und vorgestellet. Gedruckt zu Liebstädt im Vogel-Lande, 1683] 128) Die alten bössen Weiber Jung und from zu machen. 129) singente harlequin. 130) kintbetts schmauß.37 131) Die unschultig verkaufft und widerverkaufft Dame. Ittalien. 132) Die alles erdultente liebe Immä gegen Eginharten oder die lecherliche reutterei. 133) Die über lieb und todt triumphirente liebhaberin aminta. 134) Der von Ciro gefangene könig Crössus, desen freiheit. 135) Der verlibte phöbus. 136) Verlibte Merckurius in die herse. [Hera?] 137) 3 mener im feur offen. 138) Daniel in der löben gruben. [Siehe Repertoire Nördlingen, 1604] 139) Der seine tochter opfferente held Jephta. 140) 2 verwechselte brüder Carl und Julius. [Siehe Nr. 101] 141) Maxmilian stadhalter in spanien. 142) Das von arthemisia prächtig gebauet wordene begrebnuß des königs mausoles. 143) Der aus den himel verstosene luciffer. 144) Jason und medea. 145) auff andere manir. 146) Naren spittal. 147) Das bluttige hag. 148) Zauberente Circe. 149) Luxenburger. 150) Gottlose rodrigo. 151) Schlaffente wandersman. 152) Der im hirschen verwandelte acteon. 153) Eroberte schellenberg. [Der Schellenberg bei Donauwörth wurde am 2. Juli 1704 durch Marl­ borough und den Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden von der bairisch-französischen Partei erobert.] 154) Das eroberte rissel. [Ryssel ist Lille. Eroberung durch Prinz Eugen am 1. Dezember 1708] 155) Herzog heinrich von lauenburg. 156) Erdöttete Eiffersucht. 37

Siehe dazu Reinhold Köhlers Aufsatz über „Harlekins Hochzeit“ oder „Harlekins Hochzeitund Kindbetterin-Schmauß“ in der Zeitschrift für deutsches Alterthum und deutsche Litteratur, Bd XX, 1876. Nachträge von Erich Schmidt ebenda, Bd XXV, S. 241, und von R. M. Werner, Bd XXVI, S. 289.



Repertoire-Listen der bekanntesten barocken Wanderbühnentruppen

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157) Listig scapin. 158) Don petro gastmahl. 159) Das leben keisers otto und adelheit. [Kaiser Otto I. und seine 1097 heilig gesprochene Gemahlin Adelheid] 160) Aloisia von iren man erstochen. 1723 – Einige Titel aus dem Ulmer Repertoire des Prinzipals und späteren Hanswurst-Darstellers Gottfried Prehauser38. Sie wurden von dem Buchdrucker in Ulm, Abraham Bugger, auf einer Rechnung für gedruckte Plakate aufgelistet.39 Die Liste ist deshalb interessant, weil sich unter den 20 aufgelisteten Titeln noch sieben (Fettdruck) aus dem Bereich der frühen Wanderbühne befinden. Vierdte Wochen: Montag den 19 April  – Die siegende Unschuld Dienstag den 20. April  – Die veränderliche Zufälle Mittwoch den 21. April  – Cartousche 1. Theil Freytag den 23. April  – Den stummen Printzen  Das Bug à 15 kr. – 24 bug – 6 fl Fünfte Wochen: Montag den 26. April  – Rachbegierd einer Dame Dienstag den 27. April  – Eyffersüchtige Phoebus Mittwoch den 28. April  – Die Belagerung Prag Donnerstag den 29. April  – Die Zyperische Stiefenmutter Freytag den 30. April  – Ertz-Zauberer Hanswurst  24 bug – 6 fl Sechste Wochen: Montag den 3. Mai – Den ausgepeitschten Schulmeister Dienstag den 4. Mai – Carl Stuart Mittwoch den 5. Mai – Egidio Freytag den 7. Mai – Genoveva  16 bug – 4 fl 38

39

Gottfried Prehauser (1699–1769), Schauspieler, Marionettenspieler, 1721–1723 Prinzipal einer eigenen Truppe („Hochdeutsche Komödianten“), spielte im süddeutschen Raum zwischen Augsburg und Ulm bis Salzburg, Linz, Passau und Brünn in den Truppen von Katharina Elisabeth Velthen, Johann Heinrich Brunius, Johann Baptist Hilverding, Anton Josef Geißler und Maria Elisabeth Steinmetz. Ab Jänner 1725 wurde er von Stranitzky als dessen Hanswurst-Nachfolger engagiert und blieb bis zu seinem Tod in Wien. Prehauser musste wegen solchen nicht bezahlten Rechnungen am 17. Feb. 1723 Ulm verlassen und ging nach Augsburg, wo er sich auch noch wegen anderer offener Rechnungen vor Gericht verantworten musste. (Stadtarchiv Augsburg). Siehe dazu Monika Baar-De Zwaan: Gottfried Prehauser und seine Zeit. Diss. (masch.) Wien 1967, S. 24–26 und S. 192, Abb.8.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Sibende Wochen: Montag den 10. Mai – Apelkeus der Mahler Dienstag den 11. Mai – Alari und Halari Mittwoch den 12. Mai – Tamerlan  Achte Wochen: Dienstag den 18. Mai – Das beneidete Glück Mittwoch den 19. Mai – Genoveva Donnerstag den 20. Mai – Don Jean Freytag den 21. Mai – Den Propheten Daniel  

12 bug – 3 fl

20 bug – 5 fl Sumo: 24 fl

Übersicht über die in den einzelnen Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen1 Die beiden folgenden Comoedien, „Liebes Verzweiffelung“ und „Jude von Venetien“, wurden von Mitgliedern der Insprugger Comoedianten verfasst und daher sicher auch von dieser Truppe aufgeführt. Beide Actoren-Verzeichnisse nennen fünf Namen einer Truppe, die sonst nirgends verzeichnet ist. Tragico-Comoedia genant Die Liebes Verzweiffelung, componiret von Johan Martin Studioso von Veltkirchen (Manuskript Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. D 119) Frondalpheo Figaar. Myrandon Nesse. [N. Nesseni] Rodiman Fraat. Ottonias Jan von Au [Johann von Aue] Cassianus Daniel [M. Daniel] Fidelmo [Daniel] Evandra Lene [Leonore] Page Gradnimo Damon Valentin Amoena Ma. Anna Pickelhering Alidea [Ma. Anna] Comoedia / Genandt Der Jude von Venetien. Componirt von Christoph: Blümel Studioso Silesiens. (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. Rast 193) König von Cypren Fr. bild. Königl. Printz Schleicher Hertzog von Venetien Fr. bildh. 2 Räthe des Königs aus Cypren. Joh. v. Aue et Trompeter. Florello. Ein Venetianischer Rathsherr. N. Nesseni. Ancilletta, des Florello Tochter. Leonore

1

Die nur flüchtig geschriebenen, oft abgekürzten Namen sind teils schwer lesbar; Fehler in der folgenden Übertragung sind daher nicht auszuschließen.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Santinelli und Grimaldi – Joh. v. Aue / Trom. der Ancillettae 2 Freyers vnd Cortisani. Factor aus Cypren. Valentin Bickelhäring, des Printzen diener. Franciscina seine Liebste, und  Ancillettae Kammermagd. M. Schliss. Jude Josephus von Venetien. M. Daniel. 2 Schergen. Wig. et Camer. Elenson / Haacke / Hoffmann – Truppe, ab 1727 Truppe der Friedrike Caroline Neuber2 Die Komödianten der Andreas Elenson-Compagnie3 im Jahr 1680 sind durch die Aufzeichnungen des Herzogs Ferdinand Albrechts I. bekannt. 2



3

Friederike Karoline Neuber (1697–1760), Tochter des Advokaten und Gerichtsdirektors Daniel Weißenborn. 1717 gelang ihr die Flucht vor ihrem tyrannischen und gewalttätigen Vater, der sie schlug und für die dauerhafte Narbe in ihrem Gesicht verantwortlich war und die 15jährige zu 13 Monaten Gefängnis verurteilte. 1718 heiratete sie in Braunschweig Johann Neuber, den früheren Gehilfen ihres Vaters. Beide schlossen sich zunächst der Spiegelberg-Truppe in Weißenfels an, später spielten sie in der Elenson-Haacke-Hoffmann-Truppe. 1725 organisierte sie diese Truppe neu und ging mit ihr nach Leipzig. Ab 1727 ist sie Prinzipalin der eigenen Truppe mit Sächsischem Hofprivileg des Blankenburger Herzogs Ludwig Rudolph. Auf einem Theaterzettel, gezeichnet von Johann Neuber, nennt sich ihre Truppe Königl. Polnische Churfürstl. Sächsische und Hochfürstl. Braunsw. Lüneb. Wolffenb., nunmehro auch Hochfürstl. Schleßwig-Holsteinische Hof-Comödianten. – Theaterreform im Sinn Gottscheds (Auseinanderdriften der Theaterkultur in nationales bürgerliches Theater und in regionales Volkstheater). 1740 letzte Vorstellung in Hamburg: Denn von der Schauspielkunst habt ihr sehr wenig Licht, Weil’s euch an Zärtlichkeit, Natur und Kunst gebricht.“ Einladung nach Petersburg, im Frühjahr 1741 jedoch wegen Zarin Annas Tod Rückkehr nach Deutschland. Zerwürfnis mit Gottsched. 1748 inszeniert sie das erste Stück Lessings „Der junge Gelehrte“. Zahlreiche Gastspiele in Frankfurt, Straßburg, achtmal in Dresden. Wegen finanzieller Probleme 1750 Auflösung ihrer Truppe. 1759 Tod ihres Gatten Johann Neuber. Der Siebenjährige Krieg vertrieb die Neuberin 1760 aus Dresden nach Laubegast, wo sie am 29. Nov. 1760 in großer Armut starb. Andreas Elenson (um 1640 – um 1706) ist ab 1671 nachweisbar. Seine Stammtruppe scheint sich ab 1669 aus Mitgliedern der Insprugger Comoedianten zusammengesetzt zu haben. Urkundlich gesicherte Besuche: 1671 in Graz; 1672 Dresden und Leipzig; 1673 Wien, Leipzig, Frankfurt; 1675/76 ist Andreas Elenson als Mitglied der Eggenberg-Truppe nachgewiesen; 1679 Dresden, Halle, Leipzig, Frankfurt; 1680 Bevern (seit dieser Zeit nannte sich die Truppe Hochfürstl. Sachsen-Lauenburgische Comödianten), Hildesheim, Hannover, Neuhaus an der Elbe; 1683 Dresden, Leipzig; 1684 Frankfurt; 1689 Laibach (vorher Wien, Graz, Klagenfurt); 1690 spielt er in Olmütz „Basilius der große Sternseher Oder Das menschliche Leben vergleicht sich einem Traum“, 1692 Wien, Graz; 1694 Wien; 1695 Regensburg, Augsburg (Konkurrenz der Eggenbergischen Komödiantentruppe, die an Persohnen und Kleidern weit überlegen ist. Deshalb muss die Elenson-Truppe abreisen und alle Agirkleider als Schuldenpfand hinterlassen. Sie werden von Wien aus wieder ausgelöst. ), Frankfurt; 1697 Nördlingen, im April 1698 nennt Elenson seine Truppe hochfürstl. printz loyische hochteutsche hoff Comoedianten [Markgraf Ludwig Wilhelm von Ba-



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 669

Am 17. August kam Johan Friderich Klattim aus Meissen, ein Comediant von der Andreas Elenson compagnie, aus Hannover nach Schloss Bevern und ersuchte hier schriftlich um Spielerlaubnis. Der Herzog erlaubte sechs Aufführungsnachmittage und bezahlte dafür 100 Rth. Am 29. August 1680 wechselten sie wieder nach Hannover.4 Principal Andreas Elenson dessen Fraw, zweene kleine Kinder 5. Ridel der Pickelhering 6. Ursula Marianna Margaretha Bernerin als alte Jungfer aus Grosglogaw in Schlesien 7. Treublut 8. Richter 9. Behme 10. Gruber 11. Klattim [Johann Friedrich aus Meissen] 12. Die Lehrjunge L’Avaro oder Der Geitzige Harpagon (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Ms 13151) Darstellerverzeichnis auf eingeklebtem Zettel (Elenson-Truppe) Harpago Cleante Elisa oder Marianna

4

Ego  [Friedrich Wilhelm Elenson, Sohn des Andreas Elenson] Hr. Bruck [unlesbar]

den-Baden], 1698 Augsburg (Elensons hochfürstl. geweßene Sachßen lauenburgische hoff Comoedianten haben wenig Erfolg), Nördlingen (Elenson nennt sich nun Principal der hochfürstl. Marggraeffl. badischen hochteutschen hoff Comoedianten), München (als ehemaliger Sachsen-Lauenburgischer und gegenwärtiger badischer Hofkomödiant); 1701 Kiel, Bremen; 1702 Rostock (Elensons Truppe heißt nun Hochfürstl. Mecklenburg-Schwerinsche Hofcomomoedianten), Berlin (als Mecklenburgischer Hofkomödiant), 1703 Stralsund, im Juli Breslau. In einer am 17. Juli 1703 in Breslau eingereichten Supplik erwähnt Andreas Elenson, dass er auch in Hamburg und Strassburg gespielt habe. (Siehe Bolte: Danziger Theater, S. 157, Anm. 1). 1704 Berlin; 1705 Dresden; 1706 Wien, Dresden. – Nach Andreas Elensons Tod um 1706 übernimmt sein Sohn Julius Franz die Leitung der Truppe. Dessen früher Tod 1708 macht die junge Witwe Sophie Julie Elenson zur Prinzipalin der Truppe. Ab 1711 ist sie mit dem Schauspieler Johann Caspar Haacke verheiratet. 1722 geht die Elenson-Haacke-Truppe an Carl Ludwig Hoffmann, unter dessen Prinzipalschaft das Ehepaar Neuber zu ihm stößt. Nach dem Tod der Elenson-Witwe Julia 1725 geht die Neuberin eigene Wege. Die Tagebucheintragung der Herzogs Ferdinand Albrecht I. vom 17. August 1680 erwähnt auch, die Elenson-Comoedianten weren in des Hertzogs von Sachsen Lauenburg Diensten, vnd hetten zu Helmsted vnd Schöningen agiret. (Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg Theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern. In: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, Jg 3, 1904, S. 137.)

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

die ander Anselmo Frosina

M. Weiß Hr. Uster die Trinel [Susanna Katharina ElensonHaacke] Hr. Uster Hr. Angoth

Meister Simon Jakob La frezza oder Arlequin /  macht auch den Comissarius. Brindavino Hr. Uster Merluzzo Johann Valerie des anselmi Sohn Mons. Weisse

Die unvergleichlich schöne Printzeßin Andromeda. Oder derselben Vermählung mit dem heldenmühtigen Perseus. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13150) Perseus – Geisler5 Phineus – Hr. Angott. Der Unerschrockene Jäger (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Ms 13159) [Die Schauspielernamen der Elenson-Truppe sind auf einem zusätzlichen, unter der Actoren-Liste aufgeklebten kleinen Zettel verzeichnet] Maximilianus Hr. Angott Duc de Alba Hr. Strigel Duc de Feria Hr. Meyberg Gomesius Hr. Hauptmann Roderigo Hr. Elenson [Friedrich Wilhelm?] Isabella M. H. [Sophie Haacke?] Schäffer Hr. Bruck Schäffers Sohn Geisler6 Catharina M. Wesenius [?] 5 6

Wahrscheinlich Anton Joseph Geißler, churfürstl. Trierisch privilegierter Komödiant und Prinzipal der hochdeutschen Comoedianten. Anton Joseph Geißler soll noch um 1691 zu den besten Schauspielern der Truppe von Catharina Velten gehört haben, wechselte dann aber zur Elenson-Truppe. Als selbständiger Principal Hof Comoediant der „Königlich-Boheimbischen Statthalterischen Prager Bande“ stand er in den Neunzigerjahren bis zum 16.  September 1708 im Dienst des Grafen Sporck in Prag und Bad Kukus in Ostböhmen. (1705 wird er erstmals als Prinzipal einer Theatertruppe dokumentiert). Ab 7. März 1709 spielte er mit seiner Truppe mindestens zwei Jahre lang gemeinsam mit der Truppe von Catharina Velthen in Augsburg. Danach gehörte er für ein Jahr (1712) vermutlich zu Stranitzkys Truppe am Kärntnertortheater in Wien. Am 20. Februar 1713 ersuchte er gemeinsam mit Thomas Huber und Johann Heinrich Brunius in Prag um Spielgenehmigung für ein Marionettentheater. Gespielt wurden Bearbeitungen deutscher



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 671

Die heylige Margaretha, Margaretha Märtyrin (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13115) [Das Verzeichnis der Actores weist zwei (drei) Besetzungen in verschiedenen Handschriften auf. Die Namen der ersten Besetzung sind durchgestrichen, es sind die Komödianten der Elenson-Haacke-Truppe vor 1684, da Richter spätestens 1684 zur Velthen-Truppe wechselte.] Olybrius Gerop. Epimachus, fürstlicher Rath Procopius, fürstlicher Rath

Hr. Richter Hr. Gilbert Saße Hr. Philip Hofmann [nicht lesbar]

Sack. Hr. Elenson Hr. Haskarl [?]

Hr. Öltz Hr. Hauptmann [?] Menitius, fürstlicher Rath Margaretha Madam Madem. Ferdinandt Richterin M. Fraw [Sophie Elenson/Haacke] Vioronna Mad. Gilbertin Richterin Elensonin [Christina Sophie] Angot Georgius Hr. Ferdinandt 7





7

Opernlibretti, so etwa am 19.April 1713 „Hercule und Alceste“ im Sporckschen Komödienhaus in Prag. (Das Repertoire Geißlers stimmt mit dem Lüneburger Spielplan Johann Baptist Hilverdings aus dem Jahre 1702 auffallend überein. Auch die Größe der Puppen, anderthalb Ellen (85–105 cm), war dieselbe wie bei jenen Hilverdings). 1714 spielt er mit Johann Heinrich Rademin in Prag und Linz. Ab 1715 (nach der Pest-Pause) hatte er die Prinzipalschaft gemeinsam mit Johann Heinrich Brunius; sie spielten von März 1716 bis März 1717 in Prag. Ab Mai 1717 spielte Geißler allerdings wieder als alleiniger Prinzipal seiner Truppe im Manhartischen Haus in der Zeltnergasse in Prag, wo ihm eine noch besser ausgestattete Bühne zur Verfügung stand als im Sporckschen Komödienhaus. Ab 7. April 1718 schloss sich Geißler als churfürstl. Trierisch privilegierter Komödiant und Prinzipal der hochdeutschen Comoedianten der Truppe Rademins an; beide bildeten in Prag die neue Truppe der hiesigen Pragerisch-Hoch Teutschen Comoedianten. – 1722 mit Prehauser in Olmütz, Brünn, Prag und Linz, dann in Passau, Ragensburg und Sulzbach; danach Trennung von Prehauser. 1723 war Geißler mit Rademin über zwei Monate in Breslau und dann in Brünn. Geißler starb 1723 oder 1724. (Scherl, Anton: Berufstheater in Prag 1680–1739, S. 26–73. Ebenso: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 210–212). Nach Dusan Ludvik: Die Eggenbergischen Komödianten, S. 70, gibt es auch einen Johann Jakob Geißler, der von Lichtmess 1698 bis Lichtmess 1699 in Stuttgart in der Kuhlmannschen Kompagnie gespielt hat. Johann Ferdinand Felix Elenson.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Dromio. Sein lustiger Diener H. Haack  Ego [Johann Kaspar Haacke, ab 1711 zweiter Gatte der Sophie Elenson]8 Landsas. Hr. Saß. junior Böhm Bauer Hr. Müller9 Bäuerin Hencker Soltadt. redent. Die rasende Medea / mit Arlequin / einem verzagten Soldaten. vor 1725.10 (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13189) Creon König H. Kohlh. [Kohlhardt] Creusa seine Tochter Fiecke Jason ein Printz H. Lada. Medea seine erste versprochene Braut Fraw Neüberin Hysiphile auch des Jason versprochene Braut Trienchen [Susanna Katharina Elenson-Haacke] Proserpina Hoffmannin11 Hetina Pflegemutter der Medea M. Felicien Cyclop H. Angot Juno, Jupiter und Venus Fiecken Rhadamant H. Angot Minor H. Neüber Aeacus St. [Strigel] Arlequin Officier H. Poleck 2 Soldaten Conrad etliche weiber Prister H. Neuber 8

9 10 11

J. C. Haacke ist auch auf dem Titelblatt des Manuskripts „Die unglücklich verliebte Stieffmutter Ormonda oder der großmüthige Altamiro“ mit dem Datum 3. März 1722 in Weißenfels als Besitzer des Manuskripts angeführt. (Abgedruckt in Noe: Spieltexte der Wanderbühne, Bd V/2, S. 879). Joseph Ferdinand Müller (1700–1761), Harlekin, Gatte der Susanna Katharina Elenson-Haacke. (= Tochter der Sophie Julie Elenson-Haacke, s.  u.) Siehe dazu: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 479–482). Die Neuberin gründete ab 1725 eine eigene Truppe, hier ist sie noch Mitglied der Elenson-Truppe. Sophie Julie Elenson/Haacke heiratete 1723/24 in dritter Ehe Carl Ludwig Hoffmann. Im Jahr 1725 ist sie gestorben. Das Schauspiel muss also zwischen 1723 und 1725 gespielt worden sein.



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 673

Mercurius Mr. Friederich [Friedrich Wilhelm Elenson] Charon Ego [= Prinzipal Carl Ludwig Hoffmann] Mr- Laurenz NB. Jupiter et Rhadamant Eingeklebter Besetzungszettel: Creon Creusa M. Kohlhart Jason M. Laurenz Medea Md [?] Angot Hysiphile Md [?] Neüberin [?] Proserpina M Hoffmann Hetina M Elenson12 Juno M Pasch13 Venus Conrat Jupiter Arlq. Das Labyrinth der Liebe (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms13149) Drei Schauspielernamen sind von C. L. Hoffmanns Hand zusätzlich in das Actoren-Verzeichnis eingetragen worden: H. Kohlhardt, H. Müller und H. grundt M. Die übrigen Actores sind nur durch die Anfangsbuchstaben ihrer Namen gekennzeichnet. [Ihre wahrscheinlichen Namen siehe eckige Klammer.] Es handelt sich um die Elenson-Haacke-Hoffmannsche Truppe im Jahr 1723, die Kurfürstl. Sächs. Hofcomoedianten. Rosane, Königin von Assirien, in den Printzen Argimondus verliebt N. [Neüberin] Eumenes, ein Printz des verstorbenen Königs Evandri, welcher ein Veter der Königin Rosane gewesen. L. [Lorenz.] 12 13

Es handelt sich wahrscheinlich um die Tochter des Prinzipals Andreas und der Sophie Julia Elenson, Christina Sophie Elenson. Der Schauspielername Pasch taucht meines Wissens nur in diesem einen Spiel auf, 1723 auch noch auf einer Liste der Elenson/Haacke/Hoffmann-Truppe (siehe Seite 677). 1679 befand sich die Elenson-Truppe im Raum Dresden, Leipzig, Halle, Frankfurt. Ein Gottfried Pasch aus Dresden war ab 10. Juni 1679 am Ansbacher Hof als Lautenist angestellt. (Ansbach befindet sich südlich von Frankfurt in der Nähe von Nürnberg). Unter anderen Aufgaben war er verpflichtet, die Ballette und Entréen für die Komödien zu komponieren. Seine eigentliche Bestallung ist erst vom 9. Dez. 1682 datiert. (Curt Sachs: Die Ansbacher Hofkapelle, S. 127). M. Pasch könnte seine Gattin gewesen sein.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Argimondus, ein Printz von Ponto, und verstellter Cavallier an dem assyrischen Hofe unter dem erdichteten Nahmen Harpagus, in Ernelinden verliebt. Ernelinda, eine Printzessin aus Bythinien, und HofDame der Königin Rosane, unter dem Nahmen Ergilla. Nealces, ein Königlicher Rath.

Â.

[Angot]

Tr. [Trienchen] E. [Ego= Carl Ludwig Hoffmann?] Silanes, ein Schäffer N. [Johann Neüber] Lindo, der Rosane kurtzweiliger Diener M. [Meyberg] Schäferin P. [Paschin ?] C. [Conrad ?] Faun

Abb. 46: Besitzvermerk auf der ersten Seite der Handschrift „Der stumme Printz Atis“. Carl Ludwig Hoffmann kam als dritter Ehemann von Sophie Julie Elenson/Haacke und nunmehriger Prinzipal der Kurfürstlich Sächsischen Hofkomödianten 1723 in den Besitz der Komödienhandschrift. 1723 befand sich die Truppe mehrere Monate lang in Augsburg. Das beweisen drei weitere Besitzvermerke Hoffmanns in den Handschriften „Das Labyrinth der Liebe“ (ÖNB, Sig. 13149), „Der wollüstige Croesus König in Lidien“ (ÖNB, Sig. 13175), und „Der verirrte Liebes-Soldat“ (ÖNB, Sig. 13158).



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 675

Abb. 47: Personenverzeichnis zu Beginn der Handschrift „Der stumme Printz Atis“

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Manuskript aus dem Jahr 1708, Besitzvermerk des Carl Ludwig Hoffmann vom August 1723. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13107). Die Namen der Schauspieler sind von anderen Schreibern (siehe Abb. 46 und 47). Actores „Der stumme Prinz Atis“ Croesus König in Lydien Atis Wie vor Cyrus König in Persien Orsanes Generahl Eliates Stadthalter Hascarl [?] Olisius Gesander H. Trevert Halimachus Hoffmeister Elcius Elmira Frau Neuberin Clerida Trigesta Haskarlin14[?] Hauptman Solon Bauer und Bauerin Merbey Rationen Soldaten Der Wollüstige Croesus König in Lidien. oder Das Wunder der Brüder­ lichen Liebe und Treüe. Das Wunder einer getreuen Ehefrau. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13175) Croesus

E  [Friedrich Wilhelm Elenson, Sohn des Andreas Elenson] Teraspes H [Hauptmann] [Trienchen]15 Doridea Tr Emirena N [Neuberin] Solon N [Neuber] 14

15

Wahrscheinlich die Gattin des Prinzipals Gerhard Rudolph Haskarl, der um 1720 eine eigene Truppe leitete, vorher aber einige Jahre der Truppe von Sophie Julie Elenson ev. als Harlekin angehört hatte. Haskarl ist auch der Schreiber einer Abschrift der „Tragoedia genandt Der großmüthige Rechts-Gelehrte Amilius Paulus Papinianus / oder Der Kluge Phantast und wahrhaffte Calender-Macher“, die er der verstorbenen Prinzipalin Sophie Julie Elenson widmete. (Nat.Bibl. Wien, Sig. 13161). (Hansen, Günther: Haskarl contra von Quoten. Ein deutsch-dänischer Theaterrechtsstreit 1718 in Viborg. In: Nertus. Nordisch-deutsche Beiträge, Bd 2. Kopenhagen 1969, S. 275–286, hier 279.) Gemeint ist Susanna Katharina, die Tochter der Sophie Julie Elenson und des Schauspielers Haacke. Später heiratete sie den Harlekin Joseph Ferdinand Müller. Dieser erhielt 1733 das sächsische Privilegium und trat bis 1745 verschiedentlich in Leipzig, Hamburg und Frankfurt auf.



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 677

Aridenus A [Angoth] Leno M [Meyberg] Arbanes L [Lorenz] Capitain H  [Hauptmann? Carl Ludwig Hoffmann?] Die unvergleichlich schöne Printzeßin Andromeda. Oder derselben Vermählung mit dem heldenmüthigen Perseus. (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13150) Perseus – Geisler16 Phineus – Hr. Angott Die Nahmen der „Königl. Polnisch und Churfürstlich Sächsischen privilegirten Teutschen Hoff-Comoedianten“ 1723 in Augsburg [Elenson-Haacke-Hoffmann-Truppe]:17 Carl Ludwig Hoffmann, Dir:Com: Sophia Hoffmannin18 Christiana Sophia Elensohnin, die ältere Tochter Friederich Wilhelm Elensohn, der Sohn. Catharina Susanna Elensohnin die jüngere Tochter. Wilhelm Augustin Dorothea Augustinin Peter Christoph Angot Joseph Ferdinand Müller, der Arleqv. Johann Friederich Cohrends Friederich Wilhelm Öls Johann Peter Hilverding Georg Pasch Conrad Welder, Theatr.Meister Friederica Carolina Neüberin geb. Weissenbornin Johann Neüber

A.C. [Augsbuger Confession]

A.C. A.C. A.C. A.C. A.C. A.C. A.C. A.C. A.C.

16 Wahrscheinlich Anton Joseph Geißler, Churfürstl. Trierisch privilegierter Komödiant und Prinzipal der hochdeutschen Comoedianten. 17 Original im Stadtarchiv Augsburg, Meistersingerakten, Nachtragsfaszikel 1687–1776, fol. 108–110. Abgedruckt in Rudin: Zwischen den Messen in die Residenz, S. 102. 18 Sophie Julie Elenson/Haacke/Hoffmann: Witwe des Prinzipals Julius Franz Elenson (gest. 7.Juli 1708), heiratete 1711 in zweiter Ehe den Dresdener Harlekin Johann Caspar Haacke (gest. 1722). Im März 1723 erhielt die Witwe Haak in Dresden als Prinzipalin der „Hochfürstl. Braunschweig-Wolffenbüttelschen Hofkomödianten“ auch das Chur-Sächsische Privileg. In dritter Ehe heiratete sie um 1723/24 Carl Ludwig Hoffmann. Sophie Julie starb 1725, sie ist in Dresden begraben. (Nachfolger des Haackeschen Privilegs wurden die Neuber.)

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Abb. 48: Die Prinzipalin Neuberin im Kreis ihrer Truppenmitglieder um 1730 am Blankenburger Hof des Herzogs Ludwig Rudolph. Ihre Truppe war lange Zeit eine der erfolgreichsten im frühen 18. Jhdt. Das Gemälde befand sich ursprünglich im „Grauen Saal“, dem Vorraum neben dem historischen Theater von Schloss Blankenburg. (Heute im Kunstmuseum Moritzburg Halle). (Siehe den Internet-Beitrag von Bärbel Rudin: Die Neuberin und der Herzog. Ein Fund in enteigneter Kunst unterm Dach. 2016)



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 679

Die Velthen – Truppe Die Komödianten der Johann Velthen-Truppe19 im Jahr 1680 sind durch die Aufzeichnungen des Herzogs Ferdinand Albrechts I. bekannt. Sie hatten im Jahr zuvor, 1679, in Worms vor Kaiser Leopld I. gespielt und führten im September von Frankfurt aus Verhandlungen um Spielerlaubnis am kurpfälzischen Hof in Heidelberg. (Siehe das Velthen-Spielprogramm von 87 Stücken aus dem Jahr 1679.) Ab 1. Oktober bis 23. Oktober 1680 führten sie im Schloss Bevern zwölf Komödien auf. Danach gingen sie nach Bremen. Nur der Schauspieler Starck blieb als Schreiber in Bevern. Umb 8 Uhr lies sich Johan Velthen, Director der Hamburgischen Comoedianten anmelden, kham von Cassel vnd wolte nach Bremen, lies durch denn Hoffprediger vernehmen, ob wir seine compagnie, 16 Persohnen starck, darunter 4 Frauen so mit agiren, vnd ohn dehme 3 Kinder, so auch agiren, wolten im Schlos Comoedien praesentiren lassen …20 Einige Comoedianten so mit ihm vnd seiner Efrawen agiren, seint 1. seine Tochter Anna Elisabetha von 8 iahren. 2. Christian Jantzky, aus Dresden, so Pickelhering. [Janethsky] 3. dessen Töchterlein Anna Elisa. Die Efraw aber aus Copenhagen agiret nicht mit. 4. Gottfried Saltzsieder, aus Dantzig, von den besten einer, so einen Tyrannen wohl representiren kan. 5. Friderich Cornelius Beck, aus Strasburg, so auch gut, vnd den König wohl representiren soll. 6. Balthasar Brombach aus Presburg in Ungarn.

19 Zu Velthens Leben (1640–1693) siehe Heine, Carl: Johannes Velten. Diss. Halle 1887.  – Kurze Zusammenstellung seiner Wanderzüge in Bolte: Danziger Theater, S.  139–142.  – Ebenso Rudin, Bärbel: Eine Leipziger Studentenbühne des 17. Jahrhunderts. Universität und Berufstheater – Das Ende einer Legende. In: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, Heft 28, Berlin 1976. 20 Eintragung vom 1. Oktober 1680. … Dieser Velthen hat wohl studiret, zu Leibzig in Mag. Ph. promoviret, ist aus Hall in Sachsen bürtig, hernach sich in sein ietzige Fraw Catharina Elisabeth, des berühmten Englischen Comoedianten Carl Pauls Tochter, verliebt, wie er sie so wohl agiren gesehen, das er sie geheirathet, vnd ein Comoediant worden. (Abgedruckt in Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. zu Braunschweig und Lüneburg theatralische Aufführungen im Schlosse zu Bevern. In: Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, Jg 3, 1904, S. 140.) Eintragung am 14. Oktober 1680: Wir alterireten vns vber den Principalen das er silberne Leuchter von vns begehret vnd nicht gebrauchet, den organisten aufwarten lassen, vnd keinen Tantz doch repraesentiret, liessen ihm durch den Hoffprediger einen Verweis sagen. Eintragung am 15. Oktober: Ob wir schon gestern verbotten nicht zu agiren, so liessen wir vns doch durch des Principalen wohl eingerichteten schrifft­ lichen entschüldigungen begangener fauten commoviren. (Zimmermann: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen, S. 149.) Im Jahr zuvor, 1678, hatte Velthens Truppe aufgrund ihres großen Erfolgs am kurfürstlichen Hof zu Dresden von Kurfürst Johann Georg II. den Titel und das Privileg „Chursächsische Hofcomoedianten“ verliehen bekommen. Nach dem Tod Johann Georgs II. im Februar 1692 musste Velthens Truppe den Hof verlassen.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

7. Dessen Efraw aus ÖsterReich. 8. Dessen Söhnlein von 7 iahren. 9. Sebastian Gottfried Starck, aus Dresden [Einige Zeit später ist ein Christian Starke in der Velthen-Truppe.] 10. Christoph Kahland, der Schubartin Sohn erster ehe. 11. Georg Friderich Schubart, aus Schlesien, balbirer. 12. Dessen Efraw. 13. Schiller, so neulich mit Elenson hie war. 14. Dessen Efraw auch. 15. Johannes Tobias Willig, aus Dresden. 16. Johan Gottfried Kohl. 17. Christian Holl aus der Stadt Würtzburg. 18. Georg Julius Ries, ein Voigtländer. [In der Velthen-Truppe war ein Johann Wolfgang Ries.] (Zwei Eintragungen auf derselben Seite lassen vermuten, dass das Leben am Hof Herzog Ferdinand Albrechts sicher nicht einfach war: Einem Höfling, der ihm im neuen Saal das Urin glas aus Verachtung nicht reichen will, wird vom Burggrafen gleich der Degen abgenommen und in Arrest geworfen. Und weil ein Page unser schönes drinck-glas fallen lässt, dass es den hirsch zerbrochen, haben wir sie beede (auch den dafür Verantwortlichen) wach geprügelt … und in arrest thun lassen.) Das religiöse Wohlverhalten der neu angekommenen Komödianten wird ebenso vermerkt: Vormittages war der Director mit Seiner vnd Schillers Efrawen in der Kirchen. – Nachmittages war in der Kinderlehr vnd beim Examine Ries, Brombach, vnd Schiller. Im Überblick gesehen, spielten Velthen, Brombach, Janethsky [Pickelhering], Schubart, Saltzsieder, Beck, Ries, Starck und Velthens Frau an jedem einzelnen der zwölf Aufführungsnachmittage zwischen zwei und sechs Uhr; die ersten vier Komödianten hatten zusätzlich noch je drei Doppelrollen. Die zwei Schauspieler Kahland und Schubart übernahmen auch kleinere weibliche Rollen. Frau Brombach spielte an zehn Nachmittagen, die Frauen Schubart und Kahland an acht, Schiller an sieben und dessen Ehefrau an drei Nachmittagen. Drei vom Herzog zu Beginn genannte Komödianten, Willig, Kohl und Holl, scheinen in den Besetzungsverzeichnissen nicht auf.



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 681

Abb. 49: Eintragung des Herzogs Ferdinand Albrecht I. in seinem „Kriegs- Mord und Todt, Jammer vnd Noth-Calender“ vom 1. Oktober 1680: Ankunft der Velthen-Truppe im Schloss Bevern (Textausschnitt). (Foto: Niedersächsisches Landesarchiv – Staatsarchiv Wolfenbüttel, Sig. 95 Alt Nr. 16)

Die einzelnen Besetzungen:21 Tragoedia vnd opera: Die vmb die Krone Streitende Brüder Alari vnd Somiro. Nachspiel: Amor der Artzt. Aufführung am 4. Oktober 1680 in Bevern.22 Hagabertus Saltzsieder Magilana, Königin Brombachs Fraw Somiro Beck Alari Velthem Nahari Kaland Aristanus. Fürst Schubart Moralis Marschalck Ries Crimanus Feltherr Brombach Agilanta Velten liebste [Kath. Elisabeth Paulsen] Abilana Schubartin 21 22

Alles Folgende nach Zimmermann, Paul: Herzog Ferdinand Albrechts I. theatralische Aufführungen im Schloss zu Bevern, S. 140–152. Zimmermann, S. 141–142.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Gofertus Kantzlär Jansky [Janethsky] Haygus Starck vnd Bagilus Schiller. Tragi-Comoedia: Die verwechslete Königes Kinder. Bearbeitung von Lope de Vega „El palacio confuso“. Aufführung am 5. Oktober 1680 in Bevern23 König Beck Printz Carl Velthem Princessin Margaretha dessen Fraw Princessin Borgia Brombachs Fraw Albano alter Edelman Schubart Printz Friederich Saltzsieder Mengo der bauer Jansky [Janethsky] Ernesto vnd Ludovico Brombach vnd   zween Graffen Starck Leandro ein Edelman Ries Diener Schiller Comoedia genandt: Der bürgerliche Edelmann. Bearbeitung von Molière „Le bourgeois gentilhomme“. Aufführung am 6. Oktober 1680 in Bevern.24 Jourdin ein Bürger, der ein Edelman wolte sein der Pickelhering [Janethsky] Seine Fraw Schubartin Seine Tochter Velthem Fraw Lucille seiner tochter liebster Cleonte Saltzsieder Nicole Lucillen Magd Schubart Corviel Cleonten knecht Velthem Dorante ein Graff Beck Dorimene eine Marquisin Brombachin Singemeister Bek Dantzmeister Velthem Fechtmeister Saltzsieder Philosophus Riese Schneider Schubart 2 Diener Brombach vnd Starck. Die Däntzer waren: Velthem, Brombach, Schubart, Kahland. 23 24

Zimmermann, S. 142. Zimmermann, S. 143.



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 683

Tragicomoedia: Die vorsichtige Tollheit. (Joris de Wyze „Voorzigtige Dolheit“. Nach Lope de Vega „El puerdo loco“) Nachspiel: Die Köstliche Lächerlichkeit. (Ohne Angabe der Besetzung). Bearbeitung von Molière „Les précieuses ridicules“. Aufführung am 7. Oktober 1680 in Bevern.25 Der verfolgete König Velthem Die Verfolgerin dessen Stiefmutter Schubartin Der Verfolger ein Hertzog Saltzsieder Die Gräffin des Königes Liebste, Lucinda Velthem Fraw Domitio Rath Brombach Dancredo Rath Stark Graff Bek Bassa Ries Trankbereiter Ruprecht Schubart Koch Janzki [Janethsky] so auch des Königes hüter war, mit Soldaten Schiller Tragicomoedia genandt: Der schwere sündenfall, vnd die darauff erfolgte hertzliche Busse des Königes Davids, oder: David vnd Batseba. Nachspiel: Proverbium: Varietas delectat. Aufführung am 8. Oktober 1680 in Bevern.26 David Saltzsieder Urias vnd Uri ein Teuffel Velthem Batseba Velthem Fraw Jonadab Davids Vetter Bek Silla Magd Brombachin Guter Engel Kahland Böser Engel, vnd der Satan Brombach Abdias vnd Nathan Schubart 2 Kammer-Diener Brombach vnd Starck Benaja Riese Nabalim kurtzweiliger Diener desselben der Pickelhering [Janethsky]

25 26

Zimmermann, S. 143–144. Zimmermann, S. 144–145.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Comoedia genandt: Die Standhaffte Genoveva Chur-Pfaltzgräffin von Trier. Nachspiel: Die Vnsichtbarkeit.27 Aufführung am 11. Oktober 1680 in Bevern.28 Pfaltzgraff Sigfroi Velthem Genoveva die Pfaltzgräffin dessen Fraw Lucinde Hoffdame Schubartin Golo der Verräther, ein Edelman Saltzsieder Adolf Hoff-Junker Schubart Fulco Hoff-Junker, complices Goli Brombach Trojan Kammer-diener, so von ihnen erstochen wird Riese Hexe vnd ein gerichts-diener Pickelhering [Janethsky] Ander gerichts-diener Schiller Engel, so in den representirten Himmel sas vnd sang, auch der Genoveva als ein Echo antwortete Kahland Friderich Genovevae Sohn vnd Benaja Velthem töchterlein [Anna Elisabeth]. Tragicomoedia. Die Ehrliche Verrätherei, oder Don Gaston. Aufführung am 12. Oktober 1680 in Bevern.29 Der König Don Pedro d’Arragonia verliebt in Donna Violanta des Don Gaston gemahlin Meriques de Buquoy der Ehrliche Verräther, so seine Persohn wohl agirete Die Königin Rosetta Hoff-Medigen Odoardo geheimbder Rath Tiberio Edelman Parasacco Königs Narr Schapin Don Gaston lustiger Diener Jäger Celio kleiner Knabe

27 28 29

Siehe das „Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein“) Zimmermann, S. 146. Zimmermann, S. 146–147.

Velthem dessen Fraw Saltzsieder Bek Schillerin Brombachin Brombach Starck Pickelhering [Janethsky] Schubart Riese Velthem töchterlein



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 685

Wunderliche Verwirrung. (Shakespeare „Comedy of errors“). Nachspiel zu „Die Ehrliche Verrätherei oder Don Gaston“. Aufführung am 12. Oktober 1680 in Bevern.30 Hertzog von Ephesus Bek Kauffmann von Syracusa so gefangen Velthem Schubart Antiphotus von Syracusa, erkant vor Velthem Sohn, Zwilling vnd gantz vnd ähnlich seinem Bruder in habit vnd bart auch Haaren vnd gesicht Antiphoto von Epheso Saltzsieder Dromio von Syracusa Pickelhering in allem gleich Dromio von Epheso Brombach Kauffman Ries Adriana des Antiphotis von Epheso Weib Schubartin Luciana ihre Schwester Veltheimin Angelo ein Goldschmied Starck Cortisana Kahlant Gefangenmeister Bek D. Pintsch Pickelhering [Janethsky] Abbtissin Brombachin Scharffrichter Schiller. Haupt-Tragicomoedia: Der Englische Erbes Rebell. (anscheinend eine Bearbeitung von Shakespeares „Richard III.“) Nachspiel: Prima regula Juris est negare. Aufführung am 13. Oktober 1680 in Bevern.31 König Edoardus aus Engeland Richardus sein zu letzt erkanter Sohn, davon alle die Intrigues Eleonora Princessin aus Schottland dessen Liebste Robertus Hertzog von Lancastro Edmond Hertzog von Glocester Elisabeth des Königes tochter Margaretha Hoff-Mädchen Anna Hoff-Mädchen 30 31

Zimmermann, S. 147. Zimmermann, S. 147–148.

Bek Velthem Seine Fraw Schubart Saltzsieder Schubartin Brombachin Kahlant

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Ermindo Leonoren Pagie Brombach Carindo Elisabethen Pagie Pickelhering [Janethsky] Anfredo Roberti Diener Starck Riese Wilhelm Richardi Diener Richter Schubart Notarius vnd kerkermeister Schiller Arigo König in Schottland Pickelhering [Janethsky] Tragicomoedia Le Cid oder Liebes-geschichte Rodorigen vnd Chimena. Nachspiel: Der Verwirrete Eheman. (Ohne Angabe der Besetzung) (nach Molière „Georg Dandin oder der verwirrete Ehemann“) Aufführung am 14. Oktober 1680 in Bevern.32 Der König Bek Graff Gormas Saltzsieder Don Diego Pickelhering [Janethsky] Rodorigo Velthem Chimena dessen Fraw Infantin des Königes tochter Schubart Leonora Infantin Hoffmeisterin Schubartin Elfiel, Chimenen Kammer-Medigen Kahland Sanche Edelman Riese Donarias Königlicher Rath Brombach Don Alfonso Königlicher Rath Stark Tragoedia vnd wahre historia, tituliret: Der Berühmte Römische General Titus Andronicus vnd grausamer Tyran Aran Gottischer Mohren General. Aufführung am 15. Oktober 1680 in Bevern.33 Der Käiser Saturninus Bek Titus Andronicus Velthem Aran der Mohr Saltzsieder Tamera gefangene Gothische Königin Veltheimin Lavinia, Titi tochter Brombachin Marcus Titi bruder Pickelhering [Janethsky] Lucius Riese Bassianus des Kaisers bruder Starck Cuiro Schubart Benegrin Kahland 32 33

Zimmermann, S. 148. Zimmermann, S. 149–150.



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 687

Brombach Heidnischer Pfaffe Schiller. Noch einer Hernach ward ein Ballet von 6 Persohnen getantzet, als Velthem, Schubart, Brombach, Ries, Schiller vnd Kahland. Das dreifache verliebte Paar. Aufführung am 19. Oktober 1680 in Bevern.34 Graff Velthem Princessin dessen Fraw Fürst Bek Princessin aus Frankreich Schillerin Müller Kneht Pickelhering [Janethsky] Müller Magd seine Braut Schubart Müller Brombach König Saltzsieder Princessin Jungfer Brombachin aufwärter Starck aufwärter Ries Nach der Comoedie tantzeten sie ein Ballet. Zuerst Mercurius hernach Jupiter allein Velthem vnd Schubart. 1. beede zusammen. 2. Die 4 Zeiten des iahres jedes allein. 3. hernach jede mit dem Mercurius bei Paaren, als Brombach den Winter, Kahland der Frühling, Schillerin der herbst vnd Velthem Fraw der Sommer. 4. Das Grand Ballet tantzeten sie alle 6 Mercurius, Jupiter, vnd 4 Zeiten des Jahrs. Tragi-comoedia: Die dreifache Krönung von Epiro, war ein haupt-stück von Statssachen. Aufführung am 22. Oktober 1680 in Bevern.35 Cleopatra Königin Arcadius der Cleopatra vnbekanter Bruder Seleucus ihr ältester vnbekanter bruder Antiochus Protector Regni Lysimachus Protectoris filius Ertz-Priester Macarius des Arcadii vermeinter Vatter Poleanus, Commendant des Schlosses Nestorius ein alter von Adel 34 35

Zimmermann, S. 150–151. Zimmermann, S. 152.

Veltheims Fraw Schubart Saltzsieder Bek Velthem Schiller Ries Brombach Velthem

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Polydora des Nestorii tochter Schubartin Ihr Kammer-Magd Schillerin Charylla der Königin Kammer-Jungfer Brombachin Philodes vnd Lysander Hoffcavaliers wie auch Antigonus Pickelhering [Janethsky], Kaland vnd Starck Ensemble der „Churfürstlich Sächsischen Hofkomödianten“ nach der Dresdener Besoldungsliste für das dritte Quartal 1687 (Velthen-Truppe. Wegen Hoftrauer war das Deputat um die Hälfte gekürzt, sodass die Komödianten ihren Unterhalt vorübergehend außer Landes suchen mussten):36 … Zur halben Besoldung auf der drey Directorum, Christian Starckens, Johann Wolff Riesens, und Johann Velthens hierunter stehende Quittung der Bande Comoedianten zu bezahlen: Fünff und zwantzig Rth. Christian Starcken Fünff und zwantzig Rth. Johann Velthen Fünff und zwantzig Rth. deßen Eheweibe Zwölff Rth. deren Schwester Achtzehen Rth. Gottfried Saltzsieder Achtzehn Rth. Christian Janezschky Zwölff Rth. Balthasar Brombachen Zwölff Rth. deßen Eheweibe Achtzehen Rth. Christian Reinhard Richtern Zwölff Rth. Sara Bopbergen. Spätestens ab 1689 gehörte auch Gabriel Möller gemeinsam mit seinem Bruder Christian Möller zu Velthens Truppe.37 1690 spielte Velthen in Torgau am Hof Johann Georgs III., des Kurfürsten von Sachsen, mit folgender Truppe:38 Velthens Eheweib und Tochter Christian Starke [Sohn des Sebastian Gottfried Stark ?] 36 37

38

Abgedruckt in: 300  Jahre Staatstheater Dresden, hg. im Auftrag des Generalintendanten, Red.: Winfried Höntsch und Ursula Püschel. Berlin 1967, S. 24/25. – Ebenso in Rudin, Bärbel: Zwischen den Messen in die Residenz, S. 85. Aus dieser Zeit stammt auch das Manuskript „Der verirrte Liebes Soldat“, geschrieben von Gabriel Möller, anno 1689, d. 25. Febr. in Dresden.) Beide Brüder gründeten 1693 eine neue Truppe, die hauptsächlich im Raum Leipzig / Berlin / Kiel auftrat. Möllers Truppe nannte sich 1702 „Baireuthische Hofkomödianten“ und 1703 „Sachsen-Weimarische Hofkomödianten“ und war in Sachsen unter Johann Georg III. dominante Spielgtruppe. 1709 in Prag, ab 1710 nur noch in den Ostseestädten. Zu den Wanderzügen Möllers siehe Bolte: Danziger Theater, S. 156. Nach Fürstenau, Moritz: Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Hofe der Kurfürsten von Sachsen, Teil 1, Dresden 1861, S. 311.

Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 689



Johann W. Ries39 Gottfried Salzsieder Hermann Reinhard Richter dessen Eheweib Benjamin Pfennig Elias Adler David Bamberger Christian Müller und dessen Eheweib. In dieser Besetzung wurde auch „König Frondalpheo“ (= „Die Liebes Verzweiffelung“) gespielt: König Frondalpheo (Österreichische Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13191) (Velthentruppe um 1690) 1. König Frondalpheo 2. Mirandon, sein Sohn. 3. Evandra, Printzeßin von Rodis, ist vertauscht mit Amena 4. Amena, Königs Frondalpheo Tochter, vertauscht mit Evandra 5. Rodeman, Printz von Rodis und Evandra Bruder 6. Ottonias, des Königes Hoffmeister 7. Cassianus, Ein Landes Fürst 8. Fidelmo, Mirandons Hoffmeister 9. Alidea. Der Evandra Cammer-Frau 10. Damon. Ein alter Schäffer 11. Dimas, Sein Sohn 12. Page von Cassiano

Richt. [Hermann Reinhard Richter] Stark. [Christian Starke]

Salz. Bam.

[Saltzsieder] [David Bamberger]

Pf. Adl. Pf. Riß Riß

[Benjamin Pfennig] [Elias Adler] [Johann W. Ries]

Das Ensemble der „Königlich Pollnischen und ChurSächsischen Hoffcommoedianten Bande“ unter seiner Prinzipalin, der Witwe Katharina Elisabeth Velthen, zeigt sich in Augsburg 1711 in völlig neuer Besetzung40:

39 40

Joh. W. Ries war bei den Exercitien und Komödien angestellt, er bezog 200 Thaler festes Gehalt und gehörte zur Oberkämmerei. Im Februar 1711 beim Augsburger Magistrat eingereichte Liste ihrer Mitglieder. (Kein anderes Bühnenunternehmen dieser Zeit hat auf Dauer so große Reisedistanzen bewältigt.) – Ori-

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Veltin Principalin. Augustin u. Seine frau. [1689/90 noch bei der Kuhlmann-Truppe] Huber u. Seine frau. Grindler u. Seine frau. Jüdenbarth. Daudterstart [?]. Brunius.41 Heroldt. Kurtz. [Felix] Zroff. Sass. [Christian Friedrich Ludwig Sass]

ginal im Stadtarchiv Augsburg, Meistersingerakten, Fasc. IV, fol. 185r, Eingabe vom 21. Fe­ bruar 1711. Abgedruckt in Rudin: Zwischen den Messen in die Residenz, S. 96. Das „Kurfürstlich-sächsische Privileg“ blieb von 1679 bis 1712 im Besitz der VelthenTruppe, die vorwiegend in Nord- und Mitteldeutschland agierte. (Den Titel „Kgl. Polnische und churfürstlich sächsische Hofkomoedianten“ hatte die Truppe der Witwe Katharina Elisabeth Velthen 1697 nach der Wahl des Kurfürsten Friedrich August auf den polnischen Thron erhalten.) Ihre Tochter Anna Elisabeth Velthen ist noch bis 1720 in Hamburg nachweisbar. – Später ging das Privileg bis 1727 an die Elenson-Haacke-Hoffmann-Truppe, danach blieb es bis 1728 bei der Schauspieltruppe des Neuber-Ehepaars. 41 1713 erhielt Johann Heinrich Brunius als Prinzipal der Churfürstlich Bayrischen bestallten Hofkomoedianten gemeinsam mit A. J. Geißler eine Spielkonzession in Prag, am 9. März 1715 in Wien, ab 23. März 1716 in Prag und später in Augsburg. In Prag 1718 zeichnet er als alleiniger Principal der Hochteutschen Comoedianten oder Teutsch Wienerischen Bande. 1719 mit seinen Kurfürstl. Pfälzischen Hof-Comoedianten am Münchner Hof. Ab 27. Jänner bis März 1720 ist er mit 16 Personen in Basel, ab 3. Mai bis Mitte Juni 1720 in Bern, dann ist die insgemein teutsche Wienerische Bande in Frankfurt, im September 1720 in Köln. Im Winter 1720/21 ist er am Mannheimer Hof des Kurfürsten Karl III.Philipp. Von diesem bekommt er das Privileg als „Churfürstlich-Pfältzischer Hof-Commoediant“. 1722 ist er wieder in Graz, wo er 1729 stirbt. In Graz erscheint auch die Tragödie „Die siegende Unschuld in der Person der asiatischen Banise, von Johann Heinrich Brunius, Churfürstlich-Pfältzischen Hof-Commoedianten Principalen mit bey sich habender Hoch-Teutscher Compagnie. Grätz, gedruckt bey den Widmanstätterischen Erben 1722“. Erhalten sind ebenfalls vier Periochen seiner „Churfürstl. Pfältzischen Hof-Commoedianten“, gedruckt in Grätz, bey den Widmanstätterischen Erben: „Kayser Nero in denen fünff Jahren seiner Regierung der Sanfftmüthige“ (1722. 4 Bl, Universitätsbibliothek Graz, I, 91652), „Die ruhmwürdigste Liebes-Aventuren Kaysers Otto deß Großen“ (1728. 6 Bl, Landesarchiv Graz, HB 1797 e), „Die Verfolgung auß Liebe, oder Die streitbare Telesilla, Königin von Argo“ (1728. Landesarchiv Graz, HB 63 a) und „Der in dem Feuer göttlicher Liebe brennende Mährische Phönix D. Joannes Sarcander Dechand zu Holleschau, oder vollkommene Früchte der Grätzerischen Musen“ (1730. 4 Bl, Leoben St. Xaver – ohne Signatur). Angaben nach Graff: Grazer Theaterdrucke, Nr. 110 und Nr. 111, S. 267; Nr. 124 und Nr. 125, S. 269; Nr. 129, S. 270.



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 691

Insprugger / Eggenberger – Truppe Mitglieder der Innsbrucker Hofkomödianten 1658 bis 1662 hatte die Wandertruppe des Hans Ernst Hoffmann42, die sich um 1654/55 von der englischen Komödiantentruppe des Joris Joliphous abgespaltet hatte und der auch Johann Martin als Schauspieler und Musiker angehörte, vier Jahre lang ein festes Engagement bei Erzherzog Ferdinand Karl am Innsbrucker Hof.43 Ab etwa 1669 scheint ein Teil der Truppe in neuer Formation unter dem Prinzipal Andreas Elenson gespielt zu haben. Die Namen der Schauspieler sind in einer Innsbrucker Besoldungsliste aus dem Jahr 1660 verzeichnet44: Johann Marthin Matthias Protous Christoff Falkhenberger45 42

43

44 45 46

Marthin Hendler Peter Stätins Johann Christoff Pernegger46

Hans Ernst Hoffmann, Principal der Insprugger Comoedianten, später der Churpfälzischen Compagnie Comoedianten. Soll 1669 auf dem Marktplatz von Marburg erstochen worden sein. – Seine Witwe Marie Ursula nennt sich 1670 (10. August – 6. September) in Basel „Hochfürstl. Badens[ische] Comoediantin“ [in der Churfürstl. Markgräfl. Truppe zu Baden]. Die beiden Töchter und sein Sohn Johann Christian blieben dem Komödiantenberuf treu: Anna Claudia Felicitas, geb. 1659, benannt nach ihren Innsbrucker erzherzoglichen Taufpatinnen, heiratete den Eggenberger Hofkomödianten Johann Franz Manduk aus Bayern. Die andere Tochter Sibylla Juliana Hoffmann ehelichte 1677 den Eggenberger Prinzipal Johann Georg Göttner. Beide Töchter wurden 1678 Mitglieder der Eggenberger Truppe. Nach dem Tod Ferdinand Karls im Dezember 1662 wurden die Komödianten aus Innsbruck entlassen und begannen erneut ihr Wanderleben im süddeutschen und österreichischen Raum. Im Frühjahr 1667 spielten sie am Baden/Durlacher Hof und nannten sich ab nun Churpfälzische Compagnie Comoedianten oder Fürstlich marggräflich badische Comoedianten. 12. Juli bis 16. August 1667 in Straßburg und Basel nachgewiesen. Im Winter 1667/68 hielt sich die Truppe im Heidelberger Schloss auf. Erst 1669, nach Hoffmanns Tod, erhielt seine Witwe Marie Ursula mit einem Teil der Truppe ein festes Engagement am Baden/Durlacher Hof. Als am 4. Nov. 1669 Markgraf Ferdinand Maximilian an den Folgen eines Jagdunfalls starb, erhielt das Ensemble die Gnädigste Lizenz, sich während des Trauerjahrs anderer orrden deß agierens zuebedienen. [Stadtarchiv Augsburg, Theaterakten vor 1700, S.  136–139, Eingabe vom 6. Mai 1670. (Nach Rudin, Bärbel: Die Textbibliothek der eggenbergischen Hofkomödianten, S. 82–83.) – Siehe dazu auch Ludvik, Dusan: Die Chronologie und Topographie der Innsbrucker Komödianten – 1652 bis 1676. In: Acta Neophilologica IV, 1971, S. 3–39.] Archiv der Tiroler Landesregierung, Cod. Hs. Nr.  1965, S.  83v, Hofpfennigmaisterische Ambtscoppey Raittung aus dem Jahr 1660. (Abgedruckt in Gstach, Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch, S. 124–126). Christoph Falckhenberg von Nürnberg ist noch Ende des Jahres 1658 als Dantzmaister in Augsburg. Im Juni/Juli 1670 steht er als Hoffmusicus in Durlach in badischen Diensten. 1674 fanden sich Pernecker, Schwarz und Blümel auf der neueingerichteten Bühne des Schlosses Krumau in Südböhmen ein und gaben dort anscheinend fünf Theaterstücke. 1675 ließ Pernecker dort vier Theaterstücke abschreiben, eines davon war Doktor Faust und Wagner. Das Engagement der Truppe Pernecker reicht bis ins Jahr 1676, aber auch in den Folgejah-

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

Franz Gerber47 Hans Fux3 Johann Wohlgehaben48 Christoff Plieml [Blümel]50

Ursula Hoffmannin Hannss Ernst Hofman Rebecca Schwarzin49 Peter Schwarz

1667 gastierte die Truppe des Hans Ernst Hoffmann und Peter Schwartz am Hof Carl Ludwigs von der Pfalz in Mannheim. Sie nannte sich ab nun Churpfälzische Compagnie Comoedianten“. Ab 1674/75 spielten Mitglieder dieser Truppe auf dem Stammschloss des Fürsten Johann Christian zu Eggenberg (1641–1710) in Böhmisch Krumau.

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ren wird immer wieder in Schloss Krumau gespielt. Am 1. Mai 1676 wurde Pernecker aus Wien mit seiner Frau Anna in das Krumauer Theaterensemble aufgenommen, wo er auch für die Theatervorrichtungen zuständig war. Mit Kost, Verpflegung und freiem Futter für das Reitpferd wurde dem Ehepaar Pernecker ein Jahresgehalt von 150 Gulden ausbezahlt. Nach dem Neubau des Theatergebäudes 1682, für das er wiederum die Einrichtung besorgte, bat er um eine besondere Belohnung. Eng mit Johann Valentin Petzold, dem lustigen Kilian Brustfleck, befreundet (Anna Bernecker wird in den Krumauer Pfarrbüchern am 8. März 1678 als Taufpatin, ihr Mann am 20. März 1678 als Zeuge bei der Heirat Petzolds genannt). Im Frühjahr 1691 wurden die Schauspieler aus den Diensten des Fürsten Johann Christian zu Eggenberg in seinem Stammschloss Böhmisch Krumau entlassen. Als Fürstlich Eggenbergische Komödiantentruppe nahmen sie ihr Wanderleben in den Städten des Reichs und der Erbländer wieder auf. Zuletzt standen sie unter der Leitung des Johann Heinrich Rademin, der für die Entwicklung des Wiener und Prager Theaters eine entscheidende Rolle gespielt hat und als Verfasser und Bearbeiter zahlreicher Bühnentexte bekannt ist. (Teils nach Ludvik, Dusan: Die Eggenbergischen Komödianten. In: Acta Neophilologica, Bd 3, 1970, S. 91) 1648 sind Johann Franziskus Gerber und Johannes Fuchs an der Wiener Hochschule immatrikuliert. (Nach Rudin, Bärbel: Deutsches Theater nach dem Westfälischen Frieden – Zwanzig Jahre des Aufbaus. In: Die Welt des Daniel Casper von Lohenstein. Köln 1978, S. 53) Johann Wohlgehaben ist 1668 als Mitt Director der Compagni Comoedianten, gemeinsam mit Hoffmann, Schwarz und Blümel, in Heidelberg und Frankfurt; 1669 mit Schwarz in Straßburg, Speyer, Rothenburg, 1669/70 in Prag, 1673 in Ljubljana, 1673/74 in Graz, 1675 und 1676 in Ljubljana. Rebecca Schwarz 1690 in Krumau nachgewiesen) war die Mutter des Johann Christian Schwarz (Vater: der Prinzipals Peter Schwarz), der 1681 bis 1690 Mitglied der Eggenberger Hofkomoedianten war. Der Schlesier Christoph Blümel war 1649 an der Universität Frankfurt/Oder immatrikuliert, 1655 und 1657 in Nürnberg als studiosus und comoediant Mitglied der Joliphous-Truppe. Als Mitglied dieser Truppe bereiste er die süddeutschen und österreichischen Städte und ist 1659–1662 bei den Insprugger Hofcomoedianten in Innsbruck. Blümel schrieb die „Comoedia Genandt der Jude von Venetien“ (Badische Landesbibliothek Karlsruhe, Rast. 193) und die „Comoedia von der Glüeckseligen Eyfersucht zwischen Rodrich vndt Delomira von Valenza“ (Stadt- und Landesbibliothek Wien, Sammelband 38589 Ja, Bl. 201–185). Seine Handschrift ist auch auf einem Theaterzettel der Joliphous-Truppe von 1654 erhalten (siehe vorliegende Arbeit, S. 307).



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 693

Sie nannten sich in der Folge „Fürstlich Eggenbergische Comoedianten“. Als Ensemblemitglieder sind genannt:51 Johann Christoph Pernecker aus Wien samt seiner Gattin Anna; Johann Georg Göttner aus Nikolsburg / Mikulov, der später Sybille Juliane Hoffmann heiratet; Johann Franz Manduk aus dem bayrischen Ried;52 Johann Karl Samenheimer, 1675–1691 Codirektor des fürstlichen Hoftheaters in Böhmisch Krumau und Verfasser eigener Stücke;53 51 52

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Nach Záloha, Jirí: Zu den Anfängen der „Eggenbergischen Hofkomödianten“ in Böhmisch Krumau. In: Maske und Kothurn, Jg 48, Heft 1–4, Wien 2002, S. 265–269. Siehe auch Dusan, Ludvik: Die Eggenbergischen Hofkomödianten. In: Acta Neophilologica, III, 1970, S. 65–92. In der Resolution vom 8. Mai 1676 wird Franz Johann Manduk (Mandukh) als Komödiant verzeichnet. Er stammte aus Ried in Bayern. Seine Frau Anna Claudia Felicitas war die Schwester von Sibylla Juliana Hoffmann. Manduk und Göttner waren also Schwäger. Manduk war auch als Musiker und Komponist tätig. Seine Frau wurde am 1. Mai 1678 in das Theater­ ensemble aufgenommen. Johann Carl Samenheimer (Samenthamer, Sonnenheimer, Sonnenhammer, Karl Samuel Hammer, Samenthaner), geb. 1648 zu Passail in der Oststeiermark (der Familienname hat wohl mit Sammenheim, einem Pfarrdorf im Bistum Eichstätt, zu tun), war in der unmittelbaren Nachfolge der Innsprugger Comoedianten Codirektor des Böhmisch-Krumauer Hoftheaters (gemeinsam mit Georg Göttner bis zu dessen Tod 1696). Er wurde von Herzog Johann Christian mit dem Adelsdiplom „von Sammenthal“ bedacht und zum „Poeta laureatus“ gekrönt. Nach der Entlassung aus Schloss Krumau ging er mit den „Fürstl. Eggenbergischen Komödianten“ wieder auf Wanderschaft: 1692 Vereinigung mit der Elenson-Truppe (Hochteutsche und Wienerische Comödiantenbande), 1693 ist diese Vereinigte Wiener Compagnie in Wien und Prag, 1694 in Wien, 1695 in Graz, Innsbruck, Salzburg, Juni/Juli in Augsburg, 1696 in Graz (Johann Carl Samenthamer Principal Comoediant), Augsburg und Lindau; vom 9. Sep. 1696 bis 19. Feb. 1697 in Zürich (Abweisung), Basel, Freiburg und Bern (Abweisung) nachweisbar. Während der Wintersaison 1697/98 in Straßburg. (Die Urkunden verzeichnen ihn als Karl Samuel Hammer). September 1699 in Linz. Laut Rudin schloss er sich später dem kaiserlich privilegierten Prinzipal Jakob Kuhlmann aus Bautzen an. Im Dezember 1699 mietete er gemeinsam mit den verbliebenen Mitgliedern der Kuhlmann-Truppe das Ballhaus in der Teinfaltstraße in Wien. 1700 taucht Johann Carl Samenhofer Comödiant als Prinzipal in der Spektakelhütte auf der Freyung in Wien auf, wo sonst Polucinellen Spiller, Sailltanzer und Glückshafner ihre Vorstellungen geben. Danach in Salzburg und Hallein. 1702 scheint er als Partner von Witwe Catherina Elisabeth Velthens Bruder, F. E. Paulsen, auf. 1708 ist er mit „hochdeutschen Komödianten“ wieder auf Wanderschaft. 1709 ist er in Dinkelsbühl und schlägt dem Nördlinger Magistrat als offizielle Festvorstellung den „Papinianus“ vor. Sein Gesuch wird am 9. September 1709 abgeschlagen. Nochmaliges Gesuch am 13. September, am 25. September Bewilligung uff 14 tag an 4 Tagen in der Woche. Dedikationskomödie am 21. Oktober und Verehrung von 8 Gulden. Am 25. Oktober bat Samenheimer um ein Empfehlungsschreiben, das Attestat wird bewilligt. 1695 erscheint sein Textbuch „Tragoedia genandt der Wettstreit himmlischer und irdischer Liebe. In den zweyen Märtyrern und Blutzeugen Christi Rogatiano und Donatiano vorgestellt und neu componiert von Joanno Carolo Sammenhammer von Sammenthal, Phil. Mag. Poeta laur. caes.“ (30 Bl. Siehe Graff: Grazer Theaterdrucke, Nr. 65, S. 260). – (Literatur: Rudin, Bärbel: Heinrich Rademin, Hanswursts Schattenmann. In: Maske und Kothurn, Jg 48, Wien 2002, S. 275–276; ebenso Rudin: Der Hochfürstlich Eggenbergische Comoediant Johann Carl Samenhammer. Ein Beitrag zur Theatergeschichte Nördlingens. In: Nordschwaben, Bd 2, 1974, S. 161–164; ebenso Helmut G. Asper: Kilian Brustfleck alias Johann Valentin. Petzold und die Eggenber-

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Johann Valentin Petzold, der Krumauer Komödienbauer, bekannt als Kilian Brustfleck; er erhielt Geschenke und Gage bis zu seinem Tod 1711.54 Andreas Elenson und Frau; Ursula Blümel und Tochter, Anna Hoffmann, Johann Wohlgehaben, Johann Friedrich Schwarz. Die von 1676 bis 1691 am Hof des Fürsten Johann Christian von Eggenberg in Böhmisch Krumau fest angestellte Truppe der Eggenbergischen Komödianten:55 ab 1. Mai 1676: Johann Georg Göttner56 Sommenhammer [Sammenheimer] Manduck Ehepaar Bernecker ab 1. Mai 1678: Göttners Frau Sibylla Juliana Manducks Frau Anna Klaudia Felicitas Johann Karl [?] Johann Friedrich Philipp Schwarz57

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gischen Komödianten. In: Maske und Kothurn, Jg 16, 1970, S. 30–43; ebenso Dusan Ludvik: Die Eggenbergischen Hofkomödianten. In: Acta Neophilologica, Bd 3, 1970, S. 90.) Johann Valentin Petzold aus Passail (Bezirk Weiz, Steiermark) wird in seinem Auftreten als aufbrausend und ungehobelt bezeichnet. 1677 ist Petzold in der Eggenberger-Truppe auf Schloss Böhmisch-Krumau bezeugt. Er spielte den „lustigen Comedi-Bauern Kilian Brustfleck“ und war anscheinend einer der beliebtesten Komödianten bis zur Stilllegung des Krumauer Theaters 1691. 1696 spielte er am bayrischen Hof zu München in einer anderen Kompagnie. Aus seiner ersten Ehe mit Juliane Schreiber (bis Mitte 1704) hatte er zwei Töchter und neun Söhne, zwei starben im Knabenalter. Seine zweite Frau Anna Maria schenkte ihm einen Sohn. In den Jahren 1676 bis 1691 spielte die kleine Theaterkompagnie ständig am Krumauer Hof, mit Ausnahme Februar 1679, Februar bis Herbst 1683, August 1687, Frühling 1690. Entlassung der Truppe am 26. Juni 1691. Nur Schwarz und Petzold blieben in Krumau. (Nach Ludvik, Dusan: Die Eggenbergischen Hofkomödianten. In: Acta Neophilologica, Bd 3, 1970, S. 89.) Siehe auch das Lexikon: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 509–512). Johann Georg Göttner (Gettner, um 1645–7. 12. 1696) stammte aus Nikolsburg in Mähren; Neben seiner Aufgabe als Prinzipal und Darsteller des Pickelhering in der Fürstl. Eggenbergischen Komödiantentruppe (Dektret vom 2.  Mai 1676) erhielt er ab 1.  Mai 1675 als Schreiber im Dienst des Herzogs Johann Christian ein zusätzliches Gehalt. 1687 wurde ihm von Fürst Eggenberg der Adelstitel „von Göttersberg“ verliehen. In den Akten wird er als Kanzlist, Schauspieler, Hofschauspieler und zuletzt als Hofpoet genannt. Entlassung nach Auflassung des Hoftheaters am 16. Juni 1691. Als alleiniger Prinzipal erscheint er 1693 in Prag und Ljubljana, 1695 in Augsburg. Göttner soll sechs Komödienstücke verfasst haben, deren Titel nicht bekannt sind. 1696 soll er eines tragischen Todes gestorben sein: Nach einer „Faust“ – Aufführung in Basel stürzte er über eine Treppe und verletzte sich tödlich. In der Kirchenbuch-Eintragung vom 7. 12. 1696 wird er als „Komödiant und gekrönter Dichter aus Nikolsburg“ bezeichnet. (Siehe dazu das Lexikon: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 215–218). Johann Friedrich Philipp Schwarz aus Strassburg heiratete am 20. April 1681 in Krumau die Bürgerstochter Sophie Ambtengruber. Er wird in den Krumauer Pfarrmatrikeln von 1692



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 695

Johann Wohlgehaben Johann Valentin Petzold Rünckl58 Deutsche Hofkomödiantentruppe unter dem Prinzipal Jakob Kuhlmann, die sich von Lichtmess (2. Februar) 1689 bis Lichtmess 1690 in Stuttgart aufhielt und für dieses Jahr von Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg 3000 Gulden Gage bezog.59 In Kuhlmanns Truppe sind auch Mitglieder der Eggenbergischen Truppe: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

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Jakob Kuhlmann60 Frau Anna Barbara Kuhlmännin der Sohn Johann Georg Philipp die Tochter, Jungfrau Viktoria Klara61 Jakob Wilhelm Augustin Frau Dorothea Margaretha Augustinin Johannes Fromm Hieronymus Hopfer Johann Jakob Geißler Johann Karl Sammenhammer bis 1736 sechsmal erwähnt, zuletzt nicht mehr als Schauspieler, sondern als Lakai und schließlich als Mesner der Schlosskapelle. Er besaß ein Haus in Krumau, direkt neben jenem des Johann Valentin Petzold. (Von den vier Söhnen des Peter Schwarz trug keiner den Namen Johann Friedrich Philipp. Er ist vielleicht der Erstgeborene aus der Ehe mit Rebekka.) Johann Karl Rünckl betätigte sich nur gelegentlich als Schauspieler. Er soll, wie Göttner, sechs Komödien verfasst haben, deren Titel nicht bekannt sind. (Ludvik, Dusan: Die Eggenbergischen Hofkomödianten. In: Acta Neophilologica, Bd 3, 1970, S. 91) Nach Dusan Ludvik: Die Eggenbergischen Hofkomödiaten. In: Acta philologica, Bd 3, 1970, S. 81. Jakob Kuhlmann von Bautzen [Budißin] ist mit seiner Truppe erstmals 1665 in Dresden nachweisbar und spielte in Wien, Graz, Prag und in den süddeutschen Städten, manchmal neben der Eggenbergischen. Kurz vor Stuttgart waren sie in München, Salzburg und Graz. 1673 erhielt er in Wien das Kaiserliche Privilegium. Als „Hochfürstl. Markgräfl. Durlach. Lands Comoedian. ten Direktor“ ist er im Juni und Sep. 1688 in Basel und Bern nachweisbar. In seinem vergeblichen Spielansuchen vom 15. Dezember 1695 an den Augsburger Rat verspricht er gar wol elaborierte Comoedien, Tragoedien vnd Pastoralien. Er habe indeßen vil andere auß Spann:, Italiener: vnnd Franzößischer Sprach ins teutsch ganz neu übersezte Schau Spiehle. 1698/99 Partner von J. C. Samenhammer am herzoglichen Hof in Stuttgart. Im Spätsommer 1699 ist er in Linz urkundlich zuletzt nachgewiesen. Kuhlmann führte die Privilegien und Titel „Sächsische Comödianten“ und „Hochf. Brandenburg-Bareitscher bestallter Hof-Comoediant“ und Hochf. Markgräfl. Baden-Durlachische Hof-Comoedianten“. (Kuhlmanns urkundlich dokumentierte Reisen sind verzeichnet bei Trautmann, Karl: Deutsche Schauspieler am bayrischen Hofe, S. 321–330; bei Pies, Eike: Prinzipale, 1973, S. 209, ebenso im Lexikon „Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 367–369). Die Tochter Victoria Clara heiratet später den Schauspieler Benecke.

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Wanderbühnendramen des 17. Jahrhunderts

11. seine Frau 12. Göttners Tochter62 Die in dem Wanderbühnendrama „Polieyt“, Stuttgart 1698, verzeichneten Schau-Spieler stammen teils aus der Innsprugger oder Eggenbergischen Truppe, teils gehören sie zur Kuhlmann-Truppe: Felix, Ein Römischer Rahts-Herr, Vor-Furst in Armenien. Sammenhammer. Polieyt, Ein Herr von Armenien, des Felix Schwiger-Sohn. Fromm. Sever, Ein Römischer Ritter und Liebling des Käisers. Schneidenwein. Nearch, Ein Herr von Armenien, und Freund des Polieyts. Blümel. Paulina, Eine Tochter des Felix, und Gemahl des Polieyts. Fr. Augustinin. Stratonice, Eine vertrauliche Dienerin der Paulinen. Jgfr. Clara [Kuhlmann]. Albin, Ein vertraulicher Aufwarter des Felix. Roß. Fabian, Ein Hauß-Genoß und Diener des Felix. Junge Kuhlmann [Johann Georg Philipp]. Die Wacht von drey Personen. Hilverding-Truppe Szenarium einer titellosen Posse (Manuskript in der Forschungsbibliothek Gotha, Sig. Ch. A. 1187), aufgeführt von der Hilverding-Truppe in Riga am 7. Dezember 1719:63 Actores. Pantalon Anselmo 62

H. Hilfferding64 H. Münnich

Isabella Bruna

Mad. Ohlin Mad. Hilferding

Ernestine Anne Göttner, geb. 1684, Tochter des Coprinzipals der Eggenbergischen Comödianten, Johann Georg Göttner. Dieser war 16 Jahre lang als Schauspieler und Hofpoet im Dienst der Fürsten von Eggenberg. 63 Actores und Inhalt verzeichnet bei Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen, 1934, S. 479. Das oben angeführte Szenarium ist aus einer späteren Handschrift bekannt, die dem Schauspieler Konrad Ekhof gehörte und die Reichard 1780 im Theater-Journal für Deutschland, 15. Stück, Gotha 1780, S. 26–53, abgedruckt hat: Die entsezlichen Zufälle in glück- und unglückswechsel, bey der lä#cherlichen Fischerey und listig erfundenen Contract des Hanns-Wurst mit Runcifax, ein teufel. 64 Johann Baptist Hilverding (1677–1721), Sohn des Puppenspielers und Salzburger Hof­ komödianten Johann Peter Hilverding in Salzburg. Johann Baptist H. war Marionettenspieler in Wien, später Theaterprinzipal. In seiner Hochteutschen Wienerischen Bande spielte auch der Styrische Pawer. (J. A. Stranitzky). Erhielt 1720 das Kaiserlische Privileg am Kärntnertor-Theater gemeinsam mit Stranitzky. Um das Repertoire zu erneuern, adaptierte er etlich Hundert Wiener Opernlibretti. H. blieb bis zu seinem Tod am Kärntnertor-Theater. Sein Sohn Johann Peter wurde Pantalon-Darsteller und Prinzipal. Seine Witwe heiratete 1725 Gottfried Prehauser. (Nach dem Lexikon: Theater in Böhmen, Mähren und Schlesien, S. 276–280).



Übersicht über die in den Manuskripten verzeichneten Schauspielernamen 697

Cynthio Arlequin Aurelia Collumbina Scapin

H. Weßling H. Moritz Mad. Ferdman Mad. Müller H. Kern

Claus SchifferJunge Peter Runcifax Mago Diettrich Herhold Rundadinelula Peter

Spiegelberg-Truppe Bourlesque, genandt La Dama Bizzara Castigata, die bestrafften Thorheiten eines eigensinnigen Weibsbildes. (Forschungsbibliothek Gotha, Sig. Ch. A. 1187,1)65 Pantalon, ein reicher witwer in Palermo. Isabella, seine Tochter in Leandern verliebt. W. Angeletta, seine des Pantal. Schwester, ein sehr zänkisches Frauenzimmer. Frau Spiegelbergin.66 Anselmo, ein Kaufmann aus Messina. H. Spiegelberg. Odoardo, sein Sohn, ein pucklichter Mensch, versprochener Bräutigam der Isabella (kan den Scapin machen im letzten Actus). Leander, ein Kaufmanns Sohn, Liebhaber der Isabella. H. Sax. Horatio, ein reicher Bürgers Sohn aus Palermo. Harlequin des Leanders Bediente. Scapin Columbina, der Isabella Mädgen. Jungfer Spiegelbergin. ein Notarius (kan der Odoardo machen, es kan auch Arlequin den Notarium machen). Corporal. Soldaten.

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Nach Bolte, Johannes: Von Wanderkomödianten und Handwerkerspielen, 1934, S. 468–469. Tochter des älteren Leonhard Andreas Denner.

Bibliographie Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen der englischen und deutschen Wandertruppen des 17. Jahrhunderts Ayrer, Jacob: Opus Theatricum. Dreißig Aussbündtige schöne Comedien vnd Tragedien von allerhand Denckwürdigen alten Römischen Historien vnd anderen Politischen geschichten vnd gedichten, Sampt noch andern Sechs vnd dreißig schönen lustigen vnd kurtzweiligen Faßnacht oder Possenspilen, Durch Weyland den Erbarn vnd wolgelährten Herrn Jacobum Ayrer, Notarium Publicum, vnd Gerichts Procuratorn zu Nürmberg seeligen, Auß mancherley alten Poeten vnd Scribenten zu seiner weil vnd lust mit sonderm fleiß zusammen colligirt, vnd in Teutsche Reimen Spilweiß verfasset, das man alles Persönlich Agirn kan, Sampt einem darzu gehörigen Register. Gedruckt zu Nürmberg durch Balthasar Scherffen. Anno MDCXVIII. (1618) Beginn der Drucklegung jedoch schon 1610.1 Laut Gottsched (Nötiger Vorrath, S. 142) sind alle in diesem Werk abgedruckten Dramen schon im vorigen Jahrhundert verfertiget worden. Jakob Ayrer (1543/44–1605) ist nicht nur zeitlich, sondern auch als Theaterautor noch sehr stark vom Meistersingerspiel des Hans Sachs und der Fasnachtspieltradition geprägt. Ayrers mehr als 100 Spieltexte sind in Knittelversen geschrieben, strophisch gegliedert und mit Melodien versehen Seine sind jedoch auch von den englischen Komödianten beeinflusst. Ayrer übernimmt von ihnen einzelne Stoffe, die ausführlichen Bühnenanweisungen und neue Bühnentechniken neben dem verstärkten Einsatz von Kostümen und Requisiten. Neu ist auch die große Anzahl von Akteuren auf der Bühne. Er führt Tanz und Musik in Intermezzi ein und tendiert nach dem englischen Vorbild teils zu blutigen effektgeladenen Darstellungen. – Seine „Singespiele“ (ein neuer Begriff Ayers) mit Tanz und Späßen werden nach bekannten Melodien auf die Bühne gebracht. In einigen seiner Stücke taucht auch die beliebte englische Narrenfigur des Jan Posset auf, die Thomas Sackville 1596 und 1597 in Nürnberg auf der Bühne gezeigt hat. Einige Stücke stehen in enger Beziehung zum 1. und 9. Schauspiel der „Englischen Comedien und Tragedien“-Sammlung von 1620. Die beiden Schauspiele von Ayrer, „Spiegel Weiblicher zucht vnd Ehr“ und „Comoedia von der schönen Sidea“, weisen einen direkten stofflichen Bezug zu den von den englischen Komödianten aufgeführten Shakespeare-Bearbeitungen auf.

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Ludwig Tieck schreibt in seinem „Deutschen Theater“, Bd 1, Berlin 1817, Vorrede, S. XXI: Die 36 Faßnachtspiele sind schon 1610 gedruckt, aber, wie es scheint, erst mit seinem [Ayers] OPUS ­THEATRICUM oder den dreißig Schauspielen, 1618 ausgegeben.

700 Bibliographie Als Ayrers Stück 1618 posthum publiziert wurden, bewarb man sie mit dem Hinweis, dass die Schauspiele des Notars gleichsam auff die neue Englische manier vnnd art verfasst seien.2 Neudrucke aus Ayrers „Opus Theatricum“: Tieck, Ludwig: Deutsches Theater, Bd I, Berlin 1817, beinhaltet folgende fünf Stücke Ayrers: S. 167–183: Fasnachspil: der überwunden trummelschlager, mit Jann Posset (Nr. 50); S. 184–198: Von dem engellendischen Jann Posset, wie er sich in dinsten verhalten (Nr. 51); S. 200–251: Von dem Griechischen Keyser zu Constantinopel und seiner Tochter Pelimperia mit dem gehengten Horatio (Nr. 11); S. 252–322: Spiegel weiblicher zucht vnd Ehr. Comedia, Von der schönen Phönicia vnd Graf Tymbri von Golison auß Arragonien, wie es ihnen in ihrer Ehrlichen Lieb gangen, biß sie ehelich zusammenkommen. (Nr. 26); S. 323–365: Von der schönen Sidea, wie es jhr biß zu jrer Verheuratung ergangen Nr. 28). Neudruck aller 69 Schauspiele Ayrers3: Ayrer, Jacob der Ältere: Dramen, 5 Bde, hg. von Adelbert von Keller (= Bibliothek des Litterarischen Vereins Stuttgart, Bd 76–80), Stuttgart 1865. Reprodruck dieser Stuttgarter Ausgabe durch den Olms-Verlag, Hildesheim/New York 1973. Folgende vier Schauspiele aus Bd 76 finden sich auf der Wanderbühne wieder: Nr. 11(S. 177–189): Tragedia von dem Griegischen Käyser zu Constantinopel vnnd seiner Tochter Pelimperia, mit dem gehengten Horatio; hat 6 Actus vnnd 18 Personen. Nr. 25 (S. 397–407): Comedia vom König in Cypern, wie er die Königin in Franckreich bekrigen wolt, vnd zur Ehe bekam; hat 5 Actus vnnd 14 Personen. Nr. 26 (S. 408–423): Comedia genandt Spiegel weiblicher Zucht vnd Ehr, von der schönen Phönicia vnd graff Tymbre von Golison auß Aragonien, wie es jhnen in jrer Ehrlichen lieb ergangen, biß sie Ehelich zusammen kommen; hat 6 Actus vnd 17 Personen. Nr. 28 (S. 438–442): Comedia von der Schön Sydea, wie es ihr mit dem Engelbrecht biß zu ihrer verheuratung ergangen; hat 5 Actus vnnd 16 Personen. Lit.: Wodick, Wilibald: Jacob Ayrers Dramen in ihrem Verhältnis zur einheimischen Literatur und zum Schauspiel der englischen Komödianten. Halle a.  S. 1912.

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Vorrede an den christlichen guthertzigen Leser. In Ayrer: Dramen, 5 Bde, hg. von Adelbert von Keller (= Bibliothek des literarischen Vereins, Bd 76–80). Stuttgart 1865, Bd 1, S. 6. – Siehe dazu auch Carl Kaulfuß-Dieß: Die Inszenierung des deutschen Dramas an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur älteren deutschen Bühnengeschichte. Leipzig 1905, S. 167–227. Das vollständige Verzeichnis der 69 Ayrerschen Stücke siehe auch Goedeke: Grundriß, Bd 1, S. 412–415.



Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen

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Abb. 50: Jacob Ayrer der Ältere (gest. in Nürnberg 1605). (Anonymer Nürnberger Kupferstich) Sein erst 1618 von seinen Freunden in Nürnberg veröffentlichtes „Opus Theatricum“ enthält dreyßig außbündtige schöne Comedien vnd Tragedien … vnd dreyssig schöne lustige kurzweilige Fastnacht- oder Possen-Spilen, darunter neun Singspiele (Nat.Bibl. Wien, Sig. 25.H.31). Ayrer steht in der Nachfolge von Hans Sachs und versucht die deutsche Knittelverskomödie der neuen englischen Manier anzupassen. (Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur. Marburg 1895, S. 169)

Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel [1564– 1613]. Einfluss der englischen Komödianten; wahrscheinlich Zusammenarbeit mit dem eng­ lischen Komödianten Thomas Sackville, Übernahme der lustigen Figur Johan Posset. Alle elf Tragikomödien in Prosa; meist wenige Akteure auf der Bühne. Herzog Heinrich Julius unterhielt an seinem Hof in Wolfenbüttel das erste sesshafte Theaterensemble in Deutschland unter der Leitung des englischen Komödianten Robert Browne. Es spielte auch auf öffentlichen Plätzen für das Volk. Neuausgaben: Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, nach alten Drucken und Handschriften hg. von Wilhelm Ludwig Holland (= Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart, Bd 36), Stuttgart 1855.

702 Bibliographie Die Schauspiele des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig, hg. von Julius Tittmann (= Deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts, hg. von Karl Goedeke und Julius Tittmann, Bd 14), Leipzig 1880. – Kraus-Reprint Nendeln 1974. Inhalt: (Die Seitenanzahl bezieht sich auf die Stuttgarter Ausgabe von 1855) 1. Tragica comoedia HIBELDEHA von der Susanna, wie dieselbe von zweyen Alten, Ehebruchs halber, fälschlich beklaget, auch unschüldig verurtheilet, aber entlich durch sonderliche Schickung Gottes des Almechtigen von Daniele errettet, vnd die beiden Alten zum Tode verdammet worden. Mit 34 Personen. Gedruckt zu Wolffenbüttel MD.XCIII. [1593]. [S. 1] 2. Tragica comoedia HIDBELEPIHALA von der Susanna [s.  o.], mit 21 Personen. Auffs new kürtzer verfasset. Gedruckt zu Wolffenbüttel M.D.XCIII. [S. 170] 3. Comoedia HIBELDEHA. Von einem Buler vnd Bulerin, wie derselben Hurerey vnd Vnzucht, ob sie wol eine Zeitlang verborgen gewesen, gleichwol entlich an den Tag kommen, vnd von Gott grewlich gestraffet worden sey. Jeder menniglich zur Lere vnd vermanung, mit Fleis fürgestel[S. 209] let. Mit 17 Personen. Gedruckt zu Wolffenbüttel M.D.XCIII. 4. Comoedia HIBELEPIHAL von einem Weibe, wie dasselbige jhre Hurerey für jhrem Eheman [S. 261] verborgen, Mit 6 Personen. Gedruckt zu Wolffenbüttel 1593. 5. Comoedia HIDBELAHE von einem Wirthe, wie derselbige von dreyen Wandergesellen drey Mahl vmb die Bezahlung betrogen sey worden. Mit 13 Personen. Gedruckt zu Wolffenbüttel 1593. [S. 297] 6. Tragoedia HIEHADBEL Von einem ungeratenen Sohn, welcher vnmenschliche vnd vnerhörte Mordthaten begangen, auch endlich neben seinen Mitconsorten ein erbärmlich schrecklich vnd grewlich Ende genommen hat. Mit 18 Personen. Gedruckt 1594. [S. 335] 7. Tragedia HIBALDEHA von einer Ehebrecherin, wie die jhren Man drey mahl betreucht, aber zu letzt ein schrecklich Ende genommen habe. Mit acht Personen. Wolffenbüttel MDXCIV. [S. 401] 8. Tragica comoedia HIBALDEHA von einem Wirthe oder Gastgeber. Mit eilff Personen. Wolffenbüttel MCXCIV. [S. 445] 9. Comoedia HIBALDEHA von einem Edelman, welcher einem Abt drey Fragen auffgegeben. [S. 475] Mit fünff Personen. Wolffenbüttel 1594. 10. Comoedia HIDBELEPIHAL von Vincentio Ladislao, Satrapa von Mantua Kempffern zu Rosz vnd Fuesz, weiland des Edlen vnd Ehrnvesten, auch manhafften vnnd streitbaren Barbarossae Bellicosi von Mantua, Rittern zu Malta ehelichen nachgelassenen Sohn. Mit 12 Personen. Wolffenbüttel M.C.XCIV. [S. 507] 11. Comoedia H.I.B.A.L.D.E.H.A. Von geschwinder Weiberlist einer Ehebrecherin, welche, ob sie wol eine Zeitlang gantz listig am Hurenwagen gezogen, vnd jhren Man dreymal auffs Narrenseil geführet, dennoch zu letzt ein schrecklich Ende genommen hat. Sehr kurtzweilig, bossierlich vnd lustig beschrieben, vnd uffm braunschweigischen fürstlichen Hausz vnd Festung Wolffenbüttel in Prosa agiret. Nun aber auff vieler Begehr in lustige anmuthige Reym mit Fleisz gesetzt, durch Johannem Olorinum Variscum. Zu Magdeburg bey Johan Francken (anno M.D.C.V.) [1605]. [S. 555] 12. Comoedia H.I.D.B.E.L.E.P.I.H.A.L. Von Vincentio Ladislao, Satrapa von Mantua, Kempffer zu Rosz vnnd Fusz, weilandt des Edlen vnd Ehrnvesten, auch manhafften vnd streitbaren Barbarossae Bellicosi von Mantua, Rittern zu Malta, ehelichen nachgelassen Sohn. Welche vorhin in Prosa zu Wolffenbüttel, anno 1599. gedrucket, jetzo aber in Reim gebracht, durch Eliam Herlicium Cicensem, Organisten zum Strallsundt in Pommern. Gedruckt zu Wittemberg, durch Lorentz Seuberlich, anno M.DC.I. [1601]. [S. 641] 13. Der Fleischawer. [S. 735–796]



Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen

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Abb. 51: Herzog Heinrich Julius von Braunschweig (1564–1613 in Prag). Bischof von Halber­ stadt, Herzog von Lüneburg und Braunschweig, Fürst von Braunschweig-Wolfenbüttel, Ratgeber des Kaisers Rudolf II. am kaiserlichen Hof in Prag. Als Hexenverfolger für die Verbrennung von mehr als 50 Menschen verantwortlich. Seine Spiele – 11 Tragikomödien in Prosa – wurden von bestellten Komödianten im Schloss zu Wolfenbüttel aufgeführt. Die englische Komödiantentruppe unter Robert Browne und Thomas Sackville (die beliebte Narrenfigur Jan Bouset) spielte nicht nur am Hof, sondern auch für das Volk auf Straßen und Plätzen. Wolfenbüttel war die erste deutsche Stadt mit einem sesshaften Theaterensemble.

Engelische Comedien vnd Tragedien Das ist: Sehr Schöne / herrliche vnd außerlesene / geist- vnd weltliche Comedi vnd Tragedi Spiel / Sampt dem Pickelhering  /  welche wegen jhrer artigen Inventionen, kurtzweiligen auch theils wahrhafftigen Geschicht halber / von den Engelländern in Deutschland an Königlichen / Chur- vnd Fürstlichen Höfen, auch in vornehmen Reichs- See- vnd Handel Städten seynd agiret vnd gehalten worden / vnd zuvor nie im Druck außgangen. An jetzo / Allen der Comedi vnd Tragedi liebhabern/vnd Andern zu lieb vnd gefallen / der Gestalt in offenen Druck gegeben / daß sie gar leicht darauß Spielweiß widerumb angerichtet / vnd zur Ergetzligkeit vnd Erquickung des Gemüths gehalten werden können. Gedruckt im Jahr M.DC.XX [1620]. 384 unpaginierte Blätter in Kleinoktav. Extrem schlechter Druck mit verschieden großen, teils abgenutzten Buchstabentypen und ungenauer Zeilenführung. [Exemplare von 1620: Staatsbibliothek Berlin, Sig. Yp 5801=R;

704 Bibliographie Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 105 Eth.(1); Universitäts- und Forschungsbibliothek Erfurt, FB Gotha, Magazin (Sig. Poes 8°01527/02) – Handschriftliche Widmung auf dem Titelblatt: Dorothea Marggr: Zu Brand. bg. Das Exemplar in der Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 100.1 Eth.(2) wurde verwendet für den Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd 1, hg. von Manfred Brauneck (= Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, unter Mitwirkung von Käthe Kahlenberg hg. von Hans-Gert Roloff). Berlin 1970 (vorliegende Arbeit, S. 458). Zweite Auflage 16244: Originalexemplar in der Herzogin Anna Amalia-Bibliothek, Weimar, Sig. 06:61 [b]. 336 Blätter, Titelblatt fehlt (vermutlich Verlust beim Bibliotheksbrand 2004). Microfilm in der Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen (Sig. MA-57:9) und in der Universitätsbibliothek Kiel. 1) A 4 – G 4: Comoedia. Von der Königin Esther vnd hoffertigen Haman. 2) G 4 – L 2: Comoedia. Von dem verlornen Sohn in welcher die Verz[w]eiffelung vnd Hoffnung gar artig int[r]oducirt werden. 3) L 2  – R 6b: Comoedia. Von Fortunato vnnd seinem Seckel vnd Wünschhütlein, Darinnen erstlich drey verstorbene Seelen als Geister, darnach die Tugendt vnd schande eingeführet werden. 4) R 6b – Y 4: Eine schöne lustig triumphirende Comedia von eines Königes Sohne auß Engellandt vnd des Königes Tochter auß Schottlandt. 5) Y 4 – Dd 4: Eine kurtzweilige lustige Comoedia von Sidonia vnd Theagene. 6) Dd 4 – Kk 7 b: Eine schöne lustige Comoedia von Jemand vnd Niemandt. 7) Kk 7 b – Nn 4 b: Tragaedia Von Julio vnd Hyppolita. 8) Nn 4 b – Ss 4 b: Eine sehr klägliche Tragaedia von Tito Andronico vnd von der hoffertigen Kayserin, darinnen denckwürdige Actiones zu befinden. 9) Ss 4 b – Xx 1: Ein lustig Pickelherings Spiel, von der schönen Maria vnnd alten Hanrey. 10) Xx 1 – Yy 6: Ein ander lustig Pickelherings Spiel, darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen machet. 11) Yy 6 – Bbb 8: Nachfolgende Engelische Aufzüge können nach Belieben zwischen den Comedien agiret werden. [Dazu fünf Spiele in Versen; die meisten sind auch mit Musiknoten versehen. Pickelhering spielt in vier von diesen Stücken eine Hauptrolle.] Das erste Spiel (Yy 6  – Zz 2 b) handelt von einer Frau und ihren zwei Liebhabern, Pickelhering und Soldat. Während Pickelhäring bei ihr ist, kommt der Soldat, während dieser noch da ist, ihr Mann. Die Frau weiß sich glücklich aus der doppelten Verlegenheit zu ziehen. (Vorlage ist die englische Gesangposse „Singing Simpkin“, die auch von dem Holländer Isaak Vos unter dem Titel „Singende Klucht van Pekelharingh in de Kist“ 1648 bearbeitet wurde. Die deutsche Fassung dürfte das Mittelglied zwischen der englischen und der holländischen Version sein.) Das zweite Spiel (Zz 2 b – Zz 4 b): Pickelhering macht der Frau den Hof, wird aber vom Junker verdrängt und verhöhnt. (19 Strophen) Das dritte Spiel (Zz 4 b – Zz 7): Den Windelwäscher zu agiren mit drey Personen. Der Mann kommt nachts betrunken nach Hause und muss zur Strafe Wäsche waschen. (26 Strophen) 4

Wahrscheinlich bei Gottfried Grosse in Leipzig gedruckt wie der „Liebeskampff“ von 1630.



Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen

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Abb. 52: Erste Schauspielsammlung der Englischen Comoedianten aus dem Jahr 1620. (Foto: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 105 Eth)

Das vierte Spiel (Zz 7 – Aaa 7): Die Frau will den Magister in der Nacht heimlich ins Haus lassen. Er wird in der Dunkelheit mit einem Studenten verwechselt. Der eifersüchtige Diener Pickelhering verlangt Schweigegeld, aber eine Einladung in den Weinkeller beruhigt ihn. (42 Strophen) Im fünften Spiel (Zz 7  – Bbb 7 b) geht es um das Liebesverhältnis zwischen einem Edelmann und einer jungen Frau, bei dem Pickelhering den Unterhändler spielt. Als der Ehemann hinzukommt, wird der Liebhaber versteckt, bis der auf dem Gang wartende Hanrei endlich schlafen geht. (Drei verschiedene Melodien, die erste und dritte mit Noten. Die andere Melodey geht wie das Runda dinella. 46 durchgezählte Strophen.) (Bbb 7 b): Curante. (Noten zu einem französischen Tanz)

706 Bibliographie Liebeskampff Oder Ander Theil der Engelischen Comoedien vnd Tragoedien / In welchen sehr schöne / außerlesene Comoedien vnd Tragoedien zu befinden, vnd zuvor nie in Druck außgegangen. Allen der Comoedi und Tragoedi Liebhabern / vnd andern zu liebe und gefallen / dergestalt in offenen Druck gegeben / daß sie gar leicht daraus Spielweiß wiederumb angerichtet / vnd zur Ergetzligkeit vnd Erquickung des Gemüths / gehalten werden können. Gedruckt im Jahr M.DC.XXX [1630].5 340 unpaginierte Blätter in Kleinoktav. Anspruchsvollere Sprache als in der ersten Sammlung und mit größerer Sorgfalt hergestellt. Der Titel stammt aus Matteo Bandellos Novellensammlung6 „Glücks und Liebes-Kampff: Gantz klegliche Tragoedi / in fünff Liebes Historien eingetheilet / Darinnen gleich mit lebendigen Mahlersfarben die eigenschafft / süsse / bitterkeit / Wollust und schmerzen der Liebe … nicht ohne seufftzen und mitleiden zu lesen / und aus warhafftigen gewissen Historien gezogen / Jetzo wiederumb ans Liecht gebracht Durch Aeschacium Maiorem“, Leipzig 1615. [Ins Französische übersetzt von Francois de Belleforest]. [Exemplare: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. 100.1 Eth.(2–3); Staatsbibliothek Berlin, Sig. Yp 5811(a) und Yp 5811=R] 1) A 5 – F 7 b: Comoedia vnd Macht des kleinen Knaben Cupidinis. [Das Lied von „Adonis und Phyllis“ soll nach der Melodie „Apollo ging spatzieren“ gesungen werden. Siehe Ff 7 b.] 2) F 7 b – N 7 b: Comoedia von den Aminta vnd Silvia. [dazu Lied mit beigefügter Melodie. Siehe Ff 7 b.] 3) O 6 – X 2: Comoedia vnd Prob getrewer Liebe. 4) X 2 – Cc 8: Comoedia von König Mantalor’s vnrechtmessigen Liebe vnd derselben Straff. 5) Cc 8 – Ff 8: Etliche newe Singe-Comoedien, so zur Lust wol agiret werden können. Cantus 6 Person. 124 Strophen zu je fünf Zeilen (Reim aa bb c), die Melodie ist vorangedruckt. [Elslein, die Gemahlin des Alten, liebt heimlich den Mönch. Der Alte ertappt sie, will den Mönch in einen Sack stecken und in den Brunnen werfen. Durch List wird er selbst in den Sack gesperrt und muss versprechen, das ehebrecherische Liebesverhältnis in Zukunft nicht mehr zu stören. Die dreihundert Goldkronen, die er dem Mönch außerdem zahlen muss, werden diesem durch einen Landsknecht vor dem Haus wieder abgenommen.] Ee 5: Eine andere mit 4 Person. 73 Strophen zu 6 und 5 Zeilen, mit fünf verschiedenen älteren Melodien. [Ein Alter wirbt vergeblich um die Jungfrau. Diese zieht ihm den Stutzer vor und überreicht dem verschmähten Alten einen Korb. – Dieses Motiv findet sich auch im „Unzeitigen Vorwitz“.] 5

6

Schon 1629 im Katalog für die Herbstmesse in Leipzig angeführt: Englischer Comoedien Ander Theyl in Verlegung des autoris, Leipzig bey Gottfried Grosse zu finden, 8“. Im Fasten- und im Herbstmesskatalog von 1630 zum ersten Mal unter dem Titel „Liebeskampff“. Im Gegensatz zur ersten Schauspielsammlung von 1620 scheinen die Comoedien des „Liebeskampfs“ das Werk eines einzigen Bearbeiters zu sein. Sprachliche Kriterien deuten auf eine Herkunft aus Thüringen. – Siehe dazu Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670 (= Palaestra, Bd LXXVIII), Berlin 1910, S. 132–136. Matteo Bandello, geb. um 1580 in Halle, gest. 1648. Jurist, Übersetzer und Autor. Verfasser der ersten deutschen Teilübersetzung des „Don Kichote de la Mantzscha“, Frankfurt 1648. – Aus seiner Novellensammlung sind auch einzelne Themen von Wanderbühnendramen ent­ nommen.



Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen

Abb. 53: „Liebeskampff“. Zweite Schauspielsammlung der Englischen Comoedianten aus dem Jahr 1630. (Könnecke: Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur, S. 169)

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708 Bibliographie

Ff 7b. Am Schluss die Melodie zu einem Satyri Tantz, der zu „Macht des kleinen Knaben Cupidinis“ (I/2) und zu „Aminta und Silvia“ (III/3) gehört. 6) Ff 8 – Nn 4 b: Tragi Comedia. 7) Nn 4 b – Vv 4 b: Tragoedi. Vnzeitiger Vorwitz. [dazu Lied mit beigefügter Melodie]

Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, hg. von Manfred Brauneck und Alfred Noe, Bd 2 (= Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVII. Jahrhunderts, unter Mitwirkung von Käthe Kahlenberg hg. von Hans-Gert Roloff). Berlin 1970 (vorliegende Arbeit, S. 458–459). Lit.: Richter, Werner: Liebeskampf 1630 und Schaubühne 1670. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte des 17. Jahrhunderts (= Palaestra, Bd LXXVIII). Berlin 1910. Braun, Werner: „Praeludia“ im ‚Liebeskampf‘. Zu den Autoren der Dramensammlung von 1630. In: Daphnis, Jg. 22, Heft 2/3, 1993, S. 329–346. Creizenach, W[ilhelm]: Die Schauspiele der englischen Komödianten. (= Deutsche National-Litteratur, hg. von Joseph Kürschner, Bd 23, Berlin und Stuttgart o.  J., S. LXXVI– LXXXII. Schau-Bühne Englischer und Frantzösischer Comoedianten /  Auff welcher werden vorgestellet die schönsten und neuesten Comödien / so vor wenig Jahren in Franck­ reich / Teutschland vnd andern Orten / bey Volckreicher Versamlung seynd agiret vnd praesentiret worden. Franckfurt / In Verlegung Johann Georg Schiele / Buch-Händlers. Im Jahr M DC LXX [1670]. 3 Teile, 8°; Neuauflage 1727. [Exemplare: Herzog August-Bibliothek Wolfenbüttel, Sig. Lo 6685.1; Nat.Bibl. Wien, Bd 1–3: Sig. 5666-A.Alt Mag; nur Bd 3: Sig. 625197-A.The] Neudruck in: Spieltexte der Wanderbühne, Bd 3 und 4, hg. von Manfred Brauneck, (=Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, unter Mitwirkung von Käthe Kahlenberg hg. von Hans-Gert Roloff). Berlin – New York 1970 und 1972 (vorliegende Arbeit, S. 459). Teil 1 Die Vorrede ist aus dem „Liebeskampff“ übernommen. [Von den neun Dramen sind acht Übersetzungen aus dem Französischen.] 1) COMOEDIA Amor der Artzt. 2) COMOEDIA Die Comoedie ohne Comoedie. 3) COMOEDIA Die koestliche Laecherlichkeit. 4) COMOEDIA SGANARELLE, Oder Der Hanrey in der Einbildung. 5) COMOEDIA Die Liebes-Geschicht deß Alcippe, und der CEPHISE: Oder die Hanreyin nach der Einbildung. 6) COMOEDIA Die EYFERNDE mit Ihr selbst. 7) TRAGI-COMOEDIA ANTIOCHUS. 8) COMOEDIA Die Bulhafftige Mutter. 9) COMOEDIA Damons Triumph-Spiel / Darinnen die Laster verworffen / die Weisheit und Tugenden rühmlichst auff- und angenommen werden.



Gedruckte Original-Sammelwerke von Schauspielen

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Abb. 54: Titelkupfer der „Schau-Bühne Englischer und Frantzösischer Comoedianten“ aus dem Jahr 1670. (Foto: Österreichische Nationalbibliothek Wien)

Teil 2 Die Vorrede ist aus der ersten Schauspielsammlung von 1620 übernommen. 1) Kurtzweilige und lustige COMOEDIA, von SIDONIA und THEAGENE. [aus der Sammlung von 1620] 2) Der Verliebten Kunstgriffe. Eine Comoedia. 3) Lustiges Pickelhärings Spiel / darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen macht. [aus der Sammlung von 1620] 4) COMOEDIA von Fortunato / seinem Seckel und Wünschhütlein / Darinnen erstlich drey verstorbene Seelen als Geister / darnach die Tugend und Schande eingeführet werden. [aus der Sammlung von 1620] 5) COMOEDIA Der Vnbesonnene Liebhaber. 6) TALICLEA Die Großmüthige COMOEDIA.

710 Bibliographie Teil 3 Ohne Vorrede. 1) COMOEDIA, Von der Königin Esther und dem hoffärtigen Haman. [aus der Sammlung von 1620] 2) COMOEDIA, Von dem verlohrnen Sohn / in welcher die Verzweiffelung und Hoffnung gar artig introduciret werden. [aus der Sammlung von 1620] 3) COMOEDIA, Von König Mantalors unrechtmäßigen Liebe und derselben Straff. [aus „Liebeskampff“ von 1630] 4) Der Geitzige. COMOEDIA. 5) COMOEDIA, Von der AMINTA UND SILVIA. [aus „Liebeskampff“ von 1630] 6) Macht des kleinen Knabens CUPIDINIS. COMOEDIA. [aus „Liebeskampff“ von 1630] 7) GEORG Dandin oder Der verwirrete Ehemann. COMOEDIA. Derer Comödien Des Herrn Von Moliere / Königlichen Frantzösischen Comödiantens / ohne Hoffnung seines gleichen / Erster [Zweiter, Dritter] Theil: So hohen als niedern Stands-Personen zu erbaulicher Gemüths-Belustigung: Der Jugend aber / welche der Frantzösischen Sprach begierig seyn mag / zu desto geschwinder und leichter Begreiffung derselben / in das Teutsche übersetzt Durch J. E. P. Mit schönen Kupffern gezieret / und das erste=mal also gedruckt. Nürnberg / Zu finden bey Johann Daniel Taubern / Buchhändlern. 1694. Zweisprachige Ausgabe in drei Bänden.7 (Ein vierter Theil ist 1696 und 1710 in Nürnberg erschienen.) Übersetzung ins Deutsche durch J.E.P. Bd 1: Dom Juan ou le Festin de pierre – Das Steinerne Gastmahl (Ausgabe 1695: Des Don Pedro Gast-Mahl) Le Médecin malgré lui – Der widerwillige Artzt (Ausgabe 1695: Der widerwillige Medicus) Le Sicilien ou l’Amour peintre – Der Sicilianer / oder Die mahlende Liebe La Comtesse Escarbagnas /  Die Gräfin von Carfunckelstein Monsieur de Pourceaugnac /  Der Herr von Birkenau / oder / Junker von Schweinickel (Ausgabe 1695: Der Juncker von Schweinickel)

7

Keck, Thomas A.: Molière auf Deutsch. Eine Bibliographie deutscher Übersetzungen und Bearbeitungen der Komödien Molières. Mit Kurzbeschreibungen. Hannover 1996, S. 37– 41. – Eine weitere Ausgabe unter dem Titel „Histrio Gallicus Comico-Satyricus sine exemplo: Oder Die überaus anmuthigen und lustigen Comödien des Fürtrefflichen und unvergleichlichen Königl. frantzösischen Comödiantens Herrn von Moliere. Wieder aufs Neue, und mit grosser Mühe und sonderbarem Fleiß, auch dem molierischen Genio gemäß, in das reine Teutsche übersetzt …“ ist 1695 mit denselben Schauspielen erschienen, ein zusätzlicher vierter Teil 1696 mit vier Spielen: 1. Die Durchleuchtigen Verliebten. 2. Die Prinzessin von Elida, oder die Lustbarkeiten der Bezauberten Insul. Wobey die überaus prächtigen Festivitäten und schönen Renn-Spiele, von dem König zu Versällien gehalten, beschrieben sind. 3. Der Schein-heilige Betrüger, oder Tartüffe. 4. Ein Anhang aus dem Arlequin übersetzt.



Neuausgaben von Wanderbühnendramen in Sammelwerken

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Les Précieuses ridicules /  Die lächerlichen Kostbaren / oder / die lächerliche Beredsamkeit Bd 2: Le Bourgeois gentilhomme – Der Burgerliche Edelmann Le Malade imaginaire – Der Kranke in der Einbildung L’Amour medecin – Amor der Arzt Le Mariage forcé – Die gezwungene Ehe Bd 3: George Dandin – George Dandein: oder / der verwirrte Eh’Mann (Ausgabe 1695: Georg Dandein: Oder / der beschämte Eh=Mann) L’Avare – Der Geizige Les Fourberies de Scapin – Der Scapins listige Betrügereyen Siehe dazu auch Gottsched, Johann Christoph: Nöthiger Vorrath zur Geschichte der deutschen Dramatischen Dichtkunst, oder Verzeichniß aller Deutschen TrauerLust- und Sing-Spiele, die im Druck erschienen, von 1450 bis zur Hälfte des jetzigen Jahrhunderts. Leipzig 1757. Gottsched, Johann Christoph: Des nöthigen Vorraths zur Geschichte der deutschen ­Dramatischen Dichtkunst, Zweyter Teil, oder Nachlese aller deutschen TrauerLust- und Sing-Spiele, die vom 1450sten bis zum 1760sten Jahre im Druck erschienen. Leipzig 1765. [Die zahlreichen Sammeldrucke von Wanderschauspielen aus dem 18. Jahrhundert, die Goedeke im Grundriß, Bd 3, S. 370, verzeichnet, enthalten zumeist Übersetzungen aus dem Französischen, Spanischen und Italienischen. Sie wurden, da sie einer späteren Zeit angehören, nicht in dieses Verzeichnis aufgenommen.]

Neuausgaben von Wanderbühnendramen in Sammelwerken Ludwig Achim von Arnim’s Schaubühne, Bd 1, Berlin 1813. (Exemplar der Berkeley Library University of California, Sig. YC115915, Volltext digitalisiert im Internet) Jann’s erster Dienst. Eine Posse. S. 3– 22  Herr Hanrei und Maria vom langen Markte (frei bearbeitet nach dem lustigen Pickelherings-Spiel von der schönen Maria und dem alten Hanrei in dem Buche: Englische Comödien und Tragedien …, gedruckt im Jahr 1620. S. 233–253

712 Bibliographie  Der wunderthätige Stein. Ein Hanswurstspiel. Aus derselben alten Sammlung, nur im Einzelnen bearbeitet, nicht im Ganzen, ich haben den Bauer, statt Hans Pickelhering, Hanswurst genannt …  Jemand und Niemand. Ein Trauerspiel. Aus derselben Sammlung, wo es ein sehr langes Stück ist …

S. 254–263 S. 264–281

Neu hg. von Wilhelm Grimm, 2. Bd, Berlin 1840. Hist.krit. Ausgabe: Ludwig Achim von Arnim: Werke und Briefwechsel. In Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung Weimar, Bd 13: Schaubühne I, hg. von Yvonne Pietsch. Berlin/New York 2010. Ludwig Tieck (Hg.): Deutsches Theater. Drei Theile in zwei Bänden (= Ludwig Tiecks sämtliche Werke, Bd 25 und 26). Wien 1822. Band 1 (Theil 1): Drei Spiele von Hans Rosenplüt. S.   43–  60 Sechs Spiele von Hans Sachs. S.   61–246 und drei Spiele von Jacob Ayrer darunter: Der engellendische Jann Posset S. 270–290 und: Von dem griechischen Keyser zu Constantinopel, vnd seiner Tochter Pelimperia, mit dem gehengten Horatio. S. 291–355 (Die erste Ausgabe des „Deutschen Theaters“ von 1817 beinhaltet fünf Spiele Ayrers. Siehe vorlieg. Arbeit, S. 700.) Band 2 (Theil 2 und 3): Spiegel Weiblicher zucht vnd Ehr. Comedia von der schönen Phoenicia vnd Graf Tymbri von Golison auß Arragonien. Comedia Von der schönen Sidea, wie es jhr biß zu irer Verheüratung ergangen. Englische Comoedien und Tragoedien: Eine sehr klägliche Tragoedia Von Tito Andronico, vnd der hoffertigen Kayserin. Comoedia Von Fortunato und seinem Seckel und Wünschhütlein. M. Opitz: Dafne.

S.  35–124 S. 125–178 S. 179–236 S. 237–308 S. 309–333

Cohn, Albert: Shakespeare in Germany in the sixteenth and seventeenth Centuries: An account of English Actors in Germany and the Netherlands, and of the plays performed by them during the same period. [Unveränderter Neudruck der Ausgabe von 1865, Wiesbaden 1967] 1) Comedia von der schönen Sidea Sp.   1– 76 2) Spiegel Weiblicher zucht vnd Ehr. Sp.   77–112 2) Tragaedia von Julio vnd Hyppolita. Sp. 113–156 3) Eine sehr klägliche Tragaedia von Tito Andronico vnd der hoffertigen Kayserin, darinnen denckwürdige actiones zu-befinden. Sp. 157–236 4) Tragoedia. Der bestrafte Brudermord oder: Prinz Hamlet aus Dänemark. Sp. 237–304 5) Tragaedia von Romio und Julieta. Sp. 305–406



Neuausgaben von Wanderbühnendramen in Sammelwerken

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Tittmann, Julius (Hg.): Die Schauspiele der Englischen Komödianten in Deutschland (= Deutsche Dichter des 16. Jahrhunderts, hg. von Karl Goedeke und Julius Tittmann, Bd 13). Leipzig 1880. [Nachdruck des 1., 2., 3., 6., 7. 4. und 10 Spiels aus den „Engelischen Comedien vnd Tragedien“ von 1620] 1) Comoedia. Von der Königin Esther und Hoffärtigen Hamann. S.   3– 44 2) Comoedia. Von dem verlornen Sohn, in welcher die Verzweiffelung und Hoffnung gar artig introdiciret werden. S.  45– 74 3) Comoedia. Von Fortunato und seinem Seckel und Wünschhütlein, darinnen erstlich drei verstorbenen Seelen als Geister, darnach die Tugend und Schande eingeführet werden. S.  75–124 S. 125–174 4) Eine schöne lustige Comoedia von Jemand und Niemand. 5) Comoedia von Julio und Hippolyta. S. 175–196 6) Eine schöne lustig triumphirende Comoedia von eines Königs Sohne aus Engelland und des Königes Tochter aus Schottland. S. 197–234 7) Ein lustig Pickelhärings-Spiel, darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen machet. S. 235–248 Creizenach, Wilhelm (Hg.): Die Schauspiele der englischen Komödianten (= Deutsche National-Litteratur, hist. krit. Ausgabe, hg. von Joseph Kürschner, Bd 23). Berlin und Stuttgart o.  J. [1889] 1) Titus Andronicus. S.  17– 52 2) Tugend- und Liebesstreit. 1677. S.  71–124 3) Der bestrafte Brudermord. S. 147–186 4) Tragikomoedie. S. 191–250 5) Tragoedie vom unzeitigen Vorwitz. S. 259–322 Bolte, Johannes: Die Singspiele der englischen Komödianten und ihrer Nachfolger in Deutschland, Holland und Skandinavien (= Theatergeschichtliche Forschungen, hg. von Berthold Litzmann, Bd 7). Hamburg und Leipzig 1893. Ausgewählte Texte mit den erhaltenen Melodien: 1) Pickelhering in der Kiste. (1620) S.  51– 62 S. 110 2) Die Müllerin und ihre drei Liebhaber. (Vor 1658) 3) Domine Johannes. (1658) S. 111–128 4) Die doppelt betrogene Eyfersucht. (1672) S. 129–137 5) Harlequins Hochzeit. (1693) S. 148–166 Flemming, Willi (Hg.): Das Schauspiel der Wanderbühne (= Deutsche Literatur. Sammlung literarischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Entwicklungsreihen, hg. von Heinz Kindermann, Reihe 13: Barock, Bd 3: Barockdrama). Leipzig 1931. 1) Niemand und Jemand. S.  73–131 2) Der Großmüthige Rechtsgelehrte Aemilius Paulus Papinianus. S. 138–201 3) Der Jude von Venetien [Karlsruher Handschrift] S. 204–276 4) Tragoedia Hibeldeha / Von einem Buhler und einer Buhlerin …, von Herzog Heinrich Julius von Braunschweig. Wolfenbüttel 1593. S. 277–331

714 Bibliographie Spieltexte der Wanderbühne, Bd I–VI, hg. von Manfred Brauneck und Alfred Noe (= Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, hg. von Hans-Gert Roloff). Bd I bis IV: Berlin/New York 1970–1975; Bd V, 1 und 2, hg.von Alfred Noe, ­Berlin/New York 1999; Bd VI: Alfred Noe: Kommentar zu Bd I–V, Berlin/New York 2007. Bd I: Engelische Comedien und Tragedien. 1620. 1) Comoedia Von der Königin Esther und hoffertigen Haman S.   3– 77 2) Comoedia Von dem verlornen Sohn in welcher die Verzweiffelung und Hoffnung gar artig introduciret werden S.  79–127 3) Comoedia Von Fortunato und seinem Seckel und Wünschhütlein /  Darinnen erstlich drey verstorbene Seelen als Geister / darnach die Tugendt und Schande eingeführet werden S. 129–209 4) Eine schöne lustig triumphirende Comoedia von eines Königes Sohne auß Engellandt und des Königes Tochter auß Schottlandt S. 211–268 5) Eine kurtzweilige lustige Comoedia von Sidonia und Theagene S. 269–344 6) Eine schöne lustige Comoedia / von Jemand und Niemandt S. 345–425 7) Tragaedia Von Julio und Hyppolita S. 427–459 8) Eine sehr klägliche Tragaedia von Tito Andronico und der hoffertigen /  Kayserin / darinnen denckwürdige Actiones zu befinden S. 461–522 9) Ein lustig Pickelherings Spiel / von der schönen Maria und alten Hanrey S. 523–555 10) Ein ander lustig Pickelherings Spiel / darinnen er mit einem Stein gar lustige Possen machet S. 557–580 Nachfolgende Engelische Auffzüge können nach Beliebung zwischen die Comoedien agiret werden. [teils mit Musiknoten] 11) Actus I. [5 Personen, mit Pickelhering] S. 581–589 12) Aliud [3 Personen, mit Narr] S. 591–596 S. 597–603 13) Den Windelwäscher zu agiren mit drey Personen 14) Fraw Pickelhering Magd Magister Studiosus S. 605–619 15) Action 4 Person [Edelmann, Pickelhering, Frau, Mann] S. 621–638 16) Curante. S. 639 Bd II: Liebeskampff Oder Ander Theil Der Engelischen Comoedien und Tragoedien (1630): 1) Comoedia und Macht des kleinen Knabens Cupidinis S.   9– 90 S.  91–197 2) Comedia. Von den Aminta und Silvia Praeludia ad Ludum comicum de Aminta et Silvia (mit Musiknoten) S. 198–210 S. 211–309 3) Comoedia und Prob getrewer Liebe 4) Comoedia von König Mantalors unrechtmessigen Liebe und derselben Straff S. 312–401 S. 402–427 und S. 428–449 5) SingeComoedien (mit Musiknoten) 6) Tragi Comedia S. 451–551 7) Tragoedi. Unzeitiger Vorwitz (mit Musiknoten im 5. Akt, 2. Szene, S. 645–646) S. 453–659



Neuausgaben von Wanderbühnendramen in Sammelwerken

Bd III: Schau-Bühne Englischer und Frantzösischer Comoedianten, 1.Teil (1670): 1) Amor der Artzt 2) Die Comoedie ohne Comoedie 3) Die köstliche Lächerlichkeit 4) Sganarelle, Oder Der Hanrey in der Einbildung 5) Die Liebes-Geschicht deß Alcippe, und der Cephise: Oder Die Hanreyin nach der Einbildung 6) Die Eyfernde mit Ihr selbst 7) Tragi-Comoedia Antiochus 8) Die Bulhafftige Mutter 9) Damons Triumph-Spiel / Darinnen die Laster verworffen /  die Weisheit und Tugenden rühmlichst auff- und angenommen werden. Bd IV: Schau-Bühne Englischer und Frantzösischer Comoedianten, 2. und 3. Teil (1670): 1) Dier Verliebten Kunstgriffe. Eine Comoedia. 2) Comoedia. Der Unbesonnene Liebhaber. 3) Taliclea Die Großmüthige. Comoedia. 4) Der Geitzige. Comoedia. 5) Georg Dandin Oder Der Verwirrete Ehemann. Comoedia. Bd V/1: Italienische Spieltexte aus unveröffentlichten Handschriften: 1) Creso (in italienischer Sprache) 2) Der Hochmüthige / Gestürtzte / und Wider-Erhobene Croesus. 3) Der stumme Printz Atis. 4) Tragoedia Von Orbetcha und Orontes. 5) Die wieder Erkante Freundschafft Oder /  Der Mayestättische schlav aus Assirien. 6) Der durchläuchtige Schiffadmiral Jason oder Das bezaubert güldene Fließ. 7) Der Welt Erschröckende Attila.

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S.    9–  49 S.   51– 151 S.   53– 194 S.  195– 229 S.  231– 261 S.  263– 351 S.  353– 432 S.  433– 540 S.  541– 600

S.    5– 119 S.  121– 235 S.  237– 403 S.  409– 536 S.  537– 608

S.    1– 111 S.  113– 190 S.  191– 252 S.  253– 323 S.  225– 421 S.  423– 505 S.  507– 619

Bd V/2: Italienische Spieltexte aus unveröffentlichten Handschriften: S.  621– 731 1) Comoedia Bestehendt in 12 Personen – Aurelianus, König in Licien. 2) Die unvergleichlich-schöne Printzessin Andromeda oder derselben Vermählung mit dem heldenmüthigen Perseus. S.  733– 809 3) Die getreue Sclavin Doris. S.  811– 878 4) Die Unglücklich-Verliebte Stieffmutter Ormonda oder der großmüthige Altamiro / mit Arlequin einem possierlichen und extraordinair lustigen Galan. S.  879–  98 5) Das Labyrinth der Liebe oder Amor ein Lehrmeister listiger Anschläge. Arlequin Ein Kurtzweiliger Hoff-Spion. S.  987–1079 6) Quando Sta Peggio Sta Meglio – Je Schlimmer es Steht Je besser es Geht. Arlequins neü erlenete Kunst bey Hofe den Mantel nach dem Winde zu drehen. S. 1081–1171 7) Basilisco di Bernagasso oder Undanck ist der welt ihr danck. S. 1173–1229

716 Bibliographie

Werke des Laurentius von Schnüffis 1.

Tragico-Comoedia genant Die Liebes Verzweiffelung / Componiret von Johan Martin Studioso von Veltkirchen.



Manuskript erhalten in der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe, Sig. D 119, und in der Nationalbibliothek Wien, Sig. Ms 13191.

2.

Ehrengedicht. Dem Hochwürdigsten / Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn / Herrn Sigismvndo Francisco / Ertzhertzogen zu Oesterreich / Hertzogen zu Burgund / Steyr / Charenten / Crein vnd Würtemberg. Bischoffen zu Augspurg / Triend vnd Gurg / Grafen zu Tyrol / Görtz / Landgrafen im Elsas / etc. Meinem Gnedigsten Fürsten vnd Herrn. An Seiner auß Oesterreich glücklichen Widerkunfft / in Vnderthenigkeit offerirt von Johann Martini Ertzfürstl. Comoediant. Gedruckt zu Ynsprugg bey Michael Wagner. Im Jahr 1659.







Das Gedicht umfasst sieben achtzeilige Strophen in abwechselnd lateinischer und deutscher Sprache, dazu eine Melodie. Den Abschluss bildet ein Akrostichon mit 37 Vers-Paaren, die mit ihren Anfangsbuchstaben den Namen „Sigismund Francisc Erzherzog zu Osterreich“ bilden. Einziger derzeit bekannter Druck in einem Sammelband in der Universitätsbibliothek Innsbruck, Sig. 30271. (Im gleichen Band ist auch die 1655 aufgeführte Oper „L’Argia“ von Marc’ Antonio Cesti abgedruckt, ebenso das 1652 in Florenz für Erzherzog Ferdinand Karl und Sigismund Franzisco aufgeführte „Balletto a Cavallo“.) Veröffentlicht durch Thurnher, Eugen: Laurentius’ von Schnifis Frühzeit. In: Montfort. Vierteljahresschrift für Geschichte und Gegenwart Vorarlbergs, Jg. 4, 1949, S. 110 bis 113.

3 a) Philotheus. Oder deß Miranten durch die Welt / unnd Hofe wunderlicher Weeg nach der Ruh-seeligen Einsamkeit entworffen von Mirtillen einem deß Miranten gutem Freund / unnd vertrawten Mit-Hirten. In dem Druser-Thal unter dem Hochberümbten Steinbock nächst an dem vorbey fließenden Rhein-Stromm. Permissu Superiorum. Getruckt im Gräflichen Marckt Embs bey Johann Caspar Schwendimann. Anno M.DC.LXV. [1665]

Weitere Auflagen: [Hohenems 1666, kein Exemplar erhalten], Wien 1678, Passau 1688. Erster gedruckter Roman, der die innere Umkehr des Dichters, seinen Abschied von der Welt und vom Hof mit all seinen Intrigen, seiner Eitelkeit und Missgunst beschreibt und seine Hinwendung zu einem Leben als Priester und Ordensmann thematisiert. Gebundene Sprache wechselt mit Prosa; den Liedern sind am Ende des Buches Melodien beigegeben. Neudruck der Erstausgabe von 1665: Laurentius von Schnüffis: Philotheus. Kommentar und Nachwort von Ruth Gstach (= Schriftenreihe der Rhetikus-Gesellschaft). Feldkirch 2018.

3 b) Des Miranten / Eines welt-und hof-verwirrten Hirtens wuderlicher Weeg nach der Ruhseeligen Einsamkeit. Auf inständiges Anhalten / auch fürnemmer Persohnen / auf ein neues aufgelegt / Und durch Fratr. LAURENTIUM von Schnüffis / vorder Oesterreich. Provintz Capuzinern / als dessen Urhebern / verbessert und vermehrt.





Werke des Laurentius von Schnüffis

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Mit Bewilligung dern Obern  /  Käyserl. Freyheit  /  und Privilegium wie in der Wald-Schallmey zu sehen / nicht nachgedruckt zu werden. Gedruckt und verlegt zu Costantz am Bodensee  / durch David Hautt / Fürstl. Academ. Buchdr. Anno 1689. Veränderte und erweiterte Neufassung des „Philotheus“. Weitere Auflagen: Konstanz 1690, Konstanz 1702. Neudruck dieser ersten Konstanzer Ausgabe von 1689: Thurnher, Eugen: Laurentius von Schnifis. Philotheus oder des Miranten Weg. (= Vorarlberger Schrifttum, Bd 7), Bregenz 1960. Literatur: Breuer, Dieter: Der „Philotheus“ des Laurentius von Schnüffis. Zum Typus des geistlichen Romans im 17. Jahrhundert (= Deutsche Studien, hg. von Willi Flemming und Kurt Wagner, Bd 10). Meisenheim am Glan 1969. Roth, Maria Carmen: Der „Philotheus“ des Laurentius von Schnüffis (1633–1702). Ein Beitrag zum Problem des Individual- und Entwicklungsromans in der Schäferdichtung des siebzehnten Jahrhunderts. Published for Michigan Academy of Sciences, Arts and Letters by University Microfilms International 1979. Thurnher, Eugen: Laurentius von Schnifis. Barocke Frömmigkeit und dichterisches Weltbild. Einleitung zu: Laurentius von Schnifis: Philotheus oder des Miranten Weg. Bregenz 1960, S. VII–XLI.

4. Mirantisches Flötlein. Oder Geistliche Schäfferey / In welcher Christus / under dem Namen Daphnis / die in dem Sünden-Schlaff vertieffte Seel Clorinda zu einem bessern Leben aufferweckt / und durch wunderliche Weis / und Weeg zu großer Heiligkeit führet. Durch P. F. LAURENTIUM von Schnüffis Vorder Oesterreichischer Provintz Capucinern / und Predigern. Mit Erlaubnuß der Obern: auch sonderbarer Freyheit Ihro Röm. Käyserl. Majestät / nicht nachzudrucken. Gedruckt zu Costantz / In der Fürstl. Bischöffl. Druckerey / Bey David Hautt / Anno 1682. In Verlegung Johann Jacob Mantelin Burgern / und Handelsmann zu Lauffenburg.



Die Illustrationen stammen von dem Rottweiler Maler Johann Georg Glickher (Glückher) und dem bekannten Kupferstecher Melchior Küsell aus Augsburg. Das „Flötlein“ verarbeitet in einzelnen Bildern das im Barock traditionelle Thema der Jesusminne: die Suche Clorindas, der menschlichen Seele, nach ihrem Daphnis, dem guten Hirten Christus. Dialog in Liedern nach dem Vorbild des alttestamentlichen Hoheliedes, in dem Christus seine Braut, die im Sündenschlaf liegende Seele, zu sich rufen will. Drei Teile mit jeweils zehn Elegien, denen eine eigene Melodie beigegeben ist. Jede Elegie umfasst 20 Strophen. Weitere Auflagen mit teils leicht verändertem Titel: Frankfurt 1694, Frankfurt 1695, Frankfurt 1711, Frankfurt 1739. Reprographischer Nachdruck der Auflage von Frankfurt 1711: Laurentius von Schnüffis: Mirantisches Flötlein. Mit einem Vorwort von Annemarei Daiger. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1968.

5. Mirantische Wald-Schallmey. Oder: Schul wahrer Weisheit / Welche Einem Jungen Herrn und seinem Hof-Meister / als Sie auß frembden Ländern heimbkehrend / in einem Wald irr-geritten / von zweyen Einsidlern gehalten worden.Allen so wohl Geist- als Weltlichen nicht nur sehr nutzlich / sondern auch anmüthig zu lesen.

718 Bibliographie





Verfertigt Durch Fratrem LAURENTIUM von Schnüffis / vorder Oesterreichischen Provintz Capuciner / und Priester. Mit Bewilligung dern Obern / und Käyserlichen Freyheit nicht nachgedruckt zu werden. Costantz / Gedruckt und verlegt durch David Hautt / Fürstl. Bischöffl. Buchtr. 1688. Ohne Illustrationen. Keine weiteren Auflagen. Bisher kein Neudruck. Inhalt: Zwei Edelleute, Sophronius und sein Hofmeister Pastor Fidus, haben etliche Jahre hindurch fremde Länder bereist, um deren Sprache, Sitten und ritterliche Übungen kennen zu lernen. Sie verirren sich in einem Wald und treffen auf den Einsiedler Bazholam, den Lehrmeister wahrer Weisheit, der ihnen an zehn Tagen im Kreis seiner Schüler Unterweisungen gibt. Jeder Schultag schließt mit einem zu der Belehrung passenden Lied, das jeweils 20 bis 27 Strophen umfasst. Literatur: Geissler, Annemarie: „Mirantische Wald-Schallmey“, eine Mixtur aus Satire, emblematischer Predigt und Lieddichtung des vor 300 Jahren verstorbenen Laurentius von Schnüffis (1633– 1702), eines zunächst schwreizerischen und hernach vorderösterreichischen Kapuziners. In: Helvetia Franciscana, Bd 31/2, 2002, S. 184–227. Senninger, Maria: Die Mayen-Pfeiff des Laurentius von Schnüffis. Diss. Masch. Wien 1946.

6. Mirantische Mayen-Pfeiff. Oder Marianische Lob-Verfassung  /  In Welcher Clorus / ein Hirt / der Großmächtigsten Himmels-Königin / und Mutter Gottes Mariae unvergleichliche Schön- Hoch- und Vermögenheit anmüthig besingt. Geistund Weltlichen / auch Predigern / sehr nutzlich / und annehmlich zu lesen. Mit schönen Kupffern / und gantz neuen Melodeyen gezihrt. Durch F. LAURENTIUM VON Schnüffis / vorder Oesterreichischen Provintz Capucinern / und Predigern. Mit Röm. Käyserl. Majest. Gnad und Freyheit / auch Bewilligung deren Oberen. Dillingen / Bey Johan Caspar Bencard / Acad. Buchhandlern. Anno 1691.

Weitere Auflagen: 1692, Dillingen 1707. Bisher kein Neudruck. Die Illustrationen zu Beginn jeder Elegie stammen von dem Rottweiler Maler Johann Georg Glickher und dem Kupferstecher Johann Ulrich Kraus aus Augsburg. Inhalt ist der Lobpreis der Gottesmutter durch den Hirten Clorus. Drei Teile, jeder Teil umfasst zehn Elegien mit jeweils 20 Strophen.

7. Mirantische Maul-Trummel. Oder Wohlbedenckliche Gegen-Säze böser / und guter Begirden. Wie nemlich diese der ewigen Glück-Seeligkeit  /  jene aber deß ewigen Verderbens Haupt- und Grund-Ursachen seyen. Mit schönen Sinnbilderen / und auf eine neue Art anmüthigen melodeyen geziehrt. Durch F. LAURENTIUM von Schnüffis  /  Vorder Oesterreichischer Provintz ­Capuciner. Mit Röm. Kays. Maj. Gnad und Freyheit nicht nachzudrucken: Auch Bewilligung der Obern. Gedruckt bey Johann Adam Köberle  /  in der Fürstl. Bischoffl. Truckerey. Zu ­Costantz im Verlag Leonhard Parcus. Anno 1695.

Illustrationen von dem Rottweiler Maler Johann Georg Glickher und dem Schweizer Kupferstecher J. Georg Sailler. In drei Teilen – jeder Teil enthält wiederum zehn Elegien, von denen jede zwanzig achtzeilige Strophen umfasst – werden die bösen und die guten Begierden des Menschen einander gegenübergestellt. Der Mensch hat die Wahl und den freien Willen. Das fiktive Ich, das sich





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in der 20. Strophe einer jeden Elegie zum Guten entscheidet oder sich selbst anklagt, ist weiblich. Es ist die personifizierte Seele auf ihrem Weg zu Gott. – In ländlich-witziger Verkleidung, oft auch in Vergleichen mit heimischen Tieren, werden dem Leser in humorvoller Weise seine Unzulänglichkeiten und Leidenschaften vor Augen geführt. Die 30 Lieder vertonte dieses eine Mal nicht Laurentius selbst, sondern Pater Romanus Vötter vom Kapuzinerkonvent in Memmingen. Weitere Auflagen: Konstanz 1695, Konstanz 1696, Konstanz 1698, Konstanz 1699, Konstanz 1708. Reprographischer Nachdruck der Auflage von 1698: Laurentius von Schnüffis: Mirantische Maul-Trummel. (= Dokumentantion zur Geschichte des deutschen Liedes. Eine Reihe von Nachdrucken, Bd 5, hsg. von Siegfried Kross). Hildesheim-Zürich-New York: Georg Olms Verlag 1986.

8. Futer über die Mirantische Maul-Trummel. Oder Begriff  /  In welchem der jetzigen Welt thorechtes / von ihr aber gar schön vermeintes Beginnen in Lateinisch- und Teutschen Elegien / samt schönen Sinnbildern / und neuen Melodeyen mit sonderbarem deß Lesers Lust  /  und Vergnügung an den Tag gegeben wird durch P. F. LAURENTIUM von Schnüffis / Vorder-Oesterreichischen Provintz Capucinern / und Predigern. Mit Röm. Käys. Maj. Gnad / und Freyheit / auch Bewilligung der Oberen. Costantz / im Verlag und zu finden Bey Leonhard Parcus. Gedruckt in der Fürstl. Bischöflichen Truckerey durch Johann Adam Köberle. 1698.



Die Illustrationen stammen von dem Maler Johann Georg Glickher aus Rottweil, der Name des Kupferstechers ist nicht vermerkt. Weitere Auflagen: Konstanz 1699 und 1708. Bisher kein Neudruck. Dieses Werk hat keinen dreiteiligen Aufbau wie das „Flötlein“, die „Mayen-Pfeiff“, die „Maul-Trummel“ oder „Lusus mirabiles“, sondern reiht 16 Elegien aneinander. Jede Elegie umfasst 20 bis 22 Strophen mit drei, vier, sechs oder meistens acht Verszeilen. Zur Abwechslung der Schreibungs-Arth hat der Dichter auf der linken Seite die lateinischen Verse, rechts jeweils ihre freie deutsche Übersetzung gesetzt. Wie auch in den anderen Werken geht es dem Ordensbruder Laurentius auch hier darum, auf die Mängel und Torheiten der Welt hinzuweisen und diese nicht nur den Unverbesserlichen, sondern auch den weisen / frommen / und gewissenhafften Menschen bewusst zu machen. Wieder ist jede Elegie mit einer Melodie versehen.

9. LUSUS MIRABILES ORBIS LUDENTIS. Mirantische Wunder-Spiel der Welt; Vorstellend Die zeitliche Eitelkeit / Boßheit der Menschen / auch anweisend zur wahren / und ewigen Glück-Seeligkeit. OPUSCULUM POSTHUMUM A V. P. Laurentij von Schniffis / p.  m. Ant. Austr. Prov. Capucin. Und Priestern. Durch einen seiner Brüder zum Druck befördert und vermehrt. Auch mit schönen Kupffern gezieret. Mit Bewilligung der Obern / und Kayserlichen PRIVILEGIO. Kempten  /  gedruckt  /  durch Caspar Rollen  /  und in Augspurg zu finden Bey Andreas Maschenbauer / Stadt-Buchdrucker. 1703.

Weitere Auflagen: Kempten 1707, 1727. Bisher kein Neudruck. Die Idee, anhand von allgemein bekannten Spielen ethisch-religiöse Belehrungen zu vermitteln, zeigt das Bemühen des Laurentius, den Menschen seiner Zeit dort abzuholen, wo dieser stand: in seiner vergänglichen, auf das Diesseits ausgerichteten Welt, in seinem Bedürfnis nach Unterhaltung, in seiner Lebenslust.

720 Bibliographie

Zu Beginn einer jeden Elegie wird in zwei oder drei Strophen das jeweilige Spiel erklärt; die letzte Strophe – wie auch in den früheren Werken immer in der Ich-Form – zieht eine allgemeine Lehre und gibt den Vorsatz für besseres Verhalten. Das Buch enthält keine Melodien, dafür ist jeder Elegie eine Illustration des Augsburger Künstlers Gottfried Rogg (1669–1742) in typisch barockem Stil vorangestellt. Laurentius konnte das Werk nicht mehr vollenden. Anhand stilistischer Vergleiche lässt sich feststellen, dass er wohl nur die ersten zwölf Elegien des ersten Teils geschrieben hat. Die meisten Strophen der beiden anderen Teile mit je acht Elegien stammen von einem unbekannten klösterlichen Mitbruder.

10. Vilfärbige Himmels-Tulipan / das ist: Außerlesenes Gebett-Buch / Jn welchem das gantze sehr verlangte Cornucopiae, samt andern allerhand schönsten Andachten  /  als Morgen- und Abend-Segen  /  Zubereitungen zu der H. Beicht  /  und Communion samt deren Dancksagungen. Andachten der H.H. Dreyfaltigkeit / Zu Christo Jesu  /  der Mutter Gottes  /  St. Anna  /  St. Joseph  /  St. Francisco  /  St. Antonio von Padua / St. Nicolao von Tolentin / St. Barbara / Agatha / Apollonia  /  underschidliche schöne Tagzeiten  /  und Litaneyen  /  das Guldene CronGebett / schmertzlicher Curs / Gebetter für die Arme Seelen im Fegfeuer / und viel andere sehr schöne Gebetter zu finden. Auf Anhalten fürnemer Persohnen in den Truck geordnet durch F. Laurentium von Schnüffis. V. O. Provintz Capuc. und Pred. Costantz / In Verlag / und zu finden bey Leonhard Parcus Buchhändlern bey drey Säulen. / Gedruckt in der Fürstl. Bischoffl. Truckerey bey Johann Adam Köberle Anno 1699. 608 Seiten plus 8 Registerseiten, insgesamt 16 Kupferstiche. 12 Teile, an deren Beginn jeweils ein Kupferstich steht. Laurentius widmet diese erste Ausgabe des Gebetbuches dem Frey-Reichs Hoch-Wolgebornen Fräulein Fräulein Maria Clara Eva Eleonora von Heydenheim. Deß Reichs- FreyWeltlichen Unser LiebenFrauen Stifft Lindau Chor- und Capitular-Fräulein ec. Meinem Gnädigen Fräulein. Einziges erhaltenes Exemplar der Erstausgabe von 1699 in der Bibliothek des Kapuzinerklosters Klausen, Südtirol. (Standort: Kapuzinerkloster Brixen, Sig. 270.12). Auch die zweite Ausgabe aus dem Jahr 1702 war bisher unbekannt. Das einzige bekannte Exemplar befindet sich in der Universitätsbibliothek Konstanz, Wessenberg-Bibliothek, Sig. K 6790.

Weitere Auflagen: Konstanz 1702, 1703, 1705, 1706, 1711, 1712, 1722 (im gleichen Jahr wie Luzern), 1723, 1734. Luzern 1709, 1710, 1717, 1722. Einsiedeln 1703 (in kleinerer Form), 1736, 1743, 1746, 1749, 1753, 1760, 1775, 1783, 1789, 1791, 1796, 1807, 1809, 1820, 1823. 1764: handschriftliche Abschrift der Ausgabe Einsiedeln 1743 für Anna Elisabetha Pfeiffer, eingeklebte Kupferstiche (Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibliothek Köln, Sig. Kn28 k) Die beiden folgenden Bücher sind anonym erschienen, können aber mit ziemlicher Sicherheit Laurentius von Schnüffis in Gemeinschaft mit einigen seiner Konstanzer Mitbrüder zugeschrieben werden. Die ganzseitigen sehr schönen Kupferstiche illustrieren einzelne Szenen aus dem Leben des hl. Franz von Assisi und des hl. Antonius von Padua. Jedes Bild ist nach emblematischem Muster einem Motto zugeordnet; die beiden nachfolgenden Seiten in lateinisch- und deut-



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scher Sprache geben die Erklärung des Geschehens, das auf dem Bild dargestellt ist, und vermitteln die Botschaft für den Leser. Die Franziscus-Vita umfasst insgesamt 51, die Antonius-Vita 53 solcher Einheiten. Beide Bücher haben die gleiche Größe (19 mal 15 cm), und scheinen, gemeinsam mit einer „Sebastian-Vita“ aus dem Jahr 1702, die den gleichen inhaltlichen und graphischen Aufbau und auch denselben Verlagsort und denselben Kupferstecher aufweist, als eine Art Buchreihe gedacht gewesen zu sein. Literatur: Abgedruckt in Gstach, Ruth: Von Verzicht und Erfüllung. Auf der Suche nach Gott. – Laurentius von Schnüffis erzählt aus dem Leben des Franz von Assisi und der Minderbrüder. Hard: Hecht Druck 2008.

11. Vita et admiranda historia Seraphici S. P. Francisci, Ordinis minorum fundatoris, iconibus et elogiis Latino-Germanicis illustrata. Das ist: Wunderbahrliche Histori, und Leben deß H. Seraphischen Vatters FRANCISCI, der Minderen Brüder Ordens-Stiffters. In Kupffer-Stichen mit Latein- vnd Teutschen Lob-Sprüchen offentlich vorgestellt. Imitatores mei estote, sicut et ego Christi. 1. Corinth. 4. Seyt meine Nachfolger, gleich wie ich Christi Nachfolger bin. SUPERIORUM PERMISSU. Augspurg, gedruckt bey M. Magdal. Utzschneiderin, 1694.

Verfasser ist mit großer Wahrscheinlichkeit Laurentius von Schnüffis. Die 52 wertvollen Kupferstiche stammen von dem damals schon 70jährigen Zeichner Jonas Umbach aus Augsburg und dem berühmten Kupferstecher Andreas Matthäus Wolffgang, ebenfalls aus Augsburg. Weitere Ausgaben: Augsburg 1702, Augsburg 1707 (beide im Museo Francescano, Rom)

12. Effigies S. Antonij Paduani, prout in Söllheimb propè Salisburgum novo Eidam erecto ac dedicato Sacello â devotis visitur et impense veneratur. Abbildung des H. Antonij von Padua, welicher zu Söllheimb negst Saltzburg in der neu erhebt und Ihm Geweichten Capellen von umbligenten orthern andächtig besuecht und verehrt wird. [am Schluss der Dedicatio:] Cum Licentia Superiorum. Gedruckt zu Saltzburg Anno 1698.



Statt eines Titelblatts im herkömmlichen Sinn gibt es einen Kupferstich, der im Vordergrund den Heiligen Antonius von Padua im Gewand eines Kapuziners, mit Jesuskind, Buch und Lilie darstellt. Der Hintergrund zeigt eine Kirche und eine runde Kapelle. Zwei Engel entrollen ein Pergament mit dem Text: Der Heilige Antonius ist gebohren zu Lysabona in Portugall, hat gelebt 36. Jahr. Ist gestorben den 13 Junij A. 1231. und Canoniziert worden Anno 1232. Die beiden einzigen erhaltenen Exemplare der Erstausgabe befinden sich im Museo Francescano, Rom, und in der Universitätsbibliothek Eichstätt. Weitere Ausgaben: Augsburg 1698, Augsburg 1699. Die lateinischen und deutschen Textseiten sind in dieser ersten Ausgabe mit kunstvollen breiten Randverzierungen mit jedesmal anderen Motiven versehen. Die lateinischen Texte haben besonders hervorgehobene Großbuchstaben. Die Antonius-Vita scheint ein Gemeinschaftswerk mehrerer Ordensbrüder zu sein; etwa zehn Texteinheiten können mit großer Wahrscheinlichkeit Laurentius von Schnüffis zugeschrieben werden.

722 Bibliographie

Die 55 Illustrationen stammen von dem Salzburger Maler Johann Friedrich Peretti und dem Kupferstecher Andreas Matthäus Wolffgang aus Augsburg, der auch die Bilder der Franciscus-Vita gestochen hat.

Verwendete Literatur In dieses Verzeichnis sind nur Bücher aufgenommen, die mit der Thematik des vorliegenden Buches in direktem Zusammenhang stehen und im Text zitiert werden. Eine umfassende bibliographische Übersicht zu Laurentius von Schnüffis siehe Gstach Ruth: Mirant – Komödiant und Mönch. Bregenz 2002. Adel, Kurt: Das Jesuitendrama in Österreich (= Österreich-Reihe, Bd 39/40). Wien 1957. Adel, Kurt: Das Wiener Jesuitentheater und die europäische Barockdramatik. Wien 1960. Alexander, Robert J.: Zum Jesuitentheater in Schlesien. Eine Übersicht. In: Funde und Befunde zur schlesischen Theatergeschichte, zusammengestellt von Bärbel Rudin, Bd 1: Theaterarbeit im geschichtlichen Wandel dreier Jahrhunderte. Dortmund 1983, S. 33–61. Alexander, Robert J.: George Jolly (Joris Joliphus), der wandernde Player und Manager. Neues zu seiner Tätigkeit in Deutschland (1648–1660). In: Kleine Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte, 29/30, 1978, S. 31–48. Asper, Helmut G.: Kilian Brustfleck alias Johann Valentin. Petzold und die Eggenbergischen Komödianten. In: Maske und Kothurn, Jg 16, Köln/Graz 1970, S. 20–59. Asper, Helmut G.: Spieltexte der Wanderbühne. Ein Verzeichnis der Dramenmanuskripte des 17. und 18. Jahrhunderts in Wiener Bibliotheken (= Quellen zur Thea­ ter­geschichte, Bd 1; Jahrbuch der Wiener Gesellschaft für Theaterforschung, Bd 21). Wien 1975. Asper, Helmut G.: Hanswurst: Studien zum Lustigmacher auf der Berufsschauspielerbühne in Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert. Emsdetten 1980. Baar-De Zwaan, Monika: Gottfried Prehauser und seine Zeit. Diss. phil. (masch.) Sig. D 17172. Wien 1967 Bandello, Matteo: La prima [seconda, terza] parte de le Novelle del Bandello. Lucca 1554. La quarta parte de le Novelle del Bandello, nuovamente composte né per l’adietro date in luce. Lione 1573. Deutsche Neuausgaben, übersetzt von Karl Simrock, Hamburg 2012; und Caesar Rymarowicz, 2 Bde, Berlin 1988. Baesecke, Anna: Das Schauspiel der englischen Komödianten in Deutschland. Seine dramatische Form und seine Entwicklung (= Studien zur englischen Philologie, hg. von Lorenz Morsbach und Hans Hecht, Heft 87). Halle/Saale 1935. Birken, Sigmund von: Die Tagebücher, bearbeitet von Joachim Kröll, Teil 1 (=Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe 8, Bd 5). Würzburg 1971. Bischoff, Ferdinand: „Niemand und Jemand“ in Graz im Jahr 1608. In: Mitteilungen des historischen Vereines für Steiermark, Heft XLVII, Graz 1899, S. 127–192. Bolte, Johannes: Der Jude von Venetien, die älteste deutsche Bearbeitung des Merchant of Venice. In: Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft, hg. von F. A. Leo, Jg 22, Weimar 1887, S. 189–201. Bolte, Johannes: Der verirte Soldat. Ein Drama des 17. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, hg. von Ernst Höpfner und Julius Zacher, Bd 19, Halle 1887, S. 86–93.



Verwendete Literatur

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Verwendete Literatur

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Register Komödianten Adler Elias  168, 172, 689 Andreini Giovan Battista  107 Angot, Peter Christoph  670, 672, 673, 674, 676 Asken Aron  106 Aue Johann von, Trompeter  667 Augustin Dorothea Margaretha 677, 690, 695, 696 Augustin Jakob Wilhelm  677, 690, 695 Bamberger David  168, 173, 689 Beck Friederich Cornelius679, 680, 682–687 Behme 669 Bernardon  (siehe Kurz)  Bernerin, Ursula Marianna Margaretha 669 Blackreude 106 Blümel Christoph,  3, 113, 160, 168, 175, 510, 511(159), 384, 461, 667, 691(46), 692(50), 696 Blümel Ursula  694 Bockhäuser Christian  642  Böhm 672 Bönicke Heinrich Wilhelm  171(38), 657(34) Bönicke Victoria Clara, geb. Kuhlmann  383, 657(34), 695(61) Bopbergen Sara  688 Brombach Balthasar  173, 679, 681–684, 686–688 Brombachin 681–688 Browne John  105, 108, 126 Bruck  669, 670 Brunius Johann Heinrich  171(38), 556, 597, 690(41), Ceccini Pier Maria  107 Cohrends Johann Friederich  677

Defraine Franz Albert  316–317 Denner Leonhard Andreas  314(108), 537 Deppe Johann Franz  478(118) Dorscheus Matthias  415–416 Eichelin 635–636, 495 Ekhof Konrad(53) Elenson Andreas  114, 153(8), 170, 462, 363, 534, 565, 566, 653, 668–669, 694 Elenson Christina Sophie  673(12) 677 Elenson Friedrich Wilhelm  673, 676, 677, 669 Elenson Johann Ferdinand Felix  171(38), 671(7) Elenson Julius  153(8) Elenson Maria Margaretha  147, 170(32), 171, 462 Elenson Philipp  171(38), 671 Elenson-Haacke, Susanna Catharina (Trinel)  670, 672(9), 674, 675(15), 676(15),  677, 694 Elenson-Haacke-Hoffmann, Sophie Julie  153(8), 669(3), 671, 672(11),  674(14), 677(18), Eytel Leonhard  457, 472 Falckhenberg Christoph  691(45) Faßauer Johann  484 Fornenbergh Jan Battista  107, 114(38) Freyberger Springer  640 Fromm Johannes  695, 696 Fuchs Johannes  692(47) Geißelbrecht Johann Georg, 473, 479 Geißler Anton Joseph  171(38), 477, 541, 670(6), 675, 676(16) Geißler Johann Jakob  695 Gerber Johannes Franziskus  692(47) Gilbert 671 Gilbertin 671

740 Register Göttner Ernestine Anne  696(62) Göttner Johann Georg  456, 477, 691(42), 693, 694(56), 696(62), Göttner Sibylle Juliane  694 Green Johannes  4, 105, 106, 124, 131, 147(2), 636–637 Grindler und seine Frau  690 Gruber 669 Gründler Christian  171(38) Haacke Johann Caspar  478, 576, 672(8), 677(18) Harrer Melchior  535 Haskarl Gerhard Rudolph  575, 576, 671, 674(14) Haskarlin 674 Hauptmann  670, 671, 676 Hilverding Johann Peter  142, 171(38), 319, 444, 677, 696(64) Hoffmann Anna Claudia Felicitas  691(42), 694 Hoffmann Carl Ludwig  153–156, 445, 455, 467, 534, 538, 547, 5(18) 673, 674, 677, Hoffmann Hans Ernst  4, 113, 115, 117, 153, 160, 168, 175(3), 209(61), 563, 646, 691(42), 692 Hoffmann Maria Ursula  113, 161(5), 164(8), 606, 692 Hoffmann Sibylla Juliane  691(42) Hoffmann, Carl Ferdinand  268 Holl Christian  680 Höndler Martin  534, 535, 691 Hopfer Hieronymus  695 Horn Christoph  171(38) Horn Johann  171(38) Huber und seine Frau  690 Janethsky Anna Elisa 677, 679,  Janethsky Christian  147, 149, 150, 166, 346(10), 385, 482, 538, 559,  561, 677, 679, 682–688 Janicke 484 Joliphous Joris  3, 104, 112, 113, 115(39), 117, 163(8), 175, 307, 436, 439, 444, 484, 526, 527, 641 Jüdenbarth 690 Kahland Christoph  680–686 Kern H.  697 Klattim Johan Friderich  669

Kohl Johann Gottfried  680 Kohlhardt  672, 673 Kopp Karl Theodor  422 Krämer Johann Dietrich  168 Kromppo Andre  107 Kuhlmann Anna Barbara 695 Kuhlmann Jakob  114, 527, 585, 695(60) Kuhlmann Johann Georg  695, 696 Kuhlmann Philipp  412, 527(180) Kuhlmann Victoria Clara  695, 696 Kurz, Johann Joseph Felix von (Bernardon)  3, 171(38), 317, 459, 475, 690 Kusser Sigismund  494 Laurenz  673, 676 Leinhaas Johann Ernst  317 Machin Richard  109 Manduk Anna Claudia Felicitas  694 Manduk Johann Franz  691(42), 693(52), 694 Meyberg  670,674, 676 Möller Christian  688 Möller Gabriel  534, 688(37), Möller Martin  596 Moritz H.  697 Müller Christian  110, 168, 169, 688, 689 Müller Joseph Ferdinand  593, 672(9), 676(15), 677 Münnich H. 696 Nesseni N. 667 Neuber Johann  672, 674, 676 Neuberin Friederike Caroline  111, 142, 209(62), 478, 550, 668(2), 672, 674, 676–678 Nuth Franz Anton  317 Öls Friedrich Wilhelm  671, 677 Pasch Georg  373(13), 677 Paulsen Anna  648 Paulsen Carl Andreas  112–114, 127(20), 165, 169, 170(30), 647, 648(25), 649, 484  Paulsen Catharina Maria  172 Paulsen Ferdinand  168,20 Paulsen Ferdinand Egidius  460 Pernegger Anna  693 Pernegger Johann Christoph  161(4), 168, 572, 593(255), 691(46), 693, 694 Petzold Johann Valentin  315, 316, 363, 694(54), 695

Komödianten Pfennig Benjamin  168, 173, 689 Poleck 672 Prehauser Gottfried  315, 317, 319, 171(38), 330, 477, 488, 665(38+39) Protous Matthias  691 Rademin Heinrich  317, 380(3), 422, 459, 381, 382, 384, 541, 692(46) Reeve Ralph  106(12) Reynolds Robert  106,107, 309, 637–639, 558, 661 Richter Christian Reinhard  688 Richter Hermann Reinhard  168(20), 169, 172, 173, 440, 499, 648(24), 669, 671, 689 Richter Karl (Menningersche Truppe) 499 Richterin 671, 689 Ridel, Pickelhering  669 Ries Georg Julius  168(19), 172, 680–687, 689(39) Rijndrop Jacob van  114(38) Riobe Rudolph  109 Rünckl Johann Carl  695(58) Sackville Thomas  105, 126 Salzsieder Gottfried  168, 171, 677, 679, 681–689 Samenhammer Karl  363, 381, 382, 693(53)-696 Sammers Jakob  114(38), 430 Sandrart Jacob von  529(181) Sass, Christian Friedrich Ludwig  672, 690 Sax H.  671 697 Schilde Johann Georg  171(38) Schiller 682–687 Schillerin  684, 687, 688 Schilling Johannes  445, 640(10+11), 680 Schleicher 667 Schliss M. 163, 668 Schneidenwein 696 Schönhüttius Caspar  484 Schröder Sophie Charlotte  478 Schröter Johann Andreas  171(38) Schubart Georg Friderich  680, 681–687

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Schubartin 681–686, 688 Schwartz Johann Christian  692(49) Schwartz Johann Friedrich Philipp  694(57), 695 Schwartz Peter  4, 113, 115, 160, 168, 175(3), 646, 691(46), 692(49) Schwartz Rebekka  164, 692(49) Spencer John  106, 127(16) Spiegelberg Elisabeth  537, 697 Spiegelberg Johann Christian  315, 381, 433, 537, 697 Starck Christian  168, 172, 680, 689 Starck Sebastian  Gottfried  172, 677, 680, 682–688 Stätins Peter  691 Stiller Caspar  642(14) Stranitzky Joseph Anton  6, 314(108), 316, 318, 328(141), 330, 380(2) Strigel  670, 672 Tabarino Giovanni  107 Theer 106 Treu Carl  643 Treu Michael Daniel  112, 113, 165(11), 363, 431, 568(226), 643–646, 667 Treublut 669 Trevert 674 Uster 670 Velthen Anna Elisabeth  169, 679, 684 Velthen Catharina Elisabeth  110, 112–114, 169, 171, 315, 681–688, 690 Velthen Johannes  111, 112(29), 125, 127(20), 166, 168, 169(25), 170(30), 172, 375, 382, 386, 585, 649–656, 679(19+20), 681–688 Weiß M.  670 Welder Conrad (Theatermeister)  672– 674 Weßling H.  697 Wigandt Hans Jakob  495 Willig Johannes Tobias  680 Wohlgehaben Johannes  160, 168, 175(3), 692(48), 694, 695

742 Register

Komödientitel Abende (Dame Kobold)  389, Abraham (Ebenbild)  389, Absurda Comica (Peter Squenz) Actaeon  389 Adam und Eva  390 Adamira  391 Adelheide  392 Agniello  394 Ahasverus (Esther) Alari und Somiro, Brüder (Alarich) 681 Alaricus  396, Alcippe und Cephise (Hanreyin) Alexander der Große  400  Alexander Schutz-Herr  401 Alexander, hochmütige  399 Alexander, Rossane  398 Alexanders Mord-Banquet  402 Allamoda  395 Altamiro (Ormonda)  Amadis  402 Amilius Paulus Papinianus (Papinianus) Aminta und Silvia  403, 298, 299, 320, 325, 328 Amor der Artzt  404, 681 Amor der Tyrann  404, 367 Amor Lehrmeister (Labyrinth der Liebe) Amphitrio (Jupiter) Anabella von Mömpelgard (Tiberius) Andromeda  406–410, 670, 676 Andronicus  411 Antiochus  411 Aran und Titus (Titus und Aran) Aribene (Selimor)  Arlequin, Hofspion  156 Artaxerxes (Esther) Artemisia  412 Artus (Olivier) Artzngall (Niemand) Aspasia Schäfferin  413, 118, 119, 123, 153, 164(9), 211, 220(100), 227(115), 237, 245(35), 246(39), 261, 268, 273, 286, 294, 302, 303(87), 343, 359(37), 386, Atis, stumme Prinz  415–420, 120, 121, 129(26), 238, 246(39), 286, 674, 675 Attila  420–422

Aurelianus  422 Aurora und Stella  422, 238, 249(39), 386 Avaro  424, 170(32), 669 Bajazeth (Tamerlan) Basilisco di Bernagasso  425 Basilius, undankbarer  317(112) Bauer, durchlauchtige (Liebes-Stand) Baur, verwandelte  428 Belagerung Entsatz Wien  430–431 Bellemperie (Hochmuth) Beremond, Johannes  431 Beständigkeit (Catharina) Betrug (Allamoda) Betrug, betrogene  431 Bettelmägdlein (Unglück) Brüder ungleichen Humors  432, 118(2), 153 Brüder, seitenbuhlende  432 Brudermord  433, 6, 126, 127(20), 159(1), 170, 187(7), 210(64), 211, 238, 271, 273, 286, 324(129), 325, 354(27), 359(37), 373 Caesar Julius  437, 125, 297 Cara Mustapha  435, 117 Carl et Julio (Krafft) Carolus Stuardus  435, 117 Carolus XII. von Schweden (Mars) Catharina von Georgien  439, 117, 286, 354(28) Catherine, böse (Kunst) Christabella  445 Cid  440–443, 117, 173, 271, 686 Comoedia  444, 118(2) Conte de Monte Negro  444, 118(2) Croesus, König in Lydien  445, 156, 676 Cupidinis Macht (Macht) Dama Bizzara  697 Dame Kobold (Isabella) Dandin Georg  447, 686 Daniel  448 David  449, 171, 683 Dill dill dill (Eyfersucht betrogene) Dill dill dill (Pückelhering) Don Gaston (ehrliche Verrätherey)

Komödientitel Don Gaston (Spiegel wahrer Freundschaft) Don Hieronymo (Keyser in Constantinopel) Don Petro Todten-Gastmahl  451 Don Sancho (Verwirrter Hof) Dorella (Dulcander) Doris Sklavin  453, 118(2), 165, 246(39), 261, 268 Dorothea Martyrin  455 Dulcander  457, 192(12) Dulcimunda Schäfferin  458 Ebenbild, Abraham  458 Ecole des Maris  459 Edelberga  459 Edelmann, bürgerlicher  682 Eginhart  460 Ehemann, verwirrete (Dandin) Ehrenbild  461 Ehren-Statue (Ehrenbild) Elisie (Aspasia) 414 Enthauptung Ciceronis (Ciceronis) Enthauptung Essex (Unschuld, ermordete) Erbes Rebell, englischer  685 Erminia  465 Erminio  465, 260, 265 Ernelinde, Viermal Braut  465 Esseck, Graf von  467, 118(2), 153, 155 Esther  468, 336 Estra  468 Eudoxia (Athenais) Eustachius (Actaeon) Eyfernde mit ihr selbst  464 Eyfersucht, doppelt betrogene  464 Eyfersucht, glüeckselige  461–464, 120, 147(3), 170(32), 175, 176, 187(7), 189, 260, 281, 284, 295 Eyfersucht, rachbegierige  (Titus) Faust  473–480, 125, 309 Federigo  480 Fortunatus  480, 117, 156, 208 Freundschaft, wieder erkannte  482 Friedewünschendes Teutschland  483, 117, 228 Frondalpheo (Liebes Verzweiffelung) Fürstenmord (Leo Armenius) Geizige (Avaro)

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Genoveva, Pfalzgräfin  486, 171, 208, 245(33), 386, 684 Gerrhardt, geizige (Wette) Gibeon (Rache) Glück und Liebstück (Aurora) Glücks Probier-stain (Liebes-Soldat) Gottfried von Boullion  488 Griseldis 489 Haman, hoffertiger (Esther) Hamlet Prinz (Brudermord) 6 Hanrey, alter  491, 305 Hanrey, Einbildung  492 Hanreyin  492 Harlequins Hochzeit  492 Harlequins Kindtauffen-Schmaus  492 Harpagnon, geizige (Avaro) Hercules, hebraeischer (Samson) Hermione, wieder erlangte  493, 131(31) Hibeldeha  494, 304 Hochmuth, türkischer  496 Holoferne (Judith) Ibrahim Bassa  497 Ibrahim Sultan  497 Irrgarten der Liebe (Zwang) Isabell, Ibrahim (Treu- und TugendSieg) Isabella, Spirito Voletto  498 Jacobs doppelte Heyrath  500 Jäger, unerschrockene  501, 170(32), 295, 670 Jason  501–504 je schlimmer es steht (Quando Sta Peggio) Jemand (Niemand) Jephtha  504 Jeronymo, Marschalk  505 Jerusalem (Gottfried von Boullion) Jerusalem (Verstörung) Jodelet (König von Neapolis) Jodelet, lächerlicher Printz  520, 142 Johannes von Beremond  508 Joseph  509 Jude von Venetien  510, 120, 127(8), 160, 161(7), 163, 165, 174, 175(4), 191(10), 211, 237, 241(25), 246(37), 250, 268(34), 287, 308, 320,

744 Register 322–325, 327, 330, 362(43), 364, 367 Judith, Holoferne  512 Julio und Hyppolita  513, 125, 251, 305, 343(1), 354(27) Jungfrau  514, 281 Jupiter und Amphitrio  514 Katherine, böse (Kunst) Keuschheit, Krieg und Sieg  515 Keyser zu Konstantinopel  515 Kindbetterin-Stuben (Harlequins Hochzeit) Kindtauffen-Schmaus (Harlequins Hochzeit) Kohlenbrenner, durchlauchtiger (Lieb) König in Zypern  516, 289 König von Neapolis  519, 142 König, eyserner  516, 156, 272 Königes Kinder, verwechselte (Verwirrter Hof)  682 Königes Sohne auß Engellandt  (Sohne) Krafft und würckung der Natur  521 Kronenstreit (Aurora und Stella) Krönung von Epiro  687 Kunst über alle Künste  522, 125, 130(29), 248, 349 Kunstgriffe der Verliebten  524, 118(2), 141(3), 152(5), 156, 159(2), 175 Labyrinth der Liebe  524, 6, 119, 156, 281, 349, 673 Lächerlichkeit, köstliche  524, 683 Lear, König  525, 125 Leo Armenius 527, 117 Lieb und Glück  527, 165, 222 Liebe zwischen Feinden  528 Liebe, heimliche (Artemisia) Liebes Gefängnüs  532, 120, 222, 261, 264, 296, 373 Liebes Irrgarten (Zwang) Liebes Rebelle (Ibrahim Sultan) Liebes Soldat, verirrte  534, 147(3), 170(32), 187(7), 192(12), 222, 250, 251, 268 Liebes Verzweiffelung  538 Liebhaber, unbesonnene  540, 118(2), 156, 159(2), 174 Liebs-Betrug  529 Lysis, Schäfer (Schäfer)

Macht Cupidinis  541, 117, 208, 222(103), 308(99) Macht des himmlischen Verhäng­ nüßes  541 Majestät, ermordete (Carolus Stuardus) Mann, wilder  542, 288 Mantalor  542, 287, 306 Margaretha, Märtyrin  543, 118(2), 170(32), 173, 671 Margenis (Teutschland) Maria Stuart  544, 359(37) Maria,schöne (alter Hanrey) Mars in tieffster Trauer  545 Marschalck, tolle (Keyser zu Konstantinopel) Märtyrin Sophia  547 Masaniello (Agniello) Maximilianus Printz (Jäger) Medea, rasende  548, 156, 246(39), 359, 672 Mellisa, getreue  550 Merolome (Odomire) Monte Negro (Conte) Mosis Kindheit  553 Mügligkeit, unmüglige  551, 281 Müllerin  553 Münch, spanische  554 Mutter der Machabaeer  554 Mutter, buhlhafftige  554 Narr (Sohne auß Engellandt) Neapolitanische Unruhe (Agniello) Nero, Kaiser  555 Niemand und Jemand  556, 124(2), 147(2),  159(1), 271 Octavia, getreue  559, 144, 147, 187(7), 346(10), 359(37), 372, Odomire, Königin  561, 144, 147, 149 Olivier und Artus  562 Olympia, egyptische  563–571, 6, 118(2), 119, 208, 211, 220, 223, 227, 248, 249, 250, 268, 272, 296, 302, 306, 321(126), 325, 346(10), 373 Orbetcha  572 Orlando, rasende  242(30) Ormonda  573, 265,296, 672(8) Orontes  572 Oronthea Königin  574 Paar, dreifach verliebtes  687

Komödientitel Papinianus, Amilius Paulus  575–579, 169, 174, 229(125), 256, 297, 674(14) Pelifonte Wüttrich (Tyrannay) Pelimperia (Keyser) Penelope  579 Perseus (Andromeda) Peter Squentz  581, 128, 169, 186(6), 197(25), 228, 324(129)-328 Phoenicia (Spiegel weiblicher Zucht) Phoenicia  583, 126, 263 Pickelhärings Academie  583 Pickelhering in der Kiste  584 Pickelhering Printz  (König von Neapolis) Pickelherings Spiel (Hanrey) Polterer, gutherzige  (Basilisco) Polyeuctes, Märtyrer  584, 696 Printz aus Polen  585, 169(28), 286 Printz, vermeinte  587, 334 Prob getrewer Lieb  589 Probier Stein (Liebes Soldat) Pückelherings Dill dill dill  584 Pyramus und Thisbe (Peter Squentz) Quando Sta Peggio  590 Raache gegen Raache (Titus Andronicus) Rache bereuete (Amor Tyrann) Rache zu Gibeon  590 Rebell, ehrliche (Münch) Reyterey, politische (Eginhart) Ritter, stumme  591, 117, 287 Rodrich, Delomira (Eyfersucht) Rodrigo, gottlose  592 Romio und Julie  593–596, 122(9), 128, 129, 159(1), 192(12), 203(42), 210(64), 211, 213, 222(104), 223, 227(115), 229(125), 251, 261, 262, 271, 308, 323, 325, 337(3), 346(10) 354(27) Rosetta  596 Rosidea, Königin (Rodrigo) Samson, israelitischer Richter  596 Scapins Betrügerey  598 Schaubühne des Glücks (Adelheide) Schwechst ligt unden  599 Sclav, majestätische (Freundschaft) Sejanus  599 Selimor, Printz (Liebes Soldat) Seppe vom Berge (verwandelte Baur)

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Sganarelle (Hanrey) Sidea, schöne  601, 126 Sidonia und Theagene  601 Sigislaus, Prinz (Eyserne Tisch) Sigismundus (Printz aus Polen) Silvia (Aminta) Simson (Samson) Singe-Komödien  602 Sklav, mayestättische  (Freundschaft) Sohn, verlorener  602, 284 Sohne auß Engellandt  604, 251 Soldat, verirrte (Liebes Soldat) Soliman (Trew- und Tugend-Sieg) Soliman, Kayßer (Gottfriedt von Boullion) Sophia, Märtyrin (Märtyrin) Spiegel wahrer Freundschafft  606 Spiegel weiblicher Zucht und Ehr  608 Squentz (Peter Squentz) Statua (Princessin Adamira) Stein, wunderthätiger  609, 684 Streit zwischen Ehre und Liebe (Cid) Streit zwischen Ehre und Liebe (Spiegel) Stuardus (Carolus) Susanna (Hibeldeha) Tamerlan  610 Tarquinius Superbus (Triumph der Ehre) Teutschland, friedewünschendes Tiberius von Ferrara  612 Tisch, eyserner  613, 118, 123, 164(9), 237, 258, 268, 286, 295, 324, 346(10), 366, 373 Tito Andronico und hoffertige Kayserin  613, 125 Titus Andronicus  617, 171, 223, 237, 286, 325, 354(27) Titus und Aran  614, 686 Titus und Tomyris  615 Tochtermord (Jephtha) Tollheit, vorsichtige  683 Tomyris  613–616 Tragi-Comedia  619, 208, 222(103), 320, 325 Trew- und Tugend-Sieg  619 Triumph der Ehre und des Glücks  620

746 Register Triumph römischer Tugend (Gordianus) Tugend- und Liebes-Streit  621, 120, 128, 131, 164(9), 174, 211, 220, 268, 359(37), 373 Tymbri von Golison (Phoenicia) Ulysses (Penelope) Undanck ist der Welt Lohn (Basilisco) Unglück über Unglück  623 unmöglichste Ding (Mügligkeit) Unruhe, neapolitanische (Agniello) Unschuld, ermordete (Essex) Unschuld, schuldige (Maria Stuarda) Unschuld, siegende (Odomire) Unschuld, unterdruckte (Genovefa) Unsichtbarkeit (Stein)  684 Untrew schlecht eygen Herrn (stumme Ritter)

Verrätherey oder Don Gaston  624, 171, 684, 685 Verrätherey, ehrliche (Spiegel) Verwirrter Hof, König Carl  624 Verwirrung, wunderliche  685 Virenus (Olympia) Visibilis et invisibilis (Stein) Vorwitz, unzeitiger  626, 174, 320 Wallenstein  627 Walther und Hildegunt (Griseldis) Welt, verkehrte  629 Wette, närrische  632 Zuletz bekompt der Narr (Sohne auß Engellandt) Zwang, beklägliche  633, 349 Zwischenspiel vom wunderthätigen Stein (Stein)