Ägyptomanie und Orientalismus: Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (1175-1663). Mit einem kommentierten Verzeichnis der Reiseberichte (383-1845) 9783110299236, 9783110298932

Examining the image of Egypt portrayed in German travelogues, this study illuminates the history of Germany’s reception

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German Pages 516 [520] Year 2013

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Table of contents :
Einleitung
Erster Teil: Ägyptomanie und Orientalismus. Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (383-1663)
1. Theoretische und methodische Grundlagen
1.1. Der Reisebericht und die Fremdheitsforschung
1.2. Orientalismus
1.2.1. Die Orientalismus-Debatte: Vorverständnis
1.2.2. Edward W. Said und die Orientalismus-Debatte
1.3. Ägyptomanie
1.4. Das biblische Ägypten
1.4.1. Die Ägyptenbilder des Alten und Neuen Testaments
1.4.2. Assmanns Mosaische Unterscheidung
1.5. Komponenten des Ägyptenbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch
1.5.1. Ägyptens Selbst- und Fremdbild
1.5.2. Beschreibungsschemata und methodisches Vorgehen
2. Reiseberichte, Reisende und Reisekultur
2.1. Deutsche Ägyptenreiseberichte
2.2. Kulturkontakte und Reisewege
2.2.1. Geschichte und Kulturkontakte
2.2.2. Handels- und Reisewege
2.3. Bausteine und Aufbau des Reiseberichts
2.3.1. Überblick
2.3.2. Aufbau des Reiseberichts mit Katharinenkloster
2.3.3. Aufbau des Reiseberichts ohne Katharinenkloster
2.4. Auswahl der Reiseberichte
3. Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends
3.1. Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten
3.2. Pilger von Piacenza - Arkulf - Bernardus Monachus
3.3. Christliches Reisen in Ägypten
4. Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters
4.1. Überblick und Kennzeichen
4.2. Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer
4.3. Gesandtschaftsreisen
4.3.1. Burchard von Straßburg (1175)
4.3.2. Burchardus von Monte Sion (1283/5)
4.4. Pilgerreisen
4.4.1. Wilhelm von Boldensele (1334)
4.4.2. Lorenz Egen aus Augsburg (1385)
4.4.3. Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433)
4.4.4. Hans Tucher (1479)
4.5. Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht des Mittelalters
4.5.1. Ägyptomanie: Rezeption des alten Ägypten
4.5.2. Orientalismus: biblisches und orientalisches Ägypten
5. Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit
5.1. Überblick und Merkmale
5.2. Pilgerführer und Reiseführer
5.3. Pilgerfahrten und Morgenlandreisen
5.3.1. Löwenstein und Wormser (1561)
5.3.1.1. Reiseorganisation und Struktur der Reiseberichte
5.3.1.2. Hauptthemen der Ägyptenbeschreibung
5.3.2. Nützel (1586) und Fernberger (1588)
5.3.2.1. Reiseorganisation und Struktur der Reiseberichte
5.3.2.2. Hauptthemen der Ägyptenbeschreibung
5.3.2.3. Ägypten zwischen Augenschein, Tradition und Systematik
5.4. Gefangenenberichte
5.4.1. Michael Heberer von Bretten (1585-1588)
5.4.1.1. Alte und neue Elemente der Ägyptenbeschreibung
5.4.1.2. Ägypten als Sklavenhaus
5.4.2. Nicolaus Schmidt (1605-1611)
5.4.3. Christian von Wallsdorff (1660-1663)
5.5. Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit
5.5.1. Ägyptomanie: Rezeption des alten Ägypten
5.5.2. Orientalismus als Macht-/Ohnmachtdiskurs
Resümee
Zweiter Teil: Ägypten in der deutschen Reiseliteratur Verzeichnis der Reiseberichte (383-1845)
Vorwort
Vorbemerkung: Reisende, die nicht in Ägypten waren
1. Reiseberichte des ersten Jahrtausends
2. Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert
2.1. Das 12. und 13. Jahrhundert
2.2. Das 14. Jahrhundert
2.3. Das 15. Jahrhundert
3. Reiseberichte von 1500 bis 1599
4. Reiseberichte von 1600 bis 1699
5. Reiseberichte von 1700 bis 1799
6. Reiseberichte des 19. Jahrhunderts: 1800-1845
6.1. Reiseberichte von 1800 bis 1824
6.2. Reiseberichte von 1825 bis 1845
7. Index der Reisenden/Reiseberichte
7.1. Chronologischer Index
7.2. Alphabetischer Index
Literaturverzeichnis
Abkürzungen
Primärliteratur
Sekundärliteratur
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Ägyptomanie und Orientalismus: Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (1175-1663). Mit einem kommentierten Verzeichnis der Reiseberichte (383-1845)
 9783110299236, 9783110298932

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Abbas Amin Ägyptomanie und Orientalismus

Studien zur deutschen Literatur

Herausgegeben von Wilfried Barner, Georg Braungart und Martina Wagner-Egelhaaf

Band 202

Abbas Amin

Ägyptomanie und Orientalismus

Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (1175–1663) Mit einem kommentierten Verzeichnis der Reiseberichte (383–1845)

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT.

Univ. Tübingen, Diss. 2011 ISBN 978-3-11-029893-2 e-ISBN 978-3-11-029923-6 ISSN 0081-7236 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2013 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Meinen Eltern in liebevoller Dankbarkeit

Danksagung Ich möchte mich ganz herzlich bei all jenen Personen und Institutionen bedanken, die mich auf unterschiedliche Weise unterstützt und zum Abschluss dieser Arbeit beigetragen haben. An erster Stelle richtet sich mein Dank an Herrn Prof. Dr. Georg Braungart für die Betreuung meiner Dissertation. Für seine Geduld, seine Ermutigung und seine konstruktiven Anmerkungen bin ich sehr dankbar. Ein großer Dank gilt auch Frau Prof. Dr. Aleya Khattab für die Übernahme des Zweitgutachtens und ihre Bereitschaft, mir stets mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Danken möchte ich auch Frau Prof. Dr. Katharina Grätz für die Übernahme des Drittgutachtens. Bedanken möchte ich mich ferner bei der Dr.-FindelStiftung in Wolfenbüttel für die Gewährung eines Stipendiums an der HerzogAugust-Bibliothek, das es mir ermöglichte, den zweiten Teil meiner Studie zügig zum Abschluss zu bringen. Zudem sei dem Kreis der Herzog-August-Bibliothek ein herzlicher Dank ausgesprochen für die freundliche Aufnahme und die Betreuung während meines Aufenthalts. Meinen Kolleginnen und Kollegen danke ich für ihr Interesse, ihre kritischen Fragen und fruchtbaren Anmerkungen. Ein besonderer Dank gilt meiner Familie und meinen Freunden in Ägypten und Deutschland, insbesondere Sieglinde Stail und Dr. Kerstin Mauerer. Ohne sie wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Regensburg, im Oktober 2012 Abbas Amin

Inhaltsverzeichnis Einleitung 

1

Erster Teil: Ägyptomanie und Orientalismus. Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (383–1663) 1. 1.1. 1.2. 1.2.1. 1.2.2. 1.3. 1.4. 1.4.1. 1.4.2. 1.5. 1.5.1. 1.5.2.

Theoretische und methodische Grundlagen  15 Der Reisebericht und die Fremdheitsforschung  16 Orientalismus  21 Die Orientalismus-Debatte: Vorverständnis  22 Edward W. Said und die Orientalismus-Debatte  29 Ägyptomanie  38 Das biblische Ägypten  43 Die Ägyptenbilder des Alten und Neuen Testaments  44 Assmanns Mosaische Unterscheidung  49 Komponenten des Ägyptenbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch  53 Ägyptens Selbst- und Fremdbild  53 Beschreibungsschemata und methodisches Vorgehen  56

2. 2.1. 2.2. 2.2.1. 2.2.2. 2.3. 2.3.1. 2.3.2. 2.3.3. 2.4.

Reiseberichte, Reisende und Reisekultur  61 Deutsche Ägyptenreiseberichte  61 Kulturkontakte und Reisewege  65 Geschichte und Kulturkontakte  65 Handels- und Reisewege  71 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts  78 Überblick  78 Aufbau des Reiseberichts mit Katharinenkloster  Aufbau des Reiseberichts ohne Katharinenkloster  Auswahl der Reiseberichte  90

3. 3.1. 3.2. 3.3.

Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends  Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten  95 Pilger von Piacenza – Arkulf – Bernardus Monachus  104 Christliches Reisen in Ägypten  112

80 86

94

VIII 

 Inhaltsverzeichnis

4. 4.1. 4.2. 4.3. 4.3.1. 4.3.2. 4.4. 4.4.1. 4.4.2. 4.4.3. 4.4.4. 4.5.

Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters  Überblick und Kennzeichen  117 Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer  125 Gesandtschaftsreisen  132 Burchard von Straßburg (1175)  132 Burchardus von Monte Sion (1283/5)  147 Pilgerreisen  152 Wilhelm von Boldensele (1334)  152 Lorenz Egen aus Augsburg (1385)  164 Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433)  171 Hans Tucher (1479)  177 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht des Mittelalters  186 Ägyptomanie: Rezeption des alten Ägypten  186 Orientalismus: biblisches und orientalisches Ägypten 

4.5.1. 4.5.2.

115

195

5. Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit  207 5.1. Überblick und Merkmale  208 5.2. Pilgerführer und Reiseführer  217 5.3. Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  224 5.3.1. Löwenstein und Wormser (1561)  226 5.3.1.1. Reiseorganisation und Struktur der Reiseberichte  226 5.3.1.2. Hauptthemen der Ägyptenbeschreibung  234 5.3.2. Nützel (1586) und Fernberger (1588)  240 5.3.2.1. Reiseorganisation und Struktur der Reiseberichte  240 5.3.2.2. Hauptthemen der Ägyptenbeschreibung  246 5.3.2.3. Ägypten zwischen Augenschein, Tradition und Systematik  258 5.4. Gefangenenberichte  261 5.4.1. Michael Heberer von Bretten (1585–1588)  262 5.4.1.1. Alte und neue Elemente der Ägyptenbeschreibung  263 5.4.1.2. Ägypten als Sklavenhaus  271 5.4.2. Nicolaus Schmidt (1605–1611)  278 5.4.3. Christian von Wallsdorff (1660–1663)  287 5.5. Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit  291 5.5.1. Ägyptomanie: Rezeption des alten Ägypten  291 5.5.2. Orientalismus als Macht-/Ohnmachtdiskurs  303 Resümee 

315

Inhaltsverzeichnis 

Zweiter Teil: Ägypten in der deutschen Reiseliteratur Verzeichnis der Reiseberichte (383–1845) Vorwort  327 Vorbemerkung: Reisende, die nicht in Ägypten waren  329 1. Reiseberichte des ersten Jahrtausends  333 2. Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert  346 2.1. Das 12. und 13. Jahrhundert  346 2.2. Das 14. Jahrhundert  352 2.3. Das 15. Jahrhundert  358 3. Reiseberichte von 1500 bis 1599  370 4. Reiseberichte von 1600 bis 1699  398 5. Reiseberichte von 1700 bis 1799  423 6. Reiseberichte des 19. Jahrhunderts: 1800–1845  438 6.1. Reiseberichte von 1800 bis 1824  438 6.2. Reiseberichte von 1825 bis 1845  451 7. Index der Reisenden/Reiseberichte  474 7.1. Chronologischer Index  474 7.2. Alphabetischer Index  479 Literaturverzeichnis  488 Abkürzungen  488 Primärliteratur  488 Sekundärliteratur  493

 IX

Einleitung Ich gehe dazu über, ausführlich über Ägypten zu berichten, weil es sehr viele Merkwürdigkeiten aufweist und im Vergleich zu jedem anderen Land sich dort unbeschreiblich große Kunstwerke finden. (Herodot).¹

Ägypten übt seit jeher eine ungeheure Faszination auf die Menschheit aus.² Außerordentliche Kulturleistungen, geographische Besonderheiten und Gedächtnisorte unterschiedlicher Gruppenbezogenheit machen das Land am Nil zu einem „Wunder- und Reiseland“³ schlechthin, was sich auch bei Herodot zeigt. Diese Sehnsucht nach und Begeisterung für Ägypten findet so bereits in der Antike ihren unverwechselbaren Ausdruck.⁴ Es wird ein idealisiertes bis esoterisches Ägyptenbild begründet, das Ägypten als Ursprungsland der Weisheit und Mysterien zeichnet.⁵ Große Persönlichkeiten der Antike bereisen Ägypten, oder es wird ihnen eine Ägyptenreise bzw. ein Bezug zu Ägypten zugeschrieben.⁶ Ob sie wirklich in Ägypten waren, ist dabei zweitrangig. „Entscheidend ist der Nimbus, mit dem man diese Personen umkleiden konnte, indem man ihnen Kontakte zu

1 Herodot, Die Bücher der Geschichte I–IV, Stuttgart 1999, hier II. 35, S. 79. In einer anderen Übersetzung heißt es: „Ich komme nun ausführlicher auf Ägypten zu reden, weil es mehr Wunder enthält als jedes andere Land, und im Vergleich mit jedem andern Land Werke aufweist, die über alle Beschreibung hinausgehen“. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte, Wiesbaden 2007, S. 160. 2 Vgl. dazu u.a. Wilfried Seipel (Hg.), Ägyptomanie. Ägypten in der europäischen Kunst 1730– 1930, Wien/Mailand 1994; Wilfried Seipel (Hg.), Ägyptomanie. Europäische Ägyptenimagination von der Antike bis heute, Wien/Mailand 2000. 3 Marion Giebel, Reisen in der Antike, Darmstadt 1999, S. 63. 4 Dies belegen auch Homers Ilias und Odyssee. In der Odyssee heißt es z.B.: „Dann packte mich das Verlangen, Schiffe mit göttergleichen Gefährten / auszurüsten und nach Aigyptos zu fahren […]. Wir erreichten den herrlichen Strom Aigyptos am fünften / Tage und legten in ihm vor Anker die doppelt geschweiften / Schiffe. […] Sieben Jahre verweilte ich dort und sammelte Schätze / unter dem Volk der Aigypter; ein jeder ließ mich verdienen“. Homer, Odyssee, Berlin 1992, Bd. 2, S. 219f., XIV. Gesang, Vers 246ff. Vgl. dazu auch Aleya Khattab, Das Ägyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500, Frankfurt a.M. 1982, S. 15. 5 So haben z.B. Herodot, Platon, Isokrates, Diodor, Strabon, Plutarch und Plinius mit ihren Schriften das Ägyptenbild maßgeblich beeinflusst. Vgl. dazu Siegfried Morenz, Die Begegnung Europas mit Ägypten, Zürich/Stuttgart 1969; Erik Hornung, Das esoterische Ägypten. Das geheime Wissen der Ägypter und sein Einfluß auf das Abendland, München 1999; Jan Assmann, Weisheit und Mysterium. Das Bild der Griechen von Ägypten, München 2000b. 6 Als antike Ägyptenreisende werden u.a. Orpheus, Homer, Solon, Thales, Platon, Eudoxos, Pythagoras, Demokrit und Lykurgos aufgezählt. Vgl. Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 26ff.

2 

 Einleitung

Ägypten und seinen weisen Priestern zuschrieb […]. Hier wurde immer dichter an der Legende gestrickt, dass alle Weisheit ursprünglich aus Ägypten stammt“.⁷ In dieser Hinsicht kann man die Autoren der Antike als erste Ägyptomanen bezeichnen. Mit ihrem idealisierten Ägyptenbild üben sie einen nicht unbedeutenden Einfluss auf das abendländische Ägyptenbild aus. Seit Herodot reißt der Strom der Reisenden nach Ägypten nicht ab. Nach ihm kommen unzählige Scharen aus dem Abendland in das Land am Nil: Kaufleute und Gesandte, Pilger und Missionare, Krieger und Kreuzfahrer, Kriegsgefangene und Sklaven, Abenteurer und wissbegierige Forschernaturen, Orientalisten und Ägyptologen, Touristen und Auswanderer. Von einigen dieser Reisenden, darunter nicht wenigen aus dem deutschen Kulturraum, sind Reiseberichte überliefert. Ihnen verdankt Europa Jahrhunderte lang sein Wissen über Ägypten.⁸ Reisebeschreibungen und Übersetzungen bilden für den ägyptischen Germanisten Mustafa Maher daher die Hauptquellen für das Motiv der orientalischen Landschaft in der deutschen Literatur.⁹ Dank der Reiseberichte, der Werke der Antike und der Bibel sowie der davon inspirierten Werke gerät das Land am Nil auch nach seiner Eingliederung ins islamisch-arabische (639/42) und osmanische Reich (1516/17) im kollektiven Gedächtnis des Abendlands nicht in Vergessenheit. Zudem ist Ägypten als Thema, Motiv, Form und Idee zu allen Zeiten im intellektuellen Abendland beheimatet, so dass Jan Assmann¹⁰ die abendländische Ägyptenrezeption als Heimsuchung Europas durch Ägypten definieren kann. Spuren dieser abendländischen Ägyptenbegeisterung finden wir in der deutschen Literatur,¹¹ wie zum Beispiel im Volksbuch Historia von D. Johann Fausten, in dem von einem Ägyptenbesuch erzählt wird: Doctor Faustus wanndt sich gegen Mitternacht zue jnn Egypten jnn die Gross Haupt Statt Alkeyro. Oder Memphis, die auch Chÿrus geheyssen / darJnn der Egiptische Soldan sein

7 Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 29. 8 Aleya Khattab hebt Rolle und Bedeutung der Reiseberichte als Kulturvermittler hervor: „Angesichts der Bedeutung der älteren Reisebeschreibungen ist es Tatsache, daß neben der Bibel die Orientreisenden mit ihren Reisebeschreibungen das zeitgenössische Orientbild in Europa geprägt und wichtige Kenntnisse darüber vermittelt haben. Ihre Reisebeschreibungen […] regten die Dichter an“. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500, Frankfurt a.M. 1982, S. 3. 9 Vgl. Mustafa Maher, Das Motiv der orientalischen Landschaft in der deutschen Dichtung von Klopstocks ‚Messias‘ bis zu Goethes ‚Diwan‘, Stuttgart 1979, S. 31–66. 10 Vgl. dazu Jan Assmann, Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 27. 11 Als weitere Beispiele seien hier angeführt: Fortunatus, Grimmelshausens Simplicissimus, der Barockroman Türckischer Vagant von Daniel Speer, Schillers Gedicht „Das verschleierte Bild zu Sais“, Novalis’ Lehrlinge zu Sais sowie Günderrode, Musil, Thomas Mann, Rilke und Bachmann.

Einleitung 

 3

Schloss oder hofhaltung hatte / Da theilt sich der Fluss Nilus jnn viel Orthen / Diese Statt ist .150. Achtheyl einer Meill weitt / mit einem grossen tieffen Graben see / So die Statt wol befestiget / Der Fluss Nilus. Jnn Egypten ist der gröste Fluss jnn der ganntzen Welt / Vnnd So die Sonne jnn Krebs geet / So begeust Er das ganntz Lanndt Egypten.¹²

Ägyptens Größe, Hochkultur und geheimes Wissen stehen für seine besondere Stellung im Abendland im Allgemeinen und hier im 16. Jahrhundert im Besonderen.¹³ Faust weiß dabei nicht nur vom orientalischen Ägypten der Mameluken zu berichten, sondern auch davon, dass im irdischen Paradies „die Vier wasser So auss dem Brunnen / der Mitten jm Paradeiß steett / entspringen / als Ganges oder Phison, Gion oder Nilus, Tigris vnnd Euphrates“.¹⁴ An diesen Textstellen, die Elemente der Reiseliteratur widerspiegeln, sind drei Formen der Erinnerung und Repräsentation Ägyptens ablesbar: Ägyptomanie, Orientalismus und biblisches Ägypten. Unter Ägyptomanie ist hierbei im weiten Sinne die Ägyptenrezeption als Begeisterung für die altägyptische Kultur zu verstehen. Darunter werden auch die Traditionen des biblischen Ägypten subsumiert, die vor allem im Kontext der Pilgerfahrt zu den Heiligen Stätten in Palästina und Ägypten anzutreffen sind. Dagegen ist Orientalismus als westliche Orienterfahrung und Ausdruck einer ambivalenten Beziehung des Okzidents zum Orient zu fassen, die zwischen Faszination und Bedrohung oszilliert. Gegenstand vorliegender Arbeit ist die Untersuchung des Ägyptenbildes im deutschen Reisebericht bis zum 17. Jahrhundert. Die beiden Begriffe deutsch und Reisebericht, mit denen die Studie operiert, bedürfen jedoch einer Spezifizierung, um Missverständnisse zu vermeiden und den Untersuchungsgegenstand zu prä-

12 Das Faustbuch. Nach der Wolfenbüttler Handschrift, hg. von Harry G. Haile, Berlin 1963, S. 85. Hervorhebungen sind übernommen aus der Zitatgrundlage. 13 Erik Hornung unterstreicht in diesem Kontext den ägyptosophen Bezug zu Altägypten: „Als einer der sieben Oberteufel, mit denen Faust zu tun hat, erscheint Anubis, mit getüpfeltem Hundskopf und Schlappohren; und auch die Krönung der altägyptischen Zauberkunst, einen abgeschnittenen Kopf wieder anzufügen, begegnet im Volksbuch“. Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 69. Zur Ägyptenrezeption als Land der Zauberkünste, vgl. Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 62ff. Erik Hornung unterscheidet in diesem Kontext zwischen Ägyptomanie und Ägyptosophie. Beide gelten ihm als Bestandteile der Ägyptenrezeption. Während man unter Ägyptomanie Wirken, Übernahme und Weiterverarbeitung von ägyptischen Motiven, Formen und Themen im engeren Sinne versteht, bedeutet Ägyptosophie „Auseinandersetzung mit einem imaginären Ägypten, das als tiefste Quelle allen Geheimwissens gilt. Es geht um Ägypten als zeitlose Idee, die mit der geschichtlichen Wirklichkeit nur in einem losen Zusammenhang steht“. Erik Hornung, Das geheime Wissen der Ägypter und sein Einfluß auf das Abendland, 2. Aufl., München 2003, S. 10f. 14 Das Faustbuch. Nach der Wolfenbüttler Handschrift, hg. von Harry G. Haile, Berlin 1963, S. 87.

4 

 Einleitung

zisieren. Unter Reisebericht wird mit Brenner¹⁵ ein schriftlicher Bericht über eine tatsächlich unternommene Reise verstanden. Vorliegende Arbeit wird sich infolgedessen mit Berichten über wirkliche Reisen nach Ägypten befassen. Daraus ergibt sich, dass nicht-authentische Ägyptenreiseberichte nicht zum Gegenstand der Untersuchung zählen. Ausgeschlossen sind folglich Ortsbeschreibungen und fiktive Reiseberichte.¹⁶ Ebenso wenig werden literarische Werke im engen Sinne berücksichtigt, in denen eine fiktionale Ägyptenreise beschrieben wird.¹⁷ Die Bezeichnung Reisebericht eignet sich dabei als neutraler Oberbegriff, da er weder qualitative noch ästhetische Urteile über die Gattung impliziert. Reiseberichte sind Khattab zufolge Literatur bzw. eine Literaturgattung „mit spezifischem, aber anderen Formen der Literatur ebenbürtigem Wert“.¹⁸ Literarizität als alleiniges Merkmal der Gattung wird dem Reisebericht nämlich nicht gerecht, da es seinen besonderen Charakter als hybrider Form überginge.¹⁹ Die alleinige Betonung der Faktizität hingegen würde zum Ausschluss vieler Berichte aus der Literaturgeschichte führen, die nach den klassischen Bewertungssystemen nicht als literarisch eingestuft würden.²⁰ Auch wenn Reiseberichte nach den üblichen ästhetischen Maßstäben keine eigenständige Kunstform im engeren Sinne sind, so ist das dennoch „kein Grund, die Reisebeschreibungen als eine Randerscheinung der Literatur abzutun“.²¹ Estelmann verwendet daher in ihrer Studie über

15 Vgl. Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt a.M. 1989, S. 9: „Zur Bezeichnung der Gattung erscheint der Begriff des ‚Reiseberichts‘ unter den vielen konkurrierenden Kategorien – wie Reisebeschreibung, Reiseliteratur oder auch Reiseroman – als der plausibelste, ohne daß das zu dogmatischen Diskussionen herausfordern sollte. Der Begriff kennzeichnet mit der gebotenen Neutralität den Sachverhalt, um den es geht: die sprachliche Darstellung authentischer Reisen. Über ästhetische Qualitäten und Ambitionen ist damit nichts ausgesagt; die Gattung vereinigt in dieser Beziehung die extremsten Gegensätze. Auch ist damit nichts präjudiziert über den Wahrheitsgehalt des ‚Berichts‘. Er soll sich per definitionem nur auf wirkliche Reisen beziehen, aber den Verfassern liegt doch ein breiter Spielraum zwischen Authentizität und Fiktionalität der Beschreibung offen, der sowohl individuell wie auch epochenspezifisch ganz verschieden ausgefüllt wurde“. 16 Siehe im II. Teil der vorliegenden Studie die fiktiven Reiseberichte unter Christian Friedrich Damberger (1799–1804). 17 Vgl. z.B. Fortunatus, Faustbuch und Simplicissimus. 18 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 281. 19 Der Reisebericht wird von manchen Autoren als hybrid, heterogen, androgyn oder montagehaft bezeichnet. Vgl. dazu Frank Estelmann, Sphinx aus Papier. Ägypten im französischen Reisebericht von der Aufklärung bis zum Symbolismus, Heidelberg 2006, S. 19. 20 Vgl. z.B. den Forschungsbericht von Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 4ff. und S. 280f. 21 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 281.

Einleitung 

 5

den französischen Ägytenreisebericht den Begriff der Friktion, um dem hybriden Charakter des Reiseberichts als einer eigenständigen Literaturgattung mit spezifischen Formen Rechnung zu tragen. Diesen Begriff übernimmt sie von Ottmar Ette.²² Auch in vorliegender Arbeit wird der Reisebericht im Anschluss an Ette und Estelmann als hybride Form verstanden. Die zweite Präzisierung bezieht sich auf die Bezeichnung deutsch. Mit Brenner ist darunter „nur jene vage und regional kaum abgrenzbare Vorstellung eines ‚deutschsprachigen Kulturraumes‘ […], in dem sich die Entwicklung der ‚deutschen Literatur‘ vollzogen hat“²³ zu verstehen. Mit der Bezeichnung deutsche Ägyptenreiseberichte fasst vorliegende Arbeit somit Reiseberichte von Angehörigen des deutschen Kulturraumes zusammen. Sie sind im engeren Sinne deutschsprachige Reiseberichte. In einem weiteren Sinne umfassen sie auch solche Reiseberichte, die von Reisenden deutscher Provenienz auf Latein oder in modernen Fremdsprachen abgefasst sind, „ohne daß ihnen dadurch die Zugehörigkeit zur ‚deutschen Literatur‘ streitig gemacht werden sollte“.²⁴ Auch Khattab berücksichtigt in ihrer Pionierarbeit zu den deutschsprachigen Reisebeschreibungen des Mittelalters die ursprünglich auf Deutsch verfassten als auch die ins Deutsche übersetzten Reiseberichte. Gegenstand vorliegender Arbeit sind somit Berichte über tatsächlich unternommene Reisen nach Ägypten, die von Reisenden deutscher Provenienz vorzüglich, aber nicht ausnahmslos in deutscher Sprache abgefasst sind. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Repräsentationen Ägyptens im deutschen Reisebericht von den Anfängen bis zum 17. Jahrhundert zu untersuchen, um so einen Beitrag zur Erhellung der Ägyptenrezeption sowie der Selbst- und Fremderfahrung in der deutschen Literatur zu leisten. Das Erkenntnisinteresse bezieht sich aufgrund der bisherigen Forschungslage auf zwei Bereiche: die systematische Erfassung der deutschen Reiseschriften sowie die Beleuchtung des vermittelten Ägyptenbildes. Die Erforschung des Ägyptenbildes im deutschen Kulturraum erfreut sich bereits großer Beliebtheit. Davon zeugen zahlreiche

22 Diesen Begriff definiert Ottmar Ette folgendermaßen: „Zwischen den Polen von Fiktion und Diktion führt der Reisebericht […] zu einer Friktion, insoweit klare Grenzziehungen ebenso vermieden werden wie Versuche, stabile Amalgame und Mischformen herzustellen“. Ottmar Ette, Literatur in Bewegung, Weilerswist 2001, S. 48, Anm. 68, zit. nach: Frank Estelmann, Sphinx aus Papier. Ägypten im französischen Reisebericht von der Aufklärung bis zum Symbolismus, Heidelberg 2006, S. 18, Anm. 69. 23 Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht, Frankfurt a.M. 1989, S. 8; siehe ferner dazu Helmut Berschin, Deutschland – ein Name im Wandel. Die deutsche Frage im Spiegel der Sprache, München 1979 und Hagen Schulze, Gibt es überhaupt eine deutsche Geschichte?, Berlin 1989. 24 Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht, Frankfurt a.M. 1989, S. 9.

6 

 Einleitung

Arbeiten aus unterschiedlichsten Disziplinen.²⁵ Diese beschäftigen sich jedoch mit einzelnen Reisenden, einem bestimmten Zeitabschnitt und/oder anderen

25 Mit dem Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur befassen sich folgende Artikel und Studien: Johannes Guthmann, Ägyptische Reisen in drei Jahrhunderten. In: Faust. Eine Monatsschrift fuer Kunst, Literatur und Musik, 3 (1923/24), S. 11–27; Max Linke, Ägypten in der geographischen Literatur Europas zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und dem Beginn der Forschungsreisen Georg Schweinfurths. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der pädagogischen Hochschule Potsdam, 11/3 (1967), S. 317–327; Aleya Khattab, Das Ägyptenbild in den deutschsprachigen Reisebeschreibungen der Zeit von 1285–1500, Frankfurt a.M. [u.a.] 1982; Rawhia R. Abdel-Noor, Ägypten in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. Bogumil Goltz, Max Eyth, Georg Ebers, München 1986; Abdel H. Marzouk, Ägypten in der deutschsprachigen Reiseliteratur der Gegenwart am Beispiel von Gisela Bonn, Münster 2001; Mohammed Khalifa, Die literarische Darstellung Ägyptens und des orientalischen Lebens in der deutschsprachigen Reiseliteratur. Eine kritische Analyse der Reiseberichte Joseph von Russeggers, Salzburg 2002; Harald Standl, Das Ägyptenbild in deutschen Reiseberichten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In: Konrad Schliephake; Richard Asbeck (Hg.), Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten, Würzburg 2002, S. 25–29. Zum Ägypten- und Orientbild in der europäischen Reiseliteratur vgl. Ulrich Erker-Sonnabend, Das Lüften des Schleiers. Die Orienterfahrung britischer Reisender in Ägypten und Arabien. Ein Beitrag zum Reisebericht des 19. Jahrhunderts, Hildesheim [u.a.] 1987; Claudia Grzonka, Weibliche Blicke auf den Mittleren Osten im 19. Jahrhundert. Die Erfahrung der Fremde und des Selbst bei Lucie Duff Gordon, Isabel Burton und Anne Blunt, Trier 1997; Dagmar Heinze, Fremdwahrnehmung und Selbstentwurf. Die kulturelle und gesellschaftliche Konstruktion des Orients in deutschsprachigen Reiseberichten des 19. Jahrhunderts. In: Karl Hölz; Viktoria Schmidt-Linsenhoff; Herbert Uerlings (Hg.), Beschreiben und Erfinden. Figuren des Fremden vom 18. bis zum 20. Jahrhundert, Frankfurt a.M. [u.a.] 2000, S. 45–91; Ulrike Keller, Reisende in Ägypten. Ein kulturhistorisches Lesebuch, Wien 2001; Natascha Ueckmann, Frauen und Orientalismus. Reisetexte französischsprachiger Autorinnen des 19. und 20. Jahrhunderts, Stuttgart/Weimar 2001; Ulrike Keller, Reisende in Arabien, Wien 2002; Anne Wolff, How many Miles to Babylon? Travels and Adventures to Egypt and Beyond. From 1300 to 1640, Liverpool 2003; Frank Estelmann, Sphinx aus Papier. Ägypten im französischen Reisebericht von der Aufklärung bis zum Symbolismus, Heidelberg 2006. Zum Ägypten- und Orientbild in anderen Kontexten, vgl. Siegfried Morenz, Die Begegnung Europas mit Ägypten, Zürich/Stuttgart 1969; Christian Froidefond, Le mirage égyptien dans la littérature grecque d’Homère à Aristote, Aix-en-Provence 1971; Wolfgang Raff, Deutsche Augenärzte in Ägypten von Franz Ignaz Pruner bis Max Meyerhof (1831 – 1945), München 1984; Mustafa Maher, Das Bild des Deutschen in der arabischen und das Bild des Arabers in der deutschen Literatur, Düsseldorf 1978; Holger Sonnabend, Fremdenbild und Politik. Vorstellungen der Römer von Ägypten und dem Partherreich in der späten Republik und frühen Kaiserzeit, Frankfurt a.M. [u.a.] 1986; Erik Hornung (Hg.), Zum Bild Ägyptens im Mittelalter und in der Renaissance, Freiburg 1990; Dirk Syndram, Ägypten-Faszinationen. Untersuchungen zum Ägyptenbild im europäischen Klassizismus bis 1800, Frankfurt a.M. [u.a.] 1990; Elisabeth Staehelin; Bertrand Jaeger (Hg.), Ägypten-Bilder. Akten des Symposions zur Ägypten-Rezeption, Freiburg [u.a.] 1997; Ahmed Youssef, La fascination de l’Egypte. Du rêve au projet. Avec ‚Consilium Aegyptiacum‘,

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Fragestellungen. Hieraus wird ersichtlich, dass das Ägyptenbild in den deutschen Reiseberichten bisher nicht umfassend erschlossen ist. Denn es mangelt sowohl an Längsschnittstudien, die eine diachrone Analyse der Darstellung Ägyptens vornehmen, als auch an bio-bibliographischen Werken, die eine systematische Erfassung der Reiseschriften leisten und so die Grundlage für eine fundierte Erforschung des Ägyptenreiseberichts schaffen würden. Diesen beiden Desideraten möchte vorliegende Arbeit nachgehen. Die erste Zielsetzung bezieht sich somit auf die Analyse des Ägyptenbildes, das in den deutschen Reiseberichten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit transportiert wird. Im Mittelpunkt wird die Analyse der Darstellung Ägyptens im Reisebericht stehen. Es wird vor allem danach gefragt, wie deutsche Reisende Ägypten wahrnehmen und repräsentieren. Dabei werden insbesondere die drei Darstellungen Ägyptens als biblisches, pharaonisches und orientalisches Land in den Fokus rücken sowie die Frage, wie diese drei Bildelemente im Reisebericht im Spannungsverhältnis zwischen Ägyptomanie und Orientalismus zueinander stehen. Das Ägyptenbild der deutschen Literatur und Kultur lässt sich nämlich in seiner Vielschichtigkeit und Polyfunktionalität erst adäquat ermitteln, wenn die beiden Ägypten-Diskurse von Ägyptomanie und Orientalismus in der Zusammenschau betrachtet werden. Im ersten Teil der Arbeit, der sich exemplarischen Einzelanalysen widmen wird, sind daher

le texte inédit que Leibniz présenta à Louis XIV, Paris [u.a.] 1998; Erik Hornung, Das esoterische Ägypten. Das geheime Wissen der Ägypter und sein Einfluß auf das Abendland, München 1999; Jan Assmann, Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur, Frankfurt a.M. ²2000a; Jan Assmann, Weisheit und Mysterium. Das Bild der Griechen von Ägypten, München 2000b; Florian Ebeling, Das Ägyptenbild des Alchemo-Paracelsismus im 17. Jahrhundert. Beiträge zur intellektuellen Physiognomie des frühneuzeitlichen Hermetismus, Heidelberg 2001; Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel. Ein Beitrag zur neueren Monotheismusdebatte, Stuttgart 2002; Ibrahim M. H. Abd Ella, Zur Rezeption und Verarbeitung der altägyptischen Kultur im Werk Rainer Maria Rilkes. Eine motiv- und ideengeschichtliche Untersuchung, Duisburg/Essen 2003; Max Kunze (Hg.), Die Wiederentdeckung der ägyptischen Kunst im 18. Jahrhundert. Winckelmann und Ägypten, Stendal 2003; Jan Assmann, Die Zauberflöte. Oper und Mysterium, München 2005; Florian Ebeling, Das Geheimnis des Hermes Trismegistos. Geschichte des Hermetismus von der Antike bis zur Neuzeit, München 2005; Alfred Grimm (Hg.), Winckelmann und Ägypten. Die Wiederentdeckung der ägyptischen Kunst im 18. Jahrhundert, München 2005. Zum historischen Kontext der gegenseitigen Beziehungen siehe: Thomas W. Kramer, Deutsch-ägyptische Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart, Tübingen 1974; Mohammed Abediseid, Die deutsch-arabischen Beziehungen. Probleme und Krisen, Stuttgart 1976; Thomas W. Kramer, Deutsch-Ägyptische Beziehungen. In: Heinz Schamp (Hg.), Ägypten. Das alte Kulturland am Nil auf dem Weg in die Zukunft. Raum, Gesellschaft, Geschichte, Kultur, Wirtschaft, Tübingen 1977a, S. 553–566; Wageh Atek, Probleme der ägyptisch-deutschen Beziehungen 1952– 1965, Essen 1983; Konrad Schliephake; Richard Asbeck (Hg.), Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten, Würzburg 2002.

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diese beiden Aspekte sowie deren Interaktionen zu berücksichtigen. Dabei wird die These vertreten, dass Ägypten ein komplexes, ambivalentes und facettenreiches Bild in der deutschen Reiseliteratur besitzt, an dem auch die Denkmuster und die kulturelle Eigenart des deutschen Kulturraums abzulesen sind. Der Komplexität wird jedoch nur genüge getan, wenn man den beiden Hauptdiskursen, d.h. dem Orientalismus und der Ägyptomanie, Rechnung trägt. Jede Reduzierung auf einen einzigen Aspekt dieser Beziehung, wie es bei Said und Assmann geschieht, wäre eine Verkennung der Vielschichtigkeit des Ägyptenbildes innerhalb der deutschen und europäischen Kultur und würde lediglich ein partielles bzw. verzerrtes Bild unterbreiten. Diese Einzelanalysen sind jedoch nicht ohne eine grundlegende bio-bibliographische Erfassung der deutschen Ägyptenreiseberichte zu leisten. Deshalb bezieht sich die zweite Zielsetzung der Arbeit auf die systematische Erfassung der deutschen (und europäischen) Reiseschriften von 383 bis 1845. Dies wird im zweiten Teil der Arbeit vorgenommen und bildet als Überblicksdarstellung die notwendige Grundlage für eine Längsschnittstudie zur Darstellung Ägyptens im deutschen Reisebericht von 1175 bis 1663, wie sie im ersten Teil angestrebt ist. Die erste Studie aus germanistischer Perspektive²⁶ über das Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur stammt aus der Feder der ägyptischen Germanistin Aleya Khattab. Sie stellt zu Recht fest, dass die Bewältigung dieser Aufgabe nicht ohne Grundlagenforschung auskommt, denn diese „ist die notwendige philologische Voraussetzung für eine Studie, die nach dem Bild Ägyptens in den deutschen Reisebeschreibungen fragt, die ihr festen Grund und Boden gibt“.²⁷ Demzufolge ermittelt, inventarisiert und untersucht Khattab in ihrer Studie gedruckte deutschsprachige Reisebeschreibungen zwischen 1285 und 1500 und liefert damit den ersten Baustein einer systematischen Darstellung. Doch nach Khattabs Grundlagenwerk wird die Aufgabe, bio-bibliographische Werke vorzulegen, um die Grundlage für vertiefte Studien zum Ägyptenbild zu schaffen, nicht weitergeführt.²⁸ Zwar sind in der Forschungsliteratur zahlreiche

26 Der Artikel von Linke behandelt das Ägyptenbild überblicksartig aus geographischer Sicht. Vgl. Max Linke, Ägypten in der geographischen Literatur Europas zwischen der Mitte des 14. Jahrhunderts und dem Beginn der Forschungsreisen Georg Schweinfurths. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der pädagogischen Hochschule Potsdam, 11/3 (1967), S. 317–327. 27 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 17. 28 Vgl. dazu Rawhia R. Abdel-Noor, Ägypten in der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts. Bogumil Goltz, Max Eyth, Georg Ebers, München 1986; Abdel H. Marzouk, Ägypten in der deutschsprachigen Reiseliteratur der Gegenwart am Beispiel von Gisela Bonn, Münster 2001; Mohammed Khalifa, Die literarische Darstellung Ägyptens und des orientalischen Lebens in der deutschsprachigen Reiseliteratur. Eine kritische Analyse der Reiseberichte Joseph von Russeggers, Salzburg 2002; Harald Standl, Das Ägyptenbild in deutschen Reiseberichten des 19. und

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Hinweise auf das Desiderat zu finden, aber weitere Bausteine für eine umfassende Grundlegung werden nicht geliefert. So weist beispielsweise Standl darauf hin, dass es „bislang für den gewählten Zeitraum noch immer an einer systematischen Zusammenstellung und Interpretation“²⁹ fehlt. Ähnliches konstatiert auch Wolff für die europäische Literatur: „Although stories of crusaders who fought in Palestine and Syria are well documented, those of Europeans in Egypt and the Near East after AD 1300 up to the beginning of the seventeenth century are little known“.³⁰ Und Marzouk bezieht sich ausdrücklich auf den deutschsprachigen Kulturraum: Eine chronologisch systematische umfassende Studie der deutschsprachigen Reisebeschreibungen seit dem Mittelalter hat man bisher nicht vorgenommen […]. Eine solche Studie hätte dazu beitragen können, die Entwicklung geistiger und kulturgeschichtlicher Kräfte gegenseitiger Welten zu erhellen.³¹

Diese Forschungslücke der bio-bibliographischen Zusammenstellung der deutschen Ägyptenreiseberichte möchte vorliegende Arbeit zu schließen beginnen, indem sie im zweiten Teil der Arbeit ein chronologisches bio-bibliographisches Verzeichnis der Ägyptenreiseberichte vom 4. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts erstellt. Anspruch auf Vollständigkeit wird dabei nicht erhoben. Ziel dieses zweiten Teils ist es vielmehr zum einen, meiner Untersuchung – um mit Khattab zu sprechen – den notwendigen festen Grund und Boden zu verleihen, und zum anderen der künftigen Forschung eine solide Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur bereit zu stellen. Die vorliegende Studie gliedert sich somit in zwei Hauptteile. Der erste Teil befasst sich mit der Untersuchung der Ägyptenbilder in den deutschen Reiseberichten von 1175 bis 1663. Dabei werden im ersten Kapitel die theoretischen und methodischen Grundlagen erarbeitet. Ziel dieses Kapitels ist es, ein Analyseinstrumentarium zu entwickeln, das auf die Analyse des Ägyptenbildes im deutschen Reisebericht abgestimmt ist und seine Spezifizität zu erfassen vermag. Im Mittel-

frühen 20. Jahrhunderts. In: Konrad Schliephake; Richard Asbeck (Hg.), Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten, Würzburg 2002, S. 25–29. 29 Harald Standl, Das Ägyptenbild in deutschen Reiseberichten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In: Konrad Schliephake; Richard Asbeck (Hg.), Die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Arabischen Republik Ägypten, Würzburg 2002, S. 25. 30 Anne Wolff, How many Miles to Babylon? Travels and Adventures to Egypt and Beyond. From 1300 to 1640, Liverpool 2003, S. 1. 31 Abdel H. Marzouk, Ägypten in der deutschsprachigen Reiseliteratur der Gegenwart am Beispiel von Gisela Bonn, Münster 2001, S. 10.

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punkt der Betrachtung stehen insbesondere die Theorieansätze von Ägyptomanie und Orientalismus sowie von Alterität und Interkulturalität. Ergänzt werden sie um einen Blick in die Identitätsdebatte aus der Perspektive ägyptischer Autoren und um Überlegungen zum biblischen Ägypten, das die abendländische Ägyptenrezeption stark prägt. Zur Analyse der unterschiedlichen Aspekte des Ägyptenbildes werden schließlich topo- und ethnographische Beschreibungsschemata betrachtet und Spezifizierungen unterzogen, die aufgrund des spezifischen Erkenntnisinteresses vorliegender Arbeit erforderlich werden. In kritischer Auseinandersetzung mit der Forschungslage gelangt vorliegende Arbeit dabei zur Annahme, dass das deutsche Ägyptenbild so komplex und ambivalent ist, dass eine Reduzierung auf einen Einzelaspekt seiner Tragweite nicht gerecht wird. Denn erst mit der Berücksichtigung der verschiedenen Ägypten-Diskurse lassen sich Bild und Bedeutung Ägyptens in seiner Vielschichtigkeit und Polyfunktionalität adäquat erfassen. Im zweiten Kapitel steht ein erster Überblick über die ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichte im Mittelpunkt. Die Reiseberichte werden hierbei hinsichtlich Sprache, Reisetyp und Reisezeit sowie historischer Hintergründe, eingeschlagener Reiserouten und Kompositionsmuster ausgewertet. Dabei versucht vorliegende Arbeit zu zeigen, dass Reiseroute und Komposition geeignete Parameter darstellen, um die Ägyptenreiseberichte zu klassifizieren und bestimmten Modellen zuzuordnen. Dadurch soll zum einen ein ordnender Überblick über die Vielzahl der ermittelten Reiseberichte ermöglicht werden, der sowohl zeitspezifische Dominanzverhältnisse als auch berichtspezifische Besonderheiten zu beleuchten vermag. Zum anderen soll dadurch auch die Grundlage für eine repräsentative Auswahl der Reiseberichte geschaffen werden, die in den Kapiteln 3 bis 5 analysiert werden sollen. Bei den exemplarischen Einzelinterpretationen wird nach Reiseorganisation, Komposition, Themenwahl und Darstellung ebenso zu fragen sein wie nach den vermittelten Ägyptenbildern und ihrer Stellung zwischen Ägyptomanie und Orientalismus. So soll sowohl Einblick in einzelne Reisewerke gewährt als auch der Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede sowie auf Entwicklungen und Veränderungen gelenkt werden. Im dritten Kapitel stehen mit Egeria, Paula, Pilger von Piacenza, Arkulf und Bernardus Monachus fünf Reiseberichte aus dem ersten Jahrtausend im Mittelpunkt. Denn sie bezeugen eine europäische Tradition des christlich motivierten Reisens nach Ägypten, die in den deutschen Ägyptenreiseberichten der folgenden Jahrhunderte ihren Niederschlag finden wird. Durch ihre Analyse sollen Strukturen, Grundmuster, Themen und Bildelemente, auf die deutsche Pilgerreisende zurückgreifen können, aufgezeigt und die Anfänge des deutschen Ägyptenreiseberichts im europäischen Kontext erhellt werden. Im vierten Kapitel werden dann Reiseschriften des Mittelalters im Mittelpunkt stehen. Dabei werden zunächst Itinerarien, Ortsbeschreibungen, Ablassverzeichnisse und Pilgerführer

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betrachtet werden. Denn sie dienen als Multiplikatoren des Wissens und tragen dazu bei, bestimmte Vorstellungen über die fremde Kultur zu formen und zu zirkulieren. Ihre Kenntnis ist damit unabdingbar für eine adäquate Analyse des Ägyptenbildes der mittelalterlichen Ägyptenreiseberichte, da sie eine geeignete Hintergrundfolie darstellen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung Ägyptens nachvollziehen und einschätzen zu können. Mit der Analyse einzelner Reiseberichte soll dann Einblick in verschiedene Einzelwerke gewährt werden, wobei verschiedene Arten des Reisens (Pilger- und Gesandtschaftsreisen), als auch unterschiedliche Reiserouten, Strukturen und Bildelemente beleuchtet werden. Mit Burchard von Straßburg und Burchardus von Monte Sion werden zwei Gesandtschaftsreisende in die Analysen vorliegender Arbeit eingehen. Und mit Wilhelm von Boldensele, Lorenz Egen, Graf von Katzenellenbogen und Hans Tucher wird die Tradition des Pilgerreisens beleuchtet werden. Reisekultur, Themenauswahl und Darstellung werden dabei ebenso zu betrachten sein wie die Bildelemente des biblischen, pharaonischen und orientalischen Ägypten. Dabei soll Einblick in die Einzelwerke gewährt werden und die Stellung des Ägyptenbildes im Spannungsfeld von Ägyptomanie und Orientalismus befragt werden. Im fünften Kapitel werden schließlich deutsche Ägyptenreiseberichte des 16. und 17. Jahrhunderts fokussiert. Mit der osmanischen Phase kommt eine neue kulturelle und historische Schicht zur Geschichte Ägyptens hinzu, die ihre Spuren im Reisebericht hinterlässt. Die Veränderungen, die sich daraus für den deutschen Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit ergeben, sollen in diesem Kapitel untersucht werden. Das Augenmerk wird dabei auf verschiedene Arten des Reisens sowie auf unterschiedliche Reiserouten, Strukturen und Bildelemente gerichtet. So soll zum einen Einblick in ausgewählte Einzelwerke gewährt und zum anderen die Frage nach eventuellen Verschiebungen im Vergleich zu mittelalterlichen Reiseberichten gestellt werden. Dazu wird zunächst auf das apodemische Schrifttum und seine Auswirkungen einzugehen sein, um Merkmale frühneuzeitlicher Reiseberichte aufzuzeigen. Dabei werden auch in diesem Kapitel mit Feyerabends Reisesammlung und Beyrlins Reiseführer zunächst Reiseschriften beleuchtet, die als Multiplikatoren des Wissens gelten und den Reisenden der Frühen Neuzeit als Orientierungshilfe dienen. Mit Löwenstein und Wormser sowie Nützel und Fernberger werden dann Pilger- und Morgenlandreiseberichte ins Zentrum der Analyse rücken, wohingegen mit Michael Heberer, Nicolaus Schmidt und Christian von Wallsdorff Gefangenenberichte berücksichtigt werden. Denn aufgrund ihres teils sehr langen Aufenthalts im Orient und ihrer veränderten Perspektive auf Ägypten ist zu vermuten, dass in ihren Berichten neue Aspekte und Facetten des Ägyptenbildes auszumachen sind. Ein Überblick über die Rezeption von Altägypten in den Reiseberichten der Frühen Neuzeit und die Hinterfragung des Orientalismus als Macht bzw. Ohnmachtdiskurses werden das Kapitel abschlie-

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ßen. Dadurch soll die Stellung der Reiseberichte zwischen Ägyptomanie und Orientalismus verdeutlicht werden. Durch diese Analysen soll es somit ermöglicht werden, die Repräsentation Ägyptens und die Eigen- und Fremddarstellungsmuster in den Reiseberichten zu untersuchen sowie Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Ägyptenbilder in der deutschen Reiseliteratur nachzuvollziehen. Im zweiten Teil der Arbeit wird ein chronologisches bio-bibliographisches Verzeichnis der deutschen (und europäischen) Ägyptenreiseberichte vom Ende des 4. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts vorgelegt. Damit bietet dieser Teil die nötige Grundlagenforschung, ohne die eine fundierte Untersuchung des deutschen Ägyptenreiseberichts und der Ägyptenbilder nicht möglich wäre. In der Zusammenschau beider Teile vorliegender Arbeit soll es somit ermöglicht werden, eine Gesamtdarstellung des deutschen Ägyptenreiseberichts darzulegen, ohne das Besondere eines Reisewerks zu vernachlässigen.



Erster Teil: Ägyptomanie und Orientalismus Ägypten in der deutschen Reiseliteratur (1175–1663)

1 Theoretische und methodische Grundlagen Deutsche Ägyptenreisende sind mit einer Kultur konfrontiert, die dem Orient angehört. Und dennoch ist ihnen das Land am Nil nicht ganz fremd. Denn in der christlich-europäischen Kultur ist das biblische und hellenistische Ägypten als Subtext existent. Infolgedessen verläuft die Erfahrung der deutschen Ägyptenreisenden zwischen den Polen von Vertrautheit und Fremdheit und gestaltet sich als Begegnung mit einem kulturell eigenen und dennoch andersartigen Ägypten. Diese ambivalente Beziehung findet auch in der Reiseliteratur ihren Niederschlag und kann als Spezifikum des Ägyptenreiseberichts angesehen werden. Ziel des ersten Kapitels wird es also sein, ein Analyseinstrumentarium zu entwickeln, das auf die Analyse der deutschen Ägyptenreiseberichte abgestimmt ist und ihre Spezifizität zu erfassen vermag. Dazu werden insbesondere die Theorieansätze von Ägyptomanie und Orientalismus herangezogen und auf ihre theoretische und methodologische Relevanz für vorliegende Arbeit hin untersucht. Unter Ägyptomanie ist im weiten Sinne die Ägyptenrezepzion im Sinne einer allgemeinen Begeisterung für die altägyptische Kultur zu verstehen, wozu hier auch das biblische Ägypten gezählt wird, das die abendländische Ägyptenrezeption stark prägt. Dagegen wird unter Orientalismus im weiten Sinne die Orientrezeption verstanden, d.h die westliche Erfahrung eines geographisch vage umrissenen Raums namens Orient, dem auch Ägypten und insbesondere die arabisch-islamische Kultur zugerechnet werden. Orientalismus ist demnach in erster Linie als ambivalente Beziehung zwischen den beiden Kulturräumen zu fassen, die zwischen Faszination und Bedrohung oszilliert. Diese beiden Aspekte stellen zentrale Konzepte bei der Untersuchung des Ägyptenreiseberichts dar. In kritischer Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Edward W. Said zum Orientalismus und Jan Assmanns zur Ägyptomanie ist jedoch zu fragen, ob nicht sowohl Said als auch Assmann nur einen bestimmten Aspekt der westlichen Begegnung mit Ägypten bzw. dem Orient beleuchten. In vorliegender Arbeit wird deshalb von der Annahme ausgegangen, dass das deutsche Ägyptenbild so komplex und ambivalent ist, dass eine Reduzierung auf einen einzigen Aspekt seiner Tragweite nicht gerecht wird. Denn erst mit der Berücksichtigung der verschiedenen Ägypten-Diskurse lassen sich Bild und Bedeutung Ägyptens in seiner Vielschichtigkeit und Polyfunktionalität adäquat erfassen. Damit wird zum einen Saids Konzept eines monolithischen Orientalismus hinterfragt und der Blick auf die verschiedenen Facetten der Kulturbegegnung freigelegt. Zum anderen wird dadurch aber auch ein weiter Orientalismus-Begriff möglich, in dem der Ägyptomanie-Diskurs als Teil des Orientalismus-Diskurses verstanden werden kann. Um diesen Überlegungen Rechnung zu tragen, werden auch die Theorieansätze der Alterität und Interkulturalität erörtert und das Selbst- und Fremdbild Ägyptens beleuchtet. Um die einzelnen Aspekte des Ägyptenbildes erfassen zu

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

können, werden schließlich die topo- und ethnographischen Beschreibungsschemata von Hettner/Khattab und Chatzipanagioti-Sangmeister dargelegt und gemäß der Zielsetzung der Studie an den Ägyptenreisebericht angepasst. In ihnen zeigen sich nämlich nicht nur die Erfassungssysteme von Eigen und Fremd, sondern sie eignen sich auch, um die Bildelemente des biblischen, pharaonischen und orientalischen Ägypten zu erschließen. Dadurch wird die Grundlage für die Analysen geschaffen, die dem Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur nachgehen.

1.1 Der Reisebericht und die Fremdheitsforschung Seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts setzen sich in der Literaturwissenschaft zahlreiche interdisziplinär ausgerichtete Arbeiten mit der Reiseliteratur auseinander, da im authentischen Reisebericht nicht nur „das Problem einer ‚Erfahrung der Fremde‘ thematisch wird“,¹ sondern diese Erfahrung des Fremden auch „fast stets als das konstituierende Prinzip identifizierbar [ist], das der Gattung ihre eigene Tinktur gibt“.² Seitdem ist ein großes Interesse an dieser Literaturgattung zu beobachten, so dass der Reisebericht auch innerhalb der germanistischen Literaturwissenschaft zu einem wichtigen Forschungsgegenstand avanciert.³ Dabei erfolgt eine Neuorientierung in der Reiseliteraturforschung, die sich verstärkt mit der Erforschung der Fremdheitserfahrung im Reisebericht beschäftigt und die Erkenntnis einbezieht, dass die eigene Kultur in der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen zu Selbstdeutungen befähigt wird, dass die Sichtweise auf den Anderen des Weiteren bestimmten Denk- und Wahrnehmungsmustern der eigenen Kultur folgt⁴ und sich somit jedem Anspruch auf Universalität, auf absolute Gültigkeit und Wahrheit entzieht. Nicht die Richtigkeit oder Falschheit des Berichteten stehen damit im Mittelpunkt der Untersuchung, sondern die zugrunde liegenden Wahrnehmungsmuster und mentalitätsgeschichtlichen Dispositionen.⁵ In diesem Sinne kann die Erforschung authentischer Reiselite-

1 Peter J. Brenner, Reisen in die Neue Welt. Die Erfahrung Nordamerikas in deutschen Reise- und Auswandererberichten des 19. Jahrhunderts, Tübingen 1991, S. 1. 2 Peter J. Brenner, Reisen in die Neue Welt, Tübingen 1991, S. 1. 3 Vgl. dazu Marina Münkler, Alterität und Interkulturalität. In: Claudia Benthien; Hans R. Velten (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft, Hamburg 2002, S. 323ff. 4 Peter J. Brenner fasst sie als „Ausdruck einer kultur- und zeitspezifischen Mentalität“ auf, Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur. Ein Forschungsüberblick als Vorstudie zu einer Gattungsgeschichte, Tübingen 1990, S. 29f. 5 Vgl. Marina Münkler, Alterität und Interkulturalität. In: Claudia Benthien; Hans R. Velten (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft, Hamburg 2002, S. 324.

 1.1 Der Reisebericht und die Fremdheitsforschung 

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ratur zu einer Rekonstruktion der Mentalität der Ausgangskultur beitragen⁶, da in ihr „eine Art unfreiwilliger Selbstdarstellung“⁷ zum Ausdruck kommt. „Ein zur Kultur- und Sozialgeschichte verbindender Aspekt“, erscheint – mit Ulrich Klein gesprochen – daher „vordringlicher als die Frage einer literarischen Rangordnung innerhalb der Reiseliteratur, wie sie etwa bei Strelka gestellt wird“.⁸ In den Forschungsansätzen von Alterität und Interkulturalität, die in den letzten Jahrzehnten in den Geistes- und Kulturwissenschaften zu forschungsleitenden Begriffen avancieren,⁹ werden Wahrnehmungs- und Darstellungsmuster vom Fremden und von Fremdheitserfahrungen in der Begegnung mit dem Anderen¹⁰ (sei es der fremden Kultur, der eigenen Person oder der mündlich bzw. schriftlich überlieferten Vergangenheit und Kultur) zum Gegenstand gemacht. Sie setzen sich zum Ziel, Grundformen des Fremderlebens auszumachen, um das Fremdund Selbstverstehen und somit die interkulturelle Kommunikation zu fördern.¹¹ Wichtig ist dabei die Erkenntnis, dass das Erleben des Fremden als „Ausdruck

6 Vgl. Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, Tübingen 1990, S. 30. 7 Michael Harbsmeier, Reisebeschreibungen als mentalitätsgeschichtliche Quellen. In: Antoni Maczak; Hans Jürgen Teuteberg (Hg.), Reiseberichte als Quellen europäischer Kulturgeschichte, Wolfenbüttel 1982, S. 2. 8 Ulrich Klein, Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion, 87/2–3 (1993), S. 289. Zur Reiseliteraturforschung vgl. Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht, Frankfurt a.M. 1989; Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, Tübingen 1990; Ulrich Klein, Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion, 87/2–3 (1993), S. 286– 318; Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999. 9 Diesen Forschungstrend bekunden nicht nur die zahlreichen Publikationen zum Thema Alterität und Interkulturalität, sondern auch die Etablierung neuer Institutionen und Gesellschaften innerhalb der Germanistik, wie die Gesellschaft für interkulturelle Germanistik, und die Einführung von Professuren für interkulturelle Germanistik bzw. Literaturwissenschaft an vielen deutschen Universitäten. Vgl. hierzu Ortrud Gutjahr, Alterität und Interkulturalität. Neuere deutsche Literatur. In: Claudia Benthien; Hans R. Velten (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft, Hamburg 2002, S. 345–369 und Marina Münkler, Alterität und Interkulturalität. Ältere deutsche Literatur. In: Claudia Benthien; Hans R. Velten (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft, Hamburg 2002, S. 323–344. 10 Vgl. Marina Münkler, Alterität und Interkulturalität. In: Claudia Benthien; Hans R. Velten (Hg.), Germanistik als Kulturwissenschaft, Hamburg 2002, S. 323: „Alterität und Interkulturalität wurden im doppelten Sinn zum Thema: Zum einen ging es um die in den Berichten beschriebenen Kulturkontakte und die sich in ihnen mitteilende Erfahrung der Alterität fremder Kulturen, zum anderen um die Alterität der untersuchten Berichte selbst, die als Zeugen einer anderen Epoche und ihres Weltbildes zu Zeugen für die Historizität der Erfahrung des Fremden wurden“. Für weitere Literaturhinweise vgl. ebd., insbesondere Anm. 2 und 3. 11 Vgl. Ortfried Schäffter, Modi des Fremderlebens. In: Ortfried Schäffter (Hg.), Das Fremde. Erfahrungsmöglichkeiten zwischen Faszination und Bedrohung, Opladen 1991, S. 11–44; Gabriel Layes, Grundformen des Fremderlebens, Münster 2000, S. 99ff.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

einer bestimmten Beziehungsweise“¹² gilt und daher „wandelbar und somit auch beeinflussbar“¹³ ist. Denn fremd stellt weder eine feste noch selbständige Größe dar, ist kein Wesenszug des Anderen. Es ist vielmehr als relationale Größe, als InBeziehung-Setzen zu fassen. Fremd kann damit auch als soziopolitische Bestimmung fungieren: Die Zu- bzw. Nichtzugehörigkeit einer Person wird durch ihre Positionierung zur Wir-Gruppe festgelegt. Damit wird das Fremde als das Unvertraute bestimmt, wobei es auf einer Skala von sehr vertraut zu sehr unvertraut zu unterschiedlichen Stufen der Unvertrautheit und somit zu verschiedenen Formen des Fremderlebens kommen kann.¹⁴ Die Erforschung der authentischen Reiseliteratur leistet daher auch einen Beitrag zum interkulturellen Dialog, indem sie auf Mechanismen der Fremdzuschreibung und der Bildung von Stereotypen und Feindbildern verweist und sie thematisiert. Im Hinblick auf die Analysen vorliegender Arbeit sollen im Folgenden zwei Aspekte näher betrachtet werden: Fremdwahrnehmung in Dichotomien und interkulturelle Interaktion. Eine der möglichen Umgangsformen¹⁵ mit fremden Kulturen stellt ihre projektive Verkennung durch Dichotomiebildung dar. Der eigenen Kultur wird innerhalb dieser dichotomischen Struktur ein positives oder negatives Gegenbild zugewiesen. Das Andere wird dabei nicht in seiner Andersheit erfahren, sondern darauf reduziert, als Gegenbild für das Eigene zu fungieren und dem Eigenen so zum Selbstverständnis zu verhelfen. Diesbezüglich konstatiert Dietsche: „Sowohl Desillusionierung als auch Idealisierung sind Reaktionsweisen, die innerhalb der projektiven Struktur bleiben. Reisende, die sie nicht verlassen, haben nicht die Erfahrung des Fremden gemacht“.¹⁶ Diese Reisenden vermögen somit nicht, ihre Fremdheitserfahrung als „Erfahrung der ethnographischen Entdeckung“¹⁷ zu realisieren. Denn diese Art von Fremdheitserfahrung kann nur von denjenigen erlebt werden, „die in einer nicht hintergehbaren Distanz zu den vorherr-

12 Ernst E. Boesch, Das Fremde und das Eigene. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen [u.a.] 1996, S. 105. 13 Ernst E. Boesch, Das Fremde und das Eigene. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen [u.a.] 1996, S. 105. 14 Vgl. hierzu Ernst E. Boesch, Das Fremde und das Eigene. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen [u.a.] 1996, S. 90ff. 15 Vgl. hierzu auch Ernst E. Boesch, Das Fremde und das Eigene. In: Alexander Thomas (Hg.), Psychologie interkulturellen Handelns, Göttingen [u.a.] 1996, S. 101f. 16 Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 5. 17 Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 7. Dietsche übernimmt hier den Begriff von Fritz Kramer, vgl. dazu Fritz Kramer, Verkehrte Welten. Zur imaginären Ethnographie des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1977, S. 7.

 1.1 Der Reisebericht und die Fremdheitsforschung 

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schenden Wahrnehmungsmustern ihrer Kultur stehen“.¹⁸ Reisende, die über die Fähigkeit der Distanzierung verfügen, zeichnen sich Dietsche zufolge durch ein hohes Maß an Neugier und Erstaunen aus, das als Grundvoraussetzung für ein Verständnis fremder Kulturen jenseits starrer projektiver Verkennung anzusehen ist: „denn was der Staunende entdeckt, ist die Unvergleichbarkeit der fremden Kultur“.¹⁹ Reiseberichte aus der Perspektive der ethnographischen Erfahrung zu betrachten, heißt für Dietsche folglich, nicht nur nach der Bedeutung der Fremdbegegnung für die eigene Kultur zu fragen, sondern auch sich mit der fremden Kultur auseinanderzusetzen. Auch wenn Dietsches Modell „keine geschlossene Theoriebildung“²⁰ bietet, so kann ihr methodisches Vorgehen doch fruchtbare Ergebnisse erzielen, da es „auf einige Nahtstellen hinweisen [kann], an denen sich die Verkennung anderer Gesellschaften in verdichteter Form zeigt“.²¹ Auf dem Gebiet der Kultur- und Sozialpsychologie werden vielversprechende theoretische Ansätze zur Förderung der interkulturellen Kommunikation entwickelt, die für die Reiseliteraturforschung fruchtbar gemacht werden können. So geht z.B. Gabriel Layes in seiner Arbeit der Frage nach, ob es theoretische und empirische Hinweise für die Existenz bestimmter Muster der Fremdheitserfahrung gibt. Dabei gelingt es ihm, ein Handlungsmodell zu entwickeln, das sowohl einen Beitrag zur Theorie interkulturellen Erlebens und Handelns leistet als auch eine Orientierung zur Bewältigung praktischer interkultureller Interaktionsprobleme bietet.²² Aus kultur- und sozialpsychologischer Sicht wird Kommunikation dabei als Form sozialer Interaktion aufgefasst, die „als das ‚aufeinander bezogene Handeln‘ von zwei oder mehr Individuen“²³ verstanden wird. Findet die wechselseitige Bezugnahme mit Hilfe sprachlicher Symbolsysteme statt, gewinnen die sozialen Interaktionen für die Sprach- und Literaturwissenschaft Bedeutung. Folglich kann die Interkulturelle Kommunikation als eine Kommunikationsform gelten, bei der die Kommunikationspartner unterschiedlichen Kulturen angehören, wobei nach kulturpsychologischer Auffassung unter Kultur ein „transindividuelles Wissens-, Zeichen- oder Symbolsystem“²⁴ zu verstehen ist, durch das

18 Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 7. 19 Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 7. 20 Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 10. 21 Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 10. 22 Vgl. Gabriel Layes, Grundformen des Fremderlebens, Münster 2000, S. 17–124. 23 Gabriel Layes, Interkulturelle Kommunikation als soziale Handlung. In: Dieter-W. Allhoff (Hg.), Schlüsselkompetenz Mündliche Kommunikation, München 2001, S. 113. 24 Jürgen Straub, Handlung, Interpretation, Kritik, Berlin, 1999, S. 185, zit. nach: Gabriel Layes, Interkulturelle Kommunikation als soziale Handlung. In: Dieter-W. Allhoff (Hg.), Schlüsselkompetenz Mündliche Kommunikation, München 2001, S. 114.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Menschen die Welt mit Bedeutungen belegen und ihr Sinn verleihen. Im weitesten Sinne kann daher jede Form der Kommunikation als interkulturelle Kommunikation angesehen werden, da „keine zwei dieser Sinn- und Bedeutungssysteme völlig identisch sind“.²⁵ Ein wesentliches Merkmal dieser Systeme besteht jedoch darin, dass sie sozial ausgehandelt und geteilt werden. Daher ist unter interkultureller Kommunikation im engeren Sinne eine Sonderform sozialer Interaktion zu verstehen, in der „die Sinn- und Bedeutungssysteme kommunizierender Personen so unterschiedlich sind, daß Kommunikation zum wiederholten Erleben von Fremdheit führt“.²⁶ Eine Begegnung mit dem Fremden erfolgt somit erst bei einer sozialen Interaktion, in der einer der Partner einer anderen Kultur angehört. Diese Art der Interaktion bezeichnet Layes als Interkulturelle Interaktion.²⁷ Sie fordert nicht nur zum Handeln auf, sondern findet durch die Fremderfahrung des kulturell Anderen auch im Reisebericht ihren Ausdruck. Da die fremde Kultur über andere Kulturwerte und Verhaltensregeln verfügt als die eigene vertraute, ist der Reisende prädestiniert für ein neues Erleben von Fremdheit. Geht man mit Layes davon aus, dass es möglich ist, „jede Handlung als eine spezifische Form des Selbst-, Fremd- und Weltverhältnisses zu rekonstruieren“²⁸, so werden während interkultureller Interaktionen „bestimmte Muster des Erlebens und Verarbeitens von Fremdheitserfahrungen“²⁹ erkennbar, die ihrerseits als Grundformen des Fremderlebens bezeichnet werden können. Daher besteht für die Reiseliteraturforschung auch die Aufgabe, in den Reiseberichten diese Grundformen des Fremderlebens, d.h. die Muster des Erlebens und Verarbeitens von Fremdheitserfahrungen herauszuarbeiten und im Hinblick auf die Grundmuster zur Klassifizierung und Beschreibung von Gesellschaften sowie die Organisationsprinzipien dieses Wissens³⁰ zu analysieren. Es soll daher nicht nur danach gefragt werden, wie der Reisende in seiner Begegnung mit der anderen Kultur die Fremde erfährt. Vielmehr sollen auch die Mechanismen der ethnozentrischen Verkennung fremder Kulturen problematisiert werden, um auf sie aufmerksam

25 Gabriel Layes, Interkulturelle Kommunikation als soziale Handlung. In: Dieter-W. Allhoff (Hg.), Schlüsselkompetenz Mündliche Kommunikation, München 2001, S. 114. 26 Gabriel Layes, Interkulturelle Kommunikation als soziale Handlung. In: Dieter-W. Allhoff (Hg.), Schlüsselkompetenz Mündliche Kommunikation, München 2001, S. 114. 27 Vgl. Gabriel Layes, Grundformen des Fremderlebens, Münster 2000, S. 91. 28 Gabriel Layes, Grundformen des Fremderlebens, Münster 2000, S. 90. 29 Gabriel Layes, Interkulturelle Kommunikation als soziale Handlung. In: Dieter-W. Allhoff (Hg.), Schlüsselkompetenz Mündliche Kommunikation, München 2001, S. 113. 30 Vgl. Almut Höfert, Den Feind beschreiben: ‚Türkengefahr‘ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600, Frankfurt a.M. [u.a.] 2003, S. 11f.

 1.2 Orientalismus 

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zu machen. Sie sind nämlich wandelbar und somit für die Zukunft auch beeinflussbar.³¹

1.2 Orientalismus Es sind nun mehr als drei Jahrzehnte seit dem Erscheinen von Edward W. Saids viel zitierter, als provokativ und polemisch bezeichneter, in vielen Disziplinen kontrovers diskutierter und inzwischen als Standardwerk zu betrachtender Studie Orientalism vergangen.³² An Aktualität und Relevanz hat sie jedoch nichts eingebüßt. Bis heute erscheinen in Auseinandersetzung mit ihr zahlreiche Studien, sei es in bestätigender, ablehnender, modifizierender oder erweiternder Weise.³³ Sie belegen damit die weitgefächerte und andauernde internatio-

31 Als Beispiel sei hier die Studie von Nazil Hodaie genannt, die den Orient in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur anhand der Orientrezeption in den 1001-Nacht-Kinderausgaben, in Karl Mays Orient-Zyklus und in der Migrantenliteratur untersucht, um die stereotypen Wahrnehumgs- und Darstellungsweisen des Orients abzubauen und einen pädagogischen Zugang für eine interkulturelle Erziehung zu ermöglichen. Vgl. Nazil Hodaie, Der Orient in der deutschen Kinder- und Jugendliteratur. Fallstudien aus drei Jahrhunderten, Frankfurt a.M. 2008. 32 Saids Buch erscheint erstmals 1978. Eine deutsche Übersetzung folgt 1981. Die deutsche Übersetzung von Orientalism mit Orientalismus ist dabei nicht ganz unproblematisch, da die Bezeichnung Orientalism im Deutschen sowohl Orientalismus als auch Orientalistik bedeutet. Der ambivalente, provokative Charakter des englischen Wortes verliert dadurch an Qualität und Bedeutung. Vgl. dazu Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 9 und S. 60. 33 Vgl. u.a. Andrea Fuchs-Sumiyoshi, Orientalismus in der deutschen Literatur, Hildesheim [u.a.] 1984; Ekkehard Rudolph, Westliche Islamwissenschaft im Spiegel muslimischer Kritik, Berlin 1991; Nina Berman, Orientalismus, Kolonialismus und Moderne, Stuttgart 1996; Jürgen Osterhammel, Wissen als Macht. In: Eva-Maria Auch; Stig Förster (Hg.), ‚Barbaren‘ und ‚Weiße Teufel‘, Paderborn 1997a, S. 145–169; Jürgen Osterhammel, Edward W. Said und die ‚Orientalismus‘-Debatte. Ein Rückblick. In: Asien-Afrika-Lateinamerika, 25 (1997b), S. 597–607; Richard Heigl, Wüstensöhne und Despoten. Das Bild des Vorderen Orients in deutschsprachigen Weltgeschichten des 19. Jahrhunderts, Regensburg 2000; Roman Loimeier, Edward Said und der Deutschsprachige Orientalismus: Eine Kritische Würdigung. In: Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien, 1/2 (2001), S. 63–85; Ludmilla Hanisch, Die Nachfolger der Exegeten. Deutschsprachige Erforschung des Vorderen Orients in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wiesbaden 2003; Almut Höfert, Den Feind beschreiben: ‚Türkengefahr‘ und europäisches Wissen über das Osmanische Reich 1450–1600, Frankfurt a.M. [u.a.] 2003; Sabine Mangold, Eine ‚weltbürgerliche Wissenschaft‘. Die deutsche Orientalistik im 19. Jahrhundert, Stuttgart 2004; Zachary Lockman, Contending visions of the Middle East, the history and politics of Orientalism, Cambridge [u.a.] 2004; Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus. Regeln deutsch-morgenländischer Imagination im 19. Jahrhundert, Berlin 2005; Robert Irwin, For Lust of Knowing. The Orientalists and their Enemies, London 2007; Immanuel Wallerstein, Die Barbarei der anderen,

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

nale Rezeption von Saids ambivalentem Werk, die je nach Intention der Kritiker anders ausfällt.³⁴ Im Folgenden wird zunächst die geistige Vorgeschichte aus arabischer und deutscher Perspektive beleuchtet werden. Durch die Skizzierung der Genese und Entwicklung der Orientalismuskritik, die in ihren Anfängen bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, soll zum einen die Problematik und Wandlung der Orientalismusdebatte aufgezeigt und ihre Relevanz für vorliegende Arbeit herausgestellt werden. Zum anderen soll dadurch ein differenziertes Verständnis der Besonderheit von Saids Ansatz ermöglicht und eine fundierte Grundlage für eine kritische Bewertung seiner Thesen geschaffen werden, die im Anschluss an die Diskussion der Thesen erfolgen wird.

1.2.1 Die Orientalismus-Debatte: Vorverständnis Markus Schmitz zeichnet in seiner umfassenden Würdigung von Saids Kulturkritik auch ihre Vorgeschichte nach³⁵ und zeigt auf, dass es vor Said arabische Kritiker von Rang gibt, wie zum Beispiel Jamal ad-Din al-Afghani, Anouar AbdelMalek, Abdallah Laroui und Abdul Latif Tibawi, und dass sie Said entscheidende Impulse für seine Orientalismusstudie liefern.³⁶ Sie stehen für den Versuch, einen Dialog mit dem Westen herzustellen bzw. den westlichen orientalistischen Monolog zu unterbrechen. Im Westen unterbleibt jedoch lange eine Auseinandersetzung mit der arabisch-muslimischen Orientalismuskritik.³⁷ Die arabische Auseinandersetzung mit dem Westen und den Orientalisten verläuft dabei in zwei Phasen. Die erste Phase der Hinwendung zu Europa beginnt nach Napoleon Bonapartes Ägypten-Invasion (1798–1801). Denn mit seinem Machtantritt sucht Muhammad Ali das Land nach europäischem Vorbild zu modernisieren.

Berlin 2007; Charis Goer; Michael Hofmann (Hg.), Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850, München 2008; Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum. Edward W. Said und die Kontrapunkte kritischer Dekolonisation, Bielefeld 2008. Vgl. auch Wolfgang G. Schwanitz über neueste Beiträge: http://www.trafoberlin.de/Autoren/schwanitz_wolfgang.htm. (Stand: 20.09.2012). 34 Vgl. Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 376. Vgl. auch Jürgen Lütt; Nicole Brechmann; Catharina Hinz; Isolde Kurz, ‚Die Orientalismus-Debatte im Vergleich. Verlauf, Kritik, Schwerpunkte im indischen und arabischen Kontext‘. In: Hartmut Kaelble; Jürgen Schriewer (Hg.), Gesellschaft im Vergleich, Frankfurt a.M. [u.a.] 1999, S. 518–567. 35 Vgl. Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 136–154. Siehe dazu auch Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, S. 10–28. 36 Vgl. Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 375. 37 Vgl. Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 137.

 1.2 Orientalismus 

 23

Ägyptische Studenten werden nach Frankreich geschickt. An der neugegründeten Sprachenschule Al-Alsun setzt unter der Leitung von Rifâca at-Tahtawi – dem Vordenker der ägyptisch-arabischen Nahda (Renaissance), der von 1826 bis 1831 in Paris studiert – eine ausgeprägte Übersetzungstätigkeit ein. Es werden auch Werke französischer und englischer Orientalisten übersetzt. In dieser Phase und bis zur britischen Eroberung Ägyptens 1882 kann man eine allgemeine Offenheit und Faszination dem Westen gegenüber beobachten. In der zweiten Phase lässt sich jedoch eine neue Haltung gegenüber den Orientwissenschaften feststellen: Es stehen nicht mehr Fragen philologischer Natur im Mittelpunkt der Debatte, sondern das Verhältnis der Orientalisten zum europäischen Kolonialismus. Schmitz weist darauf hin, dass die arabisch-muslimische Orientalismuskritik „von Beginn an aufs Engste mit der Sphäre des Politischen, mit der Erfahrung des Kolonialismus und den antikolonialen Debatten nationaler Reformer verbunden“³⁸ ist. Mit den arabischen Begriffen al-istišrāq (Orientalismus) und c ilm al-istišrāq (Orientalistik) ist seitdem in der Orientalismuskritik eine politische und religiöse Dimension inbegriffen. Der Wendepunkt in der Debatte wird von arabischen Intellektuellen in der Renan-Kritik von Gamal ad-Din al-Afghani von 1883 gesehen. Der damals im Pariser Exil lebende Religionsphilosoph und pan-islamische Modernist al-Afghani kritisiert Ernst Renan wegen seiner eurozentrischen Vorstellung, „dass sich Islam und rationale Wissenschaften westlicher Prägung per Definition einander [sic] ausschließen“.³⁹ Renan entwerfe, so al-Afghani, ein statisches Bild eines homo islamicus, „dem die Rationalität des Abendländers fehle und der daher für alle Ewigkeit zur Stagnation in traditioneller Rückständigkeit, Barbarei und Ignoranz verdammt sei. “⁴⁰ Aus dieser ersten Debatte ergibt sich keine nachhaltige Wirkung in Europa. Doch die arabischmuslimische Orientalismuskritik setzt sich fort. Die Reformbewegung und der antikoloniale Kampf bewegen sich zwischen den Polen Tradition und Moderne. Europa gilt dabei zum einen als Feind, zum anderen als Modell, von dem man lernen müsse, will man sich modernisieren. Die Ambivalenz des Verhältnisses liegt auf der Hand. Eine Orientalismuskritik gilt seitdem auch als innerer Kampf im arabischen Raum zwischen den verschiedenen Reform-Auffassungen der Gelehrten und Intellektuellen. Diejenigen, die kompromisslos den Anschluss an den Westen suchen, werden als arabische Orientalisten bzw. Handlanger des Orientalismus angegriffen. Die Orientalisten sind in dieser Debatte generell als kolonialistisch-islamophob stigmatisiert. Nur Wenige werden wegen ihrer Leis-

38 Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 139. 39 Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 139. 40 Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 140.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

tung zur Bewahrung des arabisch-islamischen Kulturerbes anerkannt, von den anderen unterschieden und als gerecht urteilende Orientalisten bezeichnet.⁴¹ Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts findet die Orientalismuskritik im Westen wenig Beachtung, da sie meist in arabischer Sprache verfasst ist und/oder die Orientalisten sie als eine innere arabische Angelegenheit zur Identitätsfindung betrachten. Für den weiteren Fortgang der Debatte nach dem zweiten Weltkrieg sind vor allem zwei Faktoren entscheidend: die innere Identitätskrise des Fachs Orientalistik sowie die Dekolonisationsbewegung und die damit in Frage gestellten alten Selbstverständlichkeiten von Forscher und Erforschtem. Drei Beispiele aus der Perspektive arabischer Autoren sollen die ambivalente Haltung der Zeit vor dem Erscheinen von Saids Werk erhellen. Im Vorwort seines Buches von 1964, Die Orientalisten und die Missionare in der arabischen und islamischen Welt, schreibt der ehemalige christliche Missionar und 1959 zum Islam konvertierte Ägypter Ibrahim Khalil Ahmad, dass er es für seine Pflicht halte, einen realen Bericht über die christliche Missionarstätigkeit und deren Beziehung zum Kolonialismus vorzulegen. Für ihn unterscheiden sich der Orientalismus und die Missionierung nicht, was Ziel und Satzung angeht.⁴² Beide dienten sie dem Kolonialismus als Stütze, Mittel und Vorhut zur Inbesitznahme der islamischen Länder. Ahmad sieht darin eine direkte Ursache für die Schwächung der Muslime.⁴³ Als Stütze des Kolonialismus fungieren sie, indem sie versuchen, die islamischen Werte zu schwächen, die Bedeutung der arabischen Sprache zu schmälern und das Arabertum zu entkräften. Sie verfolgen dabei das Ziel, eine geistige Ermattung und ein Minderwertigkeitsgefühl unter den Orientalen zu schaffen, damit sie sich der Herrschaft des Westens ohne großen Widerstand unterwerfen.⁴⁴ In dieser Hinsicht werden Missionierung und Orientalismus gleichgestellt. Sie unterscheiden sich nur graduell bezüglich Form und Mittel.⁴⁵ Der Orientalismus werde in seinen Anfängen zuerst von Missionaren und Mönchen ausgeübt, wobei aber nicht die Bekehrung der Muslime das primäre Ziel darstelle, sondern ihre Schwächung. Deshalb versuchen, Ahmad zufolge, die Missionare, den Islam zu entstellen und seine Werte zu entkräften. So liefern sie ihrer Kultur ein verzerrtes, verächtliches Islam- und Muslimbild.⁴⁶

41 Vgl. Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 142. 42 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, al-mustašriqūn wa-l-mubašširūn [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 37. 43 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 39. 44 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 26, 40, 41 und 75. 45 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 40f. 46 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 75.

 1.2 Orientalismus 

 25

In der zweiten Etappe werde der Orientalismus dann durch den Kolonialismus unterstützt, da er sich in seinen Dienst gestellt habe.⁴⁷ In diesen orientalistischen Studien gehe es Ahmad zufolge sogar darum, die Rückständigkeit und Unvollkommenheit der arabischen Literaturen zu beweisen.⁴⁸ Den Orientalisten wird daher vorgeworfen, ihre Methoden seien selektiv, subjektiv, teleologisch und interessengeleitet. Ein ähnlich negatives Bild des Orientalismus entwirft das 1975 erschienene Buch von Abd ar-rahman Habannakah Al-Maidani: Die drei Flanken der Heimtücke und ihre Geheimnisse. Missionierung, Orientalismus, Kolonialismus. Hier werden die drei Bereiche der Einflussnahme als Feinde des Islam angesehen, die ihn zerstören und das Band der Muslime zerreißen wollen. Die erste Phase der Konfrontation zwischen christlichen und islamischen Ländern verortet AlMaidani in der Zeit der Kreuzzüge, die er als göttliche Strafe und Prüfung der Muslime interpretiert. Die direkte Konfrontation habe jedoch einen positiven Einfluss auf die Muslime gehabt, die dadurch ihre inneren Streitigkeiten überwinden konnten. Nach dem Scheitern des direkten Angriffs habe der Westen eine neue Strategie des Kampfes ersonnen. Nun solle die islamische Welt zuerst durch einen indirekten, getarnten Kampf, d.h. durch geistigen Angriff (al-ghazw alfikri), infiltriert und geschwächt werden, bevor sie materiell in Besitz genommen werde.⁴⁹ Al-Maidani führt die verzerrten Repräsentationen der islamischen Welt auf einen (un)mittelbaren Einfluss der Missionare, Orientalisten, Kolonisatoren und sogar Juden zurück. Sie alle stellen, Al-Maidani zufolge, vier Aufgaben in den Mittelpunkt ihrer Tätigkeit: den Islam zerstören, die Muslime teilen, das Bild der muslimischen Kultur entstellen und eine direkte Kausalität zwischen dem Islam und der jetzigen Rückständigkeit des Orients propagieren.⁵⁰ Diese externen Feinde der islamischen Welt werden, so Al-Maidani, in den eigenen Reihen von vier Gruppen bewusst oder unbewusst unterstützt: Lohnempfänger, Assimilierte, Gleichgültige und Unwissende.⁵¹ Damit werden die arabischen Autoren in Misskredit gebracht, die durch den Anschluss an den Westen eine Reformbewegung befürworten. Unter Orientalismus versteht Al-Maidani folglich Studien, welche Nicht-Orientalen über Wissenschaft, Sprache, Religion, Geschichte und Gesellschaft der Orientalen verfassen. Al-Maidani wie auch Ibrahim Khalil Ahmad,

47 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 42. 48 Vgl. Ibrāhīm H. Ahmad, [Die Orientalisten und die Missionare], Kairo 1964, S. 75. 49 Vgl. Abd ar-raḥmān Ḥ. Al-Maidānī, Ağniḥat al-makr at-talāta wa-hawāfīhā, at-tabšīr, alistišrāq, al-isticmār [Die drei Flanken der Heimtücke und ihre Geheimnisse. Missionierung, Orientalismus, Kolonialismus], Beirut 1975, S. 9–14. 50 Vgl. Abd ar-raḥmān Ḥ. Al-Maidānī, [Die drei Flanken der Heimtücke], Beirut 1975, S. 17–19. 51 Vgl. Abd ar-raḥmān Ḥ. Al-Maidānī, [Die drei Flanken der Heimtücke], Beirut 1975, S. 19–22.

26 

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

auf den sich Al-Maidani bezieht, unterstellen den Orientalisten folglich unlautere Nebenabsichten und sprechen ihnen unparteiische Wissenschaftlichkeit ab. Denn der Orientalismus stehe im Interessenbereich und im Dienst unterschiedlicher religiöser, wirtschaftlicher und politischer Machtgruppen.⁵² Im Gegensatz dazu vermittelt Nagib Al-cAqiqi ein differenzierteres Bild. Mit dem 3-bändigen, 1414 Seiten umfassenden und 1964/65 erschienenen Werk Die Orientalisten legt Nagib Al-cAqiqi der arabischen Bibliothek eine umfassende Enzyklopädie über die Orientalisten und das arabische Kulturerbe vor. Seine Arbeit möchte er als Geste der Dankbarkeit für die Bemühungen der Orientalisten um die arabisch-islamische Kultur verstanden wissen. Vor allem möchte er aber der wissenschaftlichen Wahrheit Gerechtigkeit widerfahren lassen. Denn dankbar, aber nicht unkritisch würdigt er die Leistungen der Orientalisten.⁵³ Als Orientalisten versteht er hauptsächlich Angehörige der westlichen Kultur, aber auch Araber, wie die Maroniten Libanons und Syriens, denen er ein eigenes Kapitel widmet.⁵⁴ Orientalismus/Orientalistik ist für Al-cAqiqi die natürliche Antwort des Westens auf die damals fortschrittliche und herausfordernde arabisch-islamische Kultur.⁵⁵ Al-cAqiqi vertritt die Ansicht, dass die Orientalisten dieselbe wissenschaftliche Methodik anwenden, die man in den benachbarten Philologien praktiziert. Dabei verfahren die meisten Orientalisten sehr ehren- und gewissenhaft.⁵⁶ Dass es in einigen orientalistischen Arbeiten Fehler sowie falsche Annahmen und Ergebnisse gibt, leugnet Al-cAqiqi nicht, sieht dies aber als Ausnahme an. Fehlannahmen führt er einerseits auf interpretatorische Missverständnisse zurück, die aus der Komplexität und dem Umfang des Untersuchungsgegenstandes resultieren, und andererseits auf menschliche und/oder wissenschaftliche Schwächen.⁵⁷ Alc Aqiqi appelliert daher für eine differenzierte Beurteilung der Orientalisten: Es handle sich um Leistungen von mehr als tausend Jahren aus unterschiedlichen Kulturen. Ihre Beschäftigung mit der orientalischen Kultur könne daher nicht auf einen einzigen Beweggrund zurückgeführt werden, sondern resultiere aus

52 Vgl. Abd ar-raḥmān Ḥ. Al-Maidānī, [Die drei Flanken der Heimtücke], Beirut 1975, S. 83–116. 53 Vgl. Nağīb Al-cAqīqī, al-mustašriqūn [Die Orientalisten], Kairo 1964–1965, Bd. I, S. 7ff. und Bd. III, S. 1166. 54 Vgl. Nağīb Al-cAqīqī, [Die Orientalisten], Kairo 1964–1965, Bd. III, S. 1081–1096. 55 Orientalismus wird dort verortet, wo sich direkte oder indirekte Berührungen zwischen beiden Kulturkreisen ergeben. Alle, die beim kulturellen Austausch zwischen Ost und West eine Vermittlerrolle spielen, können somit als Orientalisten bezeichnet werden. Die Liste umfasst u.a. Priester, Mönche, Missionare, Diplomaten, Händler, Reisende, Archäologen, Übersetzer und Wissenschaftler; vgl. Nağīb Al-cAqīqī, [Die Orientalisten], Kairo 1964–1965, Bd. I, S. 120–148. 56 Vgl. Nağīb Al-cAqīqī, [Die Orientalisten], Kairo 1964–1965, Bd. III, S. 1122, 1141. 57 Vgl. Nağīb Al-cAqīqī, [Die Orientalisten], Kairo 1964–1965, Bd. III, S. 1145f.

 1.2 Orientalismus 

 27

mannigfaltigen Beweggründen, bei denen der wissenschaftliche überwiege. Die Orientalisten, die sich in den Dienst der Missionierung und des Kolonialismus stellen, machen nach Al-cAqiqi eine kleine marginale Gruppe aus.⁵⁸ Diese arabische Orientalismus-Debatte wird auch von manchen deutschen Orientalisten der 60er Jahre wahrgenommen, jedoch eher als polemisch und emotionsbeladen empfunden oder als innere arabische Angelegenheit abgetan und somit nicht ernst genommen. Johann Fück⁵⁹ und Rudi Paret⁶⁰ stehen exemplarisch für diese Haltung. Rudi Paret, der den Anfang der Orientalistik im 12. Jahrhundert ansetzt, vertritt die Ansicht, dass der Missionsgedanke Jahrhunderte lang die treibende Kraft für die geistige Beschäftigung mit der islamischen Welt gewesen sei.⁶¹ Dabei bestimmten im Mittelalter ausschließlich Apologetik und Polemik die Haltung des Abendlandes dem Islam gegenüber. Das Islam- und Muslimbild jener Zeit sei daher durch Voreingenommenheit und Unsachlichkeit geprägt, räumt Paret ein.⁶² Fück geht des Weiteren davon aus, dass man sich damals in einem latenten Kriegszustand befunden habe. Der unerhörte Siegeslauf des Islam habe in der christlichen Welt Angst und Bedrohung verursacht, so dass unter diesen Umständen kein richtiges und sachliches Kennenlernen zu erwarten war. Daher seien auch die Ansichten übereinander eher ungenau und unsachlich.⁶³ Es wird also eingeräumt, dass in den ersten Phasen der Anstoß zur Beschäftigung mit dem Orient durch Missionierungstätigkeit sowie wirtschaftliche und politische Interessen europäischer Mächte erfolgt. Für den Fortgang der orientalischen Studien seit Mitte des 19. Jahrhunderts sieht Paret jedoch einen grundlegenden Unterschied. Sie unterschieden sich von den Vorstufen durch ihre Neutralität und Wertschätzung des Islam und der arabisch-islamischen Welt. Dabei würden keine unlauteren Nebenabsichten verfolgt. Man forsche wissenschaftlich kritisch und setze beim Studium der arabischen Literatur dieselben Maßstäbe an, die auch an die Quellen der eigenen Welt angelegt werden. Daher

58 Vgl. Nağīb Al-cAqīqī, [Die Orientalisten], Kairo 1964–1965, Bd. III, S. 1149. 59 Vgl. Johann Fück, Die arabischen Studien in Europa bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts, Leipzig 1955. 60 Vgl. Rudi Paret, Arabistik und Islamkunde an deutschen Universitäten. Deutsche Orientalisten seit Theodor Nöldeke, Wiesbaden 1966. 61 Rudi Paret, Arabistik und Islamkunde, Wiesbaden 1966, S. 2f.: „Alle diese Bemühungen, auch die der folgenden Jahrhunderte, galten nun aber dem Zweck der Missionierung. Die Muslime sollten in ihrer eigenen Sprache von der Unhaltbarkeit des Islam überzeugt und für den christlichen Glauben gewonnen werden“. 62 Vgl. Rudi Paret, Arabistik und Islamkunde, Wiesbaden 1966, S. 3. 63 Vgl. Johann Fück, Die arabischen Studien in Europa, Leipzig 1955, S. 3.

28 

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

nimmt Paret die arabische Kritik, die er als propagierte Behauptung empfindet, gelassen zur Kenntnis: In dieser Hinsicht unterscheiden sich also die frühen Vorstufen der Arabistik und Islamkunde ganz wesentlich von dem, was man heutzutage – oder sagen wir genauer: etwa seit der Mitte des 19. Jahrhunderts – unter diesen beiden Disziplinen versteht. Wenn wir Orientalisten heutzutage Arabistik und Islamkunde treiben, tun wir das keineswegs in der Absicht, die Minderwertigkeit der arabisch-islamischen Welt nachzuweisen. Im Gegenteil. Wir bekunden damit eine besondere Wertschätzung der geistigen Welt, die durch den Islam und seine verschiedenen Erscheinungsformen repräsentiert wird und in der arabischen Literatur ihren Niederschlag gefunden hat. Wir nehmen freilich nicht alles unbesehen hin, was die Quellen berichten, lassen vielmehr nur gelten, was der historischen Kritik standhält oder standzuhalten scheint. Dabei legen wir an den Islam und seine Geschichte und an die arabischen Werke, mit denen wir uns befassen, denselben kritischen Maßstab an, wie an die Geistesgeschichte und an die Quellenschriften unserer eigenen Welt. Auch wenn die Möglichkeiten unserer Erkenntnis beschränkt sind – wie sollte es anders sein –, dürfen wir mit gutem Gewissen behaupten, bei unseren Studien keine unlauteren Nebenabsichten zu hegen, vielmehr nach der reinen Wahrheit zu forschen. Die gegenteilige Behauptung, die der Azhar-Gelehrte al-Bahyi jüngst in seiner Broschüre ‚Missionare und Orientalisten in ihrer Stellung zum Islam‘ propagiert hat, nehmen wir gelassen zur Kenntnis.⁶⁴

Paret verteidigt die Orientalistik gegen den Vorwurf der Instrumentalisierung durch den Staat und räumt den Orientalisten unparteiische Wissenschaftlichkeit ein. Er kritisiert die arabische geistige Haltung dem Westen gegenüber und ist der Ansicht, „daß das Urteil, das man sich in muslimischen Kreisen über die christlich-abendländische Welt macht, großenteils noch stark polemisch und apologetisch verfärbt ist, daß es aber doch auch gebildete Muslime gibt, die ihr eine objektive Würdigung angedeihen lassen“.⁶⁵ Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass die Orientalismuskritik vor Edward W. Said vor dem Hintergrund des Entkolonialisierungsprozesses in der arabischen Welt sowie der palästinensischen Frage und der Identitätsfindung zwischen Moderne und Tradition zu sehen ist. Die arabische OrientalismusDebatte erreicht auch den deutschen Kulturraum, wird aber als unsachlich und polemisch zurückgewiesen. Dass es in der Geschichte der orientalischen Studien Schwächen und Instrumentalisierungen gegeben hat, wird nur für frühe Phasen eingeräumt. Für die moderne Phase seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird unparteiische Wissenschaftlichkeit beansprucht. Dabei wird aber versäumt, die Kritik der arabischen Welt ernst zu nehmen und als Anlass für eine selbstkritische Refle-

64 Rudi Paret, Arabistik und Islamkunde, Wiesbaden 1966, S. 3. 65 Rudi Paret, Arabistik und Islamkunde, Wiesbaden 1966, S. 5f.

 1.2 Orientalismus 

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xion über den orientalistischen Diskurs zu sehen. So scheint die OrientalismusDebatte der fraglichen Zeit auf beiden Seiten großenteils aus Anschuldigungen und Verteidigungen bestanden zu haben. Vor diesem geistigen Hintergrund sind die Leistungen arabischer Intellektueller, wie Abdel-Malek, Laroui, Tibawi und Said besser zu verstehen: Sie eröffnen eine neue Argumentationslinie in der Orientalismusdebatte und verleihen ihr neue Virulenz. Vor allem Saids Orientalism entfacht diese neue Orientalismusdebatte, die diesmal weltweit geführt wird. Sein im Vergleich zu seinen Vorgängern überragender Erfolg mag an den neuen geistigen Strömungen der Zeit⁶⁶ und dem neuen kritischen Ansatz seiner Studie liegen.⁶⁷ Tatsache ist, dass Saids Orientalismuskritik von Vertretern unterschiedlicher Disziplinen weltweit mit Begeisterung oder Ablehnung wahrgenommen wird.

1.2.2 Edward W. Said und die Orientalismus-Debatte Den zeitlichen Bezugsrahmen dieser Studie bilden das 19. und 20. Jahrhundert, beginnend mit dem Feldzug Napoleon Bonapartes in Ägypten im Jahre 1798. Diese Zeit bezeichnet Said als modernen Orientalismus, der ohne die Vorgeschichte der verschiedenen Kulturkontakte mit dem Orient nicht möglich gewesen wäre. Räumlich beschränkt Said seine Arbeit einerseits auf das arabisch-islamische Gebiet und andererseits auf die drei westlichen Kulturräume Frankreich, Großbritannien und USA.⁶⁸ Deutschland und die anderen westlichen Länder wiesen dagegen keine lange Tradition dessen auf, was er Orientalism nennt.⁶⁹ Orientalism meint dabei nach Said nicht nur die akademische Disziplin der Orientalistik, sondern auch eine spezifische Denkart über den Orient. Dieser Denkstil beruhe auf einer ontologischen und epistemologischen Unterscheidung zwischen Orient und Okzident und umfasse Orientalisten ebenso wie Schriftsteller, Philosophen, Reisende und Kolonialbeamte.⁷⁰ Der Orientalismus seit Ende des 18. Jahrhunderts wird von Said darüber hinaus als „westlicher Stil der Herrschaft, Umstrukturierung und des Autoritätsbesitzes über den Orient“⁷¹ verstanden. Dabei geht Said von der Annahme aus, dass der Orient fast eine europäische Erfindung sei.

66 Vgl. Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, S. 11–28. Polaschegg spricht in diesem Kontext von linguistic und cultural turn. 67 Vgl. hierzu Markus Schmitz, Kulturkritik ohne Zentrum, Bielefeld 2008, S. 376. 68 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 25. 69 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 8. 70 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 9f. 71 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 10.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Er sei „seit der Antike ein Ort der Romantik, des exotischen Wesens, der besitzergreifenden Erinnerungen und Landschaften, bemerkenswerten Erfahrungen“.⁷² Und obwohl der Orient für Said eine Realität ist, geht es ihm in der OrientalismusKritik nicht um die reale Dimension, sondern um Erinnerungsarbeit und um die Art und Weise, wie man im Westen den Orient konstruiert und sogar orientalisiert hat, um ihn letztendlich zu beherrschen.⁷³ Said greift dabei auf Michel Foucault zurück und fasst den Orientalismus als eine Art Diskurs auf, um die innere Konsistenz zwischen dem westlichen Orientalismus und den Vorstellungen vom Orient zu untersuchen. Er ist der Ansicht, dass es nur dadurch möglich ist zu verstehen, „durch welche enorme systematische Disziplin die europäische Kultur fähig war, den Orient politisch, soziologisch, militärisch, ideologisch, wissenschaftlich und imaginativ während der Zeit nach der Aufklärung zu leiten – und selbst zu produzieren“.⁷⁴ Saids Diskursanalyse kann somit als Versuch gewertet werden, „die Diskursanalyse Foucaults vom europäischen auf den außereuropäischen Kontext zu übertragen. […] Es ist hauptsächlich dieser Ansatz, der ihn von früheren Arbeiten unterscheidet“.⁷⁵ Dem Orientalismus-Diskurs kommt Said zufolge eine dominante Position zu. Denn er beeinflusst, wie man mit dem Orient umgeht, was man über ihn denkt und schreibt. Dies trifft, so Said, auf Wissenschaftler wie Nicht-Wissenschaftler zu. Ihnen wird von Said eine essentialistische Denkweise und Konzeption des Orients vorgeworfen. Die ontologische Unterscheidung zwischen Okzident und Orient drücke sich in Dichotomien aus, wie wir/sie, Europäer/Nicht-Europäer, Kolonialisten/Kolonisierte. Eigenschaften wie Irrationalität, Unterentwicklung, Rückschrittlichkeit, Passivität und Femininität werden auf den Orient projiziert und ihm als ewige Essenzen zugeschrieben.⁷⁶ Said geht davon aus, dass die Hegemonie bestimmter Ideen in der eigenen Kultur mit den Machtkonfigurationen zwischen dem Eigenen und dem Anderen, dem Westen und dem Osten korrespondiert. Sie beeinflussen und bedingen sich gegenseitig. Eine Änderung der orientalistischen Ideen wird damit einerseits von einer Änderung der Machtkonfigurationen zwischen beiden Kulturräumen

72 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 8. 73 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 12. 74 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 10. 75 Jürgen Lütt; Nicole Brechmann; Catharina Hinz; Isolde Kurz, ‚Die Orientalismus-Debatte im Vergleich. Verlauf, Kritik, Schwerpunkte im indischen und arabischen Kontext‘. In: Hartmut Kaelble; Jürgen Schriewer (Hg.), Gesellschaft im Vergleich, Frankfurt a.M. [u.a.] 1999, S. 513. 76 Vgl. Jürgen Lütt; Nicole Brechmann; Catharina Hinz; Isolde Kurz, ‚Die Orientalismus-Debatte im Vergleich‘. In: Hartmut Kaelble; Jürgen Schriewer (Hg.), Gesellschaft im Vergleich, Frankfurt a.M. [u.a.] 1999, S. 513.

 1.2 Orientalismus 

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abhängig gemacht.⁷⁷ Andererseits betont Said in Anlehnung an Antonio Gramscis Modell der zivilen Gesellschaft, dass innerhalb der Gesellschaft bestimmte Ideen durch Übereinstimmung und nicht unbedingt durch politische Herrschaft an Hegemonie gewinnen. Eine Hegemonie oder eher das Ergebnis kultureller Hegemonie ist es, die dem Orientalismus die Dauerhaftigkeit und Stärke verleiht, über die ich bisher sprach. Der Orientalismus ist niemals weit von dem entfernt, was Denys Hay die Idee Europa nannte, ein kollektiver Begriff, der ‚uns‘ Europäer von all ‚jenen‘ Nichteuropäern unterscheidet, und es kann tatsächlich so argumentiert werden, daß die größere Komponente der europäischen Kultur genau diejenige ist, welche diese zur Hegemonie innerhalb wie auch außerhalb Europas machte: nämlich der Gedanke, daß die europäische Identität im Vergleich aller nichteuropäischen Völker und Kulturen überlegen sei. Dies bedeutet ebenso die Hegemonie europäischer Vorstellungen über den Orient, die selbst die europäische Überlegenheit über orientalische Rückständigkeit wiederholen und normalerweise die Möglichkeit übersehen, daß ein unabhängigeres oder skeptischeres Denken ein anderes Verständnis des Orients haben könnte.⁷⁸

Für Said ergeben sich hier Parallelen zwischen dem orientalistischen und dem antisemitischen Diskurs. Beide können als Ausdruck der kulturellen Herrschaft bestimmter Ideen der eigenen Kultur über den kulturell Anderen verstanden werden, dem somit keine gleichberechtigte Existenz neben und innerhalb der eigenen Kultur zugebilligt wird. Zusätzlich und mit beinahe unvermeidbarer Logik habe ich entdeckt, daß ich die Geschichte eines seltsamen, heimlichen Teilhabers des westlichen Antisemitismus schrieb. Dieser Antisemitismus und, wie ich es hinsichtlich seines islamischen Zweigs diskutiert habe, der Orientalismus ähneln einander sehr in einer historischen, kulturellen und politischen ‚Wahrheit‘, die nur einem arabischen Palästinenser gegenüber erwähnt werden muß, um in ihrer Ironie völlig verstanden zu werden. Aber ich möchte auch zu einem besseren Verständnis dessen beitragen, wie kulturelle Herrschaft operiert. Wenn dies eine neue Weise anregt, sich mit dem Orient auseinanderzusetzen; wenn es tatsächlich den ‚Orient‘ und den ‚Okzident‘ insgesamt eliminiert, dann sind wir ein wenig in dem Prozeß fortgeschritten, den Raymond Williams die ‚Entwertung‘ der ‚herrschaftsorientierten Stimmung‘ genannt hat.⁷⁹

Saids Ziel ist es somit zu erhellen, wie kulturelle Herrschaft operiert. Deshalb beabsichtigt er, die Mechanismen eigener Repräsentationen einer anderen Kultur kritisch zu beleuchten. In diesem Sinne ist seine Orientalismuskritik auch als

77 Vgl. Richard Heigl, Wüstensöhne und Despoten, Regensburg 2000, S. 11. 78 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 14f. 79 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 38.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Beitrag zur Kulturkritik zu verstehen. Saids Projekt ist es, „ein besonderes Ideensystem zu beschreiben und keineswegs das System durch ein neues zu ersetzen“.⁸⁰ Nur im Ansatz deutet er an, wie ein neues System geschaffen werden kann. Seine Orientalismus-Kritik ist folglich als Warnung davor aufzufassen, „daß Gedankensysteme wie der Orientalismus, Diskurse der Macht, ideologische Fiktionen […] nur zu leicht geschaffen, angewendet und behalten werden“.⁸¹ Said lehnt daher eine arabische Antwort im Sinne eines umgekehrten Orientalismus, also eines Okzidentalismus ab: „Wenn das Wissen des Orientalismus irgendeine Bedeutung trägt, dann ist es die, eine Erinnerung an die verführerische Degradierung des Wissens darzustellen, jedes Wissens, überall und zu jeder Zeit“.⁸² In diesem Kontext wird nach der Rolle des Intellektuellen in der Gesellschaft gefragt: „Ist er da, um die Kultur sowie den Staat rechtsgültig zu machen, dessen Bürger er ist? Welche Bedeutung muß er einem unabhängigen, kritischen, einem oppositionellen kritischen Bewußtsein geben?“⁸³ An diesem kritischen Bewusstsein zu arbeiten, das den interkulturellen Dialog erst ermöglicht und fördert, darin besteht Said zufolge die Aufgabe der Intellektuellen, Wissenschaftler und Autoritätspersonen unserer Zeit in jeder Kultur. Saids Versuch einer Kulturkritik birgt jedoch Grauzonen, die zu heftigen und kontroversen Debatten führen. Der Hauptgedanke, nämlich die Erhellung der Mechanismen der kulturellen Herrschaft und ihre kritische Hinterfragung, tritt im Geflecht der Debatten in den Hintergrund, wozu nicht zuletzt Said selbst beigetragen hat. Die Kritik an Saids Orientalismus fällt dabei je nach Intention der Rezipienten unterschiedlich aus. In Jürgen Osterhammels Rückblick zur Orientalismus-Debatte (1997) lassen sich folgende Kritikpunkte hervorheben.⁸⁴ Saids Ansatz eines orientalistischen Diskurses sei überzogen und totalitär, so dass ihm kein Europäer im Umgang mit dem Orient entrinnen könne, es sei denn durch Sympathie. Diese Möglichkeit ist aber Osterhammel zufolge keine Garantie, da es hierbei zur Idealisierung, d.h. zum Gegenteil der Dämonisierung des Orients im orientalistischen Diskurs kommen kann, wie im vorherigen Teilkapitel zu Dietsche und der Fremdwahrnehmung in Dichotomien gezeigt wurde. Said sage des Weiteren wenig zur Frage abgestufter Fiktionalität von fiktionalen und nichtfiktionalen Texten. Als Leistung wird von Osterhammel jedoch hervorgehoben,

80 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 367. 81 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 371. 82 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 371. 83 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 368. 84 Jürgen Osterhammel, Edward W. Said und die ‚Orientalismus‘-Debatte. Ein Rückblick. In: Asien-Afrika-Lateinamerika, 25 (1997b), S. 601–603.

 1.2 Orientalismus 

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dass Said den partiell fiktionalen Charakter der Reiseberichte erhellt, die unter dem Einfluss bestimmter eigenkultureller Ideen und Perspektiven bewusst oder unbewusst eine Fiktion des Orients, jedoch kein reales Bild vermitteln. Er verkenne aber, so Osterhammel, die Leistungen der Orientalistik, wenn er ihr einen Erkenntnisfortschritt abspricht und sie undifferenziert behandelt. Said vertrete zudem eine übertrieben vereinfachte Auffassung vom Westen, wenn er ihn als kulturell einheitlich ansieht. Indem er vom Wesen des Westens ausgeht, finde die von ihm kritisierte Denkweise in Substanzkategorien Eingang in seinen eigenen Ansatz. Daraus ergebe sich, wie auch bei einigen seiner Nachfolger, jener zeitlose Essentialismus, den Said eigentlich bekämpfen will. Schließlich beachte Said auch kaum, dass es im europäischen und orientalischen Kulturraum ähnliche Mechanismen des Umgangs mit dem Anderen gibt. Im Jahr 1999 erscheint eine Zusammenschau über die Orientalismus-Debatte im indischen und arabischen Raum. Hierbei konzentriert sich die Kritik insbesondere auf sechs Punkte: Eingrenzungen des Orientalismus, methodische Schwächen, Essentialisierungen, Korrelation von Wissen und Macht, Repräsentationen des Anderen sowie Identität des Dritte-Welt-Intellektuellen.⁸⁵ Andrea Polaschegg verweist in ihrer 2005 erschienenen Studie schließlich auf drei Hauptlinien der erhobenen Einsprüche: Saids ahistorisches Analyseverfahren, die Tautologien seiner Theorie zur Erfindung des Orients und die internen Widersprüche seiner Gedanken zum Verhältnis von Alterität und Macht.⁸⁶ Dabei rekurriert sie auf Erkenntnisse der kulturwissenschaftlichen Identitätsforschung und greift die Kritik von Sadik Jalal al-´Azm an Saids Konzept auf, der darlegt, dass die Mechanismen der Fremdwahrnehmung nach Maßgabe der eigenen Kultur und die Abgrenzung gegen den Anderen allen Kulturen eignen, und nicht als Spezifikum der westlichen Kultur anzusehen sind.⁸⁷ Grenzziehung zwischen Kulturen sei für deren Bestehen konstitutiv und Abgrenzung gegen den Anderen finde in jeder Kultur statt. Denn erst dadurch könne sie sich sozial konstituieren. Dies sei nicht a priori ein Akt der Feindseligkeit gegen den Anderen. Denn dieser identitätskonstitutive Akt finde auf beiden Seiten gleichermaßen statt und sei, so Polaschegg, „ein allgemeines Grundprinzip kultureller Identitätskonstitution“⁸⁸. Vor diesem Hintergrund versucht Polaschegg das Verhältnis von Eigenem und Anderem, Vertrautem und

85 Vgl. Jürgen Lütt; Nicole Brechmann; Catharina Hinz; Isolde Kurz, ‚Die Orientalismus-Debatte im Vergleich‘. In: Hartmut Kaelble; Jürgen Schriewer (Hg.), Gesellschaft im Vergleich, Frankfurt a.M. [u.a.] 1999, S. 516–539. 86 Vgl. Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, S. 30–38. 87 Vgl. Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, S. 48. 88 Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, S. 41.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Fremdem zu erhellen. Während das erste Gegensatzpaar nach Maßgabe der Differenz funktionniert und der Konstitution von Identität dient, operiert das zweite Gegensatzpaar nach Maßgabe der Distanz und ist im Bereich von Selbst- und Fremdverstehen zu verorten.⁸⁹ Diesem Fremdheitskonzept wird mit dem Kapitel zur Fremdheitsforschung auch in vorliegender Studie Rechnung getragen. Said geht davon aus, dass ein quantitativer wie qualitativer Unterschied zwischen dem franko-britischen Einfluss im Orient und demjenigen anderer westlicher Länder bestehe. Im Hinblick auf die Analyse deutscher Ägyptenreiseberichte werden somit präzisierende Überlegungen nötig. Der deutsche Orientalismus, so Said, sehe den Orient vor allem als wissenschaftlichen, klassischen und literarischen Orient. Dennoch sei er als „a kind of intellectual authority“⁹⁰ zu begreifen, d.h. dass er ebenso wie der britische und französische eine Art intellektueller Autorität über den Orient ausübt. Die Orientalismusforschung im deutschen Kulturraum fühlt sich in der Folge von Saids spekulativen Annahmen freigesprochen und beschäftigt sich lange kaum mit ihnen. Fuchs-Sumiyoshi unterzieht den Begriff Orientalismus in der deutschen Sprache einer Prüfung und vergleicht ihn mit seinem Gebrauch im Englischen und Französischen. Dadurch gelangt sie zu einem Ergebnis, welches Saids Annahme bestätigt: Die beiden primären Kolonialmächte des 19. Jahrhunderts, England und Frankreich, beweisen damit ein über das rein Sprachwissenschaftliche hinausgehendes Interesse an ihren östlichen Kolonien, während für Deutschland dieser politisch-ökonomisch fundierte Direktbezug zum Nahen Osten nicht besteht.⁹¹

Im Gegensatz dazu zeigt Berman, dass zwischen deutschsprachigen Ländern und dem Nahen Osten/Nordafrika Formen der Interdependenz existieren, die Said nicht berücksichtigt. Mit der Analyse dieser Interdependenzen kommt Berman zur Feststellung, dass das Verhältnis des deutschen Raums zum Orient „keineswegs ein fast rein wissenschaftliches Unternehmen“⁹², sondern eher „ein äußerst konkretes, auf intensiven politischen und ökonomischen Kontakten zwischen den Bereichen beruhendes gewesen ist“.⁹³ Diese Ansicht teilt auch Loimeier, der die Entwicklung des deutschsprachigen Orientalismus analysiert. Er zeigt, „dass

89 Vgl. Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, S. 43. 90 Edward W. Said, Orientalism. Western Conceptions of the Orient, Reprint with a new Afterword, London [u.a.] 1995, S. 19. 91 Vgl. Andrea Fuchs-Sumiyoshi, Orientalismus in der deutschen Literatur, Hildesheim [u.a.] 1984, S. 4. 92 Nina Berman, Orientalismus, Kolonialismus und Moderne, Stuttgart 1996, S. 19. 93 Nina Berman, Orientalismus, Kolonialismus und Moderne, Stuttgart 1996, S. 35.

 1.2 Orientalismus 

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sich nicht nur in Großbritannien und Frankreich, sondern eben auch im deutschsprachigen Mitteleuropa im 19. Jahrhundert orientalistische Moden, Diskurse und Konzepte entwickelt haben, die sich in der Entwicklung der Wissenschaft widerspiegelten“.⁹⁴ Dabei verweist er auf die Existenz eines deutschen KolonialOrientalismus vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg.⁹⁵ Einen neuen Ansatz bringt Höfert in die Debatte ein. Höfert wendet gegen Said ein, dass die epistemologische Konfiguration der europäischen Orientalistik und Anthropologie, die er in die machtpolitischen Konstellationen der Kolonialzeit einbettet, auf ältere Traditionen und Vorstufen zurückgehen, die sich nicht in Saids Schema einordnen lassen. Mit dem Fall von Konstantinopel 1453 ist nämlich nicht der Orient, repräsentiert durch das Osmanische Reich, der unterlegene Andere, sondern Europa. Die okzidentale Anthropologie wie Orientalistik sind in der hier skizzierten Diskussion jedoch stets als Wissenskonfigurationen kritisiert worden, die Ausdruck einer europäischwestlichen politischen und wirtschaftlichen Hegemonie seien. Wenn jedoch von einer gewissen formalen Kontinuität des Klassifizierungsmusters okzidentaler Anthropologie ausgegangen werden kann; wenn weiterhin in dieser Untersuchung mit Erfolg nachgewiesen werden könnte, daß der Kontext der Türkengefahr für die Entstehung und Ausformung dieser epistemologischen Konfiguration im 15. und 16. Jahrhundert von entscheidender Bedeutung gewesen ist, dann muß die Prämisse, daß die okzidentale Anthropologie im Zuge einer europäischen machtpolitischen Überlegenheit entstanden sei und nur in diesem Zusammenhang funktioniere, revidiert werden. Die Frage nach dem Zusammenhang von Wissen und Macht muß in diesem Falle unter umgekehrten Vorzeichen gestellt werden, indem nach den Bedingungen gefragt wird und Kontexte analysiert werden, in denen in Europa Informationen über den militärischen Feind gesammelt und zu einem Wissenskorpus modelliert wurden.⁹⁶

Es lässt sich folglich feststellen, dass Said zwar einerseits die dem Orientalismus zugeschriebene essentialistische Konzeption des Orients kritisiert, sich aber andererseits derselben Mechanismen einer essentialistischen Denkweise bedient, wenn er davon ausgeht, der Westen sei kulturell eine unveränderliche Einheit, die nur darauf bedacht sei, den Orient zu beherrschen. Seine Pauschalisierungen sind nicht haltbar und unannehmbar. Sie sind einem interkulturellen Dialog jenseits starrer Denkweisen nicht dienlich. Die Liste der noch länger zu

94 Roman Loimeier, Edward Said und der Deutschsprachige Orientalismus. In: Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien, 1/2 (2001), S. 63. 95 Vgl. Roman Loimeier, Edward Said und der Deutschsprachige Orientalismus. In: Stichproben. Wiener Zeitschrift für kritische Afrikastudien, 1/2 (2001), S. 65f. 96 Almut Höfert, Den Feind beschreiben, Frankfurt a.M. [u.a.] 2003, S. 17f.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

referierenden Kritikpunkte gegen Said bedeute jedoch nicht, so Osterhammel, dass Said widerlegt sei, auch wenn seine Argumentation sprunghaft, widersprüchlich, repetitiv und übertrieben erscheine: Auf der anderen Seite hat Said und das rechtfertigt nach wie vor eine gründliche Beschäftigung mit ihm – die Frage von Inhalt, Entstehen und Funktion von Bildern, die sich Zivilisationen voneinander machen, in einen neuen, viel anspruchsvolleren Zusammenhang als den der älteren Perzeptionsforschung gestellt: in den Kontext von Wissenschaft und Macht. Nach der Lektüre von Said fällt es schwer, literarische und ikonische Fremdbilder allein nach den Maßstäben zu beurteilen, ob sie ‚stimmen‘, ob sie von Vorurteilen und Stereotypen beeinflußt sind und welche Verwirrung den einzelnen Autor an einer ‚richtigen‘ und/oder von Sympathie getragenen Einschätzung der Anderen gehindert haben mag. Edwards Saids größte Leistung liegt nicht in dem, was einige Leser als seine Imperialismustheorie verstanden haben. Eine solche, wenn es sie denn überhaupt gibt, beruht auf einer dünnen historischen Empirie und einem recht elementaren Verständnis von Herrschaft als Überwältigung von Schwächeren. Saids Leistung liegt im Zusammenführen von Wissenschaftskritik, konstruktivistischer Epistemologie und einer Machtanalyse, die sich sowohl auf Michel Foucault als auch auf Antonio Gramsci und dessen Begriff der kulturellen Hegemonie zurückbezieht.⁹⁷

Said übernimmt zwar den Diskursbegriff von Michel Foucault, modifiziert ihn jedoch, indem er den Subjekten im Prozess der Diskursbildung eine größere sinngebende Kraft beimisst.⁹⁸ Mögen nämlich die vorherrschenden Werte des eigenen Kultursystems auch das Handeln und Denken der Mitglieder dieser Kultur Anderen gegenüber beeinflussen, so werden sie doch als Individuen nicht von der Verantwortung freigesprochen. Dem Menschen, insbesondere dem Intellektuellen, wird von Said eine bedeutende Rolle in seiner Gesellschaft und Kultur zugesprochen. Saids Grundgedanke einer Kulturkritik bleibt somit weiter bestehen. Dies bedeutet, dass es einen hegemonialen Orientalismus gibt, den man untersuchen muss, um die Mechanismen des Entstehens von Feindbildern vom Orient zu erhellen, und um dadurch die Feindbilder und die zugrundeliegenden Mechanismen zu überwinden. Saids Orientalismuskritik möchte ihren Beitrag dazu leisten. Daher lehnt Said den hegemonialen Orientalismus, wie auch alle

97 Jürgen Osterhammel, Edward W. Said und die ‚Orientalismus‘-Debatte. Ein Rückblick. In: Asien-Afrika-Lateinamerika, 25 (1997b), S. 604. 98 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 33: „Im Unterschied zu Michel Foucault jedoch, dessen Werk ich viel verdanke, glaube ich an den determinierenden Aufdruck individueller Autoren auf den sonst anonymen kollektiven Körper von Texten, die eine diskursive Formation wie den Orientalismus konstituieren. […] Foucault glaubt, daß im allgemeinen der individuelle Text oder Autor empirisch sehr wenig zählt. Im Fall des Orientalismus (und vielleicht nirgends sonst) finde ich, daß dies nicht der Fall ist“.

 1.2 Orientalismus 

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anderen ähnlichen Gedankensysteme, entschieden ab und warnt die orientalische Welt davor, in einem orientalischen Okzidentalismus die Antwort auf den hegemonialen Orientalismus des Westens zu suchen.⁹⁹ Saids hegemonialer Orientalismus wird daher als Facette des Orientalismus aufgefasst, von dem andere Formen nebeneinander existieren, die nicht hegemonialer, kolonialistischer und imperialistischer Natur sind. Vorliegende Arbeit geht nämlich davon aus, dass die Jahrtausende alte Beziehung zwischen Ost und West nicht nur auf einen einzigen Aspekt reduziert werden kann. Unter Orientalismus ist daher primär die westliche Erfahrungs- und Erinnerungsarbeit an orientalischen Kulturräumen zu verstehen. Die hegemoniale Denkweise dieser Beziehung, d.h. die Herrschaft der westlichen Kultur über den Orient, soll dagegen als eine Sonderform begriffen und als hegemonialer Orientalismus bezeichnet werden. Andrea Polaschegg¹⁰⁰ geht in ihrer Studie von einem ähnlichen Ansatz aus, indem sie in der deutschen Literatur einen anderen Orientalismus (unter)sucht. Polaschegg zufolge kann Orientalismus drei Phänomenbereiche bezeichnen: 1. alle Akte der Bezugnahme auf den Orient, d.h. seine Thematisierung und Darstellung ebenso wie seine motivische oder metaphorische Aktualisierung, 2. die Sinneffekte dieser Bezugnahmen, d.h. die performative Entstehung (vulgo: ‚Konstruktion‘) dessen, was als ‚Orient‘ begriffen wird, 3. die Übernahme orientalischer Elemente – also von Stilen, Modi oder Gütern – unter der Voraussetzung, dass sie tatsächlich als ‚orientalische‘ Elemente in Gebrauch genommen werden.¹⁰¹

Damit ist der kritische Blick auf den literarischen Orientalismus unbefangener und für die verschiedenen Facetten der Ost-West-Beziehungen offener. Saids Ansatz eines hegemonialen Orientalismus wird weiterhin zu berücksichtigen, seine Wirkung aber in differenzierter Textanalyse zu untersuchen sein. Die Orientalismus-Forschung bleibt ein fruchtbarer Ansatz, um die westlichen imagologischen Repräsentationen des Orients zu reflektieren und auf die imagologischen Darstellungsmuster, die Genese und Weitergabe von Klischees, Vorurteilen und Feinbildern aufmerksam zu machen. Dieser Ansatz kann durch die Untersuchung der östlichen Repräsentationen des Okzidents bereichert werden. Ein Vergleich

99 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 371. 100 Vgl. hierzu Andrea Polaschegg, Der andere Orientalismus, Berlin 2005, insbesondere S. 9–59; Andrea Polaschegg, Die Regeln der Imagination. Faszinationsgeschichte des deutschen Orientalismus zwischen 1770 und 1850. In: Charis Goer; Michael Hofmann (Hg.), Der Deutschen Morgenland. Bilder des Orients in der deutschen Literatur und Kultur von 1770 bis 1850, München 2008, S. 14f. 101 Andrea Polaschegg, Die Regeln der Imagination. In: Charis Goer; Michael Hofmann (Hg.), Der Deutschen Morgenland, München 2008, S. 15.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

mit dem Okzidentbild des Orients dürfte ein neues Licht auf die gegenseitige Beziehung werfen und zum besseren Verständnis der Entstehung und Entwicklung der Fremdbilder führen.¹⁰² In vorliegender Arbeit wird folglich unter Orientalismus im weiten Sinne die Orientrezeption verstanden, d.h die westliche Erfahrung eines geographisch vage umrissenen Raums namens Orient, dem auch Ägypten und die arabisch-islamische Kultur zugerechnet werden. Orientalismus ist demnach in erster Linie als ambivalente Beziehung zwischen den beiden Kulturräumen zu fassen, die zwischen Faszination und Bedrohung oszilliert. Damit bevorzugt vorliegende Arbeit einen weiten Orientalismus-Begriff, in dem der Ägyptomanie-Diskurs inklusive der Ägyptenrezeption im biblischen Kontext als Teil des Orientalismus-Diskurses verstanden werden kann. Zugleich distanziert sie sich von Saids Konzept eines monolithischen Orientalismus, um einen umgekehrten Orientalismus zu umgehen und den Blick auf die verschiedenen Facetten der Kulturbegegnungen freizulegen. Die Analysen werden deshalb von den Reiseberichten selbst ausgehen und nicht von der allgemeinen Annahme einer hegemonialen Denkweise des Orientalismus im Sinne Saids. Ihre Überprüfung wird dann bei der Textanalyse erfolgen.

1.3 Ägyptomanie Saids Orientalismus berücksichtigt nicht, dass Ägypten im Gegensatz zu anderen orientalischen Ländern einen besonderen Stellenwert im kollektiven Gedächtnis des Abendlandes einnimmt. Assmann sieht Ägypten dagegen als konstitutiven, obschon latenten Bestandteil des europäischen Selbstverständnisses an: Es muss nicht erst entdeckt werden. Die Geschichte der Rezeption Altägyptens im Abendland versucht Assmann auf drei Ebenen zu erhellen: Ägypten als Botschaft, als Spur und als Erinnerung. Die Geschichte Ägyptens im Sinne einer Botschaft hängt mit der Geschichte des hieroglyphischen Schriftsystems zusammen, dessen Kenntnis im späten 4. Jahrhundert verschwindet. Erst 1822 wird es mit der Entzifferung der Hieroglyphen wieder präsent. In der Zwischenphase verstummt Ägypten im Sinne einer Botschaft. Als Spur und Erinnerung bleibt es aber im kulturellen Bewusstsein der Menschheit erhalten. Im kulturellen Gedächtnis des Abendlandes erfährt Ägypten somit eine mythische Qualität, die mit Ägyptoma-

102 Zum Frankenbild der Araber vgl. Mustafa Maher, Das Bild des Deutschen in der arabischen und das Bild des Arabers in der deutschen Literatur, Düsseldorf 1978; Aleya Khattab, Das Bild der Franken in der arabischen Literatur des Mittelalters, Göppingen 1989.

 1.3 Ägyptomanie 

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nie¹⁰³ bzw. Ägyptosophie¹⁰⁴ umschrieben werden kann. Assmann zufolge ist dabei den Begegnungen mit Ägypten im Sinne einer Spur eine geringere Rolle für das Selbstbild Europas zuzurechnen als den Erinnerungsbildern Ägyptens. Damit kommt Ägypten als Idee eine vorrangige Rolle im kulturellen Bewusstsein des Abendlandes zu. Hornung versteht daher unter Ägyptosophie „die Auseinandersetzung mit einem imaginären Ägypten, das als tiefste Quelle allen Geheimwissens gilt. Es geht um Ägypten als zeitlose Idee, die mit der geschichtlichen Wirklichkeit nur in einem losen Zusammenhang steht“.¹⁰⁵ Hieraus kann geschlossen werden, dass sich Ägypten als Erinnerung für Europas Selbstbild bedeutender erweist als Ägypten im Sinne einer Spur. Man kann diese Rolle nur mit der Israels und Griechenlands vergleichen. Ägypten ist ein Teil jener Vergangenheit, die das Abendland sich selber zurechnet. […] Die europäische Identität ruht […] auf zwei einander spannungsreich entgegengesetzten Fundamenten: Athen und Jerusalem, Hellas und Israel, Hellenismus und Hebraismus. Damit ist das Spektrum jedoch nicht ausgeschöpft, denn Griechenland und Israel beziehen sich beide auf Ägypten, und zwar auf eine jeweils so ausgeprägte Weise, dass diese beiden einander entgegengesetzten Ägyptenbilder in die Sinnformationen des abendländischen Geschichtsbewußtseins und Vergangenheitsbezugs einbezogen werden müssen.¹⁰⁶

Da die beiden Grundpfeiler der abendländischen Kultur, die griechisch-römische und jüdisch-christliche Tradition, in engem Bezug zum alten Ägypten stehen, ist dieses Ägypten nicht nur als Teil des Orients, sondern auch als Teil der abendländischen Kultur zu verstehen. Damit wird es im Westen auch als das Eigene und unser Ägypten angesehen, so dass Assmann feststellen kann: „Diese Tatsache unterscheidet den Fall Ägyptens grundsätzlich von dem Chinas, Indiens oder dem des ‚Orientalismus‘ im allgemeinen“.¹⁰⁷ Das Ägyptenbild der abendländischen Kultur ist somit in seiner Vielschichtigkeit nicht ohne Berücksichtigung des abendländischen Ägyptomanie-Diskurses zu erschließen, was bei Saids Orientalismuskritik jedoch nicht berücksichtigt wird. In der Zeit, in der Ägypten als Botschaft verstummt, tritt es dem Reisenden lediglich in der Gestalt gewaltiger Monumente entgegen. Die stumm gewordene Spur Altägyptens mag den Reisenden damit in Erstaunen setzen und zu wunderbaren Spekulationen einladen, sie gewährt ihnen Assmann zufolge aber keinen Zugang zu ihren Sinnformationen. Die rätselhaften monumentalen Spuren Altä-

103 Vgl. Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 475. 104 Vgl. Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 9. 105 Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 10f. 106 Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 476. 107 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 27.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

gyptens sowie die Bibel, die Schriften der Antike, die Texte der Kirchenväter und eine esoterische (neoplatonische, hermetische, gnostische und alchemistische) Tradition halten das Interesse an Ägypten im Abendland jedoch so lebendig, dass die ägyptomanen/ägyptosophen Beschäftigungen im Abendland mit Altägypten vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert als Vorstufe der Ägyptologie angesehen werden können. Diese Traditionen vermehren sich seit der Renaissance um neue Elemente, wie die hieroglyphische und hermetische Tradition, die deistische Suche nach einer Naturreligion und die antiquarische Tradition.¹⁰⁸ Letztere wird vor allem im 18. Jahrhundert durch die Reisenden mitgetragen. Sie alle vermitteln ein ambivalentes, zwischen Faszination und Ablehnung oszillierendes Ägyptenbild¹⁰⁹, welches in Begriffen, wie Ägyptomanie, Ägyptosophie, Ägyptophilie und Ägyptophobie zum Ausdruck kommt. Während erstere einen positiven Diskurs über Ägypten widerspiegeln, rekurriert letzterer zweifellos auf ein negatives Ägyptenbild. Dieses sieht Ägypten als Land der Vielgötterei, Hybris, Despotie, Zauberei und Idolatrie¹¹⁰ und wird primär durch die biblische Tradition geformt. Ihm steht als positives Bild dasjenige gegenüber, das auch die Bibel aber vor allem die Schriften der Antike vom Land am Nil vermitteln: Ägypten als Urheimat der Menschheit, Quelle aller Weisheit und Hort hermetischen Wissens.¹¹¹ Das Ägypten der Ägyptomanie ist somit vor allem das pharaonische, das griechisch-römische und das biblische Ägypten, wie es in der europäischen Kultur erinnert und reproduziert wird. Die Ägyptenrezeption versteht sich nach Assmann als Gedächtnisforschung. Sie beschäftigt sich mit der Rezeption Altägyptens im Abendland und untersucht, inwiefern das Abendland die Latenzen seines Ägyptizismus in Texten und Kunstwerken zur manifesten Erscheinung bringt. Dabei interessiert sie sich für die Erinnerungsarbeit, unberücksichtigt bleibt jedoch die Tatsache, dass die europäische Erinnerung an Ägypten auch konkrete und reale Folgen für die Beziehungen zwischen Europa und Ägypten hat. Assmann ruft mit seinem Buch Moses der Ägypter¹¹² eine vergessene Debatte um Moses und Ägypten in der europäischen Erinnerung hervor. In dieser Debatte geht es um die

108 Vgl. hierzu Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 476–487. 109 Vgl. Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 477. 110 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17–23. Hier ist die Rede von Moses dem Hebräer, der mit dem auserwählten Volk aus Ägypten zieht und die ‚erste positive‘ monotheistische Religion stiftet. Auf Ägypten werde damit all das projiziert, was Moses und sein Volk nicht sind und nicht sein wollen. So liefert der biblische Moses dem Abendland ein Ägyptenbild, das im Gegensatz zu seinen Idealen steht und von dem sich das Abendland abzugrenzen sucht. 111 Vgl. Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 9. 112 Das Buch ist 1997 zuerst englisch und 1998 in erweiterter Version deutsch erschienen. Hier wird auf die deutsche Ausgabe von 2000 Bezug genommen.

 1.3 Ägyptomanie 

 41

leitende Unterscheidung zwischen wahr und unwahr im Bereich der Religion. Diese Unterscheidung, die Assmann die Mosaische Unterscheidung nennt, kommt in der symbolischen Konstellation zwischen Israel und Ägypten zum Tragen und findet ihren symbolischen Ausdruck in der Exodus-Erzählung. Die Erinnerung an Ägypten hat innerhalb dieser Debatte zwei Funktionen. Die erste Form der Erinnerung, die Assmann Konversionserinnerung bezeichnet, führe zur „Ausbildung und Reproduktion kultureller Identität durch Abgrenzung“¹¹³, wohingegen die zweite, die dekonstruktive Erinnerung, „als ein Medium interkultureller Übersetzung umgekehrt der weltbürgerlichen Öffnung durch Entgrenzung“¹¹⁴ diene. Ägypten wird so einerseits als das Andere, als Gegenbild Israels, als verworfen und abgegrenzt, als Land der Finsternis und Lüge, der Sklaverei und Idolatrie konstruiert und repräsentiert. In der dekonstruktiven Erinnerungsform wird Ägypten dagegen als das Andere, Verdrängte, als Land der Weisheit, Wahrheit und des Kosmotheismus erinnert und repräsentiert. Vor allem in dieser zweiten Form der Erinnerung, die die Mosaische Unterscheidung bekämpft und durchlässig machen will, untersucht Assmann die Geschichte einer europäischen Erinnerung Ägyptens. Dabei versteht er die Gedächtnisgeschichte in ihrer Konzentration auf die vertikale Erinnerungslinie mit ihren (Dis-)Kontinuitäten als eine auf die Geschichte angewandte Rezeptionstheorie.¹¹⁵ Der Begriff der Rezeption ist für Assmann jedoch zu eng, um die Dynamik der kulturellen Erinnerung adäquat zu behandeln: „Die Vergangenheit wird von der Gegenwart nicht einfach ‚rezipiert‘. Die Gegenwart wird von der Vergangenheit unter Umständen ‚heimgesucht‘, und die Vergangenheit wird von der Gegenwart rekonstruiert, modelliert und unter Umständen auch erfunden“.¹¹⁶ Da es in der Gedächtnisgeschichte nicht um einfaches Überliefern und Rezipieren geht, weitet Assmann den Begriff der Rezeption aus. Er spricht von der Heimsuchung Europas durch Ägypten und Ägyptomanie und versteht darunter die europäischen Erinnerungsarbeiten an Ägypten und Ägyptens Platz innerhalb des kollektiven Gedächtnisses Europas. In der europäischen Kultur existiert somit neben anderen Ägyptenbildern „das fortwirkende Bild Ägyptens als eine[r] Vergangenheit, die auch die von Israel und Griechenland und damit auch die eigene war“.¹¹⁷ Assmann betrachtet Ägypten daher als einen Sonderfall, der sich von anderen orientalischen Ländern unterscheidet. Er schreibt Ägypten damit eine Sonderstellung zu, die nicht mit Saids Orientalismus zu fassen ist:

113 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 26. 114 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 26. 115 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 27. 116 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 27. 117 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 27.

42 

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Der Fall Ägyptens liegt ganz anders als der anderer orientalischer und exotischer Kulturen. Edward Said verkennt diese Sonderstellung, wenn er das Interesse Europas an Ägypten dem von ihm als Orientalismus bezeichneten Paradigma zuordnet. Orientalismus, nach Edward Said, ist ein von kolonialen Zielen bestimmtes Interesse an der anderen Kultur, die erforscht wird, um sie effektiver und besseren Gewissens ausbeuten zu können. Die napoleonische Expedition nach Ägypten, die wissenschaftliche, militärische und ökonomische Ziele kombinierte, gilt ihm als die Urszene des Orientalismus. Damit wird, wie bei Morenz, ein Aspekt des Phänomens grell beleuchtet, der eher untypisch ist. Natürlich hat die Ägyptologie auch den von Said beleuchteten ‚orientalistischen‘ Aspekt. Es war zweifellos richtig, sie darauf aufmerksam zu machen. Es ist auch gar nicht zu bestreiten, daß die moderne Ägyptologie in bezug auf die von ihr untersuchten Quellen zuweilen einen patronisierenden oder ironischen Ton angeschlagen hat, der ihr nicht ansteht. Ich rede aber nicht von der modernen Ägyptologie.¹¹⁸

Ägyptens Sonderstellung in der europäischen Kultur bleibt, wie Assmann feststellt, bei Edward W. Said unberücksichtigt. Said wird damit der Komplexität der Beziehung zwischen Europa und Ägypten und somit dem vielschichtigen europäischen Ägyptenbild nicht gerecht. Das europäische Interesse an Ägypten ist nicht nur kolonialistischer und imperialistischer Natur. Es ist auch integraler Bestandteil der eigenen Kultur und Identität. Jeder Versuch einer friedlichen geistigen Annäherung an Ägypten kommt daher auch einer Erkundung und einem besseren Verständnis der eigenen Geschichte und Kultur gleich. Assmann gebührt das Verdienst, an Ägyptens Sonderstellung in der europäischen Kultur zu erinnern. Einzuwenden ist jedoch, dass Assmann, ebenso wie Said, aber in umgekehrter Richtung, die Beziehung zwischen Europa und Ägypten auf einen Aspekt reduziert: nämlich auf die Idee Altägyptens im kollektiven Gedächtnis des Abendlandes. Das Ägypten des 18. bis 20. Jahrhunderts gehört jedoch vor allem zum hegemonialen Orientalismus-Paradigma. Denn seine Inbesitznahme und Ausbeutung ist alles andere als untypisch für die Beziehung Europas zum realen Ägypten. Zu denken ist an die griechisch-ptolemäische (332–30 v. Chr.) und römisch-byzantinische Inbesitznahme (30 v. Chr.–639/642 n. Chr.) Ägyptens, die Kreuzzüge gegen Ägypten, das philosophische Projekt von Leibniz¹¹⁹ zur Eroberung Ägyptens oder Napoleons Ägyptenfeldzug (1798–1801), der auch von Assmann als Gipfel europäischer Ägyptomanie/Ägyptosophie angesehen wird.¹²⁰ Wenn aber die Erinne-

118 Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 476. 119 Vgl. dazu Paul Ritter, Leibniz ägyptischer Plan, Darmstadt 1930; Ahmed Youssef, La fascination de l’Egypte. Du rêve au projet. Avec ‚Consilium Aegyptiacum‘, le texte inédit que Leibniz présenta à Louis XIV, Paris [u.a.] 1998. 120 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 39: „Die Vorstellung zweier mehr oder weniger unverbundener Wiederentdeckungen Ägyptens ist ein Irrtum. Erstens gibt es eine durch das ganze Mittelalter durchlaufende hermetische Tradition […], und zweitens gibt es

 1.4 Das biblische Ägypten  

 43

rungsarbeit an Ägypten, die Heimsuchung Europas durch Ägypten im Sinne einer Gedächtnisgeschichte, zur Motivation und Legitimation der Inbesitznahme einer Kultur, d.h. zur realen Heimsuchung Ägyptens durch Europa wird, verlässt sie den Rahmen friedlicher Ägyptomanie und ist dem hegemonialen Orientalismusdiskurs zuzuordnen. Für vorliegende Arbeit ist folglich festzustellen, dass das Ägyptenbild in der deutschen Kultur so komplex und ambivalent ist, dass seine Reduzierung auf einen Einzelaspekt, wie es bei Said und Assmann geschieht, der Komplexität nicht gerecht wird. Erst mit der Berücksichtigung der verschiedenen Ägypten-Diskurse und deren Interaktion lässt sich das deutsche Ägyptenbild in seiner Vielschichtigkeit und Polyfunktionalität adäquat erfassen. Ägypten existierte in der europäischen Kultur stets als Latenz, „bis es in der Renaissance und der Aufklärung zu einer Wiederkehr des Verdrängten kam“.¹²¹ An diesem Prozess der Wiederentdeckung wirken auch Reiseberichte mit. Die Träger der Debatte über Moses und Ägypten, die am Ende des 17. Jahrhunderts beginnt und zum Projekt der Aufklärung gehört, blicken in ihrer Suche nach einer ursprünglichen Einheit über Moses hinaus nach Ägypten zurück. Ihr Ägypten ist von der symbolischen Konstellation zwischen Israel und Ägypten bestimmt.

1.4 Das biblische Ägypten Im vorliegenden Kapitel geht es um das Ägyptenbild, das in der Bibel vermittelt wird.¹²² Hierbei soll der Einfluss bzw. die Funktion der Bibel als Subtext für die Ägyptenbilder in den deutschen Reiseberichten ermittelt werden. Im ersten Unterkapitel wird daher versucht, die im Alten und Neuen Testament vermittelten

eine bislang übersehene Phase in der Gedächtnisgeschichte Ägyptens, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnt und in Napoleons Ägyptenexpedition gipfelt“. 121 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 280. Vgl. auch ebd., S. 280f.: „Echte Entdeckungen wie die beiden Hieroglyphenbücher des Horapollon und das von Ficino übersetzte Corpus Hermeticum, archäologische Funde und Reiseberichte wirken zusammen mit kontinuierlichen Überlieferungsketten, um einen Paradigmenwechsel zuwege zu bringen, der sich als ‚Wiederkehr des Verdrängten‘ beschreiben läßt“. 122 Vgl. dazu u.a. auch Hermann J. Heyes, Bibel und Ägypten, Münster 1904; Pierre Montet, Das alte Ägypten und die Bibel, Zürich 1960; André Parrot, Das Alte Ägypten und die Bibel, Zürich 1960; Magnus Magnusson, Auf den Spuren der Bibel, Gütersloh 1978; Otto F. A. Meinardus, Die Heilige Familie in Ägypten, Kairo 1988; Schoole Mostafawy, Die Flucht nach Ägypten, Frankfurt am Main [u.a.] 1998; Wolfgang Boochs, Ägypten und die Bibel, Langwaden 1999; Wolfgang Boochs, Die Flucht nach Ägypten, Grevenbroich 2000; Martin Hasitschka, Ägypten im Neuen Testament. In: Protokolle zur Bibel, 10 (2001), S. 75–83; Lucette Valensi, La fuite en Égypte, Paris 2002; Wolfgang Boochs (Hg.), Geschichte und Geist der koptischen Kirche, Heimbach/Eifel 22009.

44 

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Ägyptenbilder zu skizzieren. Dabei geht es auch darum, welche Rolle Ägypten im Selbstverständnis der christlichen Welt einnimmt. Im zweiten Unterkapitel wird dann mit Assmann nach dem Ort Ägyptens im kollektiven Gedächtnis Europas gefragt.

1.4.1 Die Ägyptenbilder des Alten und Neuen Testaments Im Folgenden werden vor allem die biblischen Ägyptenbilder skizziert, die in den Reiseberichten wieder auftauchen. Es handelt sich dabei um die Geschichte Abrahams, Josefs, Moses und der Heiligen Familie. Positive Konnotationen erhält das Land am Nil in der Abrahamerzählung. Es wird als fruchtbares, reiches und weise regiertes Land gezeichnet, das Abraham und seiner Frau Zuflucht gewährt: „Als über das Land eine Hungersnot kam, zog Abram nach Ägypten hinab, um dort zu bleiben; denn die Hungersnot lastete schwer auf dem Land“.¹²³ Ägypten wird hier implizit als Kornkammer gezeichnet – als Land, in dem Wohlstand und Reichtum herrschen, aber auch Weisheit und Gerechtigkeit. Denn Abraham, so erzählt die Bibel, gibt seine Frau Sara aus Furcht vor den Ägyptern als seine Schwester aus. Der Pharao aber, der von Saras Schönheit gefesselt ist und sie zur Frau nimmt, gibt sie Abraham zurück, als er von den wahren Familienverhältnissen erfährt, und lässt beide mit ihrem Reichtum ziehen.¹²⁴ Ägypten übernimmt in dieser Geschichte eine rettende Rolle. Es wird als Zufluchtsort vor einer Hungersnot dargestellt und als locus paradisicus gezeigt.¹²⁵ Die Darstellung als Kornkammer und fruchtbares Land, das vor Hungersnot Zuflucht gewährt, entwickelt sich zu einem Topos im Alten Testament.¹²⁶ Ägypten übernimmt des Weiteren eine wichtige Rolle bei der Darstellung Abrahams als Stammvater vieler Völker. Als Sara die ägyptische Magd Hagar, die Mutter von Abrahams erstem Sohn Ismael,¹²⁷

123 Genesis 12, 10. Die Zitate folgen der Einheitsübersetzung: Neue Jerusalemer Bibel. Mit dem Kommentar der Jerusalemer Bibel, hg. von A. Deissler, A. Vögtle, J. M. Nützel, 6. Aufl., Freiburg/ Basel/Wien 1985. 124 Vgl. Genesis 12, 10–13, 2. 125 Vgl. z.B. Genesis 13, 10: „Lot blickte auf und sah, daß die ganze Jordangegend bewässert war. Bevor der Herr Sodom und Gomorra vernichtete, war sie bis Zoar hin wie der Garten des Herrn, wie das Land Ägypten“. 126 Vgl z.B. Genesis 26, 1–8 oder Genesis 42, 1–3. 127 Vgl. Genesis 16, 1–15: „Sarai, Abrams Frau, hatte ihm keine Kinder geboren. Sie hatte aber eine ägyptische Magd namens Hagar. Sarai sagte zu Abram: Der Herr hat mir Kinder versagt. Geh zu meiner Magd! Vielleicht komme ich durch sie zu einem Sohn. Abram hörte auf sie. […] Hagar gebar dem Abram einen Sohn, und Abram nannte den Sohn, den ihm Hagar gebar, Ismael“.

 1.4 Das biblische Ägypten  

 45

aus dem Land vertreiben will, fügt sich Abraham dem göttlichen Plan, der Ismael zu einem großen Volk zu machen verspricht: Gott aber sprach zu Abraham: Sei wegen des Knaben und deiner Magd nicht verdrossen! Hör auf alles, was dir Sara sagt! Denn nach Isaak sollen deine Nachkommen benannt werden. Aber auch den Sohn der Magd will ich zu einem großen Volk machen, weil auch er dein Nachkomme ist. […] Gott war mit dem Knaben. Er wuchs heran, ließ sich in der Wüste nieder und wurde ein Bogenschütze. Er ließ sich in der Wüste Paran nieder, und seine Mutter nahm ihm eine Frau aus Ägypten. (Genesis 21, 12–21).

Später werden sich die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam auf Abraham als Stammvater berufen. Daher finden sich in der abendländischen Kultur zur Bezeichnung der Araber bzw. Muslime neben Sarazenen, Mauren, Mohammedaner und Türken weitere Benennungen, wie Ismaeliten und Hagarener/Hagariten.¹²⁸ Ein positives Ägyptenbild wird auch in der Josefsgeschichte gezeichnet: Ägypten als Land der Fruchtbarkeit und des Wohlstandes, aber auch der Weisheit und guten Regierung. Hinzu kommt die Rolle Ägyptens für die Identitätskonstitution des auserwählten Volkes Israel. Josef gelangt als Sklave nach Ägypten und wird an einen Hofbeamten des Pharao verkauft. Durch seine Klugheit und Geschicklichkeit gelingt es ihm, am Hof des Pharao eine unvergleichliche Karriere zu machen. Denn: „Der Herr war mit Josef, und so glückte ihm alles“.¹²⁹ Josefs Weisheit und Erfolg sind das sichtbare Zeichen der Allmacht Gottes, deren Überlegenheit an einem Land demonstriert wird, das für seine Weisheit bekannt ist. Denn die Weisen Ägyptens können den Traum des Pharao nicht deuten. Josef aber gelingt die Traumdeutung mit Gottes Hilfe: „Josef antwortete dem Pharao: Nicht ich, sondern Gott wird zum Wohl des Pharao eine Antwort geben“.¹³⁰ Josefs Plan, die angekündigte Hungersnot im Lande zu bewältigen, lässt ihn als klugen und weisen Mann erkennbar werden. So beauftragt der Pharao Josef mit der Umsetzung des Plans und macht ihn zum zweitmächtigsten Mann in Ägypten. Er verheiratet ihn auch mit einer ägyptischen Frau, von der er zwei Söhne haben wird. In dieser Erzählung wird der Topos aktiviert, der Ägypten als Land der Weisheit sieht. Dass die Ägypter bei der Traumdeutung an die Grenzen ihrer Weisheit stoßen, ist jedoch nicht als Bruch mit dem weisheitlichen Diskurs Ägyptens zu verstehen. Vielmehr wird dieser sogar verstärkt und bewiesen. Denn Gottes Allmacht und

128 Vgl. Karl-Heinz Ohlig, Hinweise auf eine neue Religion in der christlichen Literatur ‚unter islamischer Herrschaft‘?. In: Karl-Heinz Ohlig (Hg.), Der frühe Islam, [Berlin] 2007, S. 225ff. 129 Genesis 39, 2. 130 Genesis 41, 16.

46 

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Weisheit tritt ja gerade dann deutlich hervor, wenn sie sich an einem allen überlegenen Land manifestiert. Festzuhalten ist damit zum einen, dass die Josefsgeschichte ein positives Bild von Ägypten als Wunschland transportiert: Ägypten als Land der Fruchtbarkeit und des Wohlstandes, in dem Josef Zuflucht findet, sowie nach ihm seine Brüder, sein Vater und sein ganzes Volk, das wegen der Hungersnot nach Ägypten zieht. Zum anderen wird Ägypten als Land der Weisheit gezeichnet, an dem der Gott der Israeliten seine Überlegenheit demonstriert. Damit wird Ägypten zum Ausgangspunkt israelitischer Identitätsbildung. Denn die Weisheit des hebräischen Gottes triumphiert über die Weisheit der Ägypter und deren Götter. Diesen Aspekt akzentuiert Kessler, der Ägypten als integralen Bestandteil der Identitätsbildung und des Selbstverständnisses der Israeliten beschreibt: Kein fremdes Volk spielt für das Selbstverständnis der Hebräischen Bibel eine solche Rolle wie das Großreich vom Nil. Ohne das Ursprungsgeschehen des Auszugs aus Ägypten und ohne die alles überragende Gründerfigur des Mose ist die Identität Israels nicht denkbar. Die Tora als Grunddokument dieses Selbstverständnisses bräche in ihrer Konstruktion zusammen, wollte man Ägypten und Mose aus ihr entfernen. Eine vergleichbare Bedeutung kommt aus der Sicht der Hebräischen Bibel keinem anderen Volk zu, und dies, obwohl in der Geschichte Israels im 1. Jt. v.Chr. – der Zeit also, in der die alttestamentlichen Texte entstehen – Aramäer, Assyrer und Babylonier, Perser und Griechen eine weitaus prägendere Rolle spielen als die Ägypter.¹³¹

Denn der Gott Israels, der im Verlauf der Identitätsbildung und des Selbstverständnisses Israels zu dem einzigen und dem einen Gott wird, „neben dem es keine anderen Götter gibt […], bleibt zugleich immer der Gott Israels, der sein Volk aus Ägypten herausgeführt hat. So wird Ägypten in das monotheistische Bekenntnis eingeschrieben“.¹³² Dabei kommt Kessler zu dem Schluss, dass es „nicht das Ägyptenbild der Hebräischen Bibel“, sondern „viele Bilder“¹³³ gibt, die sich in drei Diskurse zusammenfassen lassen: den außenpolitischen, den Exodus- und den weisheitlichen Diskurs. Im weisheitlichen¹³⁴ Diskurs trifft man ein positives Ägyptenbild an, das einen neugierigen Blick auf eine andere Kultur verrät. Ägypten wird dabei als weises, klug regiertes und fruchtbares Land der Zuflucht¹³⁵ gezeigt. Es ist ein „Land weiser und damit lebenserhaltender Regierung und deshalb immer auch ein Land der Zuflucht, bis ins Neue Testament

131 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 9. 132 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 9. 133 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 154. 134 Vgl. Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 129–153. 135 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 12: „Da auch in der Josephsgeschichte weisheitliche Momente eine bedeutende Rolle spielen, könnte man hier –

 1.4 Das biblische Ägypten  

 47

hinein“.¹³⁶ Neben dieses positive Bild, wie es beispielsweise in der Abraham- und Josefsgeschichte vermittelt wird, tritt ein negatives Bild, das sich aus der ExodusErzählung nährt. Denn hierin wird Ägypten als Sklavenhaus dargestellt, aus dem Gott sein erwähltes Volk führt: „Die Israeliten stöhnten noch unter der Sklavenarbeit; sie klagten, und ihr Hilferuf stieg aus ihrem Sklavendasein zu Gott empor. Gott hörte ihr Stöhnen, und Gott gedachte seines Bundes mit Abraham, Isaak und Jakob“.¹³⁷ Die Rettung der Israeliten beginnt mit der Berufung von Mose, dem Gott seinen Ratschluss kundtut: „Geh, versammle die Ältesten Israels, und sag ihnen: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, ist mir erschienen und hat mir gesagt: Ich habe sorgsam auf euch geachtet und habe gesehen, was man euch in Ägypten antut. Darum habe ich beschlossen, euch aus dem Elend Ägyptens hinaufzuführen […] in ein Land, in dem Milch und Honig fließen“.¹³⁸ Der Exodusdiskurs¹³⁹ zeichnet folglich ein negatives Ägyptenbild, das von zwei Elementen bestimmt wird. Zum einen wird Ägypten als das Sklavenhaus dargestellt, aus dem der hebräische Gott sein erwähltes Volk herausführt. Zum anderen kann Ägypten auch „als Hort der Idolatrie gelten, aus dem Israel hätte ausziehen sollen“.¹⁴⁰ Neben diesen beiden Ägyptenbildern existiert ein dritter Blick auf Ägypten, der außenpolitische Diskurs, der das zeitgenössische Ägypten im Blick hat¹⁴¹. Dabei wird das Land am Nil als unzuverlässiger Bündnispartner dargestellt, von dem keine Hilfe zu erwarten ist, und als hybride Großmacht, die den Plänen des hebräischen Gottes Jahwe entgegensteht. Hierbei wird Ägypten zur Projektionsfläche für innerisraelitische Probleme umfunktioniert. Dabei geht es zum einen um die Frage, wer Schutz bietet: Ägypten mit seiner hybriden Großmacht oder Jahwe. Die Hinwendung zu Ägypten wird als Abkehr von Jahwe interpretiert und somit abgelehnt. Zum anderen wird das Eingreifen Ägyptens in die Geschichte Israels als Eingreifen in die göttlichen Pläne Jahwes interpretiert. Obgleich in diesem Diskurs immer wieder vom zeitgenössischen Ägypten die Rede ist, geht es dennoch primär um das Schicksal der Israeliten. Ägypten fungiert dabei als Projektionsfläche und Spiegel für das Selbstbild der Israeliten und ihre Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal.

im Gegensatz zum Bild der Exodusüberlieferung – von einem weisheitlichen Ägyptenbild sprechen“. 136 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 154. 137 Exodus 2, 23–24. 138 Exodus 3, 16–17. 139 Vgl. Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 91–128. 140 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 154. 141 Vgl. Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 12 und S. 14– 90.

48 

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Das Neue Testament¹⁴² vermittelt dagegen ein eindeutig positives Bild: Ägypten wird hier als das Land gezeichnet, das der Heiligen Familie Zuflucht gewährt. Das Land am Nil ist damit nicht nur der privilegierte Zufluchts- und Aufenthaltsort der Propheten Abraham, Jakob und Josef mit dem Volk Israel sowie von Moses, sondern auch der Heiligen Familie. Josef erhält nämlich den göttlichen Befehl, mit Jesus und Maria vor Herodes zu fliehen und in Ägypten Zuflucht zu suchen: Als die Sterndeuter wieder gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh nach Ägypten; dort bleibe, bis ich dir etwas anderes auftrage; denn Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten. Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten. (Mt 2, 13–14).

Dort hält sich die Heilige Familie bis zum Tode des Herodes auf: „Denn es sollte sich erfüllen, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen“.¹⁴³ Durch die Flucht nach Ägypten findet das göttliche Wort seine Erfüllung. Damit stellt Ägypten einen integralen Bestandteil des Selbstverständnisses nicht nur des Judentums, sondern auch des Christentums dar. Der genaue Aufenthaltsort der Heiligen Familie ist nicht bekannt, beschäftigt jedoch die Menschen aller Zeiten. So taucht in den Reiseberichten immer wieder die Frage nach dem Aufenthaltsort der Heiligen Familie auf. Im Laufe der Zeit etablieren sich unter den Einheimischen Mythen und Legenden, deren Echo auch in den deutschen Ägyptenreiseberichten zu vernehmen ist. So befindet sich in Alt-Kairo beispielsweise die koptische Kirche Abu Sarga (St. Georg). Vor ihrem Altar führen Stufen in eine kleine Krypta hinunter. Diese Höhle soll einer der Aufenthaltsorte der Heiligen Familie gewesen sein. Eine andere Station der Heiligen Familie, die in kaum einem Reisebericht fehlt, ist der Balsamgarten in Matarieh bei Heliopolis. Weitere Themen der Reiseberichte sind ägyptische Heilige und Mönche, das Christentum in Ägypten (griechische Melkiten und ägyptische Kopten) und das Leben der Christen im islamischen Ägypten. Diese Schilderungen sind maßgeblich daran beteiligt, ein biblisch-christliches Ägyptenbild im deutschen Kulturraum zu konstituieren. Daneben findet sich im Neuen Testament auch eine Reak-

142 Vgl. hierzu Otto F. A. Meinardus, Die Heilige Familie in Ägypten, Kairo 1988; Joachim Kügler, Mose – Josef – Jesus. Ägypten im Neuen Testament. In: Bibel Heute, 133 (1998), S. 141–142; Martin Hasitschka, Ägypten im Neuen Testament. In: Protokolle zur Bibel, 10 (2001), S. 75–83. Der Ländername Ägypten, der im AT und v.a. in der Exodustradition eine wichtige Rolle spielt, kommt im Neuen Testament nur an wenigen Stellen vor. 143 Mt 2, 15. Zum Prophetenwort vgl. Hosea 11, 1.

 1.4 Das biblische Ägypten  

 49

tivierung des weisheitlichen Diskurses, wie z.B. die Apostelgeschichte zeigt. Denn hier wird auf Mose und Ägypten Bezug genommen und festgestellt, dass Mose in der ägyptischen Weisheit unterrichtet sei. Diese Stelle ist, Ebeling zufolge, entscheidend für den weisheitlichen Ägyptendiskurs des Abendlandes, da sich „zahlreiche Vorstellungen von einer esoterischen, d.h. verborgenen und nicht in der Oberfläche sichtbaren philosophia perennis, die der jüdisch-christlichen und der ägyptisch-hermetischen Weisheit zugrunde liegen, […] aus diesem Motiv“¹⁴⁴ speisen. Jan Assmann setzt sich in seinem Buch Moses der Ägypter gerade mit diesem Themenkomplex auseinander und fragt danach, welche Bedeutung und Funktion Ägypten im kollektiven Gedächtnis Europas bei der Wahrheitsfindung im Bereich der Religion einnimmt.

1.4.2 Assmanns Mosaische Unterscheidung Die Unterscheidung, um die es in diesem Buch geht, ist die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr in der Religion. […] Ich möchte die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr im Bereich der Religion die ‚Mosaische Unterscheidung‘ nennen, weil die Tradition sie mit Moses verbindet. (Jan Assmann).¹⁴⁵

Assmanns Mosaische Unterscheidung ist die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr in der Religion. Dadurch wird nicht nur eine Welt konstruiert, „die voller Bedeutung, Identität und Orientierung, sondern auch voller Konflikt, Intoleranz und Gewalt ist. Deshalb hat es auch nie an Versuchen gefehlt, die Unterscheidung rückgängig oder zumindest durchlässig zu machen und dadurch den Konflikt zu überwinden“.¹⁴⁶ Assmann stellt fest, dass sich für Moses „keine Spuren seiner irdischen Existenz außerhalb der Tradition nachweisen lassen“.¹⁴⁷ Er sei deshalb „eine Figur der Erinnerung, aber nicht der Geschichte“¹⁴⁸ und trete damit in Gegensatz zu Echnaton (Amenophis’ IV). Echnaton sei zwar der erste gewesen, der eine monotheistische Religion gründete. Sie stiftete jedoch keine Tradition, da sie nach seinem Tod verdrängt und vergessen wurde. Erst im 19. Jahrhundert sei Echnaton wieder entdeckt worden. Somit sei er „eine Figur der Geschichte, aber

144 Florian Ebeling, Das Geheimnis des Hermes Trismegistos. Geschichte des Hermetismus von der Antike bis zur Neuzeit, München 2005, S. 64f. 145 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17. 146 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17. 147 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17f. 148 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 18.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

nicht der Erinnerung“.¹⁴⁹ Damit wird die Erinnerungsarbeit an einem Ereignis fokussiert, das eine Unterscheidung auslöst, Konstruktionen hervorruft und darüberhinaus Tradition stiftet. Durch die Mosaische Unterscheidung ist, Assmann zufolge, der Raum des (jüdisch-christlich-islamischen) Monotheismus geschaffen: „Es handelt sich um einen geistigen oder kulturellen Raum, der durch diese Unterscheidung konstruiert und von Europäern nunmehr seit fast zwei Jahrtausenden bewohnt wird“.¹⁵⁰ Es geht somit weder um eine reale Welt noch um einen realen Moses. Es geht in der Folge auch nicht um ein reales Ägypten. Vielmehr zielt diese Unterscheidung auf erinnerte und auf Erinnerung basierende Konstruktionen und Repräsentationen, die über ihre Verfasser und deren Zeit und Kultur mehr verraten als über Ägypten. Diesen Erinnerungsarbeiten an der Gedächtnisspur Moses in der europäischen Kultur geht Assmann in seiner Studie nach.¹⁵¹ Wenn er dabei schreibt „Aber die leitende Unterscheidung ist die zwischen wahrer Religion und Götzendienst“¹⁵², dann verortet er die Mosaische Unterscheidung im Bereich der Religion, zwischen Monotheismus und Polytheismus bzw. Kosmotheismus. Einen Ausdruck der Mosaischen Unterscheidung sieht Assmann in der Exoduserzählung. Ägypten mit seinem Bildkult wird darin nämlich „zum Symbol des Ausgegrenzten, Verworfenen, religiös Unwahren und zum Inbegriff des ‚Heidentums‘“.¹⁵³ Daraus schlussfolgert Assmann: „Die ganze Konstellation von Israel und Ägypten ist symbolisch und steht für eine ganze Reihe von Unterscheidungen und Gegensätzen“.¹⁵⁴ Ägypten wird damit als Symbol, als Chiffre für eine projizierte Welt voller Ängste, Wünsche und Träume verstanden. Assmann geht zudem davon aus, dass Kulturen in ihrer Auseinandersetzung mit anderen Kulturen sowohl Fremdheit als auch „Techniken der Übersetzung“¹⁵⁵ erzeugen, die interkulturelle Kommunikation über die Grenzen konstruierter Unterscheidungen und kultureller Andersheit hinaus ermöglichen. Zu diesen Kulturtechniken der Übersetzung gehören, so Assmann, auch die antiken Polytheismen. Der Ethnozentrismus der Stammesreligionen sei durch diese polytheistischen Religionen überwunden worden, da ihre Gottheiten kosmisch und somit international waren.¹⁵⁶ Fungierten also polytheistische Religionen, denen der Begriff „einer

149 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 18. Vgl. auch ebd., S. 47–54. 150 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 18. 151 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 26: „Diese Studie nimmt sich vor, die Geschichte einer europäischen Erinnerung Ägyptens zu untersuchen“. 152 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 21. 153 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 20. 154 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 21. Vgl. auch ebd., S. 24–26. 155 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 18. Vgl. auch ebd., S. 73–82. 156 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 19 und S. 74.

 1.4 Das biblische Ägypten  

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unwahren Religion vollkommen fremd“¹⁵⁷ sei, als Medium interkultureller Übersetzung, so blockiere der durch die Mosaische Unterscheidung neu entstandene Religionstyp, den Assmann Gegenreligion nennt, interkulturelle Übersetzbarkeit, weil er alles, was außerhalb seiner selbst liegt, als Heidentum ausgrenzt. Damit wirkt er „nicht als Medium interkultureller Übersetzung; ganz im Gegenteil […] als ein Medium interkultureller Verfremdung“.¹⁵⁸ Daraus ergibt sich die Frage, ob die religiöse Intoleranz erst mit dem durch die Mosaische Unterscheidung neu entstandenen Religionstyp, dem Monotheismus entstanden sei. In seinem Schlusswort stellt Assmann dezent fest: „Von Ägypten aus betrachtet sieht es so aus, als sei mit der Mosaischen Unterscheidung die Sünde in die Welt gekommen“.¹⁵⁹ Assmanns Mosaische Unterschiedung löst in der Folge eine umfangreiche Debatte aus.¹⁶⁰ Als Kritikpunkt wird vom Religionswissenschaftler Kessler zum Beispiel die Toleranzfrage ins Feld geführt: Wäre es historisch nicht verfehlt, „die Frage von Polytheismus und Monotheismus mit der Frage von Intoleranz und Toleranz in eins zu setzen, wie es Jan Assmann in seinem Moses-Buch suggeriert“?¹⁶¹ Dabei ist in Bezug auf die Ausrichtung vorliegender Arbeit auch die Frage interessant, ob die Konstellation von Monotheismus und Polytheismus von der Konstellation zwischen Israel und Ägypten im Exodusdiskurs des Alten Testaments abzuleiten ist. Kessler ist der Ansicht, dass Assmanns Annahme in diesem Sinne nicht an der Hebräischen Bibel festgemacht werden kann. Zwar räumt er ein, dass in der Bibel eine Mosaische Unterscheidung anzutreffen sei und dass dem Volk Israel in seiner Verehrung des einen und einzigen Gottes Jahweh eine monotheistische Vorstellung zugrunde liegt, wodurch sich Israel von der polytheistischen Umwelt und damit auch von Ägypten abgrenze. Kessler verortet diese Mosaische Unterscheidung aber nicht im Bereich der Religion, wie Assmann, sondern im Bereich der Macht und Herrschaft. Die Mosaische Unterscheidung ist, Kessler zufolge, einerseits „die Unterscheidung zwischen einer Außenpolitik, die auf JHWH vertraut, und einer Politik, die ihre Sicherheit aus dem Bündnis mit Ägypten

157 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 19. 158 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 20. Zum Begriff der Gegenreligion vgl. ebd., S.20. 159 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 282. 160 Als Reaktion auf diese Debatte veröffentlicht Jan Assmann 2003 die Schrift: Die Mosaische Unterscheidung. Oder der Preis des Monotheismus, worin er die wichtigsten kritischen Beiträge aufnimmt. Kritikpunkte sind u.a. die Frage nach der Verklärung des Polytheismus und die Toleranzfrage. Als Reaktion auf die Kritik bezieht Jan Assmann nun seinerseits Position. Vgl. Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung. Oder der Preis des Monotheismus, München 2003. 161 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 155.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

sucht“.¹⁶² Andererseits ist sie „die Unterscheidung zwischen Unterdrückung und Versklavung durch die pharaonische Staatsmacht und Befreiung der hebräischen Sklaven im Dienst an ihrem Gott JHWH“.¹⁶³ Dass Israel mit seiner monotheistischen Vorstellung sich von der polytheistischen Umwelt abgrenzt, ist für Kessler eine Tatsache. Er geht aber davon aus, dass „diese spezielle Abgrenzung in den Ägyptendiskursen des Alten Testaments praktisch keine Rolle“¹⁶⁴ spiele. Damit ist im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse vorliegender Arbeit festzuhalten, dass Ägypten „als Inbegriff der Unwahrheit, andererseits als Ursprung der Wahrheit in Anspruch genommen werden“¹⁶⁵ kann. Auf der Landkarte der Erinnerung steht Ägypten somit für Finsternis und Lüge, Israel dagegen für die Wahrheit. Ägypten wird als Gegenbild Israels konstruiert. Mit seiner Idolatrie steht es für das Alte, für eine überwundene Vergangenheit. Israel steht dagegen für das Neue, für eine (Wunsch-)Zukunft. Die Erinnerung an Ägypten dient somit nach Assmann zum einen der Unterscheidung zwischen Götzendienst und wahrer Religion. Diese Funktion nennt er Konversionserinnerung. Die Erinnerung an Ägypten dient zum anderen aber auch „jedem Versuch einer Kritik der Mosaischen Unterscheidung“.¹⁶⁶ Diese Funktion nennt Assmann dekonstruktive Erinnerung. Ägypten wird in diesem Diskurs positiv als Wiege der Wahrheit und Weisheit dargestellt. Und Moses wird als ägyptischer Priester verstanden, der in die Geheimnisse und Weisheiten der Ägypter eingeweiht ist. Diese neue Konstruktion Ägyptens, die ihre Blüte im 17. und 18. Jahrhundert erlebt und die sich auf Entdeckungen (vermeintlich) ägyptischer Weisheiten im Lauf der europäischen Geschichte gründet, muss notwendigerweise den durch die Mosaische Unterscheidung entstandenen Raum erschüttern. Im Diskurs der Aufklärung werden die Ägypter als ‚Spinozisten‘ und ‚Kosmotheisten‘ betrachtet. Der antike Kosmotheismus wurde als Grundlage für Toleranz und interkulturelle Übersetzung wiederentdeckt. Im Diskurs der Aufklärung wurde er als eine internationale und interkulturelle Mysterienreligion nach Art der Freimaurerei rekonstruiert.¹⁶⁷

Das Ägyptenbild in der europäischen Erinnerungsarbeit erweist sich somit als ambivalent. In der Konversionserinnerung hat es negative Züge: Ägypten als Land

162 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 155. 163 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 155. 164 Rainer Kessler, Die Ägyptenbilder der Hebräischen Bibel, Stuttgart 2002, S. 155. Vgl. hierzu auch S. 91–128. 165 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 25. 166 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 25. 167 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 26.

 1.5 Komponenten des Ägyptensbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch 

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der Sklaverei, Idolatrie und Unwahrheit, als Symbol für das Alte, die überwundene und zu überwindende Finsternis. Diese Form der Erinnerung dient der Ermahnung und Warnung vor einem Rückfall. Sie dient aber auch der Identitätsbildung durch Abgrenzung. Die dekonstruktive Erinnerung zeichnet hingegen ein positives Ägyptenbild: Ägypten als Land der Wahrheit, der Weisheit und des Kosmotheismus, als Symbol für eine Wunschwelt, in der alle Unterscheidungen aufgehoben werden können, und für eine weltbürgerliche Öffnung durch Entgrenzung.

1.5 Komponenten des Ägyptensbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch 1.5.1 Ägyptens Selbst- und Fremdbild Die Identität Ägyptens weist eine vielschichtige und komplexe Struktur auf, in der eigene und fremde Elemente eine wichtige Rolle spielen. Mit der Frage nach Ägyptens Identität und Selbstverständnis setzen sich die ägyptischen Intellektuellen Gamal Hamdan und Milad Hanna auseinander. Der Geograph Hamdan stellt dabei eine Ägyptisierung, Arabisierung und Europäisierung der ägyptischen Identität im Laufe der Geschichte fest. Als Hauptbestandteile identifiziert er die afrikanische, asiatische, mediterrane und nilotische Komponente. Diese vier Dimensionen formen und färben in unterschiedlichem Maße die Identität Ägyptens. Und so kristallisieren sich vier Dimensionen in der Orientierung Ägyptens: Die Asiatische und die Afrikanische auf der kontinentalen Ebene, die Nilotische und die Mediterrane auf der regionalen Ebene. Es ist jedoch offensichtlich, dass diese Dimensionen sich meistens überlagern, wie das bei der Nilbezogenen und der Afrikanischen Dimension beispielsweise der Fall ist. Darüberhinaus greifen alle in den großen arabischen Rahmen ein. […] Jede dieser vier Dimensionen zog Ägypten von Zeit zu Zeit in deren Ausrichtung, bildete und färbte dessen Identität in unterschiedlichem Grade.¹⁶⁸

Milad Hanna spricht dagegen von den sieben Säulen der ägyptischen Identität.¹⁶⁹ Für ihn stellt Ägypten eine Kette aus aufeinander folgenden, übereinander liegen-

168 Gamal Hamdan, šahṣiyyat miṣr, [Die Identität Ägyptens], Kairo 1967, S. 191f. Vgl. dazu auch ebd., S. 188–218. 169 Vgl. Milad Hanna, al-’acmida as-sabca li-š-šahṣiyya al-miṣriyya [Die sieben Säulen der ägyptischen Identität], Kairo 1989, S. 44f.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

den Zivilisationsschichten dar. In Ägypten, das ihm als eine der ältesten Menschheitszivilisationen gilt, kann bis heute eine unermessliche Menge an Altertümern verschiedener Zeiten erblickt werden. Was Ägypten aber angeht, […] so stellt es wahrlich das Weltmuseum und die älteste schriftlich überlieferte Zivilisation dar, die die Menschheit jemals gekannt hat, und wir halten es hier für das Museum der ganzen Welt, weil es wirklich eine Kette aus aufeinanderliegenden und -folgenden Zivilisationsschichten bildet (Layers of Civilisation one top of each eather).¹⁷⁰

In seiner Studie fragt Hanna nach dem Einfluss dieser Zivilisationsschichten auf die Persönlichkeitsbildung der Ägypter. Dabei unterscheidet er vier historische und drei geographische Schichten der ägyptischen Zivilisation. Die historischen Schichten machen ihm zufolge die pharaonische, griechisch-römisch-byzantinische, christlich-koptische und arabisch-islamische Zivilisationsschicht aus. In diesem Entwicklungsprozess nimmt Ägypten drei verschiedene Sprachen (Altägyptisch bis Koptisch, Griechisch, Arabisch) und Religionen (polytheistische Religionen, Christentum, Islam) an. Zu diesen vier historischen kommen drei geographische Säulen der ägyptischen Identität hinzu. Diese entspringen der besonderen Lage Ägyptens, welches dadurch zum arabischen, mediterranen und afrikanischen Raum zugehörig angesehen wird. In seiner Aufschlüsselung der einzelnen Säulen ägyptischer Identität vergisst Hanna nicht, auf die besonderen Konstitutionen und persönlichen Zugehörigkeiten jedes Individuums hinzuweisen.¹⁷¹ Denn die Spuren dieser sieben Säulen der ägyptischen Identität würden für jede ägyptische Person je nach individueller Ausrichtung in unterschiedlichem Maß relevant. Sie stellen die Quellen der kulturellen Werte Ägyptens dar, die mit Alexander Thomas¹⁷² als Quellen des ägyptischen Orientierungssystems bezeichnet werden können, und spielen somit eine nicht unbeachtliche Rolle in den interkulturellen Interaktionen zwischen Fremden und Ägyptern. Dabei zeigt Hanna, auf welchen Säulen die ägyptische Identität aufbaut und welchen Zugehörigkeiten Ägypten verpflichtet ist. Darüber hinaus unterstreicht er die Vielfalt in der Einheit, wenn er dem Individuum seine Einzigartigkeit zuspricht. Hanna zufolge ist derjenige Mensch erfolgreich und zivilisiert, der die verschiedenen

170 Milad Hanna, [Die sieben Säulen der ägyptischen Identität], Kairo 1989, S. 18ff.; vgl. auch ebd., S. 14. 171 Vgl. dazu Milad Hanna, [Die sieben Säulen der ägyptischen Identität], Kairo 1989, S. 20ff. Vgl. auch ebd., S. 101–167. 172 Vgl. dazu Alexander Thomas, Interkulturelle Kompetenz. Grundlagen, Probleme und Konzepte. In: Erwägen Wissen Ethik, 14/1 (2003), S. 137–150 und Alexander Thomas [u.a.] (Hg.), Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation, 2 Bände, Göttingen 22007.

 1.5 Komponenten des Ägyptensbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch  

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Zugehörigkeiten seiner Kultur und seiner Subkulturen gleichermaßen pflegt und sie zu harmonisieren weiß. In der Mono-Zugehörigkeit sieht er hingegen den Nährboden für Fanatismus und Terrorismus.¹⁷³ Das Selbstbild Ägyptens setzt sich somit aus geographischen, historischen, religiösen und sprachlichen Teilaspekten zusammen und spiegelt sich auch im Fremdbild Ägyptens, d.h. darin, wie Ägypten von Angehörigen anderer Kulturen repräsentiert wird. Denn die geographischen wie auch historischen, religiösen und sprachlichen Identitätsschichten bestimmen auch den Kontext, in dem sich die Ägyptenreise der Angehörigen des deutschen Kulturraumes vollzieht und vollziehen kann. Reisten Egeria, Paula und der Pilger von Piacenza auf den Spuren der Bibel in einem römisch-byzantinisch-christlichen Ägypten, so erleben die europäischen Reisenden ab 639/42 ein anderes Ägypten. Denn seit Ägypten Teil des arabisch-islamischen Reiches ist, gewinnt es neue Züge, die seither einen integralen Bestandteil der ägypischen Identität ausmachen. Arabisch wird zur Muttersprache der Ägypter, der Islam zur Staatsreligion. Das Christentum ist seitdem die Religion der größten Minderheit im Land, gefolgt vom Judentum als zweitgrößter Minderheit. Juden und Christen wird, da sie im Islam als Schriftbesitzer (ahl al-kitâb) angesehen werden, der sog. Dhimmi-Status zuerkannt. Damit gelten sie unter der damaligen islamischen Herrschaft als Schutzbefohlene, die gegen Entrichtung einer Kopfsteuer den Schutz des Staates genießen und ihre Religion frei ausüben können. Das orientalische, afrikanisch-asiatisch-levantinische Ägypten wandelt sich zu einem arabisch-islamischen Land, in dem sich alte und neue Identitätszüge vermischen: Das neue Ägypten ist ein pharaonisch-griechisch-römisch-byzantinisch-arabisches Land mit Islam als Hauptreligion sowie Christentum und Judentum als Ko-Religionen. Es erlebt viele islamische Herrscher und Dynastien, wobei es unter manchen Dynastien – Kalifenzeit (639–661), Umayyaden (661–750), Abbasiden (750–868/905–935), Osmanisches Reich (ab 1517) – die Provinz eines großen Reiches, unter anderen dagegen – Tuluniden (868–905), Ichschididen (935–969), Fatimiden (969–1171), Ayyubiden (1171–1250), Mameluken (1250–1517), Mohammad Ali (1805–1849) – eine Großmacht bildet, die große Teile des nahen und mittleren Ostens (Syrien/Palästina, arabische Halbinsel, Jemen und Sudan) unter sich vereint. Auch das Fremdbild Ägyptens umfasst damit verschiedene Teilaspekte eines mit unterschiedlichen Bezügen versehenen Ganzen. Es sind dies Elemente des mediterranen, nahöstlichen, afrikanischen und asiatischen

173 Milad Hanna, [Die sieben Säulen der ägyptischen Identität], Kairo 1989, S. 132: „Diejenige Person aber, die sich nur auf eine einzige Zugehörigkeit beschränkt und konzentriert, wird meistens dadurch zum Fanatismus verleitet und geht möglicherweise irre. Möglicherweise ist die Tendenz zu Gewalt und Terrorismus auf diesem Weg der Mono-Zugehörigkeit zu finden“.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Raumes, der pharaonischen, griechisch-römisch-byzantinischen und arabischen Kultur, poly- und monotheistischer Religionen sowie der altägyptischen, koptischen, griechischen und arabischen Sprachgemeinschaften. In den Einzelanalysen wird daher nach den unterschiedlichen Komponenten des Ägyptenbildes zu fragen sein sowie nach ihrer Interaktion und Gewichtung. Dabei werden vor allem die drei Bildbereiche des biblischen, pharaonischen und orientalischen Ägypten beleuchtet werden, die in der Zusammenschau von Hannas und Hamdans Ausführungen als grundlegende Elemente von Ägyptens Selbst- und Fremdbild anzusehen sind.

1.5.2 Beschreibungsschemata und methodisches Vorgehen Ein systematischer Sachkatalog über die Themen der deutschen Ägyptenreiseberichte ist von Khattab bereits für das Mittelalter erstellt worden. Sie greift dabei auf das länderkundliche Darstellungsschema von Alfred Hettner (1859–1941) zurück, um das Ägyptenbild in den Reiseberichten systematisch zu erschließen.¹⁷⁴ Es umfasst charakterisierende Bausteine zur topo- und ethnographischen Darstellung Ägyptens, wie Landesnatur, Bevölkerung, städtische Siedlungen, Wirtschaft und Verkehr.¹⁷⁵ Den Ursprung dieses länderkundlichen Schemas sieht Justin Stagl in den Beschreibungsanweisungen der apodemischen Schriften, die „als die frühmoderne Vorform der Methodik der empirischen Sozialforschung“¹⁷⁶ angesehen werden können. Stagl zufolge beziehen sich die Apodemiken auf alte, vorhandene Beschreibungsmuster der Antike, des Mittelalters, der Frühen

174 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 41ff. 175 Es beinhaltet folgende Aspekte: I. Landesnatur: 1. Lage, Ausdehnung, Grenzen, Größe; 2. Geographie und Ethnographie (Wüste, Araber in der Wüste, Sinai-Berg und seine religiöse Bedeutung); 3. Klima und Witterung; 4. Gewässer und Wasserhaushalt (Nil, Rotes Meer); 5. Pflanzenwelt (Balsam, Paradiesäpfel, Pharaos Feigen, Datteln, u.s.w.); 6. Tierwelt (Kamel, Giraffe, Elephant, Krokodil, Vögel, Pferde, Hühner, usw.). II. Bevölkerung: 1. Rassen und Völker; 2. Religionen (Christentum: Katharinenkloster, Balsamgarten; Islam); 3. Wesen der Bevölkerung; 4. Soziale Struktur (Sklavenverkauf); 5. Geistige Kultur und Bildung (Pyramiden, arabische Sprache, Allgemeines) und 6. Regierung/Politik (Sultan, Mameluken). III. Städtische Siedlungen (Kairo, Alexandrien). IV. Wirtschaft/Verkehr: 1. Wasserversorgung und landwirtschaftliches Betriebsbild (Nil); 2. Viehhaltung; 3. Fischerei; 4. Bodenschätze (Holz, Korallen, Edelsteine); 5. Gewerbe und Handwerk (Handel, Köche, Ziegelstreicher, Wasserträger, Salzgewinnung); 6. Handel und 7. Verkehr. Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 43f. 176 Justin Stagl, Ars apodemica. Bildungsreise und Reisemethodik von 1560 bis 1600. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 174. Vgl. auch ebd., S. 178.

 1.5 Komponenten des Ägyptensbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch  

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Neuzeit, der Rhetorik und sogar der arabischen Geographie, wobei Herodot, Pausanias und Strabo exemplarische Geltung genießen. Sie greifen dabei auf die Muster der Städte- und Länderbeschreibung (Städte- und Länderlob), der ars epistolaria und der staatsbeschreibenden Literatur (z.B. Aristoteles) zurück. Die antike medizinische Literatur (z.B. Hippokrates) wird über die Klimatheorie Bodins integriert. Ein wichtiger Impuls für die Integration dieser Schemata und die Systematisierung der Örtlichkeitsbeschreibung stammt vom Venezianer Giovanni Battista Ramusio, der das System der arabischen Länderkunde vermittelt: Im Vorwort zum zweiten Band seiner Navigationi et viaggi empfiehlt dieser ein arabisches Schema der Örtlichkeitsbeschreibung als ‚ordine veramente bellissimo‘. Dieses umfaßt (1) die Namen, (2) die Geschichte anhand der maßgeblichen Autoren und (3) die Lage, das Klima, das Territorium sowie eine gedrängte Beschreibung der wichtigsten lokalen Phänomene.¹⁷⁷

An diesem Beschreibungsschema orientieren sich apodemische Autoren wie Turler, Zwinger und Pyrkmair.¹⁷⁸ Von diesen apodemischen Schriften, die das Reisen methodisieren und systematisieren, werden die Reisenden und damit auch die Reiseliteratur seit Mitte des 16. Jahrhunderts direkt oder indirekt beeinflusst. Martina Lehner fasst die typischen Merkmale des topo- und ethnographischen Beschreibungsschemas von Ländern und Städten, welches im Reisebericht in leicht modifizierter Form wiederzufinden ist, folgendermaßen zusammen: Zu den drei Bestandteilen eines Reiseberichtes, die im 16. und 17. Jahrhundert als konstitutiv angesehen wurden, gehörte neben historischer Erzählung und dem Schwerpunkt vita et mores auch die klassische Städtebeschreibung. Schon die Antike hatte für das Städtelob ein detailliertes Muster vorgegeben, und Reisende der Frühen Neuzeit folgten nun ihrem Bildungsstand gemäß den literarischen Vorbildern. Als Ausgangspunkt einer Städtebeschreibung wählte man naheliegenderweise topographische Informationen: wie den Fluß, der sie flankierte, oder ihre Lage auf einem Hügel, die Berge ihrer Umgebung etc. Dann setzte man am besten mit Historiographischem fort: erwähnte den Gründer der Stadt, beschrieb ihr wechselvolles Schicksal und die letzthin erbrachten Leistungen auf zivilem oder militärischem Gebiet. An die Huldigung – (wahlweise) ihrer Größe, Schönheit oder Bedeutung – schloß sich gewöhnlich eine detaillierte Beschreibung an, während eine allfällige Sage den Exkurs gefällig abschloß.¹⁷⁹

177 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 179. 178 Vgl. hierzu Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 179f. 179 Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 23.

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 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Auch Chatzipanagioti-Sangmeister setzt sich mit den typischen Beschreibungsschemata in der Reiseliteratur auseinander und gelangt über eine historische Analyse relevanter Schemata bis ins 18.  Jahrhundert zu einem prototypischen Modell der topo- und ethnographischen Darstellung des griechischen Siedlungsraums, welches in abgewandelter Form auch für die Darstellung Ägyptens in der deutschen Reiseliteratur übernommen werden kann. Der prototypische Reisebericht beinhaltet laut Chatzipanagioti-Sangmeister folgende Elemente: Abreise – Hin-/Rückreise  – Ankunft  – Beschreibung von Ankunftsort und Bewohner.¹⁸⁰ Dieses Strukturschema, das vor allem Reiseberichte kennzeichnet, die dem Itinerarprinzip folgen, wiederholt sich im Text je nachdem, wie oft der Reisende an Reisestationen ankommt. Wichtige Orte beanspruchen dabei größeren Raum im Bericht.¹⁸¹ Das von Chatzipanagioti-Sangmeister ermittelte Darstellungsschema erinnert an das länderkundliche Beschreibungsschema von Hettner/Khattab. Es besteht auch aus einem topo- und ethnographischen Teil. Der topographische Teil beschreibt die Stadt als Raum.¹⁸² Der ethnographische Teil nennt dagegen die Bewohner, deren Namen, Aussehen sowie geistige und moralische Eigenschaf-

180 Vgl. Julia Chatzipanagioti-Sangmeister, GRAECIA MENDAX. Das Bild der Griechen in der französischen Reiseliteratur des 18. Jahrhunderts, Wien 2002, S. 63–142. I. Abreise: 1. Zeitpunkt, 2. Ort der Abreise, 3. Zielort, 4. Mitreisende bzw. Reisegesellschaft, 5. Ziel der unternommenen Reise am jeweiligen Ankunftsort, 6. Verkehrsmittel, 7. Absprache mit den Personen, die für das benutzte Verkehrsmittel zuständig sind, 8. Für die Abreise günstige oder ungünstige Wetterverhältnisse, 9. Abschied von Freunden oder Bekannten und 10. Erinnerungen an erwähnenswerte Momente der Vergangenheit vor der Abreise. II. Die Reise: 1. Das Wetter während der Hinreise, 2. Sicherheit: Unwetter, Seesturm, Krankheiten und Epidemien, Land- und Seeräuber, Seuche, Zollbeamte und Soldaten; 3. Umgebende Landschaft; 4. Reisemodalitäten: Lebensumstände während der Hinreise (hauptsächlich bei Reisen mit dem Schiff); Umgang mit den übrigen Reisenden, mit den Seeleuten bzw. mit dem Begleitpersonal (Janitscharen, Maultiertreiber, Köche); alltägliches Leben (Schlafmöglichkeiten, hygienische Einrichtungen, Knappheit der Vorräte, Diebstähle) und 5. Dauer der Hinreise. III. Ankunft: 1. Zeitpunkt; 2. Ankunftsort; 3. Kontakt mit einheimischen und ausländischen Amtsträgern (Zoll- und Administrationsbeamte, Botschafter bzw. Konsule, Hafenarbeiter, ansässige Missionare, prominente Personen, an die man durch ein Schreiben empfohlen ist) und IV. Darstellung des Ankunftorts und seiner Bewohner (topo- und ethnographischer Teil). 181 Vgl. Julia Chatzipanagioti-Sangmeister, GRAECIA MENDAX, Wien 2002, S. 140f. 182 Vgl. Julia Chatzipanagioti-Sangmeister, GRAECIA MENDAX, Wien 2002, S. 134ff. Dazu gehören Name, Lage, Geschichte, Umgebung, Klima, Größe, (Vergleich mit anderen Städten), Stadtansicht (verschiedene Perspektiven), Abgrenzung (Vorstädte, Mauern, Tore), Einteilung (Alt-/ Neustadt, Burg, Bezirke), Straßen, Brücken, öffentliche Plätze, Märkte, Promenaden, Hafen, Arsenal, Paläste, religiöse, öffentliche oder private Gebäude, Altertümer, Ruinen, Friedhöfe.

 1.5 Komponenten des Ägyptensbildes: pharaonisch, biblisch, orientalisch  

 59

ten.¹⁸³ Die Darstellungsmodelle von Hettner/Khattab und Chatzipanagioti-Sangmeister werden auch vorliegenden Analysen zugrunde gelegt. In der Adaption auf den Untersuchungsgegenstand der Arbeit sieht das Beschreibungsschema dabei folgendermaßen aus: 1. Topographischer Teil bzw. Beschreibung des Ortes als Raum: Name, Lage, Ausdehnung, Grenzen, Größe, Geschichte, Beschaffenheit, Wüste und Gewässer; Klima und Witterung, Flora und Fauna; Abgrenzung und Einteilung (Vorstädte, Mauern, Tore, Alt-/Neustadt, Burg, Bezirke); Straßen und Brücken, Panorama-Ansicht der Stadt, öffentliche Plätze und Märkte, Hafen und Arsenal, Paläste, religiöse Bauwerke, öffentliche Gebäude und private Häuser, Friedhöfe, Altertümer und Sehenswürdigkeiten. 2. Ethnologischer Teil bzw. Beschreibung der Bevölkerung: Rassen und Völker (Name, Zahl, Aussehen, Wesen, Charakter); Soziale Struktur (Herrscher, Volk, Sklaven, Fremde, wie Kaufleute und Konsuln); Politik (Regierung, Finanzen, Justiz, Militär, Sultan, Beamte und Mameluken); Religion und Religiosität (Muslime, Juden, Christen); Geistige Kultur (Bildung, Sprache, Künste, Wissenschaft und Technik); Lebensart (Ernährung, Kleidung, Lebensweise, Freizeit, Festtage, Sitten und Gebräuche); Wirtschaft (Viehhaltung, Fischerei, Bodenschätze, Handel, Gewerbe, Handwerk) und Verkehr sowie städtische Siedlungen (Kairo, Alexandrien, Rosette und Damiette). Dieses Darstellungsschema ist weder als hierarchisch noch als starr zu verstehen. Es dient vielmehr der allgemeinen Orientierung und systematischen Erschließung. Dabei will es keinen Sachkatalog der in den Reiseberichten behandelten Themen erstellen. Vielmehr dient es dazu, eine Hintergrundfolie zu entwickeln, um Themen und Sachverhalte zu vergleichen. Es beinhaltet zudem die sieben geographischen und historischen Dimensionen der Identität Ägyptens. In der Zusammenschau mit Hamdans und Hannas Ausführungen kann das Darstellungsschema somit in drei Teilaspekte gegliedert werden: 1. Pharaonisches Ägypten: Pharaonen, Pyramiden, Obelisken, Mumien, Sphinx 2. Biblisches Ägypten: Abraham, Joseph, Moses und Jesus in Ägypten, die Heilige Familie in Ägypten, Klöster, Kirchen, Mönche und Heilige, Christen und Juden in Ägypten

183 Dieser Teil umfasst Namen und Eigenschaften des Volkes, Zahl, Gewerbe, Religion, Bildung, Sprache, Leistungen (Wissenschaft, Technik, Kunst), Ernährung, Kleidung, Lebensweise, Freizeit, Sitten, Feste, Regierung, Finanzen, Justiz und Militär sowie Fremde in der Stadt; vgl. Julia Chatzipanagioti-Sangmeister, GRAECIA MENDAX, Wien 2002, S. 138ff.

60 

3.

 1 Theoretische und methodische Grundlagen

Orientalisches Ägypten: Dieser Bildbereich beinhaltet die übrigen Elemente des topo- und ethnographischen Darstellungsschemas, vor allem die des arabisch-islamischen Ägypten Bei der Analyse des deutschen Ägyptenreiseberichts werden diese drei Aspekte in den Mittelpunkt rücken. Denn es wird danach gefragt, wie Ägypten im deutschen Reisebericht erinnert und dargestellt wird. Mit der Analyse der pharaonischen, biblischen und orientalischen Bildelemente wird damit auch die Stellung des transportierten Ägyptenbildes im Spannungsverhältnis von Ägyptomanie und Orientalismus zu beleuchten sein. Aufgrund der Erkenntnis, dass die Sichtweise auf den Anderen bestimmten Denk- und Wahrnehmungsmustern der eigenen Kultur folgt, sind dabei auch Rückschlüsse auf den Reisenden und seine Zeit intendiert.

2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur In vorliegendem Kapitel soll ein Überblick über die deutschen Ägyptenreiseberichte gegeben werden, die im zweiten Teil der Studie unter Einbezug biobibliographischer Nachschlagewerke, relevanter Sekundärliteratur und Reisesammlungen ermittelt wurden. Die Auswertung des Verzeichnisses, das deutsche Ägyptenreiseberichte von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts umfasst, fokussiert dabei zunächst die Sprache der Berichte, ihre Verteilung auf die Jahrhunderte sowie das Geschlecht der Reisenden. Mit dem Überblick über Ägyptens Geschichte und Reisewege soll im Anschluss der Rahmen abgesteckt werden, in dem die deutschen Ägyptenreiseberichte zu verorten sind. Der Blick auf Geschichte und Infrastruktur vermag nämlich zu klären, in welchem Kontext sich die Ägyptenreise vollzieht und vollziehen kann. Er ermöglicht zudem Erkenntnisse darüber, weshalb nur bestimmte Reiserouten benutzt werden und weshalb sich die Berichte auf ausgewählte Gebiete konzentrieren. Und schließlich trägt er auch dazu bei, einen Überblick über die ermittelten Reiseberichte zu geben, der Zusammenhänge verdeutlicht und zeitspezifische Besonderheiten beleuchtet. Im dritten Unterkapitel werden die ermittelten Reiseberichte schließlich entsprechend der beschriebenen Route untersucht. Dabei geht vorliegende Studie davon aus, dass Reiseroute und Komposition des Reiseberichts geeignete Parameter darstellen, um die Reiseberichte zu klassifizieren und bestimmten Modellen zuzuordnen. Da nämlich die meisten Reiseberichte dem Itinerarprinzip verpflichtet sind, wird die Reiseroute zu einem wichtigen Organisations- und Aufbauprinzip bei der Komposition des Berichts und ermöglicht es somit, Zusammenhänge zu verdeutlichen, Variationen zu beleuchten und typische Aufbaumuster zu bestimmten Zeiten zu erklären. Das zweite Kapitel schafft somit die Grundlage für die Auswahl der Ägyptenreiseberichte, die in den folgenden Kapiteln analysiert werden sollen.

2.1 Deutsche Ägyptenreiseberichte Die deutschen Ägyptenreiseberichte seit dem Mittelalter sind vor allem in deutscher Sprache, aber auch auf Latein oder in modernen Fremdsprachen überliefert. Zu den deutschsprachigen Reisebeschreibungen des Mittelalters zählen z.B. die Reiseberichte von Lorenz Egen (1385), Johannes Schiltberger (1394–1427), Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433–1434), Martin Ketzel (1476), Sebald Rieter d. J. (1479–1480), Hans Tucher (1479–1480) und Arnold von Harff (1496–1498). In lateinischer Sprache sind dagegen die Beschreibungen von Magister Thietmar (1217), Oliver von Paderborn (1219–1221), Rudolf von Frameynsberg (1346), Paul

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

Walther von Guglingen (1481–1483), Martin von Baumgarten (1507–1508), Georg von Gaming (1507–1508) und Jodocus von Meggen (1542) überliefert. Andere Reiseberichte sind sowohl auf Latein als auch in deutscher Übersetzung vorhanden. Hierbei sind u.a. Burchard von Straßburg (1175), Burchardus von Monte Sion (1283/1285), Wilhelm von Boldensele (1332–1336), Ludolf von Sudheim (1336– 1341/1350) und Bernhard von Breydenbach (1483–1484) zu nennen. Felix Fabri (1483–1484) hingegen verfasst seine Berichte auf Latein und Deutsch. Und der lateinische Reisebericht von Georg Christoph Fernberger (1588) ist erst 1999 aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt worden. In Ergänzung zu Khattabs Pionierarbeit, die die gedruckten deutschsprachigen Reisebeschreibungen des Mittelalters untersucht und ebenfalls sowohl deutschsprachige als auch ins Deutsche übersetzte Reisebeschreibungen berücksichtigt, kann hierbei der Katalog der mittelalterlichen Reiseberichte um folgende neu ermittelte erweitert werden: den urprünglich in lateinischer Sprache verfassten und ins Deutsche übersetzten Bericht von Burchard von Straßburg (1175) sowie die in deutscher Sprache überlieferten Reisebeschreibungen von Johann von Bodman (1376–1377), Peter Sparnau (1385), Ulrich Leman (1472–1478) und Wolf von Zülnhart (1495–1496). Weiterhin sind Reiseberichte zu nennen, die von Reisenden deutscher Provenienz in modernen Fremdsprachen verfasst sind. So ist z.B. der Reisebericht von Nicolaus Christoph von Radziwill (1583) ursprünglich in polnischer Sprache verfasst. Polnisch erscheint er jedoch erst 1607, nach seiner lateinischen (1601) und deutschen (1603) Übersetzung. Der Freiherr Christoph Harant von Polschiz und Weseriz (1598) veröffentlicht seine Reiseschrift 1608 auf Böhmisch (Tschechisch). Eine deutsche Übersetzung stammt aus dem Jahr 1678. Und der Straßburger Sebastian Schach publiziert seinen Reisebericht auf Französisch (1604). Französisch sind auch die Reiseberichte von Johann Michael Wansleben¹ (1664–1674) und Wolfradine Auguste Luise von Minutoli (1820–1821). In italienischer Sprache erscheinen die Reiseberichte von Hans Christoph von Teufel (1588) und Johann Michael Wansleben² (1664–1674). Und in englischer Sprache sind die Berichte von Hornemann (1797–1798) und Burckhardt (1809–1817) publiziert. Mit der Bezeichnung deutsche Ägyptenreiseberichte fasst vorliegende Arbeit somit Reiseberichte von Angehörigen des deutschen Kulturraumes. Im engeren Sinne handelt es sich dabei um deutschsprachige Reiseberichte. In einem weiteren Sinne sind jedoch auch solche Berichte berücksichtigt, die von Reisenden deutscher Provenienz auf Latein oder in modernen Fremdsprachen abgefasst sind, „ohne daß ihnen

1 Die zweite Ägyptenreise wird in französischer Sprache herausgegeben. 2 Die erste Ägyptenreise wird zunächst in italienischer Sprache publiziert. Die deutsche Fassung erscheint erst 1779.

 2.1 Deutsche Ägyptenreiseberichte 

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dadurch die Zugehörigkeit zur ‚deutschen Literatur‘ streitig gemacht werden sollte“.³ Im zweiten Teil vorliegender Arbeit werden 144 Reiseberichte über Ägypten ermittelt, die im Zeitraum vom 12. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts von Reisenden deutscher Provenienz verfasst sind. Davon stammen 28 Berichte aus dem Mittelalter, 30 aus dem 16. Jahrhundert, 22 aus dem 17., 11 aus dem 18. und 53 Berichte aus dem 19. Jahrhundert. Es handelt sich vor allem um authentische bzw. autoptische Reiseberichte. Nur vereinzelt werden Hinweise auf Reisen, (verschollene) Manuskripte und Fragmente aufgenommen, um das Bild zu ergänzen. Vereinzelt finden auch Reiseführer und fiktive Reisen Berücksichtigung. Diese Zahlen können – mit der nötigen Vorsicht – somit als Indikatoren für die Reisebewegung und -freudigkeit deutscher Reisender nach Ägypten gelten. In erster Linie sind die deutschen Ägyptenreiseberichte aber neben der Bibel, den Schriften der Antike, der Kirchenväter und der Reisenden des ersten Jahrtausends sowie der Übersetzungstätigkeit und des mündlich tradierten Wissens die maßgeblichen Quellen des Wissens über Ägypten für Europa. Sie leisten damit auch über die Jahrhunderte hinweg einen nicht unbedeutenden Beitrag zur Ausbildung bestimmter Vorstellungen über Ägypten in der deutschen Literatur und Kultur. Die Analyse der deutschen Ägyptenreiseberichte lässt somit auch Rückschlüsse auf den deutschen Kulturraum in der Begegnung mit Ägypten zu. Aus dem Mittelalter sind 28 Reiseberichte überliefert. Der Schwerpunkt liegt mit 9 bzw. 15 Reisebeschreibungen im 14. und 15. Jahrhundert. Die Mehrheit der Reiseberichte dieser Zeit gehören dabei in den Kontext der Jerusalempilgerfahrt. Denn die Pilger stellen die größte Gruppe der Ägyptenreisenden dar. Zu ihnen gesellen sich Gesandte, Kreuzfahrer, Kaufleute und Kriegsgefangene. Hiervon gibt es zwar nur wenig Zeugnisse. Dennoch weisen sie auf Reisediskurse und Begegnungsformen zwischen deutschen Reisenden und Ägypten außerhalb der Pilgerfahrt hin. Die deutschen Pilger bereisen hauptsächlich Unterägypten und die Sinaihalbinsel, d.h. Alexandrien, Damiette, Nildelta, Kairo und den Sinai. Ihr erklärtes Hauptziel ist der Besuch der heiligen Stätten in Ägypten, wo sich laut biblischer Tradition viele alttestamentalische Heilsgeschichten ereignet haben. Ägypten als Zufluchtsort der Heiligen Familie, Wiege des Mönchtums und Schauplatz von Heiligenlegenden bietet dem christlichen Pilger einen weiteren Rechtfertigungsgrund für eine Ägyptenreise, die sich in den ermittelten Reiseberichten oft als Teil einer Jerusalempilgerfahrt gestaltet. Eine Betrachtung des mittelalterlichen Ägyptenreiseberichts wird daher in erster Linie im Kontext der

3 Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht, Frankfurt a.M. 1989, S. 9. Vgl. hierzu auch Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 33.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

Pilgertradition erfolgen. Nach dieser ersten Hochblüte im Spätmittelalter geht die Ägyptenreise – wohl auch aufgrund des Rückgangs der Pilgerfahrt im Allgemeinen – in der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts erheblich zurück. Von den 30 ermittelten Reiseberichten des 16. Jahrhunderts gehen 25 Berichte auf Reisen zurück, die zwischen 1550 und 1598 stattfinden. Zudem kann festgestellt werden, dass der Ägyptenreisebericht im Zeitraum von 1550 bis 1639 mit 41 überlieferten Berichten seine größte Blütezeit seit den Anfängen erfährt. Diese Zahl übertrifft sowohl die Reiseberichte des Mittelalters (28 Berichte) als auch die Reiseberichte der nachfolgenden Periode von 1660 bis 1799 (17 Berichte). Erst in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgt mit 53 Berichten eine neuerliche Blütezeit. Gründe für diese Entwicklung des deutschen Ägyptenreisediskurses können sowohl historischer als auch geistiger Natur sein. Daher muss die Betrachtung des Ägyptenreiseberichts ab dem 16. Jahrhundert neben dem Kontext der Pilgerfahrt auch verstärkt weitere Kontexte einbeziehen. Betrachtet man die ermittelten Reiseberichte hinsichtlich des Geschlechts der Reisenden bzw. der Reiseautoren, stellt man fest, dass sich unter den deutschen Ägyptenreiseberichten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine weiblichen Reiseautoren finden. Der deutsche Reisediskurs über Ägypten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erweist sich als eine ausschließlich männliche Domäne. Ägyptenreiseberichte von Frauen deutscher Provenienz begegnen uns erst ab dem Ende des 18. und vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Von den 144 ermittelten Reiseberichten stammen nur vier von Frauen. Als erste Ägyptenreisende bzw. -reiseautorin in der deutschen Reiseliteratur kann die Schweizerin Regula Engel von Langwies angesehen werden, die ihren Ehemann auf dem französischen Ägyptenfeldzug (1798–1801) begleitet. Nach ihr kommen weitere Frauen aus dem deutschen Kulturraum ins Land am Nil, wie Wolfradine Auguste Luise von Minutoli (1820–1821), Ida Pfeifer (1842) und Ida von Hahn-Hahn (1843–1844). Mit ihren Ägyptenreiseberichten begründen sie das weibliche deutsche Ägyptenbild. Seitdem erfreut sich der deutsche Reisediskurs über Ägypten einer Bereicherung durch den weiblichen Blick. Die lange Dominanz des männlich geprägten Reisediskurses kann jedoch als Hinweis auf Kulturwerte und Geschlechterrollen innerhalb des deutschen Kulturraumes verstanden werden. Als weibliches Ideal wird nämlich in erster Linie die Erfüllung der Pflichten als Hausfrau und Mutter gesehen: „In der Frühen Neuzeit auf eine Reise zu gehen, bedeutete für Frauen eine Überschreitung der gesellschaftlichen Normen, die für die Frau hauptsächlich ein Leben im Haus, auf Mann und Kinder bezogen, vorsahen“.⁴

4 Sabine Holländer, Reisen – die weibliche Dimension. In: Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 189.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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2.2 Kulturkontakte und Reisewege 2.2.1 Geschichte und Kulturkontakte Mit dem Überblick über Ägyptens Geschichte⁵ soll im Folgenden der Rahmen abgesteckt werden, in dem die deutschen Ägyptenreiseberichte zu verorten sind. Dabei sind historische Hintergründe ebenso zu berücksichtigen, wie Kulturkontakte und Handelspolitik. Denn sie bestimmen den Kontext, in dem sich die Ägyptenreise von Reisenden deutscher Provenienz vollzieht. Ihre Kenntnis ist damit für ein umfassendes Verständnis der Reiseberichte unabdingbar. Eine Analyse der ermittelten Ägyptenreiseberichte vor diesem Hintergrund verfügt damit über den Vorteil, nicht nur zeitspezifische Besonderheiten beleuchten, sondern auch Zusammenhänge verdeutlichen und so die Orientierung erleichtern zu können. Ägypten blickt auf eine sehr alte und glanzvolle Vergangenheit zurück. Die altägyptische Kultur umfasst verschiedene Dynastien, die von der Früh- (2950– 2640) bis in die Spätzeit (715–332 v. Chr.) reicht, in der Ägypten schließlich in Kleinstaaten geteilt und von fremden Völkern wie Assyrern, Libyern, Äthiopiern und Persern beherrscht wird.⁶ Hierauf folgen weitere Epochen unter fremder Regentschaft: Griechen/Ptolemäer und Römer/Byzantiner, Araber, Mamluken und Türken, Franzosen und Engländer herrschen abwechselnd im Land, bis Ägypten nach der Revolution von 1952 wieder von Ägyptern regiert wird.⁷ Neben

5 Vgl. hierzu Abbas Amin, Ägypten. In: Alexander Thomas [u.a.] (Hg.), Handbuch Interkulturelle Kommunikation und Kooperation. Bd. 2, Länder, Kulturen und interkulturelle Berufstätigkeit, Göttingen 2007, S. 220–223. 6 Frühzeit (2950–2640), altes Reich (2640–2134), erste Übergangszeit (2134–2040), mittleres Reich (2040–1650), zweite Zwischenzeit (1650–1555), neues Reich (1551–1070), dritte Übergangsperiode (1070–715) und Spätzeit (715–332). Vgl. hierzu Erik Hornung, Einführung in die Ägyptologie, Darmstadt 2004, S. 117–132 und S. 162f. 7 Die direkten europäischen Einflüsse beginnen mit der griechisch-römisch-byzantinischen Periode (332 v. Chr.–639/642 n.Chr.). Sie setzen sich im Mittelalter mit den Kreuzzügen und in der Neuzeit mit Napoleons Ägyptenfeldzug (1798–1801) fort. Sie finden ihren Höhepunkt in der britischen Besetzung Ägyptens (1882) und enden offiziell nach der Revolution der Freien Offiziere (1952). Die ausländischen Interventionen und die britischen Eingriffe in die moderne Geschichte Ägyptens behindern das Land jedoch in seiner Entwicklung. Zu jener Zeit kristallisieren sich in Ägypten zwei politische Strömungen gegen die Fremdherrschaft heraus: die Nationalpartei und die Umma-Partei (später Wafd-Partei). Der Nationalpartei liegt die Ideologie des PanIslamismus zugrunde, die sich für die Vereinigung der islamischen Länder unter osmanischer Schirmherrschaft ausspricht. Die Umma-Partei hingegen stellt den ägyptischen Nationalismus in den Mittelpunkt. Nach ihrer Auffassung kann die Unabhängigkeit Ägyptens nur durch die Lösung gesellschaftspolitischer bzw. wirtschaftlicher Probleme und die damit einhergehende Stärkung auf internationaler Ebene erreicht werden. Dabei prägen drei unterschiedliche Ideolo-

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

den sichtbaren Spuren der altägyptischen Kultur, die deutsche Reisende zum Staunen bringen und europäische Intellektuelle zu visionären Interpretationen verführen, ist hierbei zum einen die koptische Kultur zu nennen. Sie beginnt mit dem Einzug des Christentums in Ägypten in römischer Zeit.⁸ Mit dem Konzil von Chalkedon (451 n. Chr.) erfolgt der Bruch mit den orthodoxen und katholischen Kirchen. Die ägyptische Kirche entwickelt sich in der Folge trotz der Unterdrückung durch Byzanz als selbständiger Zweig weiter.⁹ Das christlich-koptische Ägypten mit seinen mönchischen Traditionen u.a. in der nitrischen Wüste, Oberägypten, am Roten Meer und im Sinai begründet das Bild vom frommen Ägypten. Da Ägypten Schauplatz biblischer Heilsgeschichte und Geburtsland des Mönchtums ist, nimmt das Land im kollektiven Gedächtnis der europäischen Christenheit einen besonderen Ort ein, was europäische und deutsche Pilger auch zu einer Ägyptenreise bewegt. Der biblischen Pilgertradition ist es daher zu verdanken, dass das Ägyptenbild seit dem Frühchristentum bis zum 17. Jahrhundert im Abendland lebendig bleibt, wie die europäischen und deutschen Reiseberichte bezeugen. Als maßgeblicher Teil der ägyptischen Identität ist zum anderen die islamisch-arabische Kultur zu nennen. Ihre Anfänge gehen auf die Jahre 639/642 zurück, als die muslimischen Araber die Byzantiner besiegen und Ägypten in das arabisch-islamische Reich eingliedern. Arabische Stämme siedeln sich in der Folge im Land am Nil an, bringen eine neue Kultur, Sprache und Religion mit und legen dadurch den Grundstein für die islamisch-arabisch-ägyptische Identität. Es entstehen neue Kulturzentren, die besonders das Stadtbild von Kairo bis heute entscheidend prägen. So entsteht z.B. 643 n. Chr. nördlich von Babylon das neue Stadtviertel al-Fustât, in dessen Nachbarschaft im 9. Jahrhundert unter den Tuluniden das neue Stadtzentrum al-Qata’i und in den Jahren 969/73 unter den Fatimiden das heutige Kairo (al-Qâhira) gegründet wird. Name, Größe und Stadtviertel Kairos sind typische Themen im Reisebericht, wie aus den Analysen hervorgehen wird. Während Ägypten unter den Dynastien der Umayyaden (661–750), Abbasiden (750–868/905–935) und Osmanen (seit 1517) zur Provinz eines islamischen Großreiches degradiert wird, gelangt es unter den Dynastien

gien die zeitgenössische Politik: die sozialistische Phase unter Nasser (1952–1970), die Phase der Öffnungspolitik unter Sadat (1971–1981) und die Phase der Liberalisierung und Privatisierung unter Mubarak (1981–2011). 8 Die Verkündung des neuen Glaubens soll auf St. Markus zurückgehen; vgl. Emma BrunnerTraut, Die Kopten, München 1993, S. 16. 9 Vgl. Emma Brunner-Traut, Die Kopten, München 1993, S. 48. Als Grund der Spaltung gilt die Uneinigkeit bei der Frage nach der göttlichen und menschlichen Natur in Jesus Christus. Unionsversuche zwischen der ägyptischen und der römisch-katholischen Kirche werden seit 1442 unternommen.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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der Tuluniden (868–905), Ichschididen (935–969), Fatimiden (969–1171), Ayyubiden (1171–1250) und Mameluken (1250–1517) zu seiner alten Größe zurück und vereint unter sich große Gebiete von Syrien/Palästina bis zum Jemen. In diesen Zeiten entwickelt sich Ägypten zu einem führenden Zentrum islamischer Kultur und bestätigt diesen Status durch die Gründung der Al-Azhar Moschee und Lehrstätte (10. Jh.) sowie durch die Verteidigung des islamischen Reiches gegen die Kreuzfahrer und die Mongolen.¹⁰ Im Kontext vorliegender Arbeit ist dabei auch die Tatsache hervorzuheben, dass während dieser selbständigen Dynastien das Heilige Land meist unter ägyptischer Herrschaft steht. Dies trägt zum einen dazu bei, dass deutsche Pilger oftmals zunächst nach Ägypten reisen, um Schutzbriefe zu erhalten, bevor sie das Heilige Land bereisen. Es trägt zum anderen aber auch dazu bei, dass das Land am Nil durch die Pilgertradition und die Kreuzzüge stärker denn je ins europäische Bewusstsein drängt. Ägypten wird daher von den deutschen Reiseautoren auch als Großmacht, als Hüter des islamischen Reiches gegen die Kreuzfahrer und im Geiste der Kreuzzüge als Hauptfeind der Christenheit und Europas repräsentiert. Dieses Bild dominiert bis zur Eingliederung Ägyptens ins Osmanische Reich (1517), das Ägypten als Großmacht ablöst und nun stellvertretend für die islamische Welt und Ägypten als Erzfeind des christlichen Abendlandes stilisiert wird. Die Kulturkontakte zwischen Ägypten und Europa vollziehen sich des Weiteren über Handel, Diplomatie und kriegerische Auseinandersetzungen. Denn mit dem Erstarken von Saladin, der ein großes ägyptisches Reich gründet, richtet sich der Kampf der Kreuzfahrer nun auch gegen Ägypten. Friedrich Barbarossa versucht zunächst, diplomatische Beziehungen mit Saladin aufzunehmen. Hiervon zeugt der Reisebericht von Burchard von Straßburg (1175). Einen weiteren Meilenstein diplomatischer Beziehungen markiert die erfolgreiche Diplomatie von Kaiser Friedrich II. (1211–1250) und dem ägyptischen Sultan al-Kamil (1218–1238). Am 18. März 1229 marschiert er nämlich ohne Blutvergießen siegreich in Jerusalem ein.¹¹ Auch Kaiser Rudolf I. von Habsburg soll einen Versuch der Diplomatie unternommen haben. Denn Burchard de Monte Sion tritt um 1283/1285 als sein Gesandter beim ägyptischen Sultan auf. Der Kontakt zwischen Europa und Ägypten verläuft während der Kreuzzugszeit aber oft kriegerisch. So wird der vierte Kreuzzug, der Ägypten zum Ziel hat, durch die Venezianer zwar nach Konstantinopel abgelenkt. Zur kriegerischen Aktion gegen Ägypten kommt es dann aber zur Zeit der ayyubidischen Sultane al-Adil I. (1200–1218) und al-Kamil (1218–1238) mit dem Kreuzzug gegen Damiette (1218–1221), an dem auch deutsche

10 Vgl. Heinz Halm, Die Araber, München 2004, S. 65–68. 11 Vgl. Aziz S. Atiya, Kreuzfahrer und Kaufleute, Stuttgart 1964, S. 81.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

Kreuzfahrer beteiligt sind. Davon berichtet als Augenzeuge der spätere Bischof von Paderborn, Thomas von Oliver, in seiner Historia Damiatina. Die Kreuzfahrer werden geschlagen und müssen aus Ägypten abziehen.¹² Ähnlich verläuft der siebte Kreuzzug (1248–1250). Denn König Ludwig IX. von Frankreich nimmt 1248 Damiette ein. Beim Marsch nach Kairo wird sein Heer bei der Stadt al-Mansura geschlagen und er selbst gefangen genommen.¹³ Mit dem Fall von Akkon 1291 geht die Kreuzzugsbewegung, die bewaffnete Pilgerfahrt, schließlich zu Ende. Die Kreuzzugsidee – eine Idee, die Religiöses mit profan Nützlichem verbindet – scheint aber die Zeiten zu überdauern. Der Letzte, der im Mittelalter diesen Traum noch zu verwirklichen sucht, ist Peter I. von Zypern (1359–1369), der Alexandrien 1365 angreift.¹⁴ Aber auch nach dem Ende der Kreuzzüge bleibt Ägypten ein verheißungsvolles Land, das Europäer wie Leibniz¹⁵ oder Napoleon zu visionären Eroberungsprojekten inspiriert. In umgekehrter Richtung prägen die Auseinandersetzungen mit den Franken auch Ägyptens Schicksal und Selbstbild. Die Rivalitäten zwischen König Amalrich und Nûr ad-Din verhelfen Saladin nämlich, das groß-ägyptische Reich der Ayyubiden (1171–1250) zu gründen. Und das Eindrigen der Kreuzfahrer unter Ludwig IX. begünstigt und beschleunigt die Herrschaft der Mameluken „über Ägypten, Palästina/Syrien und die Heiligen Stätten“¹⁶, die erst 1517 durch die Osmanen ihr Ende findet.¹⁷ Diese historischen Ereignisse prägen Ägyptens Selbst- und Fremdbild. Der deutsche Reisende als Teil des fränkischen Kulturraumes und der europäischen Christenheit trifft damit auf ein Ägypten, das ihn mit Spuren dieser gegenseitigen Geschichte konfrontiert und ihn Andersarti-

12 Obwohl al-Kamil das Angebot macht, Jerusalem zurückzugeben, wenn die Kreuzfahrer Damiette räumten, lehnen sie Verhandlungen ab und bestehen darauf, auch Kairo zu stürmen; vgl. Aziz S. Atiya, Kreuzfahrer und Kaufleute, Stuttgart 1964, S. 77ff. 13 Vgl. Aziz S. Atiya, Kreuzfahrer und Kaufleute, Stuttgart 1964, S. 81. 14 Mitte 1365 legt er „mit einer Flotte von hundertfünfundsechzig Schiffen aus Venedig ab in Richtung auf ein unbekanntes Ziel jenseits des Meeres“. Aziz S. Atiya, Kreuzfahrer und Kaufleute, Stuttgart 1964, S. 93. Das streng geheimgehaltene Ziel wird erst auf hoher See gelüftet: Alexandrien. Eine ähnliche Taktik wird auch Napoleon bei seinem Ägyptenfeldzug im Jahre 1798 anwenden. Den Kreuzfahrern gelingt es, Alexandrien zu stürmen, zu plündern und zu zerstören. Gegen den Befehl des Königs geben sie aber die eroberte Stadt wieder auf, als das mamlukische Heer in Sicht kommt. 15 Vgl. hierzu ausführlich Ahmed Youssef, La fascination de l’Egypte. Du rêve au projet. Avec ‚Consilium Aegyptiacum‘, le texte inédit que Leibniz présenta à Louis XIV, Paris [u.a.] 1998. 16 Heinz Halm, Die Araber, München 2004, S. 67. 17 Napoleons Einmischung in Ägypten (1798–1801) weiß Muhammad Ali zu seinen Gunsten zu nutzen, indem er in Ägypten eine eigene Dynastie unter nominell osmanischer Herrschaft durchsetzt; vgl. Heinz Halm, Die Araber, München 2004, S. 67.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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ges, aber auch Eigenes wahrnehmen lässt – sei es durch die Bibel oder die Verflechtung der europäischen und ägyptischen Geschichte seit der Antike. Das levantinische Ägypten ist mit seinem Zugang zum Roten Meer und zum Indischen Ozean ein wichtiges Bindeglied zwischen Europa und dem Fernen Osten. Seine verkehrsgünstige Lage zwischen Asien, Afrika und Europa verleiht dem Land am Nil seit dem Altertum eine unangefochtene Stellung als Transithandels- und Durchreiseland.¹⁸ Wenn Ägypten auch nicht das Hauptreiseziel europäischer Reisender ist, so bleibt es aufgrund seiner Lage doch eine wichtige Reisestation. Ägyptens strategische Lage begünstigt über die Jahrhunderte hinweg die Kulturkontakte zwischen Europa und Ägypten. Und so zieht es zur Zeit der Kreuzzüge die Aufmerksamkeit der Kreuzfahrer auf sich, die das Rote Meer beherrschen wollen – ein Versuch, der von Saladin vereitelt wird. Dieser Reiseweg von Ägypten über das Rote Meer zum Fernen Osten büßt erst in der Frühen Neuzeit mit der Entdeckung des Seewegs um das Kap der Guten Hoffnung durch die Portugiesen vorübergehend seine Bedeutung ein.¹⁹ Mit Blick auf den zeitlichen Rahmen vorliegender Arbeit ist festzustellen, dass den europäischen Kaufleuten und Reisenden des Mittelalters und der Frühen Neuzeit der Reiseweg durch Ägypten und über das Rote Meer verschlossen bleibt.²⁰ Labib zufolge spielen zwei Faktoren eine entscheidende Rolle für Ägyptens Handelspolitik bis zum 16. Jahrhundert: der Kampf gegen die Franken in der Kreuzzugszeit und die auf dem Islam gründenden Vorschriften zur Handelsbeziehung mit Nicht-Muslimen.²¹ Hinzu kommt die neue Machtkonstellation im arabischen Lager. Denn mit der ayyubidischen Dynastie (1171–1250) und ihrem Begründer Saladin, der die arabisch-islamischen Kräfte von Syrien/Palästina bis zum Jemen unter seiner Herrschaft zu vereinen weiß, entsteht auf ägyptischem Boden ein ernstzunehmender Gegner für die Kreuzfahrer. Infolgedessen verlagert sich auch ihr Blickfeld nach Ägypten. Denn mit seiner Eroberung hoffen sie, den Widerstand der islamischen Welt brechen zu können.²² Saladin führt seinen Kampf gegen die Kreuzfahrer jedoch nicht nur militärisch im Heiligen Land, sondern auch durch

18 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 123. 19 Auch Napoleon macht mit seinem Ägyptenfeldzug (1798–1801) auf die strategische Lage Ägyptens aufmerksam. Und mit dem Bau des Suezkanals (1869) erlangt Ägypten wieder seine alte Bedeutung als Bindeglied zwischen Ost und West, was jedoch 1882 Großbritannien zur Eroberung Ägyptens veranlasst. 20 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 122. 21 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 22. 22 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 23: „Die Kreuzfahrer erkannten bald, daß das weitere Schicksal des Heiligen Landes nach seiner Eroberung von dem Ausgang des Kampfes mit Ägypten abhing. Sie bezeichneten Ägypten als

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

eine gezielte Handelspolitik, „die die Monopolstellung Ägyptens in dem Handel zwischen dem Orient und dem Okzident zu festigen“²³ versteht. Als Ereignis, das die ägyptische Handelspolitik Saladins maßgeblich beeinflusst, gilt Labib zufolge die fränkische Episode um das Rote Meer, die die damalige islamische Welt traumatisiert habe.²⁴ Im Jahre 1116 zieht nämlich Balduin II. mit seinem Heer ohne nennenswerten Widerstand bis Ayla/Aqaba am Roten Meer, gründet dort eine Zitadelle und lässt auf der gegenüberliegenden Insel Gazirat Farcûn (Graye) eine Burg bauen. Saladin, der zu dieser Zeit noch Fatimiden-Wesir ist, gelingt es 1170, die Stadt Ayla und die Insel Graye zurückzuerobern. Aber bereits 1182 startet Rainland von Châtillon eine fränkische Expedition im Roten Meer und erobert Ayla erneut. Daraufhin belagert er die Insel Graye, da sie Widerstand leistet. Der größte Teil der Flotte begibt sich jedoch auf Raubzug im Roten Meer: Die Hafenstädte Aidâb, Madina und Mekka werden geplündert, eine Karawane bei Aidâb überfallen, Handelsschiffe erbeutet, Schiffe in Brand gesteckt und ein Pilgerschiff versenkt. Die fränkischen Schiffe werden schließlich durch eine ägyptische Flotte vernichtet und Ayla wird zurückerobert.²⁵ So unbedeutend diese Episode auch gewesen sein mag, so zeitigt sie doch weitgehende Auswirkungen. Denn aufgrund dieser Ereignisse wird Ägyptens Handelspolitik neu gestaltet. Den fränkischen Kaufleuten wird verboten, im Roten Meer und im ägyptischen Binnenland Handel zu treiben. Ihre Handelstätigkeit wird auf bestimmte Mittelmeerhäfen beschränkt. Sicherheit und Schutz genießen fränkische Kaufleute und Reisende nur, solange ihre Länder Ägypten nicht angreifen. Diese Handelspolitik und damit die Vorgaben für mögliche Reisewege bleiben auch unter den nachfolgenden Herrschern bestehen.²⁶

den Kopf der Schlange, als das Rückgrat der islamischen Welt. Sie glaubten mit der Eroberung Ägyptens den Widerstand der islamischen Welt im Nahen Osten brechen zu können“. 23 Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 23. 24 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 26ff. 25 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 28f.: „Die abendländischen Quellen haben dieses Unternehmen kaum verzeichnet. Die einzige fränkische Quelle, die von ihm berichtet, ist die Chronik von Ernoul. Ernoul sprach von diesem Unternehmen als von einer wissenschaftlichen Expedition. Dagegen hat kaum eine arabische Quelle von Bedeutung vom 12. bis zum 16. Jh. dieses Wagnis der Franken stillschweigend übergangen. Es blieb lebendig im Bewußtsein der Muslime und der ägyptischen Herrscher. Nach Saladins Meinung waren die Versuche der Franken, das Rote Meer zu beherrschen, die schlimmste Gefahr, die dem Islam jemals gedroht hat. Seine Befürchtungen beruhten nicht auf der Überlegung, daß die Kreuzfahrer damit das islamische Heilige Land, den Higäz, bedrohten, sondern kamen vor allem aus der Erkenntnis, daß damit der ägyptische, bzw. islamische Monopolanspruch auf den Transithandel durch das Rote Meer in Frage gestellt wurde“. 26 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 30.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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2.2.2 Handels- und Reisewege Dank der günstigen Lage ist Ägypten seit jeher ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa, Afrika sowie dem Nahen und Fernen Osten. Ägypten ist auf Seeund Landwegen gut erreichbar. Daraus ergibt sich, dass deutsche Ägyptenreisende das Land am Nil sowohl auf dem See- als auch dem Landweg erreichen können. Eine Kombination beider Verkehrswege ist die Regel, insbesondere auch deswegen weil die Mehrheit der deutschen Ägyptenreisenden bis ins 17. Jahrhundert hinein Jerusalem und das Katharinenkloster auf dem Sinai als primäres und sekundäres Reiseziel haben. Sie reisen auf dem Landweg durch Osteuropa nach Konstantinopel und gelangen über Syrien nach Palästina. Von Jerusalem aus besteht die Möglichkeit, entweder über Kairo oder direkt zum Katharinenkloster zu reisen. Sie können aber auch den Seeweg wählen und von einem der levantinischen Häfen nach Ägypten aufbrechen, über Kairo zum Katharinenkloster gelangen und dann von Ägypten (entweder über Kairo oder direkt vom Katharinenkloster aus) nach Jerusalem weiterziehen. Die Heimfahrt erfolgt dann von Ägypten bzw. dem Heiligen Land aus. Die Wahl der eingeschlagenen Reiseroute führt jedoch nicht nur zu Variationen in der Ägyptenreise, sondern auch zu Variationen im Aufbau des Reiseberichts, der dem Reiseablauf in der Regel chronologisch folgt. Arabischen und europäischen Reiseberichten kann man entnehmen, dass seit dem Mittelalter reger Seeverkehr zwischen den fränkischen, byzantinischen und arabischen Ländern der Levante herrscht. Die Seerouten verbinden Damiette mit Syrien-Palästina sowie Alexandrien mit dem Schwarzen Meer, Konstantinopel, Jaffa, Akkon, Beirut, Tripoli, Zypern, Rhodos, Kreta, Venedig, Malta, Sizilien, Sardinien, Genua, Marseille und Almería.²⁷ Neben der östlichen Seeroute gibt es eine westliche Seeverbindung, die von Europa nach Tunesien und entlang der nordafrikanischen Küste bis nach Alexandrien führt.²⁸ Aus nautischen Gründen können die Mittelmeerrouten aber im Winter nicht befahren werden, so dass europäische Schiffe im Frühmittelalter nur eine einzige Schifffahrt nach Ägypten durchführen. Erst mit der Verbesserung der nautischen Geräte ist es seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert möglich, zwei Fahrten im Jahr zu unternehmen.²⁹ Eine wichtige Rolle spielen dabei die italienischen Seerepubliken, vor allem Venedig, welches seit der Kreuzzugsbewegung eine Vorreiterrolle im Handel mit dem Nahen Osten innehat. Bis ins 16. Jahrhundert hinein ist Venedig auch für

27 Vgl. dazu ausführlich Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 135 und 145ff. 28 Vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 16. 29 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 136.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

deutsche Pilger der Haupthafen für Reisen nach Ägypten und Palästina. Erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts, nachdem Ägypten Teil des Osmanischen Reiches geworden ist (1517), lässt sich im Reisebericht feststellen, dass deutsche Reisende zunehmend von Konstantinopel aus nach Ägypten und ins Heilige Land reisen. Zu den wichtigsten Hafenstädten am Roten Meer zählen dabei Aidâb, Quseir, el-Tur und Suez. Denn hier treffen orientalische Handelswaren ein und werden mit Karawanen und/oder Schiffen auf dem Nil zu Ägyptens Häfen am Mittelmeer transportiert: Alexandria, Damiette, Tinnis (Manzala-See) und Pelusium. Von dort aus gelangen sie durch europäische Kaufleute nach Europa. Wie aus den Reiseberichten hervorgeht, sind für die deutschen Ägyptenreisenden vor allem die Häfen von Alexandrien und Damiette von Bedeutung. Bei Alexandrien werden insbesondere zwei Hauptmerkmale erwähnt: die beiden Häfen der Stadt und der Leuchtturm Pharos. Der östliche Hafen (Portus Magnus) ist für christliche Schiffe vorgesehen, für muslimische Schiffe dagegen der westliche Hafen (Eunostos). Weiterhin werden häufig die Unterschiede in den Hafenanlagen und die Geschichte des Pharos referiert. Im 15. Jahrhundert wird der Leuchtturm jedoch zerstört. An seiner Stelle wird Sultan Qaitbai eine Burg errichten lassen. Und schließlich wissen die Reiseberichte auch von einem weiteren kleinen Leuchtturm zu berichten, der sich Anfang des 14. Jahrhunderts dem Pharos gegenüber befindet.³⁰ Damiette ist Ägyptens zweitwichtigster Hafen. Er wird von den Kreuzfahrern mehrmals angegriffen, so dass Sultan Baibars (1260–1277) zum Schutz befiehlt, „die Mündung des Nilarmes, an dem Damiette lag, zuzuschütten, so daß fürderhin keine großen Schiffe von dem salzigen Meer [dem Mittelmeer] den Damiettearm mehr durchfahren konnten“.³¹ Diese Begebenheit vermag auch zu erklären, warum Alexandrien im Spätmittelalter eine größere Rolle spielt und Damiette im deutschen Reisebericht des Mittelalters kaum erwähnt wird. Dies ändert sich jedoch unter osmanischer Herrschaft, als Damiette zum Haupthafen für den Handel mit Syrien-Palästina wird.³² Von Damiette aus kann man auf dem Land- und/oder Flussweg nach Alexandrien, Rosette und/oder Kairo gelangen. Vor allem seit dem 16. Jahrhundert wird der Seeweg von Damiette nach Syrien/Palästina bevorzugt, da das Reisen auf den Sinai-Landwegen wegen der häufigen Raubüberfälle durch die Beduinen unsicher geworden ist.³³

30 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 134. 31 Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 133. 32 Vgl. Sahar A. Hanafi, al-cilāqāt at-tuğāriyya bayna miṣr wa bilād aš-šām [Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und Groß-Syrien], Kairo 2000, S. 29ff. 33 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 132f.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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Auch über den Landweg ist Ägypten gut erreichbar. Im Osten ist es infrastrukturell mit Palästina, Syrien, Mesopotamien und Vorderasien, im Westen mit den nordafrikanischen Ländern und Westafrika sowie im Süden mit Fazzan, Augila, Timbuktu, dem Sudan und Äthiopien verbunden. Wie aus den Reiseberichten hervorgeht, sind für die Ägyptenreise deutscher Reisender und Pilger vor allem die Landwege zwischen Ägypten, dem Sinai und Palästina, Syrien und Vorderasien von Bedeutung. Als Hauptprobleme auf dem Landweg beklagen viele Reiseberichte insbesondere Wetterverhältnisse und Wassermangel in den Wüstengebieten, Raubüberfälle und Schikanen durch die Beduinen. Im Kontext der Ägyptenreise kommt dem Sinai eine zentrale Bedeutung zu. Denn aufgrund der biblischen Spuren um den Moses- und Katharinenberg stellt die Sinaihalbinsel für Jerusalempilger das erklärte Hauptreiseziel in Ägypten dar. Die Halbinsel verbindet jedoch nicht nur zwei Kontinente. Rothenberg zufolge vereint sie auch zwei gegensätzliche Welten: den himmlischen und den irdischen Sinai. Der himmlische Sinai ist das Land der Offenbarung, die Wiege des Monotheismus, Ort der Asketen, Klöster und Pilger. Der irdische Sinai hingegen ist Kampfgebiet zwischen Asien und Afrika, Land der Türkis- und Kupfervorkommen, der Handelskarawanen und der Hirten-Krieger.³⁴ Rothenberg weist darauf hin, dass Reisende bis ins 19. Jahrhundert auf den Spuren des biblischen Sinai unterwegs sind und der irdische Sinai bis dahin kaum Beachtung findet.³⁵ Bei den eingeschlagenen Reisewegen zum Sinai können fünf Hauptwege unterschieden werden, die durch ihre Querverbindungen ein gut erschlossenes Verkehrsnetz mit Haupt- und Nebenstraßen bilden:³⁶ 1. Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße (Kairo, Bilbeis, Qûtiya, el-Arish, Gaza) 2. Sinai-Nord-Wüstenpiste (Kairo, Suez/Ismailiya, Nitzana) 3. Sinai-Mittel-Wüstenpiste Darb el Hagg (Kairo, Suez, Nakhl, Aqaba) 4. Sinai-Feiran/Katharinenkloster-Straße (Kairo, Suez, Feiran, Aqaba) 5. Sinai-Binnenweg (Kairo, Suez, Nakhl, el-Arish, Gaza) Die Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße stellt die wichtigste Landbrücke zwischen Asien und Afrika dar und führt von Gaza über Darum und Rafah nach El-Arish. Dort gabelt sich der Weg um den heutigen Bardawil-See in einen Küsten- und

34 Vgl. Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 7. 35 Unter den deutschen Forschungsreisenden, die den Sinai erkunden, sind Niebuhr, Burckhardt, Rüppell, Tischendorf, Lepsius und Brugsch zu nennen; vgl. Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 8. 36 Vgl. hierzu Alberto Siliotti, Sinai, Erlangen 1994, S. 22ff.; Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 221.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

einen Binnenweg.³⁷ Beide Wege treffen sich wieder in Pelusium (Pharama bzw. Tel el-Farama). Das Versiegen des pelusischen Nilarmes und die Zerstörung der Stadt Pelusium während der Kreuzzugszeit führen zum Niedergang des Binnenwegs. Der neue Reiseweg verläuft im Sandgebiet hinter dem alten Binnenweg und verbindet Gaza mit Qûtiya/Qatia, das nun Pelusium ersetzt.³⁸ Eine Erleichterung für die Reisenden bringt die Stadt as-Sâlihiyya, die Sultan as-Sâlih Nagm ad-Din Ayyûb 1246 im östlichen Nildelta erbauen lässt. Die Reiseroute weist im Überblick nun folgenden Verlauf auf: Kairo, Birkat al-Hâgg (bei Matarieh), al-Khânqâ, Bilbeis, as-Sâlihiyya, Qûtiya/Pelusium, (Bir-el-Abd, Mazar, Maadan), el-Arish, (Scheikh Zuwayid, Rafah, Khân Yûnis, Darum/Dayr al-Balah) und Gaza.³⁹ Auf der Reiseroute entstehen Raststationen, wo sich die Reisenden mit Lebensmitteln und Wasser versorgen können. Dennoch bleibt die Wüstenstraße wegen Wassermangels und Schikanen durch die Beduinen eine ernstzunehmende Herausforderung, wie die Reiseberichte belegen.⁴⁰ Die Sinai-Nord-Wüstenpiste, d.h. den zweiten Weg zum Sinai, gibt es bereits in antiker Zeit. Sie führt vom heutigen Ismailiya über den Khatmia- bzw. den Giddi-Pass nach Gafgafa, von dort aus zum Fuß der Berge Gebel Yelleq und Gebel Halâl und dann über Abu Aweigila, el-Auga und Nitzana nach Jerusalem. Diese wasserlose Wüstenstraße wird jedoch nur von erfahrenen Karawanen benutzt.⁴¹ Beim dritten Landweg handelt es sich um eine altbekannte Wüstenpiste, die den Golf von Suez über Nakhl (Nekhel) im Sinai mit dem Golf von Aqaba verbindet. Im islamischen Ägypten wird diese Rei-

37 Diese Landstraße ist in der Geschichte als Horusweg bzw. Heer- und Karawanenstraße bekannt. Siliotti meint, dass der Name Bardawil-See auf eine Umschreibung des Namens Balduin zurückgeht, der dort während der Kreuzzugszeit eine Festung erbauen ließ; vgl. Alberto Siliotti, Sinai, Erlangen 1994, S. 22f. 38 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 136ff.; Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 221. 39 Diese Route führt bis nach Konstantinopel; vgl. Sahar A. Hanafi, [Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und Groß-Syrien], Kairo 2000, S. 58f.; Suraiya Faroqhi, Herrscher über Mekka, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 56. 40 Zwar wird zur Zeit des mamlukischen Sultans Baibars (1260–1277) das Postwesen zwischen Kairo und Damaskus so verbessert, dass Nachrichten innerhalb von vier Tagen ausgetauscht werden können. Auch werden die Beduinenstämme gegen eine jährliche Besoldung zu Wächtern der jeweiligen Reisestation ernannt, um so für eine sicherere Passage in ihren Machtbereichen zu sorgen. Dennoch bleibt bei Unruhen, Dürre und korrupten Regierungen auf den Reisestraßen vieles zu wünschen übrig; vgl. Sahar A. Hanafi, [Handelsbeziehungen zwischen Ägypten und Groß-Syrien], Kairo 2000, S. 68; Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 142. 41 El-Auga bzw. al-Auja ( ΔΟϮόϟ΍ ). Vgl. ferner Alberto Siliotti, Sinai, Erlangen 1994, S. 25; Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 181f. und 221.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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seroute zur Pilgerstraße zwischen Ägypten und Mekka ausgebaut und ist daher in der Geschichte als Darb el Hagg bekannt.⁴² In der Kreuzzugszeit bevorzugt man aber die sicherere Route durch Oberägypten, die über Qûs/Qina in Mittelägypten und durch die Wüste zum Hafen Aidâb am Roten Meer führt.⁴³ Mit dem Ende der Kreuzzüge wird die Reiseroute Kairo-Suez-Nakhl-Aqaba wiederbelebt und vom Sultan Baibars (1260–1277) zum offiziellen Reiseweg für Mekka-Pilger und Kaufleute erklärt. Aus den Reiseberichten geht hervor, dass sich die Karawanen bei ihrer Hin- und Rückreise vor Kairo bei der Ortschaft Birkat al-Hâgg (bei Matarieh) versammeln. Die wichtigsten Stationen auf dem Reiseweg sind: Kairo, Birkat al-Hâgg, ad-Dar al-Hamrâ’ (Giyûshiy-Berg), Agrûd, Suez, Ruweiset el-Akheider, Nakhl, el-Themed, Ras el-Naqb und Aqaba.⁴⁴ Bei der Auswertung der Reiseberichte ist festzustellen, dass deutsche Reisende Teilstrecken dieser Reiseroute benutzen und auch von Begegnungen mit Mekka-Pilgern berichten. Als vierte Verkehrsverbindung zum Sinai ist die Sinai-Feiran/Katharinenkloster-Straße zu nennen, die auf der Tabula Peutingeriana mit den Stationen Clisma (Clysma), Deia, Phara, Hila (Aila/Ayla) verzeichnet ist. Sie verbindet Kairo, Suez und Feiran mit Aqaba.⁴⁵ An einigen Orten um Gebel Musa und Gebel Katharina entstehen seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. mönchische Traditionen, Kapellen und Klöster, da man hier Orte der biblischen Heilsgeschichte zu erkennen meint.⁴⁶ Für das christlich motivierte Reisen in Ägypten ist von Anfang an der Besuch dieser heiligen Gedächtnisorte im Sinai entscheidend. Das Katharinenkloster ist dabei auf zwei-

42 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 138; Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 166f. Die Mekka-Pilgerstraße wird im Jahre 875 n.Chr. vom ägyptischen Statthalter Ahmad Ibn Tulun eingerichtet und im Jahre 1816 von Ibrahim Pascha, Sohn von Muhammad Ali, zu einer befahrbaren Straße ausgebaut. 43 Arabische Schreibweise: Qûs ( ιϮϗ ); Qina ( ΎϨϗ ), Aidâb ( Ώ΍άϴϋ ). 44 Vgl. Samira F. A. Omar, ’imārat al-ḥağ fī miṣr al-cuṯmāniyya, [Das Amt der Pilgerfahrt im osmanischen Ägypten], Kairo 2001, S. 247–252; Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens im Spätmittelalter, Wiesbaden 1965, S. 128; Suraiya Faroqhi, Herrscher über Mekka, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 21. Arabische Schreibweise: Birkat el Hagg ( ΝΎΤϟ΍ ΔϛήΑ ); ad-Dar al-Hamrâ’ ( ˯΍ήϤΤϟ΍ έ΍Ϊϟ΍ ); Giyûshiy-Berg ( ϲηϮϴΠϟ΍ ϞΒΟ ); cAgrûd ( ΩϭήΠϋ ); Nakhl ( ϞΨϧ ). In der Regel dauert diese Reise mit Kamelen fast einen Monat. 45 Sie verläuft auf dem Sinai südwärts, entlang des Roten Meeres hinunter zum Tih-Plateau bis zum Wadi Feiran und von dort weiter durch Wadi Sheikh, Saal und Zaghra, dann nordostwärts nach ‘Ain Hudera und durch einen der Wadis in der Tih-Hochebene (vielleicht Wadi Tueiba) nach Aqaba; vgl. Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 168f. 46 Es handelt sich hierbei um Traditionen, die auf den heiligen Antonios (gest. 356) und den heiligen Pachomios (gest. 346) zurückgehen, nämlich das Einsiedlerleben (Anachorese) und das klösterliche Gemeinschaftsleben (Koinobion). Siehe dazu Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 201–220; Emma Brunner-Traut, Die Kopten, München 1993, S. 22–47.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

erlei Wegen erreichbar. So kann man auf der Feiran-Aqaba-Straße entweder von Aqaba oder von Suez aus zum Katharinenkloster gelangen, wobei in der Regel die Variante über Suez benutzt wird.⁴⁷ Die Suez-Feiran-Katharinenkloster-Route stellt eine vielbereiste christliche Pilgerstraße dar, die von deutschen Pilgern seit dem Mittelalter benutzt wird.⁴⁸ Während die Sinai-Mittel-Wüstenpiste Darb el Hagg die Reiseetappe zwischen Kairo und Suez bedient, sind die Suez-el Tur-Küstenstraße und die Feiran-Katharinenkloster-Straße die wichtigsten Verbindungen zum Katharinenkloster. Die Kombination dieser Reiserouten bildet im deutschen Reisebericht den obligatorischen Reiseweg von Kairo zum Katharinenkloster. Dabei können drei Ausprägungen unterschieden werden: (1) Kairo-Katharinenkloster, (2) Katharinenkloster-Kairo, (3) Kairo-Katharinenkloster-Kairo. Diese vier dargelegten Reiserouten werden durch einen von Norden nach Süden verlaufenden Sinai-Binnenweg miteinander verbunden. Dieser weist viele Nebenstraßen und Verzweigungen auf und verläuft von Kairo-Suez über Nakhl und el-Arish nach Gaza. So können deutsche Pilger einen direkten Weg von Jerusalem zum Katharinenkloster einschlagen. Der Sinai-Binnenweg spaltet sich in einen südöstlichen und südwestlichen Streckenverlauf. Die südöstliche Reiseroute führt von Rafah/ el-Arish nach ´Ain Hudeira, dann auf der Feiran-Aqaba-Straße durch Wadi Saal und Zaghra zum Katharinenkloster. In deutschen Reiseberichten ist diese Reiseroute aber nicht belegt. Deutsche Pilger schlagen vielmehr die südwestliche Reiseroute durch den Sinai ein. Diese führt von Gaza – Rafah – el-Arish durch Wadi el-Arish nach Abu Aweigila, das an der Sinai-Nord-Wüstenpiste zwischen Ismailiya und el-Auga/Nitzana nahe Gebel Halâl liegt. Von Abu Aweigila aus gelangt man südwestwärts vom Gebel Halâl nach Bir Hasana und dann vom Fuß des Gebel Yelleq nach Bir Tamada. Dieser Reiseweg kreuzt bei Ruweiset elAkheider die Pilgerstraße Darb el Hagg. Der Sinai-Binnenweg führt dann mögli-

47 Es ist anzunehmen, dass diese Route von Suez zum Katharinenkloster folgendermaßen verlaufen ist: Man reist auf der Straße zwischen Suez und el-Tur, die von Suez südwärts entlang des Roten Meeres über Ayun Musa (Brunnen/Quellen von Moses), Ras Sudr, Ras Matarma, Wadi Gharandel, Hammam Faraun, Wadi Tayiba und Abu Zenima führt. Von Abu Zenima kann man südostwärts durch Wadi Matalla, Nasib und Maghara bis zum Wadi Feiran oder entlang der Küste über el-Markha bis Abu Rudeis und dann südostwärts durch Wadi Maghara zum Wadi Feiran reisen. Von der Feiran-Oase gelangt man auf der Feiran-Aqaba-Straße zum Wadi Sheikh, verlässt die Feiran-Aqaba-Straße und passiert südwärts den Watia-Pass zum Katharinenkloster. Eine dritte Möglichkeit, das Katharinenkloster zu erreichen, ist der Weg von Abu Zenima entlang der Küste bis zur Hafenstadt el-Tur. Von dort aus kann man in zwei bis drei Tagen nordostwärts durch die Ebene El Kaa am Fuß des Berges Serbal reisen und anschließend über den Pass Wadi Hebran zum Katharinenkloster. 48 Vgl. Beno Rothenberg [u.a.] (Hg.), Sinai, Bern 1979, S. 170.

 2.2 Kulturkontakte und Reisewege 

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cherweise über Qalat el-Gindi durch Wadi Sudr zum Roten Meer und kreuzt bei Ras Sudr die Suez-Feiran-Straße, auf der man zum Katharinenkloster gelangt. In den deutschen Ägyptenreiseberichten sind zwei Ausprägungen festzustellen: (1) Jerusalem-Katharinenkloster und (2) Katharinenkloster-Jerusalem. Was das innerägyptische Verkehrsnetz betrifft, so lässt sich feststellen, dass die Straßen vom Lauf des Nil beeinflusst sind. Der Flussverkehr konzentriert sich auf den Nil, seine Nebenarme und Kanäle, an deren Ufer im Laufe der Zeit zahlreiche Städte entstehen. In Mittel- und Oberägypten liegen die Städte direkt am Nil und sind deshalb auch leicht über den Nil erreichbar. Zu einigen Städten führen auch Wüstenstraßen. Im Nildelta hingegen entstehen durch die verschiedenen Nilarme eine Vielzahl von Ortschaften, die aus allen Richtungen erreichbar sind.⁴⁹ Zu den wichtigsten Verkehrsadern zählen die Hafenstädte Alexandrien und Damiette, die Ägypten mit Syrien-Palästina und Europa verbinden. Sie erreicht man sowohl über den Fluss- als auch den Landweg. Damiette, das am östlichen Nilarm liegt, ist leicht per Schiff zu erreichen. Alexandrien hingegen liegt nicht direkt am westlichen Nilarm, dem sogenannten Rosettazweig, was seit seiner Gründung erhebliche Probleme für Verkehr und Wasserversorgung birgt. Zwar wird mit verschiedenen Nilkanal-Projekten versucht, eine direkte Verbindung zwischen Alexandrien und dem Nil herzustellen. Doch bleibt die Instandhaltung des Kanals problematisch, so dass der Kanal des öfteren versiegt und Alexandrien nur während der Überschwemmungsperiode per Schiff zu erreichen ist. Auch als Trinkwasser dient das Nilwasser, das für die übrige Zeit des Jahres in Zisternen aufbewahrt wird. Erst mit den Osmanen (ab 1517) wird der Kanal regelmäßig gepflegt.⁵⁰ Insgesamt ist festzuhalten, dass der Nil während der Überschwemmungszeit die Hauptverkehrsstraße bildet. Als wichtige Landstraßen sind im Norden die Straße zwischen Kairo und Alexandrien zu nennen sowie die Straße zwischen Kairo, Damiette und Palästina-Syrien. Im Süden verlaufen Landstraßen zwischen Kairo, Qûs und Assuan bzw. Aidâb und Sawâkin.⁵¹ Die Landstraße zwischen Alexandrien und Damiette berührt die Ortschaften Tarrûga, Damanhûr, Fuah, an-Nahaririyya, Abyâr und al-Mahalla al-Kubrâ. In Damiette besteht die Möglichkeit, auf dem Land- oder Seeweg nach Syrien/Palästina weiter zu reisen. Der Landweg zwischen Kairo und Alexandrien verläuft schließlich entweder auf der Mittelstraße oder der Straße westlich des Deltas.⁵² Aus den Reiseberichten ist zu entnehmen, dass der Landweg von Alexandrien nach Rosette, der Reiseweg

49 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens, Wiesbaden 1965, S. 148 und 151. 50 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens, Wiesbaden 1965, S. 151 und 156. 51 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens, Wiesbaden 1965, S. 158. 52 Vgl. Subhi Y. Labib, Handelsgeschichte Ägyptens, Wiesbaden 1965, S. 158.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

von Rosette nach Kairo auf dem Nil sowie der Landweg von Alexandrien nach Damiette eine wichtige Rolle spielen. Man reist von Alexandrien durch das sogenannte Rosetta-Tor und das zwischen Alexandrien und Abû-Qir gelegene Wüstengebiet bis zur Mündung des Ekdû-Sees, wo es eine Fähre (al-Macdiyya) gibt. Danach verläuft die Route durch ein unwegsames Steingelände bis Rosette, von wo aus man nach Damiette weiterziehen oder auf dem Nil innerhalb von vier bis sieben Tagen zu Kairos Haupthafen Bulak gelangen kann. Diese Reiseroute wird von den deutschen Reisenden auf ihrem Weg von Alexandrien nach Kairo oder in umgekehrter Richtung eingeschlagen und im Reisebericht beschrieben. Für die Reiseroute der deutschen Ägyptenreisenden ergeben sich somit folgende Möglichkeiten. Sie unternehmen ihre Reise von Europa aus entweder direkt nach Ägypten oder erst nach dem Besuch des Heiligen Landes. Bei letztgenannter Variante reisen sie in der Regel auf venezianischen Schiffen nach Syrien-Palästina und bereisen anschließend Ägypten. Dabei schlagen sie entweder den direkten Sinai-Binnenweg über Gaza zum Katharinenkloster ein oder sie nehmen den indirekten Weg über Kairo und Suez zum Katharinenkloster. Hierbei benutzen sie entweder die Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße, den Seeweg von Syrien-Palästina nach Alexandrien oder seit Mitte des 16. Jahrhunderts den nach Damiette. Auf dem Nil (und/oder dem Landweg) reisen sie anschließend nach Kairo, von wo aus sie über Suez zum Katharinenkloster gelangen. Der weitere Weg führt sie über Palästina oder Ägypten in die Heimat zurück. Die deutschen Reisenden, die sich dagegen von einem levantinischen Hafen aus (meist Venedig und seit Mitte des 16. Jahrhunderts auch Konstantinopel) nach Alexandrien einschiffen, besuchen erst Kairo und das Katharinenkloster, bevor sie die Jerusalemfahrt antreten. Die Weiterreise nach Jerusalem erfolgt entweder von Kairo aus auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße oder seit Mitte des 16. Jahrhunderts über Damiette per Schiff nach Syrien-Palästina. Deutsche Pilger des Mittelalters reisen hauptsächlich auf dem direkten Sinai-Binnenweg vom Katharinenkloster nach Jerusalem.

2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 2.3.1 Überblick Politische Situation, soziokulturelle Umstände und infrastrukturelle Möglichkeiten leiten die Reisenden der verschiedenen Jahrhunderte bei der Auswahl der einzuschlagenden Reiseroute. Da die Ägyptenreiseberichte in der Regel das Itinerarprinzip respektieren und in ihrem Aufbau dem Reiseverlauf chronologisch folgen, kommt dem eingeschlagenen Reiseweg zudem auch für die Komposition des Reiseberichts eine konstitutive Funktion zu. Vorliegende Arbeit möchte

 2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 

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dabei zeigen, dass die eingeschlagene Reiseroute den Aufbau des Reiseberichts maßgeblich beeinflusst und einen geeigneten Parameter darstellt, um die Ägyptenreiseberichte zu klassifizieren und bestimmten Modellen zuzuordnen. Durch diesen neuen Zugang zu den Reiseberichten soll ein Überblick über die Vielzahl der ermittelten Ägyptenreiseberichte ermöglicht werden. Variationen im Aufbau sind dabei ebenso zu beleuchten wie Dominanzverhältnisse und typische Strukturmuster zu bestimmten Zeitabschnitten. Wie ein Vergleich der ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichte zeigt, kommt dem Besuch des Sinai eine Schlüsselfunktion bei der Klassifikation zu. Nach diesem Kriterium lassen sich die Reiseberichte zwei Gruppen zuordnen: Ägyptenreiseberichte mit Besuch des Katharinenklosters und Ägyptenreiseberichte ohne Besuch des Katharinenklosters. Für die meisten Reisenden besteht das erklärte Ziel der Ägyptenreise im Besuch der biblischen Gedächtnisorte in Ägypten und insbesondere auf der Sinaihalbinsel. Dabei handelt es sich vor allem um Jerusalempilgerreisende. Es gibt aber auch Diplomaten, Händler, Soldaten, Sklaven, Missionare, Abenteurer und Wissenschaftler sowie Jerusalempilger, die nur auf der Durchreise in Ägypten sind. Diese Personengruppen besuchen das Katharinenkloster nicht. Dennoch bewegen sich ihre Reisen auf den altbekannten Pfaden deutscher Pilger und beschränken sich zum größten Teil auf den Sinai und das nördliche Gebiet Ägyptens (Nildelta, Damiette, Alexandrien, Kairo). Nur wenige deutsche Reisende, wie Peter Heiling (1628–1652), Johann Michael Wansleben (1664–1665; 1671–1674) und Theodor Krump (1700–1704) ziehen bis nach Oberägypten bzw. Äthiopien. Und während der Arabienforscher Carsten Niebuhr (1761–67) von Kairo aus über das Rote Meer nach Jemen reist, zieht der Afrikaforscher Friedrich Konrad Hornemann (1797–98) von Kairo aus über Siwa nach Marzuk. Entsprechend der eingeschlagenen Reiserouten lassen sich in den deutschen Ägyptenreiseberichten unterschiedliche Reiseabläufe und damit auch unterschiedliche Organisations- und Aufbauprinzipien ausmachen. Denn die Reiserouten bedingen typische Strukturen, die in ihren Kombinationsmöglichkeiten die Komposition des chronologisch dem Reiseablauf folgenden Reiseberichts bestimmen. Typische Bausteine der Ägyptenreise und des Reiseberichts bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sind dabei: 1. Europa – Alexandrien auf dem Seeweg 2. Syrien/Palästina – Alexandrien auf dem Seeweg 3. Syrien/Palästina – Damiette auf dem Seeweg 4. Syrien/Palästina – Pelusium/Pharama/Qatia auf dem Seeweg 5. Syrien/Palästina – Katharinenkloster auf dem Sinai-Binnenweg 6. Syrien/Palästina – Katharinenkloster auf der Sinai-Aqaba-Feiran-Straße 7. Syrien/Palästina – Kairo auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße 8. Syrien/Palästina – Kairo auf der Sinai-Suez-Aqaba-Straße

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

9. Alexandrien – Kairo auf dem Nil und/oder dem Landweg 10. Damiette – Kairo auf dem Nil und/oder dem Landweg 11. Pelusium/Pharama/Qatia – Kairo auf dem Nil und/oder dem Landweg 12. Kairo – Suez – Katharinenkloster auf dem Landweg 13. Kairo bzw. Suez – Klöster am Roten Meer auf dem Landweg 14. Kairo – Oberägypten – Äthiopien auf dem Nil und/oder dem Landweg 15. Kairo – Suez/Rotes Meer/(Sinai) – Jemen auf dem Land- und Seeweg 16. Kairo – Siwa – Marzuk auf dem Landweg. Diese 16 Reisewege stellen die Bausteine dar, die den Aufbau des deutschen Ägyptenreiseberichts prägen. Sie werden um die Beschreibung des Aufenthalts an Zwischenstationen ergänzt, wie z.B. Katharinenkloster, Kairo, Alexandrien, Rosette und/oder Damiette. Während bei der Reisebeschreibung narrativ-dynamische Textteile überwiegen, dominieren bei der Schilderung des Aufenthalts deskriptiv-statische Teile. Der prototypische Ägyptenreisebericht ist dabei chronologisch aufgebaut und folgt dem Reiseverlauf. Entsprechend der erörterten Beschreibungsschemata lässt er sich in drei Einheiten gliedern: (1) Vorwort und Hinreise, (2) Aufenthalt, Erlebnisse und Sehenswürdigkeiten sowie (3) Rückreise und Schlusswort. Exkurse, Tabellen, Anhänge, Karten und Bilder variieren dieses schematische Gerüst. Unterschiede hinsichtlich Struktur und Inhalt ergeben sich daraus, ob diese drei Teile im Werk vorhanden und wie sie gestaltet sind. Da die Reiseberichte chronologisch aufgebaut sind und dem Reiseverlauf folgen, wird die Reiseroute zu einem wichtigen Organisations- und Aufbauprinzip des Reiseberichts. Und da die eingeschlagenen Routen zudem je nach historischen Umständen variieren, lassen sich einzelne Zeitabschnitte durch bestimmte Aufbauschemata charakterisieren. Im Folgenden soll ein Überblick über die beiden Hauptgruppen (Reisebericht mit bzw. ohne Katharinenkloster) gegeben werden. Dabei werden sowohl die deutschen Ägyptenreiseberichte hinsichtlich ihrer Gliederung ausgewertet als auch Zeitabschnitte bezüglich vorherrschender Gliederungsmerkmale beleuchtet.

2.3.2 Aufbau des Reiseberichts mit Katharinenkloster Bei der ersten großen Gruppe von Ägyptenreiseberichten handelt es sich um Berichte, die einen Besuch des Katharinenklosters beinhalten. Zudem haben sie gemeinsam, dass sie sich auf den Sinai und Nordägypten, d.h. Kairo, Alexandrien, Damiette und das Nildelta beschränken. Diese Gruppe umfasst den größten Teil der ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichte vom Anfang bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei ausschließlich um Jerusalempilger, die ihre Pilgerfahrt mit einem Besuch der heiligen Stätten auf dem Sinai (Gebel

 2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 

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Musa, Gebel Katharina und Katharinenkloster) kombinieren.⁵³ In den Reiseberichten sind drei Hauptmodelle der Komposition festzustellen, wobei zu einem bestimmten Zeitpunkt meist ein Organisationsmodell dominiert, ohne dass die anderen verschwinden: 1. Ägypten- und Sinaireise mit Palästina als Ausgangs- und Endpunkt 2. Ägypten- und Sinaireise auf dem Sinai-Binnenweg 3. Sinaireise mit Kairo als Ausgangs- und Endpunkt Beim zweiten und dritten Modell ist zu beachten, dass die Ägypten- und Sinaireise auf der Hinfahrt nach Palästina oder auf der Rückreise erfolgen kann. Zudem können innerhalb der drei Hauptmodelle aufgrund persönlicher Begebenheiten, abweichender Reiserouten und/oder des Besuchs zusätzlicher Orte weitere Variationen auftreten. Im Folgenden werden diese drei Hauptmodelle sowie ihre typischen Variationen im deutschen Ägyptenreisebericht skizziert. Das Aufbauschema mit Palästina als Ausgangs- und Endpunkt der Ägyptenreise blickt dabei auf eine lange Traditon zurück. Es gilt bis Mitte des 14. Jahrhunderts als übliches Organisationsprinzip der Ägyptenreise/des Ägyptenreiseberichts und beinhaltet folgende fünf Etappen: (1) Heiliges Land – Kairo auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße, (2) Kairo, (3) Kairo – Katharinenkloster auf dem Landweg über Clysma/Suez, (4) Katharinenkloster und (5) Katharinenkloster – Heiliges Land auf dem Sinai-Binnenweg. Diese Struktur weisen beispielsweise die Reiseberichte von Wilhelm von Boldensele (1332) und Ludolf von Sudheim (1336) auf. Ludolf von Sudheim scheint sich dabei des Reiseberichts von Bol-

53 Zu dieser Gruppe zählen die Reiseberichte von Magister Thietmar (1217), Wilhelm von Boldensele (1332), Ludolf von Sudheim (1336), Jakob von Verona (1346), Johann von Bodman (1376), Lorenz Egen (1385), Peter Sparnau (1385), Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433), Nikolaus und Wilhelm von Diesbach und Hans von der Gruben (1467), Martin Ketzel (1476), Sebald Rieter d. J. (1479), Hans Tucher (1479), Bernhard von Breydenbach (1483), Felix Fabri (1483), Wolf von Zülnhart (1495–1496) und Arnold von Harff (1496–1499) sowie von Georg Gaming (1507), Martin von Baumgarten (1507), Jodocus von Meggen (1542), David Furtenbach (1561), Emanuel Oerttel (1561), Jacob Wormser (1561), Graf Albrecht zu Löwenstein (1561), Johann Helffrich (1565–1566), Christoph Fürer von Haimendorff (1565–1566), Ludwig von Rauter (1568–1569), Lupold von Wedel (1578), Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach (1579–1580), Franciscus de Billerbeg (1581–1582), Bernhard Walter von Waltersweyl (1587), Hans Ludwig von Lichtenstein (1587), Samuel Kiechel (1588), Hans Christoph von Teufel (1588), Georg Christoph Fernberger von Egenberg (1588) und Christoph Harant (1598). Im 17. Jahrhundert sind die Reiseberichte von Sebastian Schach (1604), Arndt Gebhardt von Stammer (1614–1616), Christoph Perband (1614–1616), Friedrich Eckher von Käpfing und Karl Grimming auf Niederrain (1625), Georg Christoph von Neitzschitz (1636), Franz Ferdinand von Troilo (1666–1670) und Otto Friedrich von der Gröben (1675) zu erwähnen sowie im 18. Jahrhundert der Bericht von Vinzenz Briemle (1709–1723).

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

densele bedient zu haben.⁵⁴ Bei beiden Autoren gestaltet sich die Ägyptenreise mit dem Besuch des Katharinenklosters über Kairo als Rundreise, die das Heilige Land als Ausgangs- und Endpunkt der Reise hat. Die Ägyptenreise stellt somit eine Exkursion dar, eine Erweiterung der Jerusalempilgerfahrt um einen Abstecher nach Ägypten. Auch dem beliebten, kompilierten Reisebericht von John Mandeville (1322–1356) liegt dieser Aufbau zugrunde.⁵⁵ In umgekehrter Richtung wird diese Reiseroute bei Rudolf von Frameynsberg (1346) und Jakob von Verona (1346–1347) geschildert. Die Reiseberichte weisen dabei dieselben Etappen wie bei der ersten Variante auf, nennen sie aber in umgekehrter Richtung: (1) Heiliges Land – Katharinenkloster auf dem Sinai-Binnenweg, (2) Katharinenkloster, (3) Katharinenkloster – Kairo auf dem Landweg über Suez, (4) Kairo und (5) Kairo – Heiliges Land auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Berichte von Reisenden, die das Katharinenkloster auf dem Hinweg ins oder dem Rückweg aus dem Heiligen Land

54 Vgl. Ludolf von Sudheim, Fleissige Auffzeichnung aller Gelegenheit / Reysen / Gebraeuchen […] so in dem heyligen vnd daran angrentzenden Oertern / vom 1336. biß auff das 1350 jar vermeldt worden. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 433a–454b: 1. Hinreise von Gaza und Darum auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße durch das östliche Nildelta nach Kairo; 2. Aufenthalt in Kairo und Beschreibung Ägyptens: Von der Festung genannt Dor (fol. 444a), Von dem Land Egypti (fol. 444a), Vom Balsam-Garten (fol. 444b), Von der alten Statt Babylon (fol. 445a), Von der Statt Baldach (fol. 445a), Von der Statt Susa (fol. 445b), Von der Statt Camelech (fol. 445b), Von dem Fluß Nilo (fol. 445b), Von dem Egyptischen Landt (446a), Von der Statt Damiata / die etwan Edessa geheissen (fol. 446b); 3. Reise zum Berg Sinai und Katharinenkloster: Von dem Berg Sinai (fol. 446b), Von dem roten Meer (fol. 446b), Von dem Brunnen Marach (fol. 447a), Von den sibentzig Palmbäumen in Helym (fol. 447a); 4. Aufenthalt beim Katharinenkloster und biblische Gedächtnisorte: Von dem Berg Sinai und Grabstatt der H. Catharine (fol. 447a), Von dem Busch / auß dem der Engel deß HERRN Moysi erschienen ist (fol. 447a), Von den Gebeinen der H. Catharine (fol. 447b), Von dem Ort / an welchem Moyse das Gesetz gegeben worden (fol. 447b); 5. Rückreise auf dem Sinai-Binnenweg über Beerseba nach Jerusalem, wobei die Wüstendurchquerung 13 Tage dauert: Von der Wuesten in Syria (fol. 448a), Bersabee (fol. 448a), Ebron (fol. 448a), Thal Mambre (fol. 448a), Bethlehem und Jerusalem (fol. 448b ff.). 55 Vgl. [Mandeville], Reisen des Ritters John Mandeville. Vom Heiligen Land ins ferne Asien 1322–1356, hg. von Christian Buggisch, Regensburg 2004. Aufbau: 1. Vorwort (S. 54–57); 2. Reise ins Heilige Land (S. 57–80); 3. Ägyptenreise (S. 80–109): vom Heiligen Land über Gaza auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße durch das östliche Nildelta über Bilbeis nach Kairo, dann zum Katharinenkloster und von dort auf dem Sinai-Binnenweg über Beerseba zurück ins Heilige Land; 4. Heiliges Land und Syrien (S. 107–153); 5. Weitere Wege ins Heilige Land, Exkurse über den Sultan und den Islam und weitere Reisen in den Fernen Osten (S. 153–283). Der Bericht endet mit einem kurzen Schlusswort (S. 284ff.). Vgl. hierzu ausführlich Klaus Ridder, Jean de Mandevilles ‚Reisen‘. Studien zur Überlieferungsgeschichte der deutschen Übersetzung des Otto von Diemeringen, München [u.a.] 1991.

 2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 

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besuchen und dabei den Sinai-Binnenweg benutzen. Die Reise nach Ägypten bzw. in die Heimat erfolgt dabei auf dem Seeweg.⁵⁶ Dieses neue Organisationsmodell mit dem Ägyptenbesuch auf der Hin- oder Rückfahrt vom Heiligen Land entwickelt sich ab dem 14. Jahrhundert zum dominanten Modell der Reiseorganisation. Die erste Variante dieser Route ist der Ägyptenbesuch auf der Hinfahrt ins Heilige Land mit dem Besuch des Katharinenklosters auf dem Sinai-Binnenweg. Sie dominiert von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und gilt als das übliche Organisationsprinzip der Ägyptenreise und des Reiseberichts dieser Zeit. Die Reise führt dabei von Europa, meist über Venedig, nach Alexandrien und Kairo, dann zum Katharinenkloster und ins Heilige Land. Die Heimfahrt erfolgt vom Heiligen Land aus und meist über Venedig. Die Reiseberichte schildern somit keine Rundreise, vielmehr weisen sie folgende Etappen auf: (1) Alexandrien, (2) Alexandrien – Rosette – Kairo auf dem Nil, (3) Kairo, (4) Kairo – Katharinenkloster über Suez, (5) Katharinenkloster und (6) Katharinenkloster – Heiliges Land auf dem Sinai-Binnenweg. Diesem Aufbauschema folgen z.B. die Reiseberichte von Johann von Bodman (1376), Lorenz Egen (1385), Peter Sparnau (1385) und Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433), wobei Letztgenannter zudem von Kairo aus vor der Sinaireise einen Abstecher zu den Antonius- und Paulusklöstern am Roten Meer unternimmt. Als zweite Variante dieses Organisationsmodells ist der Ägyptenbesuch auf der Rückreise vom Heiligen Land zu nennen. Auch hier wird das Katharinenkloster auf dem Sinai-Binnenweg erreicht. Dieses Modell dominiert in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und gilt als das übliche Organisationsprinzip dieser Zeit. Die Reiseberichte weisen dabei dieselben Etappen wie bei der ersten Variante auf, nennen sie aber in umgekehrter Richtung. Diesem Aufbauschema folgen z.B. die Reiseberichte von Martin Ketzel (1476),⁵⁷ Hans Tucher (1479), Sebald Rieter d. J. (1479), Bernhard von Breydenbach (1483), Felix Fabri (1483), Wolf von Zülnhart (1495–1496), Lupold von Wedel (1578) und Sebastian Schach (1604).⁵⁸ Eine Sonderstellung nimmt der Reisebericht von Gabriel

56 Auch Mandeville berichtet von einer direkten Seeroute nach Alexandrien, die seiner Ansicht nach aber die schlechtere Alternative darstelle. Vgl. [Mandeville], Reisen des Ritters John Mandeville, hg. von Christian Buggisch, Regensburg 2004, S. 98ff. 57 Es ist nicht eindeutig zu klären, von wo aus Ketzel in die Heimat reist, da er die Heimfahrt nicht beschreibt. Nach dem Besuch der Heiligen Stätten in Palästina gelangt er nach Beirut. Hierauf folgt die Beschreibung der Ägyptenreise: Gaza, Berg Sinai, Kairo, Nildelta, weitere hl. Stätten, wie z.B. Makarios, Alexandrien. Danach endet die Einheit. Es schließt sich ein Katalog der Streckenentfernungen an, in dem auch Ägypten behandelt wird. Die Beschreibung scheint eher ein Ablassverzeichnis der hl. Stätten in Ägypten zu sein. 58 Zu dieser Gruppe können auch David Furtenbach und Emanuel Oerttel gerechnet werden. Denn sie begeben sich 1561 von Palästina aus über Gaza auf dem Sinai-Binnenweg zum Katha-

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

Muffel (1467) ein, der, wie aus Cossars kritischer Edition hervorgeht, eine Übersetzung von Niccolò da Poggibonsis Libro d’oltramare ist. Da er nach dem Besuch der heiligen Stätten in Palästina keinen Reisebegleiter findet, der mit ihm auf dem direkten Sinai-Binnenweg zum Katharinenkloster zieht,⁵⁹ schifft er in Beirut nach Alexandrien ein, von wo aus er über Kairo zum Katharinenkloster und dann auf dem Sinai-Binnenweg nach Gaza gelangt. Damit kommt Poggibonsis Reisebericht eine Schlüsselstellung zu. Denn er nimmt den Aufbau der Berichte der folgenden Jahrhunderte vorweg, in denen die Ägyptenreise mit Besuch des Katharinenklosters über Alexandrien und Kairo erfolgt. Die dritte Gruppe umfasst schließlich die Reiseberichte, die die Ägyptenreise auf der Hin- oder Rückfahrt von Palästina erwähnen, aber Kairo als Ausgangs- und Endpunkt der Sinaireise nennen. Auch in dieser Gruppe findet die Ägyptenreise somit auf der Hin- oder Rückfahrt von Palästina statt. Der Besuch des Katharinenklosters erfolgt jedoch ausschließlich über Kairo. Dieses Organisationsmodell dominiert in den Reiseberichten der Frühen Neuzeit und weist zwei Varianten auf, die sich bezüglich der Reiseroute vom/ins Heilige Land unterscheiden. Bei der ersten Variante führt die Reise von Kairo auf dem Landweg nach Gaza, d.h. auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße über Bilbeis, as-Salihiya, Pelusium/Qatia und el-Arish nach Gaza und weist folgende Etappen auf: (1) Alexandrien, (2) Alexandrien – Rosette – Kairo auf dem Nil, (3) Kairo, (4) Kairo – Katharinenkloster – Kairo über Suez, (5) Kairo und (6) Kairo – Heiliges Land auf der Sinai-MittelmeerKüstenstraße. Diesem Aufbauschema folgen z.B. die Reiseberichte von Arnold von Harff (1496–1499)⁶⁰, Georg Gaming (1507), Martin von Baumgarten (1507), Christoph Fürer von Haimendorff (1565–1566)⁶¹ und Friedrich Eckher von Käpfing

rinenkloster. David Furtenbach stirbt aber und wird beim Katharinenkloster begraben. Sein fragmentarischer Reisebericht endet bei Gaza. Jacob Wormser und Graf Albrecht zu Löwenstein (1561), die ihn bis Gaza begleiten, berichten von seinem Schicksal. 59 Vgl. [Muffel], The German Translation of Niccolò da Poggibonsi’s Libro d’oltramare, hg. von Clive D. M. Cossar, Göppingen 1985, S. 121. Dies beeinflusst Reiseroute und Aufbau des Reiseberichts: Heiliges Land/Beirut – Alexandrien (S. 121–123); Aufenthalt in Alexandrien (S. 123f.); Alexandrien – Kairo auf dem Nil (S. 124f.); Aufenthalt in Kairo (S. 125–136); Kairo – Katharinenkloster (S. 136–141); Aufenthalt (S. 142–152); Katharinenkloster – Gaza/Heiliges Land (S. 152–155). In Gaza entscheidet er sich wiederum für eine unkonventionelle Reiseroute für die Heimreise. Da er keine hohen Zollgebühren im Heiligen Land entrichten will, reist er von Gaza auf der Sinai-MittelmeerKüstenstraße nach Damiette, von wo aus er sich nach Zypern und Venedig einschifft (S. 156–164). 60 Harff will vom Sinai aus bis nach Aden und Äthiopien gelangt sein, bevor er nach Kairo zurückkehrt. 61 Er reist nicht, wie üblich, über Bilbeis ins Heilige Land, sondern zuerst nach Alexandrien, dann durch das Nildelta nach Damiette, von wo aus er auf dem Landweg über Qatia/Pelusium nach Gaza weiterzieht.

 2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 

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(1625). Wird Ägypten erst nach dem Besuch des Heiligen Landes bereist, dann finden sich die oben genannten Etappen im Reisebericht in umgekehrter Reihenfolge. Diesem Aufbauschema folgen u.a. die Reiseberichte von Nikolaus und Wilhelm von Diesbach mit Hans von der Gruben (1467)⁶², Jodocus von Meggen (1542)⁶³, Jacob Wormser (1561), Graf Albrecht zu Löwenstein (1561)⁶⁴, Johann Helffrich (1565–1566), Ludwig von Rauter (1568–1569), Franciscus de Billerbeg (1581– 1582), Samuel Kiechel (1588), Georg Franz Ferdinand von Troilo (1666–1670)⁶⁵ und Otto Friedrich von der Gröben (1675). Bei der zweiten Variante, die vor allem ab Mitte des 16. Jahrhunderts üblich ist, führt die Reise ins Heilige Land nicht über die Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße, sondern über den Seeweg von Damiette aus und beinhaltet folgende Etappen: (1) Alexandrien, (2) Alexandrien – Rosette – Kairo auf dem Nil, (3) Kairo, (4) Kairo – Katharinenkloster – Kairo über Suez, (5) Kairo, (6) Kairo – Damiette auf dem Nil, (7) Damiette und (8) Damiette – Heiliges Land auf dem Seeweg. Diesem Aufbauschema folgen die Reiseberichte von Hans Jacob Breuning (1579–1580), Hans Christoph von Teufel (1588), Georg Christoph Fernberger (1588), Arndt Gebhardt von Stammer (1614–1616), Christoph Perband (1614–1616) und Christoph von Neitzschitz (1636). Wird Ägypten nach dem Heiligen Land bereist, so finden sich oben erwähnte Etappen in umgekehrter Reihenfolge im Bericht. Diesem Modell folgen z.B. Bernhard Walter von Waltersweyl (1587), Hans Ludwig von Lichtenstein (1587) und Christoph Harant (1598). Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass im deutschen Ägyptenreisebericht bis zum 18. Jahrhundert drei Hauptmodelle der Ägyptenreise mit Katharinenkloster existieren, die sich ihrerseits in acht Untergruppen gliedern lassen. Die ersten zwei Untergruppen beschreiben die Ägyptenreise vom Heiligen Land auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße über Kairo zum Katharinenkloster mit Rückreise auf dem Sinai-Binnenweg ins Heilige Land oder in umge-

62 Hans von der Gruben berichtet, dass er wegen Unruhen nicht den direkten Sinai-Binnenweg von Gaza durch die Sinaiwüste zum Katharinenkloster nehmen kann; vgl. [Hans von der Gruben], Hans von der Grubens Reise- und Pilgerbuch 1435–1467, hg. von Max von Diesbach. In: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern, 14 (1896), S. 134. 63 Jodocus von Meggen besucht Ägypten auf der Rückfahrt vom Heiligen Land. Er reist auf dem Seeweg zuerst nach Alexandrien, dann über Kairo zum Katharinenkloster. Die Heimfahrt erfolgt von Alexandrien aus. 64 Wormser und Löwenstein bereisen die Strecke Kairo – Alexandrien – Kairo zweimal, da sie in Alexandrien gefangen genommen und in Kairo vor Gericht gestellt werden. 65 Troilo bereist Ägypten zweimal. 1666 reist er von Jerusalem auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße nach Kairo, besucht das Katharinenkloster und kehrt von Kairo aus ins Heilige Land zurück. Nach weiteren Reisen fährt er 1668 auf dem Seeweg vom Heiligen Land nach Damiette. Die Heimreise erfolgt über Kairo und Alexandrien.

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

kehrter Richtung. Das Heilige Land bildet dabei den Ausgangs- und Endpunkt der Ägyptenreise. Dieses Aufbauschema mit seinen zwei Varianten dominiert in der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts und blickt auf eine lange Tradition zurück. Seit Mitte des 14. Jahrhunderts verändert sich die Reiseorganisation. Seither verläuft die Ägyptenreise auf der Hin- oder Rückfahrt vom Heiligen Land und der Besuch des Katharinenklosters erfolgt auf dem Sinai-Binnenweg. Bei der Hinfahrt führt die Reise von Alexandrien über Kairo zum Katharinenkloster und von dort aus auf dem Sinai-Binnenweg ins Heilige Land. Dieses Aufbauschema dominiert von Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Beim Besuch Ägyptens auf der Rückfahrt vom Heiligen Land gestaltet sich die Reise mit denselben Etappen, jedoch in umgekehrter Reihenfolge. Diese Variante dominiert in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts und findet sich gelegentlich auch im Reisebericht des 16. und 17. Jahrhunderts. Seit Ende des 15. Jahrhunderts scheint dann der direkte SinaiBinnenweg vom Heiligen Land zum Katharinenkloster wegen Unruhen nicht mehr intakt zu sein. Der Besuch des Katharinenklosters erfolgt nun fast ausschließlich von Kairo aus. Die Reise ins Heilige Land verläuft dabei entweder auf dem Landweg von Kairo über Bilbeis, Pelusium/Qatia nach Gaza oder seit Mitte des 16. Jahrhunderts auf dem Nil nach Damiette und dann auf dem Seeweg nach Syrien-Palästina. Diese Etappen können auf der Hinreise ins Heilige Land oder auf der Rückfahrt stattfinden und werden im Bericht in entsprechender Reihenfolge beschrieben. Diese letzten vier Aufbauschemata dominieren im Reisebericht der Frühen Neuzeit, wobei die Variante über Damiette seit Mitte des 16. Jahrhunderts üblicher ist. Alle Reiseberichte dieser Gruppe haben aber gemeinsam, dass sie mit einer Jerusalempilgerfahrt kombiniert sind und sich auf das Katharinenkloster, den Sinai und Nordägypten mit Alexandrien, Rosette, Damiette, dem Nildelta und Kairo beschränken.

2.3.3 Aufbau des Reiseberichts ohne Katharinenkloster Bei der zweiten Gruppe von Ägyptenreiseberichten handelt es sich um Reisebeschreibungen, die eine Ägyptenreise schildern, die die Station des Katharinenklosters auf der Sinaihalbinsel nicht enthält. Reisende dieser Gruppe sind weniger aus religiösen Gründen unterwegs. Es handelt sich vielmehr um Diplomaten, Kaufleute, Missionare, Soldaten, Sklaven, Abenteurer und/oder wissbegierige Forschernaturen. Auch Jerusalempilger sind in dieser Gruppe vertreten. Sie besuchen Ägypten jedoch meist nur auf der Durchreise. Einige von ihnen müssen dabei wegen politischer Unruhen auf die Sinaireise verzichten, wie noch zu sehen sein wird. Im Mittelalter beschränkt sich die Zahl der Reisenden, die Ägypten bereisen, ohne das Katharinenkloster zu besuchen, auf sechs Reisebe-

 2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 

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richte. Auch wenn sie damit unter den 28 ermittelten Reiseberichten des Mittelalters als Ausnahme anzusehen sind, so beweisen sie doch, dass die Ägyptenreise im Mittelalter nicht nur als Teil einer Jerusalempilgerfahrt unternommen wird. Sie kann auch aus anderen Beweggründen erfolgen: als Gesandtschaftsreise, als Station auf der Durchreise oder als erzwungene Reise eines Sklaven. Zu den sechs Reiseberichten ohne Katharinenkloster zählen z.B. Burchardus von Monte Sion (1283/1285), Georg von Ehingen (1454–1456) und Ulrich Leman (1472–1478). Sie bereisen Ägpyten nach einem Aufenthalt in Syrien-Palästina und stehen damit in der Tradition des gallischen Bischofs Arkulf (7. Jh.). Burchardus de Monte Sion, der einige Jahre im Orient verbringt und zweimal Ägypten bereist, ist bei seiner zweiten Reise sogar als Diplomat in Ägypten unterwegs. Er reist 1283/85 von Tyrus auf dem Seeweg bis zur Nilmündung bei Pharama/Pelusium und von dort aus weiter auf dem Nil durch das Nildelta bis Kairo. Georg von Ehingen gibt nach seiner Gefangennahme in Syrien den Plan auf, das Katharinenkloster zu besuchen. Auf der Rückfahrt vom Heiligen Land macht er aber in Alexandrien Halt. Und Ulrich Leman, ein Kaufmann aus St. Gallen, ist geschäftlich in SyrienPalästina unterwegs, unternimmt eine Pilgerfahrt und besucht auf den jährlichen Fahrten zwischen Rhodos und Beirut/Damaskus auch Alexandrien. Daneben sind drei weitere Reiseberichte aus dem Mittelalter überliefert, die nicht vom Katharinenkloster berichten: Burchard von Straßburg (1175), Oliver von Paderborn (1219–1221) und Johannes Schiltberger (1394–1427). Burchard von Straßburg ist als Gesandter Friedrich Barbarossas zu Saladin in Ägypten unterwegs. Sein Reiseweg führt ihn von Alexandrien nach Kairo. Von da aus reist er auf der SuezAqaba-Straße durch den Sinai nach Syrien. Anschließend kehrt er über Palästina, Gaza und el-Arish nach Kairo zurück. Während Burchard von Straßburg als Diplomat in Ägypten unterwegs ist, bereist Oliver von Paderborn das Land als Kreuzritter und liefert eine ausführliche Beschreibung des Kreuzzugs gegen Damiette (1219–1221), an dem er teilgenommen hat. Johannes Schiltberger schildert schließlich sein Schicksal als Kriegsgefangener und Sklave bei den Türken und Tataren. Im Dienste verschiedener Herren bereist auch er Ägypten. Auch die Reiseberichte dieser Gruppe – abgesehen von Schiltberger – folgen der Reiseroute und sind chronologisch aufgebaut. Neben der Beschreibung des Aufenthalts in Alexandrien und Kairo finden sich bei ihnen folgende Bausteine: (1) Heiliges Land – Kairo auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße (2) Kairo – Suez – Aqaba auf der Suez-Aqaba-Straße (3) Pelusium/Pharama – Kairo auf dem Nil (4) Alexandrien – Rosette – Kairo auf dem Nil. In der Frühen Neuzeit steigt die Zahl der Reiseberichte, in denen eine Ägyptenreise ohne die Station des Katharinenklosters beschrieben wird. Dabei treten Ägyptenreisewerke im Stil von Reiseführern als weitere Untergruppe neben die Pilgerberichte, die Ägypten nur als Durchreisestation nennen, und neben die

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

Berichte von Reiseautoren, die aus anderen Beweggründen in Ägypten unterwegs sind: Sklaven, Forscher, Missionare, Soldaten, Abenteurer und zum ersten Mal seit der Antike auch eine Frau. Zur ersten Untergruppe, den Reiseführern, sind die Reisewerke von Jakob Beyrlin (1606) und Hieronymus Welsch (1630–1634) zu nennen. Sie sind aus anderen Quellen kompiliert und stehen damit in der Tradition von Beda Venerabilis (7. Jh.), Petrus Diaconus (12. Jh.) und Jacobus de Voragine (13. Jh.).⁶⁶ Beyrlin beschreibt dabei eine Ägyptenreise im Stil eines Reiseführers und Hieronymus Welsch liefert neben der Beschreibung seiner LevanteReisen auch eine Ägypten- und Arabienreisebeschreibung, ohne diese Orte selbst besucht zu haben. Beide Werke sind insofern wichtig, als sie den Wissensstand der Zeit spiegeln und als Multiplikatoren des Ägyptenbildes fungieren. Bei der zweiten Gruppe handelt es sich um Jerusalempilger und Morgenlandreisende, die Ägypten auf der Hin- oder Rückfahrt vom Heiligen Land bereisen. Dass dabei das Katharinenkloster nicht besucht wird, liegt möglicherweise an Unruhen in diesem Gebiet oder an veränderten Zielen der Reisenden. Nikolaus Christoph Radziwill (1583), Hans Jacob Ammann (1613), Heinrich von Rantzau (1623) und Angelicus Maria Myller (1726–1727) bereisen Ägypten nach einem Aufenthalt in Syrien-Palästina.⁶⁷ Radziwill und Rantzau gelangen dabei auf dem Seeweg über Damiette nach Kairo, Ammann reist auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße vom Heiligen Land nach Kairo und Myller über Konstantinopel nach Alexandrien und Kairo. Daniel Ecklin (1552–1553), Salomon Schweigger (1581), Karl Nützel (1586), Reinhold Lubenau (1588), Paul Mayr (1630–1671), Chorherr Ludwig Helmlin von Beromünster (1639–1640), Jonas Korte (1737) und Anton Krenn (1756) hingegen bereisen Ägypten auf der Hinfahrt ins Heilige Land. Ihre Reisen beschränken sich auf Alexandrien, Rosette, Damiette und Kairo.⁶⁸ Die Reiseberichte dieser Gruppe folgen hinsichtlich des Aufbaus ebenfalls der Reiseroute und weisen folgende typische Bausteine der Ägyptenreise auf: (1) Palästina – Kairo auf dem Seeweg über Damiette oder dem Landweg über Gaza/Qatia. (2) Alexandrien – Rosette –

66 Zu Beda Venerabilis vgl. Paul Geyer (Hg.), Itinera Hierosolymitana saeculi IV-VIII, Vindobonae 1898, S. 299–324, hier S. 321. Zur Bearbeitung durch Petrus Diaconus siehe Paul Geyer (Hg.), Itinera Hierosolymitana saeculi IV-VIII, Vindobonae 1898, S. 103–121, hier S. 114–121 sowie Jacobus de Voragine, Die Legenda Aurea, Gütersloher Verlagshaus 2004. 67 Auch Hieronymus Beck von Leopoldsdorf (1550–1551) und Heinrich Wilhelm Ludolf (1699) bereisen Ägypten auf der Rückfahrt vom Heiligen Land. Von ihnen sind jedoch keine Reiseberichte überliefert. 68 Karl Nützel gibt aufgrund von Unruhen den Plan auf, zum Katharinenkloster zu reisen. Der Philologe und Apotheker Reinhold Lubenau aus Königsberg besucht auf seinen Reisen in die Türkei und die Levante nur Alexandrien. Und den Gesandtschaftsprediger Salomon Schweigger führt die Reise von Konstantinopel nach Palästina nur nach Alexandrien und Rosette.

 2.3 Bausteine und Aufbau des Reiseberichts 

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Kairo auf dem Nil. (3) Damiette – Kairo auf dem Nil. Zur dritten Untergruppe zählen schließlich Kriegsgefangene im Osmanischen Reich wie Michael Heberer (1582–1588), Johannes Wild (1604–1611), Nicolaus Schmidt (1604–1611) und Christian von Wallsdorff (1660–1663). Als Sklaven auf türkischen Galeeren, im Dienste verschiedener Herren oder nach dem Freikauf bereisen auch sie Ägypten. Ihre Reisen beschränken sich hauptsächlich auf Alexandrien. Manche reisen auch bis Kairo und Suez. Johannes Wild sieht mit seinen Herren sogar Mekka, Jemen, Abessinien, den Sinai und Palästina-Syrien. Ihre Berichte sind kulturhistorisch sehr wertvoll, da sie die europäisch-türkischen Machtverhältnisse des 16. und 17. Jahrhunderts beleuchten. Sie zeugen von einem starken, expansiven islamischen Orient und lassen sich nicht in das Schema des hegemonialen Orientalismus nach Said einordnen, wie noch zu zeigen sein wird. Zur dritten Gruppe zählen auch Peter Heyling (1628–1652), Johann Michael Wansleben (1664–1665; 1671–1674), Theodor Krump (1700–1704), Carsten Niebuhr (1761–1767), Friedrich Konrad Hornemann (1797/98) und Johann Friedrich Voigt (1798–1801). Sie repräsentieren neue Typen von Ägyptenreisenden: Wissbegierige, Abenteurer, Missionare, Soldaten und Forscher. Mit Regula Engel (1798–1801) bereist zum ersten Mal seit dem Frühchristentum (z.B. Egeria und Paula) auch wieder eine Frau Ägypten. Peter Heyling ist der erste evangelische Missionar, der durch Ägypten nach Äthiopien zieht. Von seinen Erlebnissen sind nur wenige Briefe überliefert. Er ist der erste uns bekannte Deutsche, der Oberägypten bereist. Auf seinen Spuren reist Johann Michael Wansleben. 1664 bricht er im Auftrag von Herzog Ernst dem Frommen von Gotha und unter Vermittlung des Orientalisten Hiob Ludolf auf, um Äthiopien zu erkunden und die lutherische Lehre zu verkünden. 1671 ist er zum zweiten Mal in Ägypten, diesmal im Auftrag des französischen Ministers Colbert, um Handschriften für die königliche Bibliothek zu erwerben. Bei seinen Reisen gelangt er jedoch nur bis nach Oberägypten. Auch der Franziskaner Theodor Krump (1700–1704) reist durch Ägypten nach Äthiopien, um dort als Missionar zu wirken. Heyling, Wansleben und Krump sind die drei einzigen uns bekannten Deutschen bis Anfang des 19. Jahrhunderts, die nicht nur Unterägypten, sondern auch Oberägypten bereisen. Niebuhr und Hornemann hingegen sind im Auftrag europäischer Instanzen als Forscher unterwegs. Auch bei ihnen stellt Ägypten nicht das primäre Hauptreiseziel dar. Sie wollen vielmehr Arabia Felix (Jemen) bzw. Afrikas Binnenland (Marzuk) erkunden. Ägypten dient damit sowohl den Missionaren, als auch dem Arabien- und Afrikaforscher als Ausgangsbasis für weitere Reisen. Johann Friedrich Voigt ist schließlich bei Napoleons Ägypteninvasion (1798–1801) als Soldat des französischen Heeres in Ägypten und Regula Engel als Begleiterin ihres Mannes, der auch als Soldat im französischen Herr dient. Mit Ausnahme der Berichte von Wansleben, die stärker einem thematischen Aufbauprinzip gehorchen, folgen auch die Reiseberichte dieser Gruppe chronolo-

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

gisch der Reiseroute. Neben der Beschreibung von Alexandrien und Kairo finden sich hier folgende Bausteine der Ägyptenreise: (1) Alexandrien – Rosette – Kairo auf dem Nil (2) Kairo – Suez – Rotes Meer – (Sinai) – Jemen auf dem Land- und Seeweg (3) Kairo – Damiette auf dem Nil (4) Kairo – Oberägypten – Äthiopien auf dem Nil (5) Kairo – Siwa – (Marzuk) auf dem Landweg durch die Wüste.

2.4 Auswahl der Reiseberichte Das Textkorpus, das im Folgenden analysiert werden soll, umfasst 21 Reiseschriften vom 4. bis zum 17. Jahrhundert. Dabei handelt es sich um 5 europäische Reisewerke aus dem 1. Jahrtausend und 16 deutsche Reiseberichte vom 12. bis zum 17. Jahrhundert. Darüberhinaus werden weitere Reiseschriften herangezogen werden, um Argumente zu belegen und Entwicklungen aufzuzeigen. Als Auswahlkriterien dienen Reisezeit, Reiseroute, Reiseart, Themenauswahl sowie Reise- und Schreibmotive. Als wichtigstes Auswahlkriterium gilt die Reiseroute. Wie obige Ausführungen zeigen, stellt sie nämlich einen geeigneten Parameter dar, um eine Zuordnung der Berichte zu bestimmten Modellen vorzunehmen. Mit der Berücksichtigung verschiedener Kompositions- und Aufbaumodelle kann damit eine repräsentative und intersubjektiv nachvollziehbare Auswahl getroffen werden. In der Zusammenschau mit den übrigen Kriterien sollte es möglich werden, sowohl das Besondere eines Reisewerks zu beleuchten als auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede nachzuvollziehen. Im dritten Kapitel vorliegender Arbeit werden die europäischen Ägyptenreiseberichte des 1. Jahrtausends näher betrachtet. Hier werden die Reiseberichte von Egeria, Paula, dem Pilger von Piacenza, Arkulf und Bernardus Monachus im Mittelpunkt stehen. Dabei stellen die heiligen Stätten auf dem Sinai sowie mönchische Siedlungen in der nitrischen Wüste, im Nildelta, in Kairo, am Roten Meer und auch in der Thebais die Hauptreiseziele der Ägyptenreise dar. Wie alle Reisende dieser Zeit, beschreiben sie eine Ägyptenreise, die sich auf den Sinai und Nordägypten (Nildelta, Damiette, Alexandrien, Kairo) beschränkt. In den Berichten lassen sich drei Hauptmodelle der Organisation von Reise und Reisebericht erkennen. Zunächst ist die Ägyptenreise mit dem Heiligen Land als Ausgangsund Endpunkt der Reise zu nennen, wie sie bei Egeria, Paula und dem Pilger von Piacenza auftritt, wobei Egeria und der Pilger von Piacenza auch die heiligen Stätten beim Berg Sinai besichtigen. Als zweites Modell ist die Ägyptenreise anzusehen, die nach dem Besuch des Heiligen Landes auf der Heimfahrt erfolgt, wie bei Arkulf. Als dritte Möglichkeit ist die Ägyptenreise auf der Hinfahrt ins Heilige Land wie bei Bernardus Monachus zu nennen. Bei beiden Reisenden werden die heiligen Stätten auf dem Sinai jedoch nicht besichtigt. Mit der europäischen Pil-

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gerliteratur seit dem 4. Jahrhundert stehen den deutschen Reisenden somit variationsreiche Organisationsschemata der Ägyptenreise zur Verfügung. Die deutschen Ägyptenreiseberichte vom 12. bis zum 17. Jahrhundert, denen sich die Kapitel 4 und 5 vorliegender Arbeit widmen, lassen sich entsprechend des Unterscheidungskriteriums eines Sinai-Besuches in zwei Hauptgruppen mit unterschiedlichen Variationsmöglichkeiten untergliedern. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um Reiseberichte, die eine Ägyptenreise ohne den Besuch des Katharinenklosters schildern. Bei dieser Gruppe handelt es sich hauptsächlich um Diplomaten, Kaufleute, Kreuzfahrer, Abenteurer sowie Kriegsgefangene und Sklaven. Hierfür stehen im Analyseteil die Reiseberichte von Burchard von Straßburg, Burchardus von Monte Sion, Michael Heberer, Nicolaus Schmidt und Christian von Wallsdorff. Auch Jerusalempilger oder Morgenlandreisende, die das Katharinenkloster aufgrund von Unruhen nicht besuchen können, sind in dieser Gruppe vertreten. Hierfür steht z.B. der Reisebericht von Karl Nützel. Bei der zweiten Gruppe, die den größten Teil der deutschen Ägyptenreiseberichte bis Mitte des 17. Jahrhunderts umfasst, handelt es sich dagegen um Reiseberichte, die eine Ägyptenreise mit dem Besuch des Katharinenklosters schildern. Es sind dies meist Reiseberichte von Jerusalempilgern oder Morgenlandreisenden. Je nach Reiseroute lassen sie sich drei Modellen zuordnen. So steht Boldensele für eine Ägyptenreise, die im Heiligen Land ihren Ausgangs- und Endpunkt findet. Lorenz Egen, Graf von Katzenellenbogen und Hans Tucher stehen dagegen für Ägyptenreisende, die auf der Hinfahrt nach oder Rückfahrt von Palästina das Katharinenkloster auf dem Sinai-Binnenweg besuchen. Das dritte Modell mit Kairo als Ausgangs- und Endpunkt der Sinaireise wird schließlich durch Jacob Wormser, Albrecht zu Löwenstein und Georg Christoph Fernberger vertreten. In der Zusammenschau mit den übrigen Auswahlkriterien stehen damit Reiseberichte im Mittelpunkt der Analyse, anhand derer sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede aufgezeigt und somit die Geschichte des Ägyptenreiseberichts nachvollzogen werden kann. Als erster Reisebericht wird im 4. Kapitel der Bericht von Burchard von Straßburg (1175) analysiert. Es ist der erste uns bekannte Bericht eines deutschen Ägyptenreisenden. Burchard von Straßburg ist als Gesandter zum ägyptischen Sultan in Ägypten unterwegs. Sein Reiseweg führt ihn von Alexandrien nach Kairo. Von da aus reist er auf der Suez-Aqaba-Straße durch den Sinai nach Syrien. Anschließend kehrt er über Palästina, Gaza und el-Arish nach Kairo zurück. Als Gesandter bereist auch Burchardus de Monte Sion (1283/1285) Ägypten. Seine Reise verläuft von Tyrus auf dem Seeweg bis zur Nilmündung bei Pelusium/Pharama und von dort aus weiter auf dem Nil durch das Nildelta bis Kairo. Sie ist zugleich als Teil eines Pilgerberichts konzipiert. Als Gesandtschaftsreisende markieren beide Autoren Meilensteine der deutsch-ägyptischen Beziehungen und liefern

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 2 Reiseberichte, Reisende und Reisekultur

mit ihren Berichten wertvolle Bausteine des deutschen Ägyptenbildes in der Reiseliteratur. Die zweite Gruppe der im 4. Kapitel zu analysierenden Berichte sind Pilgerberichte, die neben Jerusalem auch Ägypten erwähnen. Hierbei handelt es sich um die Reiseberichte von Wilhelm von Boldensele (1332), Lorenz Egen (1385), Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433) und Hans Tucher (1479). Dies sind vier Reiseberichte aus dem 14. und 15. Jahrhundert, die unterschiedliche Aufbauschemata, Sachverhalte sowie Reise- und Schreibmotive aufweisen. Herangezogen wird auch die Reiseschrift von Martin Ketzel (1476), die die heiligen Stätten auf dem Sinai, in Alexandrien und Kairo mit entsprechendem Ablass beschreibt. Der ehemalige Dominikanermönch Boldensele schildert eine Ägyptenreise mit Palästina als Ausgangs- und Endpunkt der Reise, die somit die Stationen GazaKairo-Katharinenkloster-Gaza umfasst. Boldenseles Ägytenbericht, der dem späteren Kardinal Talleyrand als Wegweiser für einen geplanten Kreuzzug dienen soll, liefert mit seiner Reiseroute nicht nur neue Bildelemente. Er besitzt auch propagandistischen Charakter. Der Augsburger Bürger Lorenz Egen und der Katharinenritter Graf Philipp von Katzenellenbogen unternehmen hingegen eine Ägyptenreise auf der Hinfahrt ins Heilige Land. Ihr Reiseweg führt sie von Alexandrien über Kairo zum Katharinenkloster und anschließend nach Jerusalem. Egens knapper Bericht weist das konventionelle Schema eines Itinerars auf. Dabei scheint er beim Verfassen seines Reiseberichts ein Ablassverzeichnis als Grundgerüst benutzt zu haben. Das Besondere am Ägyptenbericht von Katzenellenbogen, der aus der Feder eines seiner Gefolgsmänner stammt, besteht hingegen in der Beschreibung seines von Kairo aus vor seiner Sinaireise unternommenen Abstechers zum Antonius- und Pauluskloster und des Ritterschlags zum Katharinen-Ritter. Der Nürnberger Kaufmann Hans Tucher beschreibt schließlich eine Ägyptenreise auf der Heimfahrt vom Heiligen Land. Seine Reiseroute verläuft von Jerusalem über Gaza durch die Sinaiwüste zum Katharinenkloster, anschließend nach Kairo und Alexandrien, von wo aus er über Venedig wieder in die Heimt zurückkehrt. Sein Reisebericht weist dabei dieselben Etappen auf wie die Berichte von Egen und Katzenellenbogen, werden aber in umgekehrter Richtung beschrieben. Im fünften Kapitel werden dann mit Feyerabends Reisesammlung, die auch einen Pilgerführer enthält, und Beyrlins Reiseführer zunächst zwei Reisewerke betrachtet, die als Multiplikatoren des Wissens gelten und den Reisenden der Frühen Neuzeit als Orientierungshilfe dienen. Im Anschluss werden sieben Reiseberichte der Frühen Neuzeit behandelt, die verschiedene Arten des Reisens (Pilger-, Morgenland-, Gefangenenreisen) als auch unterschiedliche Reiserouten, Aufbauschemata und Bildelemente beleuchten. Zur Gruppe der Pilgerreisen gehören Albrecht von Löwenstein (1561/2) und Jacob Wormser (1561/2). Die Gruppe der Morgenlandreisen vertreten Karl Nützel (1586) und Georg Christoph Fernber-

 2.4 Auswahl der Reiseberichte 

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ger (1588) und die Gruppe der Gefangenenreisen repräsentieren Michael Heberer (1582–1588), Nicolaus Schmidt (1604–1611) und Christian von Wallsdorff (1660– 1663). Löwenstein und Wormser stehen dabei am Übergang zwischen alter und neuer Tradition. Wie die Analysen zeigen werden, weisen ihre Berichte nämlich im Hinblick auf Reiseroute, Themenwahl und Darstellung sowohl Merkmale spätmittelalterlicher Pilgerberichte als auch Kennzeichen der neuen, durch die Apodemik beeinflussten Tradition auf. Karl Nützel von Sündersbühl und Georg Christoph Fernberger lassen sich dagegen hinsichtlich Reiseroute, Themenwahl und Darstellungsweise der neuen Tradition der Pilger- und Morgenlandreisen zurechnen. Die dritte Gruppe umfasst Berichte deutscher Gefangener im Osmanischen Reich, die während oder nach ihrer Gefangenschaft Ägypten bereisen. Es handelt sich hierbei um eine Gruppe von Reisenden, die nicht aus religiösen Motiven zu einer Pilgerfahrt aufbrechen, sondern ihre Reise antreten, um fremde Länder zu sehen bzw. um aus Kriegs- und Abenteuerlust gegen den Erzfeind der Christenheit zu Felde zu ziehen. Ihre Reisen sind keine freiwilligen Reisen. Vielmehr müssen sie als Sklaven verschiedene Dienste verrichten. Zudem verbringen sie meist eine lange Zeit im Orient – im Gegensatz zu den Pilgern und Morgenlandreisenden, die in der Regel nur einige Monate in Ägypten unterwegs sind. Aufgrund ihres teils sehr langen Aufenthalts im Orient und ihrer veränderten Perspektive auf Ägypten ist zu vermuten, dass in ihren Berichten neue Aspekte und Facetten des Ägyptenbildes auszumachen sind.

3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends Aus dem ersten Jahrtausend sind uns wertvolle europäische Reisewerke überliefert, in denen von Ägypten berichtet wird. Kennzeichnend für diese Reiseberichte ist zum einen, dass es sich um Jerusalempilgerberichte im weitesten Sinne handelt, und zum anderen, dass sie meist in lateinischer Sprache und vereinzelt in griechischer Sprache verfasst sind.¹ Nach Donner lassen sich drei Kategorien von Pilgerberichten unterscheiden: Erstens „Niederschriften der Pilger selbst, z.T. noch an Ort und Stelle, während der Reise, oder erst nach der Heimkehr gemacht, zweitens Berichte Dritter über Pilgerreisen und drittens Reiseführer, Orts- und Landesbeschreibungen, die nur mittelbar auf Pilgererfahrungen zurückgehen“.² Zur ersten Gruppe, den Niederschriften der Pilger selbst, zählen die Reiseberichte der Nonne Egeria (381–384), des anonymen oberitalienischen Pilgers von Piacenza (570) und des Bernardus Monachus (865). Zur zweiten Kategorie, d.h. den Berichten Dritter, gehören der Reisebericht des hl. Hieronymus über die Reise der Römerin Paula und ihrer Tochter Eustochium (385/386)³, der Reisebericht des Abts Adamnanus über die Reise des gallischen Bischofs Arkulf (670/680) sowie der Bericht von Dicuil in seinem 825 verfassten geographischen Werk De Mensura Orbis über die um 762/765 unternommene Pilgerreise des irischen Mönches Fidelis. Zur dritten Gruppe, der Reiseführer und Ortsbeschreibungen, lässt sich der Bericht des Archidiakon Theodosius (518/530) zuordnen. Nennenswert sind weiterhin zwei Werke, die für die Zirkulation des durch die Reiseberichte gewonnenen Wissens über die heiligen Stätten im Orient sorgen, nämlich der Liber de locis sanctis von Beda Venerabilis (703/4), worin der Reisebericht von Arkulf tradiert wird, sowie die Überarbeitung des Beda’schen Werks durch Petrus Diaconus (1173), der darin auch Egerias Reisebericht integriert.⁴ Ferner gibt es Reisetexte in

1 Vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 4. 2 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 28. Vgl. dazu auch John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 1. Im Gegensatz zu Donner und Wilkinson nennt Baumstark vier Kategorien und unterscheidet die Niederschriften der Pilger als ‚im Orient selbst gemachte Aufzeichnungen‘ und ‚in der Heimat von den Pilgern selbst redigierte Reiseberichte‘; vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 4. 3 Dieser Bericht könnte auch zur ersten Gruppe gerechnet werden, da Hieronymus Paula auf der Reise begleitet. Im Mittelpunkt stehen jedoch die von Hieronymus geschilderten Reiseeindrücke Paulas. 4 Vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 12; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 78 und S. 296f. Beide Werke sind von Geyer herausgegeben: Paul Geyer (Hg.), Itinera Hierosolymitana saeculi IV-VIII, Vindobonae 1898.

 3.1 Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten 

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griechischer Sprache über Ägypten, wie z. B. die Palästinabeschreibung von Epiphanius Hagiopolita (7./8. Jh.) oder die Geographie von Cosmas Indicopleustes (522/550), die die Route des Exodus von Clysma/Suez zum Berg Sinai im Einklang mit der Bibel wiedergibt.⁵ All diese Schriften der Reiseliteratur beeinflussen sich gegenseitig und sorgen für die Zirkulation eines bestimmten Ägyptenbildes, dessen Hauptmerkmal darin besteht, dass es im Einklang mit der Bibel wiedergegeben wird. Es ist vor allem der biblischen Tradition verpflichtet und steht im Kontext dessen, was Jan Assmann Konversionserinnerung bezeichnet.⁶ Die deutschen Pilger blicken somit auf eine alte christlich-europäische Pilgertradition nach Palästina und Ägypten zurück, in der sie etablierte Strukturen, Grundmuster und Themen für ihre Ägyptenreiseberichte vorfinden. Um die Anfänge des Ägyptenreiseberichts im europäischen Kontext zu erhellen, sollen im Folgenden die Berichte von Egeria, Paula, Arkulf, Bernardus Monachus und des Pilgers von Piacenza näher betrachtet werden.

3.1 Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten Egeria ist eine der ersten europäischen Pilgerinnen des Frühchristentums. Sie reist auf den Spuren der Heiligen Schrift und liefert den ersten Reisebericht aus der Feder einer Frau. Sie steht damit am Anfang einer sich entwickelnden Tradition der Pilgerfahrt zu den Heiligen Stätten der Bibel, die von Anfang an Ägypten als eine wichtige Reisestation umfasst. Die deutschen Pilger und Ägyptenreisenden blicken somit auf eine alte Tradition des christlich motivierten Reisens im Orient zurück. Im Folgenden soll Egerias Reisebericht näher betrachtet werden. Dabei wird auch der Reisebericht von Hieronymus/Paula herangezogen werden, um so die Anfänge des Pilger- bzw. Ägyptenreiseberichts im Abendland näher zu beleuchten. Für Egerias Pilgerbericht hat sich in der Forschung der Name Itinerarium Egeriae eingebürgert.⁷ Itinerarien kennt man auch in antiker Zeit. Dabei handelt

5 Vgl. John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 6 und S. 73. Vgl. dazu auch Andreas Külzer, Peregrinatio graeca in Terram Sanctam. Studien zu Pilgerführern und Reisebeschreibungen über Syrien, Palästina und den Sinai aus byzantinischer und metabyzantinischer Zeit, Frankfurt a.M. [u.a.] 1994. 6 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 25f. 7 So z.B. bei Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 9–115. Die Zitatangaben im Fließtext beziehen sich auf die deutsche Ausgabe in Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82–133. Im Folgenden zitiert als Egeria gefolgt von Kapitel und Abschnitt in der Form x, y.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

es sich aber um bloße Wegbeschreibungen mit Angaben über Straßennetze und Streckenentfernungen. Sie dienen als Vorbild für die Itinerarien in christlicher Zeit und werden für die Pilgerfahrt um religiöse Gedächtnisorte und biblische Sehenswürdigkeiten erweitert. Egerias Bericht, der in Briefform in der ersten Person geschrieben ist und sich durch Lebhaftigkeit, Authentizität und Ausführlichkeit auszeichnet, wird von Röwekamp als Weiterentwicklung der Itinerarien angesehen.⁸ Der Reisebericht ist fragmentarisch überliefert. Anfang und Ende sind verloren und mit ihnen auch der Name der Autorin, was in der Forschung „zu einem lebhaften Ratespiel geführt“⁹ hat. Mittlerweile hat sich jedoch der Name Egeria in der Forschung durchgesetzt. Dabei handelt es sich um eine Nonne vornehmer Herkunft, die aus Aquitanien oder Galizien stammt.¹⁰ Der Bericht vermittelt das Bild einer frommen, gebildeten Europäerin des Frühchristentums, die Griechischkenntnisse besitzt, großes Interesse an der Auslegung der Bibel zeigt und neugierig in die Welt blickt.¹¹ Egerias Reisebericht lässt sich in zwei Teile gliedern. Im ersten Teil (1–23) wird die Reise auf dem Sinai, im östlichen Ägypten (1–9) und Ostjordanland, in Mesopotamien und Kleinasien geschildert. Der zweite Teil (24–49) beschreibt dagegen die Liturgie in Jerusalem.¹² Der fragmentarisch überlieferte Text verrät

8 Vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 10. 9 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 69. Vgl. auch Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 12. Die Vornamen Egeria und Etheria sind am besten belegt; vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg in Breisgau 1995, S. 10–13; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S 78f. Aus dem Pilgerbericht ist lediglich zu entnehmen, dass es sich um eine Frau handelt. Der italienische Gelehrte Gian-Francesco Gamurrini, der 1884 die Handschrift aus dem 11. Jahrhundert entdeckt, in der sich u.a. der in Briefform abgefasste Pilgerbericht von Egeria befindet, vermutet, die Autorin sei eine adelige Dame namens Silvia oder Silviana. Anfang des 20. Jahrhunderts können Teile des verlorenen Textes rekonstruiert werden; vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 68ff. und 78f.; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 9–12. 10 Die Anrede der Adressatinnen als dominae sorores (46,1.4) oder als dominae sorores venerabiles (20,5) spricht dafür. Zudem wird sie im Brief des Valerius als sanctimonialis (Nonne) und virgo (Jungfrau) bezeichnet; vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S 71f.; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 14ff. 11 Vgl. Egeria 7,7; 8,3; 15,3 und Egeria 16,3; vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 75; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 18f. 12 Aufgrund von Textaussagen (23,10) wird vermutet, dass Egeria den Bericht über die Liturgie in Jerusalem, den über die Reise aber erst später in Konstantinopel schreibt; vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 77; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 11.

 3.1 Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten 

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folgende Grundstruktur: (Hinreise ins Heilige Land) – (1. Ägyptenreise) – (Heiliges Land). Der erhaltene Bericht schildert dann die 2. Ägyptenreise, die Reise ins Heilige Land und die Rückreise über Konstantinopel (in die Heimat). Während die Reisedauer aus dem Bericht hervorgeht (Egeria 17,1), ist das genaue Datum in der Forschung umstritten. Auch eine Frühdatierung zwischen 381 und 384 wird nicht ausgeschlossen.¹³ Aus Egerias Bericht lassen sich wichtige Informationen über die damalige Reisekultur entnehmen. Sie reist wohl, wie der Pilger von Bordeaux¹⁴, auf dem Landweg zuerst nach Konstantinopel, auch wenn diese Reiseroute in ihrem fragmentarisch überlieferten Reisebericht nicht belegt ist.¹⁵ Die Reise verläuft dann auf dem Landweg von Konstantinopel (Egeria 23,8) nach Jerusalem (Egeria 9,6.7), von wo aus sie ihre erste Ägyptenreise unternimmt.¹⁶ Dabei reist sie von Jerusalem über Askelon und Pelusium nach Alexandrien, den Nil aufwärts nach Kairo (Memphis, Babylon, Heliopolis) und sogar bis in die Thebais (Egeria 7,1; 9,1.6). Ihr Reisemotiv besteht, wie auch später bei Paula, im Besuch der dortigen Klöster. Ihr Bericht steht damit für das Bild vom frommen Ägypten, das im christlichen Mittelalter als Geburtsland des Mönchtums gilt.¹⁷ Nach einem

13 Historische und philologische Untersuchungen legen die Vermutung nahe, dass die Reise zwischen 363 und 540 erfolgt. Eine Frühdatierung auf 400 wird in der Forschung nicht mehr ausgeschlossen. Devos datiert die Reise sogar auf die Jahre 381 bis 384; vgl. Paul Devos, La date du voyage d’Égérie. In: Analecta Bollandiana, 85 (1967), S. 165–194. Vgl. hierzu Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 72f.; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 20–22 und S. 29. 14 Vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 35–67. 15 Vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 72; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 30. 16 Obwohl der Bericht über die erste Ägyptenreise verloren ist, kann sie aus dem überlieferten Teil, dem Valeriusbrief und dem Text von Petrus Diaconus in Ansätzen rekonstruiert werden; vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 68f.; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 29f. 17 Vgl. Egeria 7,1; 9,6. Vgl. Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, hier S. 157ff.: „Bei weitem wichtiger aber als der Hort der Weisheit war für das christliche Mittelalter Ägypten als das Geburtsland des Mönchtums. Diese Qualität haben mittelalterliche Autoren durchaus betont: Im vierten Jahrhundert ‚erblühe‘ – so heißt es wörtlich bei Otto von Freising – Ägypten durch viele Tausende von Heiligen, die als Jünger des hl. Antonius in der Wüste als Einsiedler lebten. […] Guillaume von Poitiers spricht in seiner Geschichte Wilhelms des Eroberers mit Blick auf das Mönchtum vom ‚heiligen Ägypten‘ (beata Aegyptus). Mit diesem, so sagt er, habe die Normandie zur Zeit seines Helden zu wetteifern versucht, was die Zahl und die Qualität ihrer monastischen Gemeinschaften betraf. Ägypten wird bei beiden Autoren also zum Vorbild, das Europa nachzuahmen versucht und, jedenfalls bei Otto, sogar bereits überflügelt hat. Die Rolle Ägyptens in diesen Vergleichen ist allerdings nicht so eindeutig, wie es auf den

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

Besuch im Land Gosen im östlichen Nildelta (Egeria 7,1) kehrt sie nach Jerusalem zurück.¹⁸ Die zweite Ägyptenreise, die der erhaltene Bericht schildert, ist dem Besuch der heiligen Stätten auf dem Sinai und im östlichen Nildelta gewidmet und wird auf Dezember 383 datiert.¹⁹ Diesmal reist Egeria von Jerusalem über Askelon, Pelusium und Clysma/Suez, wo sie das Schilfmeerwunder lokalisiert, an der Westküste der Sinaihalbinsel entlang und erreicht über Faran/Feiran das Gebiet Wadi er-Raha, wo sie die sogenannten Lustgräber besichtigt. „Hier setzt der erhaltene Teil ihres Berichts ein, der dann zunächst den Weg zum Berg Sinai beschreibt“.²⁰ Nach einem viertägigen Aufenthalt reist Egeria in umgekehrter Richtung von Clysma über das östliche Deltagebiet und die Stadt Arabia, wo sie das Epiphaniefest mitfeiert, nach Tanis und Pelusium und erreicht Mitte Januar wieder Jerusalem. Ihre Pilgerreise führt sie auch ins Jordanland, nach Mesopotamien, Syrien und auf dem Landweg zurück nach Konstantinopel, wo sie den Reisebericht schreibt und weitere Reisen vor der Heimkehr ankündigt.²¹ Egerias Pilgerfahrt erfolgt zur Zeit des römisch-byzantinischen Reiches. Das gut ausgebaute Straßennetz dieser Zeit verbindet alle Reichsteile durch die viae publicae und ermöglicht so die Durchführung einer solchen Reise im Orient.²² Zu dieser Zeit reist man mit einem amtlichen diploma und kann auf weiten Strecken die kaiserliche Post, den cursus publicus, benutzen. Entfernungen zwischen den Orten werden in der Regel mit mansiones angegeben, die auf den Hauptstrecken als Rastplätze und Herbergen fungieren, bzw. durch die mutationes, die nur zum Pferdewechsel dienen. Pilger genießen zudem die Gastfreundschaft christlicher Gemeinden, ein im Diskurs der Pilgerfahrt wiederkehrendes Motiv christlicher Nächstenliebe. Sie übernachten auch in Klöstern, die an der Wegstrecke liegen. Dafür werden die Pilger von ihren Heimatbischöfen mit Friedensbriefen versehen, um sich ausweisen zu können.²³ Auch Egeria übernachtet in Klöstern und

ersten Blick erscheint. Das Land erblüht oder wird gar geheiligt durch die in ihm lebenden Eremiten. Sie sind es, die ihm eine höhere Qualität verleihen. Gemeint ist mit ‚Ägypten‘ hier durch den Bezug auf die Eremiten aber nicht die Städtelandschaft am Nil, sondern die Wüste, die zum Zufluchtsort der Einsiedler wurde“. 18 Vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 30f. 19 Laut Devos soll sich Egeria vom 16. bis 19. Dezember auf dem Sinai aufgehalten haben. Der Beginn des Reiseberichts kann durch den Bericht von Petrus Diaconus rekonstruiert werden; vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 31f. 20 Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 31f. 21 Vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 33. 22 Vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 33f. 23 Vgl. Lionel Casson, Reisen in der Alten Welt, München 1976, S. 387; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 35.

 3.1 Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten 

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militärischen castra. Sie erhält Geleitschutz durch römische Soldaten auf den gefährlichen Strecken im Nildelta. Sie benutzt vermutlich den cursus publicus, reitet auf Eseln und geht unwegsame Strecken zu Fuß.²⁴ Das Straßennetz des römisch-byzantinischen Ägypten schildert Egeria dabei folgendermaßen: Es sind also von Clesma, d. i. vom Roten Meer bis zur Stadt Arabia vier Stationen in der Wüste, so aber in der Wüste verteilt, daß bei den Stationen Posten mit Soldaten und Offizieren sind, die uns immer von Kastell zu Kastell führten. Auf diesem Marsche nun zeigten uns die Heiligen, die mit uns waren, d. h. Kleriker und Mönche, die einzelnen Orte, die ich immer nach der Hl. Schrift suchte; denn die einen waren zur Linken unseres Weges, die andern zur Rechten, bald weiter weg, bald näher. (Egeria 7,2. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 95f.).

Dabei reist Egeria nicht allein, sondern als Mitglied einer Pilgergruppe. Ihr Pilgerbericht weist die „übliche Form religiöser Gruppenreisen“²⁵ auf, die auch deutsche Pilgerberichte prägen wird. Zudem wird sie von einheimischen Reiseführern begleitet, die sie als Heilige bezeichnet und für die sie große Hochachtung empfindet.²⁶ Es sind in der Regel Kleriker, Mönche und manchmal auch Bischöfe, was für Egerias angesehene gesellschaftliche Stellung spricht. Sie zeigen und erläutern der Pilgergruppe die wichtigsten religiösen Sehenswürdigkeiten.²⁷ In späterer Zeit werden Pilgergruppen auf dem Sinai auch gegen Bezahlung von beduinischen Arabern geführt und beschützt, wie deutsche Pilgerberichte schildern werden.²⁸ Egerias Pilgerbericht ist somit ein wichtiges Zeugnis für die Reisekultur im römisch-byzantinischen Ägypten. Für ein über das Religiöse hinausgehendes Interesse spricht dabei, dass Egeria auch Orte, Menschen, Berge und Täler auf ihrem Reiseweg schildert.²⁹ In erster Linie ist ihr Bericht jedoch eine Beschreibung der Pilgerfahrt zum Sinai, dem heiligen Berg Gottes. Dabei erfolgen ihre

24 Vgl. Egeria 3,2; 6,1; 7,2; 11,4; 14,1 und 15,1.2. Vgl. hierzu auch Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82; Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 34f. Siehe ferner Lionel Casson, Reisen in der Alten Welt, München 1976, S. 188–265 und S. 361–395. 25 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82. Vgl. hierzu auch Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 33. 26 Vgl. Egeria 1,2; 3,7; 8,4; 10,3; 10,8; 11,3; 12,7; 13,2; 15,2; 19,5. 27 Vgl. „zeigte man uns“ (Egeria 1,2), „so mahnten jene heiligen Führer, die mit uns waren“ (Egeria 2), „und sie selber uns sagten“ (Egeria 2,2). In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82ff. 28 Vgl. hierzu Lionel Casson, Reisen in der Alten Welt, München 1976, S. 380f. 29 Egeria 2. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82f.: „Dieses Tal aber ist ganz gewaltig, es liegt am Fuße des Berges Gottes und hat, soweit wir mit unseren Augen schätzen konnten und sie selber uns sagten, der Länge nach vielleicht 16 Meilen, der Brei-

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

Reisen, so Egerias Überzeugung, auf Weisung Gottes.³⁰ Ihre vorrangige Reisemotivation besteht somit darin, die Heilsgeschichte des Exodus räumlich nachzuerleben. Bedeutsam sind für Egeria folglich die Orte, die religiöse und biblische Relevanz haben. Die besichtigten Orte werden „immer nach der Hl. Schrift“ (Egeria 5,12: semper iuxta scripturas) aufgesucht. Die Heilige Schrift, die Egeria bei sich trägt (Egeria 10,7), dient ihr dabei als Art Reiseführer.³¹ Ihre Reise auf dem Sinai ist somit in erster Linie eine Pilgerreise, auf der sie alle Orte mit biblischem Bezug in Ägypten aufsucht und gemäß der Hl. Schrift besichtigt. Bei alledem darf man nicht übersehen, daß Egerias Bildung ganz wesentlich auf die Hl. Schrift konzentriert ist; was wir weltliche Kultur nennen würden, hat sie nicht interessiert. Mit vortrefflicher Beobachtungsgabe ausgestattet, ist sie Landschaftseindrücken gegenüber nicht gleichgültig: Sie weiß die Großartigkeit des Euphrat (18,2), die Schönheit der Täler (1,1; 9,4; 13,2; 16,2) und den klösterlichen Frieden (4,7) sehr wohl wahrzunehmen. Stark ausgeprägt ist das freilich nicht. Botanik und Zoologie kommen nicht vor, auch kaum einmal die Sitten und Gebräuche der nichtgeistlichen Landesbewohner (6,2). Auf hohen Bergesgipfeln und anderswo läßt sie sich von der Begeisterung überwältigen und zu einer Art ‚religiöser Geographie‘ verleiten: Sie schaut mit den Augen des Glaubens vom Sinai (2,6; 3,8) und vom Nebo (12,5) und schildert die Fruchtbarkeit des Landes Gosen mit der Bibel (9,4).³²

Egeria befindet sich in Ägypten auf biblischem Boden und sieht Ägypten mit dem Auge des Glaubens. Das biblische Ägypten ist damit in ihrem Bericht dominierend. Das orientalische und pharaonische Ägypten sind dem biblischen hingegen untergeordnet. So werden biblische Geschichten und die religiöse Geographie der Bibel auf konkrete Sehenswürdigkeiten und Orte in Ägypten projiziert. Im östlichen Deltagebiet, im vermeintlich biblischen Ramses wird ihr beispielsweise eine pharaonische Doppelstatue gezeigt, in der man Moses und Aaron wiedererkennen will.³³ In diesem Gebiet liegt auch die Stadt Arabia, die sie als eine Stadt im Land Gosen identifiziert, das Joseph vom Pharao für den Aufenthalt der Israeliten in Ägypten erhalten haben soll.³⁴ Dieses Land Gosen zeichnet Egeria dabei mit paradiesischen Zügen:

te nach, sagten sie, seien es 4 Meilen“. Vgl. auch Egeria 3,6. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 86f. 30 Vgl. z.B. Egeria 3,2; 10,1; 17,1.3; 19,13. 31 Vgl. Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 19 und S. 36f. 32 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 76. 33 Egeria 8,1.2. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 98f. Vgl. hierzu auch Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 99 und S. 217. 34 Egeria 7,9. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 98.

 3.1 Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten 

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Während unseres ganzen Zuges durch das Land Gessen gingen wir immer zwischen Gärten, die Wein geben, und anderen, die Balsam geben, und zwischen Obstgärten, gepflegtesten Äckern und zahlreichen Gärten, immer am Ufer des Nil zwischen fruchtbarsten Gründen, die einst das Eigentum gewesen waren der Söhne Israels. Wozu viel Worte? Ein schöneres Land habe ich wohl nirgends gesehen, als es das Land Iessen ist. (Egeria 9,4. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 100f.).

Der Sinaiberg ist für Egeria der heilige Berg Gottes.³⁵ Ihre Bergbesteigung erfolgt im Auftrag Gottes und im religiösen Sinne, um Gott und seinem Heil räumlich näher zu sein. Für Egeria erscheint daher der Sinaiberg höher als alle anderen Berge. Von seinem Gipfel aus will sie sogar Ägypten bis zum Mittelmeer und Palästina gesehen haben.³⁶ Das aber will ich euch, ehrwürdige Frauen, meine Schwestern, wissen lassen, daß von dem Ort, da wir standen, d. h. rings um die Mauern der Kirche, d.h. auf der Gipfelhöhe des mittleren Berges, uns jene Berge, die wir zuerst nur mit Mühe erstiegen hatten, gegenüber dem mittleren Berg, auf dem wir standen, so unter uns zu liegen schienen, als wenn sie nur kleine Hügelchen wären, während sie doch unendlich hoch waren, so daß ich nie höhere gesehen zu haben glaubte – mit Ausnahme des einen hier in ihrer Mitte, der sie weit überragte. Ägypten aber und Palästina, das Rote Meer und das Parthenische Meer, das gegen Alexandria reicht, und auch die unermeßlichen Gebiete der Sarazenen sahen wir von dort unter uns liegen, so daß man es kaum glauben konnte; und doch zeigten uns dies jene Heiligen in allen Einzelheiten. (Egeria 3,8. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 87).

Egerias treffliche Beobachtungsgabe wird hier zeitweilig außer Kraft gesetzt. Die Ursache dafür sieht Donner jedoch nicht in der Geographie, sondern in der Religion.³⁷ Egerias auf der religiösen Geographie beruhendes biblisches Ägypten ist primär das Mosaische Ägypten.³⁸ So sieht sie die Orte am Mosesberg als Orte, an denen sich die Heilsgeschichte aus dem Exodus ereignet hat, wie der folgende, auf Ex. 19,2; 24,18 und Ex. 32,1–6 basierende Abschnitt zeigt:

35 Vgl. Egeria 2,1 und 2,3. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82f. 36 Egeria 2,6. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 84: „Und obwohl hier alle Berge ringsum so hoch sind, wie ich sie noch nie gesehen zu haben glaube, so ist doch jener Berg in der Mitte, auf den herabstieg die Herrlichkeit Gottes, so viel höher als alle jene, daß, da wir ihn erstiegen hatten, alle jene Berge, die wir als so hoch erblickt hatten, so tief unter uns lagen, als wären sie ganz kleine Hügelchen“. 37 Vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 84, Anm. 12. 38 Vgl. dazu Egeria, 5,1–5,12. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 90–92.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

Das ist also das ungeheure und ganz ebene Tal, in dem die Söhne Israels verweilt haben in jenen Tagen, da der hl. Moses auf den Berg des Herrn gestiegen, und er war dort 40 Tage und 40 Nächte. Hier ist auch das Tal, in dem das Kalb gemacht worden ist, ein Platz, der noch heute gezeigt wird: denn ein großer Stein steht dort festgerammt an diesem Ort. Dieses Tal also ist es, an dessen Ende jener Ort liegt, wo der hl. Moses, da er die Tiere seines Schwiegervaters weidete, – da sprach wieder mit ihm Gott aus dem Dornbusch im Feuer. (Egeria 2,2. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 83).

Egerias Pilgerbericht stellt eine Besonderheit in der Geschichte des deutschen Ägyptenreise-berichts dar. Das liegt daran, dass es sich um den ersten Pilgerbericht aus der Feder einer Frau handelt. Die Forschung kennt zwar auch andere reisende Frauen des 4. und 5. Jahrhunderts, wie Melania die Ältere (372), Melania die Jüngere (383), Paula und ihre Tochter Eustochium (385/86). Auch sie unternehmen eine Pilgerfahrt zu den Heiligen Stätten.³⁹ Doch ihre Reisen werden nicht von ihnen selbst, sondern von Dritten beschrieben, wie z.B. der Bericht des hl. Hieronymus über die Reise der Römerin Paula und ihrer Tochter Eustochium zeigt. Denn der Reisebericht, eine Hagiographie in Briefform, stammt aus der Feder des Hieronymus, nicht von Paula. Auch Paulas Reise ist christlich motiviert. Sie will ein Mönchsleben nach dem Vorbild der ägyptischen Heiligen Antonius und Paulus führen, wie Hieronymus schreibt: „Sie dachte weder an ihr Haus, noch an ihre Kinder, ihr Gesinde, ihr Vermögen oder sonst ein weltlich Ding; vielmehr sehnte sie sich danach, sozusagen allein und ohne Begleitung zur Mönchseinsamkeit eines Antonius und Paulus zu wallfahren“.⁴⁰ Ihre Ägyptenreise ist nur kurz erwähnt und bleibt auf das Deltagebiet (Gesen, Thanis), Alexandrien und die Mönchssiedlung in der nitrischen Wüste beschränkt: „Dann geht es weiter zum Lande Gesen und in die Gefilde von Thanis, wo Gott Wunder tat, nach der Stadt Noo, die später in Alexandria umbenannt wurde, und zur Stadt des Herrn Nitria“.⁴¹ Die Gleichsetzung von Alexandrien und No/No-Amon, einer

39 „385/86 hatte die vornehme römische Patrizierin Paula mit ihrer Tochter Eustochium unter der Leitung des hl. Hieronymus eine Wallfahrt nach dem Heiligen Lande und nach Ägypten unternommen und sich schließlich in Bethlehem niedergelassen; bereits 372 hatte Melania die Ältere in Begeleitung des Rufinus Rom verlassen und war über Alexandria nach Jerusalem gereist, wo sie 410 starb; ihr folgte die 383 in Rom geborene Enkelin Melania die Jüngere, die nach mehreren Reisen im Orient auf dem Ölberg bei Jerusalem ein Kloster gründete und dort 439 starb“ Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 68. Vgl. auch Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 9. 40 Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium cap. 6–14, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 141. 41 Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium cap. 6–14, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 162.

 3.1 Egerias biblisches Ägypten: Frauenreisen in Ägypten 

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altägyptischen, biblischen Stadt im oberägyptischen Theben, beruht laut Donner „auf dem Wunsch, das Zentrum der jüdischen Diaspora und die Hochburg des ägyptischen Christentums in der Bibel wiederzufinden“.⁴² Dem Reisebericht liegt eine der Reiseroute verpflichtete Struktur zugrunde: Vorwort/Hinreise, Heilliges Land, Ägypten, Heiliges Land, Schlusswort (ohne Rückreise, da sich Paula in Bethlehem niederlässt). Er ist dem biblischen Ägypten, der Heiligenverehrung, dem ägyptischen Mönchtum und Paulas Eindrücken gewidmet und vermittelt das Bild vom frommen Ägypten als Geburtsland des Mönchtums. Beide Reiseberichte sind somit religiös motiviert. In beiden Berichten dominiert das biblische Ägypten und beide Berichte handeln von der Pilgerfahrt einer Frau. Dass Egeria ihren Bericht selbst verfasst, macht diesen Bericht umso schätzenswerter. Denn Reiseberichte von Frauen sind eine Seltenheit. Diese Feststellung gilt auch für den deutschen Ägyptenreisebericht. Unter den ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichten vom Mittelalter bis zum Ende des 18. Jahrhunderts findet sich kein einziger Reisebericht einer Frau. Das Ägyptenbild der deutschen Reiseliteratur erweist sich somit als ein vom männlichen Blick geformtes und dominiertes Bild, bis um 1800 Frauen aus dem deutschen Kulturraum die Bühne der Ägyptenreise betreten und den männlichen um den weiblichen Blick auf Ägypten erweitern. Die Dominanz des biblischen Ägypten im Pilgerbericht wird auch die Berichte der folgenden Jahrhunderte prägen. In diesem Sinne stehen Egeria und Paula für den Anfang einer sich entwickelnden Tradition. So ist Egeria neugierig auf religiöse, in der Bibel erwähnte Orte, die sie trotz aller Strapazen begierig aufsucht. Dies tut sie in der Hoffnung, durch das Nachempfinden und die Vergegenwärtigung der biblischen Geschehnisse Heil und Erlösung zu erfahren. So kann die Pilgerfahrt – und der Pilgerbericht als Ersatz der Pilgerfahrt für die Daheimgebliebenen – als „ritualisierte Grenzerfahrung“⁴³ angesehen werden. Für die Daheimgebliebenen geschieht dies bei der Lektüre im Geiste. Für die Reisenden im Raume, auf dem biblischen Boden Ägyptens, wo man sich an Ort und Stelle die biblische Heilsgeschichte vergegenwärtigt. Egeria sieht Ägypten mit dem Auge des Glaubens und der Bibel. Man kann sagen, es handle sich dabei um eine biblische religiöse Geographie, die auf konkrete Orte in Ägypten projiziert wird. Das pharaonische und orientalische Ägypten ist dabei dem biblischen Ägypten untergeordnet. Neben der Verehrung ägyptischer Heiliger und Mönche beansprucht das Mosaische Ägypten (Sinai, östliches Nildelta, wo das Land Gosen lokalisiert wird) großen Raum im Bericht. Auch Paulas Reise ist der biblisch-christlichen Tradition verpflichtet und durch religiöse Sehnsucht und Ergriffenheit bestimmt.

42 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 162, Anm. 141. 43 Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 112f.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

So schwört sie z.B. in Bethlehem, „sie sähe mit den Augen des Glaubens das Kind in Windeln gewickelt und in der Krippe schreien […]; sie sähe auch die getöteten Knäblein, den grausamen Herodes und wie Joseph und Maria nach Ägypten flohen“.⁴⁴ Hieronymus’ Reisebericht gilt auch als Hommage an die ägyptischen Mönche, von denen er u.a. Macharios, Arsetes und Sarapion als Säulen Christi bezeichnet.⁴⁵ Die Ägyptenreise beider Pilgerinnen ist somit religös motiviert und gestaltet sich als Exkursion/Extension der Jerusalempilgerfahrt mit dem Heiligen Land als Ausgangs- und Endpunkt.

3.2 Pilger von Piacenza – Arkulf – Bernardus Monachus Nach Egeria und Paula reisen viele andere Europäer nach Ägypten. Im Folgenden werden drei Reiseberichte aus dem 6., 7. und 9. Jahrhundert skizziert, um Genese und Werden des Ägyptenreiseberichts im europäischen Kontext zu verdeutlichen. So absolviert z.B. der Pilger von Piacenza in der 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts die klassische Ägyptenreise eines Jerusalempilgers, wie sie mit ähnlichen Zügen auch später bei deutschen Pilgern geschildert wird. Der anonyme Pilger bricht von Piacenza nach Konstantinopel auf und fährt von dort über Zypern nach Syrien. Nach dem Besuch der heiligen Stätten in und um Jerusalem reist er auf dem Landweg über Eleutheropolis nach Askelon und Gaza, dann über Elusa durch die Sinaiwüste auf dem direkten Sinai-Binnenweg zum Sinaiberg. Nach dem Besuch der dortigen heiligen Stätten kommt er über Feiran und Wadi Garandal nach Clysma/ Suez. Diese Reiseroute wird später auch von deutschen Pilgern eingeschlagen. Von Suez aus besucht der Pilger das Heiligtum des Eremiten Paulus beim Roten Meer. Dort werden später die Klöster des hl. Paulus und Antonius entstehen, die Graf Philipp von Katzenellenbogen auf seiner Ägyptenreise (1433) auch besichtigt und beschreibt. Der Pilger von Piacenza erreicht über Tanis im Nildelta Memphis, das er in Anlehnung an die Bibel schildert. Vier Hauptmerkmale machen seine Kairo-Beschreibung aus: Pharao, Exodus, Kornspeicher Josephs (Pyramiden) sowie Stationen und Legenden um die Flucht der Heiligen Familie: Wir zogen durch die Gefilde von Tanis und erreichten die Stadt Memphi und Antinou, wo der Pharao residierte (und) von wo aus auch die Israeliten auszogen. An diesen Orten befinden sich die vollen 12 Kornspeicher Josephs. In Memphi gab es einen Tempel, der jetzt eine

44 Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium cap. 6–14, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 150. 45 Vgl. Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium cap. 6–14, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 163.

 3.2 Pilger von Piacenza – Arkulf – Bernardus Monachus 

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Kirche ist. Eins von seinen Hauptportalen schloß sich vor unserem Herrn, als er mit der Seligen Maria dort war, und kann bis heute nicht geöffnet werden. Dort sahen wir auch das leinene Pallium, auf dem das Antlitz des Erlösers zu sehen ist. Man sagt, er habe seinerzeit sein Gesicht damit abgewischt und sein Bild sei darauf geblieben; es wird zu gewissen Zeiten verehrt. Auch wir verehrten es, konnten es aber wegen des Glanzes nicht genau erkennen; denn je genauer du hinschaust, desto mehr verändert es sich in deinen Augen.⁴⁶

Von Memphis aus reist er über Athlefi/Athribis (bei Banha im Delta) zur MenasStadt in der nitrischen Wüste und weiter mit einem Schiff über den mariotischen See, wo er Krokodile sieht, nach Alexandrien. Anschließend kehrt er ins Heilige Land zurück. Die Ägyptenreise des Pilgers von Piacenza ist dem biblischen Ägypten, dem Besuch der religiösen Gedächtnisorte auf dem Sinai und der Verehrung der ägyptischen Heiligen gewidmet. Sein Alexandrien ist eine Stadt der Heiligen, aber auch der Ketzereien, zu denen auch der hermetische Diskurs der Ägyptomanie – mit Erik Hornung der Ägyptosophie – zählen dürfte. Auch sein pharaonisches Ägypten um den Pharao und die Pyramiden speist sich aus der Bibel und erweist sich als biblisches Ägypten um den Exodus und die Josephsgeschichte. Im Vergleich zu Egeria zeigt der Pilger von Piacenza jedoch größeres Interesse an nichtreligiösen Themen. So spielt bei ihm z.B. das orientalische Ägypten mit Wüste, Beduinen und Stadtbewohnern, Flora und Fauna eine größere Rolle. Besonders die Beschreibung der Krokodile wird später zu einem Hauptbestandteil deutscher Ägyptenreiseberichte. Auch der Handel mit Indien über Ägypten wird bei ihm erwähnt.⁴⁷ Und schließlich liefert er den ersten Hinweis auf Erdöl in Ägypten, wenn er sagt, dass es bei Suez am Roten Meer eine Insel gibt, wo man Erdöl findet und für medizinische Zwecke einsetzt: Im Meere selbst aber ist 11 Meilen entfernt eine kleine Insel, ein lebendiger Felsen, an dem weiche Finger wie aus Fleisch hängen, nach Art von Datteln, die dann das Fett hervorbringen, das man Steinöl nennt; man erntet es zu großem Segen. Wenn das Gefäß, in dem es transportiert wird, einmal voll geworden ist, und du willst ein zweites Mal ernten, dann nimmt es nichts mehr auf und hält nichts fest. So viele Kranke, besonders Besessene, an diesen Ort gelangen können, werden alle geheilt. Die es (das Steinöl) zum Segen ernten, lassen es nicht unvermischt aus Clisma hinausgehen; es wird vielmehr mit (gewöhnlichem) Öl versetzt. Wenn es nicht gepanscht würde, glaube ich, daß es seine Kraft immer behielte;

46 Pilger von Piacenza, Antonini Piacentini Itinerarium, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 243–295, hier: S. 290f. 47 Vgl. Pilger von Piacenza, Itinerarium. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 287: „Es gibt da auch eine kleine Stadt namens Clisma, wo ebenfalls Schiffe aus Indien anlegen. An der Stelle des Meeres, wo sie hinüberzogen, kommt ein Golf aus dem größeren Meer und erstreckt sich viele Meilen landeinwärts; er hat Flut und Ebbe“.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

denn die Flüssigkeit des Fettes hält (den Geruch?) zwei Meilen weit. Der Geruch ist etwas schweflig. Mag das Meer auch noch so stürmisch sein, so steht es doch unter der Flüssigkeit fest, als ob es ein stehendes Gewässer wäre. (Pilger von Piacenza, Itinerarium. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 287ff.).

Das Werk des Pilgers von Piacenza hält Donner für einen bezaubernden Reisebericht, „dessen Frische, Farbe und Lebendigkeit an den der Nonne Egeria heranreicht“.⁴⁸ So neugierig und für Nichtreligiöses aufgeschlossen der Pilger aber auch gewesen sein mag, sein Ägyptenbild bleibt dennoch der biblischen Geographie verhaftet. Auch er bereist Ägypten auf den Spuren der Bibel und sieht Ägypten vor allem mit dem Auge des Glaubens.⁴⁹ Einer der ersten europäischen Reisenden im arabisch-islamischen Ägypten ist der gallische Bischof Arkulf, der nach Donner „ein aufmerksamer, verständiger, nüchterner und auf seine Art nicht unkritischer Reisender, ein Pilger der anspruchsvollen Klasse“⁵⁰ ist. Arkulf unternimmt in der 2. Hälfte des 7. Jahrhunderts eine Pilgerfahrt nach Jerusalem, Syrien, Ägypten, Sizilien und Konstantinopel.⁵¹ Auf der Heimreise erleidet er Schiffbruch und wird an die Westküste Britanniens verschlagen. Von dort gelangt er zum Kloster Iona und wird vom Abt Adamnanus/Adomnanus gastfreundlich aufgenommen, der seine Reiseerzählung anhört und niederschreibt.⁵² Arkulfs mündliche Erzählungen bilden die Hauptquelle für Adomnanus, der eine Beschreibung der heiligen Orte in drei Büchern anfertigt. 703/4 wird Adomnanus’ Werk vom angelsächsischen Benediktiner Beda Venerabilis bearbeitet und unter dem Titel Liber de locis sanctis herausgegeben. Das Beda’sche Werk wird seinerseits 1137 von Petrus Diaconus überarbeitet und um Egerias Reisebericht ergänzt.⁵³ Beide Werke sorgen für die Zirkulation des Ägyptenbildes der damaligen Zeit, das durch die Berichte von Egeria und Arkulf/Adomnanus geprägt ist. Aus Adomnanus’ Reisebericht können

48 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 227. 49 Vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 237f.: „Von seiner Reise darf gelten, was die Nonne Egeria von der ihren gesagt hat: ‚immer nach der Hl. Schrift‘“. Vgl. hierzu auch die Beschreibung von Suez und dem Roten Meer: „Bei Ebbe erscheint ein Bild: die Kriegsgeräte des Pharao und die Spuren der Wagenräder, aber alle Kriegsgeräte in Marmor verwandelt“; Pilger von Piacenza, Itinerarium. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 287. 50 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 302. Vgl. auch ebd., S. 296ff. 51 Zur Datierung vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 309f. 52 Adomnanus wird 679 n. Chr. der neunte Abt des 563 n. Chr. gegründeten Klosters Iona. 53 Vgl. dazu Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 12; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 78 und S. 296f.

 3.2 Pilger von Piacenza – Arkulf – Bernardus Monachus 

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zudem weitere Sekundärquellen erschlossen werden, wie z.B. die Schriften von Hieronymus und Hegesippus. Von Letzterem stammt das Werk Historiae libri V, das auf Flavius Josephus’ De bello judaico basiert⁵⁴ und von dem Adomnanus weite Partien bei der Ägyptenbeschreibung übernimmt. Arkulfs Erzählungen scheinen für Adomnanus somit die Funktion zu haben, das überlieferte Wissen der Alten zu bestätigen und zu ergänzen. Der Bericht des heiligen Arkulf über die Lage von Alexandria und des Nils unterscheidet sich nach alledem nicht von dem, was wir in den Büchern anderer durch Lektüre kennengelernt haben. Aus ihnen haben wir einige kurze Textauszüge in die vorliegende Beschreibung eingefügt: nämlich über die Abwesenheit eines natürlichen Hafens bei jener Stadt, über die Landeschwierigkeiten, über die Insel und den auf ihr errichteten Turm, über die Lage Alexandrias zwischen dem Meer und den Mündungen des Nilstromes und über anderes mehr.⁵⁵

Die Beschreibung von Adomnanus/Arkulf ist in drei Bücher unterteilt. Der Ägyptenteil steht am Ende des zweiten Buches im 30. Kapitel und trägt den Titel Über Alexandria und den Nil mit seinen Krokodilen.⁵⁶ Hieraus lässt sich entnehmen, dass sich Arkulfs Reise nur auf Alexandrien und den Nil im Deltagebiet beschränkt. Arkulf „stieg von Jerusalem hinunter und reiste von Joppe aus zu Schiff 40 Tage bis Alexandria“.⁵⁷ Adomnanus berichtet weiter, dass Arkulf „im Oktober um die dritte Stunde die Stadt betrat, die Längenausdehnung der Stadt durchwanderte und erst kurz vor der Abendzeit an den äußersten Punkt dieser Längenausdehnung gelangen konnte“⁵⁸ und dass er „den Strom in Ägypten oft befahren hat“.⁵⁹ Dabei liefert Arkulf/Adomnanus auch eine detaillierte Schilderung der Krokodile, deren Erwähnung in den deutschen Pilgerberichten selten fehlen wird:

54 Vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 300f. 55 Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 312–394; hier: S. 381. Der Hinweis auf weitere Einfügungen bezieht sich auf den Handel. Kaufleute aus der ganzen Welt suchen Alexandria auf, um Handel zu treiben: „Nicht ohne Grund ist der Hafen derart sicher und groß; in ihm müssen ja die Gebrauchsgüter der ganzen Welt zusammengebracht werden“. Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 380. 56 Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 377–382. 57 Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 378. 58 Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 381. 59 Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 382.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

Im Nilstrom leben, wie Arkulf berichtet, die Krokodile: vierfüßige Wasserbestien, nicht sehr groß, ungeheuer gefräßig und dermaßen stark, daß sogar ein einziges von ihnen, wenn es zufällig ein am Flußufer grasendes Pferd oder einen Esel oder ein Rind finden kann, plötzlich auftaucht, nach einem Bein des Tieres schnappt, es unter Wasser zieht und das Tier ganz verschlingt. (Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 382).

Arkulf zeigt ein über das Religiöse hinausgehendes Interesse an Ägypten: Er vermisst zu Fuß den Umfang der Stadt Alexandria, beschreibt Lage und Landesnatur, Nilüberschwemmung und Krokodile. Seine Ägyptenbeschreibung ähnelt wissenschaftlichen Traktaten über die Landesnatur (Meer, Nil, Krokodile), klassischen Hafenbeschreibungen und dem Städtelob. Das Ägyptenbild von Adomnanus/Arkulf weist damit verstärkt Züge des orientalischen Ägypten auf: Er geht auf das hellenistische, afrikanische, asiatische und mediterrane Ägypten ein,⁶⁰ ohne das biblisch-pharaonische Ägypten zu vernachlässigen. So erzählt er z.B., dass Alexandrien vom Makedonenkönig Alexander gegründet, städtisch prachtvoll und stark bevölkert ist, früher Hauptstadt von Ägypten war und einst auf Hebräisch No geheißen habe.⁶¹ Adomnanus greift hier möglicherweise auf Hieronymus zurück, der Alexandrien ebenfalls mit dem biblischen Theben gleichsetzt. Weiterhin konstatiert er im Sinne des biblisch-christlichen Ägypten, dass es dort eine Kirche gibt, in der „der Evangelist Markus begraben liegt“.⁶² Vom arabisch-islamischen Ägypten verrät seine Beschreibung hingegen nichts. Arkulf/Adomnanus scheint vom neuen Ägypten nicht Kenntnis genommen zu haben.⁶³ Seine Ägyptenbeschreibung vermittelt eher ein fast zeitloses orientalisches Ägyptenbild mit

60 „Dieses Alexandria also, das, wie gesagt, No genannt wurde, bevor es Alexander der Große baulich erweiterte, und dem, wie weiter oben beschrieben, die sogenannte kanopische Nilmündung benachbart ist, bildet die Grenze zwischen Asien, mit Einschluß Ägyptens, und Libyen“. Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 381. 61 Vgl. Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 377f. 62 Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 381. 63 Ähnlich verfährt er laut Donner bei der Beschreibung des Heiligen Landes: „Was die Pilgerreise des Bischofs Arkulf betrifft, so ist zunächst völlig klar, daß sie nach der Verwüstung Palästinas durch die Perser 614 und nach der arabischen Eroberung unter dem 2. Kalifen Omar 635 stattgefunden hat – auch wenn es scheint, als hätten Arkulf und Adomnanus vom Persereinfall und den dadurch bewirkten Zerstörungen keine Kenntnis gehabt. […] Hält man für wahrscheinlich, daß Arkulfs Reise, sein Besuch bei Adomnanus und die Abfassung der Schrift zeitlich nicht allzu weit auseinander liegen, dann kann man die Reise auf ca. 680 datieren“; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 309f.

 3.2 Pilger von Piacenza – Arkulf – Bernardus Monachus 

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biblischen Zügen. Bei seiner Ägyptenreise handelt es sich um keine klassische Pilgerfahrt auf den Spuren der Bibel, sondern vielmehr um eine Reiseetappe, die möglicherweise aus reiselogistischen Gründen nötig geworden ist. Seine Ägyptenreise ist nicht primär als Exkurs bzw. Verlängerung der Jerusalemfahrt anzusehen, sondern als Reisestation, die sich aus den Beförderungsmitteln oder aus besonderen, unerwähnten Motiven des Reisenden ergibt. So erklärt sich auch die Dominanz nichtreligiöser Themen in der Ägyptenbeschreibung. Das arabisch-islamische Ägypten spielt bei Arkulf, wie dargelegt, keine Rolle. Informationen hierüber finden sich erst bei Bernardus Monachus, einem Reisenden aus dem 9. Jahrhundert. Gegen 870 bereist der fränkische Mönch Ägypten und das Heilige Land. Sein Reisebericht weist eine dreiteilige Struktur auf (Hinreise, Jerusalem als Hauptziel, Heimreise), die später auch bei deutschen Reiseberichten auftreten wird. Reisegrund ist der Wunsch, das Heilige Land zu besuchen. Bernard reist mit seinen Begleitern jedoch nicht direkt ins Heilige Land, sondern zuerst nach Ägypten. Dabei spielen politische und reisetechnische Gründe eine entscheidende Rolle. Denn er reist von Rom aus zu der damals unter arabischer Herrschaft stehenden Stadt Bari, um Schutzbriefe vom dortigen muslimischen Prinzen zu erlangen. Die Briefe sind auf Bernards Wunsch an die Statthalter von Alexandrien und Babylon/Kairo, die dem Bagdader Kalifen unterstehen, adressiert: We travelled on a hundred and fifty miles from Mount Garganus to a city called Barris under Saracen control, though it used to be under the jurisdiction of Beneventum. It is on the coast, and is protected by vast walls on the south, while on the north it forms a promontory into the sea. In this city we went to look for Suldanus, the prince of the city, and requested that he would give us the right of passage, and furnish us with two letters to inform the princes of Alexandria and Babylon who we were and the reason for our journey. These are princes who fall under the authority of Amarmominus, the Emperor of all the Saracens, who lives in Bagada and Axinarri which lie beyond Jerusalem.⁶⁴

Empfehlungsschreiben stellen zur damaligen Zeit einen wichtigen Bestandteil der Reisekultur dar. So berichtet Bernard, dass er in Alexandrien ein neues Empfehlungsschreiben erhält, das an den Fürsten von Babylon gerichtet ist, das ihn jedoch nicht vor der Gefangennahme in Babylon/Kairo bewahren kann. Nach seiner Freilassung und der Entrichtung von Gebühren bekommt Bernard aber schließlich die Reiseerlaubnis des Herrschers von Babylon. Ab diesem Zeitpunkt reist er frei und ohne Unannehmlichkeiten durch Ägypten und das Heilige Land,

64 Bernardus Monachus: Itinerarium Bernardi monachi franci, [englisch]. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 141.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

da – so Bernard – der Herrscher von Babylon⁶⁵ als zweite Autorität im islamischen Reich gelte. As soon as we went ashore at Babylonia the city guards led us away to the prince, a Saracen named Adelacham, who ordered us to tell him the exact reason for our journey, and the names of the princes who had given us letters. So we showed him our letters from Suldanus and the prince of Alexandria, but it did us no good. He put us in prison. Then, with the help of God, we each paid a fee of thirteen dinars, and the letters he wrote for us were effective. They prevented all who read them in whatever city or place we visited from daring to extort any more from us, and this was because he was the second in authority after the Amarmominus of whom we have spoken. (Bernardus Monachus, Itinerarium. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 142).

Die Wichtigkeit von Empfehlungsschreiben betont Bernard ein weiteres Mal am Schluss des Reiseberichts. Ohne Schutzbriefe werde der Reisende nämlich sofort gefangen genommen, bis abgeklärt ist, ob er ein Spion sei. Der Spionagevorwurf wird in den deutschen Reiseberichten besonders während und nach der Kreuzzugszeit gegenwärtig sein. Wie Bernard betont, entstehen diese Maßnahmen jedoch nicht aus Willkür, sondern aus staatsmännischem Kalkül und Sicherheitsüberlegungen heraus. Den Umgang der Muslime mit den Christen bezeichnet er als hervorragend und entwirft ein idealisiertes Ägyptenbild: Now I must tell you how Christians in Jerusalem and Egypt can keep God’s law. Relations between the Christians and pagans are excellent. Thus, say I were travelling, and the camel or donkey which your humble servant was riding died on the way, and I left all my belongings there without any one to look after them, and went off to the city to fetch another animal. I would find everything unharmed when I came back. Good relations means as much as that. But any traveller who stays in a city, or goes on a journey by sea or any other way is found by night or day without a paper or a stamp issued by one of the kings or princes of that country, is sent to prison there and then until such time as he can explain that he is not a spy. (Bernardus Monachus, Itinerarium. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 145).

Dieses Idealbild ermöglicht es ihm, indirekt Kritik an den schlechten Umständen in der Heimat zu üben.⁶⁶ Bernardus’ kurze Ägyptenbeschreibung umfasst sowohl

65 Wahrscheinlich handelt es sich hier um Ahmad Ibn Tûlûn, den Gründer der TulunidenDynastie (868–905). 66 Vgl. dazu seine Kritik am Schluss des Reiseberichts: „In presuming to assassinate Sichard, their prince, the people of Beneventum trespassed gravely against Christian law. They were all the time torn by quarrels and disputes until they invited Louis, the brother of Lothair and Charles, to accept authority over them. So many acts of violence take place in Romania, and its inhabitants are such unscrupulous thieves and robbers that people are unable to get to St.

 3.2 Pilger von Piacenza – Arkulf – Bernardus Monachus 

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religiöse als auch profane Themen. So schildert er z.B. bei seiner AlexandrienBeschreibung die Entführung des Leichnams des hl. Markus durch die Venezianer. Auch ein Kloster in der Umgebung von Alexandrien findet Erwähnung. Der Nil wird dabei mit dem Paradiesfluss Gihon gleichgesetzt. Babylon identifiziert er als einstigen Sitz des Pharao und als Ort der Kornspeicher Josephs (gemeint sind die Pyramiden). Beide Motive werden zum integralen Bestandteil deutscher Ägyptenbeschreibungen. Und schließlich berichtet er auch von einer Kirche in Pharma, die an der Stelle steht, wo sich die Heilige Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten ausgeruht haben soll. Trotz dieser Episoden ist bei Bernardus Monachus das biblische Ägypten dem orientalischen Ägypten untergeordnet. Reiseroute und -stationen (Städte im Nildelta, Wüste) beanspruchen großen Raum. Empfehlungsschreiben, Entrichtung von Zoll- und Passgebühren sind weitere wichtige Themen des Berichts. Auch das Leben der ägyptischen Christen unter muslimischer Herrschaft wird ausführlich dargelegt. Dabei geht er auf die Kopfsteuer ein, die die Christen als Schutzbefohlene nach dem islamischen Gesetz dem Staat entrichten müssen, um den Schutz des Staates genießen zu können. Bernardus’ Reisebericht ist demnach in zweierlei Hinsicht aufschlussreich für die Ägyptenreise späterer Reisender. So liefert er zum einen ein gutes Beispiel für die Organisation der Reise und die Struktur des Berichts, die sich in ähnlicher Weise in den deutschen Reiseberichten wiederholen wird. Zum anderen bezeugt sein Reisebericht, dass Jerusalempilger Ägypten auch aus nicht-religiösen Gründen bereisen. Denn Bernardus fährt primär aus organisatorischen Gründen nach Ägypten, um sich vom ägyptischen Herrscher eine Reiseerlaubnis für die Jerusalempilgerfahrt zu besorgen, da das Heilige Land meistenteils unter ägyptischer Herrschaft bzw. Verwaltung steht. Diese reiselogistische Motivation für einen Ägyptenbesuch wird vor allem in Zeiten eine wichtige Rolle spielen, in denen Ägypten eine eigene Herrscherdynastie aufweist und/oder als Großmacht auftritt, wie z.B. im mamelukischen Ägypten (1250–1517). Bernardus’ Ägyptenreise, die in Struktur und Themen Elemente späterer Ägyptenreisen deutscher Pilger vorwegnimmt, erweist sich somit nicht als religiös motivierte Verlängerung der Jerusalempilgerfahrt, sondern als Ägyptenreise aus Notwendigkeit.

Peter’s unless they travel in armed bands. But during the reign of this Louis there is complete peace in Lombardy, and the Bretons too are at peace with each other. I will tell you about one of their laws. If a person is injured by any one, and there happens to be some third person who saw what took place, he avenges the wrong done as if he were a relative, whoever he may be. And if any one is found guilty of stealing more than four dinars, they execute or hang him“. (Bernardus Monachus, Itinerarium. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 145).

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

3.3 Christliches Reisen in Ägypten Im vorliegenden Kapitel konnte gezeigt werden, dass sich seit dem 4. Jahrhundert eine neue Tradition des Reisens, nämlich des religiös-christlich motivierten Reisens nach Ägypten formt und etabliert. Denn aus dem ersten Jahrtausend sind uns Reisewerke europäischer Pilgerinnen und Pilger überliefert, die ihre Jerusalempilgerfahrt um einen Ägyptenbesuch erweitern. Die Berichte europäischer Reisender des Frühchristentums sind dabei in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich. So dokumentieren sie zum einen, dass Ägypten von Anfang an eine wichtige Station bei der Jerusalemfahrt und ein beliebtes Ziel des christlich motivierten Reisens darstellt. Die Erweiterung einer Jerusalempilgerfahrt um eine Ägyptenreise ist nämlich nicht ungewöhnlich. „Aegypten allein hat auch jetzt noch neben Palästina selbst eine entschiedene Anziehungskraft. Einen Besuch des Nillandes mit der Palästinawallfahrt zu verbinden, war denn freilich auch schon früher, welche Route man im übrigen einschlug, beinahe unverbrüchliche Regel gewesen“.⁶⁷ Daher unterstreicht Baumstark die kulturgeschichtliche Bedeutung der Palästina- und Ägyptenreise: Was aus den unmittelbaren oder mittelbaren Reiseberichten der abendländischen Palästinapilger des ersten Jahrtausends anziehend und bedeutsam uns entgegentritt, ist nicht nur das Bild des bereisten Landes mit seinen frühchristlichen und byzantinischen Heiligtümern, das Bild seiner einheimischen, noch nicht durch das vielfache Mißverständnis der späteren fränkischen Eroberer umgebildeten Lokalüberlieferungen. Die Pilger selbst als Reisende und als Wallfahrer zu beobachten, die verschiedenartigen Interessen zu verfolgen, welche sie der merkwürdigen Fremde entgegenbrachten, bietet einen nicht geringeren Reiz. Die in gewissem Sinne wichtigsten Quellen der Palästinakunde sind zugleich in hohem Grade schätzenswerte Quellen zur Kulturgeschichte des späteren christlichen Altertums und des früheren Mittelalters.⁶⁸

Wallfahrten und Pilgerberichte bleiben nicht ohne Wirkung. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Ergänzung des abendländischen Weltbildes, der Ausbildung einer Wallfahrtstradition, ost-westlicher Beziehungen und der Kreuzzugsbewegung. Zudem beeinflussen sie in nicht geringem Maße Liturgie und Volksfrömmigkeit, Legende, Dichtung und Kunst.⁶⁹ Schließlich gewähren sie auch Einblick in die Vorlagen und Grundmuster, die den späteren Ägyptenreisenden des Mittelalters zur Verfügung stehen. Denn die deutschen Reisenden blicken

67 Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 18. 68 Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 3f. 69 Vgl. hierzu Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 83–87.

 3.3 Christliches Reisen in Ägypten 

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auf eine alte Tradition zurück, die sie reisend und schreibend fortsetzen und als Vorlage für ihre Berichte nutzen. Diese Ansicht bestätigt auch Hippler, die in ihrer Studie feststellt, dass eine (in)direkte Traditionslinie von der Reiseliteratur des ersten Jahrtausends über die historischen Beschreibungen der heiligen Stätten der Kreuzzugszeit und die Pilgerführer der Franziskaner mit kanonisiertem Ablassverzeichnis bis zur Pilgerreiseliteratur des Mittelalters besteht: Die Christen des Mittelalters kannten einen traditionellen Kanon von Heiligtümern und Sehenswürdigkeiten in Palästina, Syrien und Ägypten, zugleich aber auch das von dem anerkannten Schrifttum übernommene Schema für ihre Beschreibung. […] In jedem Falle aber blieb das traditionelle inhaltliche Schema erhalten und ergab die konventionelle Grundstruktur aller spätmittelalterlichen Pilgerreisebeschreibungen. Man kann mithin von einer ununterbrochenen, direkten bzw. über die Pilgerführer der Franziskaner indirekten Traditionslinie von den ersten ‚Libelli de Locis Sanctis‘ über die ‚Descriptiones‘ des 12. Jahrhunderts bis zu den Reiseführern und Texten der Pilgerliteratur im 14. und 15. Jahrhundert sprechen.⁷⁰

So zeigt auch vorliegende Arbeit, dass sich seit dem 4. Jahrhundert eine neue Tradition des christlich motivierten Reisens nach Ägypten ausbildet und etabliert – eine Tradition, die im deutschen und europäischen Kulturaum im Mittelalter und im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts ihre Höhepunkte erlebt und die sich bis heute fortsetzt. Die europäische Reiseliteratur des 1. Jahrtausends beschränkt sich dabei hauptsächlich auf das nördliche Gebiet Ägyptens und den Sinai. In struktureller Hinsicht sind die Reiseberichte chronologisch aufgebaut. Drei Organisationsformen der Ägyptenreise und des Reiseberichts konnten dabei ausgemacht werden: Erstens Ägypten als Nebenziel der Jerusalemfahrt mit dem Heiligen Land als Ausgangs- und Endpunkt der Reise wie bei Egeria (4.Jh.), Hieronymus/Paula (4.Jh.), Theodosius (6.Jh.), Pilger von Piacenza (6.Jh.) und Epiphanius Hagiopolita (8.Jh.), zweitens Ägypten als Reiseetappe auf der Route möglicherweise aus reiselogistischen Gründen, wie bei Arkulf (7.Jh.), der sich nach der Jerusalempilgerfahrt kurz in Alexandrien aufhält und drittens Ägypten als Reisestation der Jerusalemfahrt aus Notwendigkeit, wie bei Bernardus Monachus (9.Jh.), der zuerst nach Ägypten reist, um einen Schutzbrief vom ägyptischen Herrscher für eine freie Passage ins Heilige Land zu erlangen. Die Reiseliteratur des 1. Jahrtausends vermittelt in erster Linie ein Ägyptenbild, das im Einklang mit der Bibel wiedergegeben wird und sich auf biblische Geschichten um Joseph, Moses und die Flucht der Heiligen Familie, das Christentum im Allgemeinen und das Mönchsleben und die Heiligenverehrung im Beson-

70 Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 129f.

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 3 Ägypten in der europäischen Reiseliteratur des 1. Jahrtausends

deren konzentriert. Je nach den Interessen des Reisenden/Autors werden vereinzelt auch nichtreligiöse Themen topo- und ethnographischer Natur erwähnt. Bei Egeria, Hieronymus/Paula und dem Pilger von Piacenza überwiegt das biblische und fromme Ägypten, Ägypten als das Geburtsland des Mönchtums. Bei Arkulf/ Adomnanus erscheint das biblisch-pharaonische Ägypten dem orientalisch-hellenistischen Ägypten untergeordnet und bei Bernardus Monachus dominiert das orientalische, koptisch-arabisch-islamische Ägypten. Hier können zum ersten Mal Ansätze einer interreligiösen Auseinandersetzung und das Erscheinen von Ägypten als Großmacht beobachtet werden. Die deutschen Pilger blicken somit auf eine alte europäische Tradition des Ägyptenreisens zurück, in der sie etablierte Strukturen, Grundmuster und typische Themen für ihre Ägyptenreisebeschreibung vorfinden. Ägypten ist den deutschen Reisenden dank der Bibel, der Schriften der antiken Autoren und Kirchenväter sowie der europäischen Reiseliteratur des ersten Jahrtausends folglich keine terra incognita. Sie reisen sozusagen auf altbekannten Pfaden.

4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters Pilgerberichte dominieren im Mittelalter die Geschichte des deutschen Ägyptenreiseberichts. Denn bei den ermittelten 28 deutschen Ägyptenreiseberichten aus dem Mittelalter handelt es sich hautptsächlich um Pilgerberichte.¹ Dazu zählen u.a. Wilhelm von Boldensele (1332), Ludolf von Sudheim (1336), Johann von Bodman (1376), Lorenz Egen (1385), Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433), Martin Ketzel (1476), Sebald Rieter d.J. (1479), Hans Tucher (1479), Bernhard von Breydenbach (1483), Felix Fabri (1483) und Arnold von Harff (1496). Die Pilgertradition stellt somit den wichtigsten Kontext dar, in dem die Ägyptenreise erfolgt. Dabei gestaltet sich der Ägyptenbesuch als wichtige Reisestation beziehungsweise sekundäres Reiseziel der Jerusalemfahrt und wird vor allem dadurch legitimiert, dass Ägypten als Schauplatz biblischer Heilsgeschichten einen integralen Bestandteil des christlichen Selbstverständnisses und der eigenen Identität ausmacht. Die Ägyptenreise ist jedoch nicht nur Teilziel einer Jerusalempilgerfahrt. Es gibt sie auch als Gesandtschaftsreise (Burchard von Straßburg, 1175; Burchardus von Monte Sion, 1283), als Kreuzzug (Oliver von Paderborn, 1219–1221), als unfreiwillige Reise eines Kriegsgefangenen (Johannes Schiltberger, 1394–1427) und als logistisch motivierte Reiseetappe eines Kaufmanns (Ulrich Leman 1472– 78). Sie alle bereisen Ägypten und gewinnen eine Fülle neuer Eindrücke: „ihre Beschreibungen Aegyptens sind daher äußerst breit und ausführlich“.² Ihre Berichte bezeugen zum einen, dass Ägypten bereits im Mittelalter ein beliebtes Reiseziel deutscher Reisender ist. Ihnen ist auch zu verdanken, dass das Land am Nil im kollektiven Gedächtnis des deutschen Kulturraums lebendig bleibt. Ihre Berichte gestatten zum anderen auch einen Blick in die Kultur des bereisten Landes und der Reisenden, so dass an ihnen die Entwicklung des deutschen Ägyptenbildes deutlich wird. Dazu werden im ersten Teilabschnitt des vorliegenden Kapitels zunächst die Hauptmerkmale des deutschen Ägyptenreiseberichts sowie der Kontext der Jerusalemfahrt näher zu beleuchten sein. Im zweiten Unterkapitel werden mit dem Überblick über Itinerarien, Ablassverzeichnisse und Pilgerführer solche Reisewerke betrachtet, die als Multiplikatoren des Wissens gelten und den Reisenden des Mittelalters als Orientierungshilfe, Vorlage oder Bezugspunkt dienen. Mit der Analyse einzelner Reiseberichte soll dann im dritten

1 Vgl. das chronologische Verzeichnis im zweiten Teil der Arbeit. Vgl. auch Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 21–40. 2 Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 23.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

und vierten Unterkapitel Einblick in verschiedene Einzelwerke gewährt werden, wobei verschiedene Arten des Reisens (Pilger- und Gesandtschaftsreisen), als auch unterschiedliche Reiserouten sowie Strukturen und Bildelemente beleuchtet werden. Reisekultur, Themenwahl und Darstellung werden dabei ebenso zu beleuchten sein wie die Bildelemente des biblischen, pharaonischen und orientalischen Ägypten. Dabei ist zu vermuten, dass entsprechend der einschlägigen Forschungsergebnisse auch bei den folgenden Analysen der stereotype und bisweilen monotone Charakter des mittelalterlichen Reiseberichts zutage tritt.³ Denn aufgrund gleichförmiger Organisationsmodelle der Ägyptenreise, der Beschränkung auf typische Reisestationen, der Dominanz des biblischen Bezugs und ähnlicher Aussagen zu topo- und ethnographischen Themen ist anzunehmen, dass sich die deutschen Ägyptenreiseberichte des Mittelalters durch eine „unverkennbare Ähnlichkeit“⁴ auszeichnen. Die Gleichförmigkeit der Berichte und die Ähnlichkeit des Ägyptenbildes bieten jedoch auch methodische Vorteile des Vergleichs, um die Eigenart des Berichts sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede des vermittelten Ägyptenbildes fassen zu können.⁵ Vorliegende Arbeit möchte aber auch zeigen, dass die Reiseberichte des Mittelalters trotz biblischer Dominanz ein facettenreiches Ägyptenbild vermitteln. Sie möchte ferner verdeutlichen, dass Ägypten als islamische Großmacht wahrgenommen und als Hauptfeind der europäischen Christenheit stilisiert wird, was insbesondere daran liegt, dass seit den Kreuzzügen (v.a. seit Saladin, 1170) bis zum Ende des mamelukischen ägyptischen Großreichs (1517) die Heiligen Stätten unter ägyptischer Herrschaft stehen. Dadurch wird Ägypten von den Jerusalempilgern als Repräsentant des arabisch-islamischen Reiches gesehen und dargestellt. Und sie möchte schließlich den Blick auf die Eigenart der Reiseberichte lenken. Dazu soll auch der abschließende Überblick über die Reiseberichte hinsichtlich ihrer Stellung

3 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 5 und 127ff. Vgl. auch Martin Sommerfeld, Die Reisebeschreibungen der deutschen Jerusalempilger im ausgehenden Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2 (1924), S. 818f.; Dietrich Huschenbett, Die Literatur der deutschen Pilgerreisen nach Jerusalem im späten Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 59 (1985), S. 36f.; Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 29f.; Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 27 und S. 95–101. 4 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 127. 5 Vgl. Martin Sommerfeld, Die Reisebeschreibungen der deutschen Jerusalempilger im ausgehenden Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2 (1924), S. 819; Dietrich Huschenbett, Die Literatur der deutschen Pilgerreisen nach Jerusalem im späten Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 59 (1985), S. 36.

 4.1 Überblick und Kennzeichen  

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im Spannungsfeld von Ägyptomanie und Orientalismus dienen. Denn im Vergleich der Rezeption von Altägypten in den Reiseberichten sowie der Darstellung biblischer und orientalischer Bildelemente dürften nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Unterschiede zutage treten.

4.1 Überblick und Kennzeichen Die Mehrheit der ermittelten Reiseberichte des Mittelalters sind Pilgerberichte. Sie stehen damit in einer Traditionslinie, die sich ab dem 4. Jahrhundert ausbildet, als sich mit dem allmählichen Siegeszug des Christentums in Europa christliche Pilgerinnen⁶ und Pilger auf den Weg machen zu den heiligen Stätten in Palästina und den benachbarten Ländern, darunter auch Ägypten, das einige von ihnen bei der Hin- oder Rückreise besuchen: Das Ziel aller Reisenden ist gleich: Palästina mit den heiligen Stätten, vor allem Jerusalem, Bethlehem, manchmal noch das Katharinenkloster auf dem Sinai und das syrische Damaskus. Eine Alternative auf dem Hinweg bietet noch die Route Alexandria, Sinai, Jerusalem, legitimiert durch Ägypten als Fluchtort der heiligen Familie.⁷

Bis Ende des 15. Jahrhunderts dominieren Pilgerberichte die Geschichte der europäischen Reiseliteratur wie des deutschen Ägyptenreiseberichts. Sie knüpfen dabei an die alten Muster der Reisebeschreibungen und Itinerare der Antike und des 1. Jahrtausends an, die Händler und Pilger über Routen und Entfernungen, bereiste Länder und Gefahren informieren.⁸ Ein Hauptmerkmal der Reiseliteratur von der Antike bis zum Mittelalter stellt folglich die praktische Nutzanwendung der Reiseberichte als Orientierungshilfe dar, die Informationen über bereiste Meere und Länder liefert: Die damalig genuinen Reiseberichte, nicht näher bekannt oder auch wenig erschlossen und die Periegesen des Dionysios Periegetes, des Polemon und des Pausanias etwa blieben weitgehend auf den praktischen Zweck eines Fremdenführers ausgerichtet, wenn sie über Sehens- oder Merkwürdigkeiten informierten, trotz aller eingelagerter Wundergeschichten

6 Im 4./5. Jahrhundert bereisen Egeria, Paula und ihre Tochter das Heilige Land und Ägypten. Im Mittelalter werden Frauen aber durch kirchliche Verbote von dieser frommen Praxis ausgeschlossen. In der Geschichte der deutschen Ägyptenreise treffen wir erst Ende des 18. Jahrhunderts wieder auf reisende Frauen. 7 Hartmut Kokott, Reise und Bericht. In: Hans Heid (Hg.), Von Erfahrung aller Land, Rastatt 1997, S. 5. 8 Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 129f.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

aus wenig bekannten Fabelländern. In ähnlicher Weise auf praktische Nutzanwendung bezogen waren auch Zusammenstellungen von Reiseberichten der älteren Zeit etwa nach Alexander, seien es nun Sammlungen von diplomatischen Reisen, Kauffahrtei-Aufzeichnungen oder Expeditionen, im Mittelalter von Missionsberichten und Pilgerfahrten in das Heilige Land, das betreten zu haben ein denkwürdiges Ereignis im Leben des mittelalterlichen Menschen darstellte.⁹

In diesem Kontext der Jerusalemfahrt findet sich auch Ägypten als Schauplatz biblischer Heilsgeschichte. Denn das Bedürfnis, zu den heiligen Stätten der Bibel zu pilgern, ist „fast so alt wie die Christenheit“.¹⁰ So ist auch Ägypten Ziel zahlreicher Pilger deutscher Provenienz. Ihre Motive sind vielfältig und mögen religiösen wie weltlichen Interessen entspringen. In der Forschung wird ein Bündel von Motiven für die Pilgerreise ausgemacht: Ablass, Buße und Sühne, Devotion, Gelübde, persönliche Wünsche, soziales Prestige und Rittertum, Neugier, Reiselust, Weltinteresse, Erkundungen und Handel, vor allem aber der Wunsch, in jenen von Gott geheiligten Landstrich zu reisen, um Gott und seinem Heil auf dem Boden der biblischen Geschichte räumlich nahe zu sein.¹¹ Die Pilgerberichte weisen somit auch auf die Heimatkultur der Reisenden hin. Denn was von einer Gemeinschaft für heilig gehalten wird, wird kenntlich gemacht, gepflegt und erinnert. So bilden sich heilige Orte heraus.¹² Sie werden für eine bestimmte

9 Ulrich Klein, Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion, 87/2–3 (1993), S. 289f.; Klein bezieht sich hier auf Jakob Berg, Ältere deutsche Reisebeschreibungen, Alsfeld 1912, S. 5; vgl. hierzu auch Franz Obermeier, Französische Brasilienreiseberichte im 17. Jahrhundert, Bonn 1995, S. 22. 10 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 16. 11 Vgl. hierzu Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 3ff.; Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 65ff. und S. 191ff.; Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, Tübingen 1990, S. 41ff.; Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 221–247; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 16–26; Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 52–59. Jerusalem gehört neben Rom und Santiago zu den großen Wallfahrtsorten. Daneben gibt es auch die kleine Wallfahrt zu einem örtlichen Gnadenort. Eine Wallfahrt kann als Buße verhängt, seit dem 13. Jh. von Totschlägern auch verlangt werden. Im Laufe der Zeit bilden sich sogar professionelle Bruderschaften heraus, die im Auftrag anderer, z.B. adliger Sünder, die Jerusalemfahrt unternehmen. 12 Diese werden von den Griechen temenos, von den Muslimen haram (ȳȼǍŲ) ȼ genannt; vgl. dazu auch Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 17ff. Donner weist ferner darauf hin, dass ein Ort seine Heiligkeit u.a. von der herrschenden positiven Religion erlangt. Er kann somit von Angehörigen verschiedener Religionen nach- und nebeneinander für heilig gehalten werden. So gilt Jerusalem dem Judentum, Christentum und dem Islam als heilig; vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 24.

 4.1 Überblick und Kennzeichen  

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Gemeinschaft zu religiösen Gedächtnisorten, die ihre Existenz im kollektiven Gedächtnis nicht nur durch ihre religionsgeschichtliche Relevanz, sondern auch durch die Frömmigkeit der Gemeinschaft und deren Erinnerungsakte sichern.¹³ In diesem Sinne kommt die Pilgerfahrt einer Teilhabe an der Heilsgeschichte gleich. Daher, so Donner, „entzündet sich die Frömmigkeit der Pilger am Heiligen Lande im ganzen, mehr noch an den heiligen Stätten im einzelnen, allen voran denen von Jerusalem“.¹⁴ Während in den ersten Jahrhunderten hauptsächlich Gelehrte, Bischöfe und Presbyter aus Ägypten und Kleinasien nach Jerusalem kommen, reisen ab dem 4. Jahrhundert, als das Christentum religio licita und Staatsreligion des Imperium Romanum wird, Christen im Allgemeinen dorthin.¹⁵ Die Pilgerfahrt ins Heilige Land und die Nachbarländer Mesopotamien, Ägypten und Syrien wird für weite Gesellschaftskreise und alle Bildungsgrade reizvoll, ganz besonders nachdem sie durch die Vorreiterrolle der Kaisermutter Helena (326) begünstigt und hoffähig gemacht worden ist: Es waren Menschen aller Gesellschaftskreise und Bildungsgrade, die vorübergehend oder für immer nach Palästina kamen: ein getaufter Jude aus Bordeaux, eine Nonne, vornehme Damen, eine Kaiserin, Bischöfe, Priester und Diakone – ganz zu schweigen von denen, die die Mönchseinsamkeit der Wüstengebiete dem lauten Getümmel der Städte – auch Jerusalems! – vorzogen. Vor allem aber beginnt im 4. Jh. die Pilgerliteratur, d. h. die zunächst ausschließlich und später überwiegend lateinisch abgefaßten Aufzeichnungen über die Wallfahrten christlicher Pilger ins Gelobte Land und in die Nachbarländer, besonders Ägypten, Syrien und Mesopotamien.¹⁶

Die Tradition der Pilgerfahrt ins Heilige Land und die Nachbarländer setzt im 4. Jahrhundert ein, etabliert sich – ungeachtet des Aufkommens des arabischislamischen Reiches auf der Machtbühne – in der Zeit vom 7. bis zum 9. Jahrhundert und erlebt ihren ersten Höhepunkt um die Jahrtausendwende.¹⁷ Kritische Stimmen gegen Reisen und Pilgerfahrten gibt es immer.¹⁸ Nach dem Scheitern der Kreuzzüge (1095–1292) werden Jerusalempilgerfahrt und Handelsbeziehungen

13 Zur Entstehung einer christlichen Wallfahrtstradition siehe Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 42ff. und S. 45ff. 14 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 20. 15 Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 46; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 26f. 16 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 28. 17 Vgl. Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, Tübingen 1990, S. 42. 18 Vgl. hierzu Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 5f.; Rudolf W. Lang, Reisen anno dazumal, München 1979, S. 17ff.; Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 80ff.; Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, Tübingen 1990, S. 49; Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 60ff.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

mit Muslimen von der Kirche sogar verboten. „Aber es hat alles nichts genützt. Ungezählte Pilgerscharen aus der ganzen Welt, wie die Sterne des Himmels und wie der Sand des Meeres, sind seit alters nach dem Heiligen Lande gezogen“¹⁹ und ziehen immer noch auf den Spuren der Heiligen Schrift zu den heiligen Stätten der Bibel. Und da die Verbote weder den Strom der Pilger noch die Handelsbeziehungen beenden können, gibt die Kirche die Jerusalempilgerfahrt letztlich wieder frei. Die Pilgerreise entwickelt sich in der Folge zur umfassenden Reisebewegung und erlebt im 15. Jahrhundert ihren zweiten Höhepunkt, so dass sie in der Forschung als Massenbewegung bzw. -tourismus des Mittelalters angesehen wird.²⁰ Frauen bleiben von dieser Reisebewegung jedoch weitgehend ausgeschlossen.²¹ Im Spätmittelalter ändert sich dann die politische und geistige Lage, so dass die Pilgerreise Anfang des 16. Jahrhunderts stark abnimmt. Erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird sie wieder zur Blüte kommen. Ägyptenreisen finden häufig im Kontext einer Jerusalemfahrt statt. Das Reisemotiv besteht, Röhricht zufolge, vor allem darin, „die Erinnerungen aus der heiligen Geschichte an den Stätten selbst in sich zu befestigen“.²² Mit der Pilgerfahrt zu den Erinnerungsstätten der Bibel hat sich nämlich eine neue Reisetradition etabliert: die Tradition des christlich motivierten Reisens nach Ägypten. Die überlieferten europäischen Reiseberichte seit dem 4. Jahrhundert und die deutschen Reiseberichte seit dem Mittelalter bezeugen, dass Ägypten seit Anbeginn als wichtige Reisestation der Jerusalempilgerfahrt und als beliebtes Reiseziel der europäischen und deutschen Reisenden gilt. Ägypten ist weder aus der Bibel noch aus der christlichen Kultur wegzudenken. Es gehört zur religiösen Geographie²³ der biblischen Heilsgeschichte und stellt einen konstitutiven Bestandteil des abendländischen Selbstverständnisses dar, wie im 1. Kapitel dargelegt wurde. Denn zu den biblischen Ländern, darunter auch Ägypten, haben „wir durch Religion, Geschichte und Erziehung ein besonderes Verhältnis“,²⁴ daher sei es lohnend, dorthin zu reisen, so Donner. Die Tradition der Pilgerfahrt zum Heiligen Land und den biblischen Erinnerungsstätten der Nachbarländer stellt somit einen der wichtigsten Kontexte dar, in dem Ägypten vom ersten Jahrtausend bis zum heutigen Tag immer wieder vorkommt. Innerhalb dieser Tradition nimmt Ägypten im Vergleich zum Hauptreiseziel Jerusalem einen bedeutenden,

19 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 14f. 20 Vgl. Peter J. Brenner, Der Reisebericht in der deutschen Literatur, Tübingen 1990, S. 42f. 21 Vgl. Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 6. 22 Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 23. 23 Vgl. hierzu Georg Röwekamp, Einleitung. In: Aetheria, Itinerarium, Freiburg im Breisgau 1995, S. 112ff.; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S 76. 24 Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 6.

 4.1 Überblick und Kennzeichen  

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obschon sekundären Stellenwert ein. Denn auch wenn die Jerusalempilgerfahrt von manchen deutschen Pilgern mit einer Ägyptenreise verbunden wird, Hauptreiseziel ist das Heilige Land. Ägypten bleibt ein Nebenziel. Die Ägyptenreise gestaltet sich demnach in den ermittelten deutschen Reiseberichten – sieht man von den Reisen von Burchard von Straßburg (1175), Oliver von Paderborn (1219–1221), Burchardus de Monte Sion (1283), Johannes Schiltberger (1394–1427) und Ulrich Leman (1472–1478) ab²⁵ – bis in die Renaissance hauptsächlich als Teil einer Pilgerfahrt ins Heilige Land, so dass die mittelalterliche Ägyptenreise in der Forschung als Verlängerung bzw. Exkurs der Jerusalemfahrt angesehen wird. Diesen Exkurs der Jerusalempilgerfahrt, bei dem in der Regel vor oder nach dem Besuch des Heiligen Landes das Katharinenkloster auf dem Sinai, Kairo und Alexandrien besichtigt werden, beschreibt Röhricht folgendermaßen: Gewöhnlich nach zehntägigem Aufenthalte verließen die Pilger die heilige Stadt, um entweder das nördliche Palästina, Damascus und Aleppo zu besuchen, oder um nach dem Sinai, Cairo und Alexandria zu gehen […]. Von Alexandria […] segelten die Pilger heim, oder sie gingen, wenn sie von Venedig aus in Alexandria gelandet waren, den von uns besprochenen Weg über Cairo und den Sinai nach Syrien.²⁶

Um die Ägyptenreise in diesem Kontext genauer fassen zu können, soll im Folgenden die Jerusalemfahrt eingehender betrachtet werden. Diese weist eine in sich geschlossene Form auf und lässt sich meist in drei Phasen untergliedern: Hinfahrt – Jerusalem als Ziel – Heimfahrt. Dabei stehen die ersehnten heiligen Stätten im Mittelpunkt, nicht der Weg, der in der Regel als Hindernis zum Erreichen dieses Zieles verstanden und dementsprechend dargestellt wird. Diese Form bezeichnet Wolfzettel als die klassische Pilgerfahrt.²⁷ Da bei manchen Reisenden, v.a. seit dem Spätmittelalter, die Pilgerfahrt um eine Europa- und Orientreise erweitert wird, unterscheidet er ferner zwischen einer klassischen und einer offenen, enzyklopädischen Pilgerfahrt.²⁸ Wolfzettels Aufteilung in klassische und offene Pilgerfahrten wirft in dieser Form jedoch Fragen zur Positionierung

25 Bei den erwähnten Reiseberichten handelt es sich – in obiger Reihenfolge – um die Berichte eines Gesandten, eines Kreuzritters, eines weiteren Gesandten sowie eines Kriegsgefangenen und eines Kaufmanns. 26 Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 22ff. 27 Vgl. Friedrich Wolfzettel, Die offene Pilgerfahrt. In: Das Mittelalter, 3 (1998), S. 33ff.; Friedrich Wolfzettel, Reiseberichte und mythische Struktur, Stuttgart 2003, S. 126ff. 28 Als Beispiele führt Wolfzettel u.a. John de Mandeville (1322–1343), Johannes Schiltberger (1394–1427), Leo von Rozimtal (1465–1467), Niclas von Popplau (1483–1486) und Arnold von Harff (1496–1498) an; vgl. dazu Friedrich Wolfzettel, Die offene Pilgerfahrt. In: Das Mittelalter, 3 (1998), S. 33ff.; Friedrich Wolfzettel, Reiseberichte und mythische Struktur, Stuttgart 2003, S. 126ff.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

des deutschen Ägyptenreiseberichts auf: Gehört die Ägyptenreise zur offenen oder klassischen Pilgerfahrt? Und ist die Struktur der Reise und des Reiseberichts das einzige Entscheidungskriterium? Streng genommen beschränkt sich die klassische Jerusalempilgerfahrt nach Wolfzettel strukturell und motivisch auf den Besuch des Heiligen Landes. In diesem Sinne kann die Ägyptenreise nicht darunter subsumiert werden. Wenn sich Jerusalempilger also für eine Ägyptenreise entscheiden, wird die geschlossene Form der klassischen Pilgerfahrt gelockert und ihre kreisförmige Struktur durch einen Exkurs aufgebrochen. Damit ist die Ägyptenreise im Hinblick auf den Aufbau von Reise und Reisebericht als Reisestation der offenen Jerusalempilgerfahrt anzusehen. In der Ägyptenreise – verstanden als eine von Anfang an wichtige Etappe der offenen Pilgerfahrt, wie auch die europäischen Pilgerberichte seit dem 4. Jahrhundert bezeugen – steckt somit der Kern der offenen Jerusalempilgerfahrt, die seit dem Spätmittelalter um eine Orient- und Europareise erweitert wird. Die in der Forschung vertretene Ansicht, dass sich die Ägyptenreise als Verlängerung der Jerusalemfahrt gestaltet, bedarf noch einer weiteren Präzisierung und Differenzierung. Denn die Ägyptenreise ist nicht nur Teilziel einer Jerusalempilgerfahrt, auch wenn dies beim Großteil der ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichte der Fall ist. Es gibt sie auch als Gesandtschaftsreise, wie der erste bekannte deutsche Ägyptenreisebericht (Burchard von Straßburg, 1175) und der Reisebericht von Burchardus von Monte Sion (1283) bezeugen, als Kreuzzug (Oliver von Paderborn, 1219–1221), als unfreiwillige Reise eines Sklaven und Kriegsgefangenen (Johannes Schiltberger, 1394–1427) und als reiselogistisch motivierte Reiseetappe, wie der Reisebericht des deutschen Kaufmanns Ulrich Leman (1472–1478) bestätigt. Bei der Einordnung und Klassifikation der Ägyptenreise müssen daher auch Reisemotivation und Darstellungsweisen berücksichtigt werden. Die deutschen Jerusalempilger geben zumeist als Hauptreisemotivation den Besuch des Katharinenklosters auf dem Sinai an. Auch ihr Besichtigungsprogramm in Kairo und Alexandria konzentriert sich auf biblische Bezugsorte. Ihre Entscheidung für eine Ägyptenreise resultiert somit primär daraus, dass Ägypten zur religiösen Geographie der biblischen Heilsgeschichte gehört und sie so „die Erinnerungen aus der heiligen Geschichte an den Stätten selbst in sich“²⁹ befestigen wollen. Die ägyptische Germanistin Aleya Khattab, die in ihrer Studie dem Ägyptenbild in den deutschsprachigen Reiseberichten des Mittelalters nachgeht, unterstreicht zwar diese besondere Rolle Ägyptens, vermutet aber in den Reisemotivationen der Pilger für einen Ägyptenbesuch andere Beweggründe als nur religiöse:

29 Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 23.

 4.1 Überblick und Kennzeichen  

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Die Reiseberichte zeigen uns in der Reisemotivation ihrer Verfasser und deren Auseinandersetzung mit der Fremde ein Bild vom Menschen und seiner Gedankenwelt im Mittelalter. Dabei spielt unseres Erachtens Ägypten eine besondere Rolle. Denn in der Regel handelt es sich um Pilger, die das Heilige Land besucht haben. Die meisten Pilger kehrten nach der Pilgerfahrt direkt in ihre Heimat zurück. Wenige Reisende schlossen noch eine Ägyptenreise an, bevor sie heimkehrten. Diejenigen also, die Ägypten besuchten, hatten offensichtlich andere Beweggründe als nur religiöse. Zudem war die Reise nach Ägypten noch mit dem Gedanken an die dortigen Hochkulturen verbunden. Die Besucher Ägyptens wollten, so scheint es, aus der Enge des Mittelalters heraus, sie hatten das Bedürfnis, andere Länder kennenzulernen und zu bewundern. Treffend hat man darauf hingewiesen, daß in Ägypten der Mensch aus dem Wallfahrer mehr und mehr heraustritt. Sein vorher gebundenes Gefühl wird damit frei, und so ändert sich auch der ganze Charakter der Reisebeschreibung. Gerade deshalb erscheint uns die Beschäftigung mit den Reiseberichten über Ägypten als von besonderer Bedeutung.³⁰

Neben den religiösen Beweggründen als Reisemotivation für eine Ägyptenreise stehen auch andere, d.h. weltliche Beweggründe hinter der Entscheidung für eine Ägyptenreise, wie z.B. Abenteuerlust, Neugierde, Interesse an der fremden Kultur und an Ägyptens Hochkultur. Damit findet die Öffnung der klassischen Pilgerfahrt bei ihrer Erweiterung um eine Ägyptenreise nicht nur auf der Organisationsebene der Reise, sondern auch in Aufbau und Inhalt des Reiseberichts ihren Niederschlag. Denn in den Ägyptenberichten finden sich, wie die Einzelinterpretationen belegen werden, die sakralen Themen verstärkt um profane Themen über Land und Leute erweitert. Für eine Ägyptenreise zeigt sich dabei eine Verdichtung der Reisemotivationen, die auf dem besonderen Ort gründen, den Ägypten in der abendländischen Kultur einnimmt. Die erste Motivation für eine Ägyptenreise bezieht sich auf das biblische Ägypten, das als Teil der religiösen Geographie biblischer Heilsgeschichten und als integraler Bestandteil der eigenen Identität gilt. Die zweite bezieht sich auf das pharaonische Ägypten, baut auf antiken Ägyptenbildern auf und steht für den besonderen Bezug des Abendlandes zu Altägypten. Die dritte Reisemotivation verweist schließlich auf Ägypten als fremde orientalisch-arabisch-islamische Kultur, zu der man im Abendland seit dem 7. Jahrhundert ein ambivalentes, zwischen Anziehung und Angst oszillierendes Verhältnis entwickelt. Je nach Reisendem/Autor, Zeitgeist, persönlichen Interessen, Reiseart und Beweggrund überwiegen folglich im Reisebericht bestimmte Elemente des Ägyptenbildes aus einem dieser Bereiche, die nach Gamal Hamdan und Milad Hanna auch das ägyptische Selbst- und Fremdbild sowie die ägyptische Identität prägen.³¹

30 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 16f. 31 Vgl. hierzu im 1. Kapitel vorliegender Arbeit das Unterkapitel Selbst- und Fremdbild.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Folglich kann festgestellt werden, dass sich die Ägyptenreise meist als Teil einer Jerusalempilgerfahrt gestaltet. Persönliche Erlebnisse und eigene Erfahrungen der Pilger sowie die landeskundliche Beschreibung der besuchten Orte treten im Ägyptenreisebericht aber in den Hintergrund, zugunsten des Ziels, die heiligen Stätten zu besuchen, die „als Zeugnisse des Heilsgeschehens“³² verstanden werden. Dennoch ist im Ägyptenreisebericht im Vergleich zur Jerusalemfahrt eine Auflockerung der thematischen Gebundenheit zu beobachten. Die Struktur des Berichts folgt dabei chronologisch dem Ablauf der Reise, die oftmals sachlich und trocken in naivem persönlichen Erzählstil beschrieben wird. Ein Hauptmerkmal mittelalterlicher Reiseliteratur wird daher in der schematischen Aneinanderreihung gesehen.³³ Erst im Pilgerbericht des Spätmittelalters, so Khattab, lassen sich Ansätze einer freieren mit einer persönlichen Note versehenen Darbietungsform feststellen: Zwar bleibt die Komposition im ganzen durch den traditionell überlieferten Reisebericht gekennzeichnet, jedoch gibt es deutliche Ansätze zum Verlassen dieser klassisch-formalen Darbietungsform. Bei Fabri, Breydenbach und Harff steht das erlebende und erzählende Ich oft im Mittelpunkt der Handlung. Es ist häufig die einzige kompositorische Klammer; doch auch bei der Wiedergabe des Stoffs wird auf Elemente wie Verknüpfen, Auswählen und Umstellen (wenn auch nicht oft) geachtet. Die Komposition weist einen Fortschritt auf. Die Form des Berichts entwickelt sich zu einer freieren, anschaulicheren.³⁴

Im Hinblick auf den Stil der Reiseberichte ist auch zu konstatieren, dass die Descriptio am Übergang vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit einen bemerkbaren Wandel erlebt. Der Reisebericht zeichnet sich nunmehr durch eine konkretere und realitätsnahe Darbietungsform mit stärkeren persönlichen Merkmalen aus.³⁵ Mit der Ausweitung der Jerusalempilgerfahrt um einen Ägyptenbesuch lockert und öffnet sich des Weiteren die klassische Pilgerfahrt und damit auch die Komposition des Pilgerberichts, der sich in der Regel zyklisch in drei strukturierende Teile gliedert: Hinreise – Ziel – Heimreise. Die Ägyptenreise ist in diesen Reise-

32 Hartmut Kokott, Reise und Bericht. In: Hans Heid (Hg.), Von Erfahrung aller Land, Rastatt 1997, S. 5. Vgl. dazu auch Tanja Hupfeld, Zur Wahrnehmung und Darstellung des Fremden in ausgewählten französischen Reiseberichten des 16. bis 18. Jahrhunderts, Göttingen 2007, S. 21f. 33 Vgl. Franz Obermeier, Französische Brasilienreiseberichte im 17. Jahrhundert, Bonn 1995, S. 23; Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 216. 34 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 217f. 35 Vgl. dazu Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 218ff.; Franz Obermeier, Französische Brasilienreiseberichte im 17. Jahrhundert, Bonn 1995, S. 23; Swetlana Beloschnitschenko, Deutschsprachige Pilger- und Reiseberichte des 15. und 16. Jahrhunderts, Osnabrück 2004, S. 13f.

 4.2 Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer  

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und Erzählrahmen eingebettet. Sie findet bei der Hinreise nach oder Rückreise von Jerusalem statt oder hat Jerusalem als Ausgangs- und Endpunkt der Ägyptenreise. Da sie im Reisebericht in der Regel chronologisch nach dem Reiseablauf beschrieben wird, können entsprechend der eingeschlagenen Reiseroute drei Kompositionstypen des Ägyptenreiseberichts festgemacht werden, wobei zu einem bestimmten Zeitpunkt meist ein Organisationsmodell dominiert, ohne die anderen ganz zu verdrängen: 1. Hinreise – Palästina – Ägypten – Palästina – Heimreise 2. Hinreise – Palästina – Ägypten – Heimreise 3. Hinreise – Ägypten – Palästina – Heimreise Innerhalb der drei Modelle können aufgrund persönlicher Begebenheiten und abweichender Reiserouten weitere Variationen auftreten, wie im zweiten Kapitel dargelegt wurde. Zusammen mit den Berichten über Ägyptenreisen als Gesandtschaftsreise, Kreuzzugserlebnis, unfreiwillige Reise eines Kriegsgefangenen und als Etappe aus reiselogistischen Gründen stehen die Ägyptenreiseberichte für das besondere Interesse an Ägypten. Mit ihren Reiseberichten, in denen das pharaonisch-orientalische in der Regel dem biblischen Ägypten untergeordnet ist, halten die Reisenden die Erinnerung an Ägypten im deutschen Kulturraum wach und sind maßgeblich an der Ausbildung eines bestimmten Ägyptenbildes in der deutschen Literatur und Kultur beteiligt, dessen Hauptmerkmal darin besteht, dass es im Einklang mit der Bibel repräsentiert wird.

4.2 Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer Die deutschen Pilger des Mittelalters blicken bereits auf eine lange Tradition des christlich motivierten Reisens zurück, in der sie etablierte Grundmuster und typische Themen für ihre Ägyptenbeschreibung vorfinden. Ägypten ist den deutschen Reisenden dank der Bibel, der Schriften antiker Autoren und Kirchenväter sowie der europäischen Reiseliteratur des ersten Jahrtausends keine terra incognita. Als Quellen und Orientierungshilfen dienen ihnen zudem Itinerarien, Pilgerführer und Ablassverzeichnisse. Damit sind diese Schriften, obgleich sie nicht zum ausgewählten Korpus deutscher Reiseberichte gehören, auch für das Erkenntnisinteresse vorliegender Arbeit von Bedeutung. Denn sie dienen als Multiplikatoren des Wissens und tragen dazu bei, bestimmte Vorstellungen über die fremde Kultur zu formen und zu zirkulieren. Da den Reisenden des Mittelalters diese Schriften bekannt und sie durch die darin vermittelten Vorstellungen geprägt sein dürften, sollen sie hier beleuchtet werden, um Einblick in die zu dieser Zeit zirkulierenden Vorstellungen über Ägypten zu erhalten. Die Itinerarien und Ablassverzeichnisse sind aber auch aus anderen Gründen für vorliegende Analysen relevant. Denn

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

sie liefern Beschreibungsvorlagen, die den Reisenden des Mittelalters bei der Abfassung ihrer Berichte hinsichtlich Komposition, Themenauswahl oder Formulierung zur Verfügung stehen. Damit stellen sie auch einen der Faktoren dar, der die Gleichförmigkeit der Berichte und die „unverkennbare Ähnlichkeit“³⁶ des Ägyptenbildes zu erklären vermag. So verweist z.B. Khattab bei der Erörterung der Abhängigkeitsfrage von Reiseschriftstellern auf den in Venedig käuflichen lateinischen Pilgerführer, „auf den die Pilger bei der Abfassung ihrer Werke wie bei ihren Reisen überhaupt zurückgegriffen haben. Er hat als Quelle zu gelten, aus der die Reisenden viele Informationen erhalten haben, wie sie mehrfach berichten“.³⁷ Khattab bezieht sich hier auf Martin Sommerfeld, der diese These von Reinhold Röhricht übernimmt und weiterführt: Dreierlei Quellen haben wir für diese Pilgerreisen zu unterscheiden. Erstens der geschriebene, später gedruckte, jedenfalls ziemlich früh fabrikmässig hergestellte lateinische Pilgerführer, ausschließlich die unterwegs zu besichtigenden Heiligtümer und die loca sancta des Heiligen Landes nebst den dort zu erlangenden Ablässen […]. Auch die Franziskaner des Zionklosters hielten einen solchen Führer feil; jedoch versahen sich fast ausnahmslos die Pilger bereits in Venedig mit diesem Pilger-Baedeker […]. Die oft ins Wörtliche gehende Übereinstimmung der weitaus meisten Pilgerreisen des 14. bis 16. Jahrhunderts hinsichtlich der loca sancta erklärt sich aus dem Zurückgreifen der Pilger auf diesen Baedeker.³⁸

Dies bestätigt auch Ganz-Blättler, wenn sie feststellt, dass „die Aussagen von Reinhold Röhricht und Martin Sommerfeld zum Thema grundsätzlich berechtigt sind, auch wenn der darin erhobene Anspruch auf Allgemeingültigkeit noch der Überprüfung bedarf. Als Quelle für die spätmittelalterlichen Pilgerberichte sind die ideologisch gefärbten Orientierungstexte der Franziskaner von grundlegender Bedeutung“.³⁹ Die Kenntnis der Itinerarien, Pilgerführer, Ortsbeschreibung und Ablassverzeichnisse sowie ihrer Aussagen bezüglich Ägypten ist somit unabdingbar für eine adäquate Analyse des Ägyptenbildes der mittelalterlichen Reiseberichte. Ihre Kenntnis stellt nämlich eine geeignete Hintergrundfolie dar, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Darstellung Ägyptens nachvollziehen und einschätzen zu können.

36 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 127. 37 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 127. 38 Martin Sommerfeld, Die Reisebeschreibungen der deutschen Jerusalempilger im ausgehenden Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2 (1924), S. 829ff. Vgl. auch Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 8 und S. 43. 39 Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 106.

 4.2 Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer  

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Seit dem 1. Jahrtausend liegen Itinerarien und Ortsbeschreibungen zu Ägypten vor. Sie informieren Reisende über Streckenentfernungen, Reisestationen und Sehenswürdigkeiten. Damit zielen sie auf den praktischen Nutzen für Reisende und Pilger, die sich über Streckenverlauf, Unterkunfts- und Besichtigungsmöglichkeiten erkundigen möchten. Hiervon zeugt z.B. die Ortsbeschreibung von Theodosius aus dem 6. Jahrhundert, die über Reisewege und Streckenentfernungen von Jerusalem zum Berg Sinai informiert: Beim Berge Sina in der Stadt Fara, wo der hl. Mose gegen Amalech kämpfte. Von Jerusalem nach Elusath sind es 3 Übernachtungsstationen, von Elusath nach Aila 7 Übernachtungsstationen, das der Makedone Alexander der Große gebaut hat. Von Aila bis zum Berge Syna sind es 8 Übernachtungsstationen, wenn man den kürzeren Weg durch die Wüste nehmen will, über Ägypten aber 25 Übernachtungsstationen (Theodosius, Theodosii de situ terrae sanctae, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, cap. 27, S. 209f.).

Bezüglich bemerkenswerter Orte und Sehenswürdigkeiten in Ägypten nennt Theodosius den Nil und Memphis. Dabei beschreibt er die Stadt Memphis als Sitz des Pharao und Kerker von Joseph. Er berichtet auch von zwei Klöstern mit unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und macht damit auf Konfessionsunterschiede im Ägypten der damaligen Zeit aufmerksam.⁴⁰ Den Nil bezeichnet er schließlich als Paradiesfluss Phison, der ganz Äthiopien bewässere und bis nach Ägypten fließe.⁴¹ Theodosius’ Ägyptenbild setzt sich somit hauptsächlich aus biblischen Elementen zusammen ebenso wie die Palästinabeschreibung von Epiphanius Hagiopolita (8. Jh.). Im Itinerarstil beschreibt Hagiopolita die Ägyptenreise als Erweiterung einer Jerusalemfahrt, mit dem Heiligen Land als Ausgangs- und Endpunkt. Dabei nennt er Reiseetappen, Entfernungen und Sehenswürdigkeiten von Pharama über Damiette, Alexandria, die nitrische Wüste, Kairo, das Antonius-Kloster am Roten Meer und den Berg Sinai bis in die Thebais: Und westlich davon, ungefähr eine Tagereise weit, ist die Festung Askalon, wo die Heiligen Anargyroi Kosmas und Damian liegen. Das ist der Ort, wo Joseph seinen Vater traf, vor der Spitze seines Stabes niederfiel und ihn begrüßte. Und an demselben Ort speiste die Hochheilige Gottesmutter mit Joseph und ihrem Sohne: in der Festung, die Pharma heißt; der Anfang von Ägypten. Und westlich, ungefähr bis zu 2 Tagereisen entfernt, ist Tamiathin, der Verbannungsort Christi, eine große Festung. Und westlich davon, 4 Tagereisen entfernt, ist

40 Vgl. Theodosius, Theodosii de situ terrae sanctae, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, cap. 14, S. 202. 41 Vgl. Theodosius, Theodosii de situ terrae sanctae, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, cap. 16, S. 203.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

die Stadt Alexandria. (Epiphanius Hagiopolita. In: Herbert Donner (Hg.), Die Palästinabeschreibung des Epiphanius Hagiopolita, 1971, S. 85f.).

Bei Hagiopolitas Ausführungen zu Ägypten lassen sich zwei große Themenbereiche ausmachen, die beide der biblischen Tradition verpflichtet sind: biblische Gedächtnisorte um Joseph, Moses und die Heilige Familie sowie ägyptische Heilige und Wirkstätten ägyptischer Mönche. So werden die Pyramiden als Kornspeicher Josephs identifiziert,⁴² der Nil wird als Paradiesfluss Phison bezeichnet⁴³ und sein Babylon ist die Stadt des pharaonischen Königspalasts. Alexandrien ist für Epiphanios Hagiopolita dagegen die Stadt der Heiligen, d.h. der Wirkort von Markus, Athanasius, Troilus, Johannes dem Almosengeber (dem Barmherzigen) sowie von Petrus, Apollinarius, Vitalius und der fünf Jungfrauen. Auch die Stätten des heiligen Menas und der heiligen Theodora in Alexandriens Umgebung werden erwähnt. Ein anderer Bezugspunkt ist bei Hagiopolita das Kloster des heiligen Makarios, das wie eine Festung erscheine und 1000 Mönchsväter und 1000 Zellen habe.⁴⁴ In der Folge werden weitere heilige Orte der ägyptischen Mönche um Babylon, am Roten Meer, beim Berg Sinai und in der Thebais genannt. Die biblisch-christliche Tradition verlässt Hagiopolita jedoch, wenn er erwähnt, dass beim Roten Meer Erdöl fließe und dass in Alexandria der Leuchtturm namens Pharas stehe: „das erste Weltwunder. Er ist unter Verwendung von Glas und Blei errichtet, 306 Klafter hoch“.⁴⁵ Auch diese beiden Elemente, die nicht der biblischchristlichen Tradition verpflichtet sind, finden sich in den Reiseberichten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wieder. An der Ausbildung eines biblischen Ägyptendiskurses in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters sind des Weiteren die Ortsbeschreibungen von Beda Venerabilis (7. Jh.) und Petrus Diaconus (12. Jh.) beteiligt, die auf die Reiseberichte von Egeria (4. Jh.) und Arkulf/Adamnanus (7. Jh.) zurückgehen. Und die Legenden der ägyptischen Heiligen finden durch die Legenda aurea von Jacobus de Voragine (13. Jh.) weite Verbreitung. Das Fortleben der Itinerare und Ortsbeschreibungen im Mittelalter wird durch Martin

42 Vgl. Epiphanius Hagiopolita. In: Herbert Donner (Hg.), Die Palästinabeschreibung des Epiphanius Hagiopolita. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, 87 (1971), S. 86. 43 In der Tradition wird der Nil normalerweise mit dem Paradiesfluss Geon/Gehon gleichgesetzt. Hier sind die Regionen gegenüber dem Bibeltext (vgl. Gen 2,11–13) vertauscht. Die Vorstellung vom Nil als Paradiesfluss bleibt aber trotz der Verwechslung der biblischen Tradition verpflichtet. Vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 203, Anm. 71. 44 Vgl. Epiphanius Hagiopolita. In: Herbert Donner (Hg.), Die Palästinabeschreibung des Epiphanius Hagiopolita. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, 87 (1971), S. 86. 45 Epiphanius Hagiopolita. In: Herbert Donner (Hg.), Die Palästinabeschreibung des Epiphanius Hagiopolita. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, 87 (1971), S. 86.

 4.2 Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer  

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Ketzel (1476) belegt, der im Anhang seines Reiseberichts ein Itinerar mit genauen Streckenentfernungen zwischen Palästina und Ägypten liefert. Dabei werden Beschaffenheit der Route und Reisemodalitäten auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße nach Kairo sowie Hafen, Schifffahrt und Handel thematisiert. Jtem ze wissen u. hienach geschriben die Weg, und wie fern ains von dem andren ligt, so man von Jerus. zeucht, als ich Das gar aigentlich von den Minchen zu Jerus. hab erfaren u. s. w. Jt. zewissen, das Jerus. Iigt mitten in der Welt, zwischen Alexandria u. Damasgo oder Baruthy: wan so man an das h. Land k. oder zu Jerus. ist, so ligt Alchayro Alex. u. Egipten zu der ger. Hand, u. ist gegen Jndia warts, gegen der Morn Land. Jt., so ligt Barutto u. Damasgo, Achre, zu der gelingen Hantt gen Armenia warts (Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1, 1832, S. 100). Jt., so man wyll von Jerus. gen Alchayro oder in Alex. in Egipten warts, so – reitt man in 10 oder 12 Tagen. So man aber mit Gutt fertt, mit den Kameltieren, haist man Karawanna, so mus man 15 Tag haben u. fertt durch wieste Wiltnüs, das seltenn Herberg unterwegen sind. Man mus Essen u. Trincken mitfüren. Jt. von Alchayro gen Alex. ist 3 Tag wayt. Da ist auch ain Portt, u. kumen der Venediger Schiff u. Galien u. Naffe hin, u. laden da Jmber, Pfeffer u. allerlay Spetzerey Woll, und Sinewaffen, u. Bogassin, gleichwie zu Damasgo u. zu Baruto. Florentzer, Genuesser, Katalan, Spangoll und andre Schiff kumen gleich so woll mit Kaffmanschatz dahin als die Venediger. (Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1, 1832, S. 101).

Hauptquelle für Ketzels Ausführungen, der Ägypten wohl nicht selbst bereist hat, bilden die Informationen der Franziskaner-Mönche vom Zionkloster in Jerusalem, was Sommerfelds These zur Rolle der Mönche bei der Verbreitung von Registern und Vorlagen bestätigt, derer sich die Reiseschriftsteller beim Verfassen ihrer Reiseberichte bedienen können: Vermerkt und hienach geschriben: die loblich Ritterfart über Mer gen Jerusalem und zu dem hayligen Grab. Des ersten von Jnseln, Port und Stett, darein man gewonlich kumpt. Darnach all haylig Stett zu Jerusalem und Judea und in dem selben Gepiet; als ich Martin Ketzel von Augspurg die gar aigentlich erfaren hab. Des geleichen all ander haylig Stett in aller Haydenschafft, die da sind in dem Tal Mambre, zu Nazaret, in dem galileischen Land, in dem Land Sidionorum, zu Damasgo, zu Baruthy in der Stat, darnach auf dem Perg Synay und umb denselben Krais, und darnach zu Alchayro und Egyptenn, und auch in Alexandria, an solich loblich haylig Stettenn Gott der almechtig von Anbeginen der Welt gros Wunderzaichen gethan, darnach uns sein eingeboren Sun gesant hat, an solichen hienach geschriebenn Stetten uns zu erlessen. Solich hailig loblich Stett ich ains Tayls erfaren hab in aygner Person, wa ich aber nit gewessen pin, so bin ich doch solichs aygentlich und ganz warlich bericht worden von den frumen und andächtigen Vettern des loblich Gotzhaus auff

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dem Berg Syon, Barfußer Ordens, die daselbst allenthalb gewest sind. Solich haylig loblich Stett und auch den großen Antlas [Ablass], den man da entpfacht [empfängt], hab ich aus besunder Untertänikeit und Begirt verschriben dem durchleichtigen hochgebornen Fursten und Herren Hern Johanssen von Gottes Genaden Phaltzgrave bey Rein, Herzog in Bayrenn, meinem gnedigen, als hernach geschriben stett (Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1, 1832, S. 32f.).

Bei den Dokumenten zu Ägypten, die im Anhang zu Ketzels Pilgerbericht überliefert sind, handelt es sich zum einen, wie oben gesehen, um ein Itinerar über die Streckenentfernungen vom Heiligen Land bis nach Kairo und Alexandrien. Das zweite Dokument ist eine Mischung aus Pilgerführer und Ablassverzeichnis. Diese Auflistung der vollkommenen und unvollkommenen Ablässe,⁴⁶ die an den jeweiligen heiligen Orten in Ägypten zu erlangen sind, umfasst drei Etappen. Die erste Etappe beschreibt die heiligen Stätten beim Katharinenkloster, auf dem Sinai- und Katharinenberg und an den Orten, die man vom Heiligen Land über Gaza aus erreichen kann. Beim Berg Sinai wird vor allem auf den Exodus und die Wüstendurchquerung des Volkes Israel eingegangen. Weitere Themen bilden die Wunder der heiligen Katharina und christlich-mönchische Traditionen: Jtem, nun furbas ist ze morken die h. St. auf dem Perg-Sinay u. umb denselben Krais. Jt., des ersten k. m. zutz ainer St., die ist genant Gazara. […]. A. † Jt., so man auff den Berg Synay k., da ist ain K., genantt Santa Maria de rubo. Das da ligt der Leichnam sancte Katerine. A. † Jt., hinder d. K. ist die St., da Gott erschinen ist Moyssi in dem brinnenden Buschen. A. † Jt., mitten auff dem Perg ist d. St., da Helias lang zeytt gewant hatt, u. Buswertikait da hatt gewurckt. A. † Jt., zu obrost auff dem Berg ist die St., da Gott Moyssy die Gesetz gab u. die zwo stainin Taffell, daran die 10 Gebott geschriben stunden. Da ist A., V. a. S. Jt., es ist auch ain ander Berg sante Katerine. Das. zu höchst auff dem Berg habent die Engell des ersten santa Katerina Leichnam auffgefürt. A. † Jt., das. ist d. St., da S. Honofrius lang zeit in buswertigem Leben gewesen ist. A. † Jt., so man nun das. widerkertt u. in Egipten wyll, so k. m. an das rott Mer, dardurch Moysses die Kinder von Jsrahell gefürtt hatt vor dem Kungk Pharone. A. † Jt., das. stand die 12 Prunnen, die noch gar fil Menschen zu sechen werden, die dahinkumen. A. † (Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1, 1832, S. 98).

Die zweite Etappe beschreibt die heiligen christlichen Stätten in Kairo und Umgebung, beim Roten Meer, in der nitrischen Wüste und Oberägypten (Manfalut in

46 Zum Pilgerablass siehe z.B. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./ Bern 1987, S. 67–71.

 4.2 Itinerarien, Ablassverzeichnisse, Pilgerführer  

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Assiut). Hier dominieren die Beschreibung der Gedächtnisorte um die Flucht der Heiligen Familie, Heiligengeschichten und christliches Ägypten im Allgemeinen. Verm. die h. St. in det großen St., genant Alchayro, in haidnischer Sprach Massar, u. durch Egiptenland ec. Jt., Alchayro ist gar ain große St. pey 10 teutsch Meyll weytt u. braytt. Darin sind gar fill kristenlicher K., u. sind ob 3000 Pfar da, u. ob 4000 Kech. Das. want der mechtig Kung Soldan, u. ist ain verlagnetter Krist: wan al Kung oder was mechtiger Heren in der Haydenschaft sind, miessen all verlagnot Kristen sein. Jt., in der St. Alchayro ist ain K., genant Sancta Maria Kolumná, oder u. F. zu der Sewl. Das. ligtt der h. Leichnam S. Barbara der h. Junckfrawen u. Martrerin. A. † Jt., durch die St. u. an demselben End fleust der Bach Nillus, u. fleust aus dem irdischenn Paradeis. A. † Jt., das. ist der Weingart Engadi. Da wechst der Balsam, u. das. hatt gewantt die rain Junckfraw Maria u. auch Josep mit irem Kind, als sy inn Egipten geflochen warenn. A. † Jt., d. ist das Kloster der I. h. S. Anthony u. auch S. Pauls, die die erstenn Ainsidell waren, u. auch des lieben Ainsidell S. Machem. A. † Jt., so man nun furbas zeucht von Alch., u. wyll in Egiptenland, so k. m. in ain Gegent, genant Meopheluto (?). Das. ist ain Kloster der Jacobitten, der den auch im T. zu Jerus. sind, als for geschriben stett. Da ist A. † Jt., so k. m. d. an ain andre St,, genant Almariach (?); das. ist gar ain schöne Cap. Das. ist die M. G., u. auch Josep mit irem Kind pey 7 Jaren gewessen, als si geflochen waren in Egipten. Das. begett man gar ain loblich Fest an dem Palmtag: wan da kumen dahin al Cristen, die dan in Egipten wanen, von allen Landen, u. allerlay Cristen. A. † (Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1 (1832), S. 98f.).

Die dritte Etappe beschreibt schließlich die Erinnerungsorte in Alexandrien und widmet sich den Heiligen Katharina, Markus, Johannes, dem Almosengeber und Hilarion von Gaza: Verm. die h. St. zu Alexandria u. auch in Egiptenn. Jt., Alexandria ist auch ain schöne St. gewessen; doch ist sy yetz fast zerrissen. Darvon haist das Land auch Alexandria. (?) Aber in der St. Alex. ist S. Katerina gemartert wordenn. Jst A. † Jt., mer in ders. Statt ist S. Johannes der Almusser begraben wordenn, der da gewessen ist ain Patriarch in derselbigen St. A. † Jt., das. ist begraben auch worden S. Hilarion, ein Abt, da er aus Zipren in Palestinam gepracht ward. A. † Jt., d. ist S. Marx K., da S. Marx ist gemartrott u. auch begraben worden. A. † Jt., in ders. St. Alex. sind gar fill Hailigen gemartrot wordenn, als man dan in der Hayligen Leben find (Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1 (1832), S. 99f.).

Ob Itinerar, Ablassverzeichnis oder Pilgerführer, die erwähnten Zeugnisse und Dokumente wenden sich alle an bestimmte Adressaten, christliche Pilgerinnen und Pilger, und möchten ihnen eine praktische Orientierungshilfe an die Hand geben. Das dabei vermittelte Ägyptenbild ist weithin der biblischen Tradition verpflichtet.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

4.3 Gesandtschaftsreisen 4.3.1 Burchard von Straßburg (1175) Der erste bekannte Ägyptenreisebericht eines Deutschen stammt von Burchard von Straßburg. Dabei handelt es sich um einen Reisebericht, der in lateinischer Sprache verfasst ist und im 13. Jahrhundert in die Chronik Arnolds von Lübeck aufgenommen wird. Daneben liegt er auch in selbständig überlieferten Fassungen vor. In der deutschen Übersetzung der Chronik Arnolds von Lübeck wird der Bericht Burchards von Straßburg⁴⁷ folgendermaßen eingeführt: „Im Jahre der Fleischwerdung des Herrn 1175 sandte Herr Fritherich, Kaiser der Römer und Mehrer des Reichs, Herrn Gerhard, Vicedom zu Straßburg, nach Aegypten zu Salahadin, dem König von Babylonien. So vernehmet nun, was dieser selbst sagt“.⁴⁸ Dabei wird betont, dass Burchard im Namen Friedrichs I. Barbarossas unterwegs ist und in diplomatischer Mission nach Ägypten zu Saladin, dem König von Babylonien reist. Der Reisebericht steht somit nicht im Kontext einer Jerusalemfahrt, sondern im Zeichen der Diplomatie und der Kreuzzüge. Während Arnold aber von Gerhard spricht, steht der Bericht in den anderen, selbständig überlieferten Handschriften unter dem Namen Burchard.⁴⁹ Im Kontext des Ägyptenreiseberichts stellt Burchards Bericht über seine Gesandtschaftsreise nach Ägypten eine Ausnahme dar. Denn er markiert die Anfänge der deutsch-ägyptischen Beziehungen⁵⁰ und bezeugt zugleich, dass sich die Ägyptenreise nicht nur, wie in der Forschung allgemein angenommen, als Nebenziel und Teil der Jerusa-

47 Gerhard bei Arnold von Lübeck. In der Forschung wird von einem Schreibfehler ausgegangen. Über Person, Werk und Forschungslage berichtet ausführlich Carmen von Samson-Himmelstjerna, Deutsche Pilger des Mittelalters, Berlin 2004, S. 81–95. 48 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae, übers. von J.C. M. Laurent, m. Vorw. von J. M. Lappenberg, neu bearb. von W. Wattenbach, 3. unveränd. Aufl., Leipzig 1940, S. 318–334, hier: S. 318. 49 Vgl. Johann C. M. Laurent, Burchard von Straßburg. In: Serapeum, 19 (1858), S. 147f.: „Anno incarnationis Domini M°C°LXXV° [sic] dominus Fredericus, gloriosissimus Romanorum imperator, misit me, Burchardum, vicedominum gentinensem, in Egyptum, ad Salahadinum, regem Babylonie“. 50 Vgl. Thomas W. Kramer, Deutsch-Ägyptische Beziehungen. In: Heinz Schamp (Hg.), Ägypten. Das alte Kulturland am Nil auf dem Weg in die Zukunft, Tübingen 1977a, S. 553: „‚Haupt- und Staatsaktionen‘ zwischen Deutschland und Ägypten ereigneten sich schon im Mittelalter im Zusammenhang mit den Kreuzzügen, in der Zeit des ersten Eindringens europäischer Mächtegruppen in den Nahostraum“. Kramer verweist dabei auf die Eroberung von Damiette 1219 und die Beschreibung des Kreuzzugs durch Meister Oliverus von Paderborn/Köln. Der Reisebericht von

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

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lemfahrt, sondern auch als Hauptreiseziel aus anderen Beweggründen und mit anderen Zielen gestaltet.⁵¹ Trotz dieser Ausnahmestellung ist Burchards Bericht bei der Untersuchung des deutschen Ägyptenreiseberichts bisher unberücksichtigt geblieben. Daher wird sein Bericht, der erste deutsche Ägyptenreisebericht, hier eingehender betrachtet. Im Fokus werden zuerst Reisekultur und Komposition stehen. Anschließend wird den Hauptelementen des Ägyptenbildes (biblisch, pharaonisch, orientalisch) im Spannungsverhältnis von Ägyptomanie und Orientalismus nachgegangen. Am 6. September 1175 segelt Burchard von Straßburg von Genua über Korsika, Sardinien, Sizilien, Malta, Panteleon/Pantellaria und ein barbarisches von Arabiten bewohntes Land nach Alexandrien, wo er nach 47 Tagen eintrifft. Seine Reise führt ihn weiter nach Kairo, dessen Beschreibung im Bericht großen Raum einnimmt. Anschließend erreicht Burchard über Suez den Sinaiberg, nach weiteren zwei Tagen die südsyrische Stadt Busserentinum/Bostra und dann nach drei Tagen Damaskus, wo er möglicherweise Saladin trifft. Von Damaskus kehrt er über Tiberias, Akkon, Jerusalem, Askalon und von da nach acht Tagen über elArish auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße nach Kairo zurück.⁵² Damit umfasst Burchards Ägyptenreisebericht die wichtigsten Bausteine der Ägyptenreise, die im Ägyptenreisebericht vom 4. bis zum 17. Jahrhundert vorkommen. Sein Bericht ist in der ersten Person verfasst und folgt chronologisch dem Reiseverlauf, wobei die dargestellten Themen und Sachverhalte bisweilen lose für sich stehen oder einem vagen, assoziativen Ordnungsprinzip folgen. Im Gegensatz zu den Pilgerfahrten, die sich meist als Gruppenreise gestalten, ist Burchard allein unterwegs. Er erwähnt noch nicht einmal einen Dolmetscher als Begleiter. Doch Kommunikationsprobleme scheint es für Burchard trotzdem nicht zu geben, da er von Gesprächen mit Einheimischen berichtet. Auf die Kommunikationssprache wird aber nicht eingegangen. Reiseziel und Motivation werden zu Beginn des Berichts thematisiert: Gesandtschaftsreise im Auftrag Friedrichs I. Barbarossa zu Saladin, dem Begründer der Ayyubiden-Dynastie (1171–1250) in Ägypten. Im Prolog wird

Burchard von Straßburg gehört zur früheren Phase der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Kulturräumen. 51 Burchardus de Monte Sion (1283/85) bereist, Aleya Khattab zufolge, Ägypten zweimal. Bei der zweiten Reise ist er sogar als Gesandter des deutschen Kaisers Rudolf von Habsburg beim ägyptischen Sultan. Darüber verliert er im Reisebericht jedoch kein Wort. Seine Ägyptenbeschreibung ist vielmehr Teil eines Pilgerberichts; vgl. ferner Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 21f.; Dietmar Henze, Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher, Graz 1978, Bd. 1, S. 397 und ADB, Bd. 3, S. 567f. 52 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 327–331.

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zudem über den Schreibakt reflektiert. Im Mittelpunkt der Beschreibung steht das Wunderbare als Wahrnehmungsstrategie und Darstellungsweise von Selbstund Fremdzuschreibung. Dabei will Burchard, wie einst Herodot, alles fremdartig Gesehene und glaubwürdig Erfahrene niederschreiben. Damit wird die Fremde entsprechend der Terminologie der Fremdheitsforschung als das Unbekannte und Unvertraute konstruiert.⁵³ Alles was ich auf der mir aufgetragenen Gesandtschaftsreise gesehen oder auf glaubwürdige Weise erfahren habe, habe ich, sobald es auf dem von Menschen bewohnbaren Erdkreise, zu Wasser wie zu Lande, als etwas Seltenes oder Fremdes mir vorkam, schriftlich aufgezeichnet (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 318).

Burchards Informationen beruhen auf eigener Anschauung und/oder auf Hörensagen. Die Einheimischen, mit denen er in Kontakt tritt, fungieren als Hauptquelle. Markiert werden diese Quellen durch den Kontext bzw. Formulierungen, wie z.B. wie noch die Spuren zeigen, ich sah, ich habe dort gefunden oder auch hörte ich.⁵⁴ In seiner Beschreibung werden zwar auch schriftliche Quellen benutzt, jedoch nicht namentlich erwähnt.⁵⁵ Mit den Einheimischen führt Burchard Dialoge interkultureller und interreligiöser Natur. Dabei bleibt ihre Stimme in seinem indirekten Stil erhalten. Sein Reisebericht fungiert damit als Sprachrohr des fremden orientalischen Ägypten und als Interpretament der kulturellen Verschiedenheit von Orient und Okzident. Doch sind in seinem indirekten Stil auch kritische Töne festzustellen. Unterschiede und Gemeinsamkeiten werden festgehalten und den Lesern durch Vergleiche mit dem eigenen bekannten und vertrauten Kultursystem dargeboten. Dadurch versucht Burchard, sich und den Lesern die Fremde fassbar und damit erst beschreibbar zu machen:

53 Burchards Fremdheitskonstruktion beinhaltet nach Volker Scior auch die Bedeutungen von wenig bekannt, unvertraut und außerhalb; vgl. Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 322. 54 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 320ff.: „Endlich lief ich in den Hafen von Alexandria ein, in welchem ein sehr hoher steinerner Thurm errichtet ist, um den Seefahrern den Hafen anzuzeigen. […] Die erste Anlage dieser Stadt war, wie noch die Spuren zeigen, sehr groß […] Das Klima ist sehr gesund: ich habe dort sehr viele hundertjährige Greise gefunden. […] In derselben sah ich siebzehn Grabmäler […]. Auch sah ich die Capelle […]. In Alexandria war auch einst ein sehr großer Palast des Pharao, mit ungeheuren Marmorsäulen versehen, von dem jetzt noch Spuren vorhanden sind. […] Auch hörte ich, daß dort Eselinnen von Pferden trächtig würden“. 55 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 325: „wir wissen nur durch schriftliche Ueberlieferung“.

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[321] Zu merken ist, daß der Hafen an Zoll jährlich 50 000 Goldstücke einbringt, welche mehr als 8000 Mark reinen Silbers betragen. […] [324] Das Balsamholz gleicht dem eines dreijährigen Weinstocks, das Blatt aber einem kleinen Kleeblatte. […] [325] Der Nil oder Eufrat ist ein Fluß, welcher größer ist, als der Rhein […]. Im Nil leben auch wilde Pferde, die unter dem Wasser verborgen sind und häufig hervorkommen. Ebenso halten sich eine Unzahl von Krokodilen im Nile auf. […] Der Kopf eines Krokodils gleicht dem einer Sau (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 321–325).

Burchard legt zudem Wert darauf, mit seinen Lesern in Kontakt zu treten, um sie aufzuklären und ihren Blick auf bestimmte Sachverhalte zu lenken. Durch Formulierungen, wie man merke sich, man muß wissen oder man beachte zeigt sich der Reisebericht publikumsbezogen konzipiert.⁵⁶ Die Anteilnahme des Lesers wird gesucht und gefördert. Dadurch wird zugleich die informative und belehrende Funktion des Reiseberichts unterstrichen. Da ein Reisebericht, Arnold von Lübeck zufolge, gemäß der Horazischen Poetik unterhalten und belehren soll, mag in dieser Funktion auch ein Grund für die Aufnahme von Burchards Reisebericht liegen: Weil Nutzen erstrebt der Poet zum Theil, zum Theile Vergnügen, (Horatius, Dichtk. V 333.) so wollen wir die Geschichte der Könige ein wenig bei Seite lassen, und zu anderem was uns bekannt geworden und was den Lesern zu Nutz und Frommen gereichen wird, nämlich zu Aegypten und Libyen übergehen.⁵⁷

Das Grundgerüst des Reiseberichts bilden Reiseverlauf und Reisestationen, die ebenso wie die Streckenentfernungen wie in einem Itinerar referiert werden. Dazwischen finden sich Beschreibungen von Landesnatur und Merkwürdigkeiten der jeweiligen Gegend. Dabei scheut Burchard nicht davor zurück, Pauschalurteile über Ortschaften und Völker zu fällen.⁵⁸ Auch Wunderbares ist in seinem Bericht zu finden, wie die Reisestation in dem barbarischen, von Arabiten bewohnten Land zwischen Genua und Alexandrien zeigt:

56 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 321–331. 57 Arnold von Lübeck, Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 318. 58 „Auf Corsica sind die Bewohner beiderlei Geschlechtes wohlgesittet, höflich, gewandt, gastfrei, die Männer tapfer und kampflustig. Auf Sardinien dagegen sind die Menschen ungesittet, bäurisch, wild, karg, die Männer weibisch und mißgestaltet. […] Nicht weit von Maltha ist noch eine andere Insel, Panteleon. Sie ist von Sarracenen bewohnt und keinem Herren unterthan. Denn die Menschen sind roh und wild, und wohnen in Erdhöhlen“; Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 318–320.

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Von da kam ich nach einer Reihe von sechs Tagen in ein barbarisches, von Arabiten bewohntes Land. Dieses Volk wohnt ohne Häuser unter freiem Himmel, wo sie sich auch aufhalten mögen. Denn sie sagen, daß sie für ihre so kurze Lebenszeit im Hinblick auf die Zeit der göttlichen Vergeltung es unterlassen, noch erst Häuser zu bauen oder zu bewohnen. Das Land bearbeiten sie wenig, sie leben allein vom Viehwesen. Männer und Frauen gehen beinahe nackt; nur die Schamtheile bedecken sie mit einem schlechten Stücke Tuch. Dies Volk ist sehr elend, aller Güter bar, ohne Waffen und Kleidung, schwarz, mißgestaltet und schwach (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 320).

Da Burchards Reiseroute wahrscheinlich der westlichen Reiseroute über Karthago entlang der nordafrikanischen Küste nach Alexandrien folgt, die manche Reisende im 1. Jahrtausend benutzen⁵⁹, scheint dieses barbarische Land in Nordafrika zu liegen.⁶⁰ Möglicherweise ist Tunesien oder Libyen⁶¹ gemeint. Burchard zeichnet hier das Bild eines exotischen wunderbaren Orients, der von einem schwarzen barbarischen, schwachen und monströsen Naturvolk bewohnt wird. Im Vergleich zu diesem primitiven Orient erscheint die Schilderung Ägyptens in seinem Reisebericht umso prachtvoller, zivilisierter und paradiesischer. Sie erfolgt im Anschluss an die Beschreibung des Reisewegs und der angrenzenden Orte im Mittelmeergebiet und beansprucht großen Raum im Reisebericht. Dabei schildert Burchard zunächst seine Ankunft in Alexandrien sowie Hafen, Leuchtturm, Bevölkerung, Größe, Lage, Befestigungsanlage, Klima, Bewässerung, Regierung, Handel und Zolleinnahmen der Stadt, bevor er auf die von ihm besichtigten christlichen Sehenswürdigkeiten eingeht. Burchards Alexadrien-Beschreibung liefert ein musterhaftes Ägyptenbild, welches sich aus den Bildelementen des pharaonischen, biblischen und orientalischen Ägypten zusammensetzt.

59 Vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 16. 60 Samson-Himmelstjerna bezweifelt die richtige Ordnung der Textstelle: „Hier scheint der Text durcheinander geraten zu sein, denn ähnlich merkwürdig ist die an dieser Stelle eingefügte Beschreibung eines schwarzen Nomadenvolkes, zu dem Burchard nach sechs oder sieben Tagen gestoßen sein will – obwohl er sich noch auf dem Meer befindet“; Carmen von SamsonHimmelstjerna, Deutsche Pilger des Mittelalters, Berlin 2004, S. 89. Dabei könnte es sich um eine Begegnung mit einen Berberstamm in Nordafrika handeln oder um eine phantastische, auf Hörensagen beruhende Erzählung der Seeleute. 61 Zu Tunesien als barbarischer Fremde in der deutschen Reiseliteratur vgl. Mounir Fendri, Kulturmensch in ‚barbarischer‘ Fremde. Deutsche Reisende im Tunesien des 19. Jahrhunderts, München 1996. In der Einleitung wird von Arnold von Lübeck Libyen erwähnt: „so wollen wir die Geschichte der Könige ein wenig bei Seite lassen, und zu anderem […], nämlich zu Aegypten und Libyen übergehen“; Arnold von Lübeck, Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 318.

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Endlich lief ich in den Hafen von Alexandria ein, in welchem ein sehr hoher steinerner Thurm errichtet ist, um den Seefahrern den Hafen anzuzeigen. Denn Aegypten ist ein flaches Land, und auf dem Thurme brennt die ganze Nacht hindurch Feuer, welches den Schiffern den Hafen zeigt, damit sie nicht Gefahr laufen. Alexandria ist eine vortreffliche Stadt, mit Gebäuden, Obstgärten und einer unermeßlichen Menge von Einwohnern versehen. Es ist von Sarracenen, Juden und Christen bevölkert, und steht unter der Herrschaft des Königs von Babylonien. Die erste Anlage dieser Stadt war, wie noch die Spuren zeigen, sehr groß. Sie erstreckte sich vier Meilen weit in die Länge, in die Breite aber eine Meile weit. An der einen Seite wurde sie von einem aus dem Eufrat abgeleiteten Flußarme berührt, das große Meer aber schützte sie an der andern. Jetzt liegt die Stadt am Meere zusammengezogen, und wird von dem ebenerwähnten Nilarme durch ein großes Feld getrennt; denn man muß wissen, daß der Eufrat und der Nil ein und dasselbe Gewässer sind. In Alexandria lebt jedes Volk nach seiner Landessitte. Das Klima ist sehr gesund: ich habe dort sehr viele hundertjährige Greise gefunden. Die Stadt ist mit einer schlechten Mauer ohne Gräben umgeben. Zu merken ist, daß der Hafen an Zoll jährlich 50 000 Goldstücke einbringt, welche mehr als 8000 Mark reinen Silbers betragen. Leute verschiedener Nationen besuchen Alexandria mit ihren Waaren. Es hat kein süßes Wasser, außer dem, welches es durch eine Wasserleitung vom Nil zu einer Zeit im Jahre in seine Cisternen sammelt. Dort sind mehrere christliche Kirchen, darunter die des heiligen Evangelisten Marcus, außerhalb der Mauern der neuen Stadt am Meere gelegen. In derselben sah ich siebzehn Grabmäler, angefüllt mit den Gebeinen und dem Blute von Märtyrern, deren Namen indeß unbekannt sind. Auch sah ich die Capelle, in welcher derselbe Evangelist das Evangelium geschrieben, und wo er den Märtyrertod erlitten hat und bestattet ist, und von wo die Veneter den Leichnam entwendet haben. In dieser Kirche wird der Patriarch gewählt, geweiht und nach dem Tode begraben. Denn die Christengemeinde dort hat einen Patriarchen, welcher der griechischen Kirche unterthan ist (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 320f.).

In Burchards Reisebeschreibung gehen orientalisches und biblisch-christliches Ägypten Hand in Hand, auch wenn das orientalische Ägypten mit seinen topound ethnographischen Bildelementen, dem Motiv der orientalischen Landschaft und Städtebeschreibung überwiegt. Daneben zieht auch das pharaonische Ägypten die Aufmerksamkeit auf sich: „In Alexandria war auch einst ein sehr großer Palast des Pharao, mit ungeheuren Marmorsäulen versehen, von dem jetzt noch Spuren vorhanden sind“.⁶² Die Stadt Alexandrien, in der „jedes Volk nach seiner Landessitte“⁶³ lebt, erscheint bei Burchard als multikulturelle und multikonfessionelle Handelsmetropole, in der Sarazenen, Juden und Christen sowie Kaufleute aus der ganzen Welt leben. Dabei bemerkt er wohl, dass die Stadt Alex-

62 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 320f. 63 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 321.

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andria durch ihre strategische Lage für den Handel als Bindeglied zwischen den östlichen und westlichen Weltteilen fungiert. In dieser Ansicht lassen sich die Thesen von Gamal Hamdan und Milad Hanna bezüglich der Identität Ägyptens wieder finden. Alexandrien/Ägypten wird von Saladin, dem König von Babylonien regiert und dadurch der Machtsphäre des arabisch-islamischen Orients zugeordnet. Selbst- und Fremdzuschreibungen realisieren sich bei Burchard von Straßburg somit auf zwei Selektionsebenen, nämlich einer politischen und einer religiösen, repräsentiert durch Saladin, den Sultan von Babylon, und die Sarazenen, die weder Juden noch Christen sind. Burchards Informationen über seine Ägyptenreise sind vielfältig und können zum größten Teil als zuverlässig gelten, sieht man von manchen geographischen Irrtümern ab. Sein Interesse ist auf Landesnatur, Gewässer, Bewässerungssystem, Landwirtschaft, Flora, Fauna, Bodenschätze, Handel, Gewerbe und Einnahmen, aber auch auf Regierung, Militär, Städte, Befestigungsanlagen und das soziale und religiöse Leben der multikonfessionellen Bevölkerung Ägyptens gerichtet. Das orientalische Ägypten dominiert im Reisebericht, wobei Wirtschaftlichkeit und Nutzen im Mittelpunkt stehen. Burchard berichtet von der Salzgewinnung bei Alexandrien und vom Nil, der aus dem Paradies komme, das Land bewässere und es fruchtbar mache. In ihm gebe es Fische, Nilpferde und Krokodile. Auf ihm transportiere man Waren aus Indien und Nubien bis nach Alexandrien.⁶⁴ Er berichtet ferner vom Nutzen der Nilüberschwemmung und von der Pflanzen- und Tiervielfalt.⁶⁵ Auch von den seltsamen, aber realen Hühnerbrutöfen in Kairo wird berichtet. Dabei handelt es sich um Themen, die in fast keinem deutschen Ägyptenreisebericht fehlen werden und die als Hauptbestandteile des Ägyptenbildes anzusehen sind: Sechs Tagereisen von Neu-Babylon in der Wüste wird auch in gewissen Bergen Alaun, eine Farbe der Walker, gebrochen und zum Besten des Königs gesammelt. Auch indische Farbe wird in Aegypten verfertigt. Ferner hat Aegypten großen Ueberfluß an Vögeln der verschiedensten Art. Obwohl dort im ganzen Lande weder Gold, noch Silber, noch sonst irgend eine Art Metall gesammelt wird, so hat das Land doch Ueberfluß an Gold. Es hat auch ziemlich gute Pferde; ingleichen Papageien in Fülle; sie kommen aus Nubien. Dies ist von Babylon zwanzig Tagereisen entfernt; es ist ein christliches Land und hat einen König, dessen Unterthanen jedoch ungebildet sind, das Land ist waldig. In Aegypten bringt man auch ein bis zwei Tausend Küchlein zugleich in einem Ofen vermittelst des Feuers ins Leben, ohne eine Bruthenne; den Nutzen davon hat der König. Das Klima von Aegypten ist sehr

64 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 322 und S. 325. 65 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 321f., S. 325, S. 327 und S. 331.

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warm; es regnet dort selten. Der Berg Sinai liegt sieben Tagereisen von Babylon entfernt in der Wüste (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 326).

Das orientalische Ägypten erhält bei Burchard Züge eines paradiesischen Wunderortes in strategisch günstiger Lage mit vielen Reichtümern und einem warmen und gesunden Klima, wo Menschen sehr alt werden und wunderbare Dinge geschehen können: „Die Schafe und Ziegen werfen dort zu Lande zweimal des Jahres, und mindestens immer zwei Junge. Auch hörte ich, daß dort Eselinnen von Pferden trächtig würden“.⁶⁶ Dabei erweist sich Burchard als aufmerksamer Beobachter, dem nichts entgeht. Detailliert und differenziert zeichnet er ein buntes Bild von Ägyptens Hauptstadt, die Alt-Babylon (Memphis), Neu-Babylon (Alt-Kairo) und ‚Chayr‘ (Kairo) umfasst und nicht mit Alt-Babylon im Irak zu verwechseln ist. Burchards Kairo-Bild wird sich auch im deutschen Ägyptenreisebericht der folgenden Jahrhunderte spiegeln. Auch muß man wissen, daß es drei Städte namens Babylon gibt, eine am Flusse Chobar, in welcher Nebukadnezar regierte, und wo sich der Thurm Babel befand. Dies wird das verlassene und alte Babylon genannt, und ist von Neu-Babylon über 30 Tagereisen entfernt. Noch ein andres Babylon gab es, welches in Aegypten am Nil am Fuße eines Berges in der Nähe der Wüste lag; dort regierte Pharao. Es lag von Neu-Babylon sechs Meilen weit ab. Auch dieses ist zerstört. Neu-Babylon aber liegt gleichfalls am Nil in der Ebene. Es war einst eine sehr große Stadt, und ist noch sehr bedeutend und volkreich, in einer sehr fruchtbaren Gegend gelegen, nur von Kaufleuten bewohnt. Zu ihr kommen häufig von Indien her mit Specereien beladene Schiffe auf dem Nil, und die Waaren werden von da nach Alexandria gebracht. Getraide und Gemüse wird in den Gassen und Straßen überall bewahrt. Eine Meile von Neu-Babylon in der Wüste liegen zwei Berge, welche auf künstliche Weise aus sehr großen Marmorsteinen und Quadern ausgeführt sind, ein bewunderungswürdiges Werk; beide liegen einen Bogenschuß voneinander entfernt, sind viereckig und von derselben Ausdehnung, sowohl was die Breite, als was die Länge anlangt; sie sind so breit, daß sie der Tragweite eines sehr starken Bogenschusses, und so hoch, daß sie der zweier Bogen-schüsse entsprechen. Ferner liegt unweit Neu-Babylon, eine Drittel-Meile davon, eine andere bedeutende Stadt, Namens Chayr, wo jetzt der königliche Regierungssitz, sowie Paläste des Königs und der Fürsten und Casernen der Soldaten sich befinden. Diese mit Kriegern besetzte Stadt liegt am Nil. Die Gebäude derselben sind kostbar und sehenswerth. Sie ist mit einer Mauer umgeben und von den schönsten Gärten umringt. In ihr wohnen Sarracenen, Juden und Christen, und zwar so, daß jedes Volk seine Gottesverehrung übt. Es sind dort mehrere christliche Kirchen. (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 322f.).

66 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 322.

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Auch bezüglich Kairo ist festzustellen, dass Burchards Bericht Elemente des pharaonischen, biblischen und orientalischen Ägypten beinhaltet, wobei letzteres überwiegt. Elemente des pharaonischen Ägypten treten auf, wenn Burchard auf das zerstörte Alt-Babylon (Memphis), den einstigen Regierungssitz des Pharao, verweist, die Pyramiden, die er als Berge bezeichnet und als bewunderungswürdiges Werk lobt, oder die ungeheuren Marmorsäulen eines pharaonischen Palasts in Alexandrien⁶⁷ beschreibt. Außerdem wird die Erinnerung ans pharaonische Ägypten der Bibel indirekt durch den Rekurs auf das Mosaische Ägypten hervorgerufen.⁶⁸ Diese Textstellen zeugen von Burchards Ägyptomanie, im Sinne eines allgemeinen Interesses an den noch sichtbaren, aber stummen Spuren der altägyptischen Kultur. Das biblisch-mosaische Ägypten kommt bei ihm dagegen nur in einem knappen Verweis auf Moses bei der Durchquerung des Roten Meeres und der Sinaiwüste zum Tragen. Doch ebenso wie dadurch indirekt das pharaonische Ägypten der Bibel in Erinnerung gerufen wird, so wird umgekehrt bei der Beschreibung von Alt-Babylon, dem einstigen Regierungssitz des Pharao, auch das biblisch-alttestamentalische Ägypten evoziert. Das biblisch-neutestamentalische Ägypten ist im Reisebericht sehr präsent und umfasst das Leben der Christen, Kirchen, Heilige und den Aufenthalt der Heiligen Familie auf ihrer Flucht in Ägypten und die damit verbundenen Lokaltraditionen und Wundergeschichten. In Aegypten ist auch eine christliche Kirche, in deren Nähe sich ein Brunnen befindet, der das ganze Jahr über trocken bleibt, ausgenommen am Jahrestage der Kirche. Dann steigt das Wasser drei Tage lang bis zum Rande, so daß alle zum Feste kommenden Christen hinreichend Wasser finden. Ist aber das Fest zu Ende, so verschwindet das Wasser wie zuvor (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 325f.).

Lokaltraditionen spielen in Burchards Reisebericht somit eine wichtige Rolle, insbesondere als mögliche Quelle des biblisch-christlichen Ägypten. So wird beispielsweise vom heiligen Palmbaum in Kairo berichtet, der der Heiligen Familie auf ihrer Ägyptenreise Nahrung gespendet haben soll. Er wird von Christen und

67 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 320f. 68 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 327: „Das indische Meer berührt an einer Seite die Wüste, das rothe Meer an einer andern. An diesem verweilte ich zwei Nächte hindurch. Ich habe auch die zweiundsiebzig Palmen gesehn, wo Moses dem geöffneten Felsen Wasser entlockte“.

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

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Sarazenen (Muslimen) gleichermaßen verehrt.⁶⁹ Daneben nennt Burchard einen weiteren, von Sarazenen und Christen verehrten Aufenthaltsort der Heiligen Familie in Kairo, dessen Beschreibung in den deutschen Ägyptenreiseberichten zum konstitutiven Bestandteil werden wird. Es handelt sich um den Balsamgarten in Matarieh, wobei der Name bei Burchard nicht vorkommt. Dabei wird auch von der Balsampflanze und der Balsamherstellung berichtet und festgestellt, „daß auf der ganzen Welt nirgends, als nur hier, Balsam wächst“⁷⁰ und dass dieser Balsamgarten kein anderes Wasser dulde als dasjenige, das aus der von der Heiligen Familie geheiligten Quelle stamme.⁷¹ Damit bestätigt Burchard, dass es sich um einen Wunderort handelt, der im Diskurs des biblischen Ägypten um die Flucht der Heiligen Familie die Züge des Garten Eden annimmt. Die Palmlegende und das Quellwunder verweisen damit auf heilige Aufenthaltsorte der Heiligen Familie, von denen es, Burchard zufolge, viele mehr in Ägypten gebe.⁷² Damit stellt das biblische Ägypten auch in Burchards Reisebericht einen integralen Bestandteil des Ägyptenbildes dar und markiert so den besonderen Ort, den Ägypten in der Erinnerung des christlichen Abendlandes einnimmt. Denn das biblische Ägypten ist, wie im ersten Kapitel dargelegt, seit jeher ein konstitutiver Bestandteil der christlichen Identität. Dieses Ägypten wird nicht nur als Teil des Orients, sondern auch als Teil der Kultur und des Selbstverständnisses des Abendlandes, als das Eigene und als unser Ägypten aufgefasst. „Diese Tatsache unterscheidet den Fall Ägyptens grundsätzlich von dem Chinas, Indiens oder dem des ‚Orientalismus‘ im allgemeinen“,⁷³ wie Assmann konstatiert. Burchards biblisches Ägypten ist folglich als Teil des Ägyptomanie-Diskurses, im Sinne der Ägyptenrezeption, der Erinnerung und Repräsentation von (Alt)-Ägypten zu verstehen. Burchards Ägyp-

69 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 325. Im Koran wird eine Dattelpalme erwähnt, die Maria bei der Geburt Schatten und Nahrung spendet (Koran: Maryam, 19:23ff.). Hieraus erklärt sich möglicherweise der muslimische Volksglaube in Ägypten. 70 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324. 71 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324: „Zu dieser Quelle war die heilige Jungfrau mit unserem Erlöser vor der Verfolgung des Herodes geflohen, und verbarg sich dort eine Zeit lang, indem sie in derselben die Tücher des Kindes wusch, wie es dessen menschliche Natur erheischte. Daher wird bis auf den heutigen Tag jene Quelle von den Sarracenen verehrt, und sie bringen Wachskerzen und Weihrauch mit, wenn sie sich darin waschen“. 72 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 325. 73 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 27.

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tomanie bleibt jedoch im Bereich dessen, was Assmann Konversionserinnerung nennt, eine Erinnerung, die im Einklang mit der biblischen Tradition steht.⁷⁴ Demgegenüber weist Burchards Ägyptenbild aber auch Elemente auf, die im Orientalismus-Diskurs zu verorten sind. Grundmotive der orientalischen Landschaft und Städtebeschreibung finden sich im Reisebericht in Bezug auf Alexandrien, Ägyptens Landesnatur und den Nil, vor allem aber in Bezug auf NeuBabylon und Kairo. Neu-Babylon wird dabei als Handelsstadt geschildert, die „nur von Kaufleuten bewohnt“⁷⁵ ist, Kairo dagegen als mit Mauern befestigte Kriegerstadt, wo der König seinen Regierungssitz, die Fürsten ihre Paläste und die Soldaten ihre Kasernen haben. Weiterhin werden die Wirtschaftlichkeit und militärisch-politische Bedeutung hervorgehoben. Auch das gesellschaftliche und soziale Leben scheinen Burchard zu interessieren. Ägyptens Hauptstadt, in der „jedes Volk seine Gottesverehrung übt“,⁷⁶ ist ihm zufolge eine bedeutende und volkreiche Stadt von Sarazenen, Juden und Christen. Burchard vermittelt hier wie schon bei der Beschreibung von Alexandrien das Bild einer multikulturellen und multikonfessionellen Stadt, die sich durch Toleranz auszeichnet. Weitere Elemente des orientalischen Ägypten bilden die Beschreibung der Wüste, die er als karg, sandig, gebirgig, wasserarm, unbekannt und unerforscht bezeichnet, und die Beschreibung der Beduinen, die er mit Lotsen im Meer vergleicht.⁷⁷ Durch die Schilderung der Lage der ägyptischen Christen⁷⁸, des Islam, der sarazenischen Frauen, der Sexualität und der Ehe⁷⁹ wird das Bild des orientalischen Ägypten in seiner Vielschichtigkeit ausgeführt. Die Marienverehrung der ägyptischen Muslime veranlasst ihn schließlich zu einem Exkurs über Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Christentum und Islam. Er unternimmt damit einen der ersten Versuche einer interkulturellen und interreligiösen Auseinandersetzung in einem Reisebericht. Burchards Muslime (Sarazenen) glauben an die unbefleckte Empfängnis Mariens und verehren Jesus als Prophet. An seine Kreuzigung glauben sie dagegen nicht. Für sie ist Jesus „von Gott auf wunderbare Weise mit

74 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17. 75 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 323. 76 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 323. 77 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 327. 78 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 322. 79 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324ff. und S. 331f.

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

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Seele und Körper in den Himmel aufgenommen“.⁸⁰ Burchards Beobachtungen und Schilderungen sind großteils zuverlässig. Der von den Muslimen erhobene Anspruch auf die wahre Religion wird jedoch mit einer absurden Begründung eingeführt: „Ferner behaupten sie, sie hätten, weil sie beschnitten seien, das Gesetz Christi und der Apostel, wir aber keineswegs“.⁸¹ Damit werden die Muslime als die Anderen im Gegensatz zum Eigenen repräsentiert. Burchards indirekter Stil lässt keinen Zweifel daran, dass er die Ansichten der Muslime nicht teilt, sie sogar in Frage stellt. Sie scheinen ihm aber merkwürdig und fremdartig genug, um sie seinen Lesern mitzuteilen. Burchard geht es somit nicht darum, die islamische Welt zu verstehen, sondern sie zu erkunden und ihre Merkwürdigkeiten zu beschreiben. Hierzu gehören für ihn auch Paradiesvorstellung und Glaubensgrundsätze im Islam, wie Gebet, Bekenntnis, Pilgerfahrt und Heiligenverehrung. Die Männer gehen alle 24 Stunden fünf Mal in den Tempel, um zu beten. Statt der Glocken haben sie Ausrufer, auf deren Mahnung sie gewöhnlich zu kommen pflegen. Auch merke man sich, daß fromme Sarracenen sich alle Stunde mit Wasser zu waschen pflegen; sie beginnen bei dem Haupte und Gesichte, waschen sich Hände, Arme, Beine, Füße, die Schamtheile und das Gesäß, und dann gehen sie zum Beten, beten aber nie ohne Kniebeugung. Sie glauben an Gott als den Schöpfer aller Welt, und sagen, Maumeth sei der heiligste Prophet und der Stifter ihrer Religion. Zu diesem pflegen auch ferne wie nahe wohnende Sarracenen als Pilger mit größter Andacht zu wallfahren. Auch einige andere Stifter ihrer Religion verehren sie. (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 331f.).

Des Weiteren zählen Weinverbot, Leben der Frauen (Harem), Polygamie, (Homo)Sexualität zu diesen erwähnenswerten Merkwürdigkeiten.⁸² Dies sind Themen, die zum Kanon des orientalistischen Diskurses gehören und Orientalisten und Historiker in Europa v.a. ab dem 19. Jahrhundert beschäftigen werden.⁸³ So vermittelt Burchard einerseits das Bild eines frommen Sarazenen, der an Gott als Schöpfer der Welt und Muhammad als seinen Propheten glaubt, andächtig zu Gott betet, wallfahrtet und Heilige verehrt. Andererseits konstruiert er aber die sarazenisch-islamische Welt (Orient/Ägypten) als erotisch-sinnlich-lüsternen Ort der Polygamie, Homosexualität und Knabenliebe.

80 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324. 81 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324. 82 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 326f. und S. 331ff. 83 Vgl. Richard Heigl, Wüstensöhne und Despoten, Regensburg 2000, S. 138–160.

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Im Mittelpunkt von Burchards Bericht steht somit das orientalische Ägypten mit seinen topo- und ethnographischen Bildelementen. Damit tritt das Faktische, das Gesehene und Gehörte in den Vordergrund, nicht aber persönliche Eindrücke. Auch Zweck und Ergebnis der Gesandtschaftsreise bleiben unerwähnt. Denn Burchard übt das erste Gebot der Diplomatie und schweigt. Seine Aufgabe scheint aber darin zu bestehen, seinem Auftraggeber ein detailliertes Bild vom Zustand Ägyptens und Syriens vorzulegen. Jedenfalls kommt der Reisebericht einer Bestandsaufnahme der Ressourcen, Stärken und Schwächen Ägyptens gleich. Samson-Himmelstjerna sieht in Burchard daher nicht nur den Diplomaten, sondern auch den Kundschafter und Wirtschaftsspion: „Burchard ist somit als Kundschafter gereist, er hat in seinem Bericht festgehalten, welchen Nutzen die Eroberung von Ägypten und Damaskus haben könnte“.⁸⁴ Aus dieser angenommenen Reisemotivation ließe sich auch die Dominanz des orientalischen Ägypten im Reisebericht erklären. Burchards Schilderungen fallen dabei überwiegend positiv aus. Sein Ägypten ist ein multikulturelles und multikonfessionelles Land, in dem jede Glaubensgemeinschaft unbehelligt ihre Gottesverehrung ausüben kann.⁸⁵ Dieses Bild relativiert Burchard jedoch dadurch, dass er die Lage der Christen in Ägypten als elend und erbärmlich bezeichnet und darauf hinweist, dass sie dem Staat Tribut entrichten müssen: In ganz Aegypten wohnen Christen in Städten und Dörfern, zahlen aber dem Könige von Babylonien einen bestimmten Tribut. Beinah jedes Dorf hat eine christliche Kirche. Das Volk selbst aber ist sehr elend, und führt ein erbärmliches Leben. (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 322).⁸⁶

In den Zeiten, die unter dem Zeichen der Kreuzzüge stehen, werden Burchards Worte bei den Lesern sicherlich ihre Wirkung nicht verfehlt haben, wie es das Beispiel Arnolds von Lübeck zeigt, der Burchards Reisebericht in seine Chronik integriert. In der Einleitung hebt Arnold dabei die unterhaltende und belehrende Funktion des Reiseberichts hervor.⁸⁷ Und im Schlusswort, das möglicherweise auch auf Arnold von Lübeck und nicht auf Burchard zurückgeht,⁸⁸ wird eine religiös motivierte Dichotomisierung von Orient und Okzident aufgebaut.

84 Carmen von Samson-Himmelstjerna, Deutsche Pilger des Mittelalters, Berlin 2004, S. 95. 85 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 323. 86 Damit ist die sogenannte Kopfsteuer gemeint. 87 Vgl. Arnold von Lübeck, Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 318. 88 Vgl. dazu Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 325.

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

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Dabei werden die Muslime als gottlos und verworfen, die Christen als gerecht und fromm dargestellt.⁸⁹ Diesen Selbst- und Fremdzuschreibungen, die hier überwiegend auf einer Unterscheidung zwischen wahr und unwahr im Bereich der Religion beruhen,⁹⁰ geht Volker Scior in seiner Studie über die Chronik Arnolds von Lübeck nach. Er kann dabei aufzeigen, dass die Nutzfunktion des Berichts für seine Aufnahme in die Chronik ausschlaggebend ist. Sie könnte Scior zufolge in der Propagierung eines neuen Kreuzzugs bestehen, der Ägypten und den Mittelmeerraum in Besitz nehmen soll: Denn wenn die Beschreibung der Region Egyptus et partes Libie in Arnolds Worten überhaupt mit der Historia Regum, die gegen Ende der Chronik auf die Kaiserkrönung Ottos IV. hinausläuft, in Verbindung steht, so liegt es nahe, die Funktion der Insertion darin zu erblicken, eine Beschreibung derjenigen Gebiete und Bewohner zu geben, auf die sich ein künftiger Kreuzzug unter Kaiser Otto IV. richten könnte.⁹¹

Denn dadurch dass Burchard Solidarität mit den orientalischen Christen aufbaut und den Besitz der wahren Religion reklamiert,⁹² wird auch die Inbesitznahme der biblischen Länder und Ägyptens propagiert und beansprucht.⁹³ Ägypten und seine materiellen Reichtümer, die Burchard mit paradiesischen Zügen preist, stellen im 13. Jahrhundert nämlich ein Hauptziel der Kreuzzugsbewegung dar.⁹⁴ Die Teilnahme Friedrich Barbarossas am dritten Kreuzzug weist jedoch darauf hin, dass Burchards diplomatische Kontaktaufnahme mit Saladin nicht von Erfolg gekrönt ist. Im Jahre 1219 wird Ägypten zudem von Kreuzzugsscharen, darunter auch Kreuzrittern aus dem deutschen Kulturraum, überfallen. Von diesem Kreuzzug sind wir dank des ausführlichen Reise- bzw. Kriegsberichts von Oliver von Paderborn gut unterrichtet. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem deutschen Kaiser Friedrich II. und dem ayyubidischen Sultan al-Kamil, die mit einem Friedensvertrag 1229 gekrönt werden, können dabei das Invasionsprojekt zwar verschieben, jedoch nicht verhindern. Fast zwanzig Jahre später (1248) wird

89 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 332f. 90 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17ff. Vgl. auch Kapitel 1.4.2. vorliegender Studie. 91 Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 326; vgl hierzu auch ebd., S. 324ff. 92 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324. 93 Vgl. Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 327. 94 Vgl. Thomas W. Kramer, Deutsch-Ägyptische Beziehungen. In: Heinz Schamp (Hg.), Ägypten. Das alte Kulturland am Nil auf dem Weg in die Zukunft, Tübingen 1977a, S. 553; Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 324f.

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Ludwig IX. von Frankreich mit einem erneuten Kreuzzug noch einmal versuchen, Ägypten zu erobern. Mit der Belagerung von Akkon 1291 durch die Mameluken und mit der Vertreibung der letzten Kreuzfahrer geht die Kreuzzugsbewegung und das gewaltsame Eindringen Europas in den Orient und nach Ägypten vorerst zu Ende. Die Idee, von Ägypten Besitz zu ergreifen, überlebt aber die Kreuzzugszeit. Sie tritt erneut als philosophisches Projekt im 17. Jahrhundert zutage. Kein Geringerer als Leibniz wird sie am französischen Hof propagieren: Eingangs der politischen deutsch-ägyptischen Beziehungen wäre – sozusagen als Kuriosum mit negativem Vorzeichen – das ‚Consilium Aegyptiacum‘ zu erwähnen, die von Leibniz 1671/72 im Auftrag der kurmainzischen Politik verfaßte Denkschrift, die Ludwig XIV. von seinen Angriffsplänen gegen Holland und das Reich ablenken sollte. In seinem Ludwig XIV. mit der Denkschrift übermittelten Briefe vom 15. März 1672 empfahl Leibniz die Eroberung Ägyptens und den Durchstich der Landenge von Suez. Der Plan wurde von dem Minister Arnauld de Pomponne abgelehnt: „Sie müssen wissen, daß heilige Kriege seit Ludwig dem Heiligen aufgehört haben, in Mode zu sein“. Eine nicht unwitzige Antwort, die sich auf eine Stelle der Projektschilderung des Philosophen bezog, in der es hieß, daß Ägypten zwar heute dem Islam angehöre, aber dennoch dem Christentum nicht verloren bleiben sollte. Wäre der Plan ausgeführt worden, hätte die Geschichte Ägyptens in neuerer Zeit anders geschrieben werden müssen […]. Aber das Projekt geisterte in Paris doch weiter und gelangte über Choiseul und Talleyrand schließlich zu Napoleon.⁹⁵

Napoleon Bonaparte wird es 1798 schließlich gelingen, das Projekt in die Tat umzusetzen und Ägypten zu erobern.⁹⁶ Auch Angehörige des deutschen Kulturraums sind im Heer Bonapartes zu finden.⁹⁷ Zwei Eckdaten markieren so die europäische Hinwendung zu Ägypten: Kreuzzüge (1096–1291) und Napoleons Ägypten-Feldzug (1798–1801), der auch von Assmann als Höhepunkt einer seit der Renaissance neu entstehenden europäischen Ägyptomanie angesehen wird.⁹⁸ Diese europäische Hinwendung zu Ägypten steht im Spannungsverhältnis von

95 Thomas W. Kramer, Deutsch-ägyptische Beziehungen in Vergangenheit und Gegenwart, Tübingen 1974, S. 175. Ausführlich dazu siehe Ahmed Youssef, La fascination de l’Egypte, Paris [u.a.] 1998. 96 Großbritannien unterstützt das Osmanische Reich bei der Vertreibung der Franzosen aus Ägypten. Ende des 19. Jahrhunderts erobert Großbritannien aber Ägypten und verlässt es erst wieder 1953/56. 97 Vgl. die Reiseberichte von Regula Engel und Johann Friedrich Voigt. 98 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 39: „Die Vorstellung zweier mehr oder weniger unverbundener Wiederentdeckungen Ägyptens ist ein Irrtum. Erstens gibt es eine durch das ganze Mittelalter durchlaufende hermetische Tradition […], und zweitens gibt es eine bislang übersehene Phase in der Gedächtnisgeschichte Ägyptens, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnt und in Napoleons Ägyptenexpedition gipfelt“.

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

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Ägyptomanie und Orientalismus. Ägyptomanie schafft und beschreibt dabei den besonderen Raum, den das alte Ägypten durch Erinnerungsarbeiten und Repräsentationen im europäischen Kulturraum einnimmt. So ist z.B. in Burchards Reisebericht die Begeisterung für die pharaonische Hochkultur greifbar. Auch sein biblisches Alt-Ägypten gehört zur Ägyptomanie, da es als Teil der eigenen Selbstzuschreibung verstanden wird. Burchards Orientalismus will dagegen beschreiben, wie das biblisch-orientalische Ägypten mit seinen paradiesisch anmutenden materiellen Reichtümern geschaffen und zum Objekt der Begierde wird, das man in Europa in Besitz nehmen will, was indirekt auch von Burchard von Straßburg beziehungsweise Arnold von Lübeck propagiert wird. Der Detailreichtum und die Themenvielfalt, die sich in seinem Reisebericht zeigen, stehen dagegen für scharfe Beobachtungsgabe und ausgeprägte Neugier. Sein Reisebericht nimmt somit auch in inhaltlicher Hinsicht eine Sonderstellung innerhalb der Ägyptenreisebeschreibungen des Mittelalters ein.

4.3.2 Burchardus von Monte Sion (1283/5) Einer der bekanntesten Ägyptenreiseberichte eines Reisenden aus dem deutschen Kulturraum stammt vom Dominikanermönch Burchardus von Monte Sion.⁹⁹ Er dürfte seine Reise durch Palästina, Syrien und Ägypten in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts unternommen haben. Khattab zufolge bereist er Ägypten zweimal, und zwar im Jahre 1283 und 1285. Bei der zweiten Ägyptenreise ist er als Gesandter des deutschen Kaisers Rudolf von Habsburg zum ägyptischen Sultan unterwegs.¹⁰⁰ Dies wird im Reisebericht aber nicht thematisiert. Er schweigt sich über seinen Auftrag ebenso aus wie vor ihm Burchard von Straßburg (1175). Burchardus’ Ägyptenreisebeschreibung ist Teil eines Pilgerberichts. Darin unterscheidet sich Burchardus von Monte Sion von seinem Vorgänger. Von seiner Reisebeschreibung sind mehrere Handschriften und Drucke überliefert, was für die Popularität und Beliebtheit des Berichts spricht.¹⁰¹ Henze würdigt den Bericht

99 Aus dem 12. und 13. Jahrhundert sind zwei weitere Reiseschriften überliefert, nämlich die von Burchard von Straßburg über seine diplomatische Reise zu Saladin um 1175 und die von Magister Diethmar über seine Pilgerfahrt um 1217. Vgl. auch Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 110–114; Carmen von Samson-Himmelstjerna, Deutsche Pilger des Mittelalters, Berlin 2004, S. 81–95. 100 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 21f. Vgl. auch Dietmar Henze, Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher, Graz 1978, Bd. 1, S. 397. 101 Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 117.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

als jahrhundertelange Hauptquelle über das Land.¹⁰² Und Beckmann rechnet die Reiseschrift „zu den merkwürdigsten, sowohl wegen ihres ehrwürdigen Alters als auch wegen ihrer Zuverlässigkeit“.¹⁰³ Wegen der Bedeutung als jahrhundertealte Quelle zu den heiligen Stätten und Ägypten und wegen seiner besonderen Reiseroute verdient der Reisebericht genauere Betrachtung. Burchardus’ Ägyptenreisebericht¹⁰⁴ ist knapp und trocken, aber sehr informativ. Die Darstellung beschränkt sich nicht nur auf das Deltagebiet und Kairo, Orte, die er selbst bereist, sondern liefert auch allgemeine, topographische Informationen zu Ägypten, die er anderen Quellen wie Josephus Flavius und Hieronymus entnommen haben mag.¹⁰⁵ Dabei rekurriert er insbesondere auf das biblische Ägypten und unterstreicht so die besondere Stellung Ägyptens im kollektiven Gedächtnis des christlichen Abendlandes. Zu Beginn des Ägyptenteils steht ein Ich-Erzähler im Vordergrund, der jedoch bald zugunsten der Darstellung der Reise zurücktritt. Im Mittelpunkt der Beschreibung steht daher die Objektwelt und nicht die eigenen Eindrücke. Im Stil eines Itinerars werden Reisestationen und Entfernungen angegeben,¹⁰⁶ Orte und Gegenden vor allem mit biblischem Bezug beschrieben. Burchardus benutzt auf seiner Reise nach Ägypten eine besondere Reiseroute, die in späteren Ägyptenreiseberichten nicht vorkommt. Er segelt von Tyrus entlang der Mittelmeerküste bis zur Nilmündung bei Pharama. Seine Reise führt ihn auf dem Nil durch das Deltagebiet weiter bis nach Kairo.

102 Vgl. Dietmar Henze, Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher, Graz 1978, Bd. 1, S. 397. 103 Johann Beckmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, Göttingen 1807–1809, Bd. 2, S. 31. 104 Burchardus von Monte Sion, Bruder Brocardts / ec. Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung deß Heiligen vnd anderer anligenden Laendern / wie die im 1283. Jar / an allen gelegenheiten beschaffen gewesen / vnd damit ein fleissige verzeichniß aller Reyß durch diese Laender / wie dieselb vorzunemmen / vnd wie weit jedes Ort vom andern gelegen. Sonders fleiß vom Bruder Brocardt / der dieselbige zeit diese Laender durchzogen / Lateinisch in einem Buch an tag geben / Aber jetzundt erst zu besserer und mehrer außfuehrung dieses vnsers vorhabenden Wercks / trewlich verteutschet / vnd in Truck gefertiget. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 455a–466a. 105 Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 117. 106 Wichtige Reisestationen sind Armenia, Cappadocia, Seleuci (Seleuzien), Zypern, Tyro, Pharma, Taphnis, Damiatha, Abdera, Mausota, Semnath, Phyton, Ramasse, Delta, Heliopolis und Babylon (Kairo): „[Beschreibung deß Egyptischen Landts.] Nach dem ich Armeniam gnug besehen / bin ich in Cappadociam / vnd von dannen gen Seleuciam gezogen / vnd allda in Cypern vber gefahren / Auß Cypern bin ich zu Schiff gen Tyro kommen / vnd bin widerumb von Tyro außgeschifft / vnnd also am Gestaden deß Juedischen Landts fortgefahren / biß zum einfluß deß Wassers Nili / da hab ich gesehen die feste vnd herrlich gebauwte / aber von Leuten vnbewohnete Statt Pharmam“; Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 465b.

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

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Bei der Beschreibung der geographischen Lage Ägyptens orientiert sich Burchardus an den natürlichen Begebenheiten des Landes, an Meeren und Wüsten, am Nil und seinen Armen. Dabei erläutert er seinen Lesern die Beschaffenheit des Landes, die drei Mittelmeerhäfen Ägyptens (Pharama, Damiette, Alexandrien), die wichtigsten Städte von Nubien über Assuan, Babylon und das Deltagebiet bis zum Mittelmeer im Norden und zum Heiligen Land im Osten: Von dem Wasser Nilo laufft ein Arm auff Taphnis zu / vnd von dannen auff Pharma / vnnd macht gegen dem H.Landt zu / den ersten Portum oder Meerhafen / aber den andern Portum / macht ein ander Arm vom Nilo / der groesser ist als der vorig / vnd drey meil von Damiatha in das Meer eynlaufft / vnd der dritt Pfort oder Meerhafen / ist in Alexandria / da der groesser theil deß Wassers Nili in dz Meer eynfellt / un [vnd] ist vo [von] Pharma / da nemlich der erst einfluß deß Nili in das Meer gehet / 120.meil weit / vnd also lang ist Egypten de [den] Meer nach / also zehlet man auch von Alexandria auß gen Babylonia / 120.meil / wan [wann] man als wider den lauff deß Wassers Nili vber sich gehet. Aber von Pharma auß auff Taphnim vnnd Damiatha zu Babylonia auß biß gen Syene [Assuan] / das gegen Mittag am eussersten ort in Egypten ligt / zehlt man 240.meil beylaeufftig / vnd alsdann fengt Morenlandt an / heut Nubia genannt (Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 465b).

Sein Bericht zeichnet sich durch zahlreiche und zuverlässige Informationen aus. So wird der Leser in die Lage versetzt, sich ein Bild von der Geographie Ägyptens zu machen. Nicht nur beschreibend, sondern auch erklärend belehrt er seine Leser, wie beispielsweise die Ausführungen zum Deltagebiet zeigen.¹⁰⁷ Orientierungspunkte für die Beschreibung der geographischen Lage sind die Himmelsrichtungen. Aber auch Rekurse auf die biblische Geographie Ägyptens fehlen nicht. So weist Burchardus bei der Beschreibung des Roten Meers und des Sinai entsprechend der Tradition auch auf den Exodus hin: Es ist dem Egyptenlandt beynahe nirgendt zuzukommen / dann gegen Nidergang hat es das groß Meer / vnd auff Aphrica zu hat es die Wuesten Lybie vn [vnd] der Philener / so hat es von Mittag her die Wuesten deß Morenlands / vnd von anfang die Wueste Thebaidis / biß an das rote Meer / vnd ist die Wuesten drey taglang zugehen / biß man an das ort Berenice

107 Vgl. Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a: „Item / von Semnath vber sich zugehen / ehe man gen Phyton vnnd Ramasse kompt / scheidt sich zum vierdten mal vom Nilo ein Strom ab / der dem Hof Seermon genannt / in das Meer eynlaufft / vnd von dieser vierdten theilung deß Nili seyn fuenff meil biß zu den Haefen Phyton vnd Ramasse / die beyderseits am Ufer deß Nili ligen / vnnd davon seyn wider 20. meil biß zum ort Delta genannt / da der Nilus in zwey theil außlaufft / vnd beynahe gantz Egypten zu einer Jnsel / vnd dreyecket formieret / beynahe wie der Griechisch Buchstab Delta macht / vnd laufft der groesser theil der Wasser auff Alexandria / vnd der kleiner Strom auff Damiatha zu“.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

genannt / kompt / da dan der Egyptisch Pfort ist / davon man am Vfer deß roten Meers biß in Jndiam außgehet / Aber gegen Sommer Ostwind vnnd Mitternacht / hat das Egyptenlandt ein grosse Wuesten / biß zum H.Landt / darinn die Kinder Jsrael nach jrem außgehen auff viertzig Jar vmbhergangen seyn (Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a).

Seine Schilderungen entsprechen meist folgendem lockeren Schema: Lage, Bedeutung der Stadt in der Vergangenheit (vorzeiten) und Gegenwart (jetzundt) sowie die Entfernung zu den wichtigsten Gegenden. Wichtig sind dabei vor allem Orte mit biblischem Bezug.¹⁰⁸ Die Bedeutung dieses Bezugs zeigt sich auch bei der Beschreibung des Morenlandt, das er als Nubien identifiziert. Denn hier bleibt der christliche Bezug das Einzige, was er von dieser Gegend erwähnt. Motiviert wird die Erzählung dadurch, dass er das Oberhaupt der Nubier in Babylon in Gefangenschaft gesehen haben will.¹⁰⁹ Die Beschreibung von Landschaften, Orten und Städten wird mit wenigen, aber abwechslungsreichen Attributen versehen, die vor allem der Informationsvermittlung dienen: fest‚ verwart, reich, herrlich gebauwt‚ vberfluessig Frucht‚ vnbewohnt, zerstört, gantz vnd gar vber ein hauffen gefallen.¹¹⁰ Weitere Aspekte, die Burchardus mitteilenswert findet, beziehen sich auf Ägyptens pharaonisches Erbe (Pyramiden), das Mönchtum und den Nil: Von Babylonia zwo meil stehen etliche dreyeckte vberauß grosse Pyramides / vnd davon seyn noch zwo meil gen Thebe / daher die Legio Thebaeorum gewesen / vnnd dabey ligt auch die Wüste Thebaidis / darinn vorzeiten ein grosse Anzahl Muench gelebt haben /

108 Vgl. z.B. Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 465b: „Von dannen [Pharmam] zehlt man 20. meil gen Taphnim / vnnd das ist die Taphnis / davon im Psalmen stehet: Er hat sein Wunderzeichen im Feldt Taphnis gethan. Vnd sie ligt im Landt Gessen / davon im ersten Buch Moysis so viel geschrieben ist / vnnd ist vorzeiten ein herrliche Statt gewesen / aber jetzundt gar zerstört. Von Taphnis biß gen Memphin / das man jetzt fuer Damiatha helt / seyn 15. meil / vnd ligt 2. meil vom Meer / gantz vnd gar vber ein hauffen gefallen / allein dass unferrn davon ein Hof ist gebauwet worden / dahin man die Schiff halten / vnd die Wahr zusammen tragen mag vnd hat es allhie wie in Taphnis vberfluessig Frucht / Obs vnd alles was der Mensch essen mag“. 109 Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 465b: „vnd alsdann fengt Morenlandt an / heut Nubia genannt / welchs gantz vnd gar Christum erkennet / vnd da der H. Mattheus soll geprediget haben / vnnd diß Morenlandts Koenig hab ich gefangen gesehen zu Babylonia“. 110 Vgl. z.B. Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a: „Heliopolis ist ein reicher / aber nicht verwareter Fleck / wie dann in gantz Egypten kein verwarter oder fester ort ist / als allein Alexandria vnd Babylonia / vnnd von Heliopolis seyn siben meil biß gen Babylonia / das vber alle massen ein grosse Statt ist / vnd ligt am Nilo / vnnd gehet mitten durch die Statt ein Strom vom Nilo / der auß dem Wasser Nilo außlaufft / vnd wider auch in Nilum hineyn laufft“.

 4.3 Gesandtschaftsreisen 

 151

vnd merck hie / daß von Babylonia auß biß gen Syene [Assuan] auff 240. meil der Nilus in seinem Gestaden bleibt / vnnd sich gar nie in einigen Strom außtheilet (Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a).

Das biblisch-christliche Ägypten bleibt bei ihm jedoch dominant. Burchardus’ Ägypten ist das Land, in dem es viele Mönche, Klöster und Kirchen gab und noch gibt, ein Land, das sehr bevölkert ist, nun aber von den Sarazenen regiert wird. Vor vnsern zeiten ist die Christlich Religion in Egypten in grossem thun gewesen / vnd hat viel tausent Muench / viel Cloester / vnd noch mehr Kirchen gehabt / wie auch mir die Sarracener angezeigt / So seyn zu allem in Babylonia vnnd Cayro (welchs dann zwo Staett seyn / hangen aber aneinader) mehr dann viertzig Kirchen / die noch stehen / sonst seyn viel Doerffer vnnd vnzahlbar / wie auch ein vnzahlbar Volck in diesem Land vnd wirt jetzunder von Sarracenern geregieret (Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a).

Ägypten ist auch das Land, in dem die Heilige Familie ihre Zuflucht vor Herodes findet. Diese christlichen Erinnerungsorte werden ihm in Kairo von einheimischen Reiseführern gezeigt. So besichtigt er den Balsamgarten in Matarieh (Name wird nicht erwähnt) und erzählt seinen Lesern nicht nur von den ägyptischen Legenden um die Flucht der Heiligen Familie, sondern erklärt auch, wie echter Balsam angebaut und gewonnen wird: Zwischen Heliopolis vnd Babylonia zeiget man die oerter / darinnen die heylige Jungfrauw mit dem Kindlin Jesu vnd jrem vertrawten Joseph sich sol verhalten haben / wie sie vor Herodes auß dem Juedischen Land geflohen / Vnd ist daselbst auch der Balsamgart / der von einem kleinen / aber vberauß wasserreichen Brunnen gewaessert wirdt / in welchem Brunn die heylig Jungfrauw das Kind Jhesum sol gebadet haben / derwegen er von Christen vnd auch von Saracenen in ehren gehalten wirdt / wie man aber den Balsam zuricht / haben mir die Saracener diese weise angezeiget / Sie brechen ein Blat von dem Stam [Stamm] (denn die Blätter hangen an dem Stam [Stamm]) vnd zerreissen es gegen der Sonnen Stralen zu / so fleußt ein sehr liechtheller vnd vber die maß wolgeschmackter Tropffen darauß / vnd das ist der rechte Balsamsafft / den man in Glaßschalen auffhebt / vnd hin vnd wider in die Welt schickt / wiewol er selten vnvermischt in vnser Land kompt / Sie sagen auch / wenn das Blat nicht gegen der Sonn zerbrochen wirdt / so koenne man den Safft nicht darauß bringen / vnd haben die Saracener / weil der erst Brunn den gantzen Garten nicht gnug waessern koennen / noch einen Brunnen gegraben / darauß vier Kinder das Wasser ziehen / so viel zu erfeuchtung vnd waesserung dieses Gartens von noeten seyn wil (Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a).

Wie aus den Analysen hervorgeht, zeichnet sich Burchardus’ Ägyptenreisebericht durch Sachlichkeit und Knappheit aus, bietet jedoch reichhaltige und zuverlässige

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Informationen über Ägypten. Im Mittelpunkt stehen geographische Angaben zu Lage und Beschaffenheit. Durch die natürlichen Begebenheiten ist Ägypten vor Feinden gut geschützt. Meere, Häfen am Mittelmeer und am Roten Meer sowie der Nil mit seinen Armen und angrenzende Ortschaften werden präzise mit Streckenentfernungen beschrieben. Weitere Themen sind der Handel mit Indien und die überwältigende Größe Kairos. Diese Bildelemente sind als Bestandteile eines orientalischen Landschaftsmotivs aufzufassen. Auch dem pharaonischen Ägypten wird durch den Hinweis auf die Pyramiden, die auch Pyramides genannt werden, Beachtung geschenkt. Dominant ist aber die Beschreibung des biblischen Ägypten: Ägypten als Land des Exodus, des Mönchtums, der Klöster und Kirchen, vor allem aber Ägypten als das Land, in dem die Heilige Familie Zuflucht findet. Dadurch werden Lokaltraditionen und Legenden über den Aufenthalt der Heiligen Familie in Ägypten (Balsamgarten) weiter tradiert. Dabei bleibt aber der weltliche Bezug bestehen, wie die Beschreibung der Balsamherstellung zeigt. Die Menschen und das soziale Leben treten bei ihm wenig in Erscheinung. Auch über die eigene persönliche Erfahrung der Fremde, eigene Erlebnisse und Eindrücke erfährt man bei Burchardus von Monte Sion kaum etwas, ebensowenig wie über das arabisch-islamische Ägypten. Einzige Ausnahme bildet der Hinweis, dass das Land von Sarazenen regiert wird und dass die Aufenthaltsorte der Heiligen Familie von Sarazenen und einheimischen Christen verehrt werden. Eine Ost-West-Dichotomisierung bildet hier den allgemeinen Rahmen des Burchardus von Monte Sion. Eine Thematisierung des religiösen Antagonismus wie bei Burchard von Straßburg findet hier jedoch nicht statt. Die Beschreibung bleibt hauptsächlich eine Ortsbeschreibung, die Topographisches und vor allem biblische Gedächtnisorte in Ägypten fokussiert.

4.4 Pilgerreisen 4.4.1 Wilhelm von Boldensele (1334) Der reiche Edelmann Wilhelm von Boldensele unternimmt 1334 mit einer großen Gefolgschaft eine Reise nach Palästina und Ägypten. Dies geschieht wohl zur Buße für seinen Austritt aus dem Dominikanerorden. Den Reisebericht verfasst er nach seiner Rückkehr 1336 auf Veranlassung des späteren Kardinals Elias Talleyrand de Perigord.¹¹¹ Er sollte als Wegweiser für einen geplanten Kreuzzug des

111 Hippler verweist darauf, dass auch die Reise, nicht nur der Bericht im Auftrag des Kardinals Talleyrand geführt worden sei. Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./ Bern 1987, S. 131.

 4.4 Pilgerreisen 

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französischen Königs dienen.¹¹² Boldenseles Ägytenreisebeschreibung weist eine Reiseroute auf, die sich von den bisher analysierten Reiseberichten unterscheidet. Des Weiteren zeigt er, wie die Kreuzzugsliteratur, propagandistischen Charakter. Deshalb soll sein Bericht nun analysiert und auf seine Stellung zwischen Ägyptomanie und Orientalismus hin beleuchtet werden. Dabei wird zunächst auf Aufbau, Reisemotivation und Reisekultur eingegangen, bevor die Elemente des Ägyptenbildes und ihr Verhältnis zueinander befragt werden. Boldenseles Reisebericht folgt, abgesehen von einigen thematischen Exkursen, chronologisch dem Reiseverlauf und weist folgende Bausteine der Ägyptenreise auf: 1. Heiliges Land – Kairo auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße 2. Aufenthalt in Kairo 3. Kairo – Suez – Katharinenkloster auf dem Landweg 4. Aufenthalt beim Katharinenkloster 5. Katharinenkloster – Heiliges Land auf dem Sinai-Binnenweg Dieses Aufbauschema gilt bis Mitte des 14. Jahrhunderts als das übliche Organisationsprinzip der Ägyptenreise und des Ägyptenreiseberichts. Boldensele scheint hier Ludolf von Sudheim (1336) und John Mandeville (1322–1356) als Vorbild gedient zu haben. Denn bei beiden findet sich dasselbe Aufbauschema wieder.¹¹³ Bei diesen Autoren gestaltet sich die Ägyptenreise mit dem Besuch des Katharinenklosters über Kairo als Exkursion mit dem Heiligen Land als Ausgangsund Endpunkt der Reise. Damit setzen sie eine Tradition fort, die sich bereits im

112 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 38f.; Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 31. Jäck kommentiert die Hintergründe folgendermaßen: „Otto Wilhelm von Nienhuzz (oder Rienbuzz, Ryenbusen), Dominikaner zu Minden […] erbat sich die Erlaubniß, sein Kloster zu verlassen, in den Layenstand zurueck zu treten, seinen vaeterlichen Namen abzulegen, und des adelichen Namens seiner Mutter Baldensel oder Boldensleve sich zu bedienen. […] nach einer Reihe von Jahren wurde er von Reue durchdrungen, begab sich nach Avignon zum P. Benedict XII., bekannte seine Abtruennigkeit, und erbat sich zur Buße die Erlaubniß, nach Palaestina zu reisen. Er verfuegte sich als reicher Edelmann mit mehren Priestern und vielen Pferden dahin, lebte ueberall sehr maeßig, und war aeußerst aufmerksam auf alle wichtigen Gegenstaende. Nach seiner Rueckkehr hatte Papst Benedict XII. zum neuen Kreuzzuge gegen die Sarazenen auf Antrag des K. Philipp von Frankreich, alle Christen aufgefordert, und den Kardinal Talayrand mit dem Amte des Kreuz-Traegers beehrt. Dieser ersuchte den Edlen von Boldensleve um Beschreibung des gelobten Landes, damit er weniger Hindernisse auf seinem Zuge finde; jedoch blieb er aus unbekannten Gruenden zu Haus. Diese Arbeit wurde sogleich der Ubersetzung in das Franzoesische durch Joh. Flamel gewuerdigt, und in beiden Sprachen der Nachwelt erhalten“; Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten Reisen durch Aegypten, Nürnberg 1828/9, S. 109– 111. 113 Diese Reiseroute wird bei Rudolf von Frameynsberg (1346) und Jakob von Verona (1346– 1347) in umgekehrter Richtung geschildert.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

1. Jahrtausend herausgebildet hat. Die der Reiseroute verpflichtete Struktur bleibt dabei der rote Faden, der dem Leser bei der Integration von Exkursen als Orientierung dient. Die Ägyptenreise stellt bei Boldenseles Pilgerfahrt eine notwendige Station dar. Dies zeigt sich deutlich im Reiseverlauf. Denn obgleich Boldensele zuerst in Palästina ankommt, bereist er Ägypten, noch bevor er die heiligen Stätten in Palästina besucht. Er begründet dies damit, dass er, wie Bernard im 9. Jahrhundert, zunächst Empfehlungsschreiben vom ägyptischen Sultan erwerben möchte, um den Besuch der biblischen Gedächtnisorte im Heiligen Land, die unter ägyptischer Oberhoheit stehen, ohne Unannehmlichkeiten durchführen zu können. Ich muß bemerken, daß ich von Akkon her auf diesem Wege Jerusalem kaum zwanzig Meilen zur Linken liegen ließ, weil ich zuerst Aegypten und Arabien besuchen wollte, um vom Sultan ein Empfehlungsschreiben zu erhalten, um die heiligen Orte des gelobten Landes bequemer und leichter sehen zu koennen.¹¹⁴

Der Geleitbrief des Sultans und der Schutz durch sarazenische Soldaten ermöglichen Boldensele eine sichere und unbehelligte Reise durch Ägypten, die Sinaihalbinsel, Palästina und Syrien. Boldensele reist sogar frei von Tributen und ohne Gefahr unter dem Schutz des Sultans, so dass er seine Reise nicht nur als einzigartig betrachtet, sondern auch als ausgezeichnete Gunst und unverdiente Gnade des Heilands. Sie ist für ihn somit bis nach Ägypten eine Pilgerfahrt zur Buße, die unter Gottes Gunst steht.¹¹⁵ Zur Reisekultur finden sich bei Boldensele ausführlichere Informationen als bei Burchardus von Monte Sion. Boldensele reist in 7 Tagen auf der SinaiMittelmeer-Küstenstraße vom Heiligen Land über Gaza, Darum und Belbeis nach Kairo. An diesem Reiseweg, den er knapp als eine an Wasser und Nahrung arme sandige Wüste bezeichnet, befinden sich Raststationen, die von den Sarazenen

114 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina durch Wilhelm von Boldenselve im Anfange des XIV. Jahrhunderts, aus dem Lat. frei bearb. von Kaplan Karl Peter. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, II. Theil, 1. Bändchen, Nürnberg 1828, S. 109–123 und II. Theil, 2. Bändchen, Nürnberg 1829, S. 133–162; hier: S. 119. 115 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 139: „Viele reisten schon jenseits des Meeres […]; aber zu unserer Zeit keiner auf diese Art, was ich fuer eine ganz ausgezeichnete Gunst und unverdiente Gnade des Heilands halte“.

 4.4 Pilgerreisen 

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nach Tagesreisen angelegt sind.¹¹⁶ Als Transportmittel werden Kamele verwendet, die Vorrat an Wasser und Nahrungsmitteln mittragen.¹¹⁷ Als Fortbewegungsmittel werden jedoch entgegen der üblichen Gepflogenheiten Pferde eingesetzt, was infolgedessen auch Staunen bei den Mönchen des Sinaiberges hervorruft. Die Beschreibung der Wüste und der Kamele stellt einen Hauptbestandteil des deutschen Ägyptenreiseberichts dar: Alte Moenche hier, auf deren Wort man sich verlassen konnte, versicherten mir, daß noch nie ein fremder Christ zu Pferd zu ihnen gekommen sey, und daß alle Fremde auf Kamelen dahin zu reisen pflegen. Das Kamel naemlich frißt Disteln und Haidegras, was in der Wueste angetroffen wird, und kann zwei bis drei Tage das Wasser entbehren. Um es zu staerken, fuehren die Kameltreiber trockne Bohnen mit sich, von denen sie ihnen zu Zeiten ein geringes Maß geben. Auf diese Art halten die Kamele, welche schwer beladen sind, und den ganzen Tag angestrengt werden, auf der Reise aus, welche Anstrengung das Pferd bei solchem Futter nicht ausdauern wuerde. Dieser Ursache halber ließ ich, damit es uns nie fehlen konnte, die nothwendigen Nahrungsmittel und Wasser, wie fuer meine Familie, so auch fuer meine Pferde, von Kamelen mittragen (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 134–136).

Nach dem Aufenthalt in Kairo führt die Reiseroute durch die Wüste zum Katharinenkloster. Drei Tage dauert die Reise am Roten Meer entlang, die er wegen der mäßigen, kühlen Winde als angenehm empfindet. Danach erreicht er die biblischen Orte Marath, Helym und die Berge Sinai und Horeb. Dieser Reiseabschnitt dauert zehn Tage. Die Gastfreundschaft, die er bei den Mönchen des Katharinenklosters erfährt, beeindruckt ihn dabei sehr: Jch verweilte mehrere Tage bei ihnen, waehrend welcher sie mir in ihrem Kloster einen bequemen Ort anwiesen, und mich sehr freundschaftlich bewirtheten. […] So lange ich mich in diesem Kloster aufhielt, gaben mir die Moenche von ihren Lebensmitteln, und als ich nach Syrien reiste, gaben sie mir noch so viel mit, als ich nach der Zahl der Tagreisen bedurfte. Diese Gefaelligkeit, welche sie gegen mich aeußerten, beobachten sie gegen Jeden, sey er nun hohen oder niedern Standes, und nehmen dafuer nichts an, wenn man ihnen auch etwas freiwillig anbietet, ja aufdringen will (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 136–138).

116 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 119ff. 117 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 119f.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Boldensele ist ein genauer Beobachter. Er liefert nicht nur zahlreiche Details zur Reisekultur, sondern auch über das Land und die klimatischen Verhältnisse, Ägyptens Gewässer und Bodenschätze, Fauna und Flora, Städte und Siedlungen, das soziale und kulturelle Leben. Damit tritt bei ihm das orientalische Ägypten mit seinen topo- und ethnographischen Bildelementen ausgeprägt zutage. So erklärt er beispielsweise, dass im Land trockene und heiße Luft herrsche, bedingt durch Wüste und geringe Regengüsse, so dass sich die bewohnbare Fläche auf die Nilbänke und das Deltagebiet beschränke: Aegypten ist ein laengliches Land, welches wegen der heißen Wueste, die es von allen Seiten umgibt und zusammendrueckt, in einigen Gegenden trocken ist. So wuerde ueberhaupt ganz Aegypten beschaffen seyn, wenn nicht zuweilen der Fluß austraete, durch kuenstliche oder natuerliche Leitungen dasselbe bewaesserte, das Erdreich fruchtbar, und den Menschen zur Benutzung sehr leicht machte. Wegen der Trockenheit dieses Landes und weil die trockne und heiße Luft die ueber dasselbe sich nur wenig erhebenden Duenste verzehrt, regnet es hier auch wenig. Daher koemmt es, daß es sich von Aethiopien laengs dem Flusse bis Alexandrien und laengs dem mittellaendischen Meere in die Laenge hinzieht, und nur so viel Breite hat, als der Fluß diesseits und jenseits nach der Lage des Landes die Muehe der Einwohner lohnen kann. (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 120).¹¹⁸

Auch Bodenschätze, wie Aloeholz und Carneolsteine in Nilnähe, Smaragde in Nordägypten oder Korallen am Roten Meer¹¹⁹ bleiben nicht unerwähnt. Präzise Beobachtungen und detaillierte Schilderungen des orientalischen Ägypten werden bei Boldensele um kritische Anmerkungen ergänzt. So stellt er fest, dass der Nil, obgleich sein Wasser schmackhaft und gesund sei und gute Fische beherberge, nicht der Paradiesfluss Gion sei, wofür er des öfteren gehalten wird.¹²⁰ Boldenseles Interesse bezieht sich darüberhinaus auch auf Ägyptens Tier- und Pflanzenwelt – Themen, die bei Burchardus von Monte Sion beispielsweise fehlen. Vom Staunen über die fremdartige Welt, die ihm in Ägypten entgegentritt,

118 Vgl. auch Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 138f. 119 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 124 und S. 134f. 120 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 124.

 4.4 Pilgerreisen 

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zeugt die Beschreibung fremdartiger Tiere, wie Kamel, Pavian, Eichhornassen, Papagei, Elefant und/oder Giraffe: Zu Kairo sah ich drei lebende Elephanten und eine Giraffe. Der Elephant, welcher eine sehr harte, fischschuppenartige Haut hat, gelehrig ist, und nach dem Takte eines musikalischen Jnstruments geht und tanzt, ist ein sehr großes Thier. Aus seinem Maule gehen, wie bei wilden Schweinen, zwei sehr lange Zaehne hervor; ueber dem Maule aber befindet sich ein langer, runder, spitziger, knorpeliger und nach allen Seiten biegsamer Ruessel, dessen er sich wie einer hand bedient. Durch ihn faßt er die Speisen und bringt sie, indem er seinen Ruessel biegt, in das Maul; durch ihn ergreift er auch zugleich mehreres, und sucht es aus einander. Er wirft sich auf die Erde nieder und steht wieder auf; denn was man gewoehnlich sagt, daß er, wenn er liege, nicht mehr aufstehen koenne, ist unwahr. Auf Befehl seines Fuerers spielt er vor den Zuschauern, neigt seinen Kopf, biegt die Knie und kueßt die Erde, was in diesem Lande die Art ist, wie man Fremde bewillkommt. Die Giraffe ist nicht wild, sondern zahm, wie das Zugvieh, und hat eine aeußerst praechtig gezierte Haut von weißer oder rother Farbe. Sie ist an dem vordern Theile ihres Koerpers sehr hoch, und hat einen so langen Hals, daß sie von dem dache eines Hauses, wie hoch es immer seyn mag, zu fressen vermag. Hinten dagegen ist sie so niedrig, daß man auf ihren Ruekken die Hand legen kann. (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 126f.).¹²¹

Bei den Informationen zur Pflanzenvielfalt fokussiert Boldensele die Fruchtbarkeit des Landes und zeichnet so einen paradiesischen Ort, an dem alles im Überfluss vorhanden ist.¹²² An Pflanzen werden dabei Zucker, Gartenpflanzen, wie Salbei oder Raute und ungewöhnliche Früchte, wie die fremdartigen Paradiesäpfel (Bananen) angeführt: Jn Aegypten und Syrien wachsen die Paradies-Aepfel. Sie sind laenglicht, von vortrefflich gutem Geschmacke und sehr weich, so daß sie sich im Munde schnell aufloesen. So oft man sie quer durchschneidet, findet man in ihnen das Bild eines gekreuzigten, von dem man einzelne Zuege seines Gesichtes und andere Glieder sehr deutlich erkennen kann. Sie halten sich nicht lange; deßwegen kann man sie nicht wohl erhalten zu uns ueber das Meer bringen (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 133).

121 Vgl. auch Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 127 und S. 135f. 122 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 120.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Einen großen Bestandteil von Boldenseles Ägyptenbericht bildet die Schilderung Kairos. Wie Burchardus von Monte Sion,¹²³ so liefert auch Boldensele eine Beschreibung der Stadt, jedoch ausführlicher. Kairo und Babylon, Ägyptens alte und neue Hauptstadt, werden von beiden als große Städte charakterisiert, die sehr volkreich sind. Boldensele spricht auch von Kairos Architektur und erklärt seinem Leser die Gepflogenheiten der einheimischen Bauweise, bei der die Sorgfalt auf das Innere, nicht auf die Außenseite gerichtet wird: Kairo und Babylon, welche nicht weit von einander liegen, ja beinahe zusammenhaengen, sind zwei große Staedte. Sie sind sehr volkreich und haben sehr schoene Haeuser, die jedoch mehr von Jnnen, als von Außen herrlich sind. Denn hier pflegt man allgemein nicht die Außenseite, sondern das Jnnere derselben, naemlich die Fußboeden und Waende durch Mosaikarbeit und Marmor unglaublich schoen zu verzieren. […] Kairo, welche unter den beiden Staedten die groeßere ist, liegt gegen die Wueste Syriens etwas vom Nile entfernt; Babylon am Nile selbst (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 123f.).

Wie Burchardus von Monte Sion, klärt auch Boldensele in einem Exkurs seinen Leser darüber auf, dass es sich hier um Neubabylon, nicht um das Altbabylon im Irak handelt. Dadurch trägt sein Reisebericht einen belehrenden und erbaulichen Charakter. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger sieht Boldensele in beiden jedoch eine Gemeinsamkeit: War Altbabylon der Hauptfeind der Israeliten, so sei Neubabylon der Hauptfeind der Christen: Babylon, von dem hier die Rede ist, muß man wohl von Babylon, wo Nabuchodonoser herrschte, und wohin die Jsraeliten in Gefangenschaft gefuehrt wurden, unterscheiden. Dieses alte Babylon lag von diesem fuenf und dreißig Tagreisen entfernt, nordostwaerts in Chaldaea jenseits des Euphrats, und soll an dem Orte, wo nun die Stadt Baldach liegt, oder wie andere wollen in ihrer Naehe, was ihnen die Ruinen, die daselbst sich vorfinden, vorzueglich bewiesen, gestanden haben. Unser Babylon ist das neue, welches aber dem alten wie im Namen, so in Werken gleicht. Denn wie jenes der Hauptfeind der Jsraeliten war, so steht dieses mit seinem Oberhaupte, welches der Sultan ist, unter allen Unglaeubigen uns Christen am feindlichsten gesinnt gegenueber […] Dieses glaubte ich anfuehren zu muessen, damit man Alt- und Neu-Babylon, welches in diesem Werke oefter vorkommt, nicht mit einander verwechsle (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 121ff.).

123 Vgl. Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a.

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In einem zweiten Exkurs informiert Boldensele über den Propheten Muhammad und die muslimischen Gedächtnisorte auf der arabischen Halbinsel, wobei Mekka irrtümlicherweise als Grabstätte angesehen wird: Um vieles zu uebergehen, fuehre ich nur an, daß der Sultan, weil Mahomed in seinem Reiche geboren wurde, daselbst, naemlich in der Wueste Arabiens, unwissenden und thierisch gesinnten Menschen predigte, mit Schlangenlist sie betrog, und durch falsche Wunder sich und dem Vater des Truges und der Luege Anhaenger verschaffte, der eifrigste Vertheidiger seiner Lehre ist, und seinen Koerper in der Stadt Mekka, welche in Arabien etwa fuenf und zwanzig Tagreisen von Babylon, ist, in einer schoenen Kirche, welche sie Mulsket nennen, mit vieler Sorgfalt aufbewahrt. Sein Sarg steht daselbst auf einer erhoehten, prachtvollen Tumba. Denn, was man gewoehnlich sagt, daß er in Folge eines Steines, welcher Eisen anzieht, in der Luft schwebe, ist falsch. (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 122f.).

In diesem Abschnitt scheint Boldenseles kritische Distanz und Bemühung um objektive Erfassung des Fremden aufgehoben. Ägypten, repräsentiert durch die Hauptstadt und den Sultan, wird zum Inbegriff des christlichen Feindbildes. Die Sarazenen bzw. Muslime werden dabei als unwissende, tierisch gesinnte Menschen dargestellt und ihr Prophet mit negativen Attributen belegt. Damit wird an dieser Stelle des Berichts, wie vorhin bei Burchard von Straßburg, der Geist der Kreuzzüge spürbar. Boldenseles Ägyptenreisebericht weist dadurch nicht nur belehrend-erbaulichen, sondern auch propagandistischen Charakter auf, der Dichotomisierungen aufbaut, die auf den religiösen Antagonismus zurückzuführen sind. Doch Textstellen dieser Art stellen bei Boldensele die Ausnahme dar. Meist sind seine Ausführungen offen und informativ und beruhen auf eingehender Beobachtung, wie z.B. die Bemerkung zum Gebot der Pilgerfahrt nach Mekka und zum Verbot von Wein und Schweinefleisch belegen.¹²⁴ Weitere ethnographische Angaben beziehen sich auf den Sultan, sein Herrschaftsgebiet, den Regierungssitz in Kairo und das Heer.¹²⁵ Informationen zu den Menschen finden sich jedoch selten. Neben der Beschreibung der Mönche im Katharinenkloster erwähnt Boldensele noch die Sinai-Beduinen, die er als freiheitsliebende Wüs-

124 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 120 und S. 123. 125 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 125f.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

tensöhne charakterisiert. Damit liefert er ein idealisiertes Araberbild, das später bei Löwenstein und Wormser ausgeprägter auftreten wird. Die Menschen leben hier unter Zelten, die aus Thierfellen gemacht sind, naehren sich gewoehnlich von Kamelen und Ziegen, saeen nicht, und aerndten nicht, weil sie keine Aecker besitzen, und haben daher auch kein Brod, ausgenommen das, was aus Aegypten oder Syrien herbeigeschafft wird. Sie sind von brauner Farbe, sehr tapfer, und koennen sehr schnell laufen. Jhre Waffen sind Schild und Lanze; sie reiten auf Kamelen, welche wir Dromedare nennen […]. Den Kopf und den Hals haben sie mit sehr langer Leinwand umwickelt. Jm Allgemeinen bedienen sie sich nicht des Bogens, wie die uebrigen Sarazenen. Sie bekuemmern sich wenig um den Sultan; dagegen sucht dieser durch Geschenke und Versprechen ihre Kapitaene an sich zu ziehen, weil, wie man sagt, diese Wuestenbewohner, wenn sie wollten und unter sich einig waeren, den Sultan vertreiben, und Aegypten und Syrien leicht erobern koennen. (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 139).

Ferner erwähnt Boldensele den Sklavenhandel in Ägypten und lässt dabei leise kritische Töne nicht fehlen, wenn er die Sklaven mit Vieh vergleicht.¹²⁶ Als merkwürdige Besonderheit nennt er schließlich die Hühner- bzw. Eierbrutöfen in Kairo, deren Beschreibung einen konstitutiven Bestandteil der Ägyptenreisebeschreibung bildet: Das Merkwuerdigste aber, was ich zu Kairo sah, war ein breites und langes Haus, welches so niedrig, wie eine Stube, war, und viele ebenfalls niedrige Oefen hatte. Auf diese legte man nach Belieben viele Eier in Spreu gehuellt, wo dann der Stoff der Frucht oder des Jungen in den Eiern bloß durch eine bestimmte Temperatur des Feuers im Ofen ohne natuerliches Ausbrueten durch hennen reif wird, und die Jungen zu ihrer Zeit aus den Schalen hervorbrechen. Wunderbar wird hier durch Kunst eine Wirkung der Natur erzeugt. Sobald die Jungen aus den Eiern gekrochen sind, erhalten sie die Eigenthuemer, welche sie dann forttragen und ernaehren. Daher kommt, daß man in diesen Gegenden eine unendliche zahl von Huehnern antrifft (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 127f.).

Einen weiteren, wichtigen Bestandteil der Ägyptenreisebeschreibung bildet die Thematisierung des biblisch-christlichen Ägypten. Wie Burchardus von Monte Sion beschreibt auch Boldensele Kairos christliche Besichtigungsorte, wobei

126 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 134.

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er insbesondere die Vielzahl christlicher Kirchen, und darunter namentlich die Kirche der hl. Jungfrau und die der hl. Barbara, erwähnt. Des Weiteren findet sich bei ihm auch der übliche Rekurs auf die Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten.¹²⁷ In diesem Kontext werden, wie bei früheren und späteren Reisenden bis ins 18. Jahrhundert, auch der Balsamgarten in Matarieh und die Legenden erwähnt, die die einheimischen Christen tradieren.¹²⁸ Beim Besuch des Katharinenklosters werden schließlich das Mönchsleben und die Wunder der hl. Katharina thematisiert.¹²⁹ Die Beschreibung des Katharinenklosters vermittelt dabei ein sehr positives Bild vom ägyptischen Mönchtum: Am Fuße dieser Berge ist der h. Ort, wo Moses den brennenden, aber nicht verbrennenden Dornbusch sah, an dem nun ein schoenes, ziemlich großes, und mit Blei gedecktes Kloster erbaut ist. Die Moenche desselben sind groeßtentheils Araber, wenige nur Griechen. Obwohl ihre Anzahl sehr groß ist, leben sie doch sehr erbaulich und fromm beisammen. Sie stehen unter den Erzbischoefen dieses Ortes und ihres Ordens, sind aber ihren uebrigen Obern gleich sehr ergeben. Sie trinken mit Ausnahme weniger Feste des Jahres keinen Wein, und dann nur ein bestimmtes Maß, essen selten Fische, sondern ernaehren sich gewoehnlich von Kraeutern, Datteln und Huelsenfruechten, welche sie an einem bestimmten Platze zur gewissen Stunde sehr friedlich mit einander verzehren. Nach ihrer Art beten sie auch die geistlichen Tagzeiten und halten ihre Kirche, welche sie durch sehr viele Lampen und Lichter erleuchten, sehr reinlich (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 136).

127 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 123f. 128 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 126. 129 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 137: „Auch werden hier […] die Gebeine der h. Jungfrau und Martyrin Katharina aufbewahrt, die, wenn sie von dem Obern mit einem eigens dazu verfertigten Werkzeuge gerieben werden, eine gewise Feuchtigkeit ausschwitzen […]. Diese Feuchtigkeit, die anfaenglich ziemlich zaeh ist, aber bald hart wird, gleicht weder dem Balsame, noch dem Oele, noch sonst einer Fluessigkeit, weßwegen man sie fuer ein Wunder haelt. […] Jnnerhalb der Mauern dieses Klosters koennen weder Muecken, noch Floehe, noch anderes Ungeziefer leben […]. Als ich mich hierueber wunderte und mit Augen sah, daß dergleichen Thiere, sobald sie eingebracht waren, starben, so sagte man mir: Heilige, welche hier von dergleichen Thieren so sehr geplagt wurden, daß sie diesen Ort zu verlassen gedachten, haetten durch ihr Gebet bei Gott erwirkt, daß kuenftig Niemand mehr an diesem Orte durch dieselben geplagt werde“.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Ein festes Thema der Ägyptenbeschreibung stellt ferner der Rekurs auf das Mosaische Ägypten dar. Boldensele referiert darauf bei der Beschreibung des Roten Meeres, beim Besuch des Katharinenklosters,¹³⁰ des Sinaiberges¹³¹ und auf dem Weg¹³² dorthin. Dabei handelt es sich um traditionelle Bestandteile von Pilgerführern und Ablassverzeichnissen. Mit diesen Ausführungen tradiert Boldensele die biblische Geographie Ägyptens weiter, die auch durch oben genannte Schriften zirkuliert wird. Mit seiner unkonventionellen kritischen Erklärung für das Ertrinken der Ägypter im Roten Meer beim Exodus der Israeliten geht er aber über die traditionellen Elemente hinaus. Denn die Ägypter seien ertrunken, „weil sie die Regel der Ebbe und Fluth außer Acht ließen“.¹³³ Neben dem orientalischen und biblischen Ägypten tritt in Boldenseles Reisebericht auch das pharaonische Ägypten zutage. Auch hierbei zeichnet sich Boldensele durch genaue, kritische Beobachtung und Schilderung aus. Deutlich ist diese Neuerung bei seiner Pyramidenbeschreibung. Denn während bei seinen Vorgängern nur ein kurzer Hinweis zu finden ist, korrigiert Boldensele aufgrund seiner Beobachtungen die verbreitete Annahme, die Pyramiden seien die Kornspeicher Josephs. Boldensele vertritt vielmehr die Auffassung, sie seien Grabmäler. Damit gehört Boldensele zu den ersten Pseudoägyptologen, die sich mit dem

130 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 136f.: „Zu dem Orte des Dornbusches, welcher in ihrer Kirche hinter dem Hauptaltare ist, gehen die Fremden unbeschuht […]. Jn diesem Kloster ist das sehr gute und gesunde Wasser, welches Moses auf Befehl Gottes durch Anschlagen mit dem Stabe aus dem Felsen hervor rief“. 131 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 138: „Ueber diesem Orte ragt der ziemlich hohe Berg Sinai hervor, zu dessen Gipfel man ueber Stufen steigt. Auf dem Ruecken desselben sind zwei Kapellen, wovon eine dem Elias, die andere Moses geweiht ist. Hier zeigt man […] eine Oeffnung, wo Gott Moses hinstellte, und ihn mit seiner Rechten bedeckte, als er in seiner Herrlichkeit vorueber ging, und ihm, da ihn selbst Niemand zu schauen vermag, seinen Abglanz zeigte. Die Gestalt des Koerpers Moses ist diesem Felsen wie Wachs eingedrueckt, obgleich er so hart ist, daß die Meinigen mit sehr starken eisernen Werkzeugen kaum etwas wie Staub abschlagen konnten“. 132 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 135: „Als ich das rothe Meer verlassen hatte, gelangte ich zur Quelle Marath (wie sie die h. Schrift nennt), deren Wasser zur Zeit des Uebergangs der Kinder Jsraels bitter war, aber durch Hineinwerfen von Holz, welches Gott dem Moses zeigte, sueß und trinkbar wurde; hierauf zu dem sehr angenehmen Orte Helym, wo zwoelf Brunnen und siebenzig Palmbaeume sind“. 133 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 134.

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pharaonischen Erbe auseinandersetzen, bevor die Ägyptologie im 19. Jahrhundert zur Wissenschaft wird: Jenseit dieses Flusses ueber Babylon hinaus gegen die Wueste hin, welche zwischen Aegypten und Afrika ist, stehen sehr viele alte Denkmaeler in Pyramidal-Gestalt, welche aus sehr großen, polierten Steinen, in denen ich Jnschriften verschiedener Sprachen fand, errichtet sind. Zwei unter ihnen sind von außerordent-licher Hoehe und Groeße. Einfaeltige halten diese ungeheuern Denksaeulen fuer die Getraidenhaeuser Pharao’s, und nennen sie, wiewohl mit Unrecht, auch so. Denn weder zum Einbringen, noch zum aufbe-wahren des Getraides oder der Fruechte findet man in ihnen, da sie von oben bis unten mit sehr großen, fest mit einander verbundenen Steinen ausgefuellt sind, einen schicklichen Platz. Nur eine kleine Thuer, die sich ziemlich hoch ueber der Erde befindet, fuehrt durch einen engen und finstern Gang in das Jnnere derselben, wo man aber nichts weniger, als eine breite Flaeche antrifft. Ganz gewiß sind sie Grabmaeler, was die Jnschriften beweisen, und wovon sich jeder, der sie sieht, ueberzeugt (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 124f.).

Boldenseles Ägyptenbesuch, so lässt sich abschließend feststellen, stellt die Erweiterung einer Jerusalempilgerfahrt mit dem Heiligen Land als Ausgangs- und Endpunkt dar. Hauptgrund für den Ägyptenbesuch stellt dabei die Notwendigkeit dar, Empfehlungsschreiben vom ägyptischen Sultan zu erwerben, um die heiligen Orte in Ägypten und im Heiligen Land mit großer Bewegungsfreiheit besichtigen zu können. Boldenseles Bericht weist einen belehrend-erbaulichen und bisweilen auch propagandistischen Charakter auf. Die West-Ost-Dichotomisierung im Reisebericht lässt sich auf den religiösen Antagonismus zurückführen, der seinerseits auf der Unterscheidung zwischen wahr und unwahr im Bereich der Religion basiert. Ägypten erscheint bei Boldensele dabei, wie bei Burchard von Straßburg, als Großmacht und Inbegriff des Feindbildes der Christenheit im Geiste der Kreuzzüge. Sein Islam- und Muslimbild fällt eher negativ aus. Dagegen entwirft er ein idealisiertes Bild von den Mönchen und Beduinen des Sinai. Boldensele zeichnet sich aber durch ausgeprägte Neugier und einen kritischen Blick aus, wie seine Bemerkungen zum Nil, zum Ertrinken des Exodus-Pharao und zur Funktion der Pyramdien zeigen. Sein Reisebericht vermittelt somit vielfältige, bunte Bilder von Ägypten. Dabei finden sich sowohl biblische als auch pharaonische und orientalische Bildelemente im Reisebericht, wobei eine Dominanz des biblischen Ägypten festzustellen ist. Boldenseles Ägyptenreisebericht bleibt damit in Aufbau und Themenauswahl der biblischen Tradition im Sinne einer Konversionserinnerung und der Pilgerliteratur verpflichtet.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

4.4.2 Lorenz Egen aus Augsburg (1385) Im Jahr 1385 unternimmt der Augsburger Bürger Lorenz Egen eine Pilgerfahrt nach Jerusalem, bei der er auch Ägypten bereist. Egen ist der Stifter des Spitals und der Kapelle St. Anton zu Augsburg. Er ist auch als Augsburger Bürgermeister aus der Zunft der Kaufleute und als Baumeister bezeugt. Sein auf Deutsch verfasster Reisebericht ist knapp und weist das konventionelle Schema und den typischen Charakter eines Itinerars auf. Dabei scheint Egen beim Verfassen seines Reiseberichts ein Ablassverzeichnis seiner Zeit als Vorlage benutzt zu haben, das er mit persönlichen Angaben anreichert. Halm beurteilt ihn daher als „Knappe, nüchterne Aufzählung der wichtigsten Heiligen Stätten“.¹³⁴ Des Weiteren weist sein Bericht im Vergleich zu den bisher besprochenen Reiseautoren eine andere Reiseroute auf.¹³⁵ Im Fokus der Analyse werden daher zuerst Komposition sowie Reiseroute und Reisekultur stehen. Anschließend wird den Hauptelementen des Ägyptenbildes nachgegangen. Egens Reisebericht zählt zur Gruppe der Jerusalempilgerberichte, die den Ägyptenbesuch auf der Hinfahrt ins Heilige Land erwähnen und bei denen die Ägypten- und Sinaireise über den Sinai-Binnenweg erfolgt. Dieses Modell dominiert von der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts und gilt als das übliche Organisationsprinzip der Ägyptenreise und des Ägyptenreiseberichts dieser Zeit. Diesem Aufbauschema folgen auch die Berichte von Johann von

134 Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 55. Vgl. auch Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 139f.: „Die im Vergleich mit den Pilgerschriften des frühen 14. Jahrhunderts ungewöhnlich knapp gehaltenen Berichte von Lorenz Egen aus Augsburg und Peter Sparnau aus Straßburg […] sind in deutscher Sprache verfaßt; ihnen fehlt die Verarbeitung des traditionellen Palästina-Schrifttums ebenso wie Reflexionen religiöser oder persönlicher Art, wie sie in den Texten früherer Pilger zu finden sind. Die Autoren begnügen sich vielmehr mit der kargen Aufzählung von Reisestationen und Heiligtümern, mit der Angabe von Entfernungen und der Nennung ihrer Ausgaben. Als Grundlagen ihrer Ausführungen sind Ausgabeverzeichnisse, Notizbücher und schriftliche Pilgerführer leicht zu erkennen […] Lorenz Egen […] dient das Ablaßverzeichnis als Vorlage seines Berichts, das er mit wenigen dürren Sätzen […] ergänzt. Die individuelle Gestaltung beider Berichte erschöpft sich darin, nicht jeden Satz mit dem üblichen und starren ‚Nota‘ oder ‚Item‘ beginnen zu lassen, sondern sie mit anderen Partikeln einer Aufzählung abzuwechseln“. 135 Die genauen Reisestationen sind „Venedig, Alexandria, Kairo, Sinai: Katharinenkloster, Gaza, Bethlehem, Jerusalem, Nazareth, Sidon, Beirut, Rhodos, Durazzo, Padus (Padua)“; Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 55.

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Bodman¹³⁶ (1376) und Peter Sparnau¹³⁷ (1385). Ihre Reise führt dabei von Europa, meist über Venedig, auf direktem Weg nach Alexandrien und Kairo. Nach dem Besuch des Katharinenklosters reist man auf dem direkten Sinai-Binnenweg nach Jerusalem. Die Rückreise erfolgt in der Regel vom Heiligen Land aus über Venedig. Die Reiseberichte der Zeit weisen dabei folgende typische Etappen auf: 1. Ankunft und Aufenthalt in Alexandrien 2. Alexandrien – Rosette – Kairo auf dem Nil 3. Aufenthalt in Kairo 4. Kairo – Suez – Katharinenkloster im Sinai 5. Aufenthalt beim Katharinenkloster 6. Katharinenkloster – Heiliges Land auf dem Sinai-Binnenweg Am 19. August 1385 segelt Lorenz Egen mit einer Reisegruppe von sieben Personen¹³⁸ auf einem kleinen Schiff (Kocke) von Venedig nach Alexandrien. Egen beschreibt knapp Reiseteilnehmer und Reiseweg. Dabei gibt er Daten und Entfernungen im Itinerarstil wieder: Es ist zu wissen das vlrich von Constat vnd petr Sparnaw gesessen Beide zu Erdtfurtt. Jtem vnde Rembold splender vnde hanns von weigerßheim gesessen Beide zu Straspurg. Jtem vnde Johann Mentler gesessen zu lübeck. Jtem vnde hanns von der Swemmig Jtem vnde hanns kothin von Elsaß Jtem vnde ich lorenz Egen von Augspurg wir obgeschriben alle acht furen von venedig auß gen allexander auff einem kocken darauff hieß der hauptman Niecolaus paulo vnde furen zu venedig auß am Samstag vor Sant Bartholomeus tag Als man zalt nach cristi vnsers herrn gepurt tausent dreuhundert vnde funffvndachtzig jar vnde kamen jn Siebenzehen tagen von den genaden gottes gen allexandria das seint zwey tausent von venedig Summa vier tausent meil.¹³⁹

136 Diese Reiseroute wird auch von Johann von Bodman im Jahre 1376 auf seiner Pilgerreise nach Palästina und Ägypten beschrieben. Vgl. dazu Alfons Semler (Hg.), Die Pilgerreise des Johann von Bodman. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, 1910, S. 127–146. 137 Ergänzt wird der Reisebericht von Lorenz Egen durch den Parallelbericht von Peter Sparnau. Vgl. Reinhold Röhricht (Hg.), Die Jerusalemfahrt des Peter Sparnau und Ulrich von Tennstaedt (1385). In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 26 (1891), S. 479–491. 138 Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 54: „Sieben weitere deutsche Reisende, darunter Peter Sparnau und Ulrich Tennstädt mit dem Knecht Claus Frybate. Ab Venedig mit dem Reeder Nicolao Paulo gemeinsam mit Reinhold Spendener (Splender), Johann Wickersheim (von Weigersheim) aus Straßburg, Hans Mettler aus Lübeck, Hans dem Koch, Johannes von der Swemming, Hans Kothin aus dem Elsaß. Auf Rhodos Zusammentreffen mit Espetis von Besnek (Besnik?), Konrad von Weitra aus Österreich und Johannes Wildberg (genannt Tösegger, Herr zu Gössgen im Aargau)“. Vgl. auch Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 96; Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 26. 139 Egens Reisebericht wird 1865 von Keinz herausgegeben: Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland. Überschau der neuesten

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Wie im Reisebericht von Katzenellenbogen, berichtet auch Egen von Reiseund Zollgebühren, die er in Alexandrien entrichtet. Bis Kairo wird die Gruppe von einem Fremdenführer (Dragoman, Trutschelmann)¹⁴⁰ begleitet, der ihnen von den Behörden zur Verfügung gestellt wird. Nach dem Besuch der christlichen Sehenswürdigkeiten Alexandriens reitet die Gruppe auf Eseln nach Rosette (Name wird nicht erwähnt), wo sie sich nach Kairo einschifft: Jtem in allexandria müsten wir konig Solidan [Fn. 2, S. 936: König Solidan ist in Schriften dieser Zeit der gewöhnliche Titel des Sultans von Aegypten] zollen von unserm leibe vnde von vnserm gute vnde man gab vns ein trümschman das ist als vil als ein geleitsman der ging wir vns Bis auß der Stat zu allexandria vnde vor der Stat sassen wir auff esel vnde ritten auff drey meil von der Stat vnde kamen auff ein wasser do sassen wir in ein schiff vnd der trumschman mit vns vnde furen auff dem selben wasser funff tagreise wir hetten aber gar guten wint das selb wasser heist der nillus (Nilus). (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte).

Nach dem Besuch der christlichen Sehenswürdigkeiten in Kairo verläuft die Reise über Suez durch die Wüste zum Katharinenkloster. Dabei reiten sie auf Eseln zuerst zum Balsamgarten in Matarieh, wo sie sich mit ihren arabischen Reiseführern treffen. Die beduinischen Araber bringen Kamele für die Sinaireise mit. Denn für eine Wüstenreise, so berichtet bereits Boldensele, werden Kamele, nicht Pferde, eingesetzt, um für die 26-tägige Reise über das Katharinenkloster ins Heilige Land auch ausreichend Vorrat an Wasser und Nahrungsmitteln mitnehmen zu können: Jtem Ee wir auff der stat Elcher zugen. die musten wir senden jn die wustenung jn die wiltnuß noch kemlach [Kamel] vnde musten zu vns nemen kost fur sechs vndzenczig tag reise vnde vnser hut [Haut, Balg] do wir wasser jnnen fürten. wann man etwan drei oder vier tag zu wasser nicht kompt Also zugen wir auß der Stat Alcher do konig Solidan sitzt do zugen wir auff eseln bey funff welisch meil vnde kamen zu dem garten do der Balsam

Forschungen auf dem Gebiete der Natur-, Erd- und Völkerkunde, 38 (1865), S. 917–919 und S. 936; hier: S. 917, erste Spalte. 140 „Dragoman, der; -s, -e [arab. targumān, turğumān: Dolmetscher aus Vb. tarğama: dolmetschen < assyr. targumanu: Dolmetsch]: Dolmetscher im Nahen Osten, besonders für Arabisch, Türkisch und Persisch. Im 19. Jahrhundert bezeichnete das Wort einen Dolmetscher für den Verkehr zwischen den Landesbehörden und den Gesandtschaften und Konsulaten im Orient. Das Wort kam im 12. Jahrhundert aus Ägypten, wo ğ als g gesprochen wird; hieraus frz. drogoman, trucheman, it. dragomanno, trucimanno, kat. sp. dragomán, trujaman, pg. dragomano, engl. dragoman, nd. dragoman, mhd. trâgemunt, nhd. Dragoman, (älter) Drutzelmann, Trutschelmann“; Nabil Osman, Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft, München 1997, S. 45.

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wechsset. […] Zu dem Garten des Balsams komen die Arbin das seint die kemlach vnde Brachten die kemlach mit jn auß der wüstnüß die selben kemlach gen noch jn stet noch jn dorffer nicht von wilden wegen die sie an jn haben jtem vor dem selben Balsam garten auff zwen Armbrost schus sassen wir auff die kemlach vnde namen vnser speiß wein prot keß Bonen Erbeiß swein fleisch für sehßvndzwentzig tag reiß vnde vnser hut mit wasser. vnde zugen auß dem land Egipto jn die wüftung gen sant kathereina. (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte).

Elf Tage benötigt die Reisegruppe von Kairo zum Roten Meer, am Mosesbrunnen vorbei, bis zum Katharinenkloster, wobei Egen seine Leser darauf hinweist, dass man vom Roten Meer aus bis nach Indien gelangen kann, wo der legendäre Priester Johannes sitze. Also zugen wir von dem Balsam garten jn die wüstenung. vnde do wir gezogen hetten vier tag reiß, do kamen wir zu moyses Brunn […] Jtem darnach kamen wir fürpaß zu dem Roten mere darjnn man jn das lant gen Jndien vert do priester Johan sitzt. Jtem vnde zugen fürpaß jn die wüstenung als lang das wir von den genaden gottes gen sant katherein komen vnde Ee wir von dem Balsam garten komen gen sant katherein do hetten wir gezogen Eilff tagreiß jn der wüstenung (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte).

Im Katharinenkloster hält sich die Reisegruppe einige Tage auf, besucht die im Pilgerführer und Ablassverzeichnis vorgeschriebenen heiligen Stätten und reist anschließend 12 Tage auf Kamelen durch die Sinaiwüste bis nach Gaza. Dort steigen sie auf Esel um und reiten über Hebron und Bethlehem nach Jerusalem, von wo aus sie in sechs Tagen über Nazareth und Sidon nach Beirut reisen. Von Beirut kehrt Lorenz Egen schließlich mit einem venezianischen Schiff über Rhodos, Thrazien und Padua heim. Jtern von dem selben Berg Synay gingen wir wider jn das closter sant katherina vnd sassen wider auff vnser kemlach vnde ee wir durch die wüstenung kamen do kamen wir zu Solidans Brunnen vnde zugen fürpaß vnd do wir von sant katherein waren komen Zwelff tagreiße do kamen wir zu einer Stat heist gazara vnd ee wir zu der Stat gazara komen auff ein teutsche meil do sassen wir abe von dem kemlach vnde gewunnen esel jn ein dorff vnde Ritten jn die Stat gazara was Samsons hauß des starcken. Auch was darjnn das hauß das er nider warff das alles han jch gesehen also zugen wir von gazara auß vnde Ritten auff eseln jn das tal Ebron […] Jtem von dem Ebron zugen wir gen Bethlahem […] Also zugen wir von Bethlahem gen Jherusalem […] do zugen wir auß der Stat Jherusalem Jn das tale josophat […] Also furen wir jn dem namen gottes von Jherusalem gen der stat nazareth. […] do kamen wir vber das gepirg von Nazareth vnde kamen zu einer Stat heyst Setta die ligt am mer. Jtem vnd zugent von der selben stat zu einer Stat heyst paruti. vnd Ee wir von Jherusalem komen gen Baruti do hetten wir gezogen sehs tagreiß. vnde musten an vil stetten zollen von vnserm leibe […] Jtem zu Baruth funden wir venediger Gallein. do dingeten wir vns auff vnde furen

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bis gen Rodis die ligt siebenhundert meyl von paruti […] Jtem von Rodis furen wir alslang das wir kamen gen Toratzen sederst gen Padus ec. (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 918f.).¹⁴¹

Im Vergleich zur Reisekultur erfährt man über Ägyptens Landesnatur bei Lorenz Egen eher wenig. Wie Burchardus de Monte Sion und Boldensele berichtet auch Egen, dass Ägypten und seine Hauptstadt, wo der ägyptische Sultan seinen Sitz hat, Elcher¹⁴² heißt. Für ihn sind Kairo und Babylon zwei Namen derselben Stadt, d.h. zwei Stadtgebiebte und nicht zwei Städte, wie bei Burchardus de Monte Sion und Boldensele.¹⁴³ Gemeinsam ist ihnen jedoch die Beschreibung Kairos als sehr große Stadt mit hoher Bevölkerungszahl: Also komen wir jn die Stat do konig Solidan Sitzt das selbe lant heisset ewipte lant. Jter (!) die selbig Stat heist Elcher vnde ist ein hauptstat jn der heidenschafft vnd konig Solidan hat sein Castell darinn als vil volcks ist das ich es nicht getar schreiben wann es vngelaublich ist zu sagen wie groß sie ist vnde nicht zu reden von jr große vnde von dem großen volcke das darjnnen ist Jtem auch ist zu wissen das die selbig stat zwen namen hat. wann der stet seint zwo vnde ligen auch anein ander die ein heist alchel die ander Babilon Jtem jn alchel sitzt konig Solidan (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte).¹⁴⁴

Aus Ägyptens Fauna erwähnt Lorenz Egen Elefanten und Giraffen, die er als wunderliches Tier bezeichnet.¹⁴⁵ Von Ägyptens Gewässern vermittelt er ein eher vages Bild. So erwähnt er lediglich, dass es einen Fluss namens Nil gebe und zwei Meere, nämlich das Mittelmeer, an dessen Hafen Alexandria er angekommen ist,

141 Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 936, Anm. 26: „hinter Padus bricht die Handschrift unter Beisetzung des Zeichens ec. ab“. 142 Der Name geht auf das arabische Wort ’al-Qāhira zurück und bedeutet „die Siegreiche“. 143 Vgl. Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a; Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 123f. 144 getar bedeutet laut Keinz ‚mag, kann, darf‘; vgl. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 936, Anm. 5. 145 „Jtem jn der stat zu Elchar han ich einen elephanten gesehen vnde auch gar ein wunderlich tier das heist man seraffe“; Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte. Mit seraffe ist ‚Giraffe‘ gemeint; vgl. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 936, Anm. 10.

 4.4 Pilgerreisen 

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und das Rote Meer, von wo aus man nach Indien weiterreisen kann.¹⁴⁶ Auf das orientalische und pharaonische Ägypten, die Menschen, das soziale und kulturelle Leben geht Egen nicht ein. Seinen Reisebericht dominieren die biblischmosaisch-christlichen Bildelemente. So berichtet er ausführlich von den religiösen Orten in Alexandrien, Kairo und auf dem Weg zum Katharinenkloster. Durch die unermüdliche Aufzählung der besichtigten Orte und der damit verbundenen Ablässe sowie die häufigen Verweise, diese Orte selbst gesehen zu haben (das alles han ich gesehen, b. i. g. [bin ich gewesen], Do selbst ist ablaß aller sunde) möchte er zum einen seinen Stolz zum Ausdruck bringen und zum anderen die Glaubwürdigkeit des Berichteten unterstreichen. Egens Alexandrien ist die Stadt, in der St. Katharina und St. Markus gemartert und enthauptet worden sind: Jtem jn alexandria sahen wir die seule darauff man das Rat hat gemacht darauff man sant kathareina wolt habenn gemartert. Jtem do selbest ist die Stat do sie ward enthauptet Jtem do ist auch der keler darjnnen sie gefangen lag das alles han ich gesehen Jtem in allexandria ward sant Marx enthaupt do selbes haben die venediger ein kirchen (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte).

Auch in Kairo stehen mit dem Balsamgarten¹⁴⁷ und in Babylon/Altkairo mit den Kirchen religiöse Erinnerungsorte im Mittelpunkt. Dabei verweist er auf die Flucht der Heiligen Familie: Jtem in Babiloni ist vnser frauwen kirchen sant maria. Do selbst ist die statt do sie gewont hat mit vnserm herren jhesu ŗpo [= Christus] sieben jare von vorcht wegen herodis Do selbst ist ablaß aller sunde [sic] jn der kirchen vnde ander Stat bin ich gewesen Jtem in Babilon ist ein ander kirch die heist man vnser frauwen kirch dalastala [= della scala] do sach vnser fraw ein leyter jn den hymmel gen. Jn der kirchen b. i. g. [= bin ich gewesen] Jtem mer jn Babilonia ist ein ander kirch heist man Cristi kirch jn der b. i. g. Jtem so ligt zwischen Alcher vnde Babilonia ein kirch heist man sant merteins kirch han ich ein teil seins leichenams gesehen. (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte f.).

146 Vgl. Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte. Vgl. auch ebd., S. 917, zweite Spalte. 147 Vgl. Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte: „Jtem bey dem Balsam garten ist ein Brunn den hat ŗpus selber gemacht auß dem hab ich mich dreistund [= dreimal] gebadet“.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Des Weiteren berichtet er vom Mosesbrunnen, von dem er nicht nur getrunken, sondern mit dessen Wasser er sich auch gewaschen hat.¹⁴⁸ Das Mosaische Ägypten steht hauptsächlich beim Besuch des Katharinenklosters und Umgebung im Fokus. So berichtet er von Moses’ Fußspuren im Stein und von den zehn Geboten: Jtem bei dem münster sant katherein ligen gar zwen hoch Berge der ein heißt mons synay der ander Moyses perg. Jtem auff dem berg moyses ist ein stein do thett moyses sein Buß vnde vast do viertzig tag vnde viertzig nacht Jtem oben auff dem Berg gab gott moysi die tafel der zehen gebott. do ist ablaß von allen sunden (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte).

Im Mittelpunkt seiner Sinaibeschreibung stehen zudem christliche Themen, wie die Wunder der heiligen Katharina, Kirchen und Kapellen. Jtem Zu sant katherein ist ein closter darjnn ward sant katherein begraben aber sie ist aller verfüret biß an jr haupt vnde ein clein pein ist noch do das han ich gesehen do ist vil ablaß als billich ist. […] Jtem andem Berg seint drey Cappeln die ein heisst sant maria Cappeln der ander sant helliseus vnde Elias Cappell, die dritt sant Michaels Cappell vnde jn den dreien Cappeln vnde der dem stein do gott moysi die tafel gab der zehen gepott do ist auch ein Cappel oben auff dem Berge do bin ich jn allen gewesen […] Jtem von dem selben kirchlein get man auff den berg Synay do ist sant katherein Berge do sant katherein leichnam als lang gelegen ist vnde jn die engel gots als lang do enthielten manig jare ee sie erhohet [sic] ward auff dem Berg b. i. g. vnde an der Stat do Sant katherein leichnam als lang geruwet hat. (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917f.).

Eine Textstelle, die sich durch ihren Wundercharakter auszeichnet, ist dabei besonders hervorzuheben. Denn hier wird, wie vorhin bei Burchard von Straßburg, auch indirekt von der Jesusvorstellung im Islam berichtet. vnten an dem berg moysi do ist ein kirchlin do seint zwen einsydel jnnen man spricht do wurden vierzig Arbin enthauptet von des wegen das sie sagten vnde verkunten das sie gesehen hetten das cristus gen hymel were gefaren Jn dem kirchlein b. i. g. [bin ich gewesen]. (Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917f.).¹⁴⁹

148 Vgl. Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte: „desselben Brunnen han ich mir genuck getruncken vnde han heupt hend vnde füß darauß gewaschen“. 149 Vgl. Der Koran, An-Nisaa’ (4):157–159.

 4.4 Pilgerreisen 

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Das biblische Ägypten steht somit im Mittelpunkt des knappen, an einem Ablassverzeichnis orientierten Reiseberichts von Lorenz Egen. Es wird auf die biblischen Erinnerungsorte, auf die Mosesgeschichte, auf Kirchen und Kapellen, Heiligen- und Wundergeschichten sowie auf die Aufenthaltsorte der Heiligen Familie Bezug genommen. Das pharaonische und orientalische Ägypten sind hingegen unterrepräsentiert. Trotz seiner Knappheit zeigt Egens Bericht in makrostruktureller Hinsicht im Ansatz, was sich in den Ägyptenreisebeschreibungen der folgenden Jahrhunderte in extenso entfalten wird.

4.4.3 Graf Philipp von Katzenellenbogen (1433) Am 14. Juli 1433 macht sich Graf Philipp der Ältere von Katzenellenbogen, der letzte seiner Linie,¹⁵⁰ auf den Weg von Darmstadt nach Venedig, um ins Heilige Land und nach Ägypten zu reisen.¹⁵¹ Seine Reiseroute führt ihn, wie Johann von Bodman (1376), Lorenz Egen (1385) und Peter Sparnau (1385), von Venedig über Alexandrien und Kairo zum Katharinenkloster, und weiter auf dem direkten Sinai-Binnenweg ins Heilige Land, von wo aus er über Venedig wieder in die Heimt zurückkehrt. Eine Besonderheit seiner Ägyptenreise besteht darin, dass er vor der Sinaireise von Kairo aus einen Abstecher zu den Klöstern der Heiligen Antonius und Paulus beim Roten Meer unternimmt. Eine weitere Besonderheit liegt in der Beschreibung des Ritterschlags zum Katharinen-Ritter. Sein Reisebericht beinhaltet somit neue Elemente des Ägyptenbildes, die im Folgenden analysiert werden sollen. Der knappe und unpersönliche Reisebericht, der aus der Feder eines Gefolgsmanns des Grafen von Katzenellenbogen stammt, weist folgende Bausteine auf: (1) Ankunft und Aufenthalt in Alexandrien, (2) Reise von Alexandrien über Rosette nach Kairo auf dem Nil, (3) Aufenthalt in Kairo, (4) Ausflug von Kairo

150 Vgl. Paula Giersch; Wolfgang Schmid, Rheinland – Heiliges Land. Pilgerreisen und Kulturkontakte im Mittelalter, Trier 2004, S. 123f. Ihnen zufolge steht Katzenellenbogen in einer jahrhundertealten Wallfahrtstradition. Seine Familie soll die meisten Pilger der westdeutschen Adelshäuser hervorgebracht haben. 151 Die Studie bezieht sich auf die Textausgabe von Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen (1433–1434). In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 14 (1882), S. 348–372. Die Reiseroute wird in Anm.1 präzisiert: „die Reiseroute von Darmstadt aus geht über Zwingenberg, Sinsheim, Marbach, Stuttgart, Nürtingen, Blaubeuren, Ulm, Memmingen, Kempten, Vils, Lermoos, Telfs, Innsbruck, Matrey, Sterzing, Mühlbach, Brunecken nach Toblach; von dort nach Ampezzo (zum Heyden), SMartino, Ospitale, SCroce, Serravalle, Conegliano, Treviso, Mestre und Venedig“ (ebd., S. 349, Anm. 1).

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

zum Antonius- und Pauluskloster beim Roten Meer, (5) Wieder in Kairo, (6) Weiterreise von Kairo über Suez zum Katharinenkloster, (7) Aufenthalt beim Katharinenkloster und (8) Weiterreise vom Katharinenkloster durch die Sinaiwüste ins Heilige Land. Das Motiv seiner Pilgerfahrt soll dabei die Bitte um einen männlichen Nachkommen gewesen sein.¹⁵² Von Venedig aus reist er am 10. August über Candia nach Alexandrien, wo er am 11. September ankommt.¹⁵³ Der Autor berichtet von Reise- und Zollgebühren, die an den Grenzen innerhalb Ägyptens erhoben werden, so z.B. in Alexandrien 150 Dukaten, an einem Zollpunkt zwischen Fuah und Bulak zwei venezianische Groschen und in Kairo fünf Dukaten pro Person.¹⁵⁴ Nach dem Aufenthalt in Alexandrien reitet Katzenellenbogen mit seiner Reisegruppe auf Eseln drei Meilen bis zum Nil (bis Rosette), von wo aus er auf einem Schiff sieben Tage über Fuah nach Bulak weiter reist. Item […] rieden wir zu Alexandrien uſs eselen dry mile, byſs wyr uff das wasser qwamen. Vff dem selben wasser foren wyr tzwene tage vnd eyn nacht. Das selbe wasser geet in eynen graben, der ist kûme anderhalben glenen [Speerlängen] wyt vnd ist eyn arme vſser dem Nyele. Das selbe wasser gehit vſs dem Paradiese. Vnd qwamen uff montag zcu nacht des heilgen Cruczes tag [14 sept.] ghene Foan [Fuah]; da lagen wir die selbige nacht uff der Nyele zu Ffoan, vnd das selbige lant heiſset Egipten. Item von Foan ghene Bolagk, 4 tage vnd nacht reyse, foren wyr uff dem wasser, das uſs dem Paradise gehit, daz heiſst die Nyele, vnd uff dem selben wasser da lihen insulen, da sahen wir etwas vile lyntworme anligen, wan das wasser ist an eym deill enden also wyt, als der Ryne, vnd qwamen gene Bollagk uff fritag nehest vor sant Matheus tag [18 sept.], lagen wir die nacht uff dem wasser. Item tzwuschen Ffoan vnd Bolagk ligt eyn tzolle, da gaben wir vnſser 17 tzwene Venediger grossen, der selb tzoll heiſst Setheûae [Saidieh]. Item von Bolagk ghene Alkeyer czalt man dry milen bis an die herbirg, vnd ligt eyns an dem andern. Da qwamen wyr uff sampstag nehst vor sant Matheus tag [19 sept.] ghene Alkeyer (Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich

152 Vgl. Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 107; Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 78. 153 Vgl. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 349f.: „Anno domini tusent vierhondert vnd dru vnd dryſsig uff dinstag nehst nach sant Margareten [14 juli] reit der edel vnd wolgeborn herr Philips, graue czu Katzenelnbogen vnd czu Dietz, zcu Darmstait uſs in willen, mit gots hulf ober mere zcu faren. Vnd ist mit den synen in dyſsen nachgeschreben herbirgen vnd heilgen steden gewest […] Item uff sant Laurencii tag [10 aug.] foren wir zu Venedigen uſs uff dem mere vnd wolten ghene Candian; dazwuschen czelt man 1400 mile. Da qwamen wir hen uff dinstag nehist nach sant Bartholomeus tag [25 aug.]. Item vff Vnser lieben frauwen obent natiuitatis [7 sept.] foren wir uff dem mere zu Candian an ghene Alexander; dazwuschen czelt man 600 milen. Da quame wir ghene Alexander uff frytag nehist vor Exaltacionis sancte crucis [11 sept.]“. 154 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 351f.

 4.4 Pilgerreisen 

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Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 351).

Nach dem Aufenthalt in Kairo schlägt Katzenellenbogen eine ungewöhnliche Reiseroute ein. Vom 22. September bis zum 4. Oktober macht er nämlich einen Abstecher über Beni Suef in Mittelägypten zu den Klöstern von St. Antonius und St. Paulus in der ägyptischen Wüste beim Roten Meer. Diese Route ist eine besondere Reiseroute. Denn der Tradition nach soll die Heilige Familie auf ihrer Flucht die Strecke von Kairo bis Beni Suef eingeschlagen haben.¹⁵⁵ Es handelt sich hierbei um ein bedeutendes Wallfahrtsziel ägyptischer Heiliger und Mönche, die im 1. Jahrtausend beispielsweise von Egeria, Paula und dem Pilger von Piacenza gewürdigt werden. Von den deutschen Reisenden des Mittelalters werden diese Orte jedoch selten aufgesucht.¹⁵⁶ Damit ruft Graf von Katzenellenbogen das Bild vom frommen Ägypten, Ägypten als Geburtsland des Mönchtums in Erinnerung. Es liegt ferner die Vermutung nahe, dass das besondere Reisemotiv des letzten Grafen von Katzenellenbogen, d.h. die Bitte um männliche Nachkommen, der Grund für diesen in seiner Zeit ungewöhnlichen Abstecher zu den heiligen Stätten beim Roten Meer gewesen sein dürfte: Item vff dinstag nehist nach sant Matheus tag [22 sept.] riedden wir czu Alkeyer vsſs vnd durch Babilonyen bis das wir an das wasser kamen, […] vnd saiſsen in eyn schiff uf das wasser, […] kûme eyn myle von Babilonien. Da blieben wir halten by eyme dorff, das heyſset Dethora ledûwij, da waren wir in eyner kirchen, da sant Jorgen vatter ynne begraben ligt. Item von Dethora leduwij gene Derij cammesa, das ist eyn cloister vnd ligt auch an der Nyele. Da foren wir tzwene tage- vnd tzwo nachtreysen tzwuschen. Da qwamen wir in das cloister uf fritag nehist vor sant Michels tag [25 sept.] vnd lagen da ober nacht. Item uff sampstag nehst vor sant Michels tag [26 sept.] riedden wyr czu Derij cammesa in dem cloister uſs uff kemeltyeren drittenhalben tag vnd nae tzwo halbe nacht durch die wostenûnge,

155 Vgl. Fathy Saiid Georgy, The Flight of the Holy Family to Egypt, Kairo 2001, S. 14: „The Holy Family left Old Cairo towards the south, where they reached El Maadi district. Here is a beautiful church built after the name of St. Mary also known as El-Adawiya. From that same place the Holy Family sailed up the river Nile to Upper Egypt“. 156 Wenige europäische Pilger im Mittelalter statten dem Antonius- und Pauluskloster einen Besuch ab. Meinardus rekonstruiert anhand von Graffitti im Katharinenkloster und im Antonius- und Pauluskloster die Pilgerfahrt schleswiger Pilger. Dabei handelt es sich um die 1436 unternommene Pilgerfahrt der Schleswiger Ritter Dettlof von Sehestedt/Schinkel und von Rathlow. Von dieser Reise sind jedoch keine schriftlichen Aufzeichnungen überliefert. Vgl. hierzu Otto F. A. Meinardus, Eine Schleswiger Pilgerfahrt zum Heiligen Land, zum Sinai nach Ägypten im Jahre 1436. In: Studia Orientalia Christiana Collectanea, 22 (1989), S. 153. Zum Antonius- und Pauluskloster siehe Otto F. A. Meinardus, Pilger, Missionare, Hierarchen im St. Antonius-Kloster. In: Kemet, 9/3 (2000), S. 46ff.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

bis das wir qwamen czu sant Anthonien cloister, da der liebe herr sant Anthonius in dryen kyrchen in dem selben cloister gewonet hait. […] Da qwamen wir uf sant Michels abent [28 sept.] hien czu Sant Anthonienn. Item vff sant Michels abent zu nacht riedden wir zu Sant Anthonius uſs ghene Sant Pauwels des wegs woil czehen milen bis an eynen bergk, darober gyngen wir, da czalt man funff-czehen milen ober den berg bis in sant Paulus cloister. Da qwamen wir yn uf sant Michels tag [29 sept.]. […] vnd sant Paulus ligt na by dem Roden mere. Vnd wir waren zu Sant Paulus also lange, bis wir gaiſsen vnd sliffen auch wol tzwo stunde oder dry vnd gingen da widder zu Sant Paulus uſs uff sant Michels tag vnd gingen als lange, byſs wir widder ober den bergk qwamen. Da saſsen wir widder uf die camele vnd ryedden, bis das wir qwamen uf sant Michels tag zu mitternacht widder zu Sant Anthonius. Item vff mitwochen zu mitiage nach sant Michels tag [30 sept.] riedden wir zcu Sant Anthonius uſs zu Alkeyer zcu. Item uff fritag nach sant Michels tag [2 oct.] qwamen wir widder czu Dericammesa, da lagen wir yn biſs uff sampstag zu nacht nest darnach [3 oct.], foren wir an uff der Nyele vnd qwamen uff sontag darnoch [4 oct.] widder zu mittage gene Alkeyer (Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 352f.).

Danach verläuft die Reiseroute wieder in üblichen Bahnen. Am 13. Oktober, eine Woche nach der Rückkehr von der Pilgerfahrt zu den Antonius- und Paulusklöstern, reitet Katzenellenbogen mit seinen Reisebegleitern von Kairo zum Balsamgarten in Matarieh, den er auch besichtigt, und von dort durch die Wüste über Suez, den Mosesbrunnen und Wadi Ghurundel zum Katharinenkloster im Sinai.¹⁵⁷ Der Aufenthalt beim Katharinenkloster zeichnet sich durch den Besuch der heiligen Stätten im Kloster und in der Umgebung aus. Ein besonderes Ereignis während seiner Sinaireise ist der Ritterschlag auf dem Sinai, den Graf von Katzenellenbogen durch Bernhard Kress erhält und den er seinerseits anderen Reisebegleitern verleiht: Item vff den sampstag vorgenant, mit namen uff sampstag nehest vor sant Symon vnd Jude [24 oct.] in der vorgeschreben Moiseskirchen, da sloich herr Bernhart Kreyss den etelen vnd woilgebornen grauen Philipssen, grauen zu Katzenelnbogen vnd zu Dietz, mynen gnedigen, lieben herren, rittere. Item in der vurſs [vorderste, erste?] kirchen sluch myn gnediger herre, itzt genant, disse hernach geschreben, mit namen herr Gaûdentz von Rechberg, herr Albrecht von Rechberg, herr Daniel von Muderspach vnd herr Conrait von Franckensteyne alle vier ritter (Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 355).

Der Stil des Berichts ist knapp, nüchtern, trocken, detaillarm und fast ohne emotionale oder persönliche Färbung. So erzählt ein unerwähnter Autor die Reise

157 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 353f.

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in der dritten Person oder aus einer allgemeinen Wir-Perspektive.¹⁵⁸ Dabei führt er chronologisch Buch, wo und wann, wie und wieweit man reist. Über Ägyptens Landesnatur, Flora und Fauna sowie die Menschen und das soziokulturelle Leben erfährt man jedoch wenig. So berichtet er lediglich, dass der Nil aus dem Paradies fließe, wobei er wie auch schon Burchard von Straßburg, den Nil mit dem Rhein vergleicht.¹⁵⁹ Des Weiteren findet sich ein spezifizierender Hinweis darauf, dass die Mönche Jakobiner sind.¹⁶⁰ Und über die Muslime, die er als Heiden bezeichnet, berichtet er, dass sie beim Katharinenkloster eine Kirche (Moschee) haben: „Item haben die Heyden auch eyn kirche uff dem vorgenanten berge by Moyses kirchen“.¹⁶¹ Im Vergleich zu den vorher behandelten Reiseberichten sind einige geographische Angaben neu. Im Deltagebiet erwähnt er die Stadt Fuah und in Kairo die Ortschaft Bulak.¹⁶² Für ihn sind Bulak, Kairo und Babylon drei dicht beieinander liegende Städte.¹⁶³ Die Besonderheit des Berichts besteht aber vor allem in der ungewöhnlichen Exkursion zu den Klöstern

158 Giersch/Schmid vermuten hinter dem unbekannten Autor den Gefolgsmann Siegfried von Gelnhausen: „Der Autor nennt zwar an keiner Stelle seinen Namen, konnte jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit als Siegfried von Gelnhausen identifiziert werden, Zollschreiber zu St. Goar. Vor diesem biographischen Hintergrund erscheinen schließlich zwei Charakteristika verständlich: Zum einen werden häufiger als in anderen Berichten die zu leistenden Zölle und Abgaben verzeichnet, zum anderen fällt sehr viel stärker der vollkommen schmucklose, chronologischstereotype Stil auf, der eindeutig das Fehlen jeglichen literarischen Anspruchs offenbart“ Paula Giersch; Wolfgang Schmid, Rheinland – Heiliges Land. Pilgerreisen und Kulturkontakte im Mittelalter, Trier 2004, S. 124. Zur Wir-Perspektive vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 354: „da lagen wir die selbige nacht so nahe by dem Roden mere, daz myn gnediger herr mossellen [Muscheln] daran laſs“. 159 „Vff dem selben wasser foren wyr tzwene tage vnd eyn nacht. […] Das selbe wasser gehit vſs dem Paradiese. […] Item von Foan ghene Bolagk [Bulak], […] foren wyr uff dem wasser, das uſs dem Paradise gehit, daz heiſst die Nyele, […] wan das wasser ist an eym deill enden also wyt, als der Ryne“; Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 351. 160 „In dem selben vnd andern cloistern, mit namen zu Sant Antonius vnd zu Sant Katherinen vnd zu Dericammesa syn monchen, die heiſsen Jacobyner“; Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 353. 161 Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 355. 162 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 351. 163 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 352: „wan die dry stede ligent zu roren [dicht] an eynander, mit namen Bolagk, Alkeyer vnd Babilonien“.

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St. Antonius und St. Paulus. Denn dadurch finden andere Orte Eingang in den Bericht, wie z.B. das Dorf Dethora ledûwij,¹⁶⁴ das nördlich von Beni Suef am Nil gelegene Kloster Derij cammesa¹⁶⁵ in Mittelägypten oder die Klöster St. Antonius und St. Paulus in der ägyptischen Wüste beim Roten Meer. Dadurch wird das Bild vom frommen Ägypten, Ägypten als Geburtsland des Mönchtums aktualisiert. Von Ägyptens Tierwelt erwähnt er lyntworme (Krokodile),¹⁶⁶ Elefanten, die er als groß und unsäglich bezeichnet, und Giraffen.¹⁶⁷ Reittiere sind Esel (in der Stadt) und Kamele (durch die Wüste). Hinsichtlich des pharaonischen Ägypten findet man bei ihm nur einen knappen Hinweis auf die Pyramiden, die er traditionellerweise als Kornspeicher ansieht: „Item wir sahen zu Alkeyer der grofsen granaten 5 [Pyramiden], die konig Pharao bûwen liss, der waren tzw 1600 claiftern breit vnd 250 claiftern hoich“.¹⁶⁸ Im Mittelpunkt des Reiseberichts steht das biblische Ägypten. Dabei unterscheidet er sich kaum von früheren Reiseberichten, sieht man von den knapperen Ausführungen zu manchen Orten ab. Beim Besuch des Katharinenklosters erzählt er von den Kirchen und heiligen Stätten um Mose, St. Katharina und den dortigen Heiligen. Sein Alexandrien ist die Stadt, in der die Heiligen Katharina, Markus, Johann und Peter gemartert wurden.¹⁶⁹ Von Besichtigungen in Kairo wird wenig erzählt. Hauptsächlich wird von St. Barbara und

164 Vermulich der Ort El-Adawiya beim heutigen Stadtgebiet Maadi, wo der Tradition nach die Heilige Familie den Nil überquert haben soll und das seinen Namen von diesem Ereignis erhalten hat. Vgl. Fathy Saiid Georgy, The Flight of the Holy Family to Egypt, Kairo 2001, S. 14. 165 Vermutlich das Kloster Deir al-djummaizah, das heute als Dêr el-Maimûm (Dayr al-Maymun = ϥϮϤϴϤϟ΍ ήϳΩ) bekannt ist. Siehe auch Emma Brunner-Traut, Die Kopten, München 1993, S. 41. 166 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 351: „Item […] foren wyr uff dem wasser, das uſs dem Paradise gehit, daz heiſst die Nyele, vnd uff dem selben wasser da lihen insulen, da sahen wir etwas vile lyntworme anligen“. 167 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 352: „Item uff den selben tag sahen wir eyn helfant, der was also groſse, das es vnsegelich ist, auch czu Alkeyer. Item uff den selben tag sahen wir tzwene seraphen auch czu Alkeier“. 168 Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 352. 169 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 350f.: „Item zu Alexander stehit eyn loch in eyner mûer, da sant Katherina gefangen yn lagk, vnd czwo steynen sulen, uff den sulen lagk das rait, das man sant Katherinen yre heilges heûbt uff abe hiebe, hart von dem loch. Item sanctus Marcus wart auch zu Alexander mit ruden geslagen eyn lang gaſsen vſs, vnd wart aldo gemartelt vnd gedoidet. Item sant Johans, der da was almoiser, wart auch zu Alexander gedoit vnd gemartelt. Item sant Peter was von Alexander vnd was eyn patriarcha, der ward auch zu Alexander gemartelt vnd getoidt“.

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der Heiligen Familie berichtet.¹⁷⁰ Wie bei den früheren Reisenden wird auch hier der Balsamgarten in Matarieh als Aufenthaltsort der Heiligen Familie erwähnt.¹⁷¹ Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Graf Philipp von Katzenellenbogen im Jahre 1433 eine Pilgerfahrt ins Heilige Land und nach Ägypten unternimmt. Sein Beweggrund scheint die Bitte um einen männlichen Nachkommen zu sein. Der detaillarme und nüchterne Bericht folgt chronologisch dem Reiseverlauf, wobei sich die Ägyptenreise auf der Hinreise mit Besuch des Katharinenklosters ins Heilige Land gestaltet. Angaben zu Reisedauer, Entfernungen, Ausgaben und Zollgebühren sind verhältnismäßig ausführlich. Im Gegensatz dazu finden sich hier nur wenig Informationen zu Landesnatur, Flora, Fauna oder dem soziokulturellen Leben. Auch für Menschen, Politik, Regierung, Handwerk und Landschaften zeigt der Erzähler kein großes Interesse. Das Neuartige an seinem Bericht ist der Besuch christlicher Stätten in Mittelägypten und der Klöster St. Antonius und St. Paulus beim Roten Meer. Hervorzuheben ist ferner der Ritterschlag auf dem Sinaiberg. Im Mittelpunkt des Reiseberichts steht das biblische Ägypten mit dem Rekurs auf die Flucht der Heiligen Familie, die Mosesgeschichte und die Heiligenlegenden. Der kurze Hinweis auf Pyramiden und Tiere (Krokodil, Elefant, Giraffe) lässt jedoch auch eine verdeckte Neugier auf das Profane, das pharaonische und orientalische Ägypten erkennen.

4.4.4 Hans Tucher (1479) Am 06. Mai 1479 unternimmt der prominente Nürnberger Bürger Hans Tucher d.Ä.,¹⁷² Kaufmann und Mitglied des Kleinen Rats, im Alter von 51 Jahren mit

170 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 353: „sahen wir der lieben heilgen iunffrauwen sant Barbaren lichnam ligen yn eym grabe zu Alkeyer“. Vgl. ebd., S. 351: „wyr sahen czu Alkeyer Vnser lieben frauwen beheltnyſse, da sie vnsern lieben herren got vnd sich selber 7 iare yn behalten hatt, als sie von Bethleem flohe vor konig Herodes“. 171 Vgl. Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 353f „Item […] riedden wir zu Alkeyer uſs vnd riedden zu dem Balsame vnd baten in dem borne, da Vnser liebe frauwe Vnsern lieben herrn got uſs gebadet hait, vnd hait eme syne wyndeln daruſs gewischen, als sie was geflogen von Bethleem yhene Alkeyer in Egiptenlant, vnd wo sie die wyndeln uſsluge, da wuschen alle die wile kleyne ryſser, daruss der balsame fluſset. Vnd sahen den baûwm in dem garthen, da sich Vns liebe frauwe yn verbargk, wan man sie sucht da yn“. 172 Vorliegende Arbeit folgt der Textausgabe von Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers des Älteren (1479–1480). Untersuchungen zur Überlieferung und kritische Edition eines spätmittelalterlichen Reiseberichts, Wiesbaden 2002. Zum Lebenslauf vgl. ebd., 2002,

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Sebald Rieter d.J.¹⁷³ und anderen eine Pilgerreise ins Heilige Land und nach Ägypten. Seine Reiseroute verläuft, wie zu dieser Zeit üblich, über Venedig und Jaffa nach Jerusalem. Von dort aus reist er über Gaza durch die Sinaiwüste zum Katharinenkloster, anschließend nach Kairo und Alexandrien, von wo aus er über Venedig wieder in die Heimt zurückkehrt. Diese Reiseroute dominiert in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts und gilt als das übliche Organisationsprinzip dieser Zeit. Diese Reiseberichte, die den Besuch des Katharinenklosters auf der Rückreise vom Heiligen Land nennen, weisen dabei dieselben Etappen auf wie die Reiseberichte von Egen und Katzenellenbogen, nennen sie aber in umgekehrter Richtung: (1) Heiliges Land – Katharinenkloster auf dem Sinai-Binnenweg, (2) Aufenthalt beim Katharinenkloster, (3) Katharinenkloster – Kairo auf dem Landweg über Suez, (4) Aufenthalt in Kairo, (5) Kairo – Rosette – Alexandrien auf dem Nil und (6) Aufenthalt in Alexandrien. Diesem Aufbauschema folgen auch die Reiseberichte von Martin Ketzel (1476), Sebald Rieter d. J. (1479), Bernhard von Breydenbach (1483), Felix Fabri (1483) und Wolf von Zülnhart (1495–1496).¹⁷⁴ Bemerkenswert ist, dass Tucher seinen Bericht mit einer Vorrede beginnt. Aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers und im persönlichen Erzählstil bietet er Autobiographisches und überblicksartige Inhaltsangaben. Bedeutsam ist auch die Thematisierung seiner Reisemotive. Er reist weder um des Ruhmes willen, noch aus curiositas oder Leichtsinn, sondern – mit Tucher gesprochen –

S. 339, Anm. 3: „Tucher d. Ä. kam 1476 anstelle seines Bruders Endres […] in den Kleinen bzw. Inneren Rat Nürnbergs. Dieser bestand aus 34 Patrizier-Senatoren, die auf Lebenszeit in dieses Amt gewählt wurden. Schon 1478 war Tucher jüngerer [sic] Bürgermeister, ab 1480 ist er jährlich als Altbürgermeister nachzuweisen. Ab 1480 war er auch einer der 13 Schöffen, zu deren Kompetenzen u.a. die Rechtsprechung sowie die Ausübung des peinlichen Rechtes gehörte“. 173 Ein Parallelbericht über dieselbe Reise ist von Rieter d. J. überliefert. Zum Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 148–162. Denn sie stellt fest: „Die obigen Ausführungen und die Gegenüberstellung von Textteilen haben gezeigt, wie stark Tucher und Rieter voneinander abhängig sind. Die Entlehnungen von Rieter sind oft wörtlich, so daß Vergleiche, persönliche Bemerkungen und Irrtümer mitübernommen wurden. […] Die offenkundige Übereinstimmung zwischen Tucher und Rieter bekräftigt die Aussage, daß die Abfassung beider Reisebücher ohne die vorhergehende gemeinsame Sichtung der Aufzeichnungen beider Reisender nicht denkbar ist. Durch die persönlichen Erlebnisse, die genaueren Beobachtungen und die Ausführlichkeit des Berichts zeichnet sich der Text von Tucher aus“; Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 161f. 174 Zu dieser Gruppe gehören ferner Lupold von Wedel (1578) und Sebastian Schach (1604). Auch David Furtenbach und Emanuel Oerttel können dazu gerechnet werden. Denn sie begeben sich 1561 vom Heiligen Land aus über Gaza auf dem Sinai-Binnenweg zum Katharinenkloster. David Furtenbach stirbt aber und wird beim Katharinenkloster begraben. Sein fragmentarischer Reisebericht endet bei Gaza. Jacob Wormser und Graf Albrecht zu Löwenstein (1561), die sie bis Gaza begleiten, berichten von seinem Schicksal.

 4.4 Pilgerreisen 

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allein vmb Gotes ere vnd meiner sele selikeyt willen. Sein Ziel besteht im Besuch der heiligen Stätten, nicht in der Reise durch die genannten Länder an sich. So möchte er sein Reiseunternehmen zumindest verstanden wissen: Nach Cristi vnsers lieben Heren gepurt M cccc lxxix [1479] jar am dorstag, der do was der sechst tag deß monetz maý, pin jch Hanns Tucher, burger vnd die zeyt einer deß kleineren ratz der stat Nuremberg, meines alters einvndfunfczig jare vnd funf wochen, doselbst außgezogen jn dem namen des almechtigen Gottes jn willen vnd meynung alleýn vmb Gotes ere vnd meiner sele selikeyt vnd keýnes rümes, furwiczes [Wißbegier, curiositas] noch ander leichtuertikeyt willen, die heiligen stete vnd besunder die ende, do Christus Jhesus vnser seligmacher jn seiner heiligen menschheit sein leben vnd wesen gehabt, gewandelt, gotliche wunderwerck erzaigt vnd, vmb vnsers hails willen, sein manigueltigs pitters leiden, marter vnd tod geliden, vnd sein erlich leiplich begrebnuß erwelt vnd gehabt hat, besunder sein Heiliges Grab zu Jherusalem, vnd furbaß [mehr vorwärts] andere seiner lieben heiligen rastung zu besuchen. Als jch dann mit des hilff, durch des ere willen jch soliche raiße furgenomen, volbracht, vnd also gen Jherusalem zu dem Heiligen Grab, von dannen durch die wusten, do die kinder von Jsrahel gezogen vnd zu dem gepirg Sinay, jn dem landt der kleyneren Arabia gelegen, zu der heiligen junckfrawen Sant Katherina grab, vnd von dannen an das Rot Mer gen Alkeyro-Babilony vnd gen Allexandria an das mer, vnd wyderumb gen Venedig vnd her gen Nuremberg, als jch des wegs vor warlichen bericht worden, gezogen vnd kommen pin (Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 339f.).

Im Vergleich zu den bisher besprochenen Reiseschriften fällt ferner auf, dass sich Tucher über seine Schreibmotive äußert. Er möchte sein Publikum unterrichten und ihm die Informationen schlicht, aufrichtig und freundlich näher bringen. Einerseits kann man daran erkennen, dass der Reiseautor die Nähe und die Anteilnahme seiner Leser sucht. Und andererseits wird daraus ersichtlich, dass der Reisebericht publikumsbezogen verfasst ist. Die Glaubwürdigkeit des Berichteten will Tucher dadurch unterstreichen, dass er ausdrücklich betont, in seiner Schrift nur sichtiglich vnd eigentlich Gesehenes, Erfahrenes und Erkundetes in der chronologischen Reihenfolge eines Tagebuches darzulegen: Auff das aber ander frum cristenliche bruder, die jn andechtiger begirde vnd guter cristenlicher meynung, soliche raise zethunde vorhaben, mochten durch vnderrichtung, gelegenheyt vnd schicklikeyt der land vnd menschen derselben souil dest begiriger werden vnd dest mynder beswerde ab solicher langer raise emphahen, han jch, obgenanter Hans Tucher, jn guter bruderlicher meynung eynfeltiglich vnd slechtlich, menygklich jn Schriften wollen entdecken, was jch der do sichtiglich vnd eigentlich gesehen, erfaren vnd erkundigt hab. Auch was einem yeden vermogenden zu solicher raise vnd walfart zehaben notdurftig, vnd was mir geluckes vnd widerwertikeýt auff solicher raise hin vnd her wyder zugestanden vnd begegent ist, wie das hernach von einer tagraiß zu der anderen, jn newnvndvierczig wochen langk, aigentlich geschriben vnd begriffen ist (Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 340f.).

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Tucher legt somit Wert darauf, den Wahrheitsgehalt seines Berichts zu bekräftigen, indem er seine Aussagen differenziert nach seinen Quellen und Erlebnissen darbietet. Er erwähnt des öfteren, ob seine Informationen von Selbsterlebtem oder vom Hörensagen herrühren.¹⁷⁵ Die Auflistung der Namen seiner Reisebegleiter und der Personen, die er während der Reise trifft, sowie das Einfügen von Reiseverträgen in den Bericht stellen weitere Mittel dar, das Gesagte zu beglaubigen.¹⁷⁶ Ein Beispiel für die Differenziertheit seiner Aussagen und die indirekt kritische Haltung bietet die Beschreibung der Brieftauben zu Alexandrien: „Dieselben tauben hab jch gesehen jn das mere furen. Man sagt auch, er hab tauben, die man also von Allexandria gen Alkeyro schick [sic] zum soldan, wenn etwas neuß doselbst zu Allexandria ist. Da von sagt man gar eygentlichen, aber jch han desselben nit gesehen“.¹⁷⁷ Ein weiteres Verfahren, die Glaubwürdigkeit zu erhöhen, besteht in der Zurückhaltung mit Informationen im Falle wahrer Begebenheiten, die sich aber aufgrund ihrer Fremdartigkeit im deutschen Kulturraum unglaubwürdig anhören würden. Dies geschieht aus Angst, der Lüge bezichtigt zu werden, wie z.B. die kurze Beschreibung der Hühnerbrutöfen zeigt: „Jtem zu Babilony sein auch die packöfen, darjnnen man die jungen huner außprütet, do vill von zw schreiben wer, das gar lugerlichen lautt, dar vmb ich es vermeiden will zw schreiben“.¹⁷⁸

175 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 511: „darumb dieselben namen auch nachvolgend beschriben sten, als vns die arben das sagten“. Vgl. auch ebd., S. 520: „als vns der gleitzman, auch die arben, berichten“ und ebd., S. 521: „Vnd sagt vns der gleiczman, das er disen weg jn xx jaren nit geczogen were. Das gepirg nennen auch die heyden vnd arben ‚Roackyne‘“. 176 Reisende: Hans Tucher d. Ä. (vgl. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 339) und Sebald Rieter d.J. (vgl. ebd., S. 341). Auf der Ägyptenreise begleitet sie Otto Spiegel mit seinem Diener (vgl. ebd., S. 501). Vier Franziskanermönche sind ihre Begleiter zum Katharinenkloster und nach Kairo: „Jtem am von tag deß monatz September, suntag, zu nacht nach der vesper, zugen wir egemelte walbrudere mit sampt iiij bruderen parfuser ordens auß dem closter monte Syon […]. Vnd zogt auch mit vns der gleiczman, der groß calin vnd auch der clein calin“ (ebd., S. 505). Auf dem Weg von Gaza zum Katharinenkloster und nach Kairo wird die Reisegruppe vom kleinen Dragoman samt den Kamel- und Eseltreibern begleitet: „Jtem am xxj. tag septembris, Sant Matheus tag, iij or vor tags, zugen wir alle obgenante walbrudere vnd geferten von Gaczera vor der stat von dannen. Vnd hetten xj kamel, die vnsere speiß vnd gerete trugen, vnd iiij arben, der die kamell waren, vnd hetten xiij esell darauff wir ryten vnd die jr speiß trugen, vnd drej eseltreiber“ (ebd., S. 510f.). Auch von Kairo nach Alexandrien reisen die drei mit Dienern, zwei Franziskanermönchen, dem venezianischen Hauswirt und dem Dragoman Aly (vgl. ebd., S. 574). 177 Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 586. 178 Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 564. Vgl. auch ebd., S. 573: „Jtem wir erfuren auch zu Alkeyro jn der zeyt, als wir do lagen, vil vnd

 4.4 Pilgerreisen 

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Was Aufbau und Gliederung des Reiseberichts angeht, so kann man feststellen, dass auch bei Tucher der Reiseverlauf die Komposition bestimmt, wobei Reisekultur, religiöse Themen und orientalisches Motiv dominieren. Es handelt sich um „tagebuchartige Aufzeichnungen in einem fortlaufenden Nacheinander zusammengestellt, datiert und lokalisiert“.¹⁷⁹ Der von der Reiseroute bestimmte chronologische Erzählrahmen wird jedoch bisweilen von Exkursen und Reiseanweisungen unterbrochen, wodurch sich deutlich der informativ lehrende Charakter des Reiseberichts zeigt.¹⁸⁰ Die Reisebeschreibung lässt sich hauptsächlich in drei Einheiten unterteilen: (1) Hinfahrt von Nürnberg über Venedig nach Jaffa, (2) Ankunft und Aufenthalt im Heiligen Land und Ägypten und (3) Rückfahrt von Alexandrien nach Venedig.¹⁸¹ Tuchers Reisewerk unterscheidet sich von den bereits behandelten Reiseautoren v.a. dadurch, dass es eine persönlichere Note und eine flüssigere, epische Darbietung aufweist. Dabei wechselt er zwischen der Ich- und Wir-Form.¹⁸² Aber auch das unpersönliche man und das Berichten im Tatsachenmodus kommen vor, v.a. in deskriptiven Partien, bei Exkursen und

mangerley selczsamkeyt, das jn teutschen landen vngeleuplichen were zu horen, darumb ich das alles vermyden hab zuschreiben, auß vrsachen mich darzu bewegend“. 179 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 216f. 180 Vgl. folgende Exkurse in Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002: Theriak (S. 458), Chronik des Königreichs Jerusalem (S. 472), Regimen Sanitatis für die Schiffsreise (S. 481), Rezepte des Nürnberger Arztes Hermann Schedel (S. 486), Landweg Nürnberg-Jerusalem (S. 488), Anweisung für die Reise zum Katharinenkloster (S. 490), Reiseweg von Gaza nach Kairo (S. 573), Gestalt des Heiligen Grabes (S. 617), Anweisung für die Reise Venedig-Jerusalem (S. 624) sowie Kopie des Schiffvertrags (S. 636). 181 Die erste Etappe (Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 339–350) umfasst die Reise von Nürnberg nach Venedig (6.–18.5.1479), den Aufenthalt in Venedig und die Reise Venedig-Jaffa (14.6.–28.7). Die zweite Phase fasst in einem ersten Teil (ebd., S. 350–497) die Reise Jaffa-Jerusalem (28.7.–2.8), den Aufenthalt im Hl. Land sowie in einem zweiten Teil (ebd., S. 501–598) die Reise von Jerusalem nach Gaza (5.–7.9) und zum Katharinenkloster (7.9.–4.10.), den Aufenthalt dort und die Reise Katharinenkloster-Kairo (8.–15.10.), den Aufenthalt in Kairo, die Strecke Kairo-Alexandrien (4.–8.11.) und schließlich den Aufenthalt in Alexandrien. Die dritte Etappe (ebd., S. 598–617/637) schildert dann die Rückreise von Alexandrien nach Venedig (8.2.–18.3.1480) und anschließend Exkurse. 182 Vgl. z.B. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 443f.: „Do ging jch mit meiner geselschaft, hern Otten Spiegel vnd Sebolten Rieter mit vnseren peden knechten, gen ]herusalem. Vnd ging der clein calin, das ist der tulmetsch, mit vns, vnd wolten vns auff die fart gen Sant Katherina erkunden vnd auffdingen, als wir nachmals auch tetten“ oder ebd., S.449: „Jtem am x. tag deß monatz augusti richten sich die pilgram zu. Vnd denselben obend mit vnttergang der sunnen schyden sie von vns vnd ritten dieselben nacht gen Rama vnd darnach furter gen Jaffa auff die galein. Also belayb jch mit meiner geselschafft zu Jherusalem“. Vgl. auch ebd., S.545: „Jtem als wir pey einer or auff dem perg Sinay gewest warm, gingen wir wyder den vorigen stickleten weg abwartz. Den komme jch mit ij bruderen vnd etli-

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

Reiseanweisungen.¹⁸³ Bei Tucher kann man des Weiteren beobachten, wie der Berichtende mehr und mehr aus dem Schatten des Berichteten tritt. Dabei sind nicht nur die Objektwelt und das Faktische, sondern auch eigene Erlebnisse und Eindrücke Gegenstand des Berichtens. Zudem stellt Tuchers Bericht für die Kulturgeschichte des Reisens ein wertvolles Dokument dar. Denn er liefert genaue und detaillierte Informationen zu Routen, Stationen, Dauer und Kosten der Reise sowie über Reiseverträge, Dolmetscher und Herbergen. Im Stil eines Reiseführers liefert er auch Informationen zu den Reisevorkehrungen. In Venedig wird der Schiffsvertrag abgeschlossen und ein Diener namens Polo Muffo angestellt, der die heydenische sprache wol konde, worunter hier Arabisch zu verstehen ist: Zu Venedig waren wir bey einander jm Deutschen Hauß. Vnd nach rat der, die sich darumb verstunden, dingten wir vns daselbst einen welischen knecht genant Polo Muffo, der zu Venedig mit weib vnd kinden seßhaft was vnd die heydenischen sprache wol konde. Also das wir beide jm alle monat, so lang wir sein die raise zugeprauchen notturftig weren, zu solde geben solten vierdhalben ducaten vnd darczu ein heydenisch kleyd, das alles sich einen yeden monat wol auff vier ducaten machet. Wir dingten vns auch doselbst zu Venedig auff ein galyen zu einem patron, miser Augustin Conterini genant, der massen, das vnser eyner jm geben solte von Venedig gen Jherusalem fur schifflone, speise vnd zolle viervnd dreissig ducaten, vnd fur vnsern vorgenanten gedingten knecht Polo fur speiß vnd schifflon zehen ducaten. Vnd den zolle fur denselben vnsern knecht solten wir bede brudere selber außrichten, darjnne vns dann auff das nehst zu erlangen, der patron fuderlich sein solte. Dabej ward auch zwischen dem patron vnd vnser sunderlich gedingt vnd abgeredt: Ob geschehe, das wir von Jherusalem furter gen Sant Katherina nicht zugen, sunder mit jm widerumb gen Venedig faren wurden, so solte jm vnser eyner do dannen von Jherusalem biß gen Venedig fur speise vnd furlon geben sechtzehen ducaten, vnd fur vnser knecht, zehen ducaten. Darauff bezalten wir jm auch solichs gedingten lons von Venedig biß gen Jherusalem fur vns bede vnd vnsern knecht Polo alsbald mit parem golde, nemlich: achtvndsibenczig ducaten, vnd namen auch dabej solichs gedings vnd abrede von dem patron ein verschreibung (Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 341ff.).

chen arben jn ij stund herab. Wir gingen aber gar hart vnd seer. Etlich kommen ein stund, etlich anderthalbe nach vns herab, die nit als seer herab lýeffen als wir“. 183 Vgl. z.B. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 490f.: „Jtem wer den wegk gen Sant Katherina zyehen wil auff Jherusalem zu dem ist not, sich darauf zu versehen als hernach stet: Zum ersten, als pald man gen Jaffa an das Heilig Landt kummpt, so mag man wol erfaren, wie der wegk ist von Jherusalem gen Sant Katherina, also ob man den sicher zyehen mug oder nit. Das weyß der groß trutschelman, der von des soldans wegen albeg zu Jherusalem wonet, wol. Der kumpt als pald gen Jaffa, als pald die galein mit den pilgramen dohyn kommen. Vnd der gibt auch das gleit von Jherusalem gen Sant Katherina vnd wyderumb piß gen Matheria vor Alkeyro“.

 4.4 Pilgerreisen 

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Für die Organistion und Durchführung der Reise von Jerusalem zum Katharinenkloster und nach Kairo ist der große Dragoman von Jerusalem zuständig. Mit ihm wird ein Reisevertrag abgeschlossen, bezeugt und beglaubigt.¹⁸⁴ Tuchers Gruppe wird von dessen Diener, dem kleinen Dragoman, betreut und bis nach Kairo begleitet. Dort ist der Dragoman von Kairo und in Alexandrien der von Alexandrien für die Reisegruppen verantwortlich.¹⁸⁵ Sie organisieren die Reise und die Ausflüge, betreuen und begleiten die Reisegruppe im Lande. In Kairo wird die Reisegruppe vom kleinen Dragoman namens Aly geführt und nach Alexandrien begleitet. Der große Dragoman von Kairo ermöglicht Tuchers Gruppe sogar einen Besuch im Palast des Sultans.¹⁸⁶ Übernachtet wird im Freien und in Zelten, wie bei der Durchquerung der Wüste, in Klöstern,¹⁸⁷ im Haus von Gastfreunden, wie z.B. im Haus des Dragomans in der ersten Nacht in Kairo bzw. im Hause eines Venezianers in Kairo¹⁸⁸ und/oder im Kaufhaus, dem Fontigo der Venezianer in Alexandrien.¹⁸⁹ Als Beförderungsmittel dienen Schiffe: auf dem Mittelmeer zwischen Venedig und Jaffa bzw. zwischen Alexandrien und Venedig, aber auch auf dem Nil zwischen Kairo und Rosette. Esel, Maulesel und Kamele dienen in der Wüste, in den Bergen sowie zwischen Rosette und Alexandrien als Reittiere, während in den Städten hauptsächlich Esel eingesetzt werden.¹⁹⁰ Auch über die Reisedauer berichtet Tucher. Die Entfernungen werden in welschen Meilen angegeben.¹⁹¹ Neu ist der Einsatz des Kompasses, den Tucher auf der Reise mit

184 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 501ff. 185 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 555ff. und S. 570ff. 186 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 570ff. 187 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 505–522 und S. 550–555. Zur Übernachtung im Kloster vgl. ebd., S. 522–550. 188 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 558f. und S. 559. 189 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 578. 190 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 510f., S. 558, S. 565 oder S. 574ff. 191 Vgl. z.B. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 512f. Eine welsche Meile entspricht ca. 1,5 km; vgl. auch ebd., 2002, S. 350 Anm. 11.

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sich führt,¹⁹² was für „Tuchers geographisches Interesse“¹⁹³ und das wachsende naturwissenschaftliche Interesse am Ende des 15. Jahrhunderts spricht. Tuchers Reisebericht zeichnet sich durch Ausführlichkeit aus. Das betrifft nicht nur die Informationen über die Reisekultur seiner Zeit. Er vermittelt uns auch ein detailreicheres und bunteres Ägyptenbild als Boldensele, Egen oder Katzenellenbogen. Neben religiösen Themen werden verstärkt Reiseerlebnisse und profane Themen über Land und Leute, Flora und Fauna sowie Kultur und Geschichte behandelt. Das orientalische Motiv der Beschreibung von Wüste und Beduinen steht im Mittelpunkt des Abschnitts über die Wüstendurchquerung von Gaza zum Katharinenkloster und bis nach Kairo. Das biblisch-mosaische Ägypten wird in diesem Abschnitt ebenso thematisiert wie muslimische Reisende, die nach Mekka pilgern. Auch ein Hinweis auf eine Moschee fehlt dabei nicht. Beim Katharinenkloster dominieren religiöse Themen um Mose und St. Katharina, Heiligen- und Wundergeschichten. Tucher zeigt dabei einen größeren Hang zum Fabulieren und Erzählen von Wundergeschichten als die bisher besprochenen Reisenden. In Kairo und Alexandrien werden religiöse Themen des biblisch-christlichen Ägypten (Flucht der Heiligen Familie, Balsamgarten, Kirchen, Mönche, Heiligen- und Wundergeschichten) nach dem konventionellen Schema geschildert, dominieren jedoch nicht mehr. Die nicht-religiösen Themen und die Reiseerlebnisse nehmen damit größeren Raum im Bericht ein. Was die Rezeption des orientalisch-islamischen Ägypten angeht, so lässt sich feststellen, dass die Wahrnehmung der arabisch-ägyptisch-islamischen Welt für Tucher, der sich primär als Christ versteht, hauptsächlich vom Dualismus ChristHeide bestimmt ist. Den Heiden gegenüber hegt Tucher Misstrauen, ist aber auf sie angewiesen. Bei den Verhandlungen mit dem Dragoman zu Jerusalem legt Tucher Wert darauf, den Reisevertrag in Anwesenheit anderer Christen abzuschließen, aus Angst, die heyden könnten ihn ausnutzen. Der Dragoman wird von Tucher dabei primär als Heide und nur sekundär als Ritter wahrgenommen. Wann, woe wir des nit gethon hetten, dieweil die anderen pilgram vnd die galein nit von dannen waren, so musten wir darnach vil mer geltz gegeben haben, vnd hetten vns die heyden nach jrem gefallen gedrungen vnd geschatzt. Daruwb so dyngten wir vns an, an deß soldans obersten gleiczman, der groß calin genant. Der jst ein hayden vnd jst rytter auff ein soliche meynung (Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 501f.).

192 „Jtem am xxiij. tag septembris, pfincztag, zogten wir doselbest furter xj or langk einß zyehens, wann wir allemal das compaß nach der sunnen ansahen, der wir stetz pey vns hetten“; Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 512. 193 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 270ff.

 4.4 Pilgerreisen 

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Daher ist es nicht verwunderlich, wenn die arabische Sprache die heidnische Sprache, der Gebetsraum der Muslime heidnische Kirche und ihre Kleider heidnische Kleider heißen.¹⁹⁴ In die Moschee im Katharinenkloster darf „kein crist jn dieselben heydenischen kirchen gen. Die heyden speren auch die selber vnd haben die jnnen, so die arben dohyn kommen, das die jr eygne kirchen do haben“.¹⁹⁵ Die Sarazenen/Muslime/Ägypter, die als Heiden wahrgenommen und repräsetiert werden, erfahren bei Tucher dabei eine Differenzierung. Die Beduinen, die er als arben bezeichnet, werden als Wüstenbewohner dargestellt. Die nach Mekka pilgernden Türken werden als turcken und die Mameluken, die zum Islam konvertiert sind, als verlaugende cristen verschiedener Nationen bezeichnet.¹⁹⁶ Es scheint somit, dass die religiöse Zugehörigkeit den ausschlaggebenden Identifikationsfaktor des mittelalterlichen Menschen ausmacht und den entscheidenden Wahrnehmungsfilter in der orientalischen Fremde bildet.

194 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 341f.: „nach rat der, die sich darumb verstunden, dingten wir vns daselbst einen welischen knecht genant Polo Muffo, der […] die heydenische sprache wol konde. Also das wir beide jm alle monat […] zu solde geben solten vierdhalben ducaten vnd darczu ein heydenisch kleyd“. Zudem spricht Tucher von Heiden, wenn er zwischen Jerusalem und Gaza ein Spital beschreibt (vgl. ebd., S. 507). Die Moschee wird als heidnische Kirche bezeichnet (vgl. ebd., S. 537). Und die Bewohner von Jaffa (vgl. ebd., S. 367ff.) oder Kairo werden als Heiden bezeichnet: „Jtem zu Alkeyro vnd Babilony, das dann alles ein ding vnd ein stat ist, do sein gar vil köche, die kochen. Also wo yemant reyt oder get, so sein jn allen gassen köche, wann die heyden kochen gar selten jn jren heuseren“ (ebd., S. 566). 195 Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 550. 196 Vgl. z.B. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 511: „kame auch zu vnss ein trefflicher turckischer kauffman. Der hett pey jm ein verkaufte geschleffyn oder dirne vnd andere turckische geferten mit ix kamelen, auff den sie alle geryten, der auch etliche tage zu Gaczera auff vns gewart hette von sicherheyt wegen, mit vns zu zyehen gen Althor, vnd furter vber das Rot Mere gen Alamecka zu Machmetz grab zu walfarten“. Bezüglich der Mameluken vgl. ebd., S. 567: „Vnd eß sullen yetzunt aller mammelucken ob xxijm sein, dann wenn einer stirbt, so kommen ymer zu ander, die verlaugnen, vnd das sind fast Wynden vnd Albanesen, Zirckassen vnd Walhen. Vnd gar wenig vindt man Teutsch mammelucken, sunder fast newer der obgeschriben mammelucken, das sein die verlaugenden cristen“.

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4.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht des Mittelalters 4.5.1 Ägyptomanie: Rezeption des alten Ägypten Ägypten nimmt einen besonderen Stellenwert im kollektiven Gedächtnis des Abendlandes ein. Denn es stellt einen konstitutiven Bestandteil des europäischen Selbstverständnisses dar. Das alte Ägypten wird dabei nach Assmann sowohl als Spur und Erinnerung als auch als Botschaft rezipiert. Die Geschichte Ägyptens im Sinne einer Botschaft hängt dabei mit der Geschichte der Hieroglyphen zusammen, deren Kenntnis im späten 4. Jahrhundert verschwindet. Bis zu ihrer Entzifferung 1822 verstummt damit Ägypten im Sinne einer Botschaft. Als Erinnerung und Spur bleibt es aber im kulturellen Bewusstsein erhalten. Die Verstummtheit des alten Ägypten als Botschaft ist somit an der Ausbildung eines esoterischen Ägyptendiskurses nicht unbeteiligt. Denn der Reisende, und durch ihn auch der Daheimgebliebene, ist angesichts der sichtbaren Spuren Altägyptens herausgefordert, den leer gewordenen Raum im kollektiven Gedächtnis der Menschheit zu füllen, um den Schleier des Geheimnisvollen zu lüften. Dies kann durch Beobachtungen geschehen, die auf Augenschein, Hörensagen und/oder anderen Quellen beruhen, oder auch durch wunderbare Deutungen. Im Mittelalter geschieht es meist durch biblische Deutungen. Die Beschreibung altägpytischer Denkmäler steht dabei oftmals in Zusammenhang mit der Kairobeschreibung. Auffällig ist jedoch, dass sich der Bildbereich des pharaonischen Ägypten im deutschen Reisebericht des Mittelalters hierbei insbesondere auf das Bildelement der Pyramiden konzentriert. Obelisken, Mumien oder Sphinx werden von deutschen Ägyptenreisenden im Mittelalter kaum erwähnt, obgleich sie bei ihrem Pyramidenbesuch zumindest auch den Kopf des Sphinx gesehen haben dürften. Erst später, wie bei Fabri (1483) und Breydenbach (1483), finden weitere Bildelemente, wie Sphinx und Obelisken, Eingang in den Reisebericht. Im Folgenden wird zunächst das Bildelement der Pyramiden zu beleuchten sein, da es den Ägyptenreisediskurs im Mittelalter dominiert. Hierbei wird auch auf die Deutung zu achten sein, die die Pyramiden im Laufe der Zeit erfahren, um einerseits Kontinuitäten und Entwicklungen im Bildbereich des pharaonischen Ägypten und andererseits die individuelle Gestaltung der Reiseautoren zu beleuchten. Im Anschluss wird auf die weiteren Bildelemente des Altägypten eingegangen, um den Blik über die Rezeption der altägyptischen Kultur im Reisebericht zu vervollständigen. Im Gegensatz zu Mumien und Sphinx gehören die Pyramiden schon seit Alters her zu den Hauptbestandteilen der Ägyptenreisebeschreibung. Um Sinn und Funktion der Monumentalbauten kursieren in den Reiseberichten aber unterschiedliche, bisweilen konkurrierende Deutungen, die erst im 16. Jahr-

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hundert eine synthetisierende Neuinterpretation erfahren werden.¹⁹⁷ Bereits im 6. Jahrhundert berichten Theodosius und der Pilger von Piacenza von Memphis, der Hauptstadt Ägyptens, „wo der Pharao wohnte, wo auch Joseph in den Kerker geworfen wurde“¹⁹⁸ und „von wo aus auch die Israeliten auszogen“.¹⁹⁹ Der Pilger von Piacenza fügt des Weiteren hinzu: „An diesen Orten befinden sich die vollen 12 Kornspeicher Josephs“.²⁰⁰ Während die Anzahl der Kornspeicher in den Reiseberichten variiert, bleibt die Auffassung, bei den Pyramiden handle es sich um die Kornspeicher Josephs, im Reisebericht des 1. Jahrtausends konstant bestehen. So liegt auch nach Epiphanios Hagiopolita (8.Jh.) Babylon mit dem Königspalast des Pharao bei dem Ort, wo „die 36 Speicher Josephs“²⁰¹ sind. Des Weiteren berichtet Dicuil, dass Fidelis (8.Jh.) nach einer langen Reise auf dem Nil die sieben Kornspeicher Josephs sieht, die er mit Bergen vergleicht und mit seinen Begleitern genau begutachtet: (2) Then, after a long voyage on the Nile they saw in the distance the Granaries made by Saint Joseph. There were seven of them, to match the number of the years of plenty: they looked like mountains, four in one place and three in another. […] (4) Next we had a careful look at the three Granaries, and were once more amazed that from their foundation right up to their topmost point they were made entirely of stone. The lower part of them was rectangular, but the upper part was round, and the very top was as sharp as a needle. [25] (5) This brother we have mentioned measured one side of one of these Granaries, and it was four hundred paces from corner to corner (Dicuil, The Measurement of the World. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 139).

197 Zur Rezeption von Altägypten, v.a. der Pyramiden vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 99ff.; Erhart Graefe, A Propos der Pyramidenbeschreibung des Wilhelm von Boldensele. In: Erik Hornung (Hg.), Zum Bild Ägyptens im Mittelalter und in der Renaissance, Freiburg 1990, S. 16ff.; Rainer Stadelmann, Die großen Pyramiden von Giza, Graz 1990, S. 10ff.; Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 43ff.; Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 169ff. 198 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 39: „Die Vorstellung zweier mehr oder weniger unverbundener Wiederentdeckungen Ägyptens ist ein Irrtum. Erstens gibt es eine durch das ganze Mittelalter durchlaufende hermetische Tradition […], und zweitens gibt es eine bislang übersehene Phase in der Gedächtnisgeschichte Ägyptens, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts beginnt und in Napoleons Ägyptenexpedition gipfelt“. 199 Pilger von Piacenza, Itinerarium. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 290f. 200 Pilger von Piacenza, Itinerarium. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 290f. 201 Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 117.

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Und schließlich nennt auch der fränkische Mönch Bernard (9.Jh.) Babylon als Sitz des Pharao und Standort der Kornspeicher Josephs.²⁰² In dieser biblischen Deutungstradition, die im 4. oder 5. Jahrhundert ihren Anfang findet,²⁰³ werden die Pyramiden als Kornspeicher Josephs gedeutet. „Diese Deutung ging auch in die Kunst ein, wie etwa die Mosaiken in San Marco in Venedig aus dem 13. Jahrhundert belegen“.²⁰⁴ Auf die biblische Deutungstradition des 1. Jahrtausends greifen auch mittelalterliche Reiseberichte zurück. Denn die biblische Deutung der Pyramiden als Kornspeicher Josephs ist auch im deutschen Ägyptenreisebericht des Mittelalters ein Gemeinplatz, tritt aber im Laufe der Zeit mit anderen Deutungen in Konkurrenz. Wie manche Reiseautoren im 1. Jahrtausend, so beschreibt auch Burchard von Straßburg (1175) die Pyramiden als künstlich erbaute Berge, um seinen Lesern ihre monumentale Größe fassbar zu machen. Seine Bewunderung für die altägyptischen Monumentalbauten zeigt sich ferner in seiner Beurteilung als bewunderungswürdiges Werk. Die Bezeichnung Pyramide nennt er allerdings nicht: Eine Meile von NeuBabylon in der Wüste liegen zwei Berge, welche auf künstliche Weise aus sehr großen Marmorsteinen und Quadern aufgeführt sind, ein bewunderungswürdiges Werk; beide liegen einen Bogenschuß von einander entfernt, sind viereckig und von derselben Ausdehnung, so wohl was die Breite, als was die Länge anlangt; sie sind so breit, daß sie der Tragweite eines sehr starken Bogenschusses, und so hoch, daß sie der zweier Bogenschüsse entsprechen (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 323).

Während Burchard von Straßburg die Form der Pyramiden ausführlich beschreibt, sie jedoch nicht als Pyramiden benennt, begnügt sich Burchard von Monte Sion (1283/1285) mit der Erwähnung, ohne sie näher zu beschreiben: „etliche

202 Vgl. Bernardus Monachus, Itinerarium. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 142: „Pharaoh once reigned there, and during his reign Joseph built seven granaries which remain standing to this day“. 203 Die Deutung der Pyramiden als Kornspeicher ist im Reisebericht zum ersten Mal im 6. Jahrhundert belegt. Wenn ferner davon ausgegangen wird, dass Petrus Diaconus (12. Jh.), der in seinem Liber de locis sanctis die Pyramiden auch als Kornspeicher bezeichnet, auf den verlorenen Teil von Egerias Reiseberichts zurückgeht, dann dürfte diese Auffassung schon seit Ende des 4. Jahrhunderts kursieren. Vgl. auch Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 170. 204 Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 170.

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dreyeckte vberauß grosse Pyramides“.²⁰⁵ Die Monumentalität der Pyramiden wird bei Burchad von Straßburg somit durch den Vergleich mit Bergen gewürdigt, bei Burchardus von Monte Sion dagegen durch die Steigerung vberauß gross. Auf Sinn und Funktion der Pyramiden gehen beide Reiseautoren jedoch nicht ein. Ihre knappe Pyramidenbeschreibung bleibt neutral-konkret und beschränkt sich nur auf das Gesehene – im Gegensatz zu Wilhelm von Boldensele (1332/34), der sich eine auf Autopsie gründende Meinung zum Verwendungszweck der Pyramiden bildet. Denn er vertritt die These, dass die Pyramiden entgegen der allgemeinen Annahme keine Kornspeicher sein können, da diese uralten Denkmäler aufgrund ihrer Bauweise dafür nicht geeignet seien. Vielmehr seien sie als Grabmäler anzusehen. Die Inschriften/Graffiti früherer Reisender an der Pyramide führt er als weiteren Beleg für seine Deutung an. Jenseits von Babylonia und dem Paradies-Flusse, der Wüste zu, die sich zwischen Ägypten und Afrika befindet, stehen mehrere uralte Denkmäler in Pyramidengestalt, deren zwei von wunderbarer Größe und Höhe sind, aus sehr großen und geplätteten Steinen, auf denen ich Jnschriften in verschiedenen Sprachen fand. Auf einem fand ich diese lateinischen Verse im Steine eingekratzt […]. Die dunkle Ausdrucksweise dieser Verse hielt mich etwas fest. Allgemein behauptet man, dass diese ungeheuren Denkmäler die Kornhäuser des Pharao gewesen seien, und sie nennen sie auch so. Aber das ist gewiss nicht richtig, weil man weder zum Einbringen, noch Herausnehmen, noch zum Bewahren von Getreide einen passenden Platz in den Pyramiden selbst finden kann, weil sie von oben bis hinunter voll der größten miteinander fest verbundenen Steine sind, nur eine kleine vom Boden hoch abstehende Thüre und ein gerader und finsterer Gang führt zu einem Raume im Jnnern, aber keine größere Erweiterung zeigt sich. Dass es wirklich Denkmäler sind, thun die angeführten Verse kund und vieles andere an Ort und Stelle (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Ferdinand Khull (Hg.), Zweier deutscher Ordensleute Pilgerfahrten nach Jerusalem, Graz 1895, S. 19f.).²⁰⁶

Bei seiner Hypothese scheint sich Boldensele auf den eigenen Augenschein zu stützen. Andere Quellen, die diese korrekte Auffassung vom Verwendungszweck der Pyramiden als Grabmäler vertreten, werden im Reisebericht nicht erwähnt,

205 Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a: „Von Babylonia zwo meil stehen etliche dreyeckte vberauß grosse Pyramides / vnd davon seyn noch zwo meil gen Thebe / daher die Legio Thebaeorum gewesen / vnnd dabey ligt auch die Wüste Thebaidis / darinn vorzeiten ein grosse Anzahl Muench gelebt haben“. 206 Vgl. auch Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 124f.

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sind aber nicht auszuschließen.²⁰⁷ Boldenseles Deutung von Sinn und Funktion der Pyramiden zeugt von einem kritischen Geist und von seiner Individualität. Denn im deutschen Ägyptenreisebericht des Mittelalters stellt seine kritische und entschiedene Deutung lange Zeit die Ausnahme dar.²⁰⁸ So führen Sudheim (1336) und Harff (1496) beide Ansichten nebeneinander an, ohne Position zu beziehen. Dabei scheint Boldensele, beiden Autoren als Vorlage zu dienen. Ihr Vorgehen ist aber unterschiedlich. So beschreibt Sudheim die Pyramiden als Grabstätten. Dies erscheint bei ihm beinahe als Tatsache. Wie Boldensele führt er dabei die Inschriften früherer Reisender an, überlässt ihre Interpretation aber dem Leser. Am Ende fügt er noch an, dass die Pyramden von den Ägyptern Scheuwren Pharaonis genannt werden. Im Gegensatz zu Boldensele bezieht Sudheim also nicht eindeutig Stellung: Bey der neuwen Statt Babylon / jenseit deß Fluß Nili / gegen der Wiesen Egypti / werden gefunden herrliche vnnd gewaltige Grabstätt / auß schönen gehauwenen Steinen gemacht / vnter welchen sonderlich zwey grosse vnnd gegevierdte sind / daran an einer seiten Latein / an der anderen Grichisch / an der dritten Hebraisch / an der vierdten sonst viel / daß man nicht weiß was es ist / geschrieben stehet / Aber an dem ersten theil / so viel ich lesen hab können / werden diese Lateinische Verß gefunden in den Stein gehauwen […]. Was nun der innhalt vnd verstand deren Verß sey / wöllen wir dem verstendigen Leser heym-gestellt haben. Diese Grabstätten werden von Jnnwohnern genennet die Scheuwren Pharaonis (Ludolf von Sudheim, Fleissige Auffzeichnung aller Gelegenheit. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 444b–445a).

Im Gegensatz dazu geht Harff von der Annahme aus, die Pyramiden seien die drijn kassa Pharaoni. Nach einer detaillierten Beschreibung von Gestalt und Bauweise der Pyramdien, berichtet er von der Pyramidenbesteigung und der Panorama-Aussicht über Ägypten. Im Anschluss erwähnt er die tradierte Korn-

207 Scharff vermerkt, dass diese Auffassung schon im 7. Jahrhundert zu finden ist: „Die entgegengesetzte Tradition der Pyramiden als Grabmäler wird vor allem durch Isidor von Sevilla (gest. 636) verkörpert. Dessen Etymologiae waren aber im gesamten Mittelalter außerordentlich einflußreich und wirkten auch in starkem Maße auf die enzyklopädische Literatur ein, wie etwa das Werk De universo von Hrabanus Maurus, der Isidor in diesem Zusammenhang wörtlich wiedergibt“ Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 170. Vgl. hierzu auch Erhart Graefe, A Propos der Pyramdienbeschreibung des Wilhelm von Boldensele. In: Erik Hornung (Hg.), Zum Bild Ägyptens im Mittelalter und in der Renaissance, Freiburg 1990, S. 16. 208 Vgl. auch Erhart Graefe, A Propos der Pyramdienbeschreibung des Wilhelm von Boldensele. In: Erik Hornung (Hg.), Zum Bild Ägyptens im Mittelalter und in der Renaissance, Freiburg 1990, S. 18f.

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speicher-Theorie, gibt aber zu bedenken, dass er keinen Eingang in die Pyramide finden könne. Die Deutung der Pyramdien als Grabstätten schließt er an, ohne eine Deutung zu favorisieren. Vielmehr überlässt er dem Leser das Urteil.²⁰⁹ Im Gegensatz dazu weist Mandeville (1322–56) Boldenseles Auffassung entschieden zurück und bevorzugt stattdessen die Kornspeicher-Theorie.²¹⁰ Diese Theorie bleibt auch in der Folge weiter bestehen, wie z.B. die Reiseberichte von Katzenellenbogen (1433) und Tucher (1479) bezeugen.²¹¹ Sie tradieren sie weiter, kurz und knapp, ohne jegliche persönliche Note: Item wir sahen zu Alkeyer der grossen granaten 5, die konig Pharao bûwen liss, der waren tzw 1600 claiftern breit vnd 250 claiftern hoich. (Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 352). Jtem auff dem perg, oder puhel, vor Babilony vbersahen wir auch die treyd kesten Pharaonis, die er jn den vij tewren jaren vol getrayds gehabt hat, die einßteils zerfallen sein (Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 562).

209 Vgl. Harff. Eberhard von Groote (Hg.), Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff, Köln 1860, S. 108f.: „Item dese tzweyn mammeloicken voeirten mich oeuer den Nijll zo den drijn kassa Pharaonis, wael vonff duytzscher mylen van deser stat Alkaijr. […] as wir nv an dese drij toerne quaemen saygen wir gar selsen ghemechs. wir maissen den meisten toern vnden off der erden, der vier eckettich was, van eyme eck zo deme andern hundert roeden wijt ind dat vier mayll ront vmb. deser toern is gar mit groyssen swaeren steynen off gemuyrt, sees, seuen voesse lanck ind vertuest sich in die hoechde allet eynen steyn wie eyne trappe. soe gyngen wir van buyssen off wael drij geslagen vren bys off dat hoechste, dat was wael tzwae royden breyt ind wijt. dae saegen wir gar wijt oeuer gantz Egypten lant ind oeuer dat lant van Alexandrijen in dat westen mer. men maich ouch den thorn hundert lumbartsche mylen off dyssijdt Alexandrijen in dem mer wael erkennen […]. as wir vns nv resten off deseme toerne ind hatten ghetzert die kost die wir mit off gedragen hatten, stegen wir weder heraeff. in deme schossen mir die mammeloicken zo eren mallich wael xx pijle heraeff van deme torne vss yeren stercken hoernen hant boegen ader armbursten, soe dat sij nyet off die erde schiessen moechten, dan wir die pijle wael off der heischet van deme toerne weder vonden. man wylt sagen koenynck Pharao hait sij laissen buwen in den duyren jaeren ind halt sij vol korns gehat. dar vmb so heyscht man sy kassa Pharaonis. aber ich en hayn gheynen inganck moigen vynden. etzlige wyllen sagen it sijnt begryffenys geweest der alder koenynck van Egypten“. 210 Vgl. [Mandeville], Reisen des Ritters John Mandeville, hg. von Christian Buggisch, Regensburg 2004, S. 97: „An den Kornspeichern steht allerlei in verschiedenen Sprachen geschrieben und viele sagen, dass dort große Herren begraben seien. Das ist aber nicht wahr. Wären es Gräber gewesen, hätten sie keine Türen und wären auch nicht so groß. Darum halte ich es für unwahrscheinlich, dass es Gräber sind“. 211 Auch Rieter d.J. (1479) und die sog. Niederrheinische Pilgerschrift (1473) vertreten diese Theorie; vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 100f.

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Boldenseles Grabmäler-These findet sich erst Ende des 15. Jahrhunderts wieder, wie die Reiseberichte von Breydenbach (1483) und Fabri (1483) belegen. Bei Breydenbach findet sich ein knapper Hinweis: „wir sahen auch viel grosser hoher Seulen / die etwan die König Egypti vber jre Gräber haben lassen machen“.²¹² Fabri (1483) dagegen entfaltet die Grabmäler-These in einer ähnlichen Argumentationsweise wie Boldensele. Dabei begnügt sich Fabri nicht mit dem Augenschein als Beweis. Er bezieht sich zudem ausdrücklich auf ältere Autoritäten, wie Solinus und Plinius, die seine Deutung verbürgen sollen.²¹³ Fabris Rekurs auf antike Autoren erweist sich insofern als interessant, als er den Anfang der antiken Rezeption im Reisebericht markiert und somit auf den neuen Reisediskurs der Frühen Neuzeit vorausdeutet, in dem beide Thesen eine Synthese eingehen werden, die das Nebeneinander biblischer, antiker und auf Autopsie beruhender Deutungen harmonisch vereinen wird. Jenseit dem Nyl sahen wir viel auffgemauwerter Stöcke / vnden breit / vnd in die Höhe gespitzt / eben als Berge / Da sprechen die Leyen / Es seyen die Kasten / in die Joseph Korn sammlet auff die siben theuwrt Jar / Aber das ist nicht also / denn die Stöcke sind nicht hol / daß man etwas möge drinne behalten. Es sind gantze Stöcke von Quadersteinen auffgeführt / Denn vnser etliche ritten hinüber darzu / vnd besahen die / vnd ist nichts anderst / denn daß die alten Könige von Egypten haben auff jre Gräber lassen solche Stöcke bauwen zu ewiger gedächtniß / Als denn Solinus / Plinius / vnd andere darvon schreiben. (Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 174b).

Darüberhinaus gibt es im deutschen Reisebericht des Mittelalters weitere Bildelemente des alten Ägypten. Dies sind z.B. Denkmäler des pharaonischen und griechisch-römischen Ägypten, wie die beiden Obelisken²¹⁴ oder die Pompejussäule zu Alexandrien. Auffallend ist, dass frühere Reisende, wie Egen und Katzenellenbogen, diese altägyptischen Denkmäler nicht erwähnen. Erst im Spätmittelalter finden sie Eingang in den deutschen Ägyptenreisebericht, wie aus den

212 Bernhard von Breydenbach, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 108a. 213 Vgl. Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 171f. 214 Die sog. Nadeln der Kleopatra werden von Tuthmosis III. gestiftet. Sie stehen ursprünglich vor dem Eingang des Tempels von Heliopolis und werden unter Kaiser Augustus (ca. 13/12 v.Chr.) nach Alexandrien gebracht. Ein Erdbeben im Jahr 1301 führt dazu, dass einer der beiden Obelisken umstürzt. Dieser steht seit 1877/1880 in London, der andere seit 1880 in New York; vgl. Labib Habachi, Die unsterblichen Obelisken Ägyptens, Mainz 1982, S. 217–238.

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Reiseberichten von Tucher, Fabri, Breydenbach und Harff hervorgeht.²¹⁵ Fabri geht sogar auf die Hieroglyphen ein und stellt einen Vergleich mit dem Obelisken zu Rom an, was seine Gelehrsamkeit und die lehrende Funktion des Reiseberichts unterstreicht: Darnach giengen wir an das ort / da vor alten zeiten deß Keysers Pallast ist gestanden / deß grossen Alexanders. An dem ort stehet ein Seule von vier ecken / von einem Stein auffgespitzt / wie ein Thurn fast hoch vnnd weit / von rotem gestein / vnnd ist kein ander Geschrifft gehauwen in die Seule / denn Ext / Beyl / Messer / Kärst / Schauffeln / Hunde / Gänse / Vögel / vnd solch schlecht ding / vnn man meynt / daß die vralten Buchstaben solche Figuren haben gehabt. Die Seule ist höher vnd grösser denn die zu Rom hinder S. Peters Münster / die man heißt die Nadel / vnd spricht man / daß dieselbe Seule zu Rom bey der zu Alexandria sey gestanden / vnd der grosse Alexander habe sie lassen gen Rom führen (Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 178b).²¹⁶

Als letztes neues Bildelement des pharaonischen Ägypten im deutschen Reisebericht ist der Sphinx zu erwähnen. Auch dieses Bildelement wird erst in der Frühen Neuzeit zu einer konstitutiven Komponente des deutschen Ägyptenreiseberichts. Denn auch der Sphinx wird von den deutschen Ägyptenreisenden des Mittelalters nicht erwähnt, obwohl sie die vor den Pyramiden liegende Kolossalfigur gesehen haben dürften. Erst mit Breydenbach und Fabri (1483) wird der Sphinx zum ersten Mal in einem deutschen Ägyptenreisebericht erwähnt. Aufgrund der Ähnlichkeit ihrer Äußerungen ist zu vermuten, dass die Autoren aufeinander oder auf eine gemeinsame Quelle rekurrieren: Der Sphinx wird von beiden nämlich als Bild der Isis gedeutet, „die Abgöttin derer von Egypten / vnd ist ein Wunder von einem grossen steinern Bilde“.²¹⁷ Diese knappe Aussage markiert den Anfang der Rezeption eines Wahrzeichens von Ägypten, das bis heute vom Schleier des Geheimnis-

215 Vgl. Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 590; Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 178a–178b; Bernhard von Breydenbach, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 110a; Harff. Eberhard von Groote (Hg.), Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff, Köln 1860, S. S. 78. 216 Ähnlich verfährt auch Breydenbach, erwähnt die Hieroglyphen aber nur kurz, ohne sie zu beschreiben. 217 Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 174b. Vgl. auch Bernhard von Breydenbach, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 108a: „wir sahen auch Da bey man ein grossen Abgott mit namen Jsis / welche die Egyptij etwan anbeteten / noch stehen sehet“.

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vollen umgeben ist. Die Verstummtheit des pharaonischen Ägypten als Botschaft ist am Entstehen von wunderbaren Deutungen nicht unbeteiligt, wie sie z.B. den Sphinx umgeben. Von einem weisheitlichen Diskurs Altägyptens zeugen auch Fabri und Breydenbach. Denn sie berichten in ihren Reiseschriften, dass große Persönlichkeiten der Antike das Land am Nil bereisen, um bei den Weisen Ägyptens zu lernen: Von alters her ist viel zulauffs von aller Welt gewesen in die Statt / denn von Vntergang vnnd Auffgang der Sonnen kamen die Alten / als Apollonius / Plato vnnd Pythagoras / in diese Statt / die dazumal Memphis hieß / vnd wolten hie besehen den namhafftigen Tisch der Sonnen im sande stehen / vnnd hören die Weisen reden die hie wohneten vnnd Schulen hatten (Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 174b). Es ist auch gewiß daß vor zeiten etliche hochgelehrte Männer von Orient vn Occident seyn in dise Statt gezogen / grosse vn wunderbarliche ding von welchen sie vorhin hetten gehört / da zu sehen. Als mit namen Pytagoras / Plato vn Apollonius vnd ander habe gethan (Bernhard von Breydenbach, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 107b).

Aus beiden Ausführungen geht hervor, dass in der Antike ein idealisiertes bis esoterisches Ägyptenbild begründet wird, das Ägypten als Ursprungsland der Weisheit und Mysterien²¹⁸ ansieht. Dieses Bild wird von Fabri und Breydenbach aufgegriffen und weitertradiert. Im Hinblick auf Assmanns Mosaische Unterscheidung lässt sich dabei feststellen, dass die Reisenden Ägypten nicht im Sinne einer dekonstruktiven Erinnerung rezipieren, sondern vielmehr im Sinne einer Konversionserinnerung. Dafür steht auch Mandeville. Denn mit der Erzählung über Hermes Trismegistos bezeugt er, dass der hermetische Diskurs auch im europäischen Reisebericht zu finden ist. Dabei berichtet er von Hermes’ Leichnam, der in der Sophienkirche zu Konstantinopel gefunden worden sein soll. Hierbei wird Ägypten als Land der Weisheit und Mysterien repräsentiert und erinnert, jedoch nicht im Sinne einer dekonstruktiven Erinnerung, sondern im Sinne der Konversionserinnerung. Denn die Erzählung über das Auffinden von Hermes’ Leichnam wird bei Mandeville theologisch ausgelegt und dient als Beleg für die Wahrheit des Christentums: Item sollt ihr wissen, dass in der Kirche der heiligen Sophia, die ich oben erwähnt habe, der Kaiser von Konstantinopel einen Freund begraben lassen wollte. Als sie ihm dort sein Grab bereiten wollten, fanden sie in der Erde, unter einer großen goldenen Tafel, einen

218 Vgl. Erik Hornung, Das esoterische Ägypten, München 1999, S. 29.

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Leichnam. Auf der Tafel stand in Hebräisch, Griechisch und Latein Folgendes geschrieben: ‚Jesus Christus wird geboren werden von einer Jungfrau namens Maria, und ich glaube an ihn. Aus dem Geschriebenen ging außerdem hervor, dass der Mann schon tausend Jahre tot war, bevor Christus geboren wurde. Diese Tafel befindet sich heute in Konstantinopel, in der Sophienkirche. Sie sagen, der Tote sei der weise Philosoph Hermes gewesen.²¹⁹

Mit dieser wunderbaren Geschichte weist Mandeville auf die Existenz einer hermetischen Tradition im Mittelalter hin und begünstigt durch den Erfolg seiner Reiseschrift zugleich ihre Zirkulation. Dieser Überblick verdeutlicht somit, dass bei den deutschen Reiseautoren des Mittelalters ein Interesse an altägyptischen Kulturleistungen vorhanden ist. Bei Themenauswahl und Beschreibung der Elemente verfahren sie jedoch unterschiedlich. Daran zeigt sich, dass ihnen trotz gleicher Reiserouten und Stationen eine indviduelle und persönliche Note zukommen kann, was insbesondere die konkurrierenden und bisweilen kritischen Deutungen der Pyramiden belegen. Die Verstummtheit von Altägypten als Botschaft begünstigt dabei das Entstehen wunderbarer und bisweilen scharfsinniger Deutungen um Sinn und Funktion altägyptischer Denkmäler, wobei sich ihre Rezeption zumeist im biblischen Kontext bewegt.

4.5.2 Orientalismus: biblisches und orientalisches Ägypten Wie die obigen Analysen zeigen, stehen in den deutschen Ägyptenreiseberichten des Mittelalters die Bildelemente des biblischen Ägypten im Mittelpunkt der Beschreibung. Dies ergibt sich aus der Reisemotivation und zeigt sich in Reiseroute, Komposition des Reiseberichts und Themenwahl. Beim Großteil der deutschen Ägyptenreisenden des Mittelalters handelt es sich nämlich um Pilger, die ihre Jerusalemreise um einen Ägyptenbesuch erweitern. Zwar gibt es auch Begegnungsformen mit dem Land am Nil außerhalb der Pilgertradition. So findet die Ägyptenreise auch als selbständige Reise eines Gesandten, Kreuzfahrers, Kaufmanns oder als Reise eines Kriegsgefangenen statt.²²⁰ Dass das Ägyptenbild im Mittelalter und darüber hinaus im Abendland lebendig bleibt, ist aber vor allem

219 [Mandeville], Reisen des Ritters John Mandeville, hg. von Christian Buggisch, Regensburg 2004, S. 67f. Zur Geschichte des Hermetismus vgl. Florian Ebeling, Das Geheimnis des Hermes Trismegistos. Geschichte des Hermetismus von der Antike bis zur Neuzeit, München 2005, hier bes. S. 62–87. 220 Zu den Pilgern gesellen sich Gesandte (Burchard von Straßburg 1175, Burchardus von Monte Sion 1283), Kreuzfahrer (Oliver von Paderborn 1219–1221), Kriegsgefangene (Johannes Schiltberger 1394–1427) und Kaufleute (Ulrich Leman 1472–78).

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der christlichen Pilgertradition zu verdanken. Die Dominanz des biblischen Ägypten zeigt sich dabei in Reiseroute und Komposition. Denn die Reiseberichte, die im Aufbau meistenteils dem Reiseverlauf chronologisch folgen, beschränken sich dabei auf bestimmte Reisewege und Stationen im Sinai und Nordägypten (Sinai, Rotes Meer, Kairo, Alexandrien, Nildelta), an denen sich biblische Gedächtnisorte befinden. Da das religiöse Element die Hauptmotivation der Pilgerreise ausmacht, steht in den Reiseberichten auch die Schilderung des biblischen Ägypten im Vordergrund. Die Reisebeschreibungen ähneln dabei oftmals mehr einer heilsgeschichtlichen Topographie als einer wirklichkeitsgetreuen. Ägypten stellt dabei den Schauplatz biblischer Heilsgeschichten um Joseph, Moses und die Heilige Familie dar und versinnbildlicht den frommen Wunderglauben, den man in jeder Religion finden darf. Dadurch wird, um mit Assmann zu sprechen, der besondere Ort Ägyptens als integraler Bestandteil des christlichen Selbstverständnisses und der eigenen Identität im kollektiven Gedächtnis des Abendlandes unterstrichen.²²¹ Bei Reiseroute und Komposition des Reiseberichts lässt sich die Dominanz des biblischen Ägypten daran erkennen, dass bestimmte Routen eingeschlagen und bestimmte Orte besucht werden. So haben vorliegende Analysen drei Organisationsmodelle der Reise und des Reiseberichts im Mittelalter aufgezeigt, die folgende Bausteine umfassen: erstens Ägyptenreise mit dem Heiligen Land als Ausgangs- und Endpunkt, wie z.B. bei Boldensele (Gaza-Kairo-Katharinenkloster-Gaza), zweitens Ägyptenreise auf der Hinfahrt ins Heilige Land, wie z.B. bei Egen und Katzenellenbogen (Alexandrien-Kairo-Katharinenkloster-Gaza) und drittens Ägyptenreise auf der Heimfahrt vom Heiligen Land, wie bei Tucher (GazaKatharinenkloster-Kairo-Alexandrien). Der Abstecher von Katzenellenbogen zu den Antonius- und Paulusklöstern beim Roten Meer (Kairo-Klöster-Kairo) stellt im Reisebericht des Mittelalters eine Ausnahme dar, ruft aber das frühchristliche Bild vom frommen Ägypten, Ägypten als Geburtsland des Mönchtums, verstärkt ins Gedächtnis. Die Ägyptenreiseberichte des Mittelalters haben aber vor allem gemeinsam, dass sie den Sinai-Binnenweg zwischen Gaza und Katharinenklos-

221 Vgl. Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 476: „Man kann diese Rolle nur mit der Israels und Griechenlands vergleichen. Ägypten ist ein Teil jener Vergangenheit, die das Abendland sich selber zurechnet. […] Die europäische Identität ruht […] auf zwei einander spannungsreich entgegengesetzten Fundamenten: Athen und Jerusalem, Hellas und Israel, Hellenismus und Hebraismus. Damit ist das Spektrum jedoch nicht ausgeschöpft, denn Griechenland und Israel beziehen sich beide auf Ägypten, und zwar auf eine jeweils so ausgeprägte Weise, dass diese beiden einander entgegengesetzten Ägyptenbilder in die Sinnformationen des abendländischen Geschichtsbewußtseins und Vergangenheitsbezugs einbezogen werden müssen“.

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ter einschlagen. Gründe für die Auswahl einer bestimmten Reiseroute werden im Reisebericht selten thematisiert. So führt Boldensele beispielsweise als Grund für seine Reiseroute den Wunsch an, vom ägyptischen Sultan Schutzbriefe zu holen, um die heiligen Stätten frei und sicher besuchen zu können.²²² Möglicherweise liegt die Variation der eingeschlagenen Reiserouten nach und in Ägypten somit in der Reiseorganisation und den logistischen Möglichkeiten der Zeit begründet.²²³ Ob es sich um eine offensichtliche Intention mancher Pilger handelt, ihre Reise bzw. Reisebeschreibung in der Abfolge der biblischen Heilsgeschichte (Alter Bund = Ägypten, Neuer Bund = Heiliges Land) zu konzipieren, kann in den Reiseberichten nicht belegt werden, muss aber nicht unbedingt ausgeschlossen sein.²²⁴ Aufgrund der vorgenommenen Analysen favorisiert vorliegende Arbeit die Annahme, dass die Darstellungsweise der heiligen Stätten in Ägypten zwar durch die biblische Geographie und Heilsgeschichte beeinflusst ist, die Disposition des Reiseberichts aber durch die Reiseroute bestimmt bleibt. Der Reiseablauf liefert dabei das Grundgerüst, in das weitere Exkurse persönlicher, reiselogistischer, topo- und ethnographischer Natur integriert werden können. Darüberhinaus zeigt sich die Dominanz des biblischen Ägypten im deutschen Reisebericht des Mittelalters auch an der Auswahl der besichtigten Orte und der Themen. Denn der erklärte Beweggrund für die Ägyptenreise besteht bei Boldensele, Egen, Katzenellenbogen und Tucher, wie bei vielen anderen Pilgern auch, im Besuch der heiligen Stätten im Sinai, die mit ihrem heilsgeschichtlichen Bezug zum Berg Sinai und Moses sowie den Reliquien und Wundern der Heiligen Katharina eine große Anziehungskraft ausüben. Daneben besteht auch, wie aus dem Bericht von Katzenellenbogen hervorgeht, die Möglichkeit zum Ritter-

222 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 119: „Ich muß bemerken, daß ich von Akkon her auf diesem Wege Jerusalem kaum zwanzig Meilen zur Linken liegen ließ, weil ich zuerst Aegypten und Arabien besuchen wollte, um vom Sultan ein Empfehlungsschreiben zu erhalten, um die heiligen Orte des gelobten Landes bequemer und leichter sehen zu koennen“. 223 Vgl. hierzu auch Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 96ff. 224 Huschenbett und Neuber meinen, dass im Reisebericht von Sudheim (auch Boldensele und Mandeville) eine heilsgeschichtliche Darstellungsweise zutage tritt. Wolf vertritt hingegen die Ansicht, dass es sich um eine chronologische Darstellung handelt, die – wie damals üblich – der Reiseroute folgt; vgl. Dietrich Huschenbett, Die Literatur der deutschen Pilgerreisen nach Jerusalem im späten Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 59 (1985), S. 38f. und S. 42; Wolfgang Neuber, Zur Gattungspoetik des Reiseberichts. In: Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt a.M. 1989, S. 56; Gerhard Wolf, Die deutschsprachigen Reiseberichte des Spätmittelalters. In: Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht, Frankfurt a. M. 1989, S. 91.

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schlag.²²⁵ Des Weiteren stehen auf dem Programm deutscher Ägyptenreisender Erinnerungsorte in Kairo und Alexandrien, die biblischen Bezug zur Flucht der Heiligen Familie (Balsamgarten, Altkairo) und zur alttestamentalischen Heilsgeschichte (Joseph, Mose, Volk Israel) aufweisen. Auch christliche Tradition und Heiligenreliquien scheinen weitere Gründe einer Ägyptenreise auszumachen, da auch an diesen Orten Ablass zu erhalten ist. Dies belegen insbesondere der Reisebericht von Lorenz Egen, der einem Ablassverzeichnis zu folgen scheint, und die Reiseschrift von Martin Ketzel, die eine Aufzählung der heiligen Orte in Ägypten mit dem damit verbundenen Ablass liefert. Auffällig ist dabei, dass die Reiseberichte eine große Ähnlichkeit bei der Beschreibung der heiligen Stätten in Alexandrien, Kairo und auf dem Sinai aufweisen. Dadurch tritt deutlich zutage, dass es sich um Grundmotive des biblischen Ägypten handelt, die durch die Pilgertradition des Frühchristentums und die kanonisierten Ablassverzeichnisse geformt sind. Dabei werden die besuchten heiligen Stätten aufgelistet. Egen betont zudem die durch Ablasserwerb zuteilgewordene Gnade. Alexandrien ist in den Pilgerberichten die Stadt, in der die Heiligen Katharina und Markus gemartert und enthauptet worden sind.²²⁶ Beim Besuch des Katharinenklosters stehen das Mosaische Ägypten und christliche Themen um die Wunder der heiligen Katharina im Fokus.²²⁷ Und in Kairo stehen mit dem Balsamgarten in Matarieh und den Kirchen in Babylon/Altkairo religiöse christliche Erinnerungsorte im Mittelpunkt.²²⁸ Der

225 Ob es sich beim Ritterschlag zum Katharinenritter um eine weitverbreitete Traditon handelt, kann nicht mit Gewissheit festgestellt werden, da nur wenige Belege dazu existieren. GanzBlättler und Schwab hegen Zweifel daran; vgl. Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 232f.; Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, 57f. 226 Vgl. z.B. Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte. 227 Vgl. z.B. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 136f. und S. 138; Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917f.; Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 355. 228 Vgl. z.B. Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, zweite Spalte: „Jtem bey dem Balsam garten ist ein Brunn den hat ŗpus selber gemacht auß dem hab ich mich dreistund [= dreimal] gebadet“. Vgl. auch Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a; Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 353f.

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Verweis auf die Flucht der Heiligen Familie ist dabei unverzichtbar.²²⁹ Nichtreligiöse Beweggründe wie Weltinteresse und Neugier am pharaonischen und orientalischen Ägypten werden in den Reiseberichten hingegen kaum erwähnt. Von manchen Pilgern werden weltliche Motive als Reisegrund sogar bestritten. So betont Tucher, dass er weder um des Ruhmes willen, noch aus curiositas oder Leichtsinn reist, sondern allein „vmb Gotes ere vnd meiner sele selikeyt“²³⁰ willen. Die Themenauswahl und Erweiterung um profane Themen topo- und ethnographischer Natur im Reisebericht lassen die Annahme von Weltinteresse und Neugier als mögliche Reisegründe aber dennoch zu.²³¹ Denn trotz des Vorrangs des religiösen Elements finden sich in den Reiseberichten auch Grundmotive der Beschreibung des pharaonischen und griechisch-römischen Ägypten sowie der Beschreibung der orientalischen Landschaft (Wüste, Nil, Delta, Rotes Meer), wobei auch auf die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt (Banane/Paradiesäpfel, Balsamgarten; Krokodil, Nilpferd, Elefant, Giraffe, Kamel) eingegangen wird. Das dabei vermittelte Ägyptenbild ist, wie auch Khattab feststellt, durch „unverkennbare Ähnlichkeit“²³² geprägt. Faktoren dieser Ähnlichkeit sind u.a. die seit dem Frühchristentum entstandene Pilgertradition, die Beschränkung auf typische Reiserouten und Stationen, die Dominanz des biblischen Bezugs, die stereotypen Aussagen über ähnliche Sachverhalte topo- und ethnographischer Natur sowie die gegenseitige Abhängigkeit der Reiseautoren.²³³ Trotz dieser Ähnlichkeit

229 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 123f. Vgl. auch Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, erste Spalte f.: „Jtem in Babiloni ist vnser frauwen kirchen sant maria. Do selbst ist die statt do sie gewont hat mit vnserm herren jhesu ŗpo sieben jare von vorcht wegen herodis Do selbst ist ablaß aller sunde [sic] jn der kirchen vnde ander Stat bin ich gewesen Jtem in Babilon ist ein ander kirch die heist man vnser frauwen kirch dalastala [= della scala] do sach vnser fraw ein leyter jn den hymmel gen. Jn der kirchen b. i. g. [= bin ich gewesen] Jtem mer jn Babilonia ist ein ander kirch heist man Cristi kirch jn der b. i. g. Jtem so ligt zwischen Alcher vnde Babilonia ein kirch heist man sant merteins kirch han ich ein teil seins leichenams gesehen“. 230 Tucher. Randall Herz (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers, Wiesbaden 2002, S. 339. 231 Vgl. auch Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 221ff.; Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 52ff. und 193. 232 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 127. 233 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 5 und 127ff. Dabei handelt es sich um Merkmale des mittelalterlichen Pilgerberichts, die von Sommerfeld als gattungstypisch angesehen und in der Forschung weiter verfolgt werden. Vgl. Martin Sommerfeld, Die Reisebeschreibungen der deutschen Jerusalempilger im ausgehenden Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 2 (1924), S. 818f.; Dietrich

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lässt sich jedoch auch ein individueller Umgang mit Informationen, Erlebnissen und Themen erkennen. Hierin bestätigen die Einzelinterpretationen Khattabs Ansicht, dass „mehrere Schriften einen individuellen Charakter aufweisen“.²³⁴ Die Individualität und persönliche Note der Reiseautoren drückt sich dabei in der Auswahl der Grundmotive und die Wahl der Darstellungsweise aus: Einbezug von persönlichen Erlebnissen, ausführlicher Bericht oder knappe Darstellung. Die Dominanz bestimmter Bildelemente hängt auch von den Schreibmotiven der Ägyptenreiseautoren ab. Denn Themenwahl und Darstellungsweise sind durch die Schreibmotivationen beeinflusst. So fokussiert z.B. Burchard von Straßburg in seiner Funktion als Gesandter das orientalische Ägypten. Es stehen Wirtschaftlichkeit und Nutzen im Mittelpunkt, da er seinem Auftraggeber einen Bericht über Ressourcen, Stärken und Schwächen des Feindes vorzulegen beabsichtigt. Ähnliches kann von Boldenseles Reisebericht angenommen werden, da er seinem Auftraggeber als Wegweiser für einen geplanten Kreuzzug dienen soll. Beide Reiseberichte weisen dabei propagandistischen Charakter auf und sind im Gegensatz zu den anderen behandelten Reiseberichten durch den Kreuzzugsaufruf geprägt.²³⁵ Mit ihren offensichtlich religiösen wie bisweilen verdeckten weltlichen Reise- und Schreibmotivationen rekurrieren die deutschen Ägyptenreiseautoren des Mittelalters damit auf den besonderen Ort, den Ägypten im kollektiven Gedächtnis des christlichen Abendlandes einnimmt und sind mit ihren Berichten an der Ausbildung und Tradierung eines bestimmten Ägyptenbildes beteiligt, das sich aus orientalischen, biblischen und pharaonischen Bildelementen zusammensetzt und primär im Einklang mit der biblischen Tradition (re)präsentiert wird. Bezüglich der Darstellung des orientalisch-islamischen Ägyptens ist festzustellen, dass die deutschen Ägyptenreiseberichte des Mittelalters von einer grundlegenden, dichotomischen Unterscheidung zwischen Christen und Nichtchristen/Sarazenen/Heiden ausgehen. Auch bei differenziertem Vorgehen in der Darstellung von islamischer Welt und Muslimen bleibt diese Dichotomie bestehen. So erscheinen z.B. bei Burchard von Straßburg die ägyptischen Städte Kairo

Huschenbett, Die Literatur der deutschen Pilgerreisen nach Jerusalem im späten Mittelalter. In: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, 59 (1985), S. 36f.; Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 29f.; Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 27 und S. 95–101. 234 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 134f. Auch Schwab räumt den Reiseschriften eine differenzierte Darstellungsweise ein; vgl. Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 193. 235 Vgl. hierzu auch Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 248ff.; Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 64ff. und S. 193.

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und Alexandrien, in denen „jedes Volk nach seiner Landessitte“²³⁶ lebt, als multikulturelle und multikonfessionelle Handelsmetropolen, in denen Sarazenen, Juden und Christen miteinander leben. Selbst- und Fremdzuschreibungen realisieren sich bei Burchard von Straßburg auf zwei Selektionsebenen, nämlich einer politischen und einer religiösen, repräsentiert durch Saladin, den Sultan von Babylon, und die Sarazenen, die weder Juden noch Christen sind. Auch Burchardus von Monte Sion ist diese Dichotomie eigen, wenn er anmerkt, dass die heiligen Stätten beim Balsamgarten „von Christen vnd auch von Saracenen in ehren gehalten“²³⁷ werden. Und bei Boldensele tritt sie zutage, wenn er davon berichtet, dass auf dem Reiseweg zwischen Gaza und Kairo von „den Sarazenen […] Herbergen nach Tagreisen angelegt“²³⁸ sind oder dass Besonderheiten in der landwirtschaftlichen Produktion auszumachen sind mit den „Besitzungen der Sarazenen, welche weder Wein bauen, noch Schweine ziehen, was ihnen in ihrem Gesetzbuche, dem Koran, sehr strenge verboten ist“.²³⁹ Die Bezeichnung Sarazenen wird oftmals durch Heiden ergänzt bzw. ersetzt. Für Lorenz Egen stellt Kairo z.B. „ein hauptstat jn der heidenschafft“²⁴⁰ dar. Katzenellenbogen geht von derselben Unterscheidung aus, wenn er schreibt: „Item haben die Heyden auch eyn kirche uff dem vorgenanten berge by Moyses kirchen“.²⁴¹ Und Martin Ketzel von Augsburg beschreibt „die lobich Ritterfart über Mer gen Jerusalem und zu dem hayligen Grab […]. Des geleichen all ander haylig Stett in aller Haydenschafft, die da sind in dem Tal Mambre, zu Nazaret, in dem galileischen Land, in dem Land Sidionorum, zu Damasgo, zu Baruthy in der Stat, darnach auf dem Perg Synay und umb denselben Krais, und darnach zu Alchayro und Egyptenn, und auch in Alexandria“.²⁴² Auch die arabische Sprache ist für Ketzel eine heidnische Sprache

236 Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 321. 237 Burchardus von Monte Sion, Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 466a. 238 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 120. 239 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/29, S. 120. 240 Lorenz Egen. Friedrich Keinz (Hg.), Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. In: Das Ausland, 1865, S. 917, Spalte 1. 241 Katzenellenbogen. Reinhold Röhricht; Heinrich Meisner (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 1882, S. 355. 242 Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1 (1832), S. 32.

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und so teilt er seinen Lesern mit, dass Kairo „in haidnischer Sprach Massar“²⁴³ genannt wird. Deutlich ist die Dichotomie Christ/Heide auch im Reisebericht von Hans Tucher ausgeprägt, wie die Analyse gezeigt hat. Das vermittelte Ägyptenbild bleibt somit der biblischen Tradition verpflichtet und fällt in den Bereich dessen, was Assmann Konversionserinnerung bezeichnet. Die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr in der Religion, die auch zur Unterscheidung von Christen und Muslimen führt, liegt damit auch dem deutschen Ägyptenbild des Mittelalters zugrunde²⁴⁴ und dient der „Ausbildung und Reproduktion kultureller Identität durch Abgrenzung“.²⁴⁵ Die deutschen Reisenden und Reiseautoren unterliegen dabei mehr oder weniger den vorherrschenden Vorstellungen ihrer Zeit, so dass sie nicht frei über ihre Erfahrung der ägyptischen Welten schreiben können und wollen. In diesem Sinne kann der Orientalismus des Mittelalters als orientalistischer Diskurs im Sinne Edward W. Saids verstanden werden, der Einfluss darauf ausübt, wie und was im Reisebericht über Ägypten/Islam/ Orient geschrieben wird.²⁴⁶ Wie Johann Fück und Rudi Paret aufzeigen, bestimmen im Mittelalter Apologetik und Polemik die Haltung des Abendlandes dem Islam gegenüber. Das Islam- und Muslimbild des Mittelalters sei daher durch Voreingenommenheit und Unsachlichkeit geprägt.²⁴⁷ Fück geht des Weiteren davon aus, dass man sich damals in einem latenten Kriegszustand befunden habe. Der unerhörte Siegeslauf des Islam habe in der christlichen Welt Angst und Bedrohung verursacht, so dass unter diesen Umständen kein richtiges und sachliches Kennenlernen zu erwarten sei. Daher seien auch die Ansichten übereinander eher ungenau und unsachlich.²⁴⁸ Einige Beispiele sollen das veranschaulichen. So vermittelt Burchard von Straßburg einerseits das Bild eines frommen Muslim/ Sarazenen, der an Gott als Schöpfer der Welt und Muhammad als seinen Propheten glaubt, andächtig zu Gott betet, wallfahrtet und Heilige verehrt. Ande-

243 Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1 (1832), S. 99. 244 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17: „Die Unterscheidung, um die es in diesem Buch geht, ist die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr in der Religion, die spezifischeren Unterscheidungen zugrundeliegt, wie die zwischen Juden und gojim, Christen und Heiden, Muslimen und Ungläubigen. Wenn diese Unterscheidung einmal getroffen wird, dann kehrt sie innerhalb der durch sie gespaltenen Räume endlos wieder. Wir fangen an mit Christen und Heiden und enden bei Katholiken und Protestanten, Lutheranern und Calvinisten, Sozinianern und Latitudinariern und Tausenden ähnlicher Bezeichnungen und Unterbezeichnungen“. 245 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 26. 246 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 12. 247 Vgl. Rudi Paret, Arabistik und Islamkunde, Wiesbaden 1966, S. 3. 248 Vgl. Johann Fück, Die arabischen Studien in Europa, Leipzig 1955, S. 3.

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rerseits konstruiert er aber die sarazenisch-islamische Welt (Orient/Ägypten) als erotisch-sinnlich-lüsternen Ort der Polygamie, Homosexualität und Knabenliebe.²⁴⁹ Und im Schlusswort seines Berichts, das möglicherweise auf Arnold von Lübeck zurückgeht,²⁵⁰ wird eine religiös motivierte Dichotomisierung von Orient und Okzident aufgebaut: Dabei erwäge man die unermeßliche Milde des Erlösers, der weder den Gerechten noch den Gottlosen seiner Liebe untheilhaftig lassen will. Dem Gerechten, Demüthigen und Frommen, der seine Gebote fürchtet, verleiht er den Lohn des ewigen Lebens, und bglückt ihn mit dem höchsten Gute, welches Er selbst ist, und mit dem Anblicke Seiner Herrlichkeit; dem Gottlosen aber, dem einst ewige Verdammniß zu Theil wird, gestattet er in diesem Erdenleben Ueberfluß an zeitlichen Gütern. Daher kommt es, daß jene Verworfenen die besten Länder inne haben, Korn, Wein und Oel im Ueberfluß besitzen, mit Silber und Gold, mit Edelsteinen und seidenen Kleidern sich voll Ueppigkeit schmücken, in Wohlgerüchen, Gewürzen und Spezereien schwelgen und nichts, wornach ihre Augen begehren, ungekostet lassen (Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 332f.).

Die Muslime werden als gottlos und verworfen, die Christen als gerecht und fromm gezeichnet. Denn dadurch dass die Dichotomisierung Christ/Heide Solidarität mit den orientalischen Christen aufbaut und den Besitz der wahren Religion reklamiert,²⁵¹ wird auch die Inbesitznahme der biblischen Länder und Ägyptens propagiert und beansprucht.²⁵² Ägypten und seine materiellen Reichtümer, die Burchard von Straßburg mit paradiesischen Zügen preist, stellen im 13. Jahrhundert nämlich ein Hauptziel der Kreuzzugsbewegung dar.²⁵³ Diese Idee, von Ägypten Besitz zu nehmen, wird im 17. Jahrhundert erneut von Leibniz am französischen Hof propagiert und mit Napoleon 1798 in die Tat umgesetzt. Auch Boldensele liefert in seinem Reisebericht Informationen zum Islam und den Muslimen. Diese sind überwiegend korrekt, wie seine Ausführungen zum Gebot der

249 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324ff. und S. 331f. 250 Vgl. Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 325. 251 Vgl. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, Leipzig 1940, S. 324. 252 Vgl. Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 327. 253 Vgl. Thomas W. Kramer, Deutsch-Ägyptische Beziehungen. In: Heinz Schamp (Hg.), Ägypten. Das alte Kulturland am Nil auf dem Weg in die Zukunft. Raum, Gesellschaft, Geschichte, Kultur, Wirtschaft, Tübingen 1977a, S. 553; Volker Scior, Das Eigene und das Fremde, Berlin 2002, S. 324f.

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Pilgerfahrt nach Mekka und zum Verbot von Wein und Schweinefleisch belegen.²⁵⁴ Bei den Bemerkungen zum Propheten Muhammad und seiner Geburts- und Sterbestätte auf der arabischen Halbinsel scheint Boldenseles kritische Distanz und Bemühung um objektive Erfassung des Fremden jedoch aufgehoben. Die Sarazenen/Muslime werden als unwissende, tierisch gesinnte Menschen dargestellt und ihr Prophet mit negativen Attributen belegt.²⁵⁵ Damit wird bei Boldensele, wie bei Burchard von Straßburg, der Geist der Kreuzzüge spürbar. Sein Ägyptenreisebericht weist dadurch nicht nur erbaulich-belehrenden, sondern auch propagandistischen Charakter auf, der Dichotomisierungen aufbaut und auf den religiösen Antagonismus zurückzuführen ist.²⁵⁶

254 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 120 und S. 123. 255 Vgl. Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 122f.: „Um vieles zu uebergehen, fuehre ich nur an, daß der Sultan, weil Mahomed in seinem Reiche geboren wurde, daselbst, naemlich in der Wueste Arabiens, unwissenden und thierisch gesinnten Menschen predigte, mit Schlangenlist sie betrog, und durch falsche Wunder sich und dem Vater des Truges und der Luege Anhaenger verschaffte, der eifrigste Vertheidiger seiner Lehre ist, und seinen Koerper in der Stadt Mekka, welche in Arabien etwa fuenf und zwanzig Tagreisen von Babylon, ist, in einer schoenen Kirche, welche sie Mulsket nennen, mit vieler Sorgfalt aufbewahrt. Sein Sarg steht daselbst auf einer erhoehten, prachtvollen Tumba. Denn, was man gewoehnlich sagt, daß er in Folge eines Steines, welcher Eisen anzieht, in der Luft schwebe, ist falsch“. 256 Hier sei auf die Arbeiten von Haydar, Ganz-Blättler und Schwab verwiesen, die dem Islamund Muslimbild in den europäischen und deutschen Reiseberichten des Mittelalters nachgehen. So stellt z.B. Haydar bezüglich Bernhard von Breydenbach fest, dass das negative Bild des Propheten Muhammad durch Polemik, Voreingenommenheit und Abwehrmechanismen verursacht ist; vgl. Ahmad Haydar, Mittelalterliche Vorstellungen von dem Propheten der Sarazenen, [Berlin] 1971, S. 170. Ganz-Blättler und Schwab räumen den Reiseberichterstattern zwar einen differenzierten Umgang bei der Darstellung des Islam und der Muslime ein, da manche Reiseautoren sich mit Negativurteilen zurückhalten und muslimische Lebensweisen auch positiv anerkennen. Doch sie betonen auch, dass in allen Berichten negative Urteile enthalten sind. Ganz-Blättler führt dabei zwei Hauptgründe für dieses negative Bild an: die allgemeine Haltung gegenüber den Muslimen als Ungläubigen und Angehörigen der verhassten Kreuzzugs-Siegesmacht und die unmittelbare Bedrohung, die durch die Ausbreitung des osmanischen Reiches im 15. Jahrhundert entsteht; vgl. Ursula Ganz-Blättler, Andacht und Abenteuer, Tübingen 1990, S. 195–215. Auch Schwab nennt zwei Faktoren als Ursache: „Zum einen durch die fremde Religion an sich, denn die Wallfahrer betrachteten den Islam mit der von der Kirche propagierten Gewißheit, daß die eigene Religion der fremden überlegen sei. Dadurch war das Interpretationsschema, mit dem die Reisenden den Islam betrachteten und beschrieben, mehr oder weniger vorgegeben“. Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 194. Zum anderen sei als weitere Ursache auch

 4.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht des Mittelalters 

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Berücksichtigt man die Machtkonstellationen der Zeit, so lässt sich feststellen, dass sich Saids hegemonialer Orientalismus der Kolonialzeit nicht einfach auf das Mittelalter übertragen lässt. Denn im Mittelalter liegen die Machtverhältnisse nicht bei Europa, auch wenn sie während der Kreuzzüge einige Siege erringen, sondern eher auf Seiten des islamischen Orients, der vor allem durch das ayyubidische und mamelukische ägyptische Großreich vertreten wird. Ägypten tritt als Hüter des islamischen Reiches und Sieger über die Kreuzfahrer und Mongolen aber nicht als invasiver Feind auf, der von Europa Besitz ergreifen möchte. Ägyptens Haltung bleibt vielmehr defensiv. Da die biblischen heiligen Stätten in Syrien-Palästina und Ägypten im Machtbereich des ägyptischen Reiches liegen, führen die Kreuzzüge und die Pilgertradition aber dennoch dazu, dass deutsche Reisende Ägypten als den mächtigen Repräsentanten des islamischen Reiches wahrnehmen und daher auch als Hauptfeind der Christen Europas repräsentieren. Für Martin Ketzel ist der Sultan in Kairo „der mechtig Kung Soldan“.²⁵⁷ Diese Macht unterstreicht auch Boldensele, indem er darauf hinweist, dass er zuerst nach Ägypten reist, obwohl er sich schon im Heiligen Land befindet, „um vom Sultan ein Empfehlungsschreiben zu erhalten, um die heiligen Orte des gelobten Landes bequemer und leichter sehen zu koennen“.²⁵⁸ Die Macht des ägyptischen Sultans über den islamischen Orient veranschaulicht Boldensele durch die Wirkung seines Geleitbriefes: Der Schutzbrief bewirkt, dass sich Boldensele auf seiner Pilgerreise in Ägypten und Syrien-Palästina so sicher fühlen kann wie in einem christlichen Land: Er [der Sultan] gab mir einsen Geleitsbrief, worin er allen seinen Unterthanen befahl, daß sie mich zu den heiligen Orten durch sein ganzes Reich frei, ohne irgend einen Tribut oder Zoll reisen lassen, die Meinigen und meine Habe erhalten, ehren, und gegen alle Beleidigung und Unbill schuetzen sollten. Mittels diesem Schreiben reiste ich mit meiner Familie und in Begleitung von mehreren Soldaten […] durch das Gebiet des Sultans so sicher, wie in einem christlichen Lande. […] Wenn ich irgend wohin kam, und denen, unter welchen ich mich befand, das Schreiben des Sultans zeigte, so standen sie sogleich auf, kueßten es, legten es auf ihren Kopf, erwiesen mir Ehrenbezeigungen, boten mir einige Erfrischungen an, und erklaerten sich zu allen Wuenschen willfaehrig. (Wilhelm von Boldensele, Reise

das Gefühl der Bedrohung und des Ausgeliefertseins in der Begegnung mit der fremden Kultur zu sehen; vgl. Heike Schwab, Toleranz und Vorurteil, Berlin 2002, S. 179–220 und S. 194f. 257 Ketzel. Friedrich Rhenanus (Hg.), Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1 (1832), S. 98f. 258 Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/29, S. 119.

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 4 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters

nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 139f.).

In Boldenseles Reisebericht werden damit sowohl die Dichotomisierung Christ/ Heide als auch die Macht des ägyptischen Großreiches fokussiert. Damit wird Ägypten bei Boldensele, wie in keinem anderen der behandelten Reiseberichte, zum Hauptfeind der Christenheit stilisiert. So sieht Boldensele im Gegensatz zu Burchardus de Monte Sion, der ebenfalls den Unterschied zwischen Neubabylon/ Kairo und Altbabylon/Irak thematisiert, eine Gemeinsamkeit in beiden Städte: War Altbabylon der Hauptfeind der Israeliten, so sei Neubabylon bzw. Kairo der Hauptfeind der Christen. Dadurch wird Ägypten zum Inbegriff des christlichen Feindbildes: Babylon, von dem hier die Rede ist, muß man wohl von Babylon, wo Nabuchodonoser herrschte, und wohin die Jsraeliten in Gefangenschaft gefuehrt wurden, unterscheiden. […] Unser Babylon ist das neue, welches aber dem alten wie im Namen, so in Werken gleicht. Denn wie jenes der Hauptfeind der Jsraeliten war, so steht dieses mit seinem Oberhaupte, welches der Sultan ist, unter allen Unglaeubigen uns Christen am feindlichsten gesinnt gegenueber (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Nürnberg 1828/9, S. 121).

Im Gegensatz zu Saids hegemonialem Orientalismus der Kolonialzeit fehlen dem Orientalismus des Mittelalters jedoch zwei wichtige Merkmale, nämlich die militärisch-technische Macht und das konkrete, systematische Wissen.²⁵⁹ Der Orientalismus des Mittelalters baut vielmehr auf dem religiösen Antagonismus und der Voreingenommenheit gegenüber der islamischen Welt auf. Mit dem Fall Konstantinopels (1453) und der Eingliederung Ägyptens ins Osmanische Reich (1516/7) wird Ägypten nicht mehr als erster Repräsentant der islamischen Welt dargestellt. Dieses Bildelement geht vielmehr auf das Osmanische Reich über. Die Vorstellung von Ägypten als Feind der europäischen Christenheit bleibt dabei weiter bestehen, da Ägypten als Teil des osmanisch-islamischen Reiches wahrgenommen wird. Mit der osmanischen Phase kommt eine weitere kulturelle und historische Schicht zur Geschichte Ägyptens hinzu, die ihre Spuren im Reisebericht hinterlässt, wie im folgenden Kapitel gezeigt werden wird.

259 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 10; S. 49 und S. 67.

5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit Mit der neuen politischen Lage seit dem Auftreten des Osmanischen Reiches als Großmacht auf der Weltbühne ändern sich auch die Rahmenbedingungen für eine Ägyptenreise. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts dehnt das Osmanische Reich unter Selim I. (1512–1520) und Süleyman II (1520–1566) seinen Machtbereich nämlich nicht nur in Osteuropa, sondern auch im arabisch-islamischen Gebiet aus. 1516/17 fallen Syrien-Palästina und Ägypten in die Hände der Türken. Daraufhin unterwirft sich der Statthalter von Mekka den Osmanen. Damit findet das ägyptische Mameluken-Reich sein Ende. Und auch der bisher in Kairo befindliche Sitz des sunnitischen Kalifatenamts wird nach Konstantinopel verlegt. In den folgenden Jahren werden weitere Gebiete in Nordafrika und auf der arabischen Halbinsel erobert und ins Osmanische Reich eingegliedert. Damit nimmt das Osmanische Reich die Machtposition des ayyubidischen (1171–1250) und mamelukischen ägyptischen Großreiches (1250–1517) ein. Ägypten hingegen stellt nurmehr eine osmanische Provinz dar, in der die Türken herrschen und die alten MamelukenSultane als Verwalter fungieren. In wirtschaftlich-militärischer Hinsicht bleibt die bedeutende Rolle Ägyptens jedoch erhalten. So entstehen in Basra und Suez zwei Flottenstützpunkte, um die osmanischen Handelsinteressen gegenüber den Portugiesen zu sichern.¹ Außerdem können die Verluste, die Ägypten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts durch die Verlagerung des Gewürz-Transithandels erleidet, der nun über das Kap der Guten Hoffnung verläuft, durch den Kaffeehandel ausgeglichen werden, so dass das Land am Nil einen erneuten wirtschaftlichen Aufschwung erlebt.² Für Reisende deutscher Provenienz bedeuten diese politischen Umwälzungen zum einen, dass sie sich nun nach Konstantinopel und nicht mehr nach Ägypten begeben müssen, um Schutzbriefe und Reisegenehmigungen zu erhalten. Und zum anderen ist zu vermerken, dass sich die Reisenden nach Syrien-Palästina und Ägypten nun nicht mehr in einem ägyptischen Großreich, sondern in einem islamisch-osmanischen Reich bewegen, das Ägypten als Teilprovinz umfasst. Dies bedeutet, dass in Europa nicht mehr Ägypten als erster Repräsentant der islamischen Welt und als Hauptfeind Europas und der Christenheit wahrgenommen wird. Denn diese Rolle geht seit dem Fall Konstantinopels (1453), vor allem aber seit der Eingliederung Syrien-Palästinas und Ägyptens ins

1 Vgl. Suraiya Faroqhi, Herrscher über Mekka, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 34ff.; Heinz Halm, Die Araber, München 2004, S. 76f.; Udo Steinbach, Geschichte der Türkei, München 2003, S. 12. 2 Vgl. Suraiya Faroqhi, Herrscher über Mekka, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 35f.; Heinz Halm, Die Araber, München 2004, S. 75.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Osmanische Reich (1516/17) auf die Osmanen über. Mit der osmanischen Phase kommt eine weitere kulturelle und historische Schicht zur Geschichte Ägyptens hinzu, die ihre Spuren im Reisebericht hinterlässt. Die Veränderungen, die sich daraus für den deutschen Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit ergeben, sollen im Folgenden untersucht werden. Dazu werden zunächst die soziokulturellen Veränderungen zu beleuchten sein, um den deutschen Ägyptenreisebericht im Kontext seiner Zeit zu situieren. Dabei wird vor allem auf das apodemische Schrifttum und seine Auswirkungen einzugehen sein. Dadurch sollen zum einen Entwicklungen im Vergleich zum Reisebericht des Mittelalters und zum anderen übergreifende Merkmale frühneuzeitlicher Reiseberichte erarbeitet werden. Im zweiten Unterkapitel werden mit Feyerabends Reisesammlung und Beyrlins Reiseführer zwei Reisewerke betrachtet, die als Multiplikatoren des Wissens gelten und den deutschen Reisenden der Frühen Neuzeit als Orientierungshilfe dienen. Mit der Analyse einzelner Ägyptenreiseberichte soll dann Einblick in verschiedene Einzelwerke gewährt werden, wobei verschiedene Arten des Reisens (Pilger-, Morgenland-, Gefangenenreisen), als auch unterschiedliche Reiserouten sowie Strukturen und Bildelemente beleuchtet werden. Reiseorganisation, Themenwahl und Darstellung werden dabei ebenso zu beleuchten sein wie die Bildelemente des biblischen, pharaonischen und orientalischen Ägypten, um eventuelle Verschiebungen im Vergleich zu mittelalterlichen Reiseberichten aufzeigen zu können. Ein Überblick über die Rezeption von Altägypten in den Reiseberichten der Frühen Neuzeit und die Hinterfragung des Orientalismus als Macht bzw. Ohnmachtdiskurses werden das Kapitel abschließen. Dadurch soll die Stellung der Reiseberichte zwischen Ägyptomanie und Orientalismus verdeutlicht werden.

5.1 Überblick und Merkmale Das europäische Weltbild ist zu Beginn der Neuzeit stark im Wandel begriffen. Ein Bündel verschiedener Ereignisse trägt dazu bei: Gutenbergs medienrevolutionäre Buchdruckkunst³, der Sieg der Reconquista gegen die arabisch-islamische Macht auf spanischem Boden, die Entdeckung Amerikas und des Seewegs nach Indien, die Weltumsegelung, die Schwächung und der Niedergang der Machtposition Venedigs im levantinischen Raum, das Erstarken neuer Mächte (Osmanisches Reich, Spanien, Portugal, Holland, Frankreich und England), und vor allem die neue geistige Haltung der Frühen Neuzeit mit Humanismus und

3 Vgl. Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 41.

 5.1 Überblick und Merkmale 

 209

Reformation.⁴ Justin Stagl ist der Ansicht, dass das Zeitalter der Entdeckung erst durch den Empirismus und Aktivismus ermöglicht wird, die mit der neuen geistigen Haltung legitimiert werden. Denn mit der seit dem Hochmittelalter beobachteten Aufwertung der Mobilität gegenüber der Stabilität werde die theoretische Neugier, die curiositas, positiv gesehen.⁵ Auch Brenner geht davon aus, dass die im Zusammenspiel von Reisepraxis, Reiseprogrammatik und Reisemythos entwickelte Reisekultur der Frühen Neuzeit „in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der Geschichte der europäischen Neuzeit“⁶ steht, und schreibt dabei der veränderten Einstellung zur curiositas eine zentrale Rolle zu: Die Affinität der Neuzeit zum Reisen läßt sich an einer der Leitkategorien ablesen, die bei der Konstitution des neuzeitlichen Selbstverständnisses eine zentrale Rolle gespielt hat: Es ist möglich und sinnvoll, den „Vorgang der Legitimierung der theoretischen Neugierde als geschichtlichen Grundzug der beginnenden Neuzeit zu verstehen“. Dieser Vorgang hat eine lange Geschichte, die eng mit der Herausbildung des neuzeitlichen Reisemythos verbunden ist, in dem wiederum seit dem ausgehenden Mittelalter das curiositas-Motiv eine zentrale Rolle gespielt hat.⁷

Die Reiseformen und Reiseberichte bleiben von diesen Entwicklungen nicht unberührt.⁸ Neu gewonnenes Weltbild und Reiseberichte bedingen und beeinflussen sich dabei gegenseitig. So dienen Kompendien und Reisesammelwerke als Multiplikatoren des Wissens und tragen dazu bei, bestimmte Vorstellungen

4 Von 1445 bis 1450 entwickelt und revolutioniert Gutenberg die Buchdruckertechnik. 1453 fällt Konstantinopel an die Osmanen. Anfang 1492 fällt Granada, die letzte islamische Bastion auf spanischem Boden. Damit geht eine fast 800-jährige kulturhistorische Epoche der Auseinandersetzung zwischen Orient und Okzident zu Ende. 1492 unternimmt Kolumbus im Auftrag der spanischen Krone eine Expedition, um den Weg nach Indien zu suchen. Dabei entdeckt er Amerika, seinen neuen Orient. 1498 erreicht Vasco da Gama Indien, indem er um das Kap der Guten Hoffnung segelt, und 1519–22 findet die erste Erdumsegelung statt. 5 Vgl. Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 141. 6 Peter J. Brenner, Der Mythos des Reisens. Idee und Wirklichkeit der europäischen Reisekultur in der Frühen Neuzeit. In: Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 16f. 7 Peter J. Brenner, Der Mythos des Reisens. In: Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 17f. 8 „Die hier eingeleitete erfarung aller land in umfassendem Sinne stürzt die traditionelle Ordnung der Welt für die folgenden Generationen total um. […] Mit dem Überschreiten der bisherigen Koordinaten der Weltkenntnis verändern sich die Muster der Weltbeschreibung und damit auch die Reiseberichte“. Hartmut Kokott, Reise und Bericht. In: Hans Heid (Hg.), Von Erfahrung aller Land, Rastatt 1997, S. 6.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

über die fremden Kulturen zu formen und zu zirkulieren. Das neu gewonnene Weltbild verändert das Bewusstsein der Zeitgenossen, die mit großer Neugier die vermehrt erscheinende Reiseliteratur rezipieren. Denn seit dem 16. Jahrhundert steigt die Produktion der europäischen Reiseliteratur über außer- und innereuropäische Länder und Kulturen stark an. Es entstehen große Reisesammlungen alter und neuer Reiseberichte, wie diejenigen von Ramusio, Feyerabend, de Bry und Hakluyt.⁹ Die Bewältigung des durch Buchdruck und Entdeckungen schnell anwachsenden Wissens ist als Herausforderung für die gelehrte Welt zu verstehen. Humanisten wie Zwinger, Turler, Pyrkmair und Blotius gehen daran, das empirische Wissen aufzuarbeiten und zu standardisieren, um es dem praktischen Nutzen und dem Bildungswesen zuzuführen.¹⁰ Reisebeschreibungen werden als authentische Informationsquelle aus erster Hand verstanden und dienen zur Erstellung von Kosmographien, Karten und enzyklopädisch-chronikalen Gesamtdarstellungen, deren Hauptinteresse auf der Geschichte und Nationaleigentümlichkeit der Länder liegt.¹¹ All diese Publikationsformen beinflussen sich gegenseitig und tragen dazu bei, das gesammelte Wissen sowie Eigen- und Fremdheitsdiskurse zu formen und zu zirkulieren. In umgekehrter Richtung erfährt aber auch der Reisediskurs durch das neue Weltbild in der frühen Neuzeit einen entscheidenden Wandel. „In der Neuzeit, das deutet Dantes Odysseus an, gewinnt das Reisen eine seiner ganz charakteristischen Gestalten dadurch, daß es ein Bündnis mit dem ‚Wissen‘ und dem Forschungsdrang eingeht“.¹² Das Reisen wird theoretisiert, methodisiert, moralisiert. Dabei bildet die Neuzeit ihren eigenen Reisemythos aus, in dem die curiositas eine wichtige Rolle spielt. Seit dem 16. Jahrhundert entsteht eine europäische Kunst und Wissenschaft des Reisens, die unter dem Begriff des Apodemischen (ars apodemica, prudentia peregrinandi) bekannt ist: „Apodemisch nannte man seit damals jene Schriften, die Anweisungen zum richtigen Beobachten und Verhalten auf Reisen gaben und darüberhinaus auch historisch, theoretisch und methodologisch über das Reisen

9 Vgl. Max Böhme, Die großen Reisesammlungen des 16. Jahrhunderts, Amsterdam 1968; Vgl. dazu auch Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 147–151. 10 Vgl. Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 158. 11 Vgl. Franz Obermeier, Französische Brasilienreiseberichte im 17. Jahrhundert, Bonn 1995, S. 23. Vgl. hierzu auch Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 150. 12 Peter J. Brenner, Der Mythos des Reisens. In: Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 20.

 5.1 Überblick und Merkmale 

 211

reflektierten“.¹³ Der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff des Apodemischen wird zum ersten Mal 1577 vom bayerischen Arzt Hilarius Pyrckmair gebraucht, im gleichen Jahr vom Basler Mediziner und Humanist Theodor Zwinger aufgenommen und 1795 zum letzten Mal in einem Buchtitel von Franz Posselt verwendet: „Danach wurde das Wort, wie die ganze Literaturgattung überhaupt, ziemlich bald vergessen“.¹⁴ Denn mit der Ausdifferenzierung der Reiseformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts weicht diese besondere Literaturgattung anderen Formen: Das Revolutions-Zeitalter war ja für die Reisepraxis wie für die Wissenschaften überhaupt eine Zeit des Überganges und Wandels, die sich an einschneidender Bedeutung nur mit der Renaissance oder mit der Gegenwart vergleichen läßt. Damals differenzierte sich die bisher als Einheit empfundene europäische Bildungsreise in Sonderformen aus; dem erlebnisorientierten Tourismus trat die ausschließlich zur Gewinnung neuen Wissens veranstaltete Forschungsreise gegenüber. Damit wurde die bisherige gesamthafte Reisemethodik überflüssig.¹⁵

Die Apodemik wird von Stagl als gesamteuropäische Erscheinung mit Schwerpunkt in Nord- und Westeuropa, vor allem aber in Deutschland verstanden. Sie ist „eine Kombination aus deutscher Lehrhaftigkeit, italienischer Wirklichkeitsnähe und französischer Methodik“.¹⁶ Seit dem 16. Jahrhundert erscheint in Europa eine wachsende Anzahl apodemischer Werke, die in lateinischer oder in modernen europäischen Sprachen abgefasst sind. Justin Stagl erschließt die Literaturgattung bibliographisch von 1518 bis 1859. In dieser Zeit erlebt die Apodemik drei Blütezeiten. Der erste Höhepunkt fällt in die Zeit von 1571 bis 1620. Die zweite Phase umfasst den Zeitraum von 1661 bis 1720 und die letzte Blütezeit erstreckt sich von 1781 bis 1800. Diese drei Hochphasen korrespondieren mit der Blütezeit der späthumanistischen Bildungsreise, der Kavalierstour und der aufgeklärten bürgerlichen Bildungsreise.¹⁷ Die Theoretisierung, Methodisierung und Moralisierung des Reisens durch die apodemischen Schriften stellt dabei eine bedeu-

13 Justin Stagl, Apodemiken, Paderborn [u.a.] 1983, S. 7. Vgl. dazu auch Hartmut Kokott, Reise und Bericht. In: Hans Heid (Hg.), Von Erfahrung aller Land, Rastatt 1997, S. 7. 14 Justin Stagl, Apodemiken, Paderborn [u.a.] 1983, S. 7. (Hilarius Pyrckmair, Commentariolus de Arte Apodemica seu Vera Peregrinandi Ratione, 1577; Theodor Zwinger, Methodus Apodemica in eorum gratiam, qui cum fructu in quocumque tandem vitae genere peregrinari cupiunt, 1577; Franz Posselt, Apodemik oder die Kunst zu reisen, 1795). 15 Justin Stagl, Apodemiken, Paderborn [u.a.] 1983, S. 7. Auch seine früheren Erörterungen zu diesem Thema sind dort aufgelistet. 16 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 162. 17 Vgl. Justin Stagl, Apodemiken, Paderborn [u.a.] 1983, S. 119.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

tende Neuerung dar. Ihren Auswirkungen auf den deutschen Ägyptenreisebericht soll deshalb im Folgenden nachgegangen werden, um die Veränderungen im Reisediskurs der Frühen Neuzeit besser nachvollziehen zu können.¹⁸ Mit der wachsenden Diskreditierung des Pilgerwesens, der Aufwertung der Mobilität und der theoretischen Neugier ist die Pilgerfahrt nicht mehr „als das maßgebliche Rechtfertigungsmodell für nichtutilitäre Reisen“¹⁹ anzusehen. Stattdessen finden europäische Reisende der Frühen Neuzeit in der humanistischen Idee der Bildung animi causa die nötige Legitimation für ihr wachsendes Mobilitätsbedürfnis.²⁰ Das Reisen steht im Dienst der Vervollkommnung des Menschen. Dies ist die neue Grundidee, die der res publica litteraria der Humanisten entstammt und ihren Niederschlag in den apodemischen Schriften findet. Es war ein Topos des Humanismus, daß die menschlichen Ingenien und die Schätze des Wissenswerten, ebenso wie die Handelsgüter, ungleichmäßig über die Erde verteilt seien und daher zu ihrer Nutzbarmachung miteinander in Beziehung gesetzt werden müßten. Dazu sollte die „individuelle Vergewisserung der Gottesgnadenschaft in der Welt“ und der auf dieser gründende Meinungsaustausch innerhalb einer Elite von Gleichstrebenden dienen. Wenn es für eine solche in der Welt überhaupt noch einen Gnadenort gab, dann war dies der Boden der Antike. Die Aura des klassischen verdrängte die des päpstlichen Rom. Ein Mensch, der in diese Sphäre eintauchte, und sei er auch ein Halbbarbar aus dem Norden Europas, konnte sich dadurch besser vervollkommnen als durch noch so viele Pilgerfahrten.²¹

Ulrich Klein ist daher der Ansicht, dass Reisen und Reiseberichte in der Frühen Neuzeit unter einem theoretisch-ethischen Blick der gelehrten Welt stehen.²² Auch Jill Bepler hebt Methodisierung und Moralisierung als Hauptmerkmale des

18 Weiterführende Informationen finden sich bei Wolfgang Neuber, Fremde Welt im europäischen Horizont, Berlin 1991; vgl dazu auch Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 141–189. 19 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 142. 20 Vgl. Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 141ff. 21 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 143. Stagl bezieht sich hier auf Wolfgang Neuber, Zur Gattungspoetik des Reiseberichts. In: Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt a.M. 1989, S. 5. 22 Vgl. Ulrich Klein, Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion, 87/2–3 (1993), S. 290.

 5.1 Überblick und Merkmale 

 213

Reisediskurses im 16. und 17. Jahrhundert hervor.²³ Denn vom idealen Reisenden würden „instruction and moral improvement“²⁴ erwartet. Die apodemischen Schriften entwickeln dabei Methoden und Kriterien zur Wirklichkeitserfassung und Wissensverarbeitung, wobei sie den Reisenden „Verhaltenssicherheit in der Fremde geben, ihre Aufmerksamkeit vom Unwesentlichen ab- und auf das Sehens- und Wissenswerte hinlenken sowie ihnen sagen, was mit den gewonnenen Erfahrungen anzufangen sei“.²⁵ Der reisende Autor seinerseits folgt dem apodemischen Pflichtprogramm und ist darum bemüht, seine Leser durch Anweisungen und Sachwissen über die erfahrene Welt aufzuklären. Bepler weist darauf hin, dass Reisen und Reiseberichte mit moralischem Blick betrachtet werden. Die glückliche Rückkehr des Reisenden wird als Zeichen der Gottesgnadenschaft und der göttlichen Vorsehung (providentia) angesehen. In diesem Sinne wird der Reisende als Exemplum zur Erbauung des Lesers konstruiert und rezipiert. Dies wirkt wiederum auf die Konzeption des Reiseberichts ein und bestimmt die Auswahl und Ordnung der Themen. Die moralisierende Haltung wird zum Topos und zur Erzählkonvention der frühneuzeitlichen Reiseliteratur, wie Wolfgang Neuber für die frühneuzeitlichen Amerika-Reiseberichte und Achim Landwehr exemplarisch für den Reisebericht von Hieronymus Welsch (17. Jahrhundert) aufzeigen.²⁶ Am Ende des 17. Jahrhunderts wird diese Haltung dann abgelöst. Denn wie im Pietismus beginnt man nun die Zeichen der göttlichen Vorsehung im Inneren des Individuums zu suchen.²⁷ Daneben spielen die Apodemiken für frühneuzeitliche Reiseberichte auch durch die Theoretisierung des Reisens eine bedeutende Rolle. Als Themenkreise der Apodemiken nennt Stagl (1) Definition des Reisens, (2) Unterteilung des so gewonnenen Reisebegriffs, (3) Diskussion von Nutzen und Nachteil des Reisens, (4) ärztliche, (5) religiöse und (6) reisepraktische Ratschläge, (7) beispielhaft charakterisierende Beschreibung einiger (europäischer) Nationen, (8) Anweisungen für die Benutzung von Reisehilfen und (9) „Anweisungen, wie man auf Reisen Beobachtungen macht und Fragen stellt und wie man die dadurch

23 Vgl. Jill Bepler, The traveller-author and his role in seventeenth-century German travel accounts. In: Zweder von Martels (Hg.), Travel fact and travel fiction, Leiden 1994, S. 183–193. 24 Jill Bepler, The traveller-author and his role in seventeenth-century German travel accounts. In: Zweder von Martels (Hg.), Travel fact and travel fiction, Leiden 1994, S. 184. 25 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 153. 26 Vgl. hierzu Wolfgang Neuber, Fremde Welt im europäischen Horizont, Berlin 1991; Achim Landwehr, Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 48–70. 27 Vgl. hierzu Jill Bepler, The traveller-author and his role in seventeenth-century German travel accounts. In: Zweder von Martels (Hg.), Travel fact and travel fiction, Leiden 1994, S. 184f.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

gewonnenen Informationen festhält, ordnet und auswertet“.²⁸ Reisen wird von apodemischen Autoren „als ‚peregrinari‘ abgegrenzt vom zweck- und nutzlosen Umherschweifen, ‚vagari‘, und durch den Erwerb von Bildung und nützlichem Wissen bestimmt“.²⁹ Der Reisende wird „dazu angehalten, Wissenswertes von überall her und ohne Ansehen der Person in Erfahrung zu bringen“,³⁰ überall Beobachtungen zu machen und Fragen zu stellen, ohne sich des Verdachts der Spionage auszusetzen. Autopsie und Methode treten dabei an die Stelle des Gedächtnisses. Denn Wissenswertes und durch Augenschein Erfahrenes soll in Reisetagebüchern festgehalten werden.³¹ Die gesammelten Informationen dienen später zum Verfassen des meist chronologisch konzipierten Reiseberichts. Die festgehaltenen Informationen können vom Reisenden (bzw. Gelehrten) nach den aus der Rhetorik übernommenen Kunstmitteln der loci communes systematisch geordnet, durch vorhandene Quellen ergänzt und in Gesamtdarstellungen herausgegeben werden. In diesen beiden Arten von Berichten haben wir die Ausgangspunkte der beiden wichtigsten literarischen Formen vor uns, in denen Erfahrungswissen über Länder und Menschen in der frühen Neuzeit dargeboten wurde, nämlich den die aufeinanderfolgenden Erfahrungen einer Einzelperson chronologisch abbildenden Reisebericht und die ein gedankliches Modell eines bestimmten Raumes und seiner Bewohner anhand von Erfahrungsmaterial systematisch rekonstruierende Landes-, Volks- oder Staatsbeschreibung.³²

Weitere Anweisungen zum Erfassen und Beschreiben von Wissenswertem beziehen sich auf „die Fixierung und Thesaurierung des Gesehenen mittels des Zeichenblockes“.³³ So solle der Reisende den höchstgelegenen Punkt der Stadt aufsuchen, um sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen, und Karten von mar-

28 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 174. Zu den Themenkreisen siehe ebd., S. 165–180. Vgl. hierzu auch Wolfgang Neuber, Fremde Welt im europäischen Horizont, Berlin 1991, S. 35–108. 29 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 165. 30 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 174. 31 Reisenden wird sogar geraten, zwei Tagebücher zu führen. Vgl. Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 176. 32 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 176. 33 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 176f.

 5.1 Überblick und Merkmale 

 215

kanten Ansichten und Gesamtansichten einer Stadt zeichnen. Auch beispielhafte Beschreibungsmuster und Schemata werden ihm durch die apodemischen Schriften gegeben. Diese Ordnungs- und Beschreibungsschemata sind nicht neu erfunden. Sie beruhen auf den Traditionen der Rhetorik und der antiken Naturwissenschaften. „Der wichtigste systematische Impuls für die Integration aller dieser Schemata“³⁴ kommt, Stagl zufolge, jedoch aus dem arabischen Kulturraum. Denn Ramusio vermittelt dem Abendland das arabische Schema der Örtlichkeitsbeschreibung und empfiehlt es „als ‚ordine veramente bellissimo‘. Dieses umfaßt (1) die Namen, (2) die Geschichte anhand der maßgeblichen Autoren und (3) die Lage, das Klima, das Territorium sowie eine gedrängte Beschreibung der wichtigsten lokalen Phänomene“,³⁵ wie bereits dargelegt wurde.³⁶ Initialzündung dieser umfassenden Reisemethodik stellt die Methodenlehre des Petrus Ramus dar, der von der Rhetorik die Lehre der inventio und dispositio übernimmt und mit der Logik verbindet, um empirisches Wissen systematisch zu erfassen. Mit seiner im Gegensatz zu allen bisherigen als die ‚natürliche‘ bezeichneten Methode, nämlich die verwendeten Begriffe exakt zu definieren, zu unterteilen, dann die Teilbegriffe zu definieren usw. und schließlich den Diskurs so zu ordnen, daß das Evidente und Allgemeine zuerst, das von diesem abgeleitete Besondere danach kam, hoffte er [Petrus Ramus] jegliche Wissensmaterie so aufbereiten zu können, daß sie nahtlos an den Kernbereich des sicher Gewußten und begrifflich Geordneten (scientia) angeschlossen werden konnte. Davon sollten insbesondere die praktischen Fertigkeiten im Umgang mit der Natur (artes) und mit den Mitmenschen (prudentiae) sowie die daraus erfließenden empirischen Wissensbestände (historiae) betroffen sein, die dadurch verwissenschaftlicht werden sollten.³⁷

Dadurch vollzieht sich, so Stagl, ein Wandel im Reisebericht hinsichtlich der Konzeption. Er wird nicht mehr zur Fachprosa, sondern vielmehr zur Sachprosa und zum Genus der historia gerechnet, „worunter man neben der eigentlichen Geschichtsschreibung auch jede andere Deskription empirischer Fakten […] verstand“.³⁸ Der Reisebericht wird damit „zu einer für verschiedenerlei neue,

34 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 179. 35 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 179. 36 Vgl. hierzu im ersten Kapitel vorliegender Studie den Teilabschnitt 1.5.2. ‚Beschreibungsschemata‘. 37 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 159. 38 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 145. Zu diesem Themenkomplex vgl. auch Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 42.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

noch nicht systematisch verortete Erfahrungsinhalte offenen Literaturgattung“.³⁹ Damit ist ein Erfassungssystem empirischen Wissens geschaffen, in dem sich Unbekanntes problemlos an Bekanntes reiht und unter der reglementierenden und ordnenden Kontrolle der Gelehrten in den eigenen Wissenshorizont integrieren lässt. Es bleibt jedoch die Frage, inwieweit die Reisenden in ihrer Reisepraxis und ihren Reiseberichten den apodemischen Schriften und den darin vermittelten kulturellen Mustern über den Reisediskurs Folge leisten. „Diese Frage ist leichter gestellt als beantwortet. Eine echte Antwort könnte nur aufgrund einer detaillierten Analyse der Reiseliteratur“⁴⁰ gegeben werden, konstatiert der Kenner der Apodemik-Tradition Justin Stagl. Er favorisiert aber die Hypothese, dass das Vorhandensein solcher Schriften als Indiz für ein Bedürfnis der Zeit zu verstehen ist. Daher ist es für Stagl plausibel, „davon auszugehen, daß die Reisenden der Epoche sich von ihnen Orientierungshilfen erwartet haben, was freilich noch nicht heißt, daß sie sich im einzelnen immer an sie gehalten haben“.⁴¹ Den apodemischen Schriften wird somit ein direkter oder indirekter Einfluss auf die Reisepraxis und den Reisebericht zugeschrieben. Nachdem die ‚ars apodemica‘ aber einmal kulturelle Muster des Reisens, des Beobachtens auf Reisen und der Verwertung der dabei gemachten Erfahrungen für die Persönlichkeitsbildung und für überpersönliche Berichte ausformuliert hatte, war sie, zumindest für die Bildungsschicht, zur kulturell letzten Instanz für richtiges Reisen geworden, auf die man jederzeit rekurrieren konnte, wenn man es gleich nicht mußte. Damit wurde sie zu einem Faktor im geistigen Klima dieser reisefreudigen Epoche und beeinflußte indirekt, über soziale Imitation, selbst solche Reisende, die niemals eines ihrer Traktate gelesen hatten.⁴²

Diese Ansicht vertritt auch Brenner, der die Verwissenschaftlichung des Reisediskurses als einen Prozess ansieht, der es ermöglicht, dass alte Traditionen neben neuen Beobachtungs- und Beschreibungsformen koexistieren können.⁴³ Refle-

39 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 145. 40 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 182. 41 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 183. 42 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 183. 43 Vgl. Peter J. Brenner, Der Mythos des Reisens. In: Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 20f.: „Sie sind freilich unscheinbar; das Vordringen wissenschaftlich-empirischer Methoden in den Bereich des Reisens vollzieht sich nicht als unaufhaltsamer Siegeszug, sondern arbeitet sich […] mühsam heraus und artikuliert sich in den Reise-

 5.2 Pilgerführer und Reiseführer 

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xion und Moralisierung des Reisens, veränderte Themenauswahl und Strukturierung des Reiseberichts sowie Respektierung bekannter apodemischer Beobachtungs- und Beschreibungsformen stellen somit grundlegende Merkmale des deutschen Ägyptenreiseberichts der Frühen Neuzeit dar.

5.2 Pilgerführer und Reiseführer Im 16. Jahrhundert ist ein Anstieg im Bereich der europäischen Reiseliteratur über außer- und innereuropäische Reisen zu verzeichnen. Das Interesse an fremden Ländern und Kulturen führt zur erhöhten Rezeption der ebenso vermehrt erscheinenden Reiseliteratur. Es entstehen Sammlungen, die alte und neue Reisebeschreibungen enthalten, sowie Reiseführer. Diese Kompendien und Sammelwerke dienen als Multiplikatoren des Wissens und tragen dazu bei, bestimmte Vorstellungen über die fremden Kulturen zu formen und zu zirkulieren. Da sie einen direkten bzw. indirekten Einfluss auf die Reiseautoren ausgeübt haben dürften, sollen sie kurz beleuchtet werden, um so Einblick in die zu dieser Zeit zirkulierenden Vorstellungen über Ägypten zu erhalten. Dazu werden zwei Reisebücher betrachtet, die aus dem 16. und 17. Jahrhundert stammen und die Koexistenz alter und neuer Traditionen veranschaulichen: Feyerabends Reyßbuch deß heyligen Lands von 1584 und Beyrlins Reyß Buch von 1606. Der Frankfurter Verleger und Drucker Sigmund Feyerabend publiziert 1584 ein Sammelwerk mit 17 Reiseberichten und einem Pilgerführer, die aus dem 13. bis 16. Jahrhundert stammen. Die Reisesammlung erfährt im 17. Jahrhundert insgesamt drei Neuauflagen: 1609, 1629 und 1659. Dabei wird sie um drei Reiseberichte erweitert und in zwei Bänden neu herausgegeben. Von den 20 Reiseberichten beschreiben 12 auch eine Ägyptenreise. Dies sind im ersten Band: Burchardus de Monte Sion (1283/5), Ludolf von Sudheim (1336), John de Mandeville (1322–1356), Hans Tucher (1479), Bernhard von Breydenbach (1483), Felix Fabri (1483), Daniel Ecklin (1552), Graf Albrecht zu Löwenstein (1561), Jacob Wormser (1561) und Johann Helffrich (1565). Im zweiten Band finden sich die Berichte von Salomon Schweigger (1581) und Nikolaus Christoph Radziwill (1583). Darüberhinaus steht im Anhang von Löwensteins Bericht ein Pilgerführer für das Heilige Land und Ägypten. Die Anzahl der Dokumente und der Neuauflagen steht für die Lebendigkeit des Ägyptenbildes und seine Präsenz in der Gedankenwelt der Zeit. Ungefähr

berichten im eklektischen Nebeneinander ‚einer Vielzahl verschiedener Beobachtungs- und Beschreibungsformen, die teils der traditionellen, teils der neuzeitlich-wissenschaftliche‘ [sic] Weltsicht verhaftet sind“.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

die Hälfte der Ägyptenreiseberichte des Sammelwerks stammt aus dem Mittelalter, wie z.B. die im vorigen Kapitel behandelten Reiseberichte von Burchardus de Monte Sion und Hans Tucher. Durch die Aufnahme mittelalterlicher Berichte belegt Feyerabends Sammlung weiterhin, dass die Ägyptenbilder weiter tradiert werden und auch in der Frühen Neuzeit lebendig bleiben. Für die Bedeutung Ägyptens im Kontext frühneuzeitlicher Reisen steht auch das zweite hier zu betrachtende Werk. Der von Beyrlin 1606 veröffentlichte Reiseführer enthält die Beschreibung von 15 verschiedenen Reiserouten und Reisezielen. An zweiter Stelle, direkt nach der Schilderung einer Reise ins Heilige Land, findet sich die Beschreibung einer Reise nach Ägypten: von Augsburg über Venedig nach Alexandrien und Kairo. Darauf folgen Beschreibungen weiterer inner- und außereuropäischer Reisen bis nach Indien und Äthiopien. Nimmt man die Abfolge der aufgeführten Reisen als Hinweis für die Gewichtung der Interessen der damaligen Zeit, so steht Ägpyten in der Häufigkeits- und Beliebtheitsskala – im Verständnis von Beyrlin – an zweiter Stelle, direkt hinter dem Heiligen Land und Jerusalem. Beide Werke bezeugen somit die Bedeutung Ägyptens im Kontext frühneuzeitlicher Reisen. Sie fördern die Zirkulation des gesammelten Wissens über Ägypten, fungieren als Multiplikatoren des Wissens und tragen so zur Ausbildung eines bestimmten Ägyptenbildes im deutschen Kulturraum bei. Zudem spiegeln sie die Interessen der Zeit und erlauben einen ersten Einblick in die geistige Welt ihrer Verfasser und Leser. Hierin stehen sie allerdings für unterschiedliche Traditionen, wie aus dem Titel der Reisewerke ablesbar ist. Diese Unterschiede zeigen sich v.a. in Inhalt und Adressatenbezug: Reyßbuch deß heyligen Lands / Das ist Ein grundtliche beschreibung aller und jeder Meer und Bilgerfahrten zum heyligen Lande / so bißhero in zeit dasselbig von den Unglaebigen erobert und inn gehabt / beyde mit bewehrter Hand und Kriegßmacht / zu wider eroberung deren Land / denn auch auß andacht und Christlicher anmutung zu den heyligen Orten / von vielen Fürsten / Graffen / Freyen / Rittern / vom Adel und andern fürtrefflichen / Ehr und Tugendliebenden / geistlichs und weltlichs Stands Herren / zu Wasser und Land vorgenommen / ins Werck gericht und durch wunderbarlich Abentheuwr / auch ungläublich grosse gefahr Leibs und Guts vollnbracht. Beneben eyngeführter auch eigentlicher Beschreibung deß gantzen heyligen Lands Palaestinae, sampt demselben eynverleibter Landschafften / Refieren und Termineyen: zu dem aller darinn begriffener nahmhaffter Stätt / Flecken / Dörffer […] zu finden. Endlich von gemeldter Ort und Landen jetziger Eynwohner / Türcken und Araber / So auch ander Nationen […] Sitten und Gebräuchen. Menniglich / was Stands und Wirden der sey / zu besserm der H. Schrifft verständniß / alter Historien erleuterung […] zu wissen nötig. Namen und Geschlecht der jenigen die solche Reyß in eigner Person vollbracht / alle ding augenscheinlich besichtigtet und selbs beschrieben / auch zu welcher zeit jedes geschehen / unnd an welchem Blat es nachzusuchen / wurde der günstige Leser nechst nach der Vorred / Gleichsfalls ein vollkommen Register aller fürnemsten Ort und Sachen / deren darin[n] meldung beschicht / zu ende deß Wercks / befinden (Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584).

 5.2 Pilgerführer und Reiseführer 

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Mit diesem Titel wendet sich Feyerabend in erster Linie an ein religiös geprägtes Publikum mit Interesse am Heiligen Land. Die Reisemotivationen lässt er dabei offen: mit bewehrter Hand und Kriegßmacht zu wider eroberung deren Land / denn auch auß andacht und Christlicher anmutung. Damit treten sowohl Pilgerfahrt als auch Kreuzzugsgedanke hervor. Der das Mittelalter prägende Aufruf zur Eroberung des Heiligen Landes lebt somit auch in der Frühen Neuzeit und wird bis ins 17. Jahrhundert weiter tradiert. Im Titel wird er zudem durch die Dichotomisierung von Christ und Ungläubigen, Europäer und Türken unterstrichen, wobei die Muslime als Feinde der Christenheit stilisiert werden. Die Wahrnehmung der islamischen Welt und der religiöse Antagonismus stellen dabei bedeutende Komponenten im Reisebericht der Frühen Neuzeit dar und werden im letzten Unterkapitel eingehender betrachtet. Neben diesen der mittelalterlichen Tradition verhafteten Elementen werden aus Feyerabends Titel jedoch auch Merkmale ersichtlich, die in der Tradition des Apodemischen stehen. So betont er eigene Erfahrung (durch wunderbarlich Abentheuwr / auch ungläublich grosse gefahr Leibs und Guts vollnbracht) und Autopsie (in eigner Person vollbracht / alle ding augenscheinlich besichtigtet und selbs beschrieben), setzt sich die Beschreibung von Land und Leuten, Sitten und Gebräuchen zum Ziel und verfolgt auch in der Gestaltung der Reisesammlung das Prinzip der Strukturierung und Systematisierung: So bietet er ein Inhaltsverzeichnis und ausführliches Ortsregister (ein vollkommen Register aller fürnem[m]sten Ort und Sachen / deren darin[n] meldung beschicht / zu ende deß Wercks / befinden) als Orientierungshilfe und zum leichteren Nachschlagen. Im Gegensatz zu Feyerabend betont Beyrlin in seinem Titel andere Merkmale: Reyß Buch: Das ist Ein gantz Schöne Beschreibung und Wegweyser / etlicher Reysen / durch gantz Teutschland / Polen / Siebenbürgen / Dennemarck / Engeland / Hispanien / Franckreich / Italien / Sicilien / Egypten / Indien / Ethiopien / und Türckey etc.; Darinnen / nicht allein die Distantz / wie weit ein Ort vom Andern gelegen: sondern auch der vornembsten Stätt Gelegenheit / Macht / Größe / Reichthumb / Handthierung / Schöne und Zierlichkeit vermeldet und beschrieben wird / Allen der Erfahrenheit vnd Wissenschaft liebhabenden Gemmüter / nicht allein gantz lustig / sondern auch sehr nutzlich zulesen / mit fleiß zusamen colligirt: vnd jetzt erst von Newem in Truck gegeben / Durch Jacobum Beyrlin: Fürstlichen Würtembergischen Diener (Jakob Beyrlin, Reyß Buch, Straßburg 1606).

Beyrlins Werk will ein Reiseführer sein, der ein an Wissen und Erkenntnissen interessiertes Publikum anvisiert: Allen der Erfahrenheit vnd Wissenschaft liebhabenden Gemmüter. Damit stehen nicht Pilgerreisen ins Heilige Land im Fokus, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Reiseziele, wie aus der Aufzählung hervorgeht. Sein Werk will Orientierungshilfe auf inner- und außereuropäischen Reisen (Wegweyser) sein, indem es Entfernungen angibt (Distantz / wie weit ein Ort vom Andern gelegen) und ausführliche Schilderungen bietet (vorn-

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

embsten Stätt Gelegenheit / Macht / Größe / Reichthumb / Handthierung / Schöne und Zierlichkeit). Daneben betont er zwei weitere Funktionen seines Reiseführers: Unterhaltung (gantz lustig) und Belehrung (sehr nutzlich zulesen). Damit steht Beyrlins Reiseführer in der Tradition der Apodemik. Da beide Reisewerke beinahe gleichzeitig erscheinen, sich in der Gewichtung der Interessen jedoch unterscheiden, stehen sie für die Koexistenz alter und neuer Traditionen in der Frühen Neuzeit. Damit dürfte sich auch das in ihnen tradierte Ägyptenbild voneinander unterscheiden. Im Folgenden sollen deshalb zwei Dokumente näher betrachtet werden: der in Feyerabends Sammlung überlieferte Pilgerführer, der sich im Anhang zu Löwenstein findet, und die Ägyptenreisebeschreibung in Beyrlins Reiseführer. So werden die unterschiedlichen Ägyptenbilder dargelegt, auf die sich deutsche Reisende beziehen können. Der protestantische Graf von Löwenstein liefert im Anhang seines Reiseberichts einen Pilgerführer für das Heilige Land und Ägypten. Bezüglich Ägypten lassen sich darin drei Themenbereiche unterscheiden. So werden zum einen die heiligen Stätten am und um den Berg Sinai beschrieben, wobei alttestamentalische Heilsgeschichten um Moses und den Exodus (brennender Dornbusch, Prophet Elias, Gesetzestafel, Schilfmeerwunder, Wasserwunder) dominieren. Weitere Themen bilden die Wunder der Heiligen Katharina (Reliquien, Legende) und christlich-mönchische Traditionen. Erstlich ist die Statt Gasara da Samson gestorben / Jtem auff dem Berg Sinai ist der heiligen Marien de rubo Kirch / darinn der heiligen Jungfrauwen vnd Märterern Catharine Leib ruhet / Jtem hinder derselbigen Kirchen ist eine Capell da vnser Herr Gott dem Moyses mitten in einem Dornbusch erschienen / Jtem mitten auff dem Berg Sinai ist der ort da der Prophet Helius buß gethan / vnd oben auff dem Berg Sinai ist der ort da Gott dem Moysi die Taffel geben / Jtem darbey hinder der Kirch vnsers Heylands ist der ort da Moyses bettet / da jm Gott ruffte und sagte / Moyses / Moyses komm ich wil dich zum Pharao schicken / Jtem vnden am Berg Sinai ist ein Kloster vnd Kirch der viertzig heiligen Märterer / vnd da ist ein schöner Gart / Jtem da ist eine Kirch vnd Eynsidel Haus da S. Onophrius Buß gewirckt / Jtem ein ander sehr hoher Berg dahin die Engel von Alexandria den Leib der heiligen Catharina getragen / vnd ist er drey hundert jar da geblieben vnd von Engeln verwahret worden / Jtem da ist der Felß Oreb darauß das Wasser hauffen weiß gelauffen / da Moyses auff Gottes geheiß zweymal den Stein mit einem Stäcken geschlagen / Jtem dabey auff ein Tagreyß ist das rote Meer da die Kinder Jsrael druckens fuß durch gangen / Jtem vnfern davon ist der Brunn Moyses / den man nennt zu den Wassern der maledeyung / vnnd nicht weit von dannen ist auch der ort / da die Kinder Jsrael jr Läger schlugen / da zwölff Wasserbrunn vnnd sibentzig Palmenbäum / wu im alten Testament zu lesen gestanden (Albrecht zu Löwenstein, Herrn Albrechts / Graffen zu Loeuwenstein / ec. Pilgerbuch. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 212b).

Zum anderen werden die christlichen Orte in Kairo, beim Roten Meer, in der nitrischen Wüste und in Oberägypten behandelt. Hierbei stehen die Gedächtnisorte um die Flucht der Heiligen Familie und Heiligengeschichten im Fokus.

 5.2 Pilgerführer und Reiseführer 

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Jn der Statt Babylonia bey Kayro seyn viel Christen Kirchen / vnd darunder Sanct Marien von der seulen Kirch / darinn S. Barbara der Jungfrauw vnd Märtyrern Leib ist begraben gewesen / Jtem eine Kirch der Jacobiten / darinn man wil halten daß die heylige Jungfraw Maria sich verhalten hab / mit dem Kindt Jesu / vnd zeyget man noch den ort / dahin sie das Kindt Jesu nider gelegt hat / Jtem den Balsam Garten bey einem Wasser / vnd ist der Brunn der seligen Jungfrauwen Maria / ein vberauß süß Wasser / da eine Capell bey stehet / darinn sich die heilige Jungfrauw mit dem Kindt Jesu verhalten / wie sie in Egypten geflohen ist / vnd die Sarracener halten sie in grosser ehr vnd zünden Liechter drinn an / Jtem das Kloster S. Anthonij / Pauli deß ersten Heremiten / Macary / vnd ander vil mehr / Jtem von obgemelter Statt auff 40. meyl ist eine gelegenheit mit namen Menfeluto / darinn ein Kloster ist Elmerach genannt / den Jacobitern zuständig / vnd in dem Kloster ein Capell / darinn die H. Jungfraw Maria sol 7. jar mit dem Kind Jesu gewesen seyn / vnd helt man da grosse Fest auff den Palmtag / ander sagen diß sey droben zu Babylonia geschen / seyn aber all beyd ort in Egypten. (Albrecht zu Löwenstein, Herrn Albrechts / Graffen zu Loeuwenstein / ec. Pilgerbuch. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 212b).

Und schließlich werden die heiligen Stätten in Alexandrien sowie die Märtyrer und Heiligen Katharina, Markus, Johannes, den Almosengeber, und Hilarion von Gaza angeführt. Zu Alexandria sihet man den ort da S. Catharina ist enthaupt vnd gemartert worden. Jtem / der ort da S. Marx der Euangelist den Ostermontag hat Meß gehalten / da jm die Vngläubigen ein Seyl vmb den Halß geworffen / vnd also auff der Erden auß fort gezogen haben / biß gen Jacabueehi bey dem Meer vnder den Felsen / Allda er gemartert vnd endtlich begraben worden. Jtem zu Alexandria sihet man den ort da S. Johannes der groß Allmuser gestorben vnd begraben ligt (Albrecht zu Löwenstein, Herrn Albrechts / Graffen zu Loeuwenstein / ec. Pilgerbuch. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 212b).

Damit erscheinen in Löwensteins Pilgerführer dieselben Orte wie im Ablassverzeichnis von Martin Ketzel (1476). Eine Erwähnung des Ablasses erfolgt bei Löwenstein jedoch nicht. Löwenstein wendet sich somit an bestimmte Adressaten, christliche Pilgerinnen und Pilger, und möchte ihnen eine praktische Orientierungshilfe an die Hand geben. Das dabei vermittelte Ägyptenbild ist weiterhin der biblischen Tradition verpflichtet. Ein anderes Ägyptenbild vermittelt dagegen die Beschreibung im Reiseführer von Beyrlin. Die im zweiten Kapitel geschilderte Ägyptenreise lässt sich in folgende Etappen unterteilen: Reise von Augsburg nach Venedig – Schifffahrt nach Alexandrien – Alexandrien – Reise nach Kairo – Kairo und der Balsamgarten.⁴⁴ Im Mittelpunkt der Ägyptenbeschreibung stehen dabei

44 Vgl. Jakob Beyrlin, Reyß Buch, Straßburg 1606, S. 7–16. Der Titel der zweiten Reise lautet: „Die ander Reyß / Huius Libelli. Ein sehr schöne / kurtzweilige Reyß / Von Augspurg gen Jnsbruck / Triendt auff Venedig / vnd von Venedig auff Alexandria / vnd Alkaür in Egypten. Was in jedem das Fürnembste zusehen“. (ebd., S. 7). Als Orientierungshilfe innerhalb der Beschreibung

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Alexandrien, der Nil und Kairo. Hauptthemen bei der Beschreibung von Alexandrien sind Lage und Größe der Stadt, Hafen, Handel und Kaufhäuser, Beschaffenheit, Flora und Fauna. Im Gegensatz zu Pilgerführer und Ablassverzeichnis ist sein Alexandrien nunmehr vor allem der Wirkungsort des Astronomus Ptolomeus und nicht mehr der von Sankt Markus und Sancta Katharina: Alexandria Die groß Hauptstatt in Egypten am Fluß Nylo / Jst anderthalbmaln so groß als Nürnberg / Hat in jhrem Vmbcreiß 10. Welscher meilen / Da kan man auff dem Nylo gen Alkaür schiffen / Gegen Mitnacht hat diese Statt ein mächtigen Meer Port / gebogen wie ein halber Circkel / Vnd daruor ligt die Jnsel Pharas / welche gar nahe diese Porten bschleußt / Die Venediger haben allda 2. Gewerb häuser / Vnd die Genueser eins. Viel schöne Lusthäuser vnd Gärten seind vor der Statt / Darinn voll köstlichs Gewächß. Bei diser Statt gibts auch viel Straußen. Jn diser Statt hats allerley Kauffmanschatzen von Gütern / vnd Thieren / so in der gantzen Welt gefunden werden / Welche von dannen hin vnd wider in Jtaliam / Deutschland verführt werden. Jn dieser Statt hat gewohnt der Weiseste Astronomus Ptolomeus. Derowegen wer ein rechter Astronomus sein will / der lese seine Libros / Welcher auch deß Erdbodens vmbvreiß recht außgetheilet (Jakob Beyrlin, Reyß Buch, Straßburg 1606, S. 13f.).

Bei der Beschreibung des Reisewegs nach Kairo geht Beyrlin auf die Beschaffenheit des Landwegs zum Nil und die dort befindlichen Salzgruben ein sowie auf den Nil mit seinen Krokodilen und fruchtbaren Landschaften. Den Beschreibungen ist dabei zu entnehmen, dass Beyrlin Ägypten sowohl zu Asien als auch zu Afrika zugehörig versteht. Damit spiegeln sich im Fremdbild Ägyptens die afrikanischasiatischen Identitätszüge, die bei Gamal Hamdan und Milad Hanna bei der Identitätsfrage Ägyptens konstatiert werden. Die Bildelemente des biblischen Ägypten treten dagegen in den Hintergrund. So wird der Nil zwar mit paradiesischen Attributen belegt, aber nicht als biblischer Paradiesfluss Phison / Gehon bezeichnet: Von Alexandria / so man naher Alkaür fort reyßen will / kompt man anfangs vber ein schön fruchbar Gebürg / vnd sicht auff der rechten seiten / ein schön eben Feld / Da hat es viel Saltzgruben / welches von der Sonnen gekocht wirdt / Deßwegen selbige Gegne gantz weiß ist / als were es mit Saltz vberzogen / So rnan für diß Gebürg hinüber kompt / welchs 12. Welscher meiln lang / So kompt man an den fluß Nylum / auff welchem man in zwey tagreyßen in Schiffen biß gen Alkaür schiffen mag. Da sicht man auff beeden seiten deß fluß Nyli / schöne fruchtbare Länder / Auff der einen seiten Asiam / auff der ander seiten Affricam / Da muß man die Schiff gleich wie auff dem Rein ziehen. So weit der Nylus mit seinem vber schwall reycht / vnd begeust / ist es ein edel fruchtbar Land / Wo er aber nit reycht / ist es ein rauch grob Land / Vnd diese Gegne gibt es Crocodilln / 2. Mann lang / Fressen die Leut / Haben gräwlich Gesichter / Jhr leib ist mit Schuppen bedeckt / Seind den Eüdexen ehnlich.

werden weitere Überschriften eingefügt: Alexandrien (S. 13); Von der Mächtigen Statt Alkaür in Egypten (S. 15); Von dem Balsam Garten (S. 15); Von dem Gewächß deß Edlen Balsams (S. 16).

 5.2 Pilgerführer und Reiseführer 

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Vnd ligt von Alexandria Alkaür 36. Deutscher meilen (Jakob Beyrlin, Reyß Buch, Straßburg 1606, S. 14).

Auch bei der Kairobeschreibung tritt das biblische Ägypten in den Hintergrund. Das bei Beyrlin vermittelte Kairobild besteht nämlich vorrangig aus orientalischen Elementen und umfasst Größe der Stadt, Umfang, Schloss, Kirchen (=Moscheen?), Privathäuser, Einwohner, Garküchen, Wasserträger, Straßen und Staub, Handel und Gewerbe, Memphis und Labyrinth, Holzmangel, Nilüberschwemmung und Fruchtbarkeit, Badestuben, Tiere, Sklavenmarkt, Klima sowie Balsamgarten, Balsampflanze, Gewinnung und Arten vom Balsam. Von der Mächtigen Statt Alkaür in Egypten. Es ist jetziger Zeit der größesten Stätt der Welt eine / Hat in jhrer Breyte 3. Deutscher meilen / vnd 172. schritt / Vnd jhr Länge hat es 4. Deutscher meilen / Jhr Vmbcreiß ist 12. Deutscher meiln / Auff einem Bühel der Statt ligt ein Schloß / so groß als Vlm. Da hats 24000. Kirchen / dern zum theils köstlich / künstliche hohe Thürn habendt / so von Marmor erbawen / Aber andere Häuser der Statt seind Außwendig gar schnöd / mit Ziegeln / vnd Leimen gemacht / Aber Jnwendig haben sie die schönste Gemach / zuverwundern / Da wohnen ob 15000. Juden / Jtem 12000. Gartkoch / Es hat auff die 8000. Menschen so auff den Camelen außer dem Nylo Wasser zuführen / die Gassen damit zubegiessen / den Staub von stehtem Wandel damit zubelgen / damit dem mächtigen Gewerbhandel von Specereien / Edelgestein / sampt Seidenwahren / ec. keinen schaden von dem Staub zugefügt werde. Gegen dieser Statt vber ligt die Statt Memphis / Welche der Nylus von einander scheidet / Da ist ein wunder seltzames Laborinthus / Zu Alkaür ist grosser mangel an Holtz / So die Sonn im Krebs / geht der Nylus auß / vnd macht das gantz Land Fruchtbar / Die aller schönsten Badstuben seind zu Alkaür / welches gleichen in der Welt nirgendts gefunden werden. Da werden viel Papogey / Sittich / Mörkatzen verkaufft. Da ist ein eigner Menschen Marckt / darauff sie verkaufft werden. Es Regnet in dieser Statt selten. Von dem Balsam Garten. Zwo Meilen von Alkaür gegen Syrien geht man am fluß Nylo / zwischen Edlen schönen Lustgärten / vnd kommt [16] zu dem Dorff Materia / Daran ligt dieser Edel Balsam Garten / Wer hinein will / der muß ein groß Trinckgelt geben / Welcher von den Heiden vest bewart wirdt. Jm ersten Eingang siehet man mancherley köstlich Gewächß / Da sicht man auch einen alten Feygenbaum / der mitten Hol / darbey Maria mit dem Kind Jesu / als sie im Elend war / Ruhete. Von dannen kompt man zu einem andern wunderbarlichen Baum / dessen Bletter 16. Schuh lang / Daran wachsen lang Oepffel 14. an einem Stiel / heissen zu Latein Musi [Bananen]. So man weiter fort geht / kompt man zu einem Thürlin so mit Hüter bestelt / Vnd kompt in den rechten Edlen Balsam Garten / Dessen Lust keiner außsprechen mag. Von dem Gewächß deß Edlen Balsams. Sein Steudlin seind 2. Elenbogen hoch / seine Bletter wie Kleebletter / etwas Weißfärbig / Jm Decembri schneidet man 3. maln diese Zweig / vnd hencket silbere Gefäß vnder den Schnidt / darauß das Oel tropffet. Daß vom Ersten schnidt / ist so ein köstlich Oel / daß er ein Jährlich Fleisch vor Vnzieffer behalt / Jst weiß. Der Ander rothfärbig / ec. Dieses Gewächß wirdt jetzo zu Alkaür in vielen Gärten gezielet (Jakob Beyrlin, Reyß Buch, Straßburg 1606, S. 15f.).

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Im Mittelpunkt der Beschreibung der Ägyptenreise steht somit nicht mehr das biblische Ägypten, sondern ein orientalisches zeitgenössisches Ägypten. So stehen z.B. bei der Beschreibung des Balsamgartens Balsampflanze, Gewinnung und Arten vom Balsam im Mittelpunkt. Die Flucht der Heiligen Familie wird dagegen nur kurz erwähnt. Beyrlin scheint somit auf die gewandelten Interessen des Publikums zu reagieren und auf neue Typen von Reisenden hinzuweisen, deren Reisemotivationen nicht nur in der Pilgerfahrt bestehen, wie auch Wolfzettel und Harbsmeier mit ihren Thesen zur Erweiterung der Pilgerreise zu einer Morgenlandreise annehmen. Beide Werke, Beyrlins Reiseführer und Feyerabends Reyßbuch, tragen jedoch in überlagernder Koexistenz zur Formung und Zirkulation eines Ägyptenbildes bei, auf das sich die Reisenden der Frühen Neuzeit beziehen können.

5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen Nach der Hochblüte der Pilgerfahrten im Spätmittelalter nehmen die Pilgerreisen Anfang des 16. Jahrhunderts aus verschiedenen Gründen stark ab.⁴⁵ Da Ägypten zum überwiegenden Teil im Kontext einer Jerusalempilgerfahrt bereist wird, wirkt die Abnahme der Pilgerfahrten ins Heilige Land auch negativ auf das christlich motivierte Reisen nach Ägypten zurück. Gegen Ende des Hochmittelalters werden die kritischen Stimmen gegen das Pilgerwesen lauter: Die curiositas, die seit Augustinus als sündhaft⁴⁶ angesehen wird, habe oft einen größeren Anteil an den Pilgerfahrten als die pietas.⁴⁷ Die Pilgerfahrt wird somit von den Humanisten ironisiert und kritisiert, von den Reformatoren angegriffen und abgelehnt, von den Gegenreformatoren nur zaghaft und halbherzig verteidigt. In der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts erfährt die Pilgerfahrt folglich einen starken Rückgang. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts kommt sie aber durch die Gegenreformation

45 Vgl. Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 5f. 46 Vgl. Peter J. Brenner, Der Mythos des Reisens. In: Michael Maurer (Hg.), Neue Impulse der Reiseforschung, Berlin 1999, S. 18ff. Siehe auch ebd., S. 23: „Dennoch dominiert auch bei Augustinus die Abwertung einer ‚Augenlust‘, die im Betrachten der Welt nur sich selbst genießt. Diese Auffassung von der ‚Sündhaftigkeit der Augen aufgrund ihrer Neugierde‘ hat weit ins Mittelalter hinein gewirkt. […] Obwohl Augustinus selbst weit – wenn auch ungern – gereist ist und dabei viel wahrgenommen hat, hat seine Ablehnung der Neugierde wohl einen großen Einfluß auf die Reisetheorie und -praxis ausgeübt. Die auf ihn zurückreichenden theologischen Traditionsstränge beeinflussen die Auffassungen über das Reisen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit“. 47 Vgl. Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 142.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 225

wieder in Schwung, ohne jedoch den Reisediskurs weiter zu dominieren. Trotz der kritischen Stimmen der Humanisten und der Reformation setzt sich die Tradition der Pilgerfahrt ins Heilige Land und nach Ägypten in der Frühen Neuzeit somit fort. Nach dem Rückgang in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts erlebt die Jerusalempilgerfahrt ab Mitte des 16. Jahrhunderts nämlich einen erneuten Aufschwung, der bis ins 17. Jahrhundert andauert. Dies belegen die überlieferten Reiseberichte über Palästina und Ägypten. Von den 30 ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichten im 16. Jahrhundert gehen nämlich 25 auf Reisen zurück, die zwischen 1550 und 1600 unternommen werden. Von ihnen verbinden viele eine Jerusalempilgerreise mit einem Ägyptenbesuch. Dabei verändert sich die Gruppe der Reisenden. Denn unter ihnen befinden sich vermehrt Protestanten. Auch die Reisemotivation unterliegt der Veränderung: Ablass, Buße und Ritterschaft bilden nicht mehr den Hauptzweck der Reise.⁴⁸ Die Pilgerfahrt hat „als das maßgebliche Rechtfertigungsmodell für nichtutilitäre Reisen ausgedient“.⁴⁹ Infolgedessen ergeben sich auch Veränderungen bezüglich Pilgerreise und Pilgerbericht. Es ist festzustellen, dass sich die Form der klassischen Jerusalempilgerfahrt öffnet. Sie gestaltet sich verstärkt als Europa- und Morgenland-Reise, bei der neben dem Heiligen Land weitere Reiseziele gleichwertig besucht und beschrieben sind. Deshalb spricht Wolfzettel von einer offenen Form der Jerusalempilgerfahrt und Harbsmeier konstatiert eine neue Tradition der protestantischen Morgenland-Reise.⁵⁰ Parallel dazu werden aber auch weiterhin Jerusalempilgerfahrten durchgeführt, die der alten Tradition verhaftet bleiben, wie die Pilgerfahrten von Vinzenz Briemle (1709), Angelicus Maria Myller (1726), Jonas Korte (1737) und Anton Krenn (1756) zeigen.⁵¹ Am Übergang zwischen alter und neuer Tradition stehen die protestantischen Adeligen Albrecht von Löwenstein und Jacob Wormser, die 1561/62 eine Pilgerfahrt nach Palästina und Ägypten unternehmen. Denn wie die Analyse zeigen wird, weisen ihre Berichte im Hinblick auf Reiseroute, Themenwahl und Darstellung sowohl Merkmale spätmittelalterlicher Pilgerberichte als auch Kennzeichen der neuen, durch die Apodemik beeinflussten Tradition auf. Karl Nützel von Sündersbühl und Georg Christoph Fernberger lassen sich dagegen hinsichtlich Reiseroute, Themenwahl und Darstellungsweise der neuen Tradition der Pilger- und Morgenlandreisen zurechnen.

48 Vgl. Michael Harbsmeier, Wilde Völkerkunde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1994, S. 132. 49 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 142. 50 Vgl. Michael Harbsmeier, Wilde Völkerkunde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1994, S. 123ff. und Friedrich Wolfzettel, Reiseberichte und mythische Struktur, Stuttgart 2003, S. 126ff. 51 Vgl. Michael Harbsmeier, Wilde Völkerkunde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1994, S. 123.

226 

 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Sie unternehmen 1586 bzw. 1588 von Konstantinopel aus eine erweiterte Orientreise, die das Heilige Land und Ägypten umfasst. Obgleich sie ihre Reiseberichte unabhängig voneinander verfassen, weisen sie Gemeinsamkeiten auf, die es ermöglichen zu untersuchen, wie sich die Ägyptenbilder im frühneuzeitlichen Reisebericht zwischen Augenschein, Tradition und Systematik bewegen.

5.3.1 Löwenstein und Wormser (1561) 5.3.1.1 Reiseorganisation und Struktur der Reiseberichte Unter den frühneuzeitlichen deutschen Jerusalempilgern im osmanischen Ägypten sind die protestantischen Adeligen Graf Albrecht von Löwenstein und Jacob Wormser/Wormbser der Ältere hervorzuheben, da sie am Anfang des erneuten Aufschwungs der Pilgerfahrt stehen. Beide bereisen in den Jahren 1561/62 Palästina und Ägypten.⁵² Sie unternehmen ihre Reise gemeinsam und werden von anderen Pilgern, wie David Furtenbach und Sigmund Rumpf, begleitet.⁵³ Ihre auf deutsch verfassten Berichte erscheinen 1584 in der Reisesammlung von Sigmund Feyerabend. Diese wird im 17. Jahrhundert mehrmals gedruckt, was für eine breite Rezeption der Reiseberichte spricht.⁵⁴ Von der Reiseliteraturforschung sind ihre Reiseberichte bisher jedoch wenig beachtet worden.⁵⁵ Aufgrund der gemeinsamen Reise weisen die Reiseberichte von Löwenstein und Wormser zahlreiche Ähnlichkeiten auf. So folgen beispielsweise beide dem Itinerarprinzip und zeigen eine dreigliedrige Struktur: Heimat-Venedig-Palästina, Palästina-Ägypten, Ägypten-Venedig-Heimat. Sie nennen dieselben Reisestationen und verzeichnen ähnliche Erfahrungen. Ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Reiseberichten sollte jedoch nicht angenommen werden. Viel-

52 Weitere biographische Angaben finden sich bei Wolfgang Treue, Peregrinatio Hierosolymitana. In: Friedhelm Burgard (Hg.), Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit, Trier 1996, S. 448ff. 53 „Zogen vnsere Mitpilger alle gar hinweg / nach Rama vnd Jaffa zu / wider / da das Schiff wartet / außgenommen vnser fünff / Nemlich ich [Graf Albrecht zu Löwenstein] / Sigmundt Rumpff / Jacob Wormbser / David Furtenbach / vnd Georg Jaskhy die blieben zu Jerusalem / im willens / vermittelst Göttlicher Gnaden / ghen Grand Cayro / vnd auff den Berg Sinai vnd Alexandria zu ziehen“. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 195b. 54 Reyßbuch des heyligen Landes, erstmals 1584 erschienen. 1609, 1629 und 1659 wird es um drei Berichte vermehrt in 2 Bänden neu aufgelegt. Die Zitatnachweise im Fließtext beziehen sich auf die Ausgabe von 1584. 55 Vgl. Wolfgang Treue, Peregrinatio Hierosolymitana. In: Friedhelm Burgard (Hg.), Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit, Trier 1996, S. 447.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 227

mehr ist davon auszugehen, dass beide Autoren ihre Reiseberichte selbständig verfasst haben. Denn es bestehen auch zahlreiche Unterschiede zwischen beiden Berichten. So stimmen z.B. Datierungen des öfteren nicht überein. Auch die Beschreibung derselben Ereignisse kann voneinander abweichen. In beiden Reiseberichten wird als Hauptgrund der Ägyptenreise der Besuch der biblischen Gedächtnisorte auf dem Berg Sinai, in Kairo und Alexandrien angegeben. Bei Löwenstein lässt sich darüberhinaus jedoch auch eine versteckte Reiselust entnehmen, wenn er beim Hafen von el-Tur im Sinai den Wunsch äußert, bis nach Mekka zu reisen, wenn dies für Christen möglich wäre: man kan auch in 3 tagen von dannen [el-Tur] gen Mecha / da der Machomet begraben kommen / es darff aber kein Christ dahin / oder er muß verbrennt / oder ein Türck werden / ich were sonst wo müglich gewest / dahin gezogen (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 200b).

Im Gegensatz zu Wormser, dessen Bericht weder Inhaltsverzeichnis noch Kapitelaufteilung aufweist, ist Löwenstein um eine Strukturierung seines Reiseberichts bemüht und liefert ein Inhaltsverzeichnis, an dem die Struktur des Berichts und der Reise abgelesen werden kann: Jnnhalt dieses Buchs oder dieser verzeichniß. [fol. 189b–191b] Das erst Capitel helt in sich die Reyse von Löuwenstein auß biß gen Venedig. [fol. 191b–193a] Ander Capitel / von Venedig biß gen Jerusalem. [fol. 193a–196b] Dritt Capitel / was wir zu Jerusalem für heylige ort gesehen / ec. [fol. 196b–198b] Vierdt Capitel / von Jerusalem gen Chayro. [fol. 198b–201b] Fünfft Capitel / von Chayro auff den Berg Synai / auch was wir daselbsten gesehen / vnnd darnach wider gen Chayro, ec. [fol. 201b–204b] Sechst Capitel / als wir von Chayro auf Alexandria / vnd wider auff Venedig zu ziehen wöllen / vnd gefangen worden seyn. [fol. 204b–208b] Sibend Capitel / als wir das ander vnd letztmal zu Alexandria in die Nauen von Ancona / Angelo Pico genannt / inbarquiert / vnd auff Ancona zugefahren / ec. [fol. 208b–209b] Acht Capitel / von Ancona wider gen Löuwenstein, ec. (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 189b).

Des Weiteren verfasst Löwenstein eine Vorrede an seine Schwägerin, in der er auf die Gründe eingeht, weshalb er den Reisebericht verfasst und veröffentlicht. Denn er gibt ihn erst 20 Jahre nach der Reise heraus und nur auf mehrmaliges Bitten „von hohen vnd nidern personen […] allein pro memoriali“.⁵⁶ Ursache für die späte Veröffentlichung ist die Befürchtung, von den Lesern des Ehrgeizes und der Lüge bezichtigt zu werden. Diesem topischen Vorwurf der Lüge und des

56 Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 188b.

228 

 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Eigennutzes⁵⁷ setzt Löwenstein das Argument der Autopsie entgegen, um die Veröffentlichung seines Reiseberichts zu rechtfertigen: Er habe alles selbst mit Augen gesehen / auch mit ziemlicher Gefahr / Leibs und Lebens / erfahren und zudem mit eygner Handt verzeichnet.⁵⁸ Als Beglaubigungsstrategien für die Wahrhaftigkeit des Berichteten sind Vorrede und Namensliste der Reisegesellschaft zu nennen. Aber auch das Beifügen der Kopie des Schiffsvertrags und der Zeugnisbriefe der besuchten heiligen Stätten in Palästina und Ägypten dienen der Beglaubigung.⁵⁹ So bezeugt beispielsweise der Brief des griechischen Patriarchen von Alexandrien Löwensteins Besuch des Katharinenklosters und steht mit seiner durch Amt und Unterschrift verbürgten Authentizität für die Wahrhaftigkeit des Berichteten: Jch Joachim / Bapst vnd Patriarch der grossen Statt Alexandria vnd ein Richter deß Erdbodens / bekenn mit sampt dem H. Apt deß Berges Synai / daß der wolgeborn Herr Albrecht / Graff zu Löuwenstein / Freyherr zu Scharpffeneck / allhier ankommen / vnd die heylige vnd ehrwirdige örter angebeten / also nemlich / den Berg Synai / das ist / den heyligen

57 Vgl. Achim Landwehr, Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 61: „Es ist geradezu zu einem Topos geworden, die frühneuzeitliche Reiseliteratur der Lüge zu bezichtigen“. 58 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 188b: „Nach dem ich zu etlich malen / von hohen vnd nidern personen / bin angesprochen worden / mein Itinerarium oder Reißbuch / so ich vor zwenzig Jaren / neben vnd mit hernach verzeichneten meinen Mitgeferten / auß Teutschlandt / vber Meer / in Judeam vnd Palestinam / oder wie es gemeiniglich genennet wirdt / in das Heylige Landt / ghen Jerusalem / auch in Egypten / vnd auff den Berg Synai / vollbracht / in offnen Truck zu verfertigen / vnd außgehen zu lassen. Ob ich nun gleichwol / ein solches zu thun / bedacht gewesen / auch deß jenigen / so ich nur gleichwol auffs kürtzest / allein pro memoriali, zu Landt vnd auff dem Meer / verzeichnet / kein abscheuwens trag / da es gleich menniglich kundt vnd offenbar würde / weil ich solchs alles / neben vermeldter meiner Gesellschafft / selbst mit Augen gesehen / auch mit ziemlicher Gefahr / Leibs und Lebens / erfahren vnnd außstehen müssen. Jedoch hab ich dessen bißher / bey mir / vieler hochbewegender vrsachen wegen / (wie auch noch) nicht geringes bedenckens gehabt / sonderlichen in erwegung / daß mir dasselbige / bey der jetzigen Welt / von etlichen für einen verdrießlichen Ehrgeitz / von andern aber / so in frembden Landen nicht erfahren / sondern sich jhre Tage mehrertheils innheymisch / vnd bey den jhrigen gehalten / von denselben nit weit verrückt / für Fabeln vnd Fantaseyen angezogen / gedeutet vnd außgelegt werden möchte. Demnach ich aber jederzeit ein sonders gut vertrauwen zu E.L. gehabt / vnd noch / hab ich nicht vnterlassen wöllen / solche meine Reyß / wie sie von mir mit eygner Handt verzeichnet / in dieses Büchlein mundiren lassen / vnd E.L. dasselbige / zur anzeigung meines guthertzigen / dienstlichen Gemüts / neben wündschung eines glückseligen neuwen / vnd noch vieler künfftiger Jaren / dediciren vnnd zustellen wollen“. 59 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 188b (Vorrede); fol. 189a–189b (Namenslisten); fol. 190b–191b (Schiffsvertrag); fol. 209b–210b (Zeugnisbriefe auf Latein und in deutscher Übersetzung).

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 229

Gipffel / darauff der Prophet Moses das Gesetz empfangen / Jtem die heyligen Dornhecken / dardurch der heyligen Jungfrauwen vnd Gottesgebärerin Marien geheimniß ist vorgebildet worden / Vnd denn die heylige vorteffliche Martyrerin vnd hochverständige S. Catharina / vnd in gemein anders alles / so man hie anzubeten pflegt / Darumb wollen wir / daß jederman / wer diese Brieff lesen wirdt / denselben glauben geb / vnd nit widersprech / als wenn sie nit war weren / Vnd deß zu vrkundt vnd zu mehrer bestätigung der Warheit / haben wir vns mit vnsern eigenen Händen vnterschrieben / die geben sind im Jar Christi 1561. Aber nach erschaffung deß ersten Menschen Adams im 7070. Jar / den 26. Decemb. Joachim durch Gottes erbarmung Bapst vnd Patriarch der grossen Statt Alexandria (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 210b).

Ähnliche, wenn auch weniger ausgeprägte Beglaubigungsstrategien finden sich bei Wormser, wenn er die Namen der Reisegesellschaft aufführt und seinem Bericht eine Kopie des Schiffsvertrags beifügt.⁶⁰ Obgleich Löwenstein und Wormser mit der Betonung von Autopsie und Wahrhaftigkeit des Berichteten wichtige Forderungen apodemischer Schriften erfüllen, ähneln ihre Reiseberichte in vielen Zügen noch dem Pilgerbericht des Spätmittelalters. Im Gegensatz zu spätmittelalterlichen Berichten tritt bei ihnen jedoch der Reisende mit seinen persönlichen Erlebnissen stärker in den Mittelpunkt. Des Weiteren sind auch neue Elemente des Ägyptenbildes zu verzeichnen, auf die später noch näher eingegangen wird. Löwenstein und Wormser stehen damit am Übergang von alter und neuer Tradition. Auch was Reiseorganistation und Struktur des Reiseberichts angeht, vereinen Löwenstein und Wormser typische Elemente spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Pilgerfahrten. So ist bei ihnen z.B. der Ausgangspunkt der Schifffahrt immer noch Venedig, wie bei den meisten Jerusalempilgerreisen im Mittelalter: [30. Martius 1561] Auff diesen heyligen Palmtag zu Löuwenstein außgeritten […] [8. Maius] Seind wir zu Venedig ankommen / zum Schwartzen Adeler […] [Am 4. Juli] Jst der Signor de la Naue Viuiano zu uns kommen / vnd von vns vrlaub genommen / sindt wir als bald nach dem essen mit auffgespannten Segeln / in dem Namen Gottes nach Jerusalem gefahren […] [18. August 1561] Morgends bey Jaffa geanckert (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 190a– 192b).

60 Vgl. Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 215a (Namenslisten); fol. 215a– 216b (Schiffsvertrag). Des Weiteren finden sich bei ihm Anhänge zum Ritterschlag beim heiligen Grab und zu den verschiedenen Konfessionen in Jerusalem aus protestantischer Sicht (vgl. ebd., fol. 234a–235a).

230 

 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Bei vielen deutschen Reisenden der Frühen Neuzeit wird dagegen Konstantinopel zum Ausgangspunkt der Pilger- bzw. Morgenlandreise.⁶¹ Bezüglich der Reiseroute vom Heiligen Land aus stehen Löwenstein und Wormser jedoch für eine Variante, die im Mittelalter nur vereinzelt vorkommt und erst in der Frühen Neuzeit als typische Organisationsform der Ägyptenreise gilt. Denn sie zählen zu jenen Reisenden, die nach dem Besuch des Heiligen Landes eine Ägyptenreise antreten und das Katharinenkloster von Kairo aus besuchen, um dann wieder nach Kairo zurückzukehren. Reisende, die diesem Organisationsschema folgen, sind z.B. Nikolaus und Wilhelm von Diesbach und Hans von der Gruben (1467), Jodocus von Meggen (1542), Johann Helffrich (1565–1566), Ludwig von Rauter (1568–1569), Samuel Kiechel (1588), Georg Franz Ferdinand von Troilo (1666–1670) und Otto Friedrich von der Gröben (1675).⁶² Der Reiseverlauf, der die Reiseberichte dieser Gruppe kennzeichnet, weist folgende typische Bausteine auf: 1. Heiliges Land – Kairo auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße 2. Aufenthalt in Kairo 3. Kairo – Katharinenkloster – Kairo 4. Aufenthalt in Kairo 5. Kairo auf dem Nil nach Rosette und weiter auf dem Landweg nach Alexandrien 6. Aufenthalt in Alexandrien (und anschließend Weiter- bzw. Heimfahrt). Die Veränderungen, die sich im Vergleich zur Gestaltung der Ägyptenreise im Mittelalter ergeben, beziehen sich vor allem auf die eingeschlagene Reiseroute nach Ägypten und innerhalb des Landes. Denn bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts stellt Palästina den Ausgangs- und Endpunkt der Ägyptenreise dar, wie die Analysen im zweiten Kapitel vorliegender Arbeit darlegen. Dabei schlägt man die SinaiMittelmeer-Küstenstraße nach Kairo ein, setzt die Reise über das Katharinenkloster fort und kehrt auf dem direkten Sinai-Binnenweg nach Gaza und Jerusalem zurück. Als Variante existiert in dieser Zeit auch der umgekehrte Reiseverlauf, bei dem zunächst das Katharinenkloster und dann Kairo besucht wird. Ab Mitte des 14. Jahrhunderts wird aufgrund der verbesserten Seeverbindungen zwischen Venedig und Alexandrien ein anderer Reiseverlauf möglich, der bis Mitte des

61 Von den deutschen Reisenden, bei denen Konstantinopel als wichtige Station vor bzw. nach der Ägyptenreise eine Rolle spielt, sind Salomon Schweiger (1581), Karl Nützel von Sündersbühl (1586), Hans Ludwig von Lichtenstein (1587), Georg Christoph Fernberger von Egenberg (1588), Hans Christoph von Teufel (1588), Hans Jacob Ammann (1612), Arndt Gebhardt von Stammer (1614) und Heinrich von Rantzau (1623) zu nennen. 62 Diesem Aufbauschema – jedoch in umgekhrter Richtung – folgen auch die Reiseberichte von Arnold von Harff (1496–1499), Georg Gaming (1507), Martin von Baumgarten (1507), Christoph Fürer von Haimendorff (1565–1566) und Friedrich Eckher von Käpfing (1625).

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 231

15. Jahrhunderts dominiert. Dabei erfolgt die Ägyptenreise auf der Hinreise zum Heiligen Land: Von Alexandrien reist man über Kairo zum Katharinenkloster und dann weiter auf dem Sinai-Binnenweg direkt nach Palästina. Die umgekehrte Reiseroute nach dem Besuch des Heiligen Landes dominiert dann in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Aus diesem Überblick lässt sich somit einerseits ablesen, dass ein Organisationsschema mit Kairo als Ausgangs- und Endpunkt der Reise zum Katharinenkloster, wie es Löwenstein und Wormser wählen, in dieser Zeit nicht üblich ist. Und andererseits lässt sich erkennen, dass die SinaiMittelmeer-Küstenstraße zwischen Kairo und Gaza, für die sich Löwenstein und Wormser entscheiden, von Mitte des 14. bis Ende des 15. Jahrhunderts von deutschen Reisenden kaum eingeschlagen wird. Dadurch sind für die Reiseberichte auch die Beschreibung anderer Orte sowie veränderte Themen zu erwarten. Bezüglich der einzuschlagenden Route zum Katharinenkloster ist Löwensteins und Wormsers Reisegruppe jedoch uneinig, so dass die Zweckgemeinschaft⁶³ bei Gaza auseinandergeht. Denn während David Furtenbach und Sigmund Rumpf mit einem Kaufmann auf dem direkten Sinai-Binnenweg zum Katharinenkloster reisen, entscheiden sich Löwenstein, Wormser und Jasky für die sicherere Route von Gaza auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße nach Kairo: Den 9. Octobris / sind wir zu Gazara wider auffgewesen / vnd mit der Caruanen auff Alkayro zu gezogen / Vnd sind vnsere Gesellen / Dauid Fortenbach vnd Sigmund Rumpff / zu Gazara blieben / haben im sinne gehapt / den nechsten auff den Berg Synai zu ziehen. (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 222b). [09.10.1561] waren wir drey / Jch [Löwenstein] / Wormbser vnd Jaskhy auff / der Rumpff vnd Fürtenbach blieben zu Gassera / dann sie mit dem vorgemeldten Kauffmann von Rama stracks auff den Berg Sinai zu ziehen wolten / nicht auff Alkayr mit vns / dieweil sie der Kauffman beredt / es were viel näher / vnd warteten auff jhn / biß er hinweg zoge / das vns nicht gut dünckt / dann jederman sagt es were gar vnsicher (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 196b).

63 Vgl. Wolfgang Treue, Peregrinatio Hierosolymitana. In: Friedhelm Burgard (Hg.), Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit, Trier 1996, S. 451ff. Im Katharinenkloster findet die Reisegruppe wieder zusammen. Furtenbach stirbt jedoch an den Folgen der Ruhr und der anstrengenden Wüstendurchquerung und wird dort bestattet; vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 200a–200b.

232 

 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Furtenbach und Rumpf gehören damit zu den letzten deutschen Reisenden, die auf dem direkten Sinai-Binnenweg zum Katharinenkloster reisen. Denn aus Sicherheitsgründen wird diese Reiseroute in der Frühen Neuzeit von deutschen Reisenden kaum mehr eingeschlagen.⁶⁴ Stattdessen dominieren in dieser Zeit zwei andere Varianten: Man reist nun entweder auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße von Gaza nach Kairo, wie Löwenstein und Wormser, oder von Damiette auf dem Seeweg nach Jaffa. Aufgrund der durch Beduinen verursachten Unruhen auf dem Sinai-Landweg bevorzugt man aber seit Ende des 16. Jahrhunderts die zweite Variante über Damiette, wie z.B. aus den Reiseberichten von Hans von der Gruben (1467) und Michael Heberer (1585) hervorgeht.⁶⁵ Auch Löwenstein und Wormser berichten bereits von Unannehmlichkeiten und Schikanen durch Beduinen auf dem Weg von Gaza nach Kairo: Sie schreiben von Schlägen und Demütigungen, die erst enden, als sie den selbst ernannten Grenzhütern das verlangte Passiergeld entrichten.⁶⁶ Eine weitere Besonderheit der Reiseberichte von Löwenstein und Wormser zeigt sich darin, dass sie zweimal von Kairo nach Alexandrien reisen. Das erste Mal nehmen sie die übliche Route auf dem Nil nach Alexandrien, um von dort aus in die Heimat zu reisen. Die folgende Abweichung vom üblichen Organisationsmodell ist auf ein unvorhergesehenes Ereignis zurückzuführen, da sie in Alexandrien gefangen genommen und auf dem Landweg wieder nach Kairo zurückgebracht werden. Ihnen wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Der Janitschar, der sie von Kairo nach Alexandria begleitet, schlägt nämlich in seiner Trunkenheit unweit von Rosette einen einheimischen Araber tot und flieht. Diese Tat wird in der Folge den beiden deutschen Reisenden angelastet. Während Wormser in seiner Knappheit um sachliche Darstellung der Ereignisse bemüht ist, beschreibt Löwenstein diese Episode sehr emotional.⁶⁷ Dabei vermerkt er auch, dass Adelige

64 Die letzten deutschen Reisenden, die diese Reiseroute benutzen, sind Lupold von Wedel (1578) und Sebastian Schach (1604). 65 Hans von der Gruben berichtet, dass er wegen Unruhen nicht den direkten Weg von Gaza durch die Sinaiwüste zum Katharinenkloster einschlagen kann. Deswegen nimmt er auf Rat des Statthalters von Gaza den Sinai-Mittelmeer-Küstenweg. Vgl. [Hans von der Gruben], Hans von der Grubens Reise- und Pilgerbuch 1435–1467, hg. von Max von Diesbach. In: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern, 14 (1896), S. 97–151, hier S. 134. Vgl. hierzu auch Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 132f. 66 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 196a–196b. 67 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 201b–205a; Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 228a–231a.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 233

im osmanischen Ägypten inkognito reisen, um sich vor Gefangennahme und Spionagevorwurf zu schützen,⁶⁸ und dass kundige Vermittler wie Konsuln, Dolmetscher, Einheimische oder Fremde, auf deren Hilfe ein Reisender im osmanischen Ägypten angewiesen ist, oftmals aus der Not gefangener Pilger Vorteile zu schlagen suchen. Verrat und Intrigen führen zur Enthüllung ihres adeligen Status. Hinzu kommt der Spionagevorwurf, der gegen sie erhoben wird: Aber Gott schickte es viel anderst / denn man vns bey dem Bascha zu Kayro dermassen angeben / für grosse Herren / wie wir vil Gelts noch bey vns hetten / vnd auch / daß wir der Türcken Feinde weren / vnd die Landtsart außzuspähen / hineyn kommen (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 202b).

Eine Gefangennahme droht insbesondere, wenn der Reisende einer europäischen Macht angehört, mit der sich das Osmanische Reich in erklärtem oder latentem Kriegszustand befindet: Wie darffest du so keck seyn / vnd die grossen Herren / welche ich weyß / die dem König von Hispanien / auch Römischen Keyser gedienet / vnd bey jhnen / wider vns Türcken / Befelch gehapt / vnnd vnsere tödtliche Feinde seyn / auch selbst Landt vnd Leute vnter jhnen haben / daß Du solches an mich darffest begeren / (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 204a). Man solte jm nicht sagen wer wir seyen / denn wir nicht also arm / sondern reich / vnnd nicht allein Bilger / sondern Landspeher weren / derhalben were er vervursacht / vns nit also leichtlich ledig zu lassen (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 230b).

Nur durch Vermittlung von Augustin Marquardt, dem in Kairo ansässigen Augsburger Uhrmacher, der in der Gunst des Pascha von Kairo und dessen Sohn steht, gelingt es letztlich, eine Freilassung zu erwirken.⁶⁹ Als Gefahren der Reise werden in beiden Reiseberichten des Weiteren Seestürme und Piraten, Diebstahl und

68 Auf seinen Reisen in Europa hingegen kann Löwenstein seinen adeligen Status deutlich nach außen zeigen und ausleben; vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 189b–190a. 69 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 204b; Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 230b.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Schikanen, Krankheiten und Epidemien, Entführung und Versklavung genannt.⁷⁰ Aus dem beigefügten Schiffsvertrag⁷¹ lässt sich dabei zwar entnehmen, wie fortgeschritten und etabliert die Organisation der Jerusalempilgerfahrt zu dieser Zeit ist. Aus dem Reisebericht geht aber auch hervor, dass der Vertrag keine Garantie für eine bequeme und reibungslose Pilgerfahrt darstellt. Beispiele dafür sind das schelmenhafte Verhalten des Schiffskapitäns, der arabischen Funktionäre oder der Esel- und Kameltreiber in Palästina und Ägypten.⁷² Der Schilderung dieser Erlebnisse ist die persönliche und unterhaltende Note des Reiseberichts zu verdanken. Sie unterstreicht aber zugleich die Risiken einer Reise im Osmanischen Reich und die Hilflosigkeit des Reisenden in einer ihm fremden, feindlich erscheinenden Kultur.

5.3.1.2 Hauptthemen der Ägyptenbeschreibung Die veränderte Reiseroute zieht eine veränderte Themenauswahl nach sich. Auffällig ist dabei vor allem die persönliche Note der Reiseberichte von Löwenstein und Wormser, die in der Schilderung eigener Erlebnisse und Erfahrungen zum Tragen kommt. Hauptthemen sind die Beschreibung der Reiseroute von Gaza nach Kairo, die mit der Entwicklung eines detaillierten Beduinenbildes einhergeht, Erlebnisse in Kairo, beim Katharinenkloster und in Alexandrien. Dabei stehen Reiseorganisation, Begegnungen und Besichtigungen im Mittelpunkt. Dies wird im Folgenden im Fokus der Analyse stehen, um so die Veränderungen im Reisebericht und die Übergangsstellung der Berichte von Löwenstein und Wormser zu beleuchten. Nach dem Besuch der heiligen Stätten in Palästina und der Erlangung des Ritterschlags am heiligen Grab schlagen Löwenstein und Wormser eine Reise-

70 Vgl. Wolfgang Treue, Peregrinatio Hierosolymitana, In: Friedhelm Burgard (Hg.), Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit, Trier 1996, S. 454ff. 71 Aus dem Schiffsvertrag geht hervor, dass der Schiffspatron Aufgaben eines modernen Reiseveranstalters übernimmt, d.h. die Pilger hin- und zurückzubringen, sie auf dem Schiff zu verpflegen, ihnen einen Dolmetscher/Reiseführer zur Verfügung zu stellen sowie Unterkunft und Führungen vor Ort zu organisieren. Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 190b–191b; Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 215a–216b. 72 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 190a ff.: So will z.B. der Schiffskapitän in Candia den Pilgern kein Essen geben. Deshalb zeigen sie ihm den Vertrag und erinnern ihn an das Vereinbarte (fol. 192a f.). Und in Palästina muss mit dem türkischen Statthalter neu über die Gebühren verhandelt werden (fol. 193a).

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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route ein, die von den deutschen Pilgern des Mittelalters kaum benutzt wird, in der Frühen Neuzeit jedoch eine Alternative für den kürzeren, aber nicht mehr intakten und gefährlichen Sinai-Binnenweg darstellt: Sie reisen von Gaza über Schia/Aschge (al-Arisch), Catha/Catie (Qatia), Salachia/Silachille (al-Sâlihiya), Cathara, Belbeys (Bilbeis) und Alcaneca/Alcanoca (al-Khanka) nach Kairo.⁷³ Die Reiseberichte von Löwenstein und Wormser zeichnen sich nicht nur durch die Beschreibung einer neuen Reiseroute aus, sondern auch durch die Schilderung eigener Erlebnisse und Erfahrungen auf diesem Weg. Dabei wird ein eindringliches Bild von den Beduinen/Arabern entworfen, das die Beschaffenheit der Wüste ebenso umfasst wie Kleider, Physiognomie und Charakter der Beduinen und ihre politische Beziehung zum Osmanischen Reich: als wir auch für das Thor zu Gassera kamen / musten wir Zoll geben / […] Darnach etwa viertzig Schritt fürterhin / hielt der Arabier König einer / fordert von vnser jeglichem fünff Ducaten / oder wolt vns gefangen nemmen / Also thädingt ein Jüd / daß wir jm ein Ducaten geben / vnd musten darnach dem Jüden vnd seinem Schelmen Diener / auch Geldt schencken / daß es ein Ducaten traff / darnach kaum zehen Schritt fürterhin / helten auff acht oder zehen Pferde Arabier / musten jnen auch von jeglichem vier Medin geben / sie plagten vns diesen tag gar sehr / daß wir vns der Gefengknuß fast besorgten / Letztlich kamen wir an das ort / da sich die Caruana allezeit zusammen samblet / ist auff zwo Teutsche meyl von Gassera / in dem weiten Felde. Früh vor tag zogen wir 2 Teutsche meyl bis tag ward / rasten daselbsten / da gieng vns noch vbler / dann dasselbige Land öde / vnd der gar bösen Arabier ist / kam auch jr König / vnd noch einer mit ihm / nur also selbander / auff dürren Pferden / aber sehr bald lauffendt / zu vns / gar seltzam gekleydt / mit Beltzen vnd langen weissen Hemmdern / mit grossen Ermeln / wol 3 Elen weit / darüber führt ein jeglicher ein Spießlein / vnd der König ein Sebel dazu / vnd wolten von vnser jeglichem 3 Ducaten haben / Jch war eben entschlaffen / also weckt mich vnser Eseltreiber / vnd zeyget mir solches an / da entschüldiget ich vns auff best / durch ein Juden / welcher die Sprach kondt / vnd mit jm redete / wir weren arm / köndten es nit geben / Dieweil ich nicht von stundt an gegen dem Schelmen jrem König / den ich warlich für kein König / sondern für einen Mörder vnd Bößwicht / der er auch war / ansahe / war auffgestanden / vnd jme Reuerentz angebotten / stieß er mich mit dem Fuß auff den Leib / vnd zuckt den Sebel / mir den Kopff abzuhauwen / Letztlich thädingt doch der Jud mit jhm / daß er zwen Ducaten von vns allen dreyen nam / vnd musten dem Schelmen die Handt vnd das Angesicht küssen / das vns nicht im Hertzen war. Die Arabier seindt nacket / schwartz vnflätige Leut / kleyden sich eins theils / mit Kamelthier vnd Schaffhäuten / Der Türck hat sie nie bezwingen können / wiewol er sie hefftig Sebln leßt / jhren seindt vber die drey mal hundert tausent daselbst herumb / doch seindt sie zum theil jme gehorsam aber nicht vil / Daß ich wider vom vorigen König sagt / der vns also schätzt / es

73 Vgl. dazu Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 196a–197a und Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 222a–223a.

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war ein Subbasche / ein Türckischer Herr von Alkayr mit vns / der sagt wider jn / er wole dem Türkischen Keyser anzeygen / daß er die Leute wider alle billigkeit in seines Herren Land also schätzte / da sagt der Arabische König / er wüste von keinem andern Herren oder König / dann er were König vnd Herr in dem Landt / darumb möchte er darinn handeln seines gefallens / als wol als der Türkische Keyser in dem seinigen / vnd wenn man jhme nicht gebe / was jme gebürt / wolt er in einer stundt zehen tausent Arabier bringen / die solten jn vnd vns zu stücken hauwen (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 196b).

Im ersten Teil dominiert die Beschreibung der Schikanen seitens der beduinischen Steuer-einnehmer, die durch Einschüchterung und Gewalt von den Pilgern Passiergeld erpressen. Insbesondere Kaufleute, Reisende und europäische Pilger scheinen von ihnen geplagt zu werden. So berichtet Löwenstein beispielsweise von schweren Demütigungen und der Gefahr, beinahe getötet worden zu sein, wenn nicht der dolmetschende Jude rechtzeitig interveniert wäre und vermittelt hätte. Im zweiten Teil des Zitats steht dagegen eine allgemeine Charakterisierung der Beduinen im Vordergrund. Sie werden von Löwenstein als Schelme, Mörder und Bösewichte bezeichnet und als nacket/schwartz vnflätige Leut charakterisiert, die von den Türken nicht bezwungen werden können und in ihrem öden, schwer einzunehmenden Wüstengebiet als selbst ernannte Könige leben und gebieten. Auch von Wormser werden die Beduinen/Araber als Schelme bezeichnet. Er sieht sie jedoch auch als schöne Menschen, die zu fürchten sind: „wer aber durch das Landt zeucht / bitte Gott / daß er jrer nicht viel sehe“.⁷⁴ In Wormsers Beduinenbeschreibung schimmert somit auch das Bild des edlen Wilden durch. Im Beduinenbzw. Araberbild von Löwenstein und Wormser schlummert damit im Keim das, was Richard Heigl als Araber-Typus bezeichnet, den er neben einem Türken-Typus in den deutschsprachigen Weltgeschichten des 19. Jahrhunderts ausmacht.⁷⁵ Auch die Beschreibung der Reiseorganisation zeichnet sich durch ausgeprägtere Schilderung persönlicher Erlebnisse aus. Am 20. Oktober 1561 erreichen Löwenstein und Wormser Kairo und beziehen durch Vermittlung des venezianischen Konsuls Leonardo Eymon, an den das Empfehlungsschreiben des Guardian von Jerusalem adressiert ist, Quartier im Hause eines Italieners: „da assen vnd schlieffen wir / neben noch andern Venetianischen Kaufleuten / das vns sehr wol bekam / Es gab auch einer ein tag für Essen / on den Wein / vier Medin“.⁷⁶ Die

74 Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223a. 75 Vgl. hierzu Richard Heigl, Wüstensöhne und Despoten, Regensburg 2000, S. 108–120. 76 Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197a.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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Kommentierung dieser Informationen setzt Löwenstein mit einer Erzählung über den italienischen Wirt fort: Da er bei der Wüstendurchquerung von Gaza nach Kairo großen Hunger gelitten habe, wünscht sich Löwenstein acht statt der angebotenen zwei Mahlzeiten pro Tag, worüber sich der Wirt – Löwenstein zufolge zu Unrecht – sehr aufregt und deshalb als böser Schelm bezeichnet wird.⁷⁷ Bezüglich der Reiseorganisation lässt sich aus dem Reisebericht ferner erschließen, dass Deutsche zu dieser Zeit noch keine diplomatische Vertretung in Ägypten haben und somit die europäischen Konsuln zum Treffpunkt deutscher Reisender und Kaufleute werden. Sie helfen bei der Reisegestaltung, vermitteln Unterkunft und Dolmetscher und vertreten ihre Interessen vor den ägyptischen Behörden. So schickt z.B. der venezianische Konsul seinen Dolmetscher mit der Pilgergruppe zum griechischen Patriarchen, der sie freundlich empfängt und ihr seine Unterstützung bei der Sinaireise zusichert. Löwenstein und Wormser berichten auch davon, dass sie beim venezianschen Konsul Weihnachten und Neujahr feiern. Bei der Kairobeschreibung vereinen sich gemäß der Übergangsstellung, die Löwenstein und Wormser einnehmen, Elemente der neuen und alten Tradition. Wie in spätmittelalterlichen Pilgerberichten werden dabei allgemeine Informationen topo- und ethnographischer Natur über Lage, Größe, Bevölkerung und Klima aufgeführt. Weitere Elemente sind der Besuch bei den Pyramiden (Beschreibung der Form und Bauweise, Besteigung und Besuch im Innern der Cheops-Pyramide, Schatzsuche)⁷⁸ und beim Sphinx (Bildnis eines Kopfs bzw. bei Wormser eines Frauenkopfes, unter dem unterirdische Gänge verlaufen, und das bei Wormser als Bildnis der Rhodope dargestellt ist),⁷⁹ Flora und Fauna (Balsamgarten, Nilpferd, Giraffe), Besuch von Matarieh (Heilige Familie, Brunnen, Feigenbaum),

77 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197a. 78 Der Name wird nicht erwähnt. Die Pyramiden werden von Löwenstein als eins der sieben Weltwunder und als „Sepultur vnd steinin Pfeiler Pharaonis“ (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197a) bezeichnet und von Wormser als „Begräbniß Pharaonis […] welches ist das größt Wunderwerck der Welt / vnd geformiert wie ein Damant“. Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223b. Löwenstein begiebt sich beim Besuch der großen Pyramide in den unteren Gängen (im sog. Grabräuberschacht) sogar auf Schatzsuche. 79 Dazu schreibt Löwenstein: „vnd giengen darnach zu einer Bildniß eines Kopffs“; Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197b. Wormser erzählt von einer in der Antike verbreiteten Legende über die Erbauerin der Mykerinos-Pyramide, die u.a. bei Herodot, Strabo und Plinius zu finden ist, wobei Herodot diese Legende zu widerlegen sucht. Die Geschichte erinnert stark an das Märchen von Aschenputtel; vgl. Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Stadtbild (Moscheen, Mamelukengräber, Aquädukt und Wasserversorgung zum Schloß, Eierbrutöfen) und Besuch von Altkairo (Kirchen, Babylon, Pharaos Kornkasten). Schließlich sind auch der Besuch eines Teppichladens, der Ritt auf den Berg Muqattam⁸⁰ bei der Zitadelle mit Panorama-Aussicht, Beschreibung der nicht besichtigten Mumien⁸¹ sowie weitere Geschichten vom Hörensagen (Auferstehung der Toten, Brieftauben zwischen Damiette und Kairo) als Bildelemente der Kairobeschreibung bei Löwenstein und Wormser zu finden: Weiter bin ich noch in einer Kirchen gewesen / ist auch schön vnd den Christen zugehörig / vnd nit weit darvon sind die Kornkasten / da König Pharao sein Korn innen gehabt / vnd werden noch heutiges tags zu Kornkasten gebraucht / sind grosse Kasten / vmbmawret / vnd oben offen / denn in der Statt der Regen nichts thut / Darnach vber dem wasser Nylus genannt / ist die alte Statt Babylonien / von gar alten Gebäwen / daselbst grawsam viel Häffner wohnen / innsonderheit haben die Kinder von Jsrael jhr Gefencknuß daselbst gehabt vnd allda müssen Werck vnd Ziegel machen / wie denn noch die walstatt vns solches außweiset / vnd an diesem ort ist ein Garten / der vmbmauwret ist / vnd in demselben sihet man im jar grawsam seltzam Gesicht / vngläublich darvon zu reden oder schreiben / nemlich den vierdten Tag Augusti zu Nacht / so lassen sich sehen etliche Todte Cörper / die daselbst begraben ligen / als einer den Kopff / der ander ein Arm / vnd der dritte die Schenckel vnd sonst andere Glieder / vnd sihet man das nur zu Nacht / wie vns denn gleubliche Leut angezeyget / die solches selbest gesehen haben / vnd vns die Wallstatt gezeyget / welches vns der Patriarch durch ein Dolmetschen angesagt hat / vnd auff fünftzehen welsche meylen darvon ist die Statt Thebe / aber gar zerstört / vnd nahe darbey hat es viel Begräbnussen / vnter der Erden wunderbarlich gemacht / da man vor alten zeiten die Leute hin begraben hat / Nemlich / hat man sie außgeweydet vnd eyn balsamieret / vnd vmbwunden mit vielen Tüchern / vnd auff jre Leib Vögel gebunden vnd allerley gattung / auch Katzen / Hunde vnd andere Thier mehr / vnd auch Bildtnussen als eyn balsamiert / vnd groß wunder ist solchs zu sehen / was sie darmit haben / vnd findet man die Leib noch alle gantz / vnd ist die best Mumia die man auff der Erden haben mag / vnd die Begräbnus ist 24 Welscher meyln lang vnder dem Erdtreich / Es sind auch etliche Begräbnuß auff das Erdreich gebawet / gar hoch vnd köstlich / von vierecketen Steinen in Demant weise / daß man wol sihet / daß grosse Herrn haben machen lassen / Also were wol viel von der Stat Alkayr vnd zu nechst vmbligenden orten vnd Landtschafften zu schreiben / das alles in Egypten gelegen / aber es würde zu viel mühe nemmen davon zu schreiben vnd zuerzehlen / vnd

Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 224a. Vgl. hierzu auch die Analyse in Kapitel 5.4.1. 80 Der Name wird im Reisebericht nicht erwähnt. 81 „Diesen Tag hatten wir ein Anschlag / die Mumia zubesichtigen / auff fünff meil von Kayro / aber dieweil nichts sonders zu sehen / denn todte Cörper / vnd alte Gewölber / vnter dem Erdtreich / vnterliessen wir es“; Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 201a. Wormser fügt dennoch eine Beschreibung der Mumien an, die möglicherweise auf Hörensagen beruht und/oder auf andere (europäische) Reiseberichte zurückgehen mag.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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sonderlich würden es vil nit glauben / bevorab die deß Lands gelegenheit vnerfahren / die vermeinen es gehe in allen Landen vnd sey breuchlich / wie am Kochersberg im Elsas (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 228a).

Im Vergleich zu spätmittelalterlichen Pilgerberichten lassen sich dabei einige Veränderungen erkennen. So sind zum einen eine Ausweitung der Themen (Teppichladen, Friedhöfe) sowie ausführlichere Beschreibungen von Sehenswürdigkeiten (Pyramiden, Sphinx) festzustellen. Als neues Element sind Begegnungen und Ausflüge mit europäischen Sklaven und Renegaten in Kairo zu erwähnen. Und zum anderen ist bei der systematischen und ausführlichen, auf Autopsie beruhenden Darlegung der Informationen auch ein Einfluss apodemischer Schriften zu verzeichnen. Die Einhaltung apodemischer Anweisungen zeigt sich auch beim Ritt auf den höchstgelegenen Punkt der Stadt, den Muqattam-Berg, der zur Panorama-Aussicht einlädt und damit einen Überblick über die Stadt zu gewähren vermag. Die ausgeprägtere Darlegung persönlicher Erfahrungen und die daraus resultierende persönlichere Note des Reiseberichts zeigt sich hierbei z.B. im Staunen und der Verwunderung der Pilger über Ägyptens Eigenart. Der Eindruck, den dieses Land bei der deutschen Pilgergruppe hinterlässt, mündet dabei in einen Unsagbarkeitstopos über die wunderbaren Dinge in Ägypten. Wormser verdeutlicht mit kritischen Worten diese kulturellen Unterschiede, wenn er seine Zeitgenossen rügt, die vermeinen es gehe in allen Landen vnd sey breuchlich / wie am Kochersberg im Elsas.⁸² Bei der Beschreibung der Sinaireise und der heiligen Stätten auf dem Mosesund Katharinenberg dominieren schließlich die biblischen Themen um Moses und St. Katharina sowie Heiligen- und Wundergeschichten, die nach dem üblichen Schema des mittelalterlichen Reiseberichts bzw. Pilgerführers beschrieben werden. Vom Ablass ist jedoch nicht die Rede.⁸³ Eine Beschreibung der Sehenswürdigkeiten von Alexandrien fehlt in beiden Reiseberichten. Sie berichten lediglich von den „Seulen Pompey […] / welche lang und groß sind“.⁸⁴ Diese Leerstelle mag auf ihre Gefangennahme in Alexandrien und die dadurch vordringlichere

82 Vgl. Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 228a 83 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 199a–200b; Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 225a–226b. 84 Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 202a.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Schilderung ihrer Erlebnisse und Eindrücke zurückgehen. Das Ägyptenbild von Löwenstein und Wormser setzt sich somit aus pharaonischen, biblischen und orientalischen Elementen zusammen, wobei das orientalisch-osmanische Ägypten im Vordergrund steht.⁸⁵ Diese Veränderung in der Gewichtung wird am Ende des fünften Kapitels noch genauer zu beleuchten sein.

5.3.2 Nützel (1586) und Fernberger (1588) 5.3.2.1 Reiseorganisation und Struktur der Reiseberichte Sind die Berichte von Löwenstein und Wormser am Übergang zwischen dem Reisebericht des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit anzusiedeln, so sind die Berichte von Nützel und Fernberger unverkennbar von den Vorschriften der neuen Reisekunst, der Apodemik, geprägt. Sie stehen im Zeichen der neuen, überwiegend protestantischen Tradition der Morgenlandreisen, die Harbsmeier mit den Reiseberichten von Gesandtschaftsreisenden im Osmanischen Reich in den letzten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts entstehen sieht.⁸⁶ Einige Mitglieder bzw. Begleiter der deutschen diplomatischen Delegation zur Hohen Pforte, wie Nützel und Fernberger, nutzen dabei die Gelegenheit, von Konstantinopel aus eine erweiterte Orientreise nach Ägypten und Palästina zu unternehmen. Konstantinopel wird damit für viele Deutsche, vor allem für deutsche Adelige, als Zentrum des islamisch-osmanischen Reichs eine wichtige Station ihrer Kavalierstour bzw. Bildungsreise,⁸⁷ die sich als (gelehrte) Pilgerfahrt gestalten kann, wie beim Nürnberger Patrizier Karl Nützel von Sündersbühl, oder als Abenteuerreise in den Nahen und Fernen Osten, wie beim oberösterreichischen Adeligen Georg Christoph Fernberger von Egenberg. Beide unternehmen ihre Ägyptenreise Ende

85 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197a–198a und fol. 201a–201b; Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223a–224b und fol. 227a–228a. 86 Vgl. Michael Harbsmeier, Wilde Völkerkunde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1994, S. 123 und S. 135ff. Vgl. hierzu auch Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 33. Müller unterscheidet dabei zwischen Reiseberichten von Gesandten und Begleitern diplomatischer Missionen einerseits und diplomatischer Korrespondenz andererseits. Dies spielt für vorliegende Studie keine Rolle, da es sich bei den deutschen Ägyptenreisen mangels einer deutschen diplomatischen Vertretung in Ägypten um Reisen ohne diplomatischen Charakter handelt. Deutsche Reisende erweitern somit ihre in diplomatischer Mission unternommene Orientreise um eine Reise nach Ägypten, ohne dort diplomatische Aufträge ausführen zu müssen. 87 Vgl. Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 173.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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des 16. Jahrhunderts und verfassen ihre Reiseberichte in deutscher bzw. lateinischer Sprache. Sie werden aber erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veröffentlicht, so dass davon auszugehen ist, dass ihre Manuskripte nur einem kleinen Kreis zeitgenössischer Interessenten zugänglich sind. Daher ist auch anzunehmen, dass Nützel und Fernberger trotz des ähnlichen Zeithorizontes nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenseitiger Rezeption stehen. Im Jahre 1586 unternimmt der protestantische Patrizier Karl Nützel von Sündersbühl (1557–1614) im Alter von 29 Jahren zusammen mit Graf Heinrich Matthias von Thurn und anderen Deutschen von Konstantinopel aus eine Pilgerreise nach Ägypten und Palästina. Damit reiht er sich in die ruhmreiche Liste Nürnberger Jerusalempilger ein, der Rieter, Tucher, Kötzel und Muffel angehören.⁸⁸ Ernstberger, der 1964 den auf Deutsch verfassten Reisebericht von Karl Nützel herausgibt, rühmt ihn als einen der inhaltsreichsten und formgewandtesten: Mit ihm begegnete ein Mann, den seine Morgenlandfahrt nicht nur weithin bekannt machte, sondern der auch das, was er dabei erlebte und zu sehen bekam, in einem ausführlichen, abwechslungsreichen, spannend geschriebenen, oft abenteuerlich anmutenden Bericht darstellte. Unter den Pilgerschriften über Fahrten ins Heilige Land ist die von Nützel wohl eine der inhaltsreichsten und formgewandtesten. Sie ist ein seltenes Zeugnis der Zeit.⁸⁹

Der Reisebericht besteht aus zwei Büchern und ist in sechs bzw. vierzehn Kapitel unterteilt.⁹⁰ Er folgt dem Itinerarprinzip und zeigt eine inhaltliche Dreiteilung: Konstantinopel-Ägypten, Ägypten-Palästina-Ägypten, Ägypten-Konstantinopel. Dabei wird die Hinreise nach Konstantinopel auf dem Landweg nur kurz erwähnt: Reisedaten, Stationen, Erlebnisse und Beschreibungen topo- und ethnographischer Natur werden knapp referiert. Die eigentliche Morgenlandreise findet sich dagegen sehr ausführlich beschrieben. Die Ägyptenreise ist Teil des ersten und zweiten Buches, da auch die Heimfahrt über Ägypten erfolgt. Die Überschriften der einzelnen Kapitel geben Einblick in den Inhalt des Reiseberichts und heben bestimmte Ereignisse (Diebstahl) und Elemente des Ägyptenbildes (Pyramiden, Mumien) hervor.⁹¹ Was Reiseorganisation und Struktur von Nützels Reisebe-

88 Vgl. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 29f. 89 Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 28. 90 Vgl. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 28–96. Die Zitate beziehen sich auf diese Ausgabe. 91 Vgl. die auf Ägypten bezogenen Kapitel: Erstes Buch: Das erste Kapitel: Wie wir unsern Abschied von Konstantinopel genommen und was zwischen dann und der Insel Rhodos zu sehen

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richts angeht, so lassen sich folgende typische Bausteine der Ägyptenreise feststellen: 1. Konstantinopel – Alexandrien (02.03.–14.04.1586) (S. 38–45) 2. Aufenthalt in Alexandrien (14.04.–22.04.1586) (S. 45–47) 3. Alexandrien – Rosette – Kairo (22.04.–27.04.1586) (S. 47–48) 4. Aufenthalt in Kairo (27.04.–19.05.1586) (S. 48–57) 5. Kairo – Damiette (19.05.–22.05.1586) (S. 57) 6. Aufenthalt in Damiette (22.05.–06.06.1586) (S. 57–58) 7. Damiette – Jaffa – Jerusalem (06.06.–10.06.1586) (S. 58–59) 8. Aufenthalt im Heiligen Land (10.06.–15.07.1586) (S. 60–90) 9. Rückreise über Ägypten (Damiette, Kairo, Rosette, Alexandrien) nach Konstantinopel (15.07.–17.10.1586) (S. 90–96). Der Hauptgrund der Reise besteht im Besuch der heiligen Stätten in Palästina. Die Ägyptenreise ergibt sich aus reiselogistischen Gründen, da die Reisegruppe in Konstantinopel, dem Ausgangspunkt ihrer Jerusalempilgerreise, drei Schiffe mit Kurs auf Alexandrien abfahrbereit vorfindet. So begibt sich Karl Nützel am 2. März 1586 nach kurzen Vorbereitungen und Beurlaubung durch den Kaiserlichen Gesandten an der Hohen Pforte auf Reisen: Nachdem der Wohlgeborne Herr Heinrich Matthias Graf und Freiherr von Thurn neben mir gänzlich entschlossen, wie wir dann auf dem Weg von Wien aus uns gegeneinander resolviert hatten, wir wollten von Konstantinopel aus, mit Verleihung Göttlicher Gnaden, eine Reis in das Gelobte Land Jerusalem vor-zunehmen, haben wir uns in solchem nicht saumen wollen. Und dieweil uns eben die Gelegenheit vorge-fallen, daß drei große Galeeren von dannen auf Alexandria in Ägypten abfahrig waren, haben wir uns auf eine derselben,

(S. 39–41); Das ander Kapitel: Was sich mit uns zu Rhodos zugetragen hat (S. 41–43); Das dritte Kapitel: Was wir zwischen Alexandria ausstehen müssen, auch den Diebstahl, so uns auf dem Galion begegnet (S. 43–46); Das vierte Kapitel: Wie wir zu Alexandria ankommen und was daselbst vornehmlich zu sehen ist (46–49); Das fünfte Kapitel: Wie wir zu Kairo, der Hauptstadt in Ägypten, ankommen, von Gelegenheiten der Stadt, und was allda zu sehen ist (S. 49–51); Das sechste Kapitel: Von den Antiquitäten Aegypti, sonderlich aber die Pyramides anlangend (S. 52–54); Das siebente Kapitel: Von den Mumien, balsamierten toten Körpern in Aegypto, auch andern schriftwürdigen Sachen um Kairo zu sehen (S. 54–57); Das achte Kapitel: Was sich zwischen Kairo und Jerusalem zugetragen, auch Beschreibung der Stadt Damietta, Jaffa und Rama, wie diese zu unsern Zeiten beschaffen sind (S. 57–60). Zweites Buch: [1.–11. Kapitel: Palästina]; Das zwölfte Kapitel: Was sich in unserem Zurückziehen von Jerusalem auf Kairo zugetragen (S. 89–92); Das dreizehnte Kapitel: Wie lange wir zu Kairo gelegen und was sich zwischen dannen bis auf Rhodos mit uns zugetragen und begeben hat (S. 92–94); Das vierzehnte Kapitel: Wie wir mit der Hilfe des Allmächtigen Gottes endlich wiederum zu Konstantinopel frisch und gesund angekommen und von Ihrer Gnaden Herrn Orator daselbst mit Freuden empfangen worden (S. 94–96).

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nachdem wir mit dem Patron […] übereingekommen, alsbald verdingt und auf gemeldtem Schiff von Ihrer Gnaden Herrn Oratorn mit Proviant und anderm, zu einer solchen Reis gehörig, nach Notdurft gestaffiert und versehen worden (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 38f.).

Als weitere Motivation bei der Entscheidung für die Reise über Ägypten ins Heilige Land ist der feste Wunsch anzusehen, die heiligen Stätten im Sinai zu besuchen. Wegen der durch die Beduinen verursachten Unruhen beim Katharinenkloster gibt die Pilgergruppe auf Anraten des venezianischen Konsuls in Kairo den Plan jedoch auf: Und ob wir wohl, von dannen auf den Berg Sinai zu ziehen, gänzlich entschlossen, so ist doch auf diesmal, solcher Reis vorzunehmen, keine Gelegenheit gewesen, sondern uns von dem Konsul zu Kairo vorgehalten, wann wir ja an diese Orte zu ziehen und dieselbigen Willens haben zu besehen, wollte er uns, dieselbige im wenigsten zu besehen, nicht widerraten, aber jedoch wüßte er uns wohl zu berichten, daß wir weiter und mehr nicht, dann die Mauern zu besehen, bekommen würden, aus Ursachen, dieweil die Araber dieser Zeit den Berg Sinai samt dem Kloster, darinnen Griechische Mönche gewesen, dermaßen geängstiget und bestürmet, daß dieselbigen, weil sie sich weiter nit vor solcher Gewalt gewußt aufzu-halten, das Kloster verlassen und von dannen die Flucht gegeben hätten. Nachdem wir dann vermerkten, daß dieser Zeit gar keine Gelegenheit auf gemeldten Berg Sinai zu ziehen, vorhanden, mußten wir unser Vornehmen auf diesmal also einstellen, in Vorbehaltung, die Gelegenheit zu unserer von Jerusalem gen Kairo Wiederankunft auf vielgemeldte Ankunft, zu dem Berg zu ziehen, besser und bequemer, solche mit nichten zu versäumen (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 48f.).

Die Sinaireise findet wegen Unruhen und/oder des durch Diebstahl verursachten Geldmangels der Reisegruppe jedoch auch nach der Rückkehr aus Jerusalem nicht statt,⁹² so dass Karl Nützel zu jener Gruppe von deutschen Jerusalempilgern

92 Zu Rückreise und Geldmangel vgl. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 92f. Zu den Verhältnissen beim Katharinenkloster vgl. auch Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 32: „Es liegt ebenso den Mönchen wie den Arabern selbst am Herzen, miteinander Frieden zu pflegen. Ansonsten greifen die Araber die Karawanen an und plündern die Nahrung, die den Mönchen aus Kairo gebracht wird. Andererseits riegeln aber die Mönche das Kloster ab, verweigern den Arabern Nahrung und Speise und lassen nichts aus dem Kloster hinaus. Sonst gibt es nämlich den Brauch, für die, die zum Kloster kommen und ihre Gefäße und Körbe an Seile binden, irgendwelche Lebensmittel, wie z.B. Reis, Öl, Salz und andere Feldfrüchte hineinzulegen und hinabzulassen. Diese sind aber dennoch von solcher Unverschämtheit, daß sie sehr oft, wenn ihren maßlosen Forderungen nicht nach ihrem Wunsch

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

gehört, die das Katharinenkloster im Sinai nicht besuchen. Hierzu zählen ferner Daniel Ecklin (1552–1553), Salomon Schweigger (1581), Ludwig Helmlin von Beromünster (1639–1640), Jonas Korte (1737) und Anton Krenn (1756), die Ägypten auf der Hinreise ins Heilige Land einen Besuch abstatten. Ihre Reisen beschränken sich auf Reisestationen in Unterägypten wie Damiette, Kairo, Rosette und/oder Alexandrien.⁹³ Im Gegensatz zu Karl Nützel, dem 1586 ein Sinaibesuch wegen der dortigen Unruhen nicht möglich ist, besucht der österreichische Adelige und Gesandtschaftssekretär Georg Christoph Fernberger von Egenberg (1557–1594) zwei Jahre später den Sinai. Sein auf Latein verfasstes Reisetagebuch wird aber erst 1999 veröffentlicht.⁹⁴ Zusammen mit Hans Christoph von Teufel begibt sich Fernberger 1588 von Konstantinopel aus auf eine Pilgerreise nach Ägypten und Palästina, die sich alsbald zu einer abenteuerlichen Morgenlandreise mit Indien und Persien entwickelt, von der er erst fünf Jahre später zurückkehrt. Martina Lehner, die 2001 mit ihrer kulturhistorischen Studie die Rezeption des Reiseberichts einleitet, sieht mit Fernberger daher einen neuen Typus des Reisenden der Frühen Neuzeit entstehen: „Fernberger ist einer der ersten modernen Touristen, die allein aus Neugier und Vergnügen zu einer Fahrt in unbekannte Gefilde aufbrachen“.⁹⁵ Bezüglich der Ägyptenreise lässt sich dabei eine ähnliche Reiseroute wie in Nützels Reisebericht ausmachen, sieht man von dem zusätzlichen Baustein der Reise zum Katharinenkloster und der Heimreise ab:

entsprochen wird, mit Felsbrocken und Steinen die armen Brüder oben angreifen, weswegen auch das Kloster, wie ich sagte, manchmal für zwei Jahre verschlossen und verriegelt gehalten wird, bis die Araber von sich aus ihnen den Frieden antragen, die Verträge erneuern, wieder herstellen und besiegeln“. 93 Daniel Ecklin und Anton Krenn besuchen Alexandrien auf der Hinreise nach Palästina, der Gesandtschaftsprediger Salomon Schweiger besucht Alexandrien und Rosette und der aus Königsberg stammende Philologe und Gesandtschaftsapotheker Reinhold Lubenau besucht nur Alexandrien auf seinen ausgedehnten Reisen in der Türkei und in der Levante. 94 Hierbei handelt es sich um eine kritische Edition mit deutscher Übersetzung: Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch (1588–1593). Sinai, Babylon, Indien, Heiliges Land, Osteuropa. Lateinisch-deutsch, kritische Edition und Übersetzung von Ronald Burger und Robert Wallisch, Frankfurt a.M. [u.a.] 1999. [Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs; 12]. Die Zitate im Fließtext beziehen sich auf diese Ausgabe. 95 Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 10. Vgl. auch ebd., S. 10: „Er kam bis nach Hinterindien, das vor ihm noch nie ein deutsch-sprachiger Reisender besucht hatte, er durchquerte als einer der ersten unter seinen Landsleuten ganz Persien, und er machte sich in Ostanatolien Gedanken über die Schriftfunktion von Keilschriftzeichen, dreißig Jahre bevor diese Erkenntnis in Europa schließlich Allgemeingut werden sollte“.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 245

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Konstantinopel – Alexandrien (02.–20.09.1588) (S. 12–16) Aufenthalt in Alexandrien (20.–26.09.1588) (S. 16–20) Alexandrien – Kairo per Schiff (ohne Rosette) (26.–30.09.1588) (S. 20) Aufenthalt in Kairo (30.09.–09.10.1588) (S. 20–28) Kairo – Katharinenkloster – Kairo (09.–03.11.1588) (S. 28–34) Aufenthalt in Kairo (03.–07.11.1588) (S. 34–36) Kairo – Damiette per Schiff (07.–11.11.1588) (S. 36) Aufenthalt in Damiette (11.11.–07.12.1588) (S. 36–40) Reise von Damiette nach Syrien auf dem Schiff (07.12.1588–03.01.1589) (S. 40–46). Damit gehört Fernberger zu jener Gruppe deutscher Jerusalempilger und Orientreisender, die ihre Ägyptenreise mit dem Besuch des Katharinenklosters kombinieren und über Damiette nach Syrien-Palästina weiterreisen. Hierzu zählen ferner auch Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach (1579–1580), Arndt Gebhardt von Stammer (1614–1616), Christoph Perband (1614–1616) und Christoph von Neitzschitz (1636).⁹⁶ Auch ihre Reisen beschränken sich auf das nördliche Gebiet Ägyptens und umfassen hauptsächlich Reisestationen, wie Alexandrien, Rosette, Kairo, Sinai/Katharinenkloster und Damiette. Im Vergleich zu früheren Berichten stellen der Seeweg von Konstantinopel nach Alexandrien und die Route von Kairo über Damiette nach Palästina neue Bausteine der Ägyptenreise dar. Nachdem am Ende des 15. Jahrhunderts der direkte Sinai-Binnenweg vom Heiligen Land zum Katharinenkloster unsicher geworden ist, wird eine alternative Reiseroute notwendig. Diese verläuft entweder auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße zwischen Kairo und Gaza, wie bei Löwenstein und Wormser, oder über Damiette nach Syrien-Palästina, wie bei Fernberger und Nützel. In beiden Fällen wird Kairo zum Ausgangspunkt für die Reise zum Katharinenkloster. Wegen der Unruhen auf dem Landweg setzt sich seit Mitte des 16. Jahrhunderts die Variante über Damiette als übliche Route durch, wie aus Fernbergers Reisebericht hervorgeht: Von Damietta beschlossen wir nach Jaffa überzusetzen, was der übliche Weg für Jerusalempilger im Sommer ist. Bei meist günstigem Wind ist er in 36 Stunden zu bewältigen. Aber weil die Segelzeit schon vorüber war (bis Mitte Oktober fahren jene oben genannten Germae nach Jaffa) waren wir gezwungen, unsere Reise in eine andere Richtung fortzusetzen. Da durch Zufall zwei Lastschiffe da waren, die man Karmazal nennt, die in 5 oder 6 Tagen nach

96 Dem umgekehrten Aufbauschema folgen die Berichte von Bernhard Walter von Waltersweyl (1587), Hans Ludwig von Lichtenstein (1587) und Christoph Harant (1598), die Ägypten nach dem Heiligen Land besuchen.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Tripoli abfahren sollten, beschlossen wir mit ihnen zu fahren (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 40).

Davon zeugt auch der regelmäßige Schiffsverkehr zwischen Kairo/Bulak und Damiette.⁹⁷ Im Gegensatz zu Fernberger, der wegen der späten Reisezeit von der üblichen Route nach Jaffa abweichen und den Umweg über Tripoli nehmen muss, kann Nützel auf dem üblichen Weg von Damiette nach Jaffa reisen: Nachdem wir nun bei 13 Tagen zu Damietta verharren müssen, aus Ursachen, daß keine Gelegenheit, auf Jaffa überzuschiffen, vorhanden, bis wir endlich mit einem Möhrischen Kaufmann, so Reis geladen, übereinkamen, daß er uns mit auf seinem Carmasel, also werden diese Schiff genannt, aufnehmen und auf Japha über das Meer führen wollte. Wurden also mit ihm eines, für eine Person zween Dukaten Fuhrlohns zu bezahlen. Und fuhren also den 6. Juni im Namen Gottes von Damietta ab, nachdem wir die Nacht zuvor wegen des starken Windes auf dem Nilo verblieben. Dann dieweil gemeldter Fluß Nilus mit einem Arm ins Meer läuft, ist es sehr gefährlich, wann das Wetter nicht ganz still und heiter ist, mit Schiffen hindurchzukommen, wie wir dann auch mit großer Mühe und Gefahr hindurchgeruckt. Nach fünf Tagen, als den zehnten Juni, sind wir zu Jaffa glücklich ankommen (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 58).

Die ab Mitte des 16. Jahrhunderts als üblich zu bezeichnende Reiseroute von Damiette nach Jaffa ist damit nach Nützel in sehr kurzer Zeit, nämlich in vier Tagen, zu bewältigen, aber nicht frei von Gefahren. Für das Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur ergibt sich aus den veränderten Reisewegen auch eine Bereicherung um neue Elemente, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen.

5.3.2.2 Hauptthemen der Ägyptenbeschreibung Mit den neuen Reiserouten finden sich in den Reiseberichten der Frühen Neuzeit auch die Beschreibung neuer, bisher nicht erwähnter Orte und die Darlegung anderer Themen. Nützel und Fernberger halten sich entsprechend des Itinerarprinzips an den Reiseverlauf und orientieren sich an den auf Tradition und Apodemik beruhenden Beschreibungsschemata. Sie sehen sich an die Forderung der Autopsie gebunden und scheinen nur das aufzunehmen, was sie selbst gesehen und gehört haben, und nur die Erlebnisse und Erfahrungen zu schildern, die

97 Fernberger berichtet von einem regelmäßig verkehrenden Schiff, „das regelmäßig am Montag und Freitag abfährt“; Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 36.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 247

merk- und schriftwürdig sind.⁹⁸ Im Mittelpunkt stehen topo- und ethnographische Elemente, wie Beschaffenheit des Landes, klimatische Verhältnisse, Flora und Fauna oder Gewässer und Wasserversorgung, die bei der Beschreibung der Nilfahrt, der Wüstendurchquerung und/oder der Topographie der Städte erscheinen. Im Folgenden wird zum einen die Beschreibung von Damiette im Mittelpunkt der Analyse stehen, da es sich hierbei um ein neues Element der Ägyptenbeschreibung handelt. Und zum anderen werden mit Alexandrien, Kairo und dem Nil übliche Elemente der Ägyptenbeschreibung analysiert, um Kontinuitäten und Unterschiede im Vergleich zum Ägyptenbild im mittelalterlichen Reisebericht nachvollziehen zu können. Als neues Element der Ägyptenbeschreibung ist bei Nützel und Fernberger aufgrund der veränderten Reiseroute die Beschreibung von Damiette zu nennen. Sie weist bei beiden große Ähnlichkeit auf und besteht aus Themen, wie Name der Stadt, Lage, Geschichte, Handel, Bevölkerung, Flora und Fauna. Dies sind typische Elemente der auf Tradition und Apodemik beruhenden Beschreibungsschemata, auf die sich Nützel und Fernberger bei der Beschreibung von Orten und Regionen stützen. Beide Reiseautoren halten dabei die alte, am Nil gelegene Stadt Damiette für Pelusium.⁹⁹ Nützel referiert ferner, dass sie auch Heliopolis genannt werde.¹⁰⁰ Ausgehend von der Namensgebung erzählt Fernberger vom Schicksal des Pompeius¹⁰¹ und benennt die Stadt als Aufenthaltsort des venezianischen Prokonsuls, der die Geschäfte mit kretischen Schiffen abwickelt.¹⁰² Nützel geht dagegen auf den Kreuzzug von 1218 gegen Damiette und das Aussehen der Stadt ein, die in einer fast lustigen Gegend liege und viel schöne und lustige Gärten mit schönen Früchten, wie Cassien, Datteln, Feigen und Zucker habe.¹⁰³ Fernberger erweitert den Blick, wenn er erwähnt, dass es in Ägypten

98 Vgl. hierzu z.B. die Analyse der Reiseberichte bezüglich des jeweiligen Reisewegs von Alexandrien nach Kairo. 99 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 57; Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 36. 100 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 57. 101 Fernberger situiert Damiette als einstiges Pelusium am äußersten Arm des Nildeltas, an der Grenze Ägyptens und Arabiens, „wo einst der große Triumphator über die drei Weltteile, Pompeius, die letzte Gefahr seines wechselhaften Schicksals erlebte und durch einen Beschluß der Berater des Königs Ptolemäus, der noch ein Kind war und dessen Treue er sich ausgeliefert hatte, hinterlistig getötet wurde“; Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 36. 102 Vgl. Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 36. 103 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 57f.: „Nachdem

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

keinen Wein gebe, das Land aber reich an Getreide und Palmen sei und Zucker, Röhrenkassien, Reis, Flachs, Baumwolle, Pomeranzen, Quitten, Limonen und zwei Feigensorten (Pharaonenfeige und gewöhnliche Feige) hervorbringe.¹⁰⁴ Bei ihrer Beschreibung intendieren beide Reisende aber keine ästhetische Wahrnehmung der Landschaft. Vielmehr rücken sie Landeserzeugnisse und Nutzpflanzen in den Mittelpunkt, konzentrieren sich auf das Gesehene und veranschaulichen es durch detaillierte Beschreibung und Vergleiche. Die Vielfalt und Fremdartigkeit von Flora und Fauna bei Damiette versetzt dabei beide in Staunen, was sich bei der Schilderung einer für sie fremdartigen Pflanze namens Musa zeigt: Insonderheit hab ich mich verwundert ob einem Gewächs, so zu Damietta in gemeldten Gärten sehr ge-mein ist, welches sie Musa nennen. Solcher Baum ist ungefähr anderthalb Mannesklafter hoch, die Blätter daran sind einer solchen Läng, daß sich fast ein jedes einer Klafter ausstrecket, in der Breite aber ungefähr dreier Spannen, der Stamm inwendig voller Wassers, ist mit drei Spannen kaum zu umgreifen. Die Früchte dieses Baumes sind schmackhaft, sehr süß, und wenn sie überzeitig werden, lassen sie einen Saft von sich fallen auf das Erdreich, durch welchen sie sich wiederum besamen (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 57f.). Es gibt in Ägypten auch eine häufige Frucht, die Musenfrucht heißt, in unseren Gebieten unbekannt ist und der Bohne ähnelt, aber größer ist. Das Innere ist ziemlich süß, ihre Blätter sind drei Ellen lang und zwei Handflächen breit. Der Baum selbst ist hoch und voll von Saft. Wenn er völlig ausgewachsen ist, dringt der Saft oben heraus und tropft auf die Erde. Dann geht der Baum ein und ein neuer sprießt in der Nähe. Seine einzige Blüte ist einer sehr großen Rose ähnlich. Ein Bruder vom Orden des heiligen Franciscus, der über die Geheimnisse des Heiligen Landes schreibt, nennt diese Frucht Musa, weil sie musenwürdig sei, und sagt, daß Adam sich durch den Genuß eben dieser Frucht versündigt und sich mit ihren riesigen Blättern bedeckt habe (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 38).

Bei der Musenfrucht handelt es sich um die in Europa noch unbekannte Banane, die bereits im Mittelalter Boldensele, Mandeville, Tucher, Fabri, Breydenbach und Harff beim Balsamgarten in Matarieh erwähnen und als Paradiesäpfel

wir nun vier Tag auf dem Nilo gefahren, sind wir den zweiundzwanzigsten Mai zu Damietta, von den Alten Pelusium, auch von etlichen Heliopolis genannt. Ist eine fast alte Stadt in Ägypten an dem Fluß Nilo, liegt in einer fast lustigen Gegend. Diese Stadt ist anno 1218 von dem König Andrea aus Hungarn dem ägyptischen Sultan abgedrungen und erobert worden, hat allda viel schöne und lustige Gärten, darinnen schöne Früchte zu sehen als Cassien, Datteln, Feigen und Zucker“. 104 Vgl. Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 38.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 249

bezeichnen.¹⁰⁵ Die im Mittelalter weit verbreitete Vorstellung von der Banane als Paradiesfrucht findet sich auch bei Fernberger, jedoch nicht bei Nützel. Eine einheitliche und verbindliche wissenschaftliche Terminologie zur Beschreibung unbekannter Pflanzen und Tiere existiert nicht, so dass sich die Bewältigung der Fremde bei beiden primär über die Sinnesorgane und den Vergleich mit dem in der Heimat Bekannten vollzieht. Dies zeigt sich auch bei der Beschreibung der Nilpferde, deren Fremdartigkeit sie durch den Vergleich mit Pferd, Schwein und Elefant zu fassen suchen:¹⁰⁶ Bei dieser Stadt Damietta halten sich bei einer kleinen Insel auf dem Nilo eine seltsame Art von Tieren, so sie Equos Marinos oder Meerroß nennen. Werden sonst nirgend dann allein um diese Revier in Ägypten, wie alle alten Scribenten dieses Landes vorgeben, gefunden, in der Größe nicht viel kleiner als ein Elefant, doch nicht so hoch. Vergleichet sich der Form nach am Kopf fast einem Roß, mit kleinen, spitzigen Öhrlein, das Maul ist einem Schwein nicht fast ungleich, wie auch der Leib und andere Glieder. Die Färb ist falblicht schwarz. Wann das Wetter still und heiter ist, begeben sie sich zu Zeiten auf das Land, wiewohl ich es anders nicht dann im Wasser gesehen hab (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 58). Die Flußpferde werden von den Italienern cavalli marini genannt und sind nur an dieser Nilmündung, sonst aber nirgends zu sehen. Es handelt sich um ein wirklich sehenswertes Tier mit einem Pferdekopf und -rücken, aufgewölbter Schnauze, zwiegespaltenen Hufen, ziegenartigen Zähnen, gewundenem Schwanz, zwetschgenfarben und ein wenig kleiner als der Elefant. Wenn der Fluß ruhig ist, sucht es sich manchmal bei Tag, häufiger jedoch in der Nacht am Land Nahrung, tagsüber ist es im Wasser verborgen. Ich konnte allerdings eines ungefähr zu Mittag am Land lange Zeit weiden sehen, was sehr selten vorkommt (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 38).

Während sich die Beschreibung von Damiette bei Nützel in Informationen zu Topographie, Flora und Fauna erschöpft, führt Fernberger auch ethnographische Beobachtungen an. So stellt er fest, dass sich die Bewohner von Damiette aus Türken, Arabern, Juden und Christen zusammensetzen und „daß die Christen im allgemeinen in Ägypten Nazarener genannt werden, die aber der römischen Konfession angehören, werden im ganzen Reich des Sultans Franken genannt“.¹⁰⁷ Allgemeine Informationen zu den christlichen Glaubensgemeinschaften in Ägypten

105 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, 69ff. 106 Vgl. hierzu auch Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197b: „Disen tag fuhrt vns ein Frantzoß / […] zu zweyen seltzamen Thieren / das eine solt ein Meerross seyn / war dick vnd feist / nit hoch“. 107 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 28.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

liefert Fernberger auch bei der Beschreibung Kairos: „Außerdem lebt in Kairo auch der Erzbischof der Christen, den die Kopten und die sogenannten Gürtelchristen ‚anerkennen‘, die als Eigenart die Beschneidung und die Taufe haben“.¹⁰⁸ Auch diese präzisen ethnographischen Beobachtungen setzt Fernberger in Bezug zu Eigenem und gelangt dabei zu persönlichen Wertungen und Einschätzungen. Dies zeigt sich z.B. an der Zusatzbemerkung zu den ägyptischen Christen: „denen außer dem Namen nichts mehr vom christlichen Glauben übrig ist“.¹⁰⁹ Dies zeigt sich aber auch bei der Schilderung der Eigenart ägyptischer Christen, ihrer Sitten und Rituale, die er indirekt mit den eigenen kontrastiert und dabei als barbarisch und lächerlich bezeichnet: Sie haben keine Kirche und dürfen auch keine haben. Es gibt nur einen Priester, der sie tauft und verheiratet. Außerdem leben sie in viel barbarischeren Sitten als die Christen sonst, was man bei der Verlobungsfeier eines arabischen Christen sehen konnte, wo unter anderem auch folgendes lächerlich war […]. Am frühen Morgen wird das Untergewand der Verlobten unter Beisein der engeren Freunde des Verlobten herbeigebracht, und wenn auf diesem keine Blutflecken erblickt werden, kehrt sich sofort aller vorherige Frohsinn in Trübsinn und Mißstimmung um, und der Vater muß, damit die Tochter nicht zurückgewiesen wird, die Mitgift verdoppeln oder manchmal gar verdreifachen. Diese barbarische Sitte wird auch von den Walachen bewahrt (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 38f.).

Daneben berichtet Fernberger auch von einem Straßengaukler, dessen Aufführung er in Damiette sieht: Da war ein Gaukler, der sich vor aller Augen ohne Kleidung, nackt bis auf die Schamteile, die von einem kleinen Leinentuch bedeckt waren, am Boden umherwälzte, das Leinentuch wegwarf und ein einfaches Kleid anzog, das vorher von ihm selbst öffentlich auseinandergefaltet wurde und nur oben für den Kopf eine weite Öffnung hatte, daraufhin ein wenig im Kreis tanzte, sich dann auf einen in die Mitte gestellten Schemel setzte und bald wieder aufstand. In diesem Augenblick standen dreimal sehr große mit Wasser gefüllte Gefäße auf dem Schemel, zweimal Tauben und anderes, nachdem er einige größere und sehr viele kleinere Schalen hervorgezaubert hatte. Die meisten sagten, daß es ohne magische Kunst nicht möglich sei, daß diese Gegenstände ihm selbst beim Tanz, während er sich im Kreis bewegte, aus der einfachen Kleidung gefallen seien, da niemand erkennen konnte, woher der nackte Mensch so schnell ungesehen zu so vielen Dingen kommen konnte. Er selbst aber sagte, daß alles, was er gemacht habe, mit rechten Dingen zugegangen sei (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 40).

108 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 32. 109 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 38.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

 251

Schilderungen dieser Art von Gauklern und Derwischen stellen im Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit einen Gemeinplatz dar und finden auch Eingang in die deutsche Literatur, wie z.B. das 18. Kapitel der Continuatio von Grimmelshausens Simplicissimus zeigt.¹¹⁰ Im Gegensatz zur Beschreibung Damiettes stellt die Beschreibung von Alexandrien, Nil und Kairo ein Element dar, das bereits die Reiseberichte der vorausgehenden Jahrhunderte prägt. Im Vergleich dazu treten im Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit jedoch die biblischen Elemente in den Hintergrund. Zudem wird die Orientierung an apodemischen Vorschriften sichtbar. So umfasst das Alexandrienbild bei Nützel z.B. Elemente wie Namensgebung, Gründer, Lage, Hafen, alte Bauten und Katakomben. Hieraus wird auf die alte Größe der Stadt und die bedeutende Lage Ägyptens für den Welthandel geschlossen. Alexandriens Bedeutung wird ferner durch ihre überragende Stellung in der Region untermauert. Denn nur im Osten gebe es eine früher bedeutende Ortschaft mit Hafen und Befestigungsanlage. Biblische Bildelemente finden sich bei der Beschreibung christlicher Gedächtnisorte um St. Markus und die Heilige Katharina. Zum touristischen Programm und damit zum Alexandrienbild gehören schließlich auch pharaonische und griechisch-römische Bildelemente, wie Pompejussäule und Obelisken: Alexandria in Ägypten, vom Alexandro Magno erbaut, ist eine alte, große und vortreffliche Stadt gewesen, liegt an einem fast lustigen Ort, nit weit von dem Fluß Nilo, hat am Meer eine herrliche Anfahrt und Port für die Schiff. Kann aus den Gebäuen der Stadt, so gleichwohl dieser Zeit, wie in allen tür-kischen Städten, sehr zerfallen und eingerissen, leichtlich abgenommen werden, was für eine herrliche und lustige Stadt sie vor Zeiten muß gewesen sein. Sonderlich befindet sich unter der Erden mehr alter Gebäu. Darüber, bei dem Meer gegen Barbaria zu, wird nichts von Gebäuen oder andern Sachen Schriftwürdigs zu sehen gefunden. Aber auf der andern Seiten, an Syrien stoßend, bei 13 italienischer Meilen von Alexandria, lieget ein fast altes, aber von Alters wegen ziemlich verfallenes und baufälliges Schloß, allda es vor Zeiten einen berühmten Port für die Schiff gehabt, ist mit 50 türkischen Soldaten besetzt. In dieser Stadt Alexandria wird in einer schönen, weiten Gassen ein schöner, weißer, runder Marbelstein, so in der Erden eingegraben, gezeiget, auf welchem der Evangelist Sankt Markus begraben und enthauptet worden. Desgleichen der Ort, da Sankt Katharina enthauptet, auch ihr Gefängnus, darinnen sie, wie ihre Historia meldet, gemartert worden. Eine Viertel Meile Weges von der Stadt wird eine fast schöne, runde Säule, aus einem einzigen Stück sehr hohen, roten Marmelstein erbaut, gesehen, so

110 Vgl. Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, Stuttgart 1996, S. 671. Auch die Schilderung Kairos im vorausgehenden Kapitel lässt Elemente erkennen, die in den deutschen Ägyptenreiseberichten zum Topos geworden sind, wie z.B. die Hühnerbrutöfen in Kairo, Kairo als volkreiche Stadt, Mumien und die Pyramiden des Pharao und der Rhodope (vgl. ebd., S. 669f.).

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Columna Pompeji genannt wird. Desgleichen wurden uns zwo andere Säulen, welche nahe bei dem Meer an der Ringmauer gesetzt gewesen, gezeigt, unter welchen die eine dieser Zeit niedergefallen und auf der Erden liegt. Sind beede aus einem Stück, auch von rotem Marmelstein gesetzt, darinnen etliche Figuren gehauen. Ist eine Sache, so wohl zu sehen, sonderlich denen, so sich der Antiquitäten befleißigen (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 46f.).

Des Weiteren geht Nützel auf ethnographische Beobachtungen ein, wie Handel, Fremde, Europäer, Konsuln und Patriarch. Auch bei Fernberger finden sich fast all diese orientalischen, biblischen und altägyptischen Bildelemente von Alexandrien, die Nützel anführt. Sie werden jedoch meist ausführlicher dargestellt und um gelehrte Kommentare ergänzt. So bezieht sich Fernberger oft auf antike Autoritäten und referiert neben seinen Beobachtungen viele historische Informationen. Im Mittelpunkt seiner Beschreibung steht dabei das pharaonische und griechisch-römische Alexandrien mit dem Leuchtturm Pharos, dem Palast der Kleopatra, dem Gymnasium des Aristoteles, der Pompejussäule und den Obelisken: Am 15. September fuhren wir bei Sonnenuntergang von Rhodos ab, legten in 6 Tagen 500 welsche Meilen über das Mittelmeer zurück und erblickten freudig am 20. desselben Monats Afrika, den dritten Erdteil, und fuhren in der ersten Nachtstunde in den neuen, ziemlich gefährlichen Hafen von Alexandria ein, der rechts und links von einem Kastell begrenzt wird. Das Land, auf dem das rechte Kastell liegt, war einst eine Insel mit Namen Pharos, auf der der äußerst hohe, mit unglaublicher Technik erbaute Turm stand, auf dessen Spitze der einst von Alexander angebrachte Spiegel gewesen sein soll, mit dem alle Schiffe, auch solche, die weiter als 500 Meilen entfernt waren, erspäht werden konnten, was auch unter die sieben Weltwunder gerechnet wurde. Hier endet nach Pomponius Mela Afrika und beginnt Ägypten. Alexandria aber ist, wie Solinus sagt, durch die Größe der Anlage selbst und ihren makedonischen Gründer berühmt. Sie liegt nicht weit von dem Mündungsarm des Flusses Nil, der einst kanopischer, jetzt aber rosettischer heißt. Unterirdisch ist Alexandria fast zur Gänze von unzähligen Zisternen und Kanälen durchzogen, die das Wasser des Nils jährlich von neuem aufnehmen. […] In der Stadt befindet sich ein griechisches Kloster, das dem heiligen Sabas geweiht ist, in dem eine Säule aus weißem Marmor gezeigt wird, auf der die heilige Katharina enthauptet wurde, ferner einige steinerne Überreste der Kathedra des heiligen Markus, des Evangelisten. Auf der Hauptstraße der Stadt sieht man auch einen runden, in die Erde eingegrabenen Stein, auf dem der heilige Markus geköpft wurde, ebenso den Ort seines Gefängnisses, in dessen Nähe sich zwei Säulen befinden, an die die heilige Katharina gebunden wurde und so für den Glauben an Christus das Martyrium erlitt. Man sieht auch den Platz, wo der Palast der Kleopatra gestanden und wo außerhalb der Stadt das Gymnasium des Aristoteles gewesen sein soll. Außerhalb des Stadttors, ungefähr 1000 Schritte nach Süden, erblickt man eine aufrecht stehende Säule aus massivem Porphyr von bewundernswerter Höhe, die man Säule des Pompeius nennt. Von da aus links befindet sich ein riesiger Palmenhain, in dem reichlich Kapernsträucher vorkommen. Innerhalb der Stadtmauern in der Nähe der Küste sind zwei weitere viereckige Säulen oder Obelisken,

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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von denen einer aufrecht steht, der andere aber umgestürzt ist. In beide sind verschiedenenartige, alte figürliche Darstellungen von Tieren und Vögeln, die heute niemand mehr lesen und verstehen kann, eingemeißelt. Ich glaube, daß beide Obelisken aus einem Stein gehauen sind. Manche meinen, daß ein König aus der Zeit vor der Sintflut hier begraben sei. Einen ähnlichen Obelisken sieht man in Konstantinopel im Hippodrom stehen. Er ist aber nicht aus dem gleichen Stein (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 16f.).

Nach der Besichtigung Alexandriens folgt entsprechend des Itinerarprinzips die Schilderung des Reisewegs nach Kairo. Hieran lässt sich anschaulich darlegen, dass sich sowohl Nützel als auch Fernberger an die apodemische Forderung nach Autopsie halten und nur das berichten, was sie selbst gesehen und erfahren haben. Denn beide schlagen unterschiedliche Reiserouten ein und schildern ohne Exkurse auf die bekannte Alternativroute nur den selbst bereisten Weg. Während Nützel zuerst auf Eseln nach Rosette reitet, um von dort aus die Nilfahrt nach Kairo anzutreten, segelt Fernberger mit einem kleinen Segelschiff (Germa) auf einem Nebenarm des Nil unweit von Alexandrien und anschließend auf dem Hauptstrom direkt nach Kairo.¹¹¹ Nützels Weg nach Kairo führt ihn an Rosette vorbei, weswegen er in seinen Reisebericht eine kurze Beschreibung der Stadt (Lage, Schiffsindustrie, Konsul und Funduq der Venezianer) einschiebt.¹¹² Auf die Alternativroute, die Fernberger einschlägt, geht er nicht ein. In ähnlicher Weise beschränkt sich auch Fernberger auf die Schilderung seines Reisewegs, ohne auf Rosette einzugehen, obgleich ihm diese Stadt vom Hörensagen aller Wahrscheinlichkeit nach bekannt sein dürfte. So scheinen sich beide Autoren streng an das Ideal zu halten, nur von merkwürdigen Dingen zu berichten, die auf Autopsie beruhen. Die Beschreibung des Nil findet sich bei Nützel und Fernberger an verschiedenen Stellen im Reisebericht, da sie in ihrem Bericht entsprechend des Itinerarprinzips chronologisch dem Reiseverlauf folgen und die einzelnen Reisestationen jeweils zum Anlass nehmen, über Merk- und Schriftwürdiges zu berichten. Anlässe, über den Nil zu sprechen, ergeben sich bei der Nilfahrt von Alexandrien nach Kairo, in Kairo und Sakkara sowie bei der Schifffahrt nach Damiette.

111 Hier ist ersichtlich, dass der Nil zwischen Kairo und Alexandria während der Überschwemmung befahrbar ist. 112 Vgl. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 48: „Rosette ist ein offener Flecken, drei welscher Meilen vom Meer und von dem Fluß Nilo, welcher mit einem Arm allda ins Meer läuft. An diesem Ort wurden mancherlei Schiff und Naven gemacht und zugerichtet. Daselbst haben auch die Venediger ihren Fondaco oder Kaufhaus an einem Gestade des Nili, da es zur Aufladung der Waren einen schönen und bequemen Ort hat“.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Im Vergleich zu den Reiseberichten früherer Jahrhunderte fällt auf, dass Nützels und Fernbergers Nilbeschreibung ebenso wie bei Löwenstein ohne den üblichen biblischen Bezug erfolgt. Dass der Nil im Reisebericht der Frühen Neuzeit auch gemäß der biblischen Tradition als Paradiesfluss dargestellt wird, geht jedoch aus den Reiseberichten von Wormser und Heberer hervor.¹¹³ Auffällig ist weiterhin, dass Nützel als auch Fernberger bei ihrer Reise von Alexandrien nach Kairo weder die Nilfahrt noch den Nil mit seinen malerischen Landschaften ausführlich würdigen. Eine ästhetische Wahrnehmung der Landschaft scheint nicht zu ihrem Fragenkatalog zu gehören. Nützel beschränkt sich auf die Angabe der Entfernung: „Von Alexandria auf Kairo sind zweihundert welscher Meilen, auf welchem Weg dann außerhalb des Flusses Nilo nichts Schriftwürdiges zu sehen noch zu beschreiben ist“.¹¹⁴ Und Fernberger begnügt sich mit der Warnung vor gefährlichen Raubüberfällen und mit nützlichen Ratschlägen zum Schutz bei dieser unsicheren Reiseetappe: Die Schiffahrt auf dem Nil ist wegen der häufigen Raubüberfalle der Araber nicht besonders sicher, und daher sollte, wer Gefahren vermeiden will, diese Reise nicht ohne Gewehre und andere Waffen antreten. Obendrein sind bei Nacht Wachen und schärfste Aufmerksamkeit nötig, da diesen Räubern ja nichts leichter ist, als unter dem Wasser bei Nacht an die Schiffe heranzuschwimmen und die schlafenden Menschen zu überwältigen oder, wenn jemand sich ihnen entgegenstellt, sofort zu töten (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 20).

Im Gegensatz zu Löwenstein, Wormser oder Heberer, die die Nilfahrt zum Anlass nehmen, über den Nil zu berichten, kommen Nützel und Fernberger somit erst bei der Beschreibung von Kairo und Damiette auf den Nil zu sprechen. Die Beschreibung des Nil findet sich hierbei in die Kontexte von Klima und Wasserversorgung integriert und fokussiert ein Merkmal, das bereits bei früheren Ägyptenreisenden thematisiert wird: die lebenserhaltende Funktion des Nil für Ägypten. So berichtet Fernberger, dass die klimatischen Verhältnisse in Ägypten Wassermangel verursachen und dass das Land nur durch den Nil bewässert werde. Dabei nennt er die genaue Zeit der Nilüberschwemmung, spricht von der Erntezeit im März, vom Nilometer in Kairo und der Bedeutung der Nilüberschwemmung für das soziale und wirtschaftliche Leben der Ägypter:

113 Vgl. Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223a; Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 115f. 114 Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 49.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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Dauernde Hitze liegt über dem Land, sodaß es frei von Eis und Schnee ist und auch nur sehr selten Regen sieht. Es wird nur durch die Nilüberschwemmung, die im Monat August stattfindet, bewässert. Dann wird gesät, die Ernte findet im Monat März statt. Die Nilüberschwemmung beginnt im Juni mit der Sonnenwende, 40 Tage wächst der Nil, weitere 40 Tage geht er wieder zurück. In der Nähe von Kairo ist eine alte Säule, die die Vorfahren aus Genauigkeit und Umsicht aufgestellt haben. Auf ihr ist eine Skala von 18 Ellen: Wenn aber das Wasser beim Anschwellen des Flusses auf 15 Ellen ansteigt, ist das das sicherste Zeichen für die vollständige Überschwemmung der gesamten Region und bedeutet Fruchtbarkeit für dieses Jahr, wenn aber die gesamte Säule bedeckt wird, droht in diesem Jahr die Zerstörung einiger Dörfer in einem Teil dieser Region, wenn jedoch das Wasser 15 Ellen nicht erreicht, bedeutet dies Getreidemangel. Daher werden zu dieser Zeit zu beiden Ufern sehr viele Wasserleitungen errichtet, mit Hilfe derer Menschen oder Tiere das trübe Wasser in die Erde leiten oder, wenn es zuviel war, ablassen (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 36f.).

Bei der Nilfahrt nach Damiette bemerkt er zudem, dass das Land eine Ebene ausmacht und die Dörfer am Ufer auf Hügel gebaut sind, so dass sie während der Überschwemmungszeit unversehrt bleiben. Die Bedeutung der Nilüberschwemmung und die Fruchtbarkeitsfunktion des Nilschlammes sind Elemente, die sich auch bei Löwenstein finden, der die Funktion des Nilschlammes als Düngemittel mit dem einheimischen Mist vergleicht.¹¹⁵ Ferner können große Hitze und Regenmangel als Gemeinplatz in den Reiseberichten gelten. Auch Nützel berichtet davon und hebt die lebenswichtige Funktion des Nil hervor, der Trinkwasser liefert und dessen Wassermassen die Ägypter alljährlich bei der Öffnung des Staukanals mit großen Freuden und Frohlocken in Kairo begrüßen.¹¹⁶ Dabei betont Nützel seine Prägekraft für das Leben der Ägypter, die Nutzfunktion für Flora und Fauna und den Einfluss auf die Bauweise der Dörfer und das Verkehrs-

115 Vgl. auch Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 201b: „Montag fuhren wir wider tag vnd nacht / auff dem Wasser Nyl / welcher allenhalben / wo er außfleußt / sehr fruchtbar ist / denn er dünget / wie bey vns der Mißt / der gestalt / daß man im Jar zweymal schneiden kan / vnd wenn er fellt / so ackert vnd säet man zugleich / hernach biß man die letzt Frucht gesäet / ist die erste zeitig“. Im Gegensatz zu Fernberger berichtet Löwenstein hier von zwei Erntezeiten im Jahr. 116 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 51: „Dieweil dann in Ägypten, aus Mangel des Regens, weder dem Vieh noch den Leuten möglich zu leben wäre, so feuchtet doch der Fluß Nily durch sonderliche Vorsehung Gottes das Land an allen Orten, und wird jährlich zu gewisser Zeit im Jahr mit großen Freuden und Frohlocken des Landvolks in die Stadt Kairo eingeführt, wie denn eben zu der Zeit, als wir allda gewesen, solche Einführung des Nili auch geschehen. Dies Wasser ist gar lieblich und gut zu trinken, auch dem Menschen, ob es gleich in der Hitz und überflüssig [im Überfluß] getrunken wird, ohne allen Schaden“.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

netz im Land.¹¹⁷ Ebenso wie Fernberger interessiert sich Nützel damit primär für die Bedeutung des Nil für das wirtschaftliche und soziale Leben der Ägypter. Die Kairobeschreibung in Nützels und Fernbergers Reiseberichten umfasst schließlich ausführliche Informationen topo- und ethnographischer Natur. Fast wortdeckend berichten beide Reiseautoren z.B. von der Ankunft in Bulak/Kairo und der Entrichtung der Zollgebühren an Juden. Dass Juden dieses Amt vom osmanischen Sultan erhalten haben, finden beide Autoren merk- und schriftwürdig genug, um ihre Leser ausdrücklich darauf aufmerksam zu machen. Doch während Nützel weiter auf reiselogistische Ereignisse, wie den Verlust seiner türkischen Passbriefe, eingeht, liefert Fernberger historische Informationen zu Selim I. und der Eingliederung Ägyptens ins Osmanische Reich im Jahre 1517: Des folgenden Tages sind wir mit gemeldtem Herrn Konsul Donato auf den Fluß Nilum gesessen und im Namen Gottes von Kairo [sic] abgefahren, auch den 27. Aprilis daselbst glücklich ankommen, allda alsbald etliche Juden, welche den Zoll von dem Türkischen Kaiser in Bestand haben, die unsere Sachen besahen, ob wir etwa von Kaufmannschaften etwas hätten, dar von der Zoll zu geben wäre, doch dergleichen bei uns nichts fanden, wiewohl unser ein jeder einen Dukaten darlegen mußte, dann der Gebrauch, so ein Pilgram zum erstenmal, was Nation oder Religion er auch sei, daselbst ankommet, solches zu erlegen, wiewohl, wo uns unser Paßbrief, von dem Türkischen Kaiser mitgeteilt, durch den Diebstahl nicht wäre entfremdet worden, wären wir, den Zoll zu geben, überhoben gewesen (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 47f.). [Wir] segelten drei Tage lang gegen die Strömung, bis wir am 30. desselben Monats vor Morgen nach Bulak kamen, wo alle Schiffe anlegen und jeder, der zum ersten Mal Ägypten betritt, angehalten wird, einen Tribut für die Registrierung seiner Person, einen Taler nämlich, und Steuern für die jeweiligen dorthin transportierten Güter und Waren zu bezahlen. Diese Abgaben werden von Juden eingehoben. An dieser Stelle wurden die Mameluken im Jahr 1517 von Selim I. geschlagen, der ganz Ägypten und Syrien in drei gewaltigen Schlachten innerhalb eines Jahres einnahm (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 20).

117 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 55: „Wir sahen auch auf dem Felde eine große Menge Viehes von Kamelen, Ochsen, Kühen, Büffeln, Kälbern und Schafen, also daß mich nicht wenig gewundert, wie auf einem so kleinen Platz eine so große Menge mag erhalten werden. Lassen es Tag und Nacht auf dem Feld allein. Zur Zeit des NilAuslauf treiben sie es ein. Dann, wie angezeigt, der Nilus alle fruchtbaren Orte überschwemmt, derowegen auch alle ihre Dörfer auf hocherschütteten Hügeln liegen, also daß sie oft von einem Dorf zum andern mit Schiffen fahren müssen“.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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Auch im Folgenden steht bei Nützel die Reiseorganisation im Vordergrund, wenn er von seinem Ritt auf Eseln zum Unterkunftsort beim venezianischen Konsul berichtet.¹¹⁸ Im Gegensatz dazu ist Fernberger um eine Erklärung bemüht, weshalb (deutsche) christliche Reisende auf Eseln reiten müssen und nicht auf Pferden reiten dürfen. Dadurch erweist er sich als aufmerksamer Beobachter einer interkulturellen Differenz, die auf einer gesellschaftlichen Konvention beruht, nämlich der religiösen Unterscheidung. Von Bulak aus sind es drei welsche Meilen nach Kairo. Man kann diesen Weg zu Fuß, zu Pferd, zu Maulesel oder Kamel zurücklegen. Den Christen aber ist es nicht erlaubt, zu Pferd zu reiten, da die Araber dies nicht gestatten, weil sie uns einer so großen Ehre für unwürdig halten. Ja wenn irgendeine hochgestellte Persönlichkeit entgegenkommt, springen sie eilends vom Esel oder vom Maultier, da es Sitte ist, den Vorübergehenden zu Fuß mit gesenktem Haupt zu erwarten (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 20).

Ein Urteil über diese Verhaltensregel wird von Fernberger nicht gefällt. Seine Erklärung nimmt keine explizite Wertung vor, sondern verbleibt im Tatsachenmodus und sorgt für eine konstatierende Darstellung des Beobachteten. In der Thematisierung des Sachverhalts klingt jedoch implizit leise Kritik an, die beim deutschen Arabienforscher Carsten Niebuhr fast 200 Jahre später auf seiner Ägyptenreise 1761 zu offenem Verdruss wird.¹¹⁹

118 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 48: „Nach diesem sind wir auf unsere Esel gesessen und unsere Sachen auf ein Kamel laden lassen und von dannen auf die Stadt Kairo zu geritten, welches bei 3 welscher Meilen Wegs ist, daselbst uns ein Losament zunächst bei des Venedischen Consulis Behausung verordnet worden“. 119 Vgl. Carsten Niebuhr, Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern, um ein Vorwort vermehrter Nachdruck der bei Nicolaus Möller, Kopenhagen 1774–78 und bei Friedrich Perthes, Hamburg 1837 erschienenen Ausgabe, Graz 1968, Bd. 1, S. 139f.: „Unser Arzt ward auch insultiert, weil er nicht bey Zeiten abgestiegen war. Deswegen kann hier kein Europäer ohne einen Menschen ausreiten, der alle die Herren, welche das Recht zu haben glauben, daß fremde Religionsverwandte vor ihnen absteigen müssen. Ich ritt anfänglich mit einem Janit-scharen vor, und einem Bedienten hinter mir. Beyde waren Mohammedaner, und blieben auf ihren Eseln sitzen, wenn ich absteigen mußte. Dies verdroß mich noch mehr als die Demuth welche ich dem vornehmen Herrn zu bezeigen genöthigt war, ich gieng daher fast beständig zu Fuß“. Diese Verhaltensvorschrift wird mit Napoleons Ägypteninvasion (1798–1801) außer Kraft gesetzt, wie aus Seetzens Reisetagebucheintrag vom 14. Juli 1807 hervorgeht: „In ältern Zeiten waren Europäer und selbst Consuln genöthigt, beym Ausreiten sich gewöhnlich der Esel zu bedienen, und beym Antreffen von Personen der Regierung abzusteigen. Jetzt seit der französischen Invasion reitet jeder Europäer, wie er will, und hat nie nöthig, sich um die ihm Begegnenden zu bekümmern. Auch gehen jetzt Europäer in ihrer gewöhnlichen Kleidung überall durch die Stadt, ohne

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Wie die Beschreibung von Alexandrien orientiert sich die Kairobeschreibung an den auf Tradition und Apodemik beruhenden Beschreibungsschemata und enthält sowohl bekannte als auch neue Bildelemente: Hafen und Vorort Bulak, Name der Stadt (Memphis, Misraim, Missir, Kairo, Babylonia), Lage, Umfang und Größe, Geschichte (Pharaonen, Joseph, Kinder Israel), Einwohner, Fremde und europäische Konsuln, Handel, Regierung und Verwaltung, Stadtbild, Befestigungsanlagen, öffentliche und religiöse Gebäude (die fünf berühmten Moscheen: Murathan bzw. Hospital, Novica, Tavisa, Immam Sciaffy, Lamala Zar bzw. Jammalazar, d.h. Al-Azhar Moschee und Hochschule mit Bibliothek), Altkairo und biblische Erinnerungsorte (Kirchen, Klöster, Getreidespeicher Josefs), Aquädukt (Wasserversorgung zur Zitadelle) und Gewässer (Nil, Überschwemmung, Öffnung des Kanals und Feierlichkeiten, Eigenschaften des Nilwassers, Trinkwasser), Einkommen und Steuer, Legenden bei Fernberger (Kreuzzug von 1249 und das Abbild eines Kelches des Herrn mit Schale und zwei brennenden Kerzen an vielen Haustüren und Mauern), technische Leistungen (Hühnerbrutöfen), Matarieh (Heilige Familie, Brunnen, Feigenbaum, Balsamgarten), Klima, Fauna bei Fernberger (Rhinozeros, Krokodil, Gazelle, Strauße), Mumiengräber in Sakkara, Sphinx und Pyramiden.¹²⁰ Nützels und Fernbergers Ägyptenbild setzt sich somit aus pharaonischen, biblischen und orientalischen Elementen zusammen, wobei das orientalisch-osmanische und pharaonische Ägypten ausgeprägter ist als bei früheren Reisenden.

5.3.2.3 Ägypten zwischen Augenschein, Tradition und Systematik Nützel und Fernberger unternehmen ihre Ägyptenreise jeweils Ende des 16. Jahrhunderts und schlagen eine ähnliche Reiseroute ein. Sie unterscheiden sich in ihrer Hauptreiseroute nur durch die Sinaireise, die Fernberger unternimmt, Nützel jedoch aufgrund der Unruhen beim Katharinenkloster nicht durchführen kann. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass ihre Reiseberichte – im Gegensatz zu Löwenstein und Wormser – erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts veröffentlicht werden. Bis dahin liegen sie lediglich als Manuskripte vor

für Beleidigung bange seyn dürfen. Dies ist also ein Vortheil, den die Franzosen stifteten, obgleich er durch große Uebel erhalten wurde“. Ulrich Jasper Seetzen, Reisen durch Syrien, Palästina, Phönicien, die Transjordan-Länder, Arabia Petrarca und Unter-Aegypten, hg. und komm. von Friedrich Kruse, 4 Bde., Berlin/Reimer 1854–1859, Hildesheim, 2004, Bd. 3, S. 190. 120 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 49–57; Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 20–28. Vgl. hierzu auch die Analyse in Kapitel 5.4.1.

 5.3 Pilgerfahrten und Morgenlandreisen  

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und sind nur einem kleinem Kreis von Interessenten zugänglich. Ein Abhängigkeitsverhältnis gegenseitiger Rezeption zwischen Nützel und Fernberger ist daher nicht anzunehmen, zumal sie auch aus unterschiedlichen Gegenden (Nürnberg, Österreich) stammen und ihre Berichte auf Deutsch (Nützel) beziehungsweise Latein (Fernberger) verfassen. Beide sind aber der von Harbsmeier festgestellten neuen Tradition protestantischer Morgenlandreisen zuzurechnen. Gerade wegen dieser Unterschiede und Gemeinsamkeiten stellen Nützel und Fernberger daher im Rahmen vorliegender Arbeit geeignete Beispiele dar, an denen nachvollzogen werden kann, dass die Ägyptenbilder im frühneuzeitlichen Reisebericht zwischen Augenschein, Tradition und Systematik stehen. Beide Reiseautoren vermitteln ein buntes Ägyptenbild mit orientalischen, pharaonischen und biblischen Elementen, wobei das orientalisch-osmanische Ägypten mit seinen topo- und ethnographischen Elementen im Vordergrund steht. Die Kulturleistungen des alten Ägypten werden mit Begeisterung registriert und ausführlich beschrieben. Das vermittelte pharaonische Ägyptenbild umfasst neben Obelisken und Pyramiden auch neue Bildelemente, wie Mumien und Sphinx, die in früheren Jahrhunderten nicht bzw. im Falle des Sphinx nur vereinzelt und sehr knapp erwähnt werden. Bei Nützel und Fernberger finden sie dagegen in sehr ausführlicher Schilderung Eingang in den Reisebericht. Bei beiden Reisenden sind weiterhin auch Bildelemente des biblischen Ägypten zu finden. So verweisen sie bei der Beschreibung von Alexandrien und Kairo auf das christliche Ägypten und die Heilige Familie. Bei Fernbergers Sinaireise dominiert, wie auch bei Löwenstein und Wormser, sogar das biblische Ägypten traditionsgemäß. Es umfasst dabei Rekurse auf Moses und die heilige Katharina sowie Heiligen- und Wundergeschichten, die nach dem klassischen Schema mittelalterlicher Reiseberichte und Pilgerführer dargestellt werden. Ablass und Buße spielen bei Fernberger als protestantischem Morgenlandreisenden jedoch keine Rolle. Insgesamt ist zu beobachten, dass in beiden Reiseberichten das biblische Ägypten in den Hintergrund tritt zugunsten von Beschreibungen des pharaonischen und auch orientalischen Ägypten. Neben dem Bezug auf Bibel und Pilgertradition, die als Hauptquellen des biblischen Ägypten anzusehen sind, findet sich bei Nützel und Fernberger verstärkt der Rekurs auf antike Autoritäten. Im Gegensatz zu Löwenstein und Wormser, die noch stärker in der Tradition mittelalterlicher Pilgerberichte stehen und kaum Namen oder Quellen erwähnen, beziehen sich Nützel und Fernberger bei der Beschreibung des pharaonischen und orientalischen Ägypten ausdrücklich auf antike Quellen. Dies weist sowohl auf die humanistische Bildung der Reiseautoren als auch auf den Einfluss der Apodemik hin und steht für eine Neuheit im Kontext des Ägyptenreisediskurses. Andere Quellen, wie Reiseberichte, werden jedoch nicht namentlich erwähnt, sind aber wegen der Ähnlichkeit der Ägyptenbilder zu vermuten. Auch wird die Kenntnis

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

der Tradition und des Ägyptenreisediskurses bisweilen indirekt mit dem allgemeinen Verweis auf andere Reiseberichte offengelegt.¹²¹ Zudem scheinen beide Autoren bei ihrer Beschreibung einem (unsichtbaren) Beschreibungsschema der apodemischen Tradition zu folgen, auch wenn sie darüber nicht explizit reflektieren. Das Ägyptenbild von Nützel und Fernberger speist sich somit aus den unterschiedlichen Quellen der Autopsie, der Tradition (Bibel, antiker Schriften, Reiseliteratur) und der Systematik (Apodemik). Im Vergleich zu den Reiseberichten des Mittelalters kommt sowohl der Autopsie als auch der Systematik ein höherer Stellenwert zu. Und auch dem Bezug auf antike Schriften wird ein höherer Wert beigemessen. Zudem weisen beide Reiseberichte eine stärkere persönliche Färbung auf als es bei mittelalterlichen Berichten üblich ist. So berichtet beispielsweise Karl Nützel bei seiner Reise von Konstantinopel nach Alexandrien von persönlichen Erlebnissen, wie der vorläufigen Gefangennahme in Rhodos und dem Diebstahl auf dem Schiff.¹²² Das Persönliche ist dabei nicht unbedingt als Ausdruck der Subjektivität anzusehen. Es erfüllt vielmehr eine exemplarische Funktion, bei der die Objektwelt weiterhin im Vordergrund bleibt. Denn die Schilderung persönlicher Erlebnisse dient nicht nur der Unterhaltung, sondern unterstreicht auch die Risiken einer Reise im Osmanischen Reich. Die Schilderung persönlicher Erlebnisse dient somit auch der Stilisierung des Reisenden als Exemplum, dessen glückliche Rückkehr als Zeichen der Gottesgnadenschaft und göttlicher Vorsehung angesehen wird. Denn durch die glückliche Heimkehr des Reisenden, der allen Gefahren trotzt, um zu den heiligen Stätten zu gelangen und/oder sich auf Reisen weiter zu bilden, wird der Reisebericht „als individuelles Zeugnis der Gnade“,¹²³ Allmacht und Weisheit Gottes konstituiert.

121 So begründet Fernberger beispielsweise die Kürze seiner Beschreibung der Nilüberschwemmung damit, dass sie von anderen genügend beschrieben ist: „Über das Anschwellen dieses Flusses, wie er zu einer bestimmten Zeit im Jahr ganz Ägypten, das sonst völlig regenlos ist, überschwemmt und fruchtbar macht, wird von anderen genügend berichtet. Es genügt zu wissen, daß das Land erstaunlich fruchtbar ist und dicht von Menschen und anderen Lebewesen besiedelt ist“; Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 22. 122 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 44: „Nachdem wir nun früh, als der Tag anbrach, solchen großen Verlust und zugestandnen Unfall wahrgenommen, ist leichtlich zu erachten, wie uns zu Gemüt möge gewesen sein, dieweil wir uns nicht allein alles Unsers beraubt befanden, sondern auch in einem solchen Land, mitten unter den türkischen Hunden, auch der Sprachen unkundig waren, also daß wir uns nicht wenig beforchteten, wo uns nicht Gott der Allmächtige durch ein sonderlich Mittel errettet, wir alle als Sklaven und leibeigne Leut verraten und verkauft werden möchten“. 123 Wolfgang Neuber, Zur Gattungspoetik des Reiseberichts. In: Peter J. Brenner (Hg.), Der Reisebericht. Die Entwicklung einer Gattung in der deutschen Literatur, Frankfurt a.M. 1989, S. 58.

 5.4 Gefangenenberichte 

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5.4 Gefangenenberichte Eine weitere Gruppe deutscher Ägyptenreiseberichte sind Berichte deutscher Gefangener im Osmanischen Reich, wie z.B. die Berichte von Johannes Schiltberger (1394–1427), Michael Heberer (1582–1588), Johannes Wild (1604–1611), Nicolaus Schmidt (1604–1611) und Christian von Wallsdorff (1660–1663), die während oder nach ihrer Gefangenschaft Ägypten bereisen.¹²⁴ Es handelt sich hierbei um eine Gruppe von Reisenden, die nicht aus religiösen Motiven zu einer Pilgerfahrt aufbrechen, sondern ihre Reise antreten, um fremde Länder zu sehen beziehungsweise um aus Kriegs- und Abenteuerlust gegen den Erbfeind der Christenheit zu Felde zu ziehen. So zieht Schiltberger 1394 als Knappe auf dem Kreuzzug König Sigismunds von Ungarn gegen die Türken, wird 1396 gefangen genommen und kehrt erst nach 32 Jahren nach München zurück. Der Heidelberger Student Michael Heberer gerät 1585 in Gefangenschaft, als er auf einem Schiff des Malteserordens vor der ägyptischen Küste auf Raubzug ist. Drei Jahre dient er als Sklave in Ägypten und auf türkischen Galeeren, ehe er sich 1588 freikaufen und die Heimreise antreten kann. Der Nürnberger Johannes Wild nimmt mit 19 Jahren an den Kämpfen in Ungarn gegen die Türken teil und gerät in Gefangenschaft. Als Sklave bereist er von 1604 bis 1611 große Teile des Orients, bevor er heimkehrt. Nicolaus Schmidt ist ebenfalls Soldat im österreichisch-ungarischen Heer und wird von den Türken gefangen genommen. Von 1606 bis 1611 dient er auf türkischen Galeeren, die die alljährlichen Tributsteuern aus Ägypten transportieren. Und Christian von Wallsdorff, der zwei Jahre dem ungarischen Fürsten Georg II. Rákóczi von Siebenbürgen dient, gerät während der Schlacht bei Klausenburg 1660 in türkische Gefangenschaft und wird in Gran an einen Sklavenhändler verkauft. Nach dreijähriger Sklavenzeit in Konstantinopel wird er losgekauft und reist 1663 über Alexandrien heim. Die Berichte dieser Reisenden sind vor allem durch die harte Dienstbarkeit eines Sklavendaseins geprägt. Ihre Reisen sind keine freiwilligen Reisen. Vielmehr müssen sie als Sklaven im Osmanischen Reich verschiedene Dienste verrichten. Zudem verbringen sie meist eine lange Zeit im Orient – im Gegensatz zu den Pilgern und Morgenlandreisenden, die in der Regel nur einige Monate in Ägypten unterwegs sind. Aufgrund ihres teils sehr langen Aufenthalts im Orient und ihrer veränderten Perspektive auf Ägypten ist zu vermuten, dass in ihren Berichten neue Aspekte und Facetten des Ägyptenbildes auszumachen sind. Diesen neuen Bildelementen soll im Folgenden anhand

124 Zu Gefangenenreisen im Osmanischen Reich vgl. Michael Harbsmeier, Wilde Völkerkunde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1994, S. 135ff.; Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 353–462.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

der Reiseberichte von Michael Heberer (1585–1588), Nicolaus Schmidt (1604–1611) und Christian von Wallsdorff (1660–1663) nachgegangen werden.

5.4.1 Michael Heberer von Bretten (1585–1588) Heberers Reisebericht¹²⁵ umfasst drei Bücher, wobei das erste Buch 24, das zweite 53 und das dritte 31 Kapitel aufweist. Dem Reisebericht sind eine Widmung, eine Vorrede in Versform und ein Inhaltsverzeichnis vorangestellt. Im Anhang befindet sich die Beschreibung zweier weiterer Reisen. Der eigentliche Bericht erzählt von der Reise nach Frankreich und Malta, der Gefangennahme und Dienstbarkeit als Sklave in Ägypten und im Osmanischen Reich, der Befreiung durch Vermittlung des französischen Konsuls in Konstantinopel und der Heimreise nach Heidelberg. Die Beschreibung seines Schicksals als Sklave in Ägypten, seiner Erlebnisse sowie von Land und Leuten in Ägypten kommt vor allem in den beiden letzten Kapiteln im ersten Buch und den ersten zehn Kapiteln im zweiten Buch vor.¹²⁶ Die Ägyptenreisebeschreibung folgt dabei großteils dem Reiseverlauf,

125 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus. Das ist / Warhafte Beschreibung einer Dreyjährigen Dienstbarkeit / So zu Alexandrien in Egypten ihren Anfang / und zu Constantinopel ihr Endschafft genommen. Gott zu Ehren / und dem Nechsten zur Nachrichtung / in drey unterschiedene Bücher außgetheilet / und mit etlichen Kupffer-stücken in Druck verfertiget Durch Michael Heberer von Bretten / Churfürstlicher Pfalz Cantzley Registratorn / der solche in der Person außgestanden. Mit zwo angehenckten Reisen / die er nach seiner Dienstbarkeit / in Vier Königreich / Böhem / Polen / Schweden / Dennemarckt / auch nechstligende Fürstenthumb und Seestädt vollbracht, Heidelberg 1610. Nachdruck: Graz 1967. Die Zitate beziehen sich auf diese Ausgabe. 126 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967: 1. Buch: Das 23. Capitel. Wie wir zu Alexandrien empfangen / vnd in die Eysen geschmiedet worden (S. 98ff.); Das 24. Capitel. Wie endlich auch die Ritter gefangen werden / mit einer Christlichen Betrachtung des Glücks vnbestendigkeit (S. 101ff.); 2. Buch: Das erste Capitel. Beschreibung der Weltberühmten Königlichen Stadt Alexandrien, meines ersten Diensthaus in Aegypten, vnd dero Jnwohner (S. 105ff.); Das 2. Capitel. Meldet die Reiß nach Russetten / vnd die beschreibung derselben Stadt vnd Lands gelegenheit / an dem Wasser Nilo in Aegypten gelegen (S. 111ff.); Das 3. Capitel. Beschreibung deß berümbten vnd Schiffreichen Fluß Nili (S. 115ff.); Das 4. Capitel. Von der art / sitten vnd Kleidungen der Egypter (S. 118ff.); Das 5. Capitel. Von vnserer Ankunfft in Cayra oder Nev Babylon / vnd wie wir alda empfangen worden (S. 120ff.); Das 6. Capitel. Ein kurtze Anzeig von dem Rothen Meer / vnd vnserer widerkehr gen Cayra (S. 122ff.); Das 7. Capitel. Folget / was sich ferner zu GroßCayra zugetragen (S. 125ff.); Das 8. Capitel. Fernere Beschreibung / was sich mit vns zu Cayra verloffen / mit einer kurtzen beschreibung des Pharaon begrebnüs / so man Pyramides nennet (S. 127ff.); Das 9. Capitel. Von der Grösse dieser Stadt Cayra / Wer die gebawet / Was für Ritterspiel alda geübet / Vnd was fürnemblich für Kauffmanschafften da zu finden (S. 132ff.); Das 10. Capitel. Jst ein Beschreibung vnserer wiederkehr von Cayra nach Alexandrien /

 5.4 Gefangenenberichte 

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ohne jedoch genaue Daten zu liefern. Exkurse über den Nil, die Kleider und Sitten der Ägypter unterbrechen die chronologische Darstellung. Als Orientierungshilfe dienen die Überschriften der Kapitel, die bereits die Einzelelemente des Ägyptenbildes andeuten. Als frühneuzeitlicher Reisebericht steht Heberer wie die Pilgerund Morgenlandreiseberichte der Frühen Neuzeit im Zeichen der neuen Reisekunst der Apodemik. Als Bericht eines Gefangenen zeigt sein Reisebericht jedoch neue Aspekte und Facetten des Ägyptenbildes, die darauf beruhen, dass er als Gefangener das Land bereist. Diesen beiden Gesichtspunkten soll im Folgenden nachgegangen werden, um zum einen übergreifende Merkmale frühneuzeitlicher Reiseberichte zu verdeutlichen und zum anderen die aus einem Gefangenenbericht resultierenden Besonderheiten von Heberers Ägyptenbild zu beleuchten.

5.4.1.1 Alte und neue Elemente der Ägyptenbeschreibung Wie die Städtebeschreibungen in den Reiseberichten von Nützel und Fernberger orientiert sich auch Heberers Alexandrienlob¹²⁷ an den auf Tradition und Apodemik beruhenden Beschreibungsschemata. Hauptelemente der Alexandrienbeschreibung sind dabei Lage nach Längen- und Breitengraden, Huldigung, Name und Erbauer, Handel, Hafen, Leuchtturm und Burgen, naturgegebene Befestigung der Stadt, ihre Einnahme und Verwüstung im Jahre 293 n.Chr. durch Diocletian, Obelisk, Zisternen und Wasserversorgung, Kirche St. Katharina, ihre Zerstörung und der Wiederaufbau auf Befehl des türkischen Sultans, griechischer Patriarch, Bildung (keine Christenschulen im Osmanischen Reich), Kirche St. Markus, Leistungen in der Wissenschaft (alte Bibliothek, Übersetzung der Hebräischen Bibel ins Griechische), Bewachungsanlagen, Pompeiussäule, Stadtbild (einst herrliche Gebäude, nun verwüstet und unbewohnt), europäische Konsuln und ihre Fondachi sowie Privathäuser. Aus Heberers Alexandrienbeschreibung geht zudem hervor, dass sie auf Autopsie, eigenen Erfahrungen und antiken Autoren beruht. Neben bekannten Bildelementen, wie Name, Hafen, Kirchen und Sehenswürdigkeiten, finden sich bei ihm auch neue Elemente, die auf die Regeln apodemischer Schriften verweisen: Angabe von Längen- und Breitengraden, Bildung und Wissenschaft, Beschreibung von Stadtbild und soziokulturellen Besonderheiten. So liefert Heberer zum Beispiel ein anschauliches Bild von den Hilfeleistung der verschiedenen europäischen Vertretungen in Alexandrien für christliche Reisende

Vnd was sich auff der wegen vnd zu Alexandrien zugetragen / Vnd wie wir endlich zum ersten auff die Galleren geschmiedet worden (S. 135ff.). 127 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 105–111. Hierbei bezeichnet Heberer Alexandrien als „alte / Königliche / weit vnd breit bekante Stadt“ (ebd., S. 106).

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

und Gefangene sowie von den örtlichen Regelungen bezüglich der Nachtruhe europäischer Diplomaten: Es wohnen auch in dieser Stadt etlicher Christlichen Potentaten Bottschafften / so man Consules nennet / Bey denen jeder Landsart Kauffleut / vnd andere durchreisende / einziehen / vnd jhre zuflucht haben / als der Herrschafft Venedig / des Königs auß Franckreich / der Königin auß Engelland ec. Die alle / nit allein den Frembden Christlichen Kauffleuten / zu jhrer Handthierung vnd rechten verhelffen / sondern auch den durchreisenden / die Land zu besehen / alle befürderung thun / mit vorleihung Gelds / vnd verrichtung anderer sachen / durch jhre Dolmetschen. Wie sie denn nit wenigers den armen gefangenen grosse hülff vnd Trew mit reichem Allmusen leisten. Sie seind aber deß nachts in jhren Heusern / so man Fundica nennet / verschlossen / vnd machen die Mohren außwendig zu / also daß sie nit herauß können / bis die Mohren / so dazu verordnet / deß Morgends auffschliessen. Die Türcken vnd Juden / wohnen mehrertheils / ausserhalb der Stadtpforten / in geringen heusern / zwischen den beiden Port des Meers (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 110).

In Heberers Alexandrienbeschreibung bleibt das biblisch-christliche Ägypten auf die Erwähnung der Kirchen der Heiligen Katharina und Markus, ihrer Marterung und Tötung sowie auf die Informationen zum griechischen Patriarchen von Alexandrien beschränkt. Diese sind zumeist knapp und präzise. So erwähnt Heberer nur das Ansehen des Patriarchen und seine Erscheinung, wobei die Informationen in Bezug zu den Besonderheiten des Landes gesetzt werden: „Sonsten gehet Er sehr schlecht gekleidet / War ein Mann von 70 jahren / vnd hat wenig studiert / kond auch kein Latein / Dann es der enden / wie in gantz Türckey / keine Christenschul / so viel ich durchreiset / zu sehen“.¹²⁸ Das pharaonische Ägypten zeigt sich in den Angaben zum Obelisken: „Jn dieser Stadt ist noch schöner Obeliscus, von Porphirischem Stein / roth vnd weiß eingesprengt / mit Aegyptischen Schriften oder Figuren / vnd so hoch / daß man den auch ausserhalb der Stadt / vber die Stadtmauren sehen kan / gegen dem Meer“.¹²⁹ Auch die Dimensionen des hellenistischen und römisch-byzantinischen Ägypten finden in seine Alexandrienbeschreibung Eingang. Als dominant erweist sich aber das orientalische Ägypten mit dem topographischen Teil über Lage, Größe, Beschaffenheit, Befestigung, Hafen, Gebäude und Stadtbild. Ethnographische Informationen zu Alexandriens Bewohnern werden hingegen kaum gegeben. Nach der Beschreibung Alexandriens folgt entsprechend des Itinerarprinzips die Schilderung des Reisewegs nach Kairo, die mit der Beschreibung von Rosetta und des Nil einhergeht. Dabei ist festzustellen, dass sich Heberer an das Autop-

128 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 108. 129 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 107.

 5.4 Gefangenenberichte 

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sieprinzip hält und auf wesentliche, selbst beobachtete oder durch Hörensagen erfahrene Informationen beschränkt. So beschreibt er Rosette als reiche Handelsstadt, die als Umschlagplatz für Waren zwischen Ägypten, Arabien und dem Roten Meer nach Alexandrien dient, geht auf Landeserzeugnisse ein und stellt Vermutungen zur Namensgebung an: Russetta oder Rossetta, so von den Mohren Raschit genennet / ist ein vornehme reiche Kauffmanstadt / Hat gleichwol weder Thor noch Stadtmauren / Ligt hart am Nilo, in welcher alle Wahren / von Cayra vnd gantz Aegypten, auch auß Arabien vnd von dem Rothen Meer ankommen / Welche hernacher von dannen nach Alexandrien, zum theil auff dem Wasser / zum theil auff Cameelen vnd Trometarien zu Land gefürt werden. Diese Stadt hat in der nähe schöne Dattelwäld / hübsche Gärten von aller hand schönen Gewächsen / sonderlich von Zucker / S. Johans Brodt / Feigen / Melonen / Granaten / Pomerantzen / Saffran / schönen Blumen / vnd dergleichen / davon der Stadt der namen quasi Rosetum sol herkommen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 115).

Weitere Elemente der auf apodemischen Vorschriften beruhenden Beschreibung Rosettes sind die strategische Lage am Nil, die militärische Bedeutung als Schutz gegen Seeräuber sowie die politische Organisation und Regierung: Es seind aber vnder diesen Sieben Außflussen / nur zween heutiges Tages Schiffreich vnd berühmet / Als bey Rossetta vnd Damiata, Darunder dieser bey Rossetta der fürnembste / der bey seinem einfluß in das Meer vngefehr ein halbe Teutsche Meil wegs breit / vnd zu nechst bey dem Meer mit einem Schloß vor den Meerreubern verwart / darauff stetigs gute Wacht gehalten wirdt. Es wohnet auch ein Saniaco zu Russetta, der dem Bay von Alexandrien vnderworffen. Dieser helt stetigs ein wolgerüste Galleeren / die einfahrt zu beschützen / vnd die Schiff nach Alexandrien zubegleitten. Muß auch vff erforderen / dem Bay zu Alexandrien / nach Constantinopel, oder andere Reisen / mit seiner Galleeren auffwarten (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 116).

Auch die Nilbeschreibung gründet sich auf das Autopsieprinzip. Dabei gibt die Nilfahrt nach Kairo den Anlass, ausführlich von Ägyptens Lebensader zu sprechen: „Weil wir aber nun vff dem weitberümbten Fluß Nilo zu schiffe tratten“.¹³⁰ Als Quellen der Beschreibung werden namentlich Bibel, antike Autoren und gelegentlich Einheimische erwähnt, deren Erzählungen Heberer aber nicht unkritisch wiedergibt. So bezieht er sich z.B. ausdrücklich und mit genauen Stellenangaben auf die Bibel, wenn er den Nil als Paradiesfluss bezeichnet, der „von dem Propheten Moysi Gen. 2. Gihon genennet wirdt“.¹³¹ Antike Autoren, wie Horaz, Lucan

130 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 115. Die Nilbeschreibung reicht dabei bis S. 118. 131 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 115f.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

und Vergil nennt er dagegen bei der Beschreibung der Quellen des Nil, seiner Bedeutung für die Fruchtbarkeit des Landes und bei den sieben Nilarmen: Von diesem schreibet Horatius, Wie auch Lucanus, die Natur habe die heimliche quell / oder den vrsprung dieses Flusses / niemand offenbart / sondern viel mehr gewolt / daß sich die Leut darüber verwundern / dann solches wissen solten. Vnd Virgilius iv. Georg. meldet / daß er mit seinem schwartzen Sandt / das ist / feißten schleim / das land fruchtbar macht / vnd sich endlich in sieben Außfluß vertheile / Wie dann von vielen andern authoribus mehr geschrieben wirdt / vnd auch der augenschein mit sich bringet (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 116).

Der Augenschein dient auch bei der Beschreibung der Wasserqualität als Quelle: „etwas trüb / aber sehr lieblich zu trincken / vnd dermassen Fischreich / sonderlich im Portu bey Rossetten, daß ich dergleichen nie gesehen“.¹³² Heberer erzählt an dieser Stelle von seinen Erfahrungen im Fischfang und nennt als Erklärung für den leichten Erfolg die Scheidegrenze von Süß- und Salzwasser. „Vnd halte ich / daß diß die vrsach / weil die Fisch deß süssen Wassers gewont / werden sie sich bey dem Einfluß in das Meer / welches sehr saltzecht / zurück setzen vnd steigen / also daß sie sich heuffen bey dieser Stadt / so dem Außfluß aller nechst gelegen“.¹³³ Weitere Themen sind entsprechend der Tradition und Apodemik Nilüberschwemmung, Nilometer, Katarakte und Dämme bei Kairo, lebenswichtige Funktion des Nil für Ägyptens Fruchtbarkeit und wirtschaftliches System sowie Nillandschaft und Landesfrüchte, wie „Reiß / Zucker / Korn / Weitzen / Linsen / Erbsen / vnd Bohnen“.¹³⁴ Für seine aufmerksame Beobachtungsgabe spricht auch die Beschreibug der Bewässerungsanlagen mit Wasserrädern, Büffeln und Kanälen für den Reis- und Zuckeranbau und der großen Viehzucht „von Pferden / Camelen / Trometarien / Büffeln / Kühen / Ochsen / Hemmeln / vnd Schafen / davon der mehrtheil der Mohren / so nit in Stedten wohnen / sich ernehren müssen“.¹³⁵ Die auf Autopsie beruhenden Bildelemente tragen zugleich zu einer paradiesischen Darstellung des Nil bei. Heberer vermittelt in seinem Reisebericht ferner ein anschauliches Bild des osmanischen Kairo. Auch hier gründet er seine Darlegungen auf apodemische

132 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 116. Vgl. auch die fast deckungsgleiche Beschreibung bei Nicolaus Schmidt: „Der Nilus ist mächtig Fischreich / sonderlich im Port zu Reschit […]. Das Wasser des edlen und weitberühmten Nili ist zwar von Art was trüb / aber sehr lieblich und anmuthig zu trincken“; Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 41f. 133 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 116. 134 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 117f. 135 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 118.

 5.4 Gefangenenberichte 

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Beschreibungsschemata und Autopsie. Elemente der Kairobeschreibung sind Größe und Name, die Erbauung durch Kambyses und die Einnahme durch die Osmanen. Neben topographischen und historischen Informationen hält er auch den Verweis auf den Apostel Petrus und seinen Aufenthalt in Kairo für erwähnenswert: Von Grösse dieser Stadt / vnd menge deß Volcks / ist nit wol zu schreiben. Dann sie nicht allein Rom vnd Paris / sondern auch Constantinopel in der grösse weit vbertrifft / Daher sie auch den Narnen bekommen / Groß Cayra. Sie Wird auch von etlichen Memphis, von etlichen Babylonia, vnd von den inwohnern Messer genennet / Jst aber ein grosse Stadt / vnd durch den Nilum vnderschieden. Sie ist erstlich von Cambyse, dem König auß Persia, in dem jahr von der Welt Anfang 3696 gebawet / vnd hernacher von den Türcken Selymin eingenommen worden im jahr nach Christi geburt 1517. Vnd hat in dieser Stadt der H. Apostel Petrus sein erste Capitel geschrieben / Wie im fünften Capitel zu End derselben zu lesen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 132).

Weitere Bildelemente sind Verwaltung und Regierung, gesellschaftliches Leben in der Stadt sowie Wirtschaft und Handel. Dabei geht Heberer auf die europäischen Konsuln in Kairo¹³⁶ ein, auf Ritterspiele und Musterung der Soldaten beim Pascha sowie auf Wasserversorgung, Gewerbe und Märkte. Mit 18.000 Kamelen bringen Wasserträger das Nilwasser in die Stadt. An öffentlichen Plätzen ist kostenloses, von reichen Herren gestiftetes Wasser zu erhalten und das Schloss wird über Aquädukte mit Wasser versorgt.¹³⁷ Das Leben in der Stadt beschreibt Heberer als buntes, turbulentes Treiben. In den Straßen bieten Garküchen und Bäcker ihre Waren feil. Auf den Plätzen und Märkten finden Ritterspiele statt und überall werden Waren angeboten. So gibt es sowohl Märkte für Nahrungsmittel, Naturmaterialien, Tiere, Edelsteine, Waffen und Gewürze als auch für „gefangene Menschen / von den angrentzenden orten / so dem Türcken nicht vnterworffen seind“.¹³⁸ Sogar Nürnberger Waren findet man im Überfluss in dieser reichen Stadt:

136 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S.133: „Es wohnen auch in dieser Stadt / der Christlichen Potentaten Gesandten / deren vnderthanen sich der Kauffmanschafft dieser Landsart gebrauchen / so man Consules nennet / Als der Venediger / des Königs in Franckreich / der Königin in Engelland / die jhren Landsleuten / auch anderer Nationen Christen / so sich in jhren Schutz begeben / zum Rechten verhelffen / wie in Alexandrien vnd anderen vornemmen Türckischen Handelsstädten auch geschieht“. 137 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 128ff. 138 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 134. Zum Tiermarkt vgl. ebd., S. 134f.: „schöne Pferd / Elephanten / Löwen / Crocodilen / (so etliche den Lindwurmen vergleichen / haben keine Zungen / thun großen schaden zu Wasser vnd zu Land / an Vieh vnd

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Von köstlichen Edelgesteinen / Berlen / Balsam / Gewürtz / auch andern Früchten / vnd dergleichen sachen / wie reich diese Stadt sey / daß sie auch andern Landen mitzutheilen / ist ohn noth hie weitleufftig zu melden / dieweil es die erfahrung gnugsam gibt. Dann auß Persien vnd Arabia Faelici, alle reichthumb dahin gebracht werden. Von Nürnberger Wahren / geringen Dockenwerck / Spiegeln / Pfeifen / vnd dergleichen / is vberflüssig da zu finden / daher nit vnbillich das Sprichwort / Nürnberger handt / geht durch alle Landt (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 135).

Heberers Kairo erweist sich als Teil eines orientalisch-osmanischen Ägypten. Islamische und koptische Bauten und Sehenswürdigkeiten sucht man in seinem Reisebericht aber vergebens. Dies mag sich aus seiner Lage als Sklave, dessen Bewegungfreiheit gerade zu Beginn der Gefangenschaft eingeschränkt ist, oder auch aus persönlichem Desinteresse erklären lassen. Denn seine Neugier scheint vielmehr dem pharaonischen Ägypten zu gelten. So bittet er z.B. einen Wächter, dass er ihn am arbeitsfreien Freitag „zu den Pharaonischen Begräbnüssen (denn also nennen sie die Pyramides) führen wolte/solche zu besichtigen“.¹³⁹ Da dies gewährt wird, findet sich in Heberers Kairobeschreibung auch eine anschauliche Schilderung von der äußeren und inneren Gestalt der Pyramiden und des Sphinx. Heberers Begeisterung für die monumentalen Bauten ist nicht zu übersehen, wenn er schreibt „dass sie billich von der Welt gerühmet werden / vnd alle andere wunder der welt vbertreffen vnd vberharren“.¹⁴⁰ Die Pyramiden sieht er dabei als pharaonische Begräbnisstätten an und rekurriert nicht auf die in mittelalterlichen Reiseberichten oftmals bevorzugte Deutung als Kornspeicher Josefs. Seine astrologische Deutung des Sphinx als weibliche Sphinx mit Jungfrauenkopf und Löwenkörper stellt eine Neuheit im Ägyptenreisediskurs dar. Die weibliche Sphinx solle die Sternzeichen Löwe und Jungfrau symbolisieren und so auf die Nilüberschwemmung in den Monaten Juli und August hindeuten. Mögliche Quellen dieser neuen und originellen Interpretation nennt Heberer jedoch nicht: Die gröste hat von einem Eck zu dem andern in die Viere 324 Schritt / in die Höhe 250 Staffeln / vnd spitzet sich zu in die Viere / Jst oben auff etliche Schritt breit. Jn die eine Pyramidem kan man schlieffen (dann sie inwendig hol) Doch wagt sich niemand hinein ohn bennende Fackeln. Vnd ist darinn zu sehen / ein Begrebnüs von schwartzem Marmelstein / in die Neun Schue lang / Fünff hoch vnd breit. Die andere Pyramides seind kleiner. Aber es sind solche Gebew / vnd von so gewaltigen Steinen vffgeführt / daß sie billich von der Welt gerühmet werden / vnd alle andere wunder der welt vbertreffen vnd vberharren. Dann die

Menschen) Giraffen / Cameelen / Trometarien / Jgneumon / so etlich Pharaonische Katzen oder Mauß nennen / Affen / Siebetkatzen“. 139 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 130f. 140 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 130f.

 5.4 Gefangenenberichte 

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andere alle zerstört vnd vndergangen. Nicht weit von den Pyramidibus ist ein Bild zu sehen so man Androsphingam nennet / welches die Egyptier zu ehren den zweyen Himlischen Zeichen / als denjenigen / die jhnen alle reichthumb vff dem Nilo alle jahr mit sich bringen / haben machen lassen / Jhrem brauch nach / daß sie jhre meinung mit zeichen andeuten / Als nemlich / Oben ein Jungfraw / Vnden ein Löw / Dardurch sie zuverstehen gegeben / daß wann die Sonn in diesen beiden zeichen / als in dem Monat Iulio vnd Augusto, in welchen der Fluß Nilus zum höchsten wächst vnd zunimbt bis zu seiner außtheilung / jhr gröst Reichthumb vnd wolfahrt sich erzeige vnd sehen lest / Welches sie also durch diese Zeichen vnd Bilder bedeuten wollen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 130f.).

Eine weitere Neuheit im Ägyptenreisediskurs stellt Heberers ausführliche Beschreibung der Kleidung der Ägypter dar, der er sogar ein eigenes Kapitel widmet.¹⁴¹ In diesem Kapitel über die Kleider und Sitten der ägyptischen Bevölkerung lässt sich einmal mehr Heberers genaue Beobachtungsgabe erkennen. Es zeigt aber zugleich seine Kenntnis apodemischer Schemata zur Beschreibung fremder Länder und Völker. Denn der Themenbereich Kleidung und Sitten gehört zum Fragenkatalog der neuen Reisekunst mit ihren Anweisungen, wie und was man bei seinen Reisen in unbekannte Länder zu beobachten hat. Heberers Ausführungen zeichnen sich durch präzisen Detailreichtum aus. Er nennt die einzelnen Bekleidungsbestandteile: Hemden, Übergewänder, Hüte, Kopfbedeckung, Hosen und Schuhe. Er geht auf Material, Farben und Unterschiede zwischen Stadt und Land ein. Auch die Bedeutung der Farben erklärt er dem Leser: So werde in Ägypten nur von einer bestimmten Schicht die Farbe Grün bei der Kopfbedeckung getragen und Gelb sei für die türkische Bevölkerung reserviert: Die Jnwohner dieses Lands gehen gar schlecht gekleidet / Mann vnd Weib / gemeiniglich in Leinen Hembdern mit großen weiten Ermeln / wie der Pfaffen Meßgewandt / die sie gemeiniglich blaw ferben lassen. Vber solche Hembder nemmen etliche Männer wüllene Teppich / so zum theil einerleiy farb / zum theil vielerley farben / die sie vnder dem einen arm durch / vnd vber die achsel schlagen / damit sie den Rechten Arm frey haben. Jm Feldt zu Fuß vnd zu Pferdt führen sie lange leichte Spieß / die sie zur gegenwehr brauchen. Auff den Heuptern tragen sie zimbliche hohe Hüt von Cameelharen gemacht / die vmb das Haupt glat anligen / wie ein runde Schlaffhaube / Aber in der höhe ist der boden außgebreitet / wie vnsere Hüt in Teutschen Landen vnden breite rauffen haben. Die in den Stedten / tragen zum theil reine leinine binden vmb das Haupt / wie die Türcken / so man Tulband nennet / Etliche von weissem Leinwandt / Etliche von Farben / Roth / Blaw / auch vndereinander gemengt / ausserhalb grüner Farb / die keiner tragen darff (ohn gewisse personen) wie künfftig wird angedeutet werden. Die Türcken aber tragen in Egypten gelbe Binden / zu einem vnderscheidt. Das Landvolck geht mehrtheils barfüssig / Andere tragen schuhe / aber selten findt man /

141 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 118–120.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

daß sie Hosen anhaben. Jhre Hosen seind nur weiß Leinen tuch / sehr weit bis vnder die Waden (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, 118f.).

Heberers Kapitel zur Kleidung der ägyptischen Bevölkerung enthält weiterhin Informationen zu den Kleidern ägyptischer Frauen. Auch hierbei geht er auf Unterschiede zwischen Stadt und Land ein. Er spricht von ihrem Schmuck und davon, dass vornehme Frauen unter ihren weißen Hemden stattlich gekleidet seien. Die Schilderung der Fremdartigkeit der Kleidung ergänzt Heberer dabei um Erklärungen zu Ursprung und Funktion. So sollen Schleier und Tücher vor dem Gesicht für Schutz und Anonymität der Frauen stehen und im Kopftuch sieht er Einflüsse der Hebräer gegeben. Dabei verknüpft er biblische und profane Quellen, um die gegenseitige Beeinflussung von Tradition und Religion zu veranschaulichen: Die Weiber gehen auch nur in Blawen Hembdern mit weiten Ermeln / haben schleyer vmb das Haupt / vnd Tüchlein vor dem angesicht / daß man sie nit sehen kan / Doch sind in die Tüchlin gegen den zweyen Augen löcher geschnitten / vngefehr so groß als ein Aug / dadurch sie sehen können. Aber in den Städten / gehen sie gantz weiß / mit einem reinen weissen Tuch vmbhengt / vnd das gesicht mit einem härin Tuch bedeckt / dadurch sie alles sehen können. Jedoch seind vornemer Herren Weiber vnder solchen weissen Tüchern auch stattlich gekleidet. Dieser brauch daß Angesicht zu bedecken / wie auch der Kleidung / haben sie von den Alten Hebreern hergenommen / Wie man von Rebecca vnd der Susanna zu lessen / daher Tertullianus schreibet / Arabicas mulieres modestiores esse Christianis, quod hoc modo adigantur, ut modestè oculos demittant, ne vagabundum aspectum habeant. Die vrsach / daß dieser brauch also sey erhalten worden / sagt Martyr, Facilius caeremonias retineri, quàm religionem, Die alte Breuch vnd Ceremonien werden eher erhalten / als die Religion. […] Die Arm / Halß / vnd Fußbandt / wie auch Ring / vnd Kleinoter an den Ohren / seind den Weibern gemein / doch mehr den Stedten als vff dem Land (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 119f.).

Insgesamt beurteilt Heberer die Kleidungsart der Ägypter als gar schlecht und das Volk selbst als hässlich und verdorben: „Es ist aber Mann vnd Weib gemeiniglich ein Schwartz / Braun / Gelb / heßlich volck / vnd sehr verhuret / Haben sehr mangel am Gesicht / wegen der Hitz vnd deß Staubs / Derowegen es auch viel blinder Leut der enden gibt“.¹⁴² Dabei wird die durch das Klima beeinflusste Physiognomie mit der Verdorbenheit der Sitten gekoppelt, die Heberer dem ägyptischen Volk zuschreibt. Ob dies mit der Polygamie der muslimischen Ägypter zu tun hat, kann hier nicht mit Gewissheit festgestellt werden. Es ist allerdings zu ver-

142 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 119.

 5.4 Gefangenenberichte 

 271

muten, da im Text die Themenbereiche Polygamie, Eheschließung und Scheidung folgen.¹⁴³

5.4.1.2 Ägypten als Sklavenhaus Heberers Reisebericht zeigt neue Aspekte und Facetten im Ägyptenbild, die darauf beruhen, dass er als Sklave das Land bereist. Auffällig ist dabei zum einen die persönliche Note, die in der Schilderung eigener Erlebnisse und Erfahrung zum Tragen kommt. Hauptthemen sind die Beschreibung seiner Gefangennahme, Befragung in Kairo, Sklavendienste und Arbeitsverhältnisse. Damit rücken gesellschaftliche und soziokulturelle Beobachtungen und zwischenmenschliche Interaktionen, insbesondere die Behandlung durch Einheimische und der Umgang mit Obrigkeiten, besitzenden Herren und Wächtern, in den Mittelpunkt. Als auffällig erweist sich zum anderen der Rückgriff auf den alttestamentlichen Topos von Ägypten als Sklavenhaus zur Beschreibung des Sklavendaseins. Diese Aspekte werden im Fokus der folgenden Analyse stehen, um den Bildelementen nachzugehen, die aus der besonderen Situation eines reisenden Gefangenen resultieren. Nach seiner Entlassung aus den Diensten des Grafen Erich Bilcke im Jahr 1582 beschließt Michael Heberer, seiner Reise- und Abenteuerlust nachzugeben und die Welt zu besehen. So reist er nach Frankreich und von dort nach Malta, wo er sich auf ein Abenteuer einlässt, das mit seiner Gefangennahme endet. Er begibt sich nämlich mit den Malteserrittern auf Raubzug im Mittelmeer und kapert mit ihnen im Mai 1585 vor der ägyptischen Küste einige türkische Schiffe. Nach unvorhergesehenen Schwierigkeiten gelingt ihm zwar zusammen mit einigen anderen Europäern die Flucht. Doch nach harten Tagen auf dem Meer stranden sie unweit von Alexandrien, werden von bewaffneten Arabern gefangen genommen und nach Alexandrien ins Gefängnis gebracht.¹⁴⁴ Von hier an ist Heberers Reise nicht mehr freiwillig. Dies bedeutet, dass er seine Reise weder selbst planen noch seine Aktivitäten aussuchen kann. So hat sich Heberer z.B. an Befehle ägyptischer und türkischer Obrigkeiten sowie an Beschlüsse seines Besitzers zu halten. Hieraus ergeben sich Konsequenzen für Reiseroute und Struktur des Reiseberichts, die

143 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 119f.: „Vnd hat ein Mansperson in diesen landen macht / so viel Weiber zu nemmen / als er vor der Obrigkeit versprechen vnd beweisen kan zu ernehren / bis in Sechs oder Sieben / Haben auch wider macht / solche vmb ein geringe vrsach von sich zu jagen / vnd andere zu nemmen. Etliche kauffen von den Eltern jhre Töchter vmb Gelt / als vmb 6.8.10.20. oder mehr Ducaten / vnd geschehen alle heyrath vnd versprüchnüssen vor dem Schultheissen / so sie Cadi nennen“. 144 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 82ff.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

z.B. mit der Reise nach Suez Abweichungen von der üblichen Route der Pilgerund Morgenlandreisenden aufweist und folgende Bausteine umfasst: 1. Ankunft in Alexandrien 2. Reise über Rosette nach Kairo 3. Reise nach Suez und Rückkehr nach Kairo 4. Rückreise von Kairo über Rosette nach Alexandrien Zum anderen ergeben sich daraus auch Konsequenzen für die Aufenthaltsdauer und mögliche Beschreibungstiefe bestimmter Reisestationen und/oder Sehenswürdigkeiten. Da sie sich als Sklaven oftmals nicht frei bewegen können, andere Aufgaben zu erledigen haben und an die Befehle ihrer Herren gebunden sind, können sie manche Sehenswürdigkeiten nicht besichtigen. So erwähnt Heberer beispielsweise, dass sie den Balsamgarten nicht besichtigen dürfen, weshalb er ihn auch nicht beschreibt.¹⁴⁵ Und bei der Rückreise von Suez nach Kairo zeigen ihnen die Wächter nur aus der Ferne einige Sehenswürdigkeiten, wie z.B. den Ort des Schilfmeerwunders am Roten Meer und den Ort, an dem ein ägyptischer König eine Verbindung zwischem dem Roten Meer und dem Nil herstellen lassen wollte.¹⁴⁶ Auch bei der Beschreibung von Kairo benennt er den Ort, „da man die mumias oder vnverwesene Todte Balsamierte Cörper findet“¹⁴⁷ nur als Praeteritio ebenso wie den Begräbnisort, wo Tote am Freitag vor Ostern auferstehen sollen. Diese Geschichte, die auch bei Löwenstein und Wormser referiert wird, kommentiert Heberer nicht unkritisch: „Jch habe gleichmessiges von Christen zu Cayra vnd Constantinopel auch gehört. Aber der es glauben wil / der glaub es“.¹⁴⁸ Insbesondere zeitigt seine unfreiwillige Reise als Gefangener jedoch Auswirkungen auf die Themen im Reisebericht. Zum einen nehmen Schilderungen seiner Sklavendienste großen Raum ein. So erzählt Heberer beispielsweise, dass er in Kairo zunächst Dienstarbeiten im Arsenal verrichtet und beim Beladen einer Karawane hilft, die Holz und Seile nach Suez transportiert, um sie dort zu Schiffen zusammenzusetzen. Bei ihrer Rückkehr nach Kairo werden sie dann bei Abriss- und Aufräumarbeiten eingesetzt. Und schließlich werden sie nach einem erfolglosen Fluchtversuch aus dem Gefängnis in Alexandrien zum Dienst auf den Galeeren bestimmt.¹⁴⁹ Zudem finden mit seiner besonderen Situation als Gefangener auch gesellschaftliche und soziokulturelle Themen Eingang in seinen

145 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 123. 146 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 124f. 147 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 124. 148 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 125. 149 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 122ff. (Arsenal, Holztransport); S. 125f. (Abrissarbeiten in Kairo); S. 135–138 (Fluchtversuch, Arbeit auf den Galeeren).

 5.4 Gefangenenberichte 

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Bericht, die sich v.a. im Umgang der Einheimischen mit den Gefangenen oder in gesellschaftlichen Konventionen zeigen. So beschreibt Heberer z.B. das Verhalten der als Mohren bezeichneten Araber bei ihrer Gefangennahme sowie das Verhalten der europäischen Kaufleute, die in Alexandrien zugegen sind, als sie durch die Stadt geführt werden: Darauff wurden wir in die etlich vnd dreyssig (darunter sich mein frommer Pommer auch wider funden) wie ein Herd Schaaf / in blossen Hembdern / mit Stecken vnd Spiessen / durch die herrliche vnd königliche Stadt Alexandriam getrieben / Jn welcher vns vnterwegen viel Frantzösische / Jtalienische / vnd Englische Kauffleut / mit grosser Bekümmernuß vnd Mitleiden sahen / Aber nicht mit vns reden dorfften / auß Forcht der Mohren / die vns mit Stecken forttrieben durch die Stadt / biß an die ander seiten deß Meers / da sie an dem hindern Porta ein Gefängnuß hatten (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 98).

Auch im Gefängnis erwecken die Gefangenen die Neugier der einheimischen Bevölkerung. Denn, so Heberer, nicht wenige Türken und Ägypter, darunter auch Frauen, kommen ins Gefängnis, um sie zu besichtigen und zu verspotten. Europäer hingegen werden nicht zu ihnen gelassen.¹⁵⁰ Die unterschiedliche Reaktion von Arabern und Europäern beschreibt Heberer auch bei ihrer Ankunft in Rosette. Denn der Schilderung seiner Erlebnisse mit dem gemeinen Volk, das sie schmäht und ihnen ins Gesicht spuckt, steht die Begegnung mit europäischen Kaufleuten gegenüber, die ihnen Trost zusprechen und Almosen zukommen lassen: Da man vns zu Russetten einführet / stunden viel Mann / Weiber vnd Kinder / auff der Strassen / die Gott lobeten / das er jhre Feind in jhre Hend gefangen gegeben hatte / Spiegen vns in die Angesichter / vnd hiessen vns Nassarenos, vermeinten vns dadurch ein grosse schmach anzuthun / Da wir vns doch solches Namens / vmb vnsers Seligmachers Iesu Christi willen / viel mehr zu erfrewen vnd zu trösten hatten. Jn der Stadt führet man vns bey dem Kauffhaus in einen grossen Stall / darinn wir vns solten erkühlen / Als wir aber also jämmerlich / gantz matt vnd müd / eingeführt worden / Da warden vnser etliche Venediger Kauffleut vnd Frantzosen ansichtig / die vns ansprachen / vnd ein hertzliches Mitleiden mit vns hatten (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 113f.).

Zum Umgang mit den christlichen Gefangenen gehört Heberer zufolge auch, dass ihnen der Bart geschnitten wird, sowie ihre Fesselung während des Gefangenentransports: Nach diesem solten wir auß ernstlichem Befehl deß Bassa von Cayra, jhme zugeführt werden. Da machte man von starcken Brettern Höltzer zu beiden theilen halb rund außge-

150 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 98f.

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schnitten / so weit / das einer seinen Arm blössig darinn regen kondte / Jn welche man je zween vnd zween mit den Armen / einen mit dem Rechten / den andern mit dem Lincken einspert vnd zusammen naglete / ob wir schon zuvor auch eisen Fessel an den Füssen hatten […] Daß theten sie auß Forcht / damit wir jhnen auff freyem Feld keinen widerstand thun köndten. Musten also neben einander gefesselt gehen / wie zween Ochsen an jhrem Joch / vnd warden vns gleichwol in die zwantzig Guardiani oder Hüter / mit grossen Stecken / neben etlichen bewehrten Janitscharn mitgegeben / vns zubegleiten / oder vielmehr zu verhüten (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 111f.).¹⁵¹

Eine weitere Maßnahme, die sie als Gefangene im osmanischen Ägypten über sich ergehen lassen müssen, stellt die Befragung durch den Pascha dar, deren Prozeduren Heberer detailliert schildert. So werden sie zunächst über einen Dolmetscher nach dem Grund der Gefangennahme, Namen und Beruf gefragt. Als der Pascha ihre Müdigkeit bemerkt, lässt er sie setzen, eine Geste des humanen Umgangs mit Gefangenen. Zur Prozedur gehört auch eine genaue Leibesvisitation und die Aufforderung zum Übertritt zum Islam: Da nun dem Bassa vnser ankunfft angezeigt ward / ließ er uns näher zu seinem Palatio führen / vnd liesse erstlich durch einen Dolmetschen fragen / Wo wir weren gefangen worden / Darnach auch von einem jeden allein erkundigen / Wie er hiesse / auch Vatter vnd Mutter nahmen / Wad eines jeden handthierung / handwerck oder Kunst / Vnd ward solches alles fleissig vffgeschrieben / Zu was end / kund ich nit wissen. Weil aber der Bassa sahe / daß wir etwas müd / befahl er vns heissen nidersitzen / daß wir thaten / vnd setzten vns auf die erden. Da kam allerhand gesind vmb vns herumb / vns zu besichtigen. Es kamen auch etliche die vns die Hend begrieffen / sonderlich inwendig / darauß sie abnemmen kondten / welche von harter arbeit waren / Die befragten vnser viel / ob wir wolten Türcken werden / so solten wir gute Tag haben / Aber es wolte sich niemands damals angeben. Wiewol bald hernacher / ein Becker / vnd Schneider / so beyde Frantzosen waren / sich schendtlich vergassen / vnd zu Türcken wurden (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 121).

Die Bezeichnung Türken wird von Heberer hier als Synonym für Muslime gebraucht, und lässt keinen Zweifel daran, dass das deutsche Muslim- und Islambild von der Erfahrung des türkischen Vordringens in Europa beeinflusst ist – eine Tatsache, die bei Saids Orientalismuskritik mit seiner Konzentration auf den Machtdiskurs der Kolonialzeit nicht genügend beleuchtet wird.¹⁵² Einblick in die Gesellschaft des osmanischen Ägypten gewährt Heberer auch, wenn er von den Essgewohnheiten der Muslime spricht. So berichtet er, dass die

151 Zur Bartrasur vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 100. 152 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 70–86 und Kapitel 5.5.2. vorliegender Studie.

 5.4 Gefangenenberichte 

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Gefangenen in Ägypten zum ersten Mal Fleisch essen dürfen, als ein Büffel hinter dem Schloss tot umfällt. Als Erklärung dafür, dass ihre Bitte, dieses Tier zubereiten zu dürfen, gewährt wird, führt Heberer die islamischen Essvorschriften an, die es Muslimen verbieten, tote, ertrunkene und erstickte Tiere zu verzehren.¹⁵³ Für Heberers genaue Beobachtungsgabe und gutes Hintergrundwissen steht auch die Erklärung, dass die Gefangenen hin und wieder im Vorübergehen Lebensmittel von Garküchen und Bäckern auf den Straßen stehlen können, ohne sich sorgen zu müssen, von den Verkäufern bestraft zu werden. Denn es sei ihnen verboten, die Gefangenen des Sultans zu schlagen. Deshalb würden die Gefangenen bisweilen sogar von den Wachen zu solchen Aktionen angestiftet.¹⁵⁴ Schließlich berichtet Heberer auch, dass man in Ägypten am Freitag frei hat: „Denn es war selbigen Tags Freitag / so die Mohren vnd Türcken für jhren Sabbath feyren“.¹⁵⁵ An diesem Tag müssen auch die Gefangenen nicht arbeiten, sondern erhalten Besuch von Renegaten, die Bekannte oder Landsleute unter ihnen suchen.¹⁵⁶ Die Schilderung seiner persönlichen Erlebnisse sowie der gesellschaftlichen Verhältnisse im osmanischen Ägypten, in denen er sich als Gefangener zurecht finden muss, versieht Heberer mit dem Rückgriff auf den alttestamentlichen Topos von Ägypten als Sklavenhaus, um die Härte seines Sklavendaseins zu verdeutlichen: Jn diesem Gefängnuß wurden wir auff den zehenden Tag vffgehalten / deß Tags in Ketten / deß Nachts noch ferner in Blöcher verschlossen. Da erkandte ich erst / Warumb Moyses der heilige Prophet / das Land Egypten / einen Eyseren Offen genennet hat / in dem 4. Capit. Deuteronom: Dieweil ich auch deß Eyseren Ofens / das ist / der Eyseren Band vnd Ketten leider nur zu viel theilhaftig warde / Darinnen ich wie in einem Ofen gequelet / in der Egypter Land vnd schwerer Dienstbarkeit stecken mußte (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 99).

Der Vergleich dient dabei zugleich der Selbststilisierung des Reisenden und dem Lob Gottes. Denn je härter sein Schicksal und je größer sein Leiden ist, desto überwältigender wird seine Errettung und die Gnade sein, der er teilhaftig werden darf. Seine Gefangennahme stellt er dabei ganz in biblischer Tradition als

153 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 129. 154 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 128f. 155 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 125. 156 Unter den Besuchern erwähnt Heberer einen Deutschen aus Augsburg, „der schon eines zimlichen Alters / daß er anfieng zu grawen“; Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 128. Dagegen wird ein anderer Deutscher aus Frankfurt am Main vermisst: „Ob er sich geschewet / oder was die vrsach gewesen / kan ich nicht wissen“; Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 128.

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gottgewollt dar, als göttliche Strafe für seine Sünden, die er nur dadurch abtragen könne, dass er sie gottergeben annimmt. Denn nicht im gottlosen Murren liege die Rettung, sondern in der Hinnahme der göttlichen Vorsehung mit Geduld und Beten. In diesem Sinne sind auch Heberers Mahnworte an die Mitgefangenen zu verstehen: Jn solchem eussersten Elend / fiengen etliche an auß vngedult / sich selber / jhrem Geburtstag / ja auch jhre Eltern zu verfluchen / als wann sie ein vrsach weren dieses jhres vnfals vnd schwerer Gefengnüs. Vnder denen waren sonderlich etliche Frantzosen / die ich hefftig darumb straffete / vnd ermahnet sie zur Gedult / vnd zum Gebett / vnd das wir aller dieser vnserer Gefengnüs niemands anders dörfften die schuld geben / als vnseren Sünden / Darumb hette vns Gott diese straff aufferlegt / Trügen wir solche mit Gedult / würde Er sie vns miltern oder gar von vns nemmen / Würden wir aber vngedultig sein vnd murren / werd Er vns gar verderben / wie Er seinem volck Jsrael auch gethan. Also stillet ich jhr gottloses wesen / daß sie etwas gedultig warden (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 100).

Die biblischen Rekurse sind dabei im Kontext der Moralisierung zu sehen, die als Merkmal der Reiseberichte der Frühen Neuzeit gilt. Denn dadurch dass Heberer seine Gefangenschaft mit der Gefangenschaft des auserwählten Volkes Gottes parallelisiert, stilisiert er sich selbst als Exemplum und Vorbild, an dem sich die Gnade Gottes vollzieht. Der Reisebericht wird damit zum Zeugnis der Gnade Gottes, der die Seinen errettet. Er dient dem Lobpreis Gottes und der Erbauung des Lesers, an dem sich in Stellvertretung die Gottesgnadenschaft vollzieht: Allhier geb ich dem günstigen Leser / vnd einem jeden ChristenMenschen zu bedencken / die vnbestendigkeit des Glücks / die wunderbar vnd vnversehliche Zufäll deß Menschlichen Lebens […] Vnd daß ich von mir selber sage / der ich erst vor Sieben oder Acht wochen / noch in Franckreich / lustig / freudig / frey eigen vnd ledig / vermeinte zu Marsilien der Christen Gefengnüs zuentgehen / Wie solt ich mir haben traumen lassen / daß ich in so kurtzer zeit / nicht allein vber die 2000 Meil / vff dem Wilden Meer solte verworffen werden / Sondern auch in Egypten / da ich die Tag meines lebens / keine gedancken hin gehabt / in Heidnische Dienstbarkeit gerahten / vnd mit dem Wasser der Trübsal auß dem Paradeis / deß Fluß Nili, getrencket werden? Für welchen Tranck ich mir dazumal offt viel lieber / auß dem Brunnen zu S. Peter zu Heydelberg zu trincken gewünschet habe / Aber alles vergeblich. Dann es hat Gott also gefallen / Dessen genedigen Willen vnd vnendlicher Barmhertzigkeit / Jch mich derowegen mit inbrünstigem Gebett / ohn vnderlaß habe befohlen / Der mich auch genediglich / vber mein blöde Natur vnd schwaches vermögen / gesterckt / getröstet / vnd wunderbarlich (wie der Psalm David sagt) geführet vnd erhalten / auch endlich erlediget / vnd frisch vnd gesund / wieder in mein liebes Vatterland gebracht hat / Deßwegen ich jhme auch schuldig bin die zeit meines vbrigen Lebens / zu Loben / zu Ehren vnd zu Preisen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 102f.).

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Das biblische Ägypten tritt damit in Heberers Reisebericht ebenso wie in mittelalterlichen Reiseberichten als Konversionserinnerung zutage. Im Einklang mit der Bibel wird Ägypten dabei als Sklavenhaus gezeigt, aus dem das Volk Gottes auszieht. Im Kontext von Assmanns Mosaischer Unterscheidung stellt es das Gegenbild Israels dar und steht somit für das Andere, das Abtrünnige und Gottlose. Es wird damit als Land der Finsternis und Lüge, der Sklaverei und Idolatrie konstruiert, repräsentiert und erinnert, von dem man sich abgrenzen muss, um nicht zurückzufallen.¹⁵⁷ Im Gegensatz zu mittelalterlichen Reiseberichten werden in Heberers Reisebericht Rekurse auf biblische Topoi und Themen nicht nur referiert, sondern gezielt zur Stilisierung des reisenden Autors und zur Moralisierung eingesetzt. So evoziert z.B. der konkrete Ort nahe bei Suez, der als Ort des Schilfmeerwunders vorgestellt wird, in den Gemütern der Gefangenen (und des Lesers) das biblische Bild von Ägypten als Sklavenhaus, aus dem Gott sein Volk errettet: „Der Ort / da das volck israel durch das Rothe Meer gegangen / ward uns von fernem gezeigt […] welches wir mit verwundernüs ansahen / Gott lobeten / vnd anrufeten / daß Er seiner barmhertzigkeit vns auch wolte theilhaftig machen / die Er dem volck Jsrael der enden erwiesen hatte“.¹⁵⁸ In seinem Reisebericht bedient sich Heberer immer wieder dieses biblischen Topos, um sein Sklavendasein und seine endgültige Errettung als göttliche Vorsehung und verdiente Gnade Gottes zu konstruieren. So findet sich auch bei der Schilderung seiner Sklavendienste in Kairo ein Rekurs auf den alttestamentlichen Topos. Denn als sie für ihre gute Arbeit bei den Abriss- und Aufräumarbeiten mit Holz belohnt werden, zieht Heberer eine Parallele zum Alten Testament, das von Holzmangel in Ägypten und von Ziegelherstellung als Sklavendienst des Volkes Israel spricht: Diese vnsere Dienstbarkeit / ermahnet vns an die Dienstbarkeit des Volcks Jsrael / als die auß mangel des Holtzes vnd Strohs / eben in dieser Stadt / letztlich mit Stupffeln Ziegel brennen mußten. Dann Cayra vorzeiten der Pharaonurn Königliche Residentz gewesen / wie jhre Begrebnüssen […] außweisen / auch die H. Schrifft vnd andere Historien bezeugen. Wir machten vns also vnsere Dienstbarkeiten desto leichter / vnd trösteten vns mit dem Gefengnüs [I.lib:Moys;c:39.] Iosephi, mit dem Exilio [I.lib:Moy:c:12.] Abrahami, ja viel mehr mit dem Exilio vnsers Herren vnd einigen Seligmachers Iesu Christi [Matthaei 2. cap: ] selbsten / so er gleich nach seiner Geburt / auß befehl deß Engels Gottes / in diesen Landen außgestanden / vnd lebeten der gewissen Hoffnung / daß der Gott / der sein volck Jsrael so wunderbarlich auß des Tyrannen Pharaonis Hend errettet hatte / würde vns auch nit in der Dienstbarkeit stecken noch verderben lassen / sondern zu seiner zeit wider erledigen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 127).

157 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17–26. 158 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 124.

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Ägypten als Ort des Exils von Josef, Abraham und der Heiligen Familie sowie die Pharaonen als Tyrannen sind dabei weitere biblische Topoi, derer sich Heberer bedient, um seine eigene Errettung aus der Sklaverei als Gnade Gottes zu konstruieren, die ihm als gottesfürchtigen Christen verdient zuteil wird. Zugleich wird damit eine Gleichsetzung zwischen dem Ägypten des Alten Testaments, das mit Jan Assmann als Land der Despotie, Zauberei und falschen Götter anzusehen ist, und dem zeitgenössischen Ägypten sowie implizit dem Osmanischen Reich und dem islamischen Orient intendiert. Heberers Reisebericht zeigt damit anschaulich, wie sich die drei Traditionen der Erinnerungsarbeiten an Ägypten (biblisches, pharaonisches, orientalisches Ägypten) sowie die beiden Diskurse der Ägyptomanie und des Orientalismus vermengen und zur Entstehung von Feindbildern beitragen. Denn durch die Reaktivierung biblischer Topoi und ihrer Korrelierung mit den Erfahrungen eines christlichen Sklaven im Osmanischen Reich werden die Relationen zwischen Okzident und Orient im Sinne einer Konversionserinnerung gedeutet. Heberers Orientalismus ist aber kein Machtdiskurs, bei dem Wissen und Macht eine Allianz eingehen, um den Orient zu beherrschen.¹⁵⁹ Die Macht liegt hier vielmehr beim Osmanischen Reich, belegt durch die militärische Überlegenheit des islamischen Orients. Auf der geistigen Ebene beansprucht Heberer dagegen die Macht für sich und den christlichen Kulturraum. Denn im Sinne der Konversionserinnerung wird auf Ägypten all das projiziert, was Moses und sein Volk nicht sind und nicht sein wollen. So wird dem Abendland ein Bild Ägyptens geliefert, das im Gegensatz zu seinen Idealen steht und dem man infolgedessen überlegen ist. Hierfür steht Heberer als Exemplum, da ihn Gott durch seine Gnade aus der ägyptischen Sklaverei errettet.

5.4.2 Nicolaus Schmidt (1605–1611) Bei dem Reisebericht von Nicolaus Schmidt handelt es sich um einen Gefangenenbericht aus dem 17. Jahrhundert. Als Soldat im österreichisch-ungarischen Heer kämpft Schmidt gegen die Türken und gerät 1605 in Gefangenschaft. Seine Erlebnisse als Sklave im Osmanischen Reich und die dabei unternommenen Reisen legt er in dem erstmals 1635 veröffentlichten Reisebericht dar. Nach einer an den Leser adressierten Vorrede folgt die Reisebeschreibung, die mit der Vorgeschichte der Gefangennahme und der Schilderung der Dienste im Gefolge eines vornehmen türkischen Generals zu Konstantinopel beginnt. In den folgenden

159 Zum Orientalismus als Machtdiskurs vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 10ff.

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Kapiteln erzählt Schmidt von seinem Wechsel in die Dienstbarkeit des Sultans und dem Einsatz als Galeerensklave auf türkischen Schiffen. Zu seinen Aufgaben gehört es, im Mittelmeer Streifzüge gegen die Malteser und Spanier zu unternehmen und die jährlichen Tributsteuern aus Ägypten zu transportieren. Bei seinen insgesamt fünf Reisen lernt er somit auch das Land am Nil kennen. Abschließend schildert Schmidt die Flucht aus Konstantinopel und die Reise über Ungarn und Wien in die Heimat. Als Authentizitätsbeweis ist dem Reisebericht ein Schreiben von Michael Startzer, dem habsburgischen Gesandten zu Konstantinopel, über das Schicksal von Schmidts Wächtern beigefügt, gefolgt von einem Schlusswort und einem Verzeichnis türkischer Wörter.¹⁶⁰ Im 17. Jahrhundert wird Schmidts Reisebericht insgesamt dreimal publiziert, was für eine breite zeitgenössische Rezeption spricht. Auf die Erstausgabe von 1635 folgen die Ausgaben von 1638 und 1684, wobei die dritte Ausgabe veränderte Reisedaten aufweist.¹⁶¹ Denn sie lässt seine Reisen mit dem Jahr 1640 beginnen, obwohl in der 1635 erschienen Erstausgabe das Jahr 1605 als Beginn seiner Reisen steht. Ein möglicher Grund für die Veränderung der Reisedaten könnte im Geschäftsinteresse des Verlegers liegen. Da Gefangenenberichte zu dieser Zeit rar werden, könnte der Verleger auf alte Drucke zurückgegriffen und sie bezüglich der Daten aktualisiert haben, um dem Interesse des Publikums nachzukommen. Ebenso wie Heberers Gefangenenbericht weist auch Schmidts Bericht zum einen charakteristische Merkmale der frühneuzeitlichen Reiseberichte auf, die mit Authentizitätsbeleg, Systematisierung und Moralisierung des Reisediskurses im Zeichen der neuen Reisekunst der Apodemik stehen. Und zum anderen stehen auch bei ihm eigene Erlebnisse sowie gesellschaftliche und soziokulturelle Beobachtungen im Mittelpunkt, die aus seiner besonderen Situation als reisender Gefangener resultieren. Als auffäl-

160 Der Reisebericht weist folgende Kapiteleinteilung auf: Vorrede; 1. Kapitel: [ohne Titel] (S. 1–20); 2. Kapitel: Erste Reise (S. 21–47); 3. Kapitel: Andere Reise (S. 48–52); 4. Kapitel: Dritte Reise (S. 53–57); 5. Kapitel: Vierte Reise (S. 57–63); 6. Kapitel: Fünffte und letzte Reise (S. 63–69); 7. Kapitel: [ohne Titel] (S. 70–111). Im siebten Kapitel findet sich eine Beschreibung von Konstantinopel (Land, Leute, Justiz) und eigener Erlebnisse (S. 70–89) sowie die Beschreibung seiner Flucht und der Heimreise (S. 90–108). Darauf folgt das Schreiben von Michael Startzer (S. 109–110), das Schlusswort (S. 110–111) und ein Verzeichnis türkischer Wörter (S. 112–125). 161 Schmidt, Nicolaus: Kurtze und wahre Beschreibung / Der Fünffjährigen harten Gefängnüs: Welche Nicolaus Schmidt / Bürger und Kirschner in Dreßden / unter den Türcken / beydes zu Constantinopel / und dann auf denen Reisen / so er nach Egypten und andere Orte / als ein Sclav / zu Wasser und Lande thun müssen / erbärmlicher Weise in Eisen und Banden außgestanden / Wobey Viel neue denckwürdige / und in andern dergleichen Reise-Büchern nicht befindliche Geschichte / auß selbsteigener Erfahrung erinnert / und angeführet werden. Mit angehängten Verzeichnüs etlicher Türckischen Wörter, 3. Auflage, Leipzig, 1684. Vorliegender Arbeit liegt die Ausgabe von 1684 zugrunde.

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lig erweist sich dabei die Schilderung der Machtverhältnisse, die sich in gesellschaftlichen Konventionen oder im Umgang mit den Gefangenen spiegeln. Insgesamt unternimmt Nicolaus Schmidt fünf Reisen nach Ägypten. Jede dieser Reisen weist eine dreigliedrige Struktur auf: Hinreise von Konstantinopel nach Ägypten – Aufenthalt in Ägypten – Rückreise nach Konstantinopel. Im Reisebericht wird jedoch nur die erste Reise nach Ägypten ausführlich geschildert.¹⁶² Bei der Beschreibung der folgenden Reisen begnügt sich Schmidt dagegen mit summarischen Bemerkungen zur Ägyptenreise. Diese Reisen zur Eintreibung der jährlichen Tributzahlungen dauern Schmidt zufolge über sieben Monate, vom Frühling bis zum Wintereinbruch, und sind nicht ungefährlich. So berichtet er von Angriffen der Malteser und Spanier, Seestürmen und Schiffbruch.¹⁶³ Ebenso wie die frühneuzeitlichen Reiseberichte von Nützel, Fernberger oder Heberer orientieren sich auch die Reise- und Ortsbeschreibungen von Nicolaus Schmidt an den auf Tradition und Apodemik beruhenden Beschreibungsschemata. So nennt die kompakte Beschreibung von Alexandrien Elemente, wie Lage, Huldigung, Geschichte, Stadtbild, Hafen, Burg und Bewachung, Obelisken als Sehenswürdigkeit, Beschaffenheit, Flora und Fauna, Handel und Finanzen sowie Erlebnisse mit einem Elefanten. Die auf Autopsie und Hörensagen basierenden Hauptelemente des Alexandrienbildes sind die vergangene Herrlichkeit der Stadt, die nun verwüstet und wenig bewohnt ist, aber immer noch als große Handelsstadt gilt: Die Stadt Alexandria lieget in einem Vorgebirge / auf einem gantz sandichten Boden: Muß vor zeiten eine mächtige herrliche schöne Stadt gewesen seyn / wie noch aus denen unzerbrochenen Ringmauern und denen darauf stehenden Thürmen zu schliessen: Anitzo aber ist sie meistentheils verwüstet / also daß wenig gantze Häuser darinen zu finden / und selbige mehr einer Einöde oder Steinbruch / als einer Stadt / ähnlichen. Vornen an der Porten lieget ein Castell / so mit funffzig Janitzscharen verwachet wird / welche von dem Bassa zu Alcair dahin verordnet und jährlich abgewechselt werden, Sonsten allda wenig sonderliches zu sehen / als zwey rothe marmorsteinerne Seulen / deren die eine stehet und mit allerley wercklichen Bildern ausgehauen / gleich wie die / so zu Constantinopel auf dem RennPlatz / die andere aber zerbrochen und umgefallen / und soll bey solcher die heilige Catharina gemartert worden seyn. / Vor der Stadt sind sehr schöne Gärten / bevoraus nach dem Nilo zu / von dergleichen köstlichen Früchten und Gewächsen / daß nicht genugsam zu beschreiben. Es ist dieses Orts eine mächtige Niederlage der Kauffmanns Güter / und grosse Anländung vieler Schiffe aus Arabia, Persia, Mohrenland und andern /

162 Bei der ersten Reise wird die Hinreise über Rhodos, Malta und Tunis nach Ägypten auf 14 Seiten (S. 21–34), die Reise von Alexandrien über Rosette nach Kairo auf 10 Seiten (S. 34–43) und die Rückreise nach Konstantinopel auf 5 Seiten (S. 43–47) beschrieben; vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684. 163 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 34; S. 44f. und S. 46f.

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so täglich einlauffen: Jn Summa / ein ungläubliches Gut laden beydes Christen und Türcken auf / und führen selbiges hinweg. Wann ein Venedisch oder Englisch Schiff anländet / wird in die 30000 Thaler Zoll darvon aufgehoben; Der Beeg / so zu Alexandria sitzet / muß alle Jahr dem Bassa zu Alcair dreihundert Tausend Ducaten Einkommens von der Stadt Alexandria zuschicken. Mir begegnete hier am Marckte ein Elephant / darauf ein Mohr mit einem weissen Stabe stunde / und solchen so meisterlich regirete / daß sich darüber höchlichen zu verwundern (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 34–36).

Dominant ist das orientalische Ägypten mit den Ausführungen zu Lage und Beschaffenheit der Stadt, Hafen und Burg, Bewachung und Militär, Handel und Finanzen. Das pharaonische Ägypten wird durch die knappe Beschreibung der Obelisken gewürdigt. Dagegen beschränkt sich das biblisch-christliche Ägypten auf die kritische Bemerkung zum Ort der Marter der Heiligen Katharina: und soll bey solcher [Seule] die heilige Catharina gemartert worden seyn. Und bei der Beschreibung des Hafens als Handels- und Umschlagort für Güter aus aller Welt tritt mit dem Begriffspaar Christen und Türcken ein religiöser Gegensatz zutage, bei dem Türcken stellvertretend für Muslime allgemein steht. Entsprechend des Itinerarprinzips fügt Nicolaus Schmidt bei seiner Weiterreise nach Kairo ausführliche Beschreibungen von Rosette, dem Nil und Ägyptens Hauptstadt in seinen Bericht ein. Dabei nennt er die fremdartig klingenden, arabischen Namen von Rosette und Kairo: Reschit, Alcair bzw. Miser.¹⁶⁴ Bei der Beschreibung von Rosette und Kairo folgt Schmidt einem ähnlichen Schema wie bei der Beschreibung von Alexandrien. Hauptelemente bei Rosette sind Lage, Burg, Befestigung, Beschaffenheit, Fauna (Dattelpalmen, Reis- und Zuckeranbau) und Handel (Umschlagplatz). Von den Einwohnern wird hier ebenso wie bei Alexandrien kaum etwas berichtet. Reschit lieget eine halbe TageReise von Alexandria, an dem breitesten und stärckesten Arm des Flusses Nili, hat ein schön Schloß / ist eine lustige und heutiges Tages sehr beruffene Stadt / zwar unbemauert / und allein an das Ufer gebauet / aber mit einer herrlichen Einfahrt vorsehen / wird von einem lustigen Wald / darinnen nichts als DattelBäume stehen / nach höchster Anmuth beschauet; Reiß und Zucker wächset hierum in grosser Menge. Die Stadt ist voller Kauffleute / so daselbsten ihre Waaren abladen / eine ziemliche Zeit verharren / und starcken Handel nach Alcair / Alexandria / Dimiat / immer von einem Orte zu dem andern / nicht ohne mercklichen Gewinst treiben (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 36f.).

Die Themen bei der Kairobeschreibung sind in ähnlicher Weise Umfang, Größe, Lage, Befestigung, Mauer und Beschaffenheit der Stadt, Lage der Burg, der mit

164 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 36.

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Stufen versehene Weg dorthin, Beschaffenheit und Panoramaaussicht von der Burg aus, Stadtbild mit den zahlreichen Gebäuden außerhalb der Stadtmauer, Bedeutung der Stadt als größte Handelsstadt in der Türkei, Finanzen, Steuern, Regierung und Verwaltung, Nilometer, Überschwemmung, Angst und Freude des Volkes darüber, klimatische Verhältnisse (Regen, Hitze, Luft) und Nil (Deutung als Paradiesfluss, Expedition zur Erkundung seiner Quellen, Nilarme, Fische und Krokodile). Aus Schmidts Kairobeschreibung geht deutlich die besondere Bedeutung Ägyptens im Osmanischen Reich hervor, da es zwar als türkische Provinz nicht mehr unabhängig, aber dennoch von großer Bedeutung sei und über weite Gebiete im Reich, bis nach Mekka und Medina, gebiete: Die Stadt Alcair ziehet sich mehr in die Länge / als in die Breite / fast in Form eines Triangels / ist sehr groß und weit / mit Mauern umgeben / doch nicht allen Orten / alldieweil der Fluß Nilus das meiste Theil der Stadt beschleusst. Das Schloß lieget in einem Winckel auf einem harten Felsen / zu welchem der Weg ausgehauen und zu Stuffen gemacht / soll eine überaus lustige und gesunde Wohnung seyn / und von dar aus bald gantz Aegypten übersehen werden können. Ausserhalb der Mauren sind sehr viel Gebäude / so die Grösse der Stadt trefflich vermehren / wie sie denn nicht allein die grösseste Handel-Stadt in Aegypten / sondern auch in der Türckey / und über diß das Haupt des Landes und der herumliegenden Oerter. Wessentwegen der Bassa daselbsten alle jahr dem Käyser gen Constantinopel / acht hundert Tausend Ducaten / und eben diß nach Mecha und Medina Talnabi / da Mahometh begraben / schicken / wie auch eine ansehnliche Summa unter die MammeluckenKnechtte zu Alcair vertheilen muß (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 37f.).

Auffällig ist weiterhin die Ähnlichkeit von Schmidts Nilbeschreibung mit den Ausführungen Heberers. So betrachten beide Autoren den Nil als Paradiesfluss, wobei Heberer ihn als Gihon bezeichnet und sich auf die Bibel bezieht. Auch bei der Beschreibung der Nilquellen ähneln sich beide. Bei Schmidt findet sich sogar fast derselbe Wortlaut wie bei Heberer. Unterschiede lassen sich lediglich in den erwähnten Quellen verzeichnen, da sich Heberer auf Horaz und Lukan bezieht,¹⁶⁵ Schmidt jedoch die Türken als Quelle nennt: „Der Fluß Nilus ist eines der vier herrlichen HauptWasser / so aus dem Paradiß kommen / von welchem die Türcken sagen / daß die Natur dessen heimliche Qvelle niemand geoffenbaret / sondern lieber gewolt / daß man sich darüber verwundern / als solches wissen

165 Vgl. Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 116: „Von diesem schreibet Horatius, Wie auch Lucanus, die Natur habe die heimliche quell / oder den vrsprung dieses Flusses / niemand offenbart / sondern viel mehr gewolt / daß sich die Leut darüber verwundern / dann solches wissen solten“.

 5.4 Gefangenenberichte 

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solte“.¹⁶⁶ Mit der Expedition, die der Sultan zur Erforschung der Nilquellen angeordnet habe,¹⁶⁷ geht Schmidt schließlich über Heberer hinaus. Diese Parallelen in den Nilbeschreibungen von Heberer und Schmidt deuten damit auf ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen beiden Autoren hin, können aber auch als Elemente eines sich formenden Ägyptendiskurses in der deutschen Reiseliteratur interpretiert werden. Neben diesen Ortsbeschreibungen nehmen in Schmidts Reisebericht auch Erlebnisse und Beobachtungen großen Raum ein, die aus seiner besonderen Situation als reisender Gefangener resultieren. So berichtet er z.B. von seiner Gefangennahme, interkulturellen Unterschieden, Sklavendiensten sowie von Arbeitsbedingungen und der Behandlung durch die Türken. Als Reisemotivation nennt Schmidt dabei ursprünglich Kriegs- und Abenteuerlust. Denn er tritt seine Reise an, um gegen den Erbfeind der Christenheit zu Felde zu ziehen.¹⁶⁸ Dabei wird er während der kriegerischen Auseinandersetzungen bei der Festung Komorn in Ungarn mit fünf weiteren Soldaten von den Türken gefangengenommen: Als ich nun hier in die zwey Monat gelegen / und zum fünftenmale / mit dem Feinde zu scharmütziren / ausgefallen / bin ich in etwas zurücke geblieben / und stracks / benebst noch fünff Personen / von den Türcken ereylet / übermächtiget / in eine Tscheicke geschleppet / mit Türkischen Röcken zugedecket / und also über die Donau / in ihr klein Feldläger / nacher Dotis gefangen gebracht worden (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 3f.).

Schmidt schildert, wie er anschließend nach Gran gebracht, von seinem Besitzer gebadet und mit türkischen Kleidern versehen und schließlich an einen General verkauft wird. Hierauf gelangt er nach Konstantinopel und verrichtet im Dienste seines Herrn verschiedene Arbeiten. Dabei berichtet Schmidt auch von seinen

166 Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 39. 167 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 39f.: „Etliche Mohren / wie auch Türcken haben mir berichtet / es hätte der Türckische Kaiser / Namens Solimann / in die funffzig Mann / den Ursprung dieses Flusses eigentlich zu erforschen / ausgesendet / davon aber iuner Jahr und Tag derer nicht mehr als dreye wiederum kommen / so vermeldet / daß sie / nach ausgestandener vieler Mühe und Gefahr / einen finstern Ort angetroffen / daselbsten der Fluß von einem gewaltigen hohen Felsen / mit dergleichen Sausen und Brausen herunter gefallen wäre / daß sie darvon taub worden / und also bis an ihr Ende verblieben. Das Brausen hörete man auf etliche Meilweges / und weiln der Ort gantz unwegsam und sehr gefährlichen / wagte sich leichtlichen niemand gerne dahin / könte auch / wann er gleich daran gelangete / wegen der grossen Finsternis nichts rechts sehen. Jhre Gesellen hätte meistentheils der Crocodil ereylet und gefressen“. 168 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 1.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Erfahrungen mit dem ihm fremden Wertesystem des islamischen Kulturkreises. Denn als er aus Unwissenheit ungebührlich über den Gebetsruf der Muslime spricht, wird er ob mangelnder interkultureller Kenntnisse hart bestraft: Jch habe allda der Türcken / so von Thurm wunderlich geschryen / und ihrem Brauch nach die Bethstunde angekündiget / aus Unwissenheit gespottet / welches mir aber sehr übel bekommen / alldieweil ich funfzig Streiche auf die Fußsohlen empfangen / und also zum erstenmal hart geprügelt worden. Das Prügeln verursachet solchen Schmertzen / der nicht auszusprechen / und ist von dergleichen Kraft / daß es auch den wildesten und unbendigsten Menschen zur Furcht und Demuth bringen kan (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 9).

Nach dem Tod des Generals geht Schmidt schließlich in den Besitz des Sultans über. Hierbei gibt er Einblick in die Erb- und Rechtsregelungen des Osmanischen Reiches.¹⁶⁹ Als Sklave des Sultans dient Schmidt als Ruderer auf türkischen Galeeren, die gegen die Malteser und Spanier ziehen und den Tribut aus Ägypten holen. Die Arbeitsbedingungen sind sehr hart und verdeutlichen die Machtverhältnisse der Zeit. Mit nacktem Oberkörper, leinenen Schiffhosen und einer roten Mütze wird er an die Ruder angeschmiedet: Jch wurde nebenst andern auf deren eine geführet / gantz ausgezogen / und hingegen nur mit einem Paar Leinwandnen SchiffHosen und rothen Mützlein vorsehen / dann angeschmiedet / und also über den OberLeib nackend / zu den Rudern gestellet (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 21).

Bei der Schilderung der jährlich sich wiederholenden Reisen begnügt sich Schmidt mit kurzen summarischen Bemerkungen zur Ägyptenreise. Dabei werden vor allem die Arbeitsbedingungen nochmals thematisiert sowie Zeiträume und Reiserouten genannt. Anno 1642 [sic! = 1607] im Frühlinge / ungefehr meines Erachtens um Mittfasten Zeit / brachen die Türcken abermals mit einer starcken Armada von 350 Schiffen und Galleen auf / zogen wider die Malteser und Spanier / und folgends in Aegypten nach dem Käyserlichen Tribut. Jch bin nebenst noch 800 gefangenen Christen auf die Haupt-Gallee geschmiedet

169 „So balden die Pest nachgelassen / bin ich hinwiederum nach Constantinopel zu meinem Bassa kommen / aber nich viel über einen Monat bey ihme gedienet / als er verstorben / und sein gantzes Vermögen / an Baarschaft / Gütern und erkauften Knechten / Türkischen Rechten nach / auf den Suldan verfället. Da ich dann unter die Käiserlichen Gefangenen und erst in die härteste und schwereste Dienstbarkeit gerathen / wie aus folgender Beschreibung derer Reise / welche ich / als ein Gefangener / thun müssen / gnugsam zu ersehen seyn wird“; Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 20.

 5.4 Gefangenenberichte 

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worden / und sind wir durch die in voriger Reise gemeldete und beschriebene Oerter und Städte kommen (Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 48).¹⁷⁰

Die Arbeitsbedingungen auf einer türkischen Galeere stehen auch im Mittelpunkt, wenn Schmidt erzählt, dass er eines Tages beinahe einen Brand verursacht habe, weswegen er mit Schlägen bestraft worden sei, oder dass er eines Nachts von einer Ratte angegriffen worden sei und von diesem Erlebnis noch Spuren an der großen Zehe aufweise. Von den Verhältnissen auf einer türkischen Galeere handelt schließlich auch die Erzählung, dass der General wegen der unzähligen Ratten auf dem Schiff eine Katze gekauft habe. Die persönliche Note wird durch unterhaltsame und merkwürdige Anekdoten unterstrichen. So schildert Schmidt, dass ein einäugiger Matrose mit gelähmtem Bein so geschickt im Tauchen und Schwimmen sei, dass er das silberne Becken des Kapitäns, das ins Meer gefallen ist, wieder gefunden und ihm zurückgebracht habe.¹⁷¹ Mit der Schilderung persönlicher Erlebnisse und Erfahrungen verleiht Schmidt seinem Reisebericht nicht nur eine persönliche Note, sondern gewährt auch Einblick in die Gesellschaft des Osmanischen Reiches, wie es einem frei Reisenden nicht möglich wäre. Neben interkulturellen Erfahrungen mit dem Wertesystem der ihm fremden Kultur und den Arbeitsbedingungen eines Galeerensklaven nimmt bei Schmidt darüberhinaus auch die Thematisierung der Machtverhältnisse großen Raum ein. So berichtet er von seinen jährlichen Reisen zum Vasallenstaat Ägypten, der Tributsteuern an das Osmanische Reich abzuführen hat. Des Weiteren erzählt er umfassend von den Kämpfen der Türken auf dem Mittelmeer gegen die Malteser und Spanier. So schildert er beispielsweise, wie türkische Galeeren zwischen Rhodos und Malta zehn maltesische und spanische Schiffe gefangen nehmen.¹⁷² Die Machtverhältnisse liegen eindeutig auf Seiten des Osmanischen Reiches, auch wenn den Maltesern und Spaniern bisweilen ein Gegenschlag gelingt, wie zum Beispiel beim Überfall auf Schmidts Flotte, die sich auf der Rückreise nach Konstantinopel befindet. Denn die Malteser und Spanier können einige türkische Schiffe kapern, wodurch die christlichen Gefangenen dieser Schiffe die Freiheit erlangen. Dieses Erlebnis nährt in Schmidt den Wunsch, dass auch sein Schiff in die Hände der Spanier und Malteser fallen möge, damit er frei sei – ein Wunsch, der sich nicht erfüllt, wie er mit Bedauern feststellt.¹⁷³ Und schließlich gibt Schmidt mit seinem

170 Vgl. hierzu auch Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 51 und S. 53. 171 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 48ff. 172 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 51. 173 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 66ff.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Reisebericht auch Einblick in das Korsarentum der Zeit, an dem Angehörige des christlichen wie des islamischen Kulturraums beteiligt sind und das des öftern die Unterstützung der offiziellen Instanzen findet. Wie Ralf C. Müller konstatiert, ist das Korsarentum zu dieser Zeit Brauchtum, gewöhnliches Übel und üble Gewohnheit.¹⁷⁴ Dies zeigt sich auch in Schmidts Reisebericht, wenn er feststellt, dass nicht nur christliche, sondern auch muslimische Korsarenschiffe im Mittelmeer auf Raubzug gehen, und manche muslimische Piraten sogar Christen und Muslime gleichermaßen angreifen. Die türkischen Galeeren haben den Befehl, wenn sie solche muslimischen Raubschiffe auskundschaften, sie zu verfolgen sowie die Mannschaft gefangen zu nehmen und zu töten. So erzählt Schmidt, wie sie den Kommandanten erhängen, die Mannschaft auf ihren Schiffen anketten und lebendig verbrennen.¹⁷⁵ Dass andererseits auch das türkische Militär selbst, mit Billigung durch die Hohe Pforte, im Mittelmeer auf Raubzug geht, belegt Schmidts Erzählung vom Angriff seines Generals auf die christlichen Schiffe, die den Sohn des Herzogs von Calabria und seine Braut, die Tochter des Gouverneurs von Sizilien, befördern.¹⁷⁶ Aus diesen Schilderungen geht somit die innen- wie außenpolitische Machtstellung des Osmanischen Reiches hervor. In der Reisebeschreibung von Nicolaus Schmidt ist das pharaonische und biblische Ägypten nur wenig vertreten. Es beschränkt sich auf die Beschreibung der Obelisken in Alexandrien, die Erwähnung des Marterorts der Heiligen Katharina und des Nil als Paradiesfluss. Dagegen dominiert das osmanisch-orientalische Ägypten mit der Fokussierung auf Beschaffenheit, Lage, Größe, Befestigung, Klima, Gewässer, Flora, Fauna, Handel, Finanzen und Regierung sowie Schmidts eigene Erlebnisse der harten Dienstbarkeit als Sklave. Der Einblick in die Gesellschaft der Zeit mit ihren Werten und Konventionen ist geprägt durch seine besondere Situation als reisender Gefangener. Auch Schmidts Orientalismus ist kein hegemonialer Orientalismus. Denn wie sein Reisebericht zeigt, liegt die Macht vielmehr beim Osmanischen Reich, belegt durch die militärische Überlegenheit des islamischen Orients und der Unterlegenheit des christlichen Abendlandes. Saids Annahme, dass „der unveränderliche Unterschied zwischen westlicher Überlegenheit und orientalischer Unterlegenheit das Wesen des Orientalismus“¹⁷⁷ ausmache, ist somit zurückzuweisen.

174 Vgl. Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 362. Zur Piraterie vom Mittelalter bis Anfang des 17. Jahrhunderts vgl. ebd., S.362–266. 175 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 61f. 176 Vgl. Nicolaus Schmidt, Kurtze und wahre Beschreibung, Leipzig 1684, S. 58ff. 177 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 52; vgl. hierzu auch ebd., S. 10ff. und S. 49.

 5.4 Gefangenenberichte 

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5.4.3 Christian von Wallsdorff (1660–1663) Beim Reisebericht von Christian von Wallsdorff handelt es sich ebenfalls um einen Gefangenenbericht aus dem 17. Jahrhundert.¹⁷⁸ Ebenso wie Heberer und Schmidt liefert er zum einen Reisebeschreibungen, die im Zeichen der neuen Reisekunst der Apodemik stehen, und schildert zum anderen eigene Erlebnisse, die aus seiner besonderen Situation als reisender Gefangener resultieren. Im Gegensatz zu Heberer und Schmidt unternimmt er seine Ägyptenreise jedoch nicht während der Gefangenschaft, sondern nach der Freilassung auf der Heimreise. Hieraus ergeben sich mehrere Konsequenzen für seine Ägyptenreisebeschreibung. Zum einen bereist er Ägypten als freier Mann. Seine Erlebnisse und Beobachtungen als Gefangener beziehen sich infolgedessen v.a. auf Konstantinopel und den Reiseweg dorthin. In dieser Partie nimmt die Thematisierung der Machtverhältnisse und seiner Erfahrungen als Kriegsgefangener großen Raum ein. So schildert er beispielsweise seine Gefangennahme während der Schlacht gegen die Türken bei Klausenburg im Mai 1660, nachdem er zwei Jahre lang dem ungarischen Fürsten Georg II. Rákóczi von Siebenbürgen gedient hat, sowie den Verkauf an einen Sklavenhändler in Gran: als der ich mir nimmermehr die Rechnung gemacht / daß ich aus Teutschland weiter / dann in Siebenbürgern kommen würde. Allein / da ich dem Fürsten Ragotzy bey zwey Jahren zu Pferd treulich gedient / muste ich / nach unglücklichem Treffen mit den Türcken bey Clausenburg / im 1660. Jahr / im Monat Majo / als ein gefangener Sclav hinfüro zu Fuß lauffen. Was Rath? ich muste mich des allgemeinen Unheils trösten; sintemal die Türken / bey dem damaligen Siebenbürgischen Unwesen / über zwantzig tausend Menschen geraubt / und nach Griechisch-Weissenburg entführet hatten (Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 1).

Sein Reiseweg als Sklave führt ihn über Ofen, Pest, Bulgarien, Sophia, Thrakien, Philippolis und Hadrianopel nach Konstatinopel. Dort muss er verschiedene Sklavendienste verrichten, bevor er von Holländern losgekauft wird und seine Heimreise antreten kann: Allhie weitläufftig zuerzehlen / wie es mir daselbst in unterschiedlichen Diensten ergangen / eh ich von dem Holländischen Residenten ausgelöset worden / erachte ich meinem obbeschehenen Versprechen entgegen zu seyn; darum will ich auch in Beschreibung der Städte und Länder (die ich nachmals desto freyer durchwandert / und besichtiget) schleunig fortfahren (Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 12).

178 Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer / oder Neue Beschreibung Der fürnehmsten / Türkischen Städte / und Vestungen / durch Ungarn / Thracien / und Egypten, [o. O.] 1664.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Als freier Mann reist er über Gelibolu, Bursa und Izmir nach Alexandrien. Anschließend tritt er über Venedig seine Heimreise an, wo er nach dreijähriger Reise ankommt.¹⁷⁹ Zum anderen ist Ägypten für ihn nur ein Zwischenstop bei seiner Heimreise und infolgedessen sein Ägyptenbesuch nur ein Kurzaufenthalt. Entsprechend des Itinerarprinzips liefert Wallsdorff bei seiner Ankunft in Alexandrien eine Beschreibung der Stadt. Dabei nennt er zunächst den arabischen Namen der Stadt Scanderin: „Darnach verfügten wir uns auf Skie / wo selbst ich mich auf ein Schiff begeben / und nach Alexandrien / mit Holländischen und Englischen Schiffen angekommen / welche dieser Zeit von den Innwohnern Scanderin genant wird“.¹⁸⁰ Dann nennt er Lage und Beschaffenheit der Stadt. Für Wallsdorff ist Alexandrien der „fürnehmste Hafen des gantzen Egyptischen Landes“.¹⁸¹ Ihm zufolge gibt es in der Stadt schöne Gärten, die überwiegend von Mohren gepflegt werden, die er als ein armes Volk bezeichnet.¹⁸² Weitere Themen sind Befestigungsanlagen (Stadtmauer, Türme, Burg), Hafen, Zollhaus, Obelisken (steinerne Säulen), Moscheen, Märkte und Kaufhäuser verschiedener Nationen (Fondachi), von denen er Folgendes berichtet: Wann man von Meer durch die Meer Port in die Stadt / bey einem langen und breiten Kauffhaus (darinnen alle angekommene Wahren besichtiget / und verzollt werden) vorbey gehet / kommt man / durch ein absonderliches Thor / in eine lange Gassen; welche / gleich einer absonderlichen Stadt zusammen gebaut; Die hat nur drey Ausgänge / oder wolverwahrte Thor / so alle Nacht verschlossen werden. In dieser Gassen sind gar wenig Wohnhäuser / sondern eitel Gewölbe und Läden; darinnen die Christen / Juden / und Türken allerley Wahren feil haben. Eben in solcher Straß sind auch der Frantzosen / Venetianer / Raguser / und Genueser / Griechen / und Indianer Fondachi, das ist / Kauffhäuser; denn die Innwohner geben nicht zu / daß die ausländischen Christen in der Stadt zerstreuet wohnen. Es haben aber solche zween-Gäden-hohe Fondachi darinnen man oben her wohnt / und unten verkaufft ) mehr nicht / dann nur ein jedes einen Ausgang oder Thor / so in gemeldte Gassen gehet / und von einem darzu bestellten Mohren zu- und aufgeschlossen wird: Des Abends / wann er will zu machen / nimt er einen Hammer / schlägt auf ein besonder darzu gemachtes Eisen an der Thür etlichmal; damit / wer noch ausserhalb / sich hinein begeben möge; darff also bey Nacht niemand herauskommen (Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 22).

Wallsdorffs Ausführungen zeugen dabei nicht nur von detaillierter Beobachtungsgabe und von Interesse an den soziokulturellen Verhältnissen der damaligen Zeit. Die Schilderung, die vom Umgang der Regierung mit den europäischen

179 Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 29. 180 Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 21. 181 Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 21. 182 Vgl. Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 21.

 5.4 Gefangenenberichte 

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Vertretungen im Land berichtet, steht auch für die Dichotomisierung Christ-Türke, die in den Reiseberichten der Frühen Neuzeit oftmals zu beobachten ist. Im Stil eines Reiseführers fügt Wallsdorff daraufhin an, dass man von Alexandrien über Rossette auf dem Nil bis nach Kairo zum Stadthafen Bulak gelangen kann, um die weltberühmte Hauptstadt Ägyptens zu besichtigen: Unter der Zeit aber / biß sich die Venetianischen Schiffe im Hafen vor Alexandrien / mit Einladung bereiten / kan man indessen gar leichtlich / anfangs zu Land auf Eseln nach Rosseto oder Raschit / alsdann zu Wasser auf dem Nilstrom biß auf Bolaco / und endlich wieder zu Land gar nach Alkair kommen / und solche Weltberühmte Hauptstadt in Egypten um und um zur Genüge besichtigen (Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 23).

Es ist anzunehmen, dass Wallsdorff Kairo nicht selbst besichtigt. Vielmehr nimmt er die geographische Nähe als Anlass, um von Kairo zu berichten. Wallsdorff scheint mit seiner Kairobeschreibung, die auf Hörensagen und/oder anderen unerwähnten Quellen beruht, dem apodemischen enzyklopädischen Pflichtprogramm Folge zu leisten.¹⁸³ Seine Kairobeschreibung weist bekannte und auf Tradition basierende Elemente auf: So bezeichnet er die Stadt als weltberühmte Hauptstadt, als größte und vornehmste Handelsstadt der Türkei und fügt einen Vergleich mit Paris an, das er als ebenso groß, aber herrlicher und zierlicher ansieht. Weiterhin geht er auf Kairos Größe (257 Straßen, 43 Burgwälle) ein, auf die Zerstörung der Altstadt, die Bewohner (Mohren, Araber, Griechen und Mameluken, die er verlaugnete Christen nennt) und die Geschichte der Stadt (Eroberung durch den türkischen Sultan im Jahr 1517).¹⁸⁴ Er spricht vom Stadtbild, den Moscheen, die er auf 20.000 beziffert, und den Lebensumständen (schlechte Luft, Staub).¹⁸⁵ Er geht auf Vorstädte, Burg, Wasserversorgung, Nilometer, Marktplätze, Arsenal, Kaufhäuser, Zuckermühlen, Kornhäuser, Zollhaus, Kaufleute, Köche, Handwerker und Wasserträger ein.¹⁸⁶ Weitere Bildelemente sind schließlich Pest, Holzmangel und Garküchen: „So es nun Essens Zeit / reitet / oder laufft der Hausvatter / oder sein Gesind / auf die jenige Plätze / oder Gassen zu / da solche Jarküchen; deren in dieser Stadt über 13. tausend gezehlet werden“.¹⁸⁷

183 Vgl. Achim Landwehr, Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 59. 184 Vgl. Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 28; S. 23 und S. 24. 185 Vgl. Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 27. 186 Vgl. Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 24–28. Als Bezeichnungen für Kairo finden sich bei ihm Missier, Messer, Cair und Messer Hadir (Altkairo). 187 Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 28.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Wie bei Heberer und Schmidt dominiert damit in Wallsdorffs Reisebericht das orientalische Ägypten, wobei das pharaonische und biblische Ägypten in den Hintergrund treten. Sein Interesse gilt primär dem selbst Gesehenen und Vernommenen, aber auch dem durch andere Quellen Erfahrenen. Das nimmt er entsprechend der auf Tradition und Apodemik beruhenden Beschreibungsschemata in seinen Reisebericht auf. Dieser erfüllt dabei einen ganz bestimmten Zweck, der mit Klein und Bepler als Moralisierung benannt werden kann. Denn Wallsdorff versteht seine Reise, wie das Leben jedes Christen, als Teil der göttlichen Vorsehung (providentia). Wir Christen wallen in diesem elenden Sündenleben anders nicht / als ein durch Gottes zur Buß treibende Zucht-Ruthe herumgejagter Pilgram / unbekanter weise / auf dieser Erden herum; und können heut nicht für gewiß sagen / wo wir morgen anzutreffen seyn möchten: Welches ich leider / in eigner Person genugsam erfahren (Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 1).

Dadurch dass er in große Gefahr gekommen sei, diese aber gut überstanden habe, habe sich Gottes Gnade an ihm erwiesen, wofür er Gott danke: Nachdem man sich also dessen [Kairo] genug gesehen hat / kommt man eben denselbigen weg wider Alexandrien; von dannen ich mir einem Kauff-Schiff / nach manchem harten Sturm / zu Venedig / ferner in meinem lieben Vatterland / wol angelangt / und innerhalb wenig Jahren / alle diese erzehlte Türkische Städte / die ich allein beschreiben wollen / wider alles Verhoffen durch wandert: Dafür ein jeder Gott billig zu danken / wer dergleichen Reis solcher massen gethan / und wol verrichtet hat (Christian von Wallsdorff, Türkischer Landstürtzer, 1664, S. 29).

Der Bericht über die überstandenen Gefahren und das glückliche Ende dient damit sowohl der Selbststilisierung als auch dem Lob Gottes. Dadurch dass er nämlich glücklich aus der Gefangenschaft zurückkehrt, stilisiert sich Wallsdorff selbst als Exemplum und Vorbild, an dem sich die Gnade Gottes vollzieht. Der Reisebericht wird damit zum Zeugnis der Gnade Gottes und dient der Erbauung des christlichen Lesers, an dem sich in Stellvertretung die Gottesgnadenschaft vollzieht. Damit tritt im frühneuzeitlichen Reisebericht die devotionale Funktion, d.h. Moralgebot und Moralisierung, neben Autopsie und Systematisierung der während der Reise gesammelten Informationen und gewonnenen Erkenntnisse. Der Anspruch auf eine fast enzyklopädische Erfassung der Welt führt dazu, dass Reiseautoren auch davon berichten, was sie nur gehört und/oder über andere Quellen erfahren haben. Wiederholung und Abschreiben sind übliche Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Dabei handelt es sich um übliche Verfahrensweisen der damaligen Zeit, wie auch der Reisebericht von Hieronymus Welsch belegt. Welsch, der zwischen 1630 und 1641 weite Gebiete des Mittelmeerraumes und

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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Europas bereist, berichtet in seinem 1658 erschienen Reisebericht auch von Orten, die er selbst nicht besichtigt. So nimmt er seinen Malta-Aufenthalt zum Anlass, eine Beschreibung von Ägypten und des Islam einzuschieben.¹⁸⁸ Damit dient die geographische Nähe bei beiden Autoren als Rechtfertigung für einen Exkurs über nicht besichtigte Orte. Indem die Autoren bekannte Informationen aus anderen Quellen entnehmen und sie in ihren Reiseberichten wiederholen, sind sie darum bemüht, sich nicht nur über den Zustand des Bestehenden und des Gewussten, sondern auch „sich selbst und die Leser der Welt zu versichern, wie sie in ihrer göttlichen Eingerichtetheit bekannt war“.¹⁸⁹ Dadurch dass Wallsdorff seine Alexandrienbeschreibung um eine Beschreibung von Kairo erweitert, das er nicht besichtigt, erfüllt sein Reisebericht eine bewahrende und konservierende Funktion.¹⁹⁰ Die Erweiterung um die Beschreibung nicht besichtigter Orte steht damit im Zeichen des allgemeinen Nutzens frühneuzeitlicher Reiseberichte, die entscheidend zur Konstruktion der Wirklichkeit beitragen, da sie den Daheimgebliebenen ein Bild von der Welt vermitteln.

5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 5.5.1 Ägyptomanie: Rezeption des alten Ägypten Ebenso wie im Mittelalter ist auch in der Frühen Neuzeit Ägypten als Botschaft verstummt. Der Reisende, und durch ihn auch der Daheimgebliebene, ist somit angesichts der sichtbaren monumentalen Spuren Altägyptens weiterhin herausgefordert, den leergewordenen Raum im kollektiven Gedächtnis der Menschheit zu füllen, um den Schleier des Geheimnisvollen zu lüften. Die Verstummtheit des alten Ägypten als Botschaft ist somit an der Ausbildung eines esoterischen Ägyptendiskurses nicht unbeteiligt. Denn die Füllung der Leerstelle kann durch Beobachtungen geschehen, die auf Augenschein, Hörensagen und/oder anderen Quellen beruhen, oder auch durch wunderbare Deutungen. Unter den altägyptischen Spuren vermutet man nämlich ein geheimnisvolles Wissen der Pharaonen

188 Vgl. Achim Landwehr, Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 62ff. 189 Achim Landwehr, Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 60. 190 Vgl. Achim Landwehr, Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 59f. und S. 64f.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

und/oder verborgene Schätze, denen man nachjagt.¹⁹¹ Der Versuchung, einen verborgenen Schatz zu finden, entgehen weder Löwenstein noch Wormser bei ihrem Pyramidenbesuch: Darnach sahen wir viel seltzamer Gäng hin vnd wider / die wir nicht all durchgehen mochten. Vnter anderm war ein tieffe Cystern da / die dreymal nacheinander abgesetzt ward / vnd als wir drey vnserer Gesellen an eim Seyl hinab gelassen / musten vnser drey auch zu jhnen / darnach liessen wir sie weiter / als denn musten noch drey zu vns / die vns zu jnen hinab liessen / die andern warteten hie oben / biß wir alle Sachen drunden besichtiget hatten / Vnnd als vns keine Liechter bleiben wolten / sondern verloschen vns alle / schlugen wir ein Mantel vmb die Laternen / da blieb es / wir musten aber sehr gemach den Mantel von der Laternen thun / damit es nicht verlosch / biß wir andere Fackeln vnd Liechter dar zu anzündeten. Vnd als wir zu aller vnterst hinab gefahren / funden wir zween Todten Cörper / auffrecht an der Wand lehnen / die / so bald wirs anrührten / zu aschen zerfielen. Sahen auch an zugemawrte Thür vnterm Erdreich daselbsten hinauß gehen / die wir mit Bickeln vnd Hauwen auffmachten / denn vns jeder zeit gesagt war worden / es wer ein Schatz da verborgen / vnnd kein Türck oder Arabier viel genommen hett / so weit sich hinab zu lassen / da wir ein sehr hübschen glatten gewelbten Gang funden / daß ein Mann gar gerühig auffrecht darinnen gehen mocht / Wir giengen auch zimlich weit hin eyn / von wegen aber daß vns die Nacht vberfiel / vnd vnsicher zu wandeln war / musten wir ablassen / vnd kondten dessen kein ende gehen / Sondern zogen wider auff Cayro zu / Man sagt vns gleichwol / dieser Gang gieng hinab biß gen Alexandria / das wer fünff Tagreyse / Ob nun demselben also oder nicht / haben wir nicht gründtlich erfahren können / Diß alles war der Schatz / den wir darinnen gefunden haben. (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197b).¹⁹²

Auch Nützel und Fernberger zeigen großes Interesse an den altägyptischen Altertümern. So bestaunt Nützel, wie die Reisenden bis ins 19. Jahrhundert, die Obelisken zu Alexandrien, die sog. Nadeln der Kleopatra.¹⁹³ Fernbergers Beschreibung ist ausführlicher. Denn er verweist auf die verlorengegangene Kenntnis der altä-

191 Vgl. Rainer Stadelmann, Die großen Pyramiden von Giza, Graz 1990, S. 11. 192 Obwohl Löwenstein und Wormser gemeinsam ins Innere der Pyramide gehen, berichtet Wormser nicht von der Schatzsuche; vgl. Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223b. 193 Vgl. Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 47. Die sog. Nadeln der Kleopatra werden von Tuthmosis III. gestiftet. Sie stehen ursprünglich vor dem Eingang des Tempels von Heliopolis und werden unter Kaiser Augustus (ca. 13/12 v.Chr.) nach Alexandrien gebracht. Ein Erdbeben im Jahr 1301 führt dazu, dass einer der beiden Obelisken umstürzt. Dieser steht seit 1877/80 in London, der andere seit 1880 in New York; vgl. Labib Habachi, Die unsterblichen Obelisken Ägyptens, Mainz 1982, S. 217–238.

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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gyptischen figürlichen Schrift, nennt einheimische Ansichten zur Funktion des Obelisken als Grabmal eines Königs aus der Zeit vor der Sintflut und stellt einen Vergleich mit dem Obelisken zu Konstantinopel an: Innerhalb der Stadtmauern in der Nähe der Küste sind zwei weitere viereckige Säulen oder Obelisken, von denen einer aufrecht steht, der andere aber umgestürzt ist. In beide sind verschiedenartige, alte figürliche Darstellungen von Tieren und Vögeln, die heute niemand mehr lesen und verstehen kann, eingemeißelt. Ich glaube, daß beide Obelisken aus einem Stein gehauen sind. Manche meinen, daß ein König aus der Zeit vor der Sintflut hier begraben sei. Einen ähnlichen Obelisken sieht man in Konstantinopel im Hippodrom stehen. Er ist aber nicht aus dem gleichen Stein (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 18).

Wie in den Reiseberichten des Mittelalters, so steht auch im Reisebericht der Frühen Neuzeit die Beschreibung altägyptischer Sehenswürdigkeiten insbesondere im Zusammenhang mit der Kairobeschreibung. Denn auf die Besichtigung der Hauptstadt folgt meist ein Ausflug nach Giza, jenseits des Nil, um die altägyptischen Altertümer zu bestaunen. Im Gegensatz zum Pilgerbericht des Mittelalters besteht die Beschreibung dieses Ausflugs im Reisebericht der Frühen Neuzeit jedoch aus drei Themenbereichen: Pyramiden, Mumien und Sphinx. Während nämlich im deutschen Reisebericht des Mittelalters die Pyramiden Hauptgegenstand der Bewunderung sind, finden sich im frühneuzeitlichen Reisebericht mit Mumien und Sphinx zwei neue Bildelemente. Dies beginnt mit Fabri und Breydenbach, die Ägypten im Jahre 1483 bereisen. Denn sie beginnen damit, die antike Tradition zu rezipieren und auch vom Sphinx in Giza zu berichten.¹⁹⁴ Erst im 16. Jahrhundert wird der Besuch bei den Mumiengräbern in Sakkara zu einem Bestandteil der Ägyptenreisebeschreibung. Hierfür stehen z.B. Löwenstein und Wormser, die die Mumien als Bildelemente des pharaonischen Ägypten erwähnen, sowie Fernberger und Nützel. Diesen Bildelementen wird im Folgenden nachgegangen, um so Kontinuitäten und Entwicklungen im Bildbereich des pharaonischen Ägypten zu beleuchten. Dabei wird zunächst das Bildelement der Pyramiden eingehender betrachtet, da es den Ägyptenreisediskurs bereits seit dem Mittelalter prägt. Hierbei wird auch auf die Deutung zu achten sein, die die Pyramiden im Laufe der Zeit erfahren. Im Anschluss werden die Elemente im Mit-

194 Vgl. Bernhard von Breydenbach, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 107b–108a; Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 174b. Beide Autoren rekurrieren auf antike Autoren und erwähnen den Sphinx als Abbild der Göttin Isis.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

telpunkt stehen, die im deutschen Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit neu zutage treten: Mumien und Sphinx. Im Gegensatz zu Mumien und Sphinx gehören die Pyramiden schon seit Alters her zu den Bildelementen der Ägyptenreisebeschreibung. Zu Sinn und Funktion der Monumentalbauten sind in den Reiseberichten aber unterschiedliche, bisweilen konkurrierende Deutungen zu finden.¹⁹⁵ Im Vergleich zum Mittelalter tritt dabei die biblische Deutung der Pyramiden als Kornspeicher Josephs in den Hintergrund. Eine neue Deutung entsteht mit der Grabmäler-These von Wilhelm von Boldensele (1332/1334), die sich Ende des 15. Jahrhunderts bei Felix Fabri (1483) wiederfindet. Da sich Fabri mit seinem ausdrücklichen Rekurs auf Solinus und Plinius auf antike Quellen bezieht,¹⁹⁶ markiert er auch den Anfang der antiken Rezeption im Reisebericht und deutet auf den neuen Reisediskurs der Frühen Neuzeit voraus, in dem beide Thesen eine Synthese eingehen. Dabei wird das Nebeneinander biblischer, antiker und auf Autopsie beruhender Deutungen zugelassen und harmonisch vereint werden. Wie Stadelmann¹⁹⁷ konstatiert, beginnen die europäischen und deutschen Ägyptenreisenden im frühen 16. Jahrhundert, die antiken Autoren zu rezipieren, die biblische Deutung der Pyramiden als Kornspeicher Josephs zurückzuweisen und als Grabstätten zu bestimmen. Dabei werden sie als Weltwunder der alten Welt gerühmt, wie aus den Reiseberichten von Löwenstein, Wormser und Heberer hervorgeht:¹⁹⁸ Die Sepultur vnd steinin Pfeiler Pharaonis besehen / welcher 15. Welscher meil von Alkayr / ist der siben Wunderwerck der Welt eins / Dieser Pfeiler ist vierecket / vnd vnden auff dem Boden allweg von jeglichem eck ins ander / zwey hundert sechtzig fünff schritt weit / ist oben die höhe hinauß zugespitzt / vnd zu aller öberst / von jeglichem eck ins ander sibendhalb schritt weit / vnd die höhe ist von 260. grausamer gewaltiger hoher Stein, daß ein Stein

195 Zur Rezeption der Pyramiden im Reisebericht vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 99ff.; Erhart Graefe, A Propos der Pyramidenbeschreibung des Wilhelm von Boldensele. In: Erik Hornung (Hg.), Zum Bild Ägyptens im Mittelalter und in der Renaissance, Freiburg 1990, S. 16ff.; Rainer Stadelmann, Die großen Pyramiden von Giza, Graz 1990, S. 10ff.; Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 43ff.; Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 169ff. 196 Vgl. Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 174b. Vgl. hierzu auch Thomas Scharff, Die Rückkehr nach Ägypten. In: Thomas Glück; Ludwig Morenz (Hg.), Exotisch, Weisheitlich und Uralt. Europäische Konstruktionen Altägyptens, Hamburg 2007, S. 171f. 197 Vgl. Rainer Stadelmann, Die großen Pyramiden von Giza, Graz 1990, S. 14. 198 Vgl. auch Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 26; Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 52.

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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allweg wol anderthalb schritt hoch gesetzt ist / Jnwendig muß man auff 50. schritt vnter das Erdreich hineyn kriechen / da hat es ein eng Loch / da muß man hindurch / ich versucht es zweymal / kond nit hindurch kommen / vnd zum drittenmal rissz ich mich mit gewalt hindurch / war schier stecken blieben / vnd wenn man hineyn kommt / steigt man hoch versich / wider wol 100. schritt / ist sehr schön glatt / als denn kommt man zu einer Capellen / da stehet ein Sarch / wie man vns anzeigt / solt es der König in Egypten Begräbniß seyn / ist ein tunckeler Stein / nit gar schwartz / auch nicht braun / man kan nicht wissen was es für ein Stein ist (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197a–197b). Weiter sind wir von Alkayro wider verrheyset / nemlich / auff den 26. Tag Octobris / Anno 61. außgezogen vor tags / vnd vor der Statt vber das Wasser Nylo gefahren / vnd darnach auff zwo Meil weges von der Statt geritten / da wir vber viel steinern Brücken gezogen sind / vnd vber einen langen Thamm / da das Wasser eben groß vber das Landt außläuffet / vnd sind zu der Begräbnuß Pharaonis kommen / welches ist das größt Wunderwerck der Welt / vnd geformiert wie ein Damant / in vier Eck / vnd oben spitzig / vnd sehr hoch mit grausamen grossen Steinen / da man nicht wol müglich meynt / daß solches von Menschenhänden gemacht sey / Dann seine Höhe ist viel höher / dann das Straßburger Münster / […] zu dem Gewölb muß man gegen Berg ab gehen / vnd im Gewölb stehet ein grosser Grabstein / ist inwendig hohl / vnd sol deß Königs Pharaonis Begräbniß gewesen seyn (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223b). Als wir nun mit vnsern Guardianis in zimliche Kundschafft kommen waren / liessen wir einen vnder jhnen / so ein Renegat oder Mammaluck / von Genua auß Jtalien bürtig / durch den vorgemelten Augspurgischen Mammalucken ansprechen / daß er vnser etlich auff einen Freitag (da wir ohn das nit arbeiten solten) zu den Pharaonischen Begräbnüssen (denn also nennen sie die Pyramides) führen wolte / solche zu besichtigen / Welches er vns bewilliget. Führet vns also vber den Nilum auß der Stadt Cayra in die Stadt Memphis oder New Babylon / darnach durch den Sandt zu den Pyramidibus. Die ligen von der Stadt vngefehrlich ein halbe Teutsche Meil wegs / nit weit von dem Nilo. Die gröste hat von einem Eck zu dem andern in die Viere 324 Schritt / in die Höhe 250 Staffeln / vnd spitzet sich zu in die Viere / Jst oben auff etliche Schritt breit. Jn die eine Pyramidem kan man schlieffen (dann sie inwendig hol) Doch wagt sich niemand hinein ohn brennende Fackeln. Vnd ist darinn zu sehen / ein Begräbnüs von schwartzem Marmelstein / in die Neun Schue lang / Fünff hoch vnd breit. Die andere Pyramides seind kleiner. Aber es sind solche Gebew / vnd von so gewaltigen Steinen vffgeführt / daß sie billich von der Welt gerühmet werden / vnd alle andere wunder der welt vbertreffen vnd vberharren. Dann die andere alle zerstört vnd vndergangen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 130f.).

Diese Beispiele verdeutlichen, dass die Pyramiden im Reisebericht der Frühen Neuzeit als Grabstätten der Pharaonen wahrgenommen und beschrieben werden. Damit wird die biblische Deutung als Kornspeicher Josephs abgelöst, die im Reisebericht des Mittelalters vorherrscht. So lösen sich zwar die Pyramiden vom Kontext der Josephsgeschichte. Der Versuch, die Kornspeicher Josephs zu situieren, bleibt jedoch bestehen. Wie nämlich die Reiseberichte von Wormser

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

und Fernberger belegen, beginnt man nun den biblischen Ort der Kornspeicher in Altkairo/Babylon anzusiedeln: Weiter bin ich noch in einer Kirchen gewesen / ist auch schön vnd den Christen zugehörig / vnd nit weit darvon sind die Kornkasten / da König Pharao sein Korn innen gehabt / vnd werden noch heutiges tags zu Kornkasten gebraucht / sind grosse Kasten / vmbmawret / vnd oben offen / denn in der Statt der Regen nichts thut / Darnach vber dem wasser Nylus genannt / ist die alte Statt Babylonien / von gar alten Gebäwen / daselbst grawsam viel Häffner wohnen / innsonderheit haben die Kinder von Jsrael jhr Gefenecknuß daselbst gehabt vnd allda müssen Werck vnd Ziegel machen / wie denn noch die walstatt vns solches außweiset (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 228a). Dem neuen benachbart ist das alte Kairo: Sein Umfang beträgt 10 welsche Meilen, es ist zum größten Teil verfallen und verlassen. Dort ist das griechische Nonnenkloster der heiligen Katharina, in dem der Ort gezeigt wird, wo sich die heilige Jungfrau mit dem Jesuskind auf der Flucht vor dem Tyrannen Herodes einige Zeit versteckt hielt. Man erblickt dort auch fünf Getreidespeicher, die aus Steinen errichtet sind. An der Stelle dieser Speicher waren vor sehr vielen Jahren noch Ruinen, die an Joseph erinnerten, zu sehen: Von der Zitadelle von Kairo, das von Natur aus gut befestigt und einst der königliche Sitz der Pharaonen war und wo einst das Haus Josephs sich befand, stehen noch jetzt sehr viele große Säulen und andere Gebäudereste (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 22).

Im Reisebericht der Frühen Neuzeit weicht somit die biblische Deutung der Pyramiden als Kornspeicher Josephs einer auf Augenschein und antikem Wissen beruhenden Interpretation als Grabstätten der Pharaonen. Der biblische Bezug schwindet jedoch nicht ganz. Denn es entstehen zwei neue biblische Erklärungen im Bezug auf die Pyramiden, die sich mit der Deutung als Grabstätten gut harmonisieren lassen. So berichten Fernberger und Nützel zum einen von einer auf Hörensagen bzw. unerwähnten Quellen beruhenden Annahme, nach der die Kinder Israels auf Befehl der Pharaonen die Pyramiden in Fronarbeit erbaut haben sollen: Diese Pyramiden sollen einst von den Söhnen Israels gebaut worden sein (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 26). Diese Pyramides sollen aus Befehl der Könige in Ägypten, Pharaonum, zu ihrer Sepultur und Begräbnus von den Kindern Israels, als sie unter dem ägyptischen Joch und Dienstbarkeiten gewesen, erbauet (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 52).

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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Und zum anderen sorgt der leer stehende Granitsarg in der Cheops-Pyramide für eine weitere Deutung, die in biblischer Tradition steht und sich mit der GrabmalThese gut verbinden lässt: Der Sarg soll das Grab des im Roten Meer ertrunkenen Pharao des Exodus sein, weswegen er leer stehe.¹⁹⁹ Auch diese Auslegung findet sich beispielsweise bei Nützel und Fernberger: Auf unserer Rückkehr über denselben Weg stiegen wir an einer anderen Stelle wieder 60 Schritte empor und betraten eine 40 Fuß lange und 20 Fuß breite Kammer, von der man sagt, daß sie für den Pharao selbst vorgesehen war. Diese ist aus quaderförmigen Steinen erbaut, in ihr befindet sich ein leerer Marmorsarg ohne Deckel, der 12 Spannen lang ist. Man sagt, daß er für den im Roten Meer ertrunkenen Pharao bestimmt gewesen sei. Er ist aus weißem, ganz reinem und festem Stein, der, wenn man ihn berührt oder ein wenig anschlägt, wie Erz weithin widerhallt (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 26). Dieser gemeldter Pyramis samt dem Sarg oder Grab, so dem Pharaoni, so nachmals im Roten Meer ersoffen, zum Begräbnus erbauet worden sein. Und dieweil er im Meer ersoffen und nicht hat mögen gefunden werden, ist solch Grab bis auf den heutigen Tag leer und ungebraucht geblieben (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 54).

Nützel und Fernberger erwähnen bisweilen auch die Namen der Pharaonen.²⁰⁰ Im deutschen Ägyptenreisebericht findet sich somit durch die Jahrhunderte der Ausdruck von Staunen, Ehrfurcht und Unfassbarkeit angesichts der Pyramiden von Giza. Die Reisenden versuchen die Verstummtheit des pharaonischen Ägypten mit unterschiedlichen Deutungen zu füllen, um den Schleier des Geheimnisvollen zu lüften. Dabei schwingen vor allem ab der Frühen Neuzeit immer wieder feierliche Töne bei der Beschreibung dieser erhabenen Denkmäler²⁰¹ mit, die

199 Vgl. dazu auch Rainer Stadelmann, Die großen Pyramiden von Giza, Graz 1990, S. 14. 200 Vgl. Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 28: „Nachdem wir gegen Abend Suez und die Berge zur Rechten liegen gelassen hatten, wo Moses einst die Söhne Israels trockenen Fußes durch das Rote Meer geführt hatte und Gott den Pharao Chener mit seinem gesamten Heer vernichtet hatte, nächtigten wir bei den sieben Quellen des Moses“. Vgl. auch Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 52: „Den ersten Pyramidem [Mykerinospyramide] soll Rhodope Meretrix, wie etliche schreiben, bauen lassen, damit ihren Reichtum und stolz Gemüt anzuzeigen“. Vgl. auch Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 43f. 201 Vgl. hierzu Friederike Werner, Ägypten als Inbegriff des Erhabenen in der Baukunst. In: Wilfried Seipel (Hg.), Ägyptomanie. Europäische Ägyptenimagination von der Antike bis heute, Wien/Mailand 2000, S. 83–104, 2000.

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laut Wormser erbaut sind mit „grausamen grossen Steinen / da man nicht wol müglich meynt / daß solches von Menschenhänden gemacht sey“²⁰² und laut Heberer „billich von der Welt gerühmet werden / vnd alle andere wunder der welt vbertreffen vnd vberharren“.²⁰³ Während das Bildelement der Pyramiden den Ägyptenreisediskurs bereits seit dem Mittelalter prägt, treten Mumien und Sphinx erst im deutschen Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit als Bildelemente zutage. Am Anfang dieser Entwicklung steht zum Beispiel Löwenstein, der von der nicht umgesetzten Intention einer Mumienbesichtigung berichtet: „Diesen Tag hatten wir ein Anschlag / die Mumia zubesichtigen / auff fünff meil von Kayro / aber dieweil nichts sonders zu sehen / denn todte Cörper / vnd alte Gewölber / vnter dem Erdtreich / vnterliessen wir es“.²⁰⁴ Während aus Löwensteins knappen Worten eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber den Mumien hervorgeht, so zeichnet sich Wormsers Schilderung durch Staunen, Faszination und Hochachtung aus: vnd auff fünftzehen welsche meylen darvon [Babylon] ist die Statt Thebe / aber gar zerstört / vnd nahe darbey hat es viel Begräbnussen / vnter der Erden wunderbarlich gemacht / da man vor alten zeiten die Leute hin begraben hat / Nemlich / hat man sie außgeweydet vnd eyn balsamieret / vnd vmbwunden mit vielen Tüchern / vnd auff jre Leib Vögel gebunden vnd allerley gattung / auch Katzen / Hunde vnd andere Thier mehr / vnd auch Bildtnussen als eyn balsamiert / vnd groß wunder ist solchs zu sehen / was sie darmit haben / vnd findet man die Leib noch alle gantz / vnd ist die best Mumia die man auff der Erden haben mag / vnd die Begräbnus ist 24. Welscher meyln lang vnder dem Erdtreich (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 228a).²⁰⁵

Obgleich Löwenstein und Wormser die Mumien nicht besichtigen, vermittelt Wormser ein detailliertes und anschauliches Bild dieser einbalsamierten Körper. Seine Formulierung vnd ist die best Mumia die man auff der Erden haben mag deutet dabei auf eine Vorstellung hin, die weit verbreitet ist. Denn seit Jahrhunderten werden die Mumien – zunächst in der arabischen Medizin, später auch in Europa – als wunderbares Allheilmittel gegen Krankheiten angesehen. Dieser Irrglaube führt zur Plünderung unzähliger Mumien, die unversehrt, zerstückelt

202 Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 223b. 203 Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 131. 204 Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 201a. 205 Vgl. auch ebd., fol. 223b–224a. Hier berichtet Wormser auch von den Mumien in Memphis.

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oder pulverisiert bis nach Europa gelangen, und endet erst im 19. Jahrhundert.²⁰⁶ Mit Nützel und Fernberger sind dann Reisende genannt, die die Mumiengräber besichtigen. Entsprechend des Itinerarprinzips beschreiben sie zunächst Reiseweg und Sehenswürdigkeiten der Umgebung, bevor sie auf Beschaffenheit der Gräber und der Mumien eingehen. Die Reise findet dabei in Gruppen statt, die in Begleitung von Janitscharen und einheimischen Fremdenführern auf Eseln den Weg antritt. Die Reiseroute führt über den Nil durch die Wüste nach Sakkara, das oftmals lediglich Zu den Mumien heißt. Die Besichtigung der Mumien ist nach der Bezahlung des Grabwächters möglich, der das unterirdische Grab öffnet und beim Hinabsteigen hilft: Diesen Tag sind wir auch an den Ort kommen, welchen die Araber Zu den Mumien heißen. Ist gar eines sandigen Bodens, allda viel alter, verfallener Gebäu und kleine Pyramides gesehen werden. Nach diesem sind viel vierecketer Löcher mit Steinen ausgemauert, einer ziemlichen Tiefe, gleich wie bei uns die Brunnen jetziger Zeit, von dem Winde voller Sandes eingefallen. In welche Löcher, als wir durch die Mohren, so uns begleiten, an einem Strick oder Seil hinabgelassen wurden, funden wir unten im Grund ein kleines Türlein, dardurch einer schwerlich kriechen mag. Daselbst kommet man in ein klein, niedrig Gebäu, gewölbet wie ein Keller, darinnen gemeldte Mumien liegen. Diese Mumien sind Totenkörper etlicher verstorbener Heiden, so an genannten Orten ihre besondere Begräbnussen haben. Werden gar unversehrt, allein kohlschwarz gefunden. Dann alle und jede Gliedmaßen, klein und groß, gar fleißig mit subtilen Tüchern einbalsamiert, umwickelt und umbunden und nachmals der ganze Körper mit einem breiten Tuch, wie die kleinen Kindlein umwickelt und umbunden sind. Inwendig in ihrem Leib, wenn man sie zu Zeiten besichtigt, findet man anstatt des Ingeweids von Metall oder Steinen etliche geformierte Bildlein und Tierlein und dergleichen Phantaseien, welche gemeldte Verstorbene bei ihren Lebzeiten für ihre Götter gehalten haben sollten (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 54f).

Ebenso wie Nützel, berichtet auch Fernberger vom Aussehen der Mumien, die er „mit vielen steinernen, ehernen und tönernen Götzen, die auf die Körper gelegt waren“²⁰⁷ vorfindet. Dabei gibt er nicht nur eine Definition der Mumien, sondern geht auch auf die Bestattungsriten der alten Ägypter ein: „Es handelt sich dabei um die Körper von Ägyptern aus sehr alter Zeit. Diese hielten es für Unrecht, die Toten, wie andere Völker, zu verbrennen oder zu vergraben, sondern präparierten sie höchst kunstfertig mit erstklassigem Balsam und wickelten sie in reichlich

206 Zu Mumien als Heilmittel bei Abszessen, Knochenbrüchen, Lähmungen, Epilepsie, Übelkeit und Vergiftung vgl. Ingrid Nowel, Die Geschichte der Ägyptenreisen seit dem 16. Jahrhundert. In: Giovanni Belzoni, Entdeckungsreisen in Ägypten 1815–1819, Köln 1982, S. 224. 207 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 24.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Leinen, das in kleine Streifen zerschnitten wurde, legten sie dann in Rindenkisten und bewahrten sie in Grabkammern auf“.²⁰⁸ Beim zweiten neuen Bildelement des pharaonischen Ägypten im deutschen Reisebericht der Frühen Neuzeit handelt es sich um den Sphinx.²⁰⁹ Denn auch er wird von den Reisenden des Mittelalters nicht erwähnt, obwohl sie die vor den Pyramiden liegende Kolossalfigur gesehen haben dürften. Erst mit Breydenbach und Fabri (1483) wird der Sphinx zum ersten Mal in einem deutschen Reisebericht erwähnt. Dabei wird der Sphinx von beiden als Bild der Isis gedeutet, „die Abgöttin derer von Egypten / vnd ist ein Wunder von einem grossen steinern Bilde“.²¹⁰ Diese knappe Aussage markiert den Anfang der Rezeption eines Wahrzeichens Ägyptens im Reisebericht, das bis heute vom Schleier des Geheimnisvollen umgeben ist. Diesen durch das Verstummen des alten Ägypten leer gewordenen Raum im kollektiven Gedächtnis der Menschheit versuchen die Reiseberichte der Frühen Neuzeit mit unterschiedlichen und phantastischen Deutungen zu füllen. Der Sphinx als Mischwesen aus männlichem Menschenkopf und liegendem Löwen wird von Nützel und Fernberger nicht erkannt. Dies mag daran liegen, dass der Sphinx zur damaligen Zeit großteils von Sanddünen bedeckt ist und nur sein aus dem Sand ragender Kopf zu sehen ist. Als Deutungsversuch findet sich bei Nützel und Fernberger die Interpretation des Sphinx als Bild der Isis, die von den alten Ägyptern als Göttin verehrt wurde. Ihre Beschreibung zeichnet sich aber durch größere Ausführlichkeit und weitere Details aus. Auch antike Autoritäten werden dabei als Beleg angeführt. An diesem Beispiel wird auch ersichtlich, dass man in der Frühen Neuzeit beginnt, Isis als Göttin der Natur²¹¹ zu rezipieren: Als wir nun nahend hiebei kamen, stunden wir auf dem Feld, von einem einzigen wundergroßen Stück seines Idolum, in Form eines Menschenkopfes ausgehauen, aufgerichtet. Dieser Kopf ist drei Mann hoch, stehet gleich als auf einem Hals, oben herum bei elf Klaftern umfangen, welcher vor Alters Imago Isidis genannt worden, welche Isis nach ihrem Absterben von den Heiden für eine Göttin gehalten und ihr zu Ehren dieses Bild aufgerichtet und ihr jährlich eine Gans daselbst geopfert worden, welches Opfer sie Isiaca genannt

208 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 24ff. 209 Zum Sphinx-Bild in der Kunst vgl. Heinz Demisch, Die Sphinx, Geschichte ihrer Darstellung von den Anfängen bis zur Gegenwart, Stuttgart 1977 und Wiebke Rösch von der Heyde, Das Sphinx-Bild im Wandel der Zeiten. Vorkommen und Bedeutung, 2 Bde., Rahden/Westf. 1999. 210 Felix Fabri, Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 174b. Vgl. auch Bernhard von Breydenbach, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 108a. 211 Zur Rolle der Isis in der Naturphilosophie des 18. Jahrhudnerts siehe z.B. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 173–210.

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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haben, wie dessen Juvenalis und Lucianus gedenken. Das Bild ist inwendig gar hohl, daß man darein unter der Erden von fern durch einen Gang verborgen gehen und kommen mag. Durch diesen Gang, so mit Steinen unter der Erden gemauert, sind die heidnischen Pfaffen in gemeldten Kopf gegangen und daraus zu dem Volk geredet und dasselbig beredet, als hab es der Kopf oder Bildnus aus eignen Kräften getan (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 52). In der Nähe erblickt man einen auf einem Hals ruhenden weiblichen Marmorkopf […]. Man behauptet, es sei ein Bildnis der alten Isis, die von Rhea Tochter des Cham, Schwester und Gattin des ägyptischen Königs Osiris war und als ägyptische Juno mit dem Beinamen „Isis maxima“ bezeichnet wurde. Da von ihr der Pflug und alles, was zur Landwirtschaft gehört, erfunden wurde, wurde sie von den Späteren als Göttin verehrt und ihr dieses Bildnis gesetzt, das innen einen Hohlraum und einen geheimen unterirdischen Zugang hatte, durch den die heidnischen Priester eintraten und dem Volk die Zukunft weissagten. Strabo berichtet über diesen Kopf etwas anderes (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 26).

Die Größe des Menschenkopfes und seine Funktion als Orakel stellen weitere Elemente des Sphinxbildes im Reisebericht der Frühen Neuzeit dar. Dabei werden geheime, unterirdische Gänge vermutet, die es den Priestern erlauben, in den hohl gedachten Kopf zu gelangen, um dem Volk die Zukunft zu weissagen.²¹² Bei Heberer findet sich dagegen eine andere astronomische Deutung des geheimnisvollen Sphinx. Ihm zufolge stelle er nämlich ein androgynes Mischwesen aus Löwe und Jungfrau dar und stehe für die Tierkreiszeichen und somit für die Nilüberschwemmung im Juli und August. Damit liefert Heberer nicht nur eine sehr originelle Deutung, sondern erkennt auch die Gestalt des Sphinx als Mischwesen:²¹³

212 Vgl. auch Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197b: „vnd da wir das gesehen / schloffen wir alle nach einander wider herauß / vnd giengen darnach zu einer Bildniß eines Kopffs / welcher sehr groß / wie ein groß Thor oder Porten möcht seyn / sol auch vorzeiten geredt vnd war gesagt haben / Wir funden etwa dreyssig Schritt darvon ein Loch / war tieff / daß man auß demseIbigen vnterm Erdreich in das Bild vorzeiten wirdt haben gehen / vnd auß dem holen Bild reden können“. 213 Heberer erwähnt jedoch nicht, auf welche Quelle er sich hier bezieht. Die Vorstellung findet auch in der Gartenkunst ihren Niederschlag, wie Jan Assmann (Die Zauberflöte, München 2005, S. 116) konstatiert: „Auch der Landschaftsgarten war ein Tempel der Natur und seine Szenerie für die Mysterien der Isis. Die Sphingen, ein besonders beliebtes Requisit der damaligen Gartenkunst, symbolisieren die Verbindung von Natur und Geheimnis. Die Kombination von Löwe und Jungfrau wurde astronomisch gedeutet als Verkörperung der beiden Tierkreiszeichen, in denen die Nilüberschwemmung stattfand. Außerdem galten sie als Symbol des Geheimnisvollen, einer esoterischen Weisheit. Plutarch berichtet in De Iside et Osiride, daß die Ägypter Sphingen vor den Tempeln aufstellten, um anzudeuten, daß ihre Theologie voller rätselhafter Weisheit sei. Diese

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Nicht weit von den Pyramidibus ist ein Bild zu sehen so man Androsphingam nennet / welches die Egyptier zu ehren den zweyen Himlischen Zeichen / als denjenigen / die jhnen alle reichthumb vff dem Nilo alle jahr mit sich bringen / haben machen lassen / Jhrem brauch nach / daß sie jhre meinung mit zeichen andeuten / Als nemlich / Oben ein Jungfraw / Vnden ein Löw / Dardurch sie zuverstehen gegeben / daß wann die Sonn in diesen beiden zeichen / als in dem Monat Iulio vnd Augusto, in welchen der Fluß Nilus zum höchsten wächst vnd zunimbt bis zu seiner außtheilung / jhr gröst Reichthumb vnd wolfahrt sich erzeige vnd sehen lest / Welches sie also durch diese Zeichen vnd Bilder bedeuten wollen (Michael Heberer, Aegyptiaca servitus, Heidelberg 1610/Graz 1967, S. 131).

Die Deutung als weiblicher Menschenkopf findet sich auch bei Wormser, der ihn als Kopf einer Hetäre bzw. pharaonischen Königin namens Rhodopis deutet und eine Geschichte erzählt, die zahlreiche Übereinstimmungen mit dem Aschenputtelmärchen aufweist: Nicht weit von dieser Begräbnuß hat es ein grossen Steinern Weibskopff / ist in die vier Klafftern in dem vmfang. Vnd sagen die Alten: Es sey vorzeiten ein König in Egypten gewest / zu Alkayr / der hab eine Fraw / genannt Rodophe / welche ein grosse Hur gewesen / die habe daselbst gewäschen vber einem Brunnen / da sey ein Vogel kommen / vnd hab ihr den Schleyer abgezogen / vnd in seine Klawen gefasset / vnd damit hinweg geflogen / Jn dem were der König hinauß geritten / vnd der Vogel vber den König geflogen / vnnd hat dem König doch dasselbige Tuch auff den Kopff fallen lassen / Da hat der König das Thuch in die Handt genommen / vnd von Stund an im gantzen Landt lassen erfahren / welcher Frauwen dieser Schleyer gewesen. Da hat man erfahren im gantzen Landt / daß der Schleyer der Rodophe gehöre / vnd daß sie jhn verlohren / wie sie gewäschen / vnd der Vogel jhr abgezogen / vnd in seinen Klauwen hinweg geführet hatte. Da hat der König nach derselbigen Frauwen geschickt / vnd man hat sie zu dem König bracht / der sie zur Ehe genommen / vnd denselbigen grossen Kopff von einem Stein / der Rodophe / seim Gemahel / zur Gedächtnuß machen vnd auffrichten lassen. Man sagt auch / daß der Kopff innwendig hol sey / vnd sol Abgötterey darinnen gebraucht worden seyn / daß ein Mensch hineyn gangen vnd geredt / Vnd wenn die Leute zu dem Kopff kommen / vnd die Stimme gehöret / haben sie vermeynet / der Kopff rede von ihm selbs also. Vnd ist ein tieffer Brunnen nahe darbey / dareyn man steigen muß / wenn man in den Kopff gehen wil / durch einen Gang / ist jetzmals gar verfallen / daß man nicht mehr hineyn kommen mag (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 224a).

Verbindung von Natur und Geheimnis bildet das Zentrum dieses frühromantischen Ägyptenbildes“. An einer anderen Stelle weist Jan Assmann (Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 323f., Anm. 442) auf diese Tradition hin. Dabei bezieht er sich auf Syndram (Ägypten-Faszinationen, Frankfurt a.M. [u.a.] 1990, S. 217, Anm. 873) und verknüpft die astronomische Deutung mit dem Comte de Caylus, der auch diese Deutung vom Sphinx anführt. Heberers Reisebericht belegt somit, dass diese Deutung schon seit Anfang des 17. Jahrhunderts zirkuliert.

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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Diese Geschichte findet sich bereits bei Herodot und Strabon, wobei Herodot sie zurückweist und Strabon sie in allen Einzelheiten erzählt. Im Unterschied zu Wormser wird der Rhodopis in der Überlieferung jedoch die Mykerinospyramide zugeschrieben, nicht das Mischwesen des Sphinx. Des Weiteren verliert Rhodopis in der Version von Strabon einen Schuh, nicht den Schleier.²¹⁴ Im Bezug auf den Sphinx scheint Wormser somit einer bemerkenswerten Verwechslung unterlegen zu sein. Seine Erzählung belegt jedoch, dass die Aschenputtel ähnliche Legende in der Frühen Neuzeit noch lebt. Hierfür steht auch Grimmelshausens Simplicissimus, der „beide Pyramides Pharaonis und Rhodope“²¹⁵ besichtigt.

5.5.2 Orientalismus als Macht-/Ohnmachtdiskurs In den oben analysierten Reiseberichten der Frühen Neuzeit tritt das orientalische Ägypten in den Mittelpunkt des Interesses. Die durch Autopsie begründeten Erzählungen sind dabei aber nicht als unvoreingenommene Beobachtungen und Erfahrungen zu lesen, sondern vielmehr im Sinne der damaligen Vorstellung universaler Erkenntnismöglichkeit zu verstehen. Denn mit den durch die apodemischen Schriften geschulten Reisenden als Außenposten in der fremden Welt und den Gelehrten in der Heimat, die die Reiseerträge sichten und verarbeiten, entsteht ein eurozentrisches Erfassungssystem von Wissen und Wirklichkeitserfahrungen, in dem das Fremde nach dem Wertesystem der Ausgangskultur bemessen und nach den formalen Kriterien der Reisekunst der Apodemik erfasst und verarbeitet wird. Bei der neuen Reisekunst der Apodemik handelt es sich Justin Stagl zufolge um ein groß angelegtes enzyklopädisches Pflichtprogramm, bei dem es auf das Besondere und Merkwürdige ankommt. Stagl stellt dabei fest, dass der Mensch der Frühen Neuzeit davon ausgeht, dass die Einzelphänomene der Erfahrungswelt „von allen Menschen in der gleichen Weise aufgefaßt werden müssten“.²¹⁶ Diese Annahme sei auch der Grund für den dezidierten Objektivismus der damaligen Reiseberichte, in denen sich Reisende sehr ähneln: „Die ganze Literaturgattung gewinnt dadurch etwas Unpersönliches, so als handle es sich hier

214 Die Geschichte kommt in verschiedenen Versionen bei Herodot (Historien, 2,134–135) und Strabon (Geographie, 17,1,33) vor. Vgl. hierzu Rainer Wehse, Cinderella. In: Enzyklopädie des Märchens, Bd. 3, Berlin 1981, S. 41. 215 Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, Stuttgart 1996, S. 670. Die Ägyptenreise des Simplicissimus, die viele Elemente der Reiseliteratur übernimmt, wird im 17. und 18. Kapitel der Continuatio erzählt. 216 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 180.

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um immer neu variierte Bemühungen des ‚idealen Gesamtreisenden‘, die Welt zu beschreiben“.²¹⁷ Die umfassenden Darstellungen des Erfahrenen erhalten dabei enzyklopädisch-kodifikatorische Züge²¹⁸ und werden als objektive Wahrheit verstanden, was für die Ausformung von Fremdheitsdiskursen letztlich von Bedeutung ist. Ulrich Klein zufolge glaubt man deswegen an die universale Erkenntnismöglichkeit, weil der Reisebericht bzw. die Enzyklopädie durch die Hand eines weisen, philosophisch gebildeten Reisenden und/oder Gelehrten entstanden sei: denn der allgemeine Charakter einer Nation drücke sich immer in ihren Denkmälern (Sprache, Regierungsart, Gebräuche, Sitten) aus. Die fehlende Richtigkeit in den Reisebeschreibungen rühre nur daher, daß die Reisenden nicht Philosophie noch Kenntnisse genug hatten, um die Gegenstände gehörig zu fassen […]. Das heißt: der philosophisch gebildete Kopf wird automatisch Richtigkeit und Wahrheit in seinen Reisebeschreibungen herstellen, trotz aller möglicher persönlicher Abstufungen seines Bewußtseins. In diesem Sinne können auch Enzyklopädien, sofern sie nur von solchen gelehrten Köpfen hergestellt worden sind, wohl kaum irren. Solch ein die Geltung universaler Systematik voraussetzendes Bewußtsein zeigt sich noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts.²¹⁹

Während Wahrheit im Mittelalter noch als selbstverständliche Mischung von Phantasie und Realität angesehen wird, weicht diese Auffassung Rolf C. Müller zufolge in der Frühen Neuzeit einer stärker humanistisch geprägten Vorstellung. Dabei werde das Verständnis von Wahrheit zwar im Vergleich zum Mittelalter immer mehr rationalisiert. Die Auffassung, dass authentisches Erleben Wahrheit bezeuge, bleibe aber bestehen.²²⁰ Dadurch wird das Fremde entfremdet und domestiziert, jedoch nicht in seiner Andersartigkeit erfahren. Es wird vielmehr darauf reduziert, als Gegenbild für das Eigene zu dienen, um dem Eigenen zu einem besseren Selbstverständnis zu verhelfen. Eine Fremdheitserfahrung im Sinne der ethnographischen Entdeckung nach Dietsche²²¹ ist Reisenden somit solange nicht möglich, wie sie sich von den vorherrschenden Wahrnehmungs-

217 Justin Stagl, Ars apodemica. In: Xenja von Ertzdorff; Dieter Neukirch (Hg.), Reisen und Reiseliteratur im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Amsterdam [u.a.] 1992, S. 181. 218 Vgl. Ulrich Klein, Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion, 87/2– 3 (1993), S. 293. 219 Ulrich Klein, Reiseliteraturforschung im deutschsprachigen Raum. In: Euphorion, 87/2–3 (1993), S. 294. Vgl. auch ebd., S. 294: „Die hinter einer enzyklopädisch bestimmten Aussage zu findende Grundüberzeugung läßt die Annahme gewisser universeller Standards deutlich werden“. 220 Vgl. Ralf C. Müller, Franken im Osten, Leipzig 2005, S. 16 und S. 41. 221 Vgl. Petra Dietsche, Das Erstaunen über das Fremde, Frankfurt a.M. [u.a.] 1984, S. 7; Fritz Kramer, Verkehrte Welten. Zur imaginären Ethnographie des 19. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 1977, S. 7.

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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und Darstellungsmustern der eigenen Kultur nicht lösen können oder wollen. Der Glaube an eine universale Erkenntnismöglichkeit dürfte daher einer Fremdheitserfahrung im obigen Sinne entgegenwirken. Denn hierbei wird die Repräsentation fremder Kulturen im Reisebericht und den darauf basierenden Schriften als objektive Wahrheit verstanden, was zur Ausbildung bestimmter machtvoller Fremdheitsdiskurse führt, die ihrerseits wiederum auf die Art und Weise, wie man über den Orient denkt und mit ihm umgeht, Einfluss ausüben und sogar die Realität allmählich ersetzen können. In diesem Sinn kann der frühneuzeitliche Orientalismus als Machtdiskurs verstanden werden, wie es Said für das 19. und 20. Jahrhundert gezeigt hat.²²² Es ist jedoch zu beachten, dass der frühneuzeitliche Orientalismus unter anderen soziopolitischen Umständen entsteht. Denn in der Frühen Neuzeit liegen die Machtverhältnisse auf Seiten des islamischen Orients, der – repräsentiert durch das in Europa vordringende Osmanische Reich – dem Abendland militärisch überlegen ist. Im Gegensatz zu Saids Orientalismus der Kolonialzeit steht dieser Orientalismus nicht im Zeichen der Beherrschung und Ausbeutung des Orients. Vielmehr ist er als Diskurs zu verstehen, der aus der militärischen Ohnmacht Europas dem Osmanischen Reich gegenüber entsteht und in dem sich Bedrohung und Faszination vermischen. Die Analyse der deutschen Ägyptenreiseberichte des 16. und 17. Jahrhunderts zeigt, dass bei der Pilgerreise nach Palästina und Ägypten das militärisch überlegene Osmanische Reich mit seinen Türken und Janitscharen allgegenwärtig ist. Wenige Tage von Venedig entfernt befinden sich die Reisenden in einer Mittelmeerwelt, deren Inseln dem türkischen oder europäischen Machtbereich angehören.²²³ Dabei treten sie sowohl mit Türken, Janitscharen, Mohren und Mameluken als auch mit christlichen Kaufleuten, Konsuln, Renegaten, Gefangenen und Sklaven in Kontakt. Der Welt der Türken steht so auf engstem Raum die Welt der Christenheit gegenüber. Dabei betont Wormser z.B. die militärische Überlegenheit des islamischen Orients und die Furcht des christlichen Abendlandes vor Unterwerfung: Weiter sinnd wir fortgefahren / vnnd in eine Jnsel kommen / Corfun genannt / gehört den Venedigern zu / […] Denn so der Türck solche Festen solte eynnemm / were nicht gut für die Venediger vnd die gantze Christenheit. […] Nachfolgends haben wir eine Landschafft […]

222 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 10 und S. 14f. 223 Vgl. z.B. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 192a: „diese Statt hat ein eygenen Hertzogen / wie zu Venedig / seindt doch dem Türcken Tributarij“; „gehört dem Türcken zu […] Neben einer Landtschafft dem Türcken zugehörig“; „neben einer Festung / Corfun genannt / den Venedigern zugehörig […] auch den Venedigern zugehörig“.

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genannt Fauero / sind Christen / aber dem Türcken vnterworffen (Jakob Wormser, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 217a).

Löwenstein berichtet überdies von der Gefahr erzwungener Konvertierung zum Islam, die bei Niederlage und Gefangennahme den Angehörigen des christlichen Kulturraumes droht: Kam ein Teutscher zu vns / welcher eines Türckischen Herrn Sclaff / vnd von FeldKirch / Paule Reuter ge-nannt / er war mit den siben Galeen / als zween Heern von Madrutz gefangen / auch gefangen worden / zeigt vns an / wie sie jn mit gewalt zum Türcken gemacht hetten / er were es aber im Hertzen nicht / […] Jst ein Teutscher von Marckschönfeld / vnterm Freyherren von Schwartzenburg / im Landt zu Francken daheim / bey vns gewesen / angezeigt / wie er / als Diterich Marcell geschlagen / gefangen worden / vnd sein Vatter hieß Cuntz Metzger […] man hab jn auch mit gewalt zum Türcken gemacht. […] Diesen tag hat vns ein Teutscher Drommeter von Landsperg / auß dem Land zu Bayern / doch zum Türcken gemacht / vnd eines Türckischen Herrn Diener / ausserhalb der Statt gefürt (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 197a–198a). vnd kein Schiff oder Gewerb hinauß in die Christenheit gieng / […] gedachte ich mir mit dem ersten Schiff / es gieng in die Christenheit / wohin es wolte / zu ziehen / […] vnd der ander ein teutscher Türcke / verläugneter Christ / auß dem Landt zu Steurn (Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 201a).

Beide Reisende sprechen damit von der politischen oder religiösen Konfrontation zwischen christlichem Europa und islamischem Orient im Mittelmeerraum. Löwenstein berichtet ferner, dass die Türken in Suez und El-Tur Stützpunkte haben und Schiffe bauen, um gegen die vordringenden Portugiesen in den Kampf zu ziehen.²²⁴ Der Kampf zwischen Portugal und dem Osmanischen Reich um den Gewürzhandel führt zu einem Kampf um die Vorherrschaft im Roten Meer, wie einst zwischen den Kreuzrittern und Saladin. Religion spielt hierbei immer noch eine wichtige Rolle, wenn auch nicht die einzige und vordringlichste, aber im „Bericht von da Gama wird deutlich, wie den Portugiesen daran gelegen war, auf Christen in Afrika und Indien zu stoßen“.²²⁵ Portugal sucht im christlichen Äthiopien, in dem man das Land des legendären Priesterkönigs Johannes sieht,

224 Vgl. Albrecht zu Löwenstein, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 198a–198b; fol. 200b und fol. 201b. 225 Ludolf Pelizaeus, Der Kolonialismus, Wiesbaden 2008, S. 63.

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Verbündete gegen das Osmanische Reich. Und das Osmanische Reich muss, da es Sitz des Kalifatentums ist, die bedrohten heiligen Orte des Islam am Roten Meer verteidigen.²²⁶ Damit lässt sich im Reisebericht der Frühen Neuzeit eine Dichotomie Christ-Türke feststellen, die den Dualismus Christ-Heide des mittelalterlichen Reiseberichts ersetzt. Auf der einen Seite ist die Welt der Christenheit, auf der anderen Seite die Welt der Türken. Aufgrund der Expansion des Osmanischen Reiches in Europa und der Mittelmeerwelt sowie der europäischen Expansion in Afrika, Arabien und Indien erreicht der religiöse Antagonismus so eine neue Dimension. Die Bezeichnung Türke wird als Synonym für Muslim gebraucht und die Begegnung mit der islamischen Welt wird durch die Erfahrung eines militärisch überlegenen oder zumindest gleich mächtigen Osmanischen Reiches mit bestimmt. Die deutschen Reisenden der Frühen Neuzeit befinden sich bei ihrer Ägyptenreise nun in einem osmanischen Ägypten, das als Teil des als Erbfeind der Christenheit geltenden Osmanischen Reiches wahrgenommen und beschrieben wird. Weiterhin ist zu bedenken, dass sich die politischen Beziehungen zwischen Europa und dem Osmanischen Reich auch auf diplomatischer Ebene abspielen. So ist z.B. Fernberger beim Antritt seiner Orientreise am 2. September 1588 bereits seit einigen Jahren in Konstantinopel, wo er die Funktion eines Sekretärs des Kaiserlichen Orators an der Hohen Pforte innehat.²²⁷ Dabei dürfte er Ende 1584 bzw. Anfang 1585 in Begleitung des Erblandhofmeisters der Steiermark „samt dem fälligen Ehrengeschenk für den Sultan“²²⁸ in Konstantinopel angelangt sein. Solche Präsentgesandtschaften stellen seit Mitte des 16. Jahrhunderts eine übliche diplomatische Form zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich dar. Die andere Form besteht in einer vor Ort stationierten diplomatischen Vertretung: Schon bald nach der ersten Türkenbelagerung Wiens im Jahr 1529 waren regelmäßig diplomatische Kontakte zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich gepflegt worden, die inzwischen, gegen Ende des 16. Jahrhunderts, institutionalisiert auf zwei parallelen Schienen abliefen: Zum einen in Form einer ständig vor Ort residierenden Gesandtschaft unter Führung eines ‚Orators‘, zum anderen in Gestalt von Präsentgesandtschaften, die regelmäßig die (seit dem Frieden von Adrianopel, 1547) fälligen jährlichen ‚Ehrengeschenke‘ an

226 Vgl. hierzu Ludolf Pelizaeus, Der Kolonialismus, Wiesbaden 2008, S. 62–68. 227 Unter dem damaligen katholischen Kaiserlichen Gesandten Bartholomäus Pezzen, Nachfolger von Paul Eytzing, der seit 1587 in dieser Position war, vermehren sich die Reibereien mit den anderen, protestantischen Gesandtschaftsmitgliedern. Diese unangenehme Lage dürfte ein weiterer Grund für Fernberger sein, so schnell wie möglich Konstantinopel zu verlassen und die Flucht im weiten Orient zu suchen; vgl. Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 14f. 228 Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 12.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

den Sultan überbrachten. Wenn Residenten ihre Vorgänger ablösten, überbrachten sie allerdings meist auch gleich die für dieses Jahr fälligen Geschenke, und gelegentlich übernahmen auch Präsentgesandte die Rolle von Oratoren.²²⁹

Saids Annahme, dass das Verhältnis des deutschsprachigen Kulturraumes zum Orient ein fast rein klassisches und wissenschaftliches Unternehmen sei, trifft somit nicht zu.²³⁰ Denn, wie sich auch in den Reiseberichten spiegelt, existieren zwischen beiden Kulturräumen seit dem Vordringen der Osmanen bis vor die Tore Wiens auch konkrete politische und ökonomische Kontakte, bei denen die Machtverhältnisse auf Seiten des überlegenen Osmanischen Reiches liegen. Da Ägypten zu dieser Zeit Teil des Osmanischen Reiches ist, kann die Repräsentation Ägyptens im frühneuzeitlichen Reisebericht nicht von der Wahrnehmung des Osmanischen Reiches abgekoppelt werden. Die Machtkonstellation mit der osmanischen Überlegenheit gegenüber einem unterlegenen Europa spielt damit auch bei der Herausbildung und Tradierung von Stereotypen und Feindbildern im Ägyptenreisediskurs eine bedeutende Rolle, so dass auch im Ägyptenreisebericht ein orientalistischer Diskurs unter dem Zeichen der militärischen Ohnmacht Europas entsteht. Dabei hat der Westen im militärisch überlegenen Osmanischen Reich einen ernst zu nehmenden politischen Gegner, den er zudem als Erbfeind der Christenheit ansieht, wie z.B. aus den Reiseberichten von Nützel und Fernberger hervorgeht. So klagen sie, als sie bei der Passage von Konstantinopel nach Alexandrien bei Rhodos Halt machen, über den Fall dieser berühmten Insel, die sie als propugnaculum Christianitatis beziehungsweise Bollwerk der Christenheit bezeichnen. Die Türken werden dabei von beiden Reiseautoren als Ungläubige und Feinde der Christenheit dargestellt: Nach diesem sind wir endlich mit der Hilf Gottes in die berühmte Insel Rhodos glücklich und wohl ankommen, welche Stadt und Festung wahrlich gar wohl zu sehen, und hoch zu beklagen, daß eine solche berühmte und starke Festung, propugnaculum Christianitatis, in der Ungläubigen Hand kommen und also jämmerlich von den Christen hat müssen verlassen und aufgegeben werden (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 41). Zwei Tage später ankerten wir in Rhodos, der ersten Insel des Mittelmeers, wenn man aus dem Archipelagos kommt. Diese Insel wurde erstmals von Moawia, einem ägyptischen Sultan, im Jahre 660 eingenommen. Er soll neunhundert Kamele weggeführt haben, die mit dem Erz beladen waren, aus dem jener Koloß (eines der Weltwunder) gefertigt war und der

229 Martina Lehner, Reise ans Ende der Welt, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 13f. 230 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 8, 11, 28.

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durch ein Erdbeben umgestürzt war. Ferner wurde sie im Jahre 1480 von Messhith Pascha auf Befehl Mohammeds II. vergeblich belagert und stellte sich auch später immer tapfer dem gemeinsamen Feind der Christen entgegen. Soldaten vom Orden des heiligen Johannes verteidigten sie wacker, bis Suleiman sie im Jahre 1522 auf Grund ihrer Kapitulation einnahm. Es ist wirklich sehr zu bedauern, daß dieses so berühmte Bollwerk der Christenheit so leicht in die Hände der Ungläubigen fiel (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 14).

Die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr im Bereich der Religion, die auch zur Unterscheidung von Christen und Muslimen führt,²³¹ wird von beiden protestantischen Reisenden aufgegriffen und fortgesetzt. Fernberger konstruiert dabei zwei Räume: Auf der einen Seite die christliche Religion und auf der anderen Seite der mohammedanische Aberglaube. Dabei entwirft er ein mit negativen Stereotypen aufgeladenes Bild vom religiös Anderen, indem er auf Bildbereiche wie Unvernunft, Raserei, Frevler, Schauspiel, Krankheit und Sinnlichkeit zurückgreift: Diese Verzögerung war uns umso lästiger, weil am selben Tag ein Armenier, von den Türken irgendwie überredet, der christlichen Religion abgeschworen hatte und sich dem mohammedanischen Aberglauben verschrieb. Jene nahmen ihn mit den gewohnten Zeremonien unter lautem Geschrei in den Kreis ihrer Frevler auf und erhoben ebenfalls unter Geheul zur zweiten Nachtstunde gemeinsam ein feierliches Gebet um einen günstigeren Wind und zwar folgendermaßen: Nachdem sie ungefähr eine halbe Stunde lang eingehängt dagesessen waren und mit schrecklich klingenden Lauten, die unserer Sprache völlig unähnlich sind, Lobpreisungen und Bitten gesungen hatten, erhoben sie sich, stellten sich in einem Kreis auf, hoben und senkten abwechselnd ihre Köpfe und riefen zuerst ‚Allah, Allah‘, dann immer ‚Hu, Hu, Hu‘, solange bis sie heiser wurden und manche nach Luft ringend halbtot zu Boden stürzten. In der Zwischenzeit singt der Hodscha, der ihr Anführer ist, tanzt in ihrer Mitte und gebärdet sich gleich einem Verrückten. Dieses Schauspiel dauert mehr als eine volle Stunde. Diese Art zu beten haben sie von ihrem Mohammed übernommen, der im Todeskampf, da er ja an Epilepsie litt, in eine ebensolche Raserei verfallen sein soll. Sein Geist sei so zu den Göttern aufgefahren und genieße inzwischen die Freuden des himmlischen Paradieses (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 12f.).

231 Vgl. Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 17: „Die Unterscheidung, um die es in diesem Buch geht, ist die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr in der Religion, die spezifischeren Unterscheidungen zugrundeliegt, wie die zwischen Juden und gojim, Christen und Heiden, Muslimen und Ungläubigen. Wenn diese Unterscheidung einmal getroffen wird, dann kehrt sie innerhalb der durch sie gespaltenen Räume endlos wieder. Wir fangen an mit Christen und Heiden und enden bei Katholiken und Protestanten, Lutheranern und Calvinisten, Sozinianern und Latitudinariern und Tausenden ähnlicher Bezeichnungen und Unterbezeichnungen“.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

Trotz dieser ausgeprägten Feindbilder und Stereotype werden, wie auch die deutschen Ägyptenreiseberichte bezeugen, aus politischen und wirtschaftlichen Gründen Kontakte mit dem Feind gepflegt. So sind Deutsche und Europäer im Osmanischen Reich unterwegs, um Handel zu treiben, Interessen des eigenen Landes als Diplomaten zu vertreten, fremde Länder kennenzulernen, aber auch um zu den christlichen heiligen Stätten in Syrien-Palästina und in Ägypten zu gelangen. Ein anschauliches Bild dieser Kulturkontakte liefert der Jerusalempilger und Orientreisende Fernberger bei der Beschreibung des osmanischen Alexandrien, wo sich Kaufleute aus aller Welt aufhalten und Handel treiben: Alexandria hat auch als einzige unter den am Meer gelegenen Städten der Türken einen freien Hafen und Zugang zum Meer, wo Schiffe jeglicher Nation und Herkunft, sei es daß sie mit dem Sultan verbündet sind oder nicht, frei und ohne Einschränkung landen und Handel treiben können. So sah ich selbst einige sizilianische Schiffe. Es befindet sich hier aber fast eine größere Anzahl von fremdländischen Händlern, Christen wie Heiden, die in der Stadt wohnen, als von einheimischen, die die fünf Haupthandelshäuser, die sie Fonduk nennen, innehaben. Diese werden zu all den Stunden, die für die Gebete der Türken bestimmt sind, und jede Nacht von den Türken aus Angst vor irgendeinem Aufruhr verriegelt (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 16f.).

In ähnlicher Weise beschreibt auch Nützel das osmanische Alexandrien mit den zahlreichen ausländischen Kaufleuten und europäischen diplomatischen Vertretungen.²³² Wie aus Nützels und Fernbergers Reiseberichten hervorgeht, beschränken sich die friedlichen, auf Handel und Diplomatie beruhenden Kontakte nicht nur auf Alexandrien, sondern finden sich auch in Rosette, Damiette und Kairo: Daselbst [in Rosette] haben auch die Venediger ihren Fondaco oder Kaufhaus an einem Gestade des Nili, da es zur Aufladung der Waren einen schönen und bequemen Ort hat. […] daselbst [in Kairo] uns ein Losament zunächst bei des Venedischen Consulis Behausung verordnet worden. […] Kairo […] wird jetziger Zeit von den Arabern meistenteils bewohnet, und allda von Italienern, Franzosen, Engländern, Juden und Türken treffliche Kaufmannschaft getrieben, hat, umfangen, 10 welscher Meilen Wegs, sehr volkreich, von allerlei Nation und Religion, als da sind: Christen, darunter Araber, Armenier, Abessinier, Chesti, Griechen und dann Juden, Türken, Mohren, Indianer, Medianer, Persianer und andere Völker, welche allein sich Handels und Kaufmannschaft halber aufhalten. (Nützel. Anton

232 „Es wird diese Stadt mehr von den auswendigen und ausländischen Kaufleuten dann einheimischen und gebornen Inwohnern besessen. Werden auch allda von Franzosen, Venedigern, Genuesern, Ragusern und Engländern vornehmliche und stattliche Kaufmannschaften getrieben, welche alle, außerhalb der Venediger, so ihren eignen Konsul haben, unter der französischen Jurisdiktion sind und ihre eigenen Fondaco und Kaufhäuser haben“; Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 47.

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Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 48f.). Hierher [Kairo] kommen die verschiedensten Völker aus aller Welt, wie z.B. Italiener, Franzosen, Engländer, Armenier, Griechen, Abessinier, Türken, Araber, Äthiopier, Inder, Perser, Juden und andere Nationen, um Geschäfte zu treiben. Hier halten sich Konsuln der Franzosen, Venezianer und Engländer auf (Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 20).

Da Deutsche zu dieser Zeit noch keine diplomatische Vertretung in Ägypten haben, suchen deutsche Reisende, wie aus Nützels Bericht zu ersehen ist, die Unterstützung europäischer Konsuln, die ihnen Unterkunft und Hilfe bei auftretenden Problemen gewähren: Als wir nun hinein in die Stadt Alexandria kamen, wurden wir von dem venedischen Vizekonsul daselbst, Aloisio Donato, freundlich empfangen, welchem wir unsern Zustand, auch Verlust des Gelds und der Kommendationsschreiben, so wir an ihn und andere gehabt, klagten, baten demnach denselben Venediger, uns in unsern größten Nöten behilflich zu sein. Als wir nun also von ihm allen guten Willen, den er uns erzeigte, sahen und in das venedische Kaufhaus führen und daselbst etliche Kammern ausräumen und zurichten ließ, erbot sich auch, unterdessen mit 100 Dukaten behilflich zu sein (Nützel. Anton Ernstberger (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 45).

Die Darstellung des islamischen Orients im deutschen Ägyptenreisebericht der Frühen Neuzeit wird durch zwei Faktoren bestimmt: religiösen Antagonismus und machtpolitische Gegnerschaft. Kriegerische Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft werden dabei nicht nur in Osteuropa und im Mittelmeer, sondern auch im Roten Meer ausgetragen. So berichtet Fernberger, wie zuvor Wormser und Löwenstein, dass die Türken einen Stützpunkt in Suez haben, wo sie Schiffe mit großem Aufwand und hohen Kosten bauen: „Denn sie wissen am besten, wie wichtig es für sie ist, jene Bucht des Roten Meeres mit ihrer Flotte nicht nur von einem Einfall, sondern von der völligen Besetzung durch die Portugiesen, die dies auch schon früher versucht haben, frei und sicher zu halten“.²³³ Fernberger weist aber auch darauf hin, dass die Genueser gegen „viele Golddukaten“²³⁴

233 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 28. Bezüglich der Kosten berichtet Fernberger auf S. 28: „Dort [Suez] werden Galeassen gefertigt, wobei das Holz und andere Bestandteile zuerst über das Meer aus dem Tatarenland nach Konstantinopel, von dort mit Schiffen nach Alexandria, dann nilaufwärts nach Kairo und von dort auf dem Landweg mit Kamelen hierher gebracht werden, sodaß diese Schiffe die Türken sehr viel kosten“. 234 Georg Christoph Fernberger, Reisetagebuch, Frankfurt a.M. 1999, S. 12.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

die Türken bei der Eroberung christlicher Gebiete mit zwei Schiffen unterstützt haben. Reale Politik und religiöser Gegensatz scheinen sich somit zu arrangieren, solange Profit erzielt werden kann. Wie bereits beim Handel in Alexandrien, Rosette oder Kairo, handelt es sich auch hier um eine kaufmännische Toleranz, die den religiösen Gegensatz zeitweilig überdeckt, aber nicht in Frage stellt. Die Dichotomie Christ-Türke findet sich damit bei Nützel und Fernberger ebenso wie bei Löwenstein und Wormser und steht für den Gegensatz zwischen Christenheit einerseits und der Welt der ungläubigen, aber militärisch mächtigen Türken andererseits, die stellvertretend für die islamische Welt stehen. Auch die deutschen Gefangenenberichte der Frühen Neuzeit bezeugen diese Machtverhältnisse. Denn sie sind keine freiwilligen Reisen, wie etwa Pilger- und Morgenlandreisen. Sie sind vielmehr – ebenso wie die Gesandtschaftsreisen, die die alljährlichen Tributgeschenke nach Konstantinopel bringen und so die Kapitulationen, d.h. diplomatischen Abkommen erneuern – als Beleg für die politische Lage und die Machtverhältnisse im 16. und 17. Jahrhundert zu werten, bei denen der islamische Orient, vertreten durch das Osmanische Reich, nicht der unterlegene Andere ist, sondern eine starke bis überlegene Macht, die in Europa gefürchtet und bekriegt wird, mit der man aber auch Handel treibt, Bündnisse eingeht und diplomatische Beziehungen pflegt. Wie die Einzelinterpretationen der Gefangenenberichte belegen, wird die Bezeichnung Türken als Synonym für Muslime allgemein gebraucht, was keinen Zweifel daran lässt, dass das deutsche Muslim- und Islambild von der Erfahrung des türkischen Vordringens in Europa beeinflusst ist – eine Tatsache, die bei Saids Orientalismuskritik mit seiner Konzentration auf den Machtdiskurs der Kolonialzeit nicht genug beleuchtet wird.²³⁵ Heberers Reisebericht zeigt beispielsweise, wie sich die drei Traditionen der Erinnerungsarbeiten an Ägypten (biblisches, pharaonisches, orientalisches Ägypten) und die beiden Diskurse der Ägyptomanie und des Orientalismus vermengen und zur Entstehung von Feindbildern beitragen. Denn durch die Reaktivierung biblischer Topoi und ihrer Korrelierung mit den Erfahrungen eines christlichen Sklaven im Osmanischen Reich werden die Relationen zwischen Okzident und Orient im Sinne einer Konversionserinnerung gedeutet. Heberers Orientalismus ist dabei aber kein Machtdiskurs, bei dem Wissen und militärische Macht eine Allianz eingehen, um den Orient zu beherrschen.²³⁶ Die Macht liegt hier vielmehr beim Osmanischen Reich. Auf der geistigen Ebene beansprucht Heberer dagegen

235 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 70–86. Vgl. hierzu auch Kapitel 5.5.2. 236 Zum Orientalismus als Machtdiskurs vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 10ff.

 5.5 Ägyptomanie und Orientalismus im Reisebericht der Frühen Neuzeit 

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die Macht für sich und den christlichen Kulturraum. Denn im Sinne der Konversionserinnerung wird auf Ägypten all das projiziert, was Moses und sein Volk nicht sind und nicht sein wollen. So wird dem Abendland ein Bild Ägyptens geliefert, das im Gegensatz zu seinen Idealen steht und dem man infolgedessen überlegen ist. Hierfür steht Heberer als Exemplum, da ihn Gott durch seine Gnade aus der ägyptischen Sklaverei errettet. Der Orientalismus in den Gefangenenberichten ist also kein hegemonialer Orientalismus. Denn wie die Analyse zeigt, liegt die Macht beim Osmanischen Reich, belegt durch die militärische Überlegenheit des islamischen Orients und der Unterlegenheit des christlichen Abendlandes. Saids Annahme, dass „der unveränderliche Unterschied zwischen westlicher Überlegenheit und orientalischer Unterlegenheit das Wesen des Orientalismus“²³⁷ ausmache, ist somit zurückzuweisen. Saids Orientalismus, der in die machtpolitische Konstellation der Kolonialzeit eingebettet ist, blickt auf ältere Traditionen und Vorstufen zurück, die sich nicht in sein Konzept einordnen lassen. Inwieweit das Vordringen des Osmanischen Reiches bis vor die Tore Wiens in den Jahren 1529 und 1683 als Gegenkreuzzug anzusehen ist, sei dahingestellt.²³⁸ Tatsache ist aber, dass das Mächteverhältnis mit dem Fall Konstantinopels 1453 bis zur allmählichen Schwächung des Osmanischen Reiches ab Ende des 17. Jahrhunderts von einem starken islamischen Orient und einem meist unterlegenen Europa geprägt ist.²³⁹ Auch Almut Höfert zeigt, dass das europäische Wissen über das Osmanische Reich im 15. und 16. Jahrhundert „im Zusammenhang mit einer Machtkonstellation erwachsen ist, die sich grundlegend vom Kolonialismus des 19. Jahrhunderts unterschied“.²⁴⁰ Dadurch gelingt ihr eine Revision von Saids Machtkonzept für diese Zeit. Das militärisch unterlegene Europa bemächtigt sich des islamischen Orients aber epistemologisch, indem es Wissen und Informationen über den überlegenen Feind sammelt und nach bestimmten formalen Beschreibungsvorgaben, wie Religion, Staat, Sitten und Gebräuchen kategorisiert.²⁴¹ Diese formalen Vorgaben und Kategorien seien dabei zwar dieselben, die auch zur Beschreibung anderer Kulturen und sogar der eigenen Gesellschaft eingesetzt und vom apodemischen Schrifttum übernommen werden bzw. darauf Einfluss ausüben. Dies soll aber, mit Höfert gesprochen, nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie Beschreibungsräume eröffnen, die zwar als „wertungs-, aber

237 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 52; vgl. hierzu auch S. 10ff. und S. 49. 238 Vgl. Aziz S. Atiya, Kreuzfahrer und Kaufleute, Stuttgart 1964, S. 132–141. 239 Zur Geschichte des Osmanischen Reiches siehe Udo Steinbach, Geschichte der Türkei, München 2003; Suraiya Faroqhi, Geschichte des Osmanischen Reiches, München 2004. 240 Almut Höfert, Den Feind beschreiben, Frankfurt a.M. [u.a.] 2003, S. 318. 241  Vgl. Almut Höfert, Den Feind beschreiben, Frankfurt a.M. [u.a.] 2003, S. 319.

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 5 Ägypten in der deutschen Reiseliteratur der Frühen Neuzeit

nicht wertfrei“²⁴² anzusehen sind. Infolgedessen ist auch das in den deutschen Ägyptenreiseberichten vermittelte Orient- und Islambild dieser Zeit nicht als wertfrei anzusehen, auch wenn es durch die Respektierung formaler Regeln entstanden ist, wie sie die systematische Apodemik zur Erfassung, Beschreibung und Ordnung des Erfahrungswissens über den Anderen bietet. Zudem wird die Verbreitung des gesammelten Wissens über den Anderen durch den von Gutenberg erfundenen Buchdruck mit beweglichen Lettern medienwirksam. Auch hierbei ist zu bedenken, wie der Historiker Ludolf Pelizaeus konstatiert, dass sich die Medienwirksamkeit oftmals an wirtschaftlichen Überlegungen orientiere und „in vielen Fällen alles andere als wahrhafte und allein am Angetroffenen orientierte Beschreibungen“²⁴³ bedeute. Der Orientalismus der Frühen Neuzeit ist in einer anderen Machtkonstellation entstanden als der Orientalismus der Kolonialzeit. Er bezeugt, dass mächtige Fremdheitsdiskurse und imagologische Repräsentationen im Zeichen der Ohnmacht, Angst und Feindseligkeiten entstehen können, die aus politischen, ökonomischen und religiösen Gegensätzen resultieren. Wenn Saids Orientalismus als hegemonialer Machtdiskurs zu verstehen ist, bei dem Wissen und militärisch-technische Macht eine Allianz eingehen, um den Orient zu beherrschen und auszubeuten, dann kann der Orientalismus der Frühen Neuzeit als ein Diskurs der Ohnmacht angesehen werden, bei dem sich militärische Ohnmacht und Wissen verbünden, um die Herrschaft des Anderen abzuwehren bzw. dem Anderen seinen Schrecken zu nehmen. Beide Formen des Orientalismus sind somit als die beiden Seiten derselben Medaille anzusehen, da sie auf ungleichen Machtkonstellationen einerseits und andererseits auf der Vorherrschaft bestimmter Ideen in der eigenen Gesellschaft beruhen.

242 Almut Höfert, Den Feind beschreiben, Frankfurt a.M. [u.a.] 2003, S. 315. 243  Ludolf Pelizaeus, Der Kolonialismus, Wiesbaden 2008, S. 12.

Resümee Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es, das Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur bis zum 17. Jahrhundert zu untersuchen. Das Erkenntnisinteresse bezog sich dabei auf zwei Bereiche: die systematische Erfassung der Reiseberichte sowie die Untersuchung des vermittelten Ägyptenbildes. Dabei handelte es sich um Themengebiete, die in der Forschung bisher nur vereinzelt Berücksichtigung fanden. Es mangelte sowohl an bio-bibliographischen Werken als auch an Längsschnittstudien. Denn nach Khattabs Grundlagenwerk zum Ägyptenbild in der deutschen Reiseliteratur des Mittelalters wurde diese Aufgabe nicht weitergeführt. Diese Forschungslücke beginnt vorliegende Arbeit zu schließen, indem sie ein chronologisches Verzeichnis deutscher (und europäischer) Ägyptenreiseberichte von 383 bis 1845 vorlegt und so weitere Bausteine für umfassende Untersuchungen des Ägyptenbildes in der deutschen Reiseliteratur liefert. Das chronologische Verzeichnis enthält 144 deutsche Reiseschriften über Ägypten, die von 1175 bis 1845 reichen. Davon stammen 28 Berichte aus dem Mittelalter, 30 aus dem 16. Jahrhundert, 22 aus dem 17., 11 aus dem 18. und 53 aus dem 19. Jahrhundert. Damit wurde der künftigen Forschung eine solide Grundlage für die weitere Beschäftigung mit dem Ägyptenbild in der Reiseliteratur bereit gestellt und die nötige Grundlagenforschung erbracht, ohne die eine fundierte Untersuchung des deutschen Ägyptenreiseberichts nicht möglich ist. Die zweite Zielsetzung der Arbeit bezog sich auf die Analyse der transportierten Ägyptenbilder im deutschen Reisebericht von 1175 bis 1663. In den Fokus des Interesses rückten dabei die drei Bildelemente des biblischen, pharaonischen und orientalischen Ägypten sowie die Frage, wie sie im Spannungsfeld von Ägyptomanie und Orientalismus zueinander stehen. Genese und Entwicklung des Ägyptenreiseberichts wurden dabei ebenso beleuchtet wie die Mechanismen der Bildung von Stereotypen und Feindbildern. Daneben traten auch die Organisationsprinzipien des dargebotenen Wissens in den Fokus der Analyse sowie die zugrunde liegenden Darstellungsmuster und die soziokulturellen und reiselogistischen Grundlagen der Ägyptenreise. In der Kombination beider Zielsetzungen versuchte vorliegende Arbeit sowohl eine erste Gesamtdarstellung des deutschen Ägyptenreiseberichts zu leisten als auch das Besondere der einzelnen Reisewerke zu berücksichtigen. Bei der theoretischen und methodischen Grundlegung vorliegender Arbeit galt ein besonderes Augenmerk der Entwicklung eines Analyseinstrumentariums, das auf die Untersuchung des Ägyptenbildes im deutschen Reisebericht abgestimmt ist. Dazu wurden die Forschungsergebnisse von Ägyptomanie und Orientalismus ebenso herangezogen wie die Erkenntnisse der Reiseliteratur- und Fremdheitsforschung. Ergänzt wurden sie um Überlegungen zum biblischen Ägypten und zur Identitätsdebatte sowie zu topo- und ethnographischen Beschrei-

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 Resümee

bungsschemata. Vorliegende Arbeit schloss sich dabei der Erkenntnis der Fremdheitsforschung an, dass jede Kultur in der Auseinandersetzung mit anderen Kulturen zu Selbstdeutungen befähigt wird. Sie geht davon aus, dass die Sichtweise auf den Anderen bestimmten Denk- und Darstellungsmustern der eigenen Kultur folgt und sich somit dem Anspruch auf übergreifende Wahrheit und Universalismus entzieht. Das Erleben des Fremden wird dabei als Ausdruck einer bestimmten raumzeitlichen Beziehungsweise verstanden. Mit diesem Fremdheitskonzept wird die Wandelbarkeit und Beeinflussbarkeit von Mechanismen der Eigen- und Fremdzuschreibung bzw. der Bildung von Stereotypen und Feindbildern zugelassen. Daher fragte vorliegende Arbeit nicht nach der Wahrheit des Berichteten. Im Mittelpunkt standen vielmehr das vermittelte Ägyptenbild, die Darstellungsmuster und Organisationsprinzipien des dargebotenen Wissens. In kritischer Auseinandersetzung mit den Theorieansätzen von Ägyptomanie und Orientalismus konnte gezeigt werden, dass Ägypten im deutschen Reisebericht ein ambivalentes und facettenreiches Bild besitzt, das nicht auf einen einzigen Aspekt reduziert werden kann. Denn erst mit der Berücksichtigung der verschiedenen Ägypten-Diskurse lassen sich Bild und Bedeutung Ägyptens in seiner Vielschichtigkeit und Polyfunktionalität adäquat erfassen. Daher bevorzugte vorliegende Abeit einen weiten Orientalismus-Begriff, der auch den Ägyptomanie-Diskurs und die Ägyptenrezeption im biblischen Kontext umfasst. Zugleich distanzierte sie sich von Saids Konzept eines monolithischen Orientalismus, um einen umgekehrten Orientalismus (d.h. Okzidentalismus) zu umgehen und den Blick auf die verschiedenen Facetten der Kulturbegegnung freizulegen. Unter Orientalismus fasste vorliegende Arbeit somit die westlichen Erfahrungs- und Erinnerungsarbeiten an orientalischen Kulturräumen, darunter auch Ägypten. Die hegemoniale Denkweise der Beziehung, die bei Said zum Ausdruck kommt, wurde dagegen als Sonderform begriffen, die am jeweiligen Text zu überprüfen ist. Eine erste Auswertung der ermittelten Reiseberichte erfolgte im zweiten Kapitel vorliegender Arbeit, dessen Ziel es war, einen Überblick über die deutschen Ägyptenreiseberichte zu geben und eine begründete Textauswahl zu treffen. Die Reiseberichte wurden hinsichtlich Sprache, Reisezeit und historischer Hintergründe sowie Routen und Kompositionsmuster ausgewertet. Dabei konnte festgestellt werden, dass Reiseroute und Komposition geeignete Parameter darstellen, um die Ägyptenreiseberichte zu klassifizieren und bestimmten Modellen zuzuordnen. So wurde die Grundlage für eine repräsentative Auswahl der Reiseberichte geschaffen, die den Untersuchungsgegenstand der folgenden Kapitel bildeten. Bei den analysierten Berichten handelt es sich um 5 europäische Reisewerke aus dem 1. Jahrtausend (Egeria, Paula, Pilger von Piacenza, Arkulf, Bernardus Monachus) und um 16 deutsche Reiseschriften vom 12. bis zum 17. Jahrhundert (Burchard von Straßburg, Burchardus von Monte Sion, Boldensele, Egen,

Resümee 

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Katzenellenbogen, Ketzel, Tucher, Feyerabend, Beyrlin, Löwenstein, Wormser, Nützel, Fernberger, Heberer, Schmidt, Wallsdorff). Darüberhinaus wurden weitere Werke herangezogen, um Entwicklungen im vermittelten Ägyptenbild zu konkretisieren. Als Auswahlkriterien dienten Reisezeit, Reiseroute und Reiseart sowie Themenauswahl, Reise- und Schreibmotiv. Bei den Einzelinterpretationen standen somit Fragen nach Reisekultur, Themenauswahl und Darstellung ebenso im Mittelpunkt wie das Ägyptenbild (biblisch, pharaonisch, orientalisch) und seine Stellung zwischen Ägyptomanie und Orientalismus. Dadurch wurde sowohl Einblick in einzelne Reisewerke gewährt als auch Entwicklungen im deutschen Ägyptenreisebericht bis zum 17. Jahrhundert herausgearbeitet. Die Analysen zeigten dabei, dass der Ägyptenreisebericht in verschiedenen Kontexten anzusiedeln ist und ein facettenreiches Ägyptenbild transportiert. Im 4. Jahrhundert setzt eine neue Tradition des christlich motivierten Reisens ein, die den deutschen Ägyptenreisebericht entscheidend prägt. Denn bis zum 17. Jahrhundert gehört die Mehrheit der ermittelten Berichte in den Kontext der Pilgerund Morgenlandreisen. Die europäischen Reiseberichte des Frühchristentums dokumentieren so zum einen, dass Ägypten von Anfang an eine wichtige Station der offenen Jerusalempilgerfahrt und ein beliebtes Ziel des christlich motivierten Reisens darstellt. Zum anderen bezeugen sie, dass deutsche Reisende auf eine christlich-europäische Tradition der Ägyptenreise zurückblicken, in der sie etablierte Strukturen, Grundmuster und Themen für ihre Beschreibung vorfinden. Nach ihrer Hochblüte im Spätmittelalter nehmen die Pilgerreisen nach Palästina und Ägypten stark ab. In der neuen Form der protestantischen Pilger- und Morgenlandreisen erleben sie jedoch ab Mitte des 16. Jahrhunderts einen erneuten Aufschwung. Zwischen 1550 und 1639 erfährt der deutsche Ägyptenreisebericht mit 41 überlieferten Berichten über Pilger-, Morgenland- und Gefangenenreisen die größte Blütezeit. Zu den Pilgern und Morgenlandreisenden gesellen sich Gesandte, Kreuzfahrer, Kaufleute und Kriegsgefangene. Diese Zeugnisse weisen auf Begegnungsformen mit dem Land am Nil hin, die außerhalb der Pilgertradition liegen. Sie bezeugen damit, dass die Ägyptenreise nicht nur als Teilziel einer Jerusalempilgerfahrt, sondern auch als selbständige Reise anzusehen ist und/ oder aus anderen Motiven unternommen wird. Darüberhinaus ist zu vermerken, dass der deutsche Ägyptenreisediskurs bis zum 18. Jahrhundert als männliche Domäne gilt. Denn nur 4 der 144 ermittelten deutschen Ägyptenreiseberichte stammen von Frauen.¹

1 Es handelt sich um Regula Engel von Langwies (1798–1801), Wolfradine Auguste Luise von Minutoli (1820–1821), Ida Pfeifer (1842) und Ida von Hahn-Hahn (1843–1844).

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 Resümee

Die Analysen zeigten weiterhin, dass die Reiseberichte zumeist dem Reiseablauf folgen und sich auf ausgewählte Routen und Stationen im Sinai und in Nordägypten (Sinai, Rotes Meer, Kairo, Alexandrien, Damiette und Nildelta) beschränken. Als Reisemotivation gilt oftmals der Besuch der heiligen Stätten und biblischen Gedächtnisorte in Ägypten. Dadurch wird, um mit Assmann zu sprechen, der besondere Ort Ägyptens als integraler Bestandteil des christlichen Selbstverständnisses und der eigenen Identität im kollektiven Gedächtnis des Abendlandes deutlich.² Dass das Ägyptenbild durch das Mittelalter und die Frühe Neuzeit hindurch im Abendland lebendig bleibt, ist vor allem der biblischen Pilgertradition und Reiseliteratur zu verdanken. Da das religiöse Element die Hauptmotivation der Reise ausmacht, steht im Reisebericht die Schilderung des biblischen Ägypten im Vordergrund. Die Berichte weisen dabei große Ähnlichkeit bei der Beschreibung der biblischen Erinnerungsorte auf. Denn sie greifen auf Grundmotive des biblischen Ägypten zurück, die durch die Pilgertradition, die kanonisierten Ablassverzeichnisse und Pilgerführer geformt wurden. Wiederkehrende Elemente sind die biblischen Gedächtnisorte im Sinai mit ihrem heilsgeschichtlichen Bezug zum Berg Sinai und Moses sowie den Wundern und Reliquien der Heiligen Katharina. Daneben treten biblische Erinnerungsorte in Kairo mit Bezug zur Flucht der Heiligen Familie (Balsamgarten, Altkairo) und zur alttestamentalischen Heilsgeschichte (Joseph, Moses) sowie mönchische Traditionen und Heiligenreliquien bei Kairo, Alexandrien und dem Roten Meer, die auch zu Ablasszwecken aufgesucht werden. Nichtreligiöse Beweggründe, wie Weltinteresse und Neugier auf das pharaonische und orientalische Ägypten werden – vor allem im mittelalterlichen Reisebericht – meist nicht thematisiert. Die Themenwahl und die Erweiterung um profane Sachverhalte lassen jedoch die Annahme von Weltinteresse und Neugier als mögliche Reisegründe zu. Denn trotz des Vorrangs religiöser Elemente finden sich auch Grundmotive der Beschreibung altägyptischer Kulturleistungen (Pyramiden, Sphinx, Mumien, Obelisken, Pompejussäule), orientalischer Landschaften (Wüste, Nil, Delta, Rotes Meer) und anderer Sachverhalte (Handel, Hühnerbrutöfen) in den Reiseberichten, die auch die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt (Banane/Paradiesäpfel, Balsamgarten, Krokodil, Nilpferd, Elefant, Giraffe, Kamel) thematisieren. Trotz der konstatierten Ähnlichkeit des Ägyptenbildes lässt sich ein individueller Umgang mit Informationen, Erlebnissen und Themen erkennen. Die Individualität und persönliche Note der Reiseautoren drückt sich dabei in der Auswahl von Grundmotiven und in der Darstellung aus. Die Analysen arbeiteten zudem heraus, dass die Dominanz bestimmter Elemente von den Schreibmotiven der Reiseautoren abhängt.

2 Vgl. Jan Assmann, Ägypten. Eine Sinngeschichte, München 1996, S. 476.

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So fokussiert z.B. Burchard von Straßburg in seiner Funktion als Gesandter das orientalische Ägypten, da er seinem Auftraggeber einen Bericht über Stärken und Schwächen des Feindes vorzulegen beabsichtigt. Das orientalische Ägypten dominiert auch Boldenseles Reisebericht, der seinem Auftraggeber als Wegweiser für einen geplanten Kreuzzug dienen soll. Mit dem veränderten Weltbild und dem Einfluss des apodemischen Schrifttums ergeben sich in der Frühen Neuzeit schließlich bedeutende Neuerungen, die zur Systematisierung und Moralisierung des Reisediskurses führen. Mit der Aufwertung der Mobilität und der theoretischen Neugier steht das Reisen nunmehr im Dienst der Vervollkommnung des Menschen und des Gemeinwesens. Die Analysen zeigten dabei, dass die Ägyptenreise verstärkt Teil einer Europa- und Morgenlandreise ist, bei der weitere Reiseziele gleichwertig neben das Heilige Land treten. Als neue Merkmale des frühneuzeitlichen Ägyptenreiseberichts sind Reflexion und Moralisierung, erweiterte Themenwahl, Strukturierung und Respektierung apodemischer Beobachtungs- und Beschreibungsschemata zu nennen. Die Anzahl der Ägyptenreiseberichte in Feyerabends Reisesammlung und Ägyptens Stellung in Beyrlins Reiseführer bezeugen die Lebendigkeit des Ägyptenbildes in der Gedankenwelt der Zeit und die Bedeutung Ägyptens im frühneuzeitlichen Reisediskurs. Beide Werke fungieren als Multiplikatoren des Wissens und spiegeln die Interessen ihrer Zeit. Sie tragen in überlagernder Koexistenz zur Formung und Zirkulation eines Ägyptenbildes bei, welches alte und neue Elemente umfasst. Während die Reiseberichte von Löwenstein und Wormser am Übergang zwischen Spätmittelalter und Früher Neuzeit stehen, sind die Berichte von Nützel und Fernberger unverkennbar durch die Apodemik geprägt. Die Gefangenenberichte von Michael Heberer, Nicolaus Schmidt und Christian von Wallsdorff sind ebenfalls durch die Apodemik beeinflusst. Sie sind zudem durch die harte Dienstbarkeit eines Sklavendaseins geprägt. Mit den neu eingeschlagenen Reiserouten finden sich in den Reiseberichten auch neue, bisher nicht erwähnte Orte und andere Themen. Die Neuerungen in Reiseroute und Komposition beziehen sich v.a. auf die Sinaireise. Nachdem am Ende des 15. Jahrhunderts der direkte Sinai-Binnenweg von Jerusalem zum Katharinenkloster unsicher wird, ist eine alternative Reiseroute nötig. Diese verläuft entweder auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße zwischen Kairo und Gaza, wie bei Löwenstein und Wormser, oder von Kairo über Damiette nach Syrien-Palästina, wie bei Fernberger und Nützel. In beiden Fällen wird Kairo im Gegensatz zum mittelalterlichen Reisebericht zum Ausgangs- und Endpunkt der Sinaireise. Zwar erscheinen im frühneuzeitlichen Reisebericht dieselben biblischen Gedächtnisorte wie im Reisebericht des Mittelalters. Es lässt sich jedoch feststellen, dass sie zugunsten des pharaonischen und orientalischen Ägypten in den Hintergrund treten. Im Vergleich zu den Reiseberichten des Mittelalters kommt dabei sowohl der Autopsie als auch der Systematik ein höherer

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 Resümee

Stellenwert zu. Und auch dem Bezug auf antike Schriften wird ein höherer Wert beigemessen. So speist sich z.B. das Ägyptenbild von Nützel und Fernberger aus den Quellen der Autopsie, der Tradition (Bibel, antiker Schriften, Reiseliteratur) und der Systematik (Apodemik). Auffällig ist dabei die persönliche Note der Reiseberichte, die in der Schilderung eigener Erlebnisse und Erfahrungen zum Tragen kommt. Sie dient der Unterhaltung, unterstreicht aber zugleich die Risiken einer Reise im Osmanischen Reich und die Hilflosigkeit des Reisenden in einer ihm fremden und feindlich erscheinenden Kultur. Die Schilderung persönlicher Erlebnisse dient schließlich auch der Stilisierung des Reisenden als Exemplum, da seine glückliche Rückkehr als Zeichen der Gottesgnadenschaft und göttlicher Vorsehung angesehen wird. Der Anspruch auf eine beinahe enzyklopädische Erfassung der Welt führt dazu, dass die Reiseautoren auch von Sachverhalten berichten, die sie nur mittelbar über andere Quellen erfahren. Der Reisebericht erfüllt so eine bewahrende und konservierende Funktion, die im Zeichen des allgemeinen Nutzens frühneuzeitlicher Reiseberichte anzusiedeln ist. Eine Neuheit stellt Heberers Beschreibung der Kleidung der Ägypter dar. Auffällig ist auch sein Rückgriff auf den alttestamentlichen Topos von Ägypten als Sklavenhaus zur Beschreibung seines Sklavendaseins im osmanischen Ägypten. Heberers Reisebericht zeigt somit beispielhaft, wie sich die drei Traditionen der Erinnerungsarbeit an Ägypten (biblisch, pharaonisch, orientalisch) und die beiden Diskurse der Ägyptomanie und des Orientalismus vermengen und zur Entstehung bzw. Verfestigung von Stereotypen und Feindbildern beitragen. Im Rahmen vorliegender Arbeit konnte weiterhin gezeigt werden, dass sich das im Reisebericht vermittelte Ägyptenbild im Spannungsfeld von Ägyptomanie und Orientalismus bewegt. So stellten die Analysen bei der Rezeption altägyptischer Kulturleistungen heraus, dass die Verstummtheit von Altägypten als Botschaft – aufgrund der verloren gegangenen Kenntnis der altägyptischen figürlichen Schrift (Fernberger) – die Ausbildung eines esoterischen Ägyptendiskurses begünstigt. Denn der Reisende ist angesichts der sichtbaren Spuren Altägyptens aufgefordert, den leer gewordenen Raum im kollektiven Gedächtnis der Menschheit zu füllen, um den Schleier des Geheimnisvollen um Sinn und Funktion altägyptischer Denkmäler zu lüften. Wie die Einzelanalysen zeigten, geschieht dies durch scharfsinnige bis wunderbare, meist aber durch biblische Deutungen. So favorisieren die mittelalterlichen Reiseberichte die biblische Deutungstradition des 1. Jahrtausends, die in den Pyramiden die Kornspeicher Josephs sieht. Form und Aussehen, Monumentalität und Vergleich mit Bergen sind wiederkehrende Beschreibungselemente. Boldenseles (1332/4) kritische Deutung der Pyramiden als Grabmäler stellt im deutschen Ägyptenreisebericht jedoch lange Zeit die Ausnahme dar und wird erst bei Felix Fabri (1483) als einzig gültige Deutung wieder aufgegriffen. Fabris Rekurs auf antike Autoren als Beweis für die Grabmäler-These

Resümee 

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markiert dabei den Anfang der antiken Rezeption im Reisebericht und deutet auf den neuen Reisediskurs der Frühen Neuzeit voraus, in dem beide Thesen eine Synthese eingehen, die das Nebeneinander biblischer, antiker und auf Autopsie beruhender Deutungen harmonisch vereint. Obgleich damit die Beschreibung der Pyramiden als pharaonische Grabstätten und Wunder der alten Welt den Bereich der biblischen Deutungen verlässt, schwinden biblische Deutungstraditionen nicht ganz. Denn zum einen wird der biblische Ort der Kornspeicher nunmehr in Altkairo angesiedelt. Und zum anderen ranken sich zwei neue biblische Deutungen um die Pyramiden. So sollen sie von den Kindern Israels auf Befehl der Pharaonen in Fronarbeit erbaut worden sein. Und der leer stehende Granitsarg in der Cheops-Pyramide wird als Grab des ertrunkenen Pharao des Exodus angesehen, weswegen er auch leer stehe. Die Einzelinterpretationen belegen somit, dass sich im deutschen Ägyptenreisebericht durch die Jahrhunderte der Ausdruck von Ehrfurcht, Staunen und Unfassbarkeit angesichts dieser erhabenen Monumentalbauten findet. Als weitere Bildelemente des alten Ägypten sind auch die Denkmäler des pharaonischen und griechisch-römischen Ägypten zu nennen, wie die Obelisken und die Pompejussäule zu Alexandrien. Während diese Bildelemente den Ägyptenreisediskurs seit dem Mittelalter prägen, treten im frühneuzeitlichen Reisebericht mit Mumien und Sphinx zwei neue Bildelemente zutage. Der Besuch bei den Mumiengräbern in Sakkara wird im 16. Jahrhundert zu einem integralen Bestandteil der Ägyptenreisebeschreibung. Dabei geben die Reiseautoren nicht nur eine Definition der Mumien, sondern gehen auch auf die Bestattungsriten der alten Ägypter ein. Diese Mumienbegeisterung findet auch ihren Niederschlag in Grimmelshausens Simplicissimus, der sein Pilgersein aufgibt und zum Fremdenführer wird: „unter andern war jenseit des Nili ein Ort, da man die Mumia gräbt, das besichtigt ich etlichmal, item an einem Ort die beide Pyramides Pharaonis und Rhodope; machte mir auch den Weg dahin so gemein, daß ich Fremde unkennlich alleinig dahin führn dorfte“.³ Hierin zeigt sich sowohl die Fruchtbarkeit des Reisediskurses für die deutsche Literatur als auch die Macht der Ägyptomanie, die einen frommen Pilger in ihren Bann zieht. Der Sphinx wird zum ersten Mal von Fabri und Breydenbach (1483) erwähnt und als Bild der Isis gedeutet. Auch Nützel und Fernberger deuten den Sphinx als Bild der Isis. Ihre Schilderung zeichnet sich jedoch durch größere Ausführlichkeit aus und verdeutlicht, dass man Isis als Göttin der Natur zu rezipieren beginnt. Weitere Bildelemente um den Sphinx stellen die geheimen unterirdischen Gänge und seine Funktion als Orakel dar. Während Heberer eine astronomische Deutung liefert, deutet Wormser den

3 Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen, Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch, Stuttgart 1996, S. 670.

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 Resümee

Sphinx als Kopf einer Hetäre namens Rhodopis und erzählt eine wundersame Geschichte, die an das Aschenputtelmärchen erinnert. Von einem weisheitlichen Diskurs Altägyptens zeugen Fabri und Breydenbach. Denn sie berichten davon, dass große Persönlichkeiten der Antike Ägypten bereisen, um bei Ägyptens weisen Priestern zu lernen. Aus ihren Ausführungen geht somit hervor, dass in der Antike ein idealisiertes bis esoterisches Bild begründet wird, das Ägypten als Ursprungsland der Weisheit und Mysterien ansieht. Dieses esoterische Bild wird von beiden Reiseautoren aufgegriffen und im Reisebericht weitertradiert. Bezüglich Assmanns Mosaischer Unterscheidung lässt sich somit feststellen, dass die deutschen Reisenden Ägypten nicht im Sinne einer dekonstruktiven Erinnerung, sondern vielmehr im Sinne einer Konversionserinnerung rezipieren. Die Unterschiede bei der Deutung altägyptischer Kulturleistungen stehen zudem für die persönliche Note der Reiseberichte. Bezüglich der Repräsentation des orientalisch-islamischen Ägypten wurde bei den Einzelinterpretationen festgestellt, dass im Reisebericht des Mittelalters von einer grundlegenden Unterscheidung zwischen Christen und Sarazenen/Heiden ausgegangen wird, die im frühneuzeitlichen Reisebericht durch die Dichotomie Christ–Türke ersetzt wird. Selbst bei einem differenzierten Vorgehen in der Darstellung von Islam und Muslimen bleibt diese Dichotomie bestehen: Auf der einen Seite steht die Welt der europäischen Christen, auf der anderen Seite die Welt der orientalischen Heiden/Sarazenen/Türken. Die Unterscheidung zwischen wahr und unwahr in der Religion, die auch zur Unterscheidung von Christen und Muslimen führt, liegt damit auch dem deutschen Ägyptenbild zugrunde und führt Assmann zufolge zur „Ausbildung und Reproduktion kultureller Identität durch Abgrenzung“.⁴ Eine Fremdheitserfahrung im Sinne der ethnographischen Entdeckung ist Reisenden somit solange nicht möglich, wie sie den vorherrschenden Wahrnehmungs- und Darstellungsmustern der eigenen Kultur unterliegen. Der damalige Glaube an eine universale Erkenntnismöglichkeit wirkt auch einer Fremdheitserfahrung im obigen Sinn entgegen. Denn hierbei wird die Repräsentation fremder Kulturen im Reisebericht als objektive Wahrheit verstanden, was zur Ausbildung machtvoller Fremdheitsdiskurse führt, die die Realität allmählich ersetzen können. In diesem Sinne kann der Orientalismus des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als orientalistischer Diskurs im Sinne Saids verstanden werden, da er Einfluss bzw. Macht darauf ausübt, wie man Ägypten und den Islam im Reisebericht darstellt. Saids hegemonialer Orientalismus der Kolonialzeit lässt sich aber nicht einfach auf das Mittelalter und die Frühe Neuzeit übertragen. Denn in der besagten Zeit sprechen die Machtver-

4 Jan Assmann, Moses der Ägypter, Frankfurt a.M. ²2000a, S. 26.

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hältnisse von einem unterlegenen christlichen Europa und einem überlegenen islamischen Orient. Saids Annahme, dass „der unveränderliche Unterschied zwischen westlicher Überlegenheit und orientalischer Unterlegenheit das Wesen des Orientalismus“⁵ ausmache, ist somit zurückzuweisen. Denn aufgrund der Kreuzzugserfahrungen und der Machtstellung des ägyptischen Reiches, das die biblischen heiligen Stätten in Syrien/Palästina und Ägypten umfasst, wird Ägypten im Mittelalter als erster Repräsentant des islamischen Reiches wahrgenommen und als Hauptfeind der Christen dargestellt. Im Gegensatz zu Saids hegemonialem Orientalismus der Kolonialzeit fehlen dem Orientalismus des Mittelalters zwei wichtige Merkmale: die militärisch-technische Macht und das konkrete, systematische Wissen. Der Orientalismus im mittelalterlichen Ägyptenreisebericht baut somit vor allem auf dem religiösen Antagonismus und der Voreingenommenheit gegenüber der islamischen Welt auf. Im frühneuzeitlichen Ägyptenreisebericht wird die Darstellung des islamischen Orients dagegen verstärkt durch die machtpolitische Gegnerschaft bestimmt. Denn mit dem Fall Konstantinopels (1453) und der Eingliederung Palästinas und Ägyptens ins Osmanische Reich (1516/7) wird Ägypten nicht mehr als erster Repräsentant der islamischen Welt dargestellt. Dieses Bildelement geht auf das Osmanische Reich über. Wie aus den Analysen hervorgeht, betonen die Reiseautoren nun verstärkt die militärische Überlegenheit des islamischen Orients, die Furcht des christlichen Abendlandes vor Unterwerfung und erzwungener Konvertierung zum Islam. Auch die Gefangenenberichte und Gesandtschaftsreisen zeugen von diesen Machtverhältnissen. Sie berichten von politischen und religiösen Konfrontationen zwischen christlichem Europa und islamischem Orient in Europa, im Mittelmeer und im Roten Meer. Die Analysen zeigen aber auch, dass sich reale Politik und religiöser Gegensatz zu arrangieren scheinen, solange Profit zu erzielen ist. Hierbei handelt es sich meist um eine kaufmännische Toleranz, die den religiösen Gegensatz zeitweilig überdeckt, aber nicht in Frage stellt. Weiterhin geht aus den Analysen hervor, dass sich die politischen Beziehungen zwischen Europa und dem Osmanischen Reich auch auf diplomatischer Ebene abspielen. Saids Annahme, dass das Verhältnis des deutschsprachigen Kulturraumes zum Orient ein fast rein klassisches und wissenschaftliches Unternehmen sei, trifft somit nicht zu.⁶ Denn die Reiseberichte bezeugen, dass seit dem Vordringen der Osmanen bis vor die Tore Wiens zwischen beiden Kulturräumen konkrete politische und ökonomische Kontakte existieren, bei denen die Machtverhältnisse auf Seiten des überlegenen

5 Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 52; vgl. hierzu auch ebd., S. 10ff. und S. 49. 6 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 8, S. 11, S. 28.

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 Resümee

Osmanischen Reiches liegen. Die Einzelinterpretationen lassen somit keinen Zweifel daran, dass das deutsche Muslim- und Islambild von der Erfahrung des türkischen Vordringens in Europa beeinflusst ist. Diese Tatsache wird in Saids Orientalismuskritik jedoch nicht genügend herausgestellt.⁷ Der Orientalismus der Frühen Neuzeit ist somit in einer anderen Machtkonstellation entstanden als Saids moderner Orientalismus. Er bezeugt, dass machtvolle Fremdheitsdiskurse und imagologische Repräsentationen auch im Zeichen von Ohnmacht, Angst und Feindseligkeit entstehen können, die aus politischen, ökonomischen und religiösen Gegensätzen resultieren. Wenn Saids Orientalismus als hegemonialer Machtdiskurs zu verstehen ist, bei dem Wissen und militärisch-technische Macht eine Allianz eingehen, um den Orient zu beherrschen, dann kann der frühneuzeitliche Orientalismus als ein Diskurs der Ohnmacht angesehen werden, bei dem sich militärische Ohnmacht und Wissen verbünden, um die Herrschaft des Anderen abzuwehren. Beide Formen des Orientalismus sind somit zwei Seiten derselben Medaille, da sie sowohl auf ungleichen Machtkonstellationen als auch auf der Dominanz bestimmter Ideen in der eigenen Gesellschaft und Kultur beruhen.

7 Vgl. Edward W. Said, Orientalismus, Frankfurt a.M. [u.a.] 1981, S. 70–86.



Zweiter Teil: Ägypten in der deutschen Reiseliteratur Verzeichnis der Reiseberichte (383–1845)

Vorwort Unter Einbezug der Sekundärliteratur, der Reisesammlungen sowie der biographischen und bibliographischen Vorarbeiten unter anderem von Feyerabend, Stuck, Beckmann, Ehrmann, Paulus, Jäck, Jolowicz, Tobler, Röhricht, Kalfatovic, Kainbacher, Yerasimos, Donner, Khattab, Paravicini/Halm, Müller und der elektronischen Reise-Datenbank an der Eutiner Bibliothek versucht der zweite Teil vorliegender Studie, die deutschen Ägyptenreiseberichte möglichst umfassend von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu ermitteln. Ein Anspruch auf Vollständigkeit wird jedoch nicht erhoben. Die Ergebnisse liegen in Form eines kommentierten chronologischen Verzeichnisses der Reiseberichte vor. Damit ist die notwendige philologische Grundlagenforschung erbracht, ohne die die Untersuchung des deutschen Ägyptenreiseberichts nicht möglich ist. Hierin wird die Arbeit von Khattab fortgesetzt, in deren Studie die meisten deutschen Ägyptenreiseberichte des Mittelalters bio-bibliographisch erfasst und untersucht sind. Damit hoffe ich, einen Beitrag zur Erhellung der Geschichte des deutschen Ägyptenreiseberichts zu leisten und der künftigen Forschung eine solide Grundlage zu weiteren Forschungen bereit zu stellen. Wünschenswert wäre es, dass die begonnene Arbeit fortgesetzt wird. Vorliegendes Verzeichnis führt hauptsächlich Reiseberichte von Reisenden deutscher Herkunft. Eine Ausnahme bilden die Berichte europäischer Reisender des ersten Jahrtausends, die im Verzeichnis aufgenommen werden, um die Tradition der europäischen und somit auch der deutschen Ägyptenreisen zu beleuchten. Zudem erfasst das Verzeichnis vor allem Reiseberichte über tatsächlich unternommene Reisen nach Ägypten. Entsprechend der übergreifenden Zielsetzung der Arbeit werden fiktive Berichte oder literarische Werke, in denen eine fiktionale Ägyptenreise beschrieben wird, nicht aufgeführt. Eine Ausnahme bilden jedoch solche fiktive bzw. kompilierte Reiseberichte, die als authentische Quelle rezipiert wurden. Sie werden aufgrund ihres Einflusses auf das Ägyptenbild der Zeit ins Verzeichnis aufgenommen. Bevor das chronologische Verzeichnis beginnt, findet sich ein Abschnitt über Reisende, die nicht in Ägypten waren. Hier werden Autoren aufgeführt, denen in der bisherigen Forschungsliteratur irrtümlicherweise eine Reise nach Ägypten zugeschrieben wird. Diese Errata sollen durch die Vorbemerkung berichtigt werden. Dem chronologischen Verzeichnis folgt schließlich ein Index der Reisenden in chronologischer und alphabetischer Ordnung. Sie sollen eine schnelle Orientierung und ein gezieltes Auffinden der Berichte ermöglichen. Die chronologische Ordnung des Verzeichnisses richtet sich nach den Reisedaten, sofern sie ermittelbar sind, nach der Lebenszeit des Reisenden oder dem Jahr der Niederschrift bzw. der Veröffentlichung des Berichts. Ist die Datierung

328 

 Vorwort

in der Forschung umstritten, so werden die wichtigsten Reisedaten nebeneinander aufgelistet. Namensvarianten werden in Klammern angegeben. Die Einträge des Verzeichnisses folgen dann einem einheitlichen Aufbau, um die Orientierung und das Auffinden bestimmter Informationen zu erleichtern. Zunächst werden die maßgeblichen Editionen aufgeführt. Es handelt sich hierbei um Ausgaben, die der Verfasser selbst konsultiert hat und die als Grundlage für die Interpretationen im ersten Teil und die Kommentierung im vorliegenden Teil dienen. Hierauf folgt die Rubrik Weitere Editionen und Literatur. Hier werden weitere Ausgaben gelistet und die Forschungsliteratur aufgeführt, die sich speziell mit dem jeweiligen Autor oder Reisewerk beschäftigt. Diese Rubrik entfällt, wenn dies nicht zu ermitteln war. Unter dem Stichwort Kommentar stehen bio-bibliographische Angaben und Informationen zu Reiseverlauf, Reiseroute, Reisezeit sowie Inhalt und Struktur des Reisewerks. Bei schwer zugänglichen Texten finden sich darüber hinaus auch Zitate aus den Originalen, um dem Leser einen ersten Eindruck vom Werk zu vermitteln. Die Ausführlichkeit der Kommentare orientiert sich dabei insbesondere am Zeitrahmen der Studie und der Zugänglichkeit der Primärwerke. So finden sich Kommentare vor allem zu Reisewerken bis zum Ende des 17. Jahrhunderts, was dem Zeitrahmen des ersten Teils der Studie entspricht. Zudem steigt die Ausführlichkeit des Kommentars, je schwerer ein Werk zugänglich ist. Der Kommentar entfällt jedoch, wenn die Primärquelle nicht zu konsultieren war. Ab dem 18. Jahrhundert verringern sich die Kommentare, da diese Publikationen in der Regel leicht zugänglich sind. Am Ende eines jeden Eintrags werden die Quellen angegeben, die weitere Informationen zu Autor und Reisewerk führen. Unter Quellen sind dabei Nachschlagewerke, Reisesammlungen und häufig zitierte Sekundärliteratur zu verstehen, deren vollständige Angabe im Literaturverzeichnis nachgeschlagen werden kann.

Vorbemerkung: Reisende, die nicht in Ägypten waren 732–736: St. Willibald Khattab erwähnt in ihrer Studie, dass der Reisebericht von St. Willibald zu den bekanntesten Reiseschriften des ersten Jahrtausends über Ägypten gehört: „Wir besitzen […] bereits aus dem 1. Jahrtausend Reiseschriften über Ägypten. Die bekanntesten unter ihnen sind jene des Hieronymus (372), Arculfus (670), St. Willibald (732–6) und Bernhardus Monachus (865)“.¹ Die Überprüfung dieses Hinweises zeigt jedoch, dass St. Willibald weder Ägypten bereist noch in seiner Pilgerschrift von Ägypten berichtet. In seinem Werk kommt der Name Ägypten nur ein einziges Mal vor, und zwar im Bezug auf ein Schiff, welches von Ägypten kommt bzw. nach Ägypten segelt und mit welchem er und seine Gefährten auf ihrem Weg nach Palästina von Neapel bis Reggio (Kalabrien) reisen: After the ceremonies of Easter were ended, the active champion (of Christ) prepared for his voyage with his two companions, and left Rome. They first went eastward to the town of Daterina, where they remained two days; and thence to Cajeta, on the coast, where they went on board a ship and sailed over to to Nebule [Naples]. They here left the ship, and remained a fortnight. […] There, after waiting anxiously, in constant prayer that their desires might be agreeable to heaven, they found a ship bound for Egypt, in which they took their passage, and sailed to the land of Calabria, th the town which is called Rhegia [Reggio], and there remained two days; and then proceeded to the island of Sicily (Willibald, The Travels of Willibald, A.D. 721–727. In: Thomas Wright (Hg.), Early travels in Palestine. Comprising the narratives of Arculf, Willibald, Bernard, Saewulf, Sigurd, Benjamin of Tudela, Sir John Maundeville, de la Broquière and Maundrell, London 1848, S. 13).

1489: Niclas von Popplau Wolfzettel erwähnt die Reise des schlesischen Ritters Niclas von Popplau als weiteren Beleg für die offene Pilgerfahrt. Dieser Reisende habe, Wolfzettel zufolge, eine Jerusalempilgerfahrt unternommen und soll in Alexandrien umgekommen sein. Die zwei Jahrzehnte später (1483 bis 1486) von dem schlesischen Ritter Nikolaus von Popplau (Nicolaus de Popielovo) unternommene Pilgerfahrt vervollständigt das Modell

1 Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 15.

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 Vorbemerkung: Reisende, die nicht in Ägypten waren

einer Europa- und Nahostreise insofern, als der Ritter gleich im Anschluß an den Besuch Santiagos die zweite Reise ins Heilige Land unternimmt (wobei er in Ägypten umkommt).²

Laut Radzikowski, dem Herausgeber des Reiseberichts, war Niclas von Popplau jedoch weder im Heiligen Land noch in Ägypten. In seinem Bericht wird Ägypten nicht erwähnt. Die in der Sekundärliteratur verbreitete, aber nicht verifizierte Nachricht von seinem Tode in Alexandrien geht auf den schlesischen Genealogen Johann Sinapius aus dem 18. Jahrhundert zurück, wie Radzikowski feststellt. Sinapius gab eine kurze Notiz über die Reise von Popplaus, die durch die Angabe, daß von Popplau 1489 in Alexandrien starb, ergänzt worden ist. Woher diese Information stammt, kann nicht festgestellt werden. Bis heute spukt sie in der Literatur (man findet sie sogar in den neueren deutschen Bearbeitungen), doch ist sie höchstwahrscheinlich falsch.³

1498: Herzog Heinrich der Fromme von Sachsen und Stephan Baumgartner Für die im Jahre 1498 unternommene Pilgerreise von Herzog Heinrich dem Frommen von Sachsen und Stephan Baumgartner, Mitreisender und Autor des Reiseberichts, gibt Halm⁴ das Heilige Land und Ägypten als Reiseziel an. Vor ihm hat auch Hippler auf diese Reiseziele hingewiesen.⁵ Die Überprüfung zeigt jedoch, dass die Reisenden nicht in Ägypten waren. Im Bericht sind nur drei Stellen zu ermitteln, an denen Ägypten indirekt erwähnt wird: Am 17. Juli 1498 berichtet Baumgartner auf dem Weg von Venedig zum Heiligen Land von zwei Schiffen, die nach Alexandrien segeln wollen: „Item am 17. tag fuhren zwey schiff

2 Friedrich Wolfzettel, Reiseberichte und mythische Struktur, Stuttgart 2003, S. 129. 3 Piotr Radzikowski (Hg.), Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Kraków 1998, S. 13. Radzikowski geht dieser Legende nach und stellt Folgendes fest: „Kehren wir aber zurück zur Nachricht, als ob von Popplau nach seiner Rückkehr vom Westen sich nach dem Heiligen Land begeben hätte und in Alexandrien im Jahre 1489 oder 1490 gestorben wäre. Wir kennen schon ihre Quelle. Also in seiner, in der altrussischen Sprache in ‚Pamjatniki‘ erhaltenen Rede, erinnerte von Popplau, daß er, vor seiner Rußlandreise seinen Dienern gesagt hätte, er wolle zum Heiligen Grab über ‚Tatarisches Feld‘ sich begeben und erst nach dem Überschreiten der livländisch-russischen Grenze gab er ihnen zu verstehen, welches Ziel diese Reise eigentlich hätte. Indiskretionen der Popplauschen Diener wurden wahrscheinlich die Quelle der Legende, welche in nichts anderem als auf der Notiz von Sinapius basiert“; Piotr Radzikowski (Hg.), Reisebeschreibung Niclas von Popplau, Kraków 1998, S. 16. Vgl. auch ebd., S. 157 Anm. 1022. 4 Vgl. Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 288–290. 5 Vgl. Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 93, Anm. 136.

1767–1770: Johann Hermann von Riedesel 

 331

vonn unnss // Undt wollten fahren inn Alexandria. Aber der // Venediger haupmann bleib bey unnß“⁶. Am 21. August 1498 besichtigen die Pilger Bethlehem. In der Beschreibung der besuchten Orte wird Babilonia erwähnt. Diese Ortsangabe bezieht sich jedoch auf das alte Testament (Daniel 6, 1–29), nicht auf Ägypten: „Item am 21. tag Augusti rieten wier pilgram gehen // Betlahem; […] // Item dornach kamen wier an das endt, do der engel // Abacuckh bey dem schopff nam unndt furet ihn // gehen Babilonia, do Daniel lag inn der gruben der // löben“.⁷ Die dritte und letzte Stelle, die von Ägypten handelt, erzählt von den verschiedenen Konfessionen zu Jerusalem, darunter die „Jachobiten: die seindt hinter Egipten“.⁸ Damit kann also auch dieser Bericht aus der Liste der Reiseberichte über Ägypten ausgeschlossen werden.

1767–1770: Johann Hermann von Riedesel Kalfatovic führt in seiner Bibliographie über Reisende in Ägypten den Freiherrn Johann Hermann von Riedesel als einen Ägyptenreisenden auf und erwähnt den deutschsprachigen Reisebericht von 1771 sowie die englische Übersetzung von 1773, die Ägypten im Titel führt. Kalfatovic bemerkt jedoch, dass er die Reiseberichte selber nicht gesehen hat und erwähnt Hilmy als Quelle (vgl. Hilmy 1886–1888, II, S. 173). Hier liegt ein Mißverständis vor, wofür sich die englische Übersetzung des deutschen Reiseberichts verantwortlich zeichnet. In den Jahren 1767–1770 bereist Riedesel, der Mentor Goethes und Freund Winckelmanns, Sizilien, Griechenland, Konstantinopel, die Levante und Großbritanien. 1771 erscheint in Zürich sein Reisebericht Reise durch Sicilien und Großgriechenland. 1773 folgt ein zweites Buch zuerst auf Französisch Remarques d’un voyageur moderne au Levant und im gleichen Jahr auf Deutsch Bemerkungen auf einer Reise nach der Levante. Die Nachforschungen ergeben, dass Ägypten in den beiden erwähnten Reiseberichten nicht vorkommt. Die englische Übersetzung des ersten Reiseberichts, die 1773 in London erscheint, führt Ägypten jedoch im Titel: Travels through Sicily and that part of Italy formerly called Magna Græcia, and a tour through Egypt, with an accurate Description of its Cities, and the modern State of the Country. Der Übersetzer des Werks ist John Reinhold Forster. Damit stellen sich im Rahmen vorliegender Arbeit folgende Fragen: War Riedesel in

6 Stefan Baumgartner, Reise zum Heiligen Grab 1498 mit Herzog Heinrich dem Frommen von Sachsen, hg. von Thomas Kraus, mit einer Biographie von Lotte Kurras, Göppingen 1986, S. 22. 7 Stefan Baumgartner, Reise zum Heiligen Grab 1498, Göppingen 1986, S. 52. 8 Stefan Baumgartner, Reise zum Heiligen Grab 1498, Göppingen 1986, S. 69.

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 Vorbemerkung: Reisende, die nicht in Ägypten waren

Ägypten? Und wenn nicht, von wem stammt dann die Ägyptenreisebeschreibung in der englischen Übersetzung? Hierzu sei eine Anmerkung auf der Internetseite im Opac der Universität Göttingen zur englischen Übersetzung (Mikrofiche-Ausgabe unter der Signatur: MA 93–14:6170, no. 02) angeführt. Dort steht: „‚Travels through Sicily‘ is by Johann Hermann, Freiherr von Riedesel; ‚A journey through Egypt‘ is a translation by Forster of ‚Relation du voyage fait en Egypte par le Sieur Granger‘, a pseudonymous work by an author named Tourtechot“.⁹ Der Ägyptenteil im englischen Reisebericht stammt somit nicht aus der Feder Riedesels, sondern vom französischen Arzt und Botaniker Tourtechot alias Granger (gest. 1734), der Ägypten in den Jahren 1730–1732 bereist und einen Reisebericht darüber verfasst. Sein Reisebericht erscheint 1745 in Paris: Relation du voyage fait en Egypte, par le Sieur Granger en l’année 1730. Sein Bericht wird ins Deutsche und Englische übersetzt. Die englische Übersetzung kommt 1773 in London heraus: A journey through Egypt, containing An Account of all the remarkable Circumstances observable in that Country, especially in regard to its Natural History. Übersetzer des Reiseberichts ist John Reinhold Forster, der auch Riedesels Reisebericht übersetzt. Damit ist das durch die englische Ausgabe verursachte Missverständnis geklärt. Ob Riedesel Ägypten bereist, bleibt jedoch unklar. Denn Riedesel soll auch einen Ägyptenbesuch geplant haben, den er aber anscheinend nicht durchführen konnte. Becker bemerkt in der Einleitung zum Reisebericht: „Schwerlich wird er [Riedesel] den flüchtig aufgetauchten Plan der ägyptischen Reise ausgeführt haben, wenn auch Friedrich der Große seiner Schwester mitteilte, Riedesel habe Ägypten besucht“.¹⁰

9 http://opac.sub.uni-goettingen.de/DB=1/LNG=DU/CLK?IKT=12&TRM=317293303 (Stand: 01.08.2010). 10 Eduard Edwin Becker, Einleitung. In: Johann H. von Riedesel, Randbemerkungen über eine Reise nach der Levante 1768, übers. von Lili M. Schultheis, Darmstadt 1940, S. 32. Vgl. Thomas Freller, Kavalierstour und Abenteuer im Ancien Régime – Der deutsche Adel auf Reisen. In: Deutsches Adelsblatt, Kirchbrak, 40/4 (2001), S. 86–90; Thomas Freller, Adlige auf Tour, Ostfildern 2007, S. 170–181 und 228.

1 Reiseberichte des ersten Jahrtausends Die meisten der nachfolgenden Berichte sind von Geyer (1898), Tobler/Molinier (1966) und Molinier/Kohler (1885) publiziert.¹ Eine deutsche Übersetzung einiger Reiseberichte findet sich in Donner (2002) mit Einleitung und detaillierten Literaturhinweisen. Zur ersten Orientierung bieten sich v.a. Wright (1848), Baumstark (1906), Wilkinson (1977) und Donner (2002) an. Über das okzidentale Araberbild im Frühmittelalter berichtet Rotter (1986). Jacob (1927) beschäftigt sich mit den arabischen Berichten von Gesandten an germanische Höfe aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Allgemeine bibliographische Angaben über Reisende und Reiseberichte über Ägypten beginnend mit Herodot bis zum Jahre 1918 findet man bei Kalfatovic (1992).

ca. 400 (381–384): Egeria (Aetheria/Eucheria/Silvia/die Aquitanierin) 1995. Aetheria: Itinerarium, [lateinisch – deutsch], übers. und eingeleitet von Georg Röwekamp, Freiburg im Breisgau 1995. [Mit Auszügen aus De locis sanctis des Petrus Diaconus]; [Fontes Christiani; 20]. 2002. Egeria: Peregrinatio Egeriae, deutsch In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 82–133. Kommentar: Heiliges Land, Ägypten (Sinai, Nildelta und Thebais), Ostjordanland und Mesopotamien. Fast vier Jahre dauert Egerias Pilgerreise. Das Datum ihrer Reise ist in der Forschung nicht unumstritten. Eine Frühdatierung zwischen 381–384 wird aber bevorzugt. Die Bedeutung des Reiseberichts liegt darin, dass er als der erste Reisebericht aus der Feder einer Frau gilt. Die Pilgerin namens Egeria bzw. Aetheria soll eine vornehme Nonne aus Aquitanien (Südfrankreich) oder wahrscheinlicher aus Galizien (Nordspanien) gewesen sein. Während ihrer vierjährigen Jerusalempilgerfahrt ist sie zweimal in Ägypten unterwegs. Bei der ersten Ägyptenreise kommt sie sogar bis in die Thebais. Der Bericht darüber ist aber verloren. Nur manches kann durch die Palästinabeschreibung Liber de locis sanctis in der überarbeiteten Version von Petrus Diaconus (1173) rekonstruiert werden, der Egerias Bericht benutzt und integriert.² Von der zweiten Ägyptenreise im Sinai und dem östlichen Nildelta ist ein fragmentarischer Reisebericht

1 Vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 4, Anm. 1. 2 Vgl. Anton Baumstark, Abendländische Palästinapilger, Köln 1906, S. 12; Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 78 und S. 296f. Beide Werke sind von Geyer herausgegeben: Paul Geyer (Hg.), Itinera Hierosolymitana saeculi IV-VIII, Vindobonae 1898.

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 1 Reiseberichte des ersten Jahrtausends

erhalten. Er wird von Röwekamp und Donner ausführlich eingeleitet und kommentiert. Den Reiseverlauf gibt Donner folgendermaßen wieder: Im Verlaufe von fast vier Jahren hatte die Pilgerin erhebliche Strecken zurückgelegt und dabei enorme Strapazen auf sich genommen. Sie war von Konstantinopel (23,8) nach Jerusalem gereist (9,6.7) und hatte dort eine Art Standquartier bezogen. Von da aus unternahm sie eine erste Reise nach Ägypten, über Pelusium und Alexandria bis hinauf in die Thebais (7,1; 9,1.6); der Bericht darüber ist leider verlorengegangen. Später brach sie zur zweiten Ägyptenreise auf, besuchte den Sinai, Clysma (das heutige Suez) und das biblische Land Gosen im östlichen Nildelta (1,1–9,7). Dann ging sie von Jerusalem durch den Jordangraben zum Berge Nebo im Ostjordanland (10,1–12,11) und nicht lange danach wieder von Jerusalem durch die Bucht von Bethschean nach Carneas in Südsyrien (13,1–16,7). Als ob das alles noch nicht genügt hätte, machte sie auf der Heimreise von Antiochia aus einen Abstecher nach Mesopotamien bis Edessa und Harrān (Carrhae) in der Provinz Osrhoëne (17,1–21,5). Schließlich kehrte sie über Tarsus und Seleukia in Kilikien nach Chalkedon und Konstantinopel zurück (22,1–23,10), setzte sich an den Schreibtisch und schrieb den Bericht über ihre Reisen nieder – nicht ohne den Damen Adressatinnen anzudeuten, sie werde vor der endgültigen Heimreise vielleicht noch Ephesus und andere Stätten besuchen (23,10). (Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 68f. Die Zahlen beziehen sich auf die Abschnitte in Egerias Reisebericht in der von Donner herausgegebenen Fassung).

Quellen: Baumstark, 1906, S. 5f., 18f., 27, 34, 39, 55, 60, 71f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 5f., 712; Kalfatovic, 1992, S. 3f.; Hornung, 1999, S. 99, 217; Donner, 2002, S. 68–81.

ca. 385/386: St. Hieronymus, Paula und Eustochium 2002. Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium cap. 6–14, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 141–163. [Ägypten: S. 161–163]. Weitere Editionen und Literatur: 1912. Hieronymus: Sancti Eusebii Hieronymi Epistolae, hg. von I. Hilberg, Wien, 1912, hier: Bd. 2, S. 306–351. [CSEL; 55]. 1914. Hieronymus: Des Heiligen Kirchenvaters Eusebius Hieronymus. Ausgewählte historische, homiletische und dogmatische Schriften, aus dem Lateinischen übers. von L. Schade, Kempten, 1914, hier: S. 95–149. [Bibliothek der Kirchenväter/1; 15]. Kommentar: Eine Hagiographie in Briefform, im Jahre 404 n.Chr. von St. Hieronymus über die 385/386 unternommene Ägyptenreise der römischen Patrizierin Paula und ihrer Tochter Eustochium, die er begleitet. Reisestationen und Aufbau: Vorwort und Hinreise (S. 141–147; Die Seitenangaben beziehen sich auf Donner,

ca. 385/386: St. Hieronymus, Paula und Eustochium 

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2002): Rom, Zypern, Antiochia, Syrien, Libanon, Heiliges Land; Jerusalem und Umgebung (S. 147–161); Ägyptenreise (S. 161–163): von Soccoth³ nach Gaza und auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße nach Ägypten, durch das östliche Nildelta: Gesen/Gosen, Thanis/Tanis, Alexandrien, das Hieronymus mit dem biblischen Ort Noo/No⁴, dem oberägyptischen Theben gleichsetzt, dann weiter zur Stadt Nitri; Aufenthalt bei den Mönchen in der Stadt Nitri (S. 162f.); Rückreise ins Heilige Land (S. 163): Auf dem Rückweg reisen sie von Pelusium per Schiff nach Maiumas zum Hafen von Gaza; Niederlassung im Heiligen Land und Schlusswort (S. 163). Der Teil über Ägypten lautet folgendermaßen: Ich mache mich nun auf den Weg nach Ägypten. In Soccoth und bei der Quelle Samsons, die er aus dem Backenzahn des Eselskinnbackens hatte hervorgehen lassen, will ich einen Augenblick verweilen und die trockenen Lippen netzen, um dann neugestärkt Morasthi zu sehen, einst das Grab des Propheten Micha, jetzt eine Kirche. Ich lasse die Städte der Chorräer, die der Gethäer, Maresa, Idumaea und Lachis beiseite und komme durch den außerordentlich weichen Sand, der den Wanderern die Füße wegzieht, und durch die weite Wüstenei zum ägyptischen Fluß Sior, übersetzt „trüber Fluß“, und zu den fünf ägyptischen Städten, die kanaanäisch sprechen. Dann geht es weiter zum Lande Gesen und in die Gefilde von Thanis, wo Gott Wunder tat, nach der Stadt Noo, die später in Alexandria umbenannt wurde, und zur Stadt des Herrn Nitria, wo täglich der Schmutz vieler durch reine Tugendlauge abgewaschen wird. Als sie das sah, und ihr der heilige und verehrungswürdige Bischof und Bekenner Isidorus entgegenkam, dazu zahlreiche Mönchsscharen, unter denen viele die Priester- und Levitenwürde zierte, freute sie sich zwar über die Verherrlichung des Herrn, hielt sich aber selber solcher Ehre für unwürdig. Was soll ich weiter erzählen von Macharios, Arsetes, Sarapion und den anderen Namen der Säulen Christi? Wessen Zelle betrat sie nicht? Zu wessen Füßen lag sie nicht? In jedem einzelnen Heiligen glaubte sie Christus selbst zu erkennen, und was immer sie ihnen darbrachte, brachte sie freudig dem Herrn dar. Welche wunderbare Leidenschaft und welche bei einer Frau kaum glaubliche Stärke! Ungeachtet ihres Geschlechts und ihrer körperlichen Zartheit wollte sie mit ihren Mädchen unter derart vielen tausend Mönchen wohnen! Und womöglich hätte sie das auch getan, wenn nicht größere Sehnsucht sie zurück zu den heiligen Stätten gezogen hätte. So kehrte sie denn angesichts der glühenden Sommerhitze zu Schiff von Pelusium nach Maiumas zurück, und zwar mit solcher Geschwindigkeit, daß man sie hätte für einen Vogel halten können. Wenig später nahm sie ihren dauernden Wohnsitz im heiligen Bethlehem und blieb zunächst drei Jahre lang in einer engen Herberge, bis sie Zellen und Klosteranlagen gebaut und eine Pilgerherberge an der Straße gegründet hatte, wo Maria und Joseph keine Herberge gefunden hatten. Bis hierher soll die Beschreibung ihrer Pilgerreise

3 Donner vermutet, dass Soccoth hier für Socho steht. Dieser Ort (= arab. Khirbet es-Shuweke) liegt ca. 11 km nördlich von Eleutheropolis. „Paula reiste selbstverständlich nicht direkt von Tabor aus nach Ägypten, sondern kehrte zuvor nach Jerusalem zurück, um die Straße über Eleutheropolis nach Gaza zu nehmen“. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 161, Anm. 128. 4 Vgl. hierzu (Jer 46,25; Ez 30,14ff.) für No oder (Nah 3,8) für No-Amon.

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 1 Reiseberichte des ersten Jahrtausends

reichen, die sie mit vielen Jungfrauen und in Begleitung ihrer Tochter unternahm (Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium, cap. 6–14, [deutsch], hier cap. 14. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 161–163).

Quellen: Tobler, 1867, S. 6f.; Baumstark, 1906, S. 8, 18f., 34 und 56f.; Wilkinson, 1977, S. 1f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 5–7 und 712; BBKL, Bd. 2, 1990, Sp. 818–821 (zu St. Hieronymus) und Bd. 7, 1994, Sp. 21–24 (zu Paula); Donner, 2002, S. 134–140.

zw. 518/530: Theodosius (Thedoricus) 2002. Theodosius: Theodosii de situ terrae sanctae, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 189–213. Kommentar: Es handelt sich um eine Art Reiseführer, ein Konglomerat verschiedener Schriften der Pilgerliteratur. Darin werden das Heilige Land und die umliegenden Länder beschrieben. Dabei bietet der Bericht „eine Fülle neuer wertvoller Informationen“ (Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 181). Er weist folgende Gliederung auf: In den Abschnitten 1–11 wird das Hl. Land […] beschrieben. […] Auf die Erwähnung der Tore Jerusalems (1) folgen die Routen, die von diesen Toren nach allen Gegenden der Windrose ausgehen: nach Osten (1), Norden (2), Südwesten (3), Nordwesten (4) und Süden (5). Danach schildert der Verfasser die weitere Umgebung Jerusalems (6) und schließlich Jerusalem selbst (7–11). In den Abschnitten 12–16 geht er dann allerdings nach Kleinasien und Ägypten hinüber. […] In den Abschnitten 23–32 wendet sich der Verfasser schließlich dem Umkreis des Hl. Landes zu: Phönikien, Ostjordanland, Sinai, Mesopotamien und Nordsyrien (Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 181f.).

Über Theodosius, dessen Name nur in zwei von zwölf Handschriften erwähnt wird, ist kaum etwas bekannt. Er soll Diakon oder Archidiakon gewesen sein. Donner vermutet, dass er aus Nordafrika stammt. Ein Ägyptenbesuch ist nicht gesichert (vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 182f.). Der Bericht stellt eine Ortsbeschreibung aus gemischter Materialsammlung dar, die von Theodosius redigiert bzw. zusammengestellt und möglicherweise mit Einschüben aus anderer Hand versehen ist. Die Vielzahl überlieferter Handschriften spricht für die Beliebtheit des Berichts. Er weist verschiedene Formen der Reiseliteraturgattung auf: Itinerar, Reisebeschreibung, Städte- und Provinzlisten, Bibelauszüge und Erzählungen (vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 185f.). Theodosius’ Angaben sind nicht immer korrekt. Interessant ist die kurze Beschreibung der Reiseroute von Jeru-

zw. 522/550: Cosmas Indicopleustes (Kosmas Indikopleustes) 

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salem über Aqaba zum Berg Sinai. Denn eine ähnliche Route über den Golf von Aqaba wird zwar auch bei Magister Thietmar (1217) beschrieben, kommt aber in den deutschen Reiseberichten eher selten vor. Die Textstellen zu Ägypten lauten folgendermaßen: 14. In Ägypten ist die Stadt Memphis, wo der Pharao wohnte, wo auch Joseph in den Kerker geworfen wurde. Dort sind zwei Klöster: das eine vandalischer, das andere römischer Religion, d.h. die Vandalen gehören zum hl. Jeremia, die Römer zum hl. Eremiten Apollonius [vielleicht ist damit Paulus gemeint, bemerkt Donner] (Theodosius, cap. 14. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 202). 16. Aus den armenischen Bergen entspringen zwei Flüsse, Tygris und Eufrates: der Tygris bewässert die Länder der Assyrer, und der Eufrates bewässert die Länder Mesopotamiens; der Phison aber bewässert das ganze Land Äthiopien und fließt bis Ägypten, der Geon bewässert das Land Euilath und fließt nahe an Jerusalem vorbei (Theodosius, cap. 16. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 203). 27. Beim Berge Sina in der Stadt Fara, wo der hl. Mose gegen Amalech kämpfte. Von Jerusalem nach Elusath sind es 3 Übemachtungsstationen, von Elusath nach Aila 7 Übernachtungsstationen, das der Makedone Alexander der Große gebaut hat. Von Aila bis zum Berge Syna sind es 8 Übernachtungsstationen, wenn man den kürzeren Weg durch die Wüste nehmen will, über Ägypten aber 25 Übernachtungsstationen (Theodosius, cap. 27. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 209f.).

Quellen: Tobler, 1867, S. 7f.; Baumstark, 1906, S. 11f. und 18f.; Wilkinson, 1977, S. 5; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 9; Donner, 2002, S. 181–188.

zw. 522/550: Cosmas Indicopleustes (Kosmas Indikopleustes) 1909. [Cosmas Indicopleustes]: The Christian topography of Cosmas Indicopleustes, hg. von Eric O. Winstedt, mit geographischen Anmerkungen, Cambridge, 1909. Weitere Editionen und Literatur: 1977. Der Ägypten betreffende Text findet sich auch englisch In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 73. Kommentar: Der aus Alexandrien stammende Mönch Cosmas Indicopleustes, der früher Kaufmann war und viele Länder wie Indien und Äthiopien bereiste, schreibt gegen 547 n.Chr. eine christliche Topographie, in der er den Exodus und die Stationen der Route im Einklang mit der Bibel beschreibt.: Clysma – Phoenicona – Wüste Sur – Marah – Elim/Raithu – Wüste (Manna) – Berg Sinai – Rephidim / Pharan – Berg Horeb/Berg Sinai. In seinem Bericht stehen somit das biblische Ägypten und die religiöse Geographie Ägyptens im Mittelpunkt:

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[Book 5] [196] and the Israelites crossed over. But when all the Egyptians in their chariots had pursued the Israelites as far as the middle of the sea, God in his anger caused the waters to rise against them, and they were drowned and slain. This happened at what is called Clysma, on your right as you go to the Mountain. And the tracks of their chariots can still be seen, preserved to the present day. They reach down to the sea from quite a distance away, and serve as a sign for the unfaithful — but not for the faithful. [197] When the Israelites had passed over to the other side, to the place called Phoenicona, they began their journey across the desert of Sur. Spreading over them a cloud by day, to prevent them fainting in the heat of the sun, the Lord led them forward; and by night he appeared to them in a pillar of fire, and led them through all that desert: as it is written, „He spread over them a cloud to cover them, and fire to give them light by night”. All this we may draw as follows. [a drawing] Then, going on from Marah, they came to Elim, which we now call Raithu. The twelve springs which used [199] to be there remain to this day, but at one time there were many more palm-trees there. Up to this point they had had the sea on their right the whole time and the desert on their left. But from now on they went up through the mountains, leaving the sea behind them, and journeying forwards into desert. And when they came to the half-way point between Elim and the Sinaian Mount, the manna came down on them. In that place they also kept the first Sabbath, according to the commands which God had given Moses by word of mouth at Marah. We can draw this as follows. [a drawing] In that desert, as they passed from Marah to Elim, and on from Elim towards Mount Sinai, quails came down upon them in the evening, and manna in the morning. And there, as I have said, they first began keeping the sabbath, and the manna stayed fresh from the Friday to the Sabbath, though on the other days it did not, but decayed and was spoiled. In this way they learned how to keep the sabbath, for when some of them wanted to collect manna also on the sabbath, they found none, as Scripture tells us. Next they camped in Rephidim, the place now called Pharan. And when they suffered from thirst, Moses took his staff in his hand, and went with the elders to Mount Horeb, which is near Sinai, about six miles from Pharan. There he struck the rock. Much water flowed out and the people drank. (Cosmas Indicopleustes. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 73).

Quellen: Wilkinson, 1977, S. 6; BBKL, Bd. 4, 1992, Sp. 540–542.

ca. 570: Pilger von Piacenza (Antonius Martyr) 2002. Pilger von Piacenza: Antonini Piacentini Itinerarium, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 243–295. [Ägyptenteil: Kapitel 31–45, S. 274–291]. Kommentar: Heiliges Land und Ägypten (Sinai, Paulusheiligtum am Roten Meer, Kairo, Menas-Stadt und Alexandrien), 2. Hälfte des 6. Jahrhunderts. Der Autor ist in der Forschung als Märtyrer Antoninus bzw. Pilger von Piacenza bekannt. Der Bericht erwähnt am Anfang, dass der Protagonist seine Reise von der oberitalienischen Stadt Piacenza aus unternimmt. In der Forschung findet sich daher die Annahme, er sei ein Märtyrer namens Antoninus. Als Hinweis dient dabei

ca. 570: Pilger von Piacenza (Antonius Martyr) 

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die Überschrift von zwei überlieferten Handschriften. Donner vertritt die Ansicht, „daß sich der anonyme Pilger einfach unter den Schutz seines Ortsheiligen Antoninus gestellt hat, dem die Kathedrale von Piacenza geweiht war“ (Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 227). Reiseroute und Aufbau: Vorwort, Hinreise und Heiliges Land (S. 243–274): Piacenza, Konstantinopel, Zypern, Syrien, Heiliges Land; Ägyptenreise (S. 274–291): Reise zum Sinai (S. 274–281): Jerusalem, Askalon, Maioma (Hafen von Gaza), Gaza, Elusa, durch die Sinaiwüste zum Sinaiberg; Aufenthalt und Sehenswertes beim Berg (S. 281– 284); Weiterreise in Ägypten (S. 284–291): Berg Sinai, Feran (S. 284), Sochot, Magdalum, (Elim) (S. 286), Clisma (S. 287), Beschreibung des Erdöls bei Suez (Epiphanius Hagiopolita im 7. bzw. 8. Jh. erwähnt in seinem Werk auch das Erdöl), durch die Wüste zur Höhle des Eremiten Paulus beim Roten Meer (S. 289), durch die Wüste zu den Nilkatarakten [vermutlich Nildelta] (S. 289), Babylonia (S. 289), Tanis, Memphi und Antinou (S. 290), zur Stadt Athlefi [bei Banha im Nildelta], bis zum hl. Mennas in der nitrischen Wüste und Alexandria (S. 291); die Rückreise ins Heilige Land (S. 291) wird nur erwähnt, nicht beschrieben; Heimreise (S. 291) über Antiochia, Nordmesopotamien und die syrische Wüste, dann bricht die Reiseschrift ab. Über die Reisedauer sind keine genauen Angaben zu ermitteln. Hier ist die Beschreibung der Reise von Jerusalem über Askalon, Gaza, Elusa zum Berg Sinai. Im Vergleich zu anderen Reiseberichten handelt es sich um eine eher unkonventionelle Route. [S. 274, cap. 31] Dann kehrten wir nach Jerusalem zurück, stiegen die Straße in Richtung Gaza und Askalon hinab […]. [S. 275, cap. 32] Danach bogen wir seitlich ab und gelangten nach der Stadt Eleutheropolis […]. [S. 277, cap. 33] Wir betraten Askalon. Dort befindet sich der ziemlich umfangreiche Friedensbrunnen, nach Art eines Theaters gebaut; man steigt auf Stufen zum Wasser hinunter. Dort ruhen die drei ägyptischen Märtyrerbrüder; sie haben zwar Eigennamen, aber gewöhnlich nennt man sie einfach die Ägypter. Eine Meile entfernt liegt [S. 278] die Stadt Sarafia und in der Nähe die Stadt Maioma Ascalonitis. Danach erreichten wir die Stadt Maioma Gazis, in der der hl. Märtyrer Victor ruht. Die Entfernung von Maioma bis Gaza beträgt eine Meile. Gaza aber ist eine ansehnliche, ergötzliche Stadt; die Bewohner sind sehr wohlhabend und durch Höflichkeit ausgezeichnet, sie sind Freunde der Pilger. Zwei Meilen von Gaza entfernt ruht der hl. Vater Hilario. [S. 278, cap. 34] Und danach kamen wir in die Stadt Elusa am Anfang der Wüste, die sich bis Sina erstreckt. […]. [S. 279, cap. 35] Wir brachen von der Stadt Elusa auf und betraten die Wüste. Nach 20 Meilen kommt ein Kastell, in dem sich das St. Georgius-Hospiz befindet; dort finden die Reisenden eine Art Zuflucht und [S. 280] die Einsiedler Unterstützung. Danach gelangten wir in die innere Wüste und kamen zu den Orten, von denen es heißt: ‚das Land in der Salzwüste, wegen der Bosheit derer, die darin wohnen‘. Dort sahen wir ab und zu Menschen mit Kamelen, die uns flohen (wie wir sie ähnlich auch in Jerusalem gesehen hatten), Menschen aus Äthiopien mit geschlitzten Nasen, geschlitzten Ohren, kleinen Galoschen an den Füßen und Ringen durch die Zehen gezogen. Auf die Frage, warum das so sei, antwortete man uns: ‚Der römische Kaiser Trajan hat uns dieses Zeichen hinterlassen‘. [cap. 36.] Bei unserer Wanderung durch

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die Wüste brachten uns Kamele aller 5 bis 6 Tage Wasser; wir erhielten jeder einen Sextarius am Morgen und einen am Abend. Weil dieses Wasser in den Schläuchen gallebitter wurde, taten wir Sand hinein, um es süß zu halten. Eine Arabersippe aber war mit ihren Frauen aus der Wüste gekommen; sie saßen klagend am Wege, die Kleider vor sich ausgebreitet, und baten die Reisenden um Brot. Die Männer kamen, brachten Schläuche mit frischem Wasser aus der inneren Wüste und boten sie dar; dafür empfingen sie Brot. Sie brachten [S. 281] auch Blattstengel mit Wurzeln, deren Wohlgeruch besser war als alle Aromata, boten aber nichts feil; denn sie standen unter dem Bann und feierten gerade ihre Festtage. Das Volk aber, das durch die weite Wüste (zum Fest) zog, zählte 12600 Mann. [cap. 37.] Als wir nun durch die Wüste zogen, gelangten wir am 8. Tage an den Ort, wo Mose Wasser aus dem Felsen hervorgehen ließ. Sodann erreichten wir am nächsten Tage den Gottesberg Choreb. Als wir uns anschickten, den Sina zu besteigen, siehe, da kam uns eine gewaltige Schar von Mönchen und Einsiedlern entgegen, mit Kreuzen und Psalmen singend. Sie begrüßen uns voller Ehrerbietung auf den Boden hingestreckt, wie auch wir es ganz ähnlich unter Tränen taten. Dann führten sie uns in das Tal zwischen Choreb und Sina. Am Fuße des letzteren Berges ist die Quelle, wo Mose das Wunderzeichen des brennenden Dornbusches sah, in dessen Nähe er die Schafe tränkte. Diese Quelle ist in ein Kloster [S. 282] eingeschlössen, und das Kloster ist von Schanzmauern umgeben; darin gibt es drei sprachenkundige Äbte, die Latein, Griechisch, Syrisch, Ägyptisch und Bessisch können, auch viele Dolmetscher der einzelnen Sprachen. Darin sind Mönchszufluchtsorte. (Pilger von Piacenza, Itinerarium. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 274–282).

Quellen: Tobler, 1867, S. 8; Baumstark, 1906, S. 6f., 18f., 34f., 38f., 55f., 58f. und 70ff.; Wilkinson, 1977, S. 6f.; Rotter, 1986, S. 9–31; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 10f. und 712f.; Donner, 2002, S. 226–242.

ca. 670/680: Arkulf und Adomnanus (Arculfus/Adamnanus) Reisender: Arkulf. Autor: Adomnanus 2002. Adomnanus: Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 312–394. [Ägypten: S. 377–382]. Weitere Editionen und Literatur: 1848. Auszug auf Englisch In: Wright, 1848, S. 1–12. Kommentar: Heiliges Land und Ägypten (Alexandria, Nil). Reiseroute: Heiliges Land; Jerusalem, Nazareth, Damaskus, Tyrus, Joppe, Alexandria, Kreta, Konstantinopel, Sizilien, Rom. Die Beschreibung ist in drei Bücher geteilt. Die Beschreibung der Lage Alexandriens und des Nils mit seinen Krokodilen findet sich am Ende des zweiten Buches. Die Ägyptenbeschreibung geht auf die Erzählungen von Arkulf zurück, wird von Adomnanus aber durch sekundäre Quellen ergänzt, wie z.B. die Schriften des hl. Hieronymus und des Historikers Hegesippus’ Historiae libri V, das auf Flavius Josephus De bello judaico zurückgeht. 703/4 wird

ca. 675/715/717/750–800: Epiphanius Hagiopolita (Epiphanios Hagiopolites) 

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Adomnanus’ Werk vom Abt Beda Venerabilis (Mönch in Wearmouth und später in Jarrow) bearbeitet und als Liber de locis sanctis herausgegeben (vgl. Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 300f.): Notizen über die Landesnatur sind hier und dort eingestreut und lassen erkennen, daß Arkulf Sinn für landschaftliche und landwirtschaftliche Gegebenheiten besaß. Er beschreibt, mehr oder weniger ausführlich: […] die Landesnatur Ägyptens und die Krokodile im Nil (11,30,27–29) […]. Nicht alles davon geht auf Arkulfs Schilderungen zurück; einiges hat Adomnanus aus der Literatur gewonnen und hinzugefügt. Ganz auf Arkulfs Konto gehen dagegen die leider nicht sehr zahlreichen Bemerkungen über Reiseverlauf und Reisezeiten. […] von Joppe zu Schiff nach Alexandria nicht weniger als 40 Tage (II,30,2), durch Alexandria zu Fuß einen ganzen Tag (11,30,23). (Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land, Stuttgart 2002, S. 305).

Bei Jäck finden sich folgende Angaben zu diesem Reisebericht: Der französische Bischof Arculph wurde am Ende des VII. Jahrhunderts auf seiner Rückkehr aus Palästina an die Schottische Insel Hoy verschlagen, wo er vom dasigen Benediktinerabt Adamnan sehr freundschaftlich aufgenommen worden ist. Letzterer schrieb dessen Erzählung vom gelobten Lande und von der Lage Jerusalems in 3 Abtheilungen nieder, und ließ die Wahrheit von demselben durch eine Vorrede bestätigen. Der Priester Beda flocht einen Auszug davon in seine Werke, wie Grester und Mabillon ihn herausgaben. […] B. Arculph erzählte ferner […] vom Nile und dessen Krokodillen. Endlich berichtete er noch von der Lage Konstantinopels, von dessen Kirche, worin das Kreuz des Heilandes sich befindet; von der Marter des h. Georgs; vom Bilde der Maria, und vom feuerspeienden Berge in Sizilien. (Reise des Bischofes Arculph aus Frankreich am Ende des VII. Jahrhunderts. In: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 14–17).

Quellen: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 13–17; Tobler, 1867, S. 8ff.; Baumstark, 1906, S. 8f., 18f., 56, 60 und 71; Wilkinson, 1977, S. 9f.; Rotter, 1986, S. 9–12 und 31–42; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 12f.; Kalfatovic, 1992, S. 4; Donner, 2002, S. 296–311.

ca. 675/715/717/750–800: Epiphanius Hagiopolita (Epiphanios Hagiopolites) 1971. Donner, Herbert (Hg.): Die Palästinabeschreibung des Epiphanius Hagiopolita. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, 87 (1971), S. 42–91. [griechisch S. 66–82; deutsch S. 82–91]. Weitere Editionen und Literatur: 1977. Epiphanius: The Holy city and the holy places. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 117–121. Kommentar: Epiphanius beschreibt im Stil eines Itinerars die Reiseroute der Ägyptenreise als Exkurs einer Jerusalemfahrt mit dem Heiligen Land als Aus-

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gangs- und Endpunkt. Der Bericht beginnt mit einem kurzen Vorwort, dann wird der Reiseweg über Zypern und Tyros nach Jerusalem summarisch beschrieben: „Zuerst reist man nach Zypern hinüber (und) erreicht (dann) Tyrus. Von Tyrus aus gehst du 8 Tagereisen nach Süden: und da ist die Heilige Stadt“ (Epiphanius. In: Donner, 1971, S. 82). Nach dem Besuch der heiligen Stätten bei Jerusalem erfolgt die Beschreibung der Ägyptenreise. Es werden Reiseetappen, Streckenentfernungen und Sehenswürdigkeiten aufgelistet, die den Nordsinai, das Nildelta, Alexandria, die nitrische Wüste, Kairo, das Antonius-Kloster am Roten Meer, den Sinai und sogar die Thebais umfassen. Nach der Rückkehr nach Jerusalem werden weitere heilige Stätten besucht. Dann erfolgt die Rückreise über Alexandrien: „Von Kana in Galiläa steigst du zur heiligen Stadt Alexandria hinab, schiffst dich mit Gottes Hilfe ein und reist nach römischen Gebiete ab, gläubig und voller Eifer“ (Epiphanius, in Donner, 1971, S. 82). Wie der Pilger von Piacenza (c. 570), der das Erdöl bei Suez/Slysma ausführlich beschreibt, verweist auch Epiphanius darauf, dass beim Roten Meer Erdöl fließt. Der Abschnitt zu Ägypten lautet folgendermaßen: [S. 85] [V] Und westlich davon, ungefähr eine Tagereise weit, ist die Festung Askalon, wo die Heiligen Anargyroi Kosmas und Damian liegen. Das ist der Ort, wo Joseph seinen Vater traf, vor der Spitze seines [S. 86] Stabes niederfiel und ihn begrüßte. Und an demselben Ort speiste die Hochheilige Gottesmutter mit Joseph und ihrem Sohne: in der Festung, die Pharma heißt; der Anfang von Ägypten. Und westlich, ungefähr bis zu 2 Tagereisen entfernt, ist Tamiathin, der Verbannungsort Christi, eine große Festung. Und westlich davon, 4 Tagereisen entfernt, ist die Stadt Alexandria, wo der Heilige Apostel und Evangelist Markus liegt, ferner der große Athanasius, [VI] der Selige Troilus, der Heilige Johannes der Barmherzige, der Heilige Petrus, die Vollendung der Märtyrer, der rechtgläubige Apollinarius, der Selige Vitalius und die fünf Jungfrauen, die zum Abbild der fünf klugen Jungfrauen geworden sind. Und im Hafen von Alexandria steht ein Turm namens Pharas: das erste Weltwunder. Er ist unter Verwendung von Glas und Blei errichtet, 306 Klafter hoch. Und westlich von Alexandria, ungefähr 9 Meilen entfernt, liegt der Heilige Menas. Und nach weiteren 9 Meilen liegt die Heilige Theodora, die in Theodrus umbenannt und auch verklagt worden ist. Und südlich von Alexandria, 6 Tagereisen entfernt, liegt der Heilige Makarius der Große, der dem Paradiese nahe war. Sein Kloster hat 1000 Mönchsväter und 1000 Zellen; es ist eine richtige Festung. Und vom Heiligen Makarius ungefähr 4 Tagereisen entfernt sind die 36 Speicher Josephs. Und von dort aus überschreitest du den Fluß Phison auf einer Brücke, die von 80 Bögen gestützt wird. Und von dort erreicht man das große Babylon, den Königspalast des Pharao. Und östlich von Babylon, ungefähr 6 Meilen entfernt, liegt der Heilige große Arsenius; und weiter östlich von ihm, 4 Tagereisen entfernt, liegt der Heilige Antonius. Vom Heiligen Antonius ungefähr 2 Tagereisen entfernt ist das Rote Meer und der Stein, auf den Mose trat und das Meer beschwor, so daß es in 12 Stücke nach der Stämme(zahl) geteilt wurde und er mit seinem [S. 87] [VII] Volk hindurchziehen konnte. Der Durchzug betrug 18 Meilen. Nahe bei demselben Felsen, auf den Mose trat, fließt das Petroleum. Von dort aus gelangte er nach Rhaitu, wo die 700 Väter von den Barbaren umgebracht wurden. An jenem Ort ist auch der steile Felsen, den Mose schlug, so daß Wasser floß. Und von dem-

ca. 762/765/825: Fidelis und Dicuil; Reisender: Fidelis etwa um 762/765. 

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selben Ort ungefähr 5 Tagereisen entfernt ist der Berg Sinai, wo Gott zu Mose sprach und er seine Rückseite sah. Und nahe dabei ist das Kloster ‚Der Heilige Dornbusch‘ und der Stein, auf den sich Mose stellte und wo er den Dornbusch brennen, aber nicht verbrennen sah. Und nahe bei dem Kloster ist der Ofen, wo sie das Gold und das Silber schmolzen: und es kam das Kalb heraus, an das sie glaubten wie an einen Gott. Und an demselben Ort sind die Gräber der 680000 Hebräer. Und nahe bei dem Kloster beginnt die Treppe des Berges Sinai mit 7 Stufen. Und da ist die Höhle, in der der Prophet Elia 40 Tage lang fastete, als er vor Isebel floh. Und in demselben Kloster liegt unser verewigter Vater und Lehrer Klimax. Und nahe bei dem Kloster ist das Wunder, das auf Gottes Befehl an diesem Orte geschah: Als sie die andere Höhe erreichten, vom Berge Sinai ungefähr 2 Meilen entfernt, verbargen Mose und Aaron die Lade, mit der er die Hebräer begleitete. Vom [VIII] Berge Sinai aus wanderst du 8 Tage und gelangst in die Thebais; dort liegt der Abt Poimen und sein Bruder und viele andere von den Seligen und Heiligen Vätern. Von der Thebais aus wanderst du 16 Tage und kehrst wieder in die Heilige Stadt zurück. (Epiphanios. In: Donner, 1971, S. 85–87).

Quellen: Wilkinson, 1977, S. 11; Külzer, 1994, S. 14–17.

ca. 762/765/825: Fidelis und Dicuil; Reisender: Fidelis etwa um 762/765. Autor: Dicuil etwa um 825 1967. Dicuil: Dicuili Liber de Mensura Orbis Terrae, hg. von J.J. Tierney, m. Beiträgen von Ludwig Bieler, Dublin, 1967. [Text: Latein und Englisch]. Weitere Editionen und Literatur: 1977. Der Ägypten betreffende Textauszug findet sich englisch In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 139. Kommentar: Dicuil gibt in seinem geographischen Werk die mündliche Reiseerzählung eines irischen Mönches namens Fidelis wieder, der mit anderen irischen Geistlichen in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts eine Jerusalemfahrt mit einem Ägyptenbesuch unternimmt. Fidelis wird als Augenzeuge für die Verbindung zwischen dem Nil und dem Roten Meer durch einen künstlichen Kanal zitiert. Es handelt sich hier um den Nilkanal, der vom Pharao Necho II (26. Dynastie; 609/594 v.Chr.) erbaut, in der arabischen Zeit von cAmr Ibn el-cAs im Jahre 640 renoviert und schließlich im Jahre 767 von Abu Jacafar el Mansur zugeschüttet worden ist. Der kurze Bericht beschreibt die Nilreise zum Roten Meer und erwähnt den frommen Wunsch der Reisegruppe, die Stelle zu besichtigen, wo Moses das Meer überquerte und das Heer des Pharao ertrank. Der Bericht erzählt ausführlich vom Besuch des Mönchs bei den Pyramiden, die er als sieben Kornkammern Josephs bezeichnet und kurz beschreibt. Dabei berichtet er, dass einer der begleitenden Mönche eine Seite der Pyramiden abmisst.

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[23] (1) Never in the books of any author have we read that there was a part of the Nile which flowed [24] into the Red Sea. Nevertheless a brother Fidelis said it was so when he explained to Suibneus (my master, to whom, after God, I owe any progress I have made) about some Irish clergy and monks who were in Jerusalem for the purpose of prayer, and who sailed to the Nile. (2) Then, after a long voyage on the Nile they saw in the distance the Granaries made by Saint Joseph. There were seven of them, to match the number of the years of plenty: they looked like mountains, four in one place and three in another. (3) At this point, as they were going across to admire the three Granaries they found a dead lioness and, behind her, the dead bodies of eight men and women. The lioness had killed them by her strength and they had killed her with their spears and swords, for both the places in which the seven Granaries had been built were in the desert. (4) Next we had a careful look at the three Granaries, and were once more amazed that from their foundation right up to their topmost point they were made entirely of stone. The lower part of them was rectangular, but the upper part was round, and the very top was as sharp as a needle. [25] (5) This brother we have mentioned measured one side of one of these Granaries, and it was four hundred paces from corner to corner. (6) Then we boarded ships in the River Nile and sailed to the entrance of the Red Sea. It is not far along the Red Sea from that port eastwards to the Way of Moses, and the man who measured the side of the Granary wanted to go on to the port where Moses and his people entered the sea: he did not wish only to enter the port, but also wanted to look at the chariot-tracks and tyres of Pharaoh’s chariot-wheels. But the sailors did not agree to it. It looked to him as if the breadth of the sea at that point was six miles. (7) Then the wind took them sailing up the western section of the Red Sea in the gulf which stretches a long way to the north, which is the sea which prevented the people from returning to the Land of Egypt and caused them to murmur in the desert... (9) Today I have found a passage in the Cosmography written in the consulship of Julius Caesar and Mark Antony which says that part of the River Nile flows into the Red Sea beside the city of Clysma and the Camp of Moses. (Fidelis’ Reisebericht nach Dicuil, The Measurement of the World. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 139).

Quellen: Wilkinson, 1977, S. 12; Kalfatovic, 1992, S. 4.

ca. 865/870: Bernardus Monachus (Bernhardus/Bernard the wise) 1974. Bernardus Monachus: Itinerarium Bernardi, monachi franci. In: Tobler, Titus (Hg.): Descriptiones Terrae Sanctae ex seculo VIII, IX, XII et XV, Hildesheim/New York, 1974, S. 85–99 (Text), S. 393–408 (Kommentar). [ND der Ausgabe Leipzig, 1874]. Weitere Editionen und Literatur: 1977. Englisch erschienen In: Wright, 1848, S. 23–30; John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 141–145. 2003. Italienisch: Bernardo il Saggio. Monaco Franco. Itinerario dei Luoghi Santi, hg. von U. Dovere, Napoli, 2003, S. 87–108 (Text), S. 9–78 (Einleitung). Kommentar: Heiliges Land und Ägypten (Alexandrien, Kairo und Nildelta) zwischen 865 und 870. Den Reiseverlauf fasst Jäck folgendermaßen zusammen:

ca. 865/870: Bernardus Monachus (Bernhardus/Bernard the wise) 

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Der französische Benediktiner Bernard verband sich mit 2 andern Klostergeistlichen, wovon einer aus Spanien, der andere aus dem Kloster des h. Innocenz zu Benevent war, zur Reise nach Palästina […]. Durch Empfehlungsbriefe und Geldopfer kamen sie über Alexandrien nach Neubabylon [Kairo] zum Sarazenenfürsten Adelmach und zum Patriarchen Michael, dann nach Damiette, Faramea, Ramula oder Rama, Emaus und Jerusalem […]. Von dort kehrte er nach Rom zurück. (Reise des Benediktiners Bernard aus Frankreich im Jahr 870. In: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 18–19).

Der Reisebericht weist eine dreiteilige Struktur auf (Hinreise, Reiseziel und Rückreise). Reisegrund ist dabei der Wunsch, das Heilige Land zu besuchen. Bernard reist zuerst nach Ägypten, um Reiseerlaubnis bzw. Empfehlungsschreiben vom dortigen muslimischen Fürsten zu erlangen, den er als zweite Autorität im arabischen Reich bezeichnet. (Bernardus Monachus, Itinerarium. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims, Warminster 1977, S. 142). Quellen: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 18–19; Tobler, 1867, S. 11; Baumstark, 1906, S. 7f., 57, 60 und 70–75; Wilkinson, 1977, S. 13; Röhricht, 1968, S. 2; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 17; Kalfatovic, 1992, S. 4.

2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert Khattab behandelt in ihrer Dissertation (1982) gedruckte deutschsprachige Reiseberichte über Ägypten von 1250–1500. Ergänzend zu dieser Studie sei insbesondere auf die bio-bibliographischen Werke von Röhricht (1968), Paravicini/Halm (2001), Yerasimos (1991) und Kalfatovic (1992) hingewiesen. Ferner sind einige Reiseberichte dieser Zeit von Feyerabend im Reyßbuch deß heyligen Lands (1584) herausgegeben.

2.1 Das 12. und 13. Jahrhundert 1175: Burchard von Straßburg; (Burkhard; Gerardus Argentinensem vicedominus; Gerhard Vicedom zu Straßburg) 1940. Burchard von Straßburg: Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck, nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae, übers. von Johann C. M. Laurent, mit einem Vorwort von Johann M. Lappenberg, neu bearb. von Wilhelm Wattenbach, 3. unveränd. Aufl., Leipzig, 1940, S.318–334 (7. Buch, Punkt 8). [Erstausgabe: Berlin, 1853]. [Original in LateIn: Chronica Slavorum]. Weitere Editionen und Literatur: 1851. Saint-Genois, Jules de: „Voyages faits en Terre Sainte par Thetmar en 1217 et par Burchard de Strasbourg en 1175, 1189 ou 1225“. In: Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique, 26 (1851), S. 3–61. [Burchards Reisebericht, S. 58–61. Die Beschreibung der Rückfahrt nach Kairo kommt dort nicht vor. Der Reisebericht endet mit der Beschreibung von Saydaneia bei Damaskus]. 1856. Laurent, Johann C. M.: „Ueber Burchard von Straßburg“. In: Serapeum, 17 (1856), S. 255–256. 1858. Laurent, Johann C. M.: „Burchard von Straßburg“. In: Serapeum, 19 (1858), S. 145–154. [Anmerkung: In dieser Version von Burchards’ Reisebericht wird die Rückfahrt nach Kairo nur erwähnt, aber nicht beschrieben]. 1859. Laurent, Johann C. M.: „Nachträgliches über Burchard von Strassburg“. In: Serapeum, 20 (1859), S. 174–176. [Anmerkung: Über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Reiseberichten von Magister Thietmar und Burchard von Straßburg]. 1869. Lappenberg, Johann M.: „Arnoldi abbatis Lubecensis chronica“. In: Monumenta Germaniae Historica Scriptores, 21 (1869), S. 101–250. [Anmerkung: Burchards Reisebericht befindet sich auf S. 235–241].

1175: Burchard von Straßburg 

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1889. Scheffer-Boichorst, Paul: „Der kaiserliche Notar und der Straßburger Vitztum Burchard. Ihre wirklichen und angeblichen Schriften“. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins, 43 (1889), S. 456–477. 1940. Lehmann, Paul; Glauning, Otto (Hg.): Mittelalterliche Handschriftenbruchstücke der Universitätsbibliothek und des Georgianum zu München, Leipzig, 1940, S. 61–73. (Zentralblatt für Bibliothekswesen. Beiheft; 72). [Anmerkung: Burchards Reisebericht findet sich auf den Seiten 63–69. Er schildert auch die Rückfahrt nach Kairo und endet mit der Beschreibung der Ehe und des Sexuallebens der Muslime]. 2008. Arnold von Lübeck: Chronik, hg. von Christian Lübke, Oliver Auge und Matthias Hardt, Darmstadt, 2008. Kommentar: Reise als diplomatische Mission im Namen Friedrichs Barbarossa zum Sultan Saladin. Am 6. September 1175 segelt Burchard von Genua nach Alexandrien. Reiseroute: Genua, Korsika, Sardinien, Sizilien, Malta, Panteleon, Alexandrien, Kairo, Sinaiwüste, Busserentinum/Bostra, Damaskus, Tiberias, Akkon, Jerusalem, Askalon, El-Arisch, Kairo. Burchards Reisebericht zeichnet sich durch Detailreichtum, Themenvielfalt und Aufgeschlossenheit aus. Über Person, Werk und Forschungslage berichtet ausführlich Carmen von Samson-Himmelstjerna, Deutsche Pilger des Mittelalters, Berlin 2004, S. 81–95. Zum Inhalt des Reiseberichts: Titel „Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens“ (318)¹ – Einleitung: Arnold von Lübeck und Burchard von Straßburg (318) – Hinreise: Genua, Corsica, Sardinien (318f.), Sizilien, Malta (319), Panteleon (319f.), das als barbarisches, von Arabiten bewohntes Land beschrieben wird, Weiterreise nach Alexandrien, Beschreibung der an der Reiseroute gelgenen Inseln und Fische (Wale, fliegende Fische) (320) – Beschreibung Ägyptens und Syriens (320–332): Alexandrien: Hafen, Leuchtturm, Stadtbild, Bevölkerung, Konfessionen, Regierung, Ausdehnung (320), Lage (320f.), Soziales, Klima, Befestigungsanlage, Zolleinnahmen, Handel, Wasserhaushalt, Christliches, Pharaonisches (321), Salzgewinnung (322), Nilüberschwemmung, Landwirtschaft und Regen (322), Flora: Getreide, Weizen und Gerste von vorzüglicher Güte, alle Arten von Gemüse, Gartenfrüchten und Kräuter (322), Fauna: Schafe, Ziegen, Eselinnen und Pferde (322), Christen in Ägypten (322) – Reisewege von Alexandrien nach Kairo: Landweg und Nilweg (322) – Babylonien und Kairo: Alt-Babylon in Irak (322), pharaonisches Alt-Babylon am Nil und Neu-Babylon am Nil, Handel aus Indien, Warentransport auf dem Nil (323), Pyramiden (323), Stadt Chayr (Kairo): Lage, Regierungssitz, Kasernen, Befestigung, Bevölkerung, Kirchen und Konfessionen (323), Balsamgarten: Lage, Balsampflanze, Herstellung vom Balsam, Wasserquelle (324), die hl. Familie

1 Die Seitenzahlen in Klammern beziehen sich auf die Ausgabe von Leipzig 1940.

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

beim Balsamgarten, die heilige Quelle, in der die Tücher des Kindes gewaschen wurden (324), Verehrung der Quelle von Christen und Sarazenen, Rituale, Jesus im Islam, die wahre Religion, Verehrung anderer Propheten, Apostel und Märtyrer (324f.), der geheiligte Palmbaum und die hl. Familie, Erzählung der einheimischen Legende, Verehrung durch Sarazenen; Erwähnung anderer Aufenthaltsorte der hl. Familie in Ägypten (325); Gewässer und Tierwelt: Nil als Paradiesfluss, Fische, wilde Pferde (Nilpferd) und Krokodile (325); Kirche mit dem Wunderbrunnen (325f.); Bodenschätze, Gewerbe, Handel, Tierwelt: Alaun, Indische Farbe (Indigo), Vögel, Gold, Pferde, Papageien aus Nubien, Beschreibung Nubiens, Hühnerbrutöfen (326), Klima und Regen: sehr warm, selten Regen (326); Berg Sinai: Lage, sieben Tagereisen von Kairo entfernt (326); Paradiesvorstellung im Islam (326f.), Weinverbot und Landwirtschaft (327) – Reise von Kairo nach Damaskus und zurück: Dauer: 20 Tage (327), Wüste: Landesnatur, Pflanzen (nur niedrige Sträucher), Klima, Orientierung, Beduinen, Tiere: Löwen, Strauße, Schweine, Büffel, Onager (Waldesel), Hasen (327), Wassermangel (327), Biblisches: Mose, die 72 Palmen und Wasserquellen (327), Reise vom Berg Sinai nach Bostra: zwei Tage (327), Wüste: unbekannt und unerforscht wie das Meer (327f.), Reise von Bostra nach Damaskus: drei Tage (328), Damaskus und Saydaneia: Marienverehrung (328ff.), Beschreibung der Heissessinen (Assassinen) (331), Rückreise nach Kairo: Damaskus, Tiberia, Accaron, Jerusalem, Aschalon, in acht Tagen über Ahir (El-Arish) nach Kairo, Steinsalz (sal gummeum), Tiere: Waldesel und wilde Ochsen (331) – Sarazenen, Buhlhaus bei El-Arish, sarazenische Frauen und soziales Verhalten (331), Islam und Gebote: Moschee (Tempel), Muezzin (Gebetsrufer), Rituelles Waschen, Gebet, Glaubensgrundsätze im Islam, Gott als Schöpfer der Welt, Muhammad als Prophet und Stifter des Islam, Pilgerfahrt, Heiligenverehrung (331f.), Ehe und Sexualität bei den Sarazenen (332) [Ende des Reiseberichts in den selbständigen Handschriften] – Schlusswort (wahrscheinlich von Arnold von Lübeck): Theologische Interpretation: Die unermessliche Milde Gottes umfasst die Gerechten und die Gottlosen. Daher besitzen die Verworfenen die besten Länder: Korn, Wein, Öl, Silber, Gold, Edelsteine, seidene Kleider, Wohlgerüche, Gewürze, Spezereien und alles im Überfluß, Beweise und Prophezeiungen aus der Bibel (332f.), Übergang zum Verlauf der Chronik Arnolds von Lübeck (333f.). Quellen: Tobler, 1867, S. 19; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 39f.; Scior, 2002, S. 320–327; Samson-Himmelstjerna, 2004, S. 81–95; ADB, Bd. 3, S. 566 (von Hermann Cardauns); NDB, Bd. 3, S. 30 (von Gottfried Opitz).

1217: Magister Thietmar (Thetmar) 

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1217: Magister Thietmar (Thetmar) 1857. Laurent, Johann C. M. (Hg.): Mag. Thietmari Peregrinatio. Ad finem codici Hamburgensis cum aliis libris manuscriptis collati edidit annotatione illustravit codicum recensum scripturae discrepantiam indicem rerum et verborum, Hamburg, 1857. Weitere Literatur und Editionen: 1851. Tobler, Titus (Hg.): Magistri Thetmari Iter ad Terram Sanctam, St. Galli et Bernae, 1851. 1851. Saint-Genois, Jules de: „Voyages faits en Terre Sainte par Thetmar en 1217 et par Burchard de Strasbourg en 1175, 1189 ou 1225“. In: Académie royale des sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique, 26 (1851), S. 3–61. [Thietmars Reisebericht, findet sich auf S. 19–58; Burchards Reisebericht auf S. 58–61]. 1852. Laurent, Johann C. M.: Magistri Thietmari historia de dispositione terre sancte, Hamburg, 1852. 1859. Laurent, Johann C. M.: „Nachträgliches über Burchard von Strassburg“. In: Serapeum 20 (1859), S. 174–176. [Über das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Reiseberichten von Magister Thietmar und Burchrad von Straßburg]. Kommentar: Heiliges Land und Sinai. Auch Ägypten, Kairo und Nildelta werden beschrieben. Es ist aber nicht sicher, ob Thietmar außer dem Sinai andere Orte in Ägypen bereist. Röhricht bemerkt zum Autor: „Thietmar kommt September (‚cruce Domini signatus et munitus cum peregrinis meis peregre proficiscentibus‘) 1217 nach d. heil. Lande […]. Krause in Forsch. für deutsche Gesch. 1874, XV, 156 möchte ihn identificiren mit dem Canonicus der heil. Kreuzkirche in Hildesheim, der als Bischof von Paderborn 27. Juli 1234 starb“. (Röhricht, 1968, S. 115). Bei Thietmar findet sich wie bei Theodosius (zw. 518/530) die Beschreibung der Reiseroute von Jerusalem über Aqaba zum Berg Sinai. Quellen: Röhricht, 1968, S. 115; Hippler, 1987, S. 110–114 und 313; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 47f.

1219–1221 Oliver von Paderborn; (Thomas Oliverus; Oliver von Köln; Meister Oliverius; Scholasticus Oliverius) 1894. Hoogeweg, Hermann (Hg.): Die Schriften des Kölner Domscholasters, späteren Bischofs von Paderborn und Kardinal-Bischofs von S. Sabina, Tübingen, 1894. [CLXXXIII Kapitel, 352 Seiten].

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

Weitere Editionen und Literatur: 1948. Oliverus, Thomas: The capture of Damietta, translated by John J. Gavigan, Philadelphia [u.a.], 1948. [Nachdruck: New York, 1980]. 1971. Peters, Edward: Christian society and the Crusades. 1198–1229: sources in translation, including The capture of Damietta by Oliver of Paderborn, translated with notes by John J. Gavigan, edited with an introduction by Edward Peters, Philadelphia, 1971. 1985. Brincken, Anna-Dorothee von den: „Islam und Oriens Christianus in den Schriften des Kölner Domscholasters Oliver“. In: Zimmermann, Albert; Craemer-Ruegenberg, Ingrid; Vuillemin-Diem, Gudrun (Hg.): Orientalische Kultur und europäisches Mittelalter, Berlin [u.a.], 1985, S. 86–102. Kommentar: Kramer kommentiert die Reiseumstände folgendermaßen: „‚Hauptund Staatsaktionen‘ zwischen Deutschland und Ägypten ereigneten sich schon im Mittelalter im Zusammenhang mit den Kreuzzügen, in der Zeit des ersten Eindringens europäischer Mächtegruppen in den Nahostraum. In dem Pilgerheer, das 1219 Damiette im Nildelta eroberte und 1221 wieder räumen mußte, befanden sich auch Deutsche in großer Anzahl, vornehmlich Friesen und Westfalen. Meister Oliverius von Köln, der dabei war, hat diese Ereignisse später beschrieben. Aus der Milde und Toleranz, die von muslimischen Ägyptern gegenüber Christen mannigfach geübt wurde, schloß Meister Oliver auf eine tiefere Neigung der muslimischen Bevölkerung zum Christentum, was ihn sogar veranlaßte, Bekehrungsschreiben an Al-Kamil, den Ayyubidensultan von Ägypten, und an die ägyptische muslimische Geistlichkeit zu richten“. (Thomas W. Kramer, Deutsch-Ägyptische Beziehungen. In: Heinz Schamp (Hg.), Ägypten. Das alte Kulturland am Nil, Tübingen 1977a, S. 553). Quellen: Röhricht, 1968, S. 106; Kramer, 1977a, S. 553.

1283/1285: Burchardus de [von] Monte Sion (Brocardus/Brocardt) 1584. Burchardus von Monte Sion: Bruder Brocardts / ec. Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung deß Heiligen vnd anderer anligenden Laendern / wie die im 1283. Jar / an allen gelegenheiten beschaffen gewesen / vnd damit ein fleissige verzeichnuß aller Reyß durch diese Laender / wie dieselb vorzunemmen / vnd wie weit jedes Ort vom andern gelegen. Sonders fleiß vom Bruder Brocardt / der dieselbige zeit diese Laender durchzogen / Lateinisch in einem Buch an tag geben / Aber jetzundt erst zu besserer und mehrer außfuehrung dieses vnsers vorhabenden Wercks / trewlich verteutschet / vnd in Truck gefertiget. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 455a–466a. [Ägyptenteil: fol. 465b–466a].

1283/1285: Burchardus de [von] Monte Sion 

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Kommentar: Pilgerfahrt und Unterägypten. Die Meinungen über den Reisezeitpunkt (1. oder 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts) gehen auseinander.² Er dürfte seine Reise durch Palästina, Syrien und Ägypten in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts unternommen haben. Khattab zufolge bereist er Ägypten zweimal, und zwar im Jahre 1283 und 1285. Bei der zweiten Ägyptenreise ist er als Gesandter bzw. Mitglied einer Gesandtschaft des deutschen Kaisers Rudolf von Habsburg zum ägyptischen Sultan unterwegs.³ Burchardus dürfte Deutscher gewesen sein. Sein Geburtsort ist jedoch unsicher. Er könnte aus der Magdeburger Gegend stammen. In der Forschung ist auch sein Name nicht unumstritten. Denn in manchen Handschriften fehlt er, in anderen wird er als Brochardus, Burchardus oder Brocardus (Brocardt) angegeben. Burchardus ist wohl Dominikanermönch. Den Beinamen de monte Sion erhält er, weil er „sich auf diesem Berge lange aufgehalten hat“.⁴ Den Vornamen Bonaventura, der bisweilen genannt wird, habe er „gewiß nicht gehabt“.⁵ Er ist auch nicht mit dem Franziskaner Bonaventura Brochart zu verwechseln, der in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts eine Palästinareise unternimmt. Von Burchardus’ Reisebeschreibung sind mehrere Handschriften überliefert.⁶ Sein Werk erscheint erstmals 1475 in lateinischer Sprache in Lübeck und wird mehrmals gedruckt.⁷ Auf Deutsch erscheint es 1534 in Die New Welt in Straßburg und im 19. Jahrhundert frei bearbeitet in Jäcks Taschenbibliothek. Der Bericht wird ins Französische (1488), Italienische (1519) und Holländische (1717) übersetzt. Seine knappe Beschreibung Ägyptens: Lage Ägyptens, Nil mit Nebenarmen und angrenzenden Städten, Orte entlang der Reiseroute, Pyramiden, Matarieh und Balsamgarten in Kairo.

2 Vgl. Johann Beckmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, Göttingen 1807–1809, Bd. 2, S. 35ff. 3 Vgl. Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 21f.; siehe dazu auch Dietmar Henze, Enzyklopädie der Entdecker und Erforscher, Graz 1978, Bd. 1, S. 397 und Christine Hippler, Die Reise nach Jerusalem, Frankfurt a.M./Bern 1987, S. 116. 4 Johann Beckmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, Göttingen 1807–1809, Bd. 2, S. 33. 5 Johann Beckmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, Göttingen 1807–1809, Bd. 2, S. 38. 6 Vgl. Johann Beckmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, Göttingen 1807–1809, Bd. 2, S. 40f.: „Es scheint, die Mönche haben sie gern abgeschrieben, sowohl weil die Erzählung von den sogenannten heiligen Oertern ganz nach dem Mönchsgeschmack war, als auch deswegen, weil sie wegen ihrer Zuverlässigkeit und Vollständigkeit, denen dienen konnte, welche dahin entweder als Pilgrime walfahrten, oder einen Kreuzzug mitmachen wollten“. 7 Vgl. Johann Beckmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, Göttingen 1807–1809, Bd. 2, S. 52ff.

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

Quellen: Beckmann, 1807–1809, Bd. 2, S. 31–70; Jäck, Taschenbibliothek/ Palästina, 1828, Teil II, Bd. 1, S. 81–93, hier S. 91–93; ADB, Bd. 3, S. 567–568; Röhricht, 1968, S. 129; Wolf-Crome, 1977, S. 515; Khattab, 1982, S. 21f.; Hippler, 1987, S. 116f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 56–60.

2.2 Das 14. Jahrhundert 1334–1336: Wilhelm von Boldensele (Otto von Neuhaus) 1828/29. Boldensele, Wilhelm von: Reise nach Palästina durch Wilhelm von Boldensleve im Anfange des XIV. Jahrhunderts, aus dem Lateinischen frei bearb. von Kaplan Karl Peter. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, Teil II, Bd. 1, 1828, S. 109–123 und Teil II, Bd. 2, 1829, S. 133–162. [Ägyptenteil: S. 119–140]. [Nach der Ausgabe von Basnage, 1725].⁸ Weitere Editionen und Literatur: 1852. Grotefend, Karl L.: „Die Edelherren von Boldensele oder Boldensen“. In: Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, 1852, S. 209–286. [Anmerkung: „Zur Genealogie des Geschlechts“ (S. 209–236), „Des Edelherrn Wilhelm von Boldensele Reise nach dem gelobten Lande“ (S. 226–236), „Epistola Guilielmi de Boldensele ad Petrum abbatem Aulae Regiae“ (S. 236f.), „Itinerarius Guilielmi de Boldensele“ (S. 237–286)]. 1895. Khull, Ferdinand (Hg.): Zweier deutscher Ordensleute Pilgerfahrten nach Jerusalem in den Jahren 1333 und 1346 nach ihren eigenen Aufzeichnungen erzählt, Graz, 1895, S. 1–46. [Separatabdruck aus Gaben des Katholischen Pressevereins für das Jahr 1895]. Kommentar: Pilgerfahrt zur Buße mit Nord-Ägypten und Sinai. Reisestationen: (Heimat), über die Lombardei nach Noli an der Küste von Genua, Korsika, Sardinien, Sizilien, Griechenland, Konstantinopel, Kreta, Rhodos, Zypern nach Tyrus in Syrien, von dort auf dem Landweg über Sida, Akkon, Jaffa nach Gaza und von da in sieben Tagen über Darum auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße über Belbeis nach Kairo, um Empfehlungsschreiben beim Sultan zu holen. Anschließend reist er von Kairo über Suez zum Katharinenkloster auf dem Sinai, von dort auf dem Sinai-Binnenweg durch die Wüste über Bersabee, Hebron, Bethlehem

8 Jacques Basnage (Hg.), Thesaurus monumentorum sive lectiones antiquae, Bd. 4: Guilielmi de Boldensel hodoeporicon ad terram sanctam, Amsterdam 1725, S. 332–357. Vgl. hierzu Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 34.

1334–1336: Wilhelm von Boldensele (Otto von Neuhaus) 

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nach Jerusalem, und schließlich über Nazareth, Tiberias und Damaskus nach Beirut (und in die Heimat). Autor: Nachdem der Dominikaner Otto von Neuhaus 1330 den Orden verlässt, nimmt er den Namen Wilhelm von Boldensele (nach seiner Mutter) an.⁹ Reisezeit: 1334–1336. Andere Quellen erwähnen das Jahr 1330 oder 1332 als Reisedatum: „Wir nehmen also an, dass Wilhelm von Boldensele Weihnachten 1332 in Tyrus landete, den 5. Mai 1333 in Jerusalem ankam und Pfingsten 1336 seine Reise beschrieb“.¹⁰ Der Bericht wird 1336 auf Latein verfasst. Französisch erscheint er 1351 und auf Deutsch erst im 19. Jahrhundert. Ich trat meine Reise in Teutschland, meinem Geburtslande an, reiste durch die Lombardei und erreichte bei Noli, einer Stadt an der Kueste von Genua, wohl erhalten das Ufer des mittellaendischen Meeres. […] Von Noli bestieg ich ein gut ausgeruestetes Schiff“. (Wilhelm von Boldensele, Reise nach Palästina. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek, Nürnberg 1828/9, S. 112f.). „Unter guenstigem Winde kam ich nach Syrien, wo ich in dem Hafen von Tyrus, welches gewoehnlich Sur genannt wird, landete“. (ebd., S. 117). „Ich muß bemerken, daß ich von Akkon her auf diesem Wege Jerusalem kaum zwanzig Meilen zur Linken liegen ließ, weil ich zuerst Aegypten und Arabien besuchen wollte, um vom Sultan einen Empfehlunsschreiben zu erhalten, um die heiligen Orte des gelobten Landes bequemer und leichter sehen zu koennen“. (ebd., S. 119). „Auf meiner Rueckreise von Kairo und Babylon, nachdem ich die einzelnen Theile Aegyptens gesehen hatte, reiste ich durch die Wueste nach Arabien“. (ebd., S. 134). „Nachdem ich vom Berge Sinai herabgestiegen war, reiste ich innerhalb dreizehn Tagen nach Syrien durch die Wueste“. (ebd., S. 138). „Ich verließ Arabien, und kam an die Graenze des gelobten Landes nach Bersabee, wo sich Abraham aufhielt“. (ebd., S. 140). „Von diesen Orten gelangte ich nach Jerusalem, der Hauptstadt des gelobten Landes, welche ich am Donnerstag nach Kreuz-Erfindung betrat“. (ebd., S. 143). „Hier in Brutum, welches unter der Herrschaft der Tuerken steht, endigte ich meine Reise, und wuenschte nichts sehnlicher, als in einem Seehafen ein christliches Schiff zu treffen, um nach der Heimath zu steuern, und da von meinen Strapazen mich zu erholen. (ebd., S. 162).

Quellen: Beckmann, 1807–1809, Bd. 2, 1809, S. 226–237, 561; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 89; Schnath, 1964, S. 461–478; Wolf-Crome, 1977, S. XXV, 488, 561; Khattab, 1982, S. 38f.; Hippler, 1987, S. 131–133; Paravicini/Halm, 2001, S. 31–36, 534.

9 Vgl. Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 31. 10 Karl L. Grotefend, Die Edelherren von Boldensele oder Boldensen. In: Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen, 1852, S. 231. Vgl. auch Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 31.

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

1336–1341 und 1350: Ludolf von Sudheim (Rudolf/Peter; Suthem/Suchen) 1584. Ludolf von Sudheim: Herrn Rudolph Kirchherrs von Suchen / ec. Fleissige Auffzeichnung aller Gelegenheit / Reysen / Gebraeuchen / Wunder vnd anderer Werck / Gebaeuwen / Staetten / Wassern / Erdfruechten / Thieren / vnd sonst allerhand Sachen / so in dem heyligen vnd daran angrentzenden Oertern / vom 1336. biß auff das 1350 jar vermeldt worden. Geschehen durch den Herrn Rudolphen Kirchhern zu Suchen in Westphalen / der dieselbig viertzehen Jar beharrlich in diesen Laendern gewesen / vnd alle dero gelegenheit in einem lateinischen Buch beschrieben. Jetzund erstmals zu ergentzung dieses Reyßbuchs getrewlich verteutscht / vnd in offenen Druck außgeben. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 433a–454b. [Ägyptenteil: fol. 440b–441a und 444a– 448a]. Weitere Editionen und Literatur: 1937. Stapelmohr, Ivar von: Ludolfs von Sudheim Reise ins Heilige Land. Nach der Hamburger Handschrift herausgegeben, Lund/Kopenhagen, 1937, S. 91–158. [Luner Germanistische Forschungen; 6]. [Niederdeutsche Übertragung der Paderborner Fassung]. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten. Keine tagebuchartige chronologische Erzählung, sondern eine Mischung aus Reiseführer und Reisebeschreibung. Erwähnte Orte: Marokko, Spanien; Lombardei, Kampanien, Kalabrien; Korsika, Sardinien; Sizilien; Athen; Kreta; Rhodos, Zypern; Beschreibung von Alexandrien; Tripolis, Beirut, Sidon, Tyrus, Akkon, Cäsarea, Askalon, Jaffa, Bael, Dyospolis; Beschreibung der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße von Palästina nach Kairo; Beschreibung von Kairo (Pyramiden sowohl als Grabstätten als auch Kornspeicher Pharaos, Balsamgarten, u.a.), Tarra als der alte Name von Kairo, Babylon dagegen als Bezeichnung für die alte Stadt am Nil, die früher misr hieß; Beschreibung des Reisewegs von Kairo zum Berg Sinai: Rotes Meer, Marach (Marah: Station beim Exodus, im Sinai am Roten Meer nicht weit von Suez), Helym (Elim: Station beim Exodus, im Sinai am Roten Meer nicht weit von der Hafenstadt el-Tor/at-Tur/ el-Tur), durch die Wüste zum Katharinenkloster; Beschreibung der heiligen Orte um Moses und St. Katharina; Beschreibung der Route auf dem Sinai-Binnenweg vom Katharinenkloster nach Beerseba/Palästina; Bethlehem, Jerusalem, Nazareth, Beirut. Die Reiseroute, die er in seinem Reisewerk beschreibt, entspricht der Route von Wilhelm von Boldensele. Ob Ludolf von Suchen diese Reiseroute benutzt hat, ist nicht klar. Der Reisebericht erscheint 1468 auf Latein und 1477 auf Deutsch. „Der Wert des Reiseberichts besteht darin, daß er die älteste gedruckte Reiseschrift ist“ (Aleya Khattab, Das Ägyptenbild, Frankfurt a.M. 1982, S. 23). Autor: Pfarrer (Rector ecclesiae parochialis) in der Diözese Paderborn, Pfarrei

1338–1350: Anonymus Coloniensis 

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Sudheim. Der Bericht wird auf Wunsch des Paderborner Bischofs Balduin von Steinfurt verfasst. Quellen: Schnath, 1964, S. 461–478; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 90f.; Wolf-Crome, 1977, S. 63f., 488, 560f.; Khattab, 1982, S. 23f.; Gradenwitz, 1984, S. 21f.; Hippler, 1987, S. 133–135; Paravicini/Halm, 2001, S. 36–44, 534f.; Giersch/ Schmid, 2004, S. 106–123.

1338–1350: Anonymus Coloniensis 1862. Ennen, Leonhard: „Bericht eines ungenannten Klerikers aus Köln“. In: Benfey, Theodor (Hg.): Orient und Okzident, Bd. 1, Leipzig, 1862, S. 448–480 und S. 627–647. 1887. Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich: „Ein Niederrheinischer Bericht über den Orient“. In: Zeitschrift für deutsche Philologie, 19 (1887), S. 1–86. Kommentar: Ägypten; Heiliges Land; Persien; Armenien. Kleriker aus Köln. Kein Itinerar; Beschreibung von orientalischen Ländern und Städten, Sitten, Religionen und Landesnatur. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 91; Khattab, 1982, S. 8; Hippler, 1987, S. 153; Paravicini/Halm, 2001, S. 44f.

1346: Rudolf von Frameynsberg 1604. Canisius, Henricus (Hg.): Thesaurus monumentorum ecclesiasticorum et historicorum. Bd. 5: Itinerarium nobilis viri Rudolphi de Frameynsberg in Palestinam, ad montem Sinai et in Aegyptum, a.D. 1346, Ingolstadt, 1604. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai, Unterägypten. Reisestationen: Landshut, Venedig; Jerusalem; Gaza, Sinai-Katharinenkloster, Kairo, Alexandria; Landshut. Autor: Ritter aus Landshut. Quellen: Beckmann, 1807–1809, Bd. 2, S. 237, 376; Eckenstein, 1921, S. 155, 158; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 92; Paravicini/Halm, 2001, S. 46f.

1346–1347: Jacobus von Verona [Jakob von Bern] 1895. Khull, Ferdinand (Hg.): Zweier deutscher Ordensleute Pilgerfahrten nach Jerusalem in den Jahren 1333 und 1346 nach ihren eigenen Aufzeichnungen erzählt, Graz, 1895, S. 47–105. [Separatabdruck aus Gaben des Katholischen Pressevereins für das Jahr 1895].

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

Weitere Editionen und Literatur: 1990. Italienisch: Pellegrinaggio ai luoghi santi. Liber peregrationis di Jacopo di Verona, übers. von V. Castagna, Verona, 1990. Kommentar: Pilgerfahrt. Lesemeister eines Augustiner-Eremiten in Bern, bereist als Pilger verkleidet Ägypten (Sinai und Kairo). Der Bericht wird im 15. Jahrhundert unter dem Titel Buch der Kirchfahrt ins Deutsche übersetzt. Halm bemerkt dazu in der 2. Ausgabe von 2001: „Es handelt sich um einen italienischen Reisenden, der 1335 von Verona aus in das Heilige Land reiste“ (Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 535). Quellen: Röhricht/Meisner, 1880, S. 45–64, 468; Eckenstein, 1921, S. 155, 157f.; Hippler, 1987, S. 135–138; Paravicini/Halm, 2001, S. 47–49, 535.

1376–1377: Johann von Bodman (Hans von Bodman) (1356–1395) 1910. Semler, Alfons: „Die Pilgerreise des Johann von Bodman“. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, 1910, S. 127–146. [Herausgegeben nach der Karlsruher Handschrift]. [Standort: HAB M: Uc 4º 75]. Kommentar: Pilgerfahrt, Ägypten und Sinai. Reisestationen: Venedig, Modon, Kreta, Alexandria, Kairo, Katharinenkloster, Gaza, Jerusalem, Damaskus, Beirut, Venedig. Reise dauert vom 15. August 1376 bis zum 21. Januar 1377, wird nach der Gießener Handschrift aber auf 1381 datiert. Quellen: Röhricht/Meisner, 1880, S. 468; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 94; Paravicini/Halm, 2001, S. 50f., 535.

1377: Hertel von Lichtenstein (Reisender) und Leopold (Leupold) Stainreuter (Übersetzer) 1871. Haupt, Joseph: „Philippi über de terra sancta in der deutschen Übersetzung des Augustiner Lesemeisters Leupold, vom Jahre 1377“. In: Österreichische Vierteljahresschrift für katholische Theologie, 10 (1871), S. 511–540. Weitere Editionen und Literatur: 1872. Haupt, Joseph (Hg.): Philippi über de terra sancta oder Hertels von Lichtenstein Pilgerbüchlein. Deutsch von Leupold, Augustiner-Lesemeister, Wien, 1872. Kommentar: Pilgerfahrt. Beschreibung des Sinai. Hertel von Lichtenstein (geboren in Wien; gestorben um 1400), Lektor im Kloster der Augustiner-Eremiten, 1378 Kaplan bei Herzog Albrecht von Österreich, 1392 Rektor des Apostelaltars in der Stephanskirche zu Wien (Vgl. Paravicini/Halm, Europäische Reisebe-

1385: Lorenz Egen 

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richte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 52). Im Auftrag des Bruders (Johann von Lichtenstein) wird der Bericht von Stainreuter ins Deutsche übersetzt. Es handelt sich bei dem Reisebericht um keine wörtliche Übersetzung, sondern um eine ungeschickte Verkürzung des Reiseberichtes von Philippus Brusserius Savonensis (1285–91), dessen Urheber weder im Heiligen Land, noch Hertel von Lichtenstein gewesen ist; Leupold hat nur den lateinischen Bericht des aus dem Orient heimgekehrten Hofmeister (Johann von Lichtenstein) des Herzogs Albrecht von Österreich über den Berg Sinai erhalten und übersetzt, die übrigen Stücke aus einer Ablaßschrift und einem Philippustext verkürzend zusammengetragen (Paravicini/ Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 53).

Quellen: Paravicini/Halm, 2001, S. 52f.

1385: Lorenz Egen 1865. Keinz, Friedrich: „Pilgerfahrt eines Augsburgers nach dem heiligen Lande i. J. 1385. Von ihm selbst beschrieben“. In: Das Ausland. Überschau der neuesten Forschungen auf dem Gebiete der Natur-, Erd- und Völkerkunde, 38 (1865), S. 917–919 und S. 936. [Anmerkung: Keinz gibt den Reisebericht von Lorenz Egen nach der Münchener Handschrift (Cgm 267) heraus. Die Handschrift trägt den Titel Wie Lorenz egen von Augspurg ec. zoch gen Sant kathareinen ec. (vgl. Friedrich Keinz, 1865, S. 917)]. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai. Reisestationen: Venedig, Alexandria, Kairo, Katharinenkloster, Gaza, Bethlehem, Jerusalem; Beirut, Rhodos, Padua. Egen ist der Stifter des Spitals und der Kapelle St. Anton zu Augsburg. Sein Geburtsdatum ist unbekannt. Zwischen 1396 und 1415 ist er mehrfach als wohlhabender Bürgermeister aus der Zunft der Kaufleute bezeugt, 1416 als Baumeister. 1418 stirbt er. Parallelbericht von Peter Sparnau. Der Bericht ist auf Deutsch verfasst und erst 1865 erschienen. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 96; Assion, 1969, S. 139–261; Khattab, 1982, S. 26; Hippler, 1987, S. 139f; Ganz-Blättler, 1990, S. 52, 365; Paravicini/Halm, 2001, S. 53–55, 535.

1385: Peter Sparnau 1891. Röhricht, Reinhold: „Die Jerusalemfahrt des Peter Sparnau und Ulrich von Tennstaedt (1385) “. In: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 26 (1891), S. 479–491.

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten, Sinai. Stationen: Plauen, Venedig, Modon, Kreta, Alexandria, Kairo, Katharinenkloster, Gaza, Bethlehem, Beirut, Zypern, Rhodos, Izmir, Konstantinopel, Adrianopel, Philippopel, Bulgarien, Walachei, Ofen, Wien, Prag. Der Autor ist wohl aus Erfurt. Parallelbericht von Lorenz Egen. Dem Bericht ist ein Pilgerführer vorangestellt. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 96; Hippler, 1987, S. 139f.; Ganz-Blättler, 1990, S. 52, 365; Yerasimos, 1991, S. 99; Paravicini/Halm, 2001, S. 55f., 535.

2.3 Das 15. Jahrhundert 1394–1427: Johannes Schiltberger (Hans Schiltberger) 1859. Neumann, Karl Friedrich [Hg.]: Reisen des Johannes Schiltberger in Europa, Asien, Afrika von 1394–1427, zum ersten Mal nach der gleichzeitigen Heidelberger Handschrift hg. und erläutert von Karl F. Neumann, mit Zusätzen von Fallmerayer und Hammer-Purgstall, München, 1859. [Neudrucke: Amsterdam, 1976; Osnabrück, 1985]. [Reisebericht: S. 51–157, Ägypten: S. 107– 118]. Weitere Editionen und Literatur: 1969. Geck, Elisabeth (Hg.): Hans Schiltbergers Reisebuch. Faksimile-Druck der Ausgabe Augsburg 1477, Wiesbaden, 1969. 1983. Schlemmer, Ulrich (Hg.): Johannes Schiltberger. Als Sklave im Osmanischen Reich und bei den Tataren 1394–1427, Stuttgart, 1983. Kommentar: Unterägypten und Sinai. Der Autor wird 1380 in der Nähe von Freising geboren, nimmt 1394 als Knappe am Kreuzzug König Sigismunds von Ungarn teil, fällt 1396 in die Hände der Türken und kehrt erst nach 32 Jahren Gefangenschaft nach München zurück. Der Reisebericht ist sehr beliebt und weit verbreitet. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 102; Khattab, 1982, S. 26–28; GanzBlättler, 1990, S. 366; Yerasimos, 1991, S. 100f.; Paravicini/Halm, 2001, S. 56–62, 535f.

1433–1434: Graf Philipp von Katzenellenbogen (Katzenelnbogen) (1402–1479) und Erhard Wameszhafft [Autor] 1882. Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich (Hg.): „Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen (1433–1434)“. In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 14 (1882), S. 348–372. [Ägypten: S. 350–356].

1454–1456: Georg von Ehingen 

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Weitere Editionen und Literatur: 1821. Arnoldi, Johann von: „Gereimter Pilgerbericht des Grafen von Katzenelnbogen“. In: Die Vorzeit, 1821, S. 43–74. 1916/7. Bach, Adolf (Hg.): „Erhart Wameszhaffts Hodoeporicon oder Beschreibung der Reise des Grafen Philipp von Katzenelnbogen nach dem Heiligen Land 1433/34“. In: Nassauische Annalen, 44 (1916/17), S. 107–152, 337f. [Neudruck In: Heinrichs, Heinrich M.; Schützeichel, Rudolf (Hg.): Germanistische Studien. Gesammelte Abhandlungen, Bonn, 1964, S. 393–441]. 1990. Schmitz, Silvia: Die Pilgerreise Philipps d.Ä. von Katzenelnbogen in Prosa und Vers. Untersuchungen zum dokumentarischen und panegyrischen Charakter spätmittelalterlicher Adelskultur, München, 1990. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten bis Beni Suef in Mittelägypten, Klöster St. Antonius und St. Paulus und Sinai. Motiv: Bitte um männliche Nachkommen. Ritterschlag auf dem Mosesberg. Der in rheinfränkischem Dialekt verfasste Bericht ist chronologisch aufgebaut und gliedert sich nach dem Reiseverlauf: Darmstadt-Venedig (14.–30.07.1433), Venedig-Kreta-Alexandria (10.08–11.09), Alexandria (11.–13.09), Alexandria-Nilschifffahrt-Kairo (13.–19. 09), Kairo (19.–22.09), über Mittelägypten zu den Klöstern St. Antonius und St. Paulus beim Roten Meer (22.09–04.10), Kairo (04.–13.10), Kairo-Katharinenkloster (13.–24.10), Katharinenkloster (24.–27.10), Katharinenkloster-Gaza-Jerusalem (27.10–11.11), Aufenthalt im Hl. Land (11.–23.11), Jerusalem-Jaffa-Schifffahrt/Schiffbruch-Akkon (23.–25.11), Akkon-Tyrus-Sidon-Beirut-Damaskus-Akkon (25.11.1433–06.01.1434), Akkon-Rhodos-Venedig (06.01.–06.03.1434), Venedig-Rheinfels (06.03.–03.05.1434). Der Reisebericht ist von Röhricht und Meisner 1882 herausgegeben. Zudem beschreibt der Berufsdichter Wameszhafft die Pilgerreise des Grafen von Katzenellenbogen in 2400 Versen. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 107f.; Khattab, 1982, S. 28f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 108f.; Ganz-Blättler, 1990, S. 232, 374f.; Paravicini/ Halm, 2001, S. 76–78, 536; Giersch/Schmid, 2004, S. 123–128.

1454–1456: Georg von Ehingen 1600. Ehingen, Georg von: Itinerarium. Das ist: Historische Beschreibung, weylund Herrn Georgen von Ehingen raisens nach der Ritterschaft, vor 150. Jaren, in X. vnterschidliche Königreich verbracht, Augsburg, 1600. [Standort: VD16 E 624; HAB A: 163.1 Hist. 2º (4); HAB A: 239.1 Hist. 2º (7); HAB A: 206.1 Hist. 2º (1)]. Weitere Editionen und Literatur: 1842. Pfeiffer, Franz: „Des Schwæbischen Ritters Georg von Ehingen Reisen nach der Ritterschaft“. In: Bibliothek des literarischen Vereins in Stuttgart, Bd. 1.2,

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

1842, S. 1–28. [Neudruck In: Wenzel, Horst: Autobiographie des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bd. 1, München, 1980, S. 21–53; Standort: HAB GE 44–0110:1,2]. 1979. Ehrmann, Gabriele: Georg von Ehingen. Reisen nach der Ritterschaft. Edition, Untersuchung, Kommentar, 2 Bände, Göppingen, 1979. [GAG; 262]. Kommentar: Pilgerfahrt und Alexandria. Reisestationen: Venedig, Rhodos, Zypern, Beirut, Jerusalem, Damaskus, Alexandria, Zypern, Rhodos, Venedig. Georg von Ehingen (1428–1508), ein schwäbischer Ritter, reist zuerst nach Rhodos, um gegen die Türken zu kämpfen, entscheidet sich nach elf Monaten des Wartens auf das Belagerungsheer eine Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen. Sein Vorhaben, den Sinai und Kairo zu besichtigen, gibt er nach seiner Gefangennahme zu Damaskus aus Angst vor den Arabern auf. Auf der Rückfahrt von Damaskus besucht er Alexandrien, wovon er diese kurze Beschreibung liefert: da ich nun die heilige Staett besucht / vnnd 15. Tag / zu Jerusaelm bliben war / stund mir mein Gemueht zu Sanct Catharina vnnd Babilonia zu ziehen / gesellt mich deßwegen zu etlichen Kauffleuten vnd Barfusser München / ich bekam auch ein getrewen Waldbruder so man den Münch von Basel nennet / begeret auch auff Sanct Catharina zu reisen / wir zogen mit Geleidt / vnnd kamen biß gehn Damasco / da solten mehr zu vns gestossen sein / [… Beschreibung der Stadt] / als wir nun etlich Tag zu Damasco waren / vnnd vns auff die Reiß zu Sanct Catharina rüsteten / wurd ich sampt meinem Gesellen gefangen / vnd hart gehalten / doch letztlich gegen erlegung 30. Ducaten ledig gelassen entschlug sich also vnser Reiß / dann wir kondten vor den Heyden vnd Araben weitter nicht fort / hernach zogen wir auff Alexandria zu / da die heilige Junckfraw Sanct Catharina gemartert worden / ist ein Port deß Möers vnd wurd mit vil Soldnern vnnd Mammelucken starck verhüt / daselbst fleüst auch der grosse Fluß Nilus / so für Babilonia vnnd durch Egypten ins Möer fleußt / Als wir nun zu Schiff giengen / fuhren wir in das Koenigreich Zippern (Ehingen, 1600, fol. Ciii).

Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 125f.; Ganz-Blättler, 1990, S. 62f., 379; Paravicini/Halm, 2001, S. 127–133, 539f.; Rösner, 2003, S. 95–98.

1465: Gabriel Muffel (Niccolò da Poggibonso, Reise 1346–1350) 1985. Cossar, Clive D. M. (Hg.): The German Translation of Niccolò da Poggibonsi’s Libro d’oltramare, Göppingen, 1985. [GAG; 452]; [Anmerkung: deutschsprachiger Reisebericht S. 37–171; Ägyptenteil S. 121–162 und S. 165–166]. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai. Reisestationen: Venedig, Josaphat, Jerusalem, Beirut, Alexandrien, Kairo, Katharinenkloster, Gaza, auf der Sinai-Mittelmeer-Küstenstraße nach Damiette, Zypern, Venedig. „Die früher

1467–1468: Nikolaus und Wilhelm von Diesbach/Hans von der Gruben 

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dem Nürnberger Patrizier Gabriel Muffel zugeschriebene Reisebeschreibung […] wird heute […] als eine […] Kopie der Übersetzung des frühesten italienischen Pilgerberichts des Franziskaners Niccolò da Poggibonsi aus dem Jahre 1346–50 angesehen“ (Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 148). In der Forschung wird eine Einflussnahme auf den Fortunatustext diskutiert.¹¹ Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 133–136; Ganz-Blättler, 1990, S. 382; Paravicini/Halm, 2001, S. 148–153, 541.

1467–1468: Nikolaus und Wilhelm von Diesbach/Hans von der Gruben 1896. Diesbach, Max von (Hg.): „Hans von der Grubens Reise- und Pilgerbuch 1435–1467“. In: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern, 14 (1896), S. 97–151. [Anmerkung: Einleitung S. 97–116; Reisebericht S. 117–151; Reise nach Palästina und Jerusalem im Jahr 1467: S. 130–149; Ägypten-Teil S. 134– 148; Register S. 150–151]. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai. Der Autor ist Hans von der Gruben, ein Goldschmied aus Köln; 1435 reist er durch Venedig und verbringt ein Jahr in Savoyen am Hof. 1436 tritt er in Bern in den Dienst des Hauses von Diesbach. Ab 1440 ist er Mitglied des großen Rates. 1440 begleitet er seinen Herrn Ludwig von Diesbach auf einer Jerusalem-Reise und 1447–1450 auf einer EuropaReise. 1467 begleitet er die Söhne Nikloaus und Wilhelm von Diesbach auf ihrer Reise nach Palästina und Ägypten. Wichtige Reisestationen: Venedig, Jerusalem, Gaza, Kairo, Matarieh, (Die Klöster St. Antonius und St. Paulus werden erwähnt, aber nicht besucht), Sinai, Katharinenkloster, Kairo, Alexandria, Venedig. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 114, 136f.; Ganz-Blättler, 1990, S. 382; Paravicini/Halm, 2001, S. 159, 542.

1472–1473: Anonymer Kölner Pilger (Niederrheinische Pilgerschrift) 1882. [Anonymer Kölner Pilger]: Dit synt die heilige stede des heiligen lants van ouer mer vnd der mennichfoldicheit des aflaetz / Item van arabien zto sinte katerinen twe due. In: Conrady, Ludwig [Hg.]: Vier rheinische Palästina-Pil-

11 Vgl. Hannes Kästner, Fortunatus. Peregrinator Mundi. Welterfahrung und Selbsterkenntnis im ersten deutschen Prosaroman der Neuzeit, Freiburg 1990.

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

gerschriften des XIV., XV. und XVI. Jahrhunderts, Wiesbaden, 1882, S. 48–181 und S. 297–301. Kommentar: Pilgerfahrt. Bericht in niederrheinischem Dialekt. Parallelbericht von Ulrich Leman (Reise 1472–1478). „Dem Reisebericht folgt die Beschreibung der nicht besuchten Orte: Hebron, Nazareth, Damaskus, Beirut, Sinai, Ägypten“ (Paravicini/Halm, 2001, S. 166). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 141f.; Khattab, 1982, S. 40; GanzBlättler, 1990, S. 385; Paravicini/Halm, 2001, S. 166f., 543.

1472–1478: Ulrich Leman 2007. Reininger, Monika: Ulrich Lemans Reisen. Erfahrungen eines Kaufmanns aus St. Gallen vom Ende des 15. Jahrhunderts im Mittelmeer und in der Provence, Würzburg, 2007. [Dissertation]. [Reisebericht: S. 1–215; Ägyptenteil: S. 112–124]. Weitere Editionen und Literatur: 1880. [Leman, Ulrich]: „Pilgerbericht Ulrich Lemans“. In: Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich: Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Berlin, 1880, S. 102–110. Kommentar: Pilgerfahrt und Alexandrien. Kaufmann aus St. Gallen. Parallelbericht zum anonymen Kölner Pilger (Reise 1472–1473). Beschreibung von Alexandrien, dem Nil und dem Sinai, „den er nicht bereist hat. – Die Strecke RhodosBeirut-Damaskus-Alexandria bereist er in den Jahren 1472–78“ (Paravicini/Halm, Europäische Reiseberichte des späten Mittelalters, Frankfurt a.M. [u.a.] 2001, S. 168). Quellen: Eckenstein, 1921, S. 167; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 141f.; GanzBlättler, 1990, S. 384; Paravicini/Halm, 2001, S. 167f.

1476: Martin Ketzel 1832. Rhenanus, Friedrich (Hg.): Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land im Jahr 1476. Von ihm selbst beschrieben. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, 1 (1832), S. 28–103. [Ägypten: S. 98–101]. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten im Jahr 1476. Der Autor entstammt wohl dem Geschlecht Ketzel aus Nürnberg; wahrscheinlich in Augsburg geboren oder gelebt. In seiner Familie gibt es eine lange Pilgertradition ins Hl. Land. Als Reiseziel wird nach Paravicini/Halm nur das Heilige Land angegeben. Ägypten erscheint bei Paravicini/Halm auch nicht im Itinerar. Dahingegen wird

1476: Martin Ketzel 

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Ägypten nach Khattab und Röhricht als Teil des Reiseberichts aufgefasst. Eine Überprüfung am Original ergibt, dass Ketzel zwar von Ägypten (Sinai, Kairo, Alexandria) berichtet, seine Informationen aber von den Franziskaner-Mönchen des Zionklosters in Jerusalem bezieht, wie er selbst angibt (vgl. Ketzel, 1832, S. 32f.). Bei den Dokumenten zu Ägypten handelt es sich um zwei wichtige Dokumente: Das erste Dokument ist eine Mischung aus Pilgerführer und Ablassverzeichnis der heiligen Orte in Ägypten und das zweite ein Itinerar über die Streckenentfernungung vom Heiligen Land bis nach Kairo und Alexandrien. Der Pilgerführer mit Ablassverzeichnis umfasst drei Etappen: Jtem, nun furbas ist ze morken die h. St. auf dem Perg-Sinay u. umb denselben Krais. Jt., des ersten k. m. zutz ainer St., die ist genant Gazara. […]. A. † Jt., so man auff den Berg Synay k., da ist ain K., genantt Santa Maria de rubo. Das. da ligt der Leichnam sancte Katerine. A. † Jt., hinder d. K. ist die St., da Gott erschinen ist Moyssi in dem brinnenden Buschen. A. † Jt., mitten auff dem Perg ist d. St., da Helias lang zeytt gewant hatt, u. Buswertikait da hatt gewurckt. A. † Jt., zu obrost auff dem Berg ist die St., da Gott Moyssy die Gesetz gab u. die zwo stainin Taffell, daran die 10 Gebott geschriben stunden. Da ist A., V. a. S. Jt., es ist auch ain ander Berg sante Katerine. Das. zu höchst auff dem Berg habent die Engell des ersten santa Katerina Leichnam auffgefürt. A. † Jt., das. ist d. St., da S. Honofrius lang zeit in buswertigem Leben gewesen ist. A. † Jt., so man nun das. widerkertt u. in Egipten wyll, so k. m. an das rott Mer, dardurch Moysses die Kinder von Jsrahell gefürtt hatt vor dem Kungk Pharone. A. † Jt., das. stand die 12 Prunnen, die noch gar fil Menschen zu sechen werden, die dahinkumen. A. † (Ketzel, 1832, S. 98) Verm. die h. St. in det großen St., genant Alchayro, in haidnischer Sprach Massar, u. durch Egiptenland ec. Jt., Alchayro ist gar ain große St. pey 10 teutsch Meyll weytt u. braytt. Darin sind gar fill kristenlicher K., [99] u. sind ob 3000 Pfar da, u. ob 4000 Kech. Das. want der mechtig Kung Soldan, u. ist ain verlagnetter Krist: wan al Kung oder was mechtiger Heren in der Haydenschaft sind, miessen all verlagnot Kristen sein. Jt., in der St. Alchayro ist ain K., genant Sancta Maria Kolumná, oder u. F. zu der Sewl. Das. ligtt der h. Leichnam S. Barbara der h. Junckfrawen u. Martrerin. A. † Jt., durch die St. u. an demselben End fleust der Bach Nillus, u. fleust aus dem irdischenn Paradeis. A. † Jt., das. ist der Weingart Engadi. Da wechst der Balsam, u. das. hatt gewantt die rain Junckfraw Maria u. auch Josep mit irem Kind, als sy inn Egipten geflochen warenn. A. † Jt., d. ist das Kloster der I. h. S. Anthony u. auch S. Pauls, die die erstenn Ainsidell waren, u. auch des lieben Ainsidell S. Machem. A. † Jt., so man nun furbas zeucht von Alch., u. wyll in Egiptenland, so k. m. in ain Gegent, genant Meopheluto (?). Das. ist ain Kloster der Jacobitten, der den auch im T. zu Jerus. sind, als for geschriben stett. Da ist A. † Jt., so k. m. d. an ain andre St,, genant Almariach (?); das. ist gar ain schöne Cap. Das. ist die M. G., u. auch Josep mit irem Kind pey 7 Jaren gewessen, als si geflochen waren in Egipten. Das. begett man gar ain loblich Fest an dem Palmtag: wan da kumen dahin al Cristen, die dan in Egipten wanen, von allen Landen, u. allerlay Cristen. A. † (Ketzel, 1832, S. 98f.)

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

Verm. die h. St. zu Alexandria u. auch in Egiptenn. Jt., Alexandria ist auch ain schöne St. gewessen; doch ist sy yetz fast zerrissen. Darvon haist das Land auch Alexandria. (?) Aber in der St. Alex. ist S. Katerina gemartrot wordenn. Jst A. † [100] Jt., mer in ders. Statt ist S. Johannes der Almusser begraben wordenn, der da gewessen ist ain Patriarch in derselbigen St. A. † Jt., das. ist begraben auch worden S. Hilarion, ein Abt, da er aus Zipren in Palestinam gepracht ward. A. † Jt., d. ist S. Marx K., da S. Marx ist gemartrott u. auch begraben worden. A. † Jt., in ders. St. Alex. sind gar fill Hailigen gemartrot wordenn, als man dan in der Hayligen Leben find. Der alm. ewig Gott woell uns der Gnaden taylhafftig machen hie u. dortt in der ewig Selikaytt. Amen. (Ketzel, 1832, S. 99f.)

Das Itinerar nennt zwei Stationen: Jtem ze wissen u. hienach geschriben die Weg, und wie fer ains von dem andren ligt, so man von Jerus. zeucht, als ich Das gar aigentlich von den Minchen zu Jerus. hab erfaren u. s. w. Jt. zewissen, das Jerus. Iigt mitten in der Welt, zwischen Alexandria u. Damasgo oder Baruthy: wan so man an das h. Land k. oder zu Jerus. ist, so ligt Alchayro Alex. u. Egipten zu der ger. Hand, u. ist gegen Jndia warts, gegen der Morn Land. Jt., so ligt Barutto u. Damasgo, Achre, zu der gelingen Hantt gen Armenia warts. (Ketzel, 1832, S. 100) Jt., so man wyll von Jerus. gen Alchayro oder in Alex. in Egipten warts, so — reitt man in 10 oder 12 Tagen. So man aber mit Gutt fertt, mit den Kameltieren, haist man Karawanna, so mus man 15 Tag haben u. fertt durch wieste Wiltnüs, das seltenn Herberg unterwegen sind. Man mus Essen u. Trincken mitfüren. Jt. von Alchayro gen Alex. ist 3 Tag wayt. Da ist auch ain Portt, u. kumen der Venediger Schiff u. Galien u. Naffe hin, u. laden da Jmber, Pfeffer u. allerlay Spetzerey Woll, und Sinewaffen, u. Bogassin, gleichwie zu Damasgo u. zu Baruto. Florentzer, Genuesser, Katalan, Spangoll und andre Schiff kumen gleich so woll mit Kaffmanschatz dahin als die Venediger. (Ketzel, 1832, S. 101)

Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, 155f.; Khattab, 1982, S. 29; Ganz-Blättler, 1990, S. 386, 393; Paravicini/Halm, 2001, S.183–185, 544.

1479–1480: Sebald Rieter d. J. (und Sebald Rieter d.Ä. um 1464) 1884. Rieter, Sebald d.J.: Volgen Sebalden Rieters des Jüngern seeligen gethane und aigner handt beschribene raysen. In: Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich (Hg.): Das Reisebuch der Familie Rieter, Tübingen, 1884, S.36–149. [Ägypten: S. 85–134]. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten (06.05.1479–17.03.1480). Reisestationen: Nürnberg, Venedig, Korfu, Modon, Rhodos, Zypern, Famagusta; Jaffa, Ramla, Jerusalem; Bethlehem, Gaza, Summeil-el-Khalil, Rappa (Rafah), [Bacharie, Thor, Lodro, Zstephe, Torcko, Malchalach]; Sinai (Katharinenkloster);

1479–1480: Hans Tucher 

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En-Nusb, Maffra, Matarieh, Kairo, Fuah, Rosette, Alexandria, Rhodos, Modon, Korfu, Venedig. Der Autor (1488 gestorben) entstammt einem Nürnberger Patriziergeschlecht. Der Bericht findet nur handschriftliche Verbreitung. Die Familie Rieter hat eine lange Tradition des Reisens ins Hl. Land. 1464 unternimmt z.B. sein Vater Sebald Rieter (d.Ä.) eine Jerusalempilgerfahrt. Auch er berichtet von Ägypten (vgl. Das Reisebuch der Familie Rieter, 1884, S. 33). Parallelbericht von Hans Tucher. Quellen: Eckenstein, 1921, S. 167; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 156ff.; Khattab, 1982, S. 30–32; Ganz-Blättler, 1990, S. 82; Paravicini/Halm, 2001, S. 108– 110, 188f., 538, 547.

1479–1480: Hans Tucher 2002. Herz, Randall (Hg.): Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers des Älteren (1479–1480). Untersuchungen zur Überlieferung und kritische Edition eines spätmittelalterlichen Reiseberichts, Wiesbaden, 2002. [Wissensliteratur im Mittelalter; 38]. [Reisebericht: S. 325–667]. Weitere Editionen und Literatur: 1978. Pascher, Erhard: Das Reisebuch des Hans Tucher, Klagenfurt, 1978. [Faksimile der Ausgabe Straßburg 1484, nach unvollständigem Exemplar]; [Armarium; 3]. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten (06.05.1479–17.03.1480). Reisestationen: Nürnberg, Venedig, Korfu, Modon, Rhodos, Zypern, Famagusta; Jaffa, Ramla, Jerusalem; Bethlehem, Gaza, Summeil-el-Khalil, Rappa (Rafah), [Bacharie, Thor, Lodro, Zstephe, Torcko, Malchalach]; Sinai (Katharinenkloster); En-Nusb, Maffra, Matharia, Kairo, Fuah, Rosette, Alexandria, Rhodos, Modon, Korfu, Venedig. Tucher (1428–1491) entstammt einem Nürnberger Patriziergeschlecht. 1476 ist er Altes Mitlied des Kleinen Rates, 1480 Alter Bürgermeister. Er ist in der Kirche St. Sebald begraben. Der Bericht wird mehrmals gedruckt. 1482 erscheint er zum ersten Mal in Augsburg. Parallelbericht zu Sebald Rieter d.J.; Benutzung und Anlehnung an die Reiseberichte u.a. von Sebald Rieter d.J. und Martin Ketzel. Quellen: Reyßbuch, 1584, fol. 349b–374b (Ägypten: fol. 364b–371a); Eckenstein, 1921, S. 167; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 156ff.; Wolf-Crome, 1977, S. 162, 524, 564; Khattab, 1982, S. 31–32; Gradenwitz, 1984, S. 24, 106, 108; Hippler, 1987, S. 90f.; Ganz-Blättler, 1990, S. 71, 387; Paravicini/Halm, 2001, S. 189–194, 547.

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

1481–1483: Paul Walther von Guglingen, O. F. M. 1892. Sollweck, Matthias (Hg.): Fratris Pauli Waltheri Guglingensis Itinerarium in Terram Sanctam et ad Sanctam Catharinam 1482, Tübingen, 1892. [BLVS; 192]. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten. Zum Autor: 1422 in Guglingen geboren, Priester des Franziskanerordens. Dem Itinerar in Form eines Tagebuches folgt eine Reihe von Traktaten. Parallelberichte von Bernhard von Breydenbach und Felix Fabri. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 159f.; Ganz-Blättler, 1990, S. 79f., 389; Paravicini/Halm, 2001, S. 195–197, 549.

1483–1484: Bernhard von Breydenbach (Breidenbach/Breitenbach) und Graf Johannes von Solms (Johann Graffen zu Solms) 1584. Breydenbach, Bernhard von: Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt / so der wolgeborne Herr / Herr Johann / Graff zu Solms / Herr zu Müntzenberg / ec. In Gesellschafft Herrn Bernharts von Breitenbach / Kämmerers / vnd deß hohen Stiffts zu Meintz Dechans / vnd Herrn Philipsen von Bicken / Ritters / ec. im Jar nach Christi geburt 1483. vollnbracht / wie solchs von ehrngemeltem Herrn von Breitenbach selbs schrifftlich verfasset vnd an tag geben. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 50a–122a. [Ägypten, fol. 98b–110b]. Weitere Editionen und Literatur: 1977. Geck, Elisabeth (Hg.): Bernhard von Breydenbach. Die Reise ins Heilige Land. Ein Reisebericht aus dem Jahre 1483, mit 17 Holzschnitten, 5 Faltkarten und 6 Textseiten in Faksimile, Übertragung und Nachwort, Wiesbaden, 1977. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten. Der Autor (1440–1497) entstammt dem Geschlecht der Ritter von Breydenbach zu Breidenstein bei Biedenkopf a. d. Lahn. Doktor der Jurisprudenz. Hohe Kirchen- und Rechtsämter. Mainzer Domherr. Mitreisende: Graf Johannes von Solms (gest. in Alexandria, an der Ruhr) sowie der Utrechter Zeichner und Drucker Erhard Reuwich, von dem die Illustrationen im Reisebericht stammen. Bericht 1486 zuerst auf Latein und einige Monate später Deutsch erschienen. Mehrmals gedruckt. Als Mitarbeiter werden Martin Roth und Paul Walther Guglingen angesehen. Parallelberichte von Paul Walter von Guglingen und Felix Fabri. Quellen: Eckenstein, 1921, S. 167, 171; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 164f.; Wolf-Crome, 1977, S. 203, 444, 447, 514f.; Khattab, 1982, S. 34–37; Gradenwitz,

1483–1484: Felix Fabri (Felix Schmid/Faber) 

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1984, S. 24, 27f., 47, 109f.; Hippler, 1987, S. 146f., 307; Ganz-Blättler, 1990, S. 78f., 390; Paravicini/Halm, 2001, S. 201–209, 549f.; Giersch/Schmid, 2004, S. 142– 168.

1483–1484: Felix Fabri (Felix Schmid/Faber) 1584. Fabri, Felix: Herrn Hans Werli von Zimber / vnd ander Herrn / ec. Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab / Eigentliche beschreibung der hin vnd wider Fahrt zu dem heyligen Land gen Jerusalem / von den wolgebornen / edelen / strengen / vnd vesten Herrn / Herrn Hans Werli von Zimber / vnnd Herrn Heinrich von Stoeffel / Freyherrn Herrn Hans Truchseß von Waldpurg vnnd Herrn Bern von Rechberg zu hohen Rechberg / Vnd denn fuerter durch die grosse Wuesten zu dem heyligen Berg Horeb vnd Synai / von etlich andern / auch wolgebornen / edelen vnd strengen Herren / ec. im Jar nach Christi Geburt / 1483. vorgenommen / vnd folgends 84. vollnbracht. Durch den wirdigen / andaechtigen Herrn Felix Fabri / Lesemeister vnd Prediger im Predigerkloster zu Ulm / wolermelter Herrn Capellan / Mitbilger vnd der gantzen Wallfart Reyßgenossen / gestellt vnd an tag geben. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 122b–188a. [Ägypten, fol. 156a–181b]. Weitere Editionen und Literatur: 1843–9. Hassler, Konrad D. (Hg.): Fratris Felicis Fabri Evagatorium in Terrae Sanctae, Arabiae et Egypti peregrinationem, 3 Bde., Stuttgart, 1843–49. [BLVS; 2–4]. 1864. Birlinger, Anton (Hg.): Bruder Felix Fabers gereimtes Pilgerbüchlein, München, 1864. 1996. Fabri, Felix: Galeere und Karawane. Pilgerreise ins Heilige Land, zum Sinai und nach Ägypten 1483, hg. von Herbert Wiegandt, Stuttgart [u.a.], 1996. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten von April 1483 bis Januar 1484. Eigentlicher Name lautet Schmidt. Der Autor (1438 in Zürich geboren, 1502 in Ulm gestorben) kommt 1468 nach abgeschlossenem Studium (Basel) ins Dominikanerkloster zu Ulm. Lesemeister, Prediger und Professor der Theologie und Philosophie. Zwei Pilgerreisen ins Hl. Land: 1480 und 1483. Bei der zweiten Pilgerfahrt reist er als Kaplan des Johannes Truchseß von Waldburg auch nach Ägypten. Der Bericht ist ursprünglich Lateinisch (Evagatorium) und später auch Deutsch verfasst. Erstmals 1556 in Ulm erschienen. Mehrmals gedruckt. Parallelberichte von Paul Walter Guglingen und Bernhard von Breydenbach. Quellen: Eckenstein, 1921, S. 168, 171f.; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 161– 164; Wolf-Crome, 1977, S. 251f., 444, 520f.; Khattab, 1982, S. 32–34; Gradenwitz,

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 2 Reiseberichte des Mittelalters: vom 12. bis zum 15. Jahrhundert

1984, S. 25f., 26f., 47, 109; Hippler, 1987, S. 166–170, 307; Ganz-Blättler, 1990, S. 75, 387f.; Paravicini/Halm, 2001, S. 210–220, 547–549.

1495–1496: Wolf von Zülnhart (Wolfgang Zillenhart) 1880. Zülnhart, Wolf von: „Der Bericht von Wolf Zülnhart“. In: Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich (Hg.): Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Berlin, 1880. S. 308–314. [Auszug]. Weitere Editionen und Literatur: 1932/3. Gebele, Eduard: „Die Pilgerreise des Augsburger Domherrn Wolf von Zülnhart nach dem Heiligen Lande 1495/96“. In: Zeitschrift des historischen Vereins für Schwaben, 50 (1932/33), S. 51–126. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten vom 26. März 1495 bis 27. April 1496. Autor: Sohn von Heinrich von Zülnhart. Kanoniker, Dekan, 1501–1515 Domdekan von Augsburg und 1517 Dompropst von Trient. Gestorben 1519. Quellen: Eckenstein, 1921, S. 129; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 189; GanzBlättler, 1990, S. 397; Yerasimos, 1991, S. 120f.; Paravicini/Halm, 2001, S. 270f., 554.

1496–1498: Arnold von Harff 1860. Groote, Eberhard von (Hg.): Arnold von Harff. Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff. Von Cöln durch Italien, Syrien, Aegypten, Arabien, Aethiopien, Nubien, Palästina, die Türkei, Frankreich, Spanien, wie er sie in den Jahren 1496 bis 1499 vollendet, beschrieben und durch Zeichnungen erläutert hat. Nach den ältesten Handschriften und mit deren 47 Bildern in Holzschnitt, Köln, 1860. [LI, 280 Seiten; Ägypten: S. 76–129]; [Nachdruck: Hildesheim [u.a]: Olms, 2004.]; [Online: (http://www.mdz-nbn-resolving.de/urn/ resolver.pl?urn=urn:nbn:de:bvb:12-bsb10466975–5) (01.08.2010)]. Weitere Editionen und Literatur: 1930. Schmidt, Hermann J. (Hg.): Pilgerbuch des Ritters Arnold von Harff, in neuhochdt. Sprache hg. und erl., Düsseldorf, 1930. [Religiöse Quellenschriften; 67]. 1946. Letts, Malcolm Henry Ikin (Hg.): The Pilgrimage of Arnold von Harff knight. From Cologne, through Italy, Syria, Egypt, Arabia, Ethiophia, Nubia, Palestine, Turkey, France and Spain, which he accomplished in the years 1496 to 1499, Transl. from the German and ed. with notes and an introd., London, 1946. [Hakluyt Society: Works/2; 94]. [Nachdruck: Nendeln/Liechtenstein, 1967; Millwood, NY, 1990].

1496–1498: Arnold von Harff 

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2007. Brall-Tuchel, Helmut; Reichert, Folker (Hg.): Rom – Jerusalem – Santiago, das Pilgertagebuch des Ritters Arnold von Harff (1496–1498), mit den Abbildungen der Handschrift 268 der Benediktinerabtei Maria Laach und zahlreichen anderen Abbildungen nach dem Text der Ausgabe von Eberhard von Groote übers., komm. und eingel., Köln [u.a.], 2007. [2. Aufl., 2008; 3. Aufl., 2009]. 2007. Knop, Korvin: Die Pilgerfahrt des Ritters Arnold von Harff 1496 – 1499 im Kontext spätmittelalterlicher deutscher Reiseberichte, Saarbrücken, 2007. [Hamburg, Helmut-Schmidt-Univ., Magisterarbeit, 2004]. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai, vom 7. November 1496 bis 10. Oktober 1498. Der Autor (1471–1505) ist ein niederrheinischer Ritter und steht im Dienst Herzog Wilhelms IV. von Jülich, dem er den Reisebericht widmet. Der Bericht ist in niederrheinischem Dialekt verfasst. Darin Sprachproben auch aus dem Arabischen. Der Autor behauptet, Arabien, Vorderindien, Ceylon und Madagaskar besucht zu haben, was in der Forschung aber als unwahrscheinlich gilt. Es sind mehrere Handschriften überliefert. Bericht erstmalig 1860 gedruckt. Quellen: Eckenstein, 1921, S. 162, 168; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 189ff.; Khattab, 1982, S. 37f.; Gradenwitz, 1984, S. 106f., 250; Hippler, 1987, S. 170–173; Ganz-Blättler, 1990, S. 85–87, 397; Yerasimos, 1991, S. 122f.; Paravicini/Halm, 2001, S. 273–281, 554f.; Giersch/Schmid, 2004, S. 188–194.

3 Reiseberichte von 1500 bis 1599 1507–1508: Martin von Baumgarten in Breitenbach (M. Ritter von Baumgartner) 1594. Donauer, Christoph (Hg.): Martini a Baumgarten in Braitenbach Peregrinatio in Aegyptum, Arabiam, Palaestinam [et] Syriam, m. Vorwort von Christoph Donauer, Nürnberg, ex officina Gerlachiana, per Paulum Kauffmannum, 1594. [Anmerkung: 173 Seiten; 8º (4º); Standort: VD16 B 914; HAB, A: 218.7 Quod. (5); SB Regensburg, 999/4 Hist.pol.226 angeb.7]. Weitere Editionen und Literatur: 1732. Churchill, Awnsham; Churchill, John (Hg.): A collection of voyages and travels. Bd. 1: The Travels of Martin Baumgarten, London, 1732, S. 381–452. [Ausgaben: 1704, S. 425–502; London, 1744–46, Bd. 1, S. 313–384; Standort: HAB, Microfiche 493 (1704)]. 1931. Meyer, Matthias: Die Reise Ritter Martin Baumgartners von Breitenbach ins Heilige Land 1507 und sein Lebensbild, Kufstein, 1931. Kommentar: Heiliges Land, Unterägypten und Sinai, April 1507 bis Juli 1508. Hauptreisestationen: Kufstein, Venedig, Ägypten (Alexandria, Rosetta, Kairo, Sinai, Kairo), Hl. Land (Gaza, Syrien, Tripolis), Venedig, Kufstein. Mitreisende: Georg von Gaming (siehe Parallelbericht), der in seinen Diensten steht, und ein Priester namens Vincenz. Zum Autor: Bergwerkbesitzer und Palästinafahrer, geboren am 11.11.1473 in Kufstein, wo er 1535 auch stirbt. Baumgarten ist der Sohn von Hans Baumgartner, eines Silber- und Kupferhändlers. 1499 Ehe mit Benigna Christoph Scheller von Gartenau. Als seine Frau und seine drei Kinder innerhalb von 6 Jahren (vgl. Meyer, 1931, S. 4) sterben, beschließt Baumgarten, eine Pilgerfahrt zu unternehmen, um seine Leiden zu vergessen. 1510 zweite Ehe mit Appolonia, Tochter des Grafen Thomas von Lichtenstein. Um 1520 Hinwindung zur Lehre Luthers, für die er sich eifrig einsetzt, so dass es zu Konflikten mit der Regierung kommt. 1528 erhält er deshalb einen Trostbrief von Martin Luther. 1522 geschäftlicher Ruin, woraufhin die Fugger seinen schwer verschuldeten Besitz übernehmen. 1526 steht Baumgarten im Dienst von Erzherzog Franz Ferdinands. 1530 wird ihm das Urbarrichteramt in Rottenburg und Kufstein verliehen. Reise: Am 25. Juli 1507 segelt Baumgarten mit seinen Begleitern von Venedig ab. In Pola schifft der aus Venedig heimkehrende ägyptische Geschäftsträger (Tongobardinus) ein. Am 9. September erreicht die Reisegruppe Alexandria und hält sich dort zwei Wochen lang auf. Am 22. September macht sie sich auf den Weg nach Rosette, von wo aus sie am 24. September nach Kairo segelt, wo sie am 29. September ankommt. Von dort bricht sie am 5. Oktober zum Katharinenkloster auf, wo sie am 16. Oktober ankommt, besichtigt die dortigen Heiligtümer und ist am 25. Oktober wieder in Kairo. Nach einer Ruhezeit in Kairo reist Baumgarten am

1507–1508: Georg von Gaming 

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6. November mit einer nach Damaskus ziehenden Karawane ins Hl. Land und erreicht Gaza am 14. November. Nach dem Besuch der heiligen Stätten beginnt die Rückreise in die Heimat: Damaskus (8. Januar 1508), Beirut (18. Januar), Tripolis (6. Februar Einschiffung), Venedig (8. Juli). Von dort geht es weiter in die Heimat. Zum Werk: 1594 gibt der evangelische Pfarrer Donauer im Auftrag der Familie den Reisebericht, den er aus den Tagebuchnotizen von Baumgarten (schwerfälliges Deutsch) und Gaming (Latein) erstellt, in lateinischer Sprache und unter Weglassung katholischer Bezüge heraus. 1704 wird die Reisebeschreibung ins Englische und 1794 ins Russische übersetzt. Nach Heyd (ADB, Bd. 2, S. 160) hat Donauer weniger die Reisenotizen von Baumgarten gebraucht als vielmehr verkürzend und überarbeitend die Handschrift von Gamings Reisebeschreibung als Hauptquelle benutzt. Nach Heyd zählt Baumgartens Reisebeschreibung zu den „interessanteren und ausführlicheren Reisebeschreibungen jener Zeit“ (ebd.). Der Reisebericht gliedert sich in drei Bücher. Ägypten nimmt dabei großen Raum eIn: Kapitel 13 bis 28 des ersten Buches und die ersten drei Kapitel des zweiten Buches handeln vom Land am Nil. Quellen: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 8; Eckenstein, 1921, S. 167; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 204f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 167; Ganz-Blättler, 1990, S. 403; Kalfatovic, 1992, S. 14; Paravicini/Halm, 2001, S. 298–300, 556; ADB, Bd. 2, S. 160–161 (Baumgarten, verfasst von Wilhelm von Heyd); NDB, Bd. 1, S. 665 (Baumgartner, von Fritz Steinegger).

1507–1508: Georg von Gaming 1721. Pez, Bernhard (Hg.): Thesaurus Anecdotorum Novissimus, Bd. 2, pars 3: Georgii prioris Gemnicensis Ordinis cartusiani in Austria. Ephemeris sive Diarium peregrinationis transmarinae, videlicet Aegypti, Montis Sinai, Terrae Sanctae ac Syriae, Wien/Graz, 1721, S. 452–640. Kommentar: Heiliges Land, Unterägypten und Sinai, April 1507 bis Juli 1508. Reisestationen und Mitreisende: siehe Parallelbericht von Martin von Baumgarten. Zum Autor: Geboren in Kufstein, lateinischer Schulmeister, 1507 unternimmt er im Dienst von Baumgarten eine Palästinareise, 1508 tritt er in das Kartäuserkloster zu Gaming ein, bekleidet verschiedene Ämter (Vikar, Prokurator, Prior) und stirbt dort 1541. Zum Werk: 1721 gibt Pez den Reisebericht nach der Handschrift des Kartäuserklosters heraus. Mit Baumgartens Tagebuchnotizen bildet sie die Hauptquelle der veröffentlichten Reisebeschreibung von Baumgarten (siehe oben). Quellen: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 8; Eckenstein, 1921, S. 167; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 204f; Röhricht, Bibliotheca,

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

1989, S. 167; Ganz-Blättler, 1990, S. 403; Paravicini/Halm, 2001, S. 297; ADB, Bd. 2, S. 160–161 (Baumgarten, verfasst von Wilhelm von Heyd); NDB, Bd. 1, S. 665 (Baumgartner, verfasst von Fritz Steinegger).

1512: Ein groß wunderzaichen auff dem perg Sinay 1512. Ein groß wunderzaichen auff dem perg Sinay bey sant Katherinen grab geschehen im aylfften jare, S.l., 1512. [BSB München; UB München]. Kommentar: „Dise newe Zeyttung hat ein frumer parfusser pruder von der observantz von jherusalem auf den Reychsstag gen Trier pracht. Anno etc. ym zwolfften jare Freytags nach Jacobi“. (Röhricht, 1989, S. 169). Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 169.

1515: Konrad Clauser Kommentar: Röhricht erwähnt, dass Clauser das Hl. Land, Ägypten, Persien und China bereist. Ein Reisebericht konnte nicht ermittelt werden, obwohl Clauser ein Reisetagebuch hinterlassen haben soll, „das aber verloren zu sein scheint“ (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 206). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 205f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 170.

1542: Jodocus (Iodocus/Jost) von Meggen (1509 – 1559) 1580. Meggen, Jodocus von: Iodoci a Meggen Patricii Lvcerini Peregrinatio Hierosolymitana, Dillingen, 1580. [Anmerkung: 245 + [1] Seiten; 8º; Standort: VD16 M 1910; HAB, A: 371.2 Quod. (5)]. Weitere Editionen und Literatur: 1999. Meggen, Jost von: Pellegrinaggio a Gerusalemme, avventure di viaggio per mare e a cavallo di un gentiluomo svizzero del Cinquecento, prefazione di Attilio Agnoletto, introduzione di Annalisa Mascheretti Cavadini, traduzione dal latino e commento di Francesco di Ciaccia, Milano, 1999. [Anmerkung: LIII + 196 Seiten]. 1960. Krieg, Paul M.: Die Schweizergarde in Rom, Luzern, 1960. [Anmerkung: ND 2006]. [Anmerkung: Zur Person, hier insbesondere S. 60ff.]. Kommentar: Heiliges Land, Unterägypten und Sinai im Jahr 1542. Reisestationen: Luzern, Mailand, Venedig, Loretto, Venedig, Jaffa, Hl. Land, Alexandria, Kairo,

1550–1551: Hieronymus Beck von Leopoldsdorf (1525 – 1596) 

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Sinai, Kairo, Alexandria, Neapel, Rom, Florenz, Luzern. Zum Autor: Schweizer Politiker und Chronist, geboren 1509 in Luzern, wo er am 17.03.1559 auch stirbt, Sohn eines Schultheißen, 1533 Eintritt in den Großen Rat von Basel. 1544–59 gehört er dem Kleinen Rat an. Von 1548 bis 1559 ist er Hauptmann der Päpstlichen Schweizergarde. 1556 erlangt er das Bürgerrecht der Stadt Rom. Reise: Am 8. Mai 1542 reist Jost von Meggen über Mailand nach Venedig und unternimmt von dort eine Wallfahrt nach Loretto. Am 23. Juni segelt er mit 67 anderen Pilgern (meist aus Niederdeutschland und Holland) von Venedig nach Jaffa. Nach der Jerusalem-Pilgerfahrt entschließt er sich zu einer Ägyptenreise und besucht auch den Sinai. Danach kehrt er über Neapel, Rom und Florenz heim. Zum Werk: Am 20. November 1546 schickt von Meggen die Niederschrift seiner Reisebeschreibung an Andreas Masius zur Durchsicht. Das Werk umfasst 24 Kapitel, verteilt auf 245 Seiten. Ägypten kommt in den Kapiteln 15–21 (S. 164–230) vor. Quellen: Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 8; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 219f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 185; Yerasimos, 1991, S. 200.

1550–1551: Hieronymus Beck von Leopoldsdorf (1525 – 1596) 1588. Hieronimi Beck Annales Sultanorum Othmanidarum / Joannes Leunclavius Latine redditos illustravit et auxit, usque ad annum 1588, Frankfurt, 1588. Kommentar: Der dem niederösterreichischen Adel angehörende Katholik Hieronymus Beck von Leopoldsdorf besucht bei seinen ausgedehnten Bildungsreisen Europa (Frankreich, Belgien, England, Spanien, Italien) und auch Konstantinopel, das Hl. Land und Ägypten. Ein Reisetagebuch ist nicht überliefert. Als Hauptquellen seiner Reisen dient zum einen die in Ebreichdorf auf dem Grabmal seines Kochs und Reisebegleiters angegebene Reiseroute. Eine andere Quelle ist die oben genannte Übersetzung des türkischen Buches, das Hiernoymus Beck im Orient kauft und das von Leunclauw ins Lateinische übersetzt wird. In der Widmung der Ausgabe von 1588 findet sich die Reiseroute genau aufgeführt. Und so vermutet Röhricht, dass „noch irgendwo ein vollständiger Bericht auftauchen“ (Röhricht, 1989, S. 191) wird. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 223–225; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 190f.; Yerasimos, 1991, S. 223.

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

1552–1553: Daniel Ecklin [von Arow] (Egli) (1532–1564) 1576. Ragor, Hans Huldrich (Hg.): Zwo Reise zum heiligen Grab. Die Erste deß Edlen vesten Johansen von Ehrenberg: Die ander so Daniel Ecklin von Arow gethan, Basel, 1576. [Anmerkung: 24 Blatt; Standort: HAB, A: 240.83 Quod. (5)]. Weitere Editionen und Literatur: 1584. Daniel Ecklin: Vom heyligen Landt / was darin vnd vnderwegen zusehen / sampt beschreibung der Reyß hineyn vnd herauß. Alles ordendlich verzeichnet durch Danieln Ecklin von Arow / der im jar 1552. hineyn gezogen / vnd im 1553. jar wider herauß kommen. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 399b–404b. Kommentar: Hl. Land und Alexandria, März 1552 bis Dezember 1553. Reisestationen: Venedig, Corfu, (25.04.1552), Candia (Aufenthalt bis 07.01.1553), Alexandria (27.01.), Zypern, Hl. Land, Venedig. Zum Autor: Palästinafahrer, Apotheker. 1532 in Aarau (Schweiz) geboren, am 02.01.1564 auch dort gestorben. Zur Reise: Der protestantische Apotheker Daniel Ecklin (Egli) reist am 28.03.1522 nach Candia. Dort verweilt er als Informator im Haus eines reichen Griechen bis zum 07.01.1553. Auf seinem Weg nach Tripolis, das er am 29. April erreicht, besucht er Alexandrien und Zypern. Über Haleb, Antiochien und Damaskus kommt er am 29. Juni 1553 nach Jerusalem. Dort bleibt er bis zum 6. September und reist dann über Jaffa nach Venedig zurück, das er am 2. Dezember erreicht. Von dort bricht er nach Aarau auf. Zum Werk: Ecklin beschreibt die Stadt Alexandria, ihre Lage, ihre Erbauer und ihre Bedeutung als Welthandelsstadt zwischen Indien und Europa. Dann spricht er über die Handelswege aus Indien über das Rote Meer. In Ägypten führen sie auf dem Landweg bis zum Nil und über den Nil nach Alexandrien, wo sich Menschen aus aller Welt treffen. Er entschuldigt sich, wegen des kurzen Besuchs nicht von den seltsamen Tieren und Meereswundern sprechen zu können, „wovon vil zu schreiben were“ (Ecklin. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 401a). Die kurze Reisebeschreibung scheint beliebt gewesen zu sein. Sie wird vom 16. bis zum 18. Jahrhundert mehrmals gedruckt. Im Folgenden sei der Ägypten betreffende Textabschnitt vorgestellt: Von Candia schifften wir nit den nechsten Weg auff Cypern zu / sondern wir kamen erstlich gen Alexandria / vnd als wir vns da ein wenig gesaum[m]t hatten / fuhren wir auch gen Cypern. Alexandria aber ist ein maechtige / grosse vnd gewaltige Statt / ligt in Africa / im andern Theil der Welt / an dem mittellaendigen Meer / zwischen Cyrenc vnd dem eynflussz deß grossen Flusses Nili / gebauwet vom grossen Alexandro / der auch da begraben ligt. Es ist hierumb ein schoene vnd lustige Gelegenheit / Alexandria ist ein treffliche Gewerbstatt / in aller Welt wol bekannt / Denn was koestliches in Jndia waechst von Gewuertz / Specerey vn[d] wolrichenden dingen / ja was man darinn macht von Seidenwad / bringt man mit grossen Schiffen durch das rote Meer in Egypten / vom roten Meer fuehrt mans ein kleinen

1561: David Furtenbach (†Berg Sinai 1561) 

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Weg vber Landt an den Flussz Nilum / vnd auff dem Nilo biß gen Alexandria / da wirt es denn außgetheilt in alle Laender / in Syriam / in Griechenland / Jtalien / Hispanien / Teutschland vnd Frankreich / ec. Man find in dieser Statt allerley Voelcker die vnterm Himmel wohnen / auß Asien / Africa vnnd Europa / viel seltzame Thier / Voegel vnd Meerwunder sihet man da / davon vil zu schreiben were. Aber wir saumpten vns hie nit lang / will derhalben man Federn mit der Schifffahrt auff Cypern zu wenden / Am 27. tag Jenners sind wir kommen in die Jnsel Cypern. (Ecklin. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, Frankfurt a.M. 1584, fol. 401a).

Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 226; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 192f.; Yerasimos, 1991, S. 227f.; ADB, Bd. 5, S. 677–678 (unter Egli).

1561: David Furtenbach (†Berg Sinai 1561) 1933. Ulmer, Andreas: „Das Tagebuch des David von Furtenbach aus Feldkirch über seine Hl. Land-Fahrt 1561“. In: Alemannia. Zeitschrift für Geschichte, Heimat- und Volkskunde Vorarlbergs, 7 (1933), S. 39–53. [Vorbemerkungen S. 39–42; Reisebericht S. 42–47; Erläuterungen S. 47–53; Standort: SB Regensburg, 9992 H/NA 8423–7]. Weitere Editionen und Literatur: 1933. Ulmer, Andreas: „Letzte Schicksale und Ende des Palästinapilgers David von Furtenbach aus Feldkirch 1561“. In: Alemannia. Zeitschrift für Geschichte, Heimat- und Volkskunde Vorarlbergs, 7 (1933), S. 213–216. [Anmerkung: bezieht sich auf den Reisebericht des Grafen Albrecht von Löwenstein; Standort: SB Regensburg: 9992 H/NA 8423–7]. 1967/1653. [Furtenbach]: „Der heilig Berg Sinay, sampt dessen vmbligenden Orten […]. Furtenbachische Reiss Beschreibung von Venedig biss zu dem Berg Sinai“. In: Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 240–242. [Anmerkung: Wiedergabe des Textes im Flugblatt von 1653: „Der heilige Berg Sinai sampt denen umbliegenden Oerter. Flugblatt, M. Rembold, Caleographus, Stuttgart 1653“. (Unten): „Furtenbachische Reiss-Beschreibung von Venedig biss zu dem Berg Sinai. Gedruckt in der Fürstlichen Residentz. Statt Stuttgardt bey Mathia Kantten 1653“]. Manuskript: Grundliche Beschreibung der Walfart nach dem Hailigen Land gehen Jerusalem, unnd fürter durch die wüsten zu dem H. Berg Oreb oder Sinay, so von Weilund David Furtenbach seeligen beschehen, unnd beschriben worden A°1561. [Anmerkung: Titel des Manuskripts: Ms. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, K. 435, f. 131r–155r (zit. nach: Yerasimos, 1991, S. 253)]. Kommentar: Hl. Land und Sinai, Juni bis Oktober 1561. Reisestationen: Venedig, Jaffa, Ramlah, Jerusalem, Bethanien, Jerusalem, Gaza, Sinai. Zum Autor: Aus

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

Feldkirch (Österreich), spanischer Oberst, aus einem schwäbischen Geschlecht, das zum Patriziat der Reichsstädte Nürnberg, Augsburg, Kempten u.a. gehört. 1561 unternimmt er eine Palästinareise und besucht den Sinai, wo er 1561 durch die Reiseanstrengungen erkrankt und stirbt. Seinem Begräbnis wohnen die Mitreisenden Graf Albrecht zu Löwenstein und Jakob Wormser bei (vgl. Parallelberichte). Zur Reise: Am 01.06.1561 reist David Furtenbach nach Venedig, wo er am 3. Juli mit 410 anderen Pilgerinnen und Pilgern aus ganz Europa nach Palästina einschifft. Am 19. August erreicht er Jaffa, am 24. Ramlah und am 27. Jerusalem. Im Oktober reisen David Furtenbach und ein Begleiter namens Sigmund Rumpf von Gaza zum Sinai. Durch die Reiseanstrengungen erkrankt Furtenbach und stirbt im Katharinenkloster, wo er auch begraben wird. Zum Werk: Zwei Handschriften der unvollständigen Reisebeschreibung sollen sich in der Stadtbibliothek zu Lindau befinden (vgl. Röhricht, 1989, S. 196). Sein Reisetagebuch wird von Andreas Ulmer 1933 herausgegeben. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 239–242; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 196, 263; Yerasimos, 1991, S. 253; NDB, Bd. 5, S. 736 (Familienartikel Furtenbach).

1561: Emanuel Oerttel (aus Augsburg) Manuskript. [Oerttel, Emanuel]: Wahrhaftige und gründliche Beschreibung derenn Venedigischenn Legacion aines Wayli oder Ambasciatoren an den Türckischenn Kayser. Durch den Legatten selbst, in welscher Zugen Beschribenn, nun aber auf das treulichst verttieret unnd verdeutscht 1587. [Handschrift, Codex germ. N. 3001, s. XVI (zit. nach: Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 238; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 197)]. Manuskript. [Oerttel, Emanuel]: Warhafftige Beschreibung der Mörfart so ich Emanuel Örtl von Augspurg Sampt meinem Herrn dem Alluigo Mocenigo so von ainem Senat zu Venedig zu ainem Bailo ghen Constantinopel Erwölt unnd noch bei Dreissig seiner diener durch das gantz gelobt landt in Summer ist volbracht worden wie wir mit Hülff dess Almächtigen zum Heiligen Grab unnd Fürder dem Berg Sinai unnd Horeb auch andere Endt der Haidenschafft gewest was fur gefhar wir erlitten wunders gesehen unnd erferen haben vonn Tag zu Tag vleistig unnd gründlich Beschriben. [Wien, Österreichische Nationalbibliothek, Codex Vindobonensis Palatinus, 8870, 50f. (zit. nach: Yerasimos, 1991, S. 255). Diese Handschrift trägt die Widmung: „Dess Durchleuchtigsten Hochgebornen Fürsten unnd Herrnn Carlin Ertzhertzogen zu Österreich Hertzogen zu Burgundi, Steir, Khärndten, Chrein und Württen-

1561–1562: Graf Albrecht zu Löwenstein (1536–1587) 

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berg Graven zu Tiroll, Görtz unnd Cilly etc meinem gnedigisten fürrn unnd herrn“ (ebd.)]. Kommentar: Röhricht berichtet darüber folgendes: Emanuel Oerttel von Augsburg begleitet den venetianischen Gesandten Aloise Mocenigo auf seiner Reise nach Constantinopel, über dessen Hof und Sitten er (fol. 8–15) ausführlich berichtet. Nach dreijährigem Aufenthalt daselbst reist Mocenigo mit Oerttel nach dem heiligen Lande, wo er fünf Wochen sich aufhält. […] Die Reisenden besuchen dann Damascus und den Sinai (fol. 40; der dort angeführte Contract mit dem Caravanenführer stimmt wörtlich mit dem bei Fabri […]. Die Route von Jerusalem nach Jaffa ist dieselbe, die F. Fabri II, 338 und Tucher 363 (vgl. Ritter, Asien XVI, 136 und 151) beschreiben: Oerttel bedient sich häufig sogar derselben Worte. Ebenso stimmt die Beschreibung der Route von Gaza nach dem Sinai und Cairo (fol. 59–64) genau mit der Tucherschen (363a) überein (vgl. Robinson, Pal. I, 441). In Cairo bleiben die Reisenden drei Wochen, dann ziehen sie nach Mekka, wo sie während ihres achttägigen Aufenthalts die Kaaba, welche mit dem Colosseum in Rom Aehnlichkeit haben solle, ungehindert besuchen (fol. 71); von da kehren sie über Cairo, Alexandria nach Constantinopel, dann zu Lande nach Wien zurück. […] Sicher ist unser Bericht nicht bloss eine Uebersetzung der Mocenigoschen Reisebeschreibung, da Oerttel in seiner Erzählung sorgfältig unterscheidet, was er, und was sein Herr erlebt hat. (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 238f.).

Yerasimos hegt Zweifel daran, ob Oerttel diese Reise unternommen hat. Vgl. dazu auch den Reisebericht von Hans von Godern aus dem Jahre 1563 (siehe unten). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 238f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 197; Yerasimos, 1991, S. 255.

1561–1562: Graf Albrecht zu Löwenstein (1536–1587) 1584. Löwenstein, Albrecht zu: Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab / Pilgerfahrt gen Jerusalem / Alkayr / In Egypten / vnnd auff den Berg Synai / Durch mich Albrechten / Graven zu Loeuwenstein / vnd Herren zu Scharpffeneck / etc. vollbracht / vnd nach folgender massen verzeichnet. Welche sich angefangen auff den heyligen Palmtag / den 30. Martij / als man zehlet von vnsers einigen Seligmachers Geburt / tausendt / fuenff hundert sechtzig vnd ein Jar / Auch sich geaendet den 16.tag Augusti / Anno1562. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 188b–210b. 1584. Löwenstein, Albrecht zu: Herrn Albrechts / Graffen zu Loeuwenstein / ec. Pilgerbuch / was durch das gantze heilige Landt vnd Egypten vor heylige Oerter hin vnd wider zusehen / vnd von den Pilgern zubesuchen seyn / Ein kurtz Verzeichnuß deß heyligen Landts vnd Egypten / So an Graff Albrechts von Loeuwenstein Buch angehenckt gewesen ist / vnd jetzundt allererst auß dem

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

Latein verteutscht worden / darinn die vornembste Ort all die von Pilgern sollen besucht werden / kuertzlich begriffen vnd genennt seyn. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 211a–212b. Weitere Editionen und Literatur: 1765. Kremer, Christoph Jacob: Abhandlung von den Grafen von Löwenstein, älteren und mittleren Geschlechts, München, 1765. 1930. Ermlein, Friedrich: „Die Pilgerfahrt des Grafen Albrecht von Löwenstein“. In: Jahrbuch des Historischen Vereins Alt-Wertheims, 1930, S. 72–98; 1931, S. 100–119; 1932, S. 98–121. 1996. Treue, Wolfgang: „Peregrinatio Hierosolymitana. Zwei deutsche Ritter auf der Reise durch Palästina und Ägypten in den Jahren 1561–62“. In: Burgard, Friedhelm (Hg.): Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit: Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde, Trier, 1996, S. 445–458. [Trierer historische Forschungen; 28]. Kommentar: Heiliges Land, Unterägypten und Sinai (30.03.1561–16.08.1562). Reisestationen: Abreise von Löwenstein (30.03.1561) (fol. 189b), Ankunft in Venedig (08.05) (fol. 190a), Abreise von Venedig (04.07) (fol. 191b), Ankunft in Jaffa (18.08) (fol. 192b) und in Jerusalem (27.08) (fol. 193a), Reise von Jerusalem nach Gaza (27.–29.09) (196a), Abreise von Gaza auf dem Sinai-Landweg (09.10) (fol. 196b), Ankunft in Kairo (20.10) (fol. 197a), Abreise zum Katharinenkloster (17.11) (fol. 198b), Ankunft beim Katharinenkloster (28.11) (fol. 199a), Rückreise vom Katharinenkoster (05.12) (fol. 200b), Ankunft in Kairo (21.12) (fol. 201a), Reise von Kairo auf dem Nil nach Rosette und weiter per Maulesel nach Alexandrien (04.01.1562) (fol. 201b), Ankunft in Alexandrien (07.01) (fol. 201b), Reise von Alexandrien in Gefangenschaft zurück nach Kairo auf dem Landweg (26.01) (fol. 202b), Ankunft in Kairo (31.01) (fol. 203b), Reise von Kairo nach Rosette auf dem Nil und per Mauesel nach Alexandrien (12.02) (fol. 204b), Ankunft in Alexandrien (15.02) (fol. 204b), Reise von Alexandrien über Ancona nach Europa (16/17.02.1562) (fol. 205a): Ancona (02.05) (fol. 208a), Rom (16.06) (fol. 209a), Venedig (01.07) (fol. 209a) und Löwenstein (16.08.1562) (fol. 209b). Die Reisenden werden in Alexandrien wegen Mordverdachts an einem Einheimischen gefangen genommen und in Kairo vor Gericht gestellt. Nach der Freilassung Rückreise über Alexandrien nach Europa. Mitreisende: Jacob Wormser (siehe Parallelbericht). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 233–236; Hippler, 1987, S. 173f., 310; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 197; Yerasimos, 1991, S. 256f.; Müller, 2006, Bd. 5, S. 220–238.

1561–1562: Jacob Wormbser (Wormser) 

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1561–1562: Jacob Wormbser (Wormser) 1584. Wormbser, Jacob: Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung der Außreysung vnd Heimfahrt deß edlen vnd vesten Jacob Wormbsers / wie er im Jar 1561. naher dem heyligen Land vnd dem Berg Synai abgereyset / vnnd im folgenden Jar wider zu Hauß kommen. Von ihm selbst allein im Gedaechtniß auffgeschrieben / Jetzund aber in besserer Außfertigung dieses Wercks in Druck gegeben. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M., 1584, fol. 213a–234b. Weitere Editionen und Literatur: 1996. Treue, Wolfgang: „Peregrinatio Hierosolymitana. Zwei deutsche Ritter auf der Reise durch Palästina und Ägypten in den Jahren 1561–62“. In: Burgard, Friedhelm (Hg.): Liber amicorum necnon et amicarum für Alfred Heit: Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde, Trier, 1996, S. 445–458. [Trierer historische Forschungen; 28]. Kommentar: Heiliges Land, Unterägypten und Sinai von 1561 bis 1562. Reisestationen: Reise von Straßburg (über Basel, Thüngen, München, Thüngen, Straßburg, Vaduz) nach Venedig (06.12.1560) (fol. 213a), Ankunft in Venedig Ende Mai 1561 (fol. 214b–216a), Reise von Venedig nach Jerusalem (04.07.1561) (fol. 216b), Ankunft in Jaffa (19.08) (fol. 217b) und in Jerusalem (27.08) (fol. 218b), Weiterreise nach Gaza (27.09) (fol. 222a) und auf dem Landweg nach Kairo (09.10.1561) (fol. 222b), Ankunft in Kairo (20.10.1561) (fol. 223a), Reise zum Katharinenkloster (17/18.11) (fol. 224b), Ankunft beim Katharinenkloster (28.11) (fol. 225a), Rückreise nach Kairo (06.12) (fol. 226b), Ankunft in Kairo (21.12) (fol. 227a), Reise über Rosette nach Alexandrien (04.01.1562) (fol. 228a), Ankunft in Alexandrien (07.01) (fol. 228b), Reise in Gefangenschaft von Alexandrien nach Kairo (24.01) (fol. 229b/230a), Ankunft in Kairo (27.01) (fol. 230a), Reise von Kairo über Rosette nach Alexandrien (11.02) (fol. 231a), Rückreise nach Ancona (16/17.02.1562) (fol. 231a) und Ankunft (02.05.1562) (fol. 233b). Nach einer Pilgerfahrt nach Loretto reist er über Venedig (01.06) (234a) und Rom (20.06) (234a) in die Heimat zurück. Im Anhagn des Reiseberichts finden sich zwei Exkurse über den Ritterschlag beim heiligen Grab (234a–234b) und über die verschiedenen christlichen Sekten zu Jerusalem (235a). Mitreisende: Graf Albrecht zu Löwenstein (siehe Parallelbericht). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 236; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 197f.; Yerasimos, 1991, S. 257f.; Kainbacher, 2002, S. 460; Müller, 2006, Bd. 10, S. 222–234.

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

1563: Hans von Godern Manuskript. [Godern, Hans von]: Beschreibung einer Rais geen Jerusalem von einer Person die sollchs alles selbst verricht unnd dabey gewesen mit namen hernachgewelt. [Dillingen a.d. Donau, Studienbibliothek, N°XV, 63, f. 72–96 (zit. nach: Yerasimos, 1991, S. 258)]. Kommentar: Yerasimos zweifelt an der Echtheit des Reiseberichts und stuft ihn als Plagiat des Reiseberichts von Oerttel aus dem Jahre 1561 (siehe oben) eIn: Ce texte est une copie de celui d’Emanuel Oerttel […] lequel porte toutes les caractéristiques d’un récit imaginaire. L’auteur, qui se nomme dans les premières lignes, paraphrase uniquement la première page où il remplace la date de 1561, donnée par Oerttel, par celle de 1563 et les noms des ambassadeurs, imaginaires, de Alvise Mocenigo et de Contarini par celui du Comte “ Heinrich von Alba „ ambassadeur de Philippe II auprès de Sûleyman 1er. Pour le reste le texte est sensiblement identique avec quelques corrections de phrases qui font penser que le texte de Godern est posterieur et copié sur celui d’Oerttel. La description de la Palestine et le voyage au Mont Sinai présentent des différences qui ne rendent pas toutefois ce voyage plus plausible que celui d’Oerttel. Enfin l’Egypte est toujours décrite comme étant sous les Mameluks (Yerasimos, 1991, S. 258).

Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 243; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 198; Yerasimos, 1991, S. 258.

1565–1566: Christoph Fürer von Haimendorff (1541–1610) 1620. Fürer von Haimendorff, Christoph: Itinerarium Aegypti, Arabiae, Palaestinae, Syriae, aliarumque regionum Orientalium, anno 1565, 66, übersetzt ins Lateinische von Georg Richter, Nürnberg, 1620. [Anmerkung: [16] + 118 + [114] S. + Ill. + Kt.; Standort: HAB, Microfilm 1:10; Mikrofilm-Ausgabe, 1969]. Weitere Editionen und Literatur: 1646. Fürer von Haimendorff, Christoph: [Christoph Fürers von Haimendorff, Ritters, Desz Eltern geheimen Rahts / vordersten Losungers / Schultheissen / und Obristen Kriegshaubtmanns der Stadt Nuernberg / auch des loeblichen Fraenkischen Kraises Kriegsrahts] Reis-Beschreibung. In Egypten / Arabien / Palaestinam / Syrien / etc, Nürnberg, 1646. [Anmerkung: [24] + 384 + [20] S. + Ill. + Kt.; Standort: VD17 23:247695K; HAB, M: QuN 228 (1) / M: Cc 664 (4) / A: 235.4 Hist.]. Kommentar: Hl. Land, Unterägypten und Sinai (21.07.1565 bis 07.07.1566). Reisestationen: Venedig, Alexandria, Kairo, Sinai, Kairo, Rosette, Alexandria, Damiette, Tanis, Rafah, Gaza, Jerusalem, Jordan, Jerusalem, Syrien, Berg Libanon, Tripolis, Venedig, Wien, Ungarn, Nürnberg. Mitreisende in Ägypten: Johann Helffrich

1565–1566: Johann Helffrich (Johannes Helffrich) 

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(siehe Parallelbericht). Autor: geboren am 04.12.1541, entstammt einer reichen Patrizierfamilie aus Nürnberg, absolviert das Studium der Kunst und Sprachen in Straßburg und Italien, nimmt an den Kämpfen gegen die Türken auf Sizilien und Malta teil, ist Urgroßvater des Dichters Christoph Fürer von Haimendorf (1663– 1732). Zur Reise: Christoph (III.) Fürer von Haimendorff segelt am 21.07.1565 von Venedig nach Alexandrien (16.08.), wo er das Grab des 1483 verstorbenen Grafen Johann von Solms besucht. Am 06. September reist er nach Kairo, das er am 10. September erreicht. Vom 29.10. bis 30.11. unternimmt er eine Pilgerreise zum Sinai; am 5. Dezember reist er von Kairo nach Gaza (30.01.1566). Nach seiner Pilgerfahrt schifft er am 27. März in Tripolis ein und erreicht Venedig am 07.07.1566. Der Autor dient zuletzt als Ratsherr in Nürnberg. Gestorben am 09.11.1610. Seine Reisebeschreibung wird 1620 von Georg Richter ins Lateinische übersetzt und herausgegeben. Deutsch erscheint das Werk erst 1646. Der Textauszug über Ägypten ist 1798 bei Ehrmann und 1829 bei Jäck erschienen (siehe unten). Quellen: Ehrmann, 1798, Bd. 20, S. 23–31; Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1829, Teil II, Bd. 2, S. 233–254; Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 243–245; Wolf-Crome, 1977, S. 524f.; Jolowicz, 1982, S. 24; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 200; Yerasimos, 1991, S. 273; Kalfatovic, 1992, S. 18; Kainbacher, 2002, S. 132; EutinReiseBestand.fp5.

1565–1566: Johann Helffrich (Johannes Helffrich) 1578. Helffrich, Johann: Kurtzer vnd warhaffter Bericht / Von der Reiß aus Venedig nach Hierusalem / Von dannen in Aegypten / auff den Berg Sinai, und folgends widerumb gen Venedig. Vollbracht / Durch Johan. Helffrich / jetzo Buerger in Leipzig, mit Churfuerstlicher Sechssischer Freyheit nicht nachzudrucken, Leipzig, 1578. [Anmerkung: Erscheinungsvermerk am Ende: „Gedruckt zu Leipzig Durch Johan. Beyer. Anno M.D.LXXVIII“. Umfang: 146 Bl. + Ill.; Standort: VD16 ZV7596; HAB, A: 198.7 Hist. (8); Mikrofiche, München: Saur, 1990]. Kommentar: Heiliges Land, Unterägypten und Sinai (01.07.1565–19.03.1566). Reisestationen: Venedig, Jaffa, Jerusalem, Gaza, Kairo, Sinai, Kairo, Rosette, Alexandrien, Venedig. Mitreisende in Ägypten: Christoph Fürer von Haimendorff (siehe Parallelbericht). Der Autor, vermutlich Handwerker aus Leipzig, segelt am 01.07.1565 von Venedig nach Jaffa (09.08.). Nach seiner Pilgerfahrt reist er am 11. Oktober von Gaza nach Kairo (22.10.). Vom 29.10. bis 30.11. unternimmt er eine Pilgerreise zum Sinai. Am 01.01.1566 reist er von Kairo nach Alexandrien (04.01.), schifft dort am 10. Februar ein und erreicht Venedig am 19.03.1566. Der Bericht ist mehrmals erschienen (1578, 1579, 1580, 1581, 1582, 1584, 1589, 1609).

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

Quellen: Reyßbuch, 1584, fol. 375a–399b; Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 245f.; Jolowicz, 1982, S. 28; Stuck, 1984, Nr. 655; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 199; Yerasimos, 1991, S. 274; Kalfatovic, 1992, S. 18; Kainbacher, 2002, S. 167; Katzer, 2008, S. 126f. und 493.

1568: Ludwig von Rauter 1956. Babinger, Franz: „Ludwig von Rauter und sein verschollenes Reisbuch (1567/71)“. In: Festschrift für Viktor Christian, gewidmet von Kollegen und Schülern zum 70. Geburtstag, hg. von Kurt Schubert, Johannes Botterweck, Johann Knobloch, Wien, 1956, S. 4–11. Weitere Editionen und Literatur: 1979. Ross, Erhard: „Das Epitaph für den Landhofmeister Ludwig von Rauter (1542–1614) “. In: Preußenland. Mitteilungen der Historischen Kommission für Ost- und Westpreussische Landesforschung und aus den Archiven der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 17 (1979), S. 1–13. [Standort: HAB, F8º 2514:17]. Kommentar: Röhricht berichtet darüber folgendes: Ludwig von Rauter, brandenburgischer Landhofmeister im Herzogthum Preussen, bricht in diplomatischen Geschäften am 29. October 1567 von Hause auf nach Constantinopel, von da am 8. Juni 1568 über Iconium nach Aleppo, das er am 14. Juli erreicht. Durch die Krankheit seines Reisegefährten Bartel Breiden an einem Ausfluge nach Babylon gehindert, geht er über Damascus nach Jerusalem […]. Rauter reist hierauf nach Cairo und dem Sinai, landet am 10. August 1579 wieder glücklich in Venedig und kehrt, nachdem er noch halb Europa durchreist hatte, am 30. Juli 1571 wieder nach Preussen zurück. (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 248).

Quellen: Röhricht/Meisner, 1880, S. 430–445; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 248; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 201; Yerasimos, 1991, S. 280f.

1578: Lupold von Wedel (Leopold von Wedell) 1895. Wedel, Lupold von: [Lupold von Wedels] Beschreibung seiner Reisen und Kriegserleb nisse: 1561–1606, nach der Urhandschrift hg. u. bearb. von Max Bär, Stettin, 1895. [609 Seiten; Baltische Studien; 45]. Weitere Editionen und Literatur: 1874. Brachvogel, Albert E.: Ritter Leopold von Wedels Abenteuer. Historischer Roman in drei Bänden, mit freier Benutzung von Lupolds Selbstbiographie, Berlin, 1874.

1579–1580: Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach (1552–1617) 

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1990. Bleser, Paul: „Lupold von Wedel. Beschreibung seiner Reisen“. In: Hornung, Erik (Hg): Zum Bild Ägyptens im Mittelalter und in der Renaissance, Freiburg, 1990, S. 143–170. [Orbis biblicus et orientalis; 95]. Kommentar: Levante- und Europareise, Hl. Land, Unterägypten und Sinai. Reisestationen: Abreise (19.04.1578), Larnaka (16.07.), Tripoli (22.07.), Sidon (31.07.), Haifa (01.08.), Jerusalem (08.08.), Abreise über Rama (16.08.), Gaza (18.08.– 06.08.), Berg Sinai (04.09.), Tore (el-Tur) (09.09.), Suez (18.09.), Kairo (20.09.): In Kairo besichtigt er Alt-Kairo, den Nilometer, die sog. Kornspeicher Josephs (Pyramiden), Matarieh und Bulaq; 29.09. Alexandrien (dort besichtigt er die Kirchen St. Markus, St. Katherinen, St. Saba, die Obelisken und die Säule von Pompeij), 11.10.1578 Abfahrt von Alexandrien über Candia, Ragusa, Venedig, Rom, Straßburg nach Berlin, Ankunft 18.10.1579 (vgl. Yerasimos, 1991, S. 322). Informationen zum Autor finden sich bei Bär: Wedel: Lupold von W., auf Kremzow in Pommern gesessen, wurde am 25. Januar 1544 auf dem väterlichen Rittersitze Kremzow geboren. Sein Vater war Kurt von W., seine Mutter, des Vaters zweite Frau, Anna von Borcke. Nach dem Tode des Vaters im J. 1552 besuchte der Knabe kurze Zeit die Schule zu Stargard, nahm dann aber, der Sitte der Zeit folgend, Pagendienste und bereiste mit seinem Herrn, einem Grafen Volrad von Mansfeld, die meisten Theile von Deutschland. Hier wird der Grund gelegt sein zu seinem späteren steten Drange, auf Kriegszügen und Reisen Länder und Völker kennen zu lernen. So entstand seine Theilnahme an dem Feldzuge in Ungarn im J. 1566, an den Hugenottenkriegen in Frankreich 1575 und 1591, am Kölnischen Kriege und an dem Straßburger Bischofskriege 1583/84 und 1592/93; so entstanden ferner seine Reisen nach dem heiligen Lande, Aegypten, Italien, Spanien, Portugal und England. […] Die Zeit seiner Kriegszüge und Reisen umfaßt die Jahre 1561–1606. In höherem Lebensalter hat W. geheirathet: Anna von Eickstedt, die Tochter des pommerschen Kanzlers Valentin von E. […]. Ende Juni 1615 ist er gestorben (Bär. In: ADB, Bd. 41, S. 413–414).

Quellen: Mitrovich, 1963, S. 43–49; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 253–255; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 204; Yerasimos, 1991, S. 322; ADB, Bd. 41, S. 413–414 (Max Bär).

1579–1580: Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach (1552–1617) 1612. Breuning von und zu Buchenbach, Hans J.: Orientalische Reyß / Deß Edelen unnd Vesten / Hanß Jacob Breüning / von und zu Buochenbach: so er selbander in der Türckey / under deß Türckischen Sultans Jurisdiction und Gebiet / so wol in Europa als Asia unnd Africa / ohn einig Cuchium oder FreyGleit / benantlich in GriechenLand / Egypten / Arabien / Palestina / das Heylig Gelobte Land und Syrien / nicht ohne sondere grosse Gefahr / vor dieser zeit ver-

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

richtet; Alles in Fünff underschiedliche Meerfahrten disponirt und abgetheylet, Straßburg, 1612. [ND: Hildesheim, 2004]. Kommentar: Orientreise/Pilgerfahrt (03.04.1579 bis 02.02.1580). Der Autor entstammt einem alten Patriziergeschlecht aus Tübingen, ist um 1552 in Speyer oder Innsbruck als Sohn von Wolfgang Breuning geboren, hat humanistische und juristische Studien (Tübingen, Paris, London und Italien) absolviert. Auf seinen ausgedehnten Reisen zwischen 1579 und 1584 in Europa und im Orient besucht er auch Ägypten und den Sinai. Nach der Rückkehr ist er als Obervogt im Dienst des Herzogs Friedrich von Württemberg Oberhofmeister, Entlassung und später Rehabilitierung, gestorben 1617. Reisestationen: Am 30.041579 reist er von Venedig über Athen (09.06.) nach Konstantinopel (22.06.). Von dort segelt er am 22.07. nach Alexandrien, das er am 03.08. erreicht. Am 09.08. Weiterreise nach Kairo und zum Sinai. Nach der Rückkehr nach Kairo (15.09.) reist er über Jaffa nach Jerusalem. Rückreise über Jaffa, Tripolis (01.11.), Marseille (08.12.) nach Venedig, wo er am 02.02.1580 ankommt. Reise zusammen mit Jean Carlier de Pinon (vgl. Pinon, Jean C. de: Relation du voyage en Orient, hg. von E. Blochet, Paris, 1920). Vorhandene Quellen (Rauwolf, Bellon) werden vom Autor benutzt. Eine andere Ausgabe in fünf Teilen (Meerfahrten) erscheint ca. 1605. Der Ägyptenteil wird 1799 von Ehrmann in Auszügen herausgegeben. Quellen: Ehrmann, 1798, Bd. 20, S. 32–45; Beckmann, 1807–1809, Bd. 2, S. 269–286; Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 255f.; Wolf-Crome, 1977, S. 513f.; Jolowicz, 1982, S. 10; Stuck, 1984, Nr. 196; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 204; Yerasimos, 1991, S. 325f.; Kalfatovic, 1992, S. 19; Kainbacher, 2002, S. 58; ADB, Bd. 3, S. 321 (von Wilhelm von Heyd); NDB, Bd. 2, S. 608 (von Max Miller).

1581 (1577–1581): Salomon Schweigger (1551–1622) 1608. Schweigger, Salomon: Ein newe Reyßbeschreibung auß Teutschland Nach Constantinopel und Jerusalem. Darinn die gelegenheit derselben Länder / Städt / Flecken / Gebew ec. der innwohnenten Völcker Art / Sitten / Gebreuch / Tachten / Religion und Gotteßdienst ec. Insonderheit die jetzige ware gestalt deß H. Grabs / der Stadt Jerusalem und anderer heiligen Oerter / darbey allenthalben der heiligen Schrifft und des Authoris Meinung hievon. Item welcher gestalt und was die Röm. Käys. Maj. durch ihrn Legaten dem Türckischen Keyser / auch dessen fürnembsten Offizirn / jedem besonder zur Praesent unter wegen und zu Constantinopel damals überliefern lassen / sampt desselben werht und der Legaten Ampt / Habitation / jährlichen besoldung ec. und gantzen Unkosten daselbst. Deßgleichen deß Türckischen

1581–1582: Franciscus de Billerbeg/Billerbeck/Billribeck (Franz von Billerbeg) 

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Reichs Gubernation / Policey / Hofhaltung / nutzbarkeit deß Reysens / und vielerley andern lustigen sachen / Mit hundert schönen newen Figuren / dergleichen nie wirdt gewesen seyn / In III. unterschiedlichen Büchern Auffs fleissigst eigner Person verzeichnet und abgerissen Durch Salomon Schwiegger / damal Diener am Evangelio übers dritt Jahr zu Constantinopel ec. Dieser zeit aber Prediger der Kirchen zu unser Frawen in Nürnberg. Und jetzo auff offtes begehrn vieler fürnemer / erfahrner und guthertziger Leut menniglich so wol zum Trost und Warnung als zur Lust, gedruckt unnd verlegt zu Nürnberg / durch Johann Lantzenberger, MDCVIII [1608]. [Neudruck: Graz, 1964; Frankfurt a.M., 1995]. Kommentar: Pilgerfahrt mit Alexandrien und Rosette (03.03.–02.10.1581). Salomon Schweigger (30.01.1551–21.06.1622), Übersetzer des Korans, ist in Haigerloch bei Tübingen als Sohn eines Notars geboren. Die Jugendjahre verbringt er in Sulz in Württemberg. 1576 bricht er sein Studium an der Universität Tübingen ab, um ferne Länder zu bereisen. Er legt das Predigerexamen ab und reist 1577 als protestantischer Prediger mit einer habsburgischen Gesandtschaft Rudolfs II. nach Konstantinopel, wo er drei Jahre verbringt. Bevor er nach Hause zurückkehrt, unternimmt er eine Pilgerreise, die ihn auch nach Ägypten führt. Reisestationen: Am 03.03.1581 Reise von Konstantinopel nach Alexandrien, das er am 23.03. erreicht. Am 27.03. reist er weiter nach Raschid (Rosette), wo er am 13.04. nach Palästina einschifft. Von dort kehrt er über Tripolis (06.06.) und Venedig (02.10.1581) nach Tübingen zurück. Themen: Ägypten kommt im dritten Buch (Kapitel I-VIII und IX-XXI) vor: Alexandrien, Nil, Klima, Krokodil, Zucker, Salz, Dattelpalmen, Kamel, Sprachen, Münzen, Ägypter (Art, Sitten, Tracht, Aberglaube) und Mumien. Bericht mit Illustrationen. Mehrmals gedruckt (1609, 1614, 1619, 1639, 1664, 1964, 1986, 1995). Quellen: Reyßbuch, 1609, Bd. 2, S. 1–137; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 256– 258; Stuck, 1984, Nr. 1312; Stein, 1986, S. 210–223; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 206f.; Yerasimos, 1991, S. 317f.; Katzer, 2008, S. 129f., 498f.; EutinReiseAllegemein.fp5; EutinReiseBestand. fp5; ADB, Bd. 33, S. 339–340 (von Wilhelm von Heyd).

1581–1582: Franciscus de Billerbeg/Billerbeck/Billribeck (Franz von Billerbeg) 1583. Billerbeg, Franciscus de: Newe Schiffart. Darinnen eigentlich und auffs kürtzest beschriben wirdt die Reise, einer Schiffart, auß Constantinopel in Syriam, Palaestinam, Aegypten, und auff den Berg Synai, Nürnberg, 1583. [Anmerkung: 10 Bl.; 8º Standort: HAB, A: 190.20 Quod. (11)].

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Weitere Editionen und Literatur: 1583. Billerbeg, Franciscus de: Epistola Continens Hodoeporicon Navigationis Ex Constantinopoli In Syriam, Palaestinam, & AEgyptum: & Montem Sinai, [s.l.], 1583. 2001. Benga, Daniel: David Chytraeus (1530–1600) als Erforscher und Wiederentdecker der Ostkirchen. Seine Beziehungen zu orthodoxen Theologen, seine Erforschungen der Ostkirchen und seine ostkirchlichen Kenntnisse, Erlangen, 2001. [Dissertation]. [Zu Billerbeg siehe dort S. 195ff.]. Kommentar: Pilgerfahrt (01.09.1581–20.09.1582). Bericht in Briefform, geschrieben nach der Rückkehr in Wien. Reisestationen: Konstantinopel (01.09.1581), Ephesus, Rhodos, Zypern, Syrien, Nazareth, Jerusalem, Gaza, Kairo, Sinai, Kairo, Rosette, Alexandrien, Konstantinopel (23.04.1582), Ungarn, Wien (20.09.1582). Bei Kairo berichtet er nur von der Besichtigung der Mumien und Pyramiden. Sinaireise. Nilfahrt von Kairo über Rosette nach Alexandrien. Bei Alexandrien berichtet er v.a. vom Treffen mit einem Priester des Katharinenklosters. Zu vermerken sind die Abschlussworte, durch die er das Gelübde erneuert, gegen die Türken in den Krieg zu ziehen. Diese Ansicht habe er durch die Reise gewonnen. Der Autor (gest. 1587 oder 1599 in Wien) entstammt einem pommerschen Adelsgeschlecht. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 260; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 209; Yerasimos, 1991, S. 338f.

1583 (1582–1584): Nikolaus Christoph Radziwill (1549–1616) (Nicolaus Christoph Radzivill; Mikolaj Krzystof Radzwill) 1601. Radziwill, Nikolaus Chr.: Hierosolymitana Peregrinatio Illustrissimi Domini Nicolai Christophori Radzivili, Ducis in Olika & Nyeswiesz, Comitis in Szydlowiec & Myr. &c. IV. Epistolis compraehensa / Ex idiomate Polonico in Latinam linguam translata & nunc primum edita. Thoma Tretero Custode Varmiensi Interprete, Brunsbergae, 1601. [Anmerkung: [6] Bl., 304 [i.e. 308] S., [5] Bl., Ill. (Kupferst.); 4°; Standort: VD17 1:071621N; VD17 39:133189H; HAB, Xb 4º 414]. Weitere Editionen und Literatur: 1603. Radziwill, Nikolaus Chr.: Jüngst geschehene Hierosolymitanische Reyse und Wegfahrt Des […] Nicolai Christophori Radzivili: Welche in vier Sendschreiben begriffen / darinn sehr nützliche / lustige und seltzame ding / im Heiligen und Egyptischen Landt: in vielen Inseln, auff dem Meer und Nilo, von den Christen, Türcken, Arabiern und anderer allerhand jetziger Zeit Sachen zu ersehen / Auß Polischer Sprach / in Latein versetzt / und zum ersten mal

1585–1588 (1582–1588): Michael Heberer [von Bretten] 

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in Druck verfertiget / Durch […] Thomam Treterum, des hohen Tumbstiffts zu Frawenburck / Custodem. Jetzundt aber auß Lateinischer Sprach inn Teutsch verfasset / Durch Laurentium A Borkau Nobil. Prutenum, Mainz, 1603. [[6] Bl., 289 S., [2] Bl.; VD17 23:240004E; Standort: HAB, Xb 2427]. 1609. Radziwill, Nikolaus Chr.: Jüngst geschehene hierosolymitanische Reyse und Wegfahrt / Nicolaus Christophorus Radzivilus. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, 1609, Bd. 2, S. 139–243. [Standort: HAB, A: 180 Hist. 2º]. Kommentar: Nicolaus Christoph Radziwill (1549–1616), führender Protektor der Konterreformation in Litauen, Ritter des Heiligen Grabes, 1563–1565 Studium an den Universitäten in Straßburg und Tübingen, 1566 Übertritt zum Katholizismus, 1569 litauischer Hofmarschall, 1579–1586 litauischer Großmarschall, 1590–1604 Wojewode von Troki, seit 1604 Wojewode von Wilna; 1582–1584 Pilgerfahrt ins Hl. Land und Besuch Ägyptens. Reisestationen: (16.04. 1583) Venedig, Corfu, Creta, Tripoli, Damascus, (26.06) Jerusalem, Rama, Jaffa, Tripoli (30.07), Damiette, (13.08) Kairo, (17.09) Fua, (19.9) Alexandria (9.10), Creta, (03.4.1584) Venedig. Der Reisebericht ist auf Polnisch verfasst. Er erscheint 1601 in lateinischer, 1603 in deutscher Übersetzung. Erst 1607 wird er auf Polnisch publiziert. Er wird mehrmals herausgegeben: „Das Tagebuch wurde ca. zwanzigmal herausgegeben und übersetzt und übte eine große Beeinflussung auf die europäische und ganz besonders auf die polnische Wallfahrtsliteratur aus“. (BBKL, Band VII, 1994, Sp. 1237ff.). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 269; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 208f.; Yerasimos, 1991, S. 352ff.; Kalfatovic, 1992, S. 21; BBKL, Band VII, 1994, Spalten 1237–1239 (Autor: Janusz A. Szteinke).

1585–1588 (1582–1588): Michael Heberer [von Bretten] 1610. Heberer, Michael: Aegyptiaca servitus. Das ist / Warhafte Beschreibung einer Dreyjährigen Dienstbarkeit / So zu Alexandrien in Egypten ihren Anfang / und zu Constantinopel ihr Endschafft genommen. Gott zu Ehren / und dem Nechsten zur Nachrichtung / in drey unterschiedene Bücher außgetheilet / und mit etlichen Kupfferstücken in Druck verfertiget Durch Michael Heberer von Bretten / Churfürstlicher Pfalz Cantzley Registratorn / der solche in der Person außgestanden. Mit zwo angehenckten Reisen/ die er nach seiner Dienstbarkeit / in Vier Königreich / Böhem / Polen / Schweden / Dennemarckt / auch nechstligende Fürstenthumb und Seestädt vollbracht, Heidelberg, 1610. [Nachdruck: Mit einer Einleitung von Karl Teply, Graz, 1967].

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Weitere Editionen und Literatur: 1747–51. Heberer, Michael: Des Pfältzischen Robinsons und Kreutz-Bruders, Herrn Johann Michael Heberers, gewesenen Chur-Pfälzischen Canzley-Registratoris zu Heydenberg, aus der Churpfälzischen Stadt Bretten, gebürtig, Frankfurt/ Leipzig, 1747 (1./2. Teil) und Mannheim, 1751 (3./4. Teil). 1906. Thoma, Albrecht: Der Pfälzer Robinson. Reisen, Abenteuer und türkische Skalverei des Michael Heberer aus Bretten, 1582 – 88, von ihm selbst erzählt, Lahr i.B., 1906. 1912. Brunner, Karl: In türkischer Gefangenschaft. Abenteuerliche Schicksale eines Heidelberger Studenten im 16. Jahrhundert, von ihm selbst erzählt, Berlin, 1912. 1976. Heberer, Michael: Voyages en Égypte de Michael Heberer von Bretten, 1585–1586, übers. von Oleg V. Volkoff, Kairo, 1976. [Voyageurs occidentaux en Égypte; 18]. Kommentar: Als Galeerensklave von 1585 bis 1588 in osmanischer Gefangenschaft. Michael Heberer von Bretten, genannt der Churpfälzische Robinson (geb. um 1560 im nordbadischen Bretten, gest. nach 1623), absolviert seine Studien an der Universität Heidelberg, fällt 1585 in türkische Gefangenschaft, als er sich auf einem Kriegsschiff des Malteserordens vor der ägyptischen Küste befindet. Er dient 3 Jahre als Galeerensklave im Osmanischen Reich und bereist dabei auch Ägypten (1585: Alexandrien, Rosette, Kairo und Suez; 1586 und 1587 wieder Alexandrien). 1588 Loskauf und Heimreise. Zu Person und Werk vgl. Fröhlich, Hugo: Johann Michael Heberer von Bretten, der ‚Churpfälzische Robinson‘, Speyer, 1965. Quellen: Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 260–264; Stuck, 1984, Nr. 652; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 207; Yerasimos, 1991, S. 371ff.; Kainbacher, 2002, S. 164; Müller, 2006, Bd. 4, S. 116–143; EutinReiseBestand.fp5; ADB, Bd. 11, S. 197–198 (von Jakob Franck); NDB, Bd. 8, S. 170 (von Volker Press).

1586: Karl Nützel von Sündersbühl (1557–1614) 1964. Ernstberger, Anton: „Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586“. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 28–96. Kommentar: Pilgerfahrt und Unterägypten (Ägypten: 14.04.–12.09.1586). Autor: Nürnberger Patrizier (geb. 1557, gest. 1614 als kaiserlicher Reichshofrat). Reiseverlauf: Konstantinopel (02.03.1586), Rhodos, (14.04.) Alexandria (22.04.), (23.04.) Rosetta, (27.04.) Kairo (19.05.), [wegen Unruhen beim Kathrinenkloster geben sie den Plan eines Sinai-Besuchs auf], (22.05.) Damietta (06.06.), (10/11.06.) Jaffa, Lasura, Rama, (13.06.) Jerusalem (30.06.), (Ritterschlag am 22.06.), Rama, Jaffa

1587: Bernhard Walter von Waltersweyl (Waltersweil/Walterßweyl) 

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(16.07.), Damiette, (01.08.) Kairo (27.08.), Alexandria (12.09.), (20.09.) Rhodos, (16/17.10.1586) Konstantinopel. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 273–275; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 213; Yerasimos, 1991, S. 378; Müller, 2006, Bd. 7, S. 70–83; NDB, Bd. 19, S. 373f. (Familienartikel: Nützel von Sündersbühl).

1587: Bernhard Walter von Waltersweyl (Waltersweil/Walterßweyl) 1609. Walter, Bernhard: Beschreibung Einer Reiß auß Teutschland biß in das gelobte Landt Palæstina, unnd gen Jerusalem / auch auff den Berg Synai / von dannen widerumb zu ruck auff Venedig und Teutschland, München, 1609. [Standort: VD17 23:241462E; VD17 12:114620A; HAB, Xb 2943; zuerst erschienen: München, 1608; eine dritte Ausgabe: München, 1610; Standort: VD17 23:255328Q; HAB, 588.4 Hist. (3)]. Weitere Editionen und Literatur: 1605. Walter, Bernhard: Wegweiser in das heylige Landt, Grätz, 1605. Kommentar: Pilgerfahrt mit Unterägypten und Sinai. Autor: Geheimrat, Kämmerer und oberster Stallmeister von Maximilian Ernest, Erzherzog zu Österreich. Reisebericht im Stil eines Reiseführers mit vielen Informationen zur Reisekultur der damaligen Zeit. Parallelbericht: Ernst von Buseck (vgl. Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 275; Röhricht/ Meisner, 1880, S. 455–461). Reisestationen: Venedig, Tripoli, Ramla, Jerusalem, Tripoli, Damiette, Kairo, Sinai, Kairo, Alexandria. Das Bericht nach der Ausgabe von 1609 umfasst: Titelblatt, Widmung, Vorrede, Christlicher Kalender, Karte (Mittelmeer und Nordafrika; Mittelmeer und Inseln), Das erste Capitel: Darinnen die vrsach / Fürsehung vnd Notturfft / so zu diser Raiß gehörig begriffen (S. 1), Das ander Capitel: In welchem vonn etlichen Stucken / mit denen sich ein Peregrim zu Venedig versehen mag / gehandelt wirdt (S. 6), Das dritte Capittel: Wie sich einer in dem Schiff oder auff der Meer Raise verhalten solle (S. 13), Das vierde Capittl: Darinnen vermeldet / was gestalt die Raiß vonn Tripoli biß auff Hierusalem / vnnd alldort vmbligenden Orten anzustellen (S. 18), Das fünffte Capittel: Was gestallt sich die Peregrini inn antrettung deß H. Landes / vnd sonderlich zu Hierusalem / verhalten solle (S. 25), Das sechste Capittl: Darinnen begriffen / wie sich der jenige verhalten solle / welcher weitter raisen / vnd die Gelegenheit der Türckey zubesehen / fürhabens (S. 38), Das siebende Capittel: Was Gestalt die Raiß nach Gran Cairo fürzunemmen (S. 44), Das achte Capitel: Was gestalt die Raiß nach dem Berg Sinay angestelt solle werden (S. 49), Was für Müntz / vnnd wie hoch dieselbe in Türckey läuffig (S. 61), Verzeichnus etlicher Arabischer vnd Türckischer Wörter / wie man dieselben in gemainer Sprach pfleget außzuspre-

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

chen / vnd was sie in vnser Teutschen Rede bedeuten in Ordnung deß Alphabets verfasset (S. 62), Gebet: Gebett für die so vber Landt raisen; Ein Gebett so du auff Wasser fehrest (S. 69). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 275; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 214; Yerasimos, 1991, S. 381; Kalfatovic 1992, S. 32; Kraack, 1997, S. 455f.; Kainbacher 2002, S. 439.

1587 (1586–1589): Hans Ludwig von Lichtenstein 1902. Lichtenstein, Hans L. von: Große Reisen und Begebenheiten der Herrn Wolf Christoph von Rotenhan, Herrn Hannß Ludwig von Lichtenstein, Herrn Christoph von Wallenfalß, Herrn Hannß Ludwig von Münster nach Italien, Rhodus, Cypern, Türkey, besonders Constantinopel, nach Asien, Syrien, Macedonen, Egypten, in das gelobte Land, Berg Sinai […], 1585 – 1589, aus den Niederschreibungen des Hannß Ludwig von Lichtenstein hg. von Hermann von Rotenhan, München, 1902. Weitere Editionen und Literatur: 1972. Sauneron, Serge (Hg.): Voyages en Égypte pendant les années 1587 jusqu’à 1588. Kairo: IFAO, 1972. [Voyageurs Occidentaux en Égypte; 6]; [DarIn: Kiechel, Lichtenstein, Lubenau, Teufel und Fernberger]. 2001. Freller, Thomas: „Kavalierstour und Abenteuer im Ancien Régime. Der deutsche Adel auf Reisen. Hans Ludwig von Lichtenstein im Orient“. In: Deutsches Adelsblatt, 40 (2001), S. 319–322. Kommentar: Orientreise, Pilgerfahrt mit Unterägypten und Sinai (Ägypten: 20.07.1587–14.10. 1587). Reisestationen: Augsburg (24.05.1586), München, Trient, Florenz, Rom, Neapel, Venedig (20.02.1587), (03.05.) Konstantinopel, Rhodos, (24.05.) Tripoli, (26.06.) Jerusalem (05.07.), (07.07.) Jaffa, (20.07.1587) Damiette (24.07.), (26.07.) Kairo (24.08.), (01.09.) Sinai, (29.09.) Kairo (02.10.), (05.10.) Rosette, (06.10.) Alexandria (14.10.1587), (19.10.) Rhodos, (16.11.) Konstantinopel (18.06.1588), Ofen, Gran, (02.01.1859) Wien. Freller ist der Ansicht, dass es sich bei der Datierung um einen Fehler des Herausgebers handelt, und datiert aufgrund von Parallelberichten die Reise auf 1586 (vgl. Thomas Freller, Adlige auf Tour, Ostfildern 2007, S. 40). Der Autor entstammt dem Adelsgeschlecht Lichtenstein, möglicherweise der Linie Heilgersdorf. „Gesichert ist, dass Lichtenstein zum Zeitpunkt des Antritts seiner Reise im Dienst des Eichstätter Fürstbischofs Martin von Schaumberg stand“ (Thomas Freller, Adlige auf Tour, Ostfildern 2007, S. 41). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 270; Yerasimos, 1991, S. 383ff.; Freller, 2007, S. 38–54 und 219–220.

1588 (1573–1589) Reinhold Lubenau (1556–1631) 

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1588 (1573–1589) Reinhold Lubenau (1556–1631) 1914. Lubenau, Reinhold: Beschreibung der Reisen des Reinhold Lubenau, Teil 1, hg. von Wilhelm Sahm. Königsberg i.Pr.: Beyers, 1914. [Erscheinungsbeginn: 1912]; [XIII + 321 S.]; [Mitteilungen aus der Stadtbibliothek zu Königsberg i.Pr.; 4/5]; [ND: Frankfurt a.M.: Institute for the History of Arabic-Islamic Science at the Johann Wolfgang Goethe Univ., 1995]. 1930. Lubenau, Reinhold: Beschreibung der Reisen des Reinhold Lubenau, Teil 2, hg. von Wilhelm Sahm. Königsberg i.Pr.: Beyers, 1930. [Erscheinungsbeginn: 1915]; [349 S.]; [Mitteilungen aus der Stadtbibliothek zu Königsberg i.Pr.; 6/8]; [ND: Frankfurt a.M.: Institute for the History of Arabic-Islamic Science at the Johann Wolfgang Goethe Univ., 1995]. Weitere Editionen und Literatur: 1972. Sauneron, Serge (Hg.): Voyages en Égypte pendant les années 1587 jusqu’à 1588. Kairo: IFAO, 1972. [Voyageurs Occidentaux en Égypte; 6]; [DarIn: Kiechel, Lichtenstein, Lubenau, Teufel und Fernberger]. Kommentar: Reinhold Lubenau, Orientreisender, Philologe und Apotheker aus Königsberg, begleitet Bartholomaeus Petzen in einer diplomatischen Mission des deutschen Kaisers Rudolf II. nach Istanbul. Die Delegation hat den Auftrag, die jährlich fälligen Tributzahlungen an das Osmanische Reich zu überbringen. Reinhold Lubenau besucht bei seinen ausgedehnten Reisen auf einer osmanischen Galeere auch Alexandrien. Reisestationen: (25.09.1588) Konstantinopel, (13.10.) Marseille, (17.10.) Biserta, (25.10.) Alexandria (28.10.), (29.10.) Thirus (Sur), (09.11.) Rhodos, (23.11.) Candia. Quellen: Yerasimos, 1991, S. 385–390; Kalfatovic, 1992, S. 25f.

1588 (1585–1589): Samuel Kiechel (1563–1619) 1866. Haßler, Konrad Dietrich (Hg.): Die Reisen des Samuel Kiechel. [Kurzer Bericht und Beschreibung meiner, Samuel Kiechel von Ulm, gethonen Reys von 23 May des 1585 jars büs uff ultimo Juny anno 89], aus drei Handschriften hrsg. von K. D. Haszler. Stuttgart, 1866. [Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart; 86]. Weitere Editionen und Literatur: 1987. Hartmut, Prottung (Hg.): Die Reisen des Samuel Kiechel 1585–89, übers. u. bearb. von Hartmut Prottung, München, 1987. 1971. Zur Person siehe Hartmut Sellke (Hg.): Schwäbische Weltenbummler, Heidenheim a.d. Brenz, 1971. [Schwäbische Lebensläufe; 9].

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

1972. Sauneron, Serge (Hg.): Voyages en Égypte pendant les années 1587 jusqu’à 1588. Kairo: IFAO, 1972. [Voyageurs Occidentaux en Égypte; 6]; [Darin : Kiechel, Lichtenstein, Lubenau, Teufel und Fernberger]. Kommentar: Weltreise, Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai. Samuel Kiechel, Kaufmann aus Ulm, besucht bei seinen Reisen von 1585 bis 1589 in Europa und der Levante auch Ägypten. Ende 1587 reist er von Wien über Venedig, Rom, Neapel, Malta, Tripolis, Aleppo nach Damaskus und kommt am 01.03.1588 in Jerusalem an. Von dort begibt er sich nach Ägypten (Kairo, Sinai, Alexandrien), die vom 25.04. bis 16.09.1588 dauert, bevor er über Konstantinopel und Venedig nach Ulm zurückkehrt: Schon am 7. März [1588] verlässt er es [Jerusalem] wieder (S. 318) und kommt am 14. März abermals nach Damascus (S. 325); am 21. März ist er in Tripolis (S. 326), von wo er am 1. April absegelt (S. 329) und am 25. April Alexandrien erreicht (S. 333). Hier findet er bei dem französischen Consul Angelo Vento, dem Nachfolger des Christophoro Vento, freundliche Aufnahme (S. 335). Am 13. Mai langt er in Bulak an und wohnt mit zwei französischen Goldschmieden Nikolaus Monnart aus Bar-le-Duc und Joachim Touschar aus Paris zusammen (S. 342). Er schliesst am 8. Juni sich einer Caravane nach dem Sinai an (S. 349) und kehrt am 21. Juni wieder nach Cairo zurück (S. 365), wo ihn ein alter Mameluk, ein geborener Bayer, herumführt (S. 371): ebenso trifft er am 2. Juli noch mehrere andere deutsche Renegaten, darunter einen Strassburger Goldschmied, Namens Michael Miller (S. 374), der mit ihm am 8. Juli nach Alexandrien sich einschifft (S. 386). Hier treffen in der Mitte des September Christoph Teuffel, Freiherr von Guntersdorf, den Kiechel schon in Neapel kennen gelernt hatte, und Johann oder Georg Christoph Fernberger von Eggenberg, Secretär der kaiserlichen Botschaft in Constantinopel, ein, welche ihm Empfehlungsbriefe dahin übergeben (S. 392). Am 16. September fährt Kiechel mit Miller ab (S. 394) und kommt am 7. November in Constantinopel an (S. 407). […] Am 10. Juni 1589 landet Kiechel in Venedig (S. 461) […] am 30. Juni [1589] war er wieder in Ulm (S. 463–466) (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 272f.).

Quellen: Mitrovich, 1963, S. 29–38; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 270–273; Hippler, 1987, S. 175; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 212; Yerasimos, 1991, S. 390ff.; ADB, Bd. 15, S. 711–712 (Kiechel von Kiechelsberg, von Wilhelm von Heyd); NDB, Bd. 11, S. 575f. (von Hans Eugen Specker).

1588 (1587–1591): (Freiherr) Hans Christoph von Teufel (Taifel/Tayfel) (1567–1624) 2006. Greil, Michael: „den ohne grosse gedult ist nit müglich, durch die Turggey zu kommen“, die Beschreibung der rayß (1587–1591) des Freiherrn Hans Christoph von Teufel. Analyse und textkritische Edition, Wien, 2006.

1588 (1587–1591): (Freiherr) Hans Christoph von Teufel (Taifel/Tayfel)  

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Weitere Editionen und Literatur: 1598. Eine italienische Übersetzung aus dem Jahr 1598 ist überliefert: Il viaggio del molto illustre signor Giovanni Christophoro Taifel, Barono in Gunderstorff Austriaco, fatto di Constantinopoli verso Levante, Wien, 1598. 1898. Friess, Gottfried Edmund: „Die Reise des Hans Christoph Freiherrn von Teufel in das Morgenland, 1588–1590“. In: Programm des k. k. Ober-Gymnasiums der Benedictiner zu Seitenstetten, 32 (1898), S. 5–45. 1907. Mitis, Oskar von: „Die Orientreise des Hans Christoph Freiherrn von Teufel 1587–1591“. In: Monatsblatt des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich, 22 (1907), S. 1–3. 1972 Sauneron, Serge (Hg.): Voyages en Égypte pendant les années 1587 jusqu’à 1588. Kairo: IFAO, 1972. [Voyageurs Occidentaux en Égypte; 6]; [DarIn: Kiechel, Lichtenstein, Lubenau, Teufel und Fernberger]. Kommentar: Orientreise, Pilgerreise sowie Unterägypten und Sinai (09.09.1587– 13.03.1591). Der Autor, ein niederösterreichischer Adeliger, entstammt der begüterten protestantischen Familie Teufel, die im Schloss Katzelsdorf, nahe der Wiener Neustadt, ansässig ist und 1566 in den Freiherrenstand erhoben wird. Mehrjährige Studienaufenthalte an italienischen Universitäten, bis 1587 in Padua an der juristischen Fakultät. Von 1589 bis 1591 Orient- und Pilgerreise. 1603 tritt er als Kämmerer Rudolfs II. und später auch unter Kaiser Matthias in kaiserliche Dienste. Übertritt zum Katholizismus. Gesandtschaftsreisen 1604 nach Ofen und 1607 nach Konstantinopel. Vom Autor ist auch ein in 1200 Paarreimen abgefasstes Lehrgedicht über den Tod Die Reyß-Uhr überliefert. Der Bericht enthält 33 Kapitel gegliedert, davon handeln sieben Kapitel (Kapitel 3–9) von Ägypten. Reisestationen: Am 09.09.1587 reist Teufel von Venedig nach Konstantinopel, wo er fast ein Jahr verweilt. In Konstantinopel macht er die Bekanntschaft mit dem Freiherrn Georg Christoph Fernberger von Egenberg (siehe Parallelbericht). Gemeinsam reisen sie nach Alexandrien, Kairo und zum Sinai. Nach der Rückkehr in Kairo reisen sie nach Damiette, wo sie sich per Schiff nach Jaffa begeben. Am 24.12.1588 sind sie in Payas (nahe Iskenderun). Darauf folgen Aleppo, Bagdad, Hormuz (Hier trennen sich die Wege von Teufel und Fernberger, der nach Indien weiterreist) und Persein. Am 08.07.1590 ist Teufel wieder in Aleppo, reist weiter über Damaskus nach Jerusalem (20.10.). Die Rückreise erfolgt über Damaskus, Tripolis und von dort per Schiff am 29.12. 1590 nach Venedig, das er am 13.03.1591 erreicht. Themen: Alexandrien, Kairo, Sinai, Damiette, heilige Orte, Reliquien, Pyramiden, Tiere (Krokodil, Rhinozeros, Gazelle, Strauß, Flusspferd) und Pflanzen (Bananen, Cassia). Quellen: Mitrovich, 1963, S. 38–42; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 276–279; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 214; Yerasimos, 1991, S. 392ff.; Greil, 2005, S. 449– 460.

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

1588 (1588–1593): Georg Christoph Fernberger von Egenberg (1557–1594) 1999. Fernberger, Georg Christoph: Reisetagebuch (1588–1593), Sinai, Babylon, Indien, Heiliges Land, Osteuropa, lateinisch-deutsch, kritische Edition u. Übersetzung von Ronald Burger, Robert Wallisch, Frankfurt a.M. [u.a.], 1999. [Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs; 12]. Weitere Editionen und Literatur: 2001. Lehner, Martina: Reise ans Ende der Welt (1588–1593), Studie zur Mentalitätengeschichte und Reisekultur der frühen Neuzeit anhand des Reisetagebuches von Georg Christoph Fernberger von Egenberg, Frankfurt a.M. [u.a.], 2001. [Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs; 13]. 1972. Sauneron, Serge (Hg.): Voyages en Égypte pendant les années 1587 jusqu’à 1588. Kairo: IFAO, 1972. [Voyageurs Occidentaux en Égypte; 6]; [Darin Kiechel, Lichtenstein, Lubenau, Teufel und Fernberger]. Kommentar: Orientreise, Pilgerreise sowie Unterägypten und Sinai (1588–1593). Der oberösterreichische Adlige Georg Christoph Fernberger bricht von Konstatinopel auf, wo er drei Jahre lang im diplomtischen Dienste stand, und begibt sich zusammen mit Freiherrn Hans Christoph von Teufel (siehe Parallelbericht), den er in Konstatinopel kennenlernt, zu einer Pilger- und Orientreise auf. Sie reisen nach Alexandrien, Kairo und zum Sinai. Nach der Rückkehr in Kairo reisen sie nach Damiette, wo sie sich per Schiff nach Jaffa begeben. Am 24.12.1588 sind sie in Payas (nahe Iskenderun). Darauf folgen Aleppo, Bagdad, Hormuz. Hier trennen sich ihre Wege. Denn Fernberger reist nach Indien weiter, bevor er das Heilige Land besucht und nach Konstantinopel zurückkehrt. Rückreise auf dem Landweg von Konstantinopel über Bulgarien, Walachei, Siebenbürgen, Litauen, Polen nach Wien. Im Vorwort zur ersten kritischen Ausgabe beschreibt der Herausgeber den Reisenden folgendermaßen: Vom oberösterreichischen Adeligen Georg Christoph Fernberger von Egenberg (1557–1594) ist wenig bekannt, seine Biographie dürfte typische Elemente von Männern seines Standes enthalten. Als er sich in kaiserlichem Auftrag bei der österreichischen Gesandtschaft in Konstantinopel aufhielt, nutzte er die Gelegenheit für eine Pilgerreise ins Heilige Land. Anno 1588 brach er nach Ägypten auf, um zunächst das Katharinenkloster am Sinai zu besuchen. Interesse und Neugier trieben ihn aber weiter, und die Pilgerfahrt gestaltete sich alsbald zu einer der abenteuerlichsten Reisen seiner Zeit. Die etwas planlos anmutende Route führte ihn vor allem nach Portugiesisch-Indien: Malabar- und Koromandelküste, Indus- und Gangesdelta, Bengalen, Pegu in Hinterindien, Malakka und Ceylon. Anschließend zog Fernberger mit Handelskarawanen durch Persien, besichtigte sämtliche Attraktionen des Heiligen Landes und kehrte auf dem Landweg nach Konstantinopel zurück. Über Bulgarien, die Walachei, Siebenbürgen und Litauen gelangte er bis nach Livland und schließlich via Polen im Jahr 1593 nach Wien. Als einer der ersten Österreicher in Persien und vermutlich erster deutschsprachiger Reisender in Fernost hat Fernberger unsägliche Strapazen auf

1593–1596: Jacob Conrad Praetorius 

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sich genommen, hat sogar Sturm, Schiffbruch und Raubüberfall überlebt. Doch nur wenige Monate nach seiner Rückkehr ereilte ihn das Schicksal: Als Kriegsteilnehmer im „Langen Türkenkrieg“ stürzte er vom Pferd und starb an den Komplikationen eines Beinbruchs (im Vorwort zur kritischen Edition, 1999, S. 5).

Quellen: Mitrovich, 1963, S. 38–42; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 276–279; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 214; Yerasimos, 1991, S. 363–366.

1593–1596: Jacob Conrad Praetorius [Jakob Konrad; jac. Conr.; Praetorius de Perlnberga; J. K. Praetorius von Perlenberg] 1916. Walde, Otto: Storhetstidens litterära krigsbyten. En kulturhistorisk-bibliografisk studie, Uppsala [u.a.], 1916. Kommentar: Röhricht erwähnt die Ägypten- und Orientreise von Jacob Conrad Praetorius: 1593–6 unternimmt Joc. Conr. Praetorius de Perlnberga, Ritter des Röm. Reichs u. heil. Grabes, Dr. phil. et medic, eine grosse Reise von Constantinopel durch Klein-Asien, Syrien, Palästina u. Aegypten und scheint gleich nach seiner Heimkehr in Brünn sich niedergelassen zu haben; sein reichhaltiger Nachlass ist im dreissig-jährigen Kriege nach Schweden gekommen und befindet sich in der Königl. Bibliothek zu Stockholm (Röhricht, 1989, S. 218).

Laut Walde ist über Jacob Conrad Praetorius nur mittelbar etwas zu erfahren. Er soll einer adligen mährischen Familie entstammen und Mitte des 16. Jahrhunderts geboren sein. 1574 ist er Student in Frankfurt an der Oder, beschäftigt sich mit Naturwissenschaft, Astronomie und Medizin und hält sich wohl lange in Frankfurt an der Oder auf. 25.09.1578 erhält er den Bacclaureus. Wahrscheinlich studiert er auch in Padua und Paris. 1586–1587 Aufenthalt in Paris, auf dem Hinweg Reise durch die Schweiz (1585 in Basel). Nach Frankreich soll er in Brünn gelebt haben. 1593 (oder 1591) Reise über Wien nach Konstantinopel, Klein-Asien, Syrien, Paläsina und Ägypten. 1596 (oder 1594) kehrt er in die Heimat zurück (vgl. Walde, 1916, S. 274–287). Seine Reisenotizen werden laut Walde 1916 noch in der Bibliothek von Praetorius in der Königlichen Bibliothek zu Stockholm aufbewahrt: „(Iac. Conr. Praetorij Peregrinatio) in Kristina-Katalog. Vol. I, S. 94“. (Walde, 1916, S. 276). Laut Yerasimos sind die Reisenotizen jedoch verloren gegangen: Jacob Conrad Praetorius. Auteur d’un récit de voyage effectué entre 1593 et 1596 à travers Constantinople et l’Asie Mineure vers la Syrie, la Palestine et l’Egypte. Le manuscrit figure dans un catalogue du XVIIe siècle de la bibliothque royale de Stockholm mais il a disparu depuis. Probablement brûlé dans l’incedie du palais en 1697 (Yerasimos, 1991, S. 447).

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 3 Reiseberichte von 1500 bis 1599

Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 218; Walde, 1916, Bd. 1, S. 274–287; Yerasimos, 1991, S. 447.

1598: Christoph Harant von Polschiz und Weseriz (1564–1621) [Kryštof Harant z Polžic a Bezdružic] 1678. Harant, Christoph: Der Christliche Ulysses / Oder Weit-versuchte Cavallier: Fürgestellt In der Denckwürdigen Bereisung So wol deß Heiligen Landes / Als vieler andrer morgenländischer Provintzen […] / Welche / mit sonderbarer Curiosität und klüglicher Bemerckung […] der / zwar lang allbereit in Gott ruhende / […] Herr Christoph Harant / Freyherr von Polschiz und Weseriz auf Pezka / im Jahr 1598. rühmlich vollenbracht; auch alle Begebenheiten / verfasst / und / anfangs selbst / in Böhmischer Sprache / beschrieben; Folgends hernach aber dessen Bruder / Herr Johann Georg Harant / [et]c. im Jahr 1638. auffs fleissigste geteutschet: Und nunmehro endlich der Herr Christoph Wilhelm Harant / Freyherr von Polschiz und Weseriz zur Ergetzung deß Teutschen Lesers / zum Druck befördert, Nürnberg: Endter, 1678. [[20] Bl., 473 S., [4] Bl., S. 483–881, [18], [4] Bl., [6] gef. Bl.: Frontisp., 3 Portr., 6 Ill., 1 Kt., zahlr. Ill., Notenbeisp.; 4º; VD17 39:131408F; Standort: HAB, M: Gv 827]. Weitere Editionen und Literatur: 1874. Harant, Johann Georg: Aus dem Leben des böhmischen Freiherrn Christoph Harant von Polžitz und Veseritz erzählt von dessen Bruder Johann Georg Harant. Mitgetheilt von Dr. Edmund Schebek, Prag, 1874. [Sep. Abdr. a. d. Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen; 12. Jahrg., 6. Heft]. 1941. Nigmann, ErwIn: Alttschechische Reisebeschreibungen der mittleren Zeit nach dem Osten: Martin Kabátník, Jan Hasistejnský z Lobkovic, Václav Vratislav z Mitrovic, Krystof Harant z Polzic, o. O., 1941. [Prag, Phil. F., Dissertation, 1941]. 1972. Harant, Christoph: Voyage en Egypte de Christophe Harant de Polžic et Bezdružic 1598, introd., trad. et notes de Claire et Antoine Brejnik, Kairo, 1972. [Aus d. Tschech. übers.]; [voyageurs occidentaux en Égypte; 5]. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai, 1598. Böhmischer Höfling, Diplomat, Komponist und Humanist; zuerst katholisch, 1618 protestantisch. Reisestationen: (30.3.1598) Heimat, Pilsen, Landshut, Kufstein, Trient, (19.4) Venedig (12.5), Candia, Zypern, (31.8) Jaffa, (3.9) Jerusalem (19.9), Gaza, Damiette, Kairo (8.10), Sinai, (26.10) Kairo, Alexandrien (11.11), (26.12) Venedig. Der Reisebericht erscheint 1608 Böhmisch (Tschechisch) und 1678 Deutsch.

1598: Christoph Harant von Polschiz und Weseriz (1564–1621)  

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Quellen: Beckmann, 1807–1809, Bd. 1, S. 41–50; Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 280; Jolowicz, 1982, S. 27; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 220f.; Yerasimos, 1991, S. 427; Kalfatovic, 1992, S. 28; Kainbacher, 2002, S. 158.

4 Reiseberichte von 1600 bis 1699

1602: Martinus Seusenius [Seussenius; Martin] 1903. Seusenius, Martinus: Verteickenisse mijner reijse so ick gedaen hebbe vp Hijerusalem in Iudea. Anno 1602, hg. von Ferdinad Mühlau. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins, 26 (1903), S. 1–92. [UB Regensburg: 00/BA 2175–26/28]. Weitere Editionen und Literatur: 1902. Mühlau, Ferdinand: Martinus Seusenius’ Reise in das heilige Land i. J. 1602, Kiel, 1902. [Ferdinandi Muehlau Dissertatio patrio sermone scripta de itinere a Martino Seusenio anno MDCII in terram sanctam facto]; [UB Regensburg: 00/BC 8769 N672]. Kommentar: Pilgerfahrt mit Ägypten (Gaza, Kairo, Alexandrien) und Unionsversuche zwischen Griechen und der Katholischen Kirche. Die Ägyptenreise dauert vom 02.09. bis 24.11. 1602. Reisebericht: S. 1–92; Ägyptenteil: S. 59–74. Reisestationen: Leeuwarden über Deutschland nach Venedig (28.03.–30.05.1602), über Ancona, Korfu, Kandia, Famagusta, Limassol, Jaffa nach Jerusalem (26.06.–13.08.1602); von Jerusalem nach Gaza (28.–29.08.1602), über Arris (al-Arish), Kathia (Qatia), Caterra (al-Kantara), Bilbeis, Chankha (al-Khanka) nach Kairo (02.–11.09.1602), über Rosette nach Alexandrien (20.–24.09.1602); von Alexandrien über Kandia, Modon, Korfu nach Venedig (24.11.1602–30.03.1603); von Venedig über München, Regensburg, Köln nach Leeuwarden und Aurich (12.04.–15.06.1603). Hauptthemen bei der Kairobeschreibung: Unterkunft im Hause des frz. Konsuls Bartholo, Größe und Vorstädte, Burg, Einwohner und Fremde, Matharieh, Pyramiden, Mumien, Garküchen, Märkte (Sklavenmarkt, Tuchläden, Gewürze, Edelsteine), Hospitäler, Moscheen und Kirchen, Zisternen, Pest, Nil und Nilüberschwemmung, Flora, Wein, Krankheiten. Bei Alexandrien berichtet er von Hafen, rückläufiger Bevölkerungszahl, Obelisken, Besuch des Patriarchen Kyrillos, der seine Frage nach Union mit der röm.-kath. Kirche ablehnt; Katharinenkirche, Fondachi (Frankreich, England, Venedig, Saragossa, Genua). Über Seusenius’ Reisebericht schreibt Mitrovich: Seusenius stammt aus dem Dorf Seussen in Oberfranken. Er wurde später in den Niederlanden ansässig und schrieb dort seine Reisebeschreibung in holländischer Sprache, die stark mit hochdeutschen Elementen durchwoben ist, nieder. Aus Randbemerkungen kann man entnehmen, daß er ebenfalls der lateinischen und französischen Sprache mächtig war. Nachdem er die Jesuitenkollegien in München und Ingolstadt besucht hatte, zeigte er besonderes Interesse für das Verhältnis der Griechen zur römischen Kirche. Da Seusenius

1604: Sebastian Schach (Sébastien Schach de Schachteneck; Schacheneck)  

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in engen Beziehungen zur römischen Kirche stand, wurde es ihm durch Empfehlungsbriefe verschiedener Priester ermöglicht, hohe Patriarchen im Orient zu besuchen […] Seusenius’ Darstellungen sind stellenweise trocken, aber durch gut und persönlich geschilderte Erlebnisse und scharfe Bemerkungen, die er oft zu seiner Selbstverteidigung einstreut, wirken sie doch interessant (Mirco Mitrovich, Deutsche Reisende und Reiseberichte im 17. Jahrhundert, Ann Arbor 1963, S. 58f.).

Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 228; Mitrovich, 1963, S. 58f.; Müller, 2006, Bd. 8, S. 377–389.

1604: Sebastian Schach (Sébastien Schach de Schachteneck; Schacheneck) 1846. Schach, Sébastien: Analyse de la relation manuscrite d’un pélerinage à Jerusalem et au mont Sinai entrepris en 1604 par Sebastian Schach de Strassbourg, Colmar, 1846. [31 Seiten]. Kommentar: Pilgerfahrt, Sinai und Unterägypten (23.06.–28.12.1604). Reisestationen: Venedig, Zypern, Jaffa, Jerusalem (wo er zum Ritter des heiligen Grabes geschlagen wird), Gaza (09.09.), (22.09.) Sinai (27.09.), (07.10.) Kairo, Alexandria (19.10.), Zypern, Korfu, (01.12.) Otranto, (28.12.) Rom, danach Florenz, Bologna, Venedig, Trient, Innsbruck und Straßburg, wo er am 23.06.1605 ankommt. Der Autor stammt aus Straßburg, 1603 Studium in Siena, 1604 Palästinareise zusammen mit dem deutschen Edelmann Dietrich Steinhaus. Von dort aus bereist Schach den Sinai, Kairo und Alexandrien (Steinhaus muss wegen Krankheit in Jerusalem zurückbleiben). Zur Person siehe Dictionnaire biographique d’Alsace: liste préparatoire, Mulhouse: Bader, 1869. Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 281f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 229.

1604–1611: Johannes Wild (Johann Wild; Hans Wild) (1585–?) 1613. Wild, Johannes: Neue Reysbeschreibung eines Gefangenen Christen / Wie derselbe zum sibenden mal verkaufft worden / welche sich Anno 1604. angefangen / und 1611. ihr end genommen / Insonderheit von der Türcken und Araber Järlichen Walfahrt […] Item von der Statt Jerusalem … Deßgleichen von der Statt Constantinopel In IIII. unterschiedlichen Büchern begriffen / Auffs fleisigst Beschrieben Durch Johann Wilden / Burgern inn Nürnberg. Mit einer Vorrede Herrn Salomon Schweiggers / Predigers zu unser Frauen daselbsten, Nürnberg: Scherf, 1613. [Umfang [20] Bl., 262 S., 1 Portr, 1 Kt.; 4°; VD17 3:002349B; Mikrofiche, 1998, SUB Göttingen 8 ITIN I, 2103].

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 4 Reiseberichte von 1600 bis 1699

Weitere Editionen und Literatur: 1623. Wild, Johannes: Neue Reysbeschreibung eines Gefangenen Christen / Wie derselbe neben anderer Gefährligkeit zum sibendem Mal verkaufft worden / welche sich Anno 1604. angefangen / und 1611. ihr end genommen / Darinnen außführlich zu finden / die Stätt / Länder und Königreiche / sampt deroselben Völcker / Sitten und Gebräuch / Insbesonderheit von der Türcken und Araber järlichen Walfahrt von Alcairo nach Mecha / ihren Opffern vnd Ceremonien daselbsten: Von deß Mahomets Begräbnuß zu Medina Talnabi: Von dem roten Meer vnd einer drey viertel jährigen gefährlichen Schiffart nach Gemen ins Abyssiner Land: Vom Berg Synai / vnd anderer gelegenheit ec.. Wie auch der grossen Statt Alcairo / vnd dem Fliß Nilo / sampt der Egypter Gebräuch vnd Sitten / Item von der Statt Jerusalem / von der Statt Constantinopel In IIII. unterschiedlichen Büchern begriffen / Auffs fleisigst eigner Person beschrieben und außgestanden Durch Johann Wilden / Burgern inn Nürnberg Mit einer Vorrede Herrn Salomon Schweiggers S. Predigers zu vnser Frauen daselbsten, Nürnberg: Lochner, 1623. [Umfang [20] Bl., 262 S., 1 Portr., 1 Kt.; 4º; VD17 23:238006B; Standort: HAB A: 195 Hist. (4) und S: Alv.: Lf 107 (2)]. 1636. Wild, Johannes: Descriptio Mechae et Medinae Alnabi ex itinerario Johannis Wildii, Helmstadii, 1636. [Auszug]. 1764. Wild, Johannes: Descriptio Mechae et Medinae Alnabi ex itinerario Johannis Wildii, Lipsiae, 1764. [Auszug]. 1964. Wild, Johannes: Reysbeschreibung eines gefangenen Christen Anno 1604, bearb. nach dem 1613 zu Nürnberg verlegten Erstdruck von Karl Teply, hg. von Georg Adolf Narciß, Stuttgart: Steingrüben, 1964. [390 S.; Standort: HAB F8º 1210:6]. 1973. Wild, Johann: Voyages en Égypte 1606–1610, trad. de l’allemand, présentés et annotés par Oleg V. Volkoff, Le Caire: IFAO, 1973. [Collection des voyageurs occidentaux en Égypte; 9]; [Auszug: 2./3. Buch]. Kommentar: Gefangenschaft 1604–1611. Johannes Wild, geb. 1585 in Nürnberg, nimmt mit 19 Jahren an den Kämfen in Ungarn gegen die Türken teil, gerät in Gefangenschaft, wird mehrmals verkauft und bereist im Gefolge seiner Herren große Teile des Orients, darunter auch Ägypten. Itinerar: (1. Buch, S. 1–44) Ungarn, Ofen, Weissenburg, Konstantinopel; Wild wird beim 5. Mal an einen Kaufmann verkauft, der ihn nach Ägypten mitnimmt, um ihn dort zu verkaufen (1. Buch, S. 42–44); Reschit, Dimiat; (2. Buch, S. 45–165) Kairo, das Meer Anno 1606, Rodis, Alexandria, Reschit, Kairo. In Kairo wird er an einen persischen Kaufmann verkauft; Hacabe, Jambo, Mecha, Medine Talnabi, Mecha, auf dem Roten Meer, Gemen, Habisch oder Gemen, Subeis, (Berg Sinai), Kairo, dann mit der Karavane nach Jerusalem, Damaskus, Jerusalem, Kairo. Wild wird zum 7. Mal verkauft; auf dem Nil nach Dimiat; (3. Buch, S. 166–238) Cypern, Adallia, Alex-

1605–1611: Nicolaus Schmidt 

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andria, Kairo (S. 175–238); (4. Buch, S. 239–260) Alexandria, Rhodis, Konstantinopel im Jahr 1611, Polen, Deutschland. „Das Buch […] ist wichtig wegen seiner Schilderung des Volkslebens in Aegypten, der Mekkakarawane und der heiligen Stätten des Islam, die unter allen älteren deutschen Reisenden außer W. nur der Augsburger Emanuel Oertel besucht und beschrieben hat“ (ADB, Bd. 42, S. 488). Quellen: Linke, 1967, S. 327; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 284; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 231; Kalfatovic, 1992, S. 31f.; Dawson, Egyptology, 1995, S. 442; Kainbacher, 2002, S. 453; Katzer, 2008, S. 127ff. und 501; Eutin-ReiseAllgemein. fp5; ADB, Bd. 42, S. 487–488 (von Viktor Hantzsch).

1605–1611: Nicolaus Schmidt 1684. Schmidt, Nicolaus: Kurtze und wahre Beschreibung / Der Fünffjährigen harten Gefängnüs: Welche Nicolaus Schmidt / Bürger und Kirschner in Dreßden / unter den Türcken / beydes zu Constantinopel / und dann auf denen Reisen / so er nach Egypten und andere Orte / als ein Sclav / zu Wasser und Lande thun müssen / erbärmlicher Wiese in Eisen und Banden außgestanden / Wobey Viel neue denckwürdige / und in andern dergleichen Reise-Büchern nicht befindliche Geschichte / auß selbsteigener Erfahrung erinnert / und angeführet werden. Mit angehängten Verzeichnüs etlicher Türckischen Wörter / statt einer Vocabul zu gebrauchen, Leipzig: Wohlfahrt, 1684. [Umfang: [7] Bl. + 125 S.; 8°]; [VD17 3:644937X]; [HAB QuN 647 (1)]. Weitere Editionen und Literatur: 1635. Schmidt, Nicolaus: Kurtze und wahre Beschreibung / Der FünffJährigen harten Gefängnüs: Welche Nicolaus Schmidt / Bürger und Kürschner in Dreßden / unter den Türcken / beydes zu Constantinopel, und dann auff denen Reisen / so er nach Aegypten, vnd andere Orte / als ein Sclav zu Wasser und Lande thun müssen / erbärmlicher weise / in Eisen und Banden außgestanden / Worbey Viel Newe denckwürdige vnd andern dergleichen ReiseBüchern nicht befindliche Geschichte / deren theils mit Figuren angedeutet / auß selbest eigener Erfahrung erinnert / vnd angeführet werden. Mit angehängten Verzeichnüs etlicher Türkischen wörtern, Dresden: Seyffert, 1635. [Umfang [2] Bl., 90 [i.e. 91] S., [2] gef. Bl., 1 Kt., 1 Ill., zahlr. Ill.); 4º]; [VD17 23:251277S]; [HAB S: Alv.: Lf 107 (1)]. 1638. Schmidt, Nicolaus: Nicolai Schmidts / Bürgers Büchsenmeisters und Kürschners in Dreßden / Wahrhafttige Beschreibung Seiner FünffJährigen harten Gefängnuß. Zum andern mal gedruckt, Dreßden: Seyffert, [ca. 1638]. [Umfang [2] Bl., 103 S., [2] Bl., [1] gef. Bl., zahlr. Ill., 4°]; [VD17 23:238027X]; [HAB 196.3 Hist. (1)].

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1706. Schmidt, Nicolaus: Seer aanmerkerlyke Reys-Beschryvinge na Constantinopolen en Egypten, Gedaan in het Jaar 1605 Door Nicolaus Schmidt, Leiden: van der Aa, s.a. [1706]. [Umfang [12] Bl.]; [Niederländisch]. Kommentar: 1605 wird Nicolaus Schmidt Soldat im österreichisch-ungarischen Heer. Er wird von den Türken gefangengenommen und nach Konstantinopel verschleppt. Dort muss er als Sklave verschiedene Arbeiten verrichten. Nach dem Tod seines ersten Herrn dient er im Gefolge des Sultans. Von 1606 bis 1611 reist Schmidt auf den türkischen Galeeren nach Alexandrien, um die alljährlichen Tributsteuern aus Ägypten zu transportieren. Schmidt liefert eine knappe Beschreibung seiner Erlebnisse bei der Ägyptenreise (Alexandria, Nil, Kairo). 1611 gelingt ihm die Flucht. Quellen: Hilmy, 1886–1888, II, S. 220; Linke, 1967, S. 326; Kalfatovic, 1992, S. 31.

1606: Jakob Beyrlin (Jacob; Jacobus; auch Beyrlein) 1606. Beyrlin, Jakob: Reyß Buch: Das ist Ein gantz Schöne Beschreibung und Wegweyser / etlicher Reysen / durch gantz Teutschland / Polen / Siebenbürgen / Dennemarck / Engeland / Hispanien / Franckreich / Italien / Sicilien / Egypten / Indien / Ethiopien / und Türckey etc.; Darinnen / nicht allein die Distantz / wie weit ein Ort vom Andern gelegen: sondern auch der vornembsten Stätt Gelegenheit / Macht / Größe / Reichthumb / Handthierung / Schöne und Zierlichkeit vermeldet und beschrieben wird / Allen der Erfahrenheit vnd Wissenschaft liebhabenden Gemmüter / nicht allein gantz lustig / sondern auch sehr nutzlich zulesen / mit fleiß zusamen colligirt: vnd jetzt erst von Newem in Truck gegeben / Durch Jacobum Beyrlin: Fürstlichen Würtembergischen Diener, Straßburg: Jost Martin, 1606. [Umfang [8] Bl., 94 S., [1] Bl.; 4°]; [VD17 7:692718P]; [Online unter: (http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/ load/img/?PPN=PPN516920138) (01.08.2010)]. Kommentar: Es handelt sich um einen Reiseführer. Das Werk umfasst Beschreibungen von 15 verschiedenen europäischen und außereuropäischen Reisen. Die erste Beschreibung widmet sich einer Reise von Nürnberg nach Jerusalem (S. 1–7). Die zweite Reise betrifft Ägypten (S. 7–16). Darin werden Reiseweg, Entfernungen und Sehenswürdigkeiten von Augusburg über Venedig nach Alexandria und Kairo beschrieben. Es ist anzunehmen, dass Beyrlin nicht selbst Ägypten bereist. Wie aus dem Titel hervorgeht, hat er sein Werk vielmehr aus anderen Reiseberichten zusammengestellt. Quellen: Hilmy, 1886–1888, I, S. 66.

1612–1613: Hans Jacob Amman (Johann Jacob Amman; auch Jakob; auch Ammann) 

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1612–1613: Hans Jacob Amman (Johann Jacob Amman; auch Jakob; auch Ammann) (Wundarzt aus Zürich 1586–1658) 1618. Ammann, Hans Jacob: Reiß In das Gelobte Land: von Wien auß Oesterreich / durch Vngariam / Serviam / Bulgariam vnd Thraciam auff Constantinopel: Ferner durch Natoliam / Cappadociam / Cilciam / Syriam vnd Judaeam / auff Jerusalem: Von dannen durch die Wüste vnd Aegypten gehn Alexandriam / folgends aber dz Mitlendische Meer in Siciliam / vnd durch Italiam auff Zürich in die Eydgnoschafft: In dreyen Theilen / sampt deren Landen vnd Stetten / gelegenheiten / Einwohneren / Policeyen / Sitten vnd Gebreuchen: auch anderen vorgefallnen denckwürdigen Sachen / kurtz / doch eigentlich beschriben Durch Johann Jacob Amman / Burger vnd bestellten Wundartze zu Zürich. Zürich: Hardmeyer, 1618. [Umfang [8] Bl., 228 S.; 8°]; [VD17 23:278575E]; [Standort: HAB: 516 Quod. (4)]. Weitere Editionen und Literatur: 1630. Ammann, Hans Jacob: Reiß ins Gelobte Land: von Wien auß Oesterreich, durch Vngariam, Serviam / Bulgariam vnnd Thraciam auff Constantiopel: Ferner durch Natoliam, Cappadociam / Cilciam / Syriam vnd Judaeam auff Jerusalem: Von dannen durch die Wüste vnnd Aegypten gehn Alexandriam, folgends aber das Mitlendische Meer in Siciliam / vnd durch Italiam auff Zürich in die Endtgenoschaffte: In dreyen Theilen / sampt deren Landen vnnd Stätten / gelegenheiten / Einwohnern / Policeyen / Sitten vnd Gebreuchen / auch andern vorgefallenen denckwirdigen Sachen / kurtz / doch eigentlich beschriben / auch auffs new vbersehen vnnd etwas vermehrt: Durch Hans Jacob Am[m]an / Burger zu Zürich / genannt der Tallwyler Schärer, Zürich: Bodmer, 1630. [Umfang [5] Bl., 208 S., [6] Bl.; 8°]; [VD17 23:255322U]; [HAB A: 588.4 Hist. (1)]. 1678. Ammann, Hans Jacob: Reiß in das Gelobte Land […] 3 Tle. in 1, Zürich: Schauffelberger, 1678. [Umfang 5 + 192 S., 1 Ill.]; [Mikrofilm-Ausg., New Haven: Research Publications, 1969]; [HAB: Microfilm 1:95]. 1919. Ammann, Hans Jakob: Hans Jakob Ammann genannt der Thalwyler Schärer und seine Reise ins gelobte Land, hg. von August F[erdinand] Ammann, m. Vorwort von A. F. Ammann, Biographie u. Einleitung von August Waldburger, Zürich: Polygraphisches Institut, 1919 [= 1921]. [Neudr. nach d. 2. Ausg. von 1630]; [Umfang VII + 250 S., [37] Bl., Ill.]; [BVB]. 1926/7. Combe, Etienne: „Le voyage en Orient de Hans Jacob Ammann (1612– 1613)“. In: Bulletin de la Société de Géographie d’Egypte, 14 (1926/27), S. 173– 191. [Impr. de l’Institut français d’Archéologie orientale du Caire]. Kommentar: Pilgerreise, Konstantinopel und Unterägypten, 02.06.1612–21.09.1613. Stationen der Ägyptenreise: von Jerusalem auf dem Landweg nach Kairo (23.04.–

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12.05.1613); Aufenthalt in Kairo und Alexandrien (12.05.–06.06.1613). Zum Autor: Der Thalwiler Wundarzt Hans Jakob Ammann lernt die Arzneikunst bei seinem Vater und begibt sich auf ausgedehnte Reisen in Europa und im Orient, um seine Fachkenntnisse zu vertiefen. Als Leitarzt des kaiserlich österreichischen Gesandten Andreas Nigroni kommt er nach Konstantinopel, von wo er eine Pilgerreise unternimmt und auch Ägypten besucht. Reisestationen: von Wien auf dem Landweg über Ofen-Pest, Belgrad nach Konstantinopel; dann auf dem Landweg über Adana, Aleppo, Damaskus, Nazareth nach Jerusalem; weiter auf dem Landweg über Gaza nach Kairo, von dort auf dem Nil nach Rosette und auf Eseln weiter nach Alexandrien. Rückreise von Alexandrien über Venedig nach Zürich: Johann Jacob Amman aus Thalwyl am Züricher See bricht als Wundarzt im Gefolge des türkischen Dolmetschers Andreas Negroni am 2. Juni 1612 von Wien auf (S. 2–3), reist zu Lande über Ofen-Pest (S. 9–12), Fünfkirchen (S. 12–13), Belgrad (S. 13–17), Sofia und Adrianopel nach Constantinopel, wo er am 14. August ankommt (S. 23). Von hier geht er mit dem holländischen Gesandten Cornelius Haga und Peter Gräfe aus Amsterdam zu Lande über Nicäa, Iconium, Adana nach Aleppo, wo sie am 8. Februar 1613 eintreffen (S. 72–88), von da über Maarrah, Hirns nach Damascus (S. 89–93). Nachdem sie hier pro Kopf 25 Reichsthaler Zoll entrichtet (S. 96), reisen sie am 22. März ab über Sasa, el-Kuneitira, die Jacobsbrücke, in deren Nähe sie ein schlechtes Wirthshaus finden (S. 99), nach Nazareth (S. 104) und gelangen glücklich nach Jerusalem (S. 110), wo sie bis zum 23. April bleiben. Von hier brechen Jacob Amman und Peter Gräfe mit zwei Italienern nach Cairo auf, das sie am 12. Mai auch erreichen (S. 178–186). Sie reisen am 28. Mai wieder ab und schiffen sich am 6. Juni in Alexandrien ein (S. 202–211); am 3. Juli landen sie in Neapel (S. 221), von wo aus sie über Rom am 8. August Venedig erreichen (S. 222–225). Hier verlässt Amman seinen Reisegefährten und trifft am 21. September glücklich in Zürich ein (S. 227–228). [Seitenzahlen richten sich nach der Ausgabe Zürich 1816]. (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 288).

Quellen: Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 288; Wolf-Crome, 1977, S. 509; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 236; Kalfatovic, 1992, S. 34; Kainbacher, 2002, S. 16; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 1, S. 400 (von Tobler).

1614–1616: Arndt Gebhardt von Stammer 1670. Stammer, Arndt Gebhardt von: Morgenländische Reise-Beschreibung / Deß Hoch Edelgebohrnen / Gestrengen und Vhesten Herrn Herrn Arndt Gebhardts von Stammern / [et]c.: Welche er Vor etzlichen Jahren / mit grosser LebensGefahr / jedoch aber durch hochpreisende Gnade Gottes / ohne Verlust des Lebens gethan; Darinnen Die denckwürdigsten Dinge / so in solchen Ländern zu sehen und zu mercken / und zuförderst Das Heilige Grab / unsers liebsten Herrn und Heylandes Jesu Christi / Neben andern umbliegenden Heiligen Oer-

1614–1616: Arndt Gebhardt von Stammer 

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tern / gantz eigendlich beschrieben werden, Jena: Fleischer, 1670. [Umfang [6] Bl., 228 S.; 12°]; [VD17 23:645382P]; [HAB M: QuN 873 (1)]. Weitere Editionen und Literatur: 1671. Stammer, Arndt Gebhardt von: Morgenländische Reise-Beschreibung / Deß HochEdelgebohrnen / Gestrengen und Vhesten / Herrn Arndt Gebhardts von Stammern / [et]c.: Welche er Vor etzlichen Jahren / mit grosser LebensGefahr / jedoch aber durch hochpreisende Gnade Gottes / ohne Verlust des Lebens gethan; Darinnen Die denckwürdigsten Dinge / so in solchen Ländern zu sehen und zu mercken / und zuförderst Das Heilige Grab / unsers liebsten Herrn und Heylandes Jesu Christi / Neben andern umbliegenden Heiligen Oertern / gantz eigentlich beschrieben werden, Jena: Fleischer, 1671. [Umfang [6] Bl., 228 S.; 12°]; [VD17 39:131140E]; [HAB Xb 4846 (2)]. 1674. Stammer, Arndt Gebhardt von: Morgenländische Reise-Beschreibung des Arndt Gebhard von Stammer, welche er vor etzlichen Jahren gethan: darinnen die denckwürdigsten Dinge, die in solchen Ländern zu sehen beschrieben werden, Jena, 1674. [Halle, Universitäts- und Landesbibliothek SachsenAnhalt: an Ib 1055 i (4)]. 1675. Stammer, Arndt Gebhardt von: Morgenländische Reise-Beschreibung / Des Hoch-Edelgebornen / Gestrengen und Vesten Herrn / Herrn Arnd Gebhards von Stammer / [et]c.: Welche er vor etzlichen Jahren mit großer LebensGefahr / jedoch aber / durch hochpreisliche Gnade Gottes / ohne Verlust des Lebens gethan; Darinnen die denckwürdigste Dinge / so in solchen Ländern zu sehen und zu mercken / auch Das Heilige Grab unsers liebsten Herrn und Heilandes Jesu Christi / Neben andern umbliegenden heiligen Oertern / gantz eigentlich beschrieben werden, Zum andernmal gedruckt, Jena: Fleischer; Gera: Müller, 1675. [Umfang [7] Bl., 178 S.; 12°]; [VD17 1:060575N]; [HAB QuN 822 (1)]. Kommentar: Pilgerreise über Konstantinopel mit Unterägypten und Sinai, 1614– 1616. Reisestationen: Venedig, Smyrna, Konstantinopel, Alexandria, Rosette, Kairo, Sinai, Kairo, Damiette, Jaffa, Jerusalem, Messina, Venedig. Arndt Gebhard von Stammer segelt von Venedig nach Smyrna und Konstantinopel. Mit den Adligen Christoph Perband und Martin Opachowsky aus Preussen sowie Wilhelm Laninger reist Stammer dann nach Alexandrien, über Rosette nach Kairo und von dort zusammen mit dem Dolmetscher Lukas Sternowsky zum Sinai. Nach der Sinaireise Aufenthalt in Kairo. Weiterreise von Damiette nach Jaffa und Ankunft in Jerusalem. Die Heimreise führt über Messina nach Venedig. In der Reisebeschreibung werden keine Reisedaten erwähnt. Das Werk wird mehrmals gedruckt (1670, 1671, 1674 und 1675). Mitreisende: siehe Parallelbericht von Christoph Perband. Quellen: Linke, 1967, S. 327; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 290f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 264; Kainbacher, 2002, S. 402.

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1614–1616: Christoph Perband (Christian Perband) 1896. Röhricht, Reinhold: „Die Jerusalemfahrt des Christian Perband (1614–1616). Im Auszuge mitgetheilt“. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins [ZDPV], 19 (1896), S. 102–104. [Auszug aus dem Berliner Codex germ. Nr. 1151, 4°]. Kommentar: Pilgerreise vom 14.08.1614–25.03.1616; Ägyptenreise vom 17.06.– 09.09.1615. Reiseverlauf: Perband reist von Königsberg nach Amsterdam. Am 14.08.1614 reist er von dort mit einem nach Konstantinopel bestimmten niederländischen Gesandten über Frankfurt a.M., Stuttgart, Innsbruck und Trient nach Venedig (24.09.). Am 01.11. ist er in Spalato und am 17.11. in Ragusa. Von da tritt er die Landreise nach Konstantinopel an, das er am 07.01. 1615 erreicht. Dort verweilt er bis zum 17.06.1615 beim niederländischen Gesandten Cornelius Haga. Mit Arnd von Stammer, Wolf Wilhelm Laminger und Martin Opachowski reist er nach Alexandrien und Kairo und unternimmt mit den Reisegefährten auch eine Sinaireise. Im Sinaikloster bleibt er krank zurück und folgt seinen Begleitern, die am 23.07. nach Kairo aufbrechen, erst am 06.08. nach. Am 14.08. trifft er in Kairo, am 25.08. in Damiette ein, wo er mit den anderen Reisebegleitern seine Reise fortsetzt. Am 09.09. kommt er nach Jaffa, reist dann nach Jerusalem und Bethlehem. Am 22.09.1615 treten sie die Rückreise an. Am 28.09. trennt sich die Reisegruppe auf Zypern. Laminger und Opachowski segeln nach Venedig, während Perband mit den anderen über Genua (01.11.1615) nach Mailand reisen. Perband und Stammer fahren gemeinsam bis Leipzig, wo sie sich trennen. Am 25.03.1616 erreicht Perband seine Heimatstadt. Parallelbericht von Arndt Gebhard von Stammer (siehe oben). Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 290f.

ca. 1617: Balthasar Walther Kommentar: Um 1617 kommt der Arzt und Alchimist Balthasar Walther von einer Orientreise zurück, die auch Ägypten umfasst: c. 1617. Um dieselbe Zeit wird der bekannte Glogauer Adept Balthasar Walther aus Syrien, Arabien und Aegypten heimgekehrt sein, wohin er im Interesse seiner alchimistischen und kabbalistischen Studien sich vom Hofe des wallachischen Fürsten von Tergowist aus begeben hatte; nach seiner Rückkehr geht er von Glogau aus zu Jacob Böhme nach Görlitz und hält sich bei ihm drei Monate auf (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 291f.).

Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 291f.

1623: Heinrich von Rantzau [der Jüngere]  

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1623: Heinrich von Rantzau [der Jüngere] (auch Rantzow; in manchen Datenbanken auch Henrik Rantzau) (1599–1674) 1669. Rantzau, Heinrich: [Des hochedlen und wohlgebornen Heinrich Rantzowen] Reise-Buch auf Jerusalem, Cairo in Aegypten und Constantinopel, Kopenhagen: Wering, 1669. [92 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1704. Rantzau, Heinrich: Denckwürdige Reise-Beschreibung, nach Jerusalem, Cairo in Aegypten und Constantinopel: Worinnen Die remarquabelsten Begebenheiten, die curieusesten Sachen, und was Er an bemeldten Oertern sonderbahres bemercket, gantz eigentlich fürgestellet werden / Durch den Weyland Hoch- und Wollgebohrnen Herrn, Hrn. Heinrich Rantzowen, Rittern / ec. Dero Königl. Majest. zu Dennemarck / Norwegen ec.ec. Höchstbetraut gewesenen Reichs-Rahts / Herrn zu Schöneweide / Aagard / Mögelkjerd / Rosenwald / Jens-Gaard ec. ec., Hamburg: Bey Gottfried Liebernickel, 1704. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Konstantinopel (07.02.–04.12.1623). In Ägypten ist er vom 02.05.–25.06.1623. Autor: Heinrich Rantzau der Jüngere (26.01.1599–16.01.1674), dänischer Reichsrat und Orientreisender; Herr zu Schönweide (Kreis Plön) und anderen Gütern; Enkel von Henrik (Heinrich) Rantzau, kinderlos. Reisestationen: Venedig, Zante, Scio, Rhodos, Zypern, Palästina (Accon, Nazareth, Jerusalem, Jaffa), Ägypten (Damiette, Kairo, Rosette, Alexandrien), Konstantinopel. Rückreise auf dem Landweg über Adrianopel, Sofia, Spalato, Pola nach Venedig: 1623 am 7. Februar verlässt Heinrich Rantzow […] Venedig. […] Am 27. März fährt er von da [Limissol] ab, landet am 3. April in Accon (S. 32f.), […] und besucht Nazareth […]; am 8. April trifft er in Jerusalem ein (S. 36), von wo er am 20. wieder aufbricht (S. 51). Er fährt von Jaffa am 30. April ab (S. 53), kommt am 2. Mai in Damiette an, am 8. in Cairo (S. 54), wo als französischer und deutscher Consul Frenois genannt wird, „welcher seiner Profession ein Pfaff ist“ (S. 74). Ein deutscher Janitschar (S. 75), ein Kaufmann Bielke sowie Sigmund Gerhard Franzmann (S. 73–75), Keun, Jeremias Boll und Sonnemann, ebenfalls deutsche Kaufleute (S. 79), führen den Reisenden überall umher, der am 1. Juni Rosette erreicht und im Fondaco der Franzosen bei dem Viceconsul Giovanni Guivelmo Herberge findet (S. 80); am 13. Juni kommt er nach Alexandrien und wohnt in Fondaco der Genuesen (S. 82). Er segelt auf einem ägyptischen Schiffe am 25. Juni ab (S. 84 f.), […] und landet am 25. Juli in Constantinopel (S. 91). Am 18. September reist er wieder ab (S. 111) über Philippopel, Sofia, Serajewo, Sebenico, Spalato, Pola nach Venedig, wo er am 4. Dec. glücklich anlangt (S. 111–118). (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 293f.).

Quellen: Mitrovich, 1963, S. 89f.; Linke, 1967, S. 326; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 293f.; Wolf-Crome, 1977, S. 543f.; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 49; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 243; Kainbacher, 2002, S. 329; Eutin-ReiseBestand.

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fp5 (Signatur138 Lr162); Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 27, S. 279–280 (von Gottfried Heinrich Handelmann); NDB, Bd. 21, S. 147 (Familienartikel Rantzau).

1625: Friedrich Eckher von Käpfing (Friedrich Egelherr von und zu Käpfing) und Carl (Karl) Grimming auf Niederrain 1885. Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich (Hg.): „Die Jerusalemfahrt des Friedrich Eckher von Käpfing und Carl Grimming auf Niederrain (1625)“. In: Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins [ZDPV], 8 (1885), S. 174–178. [Auszug] Weitere Editionen und Literatur: 2004. Freller, Thomas: „Kavalierstour und Abenteuer im Ancien Régime – der deutsche Adel auf Reisen: ‚Die wundersamen Wege eines Pilgers‘. Friedrich Eckher von Käpfing in Ägypten, Palästina und Syrien“. In: Deutsches Adelsblatt, 43 (2004), S. 63–66. [wieder erschienen In: Freller, 2007, S. 70–78 und S. 221f.]. Kommentar: Pilgerfahrt, Unterägypten und Sinai, 1625. Reisestationen: (11.03.) Käpfing, (26.03.) Venedig (17.04.), (07.05.) Alexandria (12.05.), Rosette, Kairo (25.05.), Sinai, (06.06) Kairo (29.07.), Bilbeis, Salahije, Kathia, el-Arish, Gaza, Ramla, (20.08.) Jerusalem, Sidon (07.09.), Malta, Messina, Neapel, Rom, (12.12.) Venedig, Maria Einsiedeln, Venedig, Salzburg. Der Autor entstammt einem alten niederbayerischen Adelsgeschlecht. 1620 tritt er nach dem Tod seiner Ehegattin in den Priesterstand; 1625 Pilgerfahrt zusammen mit seinem Neffen Karl Grimming auf Niederrain, der das Reisetagebuch verfasst und ihn als „Ihro Hochfuerstlich Durchlaucht Erzherzogs Leopoldi zu Österreich Rath und Kämmerer“ bezeichnet. Er stiftet das Kloster Maria Loreto bei Landshut. 1626 tritt er ins Kapuzinerkloster von Donauwörth eIn: „Dabei nahm er den Namen Honorius an. Laut Geheimrat Prey starb dieser Bruder Honorius an einem nicht genau bekannten Datum im fränkischen Kürzingen“ (Thomas Freller, Adlige auf Tour, Ostfildern 2007, S. 72f.). Werk: Es werden zwei Exemplare des Reisetagebuchs erwähnt, das von seinem Neffen verfasst ist. Das Tagebuch hat den Titel: „Relation und kurze Beschreibung der Wahlfahrt zu dem heiligen Grab nach Jerusalem und Berg Synay“. 1885 geben Röhricht/Meisner den Reisebericht in Auszügen heraus. Grundlage ist das bei der Familie Schab befindliche Exemplar. W. A. Neumann verweist auf ein Manuskript in der Bibliothek des Benediktinerstifts Admont in der Steiermark, das 1868 in der Tübinger Theologischen Quartalsschrift und 1881 in ZDPV erscheint (vgl. Thomas Freller, Adlige auf Tour, Ostfildern 2007, S. 71f.). Nach Freller ist über den Verbleib der Handschriften nichts Näheres bekannt. Quellen: Mitrovich, 1963, S. 92–94; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 294–296; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 244; Freller, 2007, S. 70–78 und S. 221f.

1630–1641: Hieronymus Welsch (um 1610/1612–1665) 

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1630–1641: Hieronymus Welsch (um 1610/1612–1665) 1658. Welsch, Hieronymus: Warhafftige Reiß-Beschreibung / Auß eigener Erfahrung / Von Teutschland / Croatien / Italien / denen Insuln Sicilia, Maltha, Sardinia, Corsica, Majorca, Minorca, Juica und Formentera, deßgleichen von Barbaria, Egypten / Arabien / und dem gelobten Lande; wie auch von Hispanien / Franckenreich / Niderland / Lothringen / Burgund / und andern Orthen. Und was sich hin und her / sowol zu Land / als auch bey unterschidlichen gefährlichen Schiff-fahrten / auff dem hadriatischen und Mediterraneischen Meer / im Galleonen / Vassellen / Galleen / Fregaten / Falucken / und dergleichen Schiffen. Nicht weniger bey denen wunderbahren brennenden Bergen / als dem Vesuvio bey Neaples; la Sol fatara bey Puzzuoli; dem Stromboli und Vulcano, mitten im Meer nahend bey wie auch dem Montgibello (sonsten aethna genant) in Sicilia gelegen. So dann in den Frantzösisch-Spannisch-Niederländisch- und andern Kriegen / bey Scharmützeln / Belägerungen und Haupt-Schlachten / begeben und zugetragen / ec. Auff der Eilffjährigen Reise / Hieronymi Welschen / Fürstl. Würtemberg.RentCammer-Rathg. von ihme selbsten beschrieben und verfertiget, Gedruckt zu Stuttgart / bey Johann Weyrich Rößlin / in Verlegung Wolffgang deß Jüngern / und Joh. Andreae Endters, Anno MDCLVIII. [Erschienen 1659]; [24 ungez., 427 S. Mit Frontispiz, gest. Titel und 3 gef. Tabellen. 4°]; [HAB: A: 150.21 Hist. (3); Ausgabe von 1664: HAB: M: Cc 632]. Weitere Editionen und Literatur: 1994. Bepler, Jill: „The traveller-author and his role in seventeenth-century German tavel accounts“. In: Martels, Zweder von (Hg.): Travel fact and travel fiction, studies on fiction, literary tradition, scholarly discovery and observation in travel writing, Leiden, 1994, S. 183–193. 2001. Landwehr, Achim: „Die Stadt auf dem Papier durchwandern. Das Medium des Reiseberichts im 17. Jahrhundert“. In: Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte, 3 (2001), S. 48–70. Kommentar: Europa- und Levantereise. Reisestationen: Reichstag 1630 in Regensburg, Wien, Kroatien, Italien und Venedig und per Schiff nach Ancona, S. Maria di Loretho, Rom (Kapitel 7–11), Reise von Rom nach Terracina, Neapel, Berg Posilippo, Reise per Schiff nach Reggia und zurück nach Neapel, Galleen, Sizilien (Kapitel 20), Messina, Schiffe, Zucker und Salz, Ätna, Syrakus, Malta, Islam, Alexandria, Kairo, Memphis in Ägypten, Sinai, Rotes Meer (Kapitel 28), Palästina (Kapitel 29). Rückreise über Malta, Messina, Palermo, Sardinien, Genua, Mailand, Marseille nach Spanien, Portugal, Frankreich, Niederlande. Zum Reisewerk: Die Reisestationen werden erwähnt und zum Anlass genommen, die Geschichte der Orte zu referieren. Kein Tagebuch. Sein Motiv besteht darin, fremde Länder zu

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besehen, um dadurch Erfahrungen zu sammeln, die für seine Person und sein Vaterland von Nutzen sein könnten. Der Bericht über Ägypten, den Islam und Arabien findet sich im 28. Kapitel (S. 147–166) und stellt eher eine Zusammenfassung im Stil eines Reiseführers dar. Es ist nicht klar, ob Welsch in Ägypten war, da er weder Daten anführt noch eigene Erfahrungen wiedergibt, wie er es bei anderen Reisestationen tut. Es ist anzunehmen, dass das Kapitel über Ägypten aus anderen Reisebeschreibungen zusammengestellt ist. Dies lässt seine Vorrede vermuten, wo er erklärt, dass er sein Werk mit anderen Reiseberichten ergänzen möchte. Diese Ansicht wird auch von Hantzsch vertreten: Welsch: Hieronymus W., Reisender […] wurde um 1610 in Nördlingen [bzw. Lauingen; siehe Korrektur in ADB] geboren. […] 1630 verließ er […] seine Vaterstadt, begab sich über Wien nach Venedig und durchzog ganz Italien bis nach Malta, sowie Spanien und Frankreich. […] 1641 kehrte er nach Schwaben zurück und wurde herzoglich württembergischer Rentkammerrath in Stuttgart, wo er noch 1664 lebte. […] In diesem Buche zeigt sich W. als scharfsinniger und zuverlässiger Beobachter, der namentlich auffallende Naturereignisse trefflich zu schildern versteht. Von dauerndem Werthe ist seine Beschreibung des großen Vesuvausbruchs vom December 1631, dem er als Augenzeuge beiwohnte. Nicht minder interessant sind seine Bemerkungen über den Aetna. Die aus dem ausführlichen Titel des Werkes angezeigten Abschnitte über Nordafrika, Arabien und Palästina sind werthlos, weil überaus dürftig und nicht aus eigener Erfahrung geschöpft, sondern aus anderen Reisebeschreibungen entlehnt. (ADB, Bd. 41, S. 682; ADB, Bd. 45, S. 676).

Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 66; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 265f.; Kalfatovic, 1992, S. 39.; Kainbacher, 2002, S. 445; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 41, S. 682 und Bd. 45, S. 676 [Korrektur] (von Viktor Hantzsch).

1630–1671: Paul Mayr (Paul Mayer); Kaufmann aus München Handschrift: Münchener Codex Cgm 4038, fol. 38v–42v Kommentar: Bei Röhricht findet sich folgende Bemerkung zu Paul Mayr: Einen sehr kurzen Reisebericht des seit 1630–1671 in Italien, der Türkei, Aegypten und schliesslich auch Deutschland thätigen Kaufmanns Paul Mayr aus München, der aber überall vom Unglück verfolgt wurde, enthält der Münchener Codex Cgm. 4038, fol. 38v– 42v; der Reisende war jedoch nicht im heiligen Lande. (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 301).

Quellen: Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 301; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 248.

1633–1634 (1628–1652): Peter Heyling (1607/08–1652?) 

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1633–1634 (1628–1652): Peter Heyling (1607/08–1652?) 1724. Michaelis, Johann Heinrich (Hg.): Sonderbarer Lebens-Lauff Herrn Peter Heylings, aus Lübec, Und dessen Reise nach Ethiopien; nebst zulänglichem Berichte von der in selbigem Reiche zu Anfange des nächst verwichenen saeculi entstandenen Religions-Unruhe. Aus des Sel. Hn. Geh. Rath Ludolfs Edirten Schriften und andern noch nicht gedruckten Documenten herausgegeben von D. Jo. Henr. Michaelis, S. Theol. & Gr. ac OO. LL. P.P. Ord., Halle: Waysenhaus, 1724. [16 ungez., 208 S.]; [HAB: M: Gw 234]. Kommentar: Evangelischer Missionar in Abessinien (Gesamtreise: 1628–1652; in Ägypten: 1633–1634). Peter Heyling aus Lübeck ist der erste deutsche evangelische Missionar in Abessinien/Äthiopien. Reisestationen: Deutschland, Frankreich, Italien, Malta, Ägypten, Jerusalem, Ägypten, Abessinien, Suakin (Sudan). Peter Heylings Bericht über das koptische Ägypten, Abessinien und die Unannehmlichkeiten und Verfolgungen, die er seitens der Jesuiten und der katholischen Kirche erleiden muss, ist als Streitschrift gegen die Jesuitenmissionen zu verstehen. Der Bericht ist aus zweiter Hand überliefert. Er gliedert sich in 98 Kapitel. Kaiptel 7 bis 85 sind aus Jobus Ludolphs (Historia Aethiopica, 1681) übernommen. In den Kapiteln 1–6 und 86–98 wird die Geschichte von Peter Heyling erzählt. 1628 geht Peter Heyling, Sohn eines Goldschmieds aus Lübeck, nach Frankreich und studiert Rechtswissenschaft und Theologie. 1632 reist er von Frankreich über Italien und Malta nach Alexandrien, wo er 1633 eintrifft. Heylings Hauptziel ist Abessinien, ein Gebiet, das von den Jesuitenmissionen beherrscht ist. 1632 werden die Jesuiten aber von dort vertrieben. Peter Heyling hält sich bis Oktober 1634 in koptischen Klöstern in Ägypten auf und lernt die arabische Sprache. Von Ägypten aus besucht er Jerusalem. Auf Empfehlung des ägyptischen Patriarchen kann Heyling mit dem äthiopischen Gesandten (dem neuen Abuna) nach Abessinien reisen, wo er die lutherische Lehre nicht ohne Erfolg verkündet. Während seines Aufenthaltes übersetzt er das Neue Testament in die amharische Sprache. Er stirbt auf der Rückreise 1651 oder 1652 in Suakin. Quellen: Stuck, 1784–1787, Nr. 677; Bibliotheca Missionum, 1951–1952, Bd. 17 (1952), S. 170f.; Kainbacher, 2002, S. 175; Eutin-ReiseBestand.fp5; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 12, S. 372–373 (von A. Michelsen); BBKL, Band XIV (1998), Spalten 1090–1091 (von Werner Raupp).

1636 (1630–1636): Georg Christoph von Neitzschitz (1600–1637) 1666. Neitzschitz, Georg Christoph von: Des weilant Hoch-Edelgebornen / Gestrengen / und Vesten Herrn George Christoff von Neitzschitz / uff Stöckel-

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berg / Wöhlitz und Zörbitz / Sieben-Jährige und gefährliche Welt Beschauung Durch die vornehmsten Drey Theil der Welt Europa / Asia und Africa. Worbey alles / aller Orte Denckwürdiges fleissig erforschet und aufgezeichnet worden / dergleichen vorhin niemahls an Tag kommen. Nunmehr auf Beförderung dessen Hochansehnlichen Herrn Bruders aus des Seligen Hand-Buche in diese richtige Ordnung gebracht und denen Rarität-Begierigen uff Begehren einer hohen Person Durch den Druck mitgetheilet Von Mgr. Christoff Jägern / zu S. Afra und der Churfürstl. S. berühmten Land-Schule in Meissen Pastore Prim. Mit Churfl. Sächs. Freyheit, In Budißin zufinden bey Barthol. Kretzschmarn Buchhändl. Gedruckt von Christoph Baumann / Im Jahr Christi 1666. [6 ungez., 390 (= 386), 24 ungez. S., Frontispiz, 2 gef. Karten und 13 (teils gef.) Kupfertafeln. Kl. 4°]; [HAB: M: Cc 436]; [laut Kainbacher soll es auch eine Ausgabe von 1663 geben]. Weitere Editionen und Literatur: 1673. Neitzschitz, Georg Christoph von: Des weilant Herrn George Christoff von Neitzschitz, uff Stöckelberg, Wörlitz und Zorbitz Siebenjährige und gefährliche Welt-Beschauung durch Europa, Asia und Africa. Also beschrieben und in Druck gegeben von Chr. Jägern, Bautzen: Kretzschmar, 1673. [389, 18 ungez S. (Register). Mit Kupfertitel und einer Kupfertafel. 4°]; [Neue Ausgabe, Magdeburg: G. Vetter, 1753]. 1674. Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-jährige und gefährliche neu-verbesserte Europae- Asiat- und Africanische Welt-Beschreibung. Zum andern mal hg. von Chr. Jäger, 4. Ausgabe, Nürnberg: Hoffmann, 1674. 1686. Neitzschitz, Georg Christoph von: Sieben-jährige und gefährliche Neuverbesserte Europä-Asiat- und Africanische Welt=Beschauung Des weiland Hoch-Edelgebohrnen Herrn Georg Christoff von Neitzschitz / uff Stöckelberg / Wöhlitz und Zärbitz / Einer hohen Person zu Ehren / auf Beförderung dessen hochansehnlichen Herrn Bruders / Zum dritten mal also heraus gegeben / Daß 1. Die im vorigen Druck nur angeregte Historien ergäntzet / 2. Denen Raritäten und Curiosen Sachen andere beygefügt / 3. Die jetziger Zeit nach geänderte Orthe nachgetragen / 4. Viel Orthe und Dinge in Kupffern und Rissen vorgestellet werden / Samt einem ausführlichen Register aller denckwürdigen Sachen / In Discursen und allenthalben desto besser anzuführen und zu gebrauchen / von M. Christoff Jägern / zu St. Afra und der Churfürstl. Sächsis. berühmten Land-Schule in Meissen Pastore Primario, Nürnberg: zu finden bey Johann Hoffmann, 1686. [6, 319 S., Frontispiz, 2 Karten und 18 Kupfern]; [Standort: HAB: M: Cc 438 (1)]. 1974. Blunt, Henry; Albert, Jacques; Seguezzi, Santo; Neitzschitz, George Chr. von: Voyages en Egypte des années 1634, 1635 & 1636, présentation, traduction et

1636 (1630–1636): Georg Christoph von Neitzschitz (1600–1637) 

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notes de Oleg V. Volkoff, Le Caire: IFAO, 1974. [Collection des voyageurs occidentaux en Egypte; 13]. Kommentar: Bildungsreise, Orient- und Levantereise, Pilgerfahrt mit Unterägypten und Sinai 1630–1636 (in Ägypten: 01.06.–01.08.1636). Georg Christoph von Neitzschitz, vor 1600 in Sachsen geboren, entstammt dem protestantischen Adelsgeschlecht Wehlitz-Wernsdorf. Er ist Probst und Hofprediger zu Glücksburg. 1630–1636 ausgedehnte Reisen durch Europa, Asien und Afrika. Sein Motiv: Reiselust, angeregt vermutlich durch andere holsteinische Reisende wie Olearius. Neitzschitz tritt am 27.04.1630 in Naumburg seine erste Orientreise an, reist über Augsburg, Innsbruck und Padua nach Venedig und von dort am 28.08. per Schiff weiter über Ancona, Cattaro, Zante, Cerigo und Smyrna nach Konstantinopel, wo er am 27.10. ankommt. Nach einem einjährigen Aufenthalt reist er auf dem Landweg über Adrianopel, Sofia und Ofen nach Wien, wo er im Novemebr 1631 eintrifft. In dieser Zeit hält er sich für einige Monate als Gast auf Schloss Althann auf. Neitzschitz tritt am 16.01.1634 seine zweite Orientreise an, reist im Gefolge der kaiserlichen Gesandtschaft unter Graf Buchheim auf dem Landweg über Belgrad, Nisch und Philippopel nach Konstantinopel, wo er am 04.05. ankommt. Die Weiterreise ins Heilige Land wird durch die polnisch-türkischen Auseinandersetzungen verhindert. Am 27.06.1634 kommt er wieder nach Wien zurück. Seine dritte und letzte Reise führt Neitzschitz 1636 von Wien über Graz, Klagenfurt, Villach, Laibach, Triest, nach Venedig. Dort schifft er sich am 21.04. ein und trifft am 01.06.1636 in Alexandrien ein. In Ägypten besucht er Kairo (07.–25.06.) und macht einen Abstecher zum Sinaikloster (25.06.–18.07.), bevor er am 28.07. Kairo wieder verlässt, um sich am 01.08. in Damiette einzuschiffen. Am 04.08. erreicht er Beirut. Die Weiterreise erfolgt über Sidon, Tyrus, Accon und Nazareth nach Jerusalem, dann über Jaffa nach Sidon, wo er sich am 31.08. nach Marseille einschifft. Dort kommt er am 12.10. an, reist über Genua, Livorno, Pisa, Rom, Ancona, Venedig, Villach, Judenburg, Wien und Prag nach Leipzig. Er stirbt 1637 kurz nach seiner Rückkehr. Der Reisebericht erscheint 1666 posthum auf Wunsch des Bruders. Er wird von Christoff Jäger herausgegeben und mehrmals gedruckt. Jäger bemerkt in seiner ‚Zuschrifft‘: Wann dann nun dabey gethan / was GOTT durch meinen Fleiß und Arbeit aus Gnaden verliehen / daß das Werck nicht allein seine richtige Ordnung und Abtheilung in Theile / Bücher und Capitul erlanget / sondern auch die materi und Sachen darinnen ein jegliches an seinen Orth / so viel immer müglich getragen und gesetzet und dieselben mit verständlichem Teutsch beschrieben worden / welches denn einem Reisenden in seinem Hand- und Tage-Buche zuthun nicht müglich / weiln er vor täglicher Unruhe und Unbeständigkeit seines Lebens zu Gedancken nicht kommen kan / dann auch sein Wille und Vorhaben den vollkommenen Zweck noch nicht erreichet und über diß alles seine Muttersprache mit so viel andern Sprachen zerrüttet und verwirret wird (Jäger, 1666, S. 4).

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Quellen: Beckmann, 1807–1809, Bd. 1, S. 232–238; Linke, 1967, S, 326; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 297–299; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 42; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 253; Kalfatovic, 1992, S. 36; Kainbacher, 2002, S. 287; Katzer, 2008, S. 130f. und 496; Eutin-ReiseBestand.fp5; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 23, S. 415–417 (von Friedrich Ratzel).

1639–1640: Chorherr Ludwig Helmlin (von Beromünster) (?–1640) 1876. Herzog Ignaz Vital: „Chorherr Ludwig Helmlin, sein Leben, Wirken und die unglückliche zweite Jerusalemer-Fahrt“. In: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz, 31 (1876), S. 336–360. [ergänzt in 51 (1896), S. 283–292]. 1896. Kopp Karl Alois: „Zur Biographie des Chorherrn Ludwig Helmlin“. In: Der Geschichtsfreund. Mitteilungen des Historischen Vereins Zentralschweiz, 51 (1896), S. 283–292 [Ergänzung zu 31 (1876), S. 336–360]. Kommentar: Pilgerfahrt mit Unterägypten (Alexandrien, Kairo), 1639–1640. Bei Röhricht findet sich folgende Zusammenfassung: 1629 a. Der Chorherr Ludwig Helmlin von Beromünster unternimmt […] eine Pilgerfahrt, von der er als Ritter des heiligen Grabes 1632 glücklich heimkehrte […]. Im Jahre 1639 wiederholt er seine Wallfahrt mit dem Chorherren Nicolaus Hertenstein, Andreas Mättmann, Leutpriester zu Häglingen, und Johann Herzog aus Wynon bei Münster […] und geht über Rom, Neapel, Messina, Malta nach Alexandrien und Cairo, von da über Jaffa nach Jerusalem, das er am 14. Januar 1640 wieder verlässt. Nachdem er Nazareth und die Umgegend von Tiberias besucht, segelt er am 16. Februar von Accon ab und erreicht am 20. Februar Cypern, zehn Tage nachher Candia […]. In einem Kampfe mit Piraten finden Helmlin und Herzog (28. März 1640) den Tod durch Ertrinken […], während Mättmann und Hertenstein […] als Sclaven nach Tunis gebracht wurden, von wo aus sie am 2. April 1640 in einem Briefe in die Heimath […] von der Reise und ihrem Unglück Kunde geben; gegen Zahlung einer Loskaufssumme von 1000 Ducaten werden sie 1644 frei und gelangen glücklich in die Heimath zurück (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 296f.).

Quellen: Mitrovich, 1963, S. 94f.; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 296f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 247.

1660–1663: Christian von Wallsdorff (Wallsdorf) 1664. Wallsdorff, Christian von: Türkischer Landstürtzer / oder Neue Beschreibung Der fürnehmsten / Türkischen Städte / und Vestungen / durch Ungarn / Thracien / und Egypten: Darinnen nicht allein Gran / Ofen / Griechisch-Weis-

1660–1663: Christian von Wallsdorff (Wallsdorf) 

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senburg / Sophia / Philippolis / Adrianopel / Constantinopel / Galata / Alexandrien / Alkair / samt andern ausführlich beschrieben: Sondern auch allerley berühmte Flüsse / Brucken / Seehäfen / Meerklippen / Berge / Schlösser / Thürme / Gefängnisse / Tempel / Spitäle / Begräbnisse / Bäder / Brunnen / Strassen / Märkte / Ehrenseulen / und dergleichen Denkwürdigkeiten / mit Fleiß bemerket werden. Wie solches alles Christian von Wallsdorff / Als welcher im Jahr 1660. in der Ragotzischen Schlacht bey Clausenburg gefangen / in die Türkey verkaufft / und bald wieder ausgelöset worden / auf seiner dreyjährigen Reiserfahren / und in seiner Türkischen Pilgramschafft glaubwürdig verzeichnet. Samt einem Anhang / Derer bey S. Gotthard und Leventz beschehenen harten Treffen / von hoher und grwisser Hand / ausführlicher berichtet, erstlich gedruckt in Herbst-Monat, [o. O.], 1664. [[2] Bl., 36 S., Frontisp.; 4º]; [Standort: HAB: A: 150.17 Hist. (5); und M: Gv 954]. Kommentar: Gefangenschaft; Ost-Europa, Osmanisches Reich, Ägypten (1660– 1663). Christian von Wallsdorff dient zwei Jahre lang unter dem ungarischen Fürsten Georg II. Rákóczi von Siebenbürgen, gerät im Mai 1660 während der Schlacht gegen die Türken bei Klaussenburg in Gefangenschaft und wird in Gran an einen Sklavenhändler verkauft. (Wallsdorff, 1664, S. 1). Sein Reiseweg als Sklave führt ihn über Ofen, Pest, Bulgarien, Sophia, Thracien, Philippolis und Hadrianopel nach Konstantinopel (vgl. Wallsdorff, 1664, S. 1–12). Dort muss Wallsdorff verschiedene Dienste als Sklave verrichten, bevor er von einem holländischen Residenten losgekauft wird und seine Heimreise antreten kann. (Wallsdorff, 1664, S. 12). Wallsdorff reist über Gelibolu, Bursa und Izmir nach Ägypten, wo er Alexandrien besichtigt und Kairo ausführlich beschreibt. Nach 3 Jahren kehrt er über Venedig nach Hause zurück. (Wallsdorff, 1664, S. 21–29). Die Themen der Ägyptenbeschreibung sind bei Alexandrien der Hafen, der als vornehmster des ganzen Landes bezeichnet wird, Lage, Aussehen (viele schöne Gärten), Einwohner (Gärtner sind oftmals Mohren, die er als armes Volk bezeichnet) (S.21), Stadtmauer mit hohen Türmen, Gebäude (oft verfallen, Steinhaufen, Zollhaus, Fondachi), Sehenswürdigkeiten (4 schöne, steinerne Säulen), Alexander (S. 22), Moscheen oder Kirchen, Vorstadt, Türken und Juden, der Samaco (oberster Stadthalter des Orts), Janitscharen und Spahi, Kastell, Hafen, Gebrauch bei Anfahrung (S.23). Danach beschreibt er die Reiseroute von Alexandrien nach Kairo: über Rosseto oder Raschit, dann zu Wasser auf dem Nilstrom bis nach Bulak und zu Land nach Kairo. Diese Stadt beschreibt er als weltberühmte Hauptstadt, als größte und vornehmste Handelstadt der ganzen Türkei, die mehr als dreimal so groß ist wie Paris, aber bei weitem nicht so herrlich. Denn die alte Stadt ist heruntergekommen, heftig zerstört, schlecht bewohnt (S.23). Die Einwohner sind Mohren, Araber, Griechen und verlaugnete Christen. Danach geht er auf Stadtteile, Namen der Stadt (Missier, Messer, Cair), Lage und Schloss ein

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 4 Reiseberichte von 1600 bis 1699

(S.24), auf Wasserversorgung, Babuluco, Spachia und Selim, der im Jahr 1517 Ägypten einnimmt, auf Arsenal und Begräbniss (S.2 5) sowie auf Ross- und Kamelmarkt, Kirche Sultan Hessen, Marktplatz, Spachi-basar, Bulak, Kaufhäuser, Zuckermühlen, Arsenal, Schiffe, Fischmarkt, Zollhaus, Imbebe und Sandinsel (S.26). Daraufhin folgen Altkairo (Messer Hadir), Kornhäuser, Insel Aroda, Pulvermühlen, Handwerksleute, Wassersteigen (Nilometer), Anzahl der Kirchen (über 20000) (S.27) und Kontraden (vergleichbar mit Pfarreien), Größe der Stadt (257 Straßen, 43 Burgwälle) und Lebensbedingungen (Tod, schlechte Luft, Staub, Pest, Holzmangel, Garkücken) (S. 28): „So es nun Essens Zeit / reitet / oder laufft der Hausvatter / oder sein Gesind / auf die jenige Plätze / oder Gassen zu / da solche Jarküchen; deren in dieser Stadt über 13. tausend gezehlet werden“ (Wallsdorff, 1664, S. 28). Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 65; Kalfatovic, 1992, S. 40; Kainbacher, 2002, S. 439.

1664–1665/1671–1674: Johann Michael Wansleben (1635–1679); (Vansleb, Vanslebio, Vanslebius, Vanslep, Wansleb; Giovanni, Jean; Michele) 1794. Wansleben, Johann Michael: Johann Michael Wansleb’s bisher ungedruckte Beschreibung von Aegypten im Jahr 1664, hg. von J[eremias] D[avid] Reuss, Jena: Cuno, 1794. [Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient [von Paulus]; Bd. 3, 1794, S. [1]–122]; [Nach der deutschen Originalschrift zum ersten Mal gedruckt]. 1794. Wansleben, Johann Michael: Neue Beschreibung einer Reise nach Aegypten, in den Jahren 1672, 1673, übersetzt nach der französischen Ausgabe Paris 1677, Jena: Cuno, 1794. [Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient [von Paulus]; Bd. 3, 1794, S. [123]–384]. Weitere Editionen und Literatur: 1671. Wansleben, Johann Michael: Relazione Dello Stato Presente Dell’Egitto: Nella quale si dà esattissimo ragguaglio delle cose Naturali del paese: Del Gouerno Politico, che vi è: Della Religione de’Copti: Dell’Economia delli Egizij, e delle magnifiche Fabriche, che ancor’hoggidì vi si veggono. Scritta dal Signore Gio. Michele Vanslebio, d’Erffordia, hora Religioso dell’Ordine de’Predicator. E dedicata all’Altezza Sereniss. Cosmo De Medicis, Gran Duca di Toscana, Parigi: Dalla Stamperia d’Andrea Cramoisy, 1671. [[6] Bl., 283 S.; 12°]. 1677. Wansleben, Johann Michael: Nouvelle Relation en forme de Journal d’un Voyage fait en Egypte en 1672 et 1673 par le P. Vansleb, Paris: Chez Estienne Michallet, 1677. [[7] Bl., 423 S., [8] Bl.; 12°]; [Neuauflage: Paris: Compagnie des Libraires Associés, 1698].

1664–1665/1671–1674: Johann Michael Wansleben (1635–1679) 

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1677. Wansleben, Johann Michael: Histoire de l’Eglise d’Alexandrie: fondée par S. Marc, que nous appelons celle des Jacobites-Coptes d’Egypte, écrite au Caire même, en 1672 et 1673 par le P. J. M. Vansleb, Paris: Clousier, 1677. [348 S.]. 1678. Wansleben, Johann Michael: The present state of Egypt, or, A new relation of a late voyage into that kingdom, performed in the years 1672 and 1673 by F. Vansleb, London, 1678. [Übersetzung von Nouvelle relation en forme de Journal d’un Voyage fait en Egypte]; [ND: Westmead, Eng: Gregg International Publishers, 1972 und 1984]; [253 S.]. 1679. Wansleben, Johann Michael: A brief account of the rebellions and bloudshed occasioned by the anti-Christian practices of the Jesuits and other popish emissaries in the empire of Ethiopia, London: Jonathan Edwin, 1679. [43 S.]. 2002. Stein, Hans: „Die Biografie des Orientreisenden Johann Michael Wansleben (1635–1679). Eine ‚chronique scandaleuse‘? “. In: Ernst der Fromme (1601– 1675). Staatsmann und Reformer. Wissenschaftliche Beiträge und Katalog zur Ausstellung, Bucha b. Jena, 2002, S. 177–195. 2007. Collet, Dominik: Die Welt in der Stube. Begegnungen mit Außereuropa in Kunstkammern der Frühen Neuzeit, Göttingen, 2007. [hier v.a. S. 132–165]. Kommentar: Wansleben ist Orientalist, Theologe, Dominikaner und nach Peter Heyling (Reise: 1633; siehe oben) der erste uns bekannte Deutsche, der Oberägypten bereist und darüber berichtet. Wansleben ist am 01.11.1635 zu Erfurt geboren, am 12.06.1679 bei Paris gestorben, Sohn eines lutherischen Predigers, studiert Theologie und alte Sprachen an der Universität Königsberg. Später folgen Studien in Gotha beim Orientalisten Hiob Ludolf, in dessen Auftrag er nach London reist, um das Äthiopisch-Lateinische Lexikon herauszugeben. 1664 Reise nach Ägypten mit Ziel Äthiopien. Diese Reise erfolgt auf Vorschlag von Hiob und mit der Unterstützung von Herzog Ernst dem Frommen von Gotha, um Äthipoien zu erkunden und die lutherische Lehre zu verkünden. Wansleben erreicht Ägypten im Januar 1664, bleibt fast ein Jahr in Alexandrien und Kairo, wo er koptische Handschriften sammelt und kopiert. Seine geplante Reise nach Äthiopien setzt er nicht fort, da er das ganze Reisegeld in Ägypten ausgibt. Im Januar 1665 reist er von Alexandrien über Livorno nach Rom, wo er zum Katholizismus übertritt. Später wird er Dominikaner. Den Bericht über diese erste Ägyptenreise schickt Wansleben zu Herzog Ernst. Dieser Bericht befindet sich in der Bibliothek in Gotha (Cod. chart. fol. 101) und erscheint 1794 zum ersten Mal Deutsch (bei Paulus’ Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient). In italienischer Sprache publiziert Wansleben ihn 1671 mit Hilfe der Dominikaner. 1670 ist Wansleben in Paris. 1671 unternimmt er eine zweite Ägyptenreise, diesmal im Auftrag des französischen Ministers Colbert, um das Land zu erkunden und Handschriften für die königliche Bibliothek zu erwerben. Im Mai 1671 Reise von Marseille nach Syrien und über Tripoli, Aleppo, Damaskus, Sidon, Damiette nach Kairo; Besuch von Kirchen

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und Klöstern; Erforschung des koptischen Ägypten; Nitrische Wüste. Wansleben sammelt und kopiert Inschriften und Manuskripte, erlernt die koptische Sprache. 1673 ist er in Oberägypten (Theben, Karnak, Luxor, Medinet Habu). Im Frühjahr 1674 segelt er von Rosette ab und erleidet Schiffbruch. Nach seinem Eintreffen in Konstantinopel hofft er vergeblich, vom Sultan einen Pass für die Weiterreise nach Äthiopien zu erlangen. 1676 wird er nach Frankreich zurückgerufen. Sein ausschweifendes Leben und sein Hang zur Trunksucht bringen ihn bei Colbert in Ungnade. Er erhält keine Anerkennung für seine hervorragenden Leistungen. Der zweite Ägyptenbericht erscheint zunächst Französisch. Eine deutsche Übersetzung erfolgt erst 1794. In der Geschichte des deutschen Ägyptenreiseberichts nimmt Wansleben damit eine besondere Stellung unter ein, da er der erste Deutsche ist, der Oberägypten bereist und darüber berichtet sowie das koptische Ägypten ausführlich beschreibt. Quellen: Ehrmann, 1791–99, Bd. 20, 1798, S. 67–83 (2. Reise, Auszug); Jäck, Taschenbibliothek/Palästina, 1828, Teil I, Bd. 1, S. 57–66 (1. Reise, Auszug) und S. 67–119 (2. Reise, Auszug); Mitrovich, 1963, S. 157–159; Linke, 1967, S. 327; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 63 und 208; Stuck, 1984, Nr. 1480 und 1481; Kalfatovic, 1992, S. 41; Estelmann, 2006, S. 46f.; ADB, Bd. 41, S. 159–162 (von Viktor Hantzsch).

1666–1670: Franz Ferdinand von Troilo (Johann Valentin Mörbitz ?; Frantz Ferdinand von Troilo; Franciscus Ferdinandus a Troilo; F. F. von Troilo) 1676. Troilo, Franz Ferdinand von: Frantz Ferdinand von Troilo / aus Ober-Schlesien / auf Lassot / Jeutritz / Birßdorff und Kolßdorff / Ritters des heiligen Grabes / Sr. Churfl. Durchl. zu Sachsen wohlbestalten Cammer-Junckers / und bey Dero Unter-Leib-Guardie zu Fuß Fendrichs Orientalische Reise-Beschreibung / Wie er Zu dreyen unterschiedenen mahlen nach Jerusalem / von dannen in Egypten auf den Berg Sinai / und ferner nach Constantinopel sich begeben / auff der letzten Rück-Reise aber von See-Räubern gefangen / nach Algier in die Barbarey gebracht / zwey mahl verkaufft / und durch Gottes wunderbare Schickung zu Ende des 1669. Jahres wiederumb erlöset worden. Worbey aller derer Länder Art / und heilige Örter ausführlich beschrieben / deren Inwohner erstes Herkommen / Religionen / Gebräuche und Sitten / und was denckwürdiges mit grosser Leib- und Lebens-Gefahr angemercket werden mögen / nunmehr auff Begehren dem günstigen Leser ausführlich Nach Vier Jahren Von dem Authore selbst abgetheilet / Vor Augen gestellet wird, Dresden: Bergen, 1676. [669 S.; 8º]; [HAB: M: Gv 363]; [VD17 14:656797N und VD17 39:132005R].

1666–1670: Franz Ferdinand von Troilo 

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Weitere Editionen und Literatur: 1677. Troilo, Franz Ferdinand von: Frantz Ferdinand von Troilo […] Orientalische Reise-Beschreibung, Dresden: Bergen, 1677. [VD17 1:071465H]. 1717. Troilo, Franz Ferdinand von: Orientalische Reise-Beschreibung, Leipzig; Frankfurt: Lesch, 1717. [888 S.]; [HAB: M: Gv 592]. 1733. Troilo, Franz Ferdinand von: Orientalische Reise-Beschreibung, Dresden/ Leipzig: Hübner, 1733. 1734. Troilo, Franz Ferdinand von: Orientalische Reise-Beschreibung, Dresden/ Leipzig: Hübner, 1734. 2001. Migoń, Krzysztof: „Orientbeschreibungen von Heinrich von Poser und Franz Ferdinand von Troilo“. In: Die oberschlesische Literaturlandschaft im 17. Jahrhundert, hg. von Gerard Koziełek, Bielefeld, 2001, S. 233–246. [Tagungsreihe der Stiftung Haus Oberschlesien; 11]. Kommentar: Pilgerfahrt, Orient-, Europa- und Levantereisen von 1666 bis 1670; dreimal in Jerusalem; zweimal in Unterägypten; Gefangennahme durch Piraten; als Sklave in Algier; Freikauf und glückliche Rückkehr. Palästinafahrer; Ritter des heiligen Grabes; katholisch; Festungskommandant in Dresden und Stolpen. Franz Ferdinand von Troilo stammt aus einem alten Tiroler Adelsgeschlecht, dem Zweig in Oberschlesien auf Lassoth; der zweite von drei Söhnen des kaiserlichen Rats Franz Gottfried von Troilo; laut ADB sind seine Lebensdaten unbekannt, er ist wohl Mitte des 17. Jahrhunderts geboren und vermutlich Anfang des 18. Jahrhunderts gestorben. Rassmann (1830, S. 187) macht unter dem Pseudonym einen Johann Valentin Mörbitz aus, der 1650 zu Dresden geboren und am 04.06.1704 gestorben sein soll. Ausbildung auf verschiedenen Schulen und Universitäten; ausgedehnte Reisen in Deutschland und Italien; Aufenthalt an mehreren Fürstenhöfen; vorübergehend in spanischem Kriegsdienst; Reisesationen: 1666 über den Brenner nach Venedig, wo er am 10.01. einschifft, über Candia, Zypern, Tripolis und Jaffa nach Jerusalem, wo er im Juni 1666 eintrifft und sich zwei Monate lang aufhält. Weitere Stationen sind Kairo, Sinai, Kairo, Jerusalem (Januar 1667), Damaskus, Aleppo, Alexandrette, durch Kleinasien nach Konstantinopel (JuniOktober), Alexandrette (Dezember), Tripolis (Januar, Februar 1668), Jaffa, Jerusalem (bis November 1668), Jaffa, Damiette, Kairo (Dezember), Alexandrien (Anfang 1669; 3-monatiger Aufenthalt). Von dort reist er auf einem Marseiller Schiff, wird bei Malta von Piraten gefangengenommen und nach Algier verschleppt und nach 7-monatiger Gefangenschaft freigekauft. Heimreise über Zypern (bis Januar 1700), Malta, Sardinien, Sizilien, Korsika, Livorno (Quarantäne April bis Juli), Florenz, Bologna, Ferrara, Venedig, Verona, Trient, Innsbruck und Wien nach Oberschlesien. 1673 zu Dresden im kursächsischen Dienst; 1676 Kammerjunker und Fähndrich; 1678 Heirat. Seine Frau stirbt 1687. Aus der Ehe gehen zwei Töchter und zwei Söhne hervor. 1680 Kapitänlieutenant bei der Festung Alt-Dresden; seit Ende 1682

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Kommandant des Schlosses Stolpen. Zum Werk: Die erste Ausgabe erscheint 1676 in Dresden. Weitere Auflagen folgen 1717, 1733 und 1734 in Leipzig und Frankfurt. Beckmann (Bd. II, 1809, S. 285) stuft die Reisebeschreibung als eine Fiktion aus der Hand von Johann Valentin Merbiz (bzw. Merbitz oder Mörbitz) ein, während Tobler sie für echt hält: Beckmann schreibt (2, 285): In der erdichteten orientalischen Reise, welche der Conrector Joh. Valent. Merbiz unter dem namen Troilo hat drucken lassen. Allerdings hat für die erste auflage Joh. Valent. Merbitz ein gedicht an den von Troilo drucken lassen; mehr aber that er nicht. Die reisebeschreibung trägt durchaus den Stempel der echtheit (Tobler, BGP, 1867, S. 110).

Quellen: Beckmann, Bd. II, 1809, S. 285; Rassmann, Pseudonyme, 1830, S. 187; Tobler, BGP, 1867, S. 110; Mitrovich, 1963, S. 162–164; Linke, 1967, S. 327; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 303f.; Wolf-Crome, 1977, S. 563; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 61; Stuck, 1984, Nr. 1453; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 271; Kalfatovic, 1992, S. 40f.; Kainbacher, 2002, S. 424; Eutin-ReiseBestand.fp5; EutinReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 38, S. 634–635 (von Paul Pfotenhauer).

1675: Otto Friedrich von der Gröben [Groeben] (1657–1728) 1694. Gröben, Otto Friedrich von der: Orientalische Reise-Beschreibung / Des Brandenburgischen Adelichen Pilgers Otto Friedrich von der Gröben: Nebst der Brandenburgischen Schifffahrt nach Guinea, und der Verrichtung zu Morea, Unter ihrem Titel, Marienwerder [Danzig]: Reiniger, 1694. [auch enthalten: Guineische Reise-Beschreibung / Nebst einem Anhange der Expedition in Morea]; [Orientalische Reise-Beschreibung: [7] Bl., 399 S., [4] Bl., 134 S., [57] Bl.: 1 Portr., 8 Ill., 49 Ill., Kupfert.; 4°]; [Guineische Reise-Beschreibung / Morea: [4] Bl., 134 S., [1], [13] Bl., [3] gef. Bl.: 1 Portr., 15 Ill.; 4°]; [VD17 39:131426D]; [HAB: Xb 4682 (1)]. Weitere Editionen und Literatur: 1700. Gröben, Otto Friedrich von der: Des edlen Bergone und seiner tugendhafften Areteen denckwürdige Lebens- und Liebesgeschichte: Zum Nutz und Vergnügen edeler Gemüther […] welche daraus die Sitten und Gebräuche vieler Völcker und die ausführliche Beschreibung Italien, der Heiligen und anderer Länder ersehen können. In deutschen Versen, Danzig: Reiniger, 1700. [785 S.; 8°]; [VD17 1:644077Z]. 1779. Gröben, Otto Friedrich von der: Orientalische Reisebeschreibung, Neue Auflage, verb. u. m. Anm. vers., Danzig: Wedel, 1779. [334 S.]; [Gekürzte Neuausgabe der Beschreibung von 1694, ohne die Schilderung der Reise nach Guinea].

1675: Otto Friedrich von der Gröben [Groeben] (1657–1728) 

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2005. Freller, Thomas: „Ein preußischer General auf Korsarenschiffen. Otto Friedrich von der Gröben um Mittelmeer und an der Goldküste“. In: Schiff und Zeit, 62 (2005), S. 35–43. Kommentar: Orient- und Europareisen; Pilgerfahrt mit Unterägypten und Sinai. Otto Friedrich von der Gröben, geb. am 16.04.1656 (oder 01.04.1657) in Napratten im Ermland, gest. am 30.01.1728 in Marienwerder in Westpreußen, brandenburgischer Offizier, Forschungsreisender und Kolonialpionier ist Sohn eines brandenburgischen Offiziers. Obwohl protestantisch besucht er die Jesuitenschule mit klassischer Bildung. 1675 Orientreise nach Palästina und Ägypten; Europareisen bis 1680; 1681 Kammerjunker von Kurfürst Friedrich Wilhelm; 1682 an der Spitze einer kleinen Flotte nach Guinea entsandt, um den ersten deutschen Handelsstützpunkt, das sog. Fort Groß-Friedrichsburg zu gründen, was ihm an der Goldküste im heutigen Ghana auch gelingt [Diese erste deutsche Kolonie in Afrika wird 1720 an die Niederländisch-Westindische Kompanie verkauft]. 1686 Teilnahme am venezianischem Feldzug nach Morea (Peloponnes) gegen die Türken; Heirat; 1688 brandenburgisch-preussischer Generalmajor; 1697 Amthauptmann von Marienwerder; 1728 Generalleutnant im Dienst des polnischen Königs. Reisesationen: Mit 17 Jahren reist er mit dem polnischen Edelmann Oberst von Meglin nach Italien und Malta, nimmt am Kaperfeldzug gegen die Türken teil, reist am 01.05. 1675 von Neapel über Messina, Trapani, Malta, Candia, Rhodos, Zypern, Akkon und Jaffa nach Jerusalem und dann mit einer Karawane über Damaskus nach Kairo, dann zum Sinai, nach Kairo und Alexandrien. Er wird von Piraten gefangengenommen und kommt erst nach sechs Monaten frei. Weiterreise über Marseille, Livorno, Venedig, Mailand, Turin, Chambery, Lyon und Paris; einjähriger Aufenthalt; Weiterreise nach London; Heimreise über Antwerpen, Amsterdam, Hamburg und Berlin. Der Reisebericht enthält wenig chronologische Angaben. Die Orientalische Reise erscheint 1694 und 1779, Die Guineische mehrmals im 20. Jahrhundert: 1907, 1913, 1916, 1934, 1942, 1950, 1981. Niederländisch erscheint sie ca. 1706. Quellen: Mitrovich, 1963, S. 164–167; Linke, 1967, S. 325; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 304f.; Stuck, 1984, Nr. 604; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 275; Kainbacher, 2002, S. 146; Katzer, 2008, S. 134f. und 491; Eutin-ReiseBestand.fp5; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 9, S. 706–707 (von Friedrich Ratzel); NDB, Bd. 7, S. 106 f. (von Kurt Forstreuter).

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1699 (1698–1701): Heinrich Wilhelm Ludolf (1655–1712); [Ludoph; Henry William Ludolf; Henrici Wilhelmi Ludolfi] [Briefe von Heinrich Wilhelm Ludolph an August Hermann Francke in Halle, Berlin: Königliche Bibliothek, aufgeführt In: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 288]. Kommentar: Levantereise, Jerusalem und Ägypten (1698–1700). Heinrich Wilhelm Ludolf, geb. am 20.12.1655 in Erfurt, gest. am 25.1.1712 in England; Slawist, Verfasser der ersten Grammatik der russischen Volkssprache; evangelische Familie; Missionsreisender; 1674 Studium an der Universität Jena; bei seinem Onkel, dem Orientalisten Hiob Ludolf, lernt er orientalische Sprachen; 1678 in England; 1686 Sekretär des Prinzen Georg von Dänemark, des späteren Prinzgemahls der Königin Anna von England; 1691 aus gesundheitlichen Gründen Rücktritt und Niederlassung in England; 1692–94 Reise nach Russland; 1698 in Halle Bekanntschaft mit August Hermann Francke. „Seitdem ließ er sich von der Idee der Universalkirche leiten. Um die Orthodoxe Kirche zu gewinnen, unternahm L. 1698/99 eine Orientreise, unterstützt von engl. und holländ. Diplomaten, und suchte Verbindung zur griech. Geistlichkeit, ohne zu einem Ergebnis zu kommen“ (NDB, Bd. 15, S. 304). Ludolfs Orientreise ist durch seine Briefe an August Herrmann Francke bekannt, die aus Smyrna, Konstantinopel, Zypern, Jerusalem und Kairo datiert sind. Reisestationen: Am 16. September 1699 segelt Ludolf von Konstantinopel auf einem englischen Schiff nach Jaffa (05.10.), über Ramlah nach Jerusalem und Kairo. Nicht alle Briefe über diese Reise sind überliefert: aus letzterer Stadt [Kairo] datirt ein Brief vom 20. December 1699, in welchem L.[udolph] auf vorhergehende Briefe darüber verweist, die wahrscheinlich also verloren gegangen sind. Am 15. April 1700 befindet sich L.[udolph] wieder in Livorno, von wo aus er seine Reise durch Italien, Frankreich, England etc. fortsetzt (Reinhold Röhricht, Deutsche Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande, Aalen 1967, S. 307).

Quellen: Mitrovich, 1963, S. 180–182; Röhricht, Pilgerreisen, 1967, S. 306f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 288; NDB, Bd. 15, S. 304f. (von Robert Stupperich).

5 Reiseberichte von 1700 bis 1799 1700–1704: Theodor Krump (1672–1724) 1710. Krump, Theodor: Hoher / und Fruchtbarer Palm-Baum / deß Heiligen Evangelij / Das ist: Tieff-eingepflantzter Glaubens-Lehr / In das Hertz deß Hohen Abyssiner Monarchen / erwisen. In einem Diario oder Täglich- und ordentlicher Reiß-Beschreibung der muehesamen Verrichtungen jener Apostolischen Glaubens-Sendlingen auß dem Orden deß Heil. Seraphischen Vatters Francisci der Reformirten / so Anno 1700. von der Paepstl. Heiligk. Innocentio XII. von Rom auß / biß zu dem Großmaechtigen Abyssiner-Kaeyser Adiam Saghed Jasu, auß Eyffer selbigen zu dem wahren Romanischen / Catholischen allein seeligmachenden Glauben zu bekehren / seynd worden. Welcher dann auch durch sonderbahre Mitwuerckung / und Gnaden-reiche Erleuchtung Gottes deß H. Geistes die Christ-Catholische Glaubens-Bekandtnus wuercklich Anno 1702. den 2. Februarij in ihre Haend abgelegt hat. Neben unterschidlichen Anmerckungen / und Beschreibungen deren Laender / Staedt / Sitten der Menschen / Beschaffenheiten der Thieren / Fischen / und anderen / so sich zu Wasser und Land durch mehr dann 4. Jahr vilfaeltig haben ereignet / mit Fleiß verzeichnet / auf guter Freund anhalten in Druck gegeben. Von P. F. Theodoro Krump, Ord. Min. F. Francisci Reform. Provinciae Bavariae, Lectore, Concionatore & Missionario Apostolico Aethiopiae, m. Genehmhaltung der Obern, Augsburg: In Verlegung Georg Schlueter und Martin Happach. Gedruckt bey Joseph Gruber, 1710. [566 S.; 8º]; [HAB, M: Gw 45]. Weitere Editionen und Literatur: 1914. Wilke, Leonhard: Im Reiche des Negus vor 200 Jahren. Missionsreise der Franziskaner nach Abessinien von 1700 bis 1704. Nach dem Tagebuch des Missionars P. Theodor Krump dargestelt, Trier: Paulinus-Dr., 1914. [138 S.]. 1979. Spaulding, Jay (Hg.): The Sudanese travels of Theodoro Krump, 1700–1702, o.O.: Hambata Publ., 1979. [80 S.]; [Übersetzung von Teilen der Ausg. Augsburg, 1710]. 1850. Gumprecht, T. E.: „Die Reise des Paters Krump nach Nubien in den Jahren 1700–1702 und dessen Mitteilungen über Abbysinien“. In: Monatsberichte über die Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, N. F., 7 (1850), S. 39–88. 1936. Weber, Paul: „P. Theodor Krump, Königlicher Leibarzt zu Sennar“. In: Antoniusbote, XLIII (1936), S. 262–264. [Eine Lebensbeschreibung]. 1991. „Theodor Krump“. In: Sagen und Erzählungen aus dem Landkreis AichachFriedberg, zsgetragen u. teilw. neu bearb. von Karl Christl und Franx Xaver Riedl, m. Ill. von Ilse Höfels, 2. Nachdr., Aichach, 1991.

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

2002. Christl, Karl: „Der Franziskaner P. Theodor Krump aus Aichach: Priester und Reiseschriftsteller (1672–1724) “. In: Aichacher Heimatblatt, Obb. 1953, 50 (2002), S. 27–28. 2005. Gabriel Warburg: „European Travellers and Administrators in Sudan before and after the Mahdiyya”. In: Middle Eastern Studies, 41/1 (January 2005), S. 55–77. Kommentar: Der Franziskaner P. Theodor Krump (etwa 1660 in Aichach – 1724 in Dingolfing), katholischer Ordenspriester und Reiseschriftsteller, Äthiopienmissionar, 1683 O.F.M. der Bayerischen Provinz, 1697 Studium der arabischen Sprache und Medizin in Rom, Mitglied der Äthipoienmission von 1700 bis 1704, die ihn durch Ägypten führt. Er gehört zu den wengien deutschen Reisenden, die Nod- und Südägypten bereisen und beschreiben (vgl. Wansleben 1664–1674). Im Mittelpunkt der Beschreibung steht der missionarische Eifer. Sieht man aber davon ab, dann erweist sich der Autor als ein sehr guter Beobachter. Er liefert sehr ausführliche Informationen über alles, was ihm auf seinem Reiseweg begegnet. Er wendet sich an die zukünftigen Reisenden, insbesondere die Missionaren, mit Ratschlägen. Der Reisbericht folgt chronologisch dem Reiseverlauf: Jahre, Tage, Uhrstunden werden angeführt; angekommen an einer Reisstation, so wird eine Ortsbeschreibung eingeschoben, wo meist das gesamte Wissen der Reise und manche spätere Erfahrungen mit hinein fliessen. Reisestationen: München, Rom (1697–1700); Livorno, Tunis, Susa, Alexandria, Kairo, Siud [Assiut], Essna, Dungula, Sennar, Kairo, Malta, Rom, Deutschland. Inhalt: S. 17–33, Von Muenchen auß bis auf Rom / und was sich aller Orthen zugetragen; S. 34–42, Von Rom auß nacher Livorno; S. 43–63, Beschreibung der Schifffarth von Livorno auf Tunis; S. 64–76, Schifffahrth von Tunis bis auf Susa; S. 76–95, Beschreibung der Schifffarth von Susa bis auf Alexandria; S. 96–127, Von Alexandria nacher Gran-Cayr; S. 127–159, Beschreibung der Edlen grossen Stadt Gran-Cayr; S. 159– 184, Von Gran-Cayr auß bis auf Siud [Assiut]; S. 185–99, Von Siud bis auf Essna; S. 200–231, Von Essna auß durch die Wüsten bis auf Moshaa; S. 232–253, Von Moshaa bis nacher Dungula; S. 253–273, Von Dungula bis auf Sennar; S. 273–324, Beschreibung / was in Sennar mit denen Missionarijs zugetragen; S. 325–349, Beschreibung / Was sich in Gondar bey Bekehrung deß Aethiopischen Kaysers zugetragen; S. 349–358, Beschreibung / Was sich in Sennar ferner zugetragen; S. 358–382, Von Sennar biß auf Moshaa; S. 383–411, Durch die Wüsten gegen Gran-Cayr [Kairo]; S. 411–475, Von Gran-Cayr biß auf Maltha; S. 475–542, Von Maltha biß auf Rom; S. 543–566, Von Rom biß in Deutschland. (Mit Widmung, Vorrede und Register versehen). Quellen: Linke, 1967, S. 325; Stuck, 1984, Nr. 765; Kainbacher, 2002, S. 229; BBKL; Bibliotheca Missionum, 1952, S.81f.

1709–1723: Vinzenz Briemle (Vincentio/Vincent) 

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1709–1723: Vinzenz Briemle (Vincentio/Vincent) 1727–29. Briemle, Vinzenz: Die Durch die drey Theile der Welt, Europa, Asia und Africa, besonders in denselben nach Loreto, Rom, Monte-Cassino, nicht minder Jerusalem, Bethlehem, Nazareth, Berg Sinai angestellte Andaechtige Pilgerfahrt Aus eigener Erfahrung aufgezeichnet von Vincentio Briemle […] Jetzo aber mit sonderbahren Anmerckungen versehen durch Johann Joseph Pock, Th. 1: Die Reise von Muenchen durch Welschland und wieder zuruck, München: Weber, 1727. [787 S.]. Th. 2: Die Reise von Muenchen durch Saltzburg, Caernten und Welschland, biß an das Adriatische Meer und desselben durch die Tuerckey in das H. Land, dann alle darinnen heilige auch andere sehenswuerdigen Ort, biß in Egypten, mit verschiedenen Kupfern ausgezieret, München: Weber, 1729. [560 S.]. Quellen: Stuck, 1984, Nr. 1923; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 297; Kainbacher, 2002, S. 58.

1726–1727: Angelicus Maria Myller (Angelus Maria Myller) 1729–32. Myller, Angelicus Maria: Peregrinus in Jerusalem: Fremdling zu Jerusalem, oder: Ausführliche Reiß-Beschreibungen in Europa, Asia und Africa, Prag: Emler, 1729–32. [Anmerkung: Erstes Buch: Peregrinus in Jerusalem, 1729 (462 S.); Andertes Buch: Anderte Reiß von Jerusalem nacher Constantinopel, 1730 (296 S.); Drittes Buch: Dritte Reiß, von Constantinopel zu Wasser in Egypten nacher Alexandria und Groß-Cairo &c., 1730 (S.297–520); Viertes Buch: Vierte Reiß, auß Egypten in Syrien, über Laodicea und Antiochia, nacher Alepo &c., 1732 (288 S.); Fünfftes Buch: Fünffte Reiß, von Alepo über Bailan, Alexandreta, Cypern, Gozo di Candia, und Malta nacher Rom, 1732, (S. 289–621)]. Weitere Editionen und Literatur: 1735. Myller, Angelicus Maria: Peregrinus in Jerusalem: Fremdling zu Jerusalem, Oder Ausführliche Reiß-Beschreibungen; Worinnen P. Angelicus Maria Myller, Seine fünff Haupt-Reisen, Die er in Europa, Asia und Africa Vor einigen Jahren gethan Und unter Gottes Schutz glücklich vollendet hat, richtig erzehlet; Nebst umständiger Beschreibung aller dabey vorgefallenen Denckwürdigkeiten, […]; Alles mit vielen und nöthigen Kupffern und etlichen LandCharten erläutert, Wien/Nürnberg: Monath, 1735. [964 S.; Standort: HAB, M: Cc 430; SB Reg: 999/4Hist.pol.97f ]. Kommentar: Reise von 20.09.1725 bis 27.09.1727; Pilger- und Morgenlandreise: Rom, Palästina, Türkei, Ägypten, Syrien, Rom. Reiseautor war Mitglied des Ser-

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

vitenordens. Aufbau der Reisebeschreibung: Erstes Buch (S. 1–281) hat 36 Kapitel + Appendix: Rom – Palästina; Anderes Buch (S. 282–451) hat 23 Kapitel: Jerusalem – Constantinopel; Drittes Buch (S. 452–591) hat 20 Kapitel: Constantinopel – Ägypten; Viertes Buch (S. 592–763) hat 14 Kapitel: Ägypten – Syrien; Fuenftes Buch (S. 764–934) hat 14 Kapitel: Syrien – Rom. Reise in Ägypten: 28.09.1726: Abreise von Constantinopel über Smyrna und Rhodus nach Alexandrien (Myller, 1735, S. 456); 05.12.1726, Ankunft in Alexandrien, und am nächsten Tag ans Land gegangen (S. 487f.); 11.12.1726, Reise nach Rosette (S. 498); 16.12.1726, Reise nach Kairo (S. 507); 25.12.1726, Ankunft in Kairo (S. 521); 26.01.1727, Reise von Kairo nach Rosette (S. 586); 18.01.1727, Ankunft in Rosette (ebd., S. 586); 19.01.1727, Reise nach Alexandrien (S. 587); 31.01.1727, Reise von Alexandrien nach Syrien (S. 634). Quellen: Linke, 1967, S. 326; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 305; Kainbacher, 2002, S. 285; Katzer, 2008, S. 135f. und 495f.; Eutin-ReiseAllgemein.fp5.

1737: Jonas Korte 1741. Korte, Jonas: Reise nach dem weiland gelobten nun aber seit siebenzehn hundert Jahren unter dem Fluche liegenden Lande, wie auch nach Egypten, dem Berg Libanon, Syrien und Mesopotamien, Altona: Selbstverl., 1741. [544 S.; HAB, M: Gv 555]. Weitere Editionen und Literatur: 1742. Suppl. 1: Halle: Grunert, [1742]. 1743. Suppl. 2: zur 1. Aufl. gehörig, Halle: Grunert, 1743. 1743. Korte, Jonas: Jonas Kortens Reise nach dem weiland Gelobten nun aber seit siebenzehn hundert Jahren unter dem Fluche liegenden Lande: wie auch nach Egypten, dem Berg Libanon, Syrien und Mesopotamien; von ihm selbst aufrichtig beschrieben, 2. Aufl. m. 2 Suppl., Halle: Grunert, 1743; [712, 32, 132 S.]; [HAB, H: T 51h.8º Helmst.]. 1751. Korte, Jonas: Jonas Kortens, ehemaligen Buchhändlers zu Altona, Reise nach dem weiland Gelobten, Nun aber seit siebenzehn hundert Jahren Unter dem Fluche liegenden Lande, Wie auch nach Egypten, dem Berg Libanon, Syrien und Mesopotamien. Von ihm selbst aufrichtig beschrieben. Und dieser dritten Auflage das dritte und vierte Supplement hinten angefüget, Halle: Grunert, 1751. [712, 286 S.]. 1792. Korte, Jonas: Reise durch Egypten über Joppe nach Palästina, Syrien und Mesopotamien: vom Jahr 1737 bis 1739. In einem fortlaufenden Auszug. In: Paulus, Heinrich Eberhard Gottlob (Hg.): Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient, 2, Jena: Cuno, 1792, S. 27–200.

1752–1756: Stephan Schultz (1713–1776) 

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Kommentar: Jonas Korte (1682–1747), Buchhändler und Verleger zu Altona, reiste 1737 durch Ägypten (Alexandrien, Kairo, Damiette) nach Palästina, Syrien und Libanon. Quellen: Ehrmann, Bd. 20, 1798, S. 9f.; Linke, 1967, S. 326; Wolf-Crome, 1977, S. 530; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 32; Stuck, 1984, Nr. 761; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 309; Katzer, 2008, S. 135f. und 494; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1752–1756: Stephan Schultz (1713–1776); Judenmission. 1771–75. Schultz, Stephan: Die Leitungen des Höchsten nach seinem Rath auf den Reisen durch Europa, Asia und Africa, 5 Bde., Halle in Magdeburg: Hemmerde, 1771–1775; [Bd. 1: 1771, 372 S.; Bd. 2: 1772, 326 S.; Bd. 3: 1773, 408 S.; Bd. 4: 1774 390 S.; Bd. 5: 1775, 501 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1756. Schultz, Stephan: Kurtze Nachricht betreffend eine Reise in die Türkey von 1752–1756, [Halle?], [1756]. [4 Bl.]. 1801. Schultz, Stephan: Reise durch einen Theil von Vorderasien, Aegypten und besonders durch Syrien [usw.] vom Jahre 1752 bis 1756, in einem fortlaufenden Auszug nach der Hall. Ausg. von 1774, Bd. 1, Jena: Stahl, 1801. [Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient; 6]; [Auszug]. 1803. Schultz, Stephan: Reise durch einen Theil von Vorderasien, Aegypten u. Syrien, Bd. 2, Jena: Stahl, 1803. [Sammlung der merkwürdigsten Reisen in den Orient; 7]; [Auszug]. 1831. Schultz, Stephan: M. Stephan Schultze’s Jugendgeschichte von ihm selbst erzählt, Barmen, 1831. [Schriften der Wupperthaler Tractatgesellschaft; 160]. 1848. Schultz, Stephan: Stephan Schultze’s Jugendgeschichte von ihm selbst erzählt, 5. Aufl., Nürnberg: Raw, 1848. [40 S.]; [Kleinere Schriften zur Beförderung des christlichen Glaubens und Lebens; 8]; [Auszug]. 1977. Schultz, Stephan: Aus den Lebenserinnerungen, Leitungen des Höchsten nach seinem Rath auf den Reisen durch Europa, Asia und Africa, hg. von Editha Wolf-Crome, Hamburg-Bergstedt: Reich, 1977. [117 S.]; [Schwarz-weissReihe; Bd. 8]; [Auszug]. 1904. Bohn, Ernst: Stephan Schultz, ein Judenmissionar aus Westpreußen. Eine Lebensbeschreibung f. d. Gemeinden von Ernst Bohn, Pfarrer in Krojanke, [Danzig: Ev. Vereinsbuchh.], [1904]. [Hefte z. westpreußischen Kirchengeschichte; 4].

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

1905. Bieling, P. R.: Magister Stephan Schultz. Wie er den Juden weit und breit das Evangelium verkündet hat, Berlin: Gesellschaft zur Beförd. des Christentums unter den Juden, 1905. [1 Bl., 18 S.]; [3. Aufl., 1916; 20 S.]. 1994. Peltz, Walter: „Stephan Schultz, der 2. Direktor des Institutum Judaicum und sein Reisebericht“. In: Von Halle nach Jerusalem, (1994), S. 78–92. Kommentar: Autor Schultz (1714–1776), Judenmissionar, Mitglied im Institutum Judaicum in Halle. Sein Werk beschreibt seine Bemühungen um die Judenmission auf Reisen in Europa, Türkei, Ägypten und Palästina von 1736 bis 1756. Im ersten Band Beschreibung seiner Jugend, Ausbildung und Tätigkeit in der Judenmission bis 1745, im polnischen Flatow geboren, Jugend in Westpreußen, Studium der Theologie in Königsberg und Halle, Missionsreisen in Europa und Russland; im zweiten Band Beschreibung weiterer Reisen in Europa und im dritten Band weiterer Reisen in Asien und Afrika. Beschreibung mehr Authobiographie als Reisebeschreibung und durch den fanatischen Missionseifer geprägt. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 555f.; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 55; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 318f.; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1756: Anton Krenn 2005. Reisner, Georg (Hg.): Die Jerusalemreise des Einsiedlers Anton Krenn Anno 1756, Grünbach, 2005. Kommentar: Pilgerreise nach Palästina mit Alexandrien.

1761–1767: Carsten Niebuhr (Karsten Niebuhr) 1772. Niebuhr, Carsten: Beschreibung von Arabien, aus eigenen Beobachtungen und im Lande selbst gesammelten Nachrichten abgefasset, Kopenhagen: Möller, 1772. [431 S.]. [ND: 1969]. 1774. Niebuhr, Carsten: [Carsten Niebuhrs] Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern, Bd. 1, Kopenhagen, 1774. [504 S.]; [ND: 1968, 1992, 1993]. 1778. Niebuhr, Carsten: [Carsten Niebuhrs] Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern, Bd. 2, Kopenhagen, 1778. [479 S.]; [ND: 1968, 1992, 1993]. 1837. Niebuhr, Carsten: [Carsten Niebuhrs] Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern, Bd. 3, Hamburg, 1837. [238, 168 S.]; [postum erschienen]; [ND: 1968, 1992, 1993].

1761–1767: Carsten Niebuhr (Karsten Niebuhr) 

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Weitere Editionen und Literatur 1775. Niebuhr, Carsten (Hg.): Petri Forskål Flora Aegyptiaco-Arabica sive descriptiones plantarum, quas per Aegyptum inferiorem et Arabiam felicem detexit, Havnia, 1775. 1775. Niebuhr, Carsten (Hg.): Descriptiones animalium, avium, amphibiorum, piscium, insectorum, vermium, quae in itinere orientali observavit, [Verfasser: Forsskål, Peter], Havnia, 1775. 1776. Niebuhr, Carsten (Hg.): Icones rerum naturalium, quas in itinere orientali depingi curavit P. Forskel, Havnia, 1776. 1773. Niebuhr, Carsten: Description de l’Arabie d’après les observations et recherches faites dans le pays même, Copenhague: Möller, 1773. 1774. Niebuhr, Carsten: Description de l’Arabie, faite sur les observations propres et des avis recueillis dans les lieux mêmes par Carsten Niebuhr, Amsterdam [u.a.], 1774. 1776–1780. Niebuhr, Carsten: Reize naar Arabië en andere omliggende landen. Uit het Hoogduitsch vertaald, Amsterdam: Baalde, 1776–1780. 1779–1781. Wyttenbach, Jacob Samuel (Hg.): Reise und Beobachtungen durch Egypten und Arabien aus den grossen Werken verschiedener gelehrter Reisenden, 2 Bde., Bern/Winterthur: Steiner, 1779–1781. [Bd.1, 1779; Bd. 2, 1781]; [HAB: M: Gv 469]; [Es handelt sich hier um einen Auszug, eine populäre Ausgabe von Niebuhrs Reiseschriften]. 1799. Niebuhr, Carsten: Travels through Arabia and other Countries in the East, translated by Robert Heron. With notes by the translator and illustrated with engravings, 2. ed., 2 Vol., Perth: Morison, 1799. 1847. Körber, Philipp von (Hg.): Karsten Niebuhr’s Reise nach Arabien und den umliegenden Ländern. Erzählung nach dem Originalwerk, für die Jugend bearbeitet, Nürnberg, 1847. [212 S.]; [Jugend-Bibliothek zur Bildung und Unterhaltung; 1847, 1/2]. 1961. Scurla, Herbert (Hg.): Reisen im Orient. Carsten Niebuhr, Ulrich Jasper Seetzen, Richard Lepsius, Heinrich Brugsch. Berichte deutscher Forscher aus dem 18. und 19. Jahrhundert, ausgewählt u. eingel. von Herbert Scurla, Berlin, 1961. [2. Aufl., 1962]. 1968. Niebuhr, Carsten: Reisebeschreibung nach Arabien und den umliegenden Ländern, um ein Vorw. [von Dietmar Henze] verm. Nachdr. der bei Nicolaus Möller, Kopenhagen 1774–78 und bei Friedrich Perthes, Hamburg 1837 ersch. Ausg., 3 Bde., Graz, 1968. 1969. Niebuhr, Carsten: Beschreibung von Arabien. Um ein Vorw. verm. Nachdr. der Ausg. Kopenhagen 1772, Graz, 1969. 1973. Niebuhr, Carsten: Entdeckungen im Orient. Reise nach Arabien und anderen Ländern 1761–1767, Nachdr. d. Ausg. Kopenhagen 1774–1837, hg. u. bearb. von Robert Grün, Tübingen, 1973. [Weitere Aufl.: 1975, 1983].

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

1986. Rasmussen, Stig (Hg.): Carsten Niebuhr und die Arabische Reise 1761–1767. Konzeption und Katalog: Stig Rasmussen. Übersetzung und Redaktion: Dieter Lohmeier, Heide in Holstein, 1986. [Ausstellung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen in Zusammenarbeit mit dem Kultusminister des Landes Schleswig-Holstein. Landesbibliothek Kiel, Novemeber 1986–Februar 1987]. 1992. Niebuhr, Carsten: Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern, m. einem Vorw. von Stig Rasmussen u. einem biogr. Portr. von Barthold Georg Niebuhr, Zürich, 1992. [2. Aufl., 1993]. 1999. Vermeulen, Han F.: „Anthropology in colonial contexts. The second Kamchatka expedition (1733–1743) and the Danish-German Arabia expedition (1761–1767)“. In: Jan van Bremen und Akitoshi Shimizu (Hg.): Anthropology and Colonialism in Asia and Oceania. Surrey, 1999, S. 13–39. 2000. Bohnen, Klaus: „Die interkulturelle Reise ins ‚Niemandsland‘. Carsten Niebuhr und die ‚Entdeckung‘ der arabischen Welt“. In: Ernst-Ullrich Pinkert (Hg.): Die Globalisierung im Spiegel der Reiseliteratur, Kopenhagen und München, 2000, S. 27–36. 2002. Wiesehöfer, Josef/Conermann, Stephan (Hg.): Carsten Niebuhr (1733–1815) und seine Zeit. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 7.–10. Oktober 1999 in Eutin. Stuttgart, 2002. Kommentar: Der Bauernsohn Carsten Niebuhr gilt als der erste Arabienreisende der neueren Zeit. Sein Name wird in den Nachschlagewerken und den Geschichten der bedeutenden Entdecker und Reisenden mit großer Hochschätzung immer erwähnt. Und mit ihm lassen sie die wissenschaftliche Orient-, Arabien- und Ägyptenreise schlechthin beginnen. Seine Reisewerke gelten für den Herausgeber eines Werks zur Entdeckungsgeschichte im Jahre 1965 noch als die große Beschreibung Arabiens. Im Januar 1761 verließ eine Gruppe von fünf Männern Kopenhagen, um im Auftrag des dänischen Königs Arabien, besonders den Yemen, zu erforschen … Nach Aufenthalten in Konstantinopel und Ägypten erreicht die Expedition auf dem Landweg längs der Küste des Roten Meeres im Dezember 1762 den Yemen … auf dem Rückweg durchzog Niebuhr von Basra aus Persien, Palästina und Syrien. Seinen eigentlichen Reisebericht, „Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern”, legte Niebuhr in den Jahren 1774 und 1778 in zwei Bänden vor; in einem dritten Band, erschienen 1837, beschrieb er die letzte Etappe seiner Reise, von der er erst 1767 nach Kopenhagen zurückgekehrt war: „Reisen durch Syrien und Palästina”. Außerdem veröffentlichte er den Nachlaß seines Mitreisenden Forskal. Die Ergebnisse von Niebuhrs Expedition sind in den letzten zweihundert Jahren zwar vielfach korrigiert, unser Wissen über Arabien ist erheblich vermehrt worden. Trotzdem gelten seine Werke auch heute noch als die große Beschreibung Arabiens. Nicht geringer ist Niebuhrs Bedeutung als Anreger und als Mentor einer ganzen Reihe von Orient- und Arabienreisenden, zum Beispiel Seetzens… So ist die moderne Entdeckungsgeschichte Ara-

1761–1767: Carsten Niebuhr (Karsten Niebuhr) 

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biens untrennbar verbunden mit dem Namen Carsten Niebuhr: der „erste” Arabienreisende der neueren Zeit.¹

An diesem Urteil hat sich bis heute nichts geändert. Trotz dieser großen Hochschätzung Niebuhrs fand sein Werk in der Forschung bis erst vor einigen Jahren nicht die gebührende Beachtung.² Werk: Mit einer Widmung an dem Erbprinzen Friedrich von Dänemark beginnt Niebuhr seine Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern: Durchlauchtigster Erbprinz Gnädigster Herr! Eurer Königlichen Hoheit überreiche ich hiemit unterthänigst die Beschreibung der Reise nach dem glücklichen Arabien, die auf Befehl Dero Herrn Vaters glorreichen Andenkens unternommen ist. Einem Reisenden ist es nicht immer möglich alle die Beobachtungen zu machen, und alle die Nachrichten zusammen zu bringen, welche man durch ihn zu erhalten wünscht: ich darf daher ehrerbietigst hoffen, daß Eure Köngliche Hoheit es mir nicht zur Nachlässigkeit anrechnen, wenn Höchstdieselben in diesem Werke nicht so viel neues und merkwürdiges antreffen, als die von den preiswürdigsten Königen Friedrich V. und Christian VII. auf diese Reise verwandte Kosten zu versprechen schienen. Da mir hauptsächlich die Erdbeschreibung aufgetragen war, so habe ich mein Augenmerk vornemlich auf diesen Gegenstand gerichtet. Ich würde mich sehr glücklich schätzen wenn meine geringe Arbeit von dieser Seite erhabenen Beyfall Eurer Könglichen Hoheit erhalten sollte. Dieser Band enthält mein Tagebuch von Kopenhagen bis Bombay. Die Reisebeschreibung von Indien nach Maskát, Persepolis, Básra und durch die ganze Türkey bis Polen, werde ich Eurer Könglichen Hoheit so bald möglich in einem zweyten Bande unterthänigst überreichen. Ich bin, so ich lebe, in tiefester Ehrfurcht Eurer Könglichen Hoheit unterthänigster und treugehorsamster C. Niebuhr. Kopenhagen, den 4 März 1774. (Niebuhr, 1774/1968, Bd. 1, Widmung).

Nach der Widmung folgt der Inhalt des ersten Bandes, gefolgt vom Index der Kupfertafeln, die im Buch erschienen sind und von einem Vorbericht (IX-XVI). Der Reisebericht weist anhand seiner Stuktur ein tagebuchartiges, chronologisches, dem Reiseverlauf folgendes Kompositions- und Ordnungsprinzip auf, vermischt

1 Otto Baumhauer (Hg.), Dokumente zur Entdeckungsgeschichte, Bd. 1: Arabien. Mit einer Einleitung von Professor Dr. Hermann von Wissmann. Stuttgart 1965, S. 72f. 2 Vgl. hierzu Rasmussen-Ausstellung, 1986; Han F. Vermeulen, Anthropology in colonial contexts. In: Jan van Bremen und Akitoshi Shimizu (Hg.), Anthropology and Colonialism in Asia and Oceania. Surrey 1999, S. 13–39; Klaus Bohnen, Die interkulturelle Reise ins ‚Niemandsland‘. Carsten Niebuhr und die ‚Entdeckung‘ der arabischen Welt. In: Ernst-Ullrich Pinkert (Hg.), Die Globalisierung im Spiegel der Reiseliteratur, Kopenhagen und München 2000, S. 27–36; Josef Wiesehöfer und Stephan Conermann (Hg.), Carsten Niebuhr (1733 – 1815) und seine Zeit. Beiträge eines interdisziplinären Symposiums vom 7. – 10. Oktober 1999 in Eutin. Stuttgart 2002.

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

mit deskriptiven thematischen Einschüben: Reise von Kopenhagen bis Constantinopel (1–22); Anmerkungen zu Constantinopel (22–34); Reise von Constantinopel bis Alexandrien (34–42); Anmerkungen zu Alexandrien (43–54); Reise von Alexandrien bis Káhira (54–60); Reise nach Damiát und wieder zurück nach Káhira (60–70); Anmerkungen wegen der Reisecharte zwischen Raschíd, Káhira und Damiât (70–94); Bestimmung der Lage einiger alten Gräber in Egypten (94–105); Beschreibung der Städte Káhira, Bulák, Alt-Masr und Dsjîse (105–131); Einwohner, Regierungsform und Handlung der Stadt Káhira (131–148); Wassermaschinen, Mühlen, Oelpressen, Ackergeräth, Salmiak- und Häneröfen in Egypten (148–156); Kleidertracht der Morgenländer (156–168); Leibesübungen und Zeitvertreib der Morgenländer bey müssigen Stunden (168–190); Alterthümer in Egypten (190– 209); Reise von Káhira nach Sués und dem Berge Sinai (209–255); Reise von Sués bis Dsjidda (255–271); dann weitere Beschreibungen von Jemen und den umliegenden Gegenden bis nach Bombay und schließlich Wetterbeobachtungen zu Constantinopel, Káhira, in Arabien und zu Bombay (470ff.). (Niebuhr, 1774/1968, Bd. 1, Inhalt). Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 537f.; Röhricht, 1989, Bibliotheca, S. 322f.; Kalfatovic, 1992, S. 58f.; Kainbacher, 2002, S. 462; Katzer, 2008, S. 136ff. und 496; Eutin-ReiseAllgemein.fp5; ADB, Bd. 23, S. 661–662 (Carstens, Carsten Erich); NDB, Bd. 19, S. 217–219 (Hansen, Reimer).

1797–1798: Friedrich Konrad Hornemann 1802. Hornemann, Friedrich Konrad: Tagebuch seiner Reise von Cairo nach Murzuck der Hauptstadt des Königreichs Fessan in Afrika: In den Jahren 1797 und 1798. Aus der Teutschen Handschrift desselben hg. von Carl König, Weimar: Industre Comptoirs, 1802. [240 S.]; [Bibliothek der neuesten und wichtigsten Reisebeschreibungen zur Erweiterung der Erdkunde; 7]; [HAB, M: Gw 61.1; H: T 28w.8º Helmst. (1–3); M: Gw 61 (2)]. Weitere Editionen und Literatur: 1802. Renell, J.: Geographische Erläuterungen des Hornemannischen Reiselaufs nebst Beyträgen zur allgemeinen Geographie von Africa, Weimar: Ind.– Compt., 1802. [Bibl. d. neuest. u. wicht. Reisebeschr.; 7]. 1895. Pahde, Adolf: Der erste deutsche Afrikaforscher (Fr. K. Hornemann, geb. 1772, gest. 1801). Vortrag, gehalten in den Naturwissenschaftlichen Vereinen zu Crefeld und Köln, Hamburg, 1895. [42 S.]. 1940. Kese, H.: Als der dunkle Erdteil rief. Bilder und Berichte aus dem Leben und Streben des ersten deutschen Afrikaforschers Fr. K. Hornemann aus Hildesheim, Hildesheim: Borgmeyer, 1940.

1798–1801: Regula Engel (Regula Engel-Egli; Regula Engel von Langwies)  

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1966. Scurla, Herbert: Zwischen Mittelmeer und Tschadsee, Reisen deutscher Forscher des 19. Jahrhunderts durch Nord- und Zentralafrika, Berlin: Verl. d. Nation, 1966. [DarIn: Bertram, Axel; Hornemann, Friedrich Konrad; Ehrenberg, Christian Gottfried; Brehm, Alfred Edmund; Barth, Heinrich; Beurmann, Moritz von; Rohlfs, Gerhard]. 1987. Hornemann, Friedrich Konrad: Tagebuch seiner Reise von Cairo nach Murzuck, m. Einf. u. zeitgenössischen Kommentaren, Bonn, 1987. [Nachdr. d. Ausg. Berlin, 1803] 1997. Hornemann, Friedrich Konrad: Tagebuch seiner Reise von Cairo nach Murzuck, m. Einl. von Erich Heinemann, Hildesheim: Olms, 1997. [Nachdr. der Ausg. Weimar 1802]; [Standort: HAB, 47.1518]. 1999. Sieberg, Herward (Hg.): „Ich bin völlig Africaner und hier wie zu Hause […]“, F. K. Hornemann (1772–1801). Begegnungen mit West- und Zentralafrika im Wandel der Zeit. Hildesheimer Symposium 25.–26.9.1998, Hildesheim, 1999; [204 S.]; [Hildesheimer Universitätsschriften; 7]; [Standort: HAB, 51.2524]. 2002. Meier-Hilbert, Gerhard (Hg.): Friedrich Konrad Hornemann in Siwa. 200 Jahre Afrikaforschung, Zweites Hornemann-Symposium 1.–3.11.2001, Hildesheim, 2002. [212 S., Ill., Kt.]; [Hildesheimer Universitätsschriften; 11]. Kommentar: Friedrich Konrad Hornemann (1772–1801), Afrikaforscher. Ende 1797 reist er im Auftrag der Africa Society nach Ägypten, um von dort aus dan Innere von Afrika zu erforschen. 1798 erlebt er Napoleons Feldzug in Ägypten, was zur Verzögerung seiner Reise nach Mursuk bis September 1798 auch führt: Getarnt als muslimischer Händler reist er mit der Mekka-Karawane von Kairo über Siwa und Aujila nach Mursuk. 1799 ist er in Tripoli. 1800 über Mursuk zum Tschadsee, wo er vermutlich unterwegs stirbt. Werk erscheint 1802 auf Englisch, 1802/1803 auf Französisch und 1803 erneut auf Deutsch; 1973 auch Arabisch erschienen. Quellen: Linke, 1967, S. 325; Kalfatovic, 1992, S. 68f.; Kainbacher 2002, S. 185; Eutin-ReiseBestand.fp5; ADB, Bd. 13, S. 149–150 (Ratzel, Friedrich); NDB, Bd. 9, S. 638 (Engelmann, Gerhard).

1798–1801: Regula Engel (Regula Engel-Egli; Regula Engel von Langwies) 1821. Engel, Regula: Lebensbeschreibung der Wittwe des Obrist Florian Engel von Langwies, in Bündten, geborner Egli von Fluntern, bey Zürich: enthaltend: die Geschichte ihres Herkommens, Jugendschicksale, Verheurathung, und weitläufigen Reisen im Gefolge der französischen Armeen durch ganz Frankreich, die Niederlande, Italien, Spanien, Portugall, die Oesterreichischen und Preussischen Staaten, Deutschland, und besonders auch der Expedition in Egypten, und einer spätern Reise nach Amerika, von ihr selbst beschrieben

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

und von einem älteren Verwandten revidiert und mit Anmerkungen begleitet, Zürich, 1821. [174 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1821. Engel, Regula: Die schweizerische Amazone. Abentheuer, Reisen und Kriegszüge einer Schweizerin durch Frankreich, die Niederlande, Egypten, Spanien, Portugall und Deutschland, mit der franz. Armee, unter Napoleon, von ihr selbst geschrieben, St. Gallen, [ca. 1821]. [IV, 322 S.]. 1825. Engel, Regula: Die schweizerische Amazone. Abentheuer, Reisen und Kriegszüge einer Schweizerin durch Frankreich, die Niederlande, Egypten, Spanien, Portugall und Deutschland, mit der franz. Armee, unter Napoleon, von ihr selbst beschrieben und hg. von einem ihrer Anverwandten, 2., verb. Aufl., St. Gallen: Huber, 1825. [[2] Bl., IV, 322 S, [1] gef. Bl.: Ill., graph. Darst.]; [HAB, M: Db 1229]. 1828. Engel, Regula: Die schweizerische Amazone […] Theil 2: Abentheuer Reisen durch die Schweiz, mit merkwürdigen Schicksalen und Anmerkungen begleitet, Zug: Gedruckt bey Johann Michael Aloys Blunschi, 1828. [VI, IV, 316 S.]. 1903. Engel, Regula: Die Schweizerische Amazone, hg. von Fritz Bär; Chur: Sprecher & Valer, 1903. [179 S.]. 1904. Engel, Regula: Die Schweizerische Amazone, hg. von Fritz Bär, 2. Aufl., Schiers: Walt, 1904. [164 S.]; [3. Aufl. auch 1904; Die Schweizerische Landesbibliothek Helveticat erwähnt das Jahr 1907 für die 3. unveränderte Ausgabe]. 1914. Engel, Regula: Lebensbeschreibung der Wittwe des Obrist Florian Engel von Langwies, in Bündten, geborner Egli von Fluntern, bey Zürich. Enthaltend: die Geschichte ihres Herkommens, Jugendschicksale, Verheurathung, und weitläufigen Reisen im Gefolge der französischen Armeen durch ganz Frankreich, die Niederlande, Italien, Spanien, Portugall, die Oesterreichischen und Preussischen Staaten, Deutschland, und besonders auch der Expedition in Egypten, und einer spätern Reise nach Amerika, neu hg. von S[alomon] D[avid] Steinberg, Zürich: Rascher, 1914. 1977. Engel, Regula: Frau Oberst Engel. Von Cairo bis Neyyork, von Elba bis Waterloo. Memoiren einer Amazone aus Napoleonischer Zeit, Zürich: Artemis, 1977. 1992. Engel, Regula: Frau Oberst Engel. Memoiren einer Amazone aus napoleonischer Zeit, Zürich, 1992. [Nachdruck d. Ausg. Zürich 1977, unveränd. Nachdr. d. Ausg. St. Gallen 1825 und Zug 1828]. 1989. Stump, Doris: „‚So gewiß ist es, daß wo wir Brod finden, unser Vaterland ist‘. Die Lebensbeschreibung der Schweizer Offiziersgattin Regula Engel-Egli (1761–1858)“. In: Out of Line. The Paradox of Marginality in the Writtings of Nineteenth-Century German Woman, hg. von Ruth-Ellen Boetcher Joeres; Marianne Burkhard, Amsterdam, 1989, S. 77–92.

1798–1801: Johann Friedrich Voigt 

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1991. Isler, Ursula: Frauen aus Zürich. Elsbet Stagel, Judith Gessner-Heidegger, Barbara Schulthess-Wolf, Regula Engel-Egli, Nanny von Escher, Lydia WeltiEscher, Zürich, 1991. 2002. Wottreng, Willi: Zürcher Revolutionäre [Max Bircher-Benner, Regula EngelEgli, Johann Peter Jelmoli, Emmy Hennings, Karl Bürkli, Christoph Froschauer, Jakob Ochsner, Else Züblin-Spiller, Johann Heinrich Waser, Marga Bührig, Otto Brunner, Jakob Guyer], m. Ill. von Sandra Niemann, Zürich, [2002]. Quellen: Griep/Pelz, 1995, S. 92ff.; Kainbacher, 2002, S. 104.

1798–1801: Johann Friedrich Voigt 1831. [Voigt, Johann Friedrich]: Johann Friedrich Voigts, Bürgers, Lohgebers und Stadtwachtmeisters zu Eisenberg, Leben und Reisen, auch seltsame Abentheuer im Türkenkriege, während und nach der Revolution in Frankreich unter dem franz. Heere, als Kavallerie-Officier, in der Vendée, Spanien, Italien und Egypten usw., in den Jahren 1793 bis 1801, von ihm selbst beschrieben, hg. von F. A. K[arl] Thusius, 2 Bde., o.O., 1831. [Bd. 1, IV, 314 S.]; [Bd. 2, 354 S.]; [BVB, 19: Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München]; [abgesehen von diesem Exemplar gibt es noch eine Kopie an der Eutiner Bibliothek]. Weitere Editionen und Literatur: 1897. Voigt, Johann Friedrich: Leben, Abenteuer und Reisen Johann Friedrich Voigts, weil. Bürgers, Lohgerbers u. Stadtwachtmeisters zu Eisenberg, von ihm selbst beschrieben, bearb. u. neu hg. von Martin Pfeifer, Altenburg: St. Geibel, 1897. [VIII, 255 S.]. 1996. Warsitzka, Wilfried: „Ein Eisenberger Simplicissimus. Das abenteuerliche Leben des Gerbergesellen und Stadtwachtmeisters Johann Friedrich Voigt“. In: Jahrbuch für den Saale-Holzland-Kreis, 1996, S. 66–75. Kommentar: Johann Friedrich Voigt, 1764 in Thüringen geboren, Lohgerber, 1780 als Geselle auf die Walz durch Süddeutschland, wird kurpfälzischer Soldat, zwanzig Jahre dient er in verschiedenen Heeren (Dänemark, Polen, Russland), fällt während den Türckenkriegen auf dem Balkan in türkische Gefangenschaft. Er erlebt danach weitere Kriegsabenteuer und nimmt am Ägyptenfeldzug Napoleons von 1798 bis 1801 auch teil. Quellen: Eutin-ReiseBestand.fp5.

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 5 Reiseberichte von 1700 bis 1799

1799–1804: Christian Friedrich Damberger [Fiktive Reisen!]; Pseud.: Zacharias Taurinius (Taurinus); Joseph Schrödter 1799–1801. Damberger, Christian Friedrich [Taurinius, Zacharias]: Beschreibung einiger See- und Landreisen nach Asien, Afrika und Amerika: vorzüglich von Holland und England nach Batavia, Madras, Bengalen, Japan und China, ingleichen vom Vorgebirge der guten Hoffnung durch die Kafferey und die Wüste Sahara nach Aegypten, von einem gebohrnen Aegyptier Zacharias Taurinius, m. einer Vorrede von Johann Jacob Ebert, 3 Theile, Leipzig: Jacobäer, 1799–1801. [Bd. 1, 1799; Bd. 2, 1800; Bd. 3, 1801]. 1800. Damberger, Christian Friedrich [Schrödter, Joseph]: See- und Landreise nach Ostindien und Aegypten, auf die Berge Sinai und Horeb, nach Gaza, Rama, Damascus, Sydon, Tyrus, Jerusalem, Bethlehem, nach dem todten Meere […] in den Jahren 1795–1799, Leipzig: Wolf, 1800. [358 S.]. 1801. Damberger, Christian Friedrich: [Christian Friedrich Damberger’s] Landreise in das Innere von Afrika. Vom Vorgebrige der guten Hoffnung durch die Kafferey […] bis nach Marocco, in den Jahren 1781 bis 1797, 2 Bde., Wien: Pichler, 1801. [Bd. 1, 204 S.; Bd. 2, 256 S.]. [wieder erschienen: Leipzig: Martini, 1801]. 1803. Damberger, Christian Friedrich [Taurinius, Zacharias]: Lebensgeschichte und Beschreibung der Reisen durch Asien, Afrika und Amerika des Zacharias Taurinius, eines gebornen Aegyptiers. Nebst einer Vertheidigung gegen die wider ihn in verschiedenen gelehrten Zeitungen gemachten Ausfälle, vorzüglich in Rücksicht der unter dem Nahmen Damberger von ihm herausgegebenen Landreise durch Afrika, m. Kupfern, Leipzig: in Joachims literarischen Magazin, [ca. 1803]. [Druckjahr nach dem datierten Vorwort]; [427 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1800 Damberger, Christian Friedrich: Voyage dans l’intérieur de l’Afrique […]: Commencé en 1781 et achevé en 1797, trad. de l’allemand par L. H. Delamarre, Paris [u.a.]: König, 1800. 1801. Damberger, Christian Friedrich: Of the shoe-maker Schroedter, the printer Taurinius, and the cabinet-maker Damberger, three travellers who never travelled at all, London, 1801. 1804. Damberger, Christian Friedrich [Taurinius, Zacharias]: Lebensgeschichte und Beschreibung der Reisen durch Asien, Afrika und Amerika des Zacharias Taurinius, eines gebornen Aegyptiers, nebst einer Vertheidigung gegen die wider ihn in verschiedenen gelehrten Zeitungen gemachten Ausfälle, vorzüglich in Rücksicht der unter dem Nahmen Damberger von ihm herausgegebenen Landreise durch Afrika, 2 Theile, Wien: Doll, 1804. [427 S.].

1799–1804: Christian Friedrich Damberger 

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1900. Damberger, Christian Friedrich: Landreise in das Innere von Afrika in d. Jahren 1781 bis 1797, m. zahlr. Abb., Hamburg: Uhlenhorst-V, 1900. [315 S.]; [wieder erschienen: 1930]. Kommentar: Es handelt sich hier um Plagiat-Reiseberichte; Autor war nicht in Ägypten (vgl. Pleticha, 2003, S. 275f.). Quellen: Kalfatovic, 1992, S. 68 und 70; Kainbacher, 2002, S. 379 und 416.  

6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845 6.1 Reiseberichte von 1800 bis 1824  1800–1801: Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall 1940. Hammer-Purgstall, Joseph von: Erinnerungen aus meinem Leben 1774– 1852, bearb. von Reinhart Bachofen von Echt, Wien [u.a.], 1940. [592 S.]; [Fontes rerum Austriacarum: Abteilung 2, Diplomataria et acta; 70]; [HAB, F8º 184:2,70]. Kommentar: Inhalt: 1. Der Vater. Jugend bis zum Eintritt in die orientalische Akademie; 2. In der orientalischen Akademie (1789–1799); 3. Als Sprachknabe nach Konstantinopel (1799); 4. Reise an Bord des ‚Tiger‘ und Aufenthalt in Rhodos (1800); 5. Winterkreuzfahrten vor Alexandrien; 6. Landung und Feldzug in Ägypten (1801); 7. Winter in Rosette. Kapitulation Kairos (1801); 8. Aufenthalt in Kairo und Reise nach England (1801). Quellen: Kainbacher, 2002, S. 157.

1806: Kamjaschott 1806. Kamjaschott, J. B.: Kamjaschott’s Wanderungen durch Syrien, Egypten und einen Theil Arabiens, nach seinem Tagebuche und den Bemerkungen anderer klassischer Reisebeschreibungen bearbeitet, Bd. 1 und 2, Erfurt: Henninger, 1806. Weitere Editionen und Literatur: 1810. [Kamjaschott, J. B.]: Meine Schicksale in Syrien, Aegypten und Arabien, Erfurt: Henning, 1810. [Bd. 1, 406 S.; Bd. 2, 266 S.]; [Kalfatovic führt den Bericht unter Anonymus an]. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 32, Nr. 349; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 342; Kalfatovic, 1992, S. 85; Kainbacher, 2002, S. 206.

1807–1809: Ulrich Jasper Seetzen 1854–1859. Seetzen, Ulrich Jasper: [Ulrich Jasper Seetzen’s] Reisen durch Syrien, Palästina, Phönicien, die Transjordan-Länder, Arabia Petrarca und UnterAegypten, hg. u. komm. von Friedrich Kruse, Berlin: Reimer, 1854. [Bd. 1, 1854, 432 S.; Bd. 2, 1854, 400 S.; Bd. 3, 1855, 502 S.; Bd. 4, 1859, 524 S.]; [Nachdruck: Hildesheim: Olms, 2004].

1807–1809: Ulrich Jasper Seetzen 

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Weitere Editionen und Literatur: 1789. Seetzen, Ulrich Jasper: Systematum generaliorum de morbis plantarum brevis diiudicatio, Gottingae typis Jo. Christ. Dieterich, 1789. [62 S., [1] Bl.]. 1803. Seetzen, Ulrich Jasper: Reise-Nachrichten des Russisch-Kaiserlichen Kammer-Assessors U. J. Seetzen, hg. von Franz Xaver von Zach, o.O., 1803. [40 S.]; [Zach: Monatl. Corresp. zur Beförderung der Erd- u. Himmels-Kunde, Nov. 1803]. 1806. Seetzen, Ulrich Jasper: Einige Nachrichten und Bemerkungen über Papenburg, D. U. Heinemeyer, Hannover, 1806. [Aus den A. G. Ephemeriden von 1799]. 1810. Seetzen, Ulrich Jasper: Verzeichnis der für die orientalische Sammlung in Gotha zu Damask, Jerusalem u.s.w. angekauften orientalischen Manuscripte und gedruckten Werke, Kunst- und Naturprodukte u.s.w., Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1810. 1816. Vater, Johann Severin (Hg.): Proben deutscher Volks-Mundarten, Dr. Seetzen’s linguistischer Nachlaß, und andere Sprach-Forschungen und Sammlungen besonders über Ostindien, Leipzig: Fleischer, 1816. 1961. Scurla, Herbert (Hg.): Reisen im Orient. Carsten Niebuhr, Ulrich Jasper Seetzen, Richard Lepsius, Heinrich Brugsch. Berichte deutscher Forscher aus dem 18. und 19. Jahrhundert, ausgewählt und eingeleitet von Herbert Scurla, Berlin: Verl. der Nation, 1961. [624 S.]; [2. Aufl., 1962]. 1971. Dieken, Jan van: „Ostfriesische Pflanzenforscher. 3. Ulrich Jasper Seetzen“. In: Ostfriesland. Zeitschrift für Kultur, Wirtschaft und Verkehr, 1 (1971), S. 19–22. 1981. Schönbohm, Bernhard: „Ulrich Jasper Seetzen. Naturforscher und berühmter Orientreisender 1767–1811“. In: Schönbohm, Bernhard: Bekannte und berühmte Jeverländer, Jever, 1981, S. 35–43. 1991. Weippert, Helga: Zwischen Okzident und Orient. Ulrich Jasper Seetzen (1767–1811), Heidelberg, 1991. 1995. Ulrich Jasper Seetzen (1767–1811), Leben und Werk, die arabischen Länder und die Nahostforschung im napoleonischen Zeitalter. Vorträge des Kolloquiums vom 23. und 24. September 1994 in der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, Schloß Friedenstein, Gotha, 1995. [189 S.]; [Veröffentlichungen der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha; 33]. 1997. Wolf-Crome, Editha: „Ulrich Jasper Seetzen – ein vergessener, ein wiederentdeckter Forschungsreisender?“. In: Mitteilungen der Humboldt-Gesellschaft für Wissenschaft, Kunst und Bildung e.V., 33 (1997), S. 18–41. 1998. Wallenstein, Uta: „Im Auftrage des Gothaer Herzoghauses. Ulrich Jasper Seetzen und die Gothaer Ägyptensammlung“. In: Erkenbrecher, Hans; Roob, Helmut (Hg.): Die Residenzstadt Gotha in der Goethe-Zeit, Bucha b. Jena, 1998, S. 203–221.

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

2000. Schienerl, Jutta: Der Weg in den Orient. Der Forscher Ulrich Jasper Seetzen. Von Jever in den Jemen (1802–1811). Begleitschrift zur Sonderausstellung. Der Weg in den Orient, der Forscher Ulrich Jasper Seetzen – Von Jever in den Jemen (1802 – 1811) im Staatlichen Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg vom 19.03.- 14.05. 2000, Oldenburg, 2000. [Staatliches Museum für Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg; 16]. 2002. Seetzen, Ulrich Jasper: Unter Mönchen und Beduinen. Reisen in Palästina und angrenzenden Ländern 1805–1807, hg. von Achim Lichtenberger, Stuttgart: Erdmann, 2002. [318 S.]; [Alte abenteuerliche Reiseberichte]; [auch Darmstadt: Wiss. Buchges., 2002; Lizenzausg. Thienemann, Stuttgart]. 2004. Horschitz, Stephan/Sander, Antje: „Ulrich Jasper Seetzen (1767–1811). Der aufgeklärte Patriot“. In: Ferne Fürsten – Das Jeverland in Anhalt-Zerbster Zeit, Band 2: Der Hof, die Stadt, das Land, hg. von Antje Sander, Oldenburg, 2004, S. 267–274. 2006. Wiese, Axel: „Ulrich Jasper Seetzen und die Kartographie des Nahen Ostens. Der Jeveraner Arzt und Naturforscher (1767–1811) unternahm astronomische Berechnungen zu den Längen- und Breitengraden“. In: Oldenburgische Landschaft. Beiträge der Oldenburgischen Landschaft zur Kulturgeschichte, 1 (2006), S. 72–77. Quellen: Linke, 1967, S. 326; Wolf-Crome, 1977, S. 556–558; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 343; Kalfatovic, 1992, S. 84; Kainbacher, 2002, S. 391; Katzer, 2008, S. 376ff. und 496.

1809–1817: Johann Ludwig Burckhardt 1820. Burckhardt, Johann Ludwig: [Johann Ludwig Burckhardt’s] Reisen in Nubien, hg. von der Londoner Gesellschaft zur Beförderung der Entdeckung des Innern von Afrika, aus dem Engl. übers., Weimar, 1820. [CXX, 716 S.]; [Neue Bibliothek der wichtigsten Reisebeschreibungen; 24]; [zuerst Englisch erschienen: London, 1819]. 1823–1824. Burckhardt, Johann Ludwig: [Johann Ludwig Burkhardt’s] Reisen in Syrien, Palästina und der Gegend des Berges Sinai, hg. u. m. Anm. begl. von Wilhelm Gesenius, übers. von Domprediger Rienäcker, Weimar, 1823–1824. [Bd. 1, 1823, 542 S.; Bd. 2, 1824, S. 548–1104]; [Neue Bibliothek der wichtigsten Reisebeschreibungen zur Erweiterung der Erd- und Völkerkunde; 34/38]; [zuerst Englisch erschienen: London, 1822]. 1830. Burckhardt, Johann Ludwig: [Johann Ludwig Burckhardt’s] Reisen in Arabien, enthaltend eine Beschreibung derjenigen Gebiete in Hedjaz, welche die Mohammedaner für heilig achten, hg. von der Londoner Ges. zur Beför-

1812–1814: Johann Heinrich Mayr (1768 – 1838) 

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derung der Entdeckung des Innern von Africa, Weimar, 1830. [XIV, 706 S.]; [Neue Bibliothek der wichtigsten Reisebeschreibungen zur Erweiterung der Erd- und Völkerkunde; 54]; [zuerst Englisch erschienen: London, 1829]. Weitere Editionen und Literatur: 1831. Burckhardt, Johann Ludwig: Bemerkungen über die Beduinen und Wahaby, gesammelt während seinen Reisen im Morgenlande von dem verstorbenen Johann Ludwig Burckhardt, hg. von der Ges. zur Beförderung der Entdeckung des innern Africa, Weimar, 1831. [XII, 608 S.]; [Neue Bibliothek der wichtigsten Reisebeschreibungen zur Erweiterung der Erd- und Völkerkunde; 57]; [Englisch erschienen: London, 1830]. 1834. Burckhardt, Johann Ludwig: Arabische Sprüchwörter oder die Sitten und Gebräuche der neuern Aegyptier, übers. u. erl. von J. L. Burkhardt, hg. von William Ouseley, deutsch m. Anm. u. Registern von H. G. Kirmss, Weimar, 1834. [arab. u. dt.]; [Englisch erschienen: London, 1830]. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 517; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 344f.; Kainbacher, 2002, S. 66f.; Eutin-ReiseBestand.fp5; ADB, Bd. 3, S. 573–574; NDB, Bd. 3, S. 38 f.; NDB, Bd. 22, S. 226.

1812–1814: Johann Heinrich Mayr (1768 – 1838) 1815. Mayr, Johann Heinrich: Schicksale eines Schweizers während seiner Reise nach Jerusalem und dem Libanon. Von ihm selbst beschrieben, hg. von Johann Conrad Appenzeller, St. Gallen: Huber, 1815. [Bd. 1 = Buch 1/2, 212 S.; Bd. 2 = Buch 3/4, 244 S.; Bd. 3 = Buch 5/6, 232 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1820. Mayr, Johann Heinrich: Reise nach Konstantinopel, Aegypten, Jerusalem, und auf den Libanon, hg. von Johann Conrad Appenzeller, 2., verb. Aufl., St. Gallen: Huber, 1820. [576 S.]. 1909. Büeler, G.: „Johann Heinrich Mayr auf der Bleiche bei Arbon 1768–1838“. In: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 49 (1909), S. 1–63, 130–133. 1913. Büeler, G.: „Johannes Büel von Stein a. Rh. und seine Freundschaft mit Johann Heinrich Mayr von Arbon“. In: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte, 53 (1913), S. 1–39. Kommentar: Vom Verlag Huber soll demnächst eine kritische Edition erscheinen: Johann Heinrich Mayr 1768–1838. Autobiographie eines reisenden Textilunternehmers aus der Frühzeit der Industriealisierung, historisch-kritische Edition, 50 Abbildungen, 3 Bde. und ein Registerband, hg. von Kurt Bünzli. Zur Person bemerkt Wolf-Crome:

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Familie wird in Arbon (Kanton Thurgau) erstmals 1621 erwähnt und ist angebl. Ende des 16. Jahrhunderts aus Salzburg eingewandert. Durch Handel mit Leinen verhalf sie der Stadt zu starkem wirtschaftlichem Aufschwung. Joh. Heinrich Mayr, geb. 3. 5.1768, war Besitzer einer Bleiche und zweier Kattundruckereien. Während der napoleonischen Zeit sieben Reisen nach Unteritalien. Von 1812–1814 Orientreise. Verf. hat ausführlich Reisetagebücher geführt. Orientalische Sammlung im Thurgauer Museum in Frauenfeld. † 27.10.1838. (Editha Wolf-Crome (Hg.), Pilger und Forscher im Heiligen Land, Gießen 1977, S. 535f.).

Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 345f.; Wolf-Crome, 1977, S. 535f.

1814–1815: John Bramsen (Jens Andr Bramsen; Johannes Bramsen), 1761–1832 1819. Bramsen, John: Reise durch die Jonischen Inseln, Aegypten, Syrien, Palästina und Griechenland in den Jahren 1814 und 1815, Jena, 1819. Weitere Editionen und Literatur: 1815. Bramsen, John: Travels in Egypt, Syria, Palestine, Egypt, and Greece in the years 1814 and 1815, London, 1815. [wieder erschienen 1820]. 1818. Bramsen, John: Letters of a Prussian traveller, descriptive of a tour through Sweden, Prussia, Austria, Hungary, Istria, the Ionian Islands, Egypt, Syria, Cyprus, Rhodes, the Morea, Greece, Calabria, Italy, the Tyrol, the banks of the Rhine, Hanover, Holstein, Denmark, Westphalia, and Holland; interspersed with anecdotes of distinguished characters, and illustrations of political occurrences, in two volumes, London, 1818. 1818. Bramsen, John: Promenade d’un voyageur Prussien en diverses parties de l’Europe, de l’Asie et de l’Afrique, en 1813, 1814 et 1815, en forme de lettres, contenant de remarques personnelles et diverses anecdotes sur la Suède, la Prusse, l’Autriche, la Hongrie les îles Ioniennes, l’Égypte, la Syrie, la Palestine, l’Ile de Chypre, celle de Rhodes, la Morée, Athènes, la Calabre, Naples, le Tyrol, la Bavière, le Danemarck et la Hollande, Paris, 1818. Kommentar: Bramsen ist der Begleiter des ältesten Sohnes von Sir John Maxwell auf dessen Grand Tour von Juli 1813 bis September 1815. Prussian traveller and author; born in Berlin he travelled extensively in Europe, Africa, and the Near East; he visited Egypt 1814–15; he afterwards published his travels in German, translated into French and English as Travels in Egypt etc., London, 1818. (Dawson, Egyptology, 1995, S. 61). Traveling with James S. Buckingham. (Kalfatovic, 1992, S. 89).

Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 346; Kalfatovic, 1992, S. 89; Dawson, Egyptology, 1995, S. 61; Kainbacher, 2002, S. 55.

1814–1821: C. F. Stegemann 

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1814–1821: C. F. Stegemann 1824. Stegemann, C. F.: [C. F. Stegemann’s] Wanderung durch Deutschland, Polen, Rußland, Caucasien, Aegypten und Persien nach Jerusalem, in den Jahren 1814 bis 1821, nach den Ueberlieferungen des Reisenden hg. von Friedrich Dörne, Danzig, 1824. [84 S.]; [2. Aufl., Danzig, 1825]. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 353.

1815: Otto Friedrich von Richter (1792–1816) 1822/2005. Richter, Otto Friedrich von: [Otto Friedrichs von Richter] Wallfahrten im Morgenlande, aus seinen Tagebüchern und Briefen dargestellt von Johann Phillipp Gustav Ewers, Berlin: Reimer, 1822. [ND: Hildesheim, 2005; Textund Tafelband; Documenta Arabica, Teil 1, Reiseliteratur]. Weitere Editionen und Literatur: 1991. Stadnikow, Sergei: „Otto Friedrich von Richter und Ägypten“. In: Altorientalische Forschungen, 18 (1991), S. 195–203. 1992. Hinkel, Friedrich W.: „Otto Friedrich von Richters Reise in Unternubien im Jahre 1815“. In: Altorientalische Forschungen, 19 (1992), S. 230–246. 2002. Hinkel, Friedrich W. (Hg.): Zwei baltendeutsche Reisende in Ägypten und Nubien 1815 und 1823, Berlin, 2002. [Monumenta Sudanica]; [The archaeological map of the Sudan, Friedrich W. Hinkel, Supplement V, Centennial Edition]; [Enth.: Reise in Ägypten und Nubien, 1815 [Tagebuch] von Otto Friedrich von Richter; Reise in Ägypten und Nubien, 1822–23 [Tagebuch: Voyage dans la Haute Égypte et en Nubie depuis le 12 décembre 1822 jusqui [sic] au 12 avril 1823. Le Baron Alexandre d’Üxküll]. 2003. Stadnikow, Sergei: „Otto Friedrich von Richters Forschungsreise in Unternubien im Jahre 1815, Auszüge aus dem Tagebuch“. In: Religiöses Reisen, hg. von Gregor Ahn, Münster, 2003, S. 125–163. 2003. Stadnikow, Sergei: „Otto Friedrich von Richters Expedition in Unternubien im Jahre 1815“. In: A Delta-man in Yebu. Occasional Volume of the Egyptologists’ Electronic Forum No. 1, hg. von A. K. Eyma u. C. J. Bennett, 2003, S. 190–202. Kommentar: Bei Wolf-Crome findet sich folgender Eintrag: Orientreisender. Geb. 6. 8. 1792 auf dem Landsitz Neu-Kusthof bei Dorpat. Verf. betrieb ethnographische Studien, beherrschte orientalische Sprachen. Reise am 30. März 1815 über Griechenland zunächst in die nubische Wüste, von dort nach Kleinasien. † im Alter von 24 Jahren am 17. 8. 1816 in Smyrna. Guter und sorgfältiger Beobachter, gute topographische Beiträge (Editha Wolf-Crome (Hg.), Pilger und Forscher im Heiligen Land, Gießen 1977, S. 546).

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 546; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 347; Dawson, Egyptology, 1995, S. 357.

1817–1818: Eduard Rüppell [Eduard Wilhelm Peter Simon Rüppell] (1794–1884) 1829. Rüppell, Eduard: Reisen in Nubien, Kordofan und dem peträischen Arabien, vorzüglich in geographisch-statistischer Hinsicht, Frankfurt a.M.: Wilmans, 1829. 1838–1840. Rüppell, Eduard: Reise in Abyssinien, 2 Bde. u. Atlas, Frankfurt a.M.: Schmerber, 1838–1840. Weitere Editionen und Literatur: 1949. Mertens, Robert: Eduard Rüppell. Leben und Werk eines Forschungsreisenden, Frankfurt a.M., 1949. 2002. Klausewitz, Wolfgang: „Frankfurt versus Berlin, The Red Sea explorers Wilhelm Hemprich, Christian Ehrenberg and Eduard Rüppell“. In: Zoology in the Middle East, 27 (2002), S. 7–12. 2003. Klausewitz, Wolfgang: „Die Erforschung des nördlichen Afrika, ein Wettlauf zwischen Berlin und Frankfurt“. In: Natur und Museum, 133 (2003), S. 231–251. Kommentar: Der Naturwissenschaftler und Afrikaforscher Eduard Rüppell unternimmt vier Reisen nach Afrika. 1817 ist er zum ersten Mal in Ägypten. Seine erste große Ägyptenreise unternimmt er von 1822 bis 1827. Dabei betreibt er Forschungen in Oberägypten, Nubien, Kordofan, Sinai, Golf von Aqaba, Jeddah und Massaua. 1831 bis 1834 bereist er Nordafrika bis ins Innere von Abessinien. Von 1849 bis 1850 unternimmt er seine letzte Afrikareise. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 548f.; Dawson, Egyptology, 1995, S. 368; ADB, Bd. 29, S. 707–714; NDB, Bd. 22, S. 226–227.

1817–1818: Franz Wilhelm Sieber (1789–1844) 1820. Sieber, Franz Wilhelm: Ueber Aegyptische Mumien, ihre Entstehung, Zweck und Bereitungsart. Nebst dem beschreibenden Verzeichnisse meiner auf einer Reise durch Creta, Aegypten und Palästina gesammelten Alterthümer, Natur- und Kunst-Produkte, Wien, 1820. [Nebentitel: Beschreibendes Verzeichniß der in den Jahren 1817 und 1818, auf einer Reise durch Creta, Aegypten und Palästina gesammelten Alterthümer […] nebst einer Abhandlung über Aegyptische Mumien].

1818: Johann Friedrich Julius Borsum (Borsam) 

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1823. Sieber, Franz Wilhelm: Reise von Cairo nach Jerusalem und wieder zurück, nebst Beleuchtung einiger heiligen Orte, Prag und Leipzig: Neureutter und Fleischer, 1823. [2. Aufl., Prag: Neureutter, 1826]. Weitere Editionen und Literatur: 2003. Zernig, Kurt: „Sieber, Franz Wilhelm (1789–1844), Botaniker“. In: Österreichisches Bibliographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 12 (Lfg. 56), Wien, 2003, S. 227. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 558f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 352; Kalfatovic, 1992, S. 96; Dawson, Egyptology, 1995, S. 391; Kainbacher, 2002, S. 395; ADB, Bd. 34, S. 178.

1818: Johann Friedrich Julius Borsum (Borsam) 1825. Borsum, Johann Friedrich Julius: Reise nach Constantinopel, Palästina und Egypten, überarb. von David Traugott Kopf, Berlin: Boicke, 1825. [2. Aufl., Berlin, 1826; 3. Aufl., Berlin, 1843; 4. Aufl., Berlin, 1850]. 2005. Borsum, Johann Friedrich Julius: Reise nach Constantinopel, Palästina und Egypten, überarb. von David Traugott Kopf, Nachdruck der Ausgabe Berlin 1825, Hildesheim, 2005. [Documenta arabica, Teil I, Reiseliteratur]. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 9, Nr. 89; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 351f.; Kainbacher, 2002, S. 52.

1818–1820: Franz Christian Gau (François Chrétien Gau) (1790–1853) 1822. Gau, Franz Christian: Neu entdeckte Denkmäler von Nubien, an den Ufern des Nils, von der ersten bis zur zweiten Katarakte, gezeichnet und vermessen im Jahre 1819 und als Fortsetzung des französischen Werkes über Aegypten, Stuttgart: Cotta; Paris: Didot, 1822. [Einige Quellen u. Bibliotheken erwähnen als Erscheinungsjahre 1821–1827]. Weitere Editionen und Literatur: 1822. Gau, Franz Christian; Niebuhr, Barthold Georg: Inschriften in Nubien und Aegypten abgezeichnet, kritisch bearb. von B. G. Niebuhr, Stuttgart/Paris, 1822. 1822. Gau, Franz Christian: Antiquités de la Nubie, ou monumens inédits des bords du Nil, situés entre la première et la seconde cataracte, dessinés et messurés en 1819, Stuttgart: Cotta; Paris: Didot, 1822. [Nachdruck: Böblingen: Codex-Verlag, 1975]. 1996. Kramp, Mario: „Baumeister und Archäologe in Paris: Franz Christian Gau (1789–1853) “. In: Frankreichfreunde, Leipzig, 1996, S. 289–346.

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

2001. Kramp, Mario: „Ein Kölner reist 1818 nach Ägypten, Nubien und Palästina“. In: Die Waage, 40 (2001), S. 74–80. Kommentar: Gau, geb. am 15.06.1790 in Köln, 1826 französischer Staatsbürger, gest. am 31.12.1853 in Paris, Architekt und Baumeister, Besuch der Kunstakademie zu Paris, Reisen nach Italien 1814, weitere Reisen nach Palästina, Ägypten und vor allem Nubien in den Jahren 1818–1820, sein Reisebericht ist deutsch und französisch erschienen. Quellen: Kalfatovic, 1992, S. 98; Dawson, Egyptology, 1995, S. 164; Kainbacher, 2002, S. 135; ADB, Bd. 8, S. 414–416.

1818–1821: Johann Carl Weyand [Johann Karl Weyand] 1822–1825. Weyand, Johann Carl: Reisen durch Europa, Asien und Afrika in den Jahren 1818 bis 1821, 3 Bde, Amberg, 1822–1825. [Manche Quellen erwähnen 1822–1824 als Erscheinungsjahre]. 1828. Weyand, Johann Carl: [Johann Carl Weyand’s] Reisen durch einen Theil von Europa, Asien und Afrika in den Jahren 1818 bis 1821, mit 6 Kupfern der denkwürdigsten Ansichten von Jerusalem und Bethlehem, von ihm selbst beschrieben, Wien: Mechitaristen-Congregation, 1828. Kommentar: Architekt aus Herchenheim, Hinreise über Wien, Bukarest, Konstantinopel, Jerusalem, Bethlehem, Alexandria und Kairo. Rückreise über Livorno, Florenz, Rom und Triest. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 353; Kainbacher, 2002, S. 450.

1820–1821: Johann Heinrich Carl von Minutoli (1772–1846); (Heinrich Menu [seit 1820 Freiherr] von Minutoli; Freiherr Johann Heinrich Carl Menu von Minutoli) 1824. Minutoli, Johann Heinrich Carl von: Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der Libyschen Wüste und nach Ober-Aegypten in den Jahren 1820 und 1821, von Heinrich Freiherrn von Minutoli, nach den Tagebüchern […] herausgegeben und mit Beilagen begleitet von E. H. Toelken, Berlin: Rücker, 1824. Weitere Editionen und Literatur: 1823. Hirt, Aloys Ludwig: Zur Würdigung der neuesten von dem General Freiherrn von Minutoli eingebrachten ägyptischen Alterthümer, eine Vorlesung von A. Hirt, Berlin: Dümmler, 1823. 1824. Minutoli, Johann Heinrich Carl von: Atlas von neununddreißig Tafeln zu der Reise des Freih. von Minitoli zum Tempel des Jupiter Ammon in der Liby-

1820–1821: Wolfradine A. von Minutoli (Wolfradine Auguste Luise von Minutoli) 

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schen Wüste und nach Ober-Aegypten, Berlin: Rücker, 1824. [38 Tafeln und 1 Karte des Karawanenzugs]. 1827. Minutoli, Johann Heinrich Carl von: Nachträge zu meinem Werke, betitelt: Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der Libyschen Wüste und nach OberAegypten in den Jahren 1820 und 1821, mit 7 Kupfern, Berlin: Maurer, 1827. 1931. Weltzien, Wolf Deneke von: Das altadelige italienische Geschlecht ‚Minutoli‘ in Deutschland, [Essen], [1931]. 1982. Minutoli, Johann Heinrich Carl von: Reise zum Tempel des Jupiter Ammon in der Libyschen Wüste und nach Ober-Ägypten in den Jahren 1820 und 1821, nach den Tagebüchern hg. u. m. Beil. begl. von E. H. Toelken, Nachdruck der Ausg. 1824–1827, Wiesbaden, 1982. 1988. Nehls, Harry: „Johann Heinrich Menu von Minutoli, 1772–1846“. In: Der Herold, 12/7 (1988), S. 193–200. 1991. Nehls, Harry: „Der Altertumsforscher Nicolaus Johann Heinrich Benjamin Freiherr von Minutoli (1772–1846) “. In: Staatliche Museen zu Berlin, Forschungen und Berichte, 31 (1991), S. 159–168. 1994. Karig, Joachim S.; Leive, Rainer: „Auf der Suche nach der ‚Gottfried‘ und der Sammlung Minutoli“. In: Jahrbuch Preussischer Kulturbesitz, 30 (1994), S. 133–153. 1996. Nehls, Harry: „Späte Ehrung. Anmerkungen zum 150. Todestag von Minutoli“. In: Berlinische Monatsschrift, 10 (1996), S. 87ff. Kommentar: Wissenschaftliche Expedition im Auftrag der preussischen Regierung. Vgl. dazu die Reiseberichte der Mitreisenden Wolfradine A. von Minutoli, Johann Martin Augustin Scholz, Christian Gottfried Ehrenberg und Wilhelm Friedrich Hemprich. Eine Dissertation ist zur Zeit in Bearbeitung: Nehls, Harry: Die Antikensammlung des Freiherrn Johann Heinrich Carl Menu von Minutoli (1742– 1846). Studien zur Archäologie, Kunst- und Kulturgeschichte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts; [vgl. online unter: (http://www.geschkult.fu-Berlin.de/ e/klassarch/Qualifikationsarbeiten/aktuelle_Dissertationsprojekte/index.html) (01.08.2010)]. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 39, Nr. 434 und 435; Linke, 1967, S. 326; Dawson, Egyptology, 1995, S. 289; Kainbacher, 2002, S. 274; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1820–1821: Wolfradine A. von Minutoli (Wolfradine Auguste Luise von Minutoli) 1829. Minutoli, Wolfradine A. von: Reise der Frau Generalin von Minutoli nach Egypten, deutsch hg. von Wilhelmine von Gersdorf, Leipzig: Lauffer, 1829. [2. Ausgabe, 1841].

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Weitere Editionen und Literatur: 1826. Minutoli, Wolfradine A. von: Mes souvenirs d’Égypte, par Mme la Baronne de Minutoli, revus et publ. par Raoul-Rochette, Paris : Nepveu, 1826. 1827. Minutoli, Wolfradine A. von: Recollections of Egypt, with a portrait of Mahomet Ali Pacha, translated by S. H. L., London, 1827. Kommentar: Wolfradine A. von Minutoli nimmt in Begleitung ihres Mannes an der wissenschaftlichen Expedition teil. Vgl. die Reiseberichte von Johann Heinrich Carl von Minutoli, Johann Martin Augustin Scholz, Christian Gottfried Ehrenberg, Wilhelm Friedrich Hemprich. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 40, Nr. 436, 437, 438; Kalfatovic, 1992, S. 100; Dawson, Egyptology, 1995, S. 289; Kainbacher, 2002, S. 274; NDB, Bd. 17, S. 550.

1820–1821: Johann Martin Augustin Scholz (1794–1852) 1822/2005. Scholz, Johann Martin AugustIn: Reise in die Gegend zwischen Alexandrien und Parätonium, die libysche Wüste, Siwa, Egypten, Palästina und Syrien in den Jahren 1820 und 1821, Leipzig/Sorau: Fleischer, 1822. [Nachdruck, Hildesheim: Olms, 2005]; [Documenta Arabica, Teil 1, Reiseliteratur]. Weitere Editionen und Literatur: 1822. Scholz, Johann Martin AugustIn: Travels in the countries between Alexandria and Paraetonium, the Lybian desert, Siwa, Egypt, Palestine, and Syria, in 1821, by John Martin Augustus Scholz, London: Phillips, 1822. Kommentar: Theologe und Orientalist, 1821 Professor der Theologie zu Bonn, 1837 Domkapitular zu Köln. Scholz nimmt an der Expedition von Minutoli teil und reist später durch Palästina und Syrien. Siehe auch die Parallelberichte von Johann Heinrich Carl von Minutoli, Wolfradine A. von Minutoli, Christian Gottfried Ehrenberg und Wilhelm Friedrich Hemprich. Quellen: Linke, 1967, S. 326; Wolf-Crome, 1977, S. 552; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 55, Nr. 398; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 356f.; Dawson, Egyptology, 1995, S. 380; Kainbacher, 2002, S. 375; ADB, Bd. 32, S. 226–227.

1820–1825: Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) und Wilhelm Friedrich Hemprich (Böhm.-Öst 1796–1825) 1828. Ehrenberg, Christian Gottfried; Hemprich, Friedrich Wilhelm: Naturgeschichtliche Reisen durch Nord-Afrika und West-Asien in den Jahren 1820 bis 1825, hg. von Dr. Ehrenberg, Ritter des Rothen Adler-Ordens Dritter Klasse,

1820–1825: Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) 

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Prof. Dr. Med. und Mitglied d. Königl. Akademie d. Wissensch; Historischer Teil: Reisen in Aegypten, Libyen, Nubien und Dongala, Bd. 1, Erste Abtheilung, m. Landkarte u. Ansicht d. Libyschen Wüsten-Abfalls, Berlin/Posen/ Bromberg: Bei Ernst Siegfried Mittler, 1828. Weitere Editionen und Literatur: 1826. Alexander von Humboldt: Bericht über die Naturhistorischen Reisen der Herren Ehrenberg und Hemprich durch Ägypten, Dongola, Syrien, Arabien und den östlichen Abfall des Habessinischen Hochlandes, in den Jahren 1820–1825, gelesen in der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Berlin, 1826. 1930. Hanstein, Otfrid von: Mit Kamel und Nilbarke, von der Libyschen Wüste zum Sinai. Eine Afrikareise vor hundert Jahren, Leipzig, 1930. [Sammlung interessanter Entdeckungsreisen; Bd. 2]. 1895. Laue, Max: Christian Gottfried Ehrenberg, ein Vertreter deutscher Naturforschung im neunzehnten Jahrhundert, 1795–1876, nach seinen Reiseberichten, seinem Briefwechsel, Familienaufzeichngen sowie anderem handschriftlichen Material, Berlin: Springer, 1895. 1954. Stresemann, Erwin (Hg.): Reisen zweier naturforschender Freunde im Orient, geschildert in ihren Briefen aus den Jahren 1819–1826, Berlin, 1954. 1966. Scurla, Herbert: Zwischen Mittelmeer und Tschadsee. Reisen deutscher Forscher des 19. Jahrhunderts durch Nord- und Zentralafrika, ausgew. und eingel., Berlin: Verl. d. Nation, 1966. [DarIn: Bertram, Axel; Hornemann, Friedrich Konrad; Ehrenberg, Christian Gottfried; Brehm, Alfred Edmund; Barth, Heinrich; Beurmann, Moritz von; Rohlfs, Gerhard]. 1976. Bolling, Rolf: Das Leben und das Werk Christian Gottfried Ehrenbergs, Delitzsch, 1976. 1977. Kirsche, Walter: Christian Gottfried Ehrenberg zum 100. Todestag, ein Beitrag zur Geschichte der mikroskopischen Hirnforschung, Berlin, 1977. 1996. Ross, Roland: Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) und seine Bedeutung für die frühe Entwicklung der Geographie – insbesondere der Meeresforschung, Kiel, 1996. [Hochschulschrift: Kiel, Univ., Dissertation, 1996] 1996. Schlegel, Martin (Hg.): Christian-Gottfried-Ehrenberg-Festschrift, Leipzig, 1996. 2001. Landsberg, Hannelore: Christian Gottfried Ehrenberg, München, 2001. 2002. Klausewitz, Wolfgang: „Frankfurt versus Berlin. The Red Sea explorers Wilhelm Hemprich, Christian Ehrenberg and Eduard Rüppell“. In: Zoology in the Middle East, 27 (2002), S. 7–12. 2003. Klausewitz, Wolfgang: „Die Erforschung des nördlichen Afrika, ein Wettlauf zwischen Berlin und Frankfurt“. In: Natur und Museum, 133/8 (2003), S. 231–251.

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Kommentar: Parallelbericht von Johann Heinrich Carl von Minutoli; Wolfradine A. von Minutoli; Johann Martin Augustin Scholz. Quellen: Linke, 1967, S. 325; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 22, Nr. 221 und 224a; Kalfatovic, 1992, S. 108; Kainbacher, 2002, S. 102 und 167.

1820–1824: Gustav Friedrich Konstantin Parthey (1798–1872) 1834–40. Parthey, Gustav: Wanderungen durch Sicilien und die Levante, Berlin: Nicolai, 1834–1840. [Inhalt: Theil 2: Wanderungen durch das Nilthal]. Kommentar: Parthey, geb. am 27.10.1798 in Berlin, gest. am 02.04.1872 in Rom, Altertumsforscher und Buchhändler, Enkel von Christoph Friedrich Nicolai, unternimmt von 1820 bis 1824 ausgedehnte Reisen nach Griechenland, Sizilien und in die Levante, u.a auch nach Ägypten. 1825 übernimmt Parthey die Nicolaische Buchhandlung in Berlin. 1857 Akademiemitglied. Abgesehen von diesem Reisebericht veröffentlicht er auch Schriften über Geographie und Ägypten. Quellen: Linke, 1967, S. 326; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 45f.; Kalfatovic, 1992, S. 102; Dawson, Egyptology, 1995, S. 321; Kainbacher, 2002, S. 303.

1822–1823: Alexander von Üxküll (Baltendeutscher 1800–1853) 2002. Hinkel, Friedrich W. (Hg.): Zwei baltendeutsche Reisende in Ägypten und Nubien 1815 und 1823, Berlin, 2002. [Monumenta Sudanica]; [The archaeological map of the Sudan, Friedrich W. Hinkel, Supplement V, Centennial Edition]; [Enth.: Reise in Ägypten und Nubien, 1815 [Tagebuch] von Otto Friedrich von Richter; Reise in Ägypten und Nubien, 1822–23 [Tagebuch: Voyage dans la Haute Égypte et en Nubie depuis le 12 décembre 1822 jusqui [sic] au 12 avril 1823. Le Baron Alexandre d’Üxküll]. Weitere Editionen und Literatur: 1995/1996. Stadnikow, Sergei: „Die Wanderungen des Deutsch-Baltischen Orientreisenden Alexander von Üxküll in Ägypten und Nubien 1822–1823“. In: Göttinger Miszellen, 146 (1995), S. 71–92; [wieder erschienen 1996. In: Der Beitrag der Deutschbalten und der städtischen Rußlanddeutschen zur Modernisierung und Europäisierung des Russischen Reiches im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, hg. von Boris Meissner; Alfred Eisfeld, Berlin, 1996, S. 301–306]. Quellen: Dawson, Egyptology, 1995, S. 422.

1824–1840 (1838): Peter Dietrich Holthaus (Holthaus, P.D.) 

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1824–1840 (1838): Peter Dietrich Holthaus (Holthaus, P.D.) 1841–46. Holthaus, Peter Dietrich: Wanderungen durch Europa und das Morgenland in den Jahren 1824–40, Altona/Barmen, 1841–1846. [2., verb. verm. Aufl., Barmen, 1842; 3. Aufl., Barmen, Langewiesche, 1843; Theil 2, Barmen, 1846, auch unter dem Titel: Neue Reisen vollführet in den Jahren 1842–1845 von P. D. Holthaus]. Weitere Editionen und Literatur: 1844. Holthaus, P.D.: Wanderings of a Journeyman Tailor through Europe and the East. During the Years 1824 to 1840, translated from the 3rd German edition by William Howitt, London: Longman, Brown, Green & Longmans, 1844. [Röhricht weist auf eine frühere Ausgabe aus dem Jahre 1841 hin]. Kommentar: Ägyptenreise ca. 1838. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 359; Kalfatovic, 1992, S. 130.

6.2 Reiseberichte von 1825 bis 1845 1826–1827: August M. Jahn (A. M. Jahn; August Michael Jahn) (1786–1851) 1828–30. Jahn, August M.: Reise von Mainz nach Egypten, Jerusalem und Konstantinopel in den Jahren 1826 – 27, 5 Hefte, Mainz: Stenz, 1828–1830. [Heft 1: Reise von Mainz über Triest nach Egypten, 1828; Heft 2: Reise von Alexandrien nach Cairo u.s.w., 1829, S. 113–245; Heft 3: Reise von Cairo nach Jerusalem u. s. w., 1829, S. 249–382; Heft 4: Reise von Jerusalem über fünf griechische Inseln nach Smyrna u.s.w., 1829, S. 387–542; Heft 5: Schilderung von Konstantinopel u.s.w., 1830, S. 547–716]. Kommentar: „Privatmann, spätere Berufsangabe i. Adreßbuch von 1839: Verwalter im St. Rochus-Hospital. Geb. 18. 7. 1786 in Mainz als Sohn eines Chirurgen. […] † 25. 5.1851 in Mainz“ (Editha Wolf-Crome (Hg.), Pilger und Forscher im Heiligen Land, Gießen 1977, S. 527). Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 527; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 361; Kainbacher, 2002, S. 194; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 29, Nr. 303.

1826–1828: Anton Prokesch-Osten (1795–1876) 1829–1831. Prokesch-Osten, Anton: Erinnerungen aus Aegypten und Kleinasien [1826 und 1827], 3 Bde., Wien: Armbruster, 1829–1831. Weitere Editionen und Literatur:

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

1831. Prokesch-Osten, Anton: Das Land zwischen den Katarakten des Nil, mit ener Karte, astronomisch bestimmt und aufgenommen im Jahre 1827, Wien: Gerold, 1831. 1836–1837. Prokesch-Osten, Anton: Denkwürdigkeiten und Erinnerungen aus dem Orient, 3 Bde., Stuttgart: Hallberger, 1836–1837. 1877. Prokesch-Osten, Anton: Mehmed-Ali, Vize-König von Aegypten. Aus meinem Tagebuche 1826–1841, Wien: Braumüller, 1877. 1993. Omar, Muhammad as-Sayyid: Anton Prokesch-Osten. Ein österreichischer Diplomat im Orient, Frankfurt a.M, 1993. [Studien zur Geschichte Südosteuropas; 11]; [Wien, Univ., Dissertation, 1989 unter dem Titel: Orientbild und Orientthematik in den Reisebeschreibungen Anton Prokesch-Ostens]. 2005. Bertsch, Daniel: Anton Prokesch von Osten (1795–1876). Ein Diplomat Österreichs in Athen und an der Hohen Pforte. Beiträge zur Wahrnehmung des Orients im Europa des 19. Jahrhunderts, München: Oldenbourg, 2005. [Südosteuropäische Arbeiten; 123]; [Münster, Univ., Dissertation, 2002]. Quellen: Linke, 1967, S. 326; Wolf-Crome, 1977, S. 542; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 48, Nr. 522; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 364; Kalfatovic, 1992, S. 107, 237; Dawson, Egyptology, 1995, S. 344; Kainbacher, 2002, S. 324f.

1829–1831 (1831): Eduard Ferdinand Callot (Öst. 1792–1862) 1854–1855. Callot, Eduard von: Der Orient und Europa, Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer, mit dem lithograph. Bildnis Mehemed-Ali’s und des Verfassers, 1 Lithographie und 2 Karten, Theil 1–10, Leipzig: Kollmann, 1854–1855. Weitere Editionen und Literatur: 2006. Callot, Eduard von: Reisen in Ägypten, Sudan und Äthiopien, hg. von Paul Kainbacher, mit e. Einl. von Michael H. Zach, 2 Bde., 1. Aufl., Baden b. Wien: Kainbacher, 2006. [Auszug, nur Bände 5–8]; [Sammlung von Afrika-Reisebeschreibungen österreichischer Forschungsreisender; 7]. Kommentar: Ägyptenreise ca. 1831. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 440; Kalfatovic, 1992, S. 116; Dawson, Egyptology, 1995, S. 80; Kainbacher, 2002; S. 71; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1830–1836: Ernst Christoph Döbel 1837–1838. Döbel, Ernst Christoph: Des Wagnergesellen E. Ch. Döbel Wanderungen durch einen Theil von Europa, Asien und Afrika in den Jahren 1830–1836,

1831: Daniel Wegelin (aus St. Gallen) 

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mit lith. Ansichten, Ct., bearb. von [Georg] Heinrich Schwerdt, 2 Bde., Eisenach: Müller, 1837–1838. Weitere Editionen und Literatur: 1842–1863/1994. Döbel, Ernst Christoph: Des Wagnergesellen E. Ch. Döbel, Wanderungen im Morgenlande, hg. von Ludwig Storch, 2 Bde., 2. gänzl. umgearb. Aufl., Gotha, 1842. [3. Aufl., 1843; 4. Aufl., 1843; 5. Aufl. 1845; 6. Aufl., 1863; 7. Aufl., 1863]. 1861. Döbel, Ernst Christoph: Des Wanderers im Morgenlande Ernst Christoph Döbels Erlebnisse und Abenteuer in der Heimat, von ihm selbst beschrieben, München, 1861. [Supplementband zu den Wagnergesellen Ernst Christoph Döbel ‚Wanderungen im Morgenlande‘]. 1916. Döbel, Ernst Christoph: Ein deutscher Handwerksbursch der Biedermeierzeit, auf der Walze durch den Balkan und Orient, nacherzählt von Oskar Wöhrle, [bearb. von Heinrich Schwerdt], Stuttgart: Die Lese, 1916. [Vorher erschienen ca. 1900 od. 1915]. Kommentar: Döbel, geboren um 1815 bzw. 1816 im sächsischen Berterode, geht von 1830 bis 1836 als Wagnergeselle auf die Walz. Seine Wanderjahre führen ihn durch Österreich, Ungarn und Slavonien, Siebenbürgen, die Walachei, die Moldau, die Türkei und Ägypten (Alexandria, Suez) nach Palästina. Der Rückweg führt über Ägypten (Alexandria, Kairo), Triest, Laibach, Salzburg und München nach Sachsen und weiter in seinen Heimatort. Quellen: Kainbacher, 2002, S. 93; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1831: Daniel Wegelin (aus St. Gallen) 1843–1845. Wegelin, Daniel: Erinnerungen aus Russland und dem Orient, aufgezeichnet durch Daniel Wegelin aus St. Gallen, während seinen Reisen im Norden, in der Türkei, Palästina, Aegypten und Griechenland, hg. von H. Leemann, Bern: Weingart, 1843–1845. [Tl. 2 ersch., Zürich: Schulthess]; [Ausgabe A]. Weitere Editionen und Literatur: 1845. Wegelin, Daniel: Erinnerungen aus Russland und dem Orient, aufgezeichnet durch Daniel Wegelin aus St. Gallen, während seinen Reisen im Norden, in der Türkei, Palästina, Aegypten und Griechenland, hg. von H. Leemann, Zürich: Schulthess, 1845. [Ausgabe B]. 1845. Wegelin, Daniel: Palästina, Bilder aus dem heiligen Lande, aufgezeichnet durch Daniel Wegelin aus St. Gallen während seines Aufenthaltes in Jerusalem, hg. von H. Leemann, Zürich: Schulthess, 1845. [Identisch mit ‚Erinnerungen aus Russland und dem Orient’, Tl. 2, S. 1–162].

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 66; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 368; Kainbacher, 2002, S. 442.

1831–1832: Jakob Philipp Fallmerayer (1790–1861) 1845. Fallmerayer, Jakob Philipp: Fragmente aus dem Orient, 2 Bde., Stuttgart und Tübingen: Cotta, 1845. [Weitere Ausgaben: Gernsbach, 1961; München, 1963]; [Über Ägypten siehe Neue Fragmente aus dem Orient in Gesammelte Werke]. 1861. Fallmerayer, Jakob Philipp: Gesammelte Werke, hg. von Georg Martin Thomas, 3 Bde., Amsterdam: Hakkert, 1861. [Bd. 1., Neue Fragmente aus dem Orient, darIn: Konstantinopel, Ägypten, Syrien und Palästina]; [Nachdruck, 1970]. Weitere Editionen und Literatur: 1913. Fallmerayer, Jakob Philipp: Schriften und Tagebücher, in Auswahl hg. u. eingel. von Hans Feigl; Ernst Molden, München/Leipzig: Müller, 1913. [Fragmente aus dem Orient, Neue Fragmente, Polit.-hist. Aufsätze, Tagebücher]. 1993. Thurnher, Eugen (Hg.): Jakob Philipp Fallmerayer, Wissenschaftler, Politiker, Schriftsteller, Innsbruck, 1993. 1996. Leeb, Thomas: Jakob Philipp Fallmerayer. Publizist und Politiker zwischen Revolution und Reaktion (1835–1861), München, 1996. [München, Univ., Dissertation, 1993]. Kommentar: Fallmerayer, geb. am 10.12.1790 in Tschötsch bei Brixen in Südtirol, gest. am 26.04.1861 in München, Geschichtsforscher, Orientreisender, Journalist und Politiker, bekannt durch seine provokative These zur Ethnogenese der heutigen Griechen, unternimmt drei Reisen in den Orient: 1831–1834, 1840–1842 und 1847–1848. Auf seiner ersten Reise, die er als Begleiter des russischen Grafen Alexander Ivanovich Ostermann-Tolstoy unternimmt, ist er auch in Ägypten (zwischen 1831 und 1832). Reiseroute: München (August 1831), Triest, Alexandrien, (Sommer 1832) Palästina, (Frühjahr 1833) Zypern, Rhodos, Istanbul, (November 1833) Morea, Attica, Italien (Februar 1834), (August 1834) München. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 369f.; Kalfatovic, 1992, S. 116; Kainbacher, 2002, S. 112.

1833/1834: Johann Jacob Diedrich Müller (Maurergeselle – Wanderbuch) Manuskript. Wanderbuch für den Maurer-Gesellen Johann Jacob Diedrich Müller aus Warin, [1832–1838], 48 S., [11] Bl.. Das Wanderbuch befindet sich an der Eutiner-Landsbibliothek, Signatur: 138 ohne.

1833–1834: Joseph Pallme (aus Böhmen) 

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Kommentar: Es handelt sich hier um keinen Reisebericht, sondern um das Wanderbuch (den Reisepass) eines Maurergesellen namens Johann Jacob Diedrich Müller aus Warin. Während seiner Wanderjahre reist er über die Türkei nach Ägypten (Alexandrien) und von dort weiter nach Palästina. Sein Schiff legt am 14.02.1834 in Alexandrien an, wie man dem im Wanderbuch befindlichen handschriftlichen Eintrag in arabischer Schrift auf S. 28 entnehmen kann, der in deutscher Übersetzung folgendermaßen lautet: „Am 14. Šabāt (= Februar) kam ein Schiff in Alexandrien an, auf dem sich Johann Müller befand. Sein Reiseziel ist Jerusalem, das er besichtigen möchte“ (Übersetzung durch den Verfasser). Quellen: Eutin-ReiseBestand.fp5.

1833–1834: Joseph Pallme (aus Böhmen) 1839. Pallme, Joseph: Meine Reisen durch Sicilien, Aegypten, Syrien und Palästina, beschrieben u. hg. von Joseph Pallme, 4 Hfte in 1 Bd., Rumburg: [Selbstverl.], [1839 oder 1840]. Kommentar: Reisen aus kaufmännischen Interessen. Siehe auch den Reisebericht von Ignatius Pallme, der mit seinem Bruder um 1833 eine Handelsgesellschaft in Kairo gründet und zwischen 1837–1839 den Sudan und Kordofan bereist. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 227, Nr. 2647; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 374; Kainbacher, 2002, S. 301.

1834–1835: Jakob von Röser (Dr. Jacob Ritter von Röser) (1799–1862) 1836. Röser, Jacob von: Tagebuch meiner Reise nach Griechenland, in die Türkei, nach Aegypten und Syrien im Jahre 1834 bis 1835, Mergentheim, 1836. [2. Aufl., Mergentheim, 1841]; [3. Aufl., Augsburg: Schlosser, 1844]. Weitere Editionen und Literatur: 1837. Röser, Jacob von: Ueber einige Krankheiten des Orients, Beobachtungen gesammelt auf einer Reise nach Griechenland, in die Türkei, nach Aegypten und Syrien, mit Abbildungen, Augsburg: Schlosser, 1837. Kommentar: Dr. Jacob Ritter von Röser ist Arzt und betitelt sich Fürstlich Hohenlohe-Waldenburg-Bartensteinischer Rath und Leibarzt. Weitere Informationen finden sich im Eutiner Katalog Der Arzt Jacob Ritter von Röser (1799–1862) reiste von März 1834 bis Januar 1835 in den Orient, unter anderem um tropische Krankheiten zu studieren. […] Über Venedig und Triest und per Schiff über die Adria reiste er nach Korfu und weiter nach Athen (wo er sich eine Zeitlang aufhielt). Im zweiten Band schildert er die Weiterreise in die Türkei (von Smyrna

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

nach Konstantinopel) und nach Ägypten (Alexandria, Kairo, Pyramiden von Gizeh) und Palästina (Jaffa, Jerusalem). Von Beirut aus fuhr er über das Mittelmeer nach Rhodos und den Sporaden, besuchte zahlreiche Stätten im südlichen Griechenland und Makedonien und reiste schließlich von Athen aus wieder in seine Heimat. (Eutin-ReiseBestand.fp5).

Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 377; Kainbacher, 2002, S. 350; ADB, Bd. 29, S. 236–237; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1835–1841: Joseph Russegger (Joseph Ritter von Russegger) (Öst 1802–1863) 1841–1849. Russegger, Joseph: Reisen in Europa, Asien und Afrika, mit besonderer Rücksicht auf die naturwissenschaftlichen Verhältnisse der betreffenden Länder, unternommen in den Jahren 1835–1841, 4 Bände und ein Atlas, Stuttgart: Schweizerbart, 1841–1849. [1. Bd., 1. Theil: Reise in Griechenland, Unteregypten, im nördlichen Syrien und südöstlichen Kleinasien […] unternommen in dem Jahre 1836, Stuttgart, 1841; 1. Bd., 2. Theil: Reise in Griechenland, Unteregypten, im nördlichen Syrien und südöstlichen Kleinasien unternommen in dem Jahre 1836, Stuttgart, 1843; 2. Bd., 1. Theil: Reise in Egypten, Nubien und Ost-Sudan unternommen in den Jahren 1836, 1837 und 1838. Erste Reise durch Egypten und Nubien, Stuttgart, 1843; 2. Bd. 2. Theil: Reise in Egypten, Nubien und Ost-Sudan unternommen in den Jahren 1836, 1837 und 1838, Reise in Ost-Sudan, Stuttgart, 1844; 2. Bd. 3. Theil: Reise in Egypten, Nubien und Ost-Sudan unternommen in den Jahren 1836, 1837 und 1838. Zweite Reise durch Nubien und Egypten, Stuttgart, 1846; 3. Bd.: Reise in Unter-Egypten, auf der Halbinsel des Sinai und im gelobten Lande unternommen in den Jahren 1838 und 1839, Stuttgart, 1847; 4. Bd.: Reise in der Levante und in Europa … unternommen in den Jahren 1839 bis 1841, Stuttgart, 1848; 5. Atlas, Stuttgart: Schweizerbart, 1842–1848]. Weitere Editionen und Literatur: 1988. Abenteuer Ostafrika, der Anteil Österreich-Ungarns an der Erforschung Ostafrikas, Katalog der Ausstellung in Schloss Halbturn 11. Mai bis 28. Oktober 1988, Eisenstadt: Amt der Burgenländischen Landesregierung, 1988. [hier besonders S. 277]. 1990. Benkovic, Matthias: Joseph Russegger, ein Bericht über seine Afrikareisen als Beispiel für offizielle Expeditionsunternehmen im 19. Jahrhundert, Wien, 1990. [180 Bl.]; [Univ., Diplomarbeit]. 2002. Disselbacher, Katharina: Das Alltagsleben auf den Reisen Joseph Russeggers, Wien, 2002. [163 Bl.]; [Univ., Diplomarbeit]. 2002. Khalifa, Mohammed: Die literarische Darstellung Ägytens und des orientalischen Lebens in der deutschsprachigen Reiseliteratur. Eine kritische Ana-

1836–1837: Gotthilf Heinrich von Schubert (1780–1860) 

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lyse der Reiseberichte Joseph von Russegers, Salzburg, 2002. [249 Bl.]; [Dissertation]. Kommentar: Wissenschaftliche Expedition im Auftrag von Mohammad Ali zur Erschließung verschiedener Erzlager. Siehe dazu auch den Parallelbericht des Botanikers Theodor Kotschy, der Russegger von 1836 bis 1839 bei seinen Afrikareisen begleitet. Quellen: Linke, 1967, S. 326; Wolf-Crome, 1977, S. 550; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 382; Kainbacher, 2002, S. 356.

1836–1837: Gotthilf Heinrich von Schubert (1780–1860) 1838–39. Gotthilf Heinrich von Schubert: Reise in das Morgenland in den Jahren 1836 und 1837, Erlangen: Palm und Enke, 1838–1839. [Neue Auflage: 1840]. Weitere Editionen und Literatur: 1980. Rössler, Alice (Hg.): Gotthilf Heinrich Schubert, Gedenkschrift zum 200. Geburtstag des romantischen Naturforschers, Erlangen, 1980. Kommentar: Gotthilf Heinrich von Schubert, geb. am 26.04.1780 in Hohenstein, gest. am 30.06.1860 in Laufzorn bei München, Arzt, Schriftsteller, bedeutender Naturforscher und Naturphilosoph der Romantik, Professor der Naturgeschichte in Erlangen, 1827 Professor der allgemeinen Naturgeschichte in München. 1836– 1837 Reise nach Palästina: am 06.09.1836 reist er von Kairo über Suez, Sinai, Akaba und Hebron nach Jerusalem und am 28.09.1837 erfolgt seine Rückkehr nach München. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 553; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 387; Kalfatovic, 1992, S. 126; BBKL, Band IX, 1995, Spalten 1030–1040 (von Dieter Wölfel); Kainbacher, 2002, S. 379.

1836–1839: Theodor Kotschy (Öst. 1813–1866) 1857. Kotschy, Theodor: Allgemeiner Überblick der Nilländer und ihrer Pflanzenbekleidung, Wien: K. k. Geographische Gesellschaft, 1857. 1858. Kotschy, Theodor: Die Vegetation und der Canal auf dem Isthmus von Suez. Eine Skizze, Wien: Ueberreuter, 1858. 1858. Kotschy, Theodor: Allgemeiner Ueberblick der Nillaender und ihrer Pflanzenverteilung, Wien, 1858. [Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft Wien]. 1862. Kotschy, Theodor: „ [Theodor Kotschy’s] Reise nach Kordofan 1839, [nach des Reisenden unveröffentlichtem Tagebuche] “. In: August Heinrich Peter-

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

mann: Nubische Wüste, Bajuda-Steppe, Darfur, Kordofan und Takale, Land der Dinka und Nuehr, Dar Fertit u.s.w., Gotha: Perthes, 1862. 1864. Kotschy, Theodor: Ueber Reisen und Sammlungen des Naturforschers in der asiatischen Tuerkei, in Persien und den Nillaendern, Wien, 1864. [Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien, Bd. 3, S. 251–296]. 1867. Kotschy, Theodor: Der Nil, seine Quellen, Zuflüsse, seine Länder und deren Bewohner. Vortrag gehalten am 5. Februar 1866, Wien: Gerold, 1867. [Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wien, Bd. 6, S. 235–306]. 1868. Schweinfurth, Georg (Hg.): Reliquiae Kotschyanae, Beschreibung und Abbildung einer Anzahl unbeschriebener oder wenig gekannter Pflanzenarten welche Theodor Kotschy auf seinen Reisen in den Jahren 1837 bis 1839 als Begleiter Joseph’s von Russegger in den südlich von Kordofan und oberhalb Fesoglu gelegenen Bergen der freien Neger gesammelt hat, hg. nebst einer biographischen Skizze Theodor Kotsch’s von O.[skar] Kotschy, Berlin: Reimer, 1868. Weitere Editionen und Literatur: 1960. Rechinger, K. H.: „Theodor Kotschy, ein Pionier der botanischen Orientforschung“. In: Taxon, 9/2 (Feb. 1960), S. 33–35. [International Association for Plant Taxonomy]. 2001. Seipel, Wilfried (Hg.): Die Entdeckung der Welt – die Welt der Entdeckungen. Österreichische Forscher, Sammler, Abenteurer. Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien mit Museum für Völkerkunde, Milano, 2001. Kommentar: Theodor Kotschy, geb. am 15.04.1813 in Ostrau bei Tetschen in Österreich-Schlesien; gest. am 11.06.1866 in Wien, Botaniker und Orientreisender. 1836–1839 begleitet er Joseph Russegger bei der Forschungsreise nach Syrien, Ägypten und im Sudan. Bis 1862 weitere Reisen: 1839 Kordofan, 1840 Zypern, 1841 Kleinasien, 1842–1843 Persien, 1855 Ägypten und Palästina, 1859 Zypern, Kleinasien, Kurdistan und 1862 Zypern und Nordsyrien. Quellen: Kalfatovic, 1992, S. 129; Kainbacher, 2002, S. 224; ADB, Bd. 16, S. 763–764 (von Heinrich Wilhelm Reichardt).

1837: Johann Georg Fässler (Johann G. Fässler) 1840. Fässler, Johann Georg: [Des Sergeanten Johann Georg Fässler von Oberuzwyl] Militär-Schicksale und Reise nach Griechenland, Ägypten und dem gelobten Lande, von ihm selbst erzählt, St. Gallen und Bern: Huber, 1840. [Reisejahr ist 1837, laut Röhricht, Bibliotheca, 1982, S. 386].

1837: Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) 

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Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 23; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 386; Kainbacher, 2002, S. 113.

1837: Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) 1844. Pückler-Muskau, Hermann von: Aus Mehemed Ali’s Reich. Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen, 3 Bde., Stuttgart: Hallerberger, 1844. [Bd. 1: Unter-Aegypten, IV, 368 S.; Bd. 2: Ober-Aegypten, 366 S.; Bd. 3: Nubien und Sudan, 344 S.]; [Werk ursprünglich anonym erschienen]. Weitere Editionen und Literatur: 1846. Pückler-Muskau, Hermann von: Die Rückkehr. Vom Verfasser der Briefe eines Verstorbenen, 3 Bde., Berlin: Duncker, 1846–1848. [Bd. 1: Aegypten, 1846, 288 S.; Bd. 2: Syrien, 1847, 379 S.; Bd. 3: Syrien und Kleinasien, 1848, 455 S.]; [Werk ursprünglich anonym erschienen]. 1873–1874/2004. Assing, Ludmilla: Fürst Hermann von Pückler-Muskau, eine Biographie, 2 Bde., Hamburg/Berlin, 1873–1874. [Bd. 1, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1973; Bd. 2, Berlin: Wedekind & Schwieger, 1874.]; [ND, Hildesheim: Olms, 2004]. 1923. Gaab, Irma: Fürst Hermann Ludwig Pückler-Muskau (1785–1871). Seine Stellung zu den Zeitströmungen und seine Bedeutung als Reiseschriftsteller, [München], 1923. [München, Phil. Dissertation von 14. Juli 1922]; [Irma Mayring-Gaab bzw. Irma Gaab]. 1963. Pückler-Muskau, Hermann von: Fürst Pücklers orientalische Reisen. Aus den abenteuerlichen Berichten des weltkundigen Fürsten Hermann von Fürst Pückler-Muskau, hg. u. m. einem Nachw. von Helmut Wiemken, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1963. [438 S.]; [2. Aufl. 1964]; [and. Ausgabe, hg. u. m. einem Nachw. von Erwin Wackermann, Hamburg: Hoffmann und Campe, 1966]. 1981. Bender, Brigitte: Ästhetische Strukturen der literarischen Landschaftsbeschreibung in den Reisewerken des Fürsten Pückler-Muskau, Frankfurt a.M., 1982. [Frankfurt a.M., Univ., Dissertation, 1981]. 1990. Vollers-Sauer, Elisabeth: „Ein interkultureller Fürst auf Reisen: Hermann Pückler-Muskau: Aus Mehemed Alis Reich. Ägypten und der Sudan um 1840“. In: Welfengarten. Jahrbuch für Essayismus, 1 (1990), S. 112–122. 1991. Vollers-Sauer, Elisabeth: „Über das ‚Interesse an den ägyptischen Angelegenheiten‘ des Hermann Fürst von Pückler-Muskau“. In: Kairoer germanistische Studien, 5 (1991), S. 103–117. 1993. Jelaffke, Cordula: Fürst Pückler. Biographie, Berlin, 1993. 1994. Khattab, Aleya: „Geschichtsverfälschung oder literarische Darstellung von Geschichte? Zur literaturhistorischen Stellung der Reisebeschreibung ‚Aus

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Mehemed Alis Reich‘ (1840) von Hermann Fürst von Pückler-Muskau“. In: Kairoer germanistische Studien, 8 (1994–95), S. 117–150. 1994. Pückler-Muskau, Hermann von: Aus Mehemed Alis Reich, Ägypten und der Sudan um 1840, m. einem Nachw. von Günther Jantzen u. einem biogr. Essay von Otto Flake, 3. Aufl., Zürich, 1985. [831 S.]; [Manesse Bibliothek der Weltgeschichte]. 1998. Kleßmann, Eckart: Fürst Pückler und Machbuba, Berlin, 1998. 1999. Steinecke, Hartmut: „‚Reisende waren wir beide‘. Pückler-Muskau und Heine, London, Frühjahr 1827. Aspekte der Reiseliteratur vor der Julirevolution“. In: Vormärz und Klassik, hg. von Lothar Ehrlich, Bielefeld, 1999, S. 163–180. 2002. Krönert, Hans-Hermann: Der tolle Pückler, Hermann Fürst von PücklerMuskau in Selbstzeugnissen und im Urteil seiner Zeitgenossen, Cottbus, 2002. 2004. Gloßmann, Erik: Hermann von Pückler-Muskau, Leipzig, 2004. 2004. Jahn, Peter Milan: „Hermann Fürst von Pückler-Muskau als Schriftsteller in Ägypten“. In: Kairoer germanistische Studien, 14 (2004), S. 227–262. 2005. Ohff, Heinz: Der grüne Fürst, das abenteuerliche Leben des Fürsten Pückler-Muskau, 6. Aufl., München/Zürich, 1991. 2005. Thurnher, Eugen: „Jakob Philipp Fallmerayer und Hermann Fürst Pückler-Muskau, die Reiseschilderung als Akt politischer Willensbildung im XIX. Jahrhundert“. In: Thurnher, Eugen: Zwischen siebzig und achtzig Studien zur deutschen Geistesgeschichte, Innsbruck, 2005, S. 256–265. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 542f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 391; Kalfatovic, 1992, S. 129; Dawson, Egyptology, 1995, S. 345; Kainbacher, 2002, S. 326; Freller, 2007, S. 204–214; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1837: Joseph Salzbacher (Öst. 1790–1867) 1839. Salzbacher, Joseph: Erinnerungen aus meiner Pilgerreise nach Rom und Jerusalem im Jahre 1837, 2 Bde., Wien: Grund, 1839. [2. Aufl., Wien: Wimmer in Comm., 1840]; [Bd.1: Reise von Wien über Rom, die Ionischen Inseln, Griechenland nach Ägypten]. Kommentar: Salzbacher (17.03.1790, St. Pölten bis 10.08.1867, Baden), katholischer Theologe und Schriftsteller, unternimmt 1837 eine Pilgerreise nach Jerusalem über Ägypten. Quellen: Röhricht, 1989, S. 387; Kainbacher, 2002, S. 358; ADB, Bd. 30, S. 289–290.

1837: Johann Nepomuk Visino (J. N. Visino/J. U. Visino) 

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1837: Johann Nepomuk Visino (J. N. Visino/J. U. Visino) 1840. Visino, Johann Nepomuk: Meine Wanderung nach Palästina, in Briefen an einen Geistlichen der Diözese Passau, Passau: Pustet, 1840. [XIV, 495 S., [8] Faltbl., Ill., Kt.]. Weitere Editionen und Literatur: 1843. Visino, Johann Nepomuk: Pelgrims-reize uit Griekenland, over Egypte, naar Palestina, behelzende eene opgave van de geschiedenis en den tegenwoordigen toestand van alle voor den Christen merkwaardige plaatsen in het Heilige Land, in brieven aan eenen geestelijken te Passau, uit het Hoogduitsch, Zwartsluis, R. van Wijk Anthz., 1843. Kommentar: 1834 bis 1838 eventuell Garnisonspfarrer in Athen. 1837 Pilgerreise über Ägypten nach Palästina (vgl. Röhricht, 1989). 1839 von Karl von Closen als Pfarrer in Gern eingestellt. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 388.

1837–1839: Ignatius Pallme (Ignaz Pallme) (Böhmen 1806–1877) 1843. Pallme, Ignatius: Beschreibung von Kordofan und einigen angränzenden Ländern, nebst einem Ueberblick ueber den dasigen Handel, die Sitten und Gebraeuche der Einwohner und die unter der Regierung Mehemed Ali’s stattgefundenen Sklavenjagden, von Ignaz Pallme während dessen Anwesenheit in den Jahren 1838 bis 1839 verfaßt, Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1843. [XII + 220 S.]; [Reisen und Länderbeschreibungen der älteren und neuesten Zeit; 24]. Weitere Editionen und Literatur: 1844. Pallme, Ignatius: Travels in Kordofan, London, Madden, 1844. 1851. Pallme, Ignatius: Beschrijving van Kordofan en eenige aangrenzende landen, benevens een overzigt van den handel aldaar, de zeden en gewoonten der inwoners, en de slavenjagten onder Mehemed-Ali, opgesteld door Ignaz Pallme, Te Zwolle, Willink, 1851. 1938. Lumpe, Josef: „Die Afrikaforscher Ignaz Pallme. Eine wissenschaftliche Studie“. In: Der Ackermann aus Böhmen, 1938, S. 121–127, 175–178 und 216–222. 2002. Pallme, Ignatius: Beschreibung von Kordofan und einigen angränzenden Ländern, m. einer Einl. von Michael H. Zach, hg. von Paul Kainbacher, 1. Aufl., Baden b. Wien, 2002. [Sammlung von Afrika-Reisebeschreibungen österreichischer Forschungsreisender; Bd. 3]; [XVIII + 264 S. + Ill.]. 2002. Walter Sauer (Hg.): k. u. k. kolonial. Habsburgermonarchie und europäische Herrschaft in Afrika, Wien u.a., 2002.

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Kommentar: Reise aus kaufmännischen Interessen. Parallelbericht zu Joseph Pallme (Bruder). Quellen: Eutin-ReiseBestand.fp5.

1837–1843: Karl Wilhelm Isenberg (1806–1864) 1843. Isenberg, Karl Wilhelm; Krapf, Johann Ludwig: The journals of C. W. Isenberg and J[ohann] L[udwig] Krapf, detailing their proceedings in the Kingdom of Shoa and journeys in other parts of Abyssinia in the years 1839, 1840, 1841 and 1842, to which is prefixed a geographical memoir of Abyssinia and South Eastern-Africa, by James M[ac] Queen, grounded on the missionaries’ journals and the expedition of the Pacha of Egypt up the Nile, with 2 maps constructed by James M’Queen, London: Seeley, Burnside and Seeley, 1843. [Church Missionary Society]; [ND, London: Cass, 1968; XXVII, 95, 529 S.; Cass-library of African studies. Travels and narratives; 34]. 1844. Isenberg, Karl Wilhelm: Abessinien und die evangelische Mission, Erlebnisse in Aegypten, auf und an dem rothen Meere, dem Meerbusen von Aden, und besonders in Abessinien. Tagebuch meiner dritten Missionsreise vom Mai 1842 bis December 1843, nebst einer geographischen, enthnographischen und historischen Einleitung, bevorwortet von C. I. Nitzsch, mit einer Karte, 2 Bde., Bonn: Marcus, 1844. Kommentar: Isenberg, evangelischer Missionar, geb. am 05.09.1806 in Barmen, gest. am 10.10.1864 in Korntal, Klempnerlehre (1820), Ende 1824 in Basel, um die Ausbildung für den Missionsdienst zu beginnen, dreijähriges Studium in Berlin, Lehrer des Griechischen, Pilger- und Studienreise nach Jerusalem und Ägypten, Missionstätigkeit in Abessinien (in Begleitung seiner Frau Henriette), in Adoa, später in Schoa (mit Blumenberg und Krapf), 1840 Rückreise nach Europa, wieder in Abessinien, Ende 1843 wieder in der Heimat, lange Missionstätigkeit in Indien (Bombay). Siehe auch Johann Ludwig Krapf. Quellen: BBKL, Bd. II, 1990, Spalte 1367–1368 (von Reinhard Tenberg); Kalfatovic, 1992, S. 141; Kainbacher, 2002, S. 190; ADB, Bd. 14, S. 614–618.

1837–1855: Johann Ludwig Krapf (1810–1881) 1858. Krapf, Johann Ludwig: Reisen in Ost-Afrika, ausgeführt in den Jahren 1837–1855, von J. L. Krapf, Phil. Dr. vormals Missionar in Abessinien und den Aequator-Gegenden, 2 Teile, Kornthal: im Selbstverl. des Verf. Stuttgart, in Commission bei W. Stroh, 1858. [Teil 1: Des Verfassers Erlebnisse. Missions-

1838: Herzog Maximilian in Bayern (1808–1888) 

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thätigkeit und Reisen in Nord- und Süd-Ost-Afrika (Abessinien und die Aequator-Gegenden), XIV, 505 S.; Teil 2: Meine grössere Reisen in Ostafrika, 521 S., [1] Bl.: Kt.]; [ND, m. einer Einf. von Hanno Beck, Stuttgart, 1964; XXX, 505, 521 S., 1 Kt.; Quellen und Forschungen zur Geschichte der Geographie und der Reisen]; [ND, m. einer Einf. hg. von Werner Raupp, Münster/Hamburg, 1994; XII, 505, 521 S.; Afrikanische Reisen; 2]. Weitere Editionen und Literatur: 1843. Isenberg, Karl Wilhelm; Krapf, Johann Ludwig: The journals of C. W. Isenberg and J[ohann] L[udwig] Krapf, detailing their proceedings in the Kingdom of Shoa and journeys in other parts of Abyssinia in the years 1839, 1840, 1841 and 1842, to which is prefixed a geographical memoir of Abyssinia and South Eastern-Africa, by James M[ac] Queen, grounded on the missionaries’ journals and the expedition of the Pacha of Egypt up the Nile, with 2 maps constructed by James M’Queen, London: Seeley, Burnside and Seeley, 1843. [Church Missionary Society]; [ND, London: Cass, 1968; XXVII, 95, 529 S.; Cass-library of African studies. Travels and narratives; 34]. 1954. Vortisch, Hermann: Bahnbrecher in Afrika, das Leben von Dr. Johann Ludwig Krapf, Witten (Ruhr): Bundes-Verl., 1954. 2001. Gütl, Clemens: Johann Ludwig Krapf, ‚do’ Missionar vo’ Deradenga‘ zwischen pietistischem Ideal und afrikanischer Realität, Hamburg, 2001. 2006. Eber, Jochen: Johann Ludwig Krapf. Ein schwäbischer Pionier in Ostafrika, [Biografie], Riehen/Basel, 2006. Kommentar: Krapf, geb. am 11.01.1810 in Derendingen (bei Tübingen), gest. am 26.11.1881 in Korntal (bei Stuttgart), lutherischer Missionar in Afrika, reist auf seinen Missionsreisen in Afrika mehrmals durch Ägypten. Siehe auch Karl Wilhelm Isenberg. Quellen: BBKL, Bd. IV, 1992, Spalten 606–608 (von Karl Knauß); ADB, Bd. 17, S. 49–55 (von Karl Friedrich Ledderhose); NDB, Bd. 12, S. 676 f. (von Hans Jürgen Rieckenberg).

1838: Herzog Maximilian in Bayern (1808–1888) 1839. Maximilian Herzog in Bayern: Wanderung nach dem Orient im Jahre 1838, unternommen und skizzirt von dem Herzoge Maximilian in Bayern, München: Franz, 1839. [2. Aufl., München: Franz, 1840]. Weitere Editionen und Literatur: 1978. Maximilian Herzog in Bayern: Wanderung nach dem Orient im Jahre 1838, unternommen u. skizziert von d. Herzoge Maximilian in Bayern, hg. von Walter Hansen, Pfaffenhofen: Ludwig, 1978. [155 S., zahlr. Ill.]. [Enth. aus-

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

zugsweise den Reisebericht Herzog Maximilians im Neudruck sowie 29 der 60 Lithographien von Heinrich von Mayr, die selbständig darin erschienen waren]. Kommentar: Herzog Maximilian Joseph in Bayern, geb. am 04.12.1808 in Bamberg, gest. am 15.11.1888 in München, bayerischer Herzog, Volksmusikförderer und Literat (literarische Werke unter dem Namen „Phantastus“ erschienen), Reise in den Orient 1838, u.a. Ägypten und Nubien. Der Maler Heinrich von Mayr begleitet den Herzog auf seiner Reise. Siehe auch Heinrich von Mayr. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 389; Kainbacher, 2002, S. 264.

1838: Heinrich von Mayr (1806–1871) 1839–40. Mayr, Heinrich von: Malerische Ansichten aus dem Orient, gesammelt auf der Reise Seiner Hoheit des Herrn Herzogs Maximilian in Bayern nach Nubien, Aegypten, Palaestina, Syrien und Malta im Jahre 1838, München: Weigel, 1839–1840. [Kupfertitel und 60 Tafeln]. 1846–50. Mayr, Heinrich von: Genre-Bilder aus dem Oriente, gesammelt auf der Reise […] des Herzogs Maximilian in Bayern u. gez. von Heinrich von Mayr, m. erkl. Texten von Sebastian Fischer, Stuttgart: Ebner & Seubert, 1846–1850. Kommentar: Mayr begleitet 1838 den Herzog Maximilian von Bayern auf seiner Reise in den Orient. Siehe dazu den Reisebericht von Herzog Maximilian von Bayern. Quellen: Kainbacher, 2002, S. 265; ADB, Bd. 21, S. 139–141.

ca. 1840: Karl von Hailbronner (Carl von Hailbronner) (1788–1864) 1841. Hailbronner, Karl von: Morgenland und Abendland. Bilder von der Donau, Türkei, Griechenland, Aegypten, Palästina, Syrien, dem Mittelmeer, Spanien, Portugal und Südfrankreich, 3 Bde., Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1841. [2. Aufl., 2 Bde., 1845]. Kommentar: das Reisejahr (1840) geht auf Röhricht (Bibliotheca, 1989, S. 397) zurück. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 397f.; Kainbacher, 2002, S. 156; ADB, Bd. 10, S. 386.

1840–1841 Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877) 

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1840–1841 Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877) 1842. Hackländer, Friedrich Wilhelm: Daguerreotypen, aufgenommen während einer Reise in den Orient in den Jahren 1840 und 1841, 2 Bde. Stuttgart: Krabbe, 1842. Weitere Editionen und Literatur: 1846. Hackländer, Friedrich Wilhelm: Reise in den Orient, 2., verb. Aufl. der Daguerreotypen, 2 Bde., Stuttgart: Krabbe, 1846. 1875. Hackländer, Friedrich Wilhelm: Reise in den Orient, 3. Aufl., Stuttgart: Kröner, 1875. [F. W. Hackländers Werke, erste Gesamt-Ausgabe, Bd. 8 und 9]. 1997. Siebel, Hans Peter: F. W. Hackländer, eine Bibliographie, Klassifikation, Beschreibung, Text-Vergleiche, Heidelberg: Mattes, 1997. 2004. Hackländer, Friedrich Wilhelm: Reise in den Orient, Hildesheim: Olms, 2004. [Documenta Arabica, Teil 1, Reiseliteratur]; [Neudr. nach der 2., verb. Aufl. der Daguerreotypen, Stuttgart 1846]. Kommentar: Friedrich Wilhelm Ritter von Hackländer, deutscher Schriftsteller, (1816–1877), reist 1840 mit Baron Wilhelm von Taubenheim, dem erstem Stallmeister des württembergischen Königs, in den Orient (Beirut, Damaskus, Jerusalem, Ägypten). Die Gruppe soll dort Araberpferde kaufen. Das Werk beinhaltet keine Daguerreotypen, die damals aufkommenden Fotographien. Hackländer benutzt den Begriff im Buchtitel eher als Hinweis auf wirklichkeitsgetreue Darstellung. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 398f.; Kainbacher, 2002, S. 153; ADB, Bd. 10, S. 296f.; NDB, Bd. 7, S. 412f.

1840–1841: Ferdinand Werne (1800–1874) 1848. Werne, Ferdinand: Expedition zur Entdeckung der Quellen des Weißen Nils (1840–1841), m. einem Vorw. von Carl Ritter, Berlin: Reimer, 1848. [543S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1851. Werne, Ferdinand: Feldzug von Sennar nach Taka, Basa und Deni-Amer mit besonderem Hinblick auf die Völker von Bellad-Sudan, Stuttgart: zu Guttenberg, 1851. [272S.]. 1852. Werne, Ferdinand: Reise durch Sennar nach Mandera, Nasub, Cheli im Lande zwischen dem blauen Nil und dem Athara, Berlin: Duncker, 1852. [125S.]. 1860. Werne, Ferdinand: Beitrag zur Kunde des Innern von Afrika. Die Völker Ost-Sudans und der Feldzug der Türken von Sennaar nach Taka, Basa und Beni-Amer, mit dem Bildnis des Verfassers, 2 Lithogr. u. 1 Kte, Stuttgart: Beck, 1860. [272 S.]

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

1988. Henn, Alexander: Reisen in vergangene Gegenwart. Geschichte und Geschichtlichkeit der Nicht-Europäer im Denken des 19. Jahrhunderts. Die Erforschung des Sudan, Berlin, 1988. [Mainzer Ethnologica 3]; [Mainz, Univ., Dissertation, 1987]. Kommentar: Afrikaforscher, Teilnahme an der Expedition zur Erforschung der Quellen des weißen Nils zwischen November 1840 und April 1841, im Auftrag von Mehmed Ali. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 74; Kainbacher, 2002, S. 446.

1842: Ida Pfeiffer (Öst. 1797–1858) 1844. Pfeiffer, Ida: Reise einer Wienerin in das heilige Land, nähmlich, von Wien nach Konstantinopel, Brussa, Beirut, Jaffa, Jerusalem, dem Jordan und todten Meere, nach Nazareth, Damaskus, Balbeck und dem Libanon, Alexandrien, Kairo, durch die Wüste an das rothe Meer, und zurück über Malta, Sicilien, Neapel, Rom u.s.w., unternommen im März bis Dezember 1842, nach den Notaten ihrer sorgfältig geführten Tagebücher von ihr selbst beschrieben, 2 Theile, Wien: Dirnböck, 1844. [Tl.1: 1 Taf., VIII, S.1–139; Tl.2: 1 Bl., S.140–338]; [2. verb. Aufl., 1845; 3. verb. Aufl., 1846; 4. verb. Aufl., 1856]. Weitere Editionen und Literatur: 1861. Pfeiffer, Ida: Reise nach Madagaskar, nebst einer Biographie der Verfasserin, nach ihren eigenen Aufzeichnungen, Wien: Gerold, 1861. 1910. Lebzelter, Ferdinand Franz: Die österreichische Weltreisende Ida Pfeiffer (1797–1858), mit besonderer Berücksichtigung der naturwissenschaftlichen Ergebnisse ihrer Reisen, Wien: Winkler und Wagner, 1910. 1920. Stökl, Helene: Die Weltfahrten der österreichischen Reisenden Ida Pfeiffer, Wien: Österreichischer Schulbücherverl., 1920. 1927. Erichsen, Maren: Ida Pfeiffer die kühne Weltreisende, Heidenau: Freya, [1927]. 1969. Pfeiffer, Ida: Reise einer Wienerin in das Heilige Land, hg. u. bearb. von Ludwig Plakolb nach der im Verl. Jakob Dirnböck erschienenen Orig.-Ausg. Wien 1844, Stuttgart, 1969. [325 S.]; [andere Ausgabe: Stuttgart/Hamburg, 1969]; [Bibliothek klassischer Reiseberichte]; [wieder erschienen, Frankfurt a.M., 1980]. 1993. Pfeiffer, Ida: Reise einer Wienerin in das Heilige Land, Gütersloh, 1993. 1995. Pfeiffer, Ida: Reise in das Heilige Land, Konstantinopel, Palästina, Ägypten im Jahre 1842, hg. u. Vorw. von Gabriele Habinger, Wien, 1995. 1989. Jehle, Hiltgund: Ida Pfeiffer, Weltreisende im 19. Jahrhundert. Zur Kulturgeschichte reisender Frauen. Münster, 1989. [Internationale Hochschulschriften, 13]; [Freiburg (Breisgau), Univ., Dissertation, 1988].

1842–1845: Karl Richard Lepsius (Carl Richard Lepsius) (1810–1884) 

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1996. Schulzki-Haddouti, Christiane: Identität und Wahrnehmung bei Ida von Hahn-Hahn und Ida Pfeiffer anhand ihrer Orientberichte, Hildesheim, 1996. [Diplomarbeit, 1996]. 1997. Donner, Eka: Und nirgends eine Karawane. Die Weltreisen der Ida Pfeiffer (1797 – 1858), Düsseldorf, 1997. [wieder erschienen: 2003]. 1997. Habinger, Gabriele: Eine Wiener Biedermeierdame erobert die Welt. Die Lebensgeschichte der Ida Pfeiffer (1797–1858), Wien, 1997. 2000. Dabak, Shubhangi: Images of the Orient in the travel writings of Ida Pfeiffer and Ida Hahn-Hahn, Ann Arbor, 2000. [Michigan State Univ., Dissertation, 1999]. 2004. Habinger, Gabriele: Ida Pfeiffer. Eine Forschungsreisende des Biedermeier, Wien, 2004. [Feministische Theorie; 44]. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 540f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 403; Kalfatovic, 1992, S. 141; Kainbacher, 2002, S. 312f.; Eutin-ReiseBestand.fp5.

1842–1845: Karl Richard Lepsius (Carl Richard Lepsius) (1810–1884) 1852. Lepsius, Karl Richard: Briefe aus Aegypten, Aethiopien und der Halbinsel des Sinai geschrieben in den Jahren 1842–1845 während der auf Befehl Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preußen ausgeführten wissenschaftlichen Expedition von Richard Lepsius, Berlin: Hertz, 1852. [XII, 456 S., Ill., 1 Kt.]; [ND, Osnabrück, 1975]. Weitere Editionen und Literatur: 1845. Lepsius, Karl Richard: Reise des Prof. Lepsius von Theben nach der Halbinsel des Sinai vom 4. März bis zum 14. April 1845, Berlin: Akademischen Buchdruckerei, 1845. [52 S.]; [andere Ausgabe: Berlin: Schade, 1846]. 1846. Lepsius, Karl, Richard: A Tour from Thebes to the peninsula of Sinai, by Professor R[ichard] Lepsius of Berlin, between march 4 and april 14, 1845, transl. from the German by Charles Herbert Cottrell, London: Petheram, 1846. [92 S.]. 1847. Lepsius, Karl, Richard: Voyage de M. le professeur [Richard] Lepsius dans la presqu’île du Sinaï du 4 mars au 14 avril 1845, trad. de l’allemand par F. Pergameni, Secretaire intime de S. Ex. M. le Baron d’Arnim, Paris: L. Martinet, 1847. [Bulletin de la Soc. de géographie, Juin 1847]; [48 S.]. 1850–1855. Lepsius, Karl Richard: Denkmäler aus Aegypten und Aethiopien, nach den Zeichnungen der von seiner Majestät dem Könige von Preussen Friedrich Wilhelm IV nach diesen Ländern gesendeten und in den Jahren 1842–1845 ausgeführten wissenschaftlichen Expedition auf Befehl seiner Majestät, Berlin: Nicolai, 1849–1858.

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

1853. Lepsius, Karl Richard: Discoveries in Egypt, Ethiopia and the peninsula of Sinai, in the years 1842–1845, during the mission sent out by his majesty, Frederick William IV of Prussia, London: R. Bentley, 1853. 1962. Scurla, Herbert (Hg.): Reisen im Orient. Carsten Niebuhr, Ulrich Jasper Seetzen, Richard Lepsius, Heinrich Brugsch. Berichte deutscher Forscher aus dem 18. und 19. Jahrhundert, ausgew. u. eingel. von H. Scurla, 2. Aufl., Berlin, 1962. [1. Aufl., 1961]. 1996. Freier, Elke; Grunert, Stefan: Reise durch Ägypten. Nach Zeichnungen der Lepsius-Expedition 1842–1845, m. einem Beitrag von Michael Freitag, Leipzig, 1996. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 532f.; Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 35; Kalfatovic, 1992, S. 143f.; Dawson, Egyptology, 1995, S. 349f.; Kainbacher, 2002, S. 241; Eutin-ReiseBestand.fp5; ADB, Bd. 51, S.659–670 (von Eduard Naville); NDB, Bd.14, S.308f. (von Jürgen Settgast).

1842–1845: Leopold von Orlich (1804–1860) 1845. Orlich, Leopold von: Reise in Ostindien in Briefen an Alexander von Humboldt und Carl Ritter, Leipzig: Mayer und Wigand, 1845. [298 S.]; [Bildliche Darstellungen zu Leopold von Orlichs Reise in Ost-Indien]; [2 Bde., 2. durchges. u. verm. Aufl., Leipzig: Mayer, 1845]; [3. durchges. Aufl. Leipzig: Mayer, 1858]; [Englisch erschienen: London, 1845]; [ND: Lahore, 1976]. Kommentar: Reise über Ägypten nach Indien (1842); Rückreise über Ägypten und Treffen mit Mohammad Ali 1845. Leopold von Orlich, geb. am 30.06.1804 in Stallupönen, gest. am 02.06.1860 in London, Schriftsteller, Offizier im preussischen Kaiser-Alexander-Regiment, 1842 Reise nach Indien, um am Krieg der Engländer gegen die Sikh teilzunehmen, 1843 Rückreise. 1848 nimmt er als Major Abschied. Bis zu seinem Tode hält er sich in London auf. Quellen: Kainbacher, 2002, S. 298; ADB, Bd. 24, S. 424–426 (von Friedrich Ratzel).

1843–1844: Ida von Hahn-Hahn (1805–1880); (Ida Marie Louise Friederike Gustava Gräfin von Hahn-Hahn), Schriftstellerin, Lyrikerin und Ordensgründerin. 1844. Hahn-Hahn, Ida von: Orientalische Briefe, 3 Bde., Berlin: Duncker, 1844. [Bd. 1: VIII, 383 S.; Bd. 2: 346 S.; Bd. 3: 406 S.]; [1991 hg. m. Vorwort von Gabriele Habinger, Wien, 1991; 342 S.; Edition Frauenfahrten; Gekürzte Ausgabe].

1843–1844: Ida von Hahn-Hahn (1805–1880) 

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Weitere Editionen und Literatur: 1869. Lemaître, Elisabeth: Gräfin Ida Hahn-Hahn. Ein Lebensbild nach der Natur gezeichnet, Leipzig: Fleischer, 1869. 1879. Keiter, Heinrich: Ida Gräfin Hahn-Hahn. Ein Lebens- und Literaturbild, Würzburg: Woerl, 1879. [Katholische Studien; 5/12=60]. 1880. Haffner, Paul Leopold: Gräfin Ida Hahn-Hahn. Eine psychologische Studie, Frankfurt a.M.: Foesser, 1880. 1919. Munster, Katrien van: Die junge Ida Gräfin Hahn-Hahn, Graz, 1929. [Nymegen (Holland), Dissertation, 1919]. 1933. Schmid-Juergens, Erna Ines: Ida Gräfin Hahn-Hahn, Berlin: Ebering, 1933. [Germanische Studien; 144]; [München, Dissertation]; [ND, 1967]. 1975. Lüpke, Gerd: Ida Gräfin Hahn-Hahn. Das Lebensbild einer mecklenburg. Biedermeier-Autorin, Bremen: Giebel, 1975. 1980. Oberembt, Gert: Ida Gräfin Hahn-Hahn. Weltschmerz und Ultramontanismus. Studien zum Unterhaltungsroman im 19. Jahrhundert, Bonn, 1980. 1986. Geiger, Gerlinde Maria: Die befreite Psyche. Emanzipationsansätze im Frühwerk Ida Hahn-Hahns (1838–1848), Frankfurt a.M., 1986. 1996. Schulzki-Haddouti, Christiane: Identität und Wahrnehmung bei Ida von Hahn-Hahn und Ida Pfeiffer anhand ihrer Orientberichte, Hildesheim, 1996. [Diplomarbeit, 1996]. 1999. Steinmann, Martina: Fremder Orient, eine Untersuchung der „Orientalischen Briefe“ der Gräfin Ida Hahn-Hahn, Göttingen, 1999. [Göttingen, Magisterarbeit, 1999]. 2000. Dabak, Shubhangi: Images of the Orient in the travel writings of Ida Pfeiffer and Ida Hahn-Hahn, Ann Arbor, 2000. [Michigan State Univ., Dissertation, 1999]. 2002. Hilmes, Carola: „Aufbruch in den Orient. Lady Montagu, Lady Craven, Gräfin von Hahn-Hahn“. In: Abenteurer als Helden der Literatur, hg. von Horst Albert Glaser; Sabine Kleine-Roßbach, Stuttgart, 2002, S. 123–142. Quellen: Jolowicz, Bibliotheca Aegyptiaca, 1982, S. 26; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 408; BBKL, Bd. II, 1990, Spalten 476–477 (von Friedrich Wilhelm Bautz); Kalfatovic, 1992, S. 146; Kainbacher, 2002, S. 156; Eutin-ReiseBestand.fp5; ADB, Bd. 49, S. 711–718 (von Richard M. Meyer); NDB, Bd. 7, S. 498–500 (von Fritz Martini).

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 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

1844: Konstantin von Tischendorf (1815–1874); (Constantin; Lobegott Friedrich Constantin/Konstantin von Tischendorf); weitere Reisen: 1853 und 1859. 1846. Tischendorf, Konstantin von: Reise in den Orient, 2 Bde., Leipzig: Tauchnitz, 1846. [Bd. 1: XVI S., S. 17–319; Bd. 2: 319 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1871. Tischendorf, Konstantin von: Die Sinaibibel, ihre Entdeckung, Herausgabe und Erwerbung, Leipzig: Giesecke & Devrient, 1871. 1952. Behrend, Hildegard: Auf der Suche nach Schätzen. Aus dem Leben Constantin von Tischendorfs, Berlin, 1952. [mehrmals erschienen: 10., überarb. u. erw. Aufl., 1970]. 1953. Schlisske, Otto: Der Schatz im Wüstenkloster. Die abenteuerliche Entdeckg der ältesten Bibelhandschrift durch Constantin von Tischendorf, Stuttgart, 1953. [Neuwied, 1983]. 1985. Bentley, James: Secrets of Mount Sinai. The story of the Codex Sinaiticus, London, 1985. 1991. Schneller, Ludwig: Tischendorf-Erinnerungen, die abenteuerliche Entdeckung des „Codex Sinaiticus“, Lahr-Dinglingen, 1991. [Zuerst erschienen: Leipzig, 1927]. 1993. Aland, Kurt: Konstantin von Tischendorf (1815–1874). neutestamentliche Textforschung damals und heute, Berlin, 1993. 1999. Böttrich, Christoph: Bibliographie Konstantin von Tischendorf (1815–1874), zsgest. u. eingel. von Christfried Böttrich, Leipzig, 1999. 2004. Traudisch, François: Wüstensand und Pergamente, das abenteuerliche Forscherleben des Konstantin von Tischendorf, Leipzig, 2004. Kommentar: Tischendorf, geb. am 18.01.1805 in Lengenfeld (Vogtland), gest. am 07.12.1874 in Leipzig, evangelischer Theologe, Studium in Leipzig, Beschäftigung mit bibelkritischen Forschungen, drei Reisen auf der Sinai-Halbinsel (1844, 1853, 1859), wo er den Codex Sinaiticus entdeckt. Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 561f.; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 415f.; Kalfatovic, 1992, S. 148; BBKL, Bd. XII, 1997, Spalten 167–181 (von Klaus-Gunther Wesseling); Kainbacher, 2002, S. 421; ADB, Bd. 38, S. 371–373 (von Caspar René Gregory).

1844–1845: Harald Bagge (Harald Friedrich Anton Bernhard Bagge) (1817–1895) 1847. Bagge, Harald: Reise nach dem Orient, der europäischen Türkei, Aegypten, Nubien und Palästina, Frankfurt a.M.: Suchsland, 1847. [VI, 256 S.]. Kommentar: Bei Wolf-Crome findet sich folgender Eintrag:

1844–1845: Friedrich Adolph Strauss (Strauß) (1817–1888) 

 471

Arzt und Botaniker. Geb. 16.3.1817 in Coburg als Sohn des Direktors der Frankfurter Musterschule. Studium in Erlangen, Bonn, Berlin und Göttingen. Verf. promovierte am 28.8.1841 in Erlangen. Vom 14.9.1844 bis 18.6.1845 bereiste er den Orient. Tätigkeit als Armenarzt. Er war der letzte Physikus, der vom Freistaat Frankfurt/Main ernannt wurde, Mitglied der Senckenbergischen Stiftungsadministration seit 1863; von 1854–1863 war er Bibliothekar der Senckenberg-Bibliothek; ab 13.4.1874 Kgl. Kreis-physikus; 1887 Pensionierung. † am 14.1.1895 in Frankfurt/Main. Verf. war auch ein begabter Zeichner, seine Tochter eine in Frankfurt bekannte Malerin (Editha Wolf-Crome (Hg.), Pilger und Forscher im Heiligen Land, Gießen 1977, S. 510).

Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 510; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 417; Kalfatovic, 1992, S. 153; Kainbacher, 2002, S. 26.

1844–1845: Friedrich Adolph Strauss (Strauß) (1817–1888) 1847. Strauss, Friedrich Adolph: Sinai und Golgatha. Reise in das Morgenland, Berlin: Jonas, 1847. [VIII, 431 S.]; [4. Aufl., 1853; 7. Aufl, 1859; 10. Aufl., 1873; 11. Aufl., 1882]. Weitere Editionen und Literatur: 1991. Foerster, Frank: „Friedrich Adolph Strauß und der Jerusalem-Verein zu Berlin“. In: Jahrbuch des Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, Bd. 3, hg. von A. Strobel, Fürth, 1991, S. 56–81. 2006. Foerster, Frank: „The Journey of Friedrich Adolph Strauss to the Holy Land and the beginnings of German missions in the Middle East“. In: Christian witness between continuity and new beginnings, Münster, 2006, S. 125–132. [Studien zur orientalischen Kirchengeschichte; 39]. Kommentar: Friedrich Strauss und Richard Lepsius begegnen sich in Ägypten, wo Lepsius das ägyptische Altertum im Auftrag der Berliner Regierung erforscht (vgl. BBKL, Bd. XV, 1999, Spalten 1365–1369). Quellen: Wolf-Crome, 1977, S. 560; Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 420f.; Kalfatovic, 1992, S. 150; BBKL, Bd. XV, 1999, Spalten 1365–1369 (von Friedrich Heyer); Kainbacher, 2002, S. 411.

1844–1846: Werner Hoffmeister (1819–1845) und Prinz Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen (1817 – 1849) 1847. Hoffmeister, Werner: Briefe aus Indien, von Dr. W. Hoffmeister, Arzt im Gefolge St. Königl. Hoheit des Prinzen Waldemar von Preussen, nach dessen nachgelassenen Briefen und Tagebüchern hg. von A[dolf] Hoffmeister, m. einer Vorrede von C[arl] Ritter, Braunschweig: Westermann, 1847. [XII, 393 S.].

472 

 6 Reiseberichte des 19. Jahrhunderts bis 1845

Weitere Editionen und Literatur: 1853. Zur Erinnerung an die Reise des Prinzen Waldemar von Preußen nach Indien in den Jahren 1844–1846, Vorwort von Alexander von Humboldt, Tafeln nach Skizzen des Prinzen ausgef. von Ferdinand Bellermann u. Hermann Kretzschmer, 2 Bde., Berlin: Decker, 1853. [Teil 1: Text von Heinrich Mahlmann nach Aufzeichnungen des Prinzen u. seiner Begleiter; Teil 2: Text von Graf von Oriolla nach Aufzeichnungen des Prinzen u. seiner Begleiter]. 1857. Kutzner, Johann Gottlieb: Die Reise Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Waldemar von Preußen nach Indien in den Jahren 1844 bis 1846, m. Portr. des Prinzen, 4 Krt., 4 Schlachtplänen, aus dem darüber erschienenen Prachtwerke im Auszuge mitgetheilt von J. G. Kutzner, Lehrer in Hirschberg, Berlin: Decker, 1857. 1862. Die botanischen Ergebnisse der Reise des Prinzen Waldemar von Preussen in den Jahren 1845 und 1846, durch den Werner Hoffmeister auf Ceylon, dem Himalaya und an den Grenzen von Tibet gesammelte Pflanzen, beschrieben von Fr[iedrich] Klotzsch und Aug[ust] Garcke, Berlin: Decker, 1862. [164 S., 100 Taf.]. 2004. Gadebusch, Raffael Dedo: „Die Reise des Prinzen Waldemar von Preußen nach Indien“. In: Indo-asiatische Zeitschrift, 8 (2004), S. 90–107. Kommentar: Hoffmeister ist Arzt, begleitet den Prinzen Waldemar von Preußen als Leibarzt auf dessen Indienreise über Ägypten (Pyramiden, Rotes Meer) und stirbt 1845 in der Schlacht von Ferozeschah. Quellen: Eutin-ReiseBestand.fp5; ADB, Bd. 40, S. 688 (von Bernhard von Poten zu Waldemar Prinz von Preußen).

1845–1846: Johann Nepomuk Sepp (1816–1909) 1863. Sepp, Johann Nepomuk: Jerusalem und das heilige Land. Pilgerbuch nach Palästina, Syrien und Aegypten, 2 Bde., Schaffhausen: Hurter, 1863. [Bd. 1: XXXVIII, 781 S.; Bd. 2: XXVIII, 866 S.]. Weitere Editionen und Literatur: 1873. Sepp, Johann Nepomuk: Jerusalem und das heilige Land. Pilgerbuch nach Palästina, Syrien und Aegypten, 2., verm. Aufl., Bd. 1, Schaffhausen: Hurter, 1873; Bd. 2, Regensburg: Manz, 1873. 1916. Sepp, Johann Nepomuk: Dr. Johann Nepomuk Sepp (1816–1909). Ein Bild seines Lebens nach seinen eigenen Aufzeichnungen, Xenium zum 100. Geburtstag (7. August 1916), Regensburg: Manz, 1916. 1996. Botzenhart, Christof: „Johann Nepomuk Sepp (1816–1909) “. In: Isarkiesel. Leben & Kultur entlang der Isar, 2 (1996), S. 15–17.

1845–1846: Johann Nepomuk Sepp (1816–1909) 

 473

2003. Otto, Georgia: „Prof. Dr. Johann Nepomuk Sepp (1816–1909). Ein Lebensbild des ‚Retters von Wessobrunn‘“. In: 1250 Jahre Wessobrunn, 1. Aufl., Lindenberg im Allgäu, 2003, S. 107–111. Quellen: Röhricht, Bibliotheca, 1989, S. 419f.; Kalfatovic, 1992, S. 202; Kainbacher, 2002, S. 394.

7 Index der Reisenden/Reiseberichte 7.1 Chronologischer Index  Die Datierung richtet sich primär nach den Reisedaten, sofern sie ermittelbar sind, nach der Lebenszeit des Reisenden oder dem Jahr der Niederschrift bzw. Veröffentlichung des Reiseberichts. Ist die Datierung nicht eindeutig belegt, so werden die wichtigsten Reisedaten aufgelistet. Namensvarianten werden in Klammern angeführt. Reisezeit

1. Jahrtausend (9 Berichte)

ca. 400 (381–384) ca. 385 / 386 zw. 518 / 530 zw. 522 / 550 ca. 570 ca. 670 / 680 ca. 675 / 715–717 / 750–800 ca. 762 / 825 ca. 865 / 870

Egeria (Aetheria/Eucheria/Silvia/die Aquitanierin) St. Hieronymus, Paula und Eustochium Theodosius (Thedoricus) Cosmas Indicopleustes (Kosmas Indikopleustes) Pilger von Piacenza (Antonius Martyr) Arkulf und Adomnanus (Arculfus/Adamnanus) Epiphanius Hagiopolita (Epiphanios Hagiopolites)

Reisezeit

Mittelalter: 12. und 13. Jahrhundert (4 Berichte)

1175

1283/1285

Burchard von Straßburg (Burkhard/Gerardus Argentinensem vicedominus/Gerhard Vicedom zu Straßburg) Magister Thietmar (Thetmar) Oliver von Paderborn (Thomas Oliverus; Oliver von Köln; Meister Oliverius; Scholasticus Oliverius) Burchardus de [von] Monte Sion (Brocardus/Brocardt)

Reisezeit

Mittelalter: 14. Jahrhundert (9 Berichte)

1332 / 1334 1336–1341 1338–1350 1346 1346–1347 1376–1377 1377 1385 1385

Wilhelm von Boldensele (Otto von Neuhaus) Ludolf von Sudheim (Rudolf/Peter; Suthem/Suchen) Anonymus Coloniensis (anonymer Niederrheinischer Reisebericht) Rudolf von Frameynsberg Jacobus von Verona (Jakob von Bern) Johann von Bodman (Hans von Bodman) Hertel von Lichtenstein (Reisender) und Leopold (Leupold) Stainreuter (Übersetzer) Lorenz Egen Peter Sparnau

Reisezeit

Mittelalter: 15. Jahrhundert (15 Berichte)

1394–1427 1433–1434

Johannes Schiltberger (Hans Schiltberger) Graf Philipp von Katzenellenbogen (Reisender) und Erhard Wameszhafft (Autor)

1217 1219–1221

Fidelis und Dicuil Bernardus Monachus (Bernhardus; Bernard der Weise)

 7.1 Chronologischer Index  

1454–1456 1465 1467–1468 1472–1473 1472–1478 1476 1479–1480 1479–1480 1481–1483 1483–1484

 475

1483–1484 1495–1496 1496–1498

Georg von Ehingen Gabriel Muffel (Niccolo da Poggibonsi, Reise 1346–1350) Nikolaus und Wilhelm von Diesbach und Hans von der Gruben Anonymer Kölner Pilger (Niederrheinische Reiseschrift) Ulrich Leman Martin Ketzel Sebald Rieter d. J. (und Sebald Rieter d.Ä. um 1464) Hans Tucher Paul Walther von Guglingen, O. F. M. Bernhard von Breydenbach (Breidenbach/Breitenbach) und Graf Johannes von Solms (Johann Graffen zu Solms) Felix Fabri (Felix Schmid/Faber) Wolf von Zülnhart (Wolfgang Zillenhart) Arnold von Harff

Reisezeit

16. Jahrhundert (30 Berichte)

1507–1508 1507–1508 1512 1515 1542 1550–1551 1552–1553 1561 1561 1561–1562 1561–1562 1563 1565–1566 1565–1566 1568 1578 1579–1580 1581 (1577–1581) 1581–1582 1583 (1582–1584)

Martin von Baumgarten (Baumgartner) in Breitenbach Georg von Gaming Ein groß wunderzaichen auff dem perg Sinay Konrad Clauser Jodocus von Meggen Hieronymus Beck von Leopoldsdorf Daniel Ecklin (Egli) David Furtenbach Emanuel Oerttel Graf Albrecht zu Löwenstein Jacob Wormbser (Wormser) Hans von Godern Christoph Fürer von Haimendorff Johann Helffrich Ludwig von Rauter Lupold von Wedel (Leopold von Wedell) Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach Salomon Schweigger Franciscus de Billerbeg (Billerbeck; Billribeck; Franz von Billerbeg) Nikolaus Christoph Radziwill (1549–1616) (Nicolaus Christoph Radzivill; Mikolaj Krzystof Radzwill) Michael Heberer Karl Nützel (1557–1614) Bernhard Walter von Waltersweyl Hans Ludwig von Lichtenstein Reinhold Lubenau (1556–1631) Samuel Kiechel Hans Christoph von Teufel (Taifel; Tayfel) Georg Christoph Fernberger von Egenberg Jacob conrad Praetorius (Jakob Konrad; jac. Conr.; Praetorius de Perlnberga; J. K. Praetorius von Perlenberg)

1585 (1582)–1588 1586 1587 1587 (1585–1589) 1588 (1573–1589) 1588 (1585–1589) 1588 (1587–1591) 1588 (1588–1593) 1593–1596

476 

 7 Index der Reisenden/Reiseberichte

1598

Christoph Harant von Polschiz und Weseriz (1564–1621) (Kryštof Harant z Polžic a Bezdružic)

Reisezeit

17. Jahrhundert (22 Berichte)

1602 1604 1604–1611 1604–1611 1606 1612–1613

Martinus Seusenius (Seussenius; Martin) Sébastien Schach (Sebastian Schach) Johannes Wild (Johann Wild) (1585–?) Nicolaus Schmidt Jakob Beyrlin (Jacob Beyrlin; Jacobus Beyrlin; auch Beyrlein) Hans Jacob Ammann (Johann Jacob Ammann; Jacob = Jakob; Ammann = Amman) (Zürich 1586–1658) Arndt Gebhardt von Stammer Christoph Perband (Christian Perband) Balthasar Walther (Arzt und Alchimist; Freund von Jacob Böhme) Heinrich von Rantzau [der Jüngere] (auch Rantzow; in manchen Datenbanken auch Henrik Rantzau) (1599–1674) Friedrich Eckher von Käpfing (Friedrich Egelherr von und zu Käpfing) und Carl (Karl) Grimming auf Niederrain Hieronymus Welsch (um 1610/1612–1665) Paul Mayr (Paul Mayer); Kaufmann aus München Peter Heyling (1607/08–1652?)

1614–1616 1614–1616 ca. 1617 1623 1625 1630–1634 1630–1671 1633–1634 (1628–1652) 1636 (1630–1636) 1639–1640 1660–1663 1664–1665

1675 1699 (1698–1701)

Georg Christoph von Neitzschitz (1600–1637) Chorherr Ludwig Helmlin (von Beromünster) (?–1640) Christian von Wallsdorff (Wallsdorf) Johann Michael Wansleben (1635–1679): 1. Ägyptenreise; (Vansleb, Vanslebio, Vanslebius, Vanslep, Wansleb; Giovanni Michele) Franz Ferdinand von Troilo (Johann Valentin Mörbitz ?; Frantz Ferdinand von Troilo; Franciscus Ferdinandus a Troilo; F. F. von Troilo) Johann Michael Wansleben (1635–1679): 2. Ägyptenreise; (Vansleb, Vanslebio, Vanslebius, Vanslep, Wansleb; Giovanni Michele) Otto Friedrich von der Gröben (Groeben) (1657–1728) Heinrich Wilhelm Ludolf (Ludolph) (1655–1712) (Henry William Ludolf; Henrici Wilhelmi Ludolfi)

Reisezeit

18. Jahrhundert (11 Berichte)

1700–1704 1709–1723 1726–1727 1737 1752–1756 1756 1761 (1761–1767) 1797–1798 1798–1801 1798–1801

Theodor Krump Vinzenz Briemle (Vincentio/Vincent) Angelicus Maria Myller (Angelus Maria Myller) Jonas Korte Stephan Schultz Anton Krenn Carsten Niebuhr (Karsten Niebuhr) Friedrich Konrad Hornemann Regula Engel (R. Engel-Egli; R. Engel von Langwies) Johann Friedrich Voigt

1666–1670 1671–1674

 7.1 Chronologischer Index  

 477

1799–1804

Christian Friedrich Damberger (Pseud.: Zacharias Taurinius; Joseph Schrödter); (fiktive Reisen)

Reisezeit

19. Jahrhundert: von 1800 bis 1824 (20 Berichte)

1800–1801 1806 1807–1809 1809–1817 1812–1814 1814–1815 1814–1821 1815 1817–1818

1820–1824 1822–1823 1824–1840

Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall Kamjaschott Ulrich Jasper Seetzen Johann Ludwig Burckhardt Johann Heinrich Mayr (Schweizer; 1768–1838) John Bramsen (Jens Andr Bramsen; Johannes Bramsen) (1761–1832) C. F. Stegemann Otto Friedrich von Richter (Baltendeutscher, 1792–1816) Eduard Rüppell (1794–1884); (weitere Reisen in Afrika: 1822–1827, 1831–1834 und 1849–1850) Franz Wilhelm Sieber (1789–1844) Johann Friedrich Julius Borsum (Borsam) Franz Christian Gau (François Chrétien Gau) (1790–1853) Johann Carl Weyand (Johann Karl Weyand) Johann Heinrich Carl von Minutoli (1772–1846) Wolfradine Auguste Luise von Minutoli Johann Martin Augustin Scholz (1794–1852) Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) und Wilhelm Friedrich Hemprich (Böhm.-Öst 1796–1825) Gustav Friedrich Konstantin Parthey (1798–1872) Alexander von Üxküll (Baltendeutscher 1800–1853) Peter Dietrich Holthaus (in Ägypten ca. 1838)

Reisezeit

19. Jahrhundert: von 1825 bis 1845 (33 Berichte)

1826–1827 1826–1828 1829–1831 1830–1836 1831 1831–1832 1833/1834 1833–1834 1834–1835 1835–1841 1836–1837 1837–1839 1837 1837 1837 1837 1837–1839 1837–1843

August Michael Jahn (1786–1851) Anton Prokesch-Osten (1795–1876) Eduard Ferdinand Callot (Öst. 1792–1862) (in Ägypten 1831) Ernst Christoph Döbel Daniel Wegelin (aus St. Gallen) Jakob Philipp Fallmerayer (1790–1861) Johann Jacob Diedrich Müller Joseph Pallme (aus Böhmen) Jakob [Ritter] von Röser (1799–1862) Joseph [Ritter von] Russegger (Öst 1802–1863) Gotthilf Heinrich von Schubert (1780–1860) Theodor Kotschy (Öst. 1813–1866) Johann Georg Fässler (Johann G. Fässler) Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) Joseph Salzbacher (Öst. 1790–1867) Johann Nepomuk Visino (J. N. Visino/J. U. Visino) Ignatius Pallme (Ignaz Pallme) (Böhmen 1806–1877) Karl Wilhelm Isenberg (1806–1864)

1817–1818 1818 1818–1820 1818–1821 1820–1821 1820–1821 1820–1821 1820–1825

478 

 7 Index der Reisenden/Reiseberichte

1837–1855 1838 1838 ca. 1840 1840–1841 1840–1841 1842 1842–1845 1842–1845 1843–1844 1844 1844–1845 1844–1845 1844–1846 1845–1846

Johann Ludwig Krapf (1810–1881) Herzog Maximilian in Bayern (1808–1888) Heinrich von Mayr (1806–1871) Karl von Hailbronner (Carl von Hailbronner) (1788–1864) Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877) Ferdinand Werne (1800–1874) Ida Pfeiffer (Öst. 1797–1858) Karl Richard Lepsius (Carl Richard Lepsius) (1810–1884) Leopold von Orlich (1804–1860) Ida von Hahn-Hahn Konstantin von Tischendorf (weitere Reisen 1853 und 1859) Harald Bagge (Harald Friedrich Anton Bernhard Bagge) (1817–1895) Friedrich Adolph Strauss (Strauß) (1817–1888) Werner Hoffmeister (1819–1845) und Prinz Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen (1817 – 1849) Johann Nepomuk Sepp (1816–1909)

 7.2 Alphabetischer Index 

 479

7.2 Alphabetischer Index Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Reisedaten, die Lebenszeiten des Reisenden oder auf das Veröffentlichungsjahr. Nach diesen Angaben sind die Reiseberichte/Reisenden im chronologischen Verzeichnis und Index geordnet. Person / Reisende / (Reisebericht) A Alexander von Üxküll (Baltendeutscher 1800–1853) Anton Krenn Anton Prokesch-Osten (1795–1876) Arndt Gebhardt von Stammer Adomnanus = Arkulf und Adomnanus (Arculfus/Adamnanus) Angelicus (oder Angelus) Maria Myller Ammann = Hans Jacob Ammann (Zürich 1586–1658) (Johann Jacob Ammann; Jakob; Amman) Anonymus Coloniensis (anonymer Niederrheinischer Reisebericht) Anonymus (Anonymer Kölner Pilger) Arkulf und Adomnanus (Arculfus/Adamnanus) Arnold von Harff August Michael Jahn (1786–1851) B Bagge = Harald Bagge (1817–1895) Balthasar Walther (Arzt und Alchimist; Freund von Jacob Böhme) Baumgarten (Baumgartner) in Breitenbach = Martin von Baumgarten (Baumgartner) in Breitenbach Beck = Hieronymus Beck von Leopoldsdorf Bernardus (Bernhardus) Monachus Bernhard von Breydenbach (Breidenbach/Breitenbach) und Graf Johannes von Solms (Johann Graffen zu Solms) Bernhard Walter von Waltersweyl Beyrlin = Jakob Beyrlin (Jacob Beyrlin; Jacobus Beyrlin; Beyrlein) Billerbeg = Franciscus (Franz) de Billerbeg/Billerbeck/Billribeck Bodman = Johann von Bodman (Hans von Bodman) Boldensele = Wilhelm von Boldensele (Otto von Neuhaus) Borsum (Borsam) = Johann Friedrich Julius Borsum (Borsam) Bramsen = John Bramsen (Jens Andr Bramsen; Johannes Bramsen) Breuning von und zu Buchenbach = Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach Breydenbach = Bernhard von Breydenbach und Graf Joh. von Solms Briemle = Vinzenz Briemle (Vincentio/Vincent) Burchardus de [von] Monte Sion (Brocardus/Brocardt) Burchard von Straßburg (Burkhard/Gerardus Argentinensem vicedominus/Gerhard Vicedom zu Straßburg) Burckhardt = Johann Ludwig Burckhardt

Reisezeit

1822–1823 1756 1826–1828 1614–1616 ca. 670 / 680 1726–1727 1612–1613 1338–1350 1472–1473 ca. 670/680 1496–1498 1826–1827

1844–1845 ca. 1617 1507–1508 1550–1551 ca. 865/870 1483–1484 1587 1606 1581–1582 1376–1377 1332/1334/1336 1818 1814–1815 1579–1580 1483–1484 1709–1723 1283/1285 1175 1809–1817

480 

 7 Index der Reisenden/Reiseberichte

C Callot = Eduard Ferdinand Callot (Öst. 1792–1862) Carsten Niebuhr (Karsten Niebuhr) Christian Friedrich Damberger Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) und Wilhelm Friedrich Hemprich (Böhm.-Öst 1796–1825) Christian von Wallsdorff (Wallsdorf) Christoph Fürer von Haimendorff Christoph Harant von Polschiz und Weseriz (1564–1621) (Kryštof Harant z Polžic a Bezdružic) Christoph Perband (Christian Perband) Clauser = Konrad Clauser Cosmas Indicopleustes (Kosmas Indikopleustes) D Damberger = Christian Friedrich Damberger Daniel Ecklin (Egli) Daniel Wegelin (aus St. Gallen) David Furtenbach Diesbach = Nikolaus und Wilhelm von Diesbach Dicuil = Fidelis und Dicuil Döbel = Ernst Christoph Döbel E Ecklin (Egli) = Daniel Ecklin (Egli) Eduard Ferdinand Callot (Öst. 1792–1862) (in Ägypten 1831) Eduard Rüppell (1794–1884) Egen = Lorenz Egen Egenberg = Georg Christoph Fernberger von Egenberg Egeria (Aetheria/Eucheria/Silvia/die Aquitanierin) Ehingen = Georg von Ehingen Ehrenberg = Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) und Wilhelm Friedrich Hemprich (Böhm.-Öst 1796–1825) Ein groß wunderzaichen auff dem perg Sinay Emanuel Oerttel Engel = Regula Engel [von Langwies] (Regula Engel-Egli) Epiphanius Hagiopolita (Epiphanios Hagiopolites)

1829–1831 1761–1767 1799–1804 1820–1825 1660–1663 1565–1566 1598 1614–1616 1515 zw. 522/550

1799–1804 1552–1553 1831 1561 1467–1468 ca. 762/765/825 1830–1836

1552–1553 1829–1831 1817–1818 1385 1588 (1588–1593) ca. 400 (381–384) 1454–1456 1820–1825

Ernst Christoph Döbel Eustochium = St. Hieronymus, Paula und Eustochium

1512 1561 1798–1801 ca. 675/715/717/ 750–800 1830–1836 ca. 385/386

F Fabri = Felix Fabri (Felix Schmid/Faber) Fässler = Johann Georg Fässler Fallmerayer = Jakob Philipp Fallmerayer (1790–1861) Ferdinand Werne (1800–1874) Fernberger = Georg Christoph Fernberger von Egenberg Fidelis und Dicuil

1483–1484 1837 1831–1832 1840–1841 1588 (1588–1593) ca. 762/765/825

 7.2 Alphabetischer Index 

Frameynsberg = Rudolf von Frameynsberg Franciscus de Billerbeg/Billerbeck/Billribeck (Franz von Billerbeg) Franz Christian Gau (François Chrétien Gau) (1790–1853) Franz Ferdinand von Troilo (Johann Valentin Mörbitz; Frantz Ferdinand von Troilo; Franciscus Ferdinandus a Troilo) Franz Wilhelm Sieber (1789–1844) Friedrich Adolph Strauss (Strauß) (1817–1888) Friedrich Eckher von Käpfing (Friedrich Egelherr von und zu Käpfing) und Carl (Karl) Grimming auf Niederrain Friedrich Konrad Hornemann Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877) Fürer = Christoph Fürer von Haimendorff Furtenbach = David Furtenbach G Gabriel Muffel (Niccolo da Poggibonsi, Reise 1346–1350) Gaming = Georg von Gaming Gau = Franz Christian Gau (François Chrétien Gau) (1790–1853) Georg Christoph Fernberger von Egenberg Georg Christoph von Neitzschitz (1600–1637) Georg von Ehingen Georg von Gaming Gerhard = Burchard von Straßburg (Burkhard/Gerardus Argentinensem vicedominus/Gerhard Vicedom zu Straßburg) Gotthilf Heinrich von Schubert (1780–1860) Graf Albrecht zu Löwenstein Graf Johannes von Solms = Bernhard von Breydenbach Graf Philipp von Katzenelnbogen und Erhard Wameszhafft Gröben = Otto Friedrich von der Gröben (Groeben) Guglingen = Paul Walther von Guglingen Gustav Friedrich Konstantin Parthey (1798–1872) H Hackländer = Friedrich Wilhelm Hackländer (1816–1877) Hahn-Hahn = Ida von Hahn-Hahn Hailbronner = Karl von Hailbronner (1788–1864) Haimendorff = Christoph Fürer von Haimendorff Hans Christoph von Teufel (Taifel/Tayfel) Hans Jacob Ammann (Zürich 1586–1658) (Johann; Jakob; Amman) Hans Jacob Breuning von und zu Buchenbach Hans Ludwig von Lichtenstein Hans Schiltberger = Johannes Schiltberger (Hans Schiltberger) Hans Tucher Hans von Bodman = Johann von Bodman (Hans von Bodman) Hans von der Gruben = Nikolaus und Wilhelm von Diesbach mit Hans von der Gruben Hans von Godern Harald Bagge (Harald Friedrich Anton Bernhard Bagge) (1817–1895)

 481

1346 1581–1582 1818–1820 1666–1670 1817–1818 1844–1845 1625 1797–1798 1840–1841 1565–1566 1561

1465 1507–1508 1818–1820 1588 (1588–1593) 1636 (1630–1636) 1454–1456 1507–1508 1175 1836–1837 1561–1562 1483–1484 1433–1434 1675 1481–1483 1820–1824

1840–1841 1843–1844 ca. 1840 1565–1566 1588 (1587–1591) 1612–1613 1579–1580 1587 (1585–1589) 1394–1427 1479–1480 1376–1377 1467–1468 1563 1844–1845

482 

 7 Index der Reisenden/Reiseberichte

Harant = Christoph Harant von Polschiz und Weseriz (1564–1621) Hammer-Purgstall = Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall Harff = Arnold von Harff Heberer = Michael Heberer Heinrich von Mayr (1806–1871) Heinrich [von] Rantzau [der Jüngere] (auch Rantzow; in manchen Datenbanken auch Henrik Rantzau) (1599–1674) Heinrich Wilhelm Ludolf (Ludolph) (1655–1712); (Henry William Ludolf; Henrici Wilhelmi Ludolfi) Helffrich = Johann Helffrich Helmlin = Chorherr Ludwig Helmlin (von Beromünster) (?–1640) Hemprich = Wilhelm Friedrich Hemprich (Böhm.-Öst 1796–1825) und Christian Gottfried Ehrenberg (1795–1876) Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871) Hertel von Lichtenstein (Reisender) und Leopold (Leupold) Stainreuter (Übersetzer) Herzog Maximilian in Bayern (1808–1888) Heyling = Peter Heyling (1607/08–1652?) Hieronymus Beck von Leopoldsdorf Hieronymus Welsch (um 1610/1612–1665) Holthaus = Peter Dietrich Holthaus Hornemann = Friedrich Konrad Hornemann I-J Ida Pfeiffer (Öst. 1797–1858) Ida von Hahn-Hahn Ignatius Pallme (Ignaz Pallme) (Böhmen 1806–1877) Isenberg = Karl Wilhelm Isenberg (1806–1864) Jacob Beyrlin (Jakob Beyrlin; Jacobus Beyrlin; Beyrlein) Jacob conrad Praetorius (Jakob Konrad; jac. Conr.; Praetorius de Perlnberga; J. K. Praetorius von Perlenberg) Jacob Wormbser (Wormser) Jacobus (Jakob) von Verona (Bern) Jahn = August Michael Jahn (1786–1851) Jakob Philipp Fallmerayer (1790–1861) Jakob [Ritter] von Röser (1799–1862) Jodocus von Meggen Johann Carl Weyand (Johann Karl Weyand) Johann Friedrich Julius Borsum (Borsam) Johann Friedrich Voigt Johann Georg Fässler Johann Heinrich Carl von Minutoli (1772–1846) Johann Heinrich Mayr (Schweizer; 1768–1838) Johann Helffrich Johann Hermann von Riedesel Johann Jacob Ammann = Hans Jacob Ammann (Zürich 1586–1658) Johann Jacob Diedrich Müller

1598 1800–1801 1496–1498 1585–1588 1838 1623 1699 (1698–1701) 1565–1566 1639–1640 1820–1825 1837 1377 1838 1633–1634 1550–1551 1630–1641 1824–1840 1797–1798

1842 1843–1844 1837–1839 1837–1843 1606 1593–1596 1561–1562 1346–1347 1826–1827 1831–1832 1834–1835 1542 1818–1821 1818 1798–1801 1837 1820–1821 1812–1814 1565–1566 1767–1770 1612–1613 1833/1834

 7.2 Alphabetischer Index 

 483

Johann Ludwig Burckhardt Johann Ludwig Krapf (1810–1881) Johann Martin Augustin Scholz (1794–1852) Johann Michael Wansleben (1635–1679); (Vansleb, Vanslebio, Vanslebius, Vanslep, Wansleb; Giovanni Michele) Johann Nepomuk Sepp (1816–1909) Johann Nepomuk Visino (J. N. Visino/J. U. Visino) Johann Valentin Mörbitz = Franz Ferdinand von Troilo Johann von Bodman (Hans von Bodman) Johannes (Graf von Solms) = Bernhard von Breydenbach Johannes Schiltberger (Hans Schiltberger) Johannes Wild (Johann Wild) (1585–?) John Bramsen (Jens Andr Bramsen; Johannes Bramsen) (1761–1832) Jonas Korte Joseph Freiherr von Hammer-Purgstall Joseph Pallme (aus Böhmen) Joseph [Ritter von] Russegger (Öst 1802–1863) Joseph Salzbacher (Öst. 1790–1867) Joseph Schrödter, Pseud. = Christian Friedrich Damberger

1809–1817 1837–1855 1820–1821 1664–1665 und 1671–1674 1845–1846 1837 1666–1670 1376–1377 1483–1484 1394–1427 1604–1611 1814–1815 1737 1800–1801 1833–1834 1835–1841 1837 1799–1804

K Käpfing = Friedrich Eckher von Käpfing Kamjaschott Karl (Carl) Grimming auf Niederrain = Friedrich Eckher von Käpfing Karl Nützel (1557–1614) Karl Richard Lepsius (Carl Richard Lepsius) (1810–1884) Karl von Hailbronner (Carl von Hailbronner) (1788–1864) Karl Wilhelm Isenberg (1806–1864) Katzenelnbogen = Graf Philipp von Katzenelnbogen Ketzel = Martin Ketzel Kiechel = Samuel Kiechel Konrad Clauser Konstantin von Tischendorf (weitere Reisen 1853 und 1859) Korte = Jonas Korte Kotschy = Theodor Kotschy (Öst. 1813–1866) Krapf = Johann Ludwig Krapf (1810–1881) Krenn = Anton Krenn Krump = Theodor Krump

1625 1806 1625 1586 1842–1845 ca. 1840 1837–1843 1433–1434 1476 1588 (1585–1589) 1515 1844 1737 1837–1839 1837–1855 1756 1700–1704

L Leman = Ulrich Leman Leopold (Leupold) = Hertel von Lichtenstein u. Leopold Stainreuter Leopold von Orlich (1804–1860) Leopold von Wedell = Lupold von Wedel Leopoldsdorf = Hieronymus Beck von Leopoldsdorf Lepsius = Karl Richard Lepsius (1810–1884) Lichtenstein = Hans Ludwig von Lichtenstein Lichtenstein = Hertel von Lichtenstein und Leopold Stainreuter

1472–1478 1377 1842–1845 1578 1550–1551 1842–1845 1587 (1585–1589) 1377

484 

 7 Index der Reisenden/Reiseberichte

Lorenz Egen Löwenstein = Graf Albrecht zu Löwenstein Lubenau = Reinhold Lubenau (1556–1631) Ludolf (Ludolph) = Heinrich Wilhelm Ludolf (1655–1712) Ludolf von Sudheim (Rudolf/Peter; Suthem/Suchen) Chorherr Ludwig Helmlin (von Beromünster) (?–1640) Ludwig von Rauter Lupold von Wedel (Leopold von Wedell)

1385 1561–1562 1588 (1573–1589) 1699 (1698–1701) 1336–1341 1639–1640 1568 1578

M Magister Thietmar (Thetmar) Martin von Baumgarten (Baumgartner) in Breitenbach Martin Ketzel Martinus Seusenius (Martin Seussenius) Maximilian in Bayern = Herzog Maximilian in Bayern (1808–1888) Mayr (Mayer) = Paul Mayr (Paul Mayer); Kaufmann aus München Mayr = Heinrich von Mayr (1806–1871) Mayr = Johann Heinrich Mayr (Schweizer; 1768–1838) Meggen, Jodocus von = Jodocus von Meggen Michael Heberer Mikolaj Krzystof Radzwill = Nikolaus Christoph Radziwill Minutoli = Wolfradine Auguste Luise von Minutoli Minutoli = Johann Heinrich Carl von Minutoli (1772–1846) Mörbitz = Franz Ferdinand von Troilo (Johann Valentin Mörbitz) Muffel = Gabriel Muffel Müller = Johann Jacob Diedrich Müller Myller = Angelicus (Angelus) Maria Myller

1217 1507–1508 1476 1602 1838 1630–1671 1838 1812–1814 1542 1585–1588 1583 (1582–1584) 1820–1821 1820–1821 1666–1670 1465 1833/1834 1726–1727

N Neitzschitz = Georg Christoph von Neitzschitz (1600–1637) Niccolo da Poggibonsi = Gabriel Muffel Nicolaus Schmidt Nikolaus Christoph Radziwill (1549–1616) (Nicolaus Christoph Radzivill; Mikolaj Krzystof Radzwill) Niebuhr = Carsten Niebuhr (Karsten Niebuhr) Nikolaus und Wilhelm von Diesbach mit Hans von der Gruben Nützel = Karl Nützel (1557–1614) O-P Oerttel = Emanuel Oerttel Oliver von Padernborn (Thomas Oliverus; Oliver von Köln; Meister Oliverius; Scholasticus Oliverius) Orlich = Leopold von Orlich (1804–1860) Otto Friedrich von der Gröben (Groeben) (1657–1728) Otto Friedrich von Richter (Baltendeutscher, 1792–1816) Pallme = Ignatius Pallme (Ignaz Pallme) (Böhmen 1806–1877) Pallme = Joseph Pallme (aus Böhmen) Parthey = Gustav Friedrich Konstantin Parthey (1798–1872)

1636 (1630–1636) 1465 1605–1611 1583 (1582–1584) 1761–1767 1467–1468 1586

1561 1219–1221 1842–1845 1675 1815 1837–1839 1833–1834 1820–1824

 7.2 Alphabetischer Index 

Paul Mayr (Paul Mayer); Kaufmann aus München Paul Walther von Guglingen Paula = St. Hieronymus, Paula und Eustochium Perband = Christoph Perband (Christian Perband) Peter Dietrich Holthaus Peter Heyling (1607/08–1652?) Peter Sparnau Pfeiffer = Ida Pfeiffer (Öst. 1797–1858) Pilger von Piacenza (Antonius Martyr) Praetorius = Jacob conrad Praetorius Prinz Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen (1817–1849) = Werner Hoffmeister (1819–1845) Prokesch-Osten = Anton Prokesch-Osten (1795–1876) Pückler-Muskau = Hermann Ludwig Heinrich Fürst von Pückler-Muskau (1785–1871)

 485

1630–1671 1481–1483 ca. 385/386 1614–1616 1824–1840 1633–1634 1385 1842 ca. 570 1593–1596 1844–1846 1826–1828 1837

R Radzivill (Radziwill) = Nikolaus Christoph Radziwill (1549–1616) Rantzau = Heinrich [von] Rantzau Rauter = Ludwig von Rauter Regula Engel (Regula Engel-Egli; Regula Engel von Langwies) Reinhold Lubenau (1556–1631) Richter = Otto Friedrich von Richter (Baltendeutscher, 1792–1816) Riedesel = Johann Hermann von Riedesel Rieter d.J. = Sebald Rieter d. J. Röser = Jakob [Ritter] von Röser (1799–1862) Rudolf von Frameynsberg Rüppell = Eduard Rüppell (1794–1884) Russegger = Joseph [Ritter von] Russegger (Öst 1802–1863)

1583 (1582–1584) 1623 1568 1798–1801 1588 (1573–1589) 1815 1767–1770 1479–1480 1834–1835 1346 1817–1818 1835–1841

S Salomon Schweigger Salzbacher = Joseph Salzbacher (Öst. 1790–1867) Samuel Kiechel Schach = Sébastien Schach (Sebastian Schach) Schiltberger = Johannes Schiltberger (Hans Schiltberger) Schmidt = Nicolaus Schmidt Schrödter = Joseph Schrödter (Pseud.: Christian Friedrich Damberger) Scholz = Johann Martin Augustin Scholz (1794–1852) Schubert = Gotthilf Heinrich von Schubert (1780–1860) Schultz = Stephan Schultz Schweigger = Salomon Schweigger Sebald Rieter d. J. Sebastian Schach (Sébastien Schach) Seetzen = Ulrich Jasper Seetzen Sepp = Johann Nepomuk Sepp (1816–1909) Seusenius = Martinus Seusenius (Martin; Seussenius) Sieber = Franz Wilhelm Sieber (1789–1844)

1581 (1577–1581) 1837 1588 (1585–1589) 1604 1394–1427 1605–1611 1799–1804 1820–1821 1836–1837 1752–1756 1581 (1577–1581) 1479–1480 1604 1807–1809 1845–1846 1602 1817–1818

486 

 7 Index der Reisenden/Reiseberichte

Sparnau = Peter Sparnau St. Hieronymus, Paula und Eustochium Stainreuter = Hertel von Lichtenstein und Leopold Stainreuter Stammer = Arndt Gebhardt von Stammer Stegemann = C. F. Stegemann Stephan Schultz Strauss (Strauß) = Friedrich Adolph Strauss (Strauß) (1817–1888) Sudheim = Ludolf von Sudheim (Rudolf/Peter; Suthem/Suchen)

1385 ca. 385/386 1377 1614–1616 1814–1821 1752–1756 1844–1845 1336–1341

T Taurinius = Zacharias Taurinius (Pseud. : Damberger) Teufel (Tayfel) = Hans Christoph von Teufel (Taifel/Tayfel) Theodor Kotschy (Öst. 1813–1866) Theodor Krump Theodosius (Thedoricus) Thietmar = Magister Thietmar (Thetmar) Tischendorf = Konstantin von Tischendorf Troilo = Franz Ferdinand von Troilo Tucher = Hans Tucher

1799–1804 1588 (1587–1591) 1837–1839 1700–1704 zw. 518/530 1217 1844 1666–1670 1479–1480

U-Z Ulrich Jasper Seetzen Ulrich Leman Üxküll = Alexander von Üxküll (Baltendeutscher 1800–1853) Vansleb = Johann Michael Wansleben (1635–1679) Vinzenz Briemle (Vincentio/Vincent) Visino = Johann Nepomuk Visino Voigt = Johann Friedrich Voigt Wallsdorff = Christian von Wallsdorff (Wallsdorf) Walter (Walther) = Bernhard Walter von Waltersweyl Waltersweyl = Bernhard Walter von Waltersweyl Walther = Balthasar Walther (Arzt und Alchimist) Walther von Guglingen = Paul Walther von Guglingen Wameszhafft = Graf Philipp von Katzenelnbogen (Reisender) und Erhard Wameszhafft (Autor) Wansleben = Johann Michael Wansleben (1635–1679) Wedel = Lupold von Wedel (Leopold von Wedell) Wegelin = Daniel Wegelin (aus St. Gallen) Welsch = Hieronymus Welsch (um 1610/1612–1665) Werne = Ferdinand Werne (1800–1874) Werner Hoffmeister (1819–1845) und Prinz Friedrich Wilhelm Waldemar von Preußen (1817 – 1849) Weyand = Johann Carl Weyand (Johann Karl Weyand) Wild = Johannes Wild (Johann Wild) (1585–?) Wilhelm von Boldensele (Otto von Neuhaus) Wolf von Zülnhart (Wolfgang Zillenhart)

1807–1809 1472–1478 1822–1823 1664–1665 und 1671–1674 1709–1723 1837 1798–1801 1660–1663 1587 1587 ca. 1617 1481–1483 1433–1434 1664–1665 und 1671–1674 1578 1831 1630–1641 1840–1841 1844–1846 1818–1821 1604–1611 1332/1334/1336 1495–1496

 7.2 Alphabetischer Index 

Wolfradine Auguste Luise von Minutoli Wormbser (Wormser) = Jacob Wormbser (Wormser) Zacharias Taurinius, Pseud. = Christian Friedrich Damberger Zülnhart = Wolf von Zülnhart (Wolfgang Zillenhart)

1820–1821 1561–1562 1799–1804 1495–1496

 487

Literaturverzeichnis 1 Abkürzungen ADB BBKL BGP BLVS BSB München CSEL DBA DBE DBI GAG HAB IFAO NDB SB Regensburg UB UB München VD16 VD17 WBIS ZDPV

Allgemeine deutsche Biographie Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon Tobler, Titus, Bibliographia Geographica Palaestinae, Leipzig 1867 Bibliothek des Literarischen Vereins in Stuttgart Bayerische Staatsbibliothek München Corpus scriptorum ecclesiasticorum Latinorum Deutsches Biographisches Archiv Deutsche Biographische Enzyklopädie Deutscher Biographischer Index Göppinger Arbeiten zur Germanistik Herzog August Bibliothek Institut Français d’Archéologie Orientale Neue Deutsche Biographie Staatliche Bibliothek Regensburg Universitätsbibliothek Bibliothek der Ludwig-Maximilians-Universität München Verzeichnis der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des 16. Jahrhunderts Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts World Biographical Information System Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins

2 Primärliteratur Adomnanus/Arkulf, Adamnani de locis sanctis libri III, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.–7. Jahrhundert), 2., durchgesehene und ergänzte Aufl., Stuttgart 2002, S. 377– 382. Aetheria: Itinerarium, [lateinisch – deutsch], übers. und eingeleitet von Georg Röwekamp, Freiburg im Breisgau 1995. [Mit Auszügen aus De locis sanctis des Petrus Diaconus]; [Fontes Christiani; 20]. Arnold von Lübeck, Die Chronik Arnolds von Lübeck. Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae, übers. von Johann C. M. Laurent, mit einem Vorwort von Johann M. Lappenberg, neu bearb. von Wilhelm Wattenbach, 3. unveränd. Aufl., Leipzig 1940. [Erstausgabe, Berlin 1853; Original in Latein, Chronica Slavorum]. Baumgartner, Stefan, Reise zum Heiligen Grab 1498 mit Herzog Heinrich dem Frommen von Sachsen, hg. von Thomas Kraus, mit einer Biographie von Lotte Kurras, Göppingen 1986. Bernardus Monachus, Itinerarium Bernardi monachi franci, [englisch]. In: John Wilkinson (Hg.), Jerusalem Pilgrims. Before the Crusades, Warminster 1977, S. 141–145.

 2 Primärliteratur 

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Beyrlin, Jakob, Reyß Buch. Das ist Ein gantz Schöne Beschreibung und Wegweyser / etlicher Reysen / durch gantz Teutschland / Polen / Siebenbürgen / Dennemarck / Engeland / Hispanien / Franckreich / Italien / Sicilien / Egypten / Indien / Ethiopien / und Türckey etc.; Darinnen / nicht allein die Distantz / wie weit ein Ort vom Andern gelegen: sondern auch der vornembsten Stätt Gelegenheit / Macht / Größe / Reichthumb / Handthierung / Schöne und Zierlichkeit vermeldet und beschrieben wird / Allen der Erfahrenheit vnd Wissenschaft liebhabenden Gemmüter / nicht allein gantz lustig / sondern auch sehr nutzlich zulesen / mit fleiß zusamen colligirt: vnd jetzt erst von Newem in Truck gegeben / Durch Jacobum Beyrlin: Fürstlichen Würtembergischen Diener, Straßburg, Jost Martin 1606. [(http://gdz.sub.uni-goettingen.de/dms/load/img/?PPN=PPN516920 138) (01.08.2010)]. [Bodman, Johann von]. Semler, Alfons (Hg.), Die Pilgerreise des Johann von Bodman. In: Mitteilungen aus dem Germanischen Nationalmuseum, 1910, S. 127–146; [hg. nach der Karlsruher Handschrift]. Boldensele, Wilhelm von, Reise nach Palästina durch Wilhelm von Boldensleve im Anfange des XIV. Jahrhunderts, aus dem Lat. frei bearb. von Kaplan Karl Peter. In: Joachim H. Jäck (Hg.), Taschenbibliothek der wichtigsten und interessantesten See- und Landreisen durch Palästina, II. Theil, 1. Bändchen, Nürnberg 1828, S. 109–123 und II. Theil, 2. Bändchen, Nürnberg 1829, S. 133–162. Boldensele, Wilhelm von, Reise nach Palästina. In: Ferdinand Khull (Hg.), Zweier deutscher Ordensleute Pilgerfahrten nach Jerusalem in den Jahren 1333 und 1346 nach ihren eigenen Aufzeichnungen erzählt, Graz 1895. [Separatabdruck aus Gaben des Katholischen Pressevereins für das Jahr 1895]. Breydenbach, Bernhard von, Herrn Johann / Graffen zu Solms / ec. Beschreibung der Reyse vnnd Wallfahrt / so der wolgeborne Herr / Herr Johann / Graff zu Solms / Herr zu Müntzenberg / ec. In Gesellschafft Herrn Bernharts von Breitenbach / Kämmerers / vnd deß hohen Stiffts zu Meintz Dechans / vnd Herrn Philipsen von Bicken / Ritters / ec. im Jar nach Christi geburt 1483. vollnbracht / wie solchs von ehrngemeltem Herrn von Breitenbach selbs schrifftlich verfasset vnd an tag geben. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 50a–122a. Burchardus von Monte Sion, Bruder Brocardts / ec. Eigentliche vnd warhaffte Beschreibung deß Heiligen vnd anderer anligenden Laendern / wie die im 1283. Jar / an allen gelegenheiten beschaffen gewesen / vnd damit ein fleissige verzeichniß aller Reyß durch diese Laender / wie dieselb vorzunemmen / vnd wie weit jedes Ort vom andern gelegen. Sonders fleiß vom Bruder Brocardt / der dieselbige zeit diese Laender durchzogen / Lateinisch in einem Buch an tag geben / Aber jetzundt erst zu besserer und mehrer außfuehrung dieses vnsers vorhabenden Wercks / trewlich verteutschet / vnd in Truck gefertiget. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 455a–466a. Burchard von Straßburg, Vom Zustande Aegyptens oder Babyloniens. In: Die Chronik Arnolds von Lübeck. Nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae, übers. von Johann C. M. Laurent, mit Vorw. von J. M. Lappenberg, neu bearb. von Wilhelm Wattenbach, 3. unveränd. Aufl., Leipzig 1940, S. 318–334. [7. Buch, Punkt 8]. [Burchard von Straßburg]. Laurent, Johann C. M. (Hg.), Burchard von Straßburg. In: Serapeum, 19 (1858), S. 145–154. Das Faustbuch. Nach der Wolfenbüttler Handschrift, hg. von Harry G. Haile, Berlin 1963. [Philologische Studien und Quellen; 14].

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 2 Primärliteratur 

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Dienstbarkeit / in Vier Königreich / Böhem / Polen / Schweden / Dennemarckt / auch nechstligende Fürstenthumb und Seestädt vollbracht, Heidelberg 1610. [Nachdruck, mit einer Einl. von Karl Teply, Graz 1967]. Herodot, Die Bücher der Geschichte I-IV, Übertragung, Einleit. und Anm. von Walther Sontheimer, Stuttgart 1999. Herodot, Neun Bücher zur Geschichte, mit einer Einleitung von Lars Hoffmann, Wiesbaden 2007. [Neu gesetzte, korrigierte und überarbeitete Ausgabe; nach der Übersetzung von Dr. Chr. Bähr, Berlin-Schöneberg 1898]. Hieronymus, Epitaphium S. Paulae. Epistula 108 ad Eustochium cap. 6–14, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.–7. Jahrhundert), 2., durchgesehene und ergänzte Aufl., Stuttgart 2002, S. 141–163. Homer, Odyssee, aus dem Griech. übers. von Dietrich Ebener, 2 Bde., 4. Auflage, Berlin 1992. [Katzenellenbogen]. Röhricht, Reinhold; Meisner, Heinrich (Hg.), Die Pilgerreise des letzten Grafen von Katzenellenbogen (1433–1434). In: Zeitschrift für deutsches Altertum, 14 (1882), S. 348–372. Jacobus de Voragine, Die Legenda Aurea des Jacobus de Voragine, aus dem Lat. übers. von Richard Benz, 14. Aufl., Gütersloher Verlagshaus 2004. [Ketzel]. Rhenanus, Friedrich, Martin Ketzels von Augsburg Reise nach dem gelobten Land im Jahr 1476. Von ihm selbst beschrieben. In: Altes und Neues für Geschichte und Dichtkunst, Potsdam, 1 (1832), S. 28–103. Löwenstein, Albrecht zu, Beschreibung der Wallfahrt zum H. Grab / Pilgerfahrt gen Jerusalem / Alkayr / In Egypten / vnnd auff den Berg Synai / Durch mich Albrechten / Grauen zu Loeuwenstein / vnd Herren zu Scharpffeneck / etc. vollbracht / vnd nach folgender massen verzeichnet. Welche sich angefangen auff den heyligen Palmtag / den 30. Martij / als man zehlet von vnsers einigen Seligmachers Geburt / tausendt / fuenff hundert sechtzig vnd ein Jar / Auch sich geaendet den 16.tag Augusti / Anno1562. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 188b–210b. Löwenstein, Albrecht zu, Herrn Albrechts / Graffen zu Loeuwenstein / ec. Pilgerbuch / was durch das gantze heilige Landt vnd Egypten vor heylige Oerter hin vnd wider zusehen / vnd von den Pilgern zubesuchen seyn / Ein kurtz Verzeichnuß deß heyligen Landts vnd Egypten / So an Graff Albrechts von Loeuwenstein Buch angehenckt gewesen ist / vnd jetzundt allererst auß dem Latein verteutscht worden / darinn die vornembste Ort all die von Pilgern sollen besucht werden / kuertzlich begriffen vnd genennt seyn. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 211a–212b. [Mandeville], Reisen des Ritters John Mandeville. Vom Heiligen Land ins ferne Asien 1322–1356, übers. aus dem Mittelhochdeutschen und hg. von Christian Buggisch, Regensburg 2004. Molinier, August; Kohler, Charles (Hg.), Itinera Hierosolymitana et descriptiones terrae sanctae bellis sacris anteriorum series chronologica occidentalibus illustrata testimoniis, Genovae 1885. [Muffel], The German Translation of Niccolò da Poggibonsi’s Libro d’oltramare, hg. von Clive D. M. Cossar, Göppingen 1985. Niebuhr, Carsten, Reisebeschreibung nach Arabien und andern umliegenden Ländern. Erster Band, um ein Vorwort vermehrter Nachdruck der bei Nicolaus Möller, Kopenhagen 1774–78 und bei Friedrich Perthes, Hamburg 1837 erschienenen Ausgabe, Graz 1968. [Nützel]. Ernstberger, Anton (Hg.), Die Reise des Nürnberger Patriziers Karl Nützel von Sündersbühl ins Heilige Land 1586. In: Archiv für Kulturgeschichte, 46 (1964), S. 28–96.

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 3 Sekundärliteratur 

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Theodosius, Theodosii de situ terrae sanctae, [deutsch]. In: Herbert Donner (Hg.), Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger (4.–7. Jahrhundert), 2., durchgesehene und ergänzte Aufl., Stuttgart 2002, S. 189–213. [Tucher, Hans]. Herz, Randall (Hg.), Die ‚Reise ins gelobte Land‘ Hans Tuchers des Älteren (1479–1480). Untersuchungen zur Überlieferung und kritische Edition eines spätmittelalterlichen Reiseberichts, Wiesbaden 2002. Varthema, Ludovico de, Reisen im Orient, eingel., über. und erl. von Folker Reichert, Sigmaringen 1996. [Fremde Kulturen in alten Berichten; 2]. Wallsdorff, Christian von, Türkischer Landstürtzer / oder Neue Beschreibung Der fürnehmsten / Türkischen Städte / und Vestungen / durch Ungarn / Thracien / und Egypten: Darinnen nicht allein Gran / Ofen / Griechisch-Weissenburg / Sophia / Philippolis / Adrianopel / Constantinopel / Galata / Alexandrien / Alkair / samt andern ausführlich beschrieben: Sondern auch allerley berühmte Flüsse / Brucken / Seehäfen / Meerklippen / Berge / Schlösser / Thürme / Gefängnisse / Tempel / Spitäle / Begräbnisse / Bäder / Brunnen / Strassen / Märkte / Ehrenseulen / und dergleichen Denkwürdigkeiten / mit Fleiß bemerket werden. Wie solches alles Christian von Wallsdorff / Als welcher im Jahr 1660 in der Ragotzischen Schlacht bey Clausenburg gefangen / in die Türkey verkaufft / und bald wieder ausgelöset worden / auf seiner dreyjährigen Reis erfahren / und in seiner Türkischen Pilgramschafft glaubwürdig verzeichnet. Samt einem Anhang / Derer bey S. Gotthard und Leventz beschehenen harten Treffen / von hoher und gewisser Hand / ausführlicher berichtet, o. O. 1664. Wilkinson, John (Hg.), Jerusalem Pilgrims. Before the Crusades, Warminster 1977. Willibald, The Travels of Willibald, A.D. 721–727. In: Thomas Wright (Hg.), Early travels in Palestine. Comprising the narratives of Arculf, Willibald, Bernard, Saewulf, Sigurd, Benjamin of Tudela, Sir John Maundeville, de la Broquière and Maundrell, London 1848, S. 13–22. Wright, Thomas (Hg.), Early travels in Palestine. Comprising the narratives of Arculf, Willibald, Bernard, Saewulf, Sigurd, Benjamin of Tudela, Sir John Maundeville, de la Broquière and Maundrell, London 1848. Wormser, Jakob, Herrn Jacob Wormbsers / vnd ander Herrn / et. Eigentliche Beschreibung der Außreysung vnd Heimfahrt deß edlen vnd vesten Jacob Wormbsers / wie er im Jar 1561. naher dem heyligen Land vnd dem Berg Synai abgereyset / vnnd im folgenden Jar wider zu Hauß kommen. Von ihm selbst allein im Gedaechtniß auffgeschrieben / Jetzund aber in besserer Außfertigung dieses Wercks in Druck gegeben. In: Reyßbuch deß heyligen Lands, hg. von Sigmund Feyerabend, Frankfurt a.M. 1584, fol. 213a–234b.

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