Grundrechte in der mobilen Gesellschaft [1 ed.] 9783428489350, 9783428089352

Der Automobilverkehr hat den Freiheits- und Wohlstandsvisionen unserer hochmobilen und individualistischen Gesellschaft

120 98 29MB

German Pages 249 Year 1997

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Grundrechte in der mobilen Gesellschaft [1 ed.]
 9783428489350, 9783428089352

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 717

Grundrechte in der mobilen Gesellschaft Von

Anne Röthel

Duncker & Humblot · Berlin

ANNE RÖTHEL

Grundrechte in der mobilen Gesellschaft

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 717

Grundrechte in der mobilen Gesellschaft Von

Anne Köthel

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Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Köthel, Anne: Grundrechte in der mobilen Gesellschaft / von Anne Röthel. Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 717) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08935-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08935-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Trier als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Rechtsprechung und Schrifttum bis September 1996 berücksichtigt werden. Die Publikation ist mir willkommene Gelegenheit, meinem Doktorvater, Professor Dr. Dr. Udo Di Fabio, meinen Dank auszusprechen. Er stand dem Thema dieser Arbeit von Anfang an mit Offenheit und Neugierde gegenüber. Besonderer Dank gilt auch den anderen Direktoren des Instituts für Umweltund Technikrecht, allen voran Professor Dr. Meinhard Schröder, dessen Unterstützung mich während meiner Studien in Trier begleitete. Großzügige Förderung wurde mir durch die Studienstiftung des Deutschen Volkes und durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft zuteil. Um die Publikation dieser Arbeit haben sich Professor Dr. Klaus Vieweg von der Universität Erlangen und Professor Dr. h.c. Norbert Simon in besonderer Weise verdient gemacht. Ihnen allen sei herzlich gedankt. Unerläßliche Begleitung beim Werden dieser Arbeit war mir Gerhard Knechtel. Mein Dank an dieser Stelle vermag nur unvollkommen zu sein. Wien, im September 1996

Anne Röthel

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil Vorbemerkungen

19

A. Automobilverkehr in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion

19

B. Automobilverkehr als (Grund-)Rechtsproblem

25

Zweiter Teil Die verwaltungsrechtlichen Instrumente A. Verkehrspolitik auf dem Weg zur „autofreien Innenstadt" B. Verwaltungsrechtliche Grundlagen der „autofreien Innenstadt" I. Immissionsschutzrecht 1. Instrumente des gebietsbezogenen Immissionsschutzes (§§44 ff. BImSchG)

29 29 32 32 33

2. Verkehrsbeschränkungen auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 und 2 BImSchG 34 II. Straßenverkehrsrecht

35

1. Der ordnungsrechtliche Charakter von § 45 StVO

37

2. Der „Vorbehalt des Straßenrechts"

39

a) Grundsatz

39

b) Einzelne Schlußfolgerungen

40

III. Straßen-und Wegerecht 1. Umstufung in Form der Abstufung

41 41

a) Voraussetzungen und Inhalt einer Abstufung

42

b) Die Sonderregelung im BayStrWG und im SächsStrG

44

2. Nachträgliche Widmungsbeschränkung durch Teileinziehung

45

a) Rechtsgrundlagen

45

8

nsverzeichnis

b) Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten

46

c) Materielle Voraussetzungen

48

IV. Bauplanungsrecht

51

1. Zum Verhältnis von planungsrechtlicher Ausweisung und straßenrechtlicher Verfügung von Fußgängerbereichen

52

2. Materielle Voraussetzungen

53

V. Ergebnis

54

Dritter Teil Die Grundrechte der Autofahrer A. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG I. Autofahren als Nutzung verfassungsgeschützten Eigentums

55 56 56

1. Zum verfassungsrechtlich geschützten Eigentum

56

2. Der grundrechtliche Schutz des Autofahrens als ein Problem der Grundrechtskonkurrenz

58

3. Die „autofreie Innenstadt" als Nutzungsbeschränkung

62

II. Zum eigentumsrechtlichen Schutz der gewerblichen Auto-Mobilität

63

1. Autofahren als gewerbliche Nutzung von Kraftfahrzeugen

65

2. Beschränkungen der Auto-Mobilität als Eingriff in den Unternehmensbestand

65

3. Schutz des Vertrauens auf Fortbestand des Kraftfahrzeugverkehrs in der Innenstadt

68

III. Auto-Mobilität als Ausübung des Anliegerrechts 1. Eigentumsrechtlicher Schutz des Anliegerrechts a) Kernbereich und angemessene Grundstücksnutzung

69 69 71

b) Grundlinien für die Bestimmung der „angemessenen" Grundstücksnutzung

74

c) Der Kreis der Berechtigten

74

d) Der eigentumsrechtlich geschützte Umfang des Anliegerrechts

75

aa) Das Anliegerrecht der privaten Anlieger

76

(1) Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen

77

(2) Zumutbarkeit der Fußwege

78

nsverzeichnis

(3) Folgerungen bb) Das Anliegerrecht der gewerblichen Anlieger

9

79 79

cc) Einzelne Aspekte der Ausgestaltung von Innenstadtsperrungen ...

82

2. Qualifikation des grundrechtlichen Anliegerschutzes: vom Abwehrrecht zur institutionellen Garantie des Anliegerrechts

83

a) Von der institutionellen Garantie des schlichten Gemeingebrauchs zur institutionellen Garantie des Anliegerrechts

85

b) Übermaßverbot und institutionell gewährleisteter Kernbereich

86

c) Fazit zur Anliegerrechtsprechung des BVerwG: Das „alles oder nichts"-Prinzip

88

3. Verfassungsrechtliche Verwirklichung des Anliegerrechts

89

4. Einfachgesetzliche Verwirklichung des Anliegerrechts

90

B. Freizügigkeit, Art. 11 GG I. Der Schutzgehalt der Freizügigkeit II. Verkehrsmittelfreiheit als „Ausstrahlung" der Freizügigkeit? C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG I. Auto-Mobilität im Vorfeld der Versammlung

91 92 93 96 96

II. Auto-Mobilität als Ausfluß des Straßenbenutzungsrechts von Versammlungen

97

1. Inhalt und Umfang des Straßenbenutzungsrechts: KraftfahrzeugDemonstration im Fußgängerbereich

97

2. Schutzwirkung des Straßenbenutzungsrechts

101

a) Der Geltungsanspruch des Straßenrechts

102

b) Exkurs: Der Geltungsanspruch des Straßenverkehrsrechts

103

III. Schlußbemerkung

104

D. Berufsfreiheit, Art. 12 GG

104

I. Schutzbereich

105

1. Auto-Mobilität im Vorfeld der Berufsfreiheit: die Fahrt zur Arbeitsstätte 105 2. Auto-Mobilität als Ausdruck der Berufsfreiheit

107

nsverzeichnis

II. Eingriff in den Schutzbereich

109

1. Eingriffsqualität allgemein ausgesprochener Verkehrsbeschränkungen

110

a) Berufsregelnde Tendenz als Eingriffsvoraussetzung des BVerfG

110

b) Fortführung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für allgemeine Beschränkungen der Auto-Mobilität 111 c) Grundrechtsrelevanter Eingriff in Art. 12 GG auch bei gleichzeitiger Beeinträchtigung von privater und beruflicher Freiheitsausübung ... 113 aa) Finalität als Kriterium des Grundrechtseingriffs?

113

bb) Der Kreis der Betroffenen als Kriterium für den Grundrechtseingriff? 115 2. Eingriffsstufe

117

III. Die Intensität des Grundrechtsschutzes für die berufliche Auto-Mobilität: zu den Maßstäben der verfassungsrechtlichen Eingriffsrechtfertigung 119 1. Grundrechtskontrolle bei gesetzesgebundenen Exekutivakten: straßenrechtliche Inkorporierung der verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe 120 2. Kontrollmaßstab für Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit: Stufentheorie oder Übermaß verbot? 122 3. Zur Wirkungsweise des Übermaß Verbots zum Schutz beruflicher AutoMobilität gegen Verkehrsgestaltungsentscheidungen 124 a) Geeignetheit

124

aa) Zwecksetzungsfreiheit der Verwaltung für verkehrspolitische Gestaltungsentscheidungen 124 bb) Vereinbarkeit der verkehrspolitischen Zweckoffenheit mit der Zwecksetzungstypik der Stufenlehre 125 cc) Eignung der Innenstadtsperrung zur Verkehrsberuhigung: Verkehrsverlagerung und gerichtliche Kontrolldichte 127 dd) Nachwirkungen des Prognosespielraums: Pflicht zum „Nachfassen" 130 b) Erforderlichkeit

131

aa) Das ordnungsrechtliche Verbot im Vergleich mit weniger zwingenden Handlungsformen 132 bb) Der Anwendungsbereich des Fahrverbots c) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne aa) Schwere des Eingriffs

133 135 135

bb) Zurückdrängung der Auto-Mobilität: Ordnungsziel als öffentliches Interesse oder Selbstzweck? 136

nsverzeichnis

11

cc) Öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung beruflicher Auto-Mobilität 139 (1) Die Sonderrechte aus § 35 StVO 139 (2) Das öffentliche Interesse am Gelegenheitsverkehr mit Taxen 142 IV. Fazit: Der Grundrechtsschutz für die berufliche Straßennutzung als Einspruchsbefugnis und Aktualisierung der Gemeinwohlpflichtigkeit 145 E. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG

147

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

148

I. Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 GG 1. Sachliche Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG

149 149

2. Persönliche Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG: Grundrechtsschutz für die berufliche Auto-Mobilität von Ausländern 151 II. Schutzgehalt und Schutzrichtung von Art. 2 Abs. 1 GG

152

1. Unbenannte Ausprägungen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 152 a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht

153

b) Das „Grundrecht auf Mobilität"

154

2. Freie Persönlichkeitsentfaltung und allgemeine Handlungsfreiheit: „Reiten im Walde" und Autofahren 155 3. Grundrechtsschutz der Straßennutzung zwischen Freiheit und Teilhabe 158 a) Gemeingebrauch in der Tradition des derivativen Teilhaberechts .... 159 b) Gemeingebrauch zwischen Freiheit und Teilhabe

160

aa) Freiheit auf der Basis von Teilhabe

160

bb) Gemeingebrauch als „natürliche" Freiheit

161

cc) Unterschiedliche Gewährleistungsdimensionen des Gemeingebrauchs 162 c) Straßennutzung als Grundrechtsvoraussetzung der Fortbewegungsfreiheit 164 aa) Straßennutzung im Spiegel der speziellen Freiheitsgrundrechte 164 bb) Zur Einbeziehung von Grundrechtsvoraussetzungen in den grundrechtlichen Abwehranspruch 165

nsverzeichnis

cc) Straßenbenutzung als von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrechtsvoraussetzung für die Auto-Mobilität 168 d) Fazit

169

4. Umweltnutzung zwischen Freiheit und Teilhabe

169

5. Nachtrag: „Umweltpflichtigkeit" und „Polizeipflichtigkeit" der AutoMobilität? 172 6. Ergebnis

175

III. Zur Einschränkbarkeit der Auto-Mobilität 1. Absolute Grenzen für die verkehrspolitische Gestaltungsfreiheit

175 176

a) Kernbereich privater Lebensgestaltung

176

b) Institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs

177

2. Das Übermaßverbot als Schranken-Schranke für Eingriffe in die private Auto-Mobilität 179 a) Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität über Art. 2 Abs. 1 GG im Spiegel der Rechtsprechung 179 b) Beschränkungen der Auto-Mobilität in der abstrakten Rechtsgüterabwägung zwischen individuellem Freiheitsanspruch und Gemeinwohl 182 c) Zumutbarkeitserwägungen aa) Zumutbarkeit von Fußwegen

183 184

bb) Berücksichtigung von Sonderbetroffenheiten: Die Rechtstellung Gehbehinderter 184 G. Resümee: „Autofreie Innenstadt" und Grundrechtsschutz für die AutoMobilität 187

Vierter Teil „Grundrecht auf Mobilität"? A. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität - eine Bestandsaufnahme I. Grundrechte und Multifunktionalität der Auto-Mobilität II. Auto-Mobilität im Spektrum der grundrechtlichen Schutzbereiche

189 189 189 191

1. Mobilität und Auto-Mobilität im Vorfeld grundrechtlicher Freiheitsausübung 191 2. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität als Verkehrsmittelwahlfreiheit 193

nsverzeichnis

13

III. Rechtfertigungsfähigkeit staatlicher Eingriffe in die Auto-Mobilität

194

B. Vom Grundrechtsschutz für die Mobilität zum „Grundrecht auf Mobilität"

195

I. „Grundrecht auf Mobilität" und induktive Grundrechtsbegründung nach Ronellenfitsch 195 II. Begründung neuer Grundrechtsgehalte im Spiegel von Rechtsprechung und Schrifttum 196 1. Methodische Bedenken der Literatur gegen das „Grundrecht auf Mobilität" 197 2. Unbenannte Freiheitsrechte und Grundrechtsfortbildung

199

a) Überblick

199

b) Versuch einer Systematisierung

201

aa) Allgemeine Handlungsfreiheit und „unbenannte" Freiheitsrechte 201 (1) „Unbenannte" Freiheitsrechte und Handlungsbeschreibungen bei Art. 2 Abs. 1 GG

202

(2) „Unbenanntes" Freiheitsrecht auf Mobilität und Autofahren? 204 bb) Grundrechtsschöpfung aus mehreren Grundrechten (1) Das „einheitliche Grundrecht"

205 206

(2) Zusammenwirken idealkonkurrierender Grundrechte zum „Wirkungsverbund" 207 (3) Verklammerung von Grundrechts Voraussetzungen c) Ausblick: Grundrecht auf Mobilität de constitutione ferenda?

208 210

Literaturverzeichnis

213

Sachverzeichnis

241

Abkürzungsverzeichnis abl. abw. ÄndVO AfP AgrarR AK amtl. Anm. AO AöR AT Bad.-Württ. Verf. BASt BauGB BauR Bay. BayBgm BayObLG BayStrWG BayVBl. Bay Verf. BayVerfGH BayVGH BB BbgStrG Bbg. Verf. BerlStrG Beschl. Bes VerwR BFStrG BGB BGBl. BGH BGHZ BImSchG BK

ablehnend abweichend Änderungsverordnung Archiv für Presserecht Agrarrecht Alternativkommentar zum Grundgesetz amtlich(e) Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Allgemeiner Teil Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 11. November 1953 Bundesanstalt für Straßenwesen Baugesetzbuch Baurecht Bayern Der Bayerische Bürgermeister Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerisches Straßen- und Wegegesetz Bayerische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. Dezember 1946 Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerischer Verwaltungsgerichtshof; Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, neue Folge Der Betriebsberater Straßengesetz des Landes Brandenburg Verfassung des Landes Brandenburg vom 22. April 1992 Berliner Straßengesetz Beschluß Besonderes Verwaltungsrecht Bundesfernstraßengesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge (Bundes-Immissionsschutzgesetz) Bonner Kommentar zum Grundgesetz

Abkürzungsverzeichnis

BMV BR-Drucks. Brem. Verf. BT-Drucks. BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE BW BWVB1. CR DAR DB DDR Diss. DIHT DÖV DRiZ dt. DuR DVB1. ebd. Einf. Einl. et etc. EuGRZ F. A.Z. FG FS FStrPrivFinG geänd. GG GO GS GVB1. Hamb. HambWG HdbStR HdUR Hess. HessStrG Hess. Verf.

15

Bundesminister für Verkehr Drucksachen des Deutschen Bundesrates Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen vom 21. Oktober 1947 Drucksachen des Deutschen Bundestages Bundesverfassungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg(isch) Baden-württembergisches Verwaltungsblatt Computer & Recht Deutsches Autorecht Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik Dissertation Deutscher Industrie- und Handelstag Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Richterzeitung deutsch(e,er) Demokratie und Recht Deutsches Verwaltungsblatt ebenda Einführung Einleitung Energiewirtschaftliche Tagesfragen etcetera Europäische Grundrechte-Zeitschrift Frankfurter Allgemeine Zeitung Festgabe Festschrift Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz geändert Grundgesetz Gemeindeordnung Gedenkschrift Gesetz- und Verordnungsblatt hamburgisch Hamburgisches Wegegesetz Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Handwörterbuch des Umweltrechts Hessen Hessisches Straßengesetz Verfassung des Landes Hessen vom 1. Dezember 1946

16

HGrG Hrsg. Hs. i.d.F. i. Erg. Int Verkehrswesen i.S. IUR i.ü. i.V.m. i.w.S. JA Jb. JöR Jura JuS JZ KJ LFischG LG lit. Lkw Losebl. LStrG Rh.-Pf. LT-Drucks. Lts. LVerf MDR ME Nds. N.F. NJW NStrG NuR NVwZ NVwZ-RR NW NWVB1. NW Verf. NZV OLG OVG OVGE OwiG

Abkürzungsverzeichnis

Haushaltsgrundsätzegesetz Herausgeber Halbsatz in der Fassung im Ergebnis Internationales Verkehrswesen im Sinne Informationsdienst Umweltrecht im übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kritische Justiz Fischereigesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesfischereigesetz) Landgericht littera Lastkraftwagen Loseblatt Landesstraßengesetz für Rheinland-Pfalz Drucksachen des Landtages Leitsatz Landesverfassung Monatsschrift für Deutsches Recht Musterentwurf Niedersachsen Neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Niedersächsisches Straßengesetz Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ-Rechtsprechungs-Report Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter Verfasssung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Juni 1950 Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Amtliche Sammlung der Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Lünburg und Münster Ordnungs Widrigkeitengesetz

Abkürzungsverzeichnis

PBefG Pkw PrOVG Rdnr. Rdnrn. RG RGBl. RiA RIW Rh.-Pf. Rh.-Pf. Verf. RVB1. SaarlStrG Saarl. Verf. SächsStrG Sächs. Verf. SchlHStrWG SchwbG SKV Smog-VO S02 SRU StaatsR StrG LSA StrWG-MV StrWG NW StVG StVO StVZO SZ ThürStrG Thür. Verf. UmwR UrhG UPR Urt. UstG UTR VB1BW VD VDI VerkMitt. VersG VerwArch. 2 Röthel

17

Personenbeförderungsgesetz Personenkraftwagen Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Randnummer Randnummern Reichsgericht Reichgesetzblatt Das Recht im Amt Recht der internationalen Wirtschaft Rheinland-Pfalz Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 Reichsverwaltungsblätter Saarländisches Straßengesetz Verfassung des Saarlandes vom 15. Dezember 1947 Straßengesetz für den Freistaat Sachsen Verfassung des Landes Sachsen vom 27. Mai 1992 Straßen- und Wegesetz für das Land Schleswig-Holstein Schwerbehindertengesetz Staats- und Kommunalverwaltung Smog-Verordnung Schwefeldioxid Rat von Sachverständigen für Umweltfragen Staatsrecht Straßengesetz für das Land Sachsen-Anhalt Straßen- und Wegegesetz des Landes MecklenburgVorpommern Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen Straßen verkehrsgesetz Straßenverkehrs-Ordnung Straßenverkehrs-Zulassungsordnung Süddeutsche Zeitung Thüringer Straßengesetz Verfassung des Landes Thüringen vom 25. Oktober 1993 Umweltrecht Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Umwelt- und Planungsrecht Urteil Umsatzsteuergesetz Schriftenreihe des Instituts für Umwelt- und Technikrecht der Universität Trier Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg Verkehrsdienst Verein deutscher Ingenieure Verkehrsrechtliche Mitteilungen Versammlungsgesetz Verwaltungsarchiv

18

VG VGH VkBl. VO Vorbem. VRS VVDStRL VwRspr. Vwv VwVfG WiVerw WRP WRV ZAU ZBR ZfU ZfV ZfVerkWiss ZRP ZUR zust. ZVR

Abkürzungsverzeichnis

Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verkehrsblatt. Amtsblatt des Bundesministers für Verkehr Verordnung Vorbemerkung Verkehrsrechts-Sammlung Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland Verwaltungsvorschrift Verwaltungsverfahrensgesetz Wirtschaft und Verwaltung Wettbewerb in Recht und Praxis Verfasssung des Deutschen Reichs vom 11. 8. 1919 (Weimarer Reichsverfassung) Zeitschrift für angewandte Umweltforschung Zeitschrift für Beamtenrecht Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Verkehrswissenschaft Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Umweltrecht zustimmend Zeitschrift für Verkehrsrecht (Österreich)

Erster Teil

Vorbemerkungen

A. Automobilverkehr in der politischen und gesellschaftlichen Diskussion Konnten Fragen der Verkehrspolitik jahrzehntelang von tagespolitischen Ereignissen in den Schatten gestellt werden, so belehren uns die neunziger Jahre eines Besseren: Kaum eine Frage ist von der bundesdeutschen Öffentlichkeit in den letzten Jahren so sehr zum Politikum erhoben wie die nach der Zukunft des Automobilverkehrs. Schon mehren sich die Stimmen, die einen gänzlichen Verzicht auf das Auto fordern. Doch gerade Deutschland scheint weit von einem Abschied vom Automobil entfernt, rührte doch eine solche Forderung nicht nur an das Selbstverständnis einer hochmobilen Gesellschaft, sondern daneben vielleicht folgenschwerer - an ein Selbstverständnis Deutschlands, das seine Wurzeln in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte hat. Gerade im Individualverkehr spiegelte die deutsche Nachkriegsgesellschaft ihren Zukunftsentwurf einer mobilen und freiheitlich-individualistischen Gesellschaft wider, in der das Automobil als „Symbol des kollektiven Wiederaufstiegs" 1 zum Leitbild von Freiheits- und Wohlstandsvisionen wurde. Unter diesen Vorzeichen blieb der Verkehrspolitik nur ein geringer Handlungspielraum; ihre vorrangige Aufgabe war die Bereitstellung von öffentlichen Straßen 2. Eine erste Bewährungsprobe hatte die Verkehrspolitik in den fünfziger Jahren zu bestehen, als Schiene und Straße in zunehmende Konkurrenz um die Personen- und Güterbeförderung traten 3 . Nachdem aus diesem 1

Klenke, Die deutsche Katastrophe und das Automobil. Zur,,Heils"geschichte eines nationalen Kultobjekts in den Jahren des Wiederaufstiegs, in: Moderne Zeiten. Technik und Zeitgeist im 19. und 20. Jahrhundert, 1994, S. 157 (161). Diese Symbolbedeutung hat sich natürlich gewandelt, so spricht Virilio , Rasender Stillstand, 1990 (dt. 1992), S. 31 vom „symbolischen Niedergang" des Autos. 2 Für den Straßenbau bedeutete das Straßenbau-Finanzierungsgesetz v. 28. 3. 1960, BGBl. I, S. 201 eine folgenreiche Weichenstellung. Hierin wurde eine strikte Zweckbindung des Mineralölsteueraufkommens für den Straßenbau verfügt; zu verkehrspolitischen Änderungen im Bereich des Steuerrechts Selmer/Brodersen/Nicolay sen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, 1989, S. 35 ff. 3 Vgl. zum „Schiene-Straße-Konflikt" der fünfziger Jahre Klenke, „Freier Stau für freie Bürger": die Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik 1949-1994, 1995, S. 18 ff.

20

Erster Teil: Vorbemerkungen

Konflikt Ende der fünfziger Jahre sowohl der Lkw als auch der Pkw siegreich hervorgegangen waren, war der Verkehrspolitik eine konfliktfreie, ruhige Entwicklung beschieden. Ein dementsprechend blasses Erscheinungsbild bot sie von Beginn der sechziger Jahre bis in die frühen achtziger Jahre. Allein die Frage um Geschwindigkeitsbegrenzungen für Pkws vermochte die Gemüter zeitweilig zu erhitzen. Bezeichnenderweise gelang es jedoch nicht einmal, das unter dem Eindruck der Ölkrise im Jahr 1973 eingeführte Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen dauerhaft beizubeihalten - auch nicht in Gestalt eines gemäßigten Tempolimits von 130 km/h 4 . Vor den Augen von Öffentlichkeit und Politik, die den Blick selbst vor dem in den siebziger Jahren gewachsenen Umweltbewußtsein verschlossen, war Auto-Mobilität unmerklich „in den Rang einer tabuisierten Selbstverständlichkeit aufgestiegen" 5. Eine neue Qualität erhielt die verkehrspolitische Debatte erst wieder Ende der achtziger und zu Beginn der neunziger Jahre, als eine zutiefst verunsicherte Öffentlichkeit den Kraftfahrzeugverkehr als „naheliegenden" Verursacher des Waldsterbens anprangerte und so dem Umweltschutzgedanken nachhaltig zum Eingang in die Verkehrspolitik verhalf. Dadurch kam es im Jahr 1985 zu einer Spreizung der Mineralölsteuer für bleihaltiges und bleifreies Benzin und zu einer zeitlich gestaffelten steuerlichen Begünstigung von Autos mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator. Auch in Fragen des Lärmschutzes erwiesen sich die späten achtziger Jahre als ein Zeitraum der verkehrspolitischen Wende 6 . Daneben stellten sowohl der europäische Integrationsprozeß als auch die Wiedervereinigung die Verkehrspolitik vor neue Herausforderungen. Nach wie vor läßt auch die Öffnung der osteuropäischen Märkte einen weiteren Anstieg der Güterverkehrsströme befürchten; mit dem Transit wächst auch die Angst vor vermehrten Umweltbelastungen und einer Überlastung der deutschen Straßen 7. Seit Beginn der neunziger Jahre erfährt die Verkehrspolitik daher neben gesteigerter gesellschaftlicher auch wachsende politische Aufmerksamkeit. Verkehrspolitische Fragen sind zu einem zugkräftigen Politikum geworden, das sich Parteien jeder Couleur auf ihre Fahnen schreiben 8. Nicht nur in Wahljah4

Vgl. Piely „Verlorene Schlacht ums Tempo-Limit", in: DIE ZEIT v. 15. 3. 1974. Interessant ist vor allem die Argumentation der unionsregierten Länder, die den Vorschlag zu Fall brachten. Sie stützten sich auf das wirtschaftliche Wohlergehen der Automobilindustrie und auf die Überzeugung, um der Unfallverhütung willen „die Eigenverantwortung des mündigen Verkehrsteilnehmers" stärken zu müssen; vgl. BR-Drucks. 183/3/74 v. 18.3. 1974. 5 Klenke, Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik, S. 164. 6 Klenke, Geschichte der bundesdeutschen Verkehrspolitik, S. 120 ff. 7 Vgl. Schröder, Int Verkehrswesen 1994, 181 (182). Die Europäische Kommission prognostizierte in ihrem Grünbuch „Verkehr" eine Zunahme des Lkw-Verkehrs bis zum Jahr 2010 um 42 %; vgl. dazu auch „Mit dem Wachstum werden auch die Staus wachsen", SZv. 2. 9. 1992. 8 Siehe nur aus den Wahlprogrammen der Parteien zur Bundestagswahl vom 16.10.1994: CDU/CSU: „Wir wollen die Kraftfahrzeugsteuer auf eine emissionsorientierte Bemessungsgrundlage umstellen. [...] - wir werden die freie und möglichst unregle-

Α. Automobilverkehr in der politischen Diskussion

21

ren wird die Diskussion um die Zukunft des Straßenverkehrs mit bislang ungekannter Vehemenz und Polemik geführt. Schon erscheint die Frage nach dem Automobilverkehr als „moralisches Problem" 9 in einer mit ideologischer Härte geführten Kontroverse 10 . Um den noch immer ungebremsten Verkehrszuwachsraten entgegenzutreten 1 1 , werden in stets kürzeren Intervallen neue Konzepte für den Straßenverkehr gefordert 12 . Konsensfähig scheint jedoch allein die Einsicht zu sein, daß etwas geschehen muß. Noch ist ein Ende der Entwicklung bundesdeutscher Motorisierung nicht abzusehen: Für den Pkw-Verkehr prognostiziert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung bis zum Jahr 2010 einen Bestandszumentierte Mobilität unserer Bürger sichern [...], ein generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnen wir ab. [...] und wir wollen, daß Autofahren auch in Zukunft bezahlbar bleibt."; SPD: „Wir werden uns für eine europaweite Regelung zur Senkung der Emissionen und des Energieverbrauchs des Autos einsetzen. [...] Auf Bundesautobahnen brauchen wir eine Begrenzung der Geschwindigkeiten. Zur Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs werden wir Umschichtungen innerhalb des Verkehrshaushalts vornehmen."; FDP: „Die Kfz-Steuer wird abgeschafft und aufkommensneutral auf die Mineralölsteuer umgelegt. [...] Generelle Geschwindigkeitsbegrenzungen sind kein Instrument einer zukunftsträchtigen Verkehrspolitik. [...] Auch die Verkehrspolitik muß marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen."; Bündnis 90/Die Grünen: „Wir wollen eine ökologische Gesellschaft: [...] Eine Wende in der Energie- und Verkehrspolitik [...]. Aus Umweltgründen muß ein Tempolimit eingeführt werden. Wir schlagen, eine einmalige Erhöhung der Bezinpreise [vor]." 9 So Drieschner, „Wie bei jedem Rauschmittel kommt es auf die Dosis an", Das Parlament v. 7. 8. 1992. 10 So Romahn, Politik gegen Autofahrer, 1994, der von einem „dreißigjährigen ideologischen Kampf gegen die Autofahrer" spricht; dazu F.A.Z. v. 29.3.1994; vgl. auch LingnaUy „Die Austreibung des Teufels Auto", Kommentar, F.A.Z. v. 5.9.1994, der den „Kreuzzügen" gegen das Auto „Züge eines Exorzismus" attestiert. Siehe auch den Slogan der APD, Autofahrer- und Bürgerinteressen Partei Deutschlands, die zur Bundestagswahl am 16. 10. 1994 mit dem Slogan „Autofahrer sind Menschen. Menschen haben Rechte!" antrat. 11 Vgl. nur die Angaben zum Bestand an Kraftfahrzeugen in Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 1993 für die Bundesrepublik Deutschland, S. 341 sowie Bundesminister für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen 1992, S. 192 ff. Danach ist die Zahl der zugelassenen Personenfahrzeuge im alten Bundesgebiet von 29 Millionen im Jahr 1988 auf 32 Millionen für 1992 angestiegen. Dabei ist schon jetzt absehbar, daß frühere Prognosen die Entwicklung des Straßenverkehrs unterschätzten - so prophezeite die Deutsche Shell AG 1989 für das Jahr 2000 einen Pkw-Bestand von nur 34 Millionen Fahrzeugen, eine Zahl, die wir schon Mitte der 90er Jahre erreichen werden; vgl. Grevsmähl, Entwicklungsperspektiven des Pkw-Verkehrs, Int Verkehrswesen 1990, 197 (197). Zur unverhersehbaren Dynamik der Verkehrsentwicklung auch Brilon/Schnick, Int Verkehrswesen 1990, 69 (69) sowie Geiling, Mobilitätsbilanz '89, Verkehr und Technik 1989, Heft 6, 209 (209). 12 Zu neuen Verkehrskonzepten im Überblick vgl. Diekmann, Verkehrspolitik Europas nach dem Jahr 2000, ZfVerkWiss 1992, 231 ff.; Jeschke/Kunert, Die Zukunft des Automobils, Int Verkehrswesen 1985, 11 ff.; Kentner, Zur Zukunft des Automobils Verkehrspolitische Strategien zur Bewältigung des Kraftverkehrs in hochmotorisierten Ländern, ZfVerkWiss 1984, 80 ff. und umfassend die Systemuntersuchung von Vester, Ausfahrt Zukunft, Strategien für den Verkehr von morgen, 5. Aufl. 1990.

Erster Teil: Vorbemerkungen

22

wachs von heute 39 Millionen Pkw auf etwa 50 Millionen Fahrzeuge und eine Zunahme der im motorisierten Individualverkehr zurückgelegten Kilometer um 21 Prozent 13 . Damit erweist sich der freiwillige Verzicht auf das Automobil als Illusion 1 4 . Daß kaum jemand mehr auf Mobilität verzichten will und sich der „automobile Bürger" seit Beginn des motorisierten Zeitalters vom Einzelphänomen zu einem Grundcharakteristikum unserer auf Mobilität ausgerichteten Gesellschaft 15 entwickelt hat, macht Politik und Wirtschaft den Weg aus dem Engpaß im Verkehrssektor so schwer. Nicht nur die Wirtschaft diktiert den Berufstätigen erhöhte Mobilität; auch das individuell empfundene Bedürfnis nach Urlaubs· und Freizeitmobilität 16 als Zeichen von Lebensqualität ist gestiegen 17 . Im Konflikt zwischen dieser vermehrten Nachfrage nach Mobilität und den Lasten des hohen Verkehrsaufkommens werden immer mehr staatliche Entscheidungen notwendig, wieviel Auto-Mobilität sich unsere Gesellschaft auch in Zukunft wird leisten können. So wird staatlicher Interventionismus von allen Seiten gefordert - sei es bei dem noch immer geäußerten Petitum eines weiteren Ausbaus der Infrastruktur 18 , sei es bei dem Ruf nach verkehrsreduzierenden und verkehrslenkenden Maßnahmen. Ob das Ziel Umweltschutz, Sicherheit der Verkehrsteilnehmer oder nur Erhaltung der durch das hohe Verkehrsaufkommen gefährdeten Mobilität heißt - die immer größer werdende Fraktion derjenigen, die den Autoverkehr in seine Schranken verweisen will, hält auf dem Weg zu „gebremster" oder „sanfter" Mobilität gewichtige Eingriffe zur Lenkung und Steuerung des motorisierten Verkehrs für erforderlich. An Ansatzpunkten und Ideen für Eingriffe in den Autoverkehr fehlt es nicht: Im Innenstadtbereich kann schon auf langjährige Erfahrungen mit verkehrsbe13

SZ v. 27. 6. 1994; vgl. auch die aktualisierte Prognose des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung zur Verkehrskonjunktur, Verkehrsnachrichten Heft 11 1993, 11 (12). 14 Ilgmann, ZfVerkWiss 1982, 124 (137). 15 Von „Verkehrsgesellschaft" spricht daher Gusy, ZRP 1993, 439 (439 f.). 16 So können die Verkehrszuwachsraten im Personenindividualverkehr von 47 % im Zeitraum von 1974 bis 1991 vor allem darauf zurückgeführt werden, daß in zunehmendem Umfang Freizeit und Wohlstand in Mobilität umgesetzt werden; vgl. Schröder, Int Verkehrswesen 1994, 181 (182); Waschke, Freizeitmobilität und Arbeitszeitentwicklung, Int Verkehrswesen 1987, 175 ff. m.w.N. Daneben können noch vielfältige andere Ursachen für diese Verkehrsentwicklung verantwortlich gemacht werden, so insbes. die raumstrukturelle Entwicklung, die zu einer Dezentralisierung der Wohnstätten und einer zunehmenden Verlagerung von Gewerbe und Industrieansiedlungen in die Randlage der Städte geführt hat; vgl. Kessel/Lange, der städtetag 1992, 199 (200 f.). 17 Zum Wert der Mobilität Praxenthaler, Mobilität und Auto im Spannungsfeld, in: FS für Heinrich von Lersner, 1991, S. 299 ff. 18 Straßenneubau fordert nachdrücklich ADAC-Präsident Otto Flimm, ADACMotorwelt 3/94, 10; vgl. auch den ADAC-Appell: „Schluß mit dem Super-Stau! Für Fernstraßenbau jährlich 3 Milliarden Mark mehr nötig", ADAC-Motorwelt 4/94, 56; ähnlich Bayerisches Staatsministerium ßr Wirtschaft und Verkehr, Verkehrspolitik für die 90er Jahre, 1991, S. 8 f. sowie BMW AG (Hrsg.), Vernunft und Verantwortung im Straßenverkehr, 1992, S. 27.

Α. Automobilverkehr in der politischen Diskussion

23

ruhigenden Maßnahmen verwiesen werden, so insbesondere auf die Einrichtung von Fußgängerstraßen und Tempo-30-Zonen 1 9 , die bereits vielerorts das Stadtbild prägen. Auch mit gezieltem Parkraummanagement 20 machen die Kommunen schon seit geraumer Zeit Verkehrspolitik, um der innerstädtischen Autolawine Herr zu werden. Andere Vorschläge wie die gänzlich autofreie Innenstadt 21 oder Pendlerzufahrtsabgaben 22 stehen noch im Raum. Die Überlegungen, bei der Einfahrt in die Innenstadt nach geraden oder ungeraden Nummernschildern zu differenzieren 23 oder nur Fahrzeuge mit einem Mindestbesetzungsgrad einzulassen24, illustrieren, daß der Phantasie der Verkehrsplaner offenbar kaum Grenzen gesetzt sind. 19 Die ersten Versuche zur Verkehrsberuhigung begannen in Deutschland Mitte der 70er Jahre, nachdem in den Niederlanden bereits Erfahrungswerte vorlagen. Vom Bund wurde 1980 ein Forschungsvorhaben in Auftrag gegeben, dessen Ergebnisse nun vorliegen; vgl. Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau u.a. (Hrsg.), Forschungsvorhaben Flächenhafte Verkehrsberuhigung, 2. Aufl. 1992; zusammenfassend BiS (Hrsg.), Parkraum- und Verkehrsregelungen für Innenstädte, S. 14 ff. m.w.N. Vgl. zu den Erfahrungen in Zürich Topp, Verkehr&Umwelt 1987, S. 4 ff.; für Hamburg Draeger, Verkehr&Umwelt 1987, 14 ff. 20 Vgl. Axhausen/Polak, The implications of parking search behaviour for parking management, in: VDI (Hrsg.), Neue Konzepte für den ruhenden und den fließenden Verkehr, 1990, S. 247 ff. BiS (Hrsg.), Parkraum- und Verkehrsregelungen für Innenstädte, 1994, S. 35 ff.; Eekhoff, Parkplatzgebührenpolitik im Rahmen der gesetzlichen Neuregelung, ZfVerkWiss 1980, 263 ff.; Janz/Schuster/Skoupil/Topp, Parkraumkonzepte: Methodik für Großstädte, Int Verkehrswesen 1989, 29 ff.; Topp, Stadtverkehrspolitik: Parken als Verteilungsproblem, Int Verkehrswesen 1984, 334 ff. sowie Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunen und Verkehrsplanung, S. 87 (110 ff.). In der Schweiz ist die Parkuhrgebühr schon als Knappheitspreis ausgestaltet, zu dieser „Marktwirtschaft an der Parkuhr" F.A.Z. v. 13. 10. 1994. 21 Vgl. Fuchs/Galli-Zugaro, WirtschaftsWoche Nr. 37 v. 8.9.1989, 105; Kessel/ Lange, der städtetag 1992, 199 (202 f.); ausführlich Nickel, DER NAHVERKEHR 1/1991, 11 (13 ff.) m.w.N.; Schiinemann, Autofreie Altstadt und Prioritäten für den Umweltverbund am Beispiel Lübeck, in: ILS (Hrsg.), Autofreies Leben, 1992, 30 ff.; nachdrücklich Zeller, Mobilität für alle!: Umrisse einer Verkehrswende zu einem autofreien Basel, 1992, S. 333 ff. 22 Ausführlich zu den Möglichkeiten von Nahverkehrsabgaben als Innenstadtzufahrtsgebühr, Pendlergebühr oder Großveranstaltungsabgabe BiS (Hrsg.), Parkraumund Verkehrsregelungen für Innenstädte, S. 32; Keuchel, Int Verkehrswesen 1992, 377 ff.; Reupke, DER NAHVERKEHR 7/92, 47 ff.; Sauer/Weissbarth, in VDI (Hrsg.), Mobilität und Verkehr, S. 83 ff. 23 Eine solche Regelung, wie sie in Athen seit einigen Jahren praktiziert wird, wird in Deutschland nicht ernsthaft in Erwägung gezogen und ist auch rechtlich bedenklich, da jedenfalls § 45 StVO keine taugliche Rechtsgrundlage für eine solche Differenzierung bietet; vgl. Arndt, WiVerw 1993, 206 (228); Rehbinder, Gutachten über Rechtsfragen von Verkehrsverboten, Verkehrsbeschränkungen und Abgaben zur Minderung verkehrsbedingter Luftverunreinigungen in Ballungsgebieten, 1993; so auch BiS (Hrsg.), Parkraum- und Verkehrsregelungen für Innenstädte, S. 28 f. 24 Dies wird vor allem in den USA diskutiert; vgl. BiS (Hrsg.), Parkraum- und Verkehrsregelungen für Innenstädte, S. 30 und in Californien schon praktiziert; vgl. Schaller, Kommunale Verkehrskonzepte, S. 74. Dies erscheint in Deutschland aber nach

24

Erster Teil: Vorbemerkungen

Auch der Fernverkehr bleibt von verkehrspolitischen Eingriffen nicht ausgespart. Politiker und Umweltschützer debattieren schon lange über ein generelles Tempolimit auf Autobahnen 25 , und die Einführung von Autobahngebühren 26 nimmt konkrete Formen an; dagegen scheint die Einrichtung von „priority lanes" für Fahrgemeinschaften 27 in der Bundesrepublik keine Anhänger gefunden zu haben. Auch die Mittel der Steuerpolitik und des Abgabenrechts sind längst für die Zwecke der Verkehrsplaner entdeckt worden 28 . Während die deutsche Debatte aber vor allem von der immer wieder ins Spiel kommenden Erhöhung der Mineralölsteuer 29 bestimmt ist, wird in Fernost längst zu so kuriosen Maßnahmen wie einer Steuerbegünstigung für „Wochenend-Autos" 30 oder drakonischen Zulassungsgebühren bis zu 175 Prozent des Marktpreises gegrifRehbinder, Gutachten über Rechtsfragen von Verkehrsverboten, Verkehrsbeschränkungen und Abgaben zur Minderung verkehrsbedingter Luftverunreinigungen, 1993 problematisch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 25 Die Debatte über ein Tempolimit hat sich seit dem baden-württembergischen Ozonversuch im Juni 1994 und den von Hessen erstmals im August 1994 angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzungen erneut erhitzt; vgl. „Neue Debatte über ein Tempolimit nach dem Ozonversuch", F.A.Z. v. 29. 6. 1994. Für eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen z.B. Herzog, Die Bedeutung des Verkehrsrechts in einer mobilen Gesellschaft, in: 30. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1992, S. 31 f.; krit. SeidenStecher, DAR 1991, 321 ff.; vgl. zum Problem von Geschwindigkeitsbegrenzungen auch schon Bockelmann, DAR 1967, 98 ff. 26 Neben der Lkw-Vignette, die zum 1.1. 1995 eingeführt wurde, war lange Zeit auch eine streckenbezogene Straßennutzungsgebühr für Pkw mit automatischer Gebührenerhebung in der Diskussion; vgl. nur F.A.Z. v. 17. 6. 1994. Allgemein zu Straßengebühren Aring, Bauwelt 1992, 620 ff.; Axhausen/Jones, Straßengebühren, Bauwelt 1991, 606 ff.; Ewers, Straßenbenutzungsgebühren als Lenkungs- und Finanzierungsinstrument, in: VDI (Hrsg.), Mobilität und Verkehr, S. 73 ff. sowie Keuchel/Rodi, Erhebung von Straßennutzungsgebühren, Int Verkehrswesen 1994, 203 ff. 27 Die Idee der „priority lanes" stammt aus den USA und kann dort schon auf längere Erfahrungen zurückschauen; vgl. Krug, Int Verkehrswesen 1989, 321 (325) sowie Fuchs/Galli-Zugaro, WirtschaftsWoche v. 8. 9. 1989, 105 (106). In den Niederlanden ist ein entsprechendes Verkehrsexperiment noch vor Ende der Probephase aus juristischen Gründen abgebrochen worden; vgl. „Carpool-Spur gescheitert", Der Tagesspiegel v. 13. 8. 1994. 28 Vgl. Hofmann/Wehrt, Die Reform der Kfz-Steuer - wirtschaftspolitisch betrachtet, ZfVerkWiss 1992, 263 ff.; Neu, Eine zweigeteilte Abgassteuer zur Lösung des Autoabgasproblems, ZfVerkWiss 1992, 161 ff.; Sebaldt, Umweltpolitische Gesetzgebung und die Rolle der Opposition: Zur Genese des Mineralölsteuergesetzes vom 26. 3. 1985, ZfU 1993, 88 ff.; zum internationalen Vergleich Jeschke/Kunert, Int Verkehrswesen 1985, 11 (14). Insoweit ist die Debatte um Energiesteuern, Emissionsabgaben und natürlich die Mineralölsteuer Teil der Diskussion um die sog. ökologische Steuerreform; vgl. dazu aus dem Gutachten des „Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" F. A.Z. v. 18. 11. 1994. 29 Vgl. zu Vorschlägen der Bundesregierung „Wird Benzin noch teurer?", F.A.Z. v. 14. 3. 1994; „EU-Mindestsätze für Mineralölsteuer anheben", F.A.Z. v. 18. 5. 1994; aus den Wahlprogrammen der Parteien vgl. oben, S. 20 Fn. 8. 30 Dies wird in Singapur praktiziert; vgl. „Wochenend-Autos billiger", Frankfurter Rundschau v. 13. 11. 1990; dazu Nickel, DER NAHVERKEHR 1/91, 11 (21).

Β. Automobilverkehr als (Grund-) Rechtsproblem

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fen 3 1 . Bei dem Versuch, das Verkehrsproblem „an der Wurzel zu packen", wird hier schon der Erwerb von Kraftfahrzeugen zum Ansatzpunkt staatlicher Verkehrspolitik: In Tokio beispielsweise darf nur derjenige einen Neuwagen kaufen, der dafür einen Parkplatz nachweist 32 , und in Singapur ist der Neuwagenkauf vom Besitz eines staatlich kontingentierten Berechtigungsscheines abhängig 33 .

B. Automobilverkehr als (Grund-) Rechtsproblem Neben der vehement geführten politischen Debatte sind Maßnahmen der Verkehrsbeschränkung und -lenkung längst auch in das Blickfeld juristischer Erörterungen gelangt 34 . So offensichtlich für Umweltschützer wie für Verkehrs- und 31

Mit dieser Zulassungsgebühr und einer Straßensteuer in Höhe von 300 bis 3000 US$ je nach Hubraum hat es Singapur geschafft, heute zu den südostasiatischen Großstädten mit der geringsten Kfz-Dichte zu gehören; vgl. „In Singapur haben Autofahrer nicht mehr zu lachen", Der Tagesspiegel v. 28. 2. 1992. Dazu ausführlich Kiepper, Erfolgreiche Experimente im Fernen Osten, UITP-Revue 1989, Heft 3, S. 227 ff. 32 „Autogerecht? Verstopft?", Bus + Bahn 1990, Heft 1, S. 16. 33 Vgl. „Nicht jeder in Singapur ist zum Autokauf berechtigt", NahverkehrsNachrichten v. 2. 10. 1990, S. 5 sowie „In Singapur haben Autofahrer nicht mehr zu lachen", Der Tagesspiegel v. 28. 2. 1992. 34 Vgl. aus dem juristischen Schrifttum nur Achterberg, Eigentumsberührung durch Verkehrsberuhigung, JA 1984, 216 ff.; Arndt, „Autos ante portas" - Autos vor die Tore der Stadt, WiVerw 1993, 206 ff.; Benda, Verfassungsrechtliche Fragen im Straßenverkehrsrecht, DAR 1986, 367 ff.; Berr, Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in Mischflächen, DAR 1982, 137 ff.; Bouska, Verkehrsberuhigung aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht, DAR 1987, 97 ff.; ders., NZV 1991, 63 ff.; Brohm, Verkehrsberuhigung in Städten, 1985; Cosson, Rechtsfragen bei Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, in: Walprecht (Hrsg.), Verkehrsberuhigung in Gemeinden, 1983, S. 149 ff.; Eggstein, Ist der Straßenverkehr in seiner heutigen Form verfassungswidrig?, VB1BW 1995, 161 ff.; Fliegauf\ Verkehrsberuhigung und ruhender Verkehr in Innenstädten, ZRP 1994, 386 ff.; Frank, Verkehrsberuhigung und Verkehrsrecht, 1992; Gall , NZV 1991,135 ff.; Hermes, Sperrung von Innenstädten - Rechtliche Aspekte, DAR 1993, 92 ff.; Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, 1991; Jahn, Rechtsfragen innerstädtischer Verkehrsbeschränkungen, NZV 1994, 5 ff.; ders., Rechtsprobleme bei der Einrichtung sog. „Tempo-30-Zonen" und „verkehrsberuhigter Geschäftsbereiche" nach Änderung der StVO, NZV 1990, 209 ff.; Janker, Geschwindigkeitsbegrenzung bei Ozonbelastung?, NJW 1993, 2711 ff.; Jaxt, Kompetenz der Länder für ein Tempolimit?, NJW 1986, 2228; Koch, Gibt es ein Grundrecht auf Mobilität?, ZfV 1994, 545 ff.; Krämer, NVwZ 1983, 336 ff.; Lenz, Planungs-, wege- und verkehrsrechtliche Fragen bei der Einrichtung von Fußgängerzonen, BauR 1980, 130 ff.; Meins, Rechtsfragen fußgängerfreundlicher Maßnahmen, BayVBl. 1983, 641 ff.; Murswiek, Die Entlastung der Innenstädte vom Individual verkehr, Band 1: Die Innenstadtzufahrtsabgabe, 1993; Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, 1979; Randelzhof er, Rechtsprobleme der Verkehrsberuhigung unter Berücksichtigung der Besonderheiten in Berlin, DAR 1987, 237 ff.; Rehbinder, Verkehrsbeschränkungen in Ballungsgebieten nach § 40

Erster Teil: Vorbemerkungen

26

Städteplaner die Notwendigkeit einer Einschränkung des Automobilverkehrs erscheint, so berechtigt ist es aber auch, den Blick in die andere Richtung zu wenden und nach den rechtlichen Grenzen einer solchen Verkehrspolitik zu fragen. Angesichts der Vielzahl von denkbaren und zum Teil auch schon verwirklichten Beschränkungen des Automobilverkehrs kann es nicht verwundern, wenn im Gegenzug auch an das Gebot „Freie Fahrt für freie Bürger" erinnert wird, ja sogar ein „Grundrecht auf Mobilität" 3 5 die Freiheit der Autofahrer verteidigen soll. Reaktionen zu dieser Schöpfung von Michael Ronellenfitsch sind allerdings nicht ausgeblieben. Befremden und harte Kritik wurden zunächst mit Uwe Wesel 36 laut. Nachdem später auch schon die Tagespresse das neu entdeckte Abs. 2 BImSchG, ZUR 1994, 101 ff.; Schenke, Die Zulässigkeit von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen, WiVerw 1993, 145 ff.; Seidenstecher, Tempo-Limit auf Autobahnen?, DAR 1991, 321 ff.; Selmer/Brodersen/Nicolay sen, Straßenbenutzungsabgaben für den Schwerverkehr, 1989; Sendler, Bürgerfreiheit im Straßenverkehr - und was dagegen spricht, DAR 1990, 404 ff.; ders., Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen einer Einschränkung des Individual Verkehrs; DÖV 1974, 217 ff.; Steiner, Aktuelle Rechtsfragen der Einrichtung Verkehrsberuhigter Bereiche, NVwZ 1984, 210 ff.; ders., Innerstädtische Verkehrslenkung durch verkehrsrechtliche Anordnungen nach § 45 StVO, NJW 1993, 3161 ff.; ders., Rechtsfragen der Einrichtung von Zonen mit beschränkter Geschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften, DAR 1989, 401 ff.; ders., Rechtsprobleme hoheitlicher Eingriffe in den Innenstadtverkehr, DVB1. 1992, 1561 ff.; ders., Umwelt- und planungsrechtliche Fragen alter und neuer Verkehrssysteme, DAR 1996, 121 ff.; ders., Verfassungs- und Verwaltungsrechtsfragen straßenverkehrsrechtlicher Anordnungen, VerwArch. Bd. 86 (1995), 173 ff.; ders., Zulässigkeit und Grenzen der verkehrsrechtlichen Anordnung von Nachtfahrverboten zu Lasten des Lastkraftwagenverkehrs auf Bundesstraßen, DAR 1994, 341 if.; Trouet, Rechtliche Grenzen und Entschädigungspflicht bei Fußgängerzonen, BB 1980, 640 ff.; Wilms, Die Entlastung der Innenstädte vom Individualverkehr, Band 2: Die Pendler- und Großveranstaltungsabgabe, 1994. 35

Mit dem „Grundrecht der Mobilität" titelte erstmals das UmweltMagazin, Heft April 1991, 26 f. Zum juristischen Streitthema wurde die Problematik dann mit den plakativen Beiträgen von Ronellenfitsch, Mobilität: Vom Grundbedürfnis zum Grundrecht?, DAR 1992, 321 ff. sowie dems., Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Betrachtungen zur Mobilität mit dem Auto, Antrittsvorlesung am 11. Januar 1994, Tübinger Universitätsreden Neue Folge Band 13, S. 46, wenig geändert veröffentlicht in DAR 1994, 7 ff.; bestätigt in DAR 1995, 241. Zur menschenrechtlichen Relevanz der Verkehrsmobilität vgl. Ronellenfitsch, „Menschenrecht" auf Mobilität - kann, darf gegengesteuert werden?, 1995. Unter dem Titel „Umwelt und Verkehr - Umweltgerechter Verkehr oder Recht auf Mobilität" war auch das 11. Trierer Kolloquium zum Umweltund Technikrecht im Jahr 1995 bereits dieser Frage gewidmet; zum Recht auf Mobilität insbesondere Ossenbühl, NuR 1996, 53 ff.; siehe i.ü. auch die Tagungsberichte von Labudek, DAR 1995, 480 ff. und Uwer, NuR 1996, 75 ff. Für ein „Recht auf Mobilität" auch schon Maatz, Richter am Bundesgerichtshof, auf einer Tagung des „Verkehrsparlaments" der SZ, in: „Ein falscher Begriff von Freiheit und das Grundrecht auf individuelle Mobilität", SZ v. 13./14. 11. 1993, S. 49. Vgl. zum grundrechtlichen Gehalt der Mobilität auch Kreibich, Innerstädtische Mobilität und Lebensqualität. Mobilität als Grundrecht, in: Behrendt/Kreibich (Hrsg.), Die Mobilität von Morgen, 1994, S. 13 f. 36 Uwe Wesel, 14. 5. 1993, S. 36.

„Über die Verfassungswidrigkeit unserer Autos", DIE ZEIT v.

Β. Automobilverkehr als (Grund-) Rechtsproblem

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Grundrecht mehrfach kommentiert hatte 37 , leitete schließlich Hans-Joachim Koch 3 8 erneut die juristische Auseinandersetzung gegen ein solches Grundrecht der Autofahrer ein. So groß das inhaltliche Befremden und Unbehagen gegenüber einem Grundrecht der Autofahrer auch sein mag - man muß das Auto keineswegs zum „Medium von Freiheit" 39 hochstilisieren, um staatliche Verkehrsbeschränkungen rechtlich als Eingriffe in die individuelle Freiheitssphäre des Bürgers zu werten. Diesen Freiheitsbereich des einzelnen zu schützen, ist die originäre Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Wer die Frage nach den rechtlichen Grenzen hoheitlicher Verkehrspolitik stellt, muß daher in letzter Konsequenz auch nach dem Grundrechtsschutz der Autofahrer fragen. Zwar kennt der Grundrechtekatalog des Grundgesetzes weder eine gesonderte Verbürgung der Mobilität, noch ist das Autofahren ausdrücklich in Schutz genommen. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, daß die Mobilität und insbesondere die Auto-Mobilität grundrechtlich nicht faßbar sein kann. Da ein Grundrecht auf Mobilität als solches vom Grundgesetz nicht erwähnt wird, kann das geltende Verfassungsrecht aber daraufhin befragt werden, ob Einzelaspekte der Auto-Mobilität bereits de constitutione lata verbürgt sind und ob sich diese Einzelaspekte unter dem thematisch überwölbenden Aspekt des individuellen Grundrechtsschutzes der Mobilität systematisierend zusammenfassen lassen. Damit ist der Gang der Untersuchung auf dem Weg zu einem Grundrecht auf Mobilität vorgezeichnet. Der Hauptteil der Untersuchung ist dem Grundrechtsschutz der Autofahrer gegenüber hoheitlichen Verkehrsbeschränkungen gewidmet. Am Beispiel flächendeckender Fahrverbote für den Kraftfahrzeugverkehr in der Innenstadt „Innenstadtsperrung" oder „autofreie Innenstadt" - werden die Grundrechte daraufhin befragt, inwieweit sie das Autofahren unter Schutz stellen. Aus verschiedenen Gründen bot es sich an, ein solches innerstädtisches Fahrverbot zum Aufhänger für die Frage nach dem Mobilitätsgehalt des Grundrechtekataloges zu wählen. Zunächst sind die Innenstädte in besonderem Maße von dem gestiegenen Verkehrsaufkommen betroffen. In der Innenstadt konkurrieren um den bestehenden Straßenraum nicht nur die verschiedensten Mobilitätsträger, beispielsweise neben dem Kraftwagen auch das Fahrrad und der Fußgängerverkehr, sondern der innerstädtische Straßenraum sieht sich auch einer besonderen Vielfalt von sehr unterschiedlichen Nutzungszwecken ausgesetzt. Inner37

Siehe nur die Glossen von Konrad Adam in F. A.Z. v. 10. 11. 1992, 14. 12. 1994, 11. 1. 1995 und v. 12. 7. 1995. 38 Koch, Gibt es ein Grundrecht auf Mobilität?, ZfV 1994, 545; seitdem auch Eggstein, VB1BW 1995, 161 und jüngst Sendler, Wundersame Vermehrung von Grundrechten - insbesondere zum Grundrecht auf Mobilität und Autofahren, NJW 1995, 1468. 39 So z.B. Jobst Siemer, Vorstandsmitglied der Esso AG, in F.A.Z. Magazin v. 23. 9. 1994, S. 51; nachdrücklich zum Zusammenhang von Individualverkehr und Freiheitsverwirklichung Gusy, Massenverkehr zwischen Ökonomie und Ökologie, ZRP 1993, 439 (440).

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Erster Teil: Vorbemerkungen

städtische Straßen dienen der Verwirklichung einer Vielzahl von Zwecken; stärker als überörtliche Straßen werden sie keineswegs nur zu Zwecken der Fortbewegung genutzt. So haben beispielsweise die privaten und gewerblichen Straßenanlieger ein besonderes Interesse daran, daß ihr Grundeigentum über das öffentliche Straßennetz zugänglich und erreichbar ist, zugleich beanspruchen Versammlungen und Demonstrationen ein Recht zur Straßenbenutzung, um den öffentlichen Straßenraum als Kundgebungsort und Veranstaltungsstätte zu nutzen. Dadurch erzeugen innerstädtische Verkehrsbeschränkungen auch eine größere Vielfalt von grundrechtlich relevanten Freiheitseinbußen. Eine Innenstadtsperrung ruft daher mehr Grundrechte zur Verteidigung der Autofahrer auf den Plan als etwa eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen. Daher ist ein flächendeckendes Fahrverbot für den Innenstadtbereich ein besonders dankbares Beispiel, um den Grundrechtsschutz der Autofahrer und damit die Frage, welche Grenzen die Grundrechte gegenüber hoheitlichen Eingriffen in die AutoMobilität formulieren, zu erörtern. Vor diesen grundrechtlichen Erwägungen wird aber zunächst ein kurzer Blick auf die verwaltungsrechtlichen Instrumentarien geworfen, die als Grundlage eines solchen Fahrverbots gewählt werden könnten. Schließlich wird am Ende dieser Untersuchung die Frage stehen, ob sich die aus den einzelnen Grundrechtsverbürgungen extrahierten Mobilitätsgehalte zu einer überwölbenden und eigenständigen Mobilitätsgewähr, einem Grundrecht auf Mobilität, verdichten lassen.

Zweiter Teil

Die verwaltungsrechtlichen Instrumente Verkehrspolitische Avancen zur Lenkung und Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs können sich auf eine Fülle von Instrumentarien aus den verschiedensten Rechtsmaterien stützen. Für ordnungsrechtliche Eingriffe und allen voran auch für den, »Paradefall" eines ordnungsrechtlichen Verkehrs Verbots, das Innenstadtfahrverbot für den allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr, stehen neben den klassischen Eingriffsbefugnissen aus dem Straßenverkehrsrecht (§ 45 StVO) die Befugnisse des Immissionsschutzrechts zur Verfügung. Auch das Straßenrecht eröffnet umfangreiche Möglichkeiten, die Nutzungsfunktion innerstädtischer Straßen nachhaltig zu beschränken und entsprechend verkehrspolitischer Zielsetzungen neu zu definieren. Schließlich ist an das Bauplanungsrecht zu denken, das den Gemeinden mit der Möglichkeit, Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung im Bebauungsplan festzusetzen (§ 9 Nr. 11 BauGB), ein Instrument verliehen hat, um planerisch auf das innerstädtische Verkehrsverhalten einzuwirken. Hat die Vielfalt von Verkehrskonzepten und Vorschlägen zur Eindämmung des Kraftfahrzeugverkehrs schon die Vielschichtigkeit des Verkehrsproblems angedeutet, so spiegelt sich dies auch in dem Facettenreichtum der rechtlichen Instrumentarien wider. Fragt man im Hinblick auf mögliche Individualpositionen der Autofahrer nach den rechtlichen Grenzen einer solchen Verkehrspolitik, so wird angesichts der alternativen staatlichen Handlungsformen und der unterschiedlichen Muster verwaltungsrechtlicher Entscheidungsfindung neben der Frage nach der geeigneten Rechtsgrundlage die Frage entscheidend sein, an welcher Stelle und mit welcher Rechtsqualität diese gegenläufigen Individualinteressen Eingang in den Entscheidungsprozeß finden.

A. Verkehrspolitik auf dem Weg zur „autofreien Innenstadt64 Erfahrungsgemäß sind die Innenstädte am stärksten vom gestiegenen Verkehrsaufkommen betroffen. Hier konzentrieren sich die mit dem Straßenverkehr einhergehenden Belastungen - insbesondere die Abgasimmissionen und die Beeinträchtigung durch Verkehrslärm - , und damit werden Unverträglichkeiten zwischen individueller Mobilität und Ansprüchen an urbane Lebensqualität besonders deutlich. Noch dokumentieren unsere Innenstädte, wie sehr

Zweiter Teil: Die verwaltungsrechtlichen Instrumente

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die Siedlungs- und Verkehrspolitik in den 70er Jahren auf den Autoverkehr ausgerichtet wurde 4 0 . Die Folgen dieser Politik - die weithin „autogerechte" Stadt - sind noch immer sichtbar. So mußten sich schon die Stadtväter der 80er Jahre und erst recht die kommunalen Verkehrsplaner der 90er Jahre an Goethes Zauberlehrling erinnert fühlen, wenn sie versuchten, der Verkehrslawine Herr zu werden. Der allgemein sich abzeichnende Kurswechsel in der Verkehrspolitik wird am Innenstadtverkehr besonders deutlich. An die Stelle der „autogerechten" Stadt ist die Forderung nach der „autofreien" Stadt getreten 41 . Inzwischen plädiert nicht nur die Fraktion der „Autogegner" für eine Aussperrung des motorisierten Verkehrs aus den Innenstädten, sondern auch die Automobilbranche und selbst der ADAC scheinen sich mit dieser Idee anfreunden zu können. So trat Peer Gyllenhammar, Vorstandsvorsitzender bei Volvo, 1989 mit der Forderung „Verbannt die Pkws aus den Großstädten" 42 an die Öffentlichkeit und der ADAC appellierte in der Weihnachtszeit desselben Jahres an seine Leser: „Ohne Auto in die C i t y " 4 3 . Mittlerweile hat sich auch der Deutsche Verkehrsgerichtstag dieser Frage angenommen und dem Thema „Autofreie Innenstädte?" auf seiner 32. Tagung im Jahr 1994 einen eigenen Arbeitskreis gewidmet 4 4 . Zwar sind viele dieser Forderungen reine Gedankenspiele geblieben. Dennoch sind bundesdeutsche Stadt- und Verkehrsplaner der konsequent „autofreien" Innenstadt, d.h. dem ganzjährigen Fahrverbot für den gesamten motorisierten Individualverkehr, einige Schritte näher gekommen. Als Vorreiter können die Stadtväter von Aachen und Lübeck angesehen werden, die schon seit einigen Jahren eindrucksvoll vorführen, daß der Autoverkehr durchaus weiträumig aus der Innenstadt verbannt werden kann. In Lübeck wurde die Innenstadt - erstmalig in der Bundesrepublik - von Oktober 1989 bis März 1990 an allen verkaufsoffenen Sonnabenden, später an allen Wochenenden für den motorisierten Individualverkehr gesperrt 45 . Mit dem Projekt „Fußgänger40

Vgl. Kentner, ZfVerkWiss 1984, 80 (82, 84); Kessel/Lange, der städtetag 1992, 199 (200); ausführlich zur Entwicklung der Verkehrspolitik in den Städten Künne, Stadt und Verkehr - Problem ohne Ende?, in: 29. Deutscher Verkehrsgerichtstag 1991, S. 22 (24 f.); umfassend Klenke, Bundesdeutsche Verkehrspolitik und Motorisierung, 1993. 41 Wolf\ Die autofreie Stadt, 1993; Zeller, Mobilität für alle!: Umrisse einer Verkehrswende zu einem autofreien Basel, 1992, insbes. S. 333 ff. 42 Gyllenhammar, Vorschläge für die Umwelt der Zukunft, UITP-Revue Bd. 39 (1990), S. 47 ff.; vgl. auch die Äußerungen eines langjährigen Vorstandsmitglieds von VW, Fiala , „Road Pricing" in Städten einziges Mittel?, VÖV-Nachrichten v. 7. 12. 1989, S. 151. 43 ADAC, ADAC-motorwelt 1989, Heft 12, S. 14 ff. 44 Die Entschließung ist abgedruckt in NVwZ 1994,465. 45 Kessel/Lange, der städtetag 1992, 199 (202 f.); ausführlich Nickel, DER NAHVERKEHR 1/1991, 11 (13 ff.) m.w.N.; Schünemann, Autofreie Altstadt und Prioritäten für den Umweltverbund am Beispiel Lübeck, in: ILS (Hrsg), Autofreies Leben, 1992, S. 30 ff.

Α. Verkehrspolitik auf dem Weg zur autofreien Innenstadt

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freundliche Innenstadt" hat die Stadt Aachen das Beispiel Lübecks aufgegriffen und seit dem 12. Oktober 1991 den Stadtkern zunächst probeweise jeden Samstag für den motorisierten Individualverkehr gesperrt 46 . Mittlerweile ist das Fahrverbot dauerhaft ausgesprochen und beschäftigt auch schon die Gerichtsbarkeit 4 7 . Andere Städte haben sich noch nicht so deutlich zu Fahrverboten durchringen können 48 . So plant der Frankfurter Magistrat mit dem Projekt „Urbane Innenstadt" zwar eine Ausdehnung der Fußgängerzonen, erhofft sich im übrigen aber eine Verkehrsberuhigung durch engere Straßen. Dagegen favorisieren etwa die Düsseldorfer Stadtplaner ein intensives Parkraummanagement und fassen ins Auge, nur solche Fahrzeuge in die Innenstadt einfahren zu lassen, die einen reservierten Parkplatz nachweisen können. Ein ähnliches Konzept an Zufahrtbeschränkungen sieht auch der Verkehrsentwicklungsplan für die Stadt Halle vor 4 9 . Nach diesen recht zaghaften Versuchen scheint uns so manche ausländische Stadt an Erfahrung und Experimentierfreudigkeit auf der Suche nach Mitteln und Wegen aus dem innerstädtischen Verkehrskollaps ein Stück voraus zu sein. Die Stadt Prag erklärte schon zu Beginn der 70er Jahre ihre gesamte Innenstadt zum Denkmalschutzgebiet und hat das Stadtzentrum in den Folgejahren in einem in Europa einzigartigen Maße vom Straßenverkehr entlastet 50 . Auch Bologna versucht seit dem Jahr 1989, durch Zufahrtsbeschränkungen und flächendeckende Verkehrsberuhigung den Innenstadtverkehr zu reduzieren und die Pendler aus dem Zentrum fernzuhalten 51 . Ähnliche Konzepte bestehen für Florenz und Rom 5 2 . Für einige andere italienische Städte ergaben Volksbefragungen klare Mehrheiten für eine ähnliche Schließung der Innenstädte 53 . Auch die Schweiz und Japan liefern zahlreiche Beispiele für umfassende Bestrebun46

Kessel/Lange, der städtetag 1992, 199 (203). Das Fahrverbot hat unter anderem erheblichen Widerstand der Geschäftsleute ausgelöst; Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Fahrverbots teilt auch das AG Aachen, das wegen „Bedenken der Rechtmäßigkeit" ein Bußgeld verfahren wegen Verstoßes gegen das Fahrverbot eingestellt hat - AZ 49 Owi 490/94; dazu auch F.A.Z. v. 6. 10. 1994. 48 An dieser Stelle sei auch an solche Städte erinnert, die nach Jahren der Erfahrung flächendeckender Verkehrsberuhigungsmaßnahmen im Innenstadtbereich mittlerweile wieder zurück zur „autogerechten City" tendieren. Diese Entwicklung zeichnet sich etwa für die Nürnberger Altstadt ab; siehe DIE ZEIT Nr. 17 v. 19. 4. 1996, S. 18. 49 BiS (Hrsg.), Parkraum und Verkehrsregelungen für Innenstädte, S. 28 f. 50 So wurde schon im Jahr 1971 das gesamte Gebiet des Hradschin und der Prager Burg am linken Moldauufer für den Autoverkehr völlig gesperrt; vgl. Klofâc , Int Verkehrswesen 1990, 32 ff. 51 Nickel, DER NAHVERKEHR 1/1991, 11 (12 f.); Pauen-Höppner/ApeU in: Difu (Hrsg.), Neue Verkehrskonzepte großer Städte, Arbeitshefte umweltverträglicher Stadtverkehr 3, 1992, S. 22 ff. 52 Fuchs/Galli-Zugaro, WirtschaftsWoche v. 8. 9. 1989, S. 105 f. 53 Zu Turin, Parma, Pisa und Ravenna Bliithmann (Hrsg.), Verkehrsinfarkt, S. 69. 47

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gen, den Innenstadtverkehr zurückzudrängen 54. Schließlich kann an eine Initiative des griechischen Umweltministers erinnert werden, der unter dem Titel „Attica SOS" Athen für den privaten Autoverkehr vollständig sperren w i l l 5 5 . Auch wenn sich immer mehr Politiker die Idee der „autofreien Innenstadt" auf ihre Fahnen schreiben, so bleiben die Bedenken aber nicht aus 56 . Besonders lautstark äußert traditionell der Einzelhandel seine Skepsis gegenüber innerstädtischen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen 57. Ob autofreie Innenstädte aber tatsächlich eine „Utopie ohne Perspektive" 58 bleiben werden, ist nicht zuletzt auch eine Frage nach den rechtlichen Grenzen solcher Verkehrspolitik. Bevor aber mit Ronellenfitsch und seiner Befürchtung von der „grundrechtsdogmatischen Schreckens vision" 5 9 das innerstädtische Fahrverbot auf den Prüfstand der Grundrechte gestellt wird, soll zunächst ein kurzer Blick auf die verwaltungsrechtlichen Vorfragen und Rahmenbedingungen geworfen werden.

B. Verwaltungsrechtliche Grundlagen der „autofreien Innenstadt44 I. Immissionsschutzrecht Fahrverbote bei Smog-Alarm und die Diskussion um landes- 60 oder bundesweite 6 1 Verkehrsbeschränkungen bei erhöhten Ozonkonzentrationen führen den 54

Vgl. die Beispiele von Monheim/Monheim-Dandorfer, Straßen für alle, S. 224 ff. F.A.Z. v. 3. 2. 1995. 56 So Seiffert, Autofreie Stadt? - Utopie ohne Perspektive!, in: VDI (Hrsg.), Neue Konzepte für den fließenden und ruhenden Verkehr, 1990, S. 13 ff. Genauso der ADAC, Stadt und Verkehr, ADAC Verkehrstechnik Mai 1991, S. 2. Kritisch schon Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesminister für Verkehr, ZfVerkWiss 1981, 207 (214 f.). 57 Vgl. zum Problem Innenstadtverkehr und Einzelhandel Hatzfeld/Junker, Stadt ohne Autos - Handel ohne Umsatz?, der städtetag 1992, 432 ff.; Leisten, Einzelhandel und Stadtverkehr, Demokratische Gemeinde 6/1991, 53 ff.; Topp, Erreichbarkeit als Voraussetzung lebendiger Stadtzentren, Int Verkehrswesen 1989, 332 (336 f.) sowie ausführlich Monheim, Die Bedeutung der Verkehrserschließung für den InnenstadtEinzelhandel Teil I, Verkehr und Technik 1992, Heft 2, S. 39 ff. 58 So Seiffert, Autofreie Stadt - Utopie ohne Perspektive, in: VDI (Hrsg.), Neue Konzepte für den fließenden und ruhenden Verkehr, S. 13 ff. 59 Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (13). 60 Eine Vorreiterrolle spielte hier die hessische Landesregierung, die am 6. Juli 1993 eine Verordnung zur Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Ozon (OzonVerordnung), GVB1. I, S. 283 verabschiedete und erstmals im Juli 1994 durch Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Landstraßen und Autobahnen von ihr Gebrauch machte. Die auf § 40 Abs. 1 BImSchG gestützte Verordnung ist unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisiert worden, insbesondere wurde der Nutzen eines Tempolimits zur Verringerung der Ozon-Konzentration in Frage gestellt, so schon Bundesumweltminister Töpfer, Handelsblatt v. 28. 7. 1994; vgl. auch die kritische Anmerkung von Fromme, F.A.Z. v. 28. 7. 1994. Trotz aller Kritik hat diese Initiative Hessens viele Nachahmer gefunden. So hat Baden-Württemberg im Juni 1994 zur Vorbereitung einer 55

Β. Verwaltungsrechtliche Grundlagen der autofreien Innenstadt

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Zusammenhang zwischen Straßenverkehr und Immissionsschutz deutlich vor Augen. Mit § 40 BImSchG stellt das Bundesimmissionsschutzrecht auch ausdrücklich eine spezifische Regelung für verkehrsbeschränkende Maßnahmen zur Verfügung. Durch die Auseinandersetzungen um Fahrverbote und Geschwindigkeitsbeschränkungen bei erhöhten Ozonwerten ist § 40 BImSchG nachdrücklich in das öffentliche Blickfeld geraten. Dies soll aber nicht hindern, das Augenmerk zunächst auf die §§ 44 ff. BImSchG zu richten, mit denen das BImSchG ein besonderes Instrumentarium für den gebietsbezogenen Immissionsschutz bereithält, das gleichfalls für ein flächendeckendes innerstädtisches Fahrverbot fruchtbar gemacht werden könnte. I. Instrumente des gebietsbezogenen Immissionsschutzes (§§ 44ff. BImSchG) § 44 BImSchG scheidet von vornherein als Ermächtigungsgrundlage für ein dauerhaftes Fahrverbot für Kraftfahrzeuge aus, da es lediglich eine Feststellungs- und Untersuchungspflicht normiert 62 . Auch die Befugnisse der §§47 und 47 a BImSchG zur Aufstellung von Luftreinhalte- und Lärmminderungsplänen können die Verfügung eines innerstädtischen Fahrverbots nicht stützen, da sie gemäß § 47 Abs. 3 und § 47 a Abs. 4 BImSchG nicht zu selbständigen Eingriffen in den Straßenverkehr berechtigen. Genauso wenig erfolg versprechend ist schließlich der Versuch, ein Verkehrsverbot als Betriebsverbot ortsveränderlicher Anlagen im Sinne von § 49 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu deuten, solchen Verordnung in einem viertägigen Großversuch im Raum Heilbronn/Neckarsulm die Auswirkungen von Tempolimits auf die Ozonkonzentration untersucht; vgl. F.A.Z. v. 23. 6. 1994 sowie Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.), Modellversuch Heilbronn/Neckarsulm, Erste Ergebnisse und Erfahrungen, 1993. Mittlerweile sind zahlreiche Länder dem Vorbild Hessens gefolgt, so Bremen (Sommersmog-Vorschaltverordnung v. 13. 9. 1994, GBl. S. 249), Niedersachsen (Ozon-Vorschaltverordnung v. 23. 8. 1994, GVB1. I S. 430) und Schleswig-Holstein (Ozon-Verordnung v. 3. 8. 1994, GVB1. S. 431). 61 Am 14. 7. 1995 nahm der Bundesrat das „Ozongesetz" an (BGBl. I, S. 930), mit dem bundesweit Fahrverbote für Dieselfahrzeuge und Kraftwagen ohne geregelten DreiWege-Katalysator ausgesprochen werden können, sobald an mindestens drei Meßstellen eine Ozonkonzentration von 240 Mikrogramm erreicht wird und die Wettervorhersage für den nächsten Tag gleichfalls einen hohen Ozonwert erwarten läßt. Das Fahrverbot soll von den obersten Straßenverkehrsbehörden der Länder bekanntgegeben werden. Allerdings läßt das Gesetz umfangreiche Ausnahmeregelungen zu, so insbes. für Urlaubsreisende und Berufspendler; vgl. mittlerweile die in § 40d Abs. 2 BImSchG getroffene Ausnahmeregelung sowie unten, S. 34 Fn. 67; zum Entwurf des Bundestags F.A.Z. v. 24. 6. 1995. 62 Vgl. zum Anwendungsbereich des § 44 BImSchG Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, UmwR Bd. I, BImSchG, § 44 Rdnrn. 24 ff., 29 ff.; insbesondere für Verkehrsbeschränkungen Schenke, Zulässigkeit verkehrsbeschränkender Maßnahmen in Verbindung mit dem von der baden-württembergischen Landesregierung geplanten Modellversuch zur Senkung von Ozonspitzenkonzentrationen durch lokal begrenzte und zeitlich befristete Emissionsminderungsmaßnahmen im Raum Heilbronn/Neckarsulm, WiVerw 1993, 145 (148). 3 Röthel

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Zweiter Teil: Die verwaltungsrechtlichen Instrumente

da Kraftfahrzeuge dem Anwendungsbereich des § 38 BImSchG unterliegen und damit keine „Anlagen" gemäß der Legaldefinition in § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG sind 6 3 . Es verbleibt daher nur der Rückgriff auf § 40 BImSchG. 2. Verkehrsbeschränkungen auf der Grundlage von § 40 Abs. 1 und 2 BImSchG § 40 Abs. 1 BImSchG ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung Gebiete festzulegen, in denen während austauscharmer Wetterlagen 64 der Kraftfahrzeugverkehr beschränkt oder verboten werden kann. Von dieser Befugnis ist zunächst durch Erlaß der Smog-Verordnungen 65 Gebrauch gemacht worden. Die Kontroversen um die Ozon-Verordnungen zur Verhinderung von „Sommersmog" 66 - die gleichfalls auf § 40 Abs. 1 BImSchG gestützt worden sind 6 7 - haben aber verdeutlicht, daß Verkehrsbeschränkungen auf dieser Rechtsgrundlage stets an den Nachweis einer austauscharmen Wetterlage gebunden sind 6 8 . §40 Abs. 1 BImSchG läßt sich daher nicht als Ermächtigung für generelle und belastungsunabhängige Fahrverbote verstehen, wie es mit dem Konzept der „autofreien Innenstadt" angestrebt wird 6 9 . Dem gleichen 63

Siehe nur Schenke, WiVerw 1993, 145 (149). Eine austauscharme Wetterlage liegt vor, wenn die Lufttemperatur mit zunehmender Höhe steigt - sog. Inversionswetterlage - , nur ein schwacher Wind weht und nach metereologischer Einschätzung nicht auszuschließen ist, daß diese Wetterlage länger als 24 Stunden anhält; vgl. näher die Definition in § 2 des Musterentwurfs 1987 einer Smog-Verordnung, erstellt vom Länderausschuß für Immissionsschutz, abgedruckt bei Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmwR Bd. I, § 40 Rdnr. 37; vgl. auch Feldhaus, BImSchR Bd. I, § 40 BImSchG Anm. 5; weiter Jarass, BImSchG, § 40 Rdnr. 9. 65 Siehe etwa die Verordnung zur Verhinderung schädlicher Umwelteinwirkungen bei austauscharmen Wetterlagen - Smog-Verordnung (NW) - v. 29. 10. 1974, zuletzt geändert durch Verordnung v. 2. 2. 1993 (GVB1. S. 82); zu den übrigen Verordnungen vgl. Jarass, BImSchG, § 40 Rdnr. 11. 66 Siehe nur die Übersicht über die bis zur Einfügung der §§40 a bis 40 e BImSchG erlassenen Landesverordnungen von Feldhaus, BImSchR Bd. 1, vor §§ 40 a bis 40 e Rdnr. 5. 67 Mittlerweile wurden mit dem „Ozon-Gesetz" v. 19. 7. 1995 (BGBl. I, S. 930), in Kraft seit dem 26. 7. 1995, die §§ 40a bis 40e, 62a in das BImSchG eingefügt. Diese bundesgesetzlichen Regelungen verdrängen seitdem die landesrechtlichen OzonVerordnungen; vgl. zu dieser Neuregelung Bouska, DAR 1996, 227 (229 ff.). 68 Nach überwiegender Auffassung läßt sich die Voraussetzung der „austauscharmen Wetterlage" nicht so weit ausdehnen, daß auch der Ozonsmog, der bevorzugt bei Hochdrucklagen entsteht, darunter fällt; vgl. Reese, ZfU 1994, 507 (518 f.); Schmidt, NZV 1995, 49 (50); Schenke, WiVerw 1993, 145 (149 f.) jeweils m.w.N. Anders aber Rehbinder, Gutachten über die Auslegung des Begriffs der austauscharmen Wetterlage in den §§ 40 Abs. 1, 49 Abs. 2 BImSchG, 1993; Repkewitz, VerwArch. Bd. 86 (1995), 88 (96 f.) und nun auch Jarass, BImSchG, § 40 Rdnr. 9. 69 Daher plädiert der Rat von Sachverständigen fir Umweltfragen (Hrsg.), Umweltgutachten 1994, S. 278 auch für eine Novellierung des § 40 BImSchG, um den engen zeitlichen und vor allem räumlichen Geltungsbereich zu erweitern; vgl. auch Rehbinder, ZUR 1994, 101 (102). 64

Β. Verwaltungsrechtliche Grundlagen der autofreien Innenstadt

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Einwand setzt sich auch eine Berufung auf § 40 Abs. 2 BImSchG 7 0 aus. Zwar ist ein generelles Innenstadtfahrverbot durchaus auch dem Gedanken der Verringerung der Luftschadstoffe verpflichtet, doch soll der motorisierte Verkehr unabhängig von der Überschreitung bestimmter Konzentrationswerte untersagt werden. Die „autofreie Innenstadt" ist nicht allein eine Reaktion auf jahreszeiten- und wetterlagenabhängige besondere Luftbelastungen, sondern soll als Planungskonzept mit unbedingter Geltungskraft versehen werden. Damit kann auch die Kontroverse 71 , ob § 40 Abs. 2 S. 1 BImSchG schon zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ermächtigt, bevor die in § 40 Abs. 2 S. 2 BImSchG vorgesehene Rechtsverordnung erlassen ist 7 2 , dahinstehen. Gegenüber dem Anliegen von Städten und Kommunen, den Weg aus dem innerstädtischen Verkehrskollaps durch ein umfassendes Fahrverbot zu suchen, hat sich das Immissionschutzrecht mit seiner Verpflichtung auf besondere Belastungssituationen daher als nicht sehr tragfähig erwiesen. Wirkungsvollere Instrumentarien stellt hingegen das Straßenverkehrsrecht zur Verfügung. Π . Straßenverkehrsrecht Das Straßenverkehrsrecht befaßt sich mit der Ordnung des Verkehrs und dient in erster Linie der Erhaltung der Sicherheit und Leichtigkeit 73 des Ver70 Ausführlich zum Anwendungsbereich von § 40 Abs. 2 BImSchG und den danach zulässigen Maßnahmen Koch, Verkehrsverbote und -beschränkungen nach Maßgabe von § 40 Abs. 2 BImSchG - Rechtliche Grundlagen - , Rechtsgutachten 1994 (unveröffentlicht) sowie Rehbinden ZUR 1994, 101 (106 ff.). 71 Vielfach wird § 40 Abs. 2 S. 2 BImSchG unter Berufung auf das Gesetzgebungsmotiv, einen bundeseinheitlichen Vollzug zu gewährleisten, der Charakter einer Anwendungssperre beigemessen; vgl. VG München, Urt. v. 10. 3. 1993, NZV 1993, 286 = DAR 1993, 313 (315) = BayVBl. 1993, 409 (411 f.); Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmwR Bd. I, § 40 Rdnr. 48 sowie Jahn, NZV 1994, 5 (7). Dagegen BayVGH, NZV 1994, 87 (88) mit Anm. Berger, ZUR 1994, 109 ff. Siehe auch Schenke, WiVerw 1993, 145 (151 ff., 156), der eine solche Auslegung weder entstehungsgeschichtlich noch teleologisch für begründbar hält und vielmehr der Auffassung ist, die staatliche Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 GG werde durch eine Anwendungssperre unzulässigerweise zur Disposition des Verordnungsgebers gestellt; so auch Berger, IUR 4/91, 191 (195 f.); Jarass, BImSchG, § 40 Rdnr. 30; differenzierend Rehbinder, ZUR 1994, 101 (103). 72 Bislang liegt lediglich ein Entwurf der Bundesregierung für die 23. Verordnung zur Durchführung des BImSchG vor. Darin werden die kommunalen Straßenverkehrsbehörden bei Konzentrationswerten von 15 Milligramm Benzol, 14 Mikrogramm Ruß oder 160 Mikrogramm Stickstoffoxid pro Kubikmeter Luft zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen ermächtigt; vgl. BR-Drucks. 531/93 sowie Jarass, BImSchG, § 40 Rdnr. 27. Für das Inkrafttreten der Konzentrationswerte ist ein Stufenplan vorgesehen; vgl. näher Umwelt Nr. 9/1993, S. 351 ff. 73 Die Leichtigkeit des Verkehrs wird seit PrOVG, RVB1. 1935, 342 in st. Rspr. als Bestandteil der öffentlichen Ordnung angesehen; an dieser Rechtsauffassung wird auch nach der Neufassung des alten § 4 Abs. 1 StVO zum neuen § 45 Abs. 1 StVO, bei der der Begriff „Leichtigkeit" durch den Begriff „Ordnung" des Verkehrs ersetzt worden ist, festgehalten; vgl. BVerwGE 34, 320 (323); BVerwG, DÖV 1980, 915 (916).

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kehrs gegenüber den Gefahren, „die aus dem Zusammentreffen zu vieler Verkehrsteilnehmer entstehen oder entstehen können." 74 Zu dieser rein verkehrsorientierten Zielsetzung erlaubt § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO den Straßenverkehrsbehörden, die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zu beschränken oder zu verbieten. Daneben stellt § 45 StVO mit Absatz 1 Satz 2 sowie den Absätzen 1 a, b und c Eingriffsbefugnisse bereit, um den Straßenverkehr auch aus außerverkehrlichen Gründen einzuschränken, so zum Beispiel zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 ) 7 5 . Die Fülle von Einzelermächtigungen als auch die Weite der Generalklausel haben § 45 StVO zu einem Hauptpfeiler kommunaler Verkehrspolitik gemacht 7 6 ; hierauf stützen die Städte insbesondere die Einrichtung von verkehrsberuhigten Bereichen und Zonen mit beschränkter Geschwindigkeit 77 . Den gleichen Weg schlugen Städte und Gemeinden 78 unter Billigung der Rechtsprechung 7 9 zunächst auch für den Ausschluß des Straßenverkehrs durch die Einrichtung von Fußgängerbereichen ein. Ein generelles Innenstadtfahrverbot, wie es hier in Rede steht, könnte sich als ein flächendeckender Fußgängerbereich daher gleichermaßen auf das Straßenverkehrsrecht stützen. Gerade die Flexibilität des Straßenverkehrsrechts läßt dies sehr verlockend erscheinen. Mit dem 74

BVerwGE 34, 241 (243); Salzwedel, Straßen- und Verkehrsrecht, in: SchmidtAßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (765). 75 Ausführlich zu den Erweiterungen der StVO durch die Novellierung aus dem Jahr 1980 Steiner, NJW 1980, 2339 ff.; zum neu eingefügten § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 insbesondere Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 503. 76 Vgl. den Überblick bei Steiner, DVB1. 1992, 1561 ff., der vor einem solchem „exzessivem Ausschöpfen" der Befugnisse des § 45 StVO durch die Städte warnt; s. auch dens., NJW 1993, 3161 ff. Dagegen hält Cosson, DÖV 1983, 530 (535 f.) diese „Verwaltungswirklichkeit" jedenfalls im Hinblick auf den Rechtsschutz der Betroffenen für unbedenklich. 77 Ausführlich Jahn, NZV 1990, 209 (210 ff.); insbesondere zu der Rechtfertigung dieser Maßnahmen als straßenverkehrsrechtliche und nicht straßenrechtliche Eingriffe Steiner, NVwZ 1984, 201 (203 f.), der allerdings eine wegerechtliche Teileinziehung für erforderlich hält, sobald bauliche Sperren Straßenabschnitte in Fußgängerbereiche umwandeln; vgl. auch dens., DAR 1989, 401 (402 ff.) sowie Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 522 f. A.A. aber Brohm, Verkehrsberuhigung in Städten, 1985, S. 31 ff., 36 ff., 40 ff. sowie Randelzhofer, DAR 1987, 237 (243), die eine straßenrechtliche Verfügung für erforderlich halten. 78 Nach einer vom deutschen Städtetag Anfang der siebziger Jahre veranstalteten Umfrage haben von 23 befragten Städten 11 die Umwandlung in Fußgängerbereiche nur mit straßenverkehrsrechtlichen Mitteln verfügt, dazu Wendrich, DVB1. 1973, 475 (476); vgl. auch Fohbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 50 f.; Peine, DÖV 1978, 835 (839). Auch die Stadt Aachen hat das 1991 zunächst probeweise angeordnete Innenstadtfahrverbot (vgl. schon S. 31 Fn. 46) allein auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage ausgesprochen. Dies wird allerdings in Kürze die Verwaltungsgerichte beschäftigen. 79 So früher das OVG Münster, DÖV 1971, 103. Vgl. aus neuerer Zeit aber das Urteil des BVerwG, NJW 1981, 184 f. zu den Verkehrsberuhigungsmaßnahmen in der Lübecker Innenstadt.

Β. Verwaltungsrechtliche Grundlagen der autofreien Innenstadt

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Verkehrszeichen „Verbot für Fahrzeuge aller Art" (Zeichen 250 zu § 41 StVO) wäre der Weg zur autofreien Innenstadt beschritten - und mangels umfangreicher Bürgerbeteiligung 80 wäre dies zugleich der Weg des geringsten Widerstands. Solche Versuche, Fußgängerbereiche mit verkehrsrechtlichen Mitteln durchzusetzen, haben eine intensive rechtliche Auseinandersetzung ausgelöst; die Einrichtung von Fußgängerzonen wurde zum „Paradefall" für die Abgrenzung von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht 81. 1. Der ordnungsrechtliche

Charakter von § 45 StVO

Gegen eine Heranziehung des § 45 StVO für ein generelles Innenstadtfahrverbot ließe sich zunächst der ordnungsrechtliche Charakter des Straßenverkehrsrechts anführen, da Verkehrsbeschränkungen auf dieser Rechtsgrundlage stets an den Nachweis einer konkreten Gefahrenlage gebunden sind 8 2 . Diese ordnungsrechtliche Ausrichtung ist auch nach der umfassenden Novellierung der StVO im Jahr 1980 noch wesensbestimmend geblieben 83 . § 45 StVO ermächtigt daher nur zu solchen Anordnungen, die sowohl in ihrer inhaltlichen Reichweite als auch in ihrem zeitlichem Geltungsbereich auf den von der konkreten Verkehrssituation geforderten Umfang begrenzt sind 8 4 . Diese Bindung an das Gebot der Erforderlichkeit mag das Straßenverkehrsrecht zur Rechtfertigung für langfristig angelegte und vorrangig städtebaulich motivierte Maßnahmen, wie sie eine einzelne Fußgängerstraße und erst recht ein Fahrverbot für 80

Verkehrsverbote nach § 45 StVO ergehen als Verwaltungsakte in der Form von Allgemeinverfügungen gemäß § 35 Satz 2 VwVfG (Bund), die im Gegensatz zur straßenrechtlichen Teileinziehung kein umfangreiches Verwaltungsverfahren erfordern (vgl. nur § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG) und von den Kommunen leicht abgeändert und zurückgenommen werden können; vgl. Steiner, DVB1. 1992, 1561 (1562) m.w.N. 81 Vgl. aus der umfangreichen Literatur zur Einrichtung von Fußgängerzonen nur Cosson, DÖV 1983,532 (536 f.); Lenz, BauR 1980,130 (140 f.); Löwer, SKV 1976, 327 ff.; Peine, DÖV 1978, 835 ff.; Wendrieh, DVB1. 1973, 475 (476 f.). 82 BVerwG, NJW 1982, 840 sowie Krämer, NVwZ 1983, 336 (336); WeinUKrabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunale Verkehrsplanung, S. 87 (97); weitergehend Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (620 f.), der in den erweiterten Möglichkeiten des § 45 StVO auch einen qualitativen Neuansatz für das Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht sieht; weitergehend auch Cosson, DÖV 1983,532 (536); gegen solche Interpretationen schon Peine, DÖV 1978,835 (839 f.). 83 BVerwG, VRS 63, 232; BVerwGE 27, 181 (184); vgl. aus neuerer Zeit das Urteil des VG Koblenz, DAR 1993, 310 (311) mit zust. Anm. von Ludovisy bzgl. eines auf § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO gestützten generellen Tempolimits auf Autobahnen. Aus der Literatur siehe nur Booß, Straßenverkehrs-Ordnung, 1980, § 45 StVO, S. 498. 84 Siehe nur BVerwGE 27, 181 (184); BVerwG, NJW 1976, 2175 (2177); Arndt, WiVerw 1993, 206 (227); Dürr, UPR 1992, 241 (248); Drees/Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rdnr. 16; Hermes, DAR 1993, 92 (93 f.); Lenz, BauR 1980, 130 (141); Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (613 f.).

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einen größeren Innenstadtbereich 85 darstellen, schon prinzipiell untauglich erscheinen lassen 86 . Mit Recht wird aber daran erinnert, daß auch Situationen vorstellbar sind, bei denen der Schutz der Fußgänger eine ganztägige Aussperrung des Kraftfahrzeugverkehrs erfordern könnte. Peine beruft sich auf tags und nachts belebte Straßen, wie den Kurfürstendamm in Berlin 8 7 , und Dürr hält es für möglich, eine Fußgängerzone in einem Altstadtgebiet auf eine verkehrsrechtliche Grundlage zu stellen 88 . Gleiches dürfte für eine Berufung auf § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen gelten 89 . Auch das BVerwG schließt es nicht aus, generelle Fahrverbote verkehrsrechtlich zu verfügen. So stellte sich das Gericht in seinem Urteil zur Lübecker Altstadtsperrung auf den Standpunkt, daß eine zeitweise Minderung des Verkehrsaufkommens und damit der Störung der Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs - etwa in den Nachtstunden - nicht notwendig zeitliche Abstufungen des Fahrverbots erforderlich mache, um den Voraussetzungen von § 45 Abs. 1 StVO zu genügen 90 . Der ordnungsrechtliche Charakter von § 45 Abs. 1 StVO allein kann die kommunalen Verkehrsplaner daher noch nicht daran hindern, ein zeitlich unbeschränktes Innenstadtfahrverbot mit den Mitteln des Verkehrsrechts auszusprechen. Ein verkehrsrechtliches Fahrverbot würde keineswegs generell an den Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 StVO, sondern vielmehr an dem Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht scheitern 91 . 85 Jahn, NZV 1994, 5 (9) hält § 45 StVO schon deshalb für untauglich zur Rechtfertigung flächendeckender Maßnahmen, da § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO ausdrücklich nur die Beschränkung „bestimmter Straßen oder Straßenstrecken" erlaube. Die tatbestandliche Fassung des § 45 StVO steht flächendeckenden Maßnahmen aber nicht grundsätzlich entgegen, soweit sich die Erforderlichkeit der Verkehrsverbots für jede einzelne Straße rechtfertigen läßt; so schon BVerwGE 6, 317 (319) für die Sperrung eines Teils der Hamburger Innenstadt; aus jüngerer Zeit VG Koblenz, DAR 1993, 310 (311); Drees/ Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rdnr. 16; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 33. Aufl. 1995, § 45 StVO Rdnr. 27. Vgl. zur Rechtslage in Österreich, wo solche straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen allerdings in Form von Verordnungen ergehen, Öhlinger, ZVR (Österreich) 1995, 289 (291 ff.). 86 Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (614). 87 Peine, DÖV 1978, 835 (839). 88 Dürr, UPR 1992, 241 (248); vgl. auch dens., VB1BW 1993, 361 (365) und genauso Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 518 f. 89 So Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rdnr. 29; Krämer, NVwZ 1983,336 (336); vgl. auch Drees/Kuckuk/Werny, Straßenverkehrsrecht, § 45 StVO Rdnr. 10; Steiner, NJW 1980, 2337 (2342). Ausführlich zum Lärmschutz durch straßenverkehrsrechtliche Verkehrsverbote Dürr, UPR 1992, 241 (248 f.) sowie Berger, IUR 4/91, 191 (193 f). Aus der jüngsten Rspr. siehe VG Bremen, NZV 1992, 335 f. 90 BVerwG, NJW 1981, 184 (185); so schon BVerwG, DÖV 1980, 915 (916); zust. Steiner, JuS 1984, 1 (5). 91 Vgl. aus der intensiven Auseinandersetzung in Rspr. und Schrifttum zur Abgrenzung von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht grundlegend BVeifGE40, 371 (378 f.);

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2. Der „ Vorbehalt des Straßenrechts " a) Grundsatz Straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen stehen unter dem „Vorbehalt des Straßenrechts". Das BVerfG hat diesen Grundsatz, der sich heute zum juristischen Allgemeingut zählen darf, damit umschrieben, daß das Straßenrecht die Voraussetzungen für das Straßenverkehrsrecht bildet 9 2 , da es mit der Widmung anordnet, in welchem Rahmen die Straße überhaupt zum Verkehr zur Verfügung steht. Erst innerhalb dieses „Nutzungsrahmens" kommt das Straßenverkehrsrecht zur Geltung, indem es den widmungsrechtlich zugelassenen Verkehr unter Ordnungsgesichtspunkten regelt 93 . Durch Maßnahmen auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage können daher keine Nutzungszustände herbeigeführt werden, mit denen von vornherein eine dauernde Entwidmung oder eine dauernde Widmungsbeschränkung beabsichtigt ist 9 4 . Eine derart nachhaltige Veränderung der abstrakten Verkehrsfunktion der Straße, wie sie mit einer Fußgängerzone durch den Ausschluß des Kraftfahrzeugverkehrs nachträglich ausgesprochen wird, ist daher nach inzwischen gesicherter Auffassung mit einer vom Träger der Straßenbaulast verfügten Widmungsbeschränkung auf eine wegerechtliche Grundlage zu stellen 95 . Damit wird das Straßenverkehrsrecht bei einer auf Dauer angelegten Maßnahme selbst dann vom Straßenrecht verdrängt, wenn das Fahrverbot in Ausnahmefällen sogar die tatbestandlichen Voraussetzungen der StVO erfüllen sollte 96 .

BVerwGE 34, 241 (243 f.); Cosson, DÖV 1983, 532 ff.; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 87 f., 264 ff.; Steiner, JuS 1984, 1 ff.; abw. aber z.B. Evers, NJW 1962, 1033 (1035), dagegen ausführlich Peine, DÖV 1987, 835 (837). 92

BVerfGE 40, 371 (378); 67, 299 (314); BVerwGE 24, 241 (243); 34, 320 (323).

93

BVerwG, DÖV 1981, 920 f.; Jahn, NZV 1994, 5 (8); Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (688). 94

OLG Düsseldorf, NVwZ 1985, 685 (686); Arndt, WiVerw 1993, 206 (228); Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, 1979, S. 66 ff.; ders., DÖV 1978, 835 (838); ders., JZ 1984, 869 (874); Steiner, JuS 1984, 1 (5) m.w.N. sowie jüngst ders., DAR 1994, 341 (341 f.). 95 Bouska, DAR 198, 97 (102), Cosson, DÖV 1983, 532 (536); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 518; Lenz, BauR 1980, 130 (141); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 95; Randelzhofer, DAR 1987, 237 (242); Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (641 f.); Wendrich, DVB1. 1973,475 (476). 96

Peine, DÖV 1978, 835 (839) und Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunen und Verkehrsplanung, S. 87 (105) gegen Steiner, JuS 1984, 1 (5); widersprüchlich Cosson, DÖV 1983, 532 (536 f.), der zwar dauernde Maßnahmen auch auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage für möglich hält, unter Berufung auf den dauerhaften Charakter einer Fußgängerzone aber gleichzeitig einen wegerechtlichen Statusakt verlangt.

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Zweiter Teil: Die verwaltungsrechtlichen Instrumente

b) Einzelne Schlußfolgerungen Die probeweise Einführung von Fußgängerbereichen bleibt von dem Grundsatz des Vorbehalts des Straßenrechts unberührt. Als Provisorium ist sie gerade nicht auf Dauer konzipiert und kann daher allein mit straßenverkehrsrechtlichen Mitteln durchgesetzt werden. Mit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO haben solche Probemaßnahmen mittlerweile auch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage bekommen 97 . Dagegen bleibt eine wegerechtliche Grundlage nach dem Vorbehalt des Straßenrechts auch für solche Verkehrsbeschränkungen unverzichtbar, die sich nicht auf den gesamten Straßenverkehr erstrecken, sondern nur einzelne Verkehrsarten belasten. Auch wenn der Anliegerverkehr und insbesondere der Lieferverkehr sowie Fahrzeuge des öffentlichen Nahverkehrs und Taxen die Straße nach wie vor benutzen dürfen, und nur der „sonstige" Individualverkehr von dem Verkehrsverbot erfaßt ist, liegt die Verkehrsbeschränkung noch im Regiebereich des Straßenrechts, da sie auf eine dauernde qualitative Änderung der Nutzungsfunktion der Straße gerichtet ist 9 8 . Im übrigen bestehen erhebliche Zweifel, welche Präferenzen sich innerhalb des motorisierten Verkehrs auf der Grundlage der §§45 und 46 StVO überhaupt begründen lassen, denn Verkehrsverbote können nur dann zu Lasten bestimmter Verkehrsteilnehmer angeordnet werden, wenn gerade von dieser Gruppe der Straßenbenutzer spezifische Gefahren für die Güter und Interessen ausgehen, die § 45 StVO schützt 99 . Vielmehr wird man umgekehrt solche Ausnahmebestimmungen zwingend einer wegerechtlichen Entscheidung vorbehalten müssen, denn der Vorbehalt des Straßenrechts bedeutet auch, daß das Straßenverkehrsrecht nicht zu Maßnahmen berechtigt, die über den Umfang der Widmung hinaus, wie sie z.B. durch eine Teileinziehung nachträglich verfügt worden ist, andere Benutzungsarten wieder zulassen und damit eine widmungsrechtliche Beschränkung faktisch aufheben würden 1 0 °. 97 So Hess. VGH, UPR 1993, 74 (75 f.); Hermes, DAR 1993, 92 (94); Steiner, JuS 1984, 1 (5); anders noch ders., NJW 1980, 2337 (2341) unter Rückgriff auf §45 Abs. lb Nr. 5 StVO. Dagegen wollen Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunen und Verkehrsplanung, S. 87 (102) auch die probeweise Sperrung von Straßen für den Kraftfahrverkehr wegen des Vorbehalts des Straßenrechts von § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO ausnehmen. Diese Auffassung verkennt aber, daß nicht auf Dauer konzipierte Maßnahmen gerade keiner straßenrechtlichen Verfügung bedürfen. 98 Steiner, DVB1. 1992, 1562 (1564); vgl. auch Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunen und Verkehrsplanung, S. 87 (98). 99 Steiner, DVB1. 1992, 1562 (1563); weitergehend ders., DAR 1996, 121 (127); vgl. auch dens., NJW 1993, 3161 (3164 f.) zu Präferenzen innerhalb des ruhenden Verkehrs sowie Arndt, WiVerw 1993, 206 (228). Völlig ausgeschlossen ist es daher, nach dem Kennzeichen - etwa geraden oder ungeraden Kennzeichen - zu differenzieren; so auch Dürr, VB1BW 1993, 361 (366). 100 St. Rspr. des BVerwG, so BVerwGE 34, 241 (243); 62, 376 (378 f.) = NJW 1982, 840 (841) sowie BVerwG, DÖV 1981, 920 f.; Bouska, DAR 1987, 97 (99); ausführlich Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 266; Peine, JZ 1984,869 (874); Steiner, JuS 1984, 1 (4); ders., in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (688); ausdrücklich zu der Befugnis der Stra-

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Ein flächendeckendes Innenstadtfahrverbot kann daher - auch wenn es umfassende Ausnahmeregelungen enthält - nur probeweise, niemals jedoch auf Dauer auf § 45 StVO und damit auf eine straßenverkehrsrechtliche Grundlage gestützt werden. Dieses Ergebnis wird auch durch die Erwähnung des „Fußgängerbereichs" in § 45 Abs. l b Satz 1 Nr. 3 StVO nicht in Zweifel gezogen, da diese Vorschrift nur das Verfahren für die Ausweisung eines solchen Fußgängerbereichs regelt, ohne eine materielle Anordnungsbefugnis der Straßenverkehrsbehörden zu begründen 101 . I I I . Straßen- und Wegerecht Die Einrichtung eines flächendeckenden Innenstadtfahrverbots verlangt einen nachträglichen Ausschluß des Fahrverkehrs - anders natürlich für Verkehrsflächen, die erstmals dem öffentlichen Gebrauch gewidmet werden 1 0 2 - , wobei zumeist über die gleichzeitige Beibehaltung eines beschränkten Anliegerverkehrs oder sonstiger Ausnahmenutzungen nachzudenken sein wird. Soweit diese Neudefinition der Verkehrsfunktion ganzer Straßenzüge nicht allein auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage erzielt werden kann, stellt sich nun die Frage, welche straßenrechtlichen Instrumente dieser Nutzungseinschränkung ihre Rechtmäßigkeit verleihen. In Betracht kommen dafür das Mittel der Umstufung in Form der Abstufung und die Teileinziehung. 7. Umstufung in Form der Abstufung Sämtliche Straßen- und Wegegesetze der Länder, die für die hier interessierenden Gemeindestraßen einschlägig sind, sehen die Möglichkeit vor, Straßen ßenverkehrsbehörden zu Ausnahmen nach § 46 StVO Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunen und Verkehrsplanung, S. 87 (98). Dies gilt auch für die Erteilung von Sonderrechten nach § 35 StVO; siehe Lorenz, DÖV 1990, 517 (519 ff.) gegen die Entscheidung des BVerwG im Streit um die Verkehrsberuhigung auf der Insel Langeoog, DÖV 1989, 1041. 101 Vgl. die amtliche Begründung zu § 6 Abs. 1 Nr. 15 StVG - BT-Drucks. 8/3150 S. 21 = VerkBl. 1980, 241 (247) sowie BVerwGE 62, 376 (379 f.) = NJW 1982, 840 (841); Arndt, WiVerw 1993, 206 (230); Jahn, NZV 1994, 7 (9); Steiner, JuS 1984, 1 (5). Die Regelung des § 45 Abs. lb Nr. 3 StVO folgt aus der Notwendigkeit, straßenrechtliche Widmungsbeschränkungen nach außen kenntlich zu machen. Weiter zwingt § 45 Abs. 4 StVO dazu, ausschließlich Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen zu verwenden, hier Zeichen 242 und 243 zu § 41 StVO (Beginn bzw. Ende eines Fußgängerbereichs). Das eigentliche Problem liegt nun darin, ob den Anordnungen der Straßenverkehrsbehörden zur Kennzeichnung von Fußgängerbereichen die Wirkung von straßenverkehrsrechtlichen Anordnungen beigemessen werden kann; so Cosson, DÖV 1983, 532 (534); dagegen Salzwedel, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 97 (109); Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630 f.). 102 Die erstmalige Herstellung einer Fußgängerzone ist sowohl praktisch von nur geringerer Bedeutung, sie ruft auch weniger rechtliche Schwierigkeiten hervor; siehe nur Peine, Art. „Fußgängerzone", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hrsg.), HdUR Bd. I, Sp. 795 (796). Siehe hierzu unten, S. 46 Fn. 131.

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Zweiter Teil: Die verwaltungsrechtlichen Instrumente

nachträglich durch Umstufung einer anderen Straßenklasse zuzuordnen 103 . Auch die ausdrückliche Erwähnung von „Fußgängerbereichen" in Art. 53 Nr. 2 BayStrWG sowie § 3 Abs. 4 Nr. 2 StrWG NW scheint die straßenrechtliche Umstufungsverfügung in den Dienst verkehrsberuhigender Maßnahmen zu stellen. Dennoch war ihre Bedeutung in der Vergangenheit bei der Einrichtung von Fußgängerzonen und ähnlichen flächendeckenden Fahrverboten gering. Allein im Geltungsbereich des BayStrWG - dessen Sonderstellung noch darzustellen sein wird - hat die Umstufung als Instrument zum Zweck der Verkehrsberuhigung besondere juristische Beachtung erfahren 104 . a) Voraussetzungen und Inhalt einer Abstufung Die Landesstraßengesetze definieren die Umstufung als Allgemeinverfügung, durch die eine öffentliche Straße nachträglich einer anderen Straßengruppe zugeordnet wird 1 0 5 . Entsprechend der Neudefinition der Verkehrsfunktion der Straße, wie sie mit einem flächendeckenden innerstädtischen Fußgängerbereich intendiert ist, ließe sich ein solches Innenstadtfahrverbot als Abstufung von Gemeindestraßen mit überwiegender Verkehrsfunktion zu Gemeindestraßen mit vorwiegendem Erschließungszweck - wie die in § 3 Abs. 4 Nr. 2 StrWG NW ausdrücklich genannten „Fußgängerbereiche" - deklarieren. Diese Neuakzentuierung von der Verkehrs- zur Erschließungsfunktion beläßt die betreffenden Straßen aber noch innerhalb der Straßenklasse „Gemeindestraßen". Da die wegerechtliche Umstufung aber durchweg an den Straßenklassen orientiert i s t 1 0 6 - und nicht an den weiteren wegegesetzlichen Unterdifferenzierungen - lassen sich Verkehrsberuhigungen in der Regel nicht mit den Kriterien der Umstufung erfassen 107 . Dies gilt natürlich nur für den in der Praxis wohl bedeutendsten Fall, daß ausschließlich Gemeindestraßen zum Gegenstand eines flächendeckenden Fahrverbots werden. Für den durchaus denkbaren Wunsch der Gemeinden, Verkehrsberuhigung auch auf Ortsdurchfahrten von Kreisstraßen zu erstrecken, muß eine Abstufung dagegen unverzichtbar erscheinen 108 . 103 Vgl. nur § 6 Abs. 1 BWStrG; Art. 7 BayStrWG; § 6 BremLStrG; § 5 HessStrG; § 7 NStrG; § 8 StrWG NW; § 38 RhPfLStrG; § 7 SächsStrG; § 7 SchlHStrWG; § 7 StrG LSA; § 8 StrWG-MV; § 7 ThürStrG. 104 Vgl. nur Kersten, BayVBl. 1978, 491 (492); ders., BayVBl. 1974, 389 (390); Kolb, BayVBl. 1973, 230 ff.; vgl. ferner die Nachweise bei Körner, BayVBl. 1978, 487 (487 Fn. 15). 105 § 7 BbgStrG; § 6 BWStrG; § 6 BremLStrG; § 5 HessStrG; § 7 NStrG; § 8 Abs. 1 Satz 1 StrWG NW; § 38 RhPfLStrG; § 7 SaarlStrG; § 7 SächsStrG; § 7 SchlHStrWG; § 8 StrWG-MV. 106 Dies folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut; vgl. nur aus den Straßengesetzen der Flächenstaaten § 6 Abs. 1 BWStrG; Art 7 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG; § 5 Abs. 1 HessStrG; § 8 Abs. 1 Satz 1 StrWG NW; § 7 Abs. 1 NdsStrG; § 38 RhPfStrG; § 7 Abs. 1 SaarlStrG und § 7 Abs. 1 SchlHStrWG sowie Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (639). 107 Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 39 m.w.N.; Steiner, NVwZ 1984, 201 (203). 108 Steiner, NVwZ 1984, 201 (203).

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Doch auch in diesem ohnehin eher theoretischen Fall genießt die Umstufung keinesfalls große Bedeutung, wenn es um die Verwirklichung verkehrsberuhigender Maßnahmen geht. Die Straßengesetze fordern als Voraussetzung für eine Umstufung, daß sich die Verkehrsbedeutung einer Straße „geändert h a t " 1 0 9 , ändert 1 1 0 oder daß die „Einstufung nicht mehr ihrer Verkehrsbedeutung entspricht" 1 1 1 . Ungeachtet dieser unterschiedlichen Formulierungen setzt die Abstufung stets die Minderung der Verkehrsbedeutung voraus, sie muß der Abstufung vorausgehen und nicht erst deren Folge sein 1 1 2 . Bei der Einrichtung von Fußgängerzonen oder ähnlichen umfassenden Aussperrungen des motorisierten Verkehrs soll aber erst auf die Verkehrsfunktion der Straße eingewirkt werden. Solche Maßnahmen sind die verkehrsplanerische Reaktion auf die Überlastung der innerstädtischen Straßen und nicht etwa die Konsequenz eines geminderten Verkehrsvolumens 113 . Verkehrsberuhigenden Maßnahmen fehlt es daher schon wegen ihrer Zielsetzung an der Grundvoraussetzung für eine Abstufung, so daß sie in der Regel die tatbestandliche Hürde der geänderten Verkehrsbedeutung nicht überwinden werden. Allein für das nordrhein-westfälische StrWG mehren sich die Stimmen, die dafür eintreten, daß eine Umstufung auch dann möglich sei, wenn dadurch eine andere Verkehrsbedeutung erst angestrebt w i r d 1 1 4 . Diese Interpretation kann sich aber genauso wenig wie bei den anderen Straßengesetzen auf den Wortlaut der Ermächtigung stützen, da auch die Formulierung „bei Änderung" eine jedenfalls schon begonnene Veränderung der Verkehrsbedeutung voraussetzt - andernfalls hätte der Gesetzgeber die Umstufung schon „zur Änderung" der Verkehrsbedeutung ermöglichen müssen 115 .

109 So etwa die Gesetzesfassung im BremLStrG, HessStrG, RhPfStrWG, StrWGMV und im SchlHStrWG. 110 So § 6 Abs. 1 BWStrG („Ändert sich die Verkehrsbedeutung..."); dagegen ermöglichen § 8 Abs. 1 Satz 1 StrWG NW; § 7 Abs. 1 Satz 1 BbgStrG; § 7 Abs. 1 Satz 1 ThürStrG; § 7 Abs. 1 StrG LSA sowie § 7 Abs. 1 Satz 1 ME für ein Landesstraßengesetz des Länderfachausschusses „Straßenbaurecht" von 1991, abgedruckt bei BlümeU Pfeil (Hrsg.), Neue Länderstraßengesetze, 1993, S. 109 ff. eine Umstufung schon „bei Änderung der Verkehrsbedeutung". Vgl. i.ü. zu dem Musterentwurf und den Straßengesetzen der neuen Länder Sauthoff, NVwZ 1994, 864 (865 ff.). 111 So die Fassung des § 7 NStrG. 112 Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, S. 86; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 241; Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (607 f.); ders., in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (639). 113 Vgl. Pappermann/Löhr, JuS 1980, 35 (39); Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/ Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (608) sowie ausführlich Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, S. 83 ff. 114 Papier, in: Grimm/Papier (Hrsg.), Nordrhein-westfälisches Staats- und Verwaltungsrecht, 1986, S. 425 (467); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 28; Walprecht/Cosson, StrWG NW, 1986, § 8 Rdnr. 74. 115 So i.Erg. Achterberg, JA 1984, 216 (217); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 241.

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b) Die Sonderregelung im BayStrWG und im SächsStrG Diesen Einwänden ist zunächst der bayerische Landesgesetzgeber entgegengetreten, indem er in einem gesetzgeberischen Alleingang mit der Neufassung des Art. 7 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 BayStrWG 116 eine Abstufung auch dann ermöglicht hat, „wenn überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls" vorliegen. Zusammen mit der 1981 erfolgten Novellierung, nach der „Fußgängerbereiche" in Art. 53 Nr. 2 BayStrWG der Straßenklasse der „beschränkten öffentlichen Wege" zugerechnet werden, hat das Land Bayern die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, Fußgängerbereiche durch Abstufung von Gemeindestraßen einzurichten 1 1 7 . Dieses Konzept hat mittlerweile Schule gemacht und das Vorbild für die sächsische Kodifikation des Straßenrechts abgegeben 118 . Mit diesem legislatorischen Kunstgriff besteht zwar rechtstechnisch die Möglichkeit, allein mit einer Umstufungsverfügung den Ausschluß des Kraftverkehrs auf eine rechtliche Grundlage zu stellen. Dennoch muß wegen der Eigenart des Umstufungsverfahrens bezweifelt werden, ob eine Umstufung die ansonsten erforderliche Teileinziehung zu ersetzen vermag: Die Straßengesetze tragen mit der Ein- und Umstufung dem Einstufungszwang der Straßen in Straßenklassen Rechnung, die als wichtigste Rechtsfolge die Straßenbaulast nach sich zieht 1 1 9 . Da die Umstufung ihrem Zweck nach nicht auf außen wirksames Handeln gerichtet ist, konnte das Umstufungsverfahren als verwaltungsinternes Verfahren ausgestaltet werden 120 . Daher wäre es nicht nur wesensfremd, sondern auch eine bedenkliche Rechtsverkürzung, wenn eine derartig außenwirksame Maßnahme - wie sie die Einrichtung einer Fußgängerzone für die Anlieger darstellt - allein mit der für Verwaltungsinterna konzipierten Umstufung durchgesetzt werden könnte, um so das mit umfassenden Anhörungs- und Be-

116

Art. 7 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG eingefügt durch das 3. BayStrWÄG i.d.F. der Bekanntmachung v. 2. 7. 1974, GVB1. S. 333. Vgl. ausführlich zu dieser Novellierung Kersten, BayVBl. 1974, 389 ff.; zur Entstehungsgeschichte Zimniok, BayStrWG, 1988, Art. 7 Anm. 1 b. 117 Vgl. schon die Begründung zum Entwurf des 3. BayStrWÄG, LT-Drucks. 7/5576, S. 6 zu § 1 Nr. 2 (Art. 7 BayStrWG) sowie Kersten, BayVBl. 1974, 389 (390); ders., BayVBl. 1978, 491 (492); Zimniok, BayStrWG, Art. 7 Anm. 2b; so auch schon vor dieser Neuerung Kolb, BayVBl. 1973, 230. 118 Vgl. §7 Abs. 2 Satz 2 SächsStrG, i.d.F. der Bekanntmachung v. 21. 1. 1993, GVB1. 7/1993, S. 67, abgedruckt bei Blümel/Pfeil (Hrsg.), Neue Länderstraßengesetze, S. 65 ff. 119 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 225. 120 Da Hauptbetroffener einer Umstufung der künftige Träger der Straßenbaulast ist, vermag auch nur dieser Rechtsschutz zu erzielen, während Anlieger mangels eigener Rechtsbetroffenheit keinen Anspruch auf Durchführung oder Unterlassung der Umstufung geltend machen können; vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 244 f. sowie Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (608). Davon macht allein Bremen eine Ausnahme, wo in § 6 Abs. 2 bis 4 BremLStrG das Umstufungsverfahren nach ähnlichen Grundsätzen wie die Entwidmung einer Straße gestaltet ist.

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teiligungsrechten ausgestaltete Teileinziehungsverfahren zu umgehen 121 . Die im BayStrWG und im SächsStrG getroffenen Sonderregelungen können daher nur als systemfremd 122 und rechtsstaatlich bedenklich verstanden werden, die trotz des theoretisch erweiterten Anwendungsfelds der Umstufung die Teileinziehung für die Einrichtung von Fußgängerbereichen nicht zu ersetzen vermögen 123 . So unterschiedlich die Straßengesetze der Länder die Umstufungsverfügung auch konzipiert haben mögen, so ist es ihnen aber dennoch nicht gelungen, die Teileinziehung als das Rechtsinstrument zur Einrichtung von Fußgängerzonen zu verdrängen - anderslautende Prognosen lassen sich mit der kommunalen Praxis jedenfalls nicht bestätigen 124 . 2. Nachträgliche Widmungsbeschränkung

durch Teileinziehung

a) Rechtsgrundlagen Allein die Volleinziehung gehört seit jeher zu den kodifizierten Instrumentarien des Straßenrechts 125. Mit der Volleinziehung wird die dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße diesem wieder vollständig entzogen, und alle Wirkungen der Widmung werden rückgängig gemacht: Die Straße verliert ihre Eigenschaft als öffentliche Sache, und jeglicher Gemeingebrauch erlischt 126 . Damit bildet die Volleinziehung ex definitione keine taugliche Rechtsgrundlage, wenn nur der Ausschluß einzelner Verkehrsarten beabsichtigt ist, im übrigen aber der Status der öffentlichen Straße unangetastet bleiben soll. Hierfür bedarf es der Möglichkeit einer nur teilweisen Einziehung. Soweit die Teileinziehung früher nicht in allen Straßengesetzen vorgesehen w a r 1 2 7 , hat die Rechtsprechung dem Bedürfnis nach nachträglichen Widmungsbeschränkungen dadurch Rechnung getragen, daß sie mit dem Argument maior 121 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 267; Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (643); i. Erg. auch Körner, BayVBl. 1987, 487 (488); vgl. auch Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, S. 26; Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, S. 90. 122 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 267. 123 Dagegen sprechen auch praktische Gründe: Im Fall einer Abstufung zum reinen Gehweg müßte der Anliegerverkehr oder sonstiger von dem Fahrverbot auszunehmender Kraftfahrverkehr stets eine Sondernutzungserlaubnis erwirken oder könnte nur nach § 46 StVO zugelassen werden; dazu Körner, BayVBl. 1978, 487 (488) m.w.N. 124 Vgl. Meins, BayVBl. 1983, 641 (645). 125 Siehe Art 8 Abs. 1 BayStrWG; § 8 BbgStrG; § 7 Abs. 1 BWStrG; § 4 Abs. 1 Satz 1 BerlStrG; § 7 Abs. 1 Satz 1 BremLStrG; § 7 Abs. 1 HambWG; § 6 Abs. 1 Satz 1 HessStrG; § 8 Abs. 1 Satz 1 NStrG; § 7 Abs. 1 Satz 1 StrWG NW; § 37 RhPfLStrG; § 8 Abs. 1 SaarLStrG; § 8 SächsStrG; § 8 Abs. 1 SchlHStrWG; § 8 StrG LSA; § 9 StrWG-MV; § 8 ThürStrG. 126 Statt aller Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 252 f. 127 Vgl. Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (610).

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minus continet die Vorschriften über die Volleinziehung zur Rechtsgrundlage erhob 1 2 8 . An dieser Stelle hat das Straßenrecht mit der Kodifizierung der Teileinziehung 1 2 9 eine entscheidende Weiterentwicklung erfahren, als deren Auslöser die Einrichtung von Fußgängerzonen angesehen werden kann, die nach nunmehr einhelliger Auffassung mit der Teileinziehung eine eindeutige Rechtsgrundlage gefunden hat 1 3 0 . Damit ist auch die inhaltliche Ausgestaltung einer nachträglichen 131 Sperrung innerstädtischer Straßen für den allgemeinen Kraftfahrverkehr an die Möglichkeiten und Grenzen des Teileinziehungsverfahrens gebunden. b) Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten Unproblematisch kann mit einer Teileinziehung der vollständige Ausschluß des Kraftfahrverkehrs unter Beibehaltung des Fußgänger- und Radfahrverkehrs ausgesprochen werden. Diese Differenzierung nach Benutzungsarten 132 ist von sämtlichen Straßengesetzen vorgesehen 133 . Dagegen kann die gleichzeitige Zulassung des Anlieger- oder Zulieferverkehrs nicht auf diesen Rechtstitel ge128

So BVerwG, DÖV 1966, 464 (465); OVG Münster, DÖV 1961, 835 (836); BayVGH, DVB1. 1973, 508 (509) sowie aus der Literatur Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 262; Körner, BayVBl. 1978, 487 (488) jeweils m.w.N. Ausführlich zu den dogmatischen Unsicherheiten dieser Rspr. Steiner, Rechtliche Aspekte einer städtebaulich orientierten Verkehrsplanung der Gemeinden, 1980, S. 9 ff. 129 Vgl. nur Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG; Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BerlStrG; § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG; § 7 Abs. 1 Satz 2 StrWG NW. Etwas versteckt auch § 7 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 5 Satz 1 BWStrG. Die Straßengesetze der neuen Länder sind dem umfassend gefolgt; siehe § 8 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG; § 9 Abs. 2 Satz 1 StrG-MV; § 8 Abs. 1 Satz 2 StrG LSA; § 8 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG; § 8 Abs. 1 Satz 2 ThürStrG. 130 BVerwG, DVB1. 1973, 692 ff.; DÖV 1981, 920 (921); VGH Bad.-Württ., DÖV 1982, 206 f.; vgl. auch BVerwGE 62, 376 (378 f.). Aus der umfassenden Literatur siehe etwa Arndt, WiVerw 1993, 206 (230); Berr, DAR 1982, 137 (140 f.); Körner, BayVBl. 1978, 487 (488); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 39; Peine, DÖV 1978, 835 (838); ders., JZ 1984, 869 (874); Walprecht/Cosson, StrWG NW, § 7 Rdnr. 63; Zimniok, BayStrWG, Art. 8 Anm. 2 a. 131 Die Einrichtung verkehrsverdünnter Bereiche an sog. Neustraßen unterliegt naturgemäß nicht den Vorschriften über die Einziehung, sondern ist als von vornherein beschränkte Widmung unter den gleichen Voraussetzungen zulässig wie die uneingeschränkte Widmung; siehe Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 192, 194 ff. Mit den unterschiedlichen Vorbildern - Widmung oder Einziehung - formuliert das Straßenrecht den grundlegenden Unterschied zwischen nachträglichen und erstmaligen Verkehrsbeschränkungen: Allein bei nachträglichen Eingriffen in das Nutzungsstatut sind Belange Privater zu berücksichtigen. Diese Eigentümlichkeit des Straßenrechts, private Rechtspositionen nur als Abwehransprüche aus schon verliehenem Nutzungsrecht anzuerkennen, ist auch auf grundrechtlicher Ebene bestätigt worden; vgl. BVerfGE 32, 222 (225). 132

Zum Begriff der Benutzungsarten Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 263. Vgl. etwa § 7 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 BWStrG; § 8 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG; § 7 Abs. 1 Satz 2 BremStrG, das von „Verkehrsarten" spricht; § 9 Abs. 2 Satz 1 StrG-MV; § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG; § 6 Abs. 2 Satz 2 SaarlStrG; § 8 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG; § 8 Abs. 1 Satz 2 StrG LSA; § 7 Abs. 1 Satz 2 StrWG NW. 133

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stützt werden, da sich diese besonderen Verkehrsformen nur durch den Benutzungszweck von dem allgemeinen Kraftfahrverkehr unterscheiden 134 . Zwar erlauben nicht alle Straßengesetze eine solche Differenzierung 135 , doch hat die Rechtsprechung auch an dieser Stelle die Teileinziehung für die praktischen Bedürfnisse kommunaler Verkehrsberuhigung geöffnet, indem sie die Zulässigkeit einer nachträglichen Widmungsbeschränkung auf bestimmte Benutzungszwecke ungeachtet gesetzlicher Bestimmungen aus den Vorschriften über die Beschränkung von Ortsstraßen auf bestimmte Verkehrszwecke abgeleitet hat 1 3 6 . Diese Rechtsprechung erlaubt den Kommunen eine weitreichende „Feinsteuerung" bei der Gestaltung des innerstädtischen Verkehrs. Auch eine Aussperrung des Individualverkehrs unter Beibehaltung des öffentlichen Personennahverkehrs ist daher auf widmungsrechtlicher Grundlage denkbar 137 . Eine Grenze ist den städtischen Verkehrsplanern freilich dadurch gezogen, daß Beschränkungen auf bestimmte Benutzungs- oder Verkehrszwecke an objektiven Kriterien ausgerichtet sein müssen 138 , doch wird die Unterscheidung zwischen Anliegerverkehr und sonstigem Verkehr diesem Erfordernis zweifelsohne gerecht 1 3 9 - dagegen wäre ein Ausschluß des Freizeit- oder Berufsverkehrs schon 134

Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 263; Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (611); ders., NVwZ 1984, 201 (204). 135 So etwa § 36 Abs. 1 Satz 4 RhPfLStrG; § 6 SaarlStrG und § 6 Abs. 1 Satz 2 SchlHlStrWG. Dagegen sehen die Mehrzahl der Straßengesetze eine nachträgliche Widmungsbeschränkung auf Benutzungszwecke vor; vgl. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 5, Abs. 3 Satz 2 BWStrG; Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG; § 4 Abs. 1 Satz 2 BerlStrG; § 8 Abs. 1 Satz 2 BbgStrG; § 7 Abs. 1 Satz 2 BremLStrG; § 7 Abs. 1 Satz 2 StrWG NW; § 8 Abs. 1 Satz 2 StrG LSA; § 8 Abs. 1 Satz 2 SächsStrG. In manchen Gesetzen wird nur nach Benutzungszwecken und -kreisen differenziert; so z.B. in § 9 Abs. 2 Satz 1 StrG-MV. Da Benutzungskreise objektiv aber nur durch den Benutzungszweck abgegrenzt werden können, sind diese Beschränkungskriterien gleichbedeutend; vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 263. 136 BayVGH, DVB1. 1973, 508 (509); Hess. VGH, DVB1. 1973, 510 f.; weitere Nachweise bei Steiner, NVwZ 1984, 201 (204). Zust. Cosson, in: Walprecht (Hrsg.), Verkehrsberuhigung in Gemeinden, S. 149 (161); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 263; Wendrich, DVB1. 1973,475 (476). 137 Dies ist in § 5 Abs. 1 Satz 3 BremLStrG sowie § 6 Abs. 2 Satz 1 HbgWegeG sogar ausdrücklich als Beschränkung auf einzelne „Verkehrszwecke" vorgesehen. Freilich gehen bei der Anordnung von Busspuren Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht ineinander über, denn Busspuren können aus Gründen der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs gleichfalls nach § 45 Abs. 1 StVO mit dem Zeichen 245 zu § 41 StVO verfügt werden; so Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunen und Verkehrsplanung, S. 87 (103). Dies schließt eine Einrichtung nach Straßenrecht aber nicht aus; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 524. Zu Busspuren aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht schon Marschall, DAR 1973, 283 ff.; wenig überzeugend die Differenzierung von Steiner, Rechtliche Aspekte einer städtebaulich orientierten Verkehrsplanung in den Gemeinden, S. 35. 138 BayVGH, DVB1. 1973, 508 (509). 139 BayVGH, DVB1. 1973, 508 (509); Papier, in: Grimm/Papier (Hrsg.), Nordrheinwestfälisches Staats- und Verwaltungsrecht, S. 425 (448); Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (642); Wendrich, DVB1. 1973, 475 (476) m.w.N.

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unter straßenrechtlichen Gesichtspunkten genauso fragwürdig wie eine Differenzierung nach dem religiösen Bekenntnis 140 . c) Materielle Voraussetzungen Nachträgliche Beschränkungen des Widmungsinhalts durch Teileinziehung müssen - so die häufigste Formulierung in den Landesstraßengesetzen - von überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls getragen sein 1 4 1 . Damit verlangen die Straßengesetze eine planerische Abwägung 1 4 2 , bei der das Interesse der Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung des Kraftfahrzeugverkehrs mit dem Interesse an der Verkehrsberuhigung durch Teileinziehung verglichen werden muß 1 4 3 . Der Ausspruch eines Innenstadtfahrverbots kann sicherlich - wie die Erfahrungen mit Fußgängerzonen zeigen - vielfältige Gründe des öffentlichen Wohls für sich in Anspruch nehmen. Der Wunsch, den allgemeinen Kraftfahrverkehr aus den Innenstädten auszuschließen, läßt sich zunächst auf städtebauliche Gründe stützen. Stadtplaner sehen hierin das geeignete Mittel, um die Einkaufs· und Kommunikationsfunktion des Stadtkerns wieder zu betonen und so mit den Wohnumfeldbedingungen letztlich die urbane Lebensqualität zu verbessern 1 4 4 . Mit diesen Zielsetzungen ist neben der Erhaltung der historischen Bausubstanz auch eine Erhöhung der Verkehrssicherheit 145 verbunden. Schließ140

Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 192 mit weiteren Beisp. Ungeachtet dieser widmungsrechtlichen Einwände müssen solche Differenzierungen natürlich schon im Hinblick auf Art. 3 GG bedenklich stimmen. 141 Die Formulierungen variieren; siehe nur § 5 Abs. 5 i.V.m. § 7 Abs. 1 BWStrG; Art. 8 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG; § 7 Abs. 1 BremLStrG („öffentliches Interesse"); § 6 Abs. 1 HessStrG („Wohl der Allgemeinheit"); § 8 Abs. 1 Satz 2 NStrG; § 7 Abs. 3 StrWG NW; § 37 Abs. 1 Satz 1 RhPfStrG; § 8 Abs. 1 SaarlStrG. Demgegenüber ist im HambWG sowohl eine Widmungsbeschränkung als auch eine völlige Einziehung an keine materiellen Voraussetzungen geknüpft, im Fall der Einziehung bedarf es allein der Zustimmung der Straßenverkehrsbehörde; vgl. § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 HambWG. Soweit für die Zulässigkeit der Teileinziehung auf die Volleinziehung verwiesen wird, sehen manche Straßengesetze fakultativ auch eine Rechtfertigung durch den Fortfall der Verkehrsbedeutung vor; vgl. BremLStrG sowie StrGBW. Eine Berufung hierauf wird aber aus den gleichen Gründen ausscheiden müssen wie schon bei der Umstufung; vgl. oben, S. 42 ff. 142 Ausführlich zu dieser Abwägungs- und Planungsentscheidung Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, S. 43 ff., 61 ff. 143 VGH Kassel, DVB1. 1973, 510 (511); Achterberg, JA 1984, 216 (217); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 40 m.w.N.; Peine, JZ 1984, 869 (874). 144 Vgl. nur die Zielbeschreibungen von flächenhaften Verkehrsberuhigungen von Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau u.a. (Hrsg.), Flächenhafte Verkehrsberuhigung, S. 6 f. sowie Kessel/Lange, der städtetag 1992, 199 (201 f.). Berr y DAR 1982,137 (141) hält die Verbesserung des Wohnumfelds allein schon für ausreichend, um eine Teileinziehung mit dem Ziel der Verkehrsberuhigung zu rechtfertigen. 145 So VGH Kassel, DVB1. 1973, 510 (511); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 517.

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lieh können sich die Kommunen auf den Schutz der Fußgänger und natürlich der Wohnbevölkerung vor Lärm, Schadstoffen und Schmutz 146 sowie allgemein auf Gesichtspunkte des Verkehrsumweltschutzes berufen 147 . Weder die allgemeine Akzeptanz von Fußgängerzonen noch die Vielzahl der Gemeinwohlgründe, die für ihre Einrichtung angeführt werden können, vermögen aber die erforderliche Abwägung im konkreten Fall zu ersetzen. Beispielhaft ist hier die Formulierung in § 8 Abs. 2 SchlHStrWG, das für die Rechtmäßigkeit einer Teileinziehung „Gründe des öffentlichen Wohles [...], die gegenüber privaten Interessen überwiegen" verlangt. Damit wird zweierlei vorausgesetzt: Zunächst bedarf es einer Abwägung nicht nur innerhalb der öffentlichen Belange, sondern auch mit den privaten Belangen Dritter 1 4 8 . Und zweitens müssen die für die Verkehrsberuhigung ins Feld geführten Argumente die privaten Interessen an einer Aufrechterhaltung des Kraftfahrzeugverkehrs im bisherigen Umfang überwiegen 149. Die zu berücksichtigenden privaten Belange Dritter werden meist unter dem Gesichtspunkt des Anliegerschutzes zusammengefaßt. Im Vordergrund stehen dabei die Belange der privaten und insbesondere gewerblichen Anlieger der teileinzuziehenden Straße. Daneben sind auch die Interessen der Straßenanlieger in der Nachbarschaft geplanter verkehrsbeschränkter Straßen und solcher Straßen, die den zukünftig verdrängten Verkehr aufnehmen müssen, zu berücksichtigen 150 . Seitdem die Rechtsposition der Anlieger ihren verfassungs146

Siehe schon die Argumentation vom BayVGH, DVB1. 1973, 508 (510); Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau u.a. (Hrsg.), Flächenhafte Verkehrsberuhigung, S. 6 f.; vgl. auch Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 40. 147 Siehe zu den Allgemeininteressen, mit denen die Einrichtung von Fußgängerbereichen gerechtfertigt werden kann, Arndt, WiVerw 1993, 206 (230); Jahn, NZV 1994, 5 (8); Sieder/Zeitler/Kreuzer/Pech, BayStrWG, Art. 8 Rdnr. 12; Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (624); Walprecht/Cosson, StrWG NW, § 7 Rdnr. 64 sowie den anschaulichen Überblick bei Peine, Art. „Fußgängerzone", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hrsg.), HdUR Bd. I, Sp. 795 (797 f.). 148 Dies wurde früher bestritten. Nach VGH Kassel, DVB1. 1973, 510 (511) sollten die konfligierenden Belange Privater erst auf der Rechtsfolgenseite als Ermessenselement berücksichtigt werden, da die Ermessensebene sonst inhaltslos würde. Dagegen Peine, Fußgängerstraßen, S. 109 ff. und ihm folgend das überwiegende Schrifttum; so Achterberg, JA 1984, 216 (217); Steiner, Rechtliche Aspekte einer städtebaulich orientierten Verkehrsplanung, S. 15 f.; ders., NVwZ 1984, 201 (204). 149 BayVGH, DVB1. 1973, 508 ff.; aus neuerer Zeit VGH Bad.-Württ., DÖV 1982, 206 (207); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 40; Peine, JZ 1984, 869 (874); Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (612); Walprecht/Cosson, StrWG NW, § 7 Rdnr. 64. 150 Siehe nur Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 612; Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/ Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (612); eingehend Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, S. 30 f., insbes. S. 81 ff., der allerdings die grundrechtliche Drittbetroffenheit nur unter dem Gesichtspunkt des Immissionsschutzes untersucht. Zur Rechtstellung von Anliegern an Straßen, die den verdrängten Verkehr künftig aufnehmen müssen Berr, DAR 1982, 137 (143 f.). 4 Röthel

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rechtlichen Standort in der Eigentumsgarantie gefunden hat, ist das Anliegerrecht und damit Art. 14 Abs. 1 GG wohl zur bedeutendsten Hürde für Städte und Gemeinden bei der Verfügung einzelner Fußgängerbereiche oder flächendeckender Fahrverbote avanciert. Mittlerweile hat die Rechtstellung der Anlieger eine derartige Verfestigung erfahren, daß mit dem grundrechtlichen Schutz des Anliegerrechts eine absolute Grenze für den nachträglichen Ausschluß des Kraftfahrzeug Verkehrs formuliert werden kann 1 5 1 . Das Gros der Straßennutzer kann sich allerdings nicht auf eine ähnlich anerkannte und verfassungsrechtlich verfestigte Rechtstellung berufen, um ihre privaten Belange gegenüber nachträglichen Widmungsbeschränkungen zur Geltung zu bringen. Während die Anlieger die Anerkennung ihrer Interessen als abwägungsrelevante private Belange unter Berufung auf ihren grundrechtlichen Schutz durch Art. 14 GG herleiten können, finden sich nämlich kaum Anhaltspunkte dafür, daß auch die Interessen der allgemeinen Gruppe der Autofahrer eine entscheidungserhebliche Rechtsposition bilden könnten. So sehen Kodal/ Krämer die „schlichten Verkehrsteilnehmer" allenfalls „in ihrer Interessensphäre, nicht aber in ihren Rechten berührt" 1 5 2 und nach Steiner nimmt „die allgemeine Gruppe der Straßenbenutzer nur eine untergeordnete Stelle e i n . " 1 5 3 Diese und andere Einschätzungen lassen sich mit dem lakonischen Hinweis von Salzwedel zusammenfassen: „Die Gemeingebrauchsberechtigten zählen an sich nicht." 1 5 4 Diese Einengung des Blickwinkels muß schon unter dem Gesichtspunkt befremden, daß es zu den unbestrittenen Geboten rechtsstaatlicher Planung und Abwägung gehört, alle nach Lage der Dinge betroffenen Belange ungeachtet einer gesetzlichen Positivierung 155 in die Abwägung einzustellen 156 . Dies gilt um so mehr, als auch für den Wunsch der Autofahrer nach Aufrechterhaltung der bisherigen Verkehrsfunktion der einzuziehenden Straßen durchaus grundrechtliche Verbürgungen streiten, mit denen ihre Interessen in der Abwägung 151

Grundlegend BVerwGE 30,235 (238 f.); jüngst BVerwG, NJW 1994,1080 (1081); siehe i.ü. noch ausführlich unten, S. 69 ff. 152 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 259. 153 Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter, Straßengesetzgebung, S. 605 (615). 154 Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (775). 155 Dies gilt insbes. für die privaten Belange. Sie müssen nicht Ausfluß normierter subjektiver Rechte oder Rechtspositionen sein; so BVerwGE 47, 144; Krebs, Baurecht, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 299 (361); Schmidt-Aßmann, in: Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, BauGB, § 1 Rdnr. 313. 156 Dies kann seit BVerwGE 41, 67 zum juristischen Allgemeingut gezählt werden; ausführlich zum Wesen von Planungsentscheidungenen und zum Abwägungsgebot BVerwGE 56, 110 (116 ff., 122 f.); aus jüngerer Zeit etwa BVerwGE 74, 124 (133) sowie BVerwG, UPR 1990, 99 (100). Zum Inhalt des Abwägungsgebots vgl. Erbguth, Bauplanungsrecht, in: Achterberg/Püttner (Hrsg.), Bes VerwR Bd. 1, S. 349 (386 f.); Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. I Bauplanungsrecht, S. 50 ff. und zur Zusammenstellung des Abwägungsmaterials insbesondere Hoppe, DVB1. 1977, 136 ff.; vgl. i.ü. Gaentzsch, in: Schlichter/Stich (Hrsg.), Berliner Kommentar zum BauGB, § 1 Rdnrn. 66 ff.

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von „relativen" zu „absoluten" und damit unüberwindbaren Belangen 157 erstarken können. Allein für die Vielzahl von Taxifahrern oder sonstigen Auslieferungsdiensten, deren Betätigungsfeld fast ausschließlich der Innenstadtbereich ist, können solche Beschränkungen der Auto-Mobilität in Widerstreit mit der Berufsfreiheit geraten. Daneben sind weitere Individualpositionen denkbar, die sich mit Art. 11 Abs. 1 GG oder letztlich Art. 2 Abs. 1 GG grundrechtlich absichern lassen und damit Hindernisse auf dem Weg zur autofreien Innenstadt beschreiben 1 5 8 . Diese Scheu, neben den Anliegerrechten auch bloße Beeinträchtigungen der Verkehrsfreiheit 159 in Gestalt von Mobilitätseinbußen bei straßenrechtlichen Verkehrsbeschränkungen zu berücksichtigen, mag ihren Grund darin haben, daß die Frage nach dem grundrechtlichen Schutz des Autofahrens bislang kaum Beachtung gefunden hat 1 6 0 . Können aber allein die Grundrechte - mangels gesetzlicher Festschreibung - aus privaten Interessen absolute, d.h. unüberwindbare Grenzen für Beschränkungen des Individualverkehrs formulieren, so ist die Untersuchung des grundrechtlichen Gehalts der Auto-Mobilität mehr als ein juristisches Gedankenspiel. Sie folgt der deutschen Gesetzessystematik, die mit dem Abwägungserfordernis bei Teileinziehungen die Frage nach der Rechtmäßigkeit einer Aussperrung des innerstädtischen Kraftfahrzeugverkehrs letztlich auf die Ebene des Verfassungsrechts gehoben hat. IV. Bauplanungsrecht Zu den rechtlichen Instrumenten der Verkehrsberuhigung muß schließlich auch das Bauplanungsrecht gezählt werden. Die Bedeutung der Bauleitplanung für innerstädtische Verkehrsbeschränkungen wurde schon 1964 von einer Sach157

Relative Belange sind solche, die im Abwägungsvorgang mit gegenläufigen Interessen überwindbar sind, während absolute Belange nicht zugunsten anderer Belange relativiert werden können; so Krebs, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 299 (359 f.). Relative und absolute Gewichtung stehen dabei in einem Regel-AusnahmeVerhältnis: Soweit nicht die einfachgesetzliche Wertung manche Belange als strikt beachtlich vorgibt, ergeben sich „absolute" Belange allein aus den Grundrechten, während i.ü. von der prinzipiellen Gleichrangigkeit und der prinzipiellen Relativität der Belange auszugehen ist; siehe BVerwGE 61, 295 (302). 158 Nach Ronellenfitsch, DAR 1995, 274 (276 f.) streiten selbst für Automobilsportveranstaltungen grundrechtlich geschützte Interessen, die in der Abwägung nach § 29 Abs. 2 StVO berücksichtigt werden müssen. 159 Beispielhaft aber die Aufzählung der durch Verkehrsberuhigung betroffenen und abwägungsrelevanten Belange bei Frank, Verkehrsberuhigung und Verkehrsrecht, 1992, S. 39 f., der neben den Anliegern und Gewerbetreibenden auch die Belange von Autofahrern, die die betroffenen Straßen nur durchfahren wollen, gesondert berücksichtigt. 160 Insoweit einzigartig Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (10 ff., 12); vgl. allgemein zum grundrechtlichen Schutz der Mobilität dens., Mobilität: Vom Grundbedürfnis zum Grundrecht?, DAR 1992, 321 (322). Siehe aber auch schon Benda, DAR 1986, 367 (369 ff.); Mußgnug, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 81 (89).

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verständigenkommission, die sich mit den Möglichkeiten zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden befaßte, hervorgehoben 161 . Mittlerweile ist seit der Novellierung des Baurechts im Jahr 1976 1 6 2 mit § 11 Nr. 9 BauGB ausdrücklich die Möglichkeit vorgesehen, Fußgängerzonen als „Verkehrsflächen besonderer Zweckbestimmung" im Bebauungsplan festzusetzen. Da § 11 Nr. 9 BauGB den Gemeinden auch die nachträgliche Einrichtung von Fußgängerzonen, gegebenenfalls durch sog. isolierte Straßenplanung 163, erlaubt, hat die straßenrechtliche Teileinziehung - jedenfalls theoretisch 164 - erhebliche Konkurrenz bekommen. 1. Zum Verhältnis von planungsrechtlicher Ausweisung und straßenrechtlicher Verfiigung von Fußgängerbereichen Sobald die Rechtsordnung mehrere Instrumente bereitstellt, die für dasselbe Ziel fruchtbar gemacht werden können, steht der Rechtsanwender vor der nicht immer leicht zu beantwortenden Frage nach dem Verhältnis dieser Instrumente zueinander. Hier wird daher zu entscheiden sein, ob ein Fußgängerbereich allein durch Ausweisung im Bebauungsplan verfügt werden kann oder ob er zu seiner Wirksamkeit noch weiterer, insbesonderer straßenrechtlicher Statusakte bedarf. Trotz aller Ungewißheiten in diesem Zusammenhang darf mittlerweile als gesichert gelten, daß eine straßenrechtliche Beschränkung des Nutzungsstatuts einer Verkehrsfläche nicht notwendig einer vorhergehenden Änderung bzw. Aufstellung eines Bebauungsplanes bedarf. Ob eine Gemeinde einen Bebauungsplan aufzustellen hat, ergibt sich allein aus dem Planungsrecht, und zwar aus den Vorgaben des § 1 Abs. 3 BauGB. Danach sind planungsrechtliche Festsetzungen insbesondere dann erforderlich, wenn nur so die bodenrechtlichen Spannungen aus der Konfliktsituation zwischen dem Straßenverkehr und anderen Arten der Bodennutzung - hier in erster Linie der Wohnnutzung - aufgelöst werden kön-

161 Vgl. den Bericht der Sachverständigenkommission v. 25. 8. 1964, BT-Drucks. IV/2662; zur Bedeutung der Bauleitplanung für die Verkehrsberuhigung auch Fromm, DÖV 1982, 297 (298 ff.). 162 BGBl. I,S. 2221. 163 BVerwGE 38, 152 (155 ff.) = DVB1. 1972, 119 m. krit. Anm. Blümel\ vgl. auch Gaentzsch, in: Schlichter/Stich (Hrsg.), Berliner Kommentar zum BauGB, § 9 Rdnr. 31; Gierke , in: Brügelmann (Hrsg.), BauGB, § 9 Rdnr. 221; Lohr, in Battis/Krautzberger/ Lohr, BauGB, § 9 Rdnr. 41 m.w.N. 164

In der Praxis haben die Gemeinden allerdings nicht häufig von der Möglichkeit des § 9 Abs. 11 BauGB Gebrauch gemacht; vgl. Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, S. 40 m.w.N. 165 VGH Bad.-Württ., UPR 1993, 113 (116); Berr, DAR 1982, 137 (142); Brohm, Verkehrsberuhigung in Städten, S. 56 f.; Dürr, UPR 1992, 241 (241); Gaentzsch, in: Schlichter/Stich (Hrsg.), Berliner Kommentar zum BauGB, § 9 Rdnr. 32; Meins, BayVBl. 1983, 641 (643); Steiner, NVwZ 1984, 201 (202) m.w.N. Weitergehend Lenz,

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Bedarf die Einrichtung einer Fußgängerzone danach nicht automatisch einer vorgängigen Ausweisung des betroffenen Straßenraums im Bebauungsplan, so ist im umgekehrten Fall noch weitgehend ungeklärt, ob die bauplanungsrechtliche Ausweisung einer Straße als Fußgängerzone auch straßenrechtliche Verfügungen entbehrlich macht 1 6 6 . Hierauf läßt sich aber keine generelle, für alle Straßengesetze gleichermaßen gültige Antwort geben, denn es liegt in der Hand der Landesstraßengesetzgeber, darüber zu entscheiden, ob die planungsrechtliche Ausweisung als „Verkehrsfläche besonderer Zwecksetzung" die Widmungsbeschränkung oder Teileinziehung bei der Indienststellung für den Verkehr fingieren soll. Der niedersächsische Straßengesetzgeber hat eine solche Widmungsfiktion ausdrücklich für den Fall angeordnet, daß Straßenflächen zuvor durch Bebauungspläne festgesetzt worden sind, und hat damit alle Zweifelsfragen in begrüßenswerter Eindeutigkeit beantwortet 167 . Aber auch wenn die Straßengesetze eine Widmung nur für solche Straßen fingieren, die aufgrund eines „förmlichen Verfahrens" für den Verkehr angelegt oder auf bestimmte Benutzerkreise beschränkt worden sind 1 6 8 , wird die gesetzlich angeordnete Fiktion völlig zu Recht auf Festsetzungen im Bebauungsplan erstreckt 169 . Allein wenn die Straßengesetze ausdrücklich nur das Planfeststellungsverfahren nennen, kann auf straßenrechtliche Widmungsverfügungen schwerlich verzichtet werden 1 7 0 . Genausowenig können straßenverkehrsrechtliche Anordnungen fingiert werden 171 . 2. Materielle

Voraussetzungen

Soweit mit der bauplanungsrechtlichen Festsetzung straßenrechtliche Verfahren entbehrlich werden, lassen sich unter dem Blickwinkel der materiellen Voraussetzungen kaum Bedenken gegen diese Widmungsfiktion herleiten. Die Gemeinde unterliegt mit dem Abwägungsgebot in § 1 Abs. 6 BauGB nicht geringeren Anforderungen als im Teileinziehungsverfahren. Unabhängig davon, BauR 1980, 130 (131 ff.), der für die Einrichtung einer Fußgängerzone immer die Aufstellung eines Bebauungsplanes verlangt. 166 Dies bejaht z.B. Steiner, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 605 (615); dagegen Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, S. 40 m.w.N.; Lohr, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rdnr. 47. 167 Vgl. zu § 6 Abs. 5 NStrG Wendrich, NStrG, § 6 Anm. 2. 168 So etwa § 5 Abs. 6 StrGBW; § 6 Abs. 6 SaarlStrG; § 6 Abs. 4 SchlHlStrWG. 169 So für § 5 Abs. 6 StrGBW jüngst VGH Bad.-Württ., NVwZ-RR 1995, 185 (186) und schon UPR 1991, 113 (116); aus dem Schrifttum siehe Berr, DAR 1982, 137 (142); Brohm, Verkehrsberuhigung in Städten, S. 82 f.; Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 208 f.; Peine, Fußgängerstraßen, S. 27 f.; abw. Lenz, BauR 1980,130 (134 f.). 170 So Art. 8 Abs. 6 BayStrWG, § 6 Abs. 5 NStrG und § 6 Abs. 7 StrWG NW. 171 Lohr, in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 9 Rdnr. 47. Zu der Frage, ob die Straßenverkehrsbehörde verpflichtet ist, die verkehrsplanerischen Vorstellungen der Gemeinde umzusetzen, wenn diese nicht - wie z.B. in Bayern - selbst Straßenverkehrsbehörde ist Steiner, NVwZ 1984, 201 (202) sowie Weinl/Krabatsch, in: Kormann (Hrsg.), Kommunale Verkehrsplanung, S. 87 (94 ff.).

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Zweiter Teil: Die verwaltungsrechtlichen Instrumente

ob sie das innerstädtische Fahrverbot allein auf der Grundlage des Bebauungsplanes oder als Straßenbaubehörde allein mit der straßenrechtlichen Teileinziehung oder gestützt auf beide Rechtsgebiete ausspricht, ist die entscheidende materielle Zulässigkeitsvoraussetzung stets durch das Überwiegen öffentlicher Belange gekennzeichnet 172 . Welches Gewicht dabei den Interessen der Autofahrer an der Aufrechterhaltung der bisherigen Verkehrsfunktion einzuräumen ist, wird wiederum letztlich durch den grundrechtlichen Schutz der Verkehrsfreiheit, insbesondere der Auto-Mobilität, vorgezeichnet. Das baurechtliche Abwägungsgebot verweist damit genauso wie schon das Straßenrecht für die Teileinziehung auf die Grundrechte, wenn nach der Rechtstellung der Autofahrer anläßlich der Einrichtung von verkehrsfreien Straßenflächen gefragt wird. Das Bauplanungsrecht trifft damit genauso wenig selbständige Vorgaben wie das Straßenrecht. Über die Abwägungsgebote sind in beiden Materien vielmehr Einbruchstellen für die Grundrechte formuliert worden, was uns zu der Frage nach dem Grundrechtsschutz der Autofahrer führt. V. Ergebnis Der Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots für den allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr kann wegen seines generellen und unbedingten Geltungsanspruchs nicht auf das Immissionsschutzrecht gestützt werden. Auch das Straßenverkehrsrecht vermag wegen des Vorbehalts des Straßenrechts eine solche dauernde Neudefinition des Nutzungsstatuts der betroffenen Straßen nicht zu decken. Als tragfähige Rechtsgrundlagen kommen daher nur die straßenrechtlichen Vorschriften über die Teileinziehung in Frage, die über das Abwägungsgebot die Berücksichtigung der Individualinteressen der Autofahrer verlangen und so eine Einbruchsteile für den grundrechtlichen Gehalt der AutoMobilität formulieren. Daneben haben die Gemeinden die Möglichkeit, im Bebauungsplan autobeschränkte Verkehrsflächen festzusetzen. Im Rahmen dieser Gesamtplanung hat das Abwägungsgebot seinen originären Standort und verweist bei der Frage nach absoluten Schranken für solche Festsetzungen gleichfalls auf die grundrechtliche Würdigung der Auto-Mobilität. In beiden Varianten des Planungs- und Abwägungsprozesses, der im Zentrum der behördlichen Entscheidungsfindung steht, vermögen allein die Grundrechte die Rechtsposition der Autofahrer derart zu verdichten, daß ihre Belange im Einzelfall unüberwindbare Hindernisse für Verkehrsbeschränkungen aufstellen können. So ist die Frage nach dem grundrechtlichen Schutz des Autofahrens nicht zuletzt von der Systematik des deutschen Verwaltungsrechts geprägt.

172

Zum Inhalt des Abwägungsgebotes schon oben, S. 50 Fn. 155.

Dritter

Teil

Die Grundrechte der Autofahrer Die unmittelbare Geltung der Grundrechte 173 spricht heute genauso wie die Bindung der vollziehenden Gewalt an „Gesetz und Recht" 1 7 4 für das Selbstverständnis liberaler Rechtsstaatlichkeit. Auch wenn sich staatliches Handeln längst nicht mehr ausschließlich auf die Formen der Eingriffsverwaltung zurückführen läßt, sondern mit den Erscheinungsbildern des leistenden und des „präzeptoralen" 175 Staates neue Qualitäten moderner Staatstätigkeit und ihrer Steuerungsmittel beschrieben werden kann, so sind die Grundrechte aber nach wie vor der entscheidende Garant individueller Freiheit des einzelnen 176 . Mag die Frage nach einem selbständigen Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität auch inhaltlich eine Bewährungsprobe für die Auslegung und Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes bedeuten - vor der Tradition des grundrechtli173 Mit der in Art. 1 Abs. 3 GG ausgesprochenen Bindung der Gesetzgebung und der übrigen Staatsgewalten an die Grundrechte „als unmittelbar geltendes Recht" hat das Grundgesetz eine deutliche Abkehr vom Grundrechts Verständnis der Weimarer Reichsverfassung vollzogen, wo viele Grundrechte noch als bloße Programmsätze eingestuft wurden, deren Verletzung nicht gerichtlich geltend gemacht werden konnte. Zum Rechtszustand unter der WRV Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl. 1933, S. 505 ff. Ausführlich zur geschichtlichen Bedeutung des Art. 1 Abs. 3 GG Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 1191 ff. sowie ders., in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 109 Rdnrn. 36 ff. 174 Die strikte Rechtsgebundenheit der vollziehenden Gewalt kennzeichnet schon das rechtsstaatliche Prinzip des 19. Jahrhunderts und wurde mit den Formeln vom „Vorrang" und „Vorbehalt" des Gesetzes zu Grundkategorien, die auch die Weimarer Republik im wesentlichen unverändert übernahm. Erst unter der Geltung des Art. 20 Abs. 3 GG erfuhr insbesondere der „Vorbehalt" des Gesetzes eine Wandlung, die im wesentlichen auf den Einfluß des Demokratiegebotes und die Normierung der Leistungsverwaltung zurückzuführen ist, hierzu ausführlich Stern, StaatsR Bd. I, S. 801 ff. m.w.N. sowie Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. III, § 62 Rdnrn. 13 ff. 175 Mit dem Begriff der präzeptoralen Staatstätigkeit schuf die systemtheoretisch orientierte Soziologie das theoretische Gerüst für eine Neudefinition der staatlichen Steuerungsmöglichkeiten, angereichert um das Element des informierenden, warnenden und ermahnenden Staates; siehe hierzu Willke, Ironie des Staates, S. 144 ff. im Anschluß an Lindblom, Politics and Markets, 1977 (deutsch: Jenseits von Markt und Staat, 1980), in die juristische Diskussion eingeführt von Di Fabio , Grundrechte im präzeptoralen Staat am Beispiel hoheitlicher Informationstätigkeit, JZ 1993, 689 (690 f.) m.w.N. 176 Zur Wirkungsweise und Intensität des grundrechtlichen Schutzes angesichts präzeptoraler Staatstätigkeit Di Fabio , JZ 1993, 689 (693 ff.); vgl. auch P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd.ffl, § 59 Rdnrn. 177 ff. und ausführlich Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 29 ff., 42 ff.

Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

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chen Freiheitsschutzes rührt sie dagegen nur an die „klassische" Funktion der Grundrechte, die als „Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat" - wie es das BVerfG in ständiger Judikatur formuliert - dazu bestimmt sind, „die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern." 177

A. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG Unter dem Blickwinkel von Verkehrsbeschränkungen tritt die Eigentumsgarantie am häufigsten in Gestalt der Anliegerrechte auf. Der eigentumsrechtliche Schutz der Anlieger wirkt dabei in zwei gegensätzliche Richtungen. Nicht selten berufen sich die Anlieger auf ihr Grundeigentum, um sich gegen Verkehrsimmissionen zur Wehr zu setzen und Ansprüche auf Lärmschutzmaßnahmen geltend zu machen. Andererseits sichert die Eigentumsgarantie den Anliegern aber auch die Anbindung ihres Grundstücks an das öffentliche Straßennetz und stützt daher auch Anliegerklagen, mit denen nicht Schutz vor den Belastungen des Straßenverkehrs, sondern im Gegenteil Schutz gegen weitere Verkehrsberuhigung begehrt wird. In dieser letzten Variante, die hier allein interessiert, ist mit der Absicherung der Anlieger über Art. 14 GG schon ein gewichtiges Argument zum Schutz der Mobilität entdeckt. Diese spezielle Ausprägung der Eigentumsgarantie soll aber nicht den Blick dafür verstellen, daß Autofahren schon als Innehabung und Nutzung von privatem Sacheigentum die Grundrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG auf ganz klassische Art herausfordert. I. Autofahren als Nutzung verfassungsgeschützten Eigentums Ein erstes Vorbringen der Autofahrer gegen innerstädtische Verkehrsverbote kann darauf gestützt werden, daß mit dem Fahrverbot zugleich in die Nutzungsmöglichkeiten der Fahrzeuge eingegriffen wird. Entscheidend dafür, ob in der Folge jede Verkehrsbeschränkung auch als eigentumsrelevante Nutzungsbeschränkung verstanden werden muß, ist der sachliche Schutzumfang des Art. 14 Abs. 1 GG. Nur wenn das Autofahren eine von Art. 14 GG geschützte Nutzung des Eigentums am Kraftwagen bedeutet, wird dem Autofahren grundrechtlicher Schutz durch die Eigentumsgarantie zuteil. 7. Zum verfassungsrechtlich

geschützten Eigentum

Ausgangspunkt für die Bestimmung der Reichweite des Eigentumsschutzes bildete stets das bürgerliche Recht 1 7 8 . Unter den Eigentumsbegriff werden daher zunächst alle Vermögenswerten Rechte und Güter subsumiert, die das Privat177 178

Siehe nur BVerfGE 7, 198 (204); 50, 290 (336 f.); 68, 193 (205). Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 31.

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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recht dem einzelnen zuordnet 179 . Damit genießt das Eigentum der Autofahrer an ihren eigenen Fahrzeugen grundsätzlich den Schutz des Art. 14 Abs. 1 G G 1 8 0 . Schützt die Eigentumsgarantie nicht nur den Bestand des Vermögenswerten Rechts, sondern auch dessen Innehabung und Nutzung 1 8 1 , so wird man das Autofahren in einem weiteren Schritt unter Berufung auf die weitreichenden Eigentümerbefugnisse des § 903 Satz 1 B G B 1 8 2 als eine von Art. 14 GG geschützte Nutzung des eigenen Fahrzeugs anerkennen müssen mit der Folge, daß sich jede verkehrsbeschränkende Maßnahme als Eingriff in die Nutzungsbefugnis des Fahrzeuginhabers an der Eigentumsgarantie messen lassen muß 1 8 3 . Eine solche Orientierung des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes am einfachen Recht ist grundlegenden Bedenken ausgesetzt, die mit Leisner auf die treffende Formel gebracht werden können: „Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung" 184 . Längst hat sich der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz daher von den zivilrechtlichen Begriffsbestimmungen gelöst 185 . Die frühere Judikatur des BVerfG mag noch deutlichere Anleihen bei den einfachgesetzlichen Wertungen des Privatrechts gemacht haben 1 8 6 . Heute wird aber in Rechtsprechung und Schrifttum einhellig die Eigenständigkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs betont 1 8 7 . Mit der eingeschränkten Anerkennung öffentlich-rechtlicher Berechtigungen als eigentums179

So BVerfGE 70, 191 (199); NJW 1990, 1807; NJW 1992, 36 f.; vgl. i.ü. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 11; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnrn. 35, 37; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr, 31. 180 Da Art. 14 Abs. 1 GG aus dem Kreis der Vermögenswerten Rechte des Privatrechts im übrigen auch den berechtigten Besitz schützt, kann auch der Besitz an fremden Fahrzeugen zum Ausgangspunkt des grundrechtlichen Schutzes durch die Eigentumsgarantie gemacht werden; vgl. zum Besitzschutz nur Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 17; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 191. 181 Siehe nur BVerfGE 52, 1 (30); 61, 82 (108); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 13; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 13. 182 Vgl. zur Formel des § 903 BGB im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Lehre vom Eigentum Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 11; Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnr. 8; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 997 sowie Model/Müller, GG, Art. 14 Rdnr. 4. 183 So wohl Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323) Fn. 45; vgl. auch Steiner, DAR 1994, 341 (346). 184 So der Titel der gleichnamige Monographie von Leisner, 1964. 185 Grundlegend BVerfGE 58, 300 (334 ff.) - Naßauskiesung. 186 Siehe etwa die formelhaften Ausführungen des BVerfG, das Grundgesetz wolle „das Rechtsinstitut des Eigentums so schützen, wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben"; BVerfGE 1, 264 (278 f.); 11, 64 (79); 19, 354 (370). 187 Siehe etwa Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 11; Böhmer, AgrarR 1984, Beil. I, S. 2 ff.; ausführlich Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 72 ff. m.w.N.; Schoch, Jura 1989, 113 (114); dazu grundsätzlich Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen, 1976, S. 187 ff.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

fähige Positionen ist denn auch der deutlichste Abschied von den zivilrechtlichen Wertungen formuliert worden 1 8 8 . Das Gebot, den Begriff des Eigentums aus der Verfassung selbst zu gewinnen, diente aber nicht nur der Rechtfertigung von Ausdehnungen des Schutzumfangs des Art. 14 GG über die eigentumsfähigen Positionen des Privatrechts hinaus zu sonstigen Vermögenswerten Rechten, sondern hat insbesondere im Bereich der hier interessierenden Nutzungsbefugnisse dazu geführt, über Beschränkungen des grundgesetzlichen Eigentumsschutzes nachzudenken. Da sich grundrechtliche Freiheit vielfach vermittels Gegenständen vollzieht, wurde für den Bereich des persönlichen Eigentums an beweglichen Sachen die Frage laut, in welchem Rahmen die Eigentumsgarantie neben den Freiheitsgewährleistungen zur Geltung kommen soll 1 8 9 . Für den grundrechtlichen Schutz des Autofahrens läßt sich die Problematik auf die Frage zuspitzen, ob Autofahren als Eigentumsnutzung oder als Freiheitsausübung geschützt sein soll. 2. Der grundrechtliche Schutz des Autofahrens als ein Problem der Grundrechtskonkurrenz Die enge Verbindung der beiden Grundwerte Eigentum und Freiheit bildet den vielleicht aussagekräftigsten Grund für den Schutz des Eigentums: Das Privateigentum ist als »Ausdruck und Voraussetzung der personalen Freiheit" 1 9 0 geschützt 191 . Indem das Eigentum selbst umfangreiche Handlungsfreiheiten verleiht und andererseits die materielle Grundlage für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit in vielen Lebensbereichen bildet 1 9 2 , bedingen sich Eigentum und Freiheit gegenseitig 193 . Eine notwendige Folge dieses Verständnisses der Eigentumsgarantie als Freiheitsrecht ist die Konkurrenz der Eigentumsga188 Für diese Erweiterung der verfassungsrechtlich als Eigentum geschützten Rechte hat sich der Ausdruck „erweiterter Eigentumsbegriff' durchgesetzt, in dessen Mittelpunkt nicht mehr das privatrechtliche Eigentum, sondern das Vermögenswerte Recht steht; vgl. Ery de, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnrn. 11 f.; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 31 f. 189 Zum persönlichen Sacheigentum als Teil der menschlichen Freiheitsbetätigung Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 13; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 1007 ff.; insbes. Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 Rdnrn. 77 ff. 190 Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 20. Nachdrücklich hierzu v. Brünneck, Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes, 1984, S. 386 ff. 191 Ausführlich zum Zusammenhang von Eigentum und Freiheit Meyer-Abich, Der Schutzzweck der Eigentumsgarantie, 1980, S. 58 ff. m.w.N. sowie Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, 1985, S. 80 ff. Allgemein für eine Bestimmung des Gewährleistungsbereichs von der Funktion des Grundrechts her ders., AöR Bd. 104 (1979), 414 (439 ff.). 192 Anschaulich Bleckmann, Grundrechte, S. 903. 193 Die untrennbare Verbindung von Eigentum und Freiheit betont auch das BVerfG in st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 14, 288 (293); 21, 73 (86); insbes. 24, 367 (389, 396, 400); 30, 292 (334); 31, 229 (239); 37, 132 (140); 40, 65 (84); 41, 126 (150). Siehe aus der Literatur nur Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnrn. 1 ff. m.w.N.

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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rantie zu den besonderen Freiheitsgewährleistungen, wie sie auch für die grundrechtliche Beurteilung des Autofahrens zu Tage tritt. Soweit der grundrechtliche Schutz des Autofahrens bisher überhaupt Gegenstand der Rechtsprechung war, haben sowohl das BVerwG 1 9 4 als auch das BVerfG 1 9 5 fast selbstverständlich allein auf Art. 2 Abs. 1 GG abgestellt - und nicht auf Art. 14 GG. Daß Art. 2 Abs. 1 GG für das Autofahren aber „spezieller" als Art 14 GG sein soll, mußte doch einigermaßen überraschen - um so mehr, als die Gerichte in beiden Fällen eine Begründung für überflüssig hielten. So ist die dogmatische Absicherung für das Verhältnis der Eigentumsgarantie zu den Freiheitsgewährleistungen allenfalls dem wissenschaftlichen Schrifttum zu verdanken: Da Art. 14 GG nur dann einschlägig sei, „wenn die soziale Funktion die Handlung der Eigentums- und Vermögenssphäre zuordnet" 196 , sei die Lektüre einer Zeitung regelmäßig als Ausübung der Freiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG zu werten, und genauso werde das Autofahren nicht von Art. 14 GG, sondern von Art. 2 Abs. 1 GG geschützt 197 . Sicherlich verlöre manches Konkurrenzproblem seinen Zauber, könnte man die grundrechtlichen Schutzbereiche so gezielt voneinander abgrenzen, daß Grundrechtsüberschneidungen vermieden werden und letztlich immer nur ein Grundrecht zum Zuge kommt. Gleichwohl ist eine solche Einschränkung der grundrechtlichen Schutzwirkung der Eigentumsgarantie zumindest irreführend, da der Eindruck erweckt wird, Art. 14 Abs. 1 GG schütze Gebrauch und Innehabung von Vermögensgegenständen nur dann, wenn ein besonderer vermögensrechtlicher Bezug auszumachen sei. Sicherlich ist es richtig, den Schutzbereich der Eigentumsgarantie im Gesamtgefüge der Grundrechte aus seiner spezifischen Funktion, der Gewährleistung eines Freiheitsraums im vermögensrechtlichen Bereich, zu entwickeln 198 . Dennoch hat das BVerfG den grund194

Erstmals BVerwGE 27, 181 (185) bei der Beurteilung eines Parkverbots. Soweit später auch Art. 14 GG herangezogen wurde, so galt dies nur der Berücksichtigung des Anliegergebrauchs; vgl. BVerwGE 30, 235 (238); 32, 222 (225) sowie aus neuerer Zeit BVerwG, NJW 1988, 432 f. 195 BVerfGE 17, 306 (313). Siehe auch die Entscheidung BVerfGE 26, 259 (265) zum Sonntagsfahrverbot für Lkws, das allein an Art. 12 GG gemessen wird, während in einem letzten Satz Art. 14 GG nur als „offensichtlich nicht verletzt" Erwähnung findet. 196 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1008 sowie Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 13; im Ergebnis genauso Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 Rdnr. 79. Siehe auch den ähnlichen Ansatz von Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 14 Rdnr. 4, der für einen Rückgriff auf Art. 14 GG danach differenzieren will, ob die „geldwerten Aspekte dominieren." 197 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 13; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1009; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 Rdnr. 79; auch Rehbinder, ZUR 1994, 101 (105) schließt Einschränkungen der Gebrauchsmöglichkeiten von Kraftfahrzeugen aus dem Schutzbereich des Eigentums aus. 198 So BVerfGE 24, 367 (389); wiederholt in E 30, 292 (334); 31, 229 (239); 40, 65 (83); 42, 263 (293); 50, 290 (339); BVerfG, NJW 1988, 2594 (2596); hierzu Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 77 f.; ders., AöR Bd. 104 (1979), 414 (439 ff.); ihm folgend Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 5 ff.; Papier, in:

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

rechtlichen Schutz der Eigentumsgarantie stets als einen umfassenden Schutz der Vermögenssphäre charakterisiert 199 . Auch wenn manche Positionen, wie das Recht zu Eigentumserwerb und Veräußerung, einen besonders deutlichen Bezug zur Eigentums- und Vermögenssphäre aufweisen mögen und daher zweifellos aus Art. 14 Abs. 1 GG grundrechtlichen Schutz ableiten können 2 0 0 , läßt sich die Freiheit zu Nutzung und Gebrauch persönlichen Sacheigentums dennoch nicht von vornherein aus dem Schutzgehalt der Eigentumsgarantie ausgeklammern 201 . Daß die Eigentumsgarantie dann zugleich der Sicherung anderer grundrechtlicher Freiheiten dient, die sich in der Innehabung und Nutzung von Gegenständen ausdrücken, steht dieser Grundrechtsauslegung nicht entgegen 202 - der darin liegende „zusätzliche Freiheitseffekt" ist die Konsequenz aus der freiheitsorientierten Funktionsbestimmung der Eigentumsgarantie 203 . Wenn dennoch Nutzungsbeschränkungen - nicht nur bezogen auf das Autofahren - nur selten ausdrücklich an Art. 14 Abs. 1 GG gemessen werden 204 , so Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 4, der die freiheitssichernde Funktion des Art. 14 Abs. 1 GG auf vermögensrechtichem Gebiet insoweit als vergleichbar mit den Gewährleistungen aus Art. 12 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG ansieht. Krit. gegenüber einem solchen funktionellen Verständnis der Eigentumsgarantie wohl nur Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 39 ff., der einwendet, das Eigentum sei nicht zu einem bestimmten Zweck geschützt, sondern ganz allgemein zur Privatnützigkeit für den Inhaber. Folglich müsse jede „Beherrschungsform" des Eigentums auch verfassungsgeschütztes Eigentum sein. Krit. auch Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 653 (654 ff.). 199 St. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 24, 367 (389); 30, 292 (334); 50, 290 (339). 200 Vgl. BVerfGE 42, 229 (232); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 13. Dies gilt jedenfalls für das Recht zum Eigentumserwerb als Institutsgarantie, während für die Erwerbsfreiheit umstritten ist, ob sie an Art. 14 GG zu messen ist oder aber nur den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit genießen soll; vgl. Papier, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 14 Rdnrn. 209 ff. sowie Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, 1970, S. 37 ff., der nachdrücklich dafür plädiert, die Eigentumserwerbsfreiheit in Art. 14 Abs. 1 GG zu verankern. 201 Für den Schutz der Dispositions- und Gebrauchsfreiheit durch Art. 14 GG Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdnr. 59; Scholz, AöR Bd. 100 (1975), 80 (121 f.); für eine Idealkonkurrenz auch Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 370 ff.; speziell für das Autofahren Jachmann, NVwZ 1992, 932 (938); Steiner, DAR 1994, 341 (346); wohl auch Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323 Fn. 45). 202 Im deutschen Verfassungsrecht gibt es keinen Grundsatz, nach dem alle Freiheitsrechte jeweils auch nur von einem Grundrecht geschützt sind; siehe nur Bleckmann, Grundrechte, S. 90 m.w.N. Dagegen finden sich sowohl in der Rspr. des BVerfG als auch in der Literatur Anklänge an die Maxime „in dubio pro libertate", nach dem die Grundrechte im Zweifel so auszulegen sind, daß sie ihre volle Wirkungsmöglichkeit entfalten können; vgl. nur Ossenbühl, DÖV 1965, 649 (657 ff.) m.w.N. Für ein Nebeneinander von Art. 14 GG und anderen Grundrechten auch Badura, in: Benda/Maihofer/ Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 653 (664). 203 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 82 ff., 85; ders., AöR Bd. 104 (1979), 414 (441 f.). 204 Neben dem hier interessierenden Fall der Verkehrsbeschränkungen ist auch an die grundrechtliche Beurteilung des Verbots von Glockengeläut zu erinnern, wo die Ei-

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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läßt sich diese „Nebenrolle" des ArL 14 GG allein damit erklären, daß hoheitliche Eingriffe in die Nutzungsfreiheit persönlichen Sacheigentums in der Regel nur die Sozialpflichtigkeit des Eigentums aktualisieren, die der einzelne entschädigungslos zu dulden hat 2 0 5 . Damit entfaltet die Eigentumsgarantie neben den eigentlichen Freiheitsverbürgungen zumeist nur eine marginale Schutzwirkung, die im Ergebnis in vielen Fällen zu Recht vernachlässigt werden kann 2 0 6 . Freilich erlaubt die Bindung der Eigentumsnutzung an das Gemeinwohl nach Art 14 Abs. 2 Satz 2 GG keine grenzenlose Beschränkung des Eigentums, sondern findet ihre Schranke an der verfassungsmäßig verbürgten Privatnützigkeit des Eigentums. Wird es dem Grundrechtsberechtigten verwehrt, das geschützte Recht überhaupt zu privatem Nutzen zu verwenden, so verbietet sich jede Ausblendung der Eigentumsgarantie, denn hier erfaßt nur der grundrechtliche Gehalt des Art. 14 GG die über die Freiheitsverbürgungen hinausgehende Beeinträchtigung der institutionell gewährleisteten Verfügungs- und Nutzungsfreiheit und damit der Substanz des Eigentums 207 . Soweit das Autofahren nur als eine Form der Freiheitsausübung an Art. 2 Abs. 1 GG gemessen wird, so dürfte doch unbezweifelbar sein, daß spätestens dann auf Art. 14 Abs. 1 GG rekurriert würde, wenn das Enteignungsproblem auch nur in das juristische Gesichtsfeld käme 2 0 8 . Ein generell geltendes Fahrverbot würde nämlich die Frage aufwerfen, ob damit nicht die Privatnützigkeit des Fahrzeugs aufgehoben würde und eine an Art. 14 GG zu messende Enteignung vorläge. Die Schwelle zum eigentumsrechtlich relevanten Eingriff wäre in jedem Falle dann überschritten, wenn infolge einer auf Dauer angelegten Nutzungsbeschränkung die Privatnützigkeit gentumsgarantie neben Art. 4 Abs. 2 GG als ausschließlichem Prüfungsmaßstab keine Erwähnung findet; vgl. nur Martens, Kirchenglocken und Polizei, in: FS für G. Wacke, 1972, S. 343 (351 f.). Ähnlich auch die Rspr. des BVerfG, BVerfGE 30, 336, wo das Eigentum an den beanstandeten jugendgefährdenden Schriften gegenüber dem gesetzlichen Vertriebsverbot neben Art. 12 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 und Abs. 2 GG gleichfalls nicht erwähnt wurde. Weitere Entscheidungen, in denen das BVerfG die Gebrauchs- und Dispositionsbefugnis überhaupt nicht gegenüber Art. 14 GG in Ansatz bringt, finden sich bei Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdnr. 59. Umfassend dazu Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 374 m.w.N. 205 Badura, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 653 (667). So deutlich wird dies im übrigen nur für die Besteuerung der Erträge aus Eigentumsnutzung und -gebrauch formuliert; siehe Papier, DVB1. 1980, 787 (791); dens., in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 162 m.w.N.; Jachmann, NVwZ 1992, 932 (938). 206 Dies erkennt auch Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 374 f. in Einzelfällen an, obwohl er nachdrücklich für eine Idealkonkurrenz zwischen Art. 14 GG und den anderen Freiheitsverbürgungen plädiert. 207 Die grundsätzliche Verfügungsbefugnis ist mit der Privatnützigkeit vermögenswerter Rechte zu den Kernbestandteilen des verfassungsgeschützten Eigentums zu zählen; vgl. BVerfGE 31, 229 (240); 37, 132 (140); 42, 263 (294); 50, 290 (339); 83, 201 (208 f.); Gallwas, Grundrechte, 1985, S. 96 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 182 In dieser Richtung wohl auch Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 82 f., der von einer verfassungsfesten „Kern-Nutzung" des Eigentums spricht. 208 Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, 1977, S. 372 f.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

des betroffenen eigentumsfähigen Rechts dadurch aufgehoben wird, daß dem Eigentümer keine rechtlich zulässige Verwendungsart mehr verbleibt 209 . Man mag diese Unterscheidung für dogmatisch unbefriedigend halten, im Ergebnis handelt es sich aber um eine sachgerechte Lösung eines grundrechtlichen Konkurrenzproblems 210 , indem das grundrechtlich geschützte Verhalten letztlich dem Schutzbereich der Gewährleistung zugeordnet wird, die ihrer Schutzrichtung nach vorrangig betroffen i s t 2 1 1 und damit auch im konkreten Fall den effektivsten Grundrechtsschutz zu gewährleisten vermag 212 . 3. Die „autofreie Innenstadt " als Nutzungsbeschränkung Da in der Regel Verkehrsbeschränkungen keine gewichtigen eigentumsrelevanten Nutzungsbeschränkungen bedeuten, sondern ihren grundrechtlichen Maßstab vorrangig aus den spezielleren Freiheitsverbürgungen erhalten, wird der Eigentumsgarantie nur dann eigenständiges Gewicht beizumessen sein, wenn das Innenstadtfahrverbot für manche Autofahrer die grundsätzliche Nutzungsmöglichkeit ihrer Kraftwagen in Frage stellt. Wäre in Einzelfällen die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Kraftwagen nicht mehr gewährleistet, würde sich eine Verkehrsbeschränkung nicht mehr nur auf die Mobilität der Autofahrer auswirken, sondern zugleich den Substanzwert der Fahrzeuge berühren. 209

So für das Grundeigentum Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 99 m.w.N.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 368. 210 Zwar verlangt fast jede grundrechtlich relevante Fallgestaltung zu Gedanken über das Verhältnis der Grundrechte untereinander, dennoch sind Grundrechtskonkurrenzen nur vereinzelt in das Blickfeld der Grundrechtsdogmatik gelangt; vgl. aber Berg, Konkurrenzen schrankendivergenter Freiheitsrechte im Grundrechtsabschnitt des Grundgesetzes, 1968; Bleckmann/Wiethojf, DÖV 1991, 722 ff.; Fohmann, EuGRZ 1985, 49 ff.; Lepa, DVB1. 1972, 161 ff.; Schwabe, Grundrechtskonkurrenzen, JA 1979, 191 ff.; Würkner, DÖV 1992, 150 ff. 211 Der Sache nach handelt es sich hier um eine Grundrechtskonkurrenz, die schon auf der Ebene des Schutzbereichs durch restriktive Auslegung des Grundrechtstatbestands gelöst wird. In diese Richtung zielen starke Ansätze in Rspr. und Schrifttum; vgl. Lepa, DVB1. 1972, 161 (163 f.); Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 326 ff. So kann auch die Vorgehens weise des BVerfG bei der Abgrenzung von Eigentumsgarantie und Berufsfreiheit verstanden werden; vgl. BVerfGE 30, 292 (334); beispielhaft für diese pragmatische Auflösung von Grundrechtskonflikten auch BVerfGE 42, 133 (138) für das Verhältnis von Art. 9 Abs. 3 zu Art. 5 Abs. 1 GG. 212 Jeder Versuch, durch restriktive Auslegung der grundrechtlichen Schutzbereiche nur ein Grundrecht zur Geltung kommen zu lassen, gerät leicht in Konflikt mit dem vom BVerfG entwickelten Grundsatz, daß „derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die die juristische Wirkungskraft der betreffenden Norm am stärksten entfaltet", so BVerfGE 6, 55 (72). Dem Einwand der Grundrechtsverkürzung wird daher nur eine solche Tatbestandseinengung gerecht, die letztlich das Grundrecht zurücktreten läßt, das ohnehin im konkreten Fall nur geringeren Schutz zu bieten hätte. Jede andere Auslegung stünde in einem unüberwindlichen Gegensatz zur Grundidee der Grundrechte, zur Vermutung für die Freiheit; vgl. BVerfGE 7, 198 (212); 13, 97 (105) sowie Lepa, DVB1. 1972, 161 (163 f.).

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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Da von einem innerstädtischen Fahrverbot nur ein kleiner Teil des gesamten Straßennetzes betroffen i s t 2 1 3 , verbleiben noch ausreichende Nutzungsmöglichkeiten, so daß die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Kraftwagen und damit auch die Privatnützigkeit für ihre Inhaber insoweit nicht angetastet wird. Problematisch erscheint allein der theoretisch denkbare Fall, daß Innenstadtbewohner ihr Auto gerade und ausschließlich für den innerstädtischen Verkehr angeschafft haben und auch nur dort nutzen wollen. Hier ließe sich der besondere Bezug zur Vermögenssphäre der Autofahrer damit begründen, daß das Innenstadtfahrverbot mit der nachträglichen Nutzungsbeschränkung vermögensrelevante Investitionen, die im Vertrauen auf eine bestehende Rechtslage getätigt worden sind, entwertet 214 . Grundsätzlich wird man aber schon deshalb nicht von einer fehlgeschlagener Investition sprechen können, weil ein Auto nicht per se nur zur Nutzung in der Innenstadt verwendet werden kann und ein darauf gestütztes Vertrauen daher auch nicht schutzwürdig erscheint. Wer dennoch sein Fahrzeug ausschließlich in dem zukünftig vom Fahrverbot erfaßten Bereich nutzen will, dem bleibt aber die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über seinen Kraftwagen erhalten - er kann es noch verkaufen, was nicht notwendig einen wirtschaftlichen Verlust darstellen muß 2 1 5 . Auch wenn sich das Autofahren grundsätzlich als eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Nutzung des Eigentumsrechts am Fahrzeug darstellt, entfaltet die Eigentumsgarantie damit keinen weitreichenden Schutz gegenüber einem Innenstadtfahrverbot; die darin liegende Mobilitätseinbuße wird vielmehr vorwiegend anhand der speziellen Freiheitsgewährleistungen zu würdigen sein. Π. Zum eigentumsrechtlichen Schutz der gewerblichen Auto-Mobilität Die in der Rechtsprechung des BVerfG vorgefundene Tendenz, Nutzungsbeschränkungen von vornherein nicht an der Eigentumsgarantie zu messen, macht auch vor der gewerblichen Nutzung von Kraftwagen nicht halt. So endet der Beschluß des BVerfG zum Sonntagsfahrverbot für Lastkraftwagen 216 mit den Worten: „Grundrechte der Beschwerdeführer aus Art 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 14 GG 213

Zwar machte die Gesamtlänge deutscher Gemeindestraßen im Jahr 1992 insgesamt 410 000 km aus gegenüber nur 226 300 km für Straßen des überörtlichen Verkehrs (vgl. die Angaben des statistischen Bundesamtes, in: Bundesministerium für Verkehr [Hrsg.], Verkehr in Zahlen 1992, S. 104), doch sind zum einen von innerstädtischen Fahrverboten nicht automatisch alle Straßen einer Gemeinde erfaßt, und zweitens steht von vornherein außer Frage, daß nicht jedes gemeindliche Straßennetz für eine Innenstadtsperrung in Frage kommt. 214 Vgl. zum verfassungsrechtlichen Schutz von Rechtspositionen Privater als „Vertrauenseigentum" ausführlich Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 94 ff. 215 So Murswiek, Die Innenstadtzufahrtsabgabe, S. 101 f. 216 BVerfGE 26, 259 (265).

Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

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[...] sind offensichtlich nicht verletzt." 217 Mag die Entscheidung im Ergebnis auch zutreffend sein, so verdeckt sie nicht nur, daß mit dem Fahrverbot zugleich auch beträchtliche Eigentumswerte stillgelegt werden, sondern ignoriert darüber hinaus auch deren gewerbliche Nutzung. Dabei führt die Eigentumsgarantie bei gewerblicher Nutzung von Vermögenswerten durchaus kein Schattendasein: In Gestalt des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht sogar ein besonders enger Verbund von Berufsfreiheit und Eigentumsgarantie - deren eindeutige Abgrenzung jedoch selbst an Hand der Formeln der Rechtsprechung nur selten gelingen dürfte 2 1 8 . Soweit innerstädtische Fahrverbote grundsätzlich keine bedenkliche Nutzungseinbuße im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG bedeuten, ist die eigentumsrechtliche Beurteilung bei gewerblicher Nutzung von Kraftfahrzeugen also keineswegs vorgezeichnet. Längst ist auch der gewerbliche Kraftfahrzeugverkehr nicht mehr mit der Güterbeförderung durch Schwerlastfahrzeuge gleichzusetzen, der naturgemäß von innerstädtischen Verkehrsbeschränkungen vergleichsweise wenig betroffen ist. Gerade in den letzten Jahren haben sich eine Fülle von Gewerbezweigen herausgebildet, die mit der Lieferung zum Kunden für ihr Serviceangebot werben. Die florierende Idee des „Pizza-Service" hat der Dienstleistungsgesellschaft eine gewinnträchtige Marktlücke offenbart. Nach amerikanischem Vorbild zeigt sich der hohe Motorisierungsgrad unserer Gesellschaft heute nicht nur in der gestiegenen Individualmobilität, sondern auch in dem Maße, wie Transport und Lieferung von Konsumgütern zum Endverbraucher zur attraktivitätssteigernden und rentablen Dienstleistung erwachsen sind. Damit sind durch ein innerstädtisches Fahrverbot neben den Interessen von Taxi-Unternehmen 219 und reinen Transport- und Kurierdiensten auch alle Gewerbezweige betroffen, die wie beispielsweise Apotheken, Getränkehändler, Gefriergutvertreiber und auch Kaufhäuser die Lieferung zum Konsumenten in ihr Serviceangebot aufgenommen haben. Letztlich ist natürlich auch an Ärzte 2 2 0 bei der Anfahrt zu ihren Patienten sowie an Handwerksbetriebe zu denken, für die die Anfahrt zu ihren Auftraggebern Teil der gewerblichen Tätigkeit bildet. 217

Siehe auch die Entscheidung des BVerwG, NJW 1981, 184 zur Rechtmäßigkeit der Verkehrssperrungen in der Lübecker Altstadt, wo das Gericht gegen die Rüge eines von dem Fahrverbot betroffenen Mietwagenunternehmens ausführt, es handele sich um „eine reine Berufsausübungsregelung". 218 Krit. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 100; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnrn. 138 ff.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 377 ff. 219 Vielleicht deutet sich aber auch hier ein gesellschaftlicher Bedeutungswandel an; vgl. nur „Der Mensch wird Chauffeur. Taxifahren als Lebensform", F.A.Z. v. 5. 11. 1994. 220 Der eigentumsrechtliche Schutz des Gewerbebetriebs erfaßt auch freiberufliche Tätigkeiten; so BGHZ 81, 21 (33); BVerwGE 40, 157 (165); Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 80; Kreft, Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, 1980, Vor § 839 Rdnr. 64; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 136; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 98 m.w.N.

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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Die eigentumsrechtliche Beurteilung der Auswirkungen eines innerstädtischen Fahrverbots auf die Interessen dieser Gewerbetreibenden erfaßt dabei zwei unterschiedliche Ebenen: den Schutz der dem Betrieb zugrundeliegenden einzelnen Vermögensgüter und den Schutz des Betriebs als Sachgesamtheit. 1. Autofahren als gewerbliche Nutzung von Kraftfahrzeugen Ungeachtet der Frage, inwieweit der „eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb" einen besonderen eigentumsrechtlichen Schutz genießt, nehmen unzweifelhaft die Vermögenswerten wirtschaftlichen Grundlagen am Bestandsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG teil 2 2 1 . Ein innerstädtisches Fahrverbot berührt die Nutzungsfreiheit der gewerblichen Eigentümer an ihren Fahrzeugen. Daß die Eigentumsgarantie die Nutzungsfreiheit des Eigentümers nur gegenüber einer Aufhebung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit der Fahrzeuge schützt, und damit allein die Garantie der Privatnützigkeit des persönlichen Sacheigentums verfassungsrechtliche Grenzen aus Art. 14 GG zu formulieren vermag, wurde bereits deutlich 222 . Für die hier in Rede stehende gewerbliche Nutzung kann nichts anderes gelten, da ein Innenstadtfahrverbot die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit der Fahrzeuge nicht antastet. Auch verbleiben angesichts des beschränkten örtlichen Geltungsbereichs noch weitreichende Nutzungsmöglichkeiten. Eine im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG bedenkliche Einbuße an der eigentümerischen Dispositions- und Nutzungsfreiheit ist darin nicht zu sehen. 2. Beschränkungen der Auto-Mobilität als Eingriff in den Unternehmensbestand Mag die Diskussion um den eigentumsrechtlichen Schutz des Gewerbebetriebs früher sehr vehement geführt worden sein, so läßt sich heute nur noch schwer von einer richtigen Kontroverse sprechen 223 . Jedenfalls in der Rechtsprechung von BGH und BVerfG haben die Positionen an Kontur verloren und nähern sich in ihren dogmatischen Grundlagen aneinander a n 2 2 4 . Zwar äußert das BVerfG in mittlerweile ständiger Rechtsprechung Zweifel, „ob der Gewerbe221

Vgl. nur BVerfGE 58, 300 (353); zust. Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 20; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1001. 222 Siehe schon oben, S. 62 ff. 223 Extrempositionen seien genannt mit Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 Rdnr. 100 und Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 78 f., die einen besonderen eigentumsrechtlichen Unternehmensschutz für völlig entbehrlich halten. Nachdrücklich anderer Auffassung Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 108 ff. 224 So läßt sich insbesondere die Entscheidung des BGH, DÖV 1990, 1065 („Puffreisfall") interpretieren, die ausdrückliche Anleihen bei der Rspr. des BVerfG zur Abgrenzung des von Art. 14 GG erfaßten Betriebsschutzes gegenüber der Berufsfreiheit macht; vgl. auch schon BGHZ 92, 34 (46); 98, 341 (351). Ausführlich zur Konvergenz der Rspr. des BGH und des BVerfG Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 75 ff.; vgl. auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 136 Fn. 86. 5 Röthel

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

betrieb als solcher die konstituierenden Merkmale des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs aufweist" 2 2 5 , doch dürfte dieses Unbehagen nicht die Teilnahme der Unternehmensgesamtheit als tatsächliche Zusammenfassung von Sachwerten am eigentumsrechtlichen Bestandsschutz erfassen 226 . Die Bedenken betrafen vielmehr Einschränkungen der unternehmerischen Tätigkeit, die nicht den Bestand des Betriebes gefährdeten, sondern nur Umsatzeinbußen befürchten ließen 2 2 7 . Das Gericht wandte sich damit zu Recht gegen eine Ausweitung des Eigentumsschutzes auch auf sämtliche »Ausstrahlungen" des Gewerbebetriebs, die neben dem sachlichen Substrat den wirtschaftlichen Wert eines Unternehmens bestimmen 228 . Die Reichweite des zivilrechtlichen Betriebsschutzes über § 823 Abs. 1 B G B 2 2 9 zwingt sicherlich nicht zu einer gleichlautenden Interpretation der grundgesetzlichen Eigentumsgarantie. Dem steht sowohl die Eigenständigkeit des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs 230 als auch die Sonderstellung des zivilrechtlichen Betriebsschutzes als generalklauselartiges „Rahmenrecht" 231 entgegen. Auch im Hinblick darauf, daß das Grundgesetz zur Abwehr von Betriebsbeeinträchtigungen nicht nur die Eigentums225 So in Abkehr von BVerfGE 1, 264 (277); 13, 225 (229) erstmals BVerfGE 51, 193 (221 f.); 74, 129 (148); siehe wohl zuletzt BVerfG, NJW 1993, 1969 (1971). Von dem Beschluß in E 77, 84 (118) ist damit offensichtlich keine Trendwende ausgegangen, so aber Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 136 Fn. 86. 226 Vgl. nur den vielzitierten Beschl. BVerfGE 51, 193 (221 f.): „Eigentumsrechtlich ist das Unternehmen die tatsächliche - nicht aber die rechtliche - Zusammenfassung der zu seinem Vermögen gehörenden Sachen und Rechte". Als Sachgesamtheit sollte der Schutz der Unternehmens daher nicht aus der Eigentumsgarantie ausgeklammert werden. Allerdings ist zuzugeben, daß diese Ausführungen unterschiedlicher Deutung zugänglich sind; vgl. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 80. 227 BVerfG, NJW 1993, 1969 (1971). 228 So Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (165 ff.); Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnrn. 108 ff.; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 136 f.; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnrn. 96 ff. Siehe aber die Entscheidung des BGH, DÖV 1990, 1065, wo erstmals nicht mehr auf den wirtschaftlichen, sondern auf den „wirklichen Wert" abgestellt ist. Dies dürfte eine weitere Annäherung an die verfassungsgerichtliche Rspr. bedeuten. 229 Siehe aus der umfangreichen zivilrechtlichen Judikatur nur BGHZ 23, 157 (163); 45, 83 (87); 150 (154 f.); 55, 261 (263); BGH, NJW 1983, 1663; weitere Nachweise bei Schwager/Krohn, WM 1991, 33 (35 Fn. 18 ff.). 230 Siehe nur BVerfGE 85, 300 (335) - Naßauskiesung - sowie schon oben, S. 57 Fn. 187. 231 Das „Recht" am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist nur ein „Auffangtatbestand" für gesetzlich nicht erfaßte, aber als regelungsbedürftig empfundene Beeinträchtigungen der Wirtschaftstätigkeit; vgl. Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (157 ff.). Angesichts der Reichweite des Schutzbereichs erfährt der deliktische Unternehmensschutz über das Erfordernis des betriebsbezogenen Eingriffs (dazu BGHZ 29, 65 [75]; 55, 153 [161]; 76, 387 [395] - Fluglotsen) und der nachfolgenden Rechtswidrigkeitsprüfung entscheidende Korrektive. Zu Recht wird daher auch in der verfassungsrechtlichen Literatur die Unschärfe des zivilrechtlichen Schutzes des Gewerbebetriebs kritisiert; siehe Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (155 ff., 162); Meyer-Abich, Schutzzweck der Eigentumsgarantie, S. 82.

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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garantie, sondern auch Art 12 Abs. 1 GG zur Verfügung stellt, ist daran festzuhalten, daß die Eigentumsgarantie nur schon Erworbenes schützt 232 , während staatliche Einwirkungen auf Gewinnchancen und Verdienstmöglichkeiten die gewerbliche Tätigkeit als solche betreffen und damit an der Berufsfreiheit zu messen sind 2 3 3 . Die eigentumsrechtlich geschützte „Substanz" eines Gewerbebetriebs ist indessen nur berührt, wenn in die den Betrieb darstellende Sachgesamtheit eingegriffen wird, so daß der Inhaber daran gehindert ist, von dem Gewerbebetrieb als der von ihm aufgebauten Organisation sachlicher und persönlicher Mittel den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen 234 . Solche Auswirkungen eines Innenstadtfahrverbots sind aber nicht ersichtlich: Die von einem Fahrverbot betroffenen Kuriere, Transportunternehmen oder Lieferanten mögen zwar Gewinneinbußen hinnehmen müssen, weil der engere Innenstadtbereich künftig nicht mehr angefahren werden kann. Eigentumsrechtliche Relevanz kann diesem Verlust an Verdienstmöglichkeiten allerdings kaum beigemessen werden. Diese Schmälerung des Geschäftsumfangs mag manche Betriebe zwar zu Umdispositionen zwingen, z.B. indem der Aktionsradius weiter auf die Außenbezirke ausgedehnt wird. Damit ist die gewerbliche Existenz dieser Betriebe aber noch nicht in Frage gestellt. Für die wohl am härtesten betroffenen Taxiunternehmen kann nichts anderes gelten, da mit dem Innenstadtkernbereich nur ein Teil des gemeindlichen Straßennetzes von der direkten Zufahrt ausgeschlossen ist und damit - ungeachtet der Fernfahrten nach wie vor ein weites Tätigkeitsfeld besteht. Selbst für Taxiunternehmer bedeutet ein flächendeckend ausgesprochenes Fahrverbot daher noch keine bedenkliche Einbuße in der Substanz des Gewerbebetriebs, weil die bestimmungsgemäße Funktionsfähigkeit sowohl des Unternehmensbestandes als auch der einzelnen Fahrzeuge unangetastet bleibt 2 3 5 . 232 Gleichwohl vermag der formelhafte Trennung von „Erwerb" und „Erworbenem" nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die individuelle Erwerbsfreiheit nun einmal eng verwoben ist mit der Freiheit, durch Innehabung und Verwendung schon vorhandener Vermögensgüter erwerbswirtschaftlichen Zwecken nachzugehen: vgl. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 377 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnrn. 138 ff., 141. Eine Idealkonkurrenz der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG bleibt damit eine ebenso häufige wie bedeutsame Konstellation; so Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 100; Dörr, NJW 1988, 1049 (1049 f.); Ossenbühl, AöR Bd. 115 (1990), 1 (25 f.). 233 BVerfGE 51, 193 (222); 45, 142 (173); 77, 84 (118); NJW 1993, 1969 (1971); Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (165 f.); Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 84; Leisner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 149 Rdnr. 110; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 99. 234 BVerfG, NJW 1990, 3261 (3262) - KakaoVO; genauso BGH, DÖV 1990, 1065 sowie schon BGH, NJW 1967, 1857 - Importsaatgut; NJW 1975, 1880 (1881); NVwZ 1983, 118 (119); zust. Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (165); ders., in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 653 (692 f.); Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 89; Ossenbühl, AöR Bd. 115 (1990), 1 (28). 235 Davon zu trennen ist die Frage, ob für die Aufrechterhaltung des Taxiverkehrs unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Fußwegen überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls streiten, dazu unten, S. 142 ff.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

3. Schutz des Vertrauens auf Fortbestand des Kraftfahrzeugverkehrs in der Innenstadt Mit der deutlichen Beschränkung des eigentumsrechtlichen Unternehmensschutzes auf den Bestandsschutz ist zugleich vorgegeben, daß die Eigentumsgarantie gleichfalls keinen Schutz dagegen gewährt, daß sich die allgemeinen Verhältnisse und Gegebenheiten, innerhalb derer der Unternehmer seine Tätigkeit entfaltet, zu seinem Nachteil ändern 236 : So wenig wie die Umgebung zum Eigentum gehört, können daher Änderungen dieser Umgebung, wie die umfassende Einziehung von Straßen, das Eigentum beeinträchtigen 237 . Auch mit dem Vertrauen 238 der Transport- und Beförderungsunternehmen, weiterhin den vorhandenen Bestand an Straßen für ihre gewerblichen Zwecke nutzen zu können, läßt sich grundsätzlich keine Verletzung der Eigentumsgarantie begründen. Der Bay VGH hat eine Eigentumsverletzung sogar für einen Kutschenbetrieb abgelehnt, der sich vollständig darauf spezialisiert hatte, Touristen über einen bestimmten Weg zum Schloß Neuschwanstein zu fahren, und nun erfolglos versuchte, sich gegen die Einziehung der Straße zu wehren 239 . Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte das OVG Lüneburg und versagte der Klägerin, die ein Personenverkehrsunternehmen auf einer ostfriesischen Insel betrieb, eine erfolgreiche Berufung auf Art. 14 GG, um gegen die Einziehung sämtlicher Gemeindestraßen zur „autofreien Ferieninsel" vorzugehen 240 . Beide Gerichte lehnten es ab, den Betroffenen Rechtsschutz gegen die Einziehungen zu gewähren, obwohl der Kutschereibetrieb fortan genauso wie das Personenverkehrsunternehmen auf der ostfriesischen Insel mit der Straßeneinziehung ihr gesamtes Tätigkeitsfeld verlieren sollten. Wenn die Eigentumsgarantie aber schon in diesen Fällen keinen Schutz zu bieten vermag, so kann Art. 14 Abs. 1 GG erst recht nicht von solchen Gewerbebetrieben gegen Verkehrsbeschränkungen angeführt werden, für die mit der Teileinziehung nur ein Teil ihres Betätigungsfeldes betroffen ist. 236

Vgl. BVerfGE 45, 142 (173); 77, 84 (118); DVB1. 1985, 342 (346); BGHZ 78, 41 (44 ff.); BVerwGE 62, 224 (226); Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (165 ff., 169); ders., in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 653 (693); Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 20; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 41 f.; Ossenbühl, AöR Bd. 115 (1990), 1 (28); Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnrn. 99 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1001. 237

Ossenbühl, AöR Bd. 115 (1990), 1 (28). Ein Vertrauensschutz kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wenn die öffentliche Hand durch Zusicherungen oder entsprechende Aufträge Investitionen veranlaßt hat; BGHZ 25, 266 (269 f.); 45, 83 (87 f.) - Knäckebrot; 78, 41 (45) - Märchenfilm; BGH NJW 1968, 293 (294) mit Anm. R. Schmidt, NJW 1968, 791 - Blinkleuchten; dazu Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 43 und insbes. Badura, AöR Bd. 98 (1973), 153 (169 f.). 239 Bay VGH, GewArch. 1992, 59 ff. 240 OVG Lüneburg, UPR 1992,455 (456). 238

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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Etwas anderes mag allein für diejenigen Gewebebetriebe gelten, die sich als Anlieger zugleich auf ihr Grundeigentum stützen können, um Mobilitätsbeschränkungen abzuwehren, dazu nachstehend. ΙΠ. Auto-Mobilität als Ausübung des Anliegerrechts Mag sich die Fraktion der allgemeinen Straßenbenutzer und Autofahrer auch politisch lautstark zu Wort melden und gegen Verkehrsberuhigungsmaßnahmen ins Feld ziehen - gerichtlich haben sie noch keine besondere Aufmerksamkeit erlangt; Entscheidungen auf diesem Gebiet sind rar. Ganz anders ist die Situation für die Anlieger, insbesondere die gewerblichen Anlieger, die sich mit einer Fülle von Prozessen einen mittlerweile gesicherten Grundstatus erstritten haben. Ihr Interesse daran, mit eigenen Kraftfahrzeugen die Anliegergrundstücke zu erreichen und auch erreichbar zu sein, bildet eine entscheidende Hürde für innerstädtische Verkehrsbeschränkungen, denn das Recht zur Straßennutzung erstarkt für Eigentümer und Besitzer von Grundstücken, die an öffentlichen Straßen mit Erschließungsfunktion liegen, zum „Anliegergebrauch", der gleichfalls über die Eigentumsgarantie grundrechtlichen Schutz erfährt. Vor diesem Hintergrund formuliert die Eigentumsgarantie gewichtige Grenzen für den Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots. 1. Eigentumsrechtlicher

Schutz des Anliegerrechts

Der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegerrechts ist von der Rechtsprechung entwickelt worden 2 4 1 und gilt dank seiner verfassungsrechtlichen Absicherung ungeachtet einer ausdrücklichen Anerkennung in den Straßengesetzen 2 4 2 . Die Eigentumsgarantie vermittelt den Nutzungsinteressen der Anlieger am öffentlichen Straßenraum in zweifacher Hinsicht besonderen Schutz. Zunächst ist der Anlieger zu Straßennutzungen berechtigt, die inhaltlich über den Gemeingebrauch hinausgehen. Der Anliegergebrauch ist insoweit „gesteigerter" Gemeingebrauch. Dagegen läßt sich mit dem Anliegerrecht die Rechtstellung des Anliegers umschreiben, wenn er sich gegen Einziehungen zur Wehr setzen will, um sein Interesse an Erreichbarkeit und Zugänglichkeit seines Grundstücks geltend zu machen 243 . Diese letztgenannte Berechtigung, das Anliegerrecht, stellt damit einen beachtlichen Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit flächendeckender Teileinziehungen im Innenstadtbereich bereit. Bei der näheren inhaltlichen Bestimmung des Anliegerrechts rekurrieren die Verwaltungsgerichte in ständiger Rechtsprechung auf eine Formulierung des 241 Grundlegend BVerwGE 32, 222 (224 f.); 30, 235 (238 f.); 54, 1 (3 f.); BGHZ 30, 241 (243 ff.); 48, 58 (62 f.). 242 Dazu unten, S. 89 ff. 243 Diese Unterscheidung geht zurück auf Peine, Rechtsfragen der Einrichtung von Fußgängerstraßen, S. 172 ff.; nunmehr auch Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnrn. 111, 115; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 84 und Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (782 f.).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

BVerwG, nach der das Anliegerrecht so weit reicht, „wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert" 244 . Daß mit dieser Formel keine handhabbaren Kriterien gewonnen sind, zeigt ein Streifzug durch die umfangreiche Rechtsprechung, die mit wiederkehrender Begründung den Grundrechtsschutz einmal zuspricht und das andere Mal versagt 245 . Hatte das BVerwG im Jahr 1975 erstmals ausgeführt, daß zu den Erfordernissen einer angemessenen Grundstücksnutzung unter den heutigen Verhältnissen des Straßen- und Geschäftsverkehrs auch die Möglichkeit gehöre, ein Grundstück mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen 246 , so formulierte das Gericht in seinem jüngeren Urteil vom 8. 9. 1993: „Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit zu einem Grundstück, in dem der Eigentümer auch wohnt, bis »unmittelbar vor die eigene Tür 4 gehört [...] im städtischen Ballungsgebiet einer Fußgängerzone nicht zu dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs" 247 . Diese Ausführungen mögen Spiegelbild dafür sein, welche Bedeutung der Auto-Mobilität beigemessen wird - eine dogmatische Begründung liefern sie hingegen nicht. Obige Rechtsprechung hat schon deshalb Kritik auf sich gezogen, weil sowohl mit der Formel von der „angemessenen Grundstücksnutzung" als auch mit dem Verweis auf den „Kernbereich" des Anliegerrechts kaum vorhersehbare Entscheidungen getroffen werden können 2 4 8 . Die244 BVerwG, NJW 1975, 1528; DÖV 1975, 209; BVerwGE 54, 1 (3) = NJW 1977, 1789; DÖV 1983, 122; DÖV 1984, 426; NJW 1988, 432 (433); aus jüngerer Zeit OVG Berlin, NVwZ-RR 1994, 10 (11); vgl. auch BGH, WM 1989, 1154, der mit dem Anliegerrecht eine „genügende" Verbindung des Grundstücks zur Straße garantiert sieht. 245 Zusprechend etwa OVG Lüneburg, NJW 1979, 1422 (1423) - Ausnahmegenehmigung für einen Büromaschinenhandel für die Nutzung einer Fußgängerzone während der Geschäftszeiten; auch OVG Lüneburg, OVGE Münster/Lüneburg 37, 227 (230). Für einen zeitlich unbeschränkten Anlieger- und Lieferverkehr BVerwG, NJW 1975, 1528; für Ausnahmegenehmigungen für den Werk- und Zuliefererverkehr BVerwG, DÖV 1977, 603 (604); weitergehende Einschränkungen erlaubte das BVerwG, NJW 1980, 354 anläßlich eines saisonbegrenzt angeordneten Fahrverbots (Borkum); abl. auch BVerfG, NVwZ 1991, 358 im Anschluß an VGH Bad.-Württ., UPR 1991, 113 (114 f.) - Fußgängerzone in einem Kurgebiet (Titisee). 246 BVerwG, NJW 1975, 1528; DÖV 1983, 122 (123); NJW 1988, 432 (433); OVG Bremen, NZV 1991, 125 (126). Zustimmend Peine, Art. „Fußgängerzone", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hrsg.), HdUR Bd. I, Sp. 795 (798 f.); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Enteignung, Sozialbindung, S. 51; Trouet, BB 1981, 640 (642); so bereits Sendler, DÖV 1974, 216 (222); ders., DAR 1990, 404 (409) und schon Forsthoff, Verwaltungsrecht, Erster Band: Allgemeiner Teil, 10. Aufl. 1973, S. 406, der zum Anliegerrecht den „freien Zugang von und zur Straße zu Fuß und zu Wagen" zählt (Hervorhebung vom Verfasser); ihm folgend Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (782). 247 BVerwG, JZ 1994, 520 (521) = NJW 1994, 1080 mit zust. Anm. Peine, JZ 1994, 522 ff.; so auch schon Walprecht/Cosson, StrWG NW, § 14a Rdnr. 130. Siehe auch die ausführliche Besprechung dieses Urteils von Steiner, VerwArch. Bd. 86 (1995), 173 (174 ff.). 248 Daher krit. zur Anliegerrechtsprechung Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 142; Steiner, DVB1. 1992, 1362 (1367).

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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ser Unbestimmtheit des Anliegerrechts ist das BVerwG auch in seinen späteren Judikaten nicht wirksam entgegengetreten 249. a) Kernbereich und angemessene Grundstücksnutzung Bei der näheren Bestimmung der Schutzwirkung der Eigentumsgarantie für die Anliegerinteressen gibt die Rechtsprechung nur Grundkoordinaten vor. Sie betont zunächst, daß der Anliegergebrauch eigentumsrechtlich nur in seinem „ K e r n " 2 5 0 gewährleistet sei und umschreibt diesen Kern anschließend mit den Erfordernissen der „angemessenen" Grundstücksnutzung. Grundrechtliche Schutzwirkungen mit einem „Kernbereich" zu umschreiben, ist kein Novum der Anliegerrechtsprechung, sondern erinnert an andere Kernbereichsformeln 251 , die gleichfalls auf eine gefestigte höchstrichterliche Tradition zurückblicken können. Als Beispiel möge der „Kernbereich der Selbstverwaltung" aus Art. 28 GG dienen 252 . Auch dort wurde der Rechtsprechung die Festlegung des Kernbereichs und damit die Konturierung von Schutzwirkung und Schutzintensität der gemeindlichen Autonomie überantwortet. Überall aber, wo schutzfähige Positionen mit einem „Kernbereich" 253 , „Kerngehalt", „Ordnungskern" 254 oder „Wesensgehalt" 255 umschrieben wer249 Vgl. nur BVerwG, NJW 1988, 432 (433): „Welche Nutzungsmöglichkeiten [...] garantiert sind, richtet sich nach den durch die Rechtslage und die tatsächliche Grundstückssituation bestimmten Bedürfnissen." 250 Erstmals zum eigentumsrechtlichen „Kern" des Anliegergebrauchs BVerwGE 30, 235 (239); BVerwG, NJW 1975, 1528. I.ü. variieren die Formulierungen: so spricht BVerwG, DÖV 1975, 208 (209) von „Kerngewährleistung"; BVerwG, DÖV 1977, 603 (604) spricht von „Kerngehalt"; und überwiegend hat sich heute der „Kernbereich" durchgesetzt, so BVerwG, DÖV 1977, 604 (604 f.); NJW 1988, 432 (433); JZ 1994, 520 (521). Die Literatur hat diese Begriffsbestimmungen rezipiert; Maurer, in: Bartlsperger/ Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 115 (129 f.); Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 623 (672). 251 Steiner, DVB1. 1992, 1562 (1567). 252 Aus der umfangreichen Rspr. zum Schutzgehalt der Einrichtungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG BVerfGE 1, 167 (175); 9, 268 (289 f.); 17, 172 (182); 21, 117 (130); 22, 180 (205); 23, 353 (365); 26, 172 (180); 38, 258 (278); 50, 195 (201); 52, 95 (116 f.); 56, 298 (312); 59, 216 (226). 253 Für den „absolut geschützten Kernbereich" des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG BVerfGE 34, 238 (245) - Tonbandentscheidung; dazu Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 129 Rdnrn. 35 ff. 254 So für die aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten Einrichtungsgarantien BVerfGE 10, 59(66). 255 Die ältere Rspr. zu Art. 28 Abs. 2 GG zog das „Wesen" oder den „Wesensgehalt" der Selbstverwaltung heran, um den unantastbaren Schutzgehalt der Einrichtungsgarantie zu umschreiben; vgl. BVerfGE 1, 167 (175); 9, 268 (289 f.). Mit Art. 19 Abs. 2 GG hat der „Wesensgehalt" seine ausdrückliche Verankerung im Grundgesetz erfahren und ist Kernpunkt der Auseinandersetzungen um diese Vorschrift; dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 267 ff.; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Ait. 19 Abs. 2 GG,

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

den, bleibt das Problem, den geschützten „Kern" von der nicht geschützten „Schale" zu scheiden. An der Unmöglichkeit, das zu bestimmen, was das „Essentiale" oder der „Kern" sein soll, kranken die Kernbereichsformeln genauso wie die Wesensgehaltslehre 256. Für die Einrichtungsgarantien, die das vornehmliche Spielfeld solcher oder ähnlicher Kernbereichsformeln sind, liegt hierin die zentrale Schwierigkeit. Auch wenn mittlerweile davon Abschied genommen wurde, solche Kernbereiche nach der Subtraktionsmethode 257 zu bestimmen oder durch historische Auslegung 258 zu gewinnen, fehlt es an positiven qualitativen Kriterien, die den Erfordernissen einer an Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit orientierten Rechtsprechung standhalten. In diesem Dilemma wird in neuerer Zeit verstärkt auf das Übermaßverbot hingewiesen, um die Kernbereichsformeln näher zu konturieren 259 . Vor allem in der Auseinandersetzung um die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG finden sich eine Vielzahl von Entscheidungen 260 , die ihre Prüfung an den Kriterien des Über-

1983, S. 234 ff., 257 ff., 286 ff.; Lerche, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 122 Rdnm. 27 ff.; Schneider, Der Schutz des Wesensgehalts von Grundrechten nach Art. 19 Abs. 2 GG, 1983. 256 „Das Wesen des Wesens ist unbekannt", so pointiert formuliert Luhmann, Grundrechte als Institution, 1965, S. 59 f. Dazu Bliimel in: FS für G. von Unruh, S. 265 (277 f., 283 ff.); v. Mutius/Schoch, DVB1. 1981,1077 (1079); Schink, DVB1. 1983, 1165 (1171 f.); ders., VerwArch Bd. 83 (1992), 385 (397); umfassend Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 868 ff. m.w.N. 257

Nach der sog. Resttheorie soll der „Kernbereich" oder das „Wesen" einer Einrichtung dadurch umgrenzt werden, indem man fragt, ob das, was nach einem Eingriff noch übrig bleibt, vom ursprünglichen Ausgangszustand wesentlich abweicht oder nicht. Zu Recht wird dagegen eingewendet, eine solche Bestimmungsmethode eröffne einer „Salamitaktik" Tür und Tor und schütze nicht gegen die inhaltliche Aushöhlung der geschützten Position; so Knemeyer, in: FS G. C. von Unruh, S. 209 (212 f.); SchmidtJortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, 1979, S. 38 if.; Stern, StaatsR Bd. ID/1, S. 869. 258 Der „historischen Auslegungsmethode" bedient sich vor allem das BVerfG. Sie spiegelt sich in der Standardformulierung zu Art. 28 Abs. 2 GG wider, wonach bei der Bestimmung des institutionell gewährleisteten Kernbereichs „der geschichtlichen Entwicklung und den verschiedenen historischen Erscheinungsformen der Selbstverwaltung Rechnung zu tragen" ist, so BVerfGE 7, 358 (364); 11, 266 (274); 22, 180 (205); 26, 228 (238); 38, 258 (278 f.); 50, 195 (201); 59, 216 (226). 259 So die sog. relative Theorie zur Bestimmung des Wesensgehalts i. S. des Art. 19 Abs. 2 GG, wonach sich der Schutz des Wesensgehalts auf den Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen reduziert; vgl. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 58 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 140 f.; Krebs, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 19 Rdnr. 24. Dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 267 ff.; Lerche, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 122 Rdnrn. 26 ff.; insbes. für Art. 28 Abs. 2 GG Bethge, in: FS für G. C. von Unruh, S. 149 (165) sowie die Nachweise auf S. 73 Fn. 261. 260

OVG Rh.-Pf., DVB1. 1986, 249 (252 f.); DÖV 1988, 310 (311); VerfGH NW, DVB1. 1979, 668 (669); DÖV 1983, 776 f.; NWVB1. 1990, 51 (52, 54); BayVerfGH,

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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maßverbotes und insbesondere am Prinzip der Angemessenheit staatlicher Eingriffe orientieren, und die in der Literatur nachdrücklich Zustimmung erfahren haben 261 . Insoweit ist es zu begrüßen, wenn das BVerwG, das den eigentumsrechtlichen Schutz des Anliegerrechts „entdeckte", mit den Erfordernissen der „angemessenen" Grundstücksnutzung für die Bestimmung der Anliegerkerngewährleistung letztlich auf das Übermaßverbot zurückgreift. Auch der Begriff der „Angemessenheit" kann als deutliche Anleihe bei der Rechtsprechung zu den Einrichtungsgarantien gewertet werden. So hat das BVerfG schon die Einrichtungsgarantie des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG zu einer Gewährleistung des „angemessenen Lebensunterhalts" einschließlich einer „angemessenen Amtsbezeichung" konkretisiert 262 . Dogmatisch bleibt ein solches Vorgehen freilich fragwürdig, denn der Sache nach fungiert das Übermaßverbot hier zur Bestimmung des Schutzbereichs und nicht auf der nachgeordneten Ebene als allgemeine Begrenzung für die gesetzgeberische Gestaltungsbefugnis. Diese besondere Rolle des Übermaßverbots ist ein im einzelnen noch nicht überwundenes Problem im Umgang mit Kernbereichsformeln 263 und mag sich nur mit der besonderen Schutzwirkung von Einrichtungsgarantien erklären. Für den „Kernbereich" des Anliegerrechts hat das BVerwG aber diese - im übrigen für Art. 14 GG ja nicht ungewöhnliche - Gemengelage oder Wechselwirkung zwischen Schutzgehalt und Schrankenziehung ausdrücklich vorgegeben 264 , indem es zum einen betont, daß das Anliegerrecht überhaupt nur in seinem Kern den grundrechtlichen Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG beanspruchen könne 2 6 5 und andererseits diesen eigentumsfähigen „Kern" auf einen Schutz vor unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen der Grundstücksnutzung reduziert 266 . DVB1. 1989, 308 (309 f.); BVerwG, NVwZ-RR 1989, 378 (379); VGH Bad.-Württ., DÖV 1988, 649 (650 f.); NVwZ 1989, 978 (980). 261

Vgl. BlümeU in: FS für G. C. von Unruh, S. 265 (283 ff.); Kinkel NVwZ 1985, 225 (229 f.); Knemeyer, NJW 1980, 1140 (1147); v. Mutius/Schoch, DVB1. 1981, 1077 (1080); Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 49. Zu OVG Lüneburg, DÖV 1980,417 siehe die Anm. von Richter, DÖV 1980,419 (420 f.). Zur RastedeEntscheidung des BVerfG Clemens, NVwZ 1990, 834 ff.; Schink, VerwArch Bd. 81 (1990), 385 (399 ff.). Weitere Nachweise bei Schock, VerwArch Bd. 81 (1990), 18 (31 Fn. 92). 262

BVerfGE 8, 1 (17); 38, 1 (12); 67, 1 (12).

263

Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 247.

264

In diese Richtung geht auch der Hinweis von Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 139, wenn er die Rspr. des BVerwG als Bestimmung der „gleichsam immanenten Schranken" des Anliegergebrauchs zusammenfaßt. 265

Außerhalb dieses Kernbereichs findet damit überhaupt kein eigentumsrechtlicher Schutz statt; so besonders deutlich BVerwG, NJW 1988, 432 (433): „Unter diesen Umständen scheidet ein Eingriff in die Kerngewährleistung des Rechts auf Anliegergebrauch von vornherein aus, unabhängig davon, welche Erschwernis im einzelnen das Verbot, eigene Kraftfahrzeuge zu benutzen, für den Kl. mit sich bringen mag". 266

Rehbinder, ZUR 1994,101 (107); Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 623 (673).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

b) Grundlinien für die Bestimmung der „angemessenen" Grundstücksnutzung Der eigentumsrechtlich geschützte Kern der Anliegernutzung ist danach zu bestimmen, was für den Eigentümer nach den Grundsätzen des Übermaßverbots und insbesondere der Angemessenheit eine von ihm hinzunehmende Einbuße an Anlieger-Mobilität bedeutet. Das Anliegerrecht ist dabei unmittelbar an die Grundstücksnutzung gebunden. Daher sind dem Anlieger nur solche Einbußen zuzumuten, die die bestimmungsgemäße Nutzbarkeit des Grundstücks nicht in Frage stellen. Zu Recht macht das BVerwG bei der näheren Bestimmung des Umfangs des Anliegerrechts die Grundstücksnutzung zum entscheidenden Argument auf der Seite der Anlieger, ist doch das Anliegerrecht Ausfluß des Grundeigentums. Die Privilegierung, die das Straßennutzungsinteresse der Anlieger gegenüber den allgemeinen Gemeingebrauchsberechtigten erfährt, ist nur damit zu rechtfertigen, daß der Anlieger in gesteigerter Weise, nämlich zur Nutzung seines Grundeigentums, auf die Anbindung an das öffentliche Straßennetz angewiesen i s t 2 6 7 . Das Anliegerrecht garantiert somit in erster Linie nicht die Mobilität des Anliegers, sondern die Freiheit des Grundeigentümers 268 . Diese Überlegungen kommen bei der näheren Bestimmung des Kreises der Berechtigten und des Umfangs der Berechtigung zum Tragen. c) Der Kreis der Berechtigten Aus der Bindung des Anliegerrechts an das Grundeigentum folgt zunächst, daß nur derjenige überhaupt Anliegerpositionen geltend machen kann, der grundrechtlich die Nutzungsfreiheiten des Grundeigentums für sich in Anspruch nehmen kann. Dies gilt allein für Eigentümer und Besitzer anliegender Grundstücke bzw. anliegenden Wohnraums 269 . Damit scheiden die Personenkreise, die nur ein Interesse daran haben, den Anlieger aufzusuchen - als Arbeitnehmer, Lieferanten, Handwerker, Taxifahrer, Kunden oder nur, um den Anlie267

BVerwGE 32, 222 (225); 54, 1 (2); DÖV 1977, 603 (604); OVG Lüneburg, UPR 1984, 63; OVG Münster, NWVB1. 1991, 269. Kritisch zu dieser Argumentation Maurer, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 115 (121ff.), der den entscheidenden Anknüpfungspunkt nicht in dem Bedürfnis der Anlieger nach Straßennutzung sieht, sondern die Anliegerrechte aus der Erschließungsfunktion der Straße begründet und als Korrelat für die damit verbundenen Lasten (Erschließungsbeiträge, Wegereinigungspflicht und Duldungspflichten) begreift. 268 Maurer, DÖV 1975, 217 (225); Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rdnr. 270. 269 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 548; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 98 f.; Zimniok, BayStrWG, Art. 17 Anm. le; so auch § 17 Abs. 1 StrG BW; § 14a Abs. 1 StrWG NW; § 39 Abs. 1 RhPfStrG; § 17 Abs. 1 SaarlStrG; zu eng § 4 Abs. 1 BremLStrG, der insoweit verfassungskonform auszulegen ist. Wer auf einem Grundstück nur beschäftigt ist oder dort etwa eine Rechtsanwaltskanzlei hat, nicht aber dort wohnt, ist auch kein Anwohner i. S. des § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 StVO, so BVerwG, NZV 1995, 122 (123) = DAR 1995, 213; BVerwGE 91, 168 (172) = NJW 1993, 1728; so auch Berr/Hauser, Das Recht des ruhenden Verkehrs, Rdnr. 471.

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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ger zu besuchen - von vornherein aus: Ihr Interesse an der unbeschränkten Zugänglichkeit der anliegenden Grundstücke und der darauf eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebe ist mangels eigener Anliegerposition insoweit nur ein Rechtsreflex 270 , der die Angewiesenheit des Grundeigentümers auf infrastrukturelle Anbindung wiederspiegelt. Soweit aber der Anlieger selbst darlegen kann, er sei auf die Zugänglichkeit seines Grundstücks durch Lieferanten angewiesen, können sich diese insoweit auf das Anliegerrecht des Eigentümers „berufen". Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch in diesen Fällen das Anliegerrecht beim Grundeigentümer verbleibt und nur diesen unmittelbar berechtigt 271 . d) Der eigentumsrechtlich geschützte Umfang der Anliegerrechts Die als selbständiges Anliegerrecht geschützte Anlieger-Mobilität unterliegt auch in ihrem Umfang den spezifischen Grenzen des eigentumsrechtlichen Schutzes des Grundeigentums. Die Verdienste, die sich Rechtsprechung und Schrifttum mit der Ausgrenzung nicht geschützter Lagevorteile beim eigentumsrechtlichen Schutz des Grundeigentums erworben haben 272 , sind daher bei der Bestimmung der Reichweite des Anliegerschutzes in gleicher Weise zur Geltung zu bringen. Auch bei dem Anliegerrecht ist deutlich zu differenzieren zwischen ungeschützten Lagevorteilen, auf deren Fortbestand der Grundeigentümer keinen Anspruch geltend machen kann, und Beeinträchtigungen, die die Nutzbarkeit des Eigentums in Frage stellen 273 . Damit ist der Grundeigentümer genauso wie der Betriebsinhaber dem Wandel des Nutzungsstatuts innerstädtischer Straßen ausgesetzt: Der Anlieger ist „mit dem Schicksal der Straße" verbunden 274 . Er muß den Gemeingebrauch Dritter genauso hinnehmen wie Einschränkungen, die aus einer Neudefinition des Straßenzwecks folgen. Mobilitätsinteressen, die sich nicht als unerläßlich für die Grundstücksnutzung erweisen, sind keine spezifischen Anliegerinteressen und rechtfertigen daher auch

270 Sendler, DAR 1990, 404 (409); vgl. auch VGH Bad.-Württ., UPR 1991, 113 (115); UPR 1995, 76 (77). 271 Mißverständlich daher BVerwG, NJW 1975, 1528 (1529), wenn dort von vornherein unter den eigentumsrechtlich geschützten Anliegerverkehr neben dem Fahrverkehr der Anlieger selbst auch der Fahrverkehr derer, die zu den Anliegern „Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen" gefaßt werden. 272 Vgl. zu dieser Rspr. den Überblick von Breuer, Die Bodennutzung im Konflikt zwischen Städtebau und Eigentumsgarantie, 1976, S. 319 ff. und 355 ff. 273 OVG Lüneburg, UPR 1984,63 (64); OVG Münster, NWVB1. 1991, 269; BVerfG, NVwZ 1991, 358; OVG Bremen, AgrarR 1993, 367 (368); OVG Berlin, NVwZ-RR 1994, 10 (11 f.); Krämer NVwZ 1983, 336 (337); Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 140; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 100; Randelzhofer, DAR 1987, 237 (251); Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 85 ff. 274 BGHZ 57, 359 (361); BVerwGE 54, 1 (4); BVerwG, DÖV 1983, 122 (123); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 50 f.; Papier, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 103.

Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

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keine Privilegierung der Anlieger gegenüber den „schlichten" Gemeingebrauchsberechtigten 2 7 5 . Für die Frage, welche Anliegerbelange zur angemessenen Grundstücksnutzung zu zählen sind, ist also entscheidend, auf welches Maß von AnliegerMobilität die Grundstücksberechtigten angewiesen sind. Nur solche Beeinträchtigungen können abgewehrt werden, die eine unzumutbare Einbuße ihrer Grundstücksnutzung bedeuten, und die sich nicht mit den Allgemeinwohlinteressen von Verkehrsberuhigungskonzepten rechtfertigen lassen. Damit ist der Weg von der „angemessenen" zur „unerläßlichen" Grundstücksnutzung vorgezeichnet. Nach den Worten des BVerwG erstreckt sich der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegers daher „nur auf den notwendigen Zugang des Grundstücks zur Straße und seine Zugänglichkeit von i h r " 2 7 6 . Dieser Gedanke spiegelt sich schon in § 17 Abs. 2 Satz 1 StrG BW wider, wo der Anliegerschutz auf den „für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung notwendigen Zugang" 2 7 7 beschränkt wird. Ähnlich lassen sich auch eine Reihe von Entscheidungen deuten, die ausschließlich mit dem Angewiesensein des Grundstückseigentümers auf Straßenanbindung argumentieren 278 oder „unabweisbare anliegerrechtliche Belange" fordern 279 . Damit werden die Anliegerrechte letztlich zurückgeführt auf das für die Grundstücksnutzung unerläßliche Maß. Gegenüber der Vielzahl von Allgemeininteressen, die für eine Reduzierung und Eindämmung des innerstädtischen Verkehrs geltend gemacht werden können, bedeutet verhältnismäßige und damit „angemessene" Grundstücksnutzung nicht mehr als unerläßliche Anliegeranbindung. aa) Das Anliegerrecht der privaten Anlieger Zweifellos zählen zur eigentumsrechtlich geschützten Grundstücksnutzung die Zugänglichkeit und Erreichbarkeit des Grundstücks über den öffentlichen Straßenraum 280 . Das Grundeigentum liefe faktisch leer, wenn der Anlieger weder das Grundstück verlassen noch zu ihm hingelangen könnte. Eine Abschneidung vom öffentlichen Straßennetz ist mehr als eine Unbequemlichkeit und auch mehr als ein bloßer Lagevorteil. Es bedeutet für die Betroffenen eine faktische Ausgangs- und Zugangssperre, die die Nutzungsfreiheit des Grundeigen275

BVerwG, DÖV 1983, 122 (123). BVerwG, JZ 1994, 520 (521). 27 7 Hervorhebung von Verfasser. 276

278 Vgl. BVerwG, DÖV 1975, 209 - „erforderlich"; BVerwG, NJW 1979, 1422 (1423) - „dringend angewiesen"; BVerwG, DÖV 1983, 122 (123) = NJW 1983, 770 (771); BVerwG, DÖV 1983, 122 - „erfordert". 279 OVG Lüneburg, OVGE 37, 227 (230). 280 BVerwG, JZ 1994,520 (521); DÖV 1983, 122 (123); NJW 1975, 1528; Nüßgens/ Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 50; Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 111; Papperman/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 84 f.; Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (782).

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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tümers zum inhaltsleeren Recht abstufen würde. Die Zugänglichkeit und Erreichbarkeit des Grundstücks über das öffentliche Wegenetz gehört daher zu den „Ausstrahlungen", die über das Grundeigentum mitgeschützt sein müssen und sich gegenüber den Gemeinwohlinteressen an einer „autofreien Innenstadt" immer durchsetzen werden. (1) Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen Freilich ist mit dieser Grundposition noch nicht viel gewonnen, denn auch nach der Einrichtung einer flächendeckenden innerstädtischen Fußgängerzone bleibt die Anbindung der Anliegergrundstücke an das öffentliche Wegenetz erhalten. Allein die Erreichbarkeit der Grundstücke mit Kraftfahrzeugen ist künftig in Frage gestellt. Obwohl das BVerwG mittlerweile stärkere Zurückhaltung gegenüber den Anliegerpositionen äußert, erkennt es nach wie vor in bestimmten Fällen ein unabweisbares Bedürfnis der Anlieger daran an, ihr Grundstück mit einem Kraftfahrzeug zu erreichen. So hat das BVerwG in seinem Urteil aus dem Jahr 1994 an das Bedürfnis der privaten Anlieger erinnert, schwere Gegenstände wie beispielsweise einen Kühlschrank unmittelbar bis vor die Haustür transportieren zu können 2 8 1 . Dieser Grundgedanke führt ähnliche Situationen vor Augen, in denen die Anlieger unabweisbar darauf angewiesen sind, mit dem Auto ungehindert bis zu ihrem Grundstück zu gelangen. Schließlich sind sonst schon Ein- und Umzug kaum denkbar. Die grundsätzliche Möglichkeit, ein in Fußgängerzonen gelegenes Grundstück mit einem Kraftfahrzeug zu beliefern, wird man daher zur Kerngewährleistung des Anliegerrechts zählen müssen, da der Grundeigentümer insoweit auf die Zugänglichkeit seines Grundstücks mit einem Kraftfahrzeug angewiesen ist. Dies bedeutet aber weder, daß der private Pkw-Verkehr zu jedem Zweck aufrechterhalten bleiben muß, noch daß diese Zugangsmöglichkeit zu jeder Zeit zu bestehen hat. Die allgemeine und unbeschränkte Zugänglichkeit eines Grundstücks mit dem Privatwagen ist nicht unerläßlich für die Nutzung des Grundstücks - das deutet schon der Umkehrschluß an, denn nicht jeder Mieter oder Grundeigentümer besitzt auch ein eigenes Auto. Das Grundeigentum erfordert damit nicht die Zulassung eines allgemeinen Anliegerverkehrs zu jedem Zweck, zum Beispiel die Möglichkeit, mit dem eigenen Fahrzeug Lebensmittel einzukaufen und die Einkäufe „bis vor die eigene Haustür" zu bringen 2 8 2 - dies mag für die Betroffenen eine Einbuße an Bequemlichkeit oder einen Freiheitsverlust bedeuten, die Nutzungsgarantie des Grundeigentums ist damit aber grundsätzlich nicht berührt 283 .

281

Vgl. BVerwG, JZ 1994, 520 (522). So aber noch BVerwG, UPR 1991, 113 (115), das die Zugänglichkeit für Lieferungen von „Gegenständen des täglichen Bedarfs" forderte. 283 BVerwG, JZ 1994, 520 (521) mit zust. Anm. Peine, JZ 1994, 522 (523 f.). 282

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

(2) Zumutbarkeit der Fußwege Garantiert das Anliegerrecht nicht optimale Erreichbarkeit des Grundstücks über den öffentlichen Straßenraum, so bedeutet Erreichbarkeit vor dem Spiegel grundrechtlichen Freiheitsschutzes aber umgekehrt stets zumutbare Erreichbark e i t 2 8 4 . Die Anlieger können daher nur solange im Interesse innerstädtischer Verkehrsberuhigung auf den Fußweg verwiesen werden, wie die verbleibende Wegstrecke nicht als unzumutbare Belastung erscheint. Freilich führt dies zu der kaum allgemein zu entscheidenden Frage, wieviel Fußweg dem Menschen zumutbar ist. Die mit Anliegerklagen gegen Fußgängerbereiche befaßten Gerichte mußten dazu zwar schon Stellung beziehen, brauchten aber keine allgemeingültigen Aussagen zu treffen, sondern konnten sich in der Mehrzahl damit begnügen, die Zumutbarkeit ohne nähere Ausführungen zu bejahen 285 . Eine genauere Festlegung wagte hingegen das OVG Berlin in einem Urteil aus dem Jahr 1992, in dem es einen „Fußweg von maximal 200 m" ausdrücklich für zumutbar erklärte, und zwar auch „für alte und behinderte Menschen [...] in den kalten und nassen Jahreszeiten" 286 . Aus dem gleichen Jahr stammt ein Beschluß des Bay VGH, in dem sich das Gericht dafür ausspricht, daß körperlich nicht behinderten Personen ein viertelstündiger Fußweg durchaus zugemutet werden könne 2 8 7 . Schließlich kann noch an ein älteres Urteil des OVG Lüneburg erinnert werden, das schon über die Rechtmäßigkeit der Sperrung ganzer Ortsteile für den Kraftfahrzeugverkehr zu entscheiden hatte und in diesem Zusammenhang auf die Klage eines berufstätigen Anliegers einen Fußweg von etwa 350 bis 400m noch als zumutbare Wegstrecke bezeichnete 288 . Diese Zahlen sind natürlich das Ergebnis gerichtlicher Wertungen im konkreten Einzelfall. So wenig sie generell die Zumutbarkeit von Fußwegen attestieren können, so wenig schöpfen diese Streckenangaben das Spektrum gemeindlicher Eingriffe in die innerstädtische Auto-Mobilität vollständig aus. Man mag darüber spekulieren, wie die Gerichte bei einer maximalen Wegstrekke von mehr als 1000m oder 1500 m entschieden hätten, und man mag sich darüber einig sein, daß mit einem einstündigen Fußmarsch die Grenze der Zumutbarkeit überschritten sein dürfte - sicher ist nur, daß es sich stets um eine Wertungsentscheidung handelt, die sowohl die verkehrsplanende Gemeinde als auch das später zur Verteidigung der Anliegerrechte berufene Gericht dazu zwingt, sich sehr genau mit den Umständen des Einzelfalls auseinanderzusetzen. Je mehr Verkehrsalternativen bestehen bleiben, desto großflächiger kann der individuelle Kraftfahrzeugverkehr aus der Innenstadt verbannt werden, ohne daß unzumutbare Härten für den einzelnen entstünden. Die Zumutbar284 OVG Lüneburg, UPR 1992, 455 (456); OVG Berlin, NVwZ-RR 1994, 10 (11); OVG Lüneburg, DAR 1973, 54; ausführlich Sendler, DÖV 1974, 217 (222). 285 So OVG Lüneburg, UPR 1992, 455 (456); BVerwG, NJW 1981, 184 (185). 286 OVG Berlin, NVwZ-RR 1994, 10 (11). 287 Bay VGH, NZV 1992, 503; im gleichen Zusammenhang jüngst BVerwG, NZV 1995, 122(123). 288 OVG Lüneburg, DAR 1973, 54.

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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keitsschwelle liegt daher höher, wenn der öffentliche Personennahverkehr mit Untergrundbahnen, Straßenbahnen, Bussen oder auch der Verkehr mit Taxen aufrechterhalten bleibt 2 8 9 , so daß die individuellen Mobilitätsbedürfnisse mit alternativen Verkehrsmitteln aufgefangen werden. (3) Folgerungen Das Anliegerrecht setzt dem Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots damit zwar keine unüberwindbaren, aber auch nicht unerhebliche Gestaltungsgrenzen. Eigentümer und Besitzer anliegender Grundstücke können die Gemeinden unter Berufung auf Art. 14 Abs. 1 GG stets auf eine zumutbare Erreichbarkeit ihrer Grundstücke verpflichten. Zwar verbürgt die Eigentumsgarantie den Anliegern keine unumschränkte Auto-Anbindung, doch müssen die Gemeinden den Anliegern immer die Möglichkeit einräumen, ihre Grundstücke für besondere Lieferungen mit einem Kraftfahrzeug anfahren zu dürfen 2 9 0 . Entscheidender für die rechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Ausgestaltung von Innenstadtsperrungen dürfte aber das Gebot sein, daß jedes Anliegergrundstück mit einem zumutbaren Fußweg erreichbar bleiben muß. Dieses Postulat wird die Entscheidung der Gemeinden über die örtliche Reichweite der Sperrzone genauso wie ihre Entscheidung über den Ausschluß des öffentlichen Verkehrs steuern. Je weiträumiger der Individualverkehr zurückgedrängt werden soll, desto mehr müssen öffentliche Verkehrsmittel diese Mobilitätsbedürfnisse auffangen. Absolute Verkehrs Verdünnung wird danach auf eng begrenzte Stadtkerne mit geringem Flächenausmaß beschränkt bleiben müssen. bb) Das Anliegerrecht der gewerblichen Anlieger Gewerbliche Anlieger können sich sowohl auf ihr Grundeigentum als auch auf ihren gewerblichen Betriebsbestand stützen, um Anliegerrechte geltend zu machen 291 . Wie auch für den privaten Grundeigentümer gewährt das eigentumsrechtlich verbürgte Anliegerrecht dem anliegenden Gewerbebetrieb aber nur den Zugang zur Straße und die Zugänglichkeit von der Straße her. Für die gewerblichen Anlieger gilt daher grundsätzlich nichts anderes als für die privaten Anlieger. Ihnen ist gleichermaßen als unerläßliche Voraussetzung zur Nutzung ihres Grundeigentums und zur notwendigen Versorgung ihres Betriebes die - wenn auch beschränkte - Möglichkeit eines An- und Abtransports von Waren, Produkten und Rohstoffen zuzubilligen 292 . Darüber hinaus können sie 289

Aus der Sicht der Berufsfreiheit der Taxifahrer hierzu noch unten, S. 142 ff. Zugleich muß ihnen natürlich auch das Recht gewährt werden, für die Dauer der Anlieferung ihr Fahrzeug in dem Fußgängerbereich abstellen zu dürfen, soweit sie nicht über einen Stellplatz auf ihrem eigenen Grundstück verfügen. 291 Vgl. Ossenbühly Staatshaftungsrecht, S. 139; krit. insoweit Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 87. 292 BVerwG, JZ 1994, 520 (521); OVG Lüneburg, OVGE 37, 227 (230); BVerwG, NJW 1975, 5128 (1529); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 586 sowie S. 519 f.; Rehbinder, ZUR 1994, 101 (108). 290

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keinen Anspruch auf „optimale" Verkehrsanbindung geltend machen 293 . Auch gewerbliche Anlieger vermögen damit aus Art. 14 Abs. 1 GG keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung der Straße in ihrem bisherigen Widmungsumfang herzuleiten, soweit nur die für die Grundstücksnutzung unerläßliche Zugänglichkeit gewahrt bleibt 2 9 4 . Gerade für die gewerblichen Anlieger zeigt sich besonders deutlich, daß ein Anlieger- und Lieferverkehr zum eigentumsrechtlich geschützten Kernbereich der Anliegergrundstücksnutzung gezählt werden kann. Mit dem gänzlichen Ausschluß jeglicher Zulieferungsmöglichkeit - soweit eine rückwärtige Erschließung nicht besteht und auch nicht möglich ist - würde Handel und Gewerbe der „Lebensnerv" entzogen 295 . Insbesondere solche Einzelhandelsbetriebe, die wie Bäckereien, Metzgereien, Buchhandlungen oder Apotheken auf die tägliche Belieferung mit Waren angewiesen sind, könnten sich gezwungen sehen, aus dem innerstädtischen Bereich in die Vororte abzuwandern, die nach wie vor über eine ungehinderte Auto-Anbindung verfügen werden. Ein umfassendes innerstädtisches Fahrverbot mag zwar ein besonders effektives Mittel zur Reduktion der verkehrsbedingten Lärm- und Abgasbeeinträchtigungen für die Wohnbevölkerung darstellen. Dem Ziel der Wiederbelebung des Innenstadtbereichs dürfte dadurch jedoch nicht gedient sein. Anstatt dem Innenstadtbereich durch Verkehrsberuhigung zu neuer Attraktivität zu verhelfen, indem die Einkaufs- und Kommunikationsfunktion der innerstädtischen Straßen wieder betont wird, muß gerade der gegenteilige Effekt befürchtet werden: eine Verödung der Innenstädte, ausgelöst durch das Abwandern des Einzelhandels und des handwerklichen Gewerbes. Daher ist der gewerbliche Anlieger schon durch das Gebot der Eignung staatlicher Maßnahmen im Rahmen der Kerngewährleistung der Anlieger-Mobilität vor umfassenden Fahrverboten geschützt, die ihm jegliche Zugangsmöglichkeit mit dem Kraftfahrzeug nehmen. Neben die Zugangsmöglichkeiten des Gewerbeinhabers zu seinem Gewerbebetrieb tritt aber noch ein weiterer Aspekt, der den Anlieger-Gewerbebetrieb in besonderem Maße auf eine Anbindung zum öffentlichen Straßennetz angewiesen erscheinen läßt: die für den gewerblichen Anlieger existenznotwendige Zugänglichkeit des Gewerbebetriebs für die Kunden. Hierauf stützt sich vor allem der innerstädtische Einzelhandel, der sich vehement gegen Verkehrsbeschränkungen wehrt, da er Umsatzeinbußen durch ein Abwandern der Kundschaft befürchtet 296 . Diese Befürchtung stellt allerdings weder aus tatsächlichen noch aus rechtlichen Gründen ein absolutes Hindernis für eine flächendeckende innerstädtische 293

OVG Berlin, NVwZ-RR 1994, 10 (11). BGHZ 55,261 (264); 70,212 (218); BVerwG, NJW 1981,412; NJW 1983,770 (771); DÖV 1984,426 (427); Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 50. 295 Dazu Randelzhofer, DAR 1987, 237 (252 Fn. 123); Trouet, BB 1980, 640 (644). 296 So für die Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels e.V. Leisten, Einzelhandel und Stadtverkehr, Demokratische Gemeinde 6/91, S. 53 ff. 294

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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Verkehrsberuhigung dar. Zunächst kann nach den derzeitigen Erfahrungen nicht bestätigt werden, daß flächendeckende Verkehrsberuhigung generell zu negativen Umsatzentwicklungen führt. Das Forschungsvorhaben „flächendekkende Verkehrsberuhigung" hat vielmehr gezeigt, daß verkehrsberuhigende Maßnahmen sogar positiv auf die Umsatzentwicklung einwirken können 2 9 7 . Aber auch rechtlich dringen die gewerblichen Anlieger mit ihrem Anliegen nach unverminderter Anbindung an das Straßenverkehrsnetz nicht durch. Auch für die gewerblichen Anlieger geht der eigentumsrechtliche Schutz nicht über eine Garantie der Zugänglichkeit hinaus. Soweit die Erreichbarkeit über das öffentliche Straßennetz gewährleistet bleibt, können gewerbliche Anlieger aus ihrem Anliegerrecht nicht verlangen, für ihre Kunden mit dem Kraftfahrzeug oder mit Bussen erreichbar zu bleiben. Genauso wie schon für die privaten Anlieger entlastet der Hinweis auf die Erreichbarkeit allerdings nur im Rahmen des Zumutbaren 298 . Solange also Gewerbebetriebe mit einem zumutbaren Fußweg für ihre Kunden erreichbar bleiben, garantiert das Anliegerrecht keine Aufrechterhaltung der Auto-Anbindung 299 . Dies hat das BVerfG für Restaurants, Cafés und sonstige Verkaufsstände in einem Fußgängerbereich schon deutlich ausgesprochen 300. Für andere Zweige des Einzelhandels kann nichts anderes gelten. Auf dieser Linie liegt auch das Urteil des OVG Bremen für die „Milchkundschaft" eines landwirtschaftlichen Betriebs 301 . Gleichermaßen hielt der VGH Kassel für die Angestellten und Patienten einer zahnärztlichen Praxis in einer Fußgängerzone an diesen Grundsätzen fest 3 0 2 . Selbst wenn sich Gewerbebetriebe auf die Bedürfnisse der Auto fahrenden Kunden derart eingerichtet haben, daß sie auf ihrem Grundstück Parkmöglichkeiten schufen, ein Parkhaus pachteten, oder sich sonst an die „drive-in"Gewohnheiten ihrer Kunden angepaßt haben, ist die Kerngewährleistung des Anliegerrechts nicht berührt 303 , da die Gewerbeinhaber insoweit nur einen Lagevorteil nutzen bzw. sich verschaffen wollten. Mit dem Anliegerrecht ist aber nur die Erwartung des Gewerbetreibenden auf Fortbestand und Dauer der unerläßlichen Zugänglichkeit des Grundstücks geschützt 304 . Dagegen erfaßt das Anliegerrecht nicht solche Lagevorteile, die dem Betriebsinhaber aus der bis297 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), Flächenhafte Verkehrsberuhigung, Städtebauliche Auswirkungen, 1992, S. 112 ff. Siehe auch die Studie von Müller-Hagedorn, in: FfH-Mitteilungen, N. F. Nr. 6 (1985), S. 1 (3 ff.), der anhand einer Erhebung des DIHT für Fußgängerzonen nachweist, daß zwei Drittel aller Betriebe Umsatzsteigerungen aufweisen, während nur bei 3 % der Umsatz gesunken sei. 298 Siehe schon oben, S. 76 ff. 299 OVG Berlin, NVwZ-RR 1994, 10 (11) für den Kundenverkehr zu einer Gaststätte. 300 BVerfG, NVwZ 1991, 358 - Teileinziehung in Titisee. 301 OVG Bremen, AgrarR 1993, 367 (368). 302 VGH Kassel, NJW 1993, 1090 (1091). 303 BVerfG, NVwZ 1991, 358; vgl. auch BVerwG, NJW 1980, 354 für die Nutzung grundstückseigener Einstellplätze von Wohn-Anliegern; zust. Walprecht/Cosson, StrWG NW, § 14a Rdnr. 133. 304 Kreft y Öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen, Vor § 839 Rdnr. 69. 6 Köthel

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herigen Verkehrsfunktion der Straße, ihrem Verkehrsaufkommen oder den Parkmöglichkeiten erwachsen sind 3 0 5 . Ein darauf gestütztes Vertrauen ist eigentumsrechtlich irrelevant und rechtfertigt auch dann keine andere Beurteilung, wenn die neue Verkehrsgestaltung der Straße die Existenzvernichtung des Betriebs zur Folge hat 3 0 6 . cc) Einzelne Aspekte der Ausgestaltung von Innenstadtsperrungen Ist es mit dem Kernbereich der Anliegergewährleistung nicht vereinbar, den Anliegerverkehr völlig auszuschließen, so zwingt Art. 14 GG umgekehrt aber auch nicht zu einer zeitlich unbeschränkten Zulassung dieses Ausnahmeverkehrs in den ansonsten ausschließlich dem Fußgängerverkehr gewidmeten Bereichen 307 . Die Anliegerkerngewährleistung schützt den Anlieger aber gegen unverhältnismäßige und insbesondere nicht erforderliche Einbußen. Im Einzelfall wird daher sehr genau zu prüfen sein, ob es zum Beispiel erforderlich ist, den Anliegerverkehr auf einige Stunden am frühen Morgen vor Geschäftsbeginn zu beschränken und ihn nachts auszuschließen308. Allein mit dem Schutz der Fußgänger wird sich das Nachtfahrverbot in der Regel kaum rechtfertigen lassen 3 0 9 . Dagegen mag das nachts gesteigerte Interesse der Wohnbevölkerung am Schutz vor Verkehrslärm eine Beschränkung des Anliegerverkehrs auf eine wenige Stunden am Tag zu tragen 310 . Mit dieser Dringlichkeit stellt sich das Problem allerdings nur für verkehrsrechtliche Maßnahmen gestützt auf § 45 StVO, während straßenrechtliche Verfügungen nicht bloß an sicherheitsrechtliche Erwägungen gebunden sind, sondern auch aus stadtplanerischen Gesichtspunkten gerechtfertigt werden können 311 . Im übrigen dürfen auch Erwägungen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht unberücksichtigt bleiben. Das BVerwG hält daher die Aufrechterhaltung eines Verkehrsverbots auch in den verkehrsarmen Nachtstunden oder an Sonn- und Feiertagen für erforderlich, weil eine Verkehrsregelung nur bei einer gewissen Starrheit und der dadurch erzielten Gewöhnung der Verkehrsteilnehmer ihre verkehrsordnende Wirkung entfalten könne 3 1 2 . Dazu tritt der Aspekt der Rechtsklarheit, denn nur hinreichend klare und eindeutige Gebote können auf ihre Befolgung hoffen. 305

Randelzhof er, DAR 1987, 237 (251). Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rdnr. 113; ders., Recht der öffentlichen Sachen, S. 100; Steinberg/Lubberger, Aufopferung - Enteignung und Staatshaftung, S. 89. 307 Sendler, DAR 1990, 404 (409); Walprecht/Cosson, StrWG NW, § 14a Rdnr. 130; vgl. auch Rehbinder, ZUR 1994, 101 (106, 108); abw. Trouet, BB 1980, 640 (644), der eine zeitliche Beschränkung stets für unvereinbar mit der Eigentumsgarantie hält. 308 Dazu ausführlich BVerwG, JZ 1994, 520 (521 f.). 309 Dazu schon oben, S. 38. 310 Trouet, BB 1981,640(642). 311 Siehe schon oben, S. 48 ff. 312 BVerwG, JZ 1994, 520 (521 f.). Diese Entscheidung liegt auf der Linie der früheren Entscheidungen BVerwG, DÖV 1980, 915 (916) und NJW 1981, 184 (185), wo306

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Skeptisch muß man dagegen der Überlegung gegenüberstehen, den gewerblichen Anliegerverkehr auf Taxen zu verweisen, wobei diese erst zugelassen werden müßten. Dadurch werden weder die Lärm- und Abgasbelastungen der Wohnbevölkerung verringert, noch liegt die Eignung einer solchen Maßnahme zur weiteren Verkehrsberuhigung auf der Hand 3 1 3 . Jedenfalls wird sich der allenfalls geringfügige Erfolg gegenüber der finanziellen Mehrbelastung und den sonstigen Freiheitseinbußen der Anlieger nicht rechtfertigen lassen. Zwar hat es das BVerwG in einem Fall für zulässig erachtet, den Anliegerverkehr eines privaten Hotelbetriebs in einer Kurzone auf die künftig noch zugelassenen Taxen zu verweisen 314 . Hierbei handelte es sich allerdings nur um ein saisonales Fahrverbot. Schon aus diesem Grund wird zutreffend davor gewarnt, diese Entscheidung zu verallgemeinern 315 . Grundsätzlich wird man daher zum verfassungsrechtlich geschützten Kern der angemessenen Grundstücksnutzung die freilich beschränkte - Zugänglichkeit für Anlieger mit ihren eigenen Fahrzeugen zählen müssen. 2. Qualifikation des grundrechtlichen Anliegerschutzes: vom Abwehrrecht zur institutionellen Garantie des Anliegerrechts Mit der grundrechtlichen Anerkennung des Anliegerrechts müßte es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, daß dem Anlieger insoweit ein Abwehranspruch gegen Teil- und Volleinziehungen bestehenden öffentlichen Straßenraums zusteht 316 . Auf einem anderen Blatt steht freilich, daß die Straßengesetze dieser aus den Grundrechten gewonnenen Rechtsposition ausdrücklich entgegenstehen. In einzigartiger Geschlossenheit beginnen sämtliche Straßengesetze die Regelungen zum Anliegergebrauch nicht, wie man annehmen sollte, mit einer Rechtsgewährung, sondern mit einer Rechtsverneinung: „Den Eigentümern oder Besitzern von Grundstücken, die an einer Straße liegen (Straßenanlieger), steht kein Anspruch darauf zu, daß die Straße nicht verändert oder eingezogen w i r d . " 3 1 7 Freilich hindert dies nicht die mittlerweile verfestigte grundrechtliche Anerkennung des Anliegerrechts in Art. 14 Abs. 1 G G 3 1 8 , sondern zwingt dazu, die subjektive Rechtstellung unmittelbar aus der Eigentumsgarantie herzuleiten und die einfachrechtlichen Vorschriften verfassungskonform auszulegen 319 . Der grundrechtliche Abwehranspruch als solcher ist und nach eine zeitweilige Minderung des Verkehrsaufkommens unbeachtlich ist; vgl. schon oben, S. 38 f. 313 Anders aber BVerwG, NJW 1988,432 (433 f.). 314 BVerwG, NJW 1988, 432 (433 f.). 315 Peine, JZ 1994, 522 (523). 316 Siehe nur Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 563. 317 Vgl. nur § 15 Abs. 2 StrG BW; Art. 17 Abs. 1 BayStrWG; § 17 Abs. 1 StrGBW; § 14 a Abs. 2 StrWG NW; § 39 Abs. 1 RhPfStrG; § 17 Abs. 1 SaarlStrG. 318 Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), Allg VerwR, S. 521 (557); Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (672). 319 Dazu Maurer, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), S. 115 (137 ff.).

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bleibt damit unangetastet, mag auch der einfache Gesetzgeber anderslautende Vorschriften erlassen. Folgt dies noch konsequent aus der grundrechtlichen Anerkennung des Anliegerrechts, so stellt sich aber die noch entscheidendere Frage, inwieweit das Anliegerrecht auch in seinem Inhalt und Umfang der Disposition des einfachen Gesetzgebers enzogen ist. Der Schrankenvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG spricht auf den ersten Blick deutlich gegen eine Einengung der gesetzgeberischen Handlungsfreiheit, indem er die Ausgestaltung und Beschränkung eigentumsfähiger Positionen ausdrücklich der Regelungsmacht des Gesetzgebers überantwortet. Gestützt auf die straßenrechtlichen Ermächtigungen zu Teil- und Volleinziehungen könnten die Gemeinden theoretisch den völligen Ausschluß des Anliegerverkehrs verfügen, soweit nur überwiegende Gründe des öffentlichen Wohls für die Einschränkung bzw. Aufhebung des Gemeingebrauchs streiten. Die Einschränkung grundrechtlich verbürgter Freiheit durch verhältnismäßige Gesetze ist insoweit verfassungsrechtlicher Alltag und würde hier Überlegungen erfordern, inwieweit weitergehende Einbußen der AnliegerMobilität - etwa durch einen völligen Ausschluß des Anliegerverkehrs - einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zugänglich sind. Unabhängig von Einzelergebnissen würde entsprechend deutscher Verfassungssystematik aus dem absoluten Freiheitsschutz ein verhältnismäßiger Freiheitsschutz und das Recht der Anlieger auf unerläßliche Zugänglichkeit geriete zu einem Zugangsrecht unter dem Vorbehalt, daß höherrangige Allgemeininteressen nicht weitergehendere Einschränkungen erlauben. Es ist Aufgabe der institutionellen und Institutsgarantien, der gesetzgeberischen Dispositionsfreiheit Grenzen zu ziehen 320 , indem sie den rechtlichen Schutz zu einer absoluten Eingriffsschwelle aufwerten, die jeden gesetzgeberischen Übergriff einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung entzieht 321 . Angesichts der Kernbereichsformel, mit der das BVerwG den eigentumsrechtlichen Schutz des Anliegerrechts entwickelte, erscheint die Annahme einer institutionellen Garantie des Anliegerrechts nicht von vornherein abwegig. Auch wenn zutreffend vor einer generellen institutionellen Deutung der Grundrechte gewarnt w i r d 3 2 2 , so ist doch nicht zu übersehen, daß schon der Begriff des Kernbereichs der Problematik der verfassungsrechtlichen Einrichtungsgarantien entliehen sein dürfte 3 2 3 . Früher sprach die Rechtsprechung zwar noch 320

Zur Terminologie Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 776 ff. Bleckmann, Grundrechte, S. 250; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 873. 322 So aber Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 70 ff., insbes. S. 96 ff.; Rupp, AöR Bd. 101 (1976), 161 (172 ff.); krit. dazu Bleckmann, Grundrechte, S. 229 ff. und Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 133 ff. 323 Vgl. Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 868 f. Soweit i.ü. synonym der Begriff „Wesensgehalt" verwendet wird, so etwa Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 748 zur Institutsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG („Kern oder Wesen"), verdeutlicht dies nur den Zusammenhang der grundrechtlich abgeleiteten Einrichtungsgarantien mit der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG. 321

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von einem „eigentumsrechtlichen Kern des Anliegergebrauchs" 324 , doch umschreiben jüngere Judikate den Anliegergebrauch ausschließlich mit den Figuren der „Kerngewährleistung" 325 , des „Kerngehaltes" 326 und - so die mittlerweile überwiegende Formulierung - des „Kernbereichs" 327 . Auch inhaltlich spricht einiges für eine institutionelle Deutung des Anliegerrechts. So wird zwar um die institutionelle Anerkennung etwa der Kunst 3 2 8 oder des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 329 noch gerungen, doch ist für das Anliegerrecht daran zu erinnern, daß ein solches institutionelles Verständnis für den schlichten Gemeingebrauch bereits auf breite Anerkennung gestoßen ist. a) Von der institutionellen Garantie des schlichten Gemeingebrauchs zur institutionellen Garantie des Anliegerrechts Die Rechtstellung des schlichten Straßennutzers wird zwar häufig als schwächer eingestuft als die des Straßenanliegers, was sich vorwiegend bei der Beurteilung des abwehrrechtlichen Grundrechtsschutzes gegen nachträgliche Gemeingebrauchsbeschränkungen und Einziehungen äußert 330 . Allein unter einer Ausnahme genießt die allgemeine Gruppe der Straßennutzer unstreitigen Grundrechtsschutz gegen die Aufhebung des Gemeingebrauchs: In engen Grenzen wird dem schlichten Gemeingebrauch die Qualität einer institutionellen Garantie zugesprochen 331, die einen Kernbestand an öffentlichen Straßen 324

BVerwGE 30, 235 (239); BVerwG, NJW 1975, 1528. BVerwG, DÖV 1975, 208 (209). 326 BVerwG, DÖV 1977, 603 (604). 327 BVerwG, DÖV 1977, 604 (604 f.); NJW 1988, 432 (433); JZ 1994, 520 (521). Die Literatur hat diese Begriffsbestimmungen rezipiert; vgl. Maurer, in: Bartlsperger/ Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 115 (129 f.). 328 Dafür plädiert vor allem das ältere Schrifttum; vgl. Schlochauer, Öffentliches Recht, 1957, S. 48; Ridder, Freiheit der Kunst nach dem Grundgesetz, 1963, S. 18; auch Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 3 Rdnrn. 2 und 3. Dagegen Hufen, Die Freiheit der Kunst in staatlichen Institutionen, 1982, S. 391 ff., 401 ff.; Ossenbühl, DÖV 1983, 785 (789); Starck,, in: v. Mangoldt/Klein, GG, Art. 5 Abs. 3 Rdnr. 196; Steiner, VVDStRL Heft 42 (1984), 7 (14 m.w.N.). 329 Insbes. im Anschluß an das „Erste Fernsehurteil", BVerfGE 12,205 (261 f.), finden sich in der Literatur Stimmen, die die Rspr. des BVerfG im Sinne einer Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deuten; vgl. Seemann, DÖV 1987, 129 (135 f.). Zur institutionellen Garantie der Presse Bullinger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 142 Rdnrn. 34 ff.; zur institutionellen Seite von Art. 5 Abs. 3 GG Roellecke, JZ 1969, 726 ff. 330 So vor allem BVerwGE 32, 222 (225); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 76 f. Hierzu noch ausführlich unten, S. 158 ff. 331 Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 98; Erichs en, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 65; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 118; MarschalUSchroeter/Kastner, BFStrG, § 7 Rdnr. 5; Mußgnug, in: Bartlsperger/ Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 81 (89); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 98; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 77; 325

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

der Disposition des Gesetzgebers entzieht und abwehrrechtlich über Art. 2 Abs. 1 GG im Einziehungsverfahren geltend gemacht werden kann 3 3 2 . Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen ist heute die Form, in der sich die Mobilität und insbesondere die Auto-Mobilität der Bürger verwirklicht. Er ist die notwendige Basis für die Ausübung der meisten Freiheitsrechte, zum Beispiel der Freizügigkeit, der Versammlungsfreiheit oder der Freiheit der Person 3 3 3 . Diese Grundrechte, zu deren Ausübung der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen unverzichtbar ist, verpflichten den Staat, einen „Kernbestand" von Straßen zu gemeingebräuchlicher Nutzung zur Verfügung zu stellen. Sie vermitteln damit eine institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs, der weitergehende Einschränkungen der gesetzgeberischen Dispositionsfreiheit entzieht 334 . Von dieser Position ist der Sprung zur Anerkennung einer auch institutionell gewährleisteten Anliegerberechtigung auf unerläßlichen Zugang über das öffentliche Straßennetz nicht weit. Wenn die speziellen Freiheitsgewährleistungen, etwa Art. 11 GG oder Art. 8 GG, und letztlich auch die allgemeine Handlungsfreiheit zur Annahme einer institutionellen Garantie eines Kernbestandes an öffentlichen Straßen und entsprechendem Gemeingebrauch zwingen, so läßt sich eine vergleichbare Garantie für das Anliegerrecht mit Art. 14 Abs. 1 GG begründen. Das eigentumsrechtlich geschützte Anliegerrecht ist ja aus der Angewiesenheit des Grundstückseigentümers auf eine Anbindung an das öffentliche Straßennetz entwickelt worden und basiert damit auf der Überlegung, daß zur Entfaltung der Nutzungsfreiheit des Grundeigentümers Zugang und Zugänglichkeit von und zum öffentlichen Straßennetz unentbehrlich sind. Insoweit ähneln einander nicht nur die Argumentationsmuster, sondern auch die spezielle Interessenlage der allgemeinen Gemeingebrauchsberechtigten und der Anlieger 3 3 5 . b) Übermaßverbot und institutionell gewährleisteter Kernbereich Letztlich muß das Unbehagen gegenüber einer institutionellen Garantie des Anliegerrechts vor allem dann an Gewicht verlieren, wenn man berücksichtigt, Salzwedel, DÖV 1963, 241 (246); ders., in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780); ders., in: Erichsen (Hrsg.), Allg VerwR, S. 521 (552). 332 Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780). 333 Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 65; KodaU Krämer, Straßenrecht, S. 19 ff.; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 118; Mußgnug, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 51 (89); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97 f. Das erkennen auch diejenigen Autoren des älteren Schrifttums an, die einer solchen institutionellen Garantie eher skeptisch gegenüber stehen; so Huber, DÖV 1955, 129 f. 334 Ausführlich zur institutionellen Garantie des Gemeingebrauchs als absolute Gestaltungsgrenze für Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit unten, S. 177 ff. 335 So andeutungsweise Maurer, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 115 (136). Siehe auch Trouet, BB 1980, 640 (642), der die Kerngewährleistungsformel der Rspr. dahin deutet, daß „der Anliegergebrauch [...] auch durch Teilentwidmungen in seinem Kern nicht angetastet werden darf."

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

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daß damit der gesetzgeberischen Dispositionsfreiheit nicht mehr „Fesseln" angelegt werden als mit der allgemeinen Eingriffsschranke des Übermaßverbots, die als übergeordnete Maxime ohnehin jedes staatliche Handeln beherrscht 336 . Das Wechselspiel zwischen Übermaßverbot und Kernbereich ist hinlänglich bekannt und wurde auch schon bei der Bestimmung des durch Art 14 Abs. 1 GG geschützten Kernbereichs deutlich 337 . Wenn aber der Schutz der Eigentumsgarantie für den Anlieger bereits mit dem Gedanken der Unzumutbarkeit und Angemessenheit auf den Kreis der unabweisbaren Anliegerbelange reduziert wurde, so ist es nur folgerichtig, wenn weitergehende Einschränkungen der gesetzgeberischen Dispositionsfreiheit entzogen werden. Im Grunde hat dies die verwaltungsrechtliche Literatur zur Rechtmäßigkeit von Einziehungsverfügungen auf der Grundlage des einfachen Gesetzesrechts schon sehr deutlich ausgesprochen, indem sie den Anliegerbelangen, soweit sie unter dem Schutz der Eigentumsgarantie stehen, eine absolute Schutzwirkung zuspricht, die sich in der Abwägungsentscheidung stets gegen entgegenstehende öffentliche Belange durchsetzen müssen 338 . Damit kann festgehalten werden, daß das selbständige Anliegerrecht, soweit es in seinem Kern eigentumsrechtlichen Schutz genießt, keine weitergehenden Einschränkungen erlaubt - insoweit sind die Einziehungsvorschriften verfassungskonform zu interpretieren und anzuwenden, so daß der unerläßliche Anliegerverkehr stets gestattet bleibt. Der Anlieger kann damit aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht nur ein Abwehrrecht gegen Beschränkungen der unerläßlichen Zugangsmöglichkeiten herleiten. Vielmehr vermittelt ihm die Eigentumsgarantie für den unerläßlichen Kern der Anliegerinteressen zugleich die Wirkung einer institutionellen Garantie, indem sie diesen Kernbereich zu einer unantastbaren Position aufwertet, der jeglicher gesetzgeberischen Ausformung entzogen i s t 3 3 9 . Folgerichtig halten weitergehende Einschränkungen, die über den oben skizzierten Kernbereich hinausgehen, einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Den gemeindlichen Verkehrsplanern ist es damit versagt, umfassende innerstädtische Fußgängerbereiche auszuweisen, die einen privaten oder gewerblichen Anliegerverkehr gänzlich ausschließen. Der Versuch, Innenstadtbereiche völlig „autofrei" zu gestalten, ist damit verfassungsrechtlich zum Scheitern verurteilt 340 .

336

Siehe nur BVerfGE 38, 258 (268); i.ü. noch ausführlich unten, S. 122 f.

337

Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 247 f. insbes. Fn. 347; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 870 f. m.w.N. sowie schon oben, S. 72. 338

Krebs, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 299 (361) sowie oben, S. 51.

339

So zutreffend Maurer, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 115(136). 340

Vgl. schon Sendler, DÖV 1974, S. 221 f.; ders., DAR 1990, 404 (409).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

c) Fazit zur Anliegerrechtsprechung des BVerwG: Das „alles oder nichts"-Prinzip Mit dem eigentumsrechtlichen Kernbereichsschutz, den das BVerwG dem Anlieger zur Seite stellt, zeigt sich ein für das herkömmliche Grundrechtsverständnis erstaunliches Bild. Die Anliegerinteressen werden entweder als schutzfähig anerkannt und genießen dann absoluten Schutz gegen jeden gesetzgeberischen Zugriff, oder aber sie werden von vornherein von der grundrechtlichen Schutzwirkung des Art. 14 Abs. 1 GG ausgeklammert. Solche Anliegerinteressen, die nicht dem Kernbereich zuzuordnen sind, sondern - um im Bild zu bleiben - nur in den „Randbereich" fallen, genießen nicht mehr oder weniger Schutz, sondern gar keinen. Diese Betrachtungsweise ist - noch - ohne Beispiel. Sie findet weder in der Rechtsprechung zu anderen institutionellen Gewährleistungen noch im heutigen Grundrechtsverständnis eine Entsprechung. Mag auch die Kernbereichsformel des Anliegerrechts der Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG entlehnt worden sein, so gibt Art. 28 Abs. 2 GG aber keinesfalls auch vor, schon bei der Frage der schutzfähigen Interessen den nicht geschützten „Randbereich" zu isolieren. Bei Art. 28 Abs. 2 GG, genauso wie bei originär grundrechtlichen Kerngewährleistungen, wirkt sich der gesteigerte Schutz des Kernbereichs erst auf der nachgeordneten Ebene der Rechtfertigung von hoheitlichen Eingriffen aus 3 4 1 . Damit bietet Art. 28 Abs. 2 GG wie die Grundrechte der Art. 1 bis 19 GG Schutz sowohl gegen bloß kompetenzwidrige Gesetze 342 als auch gegen Maßnahmen, die zwar nicht den Kernbereich berühren, aber dennoch unverhältnismäßig sind 3 4 3 . Das Besondere an den Kernbereichsgewährleistungen ist nicht der Schutz vor unverhältnismäßigen Eingriffen - dazu hätte es der mühseligen Entwicklung solcher Garantien überhaupt nicht bedurft - , sondern die Beschreibung eines Freiheitsbereichs, in welchen auch ein ansonsten einwandfreies Gesetz niemals eingreifen darf 3 4 4 . Dagegen scheint der Konzeption des BVerwG zum eigentumsrechtlichen Anliegerschutz die Vermutung zugrundezuliegen, Eingriffe in den Randbereich hielten stets dem Übermaßverbot stand. Daß die Verfassung für eine solche Vermutung Anlaß gibt, darf bezweifelt werden. 341 Siehe für Art. 28 Abs. 2 GG nur das schon erwähnte Rastede-Urteil des BVerfG, E 79, 127 ff., das sich ausführlich mit dem Eingriffsrecht des Gesetzgebers jenseits des Kernbereichsschutzes auseinandersetzt; vgl. auch Bethge, in: FS für G. C. von Unruh, S. 149 (165) und zu Art. 9 Abs. 3 GG Schwabe, DÖV 1981, 796 (797). 342 Seit BVerfGE 6, 32 (36 ff.) - Elfes - verstößt ein Gesetz auch dann gegen Grundrechte, wenn es objektive Normen der Verfassung verletzt. Etwaige Kompetenzund Verfahrensmängel begründen entgegen BVerfGE 11,105 (110 ff.) aber nicht nur eine Verletzung des Art. 2 Abs. 1 GG, sondern auch der einschlägigen speziellen Freiheitsrechte, so BVerfGE 9,83 (88); 13,181 (190); 38,61 (79). Ausführlich Scholz, AöR Bd. 100 (1975), 80 (108 f.); vgl. i.ü. Bleckmann, Grundrechte, S. 351; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 23. 343 Vgl. BlümeU in: FS für G. C. von Unruh, S. 265 (284); v. Mutius/SchocK DVB1. 1981, 1077 (1079); Schmidt-Jortzig, Die Einrichtungsgarantien der Verfassung, S. 38 f.; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 871. 344 Schwabe, DÖV 1981, 796 (797).

Α. Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG

89

Vom Ergebnis her mag diese „alles oder nichts"-Lösung an Dramatik verlieren, wenn man sich im Anschluß an das BVerwG darauf beruft, daß der Straßenanlieger bei sonstigen „Randbelangen" nicht gegenüber dem allgemeinen Straßenbenutzer privilegiert werden solle und dafür A r t 2 Abs. 1 GG - wie so oft - dank seines Auffangcharakters in die Bresche springen würde. Der Einwand dogmatischer Fragwürdigkeit aber bleibt. Das BVerwG, das den eigentumsrechtlichen Schutz der Anlieger entdeckt und entwickelt hat, hat nach wie vor auch die Weiterentwicklung dieses an sich nicht angefochtenen Institutes in der Hand. Da sich auch das wissenschaftliche Schrifttum bloß auf die Rezeption von Einzelfallentscheidungen beschränkt, ohne eine klare Grundlinie formulieren zu können 3 4 5 , wird sich daran auch in Zukunft wohl wenig ändern. Soweit das BVerwG nicht - wie etwa das BVerfG in seinem Elfes-Urteil - den Mut findet, von der Kernbereichsrechtsprechung überhaupt Abschied zu nehmen, bleibt nur zu hoffen, daß die Anliegerrechtsprechung des BVerwG nicht Schule macht. 3. Verfassungsrechtliche

Verwirklichung

des Anliegerrechts

Im Ergebnis gewährleistet die Eigentumsgarantie, daß sowohl den privaten als auch den gewerblichen Anliegern die Möglichkeit verbleibt, ihr Grundstück bzw. ihren Gewerbebetrieb „beliefern" zu können. Mit Art. 14 Abs. 1 GG können die Anlieger Eingriffe in ihr Anliegerrecht abwehren. Die anderslautenden straßenrechtlichen Vorschriften sind insoweit verfassungskonform auszulegen 3 4 6 . Mag der Straßenanlieger auch keinen Anspruch auf Beibehaltung der Straße mit ihrem derzeitigen Widmungsinhalt haben, so gewährt ihm die Eigentumsgarantie als Bestandsgarantie aber die Rechtsmacht, Eingriffe in sein Anliegerrecht abzuwehren und damit rechtswidrige Teileinziehungsverfügungen zu bekämpfen 347 . Eine abweichende Beurteilung kann sich auch nicht auf die gleichfalls vorgesehenen Entschädigungsregelungen stützen 348 : Art. 14 Abs. 1 GG erlaubt es nicht, eigentumsrechtlich geschützte Positionen grundsätzlich von einer Bestandsgarantie auf eine bloße Wertgarantie zu reduzieren 349 . Der Praxis des „dulde und liquidiere" ist spätestens seit dem Naßauskiesungsbeschluß des BVerfG die Grundlage entzogen worden 350 . Allein bei einer zulässigen Ent345

So das Fazit zur Anliegerrechtsprechung von Steiner, DVB1. 1992, 1362 (1367). 346 Ygj ^azu schon oben, S. 83 sowie Maurer, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 115 (137 ff.). 347 VGH Bad.-Württ., DÖV 1982, 206 (207). 348 Vgl. § 17 Abs. 2 StrG BW; § 14a Abs. 2 i.V.m. § 20 Abs. 5 StrWG NW; § 39 Abs. 2 und Abs. 3 RhPfStrG. 349 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 571; unzutreffend Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 99, der den Eigentumsschutz des Anliegers generell auf eine bloße Wertgarantie reduzieren will; ihm folgend Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 84. 350 BVerfGE 59, 300 (322 ff.); Böhmer, NJW 1988, 2561 (2564); ausführlich zur Auswirkung des Naßauskiesungsbeschlusses auf die Entschädigungsrechtsprechung der

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

eignung wandelt sich die Bestandsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 3 GG in eine Wertgarantie um, während das Eigentumsrecht im übrigen die Rückgängigmachung der Beeinträchtigung verlangt. Die Anlieger können und müssen daher kraft ihres Eigentumsrechts im Wege des Primärrechtsschutzes darauf dringen, daß ihnen die Möglichkeit erhalten bleibt, ihre Grundstücke zu beliefern. Die hier skizzierten unabweisbaren Belange der privaten und gewerblichen Anlieger genießen damit über die Eigentumsgarantie absolute Schutzwirkung. Wird diesen Belangen nicht durch gleichlautende Ausnahmeregelungen Rechnung getragen, so liegt ein Abwägungsfehler vor, den die Betroffenen sowohl gegenüber der Teileinziehungsverfügung als auch gegenüber Festsetzungen in einem Bebauungsplan geltend machen können. Darüber hinausgehende Anliegerinteressen - zum Beispiel das Interesse an einer unbeschränkten Zulassung des Anliegerverkehrs oder des Kundenverkehrs - sind zwar nicht zur notwendigen Grundversorgung zu zählen und nehmen daher auch nicht an der eigentumsrechtlichen Kerngewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG teil. Gleichwohl bilden sie aber abwägungsrelevante private Belange, die in jede Abwägung eingestellt werden müssen und sich auf diesem Weg gegenüber dem öffentlichen Interesse an der umfassenden innerstädtischen Verkehrsberuhigung durchsetzen können 3 5 1 . 4. Einfachgesetzliche

Verwirklichung

des Anliegerrechts

Rechtstechnisch wird mit der eigentumsrechtlichen Anerkennung der Anliegerbedürfnisse eine Ausnahmeregelung erforderlich, die schon in der straßenrechtlichen Teileinziehung vorgesehen sein muß, da eine nachträgliche Zulassung auf straßenverkehrsrechtlicher Grundlage nicht möglich i s t 3 5 2 . Dagegen kann die Frage der Benutzungszeiten sowohl straßenrechtlich als auch straßenverkehrsrechtlich vorgegeben werden 353 . Allerdings verlangt die Rechtmäßigkeit der straßenrechtlichen Teileinziehung eine umfassende Problembewältigung, so daß eine Verfügung, die sich nur darauf beschränkt, für den Umfang des Anliegerverkehrs auf das Straßenverkehrsrecht zu verweisen, schon wegen mangelnder Auseinandersetzung mit den Anliegerinteressen angreifbar sein dürfte 3 5 4 . Unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten können auf der Grundlage des § 45 StVO gegebenenfalls aber noch weitreichendere Einschränkungen, insbesondere zum Schutz der Sicherheit der Fußgänger, getroffen werden. Die Zivilgerichte Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 180 ff.; Nüßgens/Boujong, Eigentum, Sozialbindung, Enteignung, S. 190 ff., 168; zu den Auswirkungen auf die Entschädigungsrechtsprechung bei Anliegerbeeinträchtigungen Achterberg, JA 1984,216 (218 ff.). 351 Vgl. BVerwG, DÖV 1984, 426 (427); NJW 1988, 432 (433); OVG Bremen, AgrarR 1993, 367 (367 f.); OVG Berlin, NVwZ-RR 1994,10 (12) sowie Steiner, DVB1. 1992, 1362(1367). 352 Dazu schon oben, S. 40 ff. 353 Peine, JZ 1994, 522 (524). 354 Gailus/Verleger, JuS 1989, 395 (401).

Β. Freizügigkeit, Art. 11 GG

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Eigentumsgarantie gibt hier nur als äußerste Grenze vor, daß Lieferverkehr überhaupt zugelassen wird. Eine zeitliche Begrenzung auf die frühen Morgenstunden vor Geschäftsbeginn oder den späten Abend bleibt aber mit den grundrechtlich geschützten Anliegerinteressen vereinbar. Gestützt auf § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nrn. 3 und 4 StVO kann der gewerbliche und private Anlieferungsverkehr durch ein Zusatzschild gemäß Zeichen 242 Nr. 2 zu § 41 StVO zugelassen werden. Soweit allerdings unter „Lieferverkehr" weder die gewerblichen Lieferungen für und zu Privaten 355 noch die rein privaten Transporte 356 von Gegenständen verstanden werden, muß der private Anlieferverkehr durch ein weiteres Zusatzschild erlaubt werden.

B. Freizügigkeit, Art. 11 GG Der Zusammenhang zwischen Mobilitätsinteressen und dem Grundrecht der Freizügigkeit ist schon darin zum Ausdruck gekommen, daß die grundrechtliche Gewährleistung des Art. 11 Abs. 1 GG zur Begründung der institutionellen Garantie des Gemeingebrauchs herangezogen wurde 3 5 7 . Soweit Mobilität und Bewegungsfreiheit unerläßliche Voraussetzungen für die Freiheit sind, Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, bekräftigt Art. 11 GG die institutionelle Anerkennung eines Kernbestandes an Straßen, an dem sich das Recht auf Gemeingebrauch entfalten kann. Unzweifelhaft verfestigt die Freizügigkeit damit die verfassungsrechtliche Anerkennung von Mobilitätsbedürfnissen. Dieser institutionelle Beitrag des Art. 11 GG berechtigt aber nicht zu dem Umkehrschluß, daß damit auch jede Form von Mobilität in den abwehrrechtlichen Schutzgehalt der Freizügigkeit fällt. Ob Verkehrsbeschränkungen überhaupt und innerstädtische Fahrverbote im besonderen mit Art. 11 Abs. 1 GG abgewehrt werden könnnen, hängt allein davon ab, ob sich diese Beschränkungen als Einbußen an Freizügigkeit im Sinne der Grundrechtsgewährleistung verstehen lassen.

355

So OVG Lüneburg, VerkMitt 1981, 54 (55); anderer Auffassung aber BVerwG, JZ 1994, 520 (522) und nunmehr auch Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 39 StVO Rdnr. 31a. 356

So BVerwG, JZ 1994,520 (522); KG, VRS 62, 65 (66); OVG Lüneburg, VerkMitt 1981, 54 (55); Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht, § 39 StVO Rdnr. 31a; Mühlhaus/Janiszewskl Straßenverkehrsrecht, 13. Aufl. 1993, § 2 StVO Rdnr. 19 sowie § 12 StVO Rdnr. 37a. 357

Siehe schon oben, S. 86 sowie für Art. 11 GG insbes. Erichsen, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 65; Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 98 f.; Mußgnug, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 81 (89).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

I. Der Schutzgehalt der Freizügigkeit Das Grundgesetz selbst enthält keine Begriffsbestimmung der Freizügigkeit. In Anlehnung an Art. I l l W R V 3 5 8 wird unter Freizügigkeit auch heute noch die Freiheit verstanden, „an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen." 359 Für Umzüge in das künftig „autofreie" Stadtgebiet sind die Berührungspunkte mit der von Art. 11 GG geschützten Freiheit von Ortswechseln besonders offensichtlich. Je nach dem, wie weit der Begriff des Aufenthalts zu verstehen ist, könnten sich Berufspendler bei der Fahrt zu ihrem innerstädtischen Arbeitsplatz genauso auf das Grundrecht der Freizügigkeit berufen wie Durchreisende und Touristen, die im Innenstadtkernbereich übernachten, einkaufen oder Freunde besuchen wollen. Hat die Rechtsprechung bislang wenig Anlaß gehabt, sich mit der Reichweite des Art. 11 GG auseinanderzusetzen 360, so bietet das wissenschaftliche Schrifttum ein facettenreiches Bild bei dem Versuch, der grundgesetzlich gewährleisteten Freizügigkeit mehr Kontur zu verleihen. Bislang scheint Konsens aber allein darüber erzielt worden zu sein, daß Art. 11 Abs. 1 GG nicht jede Ortsveränderung unabhängig von Zweck und Dauer des Aufenthalts schützt. Manche klammern die „Reisefreiheit" pauschal aus Art. 11 GG aus 3 6 1 , andere betonen die Dauer des Aufenthalts und wollen eine Berührung der Freizügigkeit erst bei einem „mehr als flüchtigen Aufenthalt" 362 , bei einem „Ortswechsel von einiger Bedeutung und Dauer" 3 6 3 oder erst bei einer Übernachtung 364 annehmen. Worin auch immer der grundrechtliche Gehalt der Freizügigkeit gesehen wird, es 358

Nach Art. 111 WRV v. 11. 8. 1919 (RGBl. S. 1383) erfaßt die Freizügigkeit der Person das Recht, „sich an beliebigem Orte des Reichs aufzuhalten und niederzulassen". 359 St. Rspr., BVerfGE 2, 266 (273); 43, 203 (211); 80, 137 (150); auch BVerwGE 3, 308 (312); Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rdnr. 11; Randelzhofer, in: BK, GG, Art. 11 Rdnr. 19. 360 Das BVerfG hat zwar in mehreren Entscheidungen Art. 11 GG angesprochen, sich aber nur in zwei Fällen näher mit dem Schutzgehalt der Freizügigkeit auseinandersetzen müssen; vgl. die Nachweise bei Dicke, in: v. Münch (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rdnr. 1 und insbes. die schmale Kommentierung von Art. 11 GG in Leibholz/ Rinck/Hesselberger, Grundgesetz-Kommentar. 361 BVerfGE 6, 32 (34 f.); so auch noch Diirig, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, S. 506 (513 f.). Mittlerweile spricht sich Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 11 Rdnrn. 36 ff. aber nachdrücklich gegen eine solche finale Einschränkung aus; so auch Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, §131 Rdnr. 29; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 11 Rdnr. 14; Model/Müller, GG, Art. 11 Rdnr. 1; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 11 Anm. 3. 362 Rittstieg, in: AK, GG, Art. 11 Rdnr. 32; vgl. auch Dicke, in: v. Münch (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rdnr. 8, der nur Ortsveränderungen „von gewisser Dauer" unter die Freizügigkeit subsumiert wissen will; ähnlich Antoni , in: Seifert/Hömig, GG, Art. 11 Rdnr. 3. 363 Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 131 Rdnr. 25; vgl. auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 879: „Mindestmaß an Bedeutung oder Dauer". 364 Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, 1970, S. 44; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11 Rdnr. 2.

Β. Freizügigkeit, Art. 11 GG

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werden aber stets Autofahrten denkbar bleiben, für die - wegen der intendierten Dauer des Aufenthaltes - Art. 11 Abs. 1 GG grundrechtlichen Schutz bieten könnte. Dies gilt um so mehr, als zu Recht auf die Willkürlichkeit dieser zeitlichen Untergrenzen hingewiesen wird, so daß Art. 11 GG eigentlich auf jeden Ortswechsel erstreckt werden müsse 365 . Da jeder Ortswechsel mit irgendeiner Form von Verkehr, häufig mit Straßenverkehr verbunden ist, könnte das Grundrecht der Freizügigkeit so zum vielleicht vorrangigen Prüfungsmaßstab für verkehrsbeschränkende Maßnahmen avancieren. Auch wenn Art. 11 GG danach sehr vielversprechend für den Schutz der Auto-Mobilität erscheint, so verbietet sich aber dennoch eine vorschnelle AbStützung auf die Freizügigkeit, denn mit innerstädtischen Verkehrsbeschränkungen wird es den Betroffenen nicht verwehrt, Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen. Der Ortswechsel selber wird nicht unterbunden. Die Betroffenen werden allenfalls im Hinblick auf die Erreichbarkeit ihres Wohnsitzes auf andere Verkehrsmittel, im Zweifel auf den Weg zu Fuß, verwiesen. Schutz gerade der Auto-Reise oder der Auto-Anfahrt kann das Grundrecht des Art. 11 Abs. 1 GG aber nur gewährleisten, wenn in der Freizügigkeit zugleich die Verkehrsmittelfreiheit garantiert sein sollte. II. Verkehrsmittelfreiheit als „Ausstrahlung" der Freizügigkeit? Die Überlegung, solche Freiheitsbereiche, die die Voraussetzung für die Ausübung einer anderen Freiheit sind, über die „originäre" Freiheitsgewährleistung mitzuschützen, ist nicht neu. So wie die Nutzungsgarantie des Eigentums die Grundlage für die Anerkennung des gleichfalls über Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Anliegerrechts bildete, ließe sich die Bewegungsfreiheit und damit auch die Fortbewegung mit dem Auto als „Ausstrahlung" unter den Schutzgehalt der Freizügigkeit fassen. Doch bei näherem Hinsehen hinkt der Vergleich. Wenn im Rahmen von Art. 14 GG gefordert wurde, auch die Zugänglichkeit des Grundstücks mit dem Auto als „Ausstrahlung" des Eigentums zu schützen, so geschah dies nur in dem Rahmen, wie sich die Auto-Mobilität als unerläßlich für die Eigentumsnutzung erwies 366 . Art. 14 GG wurde dadurch aber nicht zu einer Verbürgung der Verkehrsmittelfreiheit. Vielmehr sind über Art. 14 GG Mobilität und Verkehrsmittelfreiheit nur in dem Maße mitgeschützt, wie dies die primäre Freiheitsgewährleistung, die Freiheit zur Nutzung des Grundeigentums, erfordert. Mit dieser Argumentation ließe sich die Verkehrsmittelfreiheit und damit ein „Recht auf Ortswechsel mit dem Auto" also nur soweit in Art. 11 Abs. 1 GG hineinlesen, wie die Nutzung des Autos unerläßlich wäre für die Möglichkeit, Aufenthalt und Wohnsitz zu wählen. 365

Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 11 Rdnr. 14; Pieroth, JuS 1985, 81 (83); Randelzhofer, in: BK, GG, Art. 11 Rdnr. 26; Ronellenfitsch, DAR 1992,321 (322 Fn. 27). 366 Vgl. oben, S. 74 ff.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Mag das Auto auch eine besonders angenehme und effektive 367 Freizügigkeit gewährleisten - unerläßlich für die Ausübung der Freizügigkeit ist es aber nicht. Die Freiheit, Aufenthalt und Wohnsitz innerhalb des Bundesgebietes zu wählen, erfordert die Möglichkeit, den Aufenthalts- und Wohnsitzort auch tatsächlich zu ändern, sonst liefe die Freizügigkeit leer zu einem formalisierten, allein theoretisch bestehenden Recht. Ein solcher Wohnsitz- und Aufenthaltsortswechsel verlangt aber nur Bewegungsfreiheit in dem Sinne, daß die gewünschten Zielorte überhaupt erreichbar sind. Die Erreichbarkeit und der Zugang zum gewünschten Aufenthaltsort müssen damit als „Ausstrahlung" über die Freizügigkeit mitgeschützt werden 368 . Solange dies aber gewährleistet ist, garantiert Art. 11 Abs. 1 GG nicht noch darüber hinaus, daß jeder Zielort auch mit jedem Verkehrsmittel angesteuert werden kann. Wird ein Fahrverbot für den engeren Innenstadtbereich ausgesprochen, so können die Betroffenen daher auf das Fahrrad und auf den Fußweg verwiesen werden, ohne daß die grundsätzliche Möglichkeit, Aufenthalt und Wohnsitz innerhalb des für den Innenstadtverkehr gesperrten Bereichs zu wählen und zu erreichen, angetastet würde. Allein der Umzug in die Sperrzone mag hier eine andere Wertung nahelegen 369 . Der künftige Anlieger kann aber schon kraft seines Anliegerrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG darauf dringen, eine Zufahrtberechtigung für ein eigenes Fahrzeug oder für einen Möbellieferwagen zu erhalten 370 . Dieses Interesse der künftigen Anlieger ist als eine spezifische Ausprägung des Anliegerrechts zu werten, so daß sich die Eigentumsgarantie hier insoweit als spezieller gegenüber der Freizügigkeit erweist. Auch der Hinweis auf die „Vermögensmitnahmefreiheit" legt kein anderes Ergebnis nahe. Nach ihren Verfechtern soll die Mitnahme des beweglichen Vermögens gleichermaßen unter den Schutz der Freizügigkeit gestellt werden wie die bloße Zufahrt 3 7 1 . Ein innerstädtisches Fahrverbot untersagt aber nicht die Mitnahme von Hab und Gut in die künftig gesperrte Innenstadt, sondern beschränkt lediglich die Möglichkeit, die dort gelegenen Grundstücke mit dem Auto zu erreichen. Schließlich gerät das Anliegerrecht schon deshalb nicht in Konflikt mit dieser „Vermögensmitnahmefreiheit", weil das Anliegerrecht als Ausfluß des Grundeigentums - und nicht des Eigentums an beweglichen Sachen - geschützt ist. Die für einen Umzug in die Sperrzone unerläßliche Auto-Mobilität ist daher schon mit der Eigentumsgarantie umfassend und speziell verbürgt, so daß auch im Geltungsbereich des Fahrverbots die Möglichkeit besteht, Wohnsitz und Aufenthalt im Sinne des Art. 11 Abs. 1 GG zu nehmen. 367 So Ronellenfitsch, Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Vorbemerkungen zur Mobilität mit dem Auto, 1994, S. 43. 368 Pieroth, JuS 1985, 81 (83). 369 Vgl. Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (322 f.). 370 Siehe oben, S. 76 ff. 371 So Dürigy in: Maunz/Dürig, GG, Art. 11 Rdnm. 19 ff.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 11 Rdnr. 5; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 61 ff.; Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnr. 889; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 11 Rdnr. 36; krit. Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), GG, Art. 11 Rdnr. 17.

Β. Freizügigkeit, Art. 11 GG

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Im Ergebnis verbürgt Art. 11 GG daher lediglich die Erreichbarkeit des Zielortes, während die Art und Weise der Fortbewegung selbst nicht Gegenstand der grundrechtlichen Freizügigkeit sind 3 7 2 . Solange alternative Verkehrsmittel und damit alternative Zugangsmöglichkeiten bestehen bleiben, kann Art. 11 GG nicht als Prüfungsmaßstab für Verkehrsbeschränkungen herangezogen werden. So wenig die Rechtsprechung bislang Parkverbote 373 oder die Aufstellung von Parkuhren 374 an Art. 11 GG gemessen hat, so wenig berühren Regelungen des Straßenverkehrs die Freizügigkeit 375 . Da auch ein flächendeckendes Innenstadtfahrverbot die Zugänglichkeit und Erreichbarkeit der in dieser Sperrzone liegenden Grundstücke nicht in Frage stellt, ist schon der Schutzbereich der Freizügigkeit nicht berührt. Die Richtigkeit dieses Ergebnisses mag auch ein Blick auf den Schrankenvorbehalt des Art. 11 Abs. 2 GG bestätigen 376 . Eine Rechtfertigung für Beschränkungen des Autoverkehrs ließe sich kaum unter die Erfordernisse der besonderen Hilfsbedürftigkeit, der Gefahrenabwehr für den Bestand von Bund und Ländern oder unter den Kriminalvorbehalt subsumieren. Mag das Grundrecht der Freizügigkeit auch ein hohes Maß an Bewegungsfreiheit und Mobilität voraussetzen, so sind diese Voraussetzungen abwehrrechtlich jedoch genauso wenig geschützt wie die sonstigen ökonomischen und gesellschaftlichen Grundbedingungen. Es erscheint als eine Selbstverständlichkeit, daß sich niemand auf Art. 11 Abs. 1 GG berufen kann, wenn seine Freizügigkeit faktisch dadurch eingeschränkt wird, daß er an dem Ort seiner Wahl nicht den gewünschten Beruf ausüben kann oder keinen Wohnraum findet 3 7 7 . Die Freizügigkeit erweist sich damit als ein Grundrecht, das in besonderem Maße auf andere Verfassungswerte angewiesen ist, diesen aber selbst keinen abwehrrechtlichen Schutz verleiht. Die Mobilität ist damit nur ein Beispiel für 372

So BVerfGE 80,137 (150); Dicke, in: v. Münch (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rdnr. 8; Pieroth, JuS 1985, 81 (83); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 880. 373 VGH Kassel, NJW 1964, 564. 374 OLG Frankfurt, NJW 1955, 1768. 375 Dicke, in: v. Münch (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rdnr. 8; Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 131 Rdnr. 37; Pieroth, JuS 1985, 81 (83); Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 880; Randelzhofer, in: BK, GG, Art. 11 Rdnr. 29. 376 So Dicke, in: v. Münch (Hrsg.), GG, 2. Aufl. 1981, Art. 11 Rdnr. 8 und schon Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 46 ff. sowie Randelzhofer, in: BK, GG, Art. 11 Rdnrn. 30 f.; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 11 Rdnr. 32. Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß der Schutzbereich eines Grundrechts nicht allein aus den Beschränkungsvorbehalten entwickelt werden darf. Damit würde die gebotene grundrechtsfreundliche Auslegung in ihr Gegenteil, die „einschränkungsfreundliche" Auslegung, verkehrt. Ein Blick auf die Schrankenvorbehalte kann daher allenfalls eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle im Hinblick auf die systematische oder teleologische Schlüssigkeit einer Schutzbereichsauslegung bedeuten. 377 BVerwG, GewArch. 1966,140; OLG Neustadt DVB1. 1951, 322; Hailbronner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 131 Rdnr. 38; Pieroth, JuS 1985, 81 (83); Randelzhofer, in: BK, GG, Art. 11 Rdnrn. 23 f.; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 11 Rdnrn. 40 ff.; auch Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, S. 37 ff.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

den Unterschied zwischen grundrechtlich geschützter Freizügigkeit und „effektiver" Freizügigkeit.

C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG Ähnlich wie die Freizügigkeit zählt auch die Versammlungsfreiheit zu den Grundrechten, die in besonderem Maße von den Mobilitätsmöglichkeiten der Bürger abhängig sind 3 7 8 . So wäre die Freiheit, sich unter freiem Himmel versammeln zu können, nur unvollständig gewährleistet, gäbe es nicht auch öffentlichen Straßenraum, der für Versammlungen und insbesondere Demonstrationszüge genutzt werden kann. Daneben ist jede Versammlung auf die Zugänglichkeit des Versammlungsortes - sei es unter freiem Himmel oder in geschlossenen Räumen - angewiesen. Auf der anderen Seite berühren Kundgebungen und Demonstrationen auch die Mobilitätsinteressen Dritter, die mit der Versammlungsfreiheit in Einklang gebracht werden müssen. I. Auto-Mobilität im Vorfeld der Versammlung Das BVerfG hat mit dem Brokdorf-Beschluß 379 den Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit auch auf den Weg und die Anfahrt zur Versammlung erstreckt. Schon die Ansammlungssphase, das faktische Sich-VersammelnKönnen genießt den abwehrrechtlichen Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG und verbürgt so die Erreichbarkeit und ungehinderte Zugänglichkeit der Versammlung 3 8 0 . Da die anreisenden Teilnehmer noch keine Versammlung im Sinne des Art. 8 Abs. 1 GG bilden 3 8 1 , läßt sich die Einbeziehung der Anreise in den Schutzgehalt der Versammlungsfreiheit nur dadurch erklären, daß die Anreise als „Werden" des eigentlichen grundrechtlichen Sachverhalts in den abwehrenden Grundrechtstatbestand aufgenommen wurde 3 8 2 . Diese zeitliche Vorverlagerung des Grundrechtsschutzes ruht genauso wie die Ausdehnung der Mei378 Vgl. Ronellenfitsch, Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Betrachtungen zur Mobilität mit dem Auto, S. 38 ff. 379 BVerfGE 69, 315 (349) = NJW 1985, 2395 = NVwZ 1985, 898. 380 VG Schleswig, NVwZ-RR 1990, 190 (191); VG Hamburg, NVwZ 1987,829 (830) - „Hamburger Kessel"; Alberts , NVwZ 1988, 224 f.; Birk, JuS 1982, 496 (499); DieteU Gintzel/Kniesel, VersG, § 1 Rdnr. 53; Gallwas, JA 1986, 484 (486); Hoffmann-Riem, AK, GG, Art. 8 Rdnr. 24; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rdnr. 18; Kniesel, NJW 1992, 857 (860); v. Mutius, Jura 1988, 29 (38). 381 VG Hamburg, NVwZ 1987, 829 (830); Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 18; vgl. auch Hofmann, NVwZ 1987, 769 (769), der daraus allerdings die Konsequenz zieht, die Anreise aus dem Schutzbereich des Art. 8 GG auszuklammern. 382 Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 16 ff., für die Versammlungsfreiheit S. 88 f.; vgl. auch Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 670 f.

C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG

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nungsäußerungsfreiheit um die Freiheit der MeinungsWWw/zg383 oder die Erweiterung des Art 4 Abs. 1 GG um die Glaubens- und Gewissensbildung 3* 4 auf dem Gedanken, daß der grundrechtliche Schutz unvollständig bleibt, so lange er nicht auch auf diejenigen Phasen vorbereitenden Verhaltens erstreckt wird, die sich als mindestens genauso sensibel für hoheitliche Eingriffe erweisen wie der eigentliche grundrechtlich geschützte Freiheitsraum 385 . Freilich verbürgt die Versammlungsfreiheit ein Recht auf Zugänglichkeit der Versammlung gerade mit dem Auto genauso wenig wie das Grundrecht der Freizügigkeit 386 . Unter dem Gesichtspunkt des Vorfeldschutzes berühren innerstädtische Verkehrsbeschränkungen daher schon nicht den Schutzgehalt von Art. 8 Abs. 1 GG. Π . Auto-Mobilität als Ausfluß des Straßenbenutzungsrechts von Versammlungen Wie ist aber der Fall zu beurteilen, daß die Versammlung selbst den innerstädtischen Straßenraum mit Kraftfahrzeugen nutzen will, so zum Beispiel eine Kraftfahrzeug-Demonstration zu einem in der Fußgängerzone gelegenen Ort? 3 8 7 Damit ist die Frage berührt, ob das Grundrecht der Versammlungsfreiheit ein eigenständiges, von der straßenrechtlichen Widmung losgelöstes Straßenbenutzungsrecht zu begründen vermag. 1. Inhalt und Umfang des Straßenbenutzungsrechts: Kraftfahrzeug-Demonstration im Fußgängerbereich Versammlungen unter freiem Himmel sind ohne die Nutzung öffentlichen Straßenraums kaum denkbar. Gerade in den Städten, die der wichtigste Veranstaltungsort für Demonstrationen sind, sind unbebaute Flächen Privater, die überhaupt für Demonstrationszwecke geeignet wären, eine Seltenheit. Nur etwa 2% der Versammlungen werden laut Angaben der Versammlungsbehörde München auf sonstigen Flächen abgehalten 388 . In der Regel jedoch werden Versammlungen unter freiem Himmel daher auf öffentlichen Straßen veranstal383 Hoffmann-Riem, in: AK, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 16; Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 57 f., 67 ff.; Ridder, Meinungsfreiheit, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, 1954, S. 243 (265). 384 Preuß, in: AK, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rdnrn. 16,40. 385 Vgl. Faber, Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung, 1968, S. 59 ff., 71 ff. für die Phase der Willensbildung. 386 Vgl. schon oben, S. 93 f. 387 So Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (448) für eine KraftfahrzeugDemonstration zu einer in einer Fußgängerzone gelegenen Geschäftsstelle des ADAC. 388 Vgl. Βairi- Vas lin y Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht, S. 154 Fn. 49. 7 Röthel

Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

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t e t 3 8 9 . Ohne diese Möglichkeit müßten Versammlungen auf die Felder vor der Stadt verwiesen werden und könnten damit den von Art. 8 GG als Kommunikationsgrundrecht besonders geschützten Beitrag zum öffentlichen Diskurs überhaupt nicht leisten. Daß Versammlungen öffentlichen Straßenraum in Anspruch nehmen, ist damit nicht nur eine Modalität der Versammlungsfreiheit, sondern die von Art 8 Abs. 1 GG geschützte Grundrechtsausübung ist notwendig straßenbezogen. Daher ist es nur konsequent, wenn das BVerfG aus Art. 8 Abs. 1 GG ein eigenständiges Benutzungsrecht herausliest: Die Versammlungsfreiheit gewährleistet ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Versammlung und schließt „insoweit ein Recht zur Mitbenutzung der im Allgemeingebrauch stehenden Straße e i n " 3 9 0 . Freilich umfaßt dieses Benutzungsrecht weder private Flächen noch solche Flächen, die in öffentlichem Anstaltsgebrauch stehen und damit gerade nicht als öffentliche Sachen dem Gemeingebrauch gewidmet sind 3 9 1 . Als sich das BVerwG mit der Frage auseinandersetzen mußte, ob Demonstrationen auch ein Recht darauf haben, ihre Versammlung auf der Hofgartenwiese in Bonn anzuberaumen, hat es daher zutreffend darauf verwiesen, daß die Hofgartenwiese überhaupt nicht zu gemeingebräuchlicher Nutzung gewidmet ist, sondern als öffentliche Einrichtung i. S. von § 18 Abs. 2 GO NW nur ein Benutzungsrecht nach vorhergehendem Zulassungsakt kennt 3 9 2 . Diese Entscheidung steht daher vollständig im Einklang mit der verfassungsgerichtlichen Judikatur zum Straßenbenutzungsrecht von Versammlungen. Gleiches gilt für die deutliche Aussprache des BVerwG gegen eine Leistungsdimension der Versammlungsfreiheit 393. Soweit es sich aber um öffentlichen Straßenraum handelt, bleibt immer noch fraglich, ob dieses grundsätzlich anzuerkennende Benutzungsrecht auch solche Nutzungsinteressen erfaßt, die über die widmungsrechtlichen Beschränkungen hinausgehen, wie hier eine Kraftfahrzeug-Demonstration in einer allein dem Fußgängerverkehr gewidmeten Zone. Schließlich ist für den umgekehrten Fall 389

Vgl. Gallwas, JA 1986, 484 (492); v. Mutius, Jura 1988, 79 (87);. BVerfGE 73, 206 (249) - Sitzblockaden; BVerwG, NJW 1989, 2411 f.; VGH Kassel, NJW 1988, 2125; so ausführlich Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht, S. 152 ff. und schon Füßlein, Vereins- und Versammlungsfreiheit, in: Neumann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. II, S. 453; siehe i.ü. Dietel/Gintzel/Kniesel, VersR, § 15 Rdnr. 8; Frowein, NJW 1969, 1081 (1084); Gallwas, JA 1986, 484 (492); Lorenz, JuS 1993, 375 (376); Quilisch, Die demokratische Versammlung, 1970, S. 180; Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 109 m.w.N. und S. 171; Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (448); Wimmer, MDR 1968, 280; krit. Merten, Demonstrationen unter dem Gesetz, in: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Das Recht auf Demonstrationen, 1969, S. 21, 27. 391 BVerwGE 91, 135 (138 f.); Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (448). 392 BVerwGE 91, 135 (138 f.). 393 BVerwGE 91, 135 (139); vgl. auch Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 8 Rdnm. 41 ff.; krit. Ronellenfitsch, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Betrachtungen zur Mobilität mit dem Auto, S. 41. 390

C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG

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- eine Fußgängerdemonstration auf einer Autobahn - schon wiederholt ausgesprochen worden, daß Art. 8 Abs. 1 GG kein grundrechtliches Benutzungsrecht für solche Straßenflächen begründen könne, die kraft ihrer Widmung nicht dem Fußgängerverkehr geöffnet sind 3 9 4 . Es mag unmittelbar einleuchten, daß Autobahnen nicht zum vorrangigen Aktionsfeld politischer Kundgebungen und Demonstrationen zweckentfremdet werden sollen. Doch die Begründung für diese Beschränkung des versammlungsspezifischen Nutzungsrechts büßt ihre Schlüssigkeit spätestens dann ein, wenn man sich vergegenwärtigt, daß jede Demonstration zwangsläufig den straßenrechtlichen Widmungsrahmen überwinden muß. Demonstrationen bewegen sich schon dadurch außerhalb des widmungsrechtlich Zulässigen, daß sie die Straßen nicht oder nicht nur zu Zwecken des „Verkehrs" im Sinne des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs nutzen. Weder Versammlungen noch Aufzüge sind „Verkehr" im Sinne des Widmungszwecks, da sie nicht oder nicht nur eine Ortsveränderung bezwecken 395 . Genauso wie Demonstrationen auf die Nutzung öffentlichen Straßenraums angewiesen sind, liegt auch die nicht verkehrsübliche Inanspruchnahme im Wesen der Versammlungsfreiheit. Diese Diskrepanz zwischen Straßenrecht und Versammlungsfreiheit bildet heute keinen Anlaß mehr zu juristischen Kontroversen, da jedenfalls im Ergebnis das Straßennutzungsrecht für Versammlungen von der Widmung zu Verkehrszwecken losgelöst wurde. Ob eine Versammlung sich dabei auf einen verfassungskonform interpretierten Gemeingebrauch stützen kann 3 9 6 , ob sie lediglich von der Erlaubnis- und Gebührenpflicht der Sondernutzung befreit wird, oder ob sie ein eigenständiges verfassungsrechtliches Straßennutzungsrecht beansprucht 397 , ist dabei nur von theoretischer Bedeutung, solange Einigkeit darüber besteht, daß die Versammlungsfreiheit nicht dem straßenrechtlichen Verbot mit Erlaubnisvorbehalt unterworfen werden darf. Ungeachtet aller konstruktiven Unterschiede ist das Straßenbenutzungsrecht der Versammlung daher von den straßenrechtlichen Definitionen gemeingebräuchlicher Straßennutzung zu Zwecken des Verkehrs losgelöst worden 3 9 8 . 394

Frowein, NJW 1969, 1081 (1084); Merten, in: Das Recht auf Demonstrationen, S. 55 (61); Ott, VersG, Einf Rdnr. 20; Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (449); Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 172; ausführlich BairlVaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht, S. 212 ff.; für Österreich Ress, in: Demonstration und Straßenverkehr, 1970, S. 102 (130); a. A. Stolzlechner, ZfV 1987, 389 (396 f.). 395 Brohm, JZ 1985, 501 (506); Frowein, NJW 1969, 1081 (1084); Gallwas, JA 1986, 484 (491); Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 620 f.; Müller, Wirkungsbereich und Schranken der Versammlungsfreiheit, 1974, S. 128; v. Mutius, Jura 1988, 79 (87); Wimmer, MDR 1964, 280 (280 ff.). 396 Hess. VGH, NJW 1988, 2125. 397 BVerfGE 73, 206 (249). 398 So Dietel/Gintzel/Kniesel, VersG, § 15 Rdnr. 7; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rdnr. 82; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 143 Rdnr. 58; v. Mutius, Jura 1988, 79 (87); Ossenbühl, Der Staat Bd. 10 (1971), S. 52 (69); a. A.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

In gleicher Weise hat die Versammlungsfreiheit aber auch schon auf die widmungsmäßig verfügten Beschränkungen auf bestimmte Benutzungsarten eingewirkt: Mit jedem Fußgängeraufzug, der über innerstädtische oder überörtliche Straßen zieht, die sonst dem Straßenverkehr offenstehen, wird im gleichen Moment das straßenrechtliche Nutzungsstatut verlassen. Gerade aus der damit verbundenen Beeinträchtigung des Straßenverkehrs ziehen Demonstrationen in der Praxis ihre erhöhte Publikumswirksamkeit, die als Ausdruck kollektiver Willensbetätigung mit der grundrechtlichen Inschutznahme der Versammlung von Art. 8 GG auch intendiert ist. Auf welchen Straßen eine Versammlung oder eine Demonstration stattfindet, entscheidet aber nicht nur über die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Versammlungen können schon durch die Ortswahl den Gegenstand des Protestes sinnlich faßbar machen. Nicht selten hat der Versammlungsort selbst Symbolfunktion 3 9 9 . So ziehen die demonstrierenden Bauern gegen die Landwirtschaftspolitik der Gemeinschaft nach Brüssel, und Kundgebungen für den Ausstieg aus der Kernenergie finden vor Atomkraftwerken oder Zwischenlagerungsstätten statt. Der Kampf um den Versammlungsort Brokdorf war ja auch Ausgangspunkt der ersten großen Entscheidung des BVerfG zur Versammlungsfreiheit überhaupt. Die Wahl des Versammlungsortes ist damit mehr als eine Formsache. Häufig wird sie unmittelbar von der politischen Konzeption der Versammlung getragen. Auch für die Art der Fortbewegung verschwimmen die Grenzen zwischen notwendiger Straßennutzung und Inhalt der Versammlung: Ein Traktoren-Konvoi oder ein Verband von Taxen haben genauso wie eine Kraftfahrzeug-Demonstration auch eine inhaltliche Komponente, denn mit dem gewählten Fortbewegungsmittel wird zugleich der Versammlungsgegenstand berührt. Will sich die Autofahrer-Fraktion in einer Demonstration gegen Verkehrsbeschränkungen zur Wehr setzen, so manifestiert sich ihr Protest auch darin, den Aufzug gerade mit Autos durch einen Fußgängerbereich zu führen - die darin liegende Provokation nimmt der Veranstaltung nicht den Schutz des Art. 8 Abs. 1 GG. Wie aber ist der grundsätzliche Einwand zu bewerten, für die Ausübung der Versammlungsfreiheit genüge auch der Raum, der den Versammlungsteilnehmern normalerweise widmungsgemäß zugänglich ist? 4 0 0 Soweit in dem Straßenbenutzungsrecht für Versammlungen nur eine unerläßliche faktische Voraussetzung für die Grundrechtsausübung gesehen wird, so ist dieser Einwand natürlich durchschlagend. Wäre es für die Ausübung der Versammlungsfreiheit tatsächlich irrelevant, welche bestimmten Straßen ein Aufzug nutzt, so ließe sich eine Aufwertung des Straßenbenutzungsrechts über die Widmung hinaus jedenfalls nicht mit Art. 8 GG begründen. Mit dieser Auffassung wird allerdings der schon aufgezeigte inhaltliche Gehalt der Straßennutzung übersehen. noch Brohm JZ 1985, 501 (507), abgeschwächt in JZ 1989, 324 (329); ausführlich Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht, S. 8 ff. 399 Vgl. BreitbacK NVwZ 1988, 548 (549). 400 So Frowein, NJW 1969, 1081 (1084); dazu auch Winkler, in: ders., Studien zum Verfassungsrecht, 1991, S. 185 (217).

C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG

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Der Schutzgehalt des Art 8 Abs. 1 GG erschöpft sich nicht darin, daß überhaupt Versammlungen unter freiem Himmel stattfinden können. Vielmehr verbürgt die Versammlungsfreiheit ein umfassendes Abwehrrecht gegen staatliche Beeinträchtigungen des Selbstbestimmungsrechts über Art, Ort und Inhalt der Veranstaltung 401 . Das Straßenbenutzungsrecht ist Teil der umfassenden Handlungsfreiheit der Versammlung. Vom Schutzgehalt des Art. 8 Abs. 1 GG ist damit die Nutzung der öffentlichen Straßen nach Wahl der Veranstalter und ungeachtet etwaiger widmungsrechtlicher Beschränkungen verbürgt. Inwieweit den Nutzungsbefugnissen der Versammlung durch die Widmungsverfügungen der Straßenbaubehörden Grenzen gezogen werden, ist im übrigen keine Frage des Schutzbereichs, sondern der Rechtfertigung von Eingriffen. Völlig selbstverständlich werden ja auch die Bannmeilengesetze nicht als verfassungsimmanente Schranken der Versammlungsfreiheit, sondern als besonders zu rechtfertigende Eingriffe verstanden 402 . Für widmungsrechtliche Beschränkungen darf nichts anderes gelten. Sonst würde die Widmung zu einer verfassungsfesten Schutzbereichsbegrenzung des Art. 8 Abs. 1 GG erhoben, ihre Beschränkungen auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzungskreise schlügen durch auf die Dispositionsfreiheit der Versammlung über den Versammlungsort - und grundrechtliche Freiheit würde abgestuft zur einer Freiheit nach Maßgabe des einfachen Rechts 403 . Folgt aus dem Selbstbestimmungsrecht der Versammlung die Freiheit, den öffentlichen Straßenraum ungeachtet etwaiger widmungsrechtlicher Beschränkungen zu benutzen, so muß man auch das Benutzungsrecht einer Kraftfahrzeug-Demonstration für Fußgängerstraßen anerkennen 404 . 2. Schutzwirkung des Straßenbenutzungsrechts Die Anerkennung eines eigenständigen Straßenbenutzungsrechts führt in der Folge allerdings zu einigen Ungereimtheiten, da es mit dem Geltungsanspruch des Straßenrechts und des Straßenverkehrsrechts kollidiert. Daneben findet sich der schon angedeutete Einwand, über diese Hintertür würde Art. 8 GG unzulässigerweise eine Leistungsdimension zugesprochen 405. Dies mag für die Nutzung öffentlicher Einrichtungen oder privater Flächen stimmen, kann aber nicht unbesehen auf die Inanspruchnahme öffentlicher Straßen und Wege übertragen werden 406 . Damit ist die grundsätzliche Frage berührt, mit welcher Begründung 401

Hoffmann-Riem, in: AK, GG, Art. 8 Rdnr. 27. Vgl. Breitbach, NVwZ 1988, 584 (588 ff.); v. Mutius, Jura 1988, 79 (87). 403 So aber Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 172 f.; Frowein, NJW 1969, 1081 (1084). Hier sei wiederum an die von Leisner im Jahr 1964 ausgesprochene Warnung „Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung" erinnert; vgl. schon oben, S. 57 Fn. 184. 404 So Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (448); wohl auch Burgi, DÖV 1993, 633 (638). 405 Brohm, JZ 1985, 501 (507); wohl auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 8 Rdnrn. 42 ff., 79. 406 Burgi, DÖV 1993, 633 (639). 402

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

die Straßennutzung in den Gewährleistungsanspruch der Abwehrrechte hineingelesen werden kann, wenn diese notwendig auf die Nutzung öffentlicher Straßen angewiesen sind. Da diese Problematik im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 GG eher ein Schattendasein führt und vorrangig für die allgemeine Bewegungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG laut wird, soll hier nur der Hinweis genügen, daß sich Straßenbenutzungsrechte zwar nicht ausschließlich in den Kategorien des Abwehrrechts erfassen lassen, als Grundrechtsvoraussetzung aber mit in den negatorischen Gewährleistungsanspruch aufgenommen werden können 4 0 7 . An dieser Stelle bedarf es daher nur noch einer näheren Auseinandersetzung mit dem Geltungsanspruch des Straßenrechts und des Straßenverkehrsrechts. a) Der Geltungsanspruch des Straßenrechts Das von Art. 8 Abs. 1 GG geschützte Straßenbenutzungsrecht für Versammlungen genießt kraft Art. 8 GG Eigenständigkeit gegenüber dem Umfang der straßenrechtlichen Widmung. Versammlungen dürfen Straßen nutzen, obwohl sie damit stets den Widmungszweck, die Nutzung zum „Verkehr", als auch in Sonderfällen den Rahmen der zugelassenen Benutzungsarten überschreiten. Man mag darüber streiten, wie diesem Benutzungsrecht gegenüber dem Geltungsanspruch des Straßenrechts Rechnung zu tragen ist. Ungeachtet aller konstruktiven Unterschiede 408 besteht Einigkeit darüber, daß die Schutzwirkung des Art. 8 Abs. 1 GG im Ergebnis den Geltungsanspruch des Straßenrechts beschränkt, indem der Unterschied zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung nivelliert w i r d 4 0 9 . Damit bedeuten die Straßengesetze weder eine verfassungsimmanente Beschränkung des Normbereichs, noch fungieren sie als Schranke im Sinne von Art. 8 Abs. 2 G G 4 1 0 . Mit anderen Worten: Auch die KfzDemonstration, die durch eine Fußgängerzone ziehen will, kann ungeachtet der straßenrechtlichen Widmungsverfügung ein Benutzungsrecht für den Fußgängerbereich geltend machen. Damit erweisen sich die straßenrechtlichen Einziehungsverfügungen, mit denen die autofreie Innenstadt verfügt werden kann, nicht von vornherein als grundrechtswidrige Beschränkung der Versammlungsfreiheit. In abstracto hindern die straßenrechtlichen Widmungsbeschränkungen keineswegs, daß Versammlungen diese Flächen dennoch in Anspruch nehmen und sich über das angeordnete Benutzungsregime hinwegsetzen. Grundsätzlich ist es den aus Art. 8 Abs. 1 GG grundrechtsberechtigten Autofahrern daher versagt, eine Grundrechtswidrigkeit der straßenrechtlichen Einziehungsverfügungen zu rügen, 407

Vgl. ausführlich unten, S. 164 ff. Zu den unterschiedlichen Auffassungen - genuin verfassungsrechtliches Benutzungsrecht, erlaubnisfreie Sondernutzung oder „kommunikativer" Gemeingebrauch schon oben, S. 99. 409 Ossenbühl, Der Staat Bd. 10 (1971), S. 53 (69). 408

410

Kunigy in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rdnr. 31; Müller y Wirkungsbereich und

Schranken der Versammlungsfreiheit, S. 128 ff.; Schwäble y Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 173; vgl. auch Dietel/Gintzel/Kniesely VersG, § 15 Rdnrn. 7 f.

C. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG

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da es schon an der Normgeltung des Straßenrechts fehlt. Allerdings werden die Grenzen dieses Straßenbenutzungsrechts im Einzelfall sehr sorgfältig zu prüfen sein. Insbesondere verlangt eine solche „übermäßige" Straßennutzung durch die Versammlung einen ordnungsrechtlichen Ausgleich mit den konfligierenden Nutzungsinteressen Dritter, die die Straßen zum Verkehr nutzen wollen. Auch der Schutz der Fußgänger und anderer Verkehrsteilnehmer ruft nach einem Korrektiv für diese weiten Nutzungsbefugnisse der Versammlung. b) Exkurs: Der Geltungsanspruch des Straßenverkehrsrechts Ein solches Korrektiv kann allerdings nicht allein im Straßenverkehrsrecht gefunden werden, denn auch die StVO wird weitgehend durch Art. 8 Abs. 1 GG derogiert 411 . Das grundrechtliche Benutzungsrecht für Versammlungen würde z.B. an die in § 29 Abs. 2 StVO statuierte Erlaubnispflicht für nicht verkehrsübliche Straßennutzungen stoßen, die ausdrücklich den hier interessierenden Fall eines Auto-Konvois in § 29 Abs. 2 Satz 2, 2. HS StVO als übermäßige Nutzung definiert. Gleichwohl kann diese Vorschrift nicht gegen Versammlungen ins Treffen geführt werden, da Art. 8 Abs. 1 GG das durch § 29 Abs. 2 StVO ausgesprochene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt suspendiert 412 . Eine zu § 29 Abs. 2 StVO erlassene Verwaltungsvorschrift bestätigt ausdrücklich dieses Privileg für Versammlungen 413 . Die dadurch entstehende ordnungsrechtliche Lücke wird unter Zuhilfenahme § 15 Abs. 1 VersG geschlossen, der inhaltlich einen ähnlichen Interessenausgleich zwischen dem Straßennutzungsinteresse der Versammlung und den übrigen Verkehrsteilnehmern im Auge hat. Über diesen „Filter" 4 1 4 des § 15 Abs. 1 VersG können Versammlungen unter freiem Himmel verboten oder mit Aufla411 Vgl. zum Umfang dieser Verdrängung der StVO durch das VersG Dietel/Gintzel7 Kniesel, VersR, § 15 Rdnr. 9; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rdnr. 31; Ossenbühl, Der Staat Bd. 10 (1971), S. 53 (70 f.); weitergehend Müller, Wirkungsbereich und Schranken der Versammlungsfreiheit, S. 128 ff., 131 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 797; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 143 Rdnr. 58 und Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 173 ff. 412 BVerwG, NJW 1989, 2411 (2412); LG Hamburg, DVB1. 1952, 314 ff.; BairlVaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht, S. 184 ff.; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, §143 Rdnr. 58; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 8 Rdnr. 31; Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 174; Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (450). 413 Siehe Vwv-StVO IV zu Abs. 2, gleichlautend mit der Vwv zu der Vorgängervorschrift des § 5 StVO: „Öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzüge, für die die Bestimmungen der §§ 14-16 VersG gelten, bedürfen keiner Erlaubnis." Die straßenverkehrsrechtliche Literatur begnügt sich überwiegend mit einem Hinweis auf diese Verwaltungsvorschrift, ohne näher auf das Spannungsfeld zu Art. 8 GG einzugehen; vgl. nur Booß, StVO, § 29 Anm. 2; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 29 StVO Rdnr. 6; Rüth/Berr/Berz, StVR, § 29 StVO Rdnr. 4. Zur Rechtsnatur dieser Verwaltungsvorschrift Seidenstecher, DAR 1995, 95 (97 f.). 414 Müller, Wirkungsbereich und Schranken der Versammlungsfreiheit, S. 131 f.; Kloepfer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 143 Rdnr. 58.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

gen belastet werden, wenn die öffentliche Sicherheit oder Ordnung unmittelbar gefährdet i s t 4 1 5 . Diese Ermächtigung bietet auch die Grundlage für Beschränkungen einer Demonstration mit Kraftfahrzeugen in einem innerstädtischen Fußgängerbereich. Hier kann an Ordnungsauflagen zum Schutz der Fußgänger gedacht werden, die den Kfz-Aufzug darauf verpflichten, nur in einer Spur hintereinander zu fahren, das Rechtsfahrgebot zu verwirklichen und die Einhaltung der Schrittgeschwindigkeit fordern 416 . Einer grundrechtlichen Überprüfung halten diese Auflagen nur stand, wenn der Versammlungsfreiheit im Rahmen der Ermessensentscheidung ausreichend Rechnung getragen wurde. Maßstab bildet auch hier die ursprünglich zu Art. 5 Abs. 1 GG entwickelte Wechselwirkungslehre des BVerfG 4 1 7 . Die Versammlungsbehörde hat demgemäß einen strikt verhältnismäßigen Ausgleich zwischen den Interessen an Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs auf der einen und den Interessen der Versammlung auf der anderen Seite schaffen 418 . HI. Schlußbemerkung Art. 8 Abs. 1 GG entfaltet eine weitreichende Schutzwirkung für die Versammlungs-Mobilität Es vermittelt Versammlungen und Aufzügen unter freiem Himmel ein eigenständiges Straßennutzungsrecht und setzt das straßenrechtliche Nutzungsstatut genauso außer Kraft wie die verkehrsrechtlichen Ordnungsmechanismen. Versammlungen genießen unter dem Vorbehalt des § 15 Abs. 1 VersG damit einen Sonderstatus, der sie gegenüber der allgemeinen Gruppe der Straßennutzer deutlich privilegiert: Von Verfassungs wegen bleiben Versammlungen unter freiem Himmel von widmungsrechtlich verordneten generellen Verkehrsbeschränkungen ausgenommen.

D. Berufsfreiheit, Art. 12 GG Für Volkswirte 4 1 9 und Arbeitsrechtler 420 besteht längst ein deutlicher Zusammenhang zwischen Beruf und Mobilität in Gestalt der Arbeitskräfte- und 415

Vgl. BVerfGE 69,315 (352). Da die Vorschriften der StVO aber hinter § 15 VersG zurücktreten, wird auch die normative Ausformung, die die „Leichtigkeit" des Verkehrs in der StVO erhalten hat, durch die einzelfallbezogenen Anordnungen nach § 15 Abs. 1 VersG verdrängt, so Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (451). 416 Vgl. § 41 Abs. 2 Nr. 5 zu Zeichen 242, Anm. 1 und 2 StVO. 417 Vgl. BVerfG, NJW 1985, 2395 (2397) - Brokdorf. 418 Siehe die konkreten Folgerungen von Schwerdtfeger, in: GS für W. Martens, S. 445 (454 ff.). 419 Vgl. Weißhuhn, Arbeitsmarktstrukturierung und Lohndynamik, 1986, der eine Arbeitsmarkttheorie für das Wechselspiel von Berufsmobilität und Lohn aufstellt; vgl. auch

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erufreiheit, Art.

GG

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Arbeitsplatzmobilität. Dieser Gedanke hat mit dem europäischen Integrationsprozeß eine neue Dimension erfahren. So strebt die Gemeinschaft mit der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Niederlassungsfreiheit der Selbständigen im Gemeinschaftsgebiet zu einer umfassenden „Mobilität des Produktionsfaktors Arbeit" 4 2 1 . Aber auch die Mobilität im ursprünglichen Sinne der freien Fortbewegung und die grundrechtliche Berufsfreiheit können in ein juristisches Spannungsfeld gebracht werden - ob man mit Ronellenfitsch sogar sagen kann, „Berufsfreiheit und Mobilität sind fast schon zwei Seiten einer Medaille" 4 2 2 , mag vorerst dahingestellt bleiben. Der berufliche Interessenschutz der Autofahrer gegenüber Verkehrs- und Mobilitätsbeschränkungen kann schon bei dem Weg zum Arbeitsplatz ansetzen. Unter der Bezeichnung „Pendler" sind diese Autofahrer zu einer besonderen Straßennutzungsgruppe mit eigenständigem Verkehrszweck avanciert, die mittlerweile gezielt von den Verkehrspolitikern ins Visier genommen werden 423 . Daneben kann das Autofahren selbst den Inhalt der beruflichen Betätigung bilden, so für die schon erwähnten Taxifahrer und Kuriere oder auch die Fahrlehrer. In diesen Fällen mögen die mit Verkehrsbeschränkungen intendierten Mobilitätseinbußen in den Augen der Betroffenen sogar völlig hinter die Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit zurücktreten. I. Schutzbereich 1. Auto-Mobilität im Vorfeld der Berufsfreiheit: die Fahrt zur Arbeitsstätte Ein flächendeckendes innerstädtisches Fahrverbot bedeutet für Autofahrer, die in der „Sperrzone" arbeiten oder die durch das Fahrverbot Umwege in Kauf nehmen müssen, eine Einbuße an Auto-Mobilität für den Weg zum bzw. vom Arbeitsplatz. Grundrechtlichen Schutz über die Berufsfreiheit - und nicht als „wirtschaftliche Freizügigkeit über Art. 11 G G " 4 2 4 - genießen diese Interessen Herz/Wiekert-Mayser, Berufliche Mobilität in der Bundesrepublik, 1979; Leibundgut, Die Bedeutung der beruflichen Mobilität als arbeitsmarktlicher Ausgleichsprozeß, 1986. 420 Zur räumlichen und beruflichen Mobilität unter arbeits- und sozialrechtlichen Aspekten Peters-Lange, Zumutbarkeit von Arbeit, 1992; Bieback, Statusschutz und Mobilitätszwang im Sozialversicherungsrecht, DuR 1977,5 (16 ff.). Zum Spannungsfeld von Berufsfreiheit und Mobilitätslenkung durch Staatsleistungen Pitschas, Berufsfreiheit und Berufslenkung, 1983, S. 239 ff. 421 Geiger, EGV, 1993, Art. 48 Rdnr. 2; Oppermann, Europarecht, 1991, S. 454 Rdnr. 1407. 422 DAR 1992, 321 (323). 423 Etwa in Gestalt einer „Pendlerabgabe", deren Einführung das Land Hessen plant; vgl. dazu Wilms , Die Pendler- und Großveranstaltungsabgabe, S. 13 ff.; vgl. auch F.A.Z. v. 22. 12. 1994, „DIW: Pendeln ist zur Normalität geworden". 424 Gegen diese Einordnung unter Art. 12 Abs. 1 GG wurde früher unter Berufung auf Art. I l l WRV vorgebracht, es handele sich um ein Problem der wirtschaftlichen Freizügigkeit, das allein an den Schranken des Art. 11 Abs. 2 GG zu messen sei, so

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

der Autofahrer aber nur dann, wenn schon der Weg zum Arbeitsplatz von der Schutzwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG umfaßt ist. Der Weg zum Arbeitsplatz steht zwar noch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der eigentlichen Berufsausübung. Dennoch betrifft eine staatliche Regelung, die den Zugang zur Arbeitsstätte erschwert oder gänzlich unterbindet, die Möglichkeit, den gewählten Beruf auszuüben, und kann auf die freie Wahl der Arbeitsstätte und in Extremfällen auch auf die Berufswahl zurückwirk e n 4 2 5 . Die Berufsausübungsfreiheit setzt damit die Erreichbarkeit der Arbeitsstätte in ähnlicher Weise voraus, wie die Freizügigkeit und die Versammlungsfreiheit auf die Nutzung öffentlichen Straßenraums zur Grundrechtsausübung angewiesen sind 4 2 6 . Ein öffentliches Straßennetz und ausreichende Mobilitätsmöglichkeiten bilden die notwendigen faktischen Bedingungen für die eigentliche Wahrnehmung der grundrechtlichen Berufsfreiheit. In der Terminologie der Versammlungsfreiheit nimmt der Weg zum Arbeitsplatz damit am Vorfeldschutz der Berufsfreiheit teil. Diese Einsicht mag den Ausschlag dafür gegeben haben, daß sich manche Stimmen in der Literatur zu der Schlußfolgerung haben verleiten lassen, die Berufsfreiheit sei schon dann tangiert, wenn Berufstätige auf dem Weg zum Arbeitsplatz durch Verkehrsbeschränkungen zu Umwegen gezwungen würden 4 2 7 . Dies scheint so selbstverständlich zu sein, daß nach einer Begründung dafür, warum mit der Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes auch die zugegebenermaßen zeitsparende - Erreichbarkeit mit dem Auto über Art. 12 Abs. 1 GG garantiert sei, gar nicht erst gesucht wird. Auch der Gesetzgeber mag diese Vorstellung geteilt haben, als er in dem „Gesetz zur Bekämpfung des Sommersmogs" die Pendler ausdrücklich von dem Fahrverbot für Fahrzeuge ohne Katalysator bei erhöhten Ozonkonzentrationen ausgenommen hat 4 2 8 . Die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes zählt unzweifelhaft zu den faktischen Voraussetzungen, ohne die die Freiheit der Berufsausübung nicht denkbar ist. In konsequenter Parallele zu Art. 11 Abs. 1 GG erschöpft sich die Ausstrahlungswirkung der Berufsfreiheit aber in der Gewährleistung derjenigen Mobilitätsvoraussetzungen, die unerläßlich für die primäre Grundrechtsausübung, die beMerten, Der Inhalt der Freizügigkeitsrechts, S. 68 ff. Das Grundgesetz hat sich aber deutlich für eine Differenzierung zwischen Art. 11 GG und Art. 12 GG ausgesprochen, so daß der Hinweis auf die Entstehungsgeschichte nicht tragfähig ist; daher zutreffend Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnrn. 67 f. 425 Breuer, in: HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 166; Guhelu in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rdnrn. 23 f.; Langwieser, Das Grundrecht der freien Wahl des Arbeitsplatzes, 1967, S. 48. 426 Vgl. schon oben, S. 93 ff., 97 ff. 427 Frank, Verkehrsberuhigung und Verkehrsrecht, S. 28; Randelzhofer t DAR 1987, 237 (245); Steiner, DAR 1994, 341 (346 insbes. in Fn. 60); Wilms , Die Pendler- und Großveranstaltungsabgabe, S. 84 f. 428 Ygj p A ζ γ 15 7 1995 u n c j nunmehr den mit dem „Ozon-Gesetz" neu in das BImSchG eingefügten § 40d Abs. 2 BImSchG; zu dieser Neuregelung schon oben, S. 34 Fn. 67.

D. Berufsfreiheit, Art. 12GG

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rufliche Betätigung, sind 4 2 9 . Mag es auch den Verlust von Annehmlichkeiten bedeuten, wenn in Zukunft die Arbeitsplätze innerhalb der Sperrzone nicht mehr mit Kraftwagen angefahren werden können 4 3 0 , von einer faktischen Unmöglichkeit der Berufsausübung läßt sich damit aber nicht sprechen. Etwas anderes mag nur in dem - wohl theoretischen - Fall gelten, daß Verkehrsbeschränkungen den Arbeitsplatz dauerhaft vom öffentlichen Straßennetz abschneiden und so die Zugänglichkeit des Arbeitsplatzes in Frage stellen, oder aber wenn der Arbeitsplatz nur über einen bestimmten Weg und nur mit einem Verkehrsmittel erreicht werden kann. Dieses Problem mag sich für Bedienstete von Autobahnraststätten und sonstigen Nebenbetrieben an Autobahnen stellen - für den Innenstadtkernbereich sind solche Fälle aber nur schwerlich denkbar, da die Erreichbarkeit jedes Zielortes innerhalb der Sperrzone zu Fuß gewährleistet bleibt. Unerläßlich für die Wahrnehmung der Berufsfreiheit und damit von Art. 12 Abs. 1 GG mitgeschützt ist allein die Erreichbarkeit der Arbeitsstätte 431 . Anders als im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 GG zwingt die Berufsfreiheit für den Weg zum Arbeitsplatz auch nicht zur Anerkennung eines eigenständigen Straßenbenutzungsrechts, da sich der Freiheitsgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG in der beruflichen Betätigung entfaltet - und nicht in der Freiheit, zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln auf dem Weg zum Arbeitsplatz wählen zu können. Ob ein Arbeitnehmer mit dem Fahrrad oder mit dem Auto zum Arbeitsplatz fährt, ist nicht Ausdruck der Freiheit, ungehindert von staatlicher Reglementierung jede nicht gemeinschädliche Tätigkeit zu Erwerbszwecken auszuüben. Die Grenze zwischen Verkehrsmittelfreiheit und freier inhaltlicher Gestaltung der Berufstätigkeit verschwimmt allein dort, wo das Autofahren selbst unerläßlicher Teil der beruflichen Betätigung ist. 2. Auto-Mobilität als Ausdruck der Berufsfreiheit Unzweifelhaft gelangen diejenigen Personen in den Genuß der grundrechtlich verbürgten Berufsfreiheit, für die Auto-Mobilität nicht nur für die Anfahrt zum Arbeitsplatz bedeutsam ist, sondern den Inhalt der Berufstätigkeit selbst bildet 4 3 2 . Zu denken ist vor allem an die Fahrer von Transport- und Beförderungs429

Zur Versammlungsfreiheit schon oben, S. 93 ff.; vgl. auch die Argumentation für den Umfang der Anlieger-Mobilität im Rahmen der Eigentumsgarantie, S. 75 ff. 430 Nur in Ausnahmefällen können Arbeitnehmer auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz innerhalb der Sperrzone das Privileg des Anliegerverkehrs für sich in Anspruch nehmen, dann nämlich, wenn sie zugleich Lieferungen zum Gewerbebetrieb durchführen. Zu diesem kraft Art. 14 Abs. 1 GG zuzulassenden Anliegerverkehr vgl. schon oben, S. 75 ff. 431 Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323); andeutungsweise Salzwedel, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 97 (101), der eine grundrechtliche Absicherung der Straßennutzung u.a. auch in Art. 12 GG verankern will, soweit es „erforderlich ist, um die Freiheitsrechte wirksam ausüben zu können." 432 BVerwG, NJW 1981, 184 (185); krit. Koch, ZfV 1994, 545 (551).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

unternehmen, insbesondere von Taxen und Geldtransporten, sowie von Medikamenten-, Postauslieferungs- und nicht zuletzt von Kurierdiensten. Bei diesen Berufsgruppen besteht die Arbeitsleistung fast ausschließlich im Lenken von Kraftfahrzeugen, das heißt im Autofahren. Hier ist Auto-Mobilität Ausdruck einer auf Dauer angelegten Tätigkeit, die der Schaffung und Unterhaltung ihrer Lebensgrundlage dient und damit als Beruf 4 3 3 im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist. Bei näherer Betrachtung werden hier allerdings Abgrenzungsprobleme sichtbar, da sich die Anfahrt zum Arbeitsplatz und die berufliche Tätigkeit nicht immer leicht voneinander trennen lassen. Einen Grenzfall bilden zum Beispiel Handwerker, Pannendienstfahrer, Handelsvertreter oder Ärzte, für die das Autofahren auf den ersten Blick nur dazu dient, ihre Kunden und damit ihren Arbeitsort zu erreichen. Andererseits ist die Anfahrt zu Auftraggebern und Patienten auch schon wesentlicher Teil ihres Dienstleistungs- und Serviceangebots, das sie sich gesondert vergüten lassen. Besonders deutlich ist dies für Handelsvertreter, deren Beruf insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, daß sie ihre Kunden an deren Wohnsitz oder gewerblicher Niederlassung aufsuchen. Gerade darin unterscheiden sie sich von Verkaufsvertretungen und Agenturen. Der Freiheitsraum grundrechtlich geschützter Berufstätigkeit erfaßt nicht nur die Wahl und Ausübung typisierter Berufsbilder 434 , sondern drückt sich auch in der Freiheit aus, den Inhalt der beruflichen Tätigkeit frei gestalten zu können und das Leistungsangebot nach wirtschaftlichen Zielsetzungen auszudifferenzieren 435 . Auch die individuelle Entscheidung für eine bestimmte atypische Angebotskombination durch Erweiterung oder Spezialisierung der Dienstleistungspalette nimmt der ausgeübten Tätigkeit nicht den Schutz der Berufsfreiheit 4 3 6 . Daher schützt Art. 12 GG selbst solche Hilfstätigkeiten, die überhaupt nicht isoliert, ohne die „Stammtätigkeit" ausgeführt werden können - wovon auch das BVerfG in seiner Entscheidung zur Besteuerung des Werkfernver433

BVerfGE 7, 377 (397); 32, 311 (316); 54, 301 (313); Gubelt, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 12 Rdnr. 8; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rdnr. 4; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnrn. 61 ff.; Rupp, AöR Bd. 92 (1967), S. 212 (218 ff.); SchmidtBleibtreu/Klein, GG, Art. 12 Rdnr. 6; Tettinger, AöR Bd. 108 (1983), S. 92 (94 ff.). 434 BVerfGE 7, 377 (397); 13, 97 (106); 14, 19 (22); 16, 147 (163); 17, 232 (241); 39, 334 (369); Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnrn. 35 ff.; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rdnr. 11; anders aber noch BGH, DVB1. 1953,471 (472); vgl. auch Hamann/Lenz, GG, Art. 12, Anm. Β 2b. 435 Auf der Ebene des Schutzbereichs ist mithin deutlich Abstand von der Berufsbildlehre genommen worden, doch taucht sie bei der vom BVerfG geforderten „berufsregelnden Tendenz" sowie bei der Unterscheidung zwischen „eigenständigem Beruf und bloßer „Berufsmodalität" zur Bestimmung der Eingriffsintensität wieder auf; vgl. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 40; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rdnr. 12; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 918 und 905; Rupp, AöR Bd. 92 (1967), 212 (219 f.); Tettinger, AöR Bd. 108 (1983), S. 92 (98 ff.). 436 Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 66; Tettinger, AöR Bd. 108 (1983), S. 92 (98).

D. Berufsfreiheit, Art. 12GG

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kehrs 4 3 7 ausgegangen i s t 4 3 8 . Auch wenn die Anfahrt der Ärzte oder Handwerker zu ihren Kunden und Patienten erst durch die nachfolgende Dienst- oder Werkleistung wirtschaftlich sinnvoll wird, so zählt die Anfahrt als Hilfstätigkeit dennoch zum Spektrum der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufstätigkeit. Wollen Angehörige dieser Berufsgruppen ihre Kunden innerhalb der innerstädtischen Sperrzone mit Kraftfahrzeugen aufsuchen, so fällt ihre Auto-Mobilität insofern in den Schutzbereich der Berufsfreiheit. Q. Eingriff in den Schutzbereich Der Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots müßte nach dem oben Gesagten einen Eingriff in die Berufsfreiheit darstellen. Blickt man auf die tatsächlichen Auswirkungen, so beeinträchtigt eine solche Auto-Sperrzone etwa die Taxifahrer oder Handelsvertreter in ihrer Berufsausübung, da sie künftig Kunden innerhalb dieser Sperrzone nicht mehr befördern bzw. dort mit dem Auto aufsuchen können. Damit werden sie in aller Regel Umsatzeinbußen erleiden. Unabhängig von diesen finanziellen Aspekten wird aber in jedem Fall von staatlicher Seite auf den Umfang und die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Berufstätigkeit eingewirkt. Gleichwohl läßt sich die Eingriffsqualität bezweifeln, weil das Fahrverbot als eine generell ausgesprochene Verkehrsbeschränkung - alle Autofahrer betrifft und nicht nur solche, für die das Autofahren Teil ihrer beruflichen Tätigkeit ist. Diesen Einwand formulierte jüngst Koch zum tragenden Gedanken seines Plädoyers gegen den Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität 4 3 9 . Nach Koch lassen sich Verkehrsbeschränkungen generell nicht als Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit qualifizieren, da solche „Maßnahmen ganz überwiegend weder eine berufsregelnde Tendenz noch schwerwiegende Beeinträchtigungen der beruflichen Betätigungsfreiheit zur Folge" hätten 440 . Dieser Einwand fußt auf einer keineswegs unbestrittenen Prämisse, nämlich daß die Freiheit der Berufsausübung nur durch besondere hoheitliche Maßnahmen grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen erfahren könne. Damit ist an die Frage nach der Eingriffsqualität von Verkehrsbeschränkungen gerührt.

437

BVerfGE 16, 147 (164). Damit ist auch an die Frage gerührt, ob überhaupt sinnvoll zwischen einer Stammtätigkeit und Nebentätigkeiten oder zwischen „normaler" Berufsausübung und zusätzlichen, untergeordneten Hilfstätigkeiten unterschieden werden kann. Vgl. zu diesem Fragenkreis im Zusammenhang mit dem „Berufsbild" des Notars Knechtel, Das Recht der Notare auf Berufsausübung, 1996, S. 121 ff. 439 Koch, Gibt es ein Grundrecht auf Mobilität?, ZfV 1994, 545 ff. 440 Koch, ZfV 1994, 545 (551). In der anschließenden Würdigung durch Potacs, ZfV 1994, 553 ff. problematisiert dieser den Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität in Österreich gleichermaßen vorwiegend als eine Frage des Grundrechtsschutzes gegen mittelbare hoheitliche Beeinträchtigungen. 438

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

1. Eingriffsqualität allgemein ausgesprochener Verkehrsbeschränkungen Die Frage, welche Beeinträchtigungen einen Eingriff in die Berufsfreiheit auslösen und wie der an Art. 12 Abs. 1 GG zu messende Normenkreis zu bestimmen ist, zählt noch immer zu den Unwägbarkeiten der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 12 Abs. 1 GG. Obwohl sich die klassische Definition des Eingriffs mit ihren Merkmalen der Finalität, Unmittelbarkeit und Rechtsförmlichkeit in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik auf dem Rückzug befindet, nimmt das BVerfG den Regelungsauftrag aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zum Ausgangspunkt dafür, nur solche Beeinträchtigungen der Berufsfreiheit an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, die eine berufsregelnde Tendenz aufweisen. a) Berufsregelnde Tendenz als Eingriffsvoraussetzung des BVerfG Zwar lassen sich schon seit Beginn der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur Berufsfreiheit Entscheidungen finden, die auch solche Vorschriften an Art. 12 Abs. 1 GG messen, die nicht unmittelbar auf eine Beschränkung der Berufsfreiheit abzielen 441 . Vor allem für die gesetzliche Einführung von Abgaben wurde dann aber die Forderung erhoben, sie müßten deutlich eine objektive Tendenz zur Regelung der Berufsfreiheit erkennen lassen 442 . Dies sei insbesondere dann anzunehmen, wenn die angefochtenen Regelungen „in einem engem Zusammenhang mit der Berufsausübung" 443 stünden und so eine „innere oder äußere Verbindung mit der beruflichen Betätigung" 444 begründeten. Dagegen sei eine „lediglich formale" Anknüpfung an eine berufliche Tätigkeit nicht ausreichend 445 . Einschränkend formulierte das BVerfG dazu auch, es genüge nicht die allgemeine Möglichkeit der Beeinträchtigung eines nicht näher bestimmbaren Personenkreises. Vielmehr müsse sich konkret feststellen lassen, wer von den Auswirkungen der Norm selbst oder ihrer Anwendung in seiner Berufsfreiheit betroffen werde 4 4 6 . Später wurde auch von diesen Ausprägungen der objektiv berufsregelnden Tendenz Abstand genommen. Das Grundrecht der Berufsfreiheit werde gleichermaßen durch solche Hoheitsakte berührt, die allein infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet sind, die Berufsfreiheit zu beeinträchtigen 447 . 441

BVerfGE 47, 1 (21); 46, 120 (137); 41, 250 (262). BVerfGE 82, 209 (223 f.); 70, 191 (214); 55, 7 (25 f.); 38, 61 (79); 37, 1 (17 f.); 26, 1 (12); 16, 147 (162) - Sonderbesteuerung des Werkfern Verkehrs; 14, 76 (100); 13, 181 (186) - Schankerlaubnissteuer. 443 OVG Münster, NVwZ-RR 1994, 263 (264); BVerfG, NJW 1990, 2306 sowie schon BVerfGE 16,147 (162) - Werkfernverkehr; 13,181 (186) - Schankerlaubnissteuer. 444 BVerfGE 70, 191 (214); 38, 61 (79) - „Leberpfennig". 445 BVerfGE 37,1 (17) - Weinwirtschaftsabgabe. 446 BVerfGE 47,1 (21). 447 BVerfGE 61, 291 (308) - Tierpräparatoren; i. Erg. schon BVerfGE 46, 120 (137) - Verordnung über das Direktruf netz; BVerfGE 36, 47 (58) - Nachnahmeversand lebender Tiere; vgl. auch die Entscheidung BVerfGE 41, 251 (262), die zwar auch auf die tat442

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erufreiheit, Art.

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Dieser Trend in der verfassungsgerichtlichen Judikatur zu einer Auflösung der Eingriffsvoraussetzungen läßt aber in der Folgezeit an Kontinuität vermissen: Im Jahr 1979 scheiterte das nordrhein-westfälische Vertretungsverbot für Ratsmitglieder 448 und im Jahr 1985 eine landesrechtliche Vorschrift zum Fischereirecht 449 vor dem BVerfG an den Erfordernissen der berufsregelnden Tendenz und wurden mangels Eingriffsqualität nicht an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen. Daß in beiden Fällen von vornherein absehbar war, daß auch Berufstätige im Rahmen ihrer Berufsausübung nachteilig betroffen sein konnten - was diese infolge der tatsächlichen Auswirkungen der angegriffenen Normen auch im Beschwerdeverfahren rügten - , hinderte das BVerfG nicht, eine berufsregelnde Zielsetzung und damit einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG zu verneinen. Sollte in den Augen des BVerfG das Vertretungsverbot nur der „Sauberkeit des öffentlichen Lebens" dienen und daher keine Berufsregelung darstellen, so erinnert diese Sichtweise schon an die Entscheidung zu § 52 U r h G 4 5 0 . In dieser sah das Gericht gleichfalls keine Berufsregelung, sondern nur eine „interessenausgleichende Norm des Privatrechts" 451 . Ähnlich argumentierte es später auch für die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen 452 . b) Fortführung der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für allgemeine Beschränkungen der Auto-Mobilität In Anwendung des Kriteriums der berufsregelnden Zielsetzung ließe sich die Eingriffsqualität von generellen Verkehrsbeschränkungen kaum begründen, da solche allgemein geltenden Verkehrsverbote gerade nicht auf eine Berufsregelung der Taxifahrer oder anderer Berufsgruppen zielen, für die das Autofahren Teil der beruflichen Betätigung ist, sondern im Interesse des Verkehrsumweltschutzes oder aus städtebaulichen Gründen ausgesprochen werden. Vor allem in der Tradition der Entscheidung zum nordrhein-westfälischen Vertretungsversächlichen Auswirkungen abstellt, diese aber als Ausdruck einer objektiv erkennbaren berufsregelnden Zielsetzung versteht. 448 BVerfGE 52, 42 (54); bestätigt in BVerfGE 56, 99 (107); offengelassen für das schleswig-holsteinische Vertretungsverbot in DVB1. 1988, 54 (55). Diese Judikatur ist auf viel Kritik gestoßen; vgl. dazu die abw. Voten von Rottmann und Hirsch, NJW 1980, 33 (34); Jäkel, DVB1. 1980, 829 f.; Mengen NJW 1980, 1827 (1829 f.); v. Mutius, VerwArch. Bd. 71 (1980), 191 ff.; Schoch, Das kommunale Vertretungsverbot, 1981, S. 196 ff., 198 ff. 449 BVerfGE 70, 191 (214) zu §§ 21 Abs. 1, 22 Abs. 1 LFischG NW v. 22. 6. 1994, GVB1. S. 516, wonach die Fischereirechte künftig nur noch durch gemeinschaftliche Fischereigenossenschaften wahrgenommen werden dürfen. 450 § 52 UrhG erlaubt ausnahmsweise die öffentliche Wiedergabe von urheberrechtlich geschützten Werken, insbes. gemäß Abs. 1 für nicht gewerbliche Veranstaltungen und gemäß Abs. 2 für Gottesdienste. 451 BVerfGE 31, 229 (265). 452 BVerfGE 55,7 (27). Danach regele eine Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen nur den „Interessenausgleich zwischen den branchenzugehörigen Arbeitgebern untereinander und zu den Arbeitnehmern" und beziehe sich nicht auf die berufliche Tätigkeit.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

b o t 4 5 3 ließen sich Verkehrsbeschränkungen - da sie in erster Linie der „Sauberkeit der Umwelt" dienen - nicht als grundrechtsrelevante Eingriffe in die Berufsfreiheit deuten. Auch stehen Verkehrsbeschränkungen weder in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes 454 noch erfassen sie ausschließlich einen vielen Berufen gemeinsamen Teil der Berufsausübung 455 , da Freizeitfahrer von der Geltung des Fahrverbots gleichermaßen betroffen sind. Das Innenstadtfahrverbot knüpft nur an das generelle Merkmal des Autofahrens an und betrifft schon deshalb nur einen unspezifischen Adressatenkreis ohne direkte Beziehung zu einem Beruf 4 5 6 . Die eben genannten Kriterien legen die Konsequenz nahe, daß nach Auffassung des BVerfG die Berufsfreiheit nicht durch solche Normen tangiert werden könne, die ein Verhalten betreffen, das sowohl privat als auch beruflich geschehe. Manche Stimmen in der Literatur - allen voran Bachof 4 5 7 - neigen zu dieser Interpretation 458 und würden damit auch das hier in Rede stehende Innenstadtfahrverbot, das sich undifferenziert an die Gesamtheit der Autofahrer wendet, nicht als grundrechtsrelevanten Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG werten. Dem sehen sich verwaltungsgerichtliche Judikate gegenüber, die Verkehrsbeschränkungen nach Klagen von Mietwagenunternehmen und anderen gewerblichen Beförderungsbetrieben mit aller Selbstverständlichkeit als Eingriffe in die Berufsfreiheit verstehen 459 - allerdings ohne auf das Problem näher einzugehen. Auch wenn die vom BVerfG entwickelten Eingriffskriterien das Ergebnis einer Einzelfalljudikatur sind und gerade deshalb klare Prognosen über ihre konkrete Anwendung schwerfallen, läßt sich jedenfalls dann, wenn das BVerfG an dem Erfordernis einer deutlich erkennbaren objektiv berufsregelnden Tendenz festhalten sollte, ein Eingriff in die Berufsfreiheit durch allgemeine Verkehrsbeschränkungen nur schwer begründen. Allein wenn nach dem Vorbild der Tierpräparatorenentscheidung 460 oder dem Judikat zum Verbot der Nachnahmeversendung von Tieren 4 6 1 ausschließlich an die tatsächlichen Auswirkungen 453

BVerfGE 52,42 ff. So BVerfGE 47, 1 (21); OVG Münster, NVwZ 1994, 263 (264) m.w.N. 455 So das Kriterium in BVerfGE 16,147 (163) - Werkfernverkehr. 456 Mit dieser Begründung lehnte das BVerfG in BVerfGE 47, 1 (21) die berufsregelnde Tendenz allgemeiner Steuergesetze ab. 457 Bachof, Freiheit des Berufs, in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III/l, S. 185 (195 f.). 458 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rdnr. 12; Tettinger, AöR Bd. 108 (1983), S. 92 (112 f.); wohl auch Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 84 sowie Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rdnr. 43, der nachdrücklich an der berufsregelnden Zielsetzung festhält und eine allein tatsächliche Beeinträchtigung nicht genügen läßt. 459 BVerwG, NJW 1988, 432 (434); NJW 1981, 184 (185) - Lübecker Altstadtsperrung; vgl. auch Manssen, NZV 1992, 467 (470); wohl auch Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323). 460 BVerfGE 61, 291 (308). 461 BVerfGE 36,47 (58 ff.). 454

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von Verkehrsbeschränkungen angeknüpft würde, ließe sich schon aus den im Schutzbereich skizzierten tatsächlichen Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit für diejenigen Autofahrer, bei denen das Autofahren beruflichen Zwecken dient, ein Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG begründen. Dieser Streifzug durch die Rechtsprechung des BVerfG mag die Kontroverse um die Eingriffsproblematik illustriert haben. Eine zwingende Lösung für die hier interessierende grundrechtliche Problematik innerstädtischer Fahrverbote ist damit aber nicht vorgegeben. c) Grundrechtsrelevanter Eingriff in Art. 12 GG auch bei gleichzeitiger Beeinträchtigung von privater und beruflicher Freiheitsausübung Die Besonderheit allgemeiner Verkehrsbeschränkungen im Gegensatz zu Verkehrsverboten für den Lkw- oder Güterverkehr mit deutlich berufsregelnder Zielrichtung 4 6 2 liegt nicht im Ausspruch nur mittelbarer oder faktischer Beeinträchtigungen. Es handelt sich vielmehr um einen unmittelbaren und rechtsförmlichen Eingriff, der aber mit dem Autofahren undifferenziert an eine Tätigkeit anknüpft, die sowohl beruflich als auch privat ausgeübt werden kann und daher eine deutliche berufliche Zielrichtung vermissen läßt. In der Sprache des BVerfG fehlt also die mit der objektiv oder subjektiv berufsregelnden Tendenz verlangte Finalität. aa) Finalität als Kriterium des Grundrechtseingriffs? Es wurde bereits nachgezeichnet, daß sich das BVerfG in seiner jüngeren Judikatur zunehmend von dem Finalitätserfordernis abwendet 463 . Diese Tendenz wird zum Teil nachdrücklich begrüßt 464 und kann gerade für Verkehrsbeschränkungen bereits auf eine verwaltungsgerichtliche Praxis zurückblicken 465 . Dagegen nimmt sich eine solche engere, finale Eingriffsdefinition wie ein Relikt des „klassischen" Eingriffsbegriffs aus. Dieser ist in der allgemeinen Grundrechtsdogmatik längst überwunden und stößt auch für die Berufsfreiheit auf mehr Gegner als Befürworter 466 . Durchgreifende Bedenken lassen sich auch 462 So BVerfGE 26, 259 (263 f.) - Nachtfahrverbot für den Güterfernverkehr; E 38, 31 (79) - Sonderbesteuerung des Straßengüterverkehrs („Leberpfennig"); vgl. auch die schon mehrfach angesprochene Entscheidung BVerfGE 16, 147 (163) zum Werkfernverkehr. 463 Siehe schon oben, S. 110 ff. 464 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnr. 302; Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnr. 31; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 190 ff. 465 Vgl. BVerwG, NJW 1988, 432 (434); NJW 1981, 184 (185); Manssen, NZV 1992, 467 (470 Fn. 86) m.w.N. 466 Krit. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnr. 31; Eckhoff,; Der Grundrechtseingriff, S. 192 ff.; Lübbe-Wolff, NJW 1987, 2705 (2710); Papier, VerwArch. Bd. 84 (1993), 417 (422 f.); ders., DVB1. 1984, 801 (805); ders., Der Staat Bd. 11 (1972), S. 483 (494 f.); Pietzker, in: FS für Otto Bachof, 1984, S. 137 (143); 8 Röthel

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

nicht mit dem immer wieder vorgetragenen Einwand formulieren, ohne die auf Finalität ausgerichtete Eingriffsdefinition würde der Handlungsspielraum des Gesetzgebers in verhängnisvoller Weise beschränkt 467 : Die Grundrechte sind darauf ausgerichtet, die in ihnen benannten Freiheitsrechte effektiv vor Beeinträchtigungen von staatlicher Seite zu schützen. Ob der Staat die Freiheitssphäre zielgerichtet oder unbeabsichtigt beeinträchtigt, ist für den betroffenen Bürger unerheblich. Dies mag das BVerwG deutlicher vor Augen haben, wenn es sich gerade unter Berufung auf die Schutzfunktion der Grundrechte von dem klassischen Eingriffsbegriff löst 4 6 8 . Im übrigen muß eine „nur" tatsächliche Einbuße nicht schwächer wirken als eine beabsichtigte Beeinträchtigung 469 . Niemand würde sich auch zu dem Umkehrschluß verleiten lassen, daß der gute Wille allein die Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns indizieren könne. Die Finalität des Eingriffs kann daher weder als Kriterium für die Schwere der Beeinträchtigung herangezogen werden, noch darf über die Figur des Grundrechtseingriffs staatliches Handlungsunrecht sanktioniert werden. Entscheidend ist allein, daß das Ergebnis einer hoheitlichen Maßnahme, die Auswirkung beim Bürger, einer effektiven verfassungsrechtlichen Kontrolle unterzogen wird. Außerdem bedeutet auch nicht jede Ausweitung der materiell rechtfertigungsbedürftigen Staatsakte zugleich eine Einschränkung der gesetzgeberischen Handlungsfreiheit. Vor dieser Schlußfolgerung steht noch die verfassungsrechtliche Legitimation, die dem Bedürfnis nach normgeberischer Gestaltungsfreiheit mit der Anerkennung von Prognosespielräumen und durch eine entsprechend verringerte Kontrolldichte längst Rechnung getragen hat 4 7 0 . Hier erfolgt die eigentliche Weichenstellung für den staatlichen Gestaltungsspielraum. Daher ist es weder erforderders., NVwZ 1984, 550 (555); Schulte, DVB1. 1988, 512 (516 f.); Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 182; Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 119 f. 467 Friauf ; DVB1. 1971, 674 (681); Scherzberg, DVB1. 1989, 1128 (1130 f.); ähnlich auch die Autoren, die als qualitatives Minus anstelle von Finalität Vorhersehbarkeit verlangen; vgl. etwa Bleckmann, Grundrechte, S. 342 f.; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, 1970, S. 23. 468 BVerwGE 87, 37 (42) - Glykolwein; E 71, 183 ( 191 ) - Arzneimittel-Transparenzlisten; E 82, 77 (87) - Jugendsekten; zust. Papier, VerwArch. Bd. 84 (1993), 417 (423); vgl. auch Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 16 f. 469 Vgl. dazu nur die st. Spruchpraxis des BVerfG in BVerfGE 13, 181 (185 f.); 22, 380 (384); 41, 251 (262); 46, 120 (137); 61, 291 (308): „Der besondere Freiheitsraum, den Art. 12 Abs. 1 GG sichern will, wäre nur unvollkommen gewährleistet, wenn ausschließlich solche Vorschriften am Maßstab dieses Grundrechts geprüft würden, die unmittelbar auf die berufliche Betätigung abzielen; andere Maßnahme können infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen ebenfalls geeignet sein, die Berufsfreiheit derart erheblich zu beeinträchtigen, daß ihre Einbeziehung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG geboten ist." 470 Zu den Beurteilungs- und Prognosespielräumen, die das BVerfG dem Gesetzgeber im Rahmen von Art. 12 Abs. 1 GG zuerkannt hat BVerfGE 36, 47 (58); 39, 210 (225 f.); 77, 308 (332); Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), S. 568 (572); Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 80.

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lieh noch verfassungsrechtlich einwandfrei begründbar, aus dem Grundrechtseingriff künstlich ein Nadelöhr für den Garantiegehalt der Freiheitsrechte zu konstruieren 471 . Für eine Abkehr von dem Finalitätserfordernis in Gestalt der berufsregelnden Tendenz mag letztlich auch sprechen, daß sich so die verworrenen und wenig einheitlichen Abgrenzungsversuche erübrigten und einer klaren und vorhersehbaren Judikatur weichen könnten 472 . bb) Der Kreis der Betroffenen als Kriterium für den Grundrechtseingriff? Unter dem Deckmantel der Finalität staatlicher Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG könnte sich für das Innenstadtfahrverbot schließlich noch ein Unbehagen darüber ausdrücken, daß staatliche Maßnahmen, die sich nur für manche Betroffene im Schutzbereich der Berufsfreiheit auswirken, für die Mehrzahl der übrigen Adressaten aber nur den Schutzgehalt der allgemeinen Handlungsfreiheit aufruft, insgesamt als Berufsausübungsregelungen an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen sein sollen 4 7 3 . Über die Hintertür des berufsspezifischen oder berufsbezogenen Eingriffs müßten sich dagegen nur solche Maßnahmen gegenüber der Berufsfreiheit verantworten lassen, die sich auf eine Tätigkeit beziehen, die typischerweise oder ausschließlich beruflich ausgeübt wird. Grundrechtlicher Schutz der Berufsfreiheit bedeutet aber gerade, grundsätzlich jede Tätigkeit zum Gegenstand der persönlichen Erwerbstätigkeit machen zu können. Wenn die Freiheit des Berufs im Sinne des Grundgesetzes auch darin besteht, Handlungen zu atypischen Berufen zu vereinen 474 , so muß auch jede dieser Handlungen für sich grundrechtlich als berufliche Handlung geschützt werden - unabhängig davon, ob es sich bei der betroffenen Tätigkeit in den Augen der Bevölkerungsmehrheit um eine Freizeitbeschäftigung oder um bloße Liebhaberei handelt. Dagegen würde mit dem Festhalten an berufsbezogener Finalität der Eingriff zum Korrektiv für einen als zu weit empfundenen 471 Daher gebührt auch solchen Ansätzen Skepsis, die die gesamte Eingriffsproblematik allein als eine Frage der richtigen Konturierung der Schutzbereiche umformulieren wollen; so jüngst Albers, Faktische Grundrechtsbeeinträchtigungen als Schutzbereichsproblem, DVB1. 1996, 233 ff. 472 Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnr. 31; Abgrenzungsprobleme gesteht auch Bachof\ Freiheit des Berufs, in: Bettermann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III/l, S. 185 (196) ein, allerdings ohne Konsequenzen daraus zu ziehen. 473 So Bachof\ in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Grundrechte Bd. III/l, S. 185 (195 f.); neuerdings Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rdnr. 12. 474 So die Konsequenz des „offenen" Berufsbegriffs; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 12 Rdnr. 8; Höfling, DÖV 1989, 110 (110) m.w.N.; Papier, DVB1. 1984, 801 (804); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnr. 18; Tettingen AöR Bd. 108 (1983), 92 (95).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Schutzbereich erhoben und damit der Grundrechtsschutz nachträglich um die Errungenschaften des freien Berufsbegriffs verkürzt 475 . Daß Auto-Mobilität vielleicht überwiegend ein privates Freizeitvergnügen ist und nur in Einzelfällen zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken dient, bleibt in der Folge auch nicht unberücksichtigt: Es wird anhand des Übermaßverbots aufzuzeigen sein, ob Tätigkeiten, die sowohl beruflich als auch privat ausgeübt werden können, demselben rechtlichen Regime unterworfen werden dürfen. Im übrigen liegt auch keine Besonderheit darin, daß ein und dieselbe staatliche Maßnahme für verschiedene Grundrechtsträger auch verschiedene Grundrechte beeinträchtigt - bei gegenläufigen Interessen ist dies der klassische Fall einer Grundrechtskollision. Dadurch werden die Träger des möglicherweise schwächeren Grundrechts auch nicht unzulässig privilegiert, wie etwa Bachof 4 7 6 befürchtet, da sie stets nur die Verletzung in eigenen Grundrechten rügen und schon deswegen nicht selbst auf die Berücksichtigung eines weniger einschränkbaren Grundrechts dringen können. Im Gegenteil ließe sich natürlich auch von einer unzulässigen Benachteiligung der beruflich Betroffenen sprechen, wenn auch sie sich nur auf die allgemeine Handlungsfreiheit stützen könnten, um Beeinträchtigungen in ihrer beruflichen Sphäre abzuwehren. Dies klingt auch darin an, daß das BVerfG, wenn es die berufliche Zielsetzung verneint, Art. 2 Abs. 1 GG nicht als allgemeine Handlungsfreiheit, sondern als Garantie der „wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit" verstanden wissen w i l l 4 7 7 . Bei realistischer Betrachtung gleichen sich die Unterschiede zwischen einer Berufsausübungsregelung und einer Beeinträchtigung von Art. 2 Abs. 1 GG allerdings ohnehin an, da sich die Kontrollmaßstäbe der Stufenlehre für Berufsausübungsregelungen kaum von dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt der allgemeinen Handlungsfreiheit unterscheiden 478 . Mit dem Einwand einer unzulässigen Privilegierung der Berufstätigen lassen sich daher keine durchgreifenden Bedenken formulieren. Zu Recht hat das BVerfG in seiner Entscheidung zum Fernmeldeanlagengesetz auch solche Vorschriften an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen, die sich zwar in erster Linie an private Direktrufteilnehmer richten, daneben aber auch Auswirkungen auf die Berufsausübung gewerblicher Hersteller oder Vertreiber von 475 Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 918, 905; Tettinger, AöR Bd. 108 (1983), S. 92 (112 f.). 476 Bachof y in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III/l, S. 185 (196). 477 BVerfGE 37, 1 (18) - Weinwirtschaftsabgabe. 478 So auch die häufig formulierte Kritik an der Stufentheorie des BVerfG; vgl. nur Ipsen, JuS 1990, 634 (636), der nachdrücklich dafür plädiert, von der Stufentheorie zugunsten des Obermaßverbots völlig Abschied zu nehmen; so schon Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 48 ff. Damit ist eine deutliche Annäherung an den Schutzgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG als Abwehrrecht gegen unverhältnismäßige Eingriffe vollzogen. Noch kritischer Czybulka, NVwZ 1991, 145 (146 ff.), der an der Rspr. zur Berufsfreiheit nicht die Anwendung der Stufentheorie, sondern die zur Vertretbarkeitskontrolle gesunkenerichterliche Kontrolldichte beklagt.

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Zusatzgeräten für die Datenübertragung zeitigen 479 . Daß hier private und gewerbliche Nutzer gleichzeitig betroffen waren, hinderte das Gericht nicht, für die beruflichen Interessen Art. 12 Abs. 1 GG zum Prüfungsmaßstab zu erheben - und nicht Art. 2 Abs. 1 G G 4 8 0 . Das BVerfG zog aus der Tatsache, daß die angegriffene Vorschrift vorwiegend anderen Zielen als denen der Berufsausübung verpflichtet ist und daher auch hauptsächlich Interessen anderer Personenkreise berührt werden, nur Konsequenzen für die Kontrolldichte: „In solchen Fällen gebührt dem Gesetzgeber ein weiterer Raum der Beurteilung und Gestaltung als in denjenigen unmittelbarer Regelung." 481 Auch Verkehrsbeschränkungen, die nicht an der Regelung einer bestimmten Berufstätigkeit ausgerichtet sind, sondern im Interesse des Umweltschutzes oder aus städtebaulichen Zielsetzungen allgemein den motorisierten Verkehr zurückdrängen wollen, sind daher für diejenigen Autofahrer, für die das Autofahren Teil ihrer beruflichen Betätigung ist, an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Die tatsächlichen Auswirkungen, die solche Fahrverbote für den Umfang der Berufstätigkeit etwa von Taxifahrern oder Kurieren haben, begründen den Eingriff in die Berufsfreiheit. 2. Eingriffsstufe Art. 12 Abs. 1 GG verbürgt ein einheitliches Grundrecht der Berufsfreiheit jedenfalls in dem Sinn, daß der Regelungsvorbehalt des Satzes 2 sich „dem Grunde nach" sowohl auf die Berufsausübung als auch auf die Berufswahl erstreckt 482 , da entgegen dem Wortlaut diese beiden Phasen der beruflichen Entfaltung als Abschnitte eines einheitlichen Lebensvorganges nicht voneinander zu trennen sind 4 8 3 . Gleichwohl befreien die abgestufen Rechtfertigungsvoraussetzungen des BVerfG - trotz aller Auflösungserscheinungen 484 der Stufentheorie - nicht davon, deutlich zwischen Eingriffen in die Berufsausübung und Eingriffen in die Berufswahl zu unterscheiden 485 . 479

BVerfGE 46, 120 (136 f.). BVerfGE 46, 120(137). 481 BVerfGE 46, 120(145). 482 BVerfGE 7, 377 (402 f.); krit. etwa Gusy, JA 1992, 257 (260, 262). 483 So BVerfGE 33, 303 (329 f.); 59, 172 (205 f.) in Anlehnung an BVerfGE 7, 377 (401 f., 406); Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 32; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rdnr. 17; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 12 Rdnr. 10; krit. wegen des klaren Wortlauts aber Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 59. 484 Auch wenn die jüngere Rspr. die Stufentheorie vielfach zugunsten des „klassischen" Maßstabs des Obermaßverbots aufgibt, wird die Differenzierung nach Berufsausübungs- und Berufswahlregelungen häufig beibehalten; vgl. Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 803 m.w.N. 485 Zur Stufentheorie grundlegend BVerfGE 7, 399 (405 ff.) - Apothekenurteil; dazu ausführlich Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnrn. 318 ff.; vgl. i.ü. unten, S. 122 ff. 480

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Verkehrsbeschränkungen werden von der Rechtsprechung regelmäßig auf der Ebene der Berufsausübung angesiedelt, da sie es den Betroffenen in aller Regel nicht unmöglich machen, ihren Beruf auszuüben 486 , sondern nur zu Umstellungen oder Beschränkungen der Berufsausübung zwingen. In diesem Sinne beurteilte das BVerfG das Sonntagsfahrverbot für den Güterfernverkehr 487 . Genauso qualifizierte auch das BVerwG die Altstadtsperrung in Lübeck 4 8 8 und ein saisonales Fahrverbot in einem Kurort 4 8 9 . Auch das OVG Lüneburg, das über die Rechtmäßigkeit einer „autofreien Ferieninsel" zu richten hatte, Schloß sich dieser Spruchpraxis an und zweifelte nicht daran, daß das zu prüfende Fahrverbot als Berufsausübungsregelung zu qualifizieren sei 4 9 0 . Für das hier interessierende Innenstadtfahrverbot kann gleichermaßen gelten, was das BVerwG auf die Klage von Mietwagenunternehmen gegen die Lübecker Altstadtsperrung ausgesprochen hat 4 9 1 . Solange die betroffenen Taxifahrer, Kuriere und Lieferanten nicht ausnahmsweise über das Anliegerrecht der Anwohner in den Genuß einer Zufahrtsberechtigung gelangen 492 , bringt ein innerstädtisches Fahrverbot für diese Berufsgruppen zwar Beschränkungen des Tätigkeitsfeldes mit sich und mag Umdispositionen - etwa die Ausdehnung des Aktionsradius' auf die Außenbezirke - veranlassen 493. Diese Auswirkungen auf Inhalt und Umfang der Berufstätigkeit belassen den Ausspruch eines Innenstadtfahrverbots aber noch im Rahmen einer Berufsausübungsregelung, da ein Eingriff der Berufswahlfreiheit erst dann anzunehmen ist, wenn der noch verbleibende Betätigungsbereich nicht mehr zur sinnvollen Ausübung des Berufs 486

Da Art. 12 Abs. 1 GG Maßstabsnorm auch für Vorschriften ohne unmittelbar berufsregelnden Charakter ist, müssen die Kriterien für die Bestimmung der Eingriffsstufe diesen Erweiterungen des Eingriffsverständnisses folgen. Außerhalb der „klassischen" finalen Eingriffe in Art. 12 Abs. 1 GG ist daher auf die faktischen Auswirkungen des Hoheitsaktes abzustellen. So ausdrücklich für mittelbare Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl BVerfGE 11, 30 (43); 13, 181 (187); 16, 147 (163); 36, 47 (58). 487 BVerfGE 26, 259 (264). 488 BVerwG, NJW 1981, 184 (185). 489 BVerwG, NJW 1988, 432 (434). 490 OVG Lüneburg, UPR 1992, 455 (456); zust. Manssen, NZV 1992, 467 (470) m.w.N.; Randelzhofer, DAR 1987, 237 (245); vgl. auch Steiner, DAR 1994, 341 (346). 491 BVerwG, NJW 1981, 184 (185). 492 Die Anlieger können kraft ihres Anliegerrechts nicht nur darauf dringen, daß sie selbst mit ihrem eigenen Pkw etwa schwere Gegenstände zu ihrem Grundstück transportieren können, sondern als ein „Minus" ist darin auch die Zufahrtsberechtigung privater Lieferanten enthalten; vgl. zum Begriff des zuzulassenden „Lieferverkehrs" schon oben, S. 90 ff. 493 Für die Berufsfreiheit der Taxifahrer und Kuriere kommen an dieser Stelle die gleichen Argumente zum Tragen, die schon im Rahmen der Eigentumsgarantie eine Bejia/iJjbeeinträchtigung der Gewerbebetriebe ausschlossen. Dies mag die Kehrseite der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Art. 14 GG und Art. 12 GG sein, trägt insofern aber zur „Harmonisierung der Schranken von Art. 14 GG und Art. 12 GG" bei, dazu Dörr, NJW 1988, 1049 f.; vgl. daher schon oben, S. 65 ff.

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ausreicht 494 . Selbst wenn sich die Gewinnspanne so weit mindern sollte, daß sich vereinzelte Betroffene zur Aufgabe ihres bisherigen Berufs genötigt sähen, führt dies noch nicht dazu, daß eine Berufsausübungsregelung insgesamt als eine Rückwirkung auf die Freiheit der Berufswahl angesehen werden m u ß 4 9 5 oder einer solchen nahe kommt 4 9 6 . Gegenüber den beruflich bedingten Mobilitätsinteressen der Autofahrer wirkt sich ein innerstädtisches Fahrverbot damit als Eingriff in die Berufsfreiheit in Gestalt einer Berufsausübungsregelung aus. Ob der grundrechtliche Schutzgehalt des Art. 12 Abs. 1 GG einem entsprechenden gemeindlichen Vorhaben allerdings unüberwindbare Grenzen setzt oder nur Gestaltungsvorgaben formuliert, ist eine Frage der Rechtfertigungsfähigkeit dieser Mobilitätseinbußen. I I I . Die Intensität des Grundrechtsschutzes für die berufliche Auto-Mobilität: zu den Maßstäben der verfassungsrechtlichen Eingriffsrechtfertigung Über das Grundrecht der Berufsfreiheit haben bestimmte berufliche Mobilitätsinteressen ihre Anerkennung als Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheit erfahren. Nach der Eigentumsgarantie zählt damit auch die Berufsfreiheit zu den Kontrollmaßstäben für innerstädtische Verkehrsverbote. Inwieweit Art. 12 GG diese Mobilitätsinteressen dadurch zu privaten Belangen aufgewertet hat, die sich in der gemeindlichen Abwägungsentscheidung als unüberwindliche Belange darstellen, hängt von der Intensität des Grundrechtsschutzes ab. Das Grundgesetz verbürgt die Individualfreiheitsrechte nicht schrankenlos. Mit der Anerkennung bestimmter beruflicher Mobilitätsinteressen als Ausübung grundrechtlicher Freiheit ist keineswegs ein Total verbot hoheitlicher Intervention ausgesprochen. Grundrechtsgeschützte Individualinteressen setzen den intervenierenden Staat zunächst nur unter Rechtfertigungszwang. Hoheitliche Eingriffe in den Schutzgehalt der Grundrechte müssen sich formell und materiell verantworten lassen, sie müssen sich unter die spezifischen Eingriffsvorbehalte subsumieren lassen und unterliegen dem rechtsstaatlichen Übermaßverbot als „Leitregel allen staatlichen Handelns" 497 . Die Art und Dichte des Grundrechtsschutzes entfaltet sich dementsprechend erst anhand der spezifischen Kontrollmaßstäbe, mit denen sich die verfassungsrechtlich hinzunehmenden Einbußen von dem Bereich unantastbarer und insoweit garantierter Freiheits494

BVerfGE 61, 291 (310). BVerfGE 13, 181 (187); 16, 147 (165); 30, 292 (313 f.); Gubelt, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 12 Rdnr. 50; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rdnr. 21. 496 Zu dieser Möglichkeit des gleitenden Übergangs von Berufsausübungsregelungen zu Eingriffen in die Freiheit der Berufswahl BVerfGE 11, 30 (43); 13, 181 (186); 16, 147 (163), 36, 47 (58); 38, 61 (85); 61, 291 (311); Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 56; vgl. auch § 148 Rdnr. 35. Kritiker der Stufentheorie sehen hierin eine entscheidende Schwäche, so Ipsen, JuS 1990, 634 (635); Schwabe, DÖV 1969, 734 ff.497 BVerfGE 23, 127(133). 495

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

ausübung unterscheiden lassen. Nur dieser letztgenannte Bereich grundrechtlich garantierter Freiheitsausübung genießt in dem Sinne absoluten Schutz, daß er jedem staatlichen Zugriff entzogen ist und damit zwingend die verkehrsplanerische Gestaltungsentscheidung für eine autofreie Innenstadt prägt. Der Kreis dieser unüberwindbaren beruflichen Mobilitätsinteressen wird durch das Rechtfertigungspotential der Berufsfreiheit bestimmt. Im folgenden wird daher untersucht, welchen Vorgaben und Kontrollmaßstäben verkehrsplanerische Gestaltungsentscheidungen durch Art. 12 Abs. 1 GG zugeführt werden, um schließlich aufzeigen zu können, ob und inwieweit die Berufsfreiheit Garantiewirkung für die berufliche Auto-Mobilität entfaltet. 1. Grundrechtskontrolle bei gesetzesgebundenen Exekutivakten: straßenrechtliche Inkorporierung der verfassungsrechtlichen Kontrollmaßstäbe Adressat des verfassungsrechtlichen Rechtfertigungsauftrags, den die Grundrechte gegen den eingreifenden Staat formulieren, ist im Bereich der gesetzesgebundenen Verwaltung zunächst der Gesetzgeber, dem die abstrakt-generelle Ausbalancierung von grundrechtlichen Individualinteressen und Gemeinwohlbelangen aufgegeben wird. Über Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG wird die Beachtung der Grundrechte an die Exekutive weitergegeben und zugleich der gegenständliche Umfang der Verfassungskontrolle verdoppelt: Hoheitliches Exekutivhandeln muß sich im grundrechtsrelevanten Bereich auf eine verfassungsmäßige formellgesetzliche Eingriffsbefugnis berufen können, und die Exekutive muß diese ihrerseits in verfassungskonformer, insbesondere grundrechtskonformer Weise angewendet haben 498 . Hier liegt mit dem Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots eine Exekutiventscheidung der Gemeinden in Ausfüllung der straßengesetzlichen Teileinziehungsermächtigungen vor. Daher müßten zunächst die straßenrechtlichen Befugnisnormen gegenüber der Berufsfreiheit verantwortet werden, bevor die Vereinbarkeit der konkreten Verfügung zu rechtfertigen ist. Diese Vorgehensweise hat natürlich das Argument der Konsequenz und eines großen Kontrollumfangs auf ihrer Seite. Für die hier im Vordergrund stehende Frage nach dem Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität entpuppt sich eine solche doppelte Kontrolle aber als formalistisch, da die gesetzlichen Teileinziehungsermächtigungen mit der Eingriffsvoraussetzung der „überwiegenden Gründe des öffentlichen Wohls" 4 9 9 das Gebot der verhältnismäßigen Ausbalancierung von Individual- und Gemeinwohlbelangen bereits in den Tatbestand inkorporiert haben. Die Straßengesetzgeber haben damit nur wiederholt, was schon die Verfassung für grundrechtsrelevantes Hoheitshandeln fordert, nämlich die Verpflichtung 498

Der Schwerpunkt der Grundrechtskontrolle wird zumeist in der Überprüfung der abstrakt-generellen Regelung liegen, die die Ermächtigungsgrundlage für die Grundrechtsbeeinträchtigung bildet, während dierichterliche Kontrolle der Anwendung eines an sich grundrechtskonformen Gesetzes eher ein Schattendasein führt; vgl. etwa Scholz, NJW 1983, 707 (710) und Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 28. 499 Vgl. schon oben, S. 48 ff.

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auf die Grundsätze der Angemessenheit oder Proportionalität 500 . Da die gesetzlichen Ermächtigungen für die geforderte Abwägung auch keine eigenständige Wertung der einzustellenden Belange artikulieren, sondern diese gleichermaßen allein aus der Verfassung gespeist sind, werden verfassungsrechtliche Bedenken gegen solche Gesetzesvorschriften - jedenfalls im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - kaum durchgreifen können 501 . Indem der Gesetzgeber das Übermaßverbot in den Tatbestand der Befugnisnormen inkorporiert und damit Einbruchstellen für das Verfassungsrecht und insbesondere die Grundrechte formuliert, erzeugt er nicht nur Normen von hohem Abstraktionsgrad, sondern verlagert vor allem die eigentliche Grundrechtsprüfung von der abstrakten zur konkreten Ebene, das heißt zur Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit der Umsetzung des abstrakt-generellen Gesetzesbefehls durch die dazu berufenen Verwaltungsbehörden 502. Das für die Verfassungskontrolle gesetzesgebundenenen Verwaltungshandelns typische Nacheinander von abstraktem Gesetz und konkretem Umsetzungsakt erweist sich in solchen Fällen gesetzesinkorporierter Verfassungsmaßstäbe daher größtenteils als verzichtbar. Für die Frage, inwieweit sich mit Art 12 Abs. 1 GG grundrechtliche Garantiewirkungen für die berufliche Auto-Mobilität formulieren lassen, die sich gegen ein Innenstadtfahrverbot durchsetzen, bieten die straßengesetzlichen Teileinziehungsermächtigungen mangels konkreter tatbestandlicher Vorgaben weder eine einfachgesetzliche Vorentscheidung noch liefern sie Angriffspunkte für die Grundrechtskontrolle 503 . Nicht die straßenrechtlichen Ermächtigungen, son500

Güterabwägung und Verhältnismäßigkeit weisen zwar einen unterschiedlichen systematischen Ansatz auf, verfolgen aber das gleiche Ziel, nämlich Grundrechtseingriffe nur durch höherrangige Güter zu rechtfertigen; so Schneider, Die Güterabwägung des Bundesverfassungsgerichts bei Grundrechtskonflikten, 1977, S. 207; Ossenbühl, Abwägung im Verfassungsrecht, in: Erbguth/Oebecke/Rengeling/Schulte (Hrsg.), Abwägung im Recht, 1996, S. 25 (29); vgl. auch Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981, S. 41, S. 83 ff. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 22, 225 nimmt eine Überschneidung beider Prinzipien an; SchlinJc, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976, S. 56 stuft die Verhältnismäßigkeit als Anwendungsfall der Abwägung ein. 501 So allgemein zu Rechtsvorschriften, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inkorporiert haben, Jacobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 148; vgl. auch Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 200. 502 Zugleich verwischen sich für solche Normen, die Verfassungsmaßstäbe in den Tatbestand inkorporiert haben, auch die Grenzen zwischen der Kontrolle der einfachgesetzlichen und der verfassungsrechtlichen Konformität des Verwaltungshandelns. Auch dies ist notwendige Folge einer Gesetzestechnik, bei der Verfassungskonformität mit der Inkorporierung der Verfassungsmaßstäbe erzielt wird; kritisch dazu im Sinne „salvatorischer Klauseln" Schneider, Zur Verhältnismäßigkeits-Kontrolle insbesondere bei Gesetzen, in: FS BVerfG und GG Bd. II, 1976, S. 390 (403 f.). 503 Selbst Ronellenfitsch, Verfassungs- und verwaltungsrechtliche Betrachtungen zur Mobilität mit dem Auto, S. 47 ff. zweifelt nicht an der Grundrechtskonformität der Teileinziehungsermächtigungen, sondern wirft nur die Frage nach ihrer verfassungsgemäßen Anwendung unter Berücksichtung grundrechtlicher Mobilitätsgehalte auf; zur parallelen Problematik bei Anordnungen nach § 45 StVO Hermes, DAR 1993, 92 (93).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

dem allein ihre Umsetzung in Gestalt von Innenstadtsperrungen soll daher im folgenden Gegenstand der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung sein. 2. Kontrollmaßstab für Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit: Stufentheorie oder Übermaßverbot? „Kaum ein Rechtsfall, so hat es den Anschein, ist davor gefeit, an Hand des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beurteilt zu werden" 5 0 4 - diese Einschätzung Hirschbergs dürfte kaum zu bestreiten sein. Das Übermaß verbot 5 0 5 nimmt innerhalb der materiellen Kontrollmaßstäbe, die den Umfang der Eingriffsbefugnisse von Legislative und Exekutive in der grundrechtlichen Freiheitssphäre steuern, die entscheidendste Rolle ein 5 0 6 . Wie kein anderes Rechtsprinzip 507 hat das Übermaßverbot seine heutige Gestalt und Ausprägung durch die verfassungsgerichtliche Judikatur erfahren 508 . Anlaß für die richterliche Entfaltung des Übermaßverbots waren vorzugsweise Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte 509 . Hier hat das Übermaßverbot seine „Hauptfunktion" 510 , wobei der Rechtsprechung zu Art 12 Abs. 1 GG ein besonderer Stellenwert eingeräumt w i r d 5 1 1 . Ungeachtet späterer Verfeinerungen 512 und nachhaltiger K r i t i k 5 1 3 wirken die mit dem Apothekenurteil und der Stufentheorie gesetzten Impulse bis in die jüngste Judikatur fort. Allein für die hier mit einem Innenstadtfahrverbot 504

Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 28. Zur Terminologie von Übermaßverbot und den drei Komponenten Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit Stern, StaatsR Bd. I, S. 861 f.; zu den Formulierungen der Rspr. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 21 ff. 506 Vgl. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 25 ff.; Wendt, AöR Bd. 104 (1979), 414 (448 ff.). 507 Vgl. Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 767 f., der es in Anlehnung an Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 226 f. für ausschlaggebend hält, daß sowohl der Rechtsgrundsatz als auch das Rechtsprinzip noch nicht Rechtssätze, aber Ableitungen der Gerechtigkeitsidee sind und damit als zusätzlich? Rechtsquellen herangezogen werden; näher ders., in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 165 (174 f.). 508 Vgl. Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 ff.; zur neueren Judikatur siehe Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 764 Fn. 7. 509 So entnahm das BVerfG in E 19, 342 (349) das Übermaßverbot „im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs des Bürgers gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur soweit beschränkt werden dürfen, als es zum Schutze öffentlicher Interessen unerläßlich ist". Zur verfassungsrechtlichen Verankerung des Übermaßverbots vgl. i.ü. Stern, in: FS für Peter Lerche, 1993, S. 165 (171 ff.); dens., StaatsR Bd. I, S. 861 ff. 510 Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (570). 511 Siehe Langheineken, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, unter besonderer Berücksichtigung der Judikatur zu Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG, 1972. 512 Vgl. Tettingen AöR Bd. 108 (1983), 92 (118 ff.). 513 Gusy, JA 1992, 257 (263 f.); Ipsen, JuS 1990, 634 (636 ff.); Kupp, AöR Bd. 92 (1967), 212 (232 ff.); Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, S. 48 ff., 68 ff. 505

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betroffene Berufsausübungsfreiheit läßt die Rechtsprechung des BVerfG aber schon merkliche Auflösungstendenzen erkennen. Hat das BVerfG die Stufentheorie von jeher immer als strikte Ableitung und Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips verstanden 514 , so finden sich in jüngerer Zeit vermehrt Judikate, die materiell-rechtliche Anforderungen an Eingriffe in die Beruf sfreiheit ohne Rückgriff auf die Stufentheorie formulieren 515 und sich damit im Einklang mit der im Schrifttum geäußerten Forderung „Übermaßverbot statt , Stufentheorie'" 5 1 6 befinden. Ob dies das Ende der Stufentheorie bedeutet, mag dahingestellt bleiben, denn für Berufsausübungsregelungen ließ sich ein vom Übermaßverbot gesonderter Aussagegehalt der Stufentheorie ohnehin nur schwer ausmachen, da die Stufentheorie für Berufsausübungsregelungen weder einen qualifizierten Beschränkungsvorbehalt formuliert 517 , noch die stufenspezifische Erforderlichkeit eines Eingriffs auf mildester Stufe 5 1 8 zum Tragen kommen kann. Schon im Apothekenurteil wurde der grundrechtliche Garantiegehalt des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG für die Berufsausübungsfreiheit daher auf die Abwehr von übermäßigen und willkürlichen Beschränkungen reduziert 519 . Mit den Worten des BVerfG lassen sich die materiell-rechtlichen Anforderungen an Berufsausübungsregelungen damit zusammenfassen, daß diese dann einer Verfassungskontrolle standhalten, „wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zweckes geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenzen der Zumutbarkeit noch gewahrt sind." 5 2 0 Damit bleibt das Übermaßverbot mit seinen Geboten der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit auch für Eingriffe auf der Ebene der Berufsausübung der entscheidende Prüfungsmaßstab bei der Frage danach, welche Freiheitseinbußen sich als zulässige Berufsausübungsregelungen im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG rechtfertigen lassen. 514 BVerfGE 13, 97 (104); 19, 330 (336); 25, 1 (12); 30, 292 (313 ff.); 46, 120 (138); so auch Wendt, AöR Bd. 104 (1979), 414 (431). 515 BVerfGE 30, 292 (315); eingehend zum Verhältnismäßigkeitsprinzip BVerfGE 61, 291 (312); 68, 272 (282); 71, 162 (172); 76, 196 (207); 77, 84 (106 ff.); 81, 70 (89); zu dieser Entwicklung Schneider, VVDStRL Heft 43 (1985), 7 (37). 516 Gusy, JA 1992, 257 (264); Ipsen, JuS 1990, 634 (636 ff.); vgl. auch Czybulka, NVwZ 1991, 145 ff. 517 Wendt, AöR Bd. 104 (1979), 414 (430 f.). 518 Zu diesem Gebot der Subsidiarität der Stufen BVerfGE 7, 377 (408); Erichsen, Jura 1980, 551 (557); Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 50; krit. Ipsen, JuS 1990, 634 (636). 519 BVerfGE 7, 377 (378 Leitsatz 6 a); dazu Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnr. 319, der diesen vielzitierten Passus weitergehend als Beschränkung auf den Kontrollmaßstab der Verhältnismäßigkeit i.e.S. interpretiert. 520 BVerfGE 61, 291 (312) m.w.N.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

3. Zur Wirkungsweise des Übermaßverbots zum Schutz beruflicher Auto-Mobilität gegen Verkehrsgestaltungsentscheidungen a) Geeignetheit Das Übermaßverbot verpflichtet den grundrechtsbeschränkenden Hoheitsträger zunächst auf das Gebot der Geeignetheit. Das BVerfG umschreibt dieses Erfordernis in der neueren Judikatur mit der dem Polizeirecht entlehnten Formel: „Ein Mittel ist dann geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann." 5 2 1 Der Frage nach der Eignung von hoheitlichen Maßnahmen ist die Frage nach ihrem Zweck logisch vorgelagert 522 . aa) Zwecksetzungsfreiheit der Verwaltung für verkehrspolitische Gestaltungsentscheidungen Im Spiegel sämtlicher verwaltungsrechtlicher Ermächtigungen, die Instrumente zur Lenkung und Eindämmung des Straßenverkehrs bereitstellen, erweist sich die Verwirklichung verkehrspolitischer Nutzungskonzepte als eine zweckoffene Gestaltungsaufgabe mit Planungscharakter. Verkehrsberuhigung wird daher bereits als „Planungsprinzip" verstanden 523 . Die Straßengesetzgeber haben dies in den Ermächtigungen für die Einziehung und die Teileinziehung besonders deutlich zum Ausdruck gebracht, indem sie den Straßenbehörden als entscheidende materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung auferlegen, die betroffenen privaten und öffentlichen Belange in einem Akt planerischer Gestaltung durch Abwägung zum Ausgleich zu bringen. Noch selbstverständlicher ist die Verpflichtung der bauplanungsrechtlichen Festsetzung verkehrsreduzierter Bereiche auf das Gebot umfassender Abwägung; § 1 Abs. 6 BauGB wiederholt insoweit nur, was mittlerweile zum Wesen von Planungsentscheidungen gezählt werden darf 5 2 4 . Für die straßenverkehrsrechtliche Ermächtigung in § 45 StVO

521 BVerfG, NJW 1994, 1577 (1579) sowie BVerfGE 30, 292 (316); 33, 171 (187); 39, 210 (230); 40, 196 (222); 63, 88 (115); 67, 157 (173, 176); 70, 278 (286); 77, 84 (108); 78, 38 (50); weitere Nachweise bei Leibholz/Rinck/Hesse Iberger, GG, Art. 12 Rdnr. 309; vgl. i.ü. Gentz, NJW 1968, 1600 (1603); Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (571 f.); Jacobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 59; Schnapp, JuS 1983, 850 (852). Eine ausführliche Darstellung der Rspr. leistet Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 51 ff. Zu neueren Umschreibungsversuchen siehe etwa Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnr. 322. 522 Ipsen, JuS 1990, 634 (636); Jacobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 60; Schnapp, JuS 1983, 850 (854); auch Gentz, NJW 1968, 1600 (1602 f.). Diesen logischen Vorrang der Zweckbestimmung verkennt anscheinend Bleckmann, Grundrechte, S. 353 f. 523

Dürr, VB1BW 1993, 361 (361) im Anschluß an eine Definition des Niedersächsischen Sozialministeriums; ihm folgend Fliegauf, ZRP 1994, 386 (386). 524

Siehe oben, S. 53 ff.

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gilt nichts anderes 525 . Unabhängig von der gewählten Rechtsgrundlage erweist sich Verkehrsberuhigung stets als eine Planungs- und Gestaltungsentscheidung. Diese verkehrsplanerischen Gestaltungsentscheidungen lassen sich in einem zweiten Schritt dadurch charakterisieren, daß sie grundsätzlich einer Vielzahl von Zwecken verpflichtet werden können. Ob Verkehrslenkung mit den Zielen des Umweltschutzes, der städtebaulichen Gestaltung, des Baudenkmalschutzes oder der Verkehrssicherheit begründet wird, ist zunächst Teil der politischen Konzeptionsfreiheit des Entscheidungsträgers. Diese strukturelle Zweckoffenheit von verkehrspolitischen Lenkungsentscheidungen hat mit dem Abwägungserfordernis keine Eingrenzung, sondern nur ihre rechtliche Anerkennung erfahren. Wenn die straßenrechtlichen Teileinziehungsermächtigungen die Zulässigkeit nachträglicher Widmungsbeschränkungen an den Nachweis von „überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls" binden, ist darin keine Beschränkung auf bestimmte Zwecke enthalten. Mit der Verpflichtung der Straßenbaubehörden zur Förderung des „öffentlichen Wohls" 5 2 6 nehmen die Straßengesetze nur die allgemeine Verpflichtung freiheitsbeschränkender Hoheitsgewalt zur Verfolgung von Gemeinwohlbelangen 527 wieder auf. Die tatbestandliche Fassung der Straßengesetze beläßt der Verwaltung damit einen weiten Spielraum bei der Entscheidung, welche Ziele sie mit einer nachträglichen Widmungsbeschränkung verwirklichen will, soweit sie nur ihre Zwecksetzung als verfassungslegitim und gemeinwohlmotiviert zu begründen vermag. bb) Vereinbarkeit der verkehrspolitischen Zweckoffenheit mit der Zwecksetzungstypik der Stufenlehre Dieser weite Gestaltungsspielraum der Verwaltung bei der Definition ihrer Handlungszwecke könnte freilich mit grundrechtlichen Vorgaben kollidieren. Sollten die Straßengesetzgeber engeren Vorgaben bei der Zwecksetzung unterliegen, so könnte die Verwaltung jedenfalls auf diese verfassungsrechtlichen De525

Das in § 45 Abs. 1 StVO eingeräumte Ermessen verlangt gleichermaßen einen interessengerechten Ausgleich aller betroffenen privaten und öffentlichen Belange; so Hügel, Dritte als Betroffene verkehrsberuhigender Maßnahmen, S. 31 ff., 36 f., 59. Insbesondere für die Entscheidung nach § 29 Abs. 2 i.V.m. § 46 Abs. 2 Satz 1 StVO Ronellenfitsch, DAR 1995, 274 (276 f.). 526 Die Formulierung „öffentliches Wohl" entspricht inhaltlich der früheren Formulierung des „öffentlichen Interesses"; siehe Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 255. Dieser unbestimmten Rechtsbegriff wird synonym mit „Gemeinwohl" verwendet; vgl. Läufer, JuS 1975, 689 (690). 527 Zu dieser Minimalbindung des Staates, der die individuelle Freiheitssphäre nur im Interesse der „Allgemeinheit" oder nur zugunsten des „Gemeinwohls" einschränken darf, kritisch Gentz, NJW 1968, 1600 (1602), der anstelle des weit verstandenen öffentlichen Interesses nur auf die Verfassungslegitimität des Zwecks zurückgreifen will; vgl. auch Jacobs, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 60; Schnapp, JuS 1983, 850 (854 Fn. 62) und Ipsen, JuS 1990, 634 (636), der die Verfolgung von Gemeinwohlbelangen mit der Verfolgung eines „legitimen" Zwecks gleichsetzt und auch das BVerfG in dieser Richtung versteht. Ausführlich hierzu Schwerdtfeger, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, Rdnrn. 557 ff.; für Art. 12 GG auch Gusy, JA 1992, 257 (263).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

terminanten verpflichtet werden, sofern nicht sogar die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Teileinziehungsermächtigungen in Zweifel zu ziehen wäre. Das Grundgesetz hat dem Gesetzgeber eine weitgehende „Zwecksetzungskompetenz" 528 eingeräumt. Einer größeren Bindung unterliegt er nur kraft ausdrücklicher Anordnung, so etwa in Art. 11 Abs. 2 G G 5 2 9 oder nach der graduell differenzierenden Zwecksetzungstypik der Stufenlehre 530 , an deren unterschiedlich bemessenen legitimierenden Gesetzeszwecken trotz aller Auflösungserscheinungen der Stufentheorie nach wie vor festgehalten w i r d 5 3 1 . So fomuliert das BVerfG für Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl de facto einen qualifizierten Gesetzesvorbehalt, der die Zwecksetzungsfreiheit des Gesetzgebers erheblich beschränkt. Dagegen erfährt der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum bei Berufsausübungsregelungen mit dem Nachweis „vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls" 532 keine Vorgaben, die neben dem ohnehin geltenden Gemeinwohlvorbehalt zu eigenständiger Bedeutung erwachsen könnten 5 3 3 . Die Straßengesetzgeber haben daher mit der tatbestandlichen Weite der Teileinziehungsermächtigungen ihre Zwecksetzungskompetenz nicht überschritten, sondern vielmehr von ihr Gebrauch gemacht, indem sie ihre Gestaltungsfreiheit an die Verwaltung weitergegeben haben. Die materielle und rechtliche Zweckoffenheit von verkehrspolitischen Lenkungsentscheidungen erlaubt es daher, den Ausspruch einer autofreien Innenstadt auf ganz unterschiedliche Argumentationslinien zu stützen: Aus der Vielzahl der Gründe des öffentlichen Wohls, die für den Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots streiten, seien nur die Verbesserung der Umweltbedingungen, der Stadtqualität und der Verkehrsverhältnisse in den vom Stadtverkehr besonders belasteten Stadtkernen genannt 534 . Verkehrsberuhigung erweist 528

Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (600 ff.). Zu weiteren Beispielen Gentz, NJW 1968, 1600 (1603). 530 Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (603); Ipsen, JuS 1990, 634 (636). 531 Vgl. BVerfGE 75, 246 (267); 75, 284 (292,295 f.); 77, 84 (106 ff.); 81, 70 (80 f.); worin von der Stufentheorie nur noch die Zweckdifferenzierungen übernommen werden, während die gesetzlichen Regelungen im übrigen nach dem klassischen Muster des Übermaßverbots untersucht werden. Siehe insgesamt zur Zwecksetzungskompetenz des Gesetzgebers nach der Stufentheorie Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (603, 605 ff.); befürwortend Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnr. 13. 532 BVerfGE 7, 377 (378, 405); aus späterer Zeit etwa BVerfGE 30, 292 (316); 46, 246 (256 f.); 61, 291 (311); 68, 155 (171). Dazu Czybulka, NVwZ 1991, 145 (146 f.); krit. zu dieser „Gemeinwohljudikatur" Läufer, JuS 1975, 689 (693). 533 Diesen weit gezogenen Ermessensrahmen bezeichnet Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (603) als „willkürfreie legislatorische Qualifikationskompetenz", deren äußerste Grenze allein durch das Willkürverbot markiert wird. Krit. zu diesem weitgefaßten Eingriffsinteresse Lecheler, VVDStRL Heft 43 (1985), 48 (59 ff.), der ein Korrektiv in der „Erforderlichkeit" des Eingriffs sieht. 534 So die Argumentation des Bundesministeriums für Raumordnung u.a. (Hrsg.), Forschungsvorhaben flächenhafte Verkehrsberuhigung, 1992, S. 7 f. sowie Peine, Art. „Fußgängerzone", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hrsg.), HdUR Bd. I, Sp. 795 (797ff.); vgl. auch Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 269; Arndt, WiVerw 1993, 206 (230). 529

D. Berufsfreiheit, Art. 12 GG

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sich damit als eine verfassungslegitime und gemeinwohlmotivierte Zielsetzung kommunaler Verkehrspolitik 535 . cc) Eignung der Innenstadtsperrung zur Verkehrsberuhigung: Verkehrsverlagerung und gerichtliche Kontrolldichte Nach diesen genuin rechtlichen Überlegungen zur Zielsetzungskompetenz von Gesetzgebung und Verwaltung erweitert die Frage nach der Eignung einer Innenstadtsperrung zur Verkehrsberuhigung das Beurteilungsspektrum um empirische und prognostische Elemente. Gewichtige Vorgaben für die Rechtmäßigkeit von Eingriffen in die innerstädtische Auto-Mobilität lassen sich aus dem Erfordernis der Geeignetheit allerdings kaum formulieren, da die richterliche Kontrolle der Geeignetheit zu einem derart „weitmaschigen Sieb" 5 3 6 geworden ist, daß das BVerfG selbst einräumt, daß sich das Verdikt der „objektiven Zweckuntauglichkeit nur sehr selten und nur in ganz besonders gelagerten Fällen" begründen lassen w i r d 5 3 7 . Unabhängig von dieser grundsätzlichen Kontrollschwäche des Eignungsgebotes läßt sich die Tauglichkeit eines Innenstadtfahrverbots auch deshalb schwer in Frage stellen, weil wegen der Zweckoffenheit dieser Gestaltungsmaßnahme immer eine Argumentationslinie möglich bleiben wird, nach der sich das Fahrverbot als geeignet erweist. Als beachtlichster Einwand gegen die Tauglichkeit eines Innenstadtfahrverbots erscheint aber die Befürchtung einer Verkehrsverlagerung: Durch örtliche Fahrverbote werde das Verkehrsaufkommen insgesamt nicht verringert, sondern nur auf die unangetasteten Straßenzüge verlagert. Auch sei nicht auszuschließen, daß sich durch die Umfahrung des fortan gesperrten Kernbereichs manche Fahrstrecken verlängerten. Längere Wege bewirkten einen entsprechend höheren Treibstoffverbrauch und auch vermehrte Abgase. Zugleich verdichte sich der Verkehr auf den Umgehungsstraßen, so daß sich der Kreis der mit zu hohem Verkehrsaufkommen überforderten Straßen aus dem Zentrum in Richtung auf die Randgebiete ausdehne 538 . Da auch die Parkflächen im Innenstadtbereich künftig wegfielen, nehme der Parkplatzsuchverkehr in den Randbereichen der Sperrzone zu. Diese Gesichtspunkte könnten die Befürchtung tragen, daß ein innerstädtisches Fahrverbot im Saldo sogar zusätzlichen Verkehr induziere 539 und sich damit nicht nur als untauglich, sondern sogar als kontraproduktiv für das Ziel der Verkehrsberuhigung und des Verkehrsumweltschutzes erweisen würde. 535

Siehe Bartlsperger, Das Gefahrenrecht öffentlicher Straßen, 1994, S. 10 ff. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 54. 537 BVerfGE 30, 250 (264 f.); 39, 210 (230 f.); vgl. auch Ipsen, JuS 1990, 634 (637). 538 Vgl. etwa Steiner, DAR 1994, 341 (346) zu Nachtfahrverboten von Lkw sowie die Anforderungen, die Randelzhofer, DAR 1987, 237 (244 f.) an die Eignung von Verkehrsberuhigungsmaßnahmen stellt. 539 Dazu Maier, Neuverkehr infolge Ausbaus und Veränderung des Verkehrssystems, 1989. 536

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Dieses Argumentationsmuster führt zum eigentlichen Kernproblem der Geeignetheitsprüfung: der richterlichen Kontrolldichte für die vom Entscheidungsträger zugrunde gelegte Prognose über die Tatsachenentwicklung und damit die Eignung seines favorisierten Mittels. Nach anfänglichen Zweifeln erkennt das BVerfG mittlerweile großzügig Prognosespielräume a n 5 4 0 , wobei verkehrspolitische Lenkungsmaßnahmen - wie etwa die Sonderbesteuerung des Werkfern Verkehrs 541 oder die Festsetzung von Höchstzahlen für den Güterverkehr 5 4 2 - nicht ohne Grund entscheidenden Einfluß auf die Entwicklung dieser Rechtsprechung genommen haben. Nur wer Prognosen über die Entwicklung und die Beeinflußbarkeit der Verkehrsbeteiligten wagt, kann Maßnahmen der Verkehrslenkung ergreifen. Daher zählen verkehrspolitische Lenkungsentscheidungen zum Kreis derjenigen Gestaltungsaufgaben, die in hohem Maße von Ungewißheitsmomenten geprägt sind. Verkehrspolitische Handlungsfähigkeit und die Bereitschaft des Entscheidungsträgers zum Prognosewagnis sind daher eng miteinander verbunden: Verkehrspolitik weist insoweit experimentellen Charakter auf 5 4 3 . Diese Last der Ungewißheit trifft allerdings jede Gewalt, die einen verkehrspolitischen Gestaltungsauftrag verwirklicht, also nicht nur den Gesetzgeber, sondern auch die Verwaltung. Auch wenn sich die richterliche Zurückhaltung gegenüber prognostischen Entscheidungen bei der Überprüfung gesetzgeberischer Maßnahmen am deutlichsten zeigt 5 4 4 , müssen die exekutiven Entscheidungsträger gleichermaßen in den Genuß gerichtlich tolerierter Prognosefreiräume kommen, wenn sie kraft Gesetzes zu einer typischerweise prognostischen Entscheidung aufgerufen werden. Daß das Risiko prognostischer Fehleinschätzung kein bloß legislatives Problem ist, beweist schließlich das Polizeirecht, das de facto eine Renaissance zum strukturbildenden Vorbild für die Grenzen der Justiziabilität von (Gefahren-) Prognosen erfahren hat 5 4 5 . Mit der Anerkennung eines solchen Prognosespielraums beschränkt sich die Geeignetheitsprüfung daher auf die Frage, ob sich schon bei einer Betrachtung ex ante die Zweckuntauglichkeit einer Maßnahme eindeutig feststellen läßt 5 4 6 . 540 Zur Entwicklung der Rspr. Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnrn. 15 ff.; vgl. auch Seetzen, NJW 1975,429 (431 ff.). 541 BVerfGE 16, 147 (181 ff.); siehe auch BVerfGE 38, 61 (87 ff.) - „Leberpfennig". 542 BVerfGE 40, 196(223). 543 Sendler, DAR 1990, 404 (410). 544 Vgl. etwa Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnrn. 14 ff., der sich nur mit dem Prognosespielraum des Gesetzgebers auseinandersetzt; dazu aber Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 52 f. 545 Vgl. Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 52 f. 546 BVerfGE 39, 210 (230); 47, 89 (131); im übrigen variieren die Kriterien der Rspr. zwischen einer Evidenz- und einer Vertretbarkeitskontrolle; vgl. Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 778 Fn. 97 ff. Diese Rspr. ist insgesamt auf Zustimmung gestoßen; vgl. nur Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnrn. 17 ff.; Hirschberg, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 53; Jacobs, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 62 f.; Schnapp, JuS 1983, 850 (854); krit. aber Kloepfer, NJW 1971, 1585 ff.

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Anders als etwa bei der in letzter Zeit mehrfach diskutierten Frage der Geeignetheit von Geschwindigkeitsbegrenzungen als Instrument zur Verringerung der Ozonbelastung 547 oder des Waldsterbens 548 beruht der Ungewißheitsfaktor bei der Verfügung einer Innenstadtsperrung für den Individualverkehr allerdings weniger auf naturwissenschaftlichen Hypothesen, sondern auf dem nicht eindeutig vorhersehbaren, sondern nur prognostizierbaren Verhalten der betroffenen Autofahrer. Entscheidend ist, ob die kommunalen Straßenbehörden zum Zeitpunkt der Innenstadtsperrung davon ausgehen durften, daß jedenfalls ein Teil der Autofahrten, die sich bislang innerhalb des Kernbereichs bewegt haben, in Zukunft zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt würden, anstatt unter Inkaufnahme größerer Wegstrecken bloß auf die nicht gesperrten Außenbereiche verlagert zu werden. Im Lichte des immer weitreichenderen judicial self restraint bei der Beurteilung von Tauglichkeitsprognosen werden sich die Gemeinden bei ihrem Vorhaben einer Innenstadtsperrung bei dem zur Zeit vorhandenen Erkenntnisstand erfolgreich darauf berufen können, daß ein solches generelles Fahrverbot jedenfalls einen Beitrag zur Zurückdrängung des Kraftfahrzeugverkehrs zu leisten vermag. Die zur Entscheidung berufene Gemeinde mag sich dabei auf die Erfahrungen mit der Lübecker Altstadtsperrung stützen, wonach 40% der Autofahrer ihr Verkehrsverhalten änderten, um auf andere Verkehrsmittel umzusteigen 5 4 9 . Gleichwohl ist diese Tauglichkeitsprognose natürlich in großem Maße abhängig von den konkreten örtlichen Gegebenheiten. Die Erfolgstauglichkeit einer Innenstadtsperrung wird etwa von der Attraktivität des Kernbereichs, seiner Erreichbarkeit über andere, alternative Verkehrsmitteln und auch von dem Zustand der Infrastruktur in und außerhalb des Stadtzentrums abhängen. Alle diese Faktoren beeinflussen das Maß der Eignung. Solange aber die grundsätzliche Tauglichkeit einer Innenstadtsperrung nicht in Frage gestellt werden kann, sind diese graduellen Unterschiede auf der Ebene der Geeignetheit unerheblich, sie können aber für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit i.e.S. von Bedeutung sein 5 5 0 . Gleichwohl kann sich die Verwaltung nicht auf ihren Prognosespielraum zurückziehen, ohne konkrete Überlegungen zur Tauglichkeit der von ihr ins Auge gefaßten Maßnahme anzustellen. Sie muß daher nicht nur schon vorhandene Erkenntnisse ausschöpfen und sich über die Erfolge vergleichbarer Verkehrsbeschränkungen unterrichten. Ihr bleibt vor allem ein Instrument, das dem Gesetzgeber schon aus rechtsstaatlichen Gründen versagt wäre: die Anordnung 547 Janker, NJW 1993, 2711 (2713 f.) stellt einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeitsreduzierung, verringertem Schadstoffausstoß und Rückgang der Ozonkonzentrationen in der betroffenen Region nachdrücklich in Frage; so auch der ADAC, in: ADAC motorweit 2/95, 122. 548 Zweifelnd auch Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 323. 549 Senat der Hansestadt Lübeck (Hrsg.), Autofreie Innenstadt - Lübeck plant und baut, 1990; vgl. auch Nickel, DER NAHVERKEHR 1991, 11 (15). 550 Siehe nur Gentz, NJW 1968, 1600 (1603). 9 Röthel

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

von Verkehrsbeschränkungen „auf Probe". Mit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO werden die Straßenverkehrsbehörden ausdrücklich zu zeitlich begrenzten probeweisen Anordnungen ermächtigt. Wo der Verwaltung solche Mittel an die Hand gegeben werden, muß im Gegenzug die gerichtliche Kontrolldichte wieder an Intensität gewinnen. Hier wäre es also fehlerhaft, von dem Prognosespielraum des Gesetzgebers unbesehen auf den Prognosespielraum der Exekutive zu schließen 551 . § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StVO ermächtigt auch zu solchen verkehrsbeschränkenden Anordnungen, die ansonsten ausschließlich mit den Mitteln des Straßenrechts zu realisieren sind 5 5 2 . Damit ist es den Straßenbehörden verwehrt, sich auf die straßenrechtliche Natur des Fußgängerbereichs zu berufen. Die Gemeinden sind daher verpflichtet - wollen sie sich nicht dem Risiko ungeeigneter und damit angreifbarer Maßnahmen aussetzen - , die Unsicherheiten über das Verkehrsverhalten und die Wirksamkeit einer geplanten Innenstadtsperrung vorher probeweise zu erkunden. Eine solche Erprobung des Verkehrsverbots ist um so angezeigter, je umfangreicher und zeitaufwendiger eventuelle flankierende Baumaßnahmen sind, so etwa Veränderungen der umliegenden Infrastruktur oder der Bau von zusätzlichen Parkmöglichkeiten am Rande der Sperrzone 553 . Die zulässige Dauer von Erprobungsmaßnahmen ist abhängig von der gestellten Aufgabe. Nach einer Entscheidung des VGH BadenWürttemberg aus dem Jahr 1994 läßt sich eine Erforschungsphase von 9V2 Monaten durchaus rechtfertigen 554 . In dem zu entscheidenden Fall sollten Erkenntnisse über die Vertretbarkeit der Sperrung einer Innenstadtdurchfahrt und die notwendigen Begleitmaßnahmen gewonnen werden. Diese Erprobungsdauer wird man a maiore ad minus auch für ein flächendeckendes Innenstadtfahrverbot veranschlagen können. Wie der VGH zutreffend hervorhebt, verlangen derart umfassende Verkehrslenkungen eine Testphase, die lange genug sein muß, um auch Zeiten des besonderen Verkehrsverhaltens, wie etwa der Ferienzeit oder der Vorweihnachtszeit, zu berücksichtigen 555 . dd) Nachwirkungen des Prognosespielraums: Pflicht zum „Nachfassen" Angesichts der groben Kontrollraster auf der Ebene der Geeignetheit werden sich nur Extremfälle absoluter Zweckuntauglichkeit aus der verfassungsrechtlichen Prüfung ausscheiden lassen. Da Tauglichkeitsprognosen ex ante kaum angreifbar sind und der gerichtliche Kontrollrückzug faktisch ein Recht auf Fehlprognose begründet, hat die Anerkennung nicht justiziabler Prognosespielräume 551

So auch Degenhart, StaatsR Bd. I, 8. Aufl. 1992, Rdnr. 328, der „im Grundsatz" eine unterschiedliche Kontrollintensität für die Geeignetheit von Gesetzen und Maßnahmen der Exekutive annehmen will, allerdings keine näheren Kriterien und Begründungen zu formulieren vermag. 552 VGH Bad.-Württ., UPR 1995, 78 (79); VG Stuttgart, VB1BW 1989, 272 (274). 553 Hess. VGH, UPR 1993, 74 (76). 554 VGH Bad.-Württ., UPR 1995, 78 (80). 555 VGH Bad.-Württ., UPR 1995, 78 (80).

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mittlerweile ein verfassungsrechtliches „Nachspiel": Prognoseentscheidungen erwachsen schrittweise in Verfassungswidrigkeit, wenn sie trotz nachträglich erkannter Fehlprognose nicht geändert, angepaßt oder aufgehoben werden 556 . Mit der Verfügung eines innerstädtischen Fahrverbots sind die Gemeinden daher noch nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Sie sind vielmehr verpflichtet, die Tauglichkeit ihrer Anordnungen zu prüfen und zu beobachten. Muß eine Gemeinde feststellen, daß das Fahrverbot häufig umgangen wird, oder daß die Ausnahmeregelungen mißbräuchlich in Anspruch genommen werden, wird man an sie die Forderung richten können, die Einhaltung des Fahrverbots besser zu überwachen, damit die Verkehrsbeschränkung nicht schrittweise an Tauglichkeit verliert. Vernünftigerweise ist der Gemeinde hier ein Beobachtungszeitraum zuzugestehen, der der Dauer der Probeverfügung entspricht. Wenn eine Gemeinde die Ausgestaltung eines innerstädtischen Fahrverbots auf Erfahrungen gestützt hat, die sie während einer Probephase von beispielsweise sechs Monaten gewonnen hat, muß man ihr einen mindestens genauso langen Zeitraum zubilligen, in dem sie die Entwicklung des Verkehrsgeschehens beobachten kann, ohne daß sie bei den ersten Zweifeln an der Tauglichkeit zum sofortigen „Nachfassen" verpflichtet wäre. b) Erforderlichkeit Das Übermaßverbot verlangt mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit den Einsatz des Mittels, das unter gleich geeigneten den geringsten Eingriff in die Individualfreiheitssphäre bedeutet 557 . Das Prinzip der Erforderlichkeit verpflichtet den verkehrslenkenden Staat auf das „Interventionsminimum" 558 : Nur die für die Zweckerreichung unerläßlichen Eingriffe in die Auto-Mobilität sind einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung zugänglich. Dem Gebot des mildesten Mittels genügt ein innerstädtisches Fahrverbot dann nicht, wenn ein anderes, weniger einschneidendes Mittel die gleiche Tauglichkeit zur Förderung der unter dem Stichwort „Verkehrsberuhigung" zusammenfaßbaren Ziele verspricht. 556 Vgl. BVerfGE 68, 287 (309); 73, 40 (94); 77, 308 (334); 79, 1 (29); 80, 1 (31); 83, 1 (21 f.); Badura, in: FS für Kurt Eichenberger, 1982, S. 481 ff.; Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnr. 19; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 12 Rdnr. 23; für Verwaltungsentscheidungen Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 53, der in konsequenter Parallele zum Polizeirecht die Aufhebung von Maßnahmen mit Dauerwirkung verlangt, die sich als ungeeignet herausgestellt haben. Eine solche Pflicht zur Nachbesserung hat das BVerfG kürzlich für die Frage, ob weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen eingeführt werden müßten, abgelehnt; siehe BVerfG, DVB1. 1996, 558 f. 557 BVerfGE 7, 377 (405); 14, 288 (303); 16, 147 (172 ff.); 49, 24 (58); 77, 84 (109); 80, 137 (153); 81, 70 (90); jüngst BVerfG, NJW 1994, 1577 (1579); zu den unterschiedlichen Definitionen Gentz, NJW 1968, 1600 (1603 f.); Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (573 ff.); Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 56 ff.; Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 779 f. 558 Schnapp, JuS 1983, 850 (854).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Mildere Mittel im Sinne geringerer Eingriffswirkungen für die AutoMobilität der Betroffenen kommen in zweierlei Hinsicht in Betracht. Nach milderen Mitteln kann zunächst im Hinblick auf die Eingriffsintensität gesucht werden, indem das Ausmaß des zwingenden Charakters des Handlungsbefehls kontrolliert wird. Daneben verlangt das Gebot des mildesten Mittels von den Gemeinden, Rechenschaft über den persönlichen, räumlichen und zeitlichen Anwendungsbereich des Fahrverbots abzulegen. aa) Das ordnungsrechtliche Verbot im Vergleich mit weniger zwingenden Handlungsformen Aus dem Spektrum verkehrspolitischer Handlungsformen im Interesse der Verkehrslenkung und -reduzierung scheiden unproblematisch Maßnahmen der öffentlichen Aufklärungsarbeit mit bloßem Appellcharakter oder weniger zwingende Sollvorschriften aus, wie sich mit den Erfahrungen zur Gurtpflicht belegen läßt. Obwohl der Nutzen für die Sicherheit der Autofahrer anerkannt und bewiesen war, hat erst das gesetzliche Gebot Wirkung gezeigt 559 . Der Hinweis auf abgabenrechtliche Lösungen - etwa durch innerstädtisches „road pric i n g " 5 6 0 - vermag genauso wenig zu überzeugen. Zwar werden Abgaben den klassischen Verbotsnormen gerne als mildere Mittel gegenüber gestellt. Abgaben müssen in ihrer Lenkungswirkung aber notwendig hinter dem absoluten Verbot zurückbleiben, da sie dem Ziel der Erzielung von Einnahmen verpflichtet sind 5 6 1 und schon deshalb eine verbotsgleiche Lenkungseffizienz nicht anstreben dürfen 5 6 2 .

559

Dazu Benda, DAR 1986, 367 (371); Sendler, DAR 1990, 404 (412). Siehe zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von Fahrverboten gegenüber anderen, weniger einschneidenden Sanktionen BVerfG, DAR 1996, 196 ff. (insb. 197). 560 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten von Straßennutzungs- und Innenstadtzufahrtsabgaben Arndt, WiVerw 1993, 206 (209 ff.); Jachmann, NVwZ 1992, 932 f.; Murswiek, Die Innenstadtzufahrtsabgabe, S. 30 ff., 94 ff., 117 ff. 561 Zu dieser Fiskalfunktion vgl. für Steuern schon die einfachgesetzliche Begriffsbestimmung in § 1 RAO, wonach Steuern „zur Erzielung von Einkünften" erhoben werden, inhaltsgleich insoweit auch § 3 Abs. 1 S. 1 AO 1977; vgl. Koch/Scholz, AO 1977, § 3 Rdnr. 8; zur Rspr. des BVerfG Knies, Steuerzweck und Steuerbegriff, S. 73 ff. Zur Fiskalsfunktion von Gebühren Brodersen, in: FS für Gerhard Wacke, S. 103 (109 ff., 112); E Kirchhof Die Höhe der Gebühr, S. 133 f.; siehe auch Selmer/Brodersen/Nicolay sen, Straßennutzungsabgaben, S. 61. 562 Eine Erdrosselungssteuer ist genauo unzulässig wie eine Prohibitivgebühr mit intendiertem Nullaufkommen. Solche Abgaben zeigen zwar ein Höchstmaß an Lenkungseffizienz, genügen mangels Einnahmeerzielung aber nicht ihrer Fiskalfunktion. Das eigentliche Problem liegt hier aber darin, nach welchen Kriterien die unzulässige Erdrosselungssteuer von der noch zulässigen Abgabe mit geringem Ertragsaufkommen zu unterscheiden ist; dazu Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 117 ff.; krit. zur „Hauptzweck-Nebenzweck"-Argumentation des BVerfG Stern, StaatsR Bd. Π, S. 1103 f. Für die parallele Problematik lenkender Gebühren grundlegend Kloepfer, AöR Bd. 97 (1972), 232 (246); Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 65 ff.

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bb) Der Anwendungsbereich des Fahrverbots Das Gebot der Erforderlichkeit ist regelmäßig das entscheidende Kontrollinstrument für den Anwendungsbereich von freiheitsbeschränkenden Hoheitsakten. Hier könnte die Verpflichtung des verkehrslenkenden Staates auf den Einsatz des mildesten Mittels persönliche, örtliche oder zeitliche Ausnahmen gebieten, wenn der Nachweis gleicher Eignung gelingt. In diesem Zusammenhang findet sich häufig der lakonische Hinweis, Verkehrsbeschränkungen dürften nicht „über das Ziel hinausschießen" 563 . Für Verkehrsbeschränkungen gemäß § 40 BImSchG oder § 45 StVO dürfte der Grundsatz der Erforderlichkeit die gewichtigste Vorgabe für die Ausgestaltung von Sperrmaßnahmen bilden. Da beide Ermächtigungen ihrer Zielsetzung nach einer spezifischen Gefahrenlage verpflichtet sind, fällt es leicht, unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit zu betonen, daß das Fahrverbot auch nur soweit und solange Geltung beanspruchen kann, wie es unbedingt erforderlich ist zur Minderung der verkehrsbedingten Immissionen oder zur Abwehr von Gefahren für den Fußgängerverkehr. Auch wenn die Rechtsprechung in gewissem Rahmen pauschalisierende Lösungen zuläßt 5 6 4 , bleibt der Grundsatz der Erforderlichkeit aber die entscheidende Richtschnur für die Ausgestaltung von Sperrmaßnahmen für den Automobilverkehr, indem er dem verkehrslenkenden Staat die Rechtfertigungslast für die zeitliche, räumliche und neuerdings auch persönliche 565 Erstrekkung des Fahrverbots auferlegt. Anders als § 40 BImSchG und § 45 StVO sind die straßenrechtlichen Teileinziehungsermächtigungen aber nicht einer bestimmten Gefahrenlage verpflichtet, sondern ermöglichen städtebauliche Gestaltungsentscheidungen, die das Nutzungsstatut innerstädtischer Straßen dauerhaft neu definieren. Einwände gegen den zeitlichen Geltungsbereich eines straßenrechtlich ausgesprochenen innerstädtischen Fahrverbots können schon aus diesem Grund kaum durchdringen 5 6 6 . Auf der Grundlage des Straßenrechts wandelt sich der Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots von einer Maßnahme der Gefahrenabwehr zu einer Planungs- und Gestaltungsentscheidung. Hier wird der Aussagegehalt des 563

Hermes, DAR 1993, 92 (95); Jahn, NZV 1994, 5 (6). Vgl. die schon erwähnte Entscheidung BVerwG JZ, 1994, 520 (522); dazu bereits oben, S. 82. 565 Zur rechtlichen Zulässigkeit von Ausnahmen für sog. schadstoffarme Fahrzeuge mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator (§ 47 Abs. 5 StVZO i. V. mit Anlage XXV) vgl. Steiner, DVB1. 1992, 1561 (1563 f.), der an der Zulässigkeit solcher Differenzierungen schon deshalb zweifelt, weil so mittelbar eine Art örtliches Sonderrecht der Kraftfahrzeug-Zulassung entstünde. Ausnahmsweise hält Steiner eine solche Privilegierung der Kat-Fahrzeuge für zulässig, wenn sie dem Immissionschutz der Bevölkerung bei extrem hoher Abgasbelastung dienen. Zustimmend Rehbinder, Gutachten über Rechtsfragen von Verkehrs verboten, Verkehrsbeschränkungen und Abgaben, 1993, S. 17 f. Dagegen hält der 32. Deutsche Verkehrsgerichtstag eine Regelung im Bundes verkehrsrecht für erforderlich, vgl. NVwZ 1994,465. 566 Zu den Argumenten, die einen Ausschluß des Kraftfahrzeugverkehrs ohne zeitliche Begrenzungen rechtfertigen Trouet, BB 1981, 640 (643 f.). 564

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Erforderlichkeitsgrundsatzes zwangsläufig geringer. Mit dem Gebot des mildesten Mittels läßt sich - jedenfalls theoretisch - aber kontrollieren, ob die bestehende Gemengelage unterschiedlicher Nutzungsinteressen von Anwohnern, Gewerbebetreibenden, Kunden, Touristen etc. am Straßenraum überhaupt einen hoheitlichen Eingriff zur Ausbalancierung der konfligierenden Interessen verlangt. Unter diesem Gesichtspunkt kommen flächendeckende Fahrverbote von vornherein nur für Gemeinden mit einem ganzen Bereich von Straßen in Betracht, für die der Nachweis eines Nutzungskonflikts durch massierte und gegenläufige Nutzungsansprüche gelingt. Der Grundsatz der Erforderlichkeit hoheitlicher Eingriffe in das Verkehrsgeschehen beschränkt flächendeckende Fahrverbote daher auf Gemeinden mit einem größeren innerstädtischen Kernbereich. Weitergehende und allgemeingültige Kriterien werden sich aus dem Gebot der Erforderlichkeit hingegen kaum ableiten lassen, da die Erforderlichkeit genauso wie die Geeignetheit einem Zweck-Mittel-Denken verhaftet ist, das notwendig seine Konturen gegenüber in hohem Maße zweckoffenen Gestaltungsprozessen verlieren muß. An der Vielzahl von Zielen, die unter dem Stichwort „Verkehrsberuhigung" zusammengefaßt werden, scheitern auch Versuche, aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit Einschränkungen für den persönlichen Geltungsbereich des Fahrverbots abzuleiten. Wenn sich eine Gemeinde der möglichst weitreichenden Zurückdrängung des Autoverkehrs von den innerörtlichen Straßen verschrieben hat, so ist jede Zulassung von besonderen Verkehrsarten oder besonderen Fahrzeugen zwar ein milderes Mittel, doch würde damit zugleich die Effizienz des Fahrverbots verringert. Unter Berufung auf die Erforderlichkeit hoheitlicher Verkehrsbeschränkungen können daher keine Ausnahmen für die berufliche Auto-Mobilität oder andere Auflockerungen des Fahrverbots - z.B. indem täglich abwechselnd entweder nur Autos mit geraden und nur mit ungeraden Nummernschildern im Innenstadtbereich betrieben werden dürfen 5 6 7 - verlangt werden. Über das Gebot der Erforderlichkeit erzielen die Individualinteressen an weiterhin bestehender innerstädtischer Auto-Mobilität daher nur in sehr geringem Maße beachtlichen Schutz gegenüber der zweckoffenen verkehrspolitischen Gestaltungsentscheidung einer Gemeinde für die autofreie Innenstadt. Mit der Erforderlichkeit lassen sich genausowenig wie mit der Geeignetheit allgemeingültige und absolute Grenzen für die Ausgestaltung eines innerstädtischen Fahrverbots formulieren 568 . 567 Dies hält Steiner, DVB1. 1992, 1561 (1563) schon aus straßenverkehrsrechtlichen Gründen für unzulässig; vgl. auch Rehbinder, Gutachten über Rechtsfragen von Verkehrs verboten, Verkehrsbeschränkungen und Abgaben, S. 42 f. Anders aber Koch, Verkehrsverbote und -beschränkungen nach Maßgabe von § 40 Abs. 2 BImSchG, Rechtsgutachten, 1994, S. 88, der eine solche Differenzierung durch den Gedanken der „gruppenspezifischen Zumutbarkeit" gerechtfertigt sieht. 568 So auch Sendler, DÖV 1974, 216 (228).

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c) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne Während Eignung und Erforderlichkeit im wesentlichen eine Kontrolle der Sachrichtigkeit und Zweckrationalität verbürgen und insoweit „blind" für die besonderen Gewährleistungsgehalte der einzelnen Grundrechte sind 5 6 9 , stellt das Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne die konkrete Wirkkraft des betroffenen Grundrechts auf die Probe. Mit der Angemessenheit oder Proportionalität verlangt das Übermaßverbot, daß Zweck und Mittel „nicht außer Verhältnis" zueinander stehen dürfen 570 . Die Rechtsprechung orientiert sich dabei an der Intensität des Eingriffs und dem Gewicht der eingriffslegitimierenden Gemeinwohlinteressen 571. aa) Schwere des Eingriffs Grundrechtlich geschützte Freiheitsausübung kann gegenüber dem Übermaßverbot mit unterschiedlicher Intensität ins Gewicht fallen. Wenn nach der jeweiligen „Schwere" des Eingriffs gefragt wird, so lassen sich nicht nur die Intensität des Eingriffs, sondern im Umkehrschluß auch die Intensität des Grundrechtsschutzes abstufen von einer Beeinträchtigung der „Randzonen der Grundrechtsausübung" bis zum jeweiligen „Grundrechtskern" 572 . Schon bei der Frage nach der Schutzbereichsbetroffenheit und spiegelbildlich auch bei der Schwere des Eingriffs wurde deutlich, daß sich Verkehrsbeschränkungen nicht automatisch im Gewährleistungsgehalt der Berufsfreiheit bewegen. Auto-Mobilität konnte zwar über die Stufe der beliebigen tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtsausübung hinausgehoben werden, doch verdankt die Auto-Mobilität erst dem Motiv des Autofahrers - Autofahren als Teil der beruflichen Betätigung zu kommerzialisieren - seine Einbeziehung in die Schutzwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG. Damit mögen Schlußfolgerungen über die Intensität des Eingriffs von Verkehrsbeschränkungen in die Berufsfreiheit naheliegen. Demgegenüber bleibt aber daran zu erinnern, daß die Berufsfreiheit nach ihrem rechtssystematischen Schutzzweck generell nicht als Garantie bestimmter typischerweise beruflich ausgeübter Tätigkeiten zu verstehen ist. Die Berufsfreiheit speist ihre Schutzrichtung immer aus dem besonderen Motiv, eine Tätigkeit zur wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu machen 573 . Für das Autofahren gilt nichts anderes als für das Tapezieren oder Anstreichen: Im Spiegel der Berufsfreiheit differenziert das Grundgesetz nicht nach Art und Inhalt der Tätigkeit, sondern allein danach, ob diese zu beruflichen oder zu privaten Zwecken ausgeübt wird. 569

Wendt, AöR Bd. 104 (1979), 414 (449). BVerfGE 7, 377 (407); 16, 194 (202); 25, 236 (247); 27, 211 (219); 28, 66 (88); 28, 264 (280). Das BVerfG prüft damit nur negativ, ob eine Maßnahme unangemessen ist; vgl. Gentz, NJW 1968, 1600 (1604); Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (576). 571 BVerfGE 11, 30 (44 f.); 30, 292 (317 f.); Grabitz, AöR Bd. 98 (1973), 568 (581). 57 2 Wendt, AöR Bd. 104 (1979), 414 (446 ff.). 57 3 Gusy, JA 1992, 257 (259). 570

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Kennt die Berufsfreiheit keine typischerweise beruflich geschützten Handlungen, so erlaubt die Art der ausgeübten Tätigkeit auch keinen Rückschluß auf die Schwere des Eingriffs und damit die Intensität des Grundrechtsschutzes. Für die Gewichtung der Schwere des Eingriffs, der mit einem innerstädtischen Fahrverbot für die Berufsfreiheit ausgesprochen wird, verbleibt nur die Anknüpfung an die von der Stufenlehre vorgezeichneten Differenzierungen zwischen Berufsausübung und Berufswahl. Als bloße Beeinträchtigung der Berufsausübung, mit der nur für einen bestimmten Bereich das Autofahren untersagt wird, bewirken innerstädtische Verkehrsbeschränkungen, z.B. für die betroffenen Taxifahrer, weniger einschneidende Beeinträchtigungen als etwa das Konzessionssystem, dem das Taxigewerbe seit jeher unterworfen ist. Im einzelnen verhindert ein innerstädtisches Fahrverbot weder, daß Autofahren zu kommerziellen Zwecken genutzt wird, noch kommt es einem solchem Eingriff in seinen faktischen Auswirkungen nahe, da nur der innerstädtische Kernbereich künftig von dem Fahrverbot erfaßt ist, so daß noch weitreichende Betätigungsmöglichkeiten bleiben 574 . Für die Berufsfreiheit der Taxifahrer und Kuriere bedeutet ein Innenstadtfahrverbot daher einen vergleichsweise geringfügigen Eingriff. bb) Zurückdrängung der Auto-Mobilität: Ordnungsziel als öffentliches Interesse oder Selbstzweck? Nach der Schwere des Eingriffs ist der zweite Richtpunkt für die Beurteilung der Angemessenheit eines innerstädtischen Fahrverbots das Gewicht der eingriffslegitimierenden Gemeinwohlinteressen. Für verkehrsberuhigende Maßnahmen streiten eine Vielzahl von gewichtigen Gemeinwohlbelangen, so daß wohl niemand ihre grundsätzliche Zulässigkeit ernsthaft in Frage stellen wird. Häufig scheint schon ein Hinweis auf die verkehrsbedingten Belastungen zu genügen, um pauschal für die Legitimität verkehrsbeschränkender Maßnahmen einzutreten 575 , so daß es fast schwerfällt, überhaupt an der Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in die Auto-Mobilität zu zweifeln. Bei generalisierender Betrachtung lassen sich auch durchaus eine Vielzahl von Gemeinwohlbelangen für Verkehrsbeschränkungen mobilisieren, allen voran der Gesundheitsschutz der Anwohner, der Verkehrsumweltschutz und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer 576 . Gegenüber diesen Gemeinwohlbelangen fällt das primär finanzielle Interesse an berufsbedingter Auto-Mobilität mit vergleichsweise geringem Gewicht in die Waagschale. Eine bloß wirtschaftliche Belastung von Berufskraftfahrern erscheint somit nicht unverhältnismäßig. 574 Ygj m ( j i e s e r stelle schon die spiegelbildlichen Ausführungen im Rahmen des eigentumsrechtlich geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs, S. 65 ff. 575 So Koch anläßlich des 8. Kolloquiums der Forschungsstelle Umweltrecht der Universität Hamburg, zit. nach Lechelt, UPR 1994, 19; siehe auch Arndt, WiVerw 1993, 206 (230); Murswiek, Die Innenstadtzufahrtsabgabe, S. 64 f. 576 Siehe nur Peine, Art. „Fußgängerzone", in: Kimminich/v. Lersner/Storm (Hrsg.), HdUR Bd. I, Sp. 795 (797 ff.).

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Bei dieser oberflächlichen Betrachtung bleibt allerdings unberücksichtigt, was schon die Überlegungen zur Geeignetheit und Erforderlichkeit des generellen Innenstadtfahrverbots zu Tage förderten. Mit den Zielen des Verkehrsumweltschutzes oder der Verkehrssicherheit wird an spezifische Gefahrenlagen angeknüpft, so daß sie generelle Verkehrsverbote, die „rund um die Uhr" und unabhängig von einer bestimmten Belastungssituation gelten, auf den ersten Blick nicht zu tragen vermögen 577 . Soll ein innerstädtisches Fahrverbot allein aus Gründen der Verkehrssicherheit gerechtfertigt werden, so muß spätestens bei der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne an die Möglichkeit erinnert werden, flächendeckend Schrittgeschwindigkeit einzuführen. Schließlich bewirken schon Tempo-30-Zonen einen Rückgang der Unfälle mit Personenschäden um 47% 578 der Einführung von Schrittgeschwindigkeit könnte daher ein für alle grundrechtlich geschützten Interessen zumutbarer Ausgleich zwischen berufsbedingten Mobilitätschancen und grundrechtsgeschützter Verkehrssicherheit gefunden werden 579 . Ähnliches muß gelten, wenn das Fahrverbot allein aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt werden soll: Zur Verringerung der verkehrsbedingten Umweltbelastungen verlangt das Gebot verhältnismäßigen Interessenausgleichs zeitliche Abstufungen entsprechend der zu erwartenden Immissionsund Lärmbelastung. Schließlich müßte sich ein unumschränktes Fahrverbot, das sich ausschließlich dem Umweltschutz verpflichtet hat, auch der Frage nach Ausnahmeregelungen für schadstoffarme Fahrzeuge mit geregeltem DreiWege-Katalysator oder Elektroautos stellen 580 . Diese Beispiele verdeutlichen nochmals, daß mit dem Konzept der „autofreien Innenstadt" eine Verkehrs- und Stadtgestaltungsmaßnahme verwirklicht wird. Wer ein unumschränktes Fahrverbot ohne zeitliche, sachliche oder persönliche Ausnahmen erläßt, dem ist eine durchgängige Berufung auf die Verkehrssicherheit, den Gesundheitsschutz der Anwohner oder den Verkehrsumweltschutz versagt. Insoweit lastet auf dem Konzept der „autofreien" Innenstadt der Einwand, hier würde die Reduzierung des Kraftfahrzeugverkehrs zum Selbstzweck verkehrspolitischer Lenkungsentscheidungen erhoben. 577

So Trouet, BB 1981, 640 (643 f.), der allerdings mit dem Umweltschutzgedanken alle Einwände gegen zeitliche Beschränkungen ausräumen will. 578 So Draeger, Verkehr&Umwelt 1987, 14 (16) unter Berufung auf eine Studie des ADAC zu Zonengeschwindigkeitsbeschränkungen. Von einem Rückgang der Unfälle um 35% berichtet eine Studie der BASt, mitgeteilt in NZV 1990, 344; vgl. auch Umweltbundesamt (Hrsg.), Presse-Information Nr. 40/93 v. 1. 10. 1993. 579 Allerdings müssen sich Geschwindigkeitsbeschränkungen auch der Frage stellen, ob durch das langsame Fahren nicht die Schadstoffbelastung ansteige; vgl. Lukschanderl, Umweltschutz 10/92, 8 (10); gegen diesen Einwand schon Stöckling, Verkehr & Umwelt 2/87, 54 f. und nachdrücklich das Umweltbundesamt (Hrsg.), Presse-Information Nr. 40/93 v. 1. 10. 1993, das eine Reduktion des Stickstoffausstosses bis zu 30% und eine Verringerung der Kohlenmonoxid- und Kohlenwasserstoffemissionen um 10 bis 20% bei „gleichmäßiger und vorausschauender Fahrweise" prognostiziert. 580 Vgl. dazu schon oben, S. 133 Fn. 565.

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Tatsächlich bedeutete es einen Zirkelschluß, den Zustand, der durch einen hoheitlichen Eingriff geschaffen wird, mit der Erreichung dieses Zustands zu rechtfertigen 581 . Schon unter dem Stichwort Schikaneverbot ist Gesetzgebung und Verwaltung ein solcher „Eingriff um seiner selbst willen" verwehrt. Im grundrechtsrelevanten Bereich folgt dies schon daraus, daß die Beschneidung grundrechtsgeschützten Verhaltens für sich allein niemals eine verfassungslegitime Zielsetzung darstellen kann, da sich die Verfassung ja deutlich für die freiheitliche Ausübung dieses Verhaltens - und nicht primär für seine Beschneidung - ausspricht. Daher können die Folgen eines innerstädtischen Fahrverbots - die quasi „autofreie" Innenstadt inklusive der Einbußen an berufsbedingter Auto-Mobilität - nicht allein mit dem Hinweis auf die Verringerung des Verkehrsaufkommens gerechtfertigt werden 582 . Indem berufliche Auto-Mobilität ihre Anerkennung als grundrechtsgeschütztes Verhalten erfahren hat, kann nicht allein die Reduzierung der Auto-Mobilität, sondern allenfalls ihre Erhaltung oder Wiederherstellung als eine verfassungslegitime gemeinwohlorientierte Zielsetzung aufgefaßt werden. Die verkehrslenkenden Gemeinden genügen ihrer Rechtfertigungslast daher nicht allein dadurch, daß sie sich auf das Ziel der Verkehrsberuhigung durch Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs berufen. Sie müssen vernünftige Gründe vorbringen, die ein flächendeckendes Verbot des Individualverkehrs auch außerhalb spezifischer Belastungssituationen, die eine Berufung auf den Umweltschutz oder die Verkehrssicherheit erlauben, zu tragen vermögen, ohne daß sie sich nur auf das primäre Ordnungsziel - die Umgestaltung der innerstädtischen Mobilität - berufen könnten. Zu den einzelnen Gemeinwohlgründen, die für ein zeitlich und sachlich unumschränktes Fahrverbot fruchtbar gemacht werden können, kann z.B. der Schutz erhaltenswerter historischer Baudenkmäler vor weiterer Zerstörung durch Abgase und auch vor Erschütterungen gezählt werden. Daneben können die Gemeinden auch stadtplanerische Interessen geltend machen, so das Interesse daran, öffentliche Straßen und Plätze von jeglichem Kraftfahrzeugverkehr unabhängig von der Luft- und Lärmbelastung freizuhalten, um sie dauerhaft anderen Nutzungsformen zur Verfügung stellen zu können, etwa für Märkte, Cafés, Konzerte oder als Foren politischer oder kultureller Aktivitäten. Schließlich ist daran zu erinnern, daß sowohl der Sicherheits- als auch der Umweltaspekt in Einzelfällen nächtliche Fahrverbote tragen kann; dies gilt zunächst für das nachts gesteigerte Interesse 581

Diese Unterscheidung zwischen dem „Zustand, der durch den Eingriff geschaffen wird" und dem Zweck des Eingriffs wird besonders deutlich bei Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 322 ff. 582 Insoweit erscheint die knappe Begründung des BVerwG, NJW 1981, 184 (185) zum Fahrverbot in der Lübecker Innenstadt problematisch, denn die flächendeckende Teileinziehung wird vom Gericht formelhaft damit gerechtfertigt, „den privaten Individualverkehr, zu dem der Mietwagenverkehr gehört, zum Zwecke der Beruhigung des innerstädtischen Verkehrs einzuschränken." Unbeachtet bleibt dabei das Problem, wie die Zurückdrängung des Individualverkehrs als ein gemeinwohlmotiviertes, öffentliches Interesse verstanden werden kann, das dem Willkür- und Schikaneverbot standhält.

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der Anwohner am Schutz vor Lärmbelastungen 583 . Schließlich mag, aber auch die bei Dunkelheit größere Gefährdung von Fußgängern zeitliche Beschränkungen des Verkehrs Verbots entbehrlich machen 584 . Genauso wie den Lübecker Stadtvätern dürfte es den Gemeinden aber aufgrund genau umschriebener Interessenlagen durchaus gelingen, den Ausspruch flächendeckender Fahrverbote auf solche Gemeinwohlgründe zu stützen, die sich über das finanzielle Interesse von privaten Transportunternehmen und Kurieren - das diese ja überdies auf ihre Kunden abwälzen können - durchzusetzen vermögen und dadurch dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne genügen. cc) Öffentliche Interessen an der Aufrechterhaltung beruflicher Auto-Mobilität Öffentliche Interessen können aber nicht nur gegen die berufliche AutoMobilität ins Feld geführt werden, sondern sie sprechen unter Umständen auch für die Aufrechterhaltung des Kraftfahrzeug Verkehrs. So bedeutet die „autofreie Innenstadt" für Ärzte auf dem Weg zu Patienten sowie für die Fahrer von Feuerwehrlöschzügen oder Fahrzeugen des Rettungsdienstes nicht allein eine Schmälerung der Verdienstmöglichkeiten oder zwingt sie zu der Unbequemlichkeit, ein Stück des Weges - wie die Kuriere - zu Fuß zurückzulegen. Hier streiten für die Auto-Mobilität der genannten Berufsgruppen nicht nur finanzielle Einzelinteressen, sondern im Notfall zugleich der Schutz von Leben und Gesundheit der Bürger. Solche öffentlichen Interessen spiegeln sich z.B. in sämtlichen durch § 35 StVO eingeräumten Sonderrechten wider. Nutzen und Nachteil der Auto-Mobilität aus Berufsgründen müssen schließlich auch am Beispiel der Personenbeförderung mit Taxen überdacht werden. (1) Die Sonderrechte aus § 35 StVO Die gesetzliche Ausformung und das praktische Anschauungsmaterial rund um die Sonderrechte des § 35 StVO skizzieren die Vielfalt jener Versorgungsund Rettungsfahrten, deren Auto-Mobilität nicht nur als Verwirklichung der individuellen Berufs- und Erwerbsfreiheit, sondern zugleich als Förderung des öffentlichen Wohls verteidigt werden kann. So befreit § 35 Abs. 1 StVO zunächst die Feuerwehr, den Katastrophenschutz und die Polizei von der Vorschriften der StVO, „soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten i s t " 5 8 5 . Weiter privilegiert § 35 Abs. 5a StVO die Fahrzeuge des Rettungsdienstes „wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden" und ermöglicht damit 583

Trouet, BB 1981, 640 (642). So BVerwG, JZ 1994, 520 (522); für ein zeitlich unbeschränktes Fahrverbot auch schon BVerwG, NJW 1981, 184 (185) - Lübecker Altstadtsperrung. 585 Vgl. Kullik, NZV 1994, 58 ff. 584

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auch Sonderrechtsfahrten mit Blutkonserven 586 . Schließlich lockern die Absätze 6 und 7 den Geltungsanspruch des Straßenverkehrsrechts für Fahrzeuge der Müllabfuhr 5 8 7 und der Deutschen Bundespost 588 . Für private Paketzustelldienste findet die Vorschrift allerdings keine Anwendung 589 . Inhaltlich erstreckt sich das Sonderrecht auf alle Straßen und Straßenteile, also auch auf Gehwege oder für den Fährverkehr gesperrte Fußgängerflächen. Es deckt grundsätzlich alle Fahrten, die unmittelbar den ausdrücklich privilegierten Aufgaben dienen. Damit erlaubt beispielsweise § 35 Abs. 7 StVO Postfahrzeugen auch das Befahren von Fußgängerzonen 590. Gestützt auf § 35 StVO können sich Einsatzfahrzeuge des Rettungsdienstes auch schon bei der Hinfahrt zum Gefährdeten über Geschwindigkeitsbegrenzungen und Fahrverbote hinwegsetzen 591 . In gleicher Weise besteht das Sonderrecht für die Feuerwehr grundsätzlich auch schon auf der Fahrt zum Feuerwehrstützpunkt oder zum Einsatzort - dies gilt selbst dann, wenn Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr dazu ihre Privatwagen einsetzen 592 . Mit § 35 StVO konnte und wollte der einfache Gesetzgeber keine abschließende Lösung für die Frage formulieren, wann Auto-Mobilität und insbesondere berufliche Auto-Mobilität derart im öffentlichen Interesse liegt, daß sich der grundrechtliche Freiheitsanspruch automatisch gegen die konfligierenden Interessen an der Zurückdrängung des innerstädtischen Straßenverkehrs durchzusetzen vermag. § 35 StVO kann daher nur als Anhaltspunkt herangezogen werden. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil es schon aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht möglich ist, auf verkehrsrechtlicher Grundlage den Kreis der straßenrechtlich definierten Nutzungen nachträglich zu erweitern und damit das Straßenrecht de facto zu unterlaufen 593 . Unmittelbare Aussagen kann § 35 StVO im Gefüge eines straßenrechtlich verfügten flächendeckenden Fußgängerbe586

So die amtl. Begründung zur ÄndVO v. 22. 3. 1988, VkBl. 1988, 224. Die Inanspruchnahme der Sonderrechte setzt gemäß der Vwv zu § 35, Zu Absatz 6 Anm. II, III eine besondere, weiß-rot-weiße Kennzeichnung der Fahrzeuge voraus. Dann aber erlaubt das Sonderrecht allen in Abs. 6 bezeichneten Wartungs- und Reinigungsfahrzeugen nach Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 35 StVO Rdnr. 13 „überall und in jeder Richtung zu fahren und zu halten". 588 Seit der Neuordnung des Postwesens erstreckt sich § 35 Abs. 7 StVO gleichermaßen auf die Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost, dazu Jagusch/Hentschel Straßenverkehrsrecht, § 35 StVO Rdnr. 15. 589 OLG Karlsruhe, VM 1993, 63. 590 Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 35 StVO Rdnr. 16. 591 Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 35 StVO Rdnr. 3. 592 Kullik, DAR 1995, 126 (127) m.w.N. gegen das Urteil des AG Groß-Gerau, NZV 1992, 333 sowie den Beschl. des OLG Frankfurt, NZV 1992, 333 (334), da auch die Alarmierungsfahrt eines Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr schon in den Kreis seiner hoheitlichen Aufgaben zähle. 593 BVerwG, NZV 1989, 445 = DÖV 1989, 1041; Lorenz, DÖV 1990, 517 (518 f.); mißverständlich Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 536 f. Vgl. allgemein schon oben, S. 40. 587

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reichs daher nicht treffen. Gleichwohl kann die hinter den Privilegien des § 35 StVO und vergleichbaren Ausnahmetatbeständen stehende Wertung - etwa aus den Smog-Verordnungen der Länder 5 9 4 - durchaus für den hier interessierenden Konflikt fruchtbar gemacht werden 595 . Wenn die Müllabfuhr, der Rettungsdienst und die Feuerwehr von der allgemeinen Geltung des Verkehrsrechts losgesprochen werden, so spiegelt sich darin das gesteigerte öffentliche Interesse an diesen Versorgungsleistungen wider. Polizei, Feuerwehr und Postzustellung, aber auch Müllabfuhr 5 9 6 und Rettungsdienst 597 sind für das Gemeinwesen von so zentraler Bedeutung, daß die funktionsgerechte Erfüllung ihrer Aufgaben nicht an Beschränkungen der Straßennutzung scheitern darf und sich daher auch gegen das öffentliche Interesse an innerstädtischer Verkehrsberuhigung durchsetzen muß 5 9 8 . Ein innerstädtisches Fahrverbot, das diesen praktischen Bedürfnissen nicht Rechnung tragen würde, überschreitet für jene Fallgruppen berufsbedingter Auto-Mobilität daher schnell die Grenze der Angemessenheit. Vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit unterscheidet sich die Rechtstellung des Rettungsdienstfahrers damit deutlich von der eines privaten Kuriers, wenn sie sich mit Art. 12 Abs. 1 GG gegen Beschränkungen ihrer beruflichen AutoMobilität verteidigen wollen: Finanzielle Einbußen sind viel eher hinzunehmen, wenn die innerstädtische Auto-Mobilität im Interesse des Verkehrsumweltschutzes oder des Anwohnerschutzes erheblich zurückgedrängt werden soll. Die Grenze des rechtsstaatlich Vertretbaren ist aber dann überschritten, wenn im Interesse der Verkehrsberuhigung Hygiene und Sauberkeit der Innenstädte, die öffentliche Sicherheit und schließlich Leben und Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt werden. Diese öffentlichen Interessen streiten nachhaltig für die Aufrechterhaltung beruflichèr Auto-Mobilität und zwingen die kommunalen Verkehrsplaner zu umfassenden Befreiungen von Fahrverboten. Solche Befreiungen sind um so mehr geboten, als es dem verfolgten Zweck innerstädtischer Verkehrsberuhigung nur wenig schaden würde, diese vergleichsweise kleine Gruppe von Betroffenen von dem Verbot auszunehmen. Bleibt nun nur noch, das Augenmerk auf die Frage zu lenken, wie diese vor dem Hintergrund des Art. 12 Abs. 1 GG erzwingbaren Ausnahmegenehmigungen rechtstechnisch verwirklicht werden können. Die straßenverkehrsrechtlichen Befreiungstatbestände können dabei nicht angewendet werden: So wenig § 35 594 Siehe etwa § 9 Smog-VO NW, worin Krankenkraftwagen und Arztwagen (Nr. 6) sowie Einsatz-, Hilfs- und Versorgungsfahrzeuge, insbes. zur Hausmüllentsorgung (Nr. 8) genannt werden; i.ü. zu den Smog-Verordnungen schon oben, S. 34. 595 Davon ging offensichtlich auch der Bremische Straßengesetzgeber aus, als er in § 18 Abs. 3 BremLStrG die straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis an die verkehrsrechtlichen Sonderrechte aus § 35 StVO angelehnt hat. 596 Zur Bedeutung der Müllabfuhr siehe KG, DAR 1976, 268. 597 Dazu Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (11). Ausführlich zu den Beeinträchtigungen des Rettungsdienstes durch Verkehrsberuhigungsmaßnahmen Leven/Schaal, Verkehrsberuhigung und Rettungsdienst, ZfVerkWiss 1993, 149 (154 ff.). 598 So Lorenz, DÖV 1990, 517 (518).

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StVO den straßenrechtlichen Widmungsrahmen ausweiten kann 5 9 9 , so wenig enthält § 46 StVO eine Anordnungsbefugnis der Straßenverkehrsbehörden für Ausnahmen vom wegerechtlichen Nutzungsstatut 600 . Befreiungen und Ausnahmen von einem straßenrechtlich verfügten Fahrverbot stehen daher unter alleiniger Regie des Straßenrechts. Hierfür hat das Straßenbenutzungsrecht der Versammlungen schon die Vielfalt der konstruktiven Wege vorgezeichnet, wie solche verfassungsrechtlich gebotenen Straßenbenutzungsrechte verwaltungsrechtlich zur Geltung zu bringen sind 6 0 1 . Es spricht sicherlich vieles dafür, das Straßenbenutzungsrecht von Rettungsdiensten und sonstigen Versorgungsverkehren dem Sondernutzungsrecht zu überantworten 602 . Für diese Lösung hat sich das Bremische Landesstraßengesetz schon ausdrücklich ausgesprochen 603. Auch die jüngere Rechtsprechung des BVerwG scheint diese Straßenbenutzungsrechte nicht schon kraft Verfassung erlaubnisfrei stellen zu wollen. So hat das Gericht die Verhältnismäßigkeit einer Fußgängerzone in einem Urteil aus dem Jahr 1994 letztlich deshalb bejaht, weil das Befahren der Fußgängerzone „nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern in bestimmten Notfällen - namentlich in Notstandssituationen i.S. des § 16 OWiG - rechtlich erlaubt i s t . " 6 0 4 (2) Das öffentliche Interesse am Gelegenheitsverkehr mit Taxen Ähnlich augenfällig ist das öffentliche Interesse an der Zulassung von Taxen im innerstädtischen Verkehrsraum. Das BVerfG hatte wiederholt Anlaß, sich 599

Dazu schon oben, S. 140 Fn. 593. Vgl. auch BVerwG, NZV 1989, 445, worin das BVerwG auf § 35 StVO überhaupt nicht eingeht, um ein Straßenbenutzungsrecht für Postfahrzeuge in einer teilentwidmeten Zone zu begründen. 600 Die Straßenverkehrsbehörden können nach § 46 StVO nur Ausnahmen von solchen Verkehrsverboten genehmigen, die sie selbst verfügt haben. Wird ein Fußgängerbereich aber straßenrechtlich als Teileinziehung ausgesprochen, so ermächtigt § 45 Abs. 1 b Nr. 3 StVO die Straßenverkehrsbehörden nur noch deklaratorisch zur „Kennzeichnung" dieser Bereiche. Mit der Beschilderung von Fußgängerbereichen werden daher nur wegerechtliche Benützungsverbote kenntlich gemacht, nicht aber eigenständige verkehrsrechtliche Anordnungen verfügt, dazu schon oben, S. 41. Dieser deutlichen kompetenzrechtlichen Trennung widerspräche es, wenn die Straßenverkehrsbehörden über § 46 StVO das wegerechtliche Nutzungsstatut aufweichen könnten, so Schwabe, NVwZ 1994, 629 (630 f.); auch Bay VGH, BayVBl. 1984, 559 (561). Dem steht die Entscheidung des BVerwG, NZV 1994, 244 ff. nicht entgegen, da dort um ein straßenverkehrsrechtlich angeordnetes Fahrverbot gestritten wurde. 601 Zu der Absicherung grundrechtlich gebotener Straßenbenutzungsrechte als Gemeingebrauch, Sondernutzung oder erlaubnisfreie Sondernutzung schon oben, S. 102 ff. 602 So Lorenz, DÖV 1990, 517 (520 f.); vgl. auch schon Schröder, Die Verwaltung Bd. 10 (1977), 451 (466 ff.), der am Beisp. der Verbreitung politischer Schriften nachdrücklich dafür plädiert, grundrechtlich geschützte Freiheitsausübung auf der Straße dem Sondernutzungsrecht zu unterstellen. 603 Siehe § 18 Abs. 3 BremLStrG, das unter den Voraussetzungen des § 35 StVO die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis fingiert. 604 BVerwG, JZ 1994, 520 (522); dagegen BVerwG, NZV 1989, 445 für einen „zulassungsfreien »Allgemeingebrauch' für bestimmte öffentliche Aufgaben".

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mit der Bedeutung des Taxenverkehrs auseinanderzusetzen, und hat sich stets dafür ausgesprochen, daß an der „Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs" ein „wichtiges Interesse der Allgemeinheit" bestehe 605 . In einem Beschluß aus dem Jahre 1960 kennzeichnete es den Taxen verkehr in größeren Städten als „wichtigsten Träger individueller Verkehrsbedienung". Daher könne „im modernen Großstadtverkehr [...] auf ihre Dienste nicht mehr verzichtet werden" 6 0 6 . Diese Einschätzung hat das Gericht im Jahr 1989 bestätigt: „Zwar hat der Anteil der Bevölkerung, der privat über einen Personenkraftwagen verfügen kann, erheblich zugenommen. Das Bedürfnis nach einem funktionsfähigen Taxenverkehr ist dadurch jedoch nicht geringer geworden. Das zeigt allein schon die erhebliche Zunahme sowohl der Taxiunternehmer als auch der eingesetzten Taxen." 6 0 7 Daß dieses Gemeinschaftsinteresse an der Existenz- und Funktionsfähigkeit des Taxenverkehrs auch eine Bedüfnisprüfung zu tragen vermag, zählt daher mittlerweile zu den verfassungsrechtlichen Grundannahmen des Personenbeförderungsrechts 608. Wie ein roter Faden zieht sich auch die konsequente Unterscheidung zwischen dem Gelegenheitsverkehr mit Taxen einerseits und dem Mietwagenverkehr andererseits durch die verfassungsgerichtliche Judikatur 609 . Diese Unterscheidung wurde jüngst für die umsatzsteuerrechtliche Besserstellung des Taxenverkehrs bestätigt 610 . Stärker noch als der Mietwagen verkehr wird der Taxen verkehr als Ergänzung des öffentlichen Linienverkehrs angesehen. Die umfassende Bedienung der Bevölkerung mit Taxen antwortet nicht nur auf praktische Bedürnisse individueller Mobilität, sondern auch auf gewichtige öffentliche Interessen. Die besondere staatliche Verantwortung für den Taxen verkehr, die sich z.B. im Kontrahierungszwang und den hoheitlich festgesetzten Beförderungsentgelten äußert 611 , hat diese Form des Ge-

605

Erstmals BVerfGE 11,168 (186) zu der Bedürfnisprüfung nach § 9 „PBefG" 1955; bestätigt in BVerfGE 65, 237 (246) zum Werbeverbot für Mietwagen nach § 49 Abs. 4 Satz 5 PBefG v. 21. 3. 1961, i.d.F. v. 25. 2. 1983 (BGBl. I S. 196) sowie in BVerfGE 81, 70 (86) zum Rückkehrgebot für Mietwagen; siehe schließlich BVerfGE 85, 238 (247). Aus der verwaltungsgerichtlichen Judikatur siehe nur BVerwGE 79, 208 (210). 606 BVerfGE 11, 168 (186). 607 BVerfGE 81, 70 (86). 608 BVerfGE 11, 168 (186 f.); dazu Bidinger/Bidinger, NVwZ 1992, 1138 (1139). 609 BVerfGE 11, 168 (186 f.) - keine Bedürfnisprüfung für den Mietwagenverkehr; E 65, 237 (246 ff.) - Verbot verwechslungsfähiger Werbung; E 81, 70 (86 ff.) - Verbot taxiähnlichen Bereitstellens von Mietwagen; zu neueren Entscheidungen aus dem Personenbeförderungsrecht vgl. den Überblick von Bidinger/Bidinger, NZV 1993, 335 ff.; dens., NZV 1994, 344 ff. 610 BVerfGE 85, 238 (245 f.) zur Vereinbarkeit von § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG; zust. Bidinger/Bidinger, NZV 1993, 335 (335 f.) und schon dies., NVwZ 1992, 1138 (1142). 611 Zu diesen „Taxipflichten" - Pflicht zum Betrieb von Kraftdroschken, zum Abschluß von Beförderungsverträgen mit jedermann und zur Einhaltung behördlich festgesetzter Beförderungstarife - vgl. §§ 21, 22, 47 Abs. 4, 51 PBefG.

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legenheitsverkehrs in die Nähe eines öffentlichen Verkehrsmittels gerückt 612 . Insoweit genießt der Taxenverkehr eine Sonderstellung innerhalb der innerstädtischen Mobilitätsträger. Diese Sonderstellung kann sich unter Umständen auch gegenüber dem Ziel flächendeckender Verkehrsberuhigung behaupten. So hat sich etwa die Stadt Lübeck dafür entschieden, nur den Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen einschließlich dem Mietwagenverkehr aus dem Altstadtbereich auszusperren, während der öffentliche Linienverkehr und Taxen nicht von dem Verkehrsverbot erfaßt sind. In konsequenter Parallele zur verfassungsgerichtlichen Judikatur hat das BVerwG sowohl die Privilegierung der Taxen gegenüber dem Mietwagenverkehr als auch gegenüber dem privaten Individualverkehr mit Kraftfahrzeugen für zulässig erachtet 613 . Auch die Insel Norderney entschied sich dafür, den Taxenverkehr von dem saisonalen Verkehrsverbot auszunehmen und konnte gleichermaßen Billigung vor dem BVerwG finden 6 1 4 . Mit der Größe der Sperrzone nimmt das Gewicht der öffentlichen Gründe, die für die Aufrechterhaltung des Taxenverkehrs gegenüber dem Ziel umfassender Verkehrsberuhigung sprechen, noch weiter zu. Solange die gesperrte Fläche so klein bemessen ist, daß jedermann zumutbar auf den Fußweg verwiesen werden kann 6 1 5 , besteht kein zwingendes Bedürfnis nach Auto-Mobilität, so daß die öffentlichen Gründe der Verkehrsberuhigung das Interesse an der Aufrechterhaltung des Taxenverkehrs durchaus überwiegen können. Aus diesem Grund billigte das BVerwG jüngst auch einen Fußgängerbereich, zu dem weder Taxen noch öffentliche Verkehrsmittel zugelassen waren 6 1 6 . Die berufliche Auto-Mobilität darf daher nicht unbesehen mit dem individuellen Kraftfahrzeugverkehr gleichgesetzt werden. Sie verlangt vielmehr eine eingehende Betrachtung von Nutzen und Nachteil der betroffenen Verkehrszwecke. Wie hier zuletzt für den Verkehr mit Taxen nachgewiesen wurde, stehen hinter der beruflichen Mobilität vielfach derart gewichtige öffentliche Interessen, daß ihre Zulassung das generelle Verkehrsverbot für den Individualverkehr überhaupt erst zümutbar und zulässig macht.

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BVerfGE 11, 168 (186 f.); mißverständlich Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 527, die den Gelegenheitsverkehr insgesamt als „öffentlichen Verkehr im Sinne des PBefG" bezeichnen. 613 BVerwG, NJW 1981, 184 f. = DÖV 1980, 915 = DVB1. 1980, 1045 - Lübecker Altstadtsperrung. Das Gericht brauchte sich allerdings nicht zu der unterschiedlichen Behandlung von Individualverkehr und Taxenverkehr äußern; daß diese Regelung gleichwohl vor Art. 3 Abs. 1 GG Bestand haben dürfte, folgt schon aus der Anerkennung der Taxen als öffentliche Verkehrsmittel, die jedermann zur Verfügung stehen. 614 BVerwG, NJW 1988, 432 ff. 615 Zu der Frage, wieviel Fußweg unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten noch zulässig ist, schon oben, S. 77 ff. 616 BVerwG, JZ 1994, 520 ff. mit zust. Anm. von Peine, JZ 1994, 522 ff.

D. Berufsfreiheit, Art. 12 GG

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IV. Fazit: Der Grundrechtsschutz für die berufliche Straßennutzung als Einspruchsbefugnis und Aktualisierung der Gemeinwohlpflichtigkeit Das BVerwG hat im Jahr 1981 in seinem Urteil zur Lübecker Altstadtsperrung den Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG für die beruflichen Mobilitätsbedürfnisse damit zusammengefaßt, die Beförderungsunternehmen seien „dem Schicksal der Straßen unterworfen, auf denen sie ihr Gewerbe ausüben; sie müssen, ebenso wie die Straßenanlieger [...], Verkehrsregelungen oder Verlagerungen des Verkehrs grundsätzlich hinnehmen." 617 Diese Begründungsformel hat jüngst Koch zu der Annahme verleitet, die Rechtsprechung des BVerwG lasse einen eigenständigen Mobilitätsgarantiegehalt der Berufsausübungsfreiheit nicht erkennen, jedenfalls im Ergebnis sei die Berufsausübung im Hinblick auf die Verkehrsmobilität nur „nach Maßgabe der jeweiligen, staatlich geschaffenen Verkehrsinfrastruktur" garantiert 618 . Nachdem das BVerwG die beruflichen Mobilitätsinteressen dem „Schicksal der Straße" unterordnen will, mag diese restriktive Interpretation des Grundrechtsschutzes nach den Maßstäben grundrechtlicher Teilhabedimension nahegelegen haben. Unberücksichtigt bleibt dabei aber, daß das BVerwG mit dem Hinweis auf die Rechtstellung der Anlieger zugleich die Einspruchsbefugnis der aus Art. 12 Abs. 1 GG Grundrechtsberechtigten betont. Ungeachtet der theoretischen Einordnung der Straßennutzung als abwehrrechtlich geschützte Freiheitsausübung oder bloße Teilhabe an Staatsleistungen619 hat das BVerwG keinen Zweifel daran gelassen, daß das berufliche Bedürfnis nach AutoMobilität insoweit mit Art. 12 Abs. 1 GG grundrechtlich verbürgt ist, als nachträgliche Veränderungen der Infrastruktur dem für die grundrechtliche Abwehrdimension typischen Kontrollinstrumentarium - allen voran dem Übermaßverbot - zugeführt werden können. Das Grundrecht der Berufsfreiheit verleiht damit demjenigen, der die Straße zu Erwerbszwecken nutzt, die Rechtsmacht, ungeeignete oder nicht erforderliche Beschränkungen seiner Auto-Mobilität anzugreifen und auf die angemessene Berücksichtigung seiner beruflichen Belange bei nachträglichen Veränderungen des Straßennutzungsstatuts zu dringen. Gestützt auf ihr Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG ist die Gruppe der Straßenbenutzer aus Berufsgründen daher genausowenig dem „Schicksal der Straßen" unterworfen wie die Anlieger 6 2 0 . 617

BVerwG, NJW 1981, 184 (185). Koch, ZfV 1994, 545 (551). 619 Dazu noch unten, S. 158 ff. 620 Bei näherer Betrachtung hinkt der Vergleich des BVerwG zwischen der Rechtstellung der beruflichen Straßennutzer und der Anlieger aber nicht unerheblich, und zwar insbesondere im Hinblick auf den Schutzumfang, denn das BVerwG hat mit der Kernbereichsrechtsprechung dem Anlieger zugleich ein unantastbares Minimum an Straßenzugänglichkeit garantiert, das für die beruflichen Straßennutzer in vergleichbarer Weise weder ausgesprochen noch angedeutet wurde. Anders als die Anliegerinteressen können die beruflichen Mobilitäts- und Straßennutzungsinteressen aber vollständig in 618

10 Röthel

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Auf einem anderen Blatt steht allerdings, daß das Übermaßverbot der beruflichen Straßennutzung mit dem Auto in materieller Hinsicht keine große Rükkendeckung zu bieten vermag. Wie sich am Beispiel des innerstädtischen Fahrverbots gezeigt hat, legen die Gebote der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit den Entscheidungsträgern zwar Begründungslasten auf und formulieren einzelne Gestaltungsvorgaben - etwa für die örtliche Reichweite des Fahrverbots. Hingegen verlangt das Grundrecht der Berufsfreiheit nicht, daß den beruflichen Mobilitätsinteressen bei der Entscheidung über die Zumutbarkeit von Erwerbseinbußen ein genereller Dispens von Verkehrsbeschränkungen zu erteilen ist. Da das Übermaßverbot zum Schutz der Berufsausübungsfreiheit allein ein Überwiegen vernünftiger öffentlicher Gründe verlangt, können die Individualinteressen der Autofahrer aus Berufsgründen vielmehr unproblematisch hinter den Verkehrsumweltschutz, die Verkehrssicherheit oder städtebauliche Gründe zurücktreten. Aus der grundrechtlichen Berufsfreiheit erwächst weder ein eigenständiges Straßenbenutzungsrecht, wie es Art. 8 GG für Versammlungen garantiert, noch läßt sich eine der Anliegerkerngewährleistung vergleichbare unantastbare Verbürgung beruflicher AutoMobilität ausmachen. Die Schutzwirkung des Art. 12 Abs. 1 GG hindert daher nicht, daß die berufliche Auto-Mobilität hinter dem Interesse an ungestörtem Fußgängerverkehr in den innerstädtischen Kernbereichen insgesamt zurückbleibt. Auch erheblich einschneidendere Einbußen an beruflicher Betätigungsfreiheit durch Verkehrsbeschränkungen erscheinen verfassungsrechtlich mögl i c h 6 2 1 . Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt in solchen Fällen nur höhergewichtige Interessen zur Eingriffslegitimation. Das völlige Zurücktreten der beruflichen Mobilität ist aber nicht ausgeschlossen. In dieser geringen Schutzintensität der Berufsfreiheit für die individuelle Kraftfahrzeugmobilität zu Erwerbszwecken drückt sich der allgemeine Gemeinwohlvorbehalt bzw. anders gewendet die Gemeinwohlbelastung durch den Kraftfahrzeugverkehr aus. Die eigentliche Leistung des Übermaßverbots für die effektive Ausgestaltung der Berufsausübungsfreiheit kann daher auch nicht in der optimalen Ausbalancierung konfligierender oder sich in ihrer Massiertheit behindernder Mobilitätsansprüche gesehen werden, sondern in der Aktualisierung der Sozialverträglichkeit der beruflichen Auto-Mobilität und insbesondere ihrer Umweltpflichtigkeit 622 . Hieraus erklärt sich das relativ geringe Eigengewicht, das „unter dem Strich" für die berufliche Auto-Mobilität verbleibt - und nicht aus der teilhaberechtlich inspirierten Vorstellung, die Rechtsder Abwägung zugunsten einer Einziehung der Straßen zurücktreten und verlangen anders als der Schutz der Anlieger - folgerichtig auch keine Ausnahmeregelung. 621 So ist es jedenfalls theoretisch z.B. nicht ausgeschlossen, daß auch Bewirtschaftungssysteme für die berufliche Mobilität als objektive Berufszulassungsschranken der Verfassungsprüfung standhalten, sofern sie sich i.S. der gestuften Zwecksetzungstypik auf den Verkehrsgesundheitsschutz als überragend wichtiges Gemeinschaftsgut berufen können. 622 Zu diesem Begriff Kloepfer, Umweltrecht, S. 51 sowie noch unten, S. 172 ff.

E. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG

147

Stellung der Autofahrer unterliege einer absoluten Bindung an den Rahmen, der ihm mit der Infrastruktur staatlich vorgegeben wird.

E. Freiheit der Person, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG Während der Mobilitätsgehalt der Berufsfreiheit erst bei näherer Betrachtung deutlich wurde, läßt sich die Freiheit der Person genauso wie die Freizügigkeit zu den Verbürgungen des Grundgesetzes zählen, die einen klassischen Beitrag zur grundrechtlichen Absicherung der Bewegungsfreiheit leisten 623 . Diese Bedeutung beider Gewährleistungen für die Querschnittsmaterie „Fortbewegungsfreiheit" ist auch schon darin angeklungen, daß sowohl Art. 11 GG als auch Art. 2 Abs. 2 GG die Begründung der institutionellen Garantie des Gemeingebrauchs stützen 624 . Großes Gewicht für die grundrechtliche Absicherung der Auto-Mobilität kann der Gewährleistung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dennoch nicht beigemessen werden, da die Freiheit der Person überwiegend als Garantie der körperlichen Bewegungsfreiheit verstanden w i r d 6 2 5 . Sowohl die Entstehungsgeschichte626 als auch die systematische Stellung der Verbürgung in Art. 2 Abs. 2 G G 6 2 7 sprechen dafür, daß mit dieser Vorschrift nur „die körperliche Bewegungs623

Eines der Hauptprobleme im Umkreis beider Gewährleistungen besteht daher in ihrer Abgrenzung; vgl. Tiemann, NVwZ 1987, 10 (12 ff.). 624 Allg. zur Herleitung der institutionellen Garantie des Gemeingebrauchs siehe oben, S. 85 ff. Auf Art 2 Abs. 2 Satz 2 GG stützen sich Maurer, in: Bartlsperger/Blümel/ Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 112 (134); Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780). 625 Bleckmann, Grundrechte, S. 512 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnrn. 366, 368; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 59; Kunig, in: v. Münch/ Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 74; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 477; Podlech, in: AK, GG, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 46; auch Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, 1970, S. 56 ff. Anders aber noch LVG Hannover, DÖV 1955, 344 mit abl. Anm. Kern, das Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechend dem heutigen Verständnis der allgemeinen Handlungsfreiheit als Freiheit „vor jeglichem staatlichen Zwang" verstand; vgl. auch Hantel, JuS 1990, 865 (866 f.); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 131; Tiemann, NVwZ 1987, 10 (13). 626 Die Materialien des Herrenchiemsee-Entwurfs und auch die des Parlamentarischen Rates sprechen dafür, daß die Freiheit der Person in bewußter Anknüpfung an den „habeas corpus"-Gedanken als Freiheit der körperlichen Bewegung garantiert werden sollte; vgl. Doemming/Füßlein/Matz, JöR N.F. Bd. 1 (1951), S. 63; so auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 73; zum „habeas corpus" Gedanken vgl. Gusy, NJW 1992, 457 ff.; Riedel, EuGRZ 1980, 192 ff.; gegen eine Argumentation mit der „habeas corpus"-Tradition aber Podlech, in: AK, GG, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 45. 627 Auf den engen sachlichen Zusammenhang von Freiheit der Person und der in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten körperlichen Unversehrtheit macht schon Ronellenfitsch, DAR 1992, 320 (322) aufmerksam.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

freiheit vor Verhaftung, Festnahme und ähnlichen Eingriffen" geschützt werden soll 6 2 8 . Hat sich das Schrifttum in Fortführung dieser Grundsätze schon dagegen ausgesprochen, Parkverbote an den Schranken des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG zu messen 629 , so läßt sich für ein innerstädtisches Fahrverbot kaum anders entscheiden, da ein Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit gleichermaßen fehlt. Solange hoheitliche Verkehrsbeschränkungen zwar Einfluß auf die Verkehrsmittelwahlfreiheit nehmen, damit aber weder die Erreichbarkeit gewünschter Zielorte noch die physische Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigen, kommt die Freiheit der Person nicht als grundrechtlicher Prüfungsmaßstab für Mobilitätseinbußen in Betracht. Dieses Ergebnis steht auch nicht in Widerspruch zu der These von Ronellenfitsch, der Mobilitätsgehalt von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG begründe eine staatliche Schutzpflicht zur Abwehr von physischem Zwang, wie er z.B. bei mehrstündigen Autobahnstaus auf die Autofahrer ausgeübt werde 6 3 0 . Auch für Ronellenfitsch beginnt die grundrechtliche Schutzwirkung der Freiheit der Person erst gegenüber physisch wirkenden Eingriffen, so daß ein örtlich beschränktes Nutzungsverbot für Kraftfahrzeuge selbst nach seiner Auffassung nicht in Konflikt mit der Garantie der Freiheit der Person geraten wird.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG Wenn nach dem Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität unter der Geltung des Grundgesetzes 631 gefragt wird, nimmt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit eine zentrale Rolle ein. Die Bedeutung, die Art. 2 Abs. 1 GG für die grundrechtliche Abstützung der Auto-Mobilität beigemessen wird, könnte allerdings kaum kontroverser beurteilt werden. Während Ronellenfitsch davor warnt, voreilig auf Art. 2 Abs. 1 GG zurückzugreifen, und den Grundrechtsschutz für die Mobilität vorrangig aus den speziellen Freiheitsrechten herausschält 6 3 2 , sehen Kritiker erst mit der allgemeinen Handlungsfreiheit „den ver628

In Anlehnung an diese Formulierung des BVerfG in E 22, 21 (26) werden heute als Eingriffe in die Freiheit der Person entsprechende Ge- und Verbote sowie insbes. der unmittelbare Zwang gezählt; vgl. Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 477; zutreffend für nur mittelbare Beeinträchtigungen Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 75; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 2 Rdnr. 131. 629 Tiemann, NVwZ 1987, 10 (12 Fn. 25) m.w.N.; zum umgekehrten Fall - Zuparken als physischer Zwang Dritter - Grüneberg, NJW 1992, 945 ff. 630 Ronellenfitsch, DAR 1992, 320 (322). 631 Benachbarte Rechtsordnungen, wie beispielsweise die österreichische oder die schweizerische, kennen eine „allgemeine Handlungsfreiheit" nicht; vgl. zur Rechtslage in Österreich Potacs, ZfV 1994, 553 ff. und zur Schweiz Saxer, Grundrechte für die Benutzung öffentlicher Straßen, 1988, S. 175 f., 178 ff. 632 Ronellenfitsch, DAR 1992, 320 (322, 324).

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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fassungsrechtlichen Ort erreicht, an dem auch die [Auto-] Mobilität grundrechtlich verbürgt i s t . " 6 3 3 Bekenntnisse für eine grundrechtliche Absicherung des Autofahrens über Art. 2 Abs. 1 GG fallen angesichts der Unbestimmtheit von Schutzbereich und Schranken dieses Grundrechts offensichtlich leicht, denn das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ist unter den verschiedensten Etiketten - etwa als „Verkehrsfreiheit", „Ortsveränderungsfreiheit" 634 oder als Recht auf gemeingebräuchliche Straßennutzung 635 - zum Auffangbekken unterschiedlichster Gewährleistungen im Umkreis von Mobilität und AutoMobilität avanciert. Damit die Grundrechtsgarantie der freien Persönlichkeitsentfaltung die Auto-Mobilität überhaupt in Schutz nehmen kann, muß aber zunächst die Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 GG außer Streit gestellt werden.

I. Anwendbarkeit von Art. 2 Abs. 1 GG Im System der Freiheitsrechte wird Art. 2 Abs. 1 GG als Auffangtatbestand begriffen, der hinter die speziellen Freiheitsverbürgungen zurücktritt 636 . Als Ausdruck dieser Subsidiarität ist eine Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG grundsätzlich nur dann möglich, wenn das betroffene Verhalten nicht schon vom Schutzbereich speziellerer Freiheitsgewährleistungen erfaßt i s t 6 3 7 . Da die AutoMobilität schon an der grundrechtlichen Schutzwirkung der Eigentumsgarant i e 6 3 8 , der Versammlungsfreiheit 639 und der Berufsausübungsfreiheit 640 teilgenommen hat, bedarf die Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 GG einer näheren Begründung. 1. Sachliche Auffangfunktion

des Art. 2 Abs. 1 GG

Überwiegend konnte die Auto-Mobilität in den speziellen Freiheitsgewährleistungen nicht als generelle Auto-Mobilität, sondern nur im Sachzusammenhang mit besonderen Handlungsmotiven oder Eigentümerbefugnissen ihre Ein633

Koch, ZfV 1994, 545 (551). Jahn, NZV 1994, 5 (6). 635 Sendler, DÖV 1974, 217 (219). 636 Nipperdey, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, in: Bettermann/Nipperdey (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. IV/2, 1960, S. 741 (761 f.). Zu den Grenzen dieser Auffangfunktion Degenhart, JuS 1990, 161 (165 ff.); Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnrn. 25 ff. 637 BVerfGE 6, 32 (37); 9, 73 (77); 10, 185 (199); 21, 227 (234); 67, 157 (171); 70, 1 (23); 77, 84 (118); Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 25; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 2; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 422. 638 Zum Autofahren als Eigentumsnutzung siehe oben, S. 56 ff.; zum Anliegergebrauch oben, S. 69 ff. 639 Vgl. oben, S. 97 ff. 640 Vgl. oben, S. 107 ff. 634

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

beziehung in die grundrechtlichen Schutzbereiche erlangen. So genießt das Autofahren allein aufgrund des Erwerbsmotivs die Schutzwirkung der Berufsfreiheit. Gleiches gilt für die Versammlungsfreiheit, die nur für den Sonderfall eines Kraftfahrzeugaufzugs einschlägig ist, sowie für die von Art. 14 Abs. 1 GG garantierte Anliegermobilität. Stets erfassen die besonderen Freiheitsrechte nur enge Ausschnitte der Auto-Mobilität, so daß für den Anwendungsbereich von Art. 2 Abs. 1 GG noch vielfältige Betätigungsformen bleiben. Insbesondere die praktisch sehr bedeutsame private Auto-Mobilität findet - außerhalb der Grundversorgung der Anlieger - in den speziellen Freiheitsrechten keinen Schutz. Gewichtiger ist dagegen der Einwand, Art. 14 Abs. 1 GG habe das Autofahren schon generell und umfassend als Ausübung der Nutzungsfreiheit des Eigentümers in grundrechtlichen Schutz genommen 641 , so daß ein allgemeiner Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG an der Subsidiarität dieses Auffanggrundrechts scheitern müsse 642 . Schon bei den Überlegungen zur Reichweite des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes entpuppte sich der Grundrechtsschutz für die Nutzungsfreiheit von Sacheigentum als ein Konkurrenzproblem zwischen Art. 14 Abs. 1 GG und den Freiheitsrechten. Wenn dort aber für die Einschlägigkeit der Eigentumsgarantie plädiert wurde, sollte dadurch nicht die Schutzwirkung der Freiheitsrechte verdrängt werden. Die Eigentumsgarantie wurde vielmehr zusätzlich zur Geltung gebracht, um das mit einer Innenstadtsperrung für den Kraftfahrzeugverkehr ausgesprochene Nutzungsverbot nicht nur als Freiheitseinbuße, sondern auch als Beschneidung der institutionell gewährleisteten Verfügungs- und Nutzungsfreiheit zu erfassen 643 . Insoweit ergänzen sich die Eigentumsgarantie und die Freiheitsrechte zu komplementären Gewährleistungen, die einander nicht ausblenden, sondern unterschiedliche Aspekte eines gleichen Lebenssachverhalts beleuchten. In diesem Sinne ist für das Verhältnis von Art. 14 GG zu Art. 12 GG längst davon Abschied genommen worden, die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie als einander ausschließende Gewährleistungen zu verstehen. Eine Idealkonkurrenz beider Grundrechte bleibt vielmehr eine ebenso häufige wie bedeutsame Konstellation 644 . Aber auch für andere Freiheitsrechte läßt sich in der Rechtsprechung die Tendenz erkennen, bei grundrechtsüber641

Hierfür ist es unbeachtlich, ob und inwieweit Art. 14 GG auch tatsächlich effektiven Schutz vermitteln konnte, da sich der Anwendungsvorrang der spezielleren Freiheitsrechte allein am Schutzbereich orientiert; vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 2; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 12; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 423. 642 So Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 373; dazu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 59; Scholz, AöR Bd. 100 (1975), 80 (121 f.). 643 Siehe oben, S. 58 ff. 644 So Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 100; Dörr, NJW 1988, 1049 (1049 f.); Ossenbühl, AöR Bd. 115 (1990), 1 (25 f.); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnrn. 138 ff., 141.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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greifenden Lebenssachverhalten eine Idealkonkurrenz anzunehmen 645 . Ein genereller Anwendungsvorrang der Eigentumsgarantie vor Art. 2 Abs. 1 GG läßt sich daher nicht ableiten. Im Einklang mit Rechtsprechung und Schrifttum die allerdings weniger an der Anwendbarkeit des Art. 2 Abs. 1 denn an der Einschlägigkeit von Art. 14 GG zweifeln 6 4 6 - kann die freie Entfaltung der Persönlichkeit zum Prüfungsmaßstab für hoheitliche Verkehrsbeschränkungen erhoben werden. Ein Rückgriff auf Art. 2 Abs. 1 GG ist nur für die schon von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten beruflichen Mobilitätsinteressen und die mit Art. 14 Abs. 1 GG speziell garantierten Anliegerbefugnisse ausgeschlossen. 2. Persönliche Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG: Grundrechtsschutz für die berufliche Auto-Mobilität von Ausländern Neben dieser sachlichen Auffangfunktion könnte Art. 2 Abs. 1 GG aber auch eine persönliche Auffangfunktion erfüllen. Damit ist an die mittlerweile klassische Streitfrage im Umkreis von Art. 2 Abs. 1 GG gerührt, ob Art. 2 Abs. 1 GG im sachlichen Regelungsbereich von Deutschengrundrechten - namentlich Art. 12 GG - für Ausländer zur Anwendung kommen kann. Für die hier interessierende berufliche Auto-Mobilität ist diese Frage von nicht unerheblicher praktischer Bedeutung, da sie darüber entscheidet, ob ausländische Taxifahrer oder Kuriere Grundrechtsschutz für ihr berufsbedingtes Interesse an ungeschmälerter innerstädtischer Kraftfahrzeug-Mobilität beanspruchen können. Gegen eine solche persönliche Auffangfunktion des Art. 2 Abs. 1 GG wird vorgebracht, sie unterlaufe die grundgesetzliche Differenzierung zwischen „Jedermann-Grundrechten" und Bürgerrechten. Wo die Verfassung den Grundrechtsschutz auf Ausländer habe erstrecken wollen, sei dies auch ausdrücklich festgeschrieben worden 6 4 7 . Diese Auffassung übersieht aber nicht nur, daß es nach wie vor bei einem abgestuften Grundrechtsschutz verbleibt, da die Schutzwirkung des Art. 2 Abs. 1 GG angesichts des weiten Einschränkungsvorbehalts deutlich schwächer ausgestaltet ist als der von Art. 11 oder Art. 12 GG vermittelte Freiheitsschutz 648 . Vor allem bleibt daran zu erinnern, daß entstehungsgeschichtliche Argumente nicht undifferenziert für eine Aufrechterhaltung des status' quo hochgehalten werden können, sondern mit den Verände645

Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 29 unter Hinweis auf BVerfGE 21, 73 (86); 24, 367 (389); 35, 382 (399 ff.). 646 Vgl. BVerfGE 17, 306 (303); BVerwGE 27, 181 (185); Bryde, in: v.Münch/ Kunig, GG, Art. 14 Rdnr. 13; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 1009; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 Rdnr. 79; dazu schon oben, S. 59. 647 Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnrn. 48 f.; ders., Jura 1987, 367 (370); Fohmann, EuGRZ 1985, 49 (57); Hailbronner, NJW 1983, 2105 (2110); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdnr. 31 und schon Ruppel, Der Grundrechtsschutz der Ausländer im deutschen Verfassungsrecht, 1968, S. 33 ff.; vgl. auch die Anm. von Dolde und Schwabe zu BVerfGE 35, 382 (399) in NJW 1974, 1043 f. 648 Degenhart, JuS 1990, 165 (167 f.).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

rungen des Verfassungsgeistes ihrerseits an Gewicht verlieren können. Mit dem deutschen Bekenntnis zu einem geeinten Europa erscheint es jedenfalls kaum vereinbar, im gleichen Atemzug Ausländern für den vielleicht entscheidensten Lebensbereich - die berufliche Betätigungsfreiheit - eine Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG abzusprechen und damit den Grundrechtsschutz für Ausländer noch immer zur „Bewährungsprobe des Verfassungsrechts" 649 zu machen. Das BVerfG 6 5 0 hat daher schon früh und unter Beifall des überwiegenden Schrifttums 6 5 1 die Geltung von Art. 2 Abs. 1 GG für Ausländer auch auf solche Freiheiten erstreckt, die bereits in Gestalt von Deutschenrechten als spezielle Freiheitsgarantien vom Grundgesetz ausgeprägt worden sind. Damit kommt Art. 2 Abs. 1 GG nicht nur für das rein private Interesse an Freizeitmobilität zur Anwendung, sondern fängt für Ausländer, die sich zum Schutz ihrer Erwerbsinteressen nicht auf Art. 12 Abs. 1 GG stützen können, auch diese beruflich bedingten Auto-Mobilitätsansprüche auf.

II. Schutzgehalt und Schutzrichtung von Art. 2 Abs. 1 GG 1. Unbenannte Ausprägungen des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit Angesichts des unbestimmten tatbestandlichen Gewährleistungsbereichs von Art. 2 Abs. 1 GG haben Rechtsprechung und Schrifttum einzelne Freiheitsbereiche aus dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit konkretisiert, die ihrerseits im Verhältnis der Spezialität 652 zu der allgemeinen Handlungsfreiheit stehen 653 . Zum prominentesten Beispiel solcher „unbenannter" Freiheitsrechte zählt das vom BVerfG ausgeformte allgemeine Persönlichkeitsrecht 654, das 649

Zuleeg, DVB1. 1974, 341 ff. BVerfGE 35, 382 (399 ff.); 49, 168 (180 ff.). 651 Degenhart, JuS 1990, 165 (167); Gallwas, Grundrechte, S. 52; Merten, Der Inhalt des Freizügigkeitsrechts, 1970, S. 81 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 387, 140 f.; Podlech, in: AK, GG, Art. 2 I Rdnr. 61; Randelzhofer, in: BK, GG, Art. 11 Rdnr. 91; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 1041; Zuleeg, DÖV 1973, 361 (362); ders., DVB1. 1974, 341 (344). 652 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 352; Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 124 Rdrn. 24 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 2; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 12. 653 Vgl. BVerfGE 6, 32 (41 f.) - Elfes - zur „Ausreisefreiheit"; zur „Vertragsfreiheit" BVerfGE 12, 341 (347); 21, 87 (90 f.); 65, 196 (210 f.); 70, 115 (123); 73, 261 (270); 74, 129 (151 f.) und zur „negativen" Vereinigungsfreiheit bezüglich öffentlichrechtlicher Zwangsverbände BVerfGE 10, 89 (102); 12, 319 (323 f.); 15, 235 (239); 38, 281 (297 f.). 654 Diese zunächst nur deliktsrechtlich bedeutsame Rechtsposition hat ihre grundrechtliche Anerkennung mit BVerfGE 34, 238 (246 f.), 54, 148 (153 f.) erfahren; vgl. zur Judikatur des BVerfG Brandner, JZ 1983, 689 (690 f.). 650

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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noch immer neue Konkretisierungen und Ausdifferenzierungen erfährt 655 , wie die jüngste Entdeckung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 656 , anschaulich beweist. a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht Diese mittlerweile anerkannten Innominatfreiheiten können allerdings kaum für den grundrechtlichen Schutz der Auto-Mobilität fruchtbar gemacht werden. Das gilt zunächst für das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Zwar finden sich in der Literatur durchaus Bemühungen, staatliche Lenkungsmaßnahmen im Bereich des Straßenverkehrs als Eingriffe in die Eigenverantwortlichkeit des „mündigen Bürgers" zu deuten, die am allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu messen seien 657 . Wie Verkehrsbeschränkungen generell mit den besonderen Schutzgehalten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erfaßt werden können, wird allerdings nicht näher ausgeführt und läßt sich in dieser Allgemeinheit auch kaum begründen. Zunächst kann das Auto nicht als ein Bereich räumlicher Privatsphäre in die Schutzwirkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gelangen, da der Schutz der räumlichen Privatsphäre mit Art. 13 GG umfassend und abschließend garantiert ist und daher gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG den Vorrang der Spezialität genießt 658 . Ferner ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht seiner Schutzrichtung nach darauf ausgerichtet, die persönliche Sphäre als unverletzlich nach außen abzuschirmen, während die Freiheit aktiven, positiven Tuns durch Art. 2 Abs. 1 GG in Gestalt der allgemeinen Handlungsfreiheit gewährleistet w i r d 6 5 9 . Nicht ausgeschlossen ist damit, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht konkreten staatlichen Eingriffen im Zusammenhang mit der Lenkung und Reduzierung des Individualverkehrs entgegen gehalten wird, etwa wegen der datenschutzrechtlichen Bedenken gegen die elektronische Erhebung von Autobahngebühren 660 . Für die Rechtmäßigkeit des hier in Rede stehenden Innenstadt655 Vgl. Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnm. 55 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 21 Rdnrn. 64 ff. 656 Grundlegend BVerfGE 65, 1 (41 ff.) - Volkszählungsurteil; später BVerfGE 67, 100 (142 f.); dazu Schlink, Der Staat Bd. 25 (1986), S. 233 ff.; Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, 1984. 657 So Geiger, DAR 1976, 319 (324 f.); diesen Einwand vom „mündigen Bürger" hat jüngst Sendler, NJW 1995, 1468 (1469) wiederaufgegriffen. 658 Vgl. BVerfGE 51,97 (105); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 13 Rdnr. 1; auch Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 129 Rdnr. 27. 659 BVerfGE 54, 148 (153); Degenhart, JuS 1990, 161 (165); Erichsen, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 52; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 129 Rdnr. 19; so auch Benda, DAR 1986, 367 (370 f.). 660 So forderte der ADAC unter dem Titel „Der Alptraum", ADAC motorweit 6/93, S. 23 ff., daß niemand „wie Hänsel und Gretel eine (elektronische) »Datenspur4 durch die Republik ziehen" dürfe. Dem Thema „Datenschutz und Verkehr" widmete sich auch ein Arbeitskreis des 33. Deutschen Verkehrsgerichtstags 1995; vgl. insgesamt dazu Has-

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

fahrverbots formuliert das allgemeine Persönlichkeitsrecht damit aber keine besonderen Prämissen. b) Das „Grundrecht auf Mobilität" Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem von Ronellenfitsch so benannten „Grundrecht auf Mobilität" in seiner Ausprägung als grundrechtliche Garantie der Auto-Mobilität: Nach seinem Garantiegehalt ist das „Grundrecht auf Mobilität" gerade darauf angelegt, zum generellen Prüfungsmaßstab für Verkehrsbeschränkungen zu avancieren und damit den Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG zu erübrigen 661 . Ob dieses „Grundrecht auf Mobilität" aber rechtlich als eine speziellere, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verdrängende Garantie verstanden werden darf, muß dagegen bezweifelt werden. Wenn heute zum Schutz der Privat- und Intimsphäre unmittelbar auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht zurückgegriffen werden kann - anstatt auf die allgemeine Handlungsfreiheit - , so wird damit der Endpunkt einer Entwicklung umschrieben, die diesen Freiheitsbereich tatbestandlich so weit ausgeformt hat, daß er als ein besonderer Regelungsbereich mit differenzierter Schutzintensität den benannten Freiheitsgewährleistungen vergleichbar ist. Wenn Ronellenfitsch dagegen von einem Grundrecht auf Mobilität spricht, so muß dies in erster Linie als Klarstellung verstanden werden: Mobilität sei in vielen grundrechtlichen Einzelverbürgungen enthalten, deren Zusammenschau das „Grundrecht auf Mobilität" ergebe 662 . Das so ermittelte „Grundrecht auf Mobilität" betont zunächst nur, daß Mobilität überhaupt und Autofahren im besonderen von der Verfassung geschützt seien 663 . Bei der Bestimmung der Reichweite des verfassungsrechtlichen Schutzes verweist Ronellenfitsch daher lediglich auf die herkömmliche Schrankensystematik 664, ohne konkretere Aussagen für den effektiven Schutz der Auto-Mobilität durch das Grundgesetz zu treffen. Damit ist es Ronellenfitsch nicht gelungen, den Grundrechtsschutz für die Mobilität derart auszuformen, daß er sich genauso an die speziellen Grundrechtsgarantien annähern ließe wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Für eine Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit gegenüber dem „Grundrecht auf Auto-Mobilität" fehlt daher noch die Basis. semer/Topp, DAR 1996, 85 ff. sowie dies., NZV 1995, 169 (171 f.), die datenschutzrechtliche Forderungen an die Erhebung einer elektronischen Maut formulierten, so etwa den „Grundsatz der datenfreien Fahrt". 661 Sojedenfalls die Vorstellung von Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (9). 662 Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323); ders., DAR 1994, 7 (9). 663 Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (9). 664 Siehe Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (323 f.): „Je nachdem, in welchem Sachzusammenhang die Mobilität steht, bestehen verschieden weitgreifende Beschränkungsmöglichkeiten. Am geringsten geschützt ist die allgemeine Handlungsfreiheit"; ähnlich kursorisch und vage ders., DAR 1994, 7 (12).

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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2. Freie Persönlichkeitsentfaltung und allgemeine Handlungsfreiheit: „ Reiten im Walde " und Autofahren Kann das Autofahren nicht mit den spezielleren, in Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Freiheitsgewährleistungen geschützt werden, so verbleibt nur der Rückgriff auf das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit. Seit dem Elfes-Urteil aus dem Jahr 1957 6 6 5 versteht die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung als „allgemeine Handlungsfreiheit im umfassendenden Sinne" 6 6 6 und hat diese weite Schutzbereichsauffassung im Jahr 1989 für das „Reiten im Walde" 6 6 7 erneut bestätigt. Der Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG erfaßt danach nicht nur einen begrenzten Bereich der Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt 6 6 8 . Nach dem Reiten im Walde, dem Füttern von Tauben 669 oder dem Motorradfahren ohne H e l m 6 7 0 ließe sich diese Rechtsprechung auch für das Autofahren in der Innenstadt fortführen. Autofahren wäre danach von Art. 2 Abs. 1 GG als Garantie der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützt, so daß sich der Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbotes an Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen müßte. Diese verfassungsgerichtliche Interpretation des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit durfte zwar überwiegende Zustimmung erfahren 671 , ist aber auch immer wieder vom Schrifttum angegriffen worden. In der Tradition der mittlerweile überwundenen Persönlichkeitskerntheorie 672 halten heute insbesondere Hesse und Grimm gewichtige Einschränkungen des Schutzbereichs für erforderlich, um so einer Ausuferung der Verfassungsbeschwerde entgegenzuwirken. Art. 2 Abs. 1 GG müsse auf den Schutz der engeren persönlichen Lebenssphäre beschränkt werden. Ein Verhalten sei nur dann geschützt, wenn 665

BVerfGE 6, 32 ff. St. Rspr. seit BVerfGE 6, 32 (36); vgl. auch BVerfGE 74, 129 (151); 75, 108 (154 f.); 80,137(152). 667 BVerfGE 80,137 = DÖV 1989,989; jüngst VGH Bad.-Württ., UPR 1995, 76 (77). 668 BVerfGE 54, 143 (146); 80, 137 (152 f.). 669 BVerfGE 54, 143 ff. 670 BVerfGE 59, 275 ff. 67 1 Degenhart, JuS 1990, 161 (164); Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 13; Gallwas, Grundrechte, S. 50 f.; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 3. 672 Nach dieser früher vor allem von Peters vertretenen Theorie schützt Art. 2 Abs. 1 GG nur den Kernbereich der Persönlichkeit, der das Wesen des Menschen als „geistigsittliche" Person ausmache; vgl. Peters, Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit in der höchstrichterlichen Rspr., 1963, S. 16 f. sowie dens., in: FS für Rudolf Laun, 1953, S. 669 (673); dazu Müller, Auswirkungen der unterschiedlichen Auffassungen zum Rechtscharakter des Art. 2 Abs. 1 GG und zu dessen Schranken, 1972, S. 13 Fn. 41; vgl. auch Evers, AöR Bd. 90 (1975), 88 (90 f.). 666

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

es den anderen Freiheitsrechten an Bedeutung für die personale Freiheit gleichkomme 6 7 3 . Angesichts der Entschiedenheit, mit der sich das BVerfG für Art 2 Abs. 1 GG als Garantie der allgemeinen Handlungsfreiheit ausspricht, dürfte dem Streit um das zutreffende Verständnis dieses Grundrechts nur noch akademische Bedeutung beizumessen sein. Mag auch das entstehungsgeschichtliche Argument wenig tragfähig sein 6 7 4 , so hat Pieroth 6 7 5 aber überzeugend nachgewiesen, daß sich das BVerfG 6 7 6 zu Recht darauf berufen kann, mit der Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit einen Beitrag zur „Freiheitssicherung" zu leisten. Dagegen wird die verfassungsprozessuale Warnung vor einer „Ausuferung der Verfassungsbeschwerde" 677 in der Sache zwar zutreffend sein 6 7 8 , gleichwohl erlaubt diese Befürchtung keine Rückschlüsse auf die Reichweite des grundrechtlichen Schutzbereichs 679. Gegen eine Beschränkung des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG auf solche Freiheitsbetätigungen, die von „erheblicher" 680 Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind, spricht aber vor allem, daß das Grundgesetz auch für die besonders benannten Freiheitsrechte nicht nach dem Persönlichkeitswert der in Frage stehenden Tätigkeit differenziert 681 . Sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren, genießt unabhängig von dem Wert der betroffenen Informationsquelle grundrechtlichen Schutz 682 . Genauso verbietet es sich, 67 3

Grimm, Sondervotum, in: BVerfGE 80, 137 (167 ff., 169); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 166 Rdnr. 428. 674 So Grimm, Sondervotum, in: BVerfGE 80, 137 (165); Pieroth, AöR Bd. 115 (1990), 33 (35); dagegen Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 13, der die Genese der Grundrechtsformulierung eher für als gegen das Verständnis des Art. 2 Abs. 1 GG i.S. allgemeiner Handlungsfreiheit deutet; so auch Erichsen, Jura 1987, 367 (368); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 6. 67 5 Pieroth, AöR Bd. 115 (1990), 33 (36 ff.). Gegenüber dem von Grimm, Sondervotum, in: BVerfGE 80, 137 (168 f.) geäußerten Einwand, Freiheitseinbußen seien auch bei einer engeren Interpretation des Art. 2 Abs. 1 GG angesichts des weiten Schrankenvorbehalts ohnehin nicht zu erwarten, erinnert Pieroth an die grundrechtssichernde Funktion der Kontrollmaßstäbe des objektiven Verfassungsrechts, insbes. des Obermaßverbots und auch der Kompetenzordnung, die erst mit der Schutzbereichsbetroffenheit von Art. 2 Abs. 1 GG aktiviert wird. Für einen „materiellen Freiheitsgewinn" durch den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit spricht sich auch Degenhart, JuS 1990, 161 (163 f.) aus. 676 BVerfGE 80, 137(154). 67 7 Grimm, Sondervotum, in: BVerfGE 80, 137 (168); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 427. 67 8 Degenhart, JuS 1990, 161 (163) m.w.N.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 I Rdnr. 17. 67 9 Degenhart, JuS 1990, 161 (163). 680 So die Formulierung von Grimm, Sondervotum, in: BVerfGE 80,137 (166). 681 Degenhart, JuS 1990, 161 (162 f.). 682 Degenhart, in: BK, GG, Art. 5 I, II Rdnrn. 247 ff., 256.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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für die Kommunikationsgrundrechte bei der Bemessung des Grundrechtsschutzes nach der Bedeutung der in Rede stehenden Meinung zu fragen 683 . Schließlich warnt das BVerfG zu Recht vor den kaum vernünftig lösbaren Abgrenzungsproblemen 684 . Wie schwer diese Gewichtung der Persönlichkeitsrelevanz im Einzelfall sein kann, läßt sich am Beispiel des Autofahrens illustrieren. Daß der Mobilität insgesamt ein hoher Stellenwert für die Lebensgestaltung und damit die Persönlichkeitsentfaltung zukommt, dürfte wohl von jedermann akzeptiert werden. Über die eigentliche Gretchenfrage - die Frage nach der Persönlichkeitsrelevanz gerade der Auto-Mobilität - ist damit freilich noch nichts ausgesagt. Auto-Mobilität garantiert in hohem Maße individuelle und selbstbestimmte Mobilität, insoweit zeichnet sie sich durch ihre besondere Affinität zu den Werten „Freiheit" und „Autonomie" aus 6 8 5 . Leicht läßt sich das Autofahren von diesem Standpunkt aus zum Sinnbild selbst gestalteter Lebensführung durch eigenständige und frei verfügbare Fortbewegung hochstilisieren und der Sprung zu der Auffassung, Autofahren leiste einen gewichtigen Beitrag zur Entfaltung und Entwicklung der Persönlichkeit dürfte dann nicht mehr weit sein. Wenn man allerdings das bloße zweckfreie und ziellose Autofahren, die Erfahrung von Veränderung und Geschwindigkeit 686 noch nicht als Beitrag zur Entfaltung der Persönlichkeit anerkennen will, so könnte dem Autofahren aber je nach seiner besonderen Zwecksetzung ein Gewicht für die Entfaltung der Persönlichkeit beigemessen werden. Spätestens an dieser Stelle ist der freien Wertung Tür und Tor geöffnet: Soll die wöchentliche Fahrt zur Therapiestunde Grundrechtsschutz genießen, während ein Plaudernachmittag bei Freunden oder stundenlanges „Shopping" von vornherein zur Disposition hoheitlicher Mobilitätsbeschränkungen stehen? Wertungsentscheidungen bilden keinen Fremdkörper im Verfassungsrecht, doch haben sie ihren verfassungsrechtlichen Standort weniger auf der Ebene des Schutzbereichs als vielmehr bei der nachfolgenden Konturierung der Grenzen grundrechtlicher Freiheit gefunden. Mag es auch im Ergebnis häufig keinen Unterschied bedeuten, ob eine Freiheitsbetätigung schon auf der Ebene des Schutzbereichs vom Grundrechtsschutz ausgeschlossen wird, oder erst im Rahmen der Verhältnismäßigkeit hinter den kollidierenden Individual- und Gemeinwohlinteressen zurückbleibt - das erforderliche verfassungsrechtliche Fundament erhält die Entscheidung über die Bemessung des Grundrechtsschut683 Vgl. BVerfGE 20, 56 (97); 30, 336 (347); 33, 1 (14 f.); Hoffmann-Riem, in: AK, GG, Art. 5 I, II Rdnr. 20; Schmitt Glaeser, AöR Bd. 113 (1988), S. 53 (71). 684 BVerfGE 80, 137 (154); so auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 8; dagegen hält Grimm, Sondervotum, in: BVerfGE 80, 137 (169) plausible Grenzbestimmungen hier im gleichen Rahmen für möglich wie für jedes andere Grundrecht. Siehe aber auch Kunig, Jura 1990, 523 (526), der schon Grimms eigene Argumentation für das „Reiten im Walde" für angreifbar hält. 685 Vgl. Gusy, ZRP 1993, 439 (440 f.). 686 Siehe etwa die Deutung, die Virilio , Rasender Stillstand, 1992, S. 126 ff., 138 f. der Erfahrung von Geschwindigkeit und Mobilität gibt; vgl. auch dens., Der negative Horizont. Bewegung, Geschwindigkeit, Beschleunigung, 1989.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

zes erst mit dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip und seinem Abwägungsgebot. Es besteht ein großer Unterschied, ob abstrakt nach der „Persönlichkeitsrelevanz" eines Verhaltens gefragt wird, oder ob untersucht wird, wie weit der individuelle Freiheitsanspruch durch gegenläufige Interessen zumutbar zurückgedrängt werden kann. Nur dieses letzte Entscheidungsmuster entspricht liberaler Rechtsstaatlichkeit, nach welcher der Staat nicht zur Steuerung der Persönlichkeitsentfaltung berufen, sondern nur dazu aufgefordert ist, aus der Vielzahl der verfassungsrechtlich geschützten Interessen die unüberwindbaren Grenzen für die individuelle Freiheitsverwirklichung zu formulieren. In der Tradition der verfassungsgerichtlichen „Reiten im Walde"-Entscheidung ist mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit daher die allgemeine Handlungsfreiheit im umfassenden Sinne gewährleistet, so daß sich der Schutzgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG auch auf das Autofahren erstreckt. 3. Grundrechtsschutz der Straßennutzung zwischen Freiheit und Teilhabe Mit der Anerkennung des Autofahrens als einem Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit bietet Art 2 Abs. 1 GG automatisch abwehrrechtlichen Schutz gegen Verkehrsbeschränkungen und damit auch gegen eine nachträgliche Einschränkung oder Entziehung des Gemeingebrauchs. Diese verfassungsrechtliche Konsequenz ist aus der Sicht des Verwaltungsrechts schon früh in Frage gestellt worden. Mittlerweile dürfen zwar die Zweifel an der subjektiven Rechtsqualität des Gemeingebrauchs in Rechtsprechung 687 und Schrifttum 688 als überwunden gelten. Gleichwohl wird aus verwaltungsrechtlicher Sicht noch heute betont, der Bürger habe zwar ein subjektiv-öffentliches Recht auf Ausübung des Gemeingebrauchs in dem vorgefundenen Rahmen, nicht aber ein Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs im bestehenden Umfang 6 8 9 . 687 I.S. eines „Rechtsreflexes" aber noch OVG Hamburg, DV 1948, 49; DÖV 1955, 151 f.; OVG Lüneburg, DÖV 1954, 90 (91); VGH Württemberg/Hohenzollern, DÖV 1949, 258; offengelassen von BVerwGE 4, 342 (343); OLG München, DVB1. 1952, 529 (532) sowie Hess. VGH, VwRspr. Bd. 5, S. 340 (343). 688 Während heute jedenfalls die Ausübung des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs als subjektiv-rechtlich abgesichert gelten darf, wurde der Gemeingebrauch herkömmlich nicht als subjektives Recht, sondern nur als Reflex der tatsächlichen oder rechtlichen Möglichkeit zur Nutzung öffentlicher Wege angesehen; vgl. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1924, S. 76 f.; Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 211; Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1948, S. 510; Nebinger, Verwaltungsrecht AT, 1949, S. 103; dazu F. Mayer, JuS 1963, 205 (206); gegen ein subjektives Recht heute noch Schmidt-Tophoff,\ DVB1. 1970, 17 (19). Für ein subjektiv-öffentliches Recht aber schon Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 2, 2. Aufl. 1954, S. 615; ders., DÖV 1955, 129 f.; Jesch, JuS 1963, 213 (214); Salzwedel, DÖV 1963, 241 (245 f.); Forsthoff\ VerwR Bd. I, S. 392; i.S. eines „beschränkten subjektiven öffentlichen Rechts" Woljf/Bachof VerwR Bd. I, 9. Aufl. 1974, S. 507 f. 689 BVerwGE 32, 222 (225); Forsthoff, VerwR Bd. I, S. 392; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen,

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Viel zitiert sind in diesem Zusammenhang folgende Ausführungen des BVerwG aus dem Jahr 1968: „Der schlichte, nicht durch Art. 14 Abs. 1, sondern [...] nur durch Art. 2 GG geschützte Gemeingebrauch endet als Recht dort, wo es für seine Ausübung an einem Substrat fehlt. Insoweit gilt, daß sich der Rechtsinhaber mit dem abfinden muß, was - und wie lange es - geboten w i r d . " 6 9 0 Konsequenterweise müßten dann eigentlich alle grundrechtlichen Abwehransprüche gegen eine Einschränkung oder Entziehung des Gemeingebrauchs verneint werden, da jede Abwehrmöglichkeit im Ergebnis die Bejahung eines Rechts auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs bedeutet. a) Gemeingebrauch in der Tradition des derivativen Teilhaberechts Um zu verhindern, daß der Gemeingebrauch und damit auch das Autofahren mit Art. 2 Abs. 1 GG abwehrrechtlich geschützt wird, mußte die verwaltungsrechtliche Sichtweise - die sich auch in den Formulierungen der Straßengesetze widerspiegelt 691 - natürlich verfassungsrechtlich abgesichert werden. Mit dem Blick auf das Verfassungsrecht lautet der Haupteinwand gegen einen abwehrrechtlichen Grundrechtsschutz für die Nutzung öffentlicher Sachen, daß der Gemeingebrauch die Grundrechte nicht in ihrer Funktion als Abwehrrecht, sondern vielmehr als Teilhaberecht fordere. In konsequenter Fortentwicklung der Auffassung von Huber, der den Gemeingebrauch als ein „ganz und gar staatlich geschaffenes und staatlich verliehenes Recht" 6 9 2 charakterisierte, hat schon Forsthoff die Teilnahme des einzelnen am Gemeingebrauch vor dem Hintergrund traditioneller Grundrechtsdogmatik als „eine spezielle Konkretisierung des allgemeinen Rechts auf Teilhabe an den Staatsleistungen"693 beschrieben und damit das heute am entschiedensten vorgetragene Argument gegen einen Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität entdeckt 694 . S. 45; Kodal/Krämer, Sraßenrecht, S. 508 f.; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 44; Salzwedel, in: Erichsen (Hrsg.), Allg VerwR, S. 521 (552). 690 BVerwGE 32, 222 (225). 691 Siehe etwa § 15 Abs. 2 BWStrG: „Auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs besteht kein Rechtsanspruch"; ähnlich Art. 14 Abs. 3 BayStrWG; § 10 Abs. 2 Satz 2 BerlStrG; § 15 Abs. 2 BremLStrG; § 14 Satz 2 HessStrG; § 14 Abs. 1 Satz 1 SrWG NW; § 34 Abs. 1 Satz 2 RhPfLStrG; § 14 Abs. 2 SaarlStrG und § 20 Abs. 4 SchlHStrWG. Zur Rechtslage nach dem BFStrG, in dem eine entsprechende Regelung fehlt, Marschall/Schroeter/Kastner, FStrG, § 7 Erl. 5.21. 692 Huber, DÖV 1955, 129 (130); vgl. auch Krause, Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen im neueren Verwaltungsrecht, 1961, S. 194 f.; Schmidt-Bens, Verfassungsrechtliche Prüfung der Einschränkung des Gemeingebrauchs, 1969, S. 108 f. 693 Forsthoff,; VerwR Bd. I, S. 392; vgl. auch Stern, VVDStRL Heft 21 (1964), S. 183 (219). 694 Krebs, VerwArch. Bd. 76 (1976), 329 (323 f.); andeutungsweise Dürig, NJW 1955, 728 (730 Fn. 20); Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnrn. 66 ff.; jüngst Koch, ZfV 1994, 545 (552); vgl. auch Lorenz, JuS 1993, 375 (376). Mit dem Lts. „Niemandem steht ein Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches an einer Straße zu" erkannte auch schon der österreichische VfGH, ZfVB

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Unter dem Blickwinkel der Unterscheidung zwischen originären und derivativen Teilhaberechten ist freilich nur an ein derivatives Teilhaberecht gedacht, das heißt ein rechtlich garantierter Zulassungsanspruch, der in seinem Bestand und Umfang von der Staatsleistung abhängig ist 6 9 5 . Derivative Teilhaberechte sichern nur Benutzungsrechte nach Maßgabe des tatsächlichen staatlichen Angebots. Sie gewähren aber weder einen Anspruch auf Fortbestand der Staatsleistung, noch vermitteln sie Rechtsschutz, wenn das staatliche Leistungsangebot nachträglich zurückgeschraubt wird. Die rechtliche Schutzkraft von derivativen Teilhaberechten erschöpft sich daher in einem Anspruch auf Gleichbehandlung, weshalb sie häufig auch nur mit den Gleichheitsrechten aus Art. 3 GG abgesichert werden 696 . Im Ergebnis liefert die Figur des derivativen Teilhaberechts daher genau den rechtlichen Zuschnitt, der vom BVerwG mit der Formulierung zum Ausdruck gebracht wurde, der schlichte Gemeingebrauch ende „als Recht dort, wo es an seinem Substrat fehlt" 6 9 7 , so daß kein abwehrrechtlicher Schutz gegen die nachträgliche Veränderung oder Aufhebung des Gemeingebrauchsregimes geltend gemacht werden könne. Der grundrechtliche Schutz des Autofahrens wäre danach immer nur ein Schutz von Straßenbenutzungsrechten, solange eine Straße dem Autofahren geöffnet ist. In dem Moment aber, wo das Nutzungsstatut nachträglich verändert wird, müßte das Benutzungsrecht und mit ihm auch die grundrechtliche Absicherung des Autofahrens erlöschen. b) Gemeingebrauch zwischen Freiheit und Teilhabe aa) Freiheit auf der Basis von Teilhabe Diese rechtliche Einordnung des Gemeingebrauchs ist nicht unbestritten geblieben. So deutet sich schon mit Murswieks Qualifikation des Gemeingebrauchs als „Freiheit auf der Basis von Teilhabe" 698 an, daß sich die gemeingebräuchliche Nutzung von Straßen nicht vollständig mit dem Teilhabeaspekt erfassen läßt. Da der Bürger öffentliche Sachen und Einrichtungen gerade zur 1994/1/401 gegen einen Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität; dazu Potacs, ZfV 1994, 553 ff. 695 In unterschiedlicher Terminologie wird zwischen derivativen Ansprüchen als Reaktion auf vorgängiges staatliches Handeln und davon unabhängigen originären Ansprächen unterschieden, so Martens, VVDStRL Heft 30 (1972), S. 7 (21); auch Sendler, DÖV 1978, 581 f.; ausführlich zu Begriff und Terminologie Murswiek, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112, Rdnm. 5 ff.; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 700 ff. 696 Martens, VVDStRL Heft 30 (1972), 7 (21 ff.); Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnm. 69 ff.; für die Auto-Mobilität Koch, ZfV 1994, 545 (552). 697 BVerwGE 32, 222 (225). 698 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnrn. 81 ff.; ausführlich zu solchen „gestuften Teilhabe-/Freiheitsverhältnissen" ders., in: FS für K. Doehring, 1989, S. 647 ff.; nochmals ders., DVB1. 1994, 77 (83). Vgl. auch Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 702 f., der die Nutzung öffentlicher Sachen zwar teilhaberechtlich erfaßt, in ihrer Nutzung aber „ein Betätigungsfeld der Verhaltensfreiheit" sieht.

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Freiheitsbetätigung in Anspruch nehme, so Murswiek, müsse jede Einschränkung des widmungsmäßigen Gebrauchs auch als Freiheitseinbuße gewertet werden. Allerdings gewährt Murswiek mit dieser Neubestimmung von Teilhabe und Feiheit materiellrechtlich noch keinen größeren Schutz, da auch er den grundrechtlichen Abwehranspruch von vornherein nur innerhalb des Teilhabeverhältnisses gelten lassen w i l l 6 9 9 . Solange der Grundrechtsschutz aber an den Bestand des staatlichen Substrats gebunden bleibt, besteht nach wie vor keine Rechtsposition, die gegen die Einziehung der staatlichen Leistung grundrechtlichen Widerstand zu formulieren vermag. Unter dieser Prämisse bedeutet es für die Autofahrer keinen Rechtsgewinn, wenn der Gemeingebrauch nicht nur teilhaberechtlich, sondern auch abwehrrechtlich geschützt sein soll. Genauso wenig Aussagekraft hat auch die grundrechtliche Etikettierung des Gemeingebrauchs mit Art. 2 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 1 G G 7 0 0 , solange der materielle Schutzumfang vollständig an das Schicksal der Staatsleistung angelehnt bleibt. bb) Gemeingebrauch als „natürliche" Freiheit Erheblich fruchtbarer für die Rechtstellung der Autofahrer ist dagegen die vor allem von Haselau 701 vertretene Auffassung, die gemeingebräuchliche Nutzung öffentlicher Sachen zähle zu den autonomen Handlungsmöglichkeiten des Individuums, so daß Art. 2 Abs. 1 GG ausschließlich als Freiheitsgarantie zur Verteidigung des „natürlichen" Freiheitsraumes in Erscheinung trete 7 0 2 . Geistiger Vater dieses Gedankens mag Otto Mayer sein, der den Gemeingebrauch schon als Konkretisierung der „allgemeinen Freiheit des Menschen" wertete 703 . Wird der Teilhabeaspekt des Gemeingebrauchs vollständig geleugnet, kann Art. 2 Abs. 1 GG natürlich mit uneingeschränkter abwehrrechtlicher Schutzwirkung gegen jede nachträgliche Widmungsveränderung zur Geltung gebracht werden - und die Frage nach der beschränkten Wirkkraft der Grundrechte in derivativen Teilhabeverhältnissen stellt sich erst gar nicht. Diese vollständige Ausblendung des Teilhabeaspekts ruft allerdings nach einer Begründung, die darüber hinweghilft, daß der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen schließlich voraussetzt, daß der Staat zunächst mit der öffentlichen Sache ein Sachsubstrat bereitstellt und schließlich an dieser durch den Widmungsakt 699

Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnrn. 81 f. Obwohl derivative Teilhaberechte in der Regel nur auf Art. 3 GG zurückgeführt werden, wird der Gemeingebrauch zumeist auf Art. 2 Abs. 1 GG gestützt; siehe Martens, VVDStRL Heft 30 (1972), 7 (25); Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97; Stern, VVDStRL Heft 21 (1964), 183 (219 f.). Für eine Verbindung von Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 623 (667). 701 Haselau, Die Freiheit der Straße als Rechtsproblem, 1960, S. 17 ff., 21, 23, 109. 702 So schon BVerwGE 4, 342 (346); 30, 235 (238); vgl. auch BVerwGE 27, 181 (185); BayVGH, BayVBl. 1986, 754 (755) = NuR 1987, 183; Jesch, JuS 1963, 213 (214). 703 Otto Mayer, Verwaltungsrecht, Bd. 2, 3. Aufl. 1924, S. 76 f., 89; vgl. dazu auch Peters, Lehrbuch der Verwaltung, 1949, S. 211 f. In diese Richtung tendiert auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 98 mit der Formulierung, der Gemeingebrauch sei „im Kern Ausfluß der Freiheit." 700

11 Röthel

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

konstitutiv Gemeingebrauch begründet. Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen beruht damit auf mehreren gewährenden Hoheitsakten, so daß Stern 7 0 4 den Gemeingebrauch an öffentlichen Sachen schon als die „Urform staatlicher Daseinsvorsorge" charakterisierte 705. Wenn der Gemeingebrauch aber der Daseinsvorsorge und damit der leistenden Staatstätigkeit zuzurechnen ist, so kann die Nutzung und Inanspruchnahme von Gemeingebrauch nicht als eine vorstaatliche Freiheit begriffen werden 706 . Dieses deutliche leistungsrechtliche Element des Gemeingebrauchs läßt sich auch nicht mit dem Argument von Haselau überwinden, daß es bei der Aufhebung jeden Gemeingebrauchs keine persönliche Bewegungs- und Entfaltungsfreiheit mehr gäbe 707 , denn damit wird nur die Frage nach einem institutionell abgesicherten Kernbestand an öffentlichen Straßen im Gemeingebrauch aufgeworfen 708 - die Nutzung bestehender Straßen bleibt aber staatlich eröffnete und ermöglichte „Freiheit". Dieser Hinweis verdeutlicht aber, wie eng die Nutzung von Straßen zur Verwirklichung von Mobilitätsbedürfnissen mit individueller Freiheitsausübung verwoben ist. Daher läßt sich die gemeingebräuchliche Inanspruchnahme öffentlicher Wege weder ausschließlich als Teilhabe an Staatsleistungen noch allein als „natürliche" Freiheitsausübung sachgerecht erfassen. cc) Unterschiedliche Gewährleistungsdimensionen des Gemeingebrauchs Läßt sich die Nutzung öffentlicher Straßen sowohl aus abwehrrechtlichen als auch aus teilhaberechtlichen Elementen speisen, so liegt es nahe, innerhalb der Inanspruchnahme des Gemeingebrauchs unterschiedliche Gewährleistungsdimensionen anzuerkennen. Fruchtbare Impulse könnten hier aus dem verwaltungsrechtlichen Schrifttum kommen, das für die Berufung auf den Gemeingebrauch verschiedene Anspruchssituationen unterscheidet. Danach habe der Bürger zwar ein subjektiv-öffentliches Recht auf Ausübung des Gemeingebrauchs, das mit Art. 2 Abs. 1 GG auch abwehrrechtlich verbürgt sei, dagegen genieße er kein subjektives Recht, mit dem er gegen Umstufungen und Einziehungen auf die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs dringen könne 7 0 9 . 704

Stern, VVDStRL Heft 21 (1964), S. 183 (213). Vgl. Rüfher, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. III, § 80 Rdnr. 17; Steiner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. III, § 81 Rdnm. 20 f. sowie Bartlsperger, Die Bundesfernstraßen als Verwaltungsleistung, 1969, S. 11 ff. 706 Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 97; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 12; Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 118; Mayer, JuS 1963, 205 (209); Rüfner, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. III, § 80 Rdnr. 52 f.; vgl. auch schon Carl Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 173. 707 Haselau, Die Freiheit der Straße als Rechtsproblem, S. 21, 23; zur allgemeinen Handlungsfreiheit mit naturrechtlicher Fundierung ders., S. 48 ff. 708 Dazu schon oben, S. 85 ff. sowie unten, S. 177 ff. 709 So schon OVG Hamburg, MDR 1955, 57 (58); i.ü. Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 66; F. Mayer, JuS 1963, 205 (206 ff.); Koch, ZfV 1994, 545 (552); Pappermann/Löhr/Andriske, Recht der öffentlichen Sachen, S. 76 f.; 705

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Diese Unterscheidung mag schlüssig klingen, verliert bei näherem Hinsehen aber ihre Plausibilität. Folgt man dieser Differenzierung, so kann der Bürger straßenverkehrsrechtliche Regelungen, die den Gemeingebrauch zwar unangetastet lassen, den Verkehr aber aus Sicherheitsgründen ordnen, nicht nur einer verwaltungsrechtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle zuführen, sondern auch verfassungsrechtlich als Freiheitseinbuße mit Art. 2 Abs. 1 GG angreifen. Ergeht eine solche nachträgliche Veränderung des Benutzungsstatuts aber nicht mit den Mitteln des Straßenverkehrsrechts, sondern als Teileinziehung, soll ihm jeder abwehrrechtliche Schutz versagt sein 7 1 0 , obwohl auch in diesem Fall der Charakter der Straße als öffentliche Sache und zugleich der Gemeingebrauchsstatus als solcher erhalten bleibt. Im Ergebnis wäre hiernach für den abwehrrechtlichen Schutzgehalt des Art. 2 Abs. 1 GG entscheidend, ob Nutzungsbefugnisse auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts oder mit den Mitteln des Straßenrechts eingeschränkt werden. Diese Unterscheidung kann nicht überzeugen. Zunächst bilden das Straßenrecht und das Straßenverkehrsrecht nicht zwei wesensfremde Rechtsmaterien, die isoliert betrachtet werden könnten, stellen sie doch den Rechtsanwender gerade durch ihre häufigen Überschneidungen und Friktionen vor besondere Abgrenzungsprobleme. Zwar kann ein öffentlicher Weg nur im Entwidmungsverfahren wieder vollständig der gemeingebräuchlichen Nutzung entzogen werden. Doch auch das Straßenrecht kennt mit der Teileinziehung einen hoheitlichen Gestaltungsakt, der den grundsätzlichen Status der Straße, das heißt ihre Bereitstellung zu gemeingebräuchlicher Nutzung, unangetastet läßt und nur Benutzungsregelungen trifft. In diesem Bereich lassen sich mit dem Straßenrecht vergleichbare Rechtswirkungen erzeugen wie mit dem Straßenverkehrsrecht. Deshalb ist die Frage nach der einschlägigen Rechtsgrundlage auch nicht immer leicht zu beantworten 711 . Diese Binnenprobleme innerhalb der vorgeschlagenen Unterscheidung zwischen Benutzungsfreiheit und Leistungsanspruch rufen sicherlich nach einer überzeugenderen Lösung. Eine solche könnte etwa darin gefunden werden, jede nachträgliche Beschränkung der Ausübungsfreiheit als Freiheitseinbuße zu werten - ungeachtet der Tatsache, ob es sich um straßenrechtliche oder um straßenverkehrsrechtliche Verfügungen handelt 712 . Aber auch wenn diese UnterPapier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 96 f.; Salzwedel, DÖV 1963, 242 (246 f.); ders., in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 97 (100 f.); Zippelius, DÖV 1958, 838 (848). 710 Vgl. jüngst das Urteil des VGH Mannheim, NVwZ-RR 1995, 186, worin das Gericht ausdrücklich jede Klagemöglichkeit des schlichten Straßennutzers gegen eine Teileinziehung mangels Verletzung in eigenen Rechten ausschließt. So schon Salzwedel, in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 97 (100 f.); siehe auch Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 509; Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 97. 711 Zu dem diffizilen Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht schon oben, S. 39 ff. 712 So Steiner, in: ders. (Hrsg.), Bes VerwR, S. 625 (667); vgl. auch Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780); Stern, VVDStRL Heft 21 (1964), S. 183 (219 f. Fn. 207).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Scheidung mit größerer Konsequenz durchgehalten würde, so fehlt nach wie vor eine grundrechtsdogmatische Absicherung der eigentlichen Prämisse, nämlich der Frage, wie sich die Inanspruchnahme öffentlicher Straßen und Wege trotz ihrer Nähe zum Teilhaberecht in den abwehrrechtlichen Gehalt der Freiheitsrechte einbeziehen läßt 7 1 3 . c) Straßennutzung als Grundrechtsvoraussetzung der Fortbewegungsfreiheit Die Frage nach Umfang und Schutzrichtung des Grundrechtsschutzes für die Straßennutzung stellt sich nicht erst und ausschließlich bei Art. 2 Abs. 1 GG, sondern wurde schon für sämtliche bisher angesprochenen Grundrechte laut, insbesondere im Rahmen der Eigentumsgarantie und der Versammlungsfreiheit. Die Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraums bezeichnet daher einen leistungsrechtlichen Teilaspekt vieler grundrechtlich geschützter Freiheitsbereiche 7 1 4 . Mag Art. 2 Abs. 1 GG auch materiell geringeren Schutz versprechen, so kann methodisch für Art. 2 Abs. 1 GG nichts anderes gelten als für die spezielleren Freiheitsrechte. Auf die gleiche Art und Weise, mit der sich die Straßennutzung in den Gewährleistungsgehalt der spezielleren Freiheitsrechte einbeziehen ließ, muß sie sich auch unter den Schutz von Art. 2 Abs. 1 GG stellen lassen. aa) Straßennutzung im Spiegel der speziellen Freiheitsgrundrechte Die Nutzung öffentlicher Straßen hat zunächst in Gestalt des mit Art. 14 Abs. 1 GG garantierten Anliegerrechts ihre Anerkennung als abwehrfähige Grundrechtsposition erfahren. Ausgangspunkt für die Einbeziehung der Straßennutzung in die Eigentumsgarantie bildete dabei die Überlegung, daß eine angemessene Grundstücksnutzung die Anbindung an das öffentliche Wegenetz notwendig voraussetzt 715 . Mit der gleichen Begründung wurde Versammlungen über Art. 8 Abs. 1 GG ein eigenständiges Straßenbenutzungsrecht zugesprochen, da die Freiheit, sich unter freiem Himmel zu versammeln, gleichermaßen auf die Nutzung öffentlichen Straßenraums angewiesen ist 7 1 6 . In beiden Fällen konnte das Recht zur Straßennutzung also in dem Moment in den abwehrrechtlichen Gehalt der Freiheitsverbürgung miteinbezogen werden, wo sich die Inanspruchnahme von öffentlichen Straßen als unerläßlich für die Grundrechtsausübung erwies, so daß sich die primär geschützte grundrechtliche Freiheit als notwendig straßenbezogen 117 beschreiben ließ. Dieses Kriterium diente allerdings nicht 713

Siehe nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 12, der die Verweigerung von Gemeingebrauch zwar zutreffend als „Verweigerung von Teilhabe" charakterisiert, dennoch aber - ohne nähere Begründung - eine Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit annimmt. 714 Krebs, VerwArch. Bd. 67 (1976), 329 (333 f.). 715 So Maurer, DÖV 1975, 217 (225); siehe insgesamt schon oben, S. 75 ff. 716 Siehe oben, S. 101 ff. 717 Dieses Kriterium ist angelehnt an die Unterscheidung von Bairl-Vaslin, Das Verhältnis der Versammlungsfreiheit zum Straßenrecht, S. 135 ff., der zwischen unmittelbar

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nur zur Rechtsgewährung, sondern auch zur Rechtsverneinung. So wurde die Freizügigkeit zwar auch als Gewährleistung der Erreichbarkeit der Zielorte verstanden. Dennoch ließ sich dieses Straßenbenutzungsrecht nicht als Garantie der Auto-Erreichbarkeit deuten 718 . bb) Zur Einbeziehung von Grundrechtsvoraussetzungen in den grundrechtlichen Abwehranspruch Unabhängig von der konkreten grundrechtlichen Einbettung stellte sich die Frage nach dem Grundrechtsschutz der Straßenbenutzung stets als die Frage danach dar, inwieweit Voraussetzungen für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit 7 1 9 noch an der abwehrrechtlichen Schutz Wirkung des Grundrechtstatbestandes partizipieren können. Dies scheint auf den ersten Blick in bedenkliche Nähe zu einer „sozialstaatlichen Grundrechtskonzeption" 720 zu rücken, nach der grundrechtliche Freiheit nicht nur als eingriffsabwehrende Freiheit, sondern auch als „reale Freiheit" 7 2 1 verstanden werden solle, um den Staat gleichfalls für die tatsächlichen und sozialen Voraussetzungen grundrechtlicher Freiheitsausübung einstehen zu lassen 722 . Diese Umdeutung der Grundrechte in „soziale Grundrechte" mag zwar immer wieder Anhänger gefunden zu haben 7 2 3 , ist aber als generelle Grundrechtskonzeption kaum mit dem Grundgesetz vereinbar 724 . Vor diesem Hintergrund muß dem Versuch, den negatorischen Grundrechtsanspruch auch auf Grundrechtsvoraussetzungen zu erstrecken, mit offener Skepsis begegnet werden. Jüngst wandelte sich denn auch gerade dieser und mittelbar straßenbezogenen Tätigkeiten unterscheidet und die Straßennutzung nur dann als Teil des grundrechtlichen Abwehranspruchs anerkennt, wenn der „eigengeprägte Gewährleistungsbereich" des Grundrechts die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit „gerade auf der Straße" schützen will. 718 Siehe oben, S. 93 ff. 719 Vgl. grundlegend Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz; i.ü. Rupp, AöR Bd. 101 (1975), 161 (176); Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 670 f. 720 Dazu Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1535 f.); jüngst Brohm, Soziale Grundrechte und Staatszielbestimmungen, JZ 1994, 213 ff.; Brunner, Die Poblematik der sozialen Grundrechte, 1971; Müller, Soziale Grundrechte in der Verfassung?, 2. Aufl. 1981. 721 Dies rührt an das Verständnis grundrechtlicher Freiheit zwischen liberté als „formale" Freiheit und capacité als „reale" Freiheit; vgl. Böckenförde, NJW 1974, 1529 (1531); Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnm. 26 ff. Zur Unterscheidung von liberté und capacité auch Aron , Essai sur les libertés, 1966, S. 210 f. 722 Vgl. Bethge, Der Staat Bd. 24 (1985), 351 (372 ff., 375 f.); Friauf DVB1. 1971, 674 (676 f.); Häberle, VVDStRL Heft 30 (1972), S. 43 (69 ff., 76, 80 ff.); Willke, Stand und Kritik der neueren Grundrechtstheorie, 1975, S. 216 ff. 723 Vgl. die Nachweise auf S. 165 in Fn. 722. 724 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnm. 90 ff.; vgl. auch Böckenförde, in: ders./Jekewitz/Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1981, S. 7 ff.; Breuer, Jura 1979, 401 (403) m.w.N.; Haverkate, Rechtsfragen des Leistungsstaates, 1983, S. 69 f., 75, 104.

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Gedanke zum Einwand gegen einen Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 G G 7 2 5 . Gleichwohl überschreitet nicht jede Einbeziehung von Grundrechtsvoraussetzungen 726 in den Garantiegehalt der Grundrechte die Schwelle vom Abwehrrecht zum sozialen Leistungsgrundrecht 727 . Schließlich bestehen auch abwehrrechtliche Freiheitsansprüche nicht mehr nur als „natürliche" Freiheit, die sich in dem „frei sein" von hoheitlichen Eingriffen erschöpft 728 . Schlink definiert „vorstaatliche" Freiheit daher auch nicht als eine Sphäre, „in der der Einzelne ursprünglich und am besten ohne Staat lebt. Vorstaatlich ist an der Freiheit, daß ihr Gebrauch gegenüber dem Staat nicht gerechtfertigt werden muß." 7 2 9 Wo aber im einzelnen die Grenze zwischen beliebigen materiellen Bedingungen grundrechtlicher Freiheit 7 3 0 und negatorisch zu garantierenden Grundrechtsvoraussetzungen zu ziehen ist, läßt sich kaum allgemeingültig beantworten, sondern bleibt der Interpretation der inhaltlichen Schutzgehalte des jeweils betroffenen Grundrechts überlassen 731 . 725 So Koch, ZfV 1994, 545 (552), der sich grundsätzlich gegen den Schutz von Grundrechtsvoraussetzungen über die Garantiegehalte der Abwehrrechte wendet und daher auch einen abwehrrechtlichen Schutz des Gemeingebrauchs und der Nutzung öffentlicher Straßen über die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG nachdrücklich ablehnt; im Zusammenhang mit Art. 11 GG auch schon Roellecke, AöR Bd. 114 (1989), 589 (590). 726 „Grundrechtsvoraussetzungen" lassen sich im Anschluß an Kloepfer als diejenigen Umstände beschreiben, „welche die grundrechtliche Tatbestandsmäßigkeit eines Lebenssachverhalts erst ermöglichen"; siehe Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 16; genauso Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 670; ähnlich Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 115 Rdnr. 11; vgl. auch Krüger, in: FS für U. Scheuner, 1973, S. 285 ff. 727 So Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 21 ff.; vgl. auch Schlink, EuGRZ 1984, 457 (465 ff., 467); zu Art. 8 GG Burgi, DÖV 1993, 633 (636); zur Inanspruchnahme fremden Eigentums als Ausübungsvoraussetzung grundrechtlicher Freiheit Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 246 f. 728 Dies rührt an die Diskrepanzen zwischen der Freiheit als „status negativus" im Sinne der Jellinekschen Statuslehre, Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 2. Aufl. 1905, S. 94 ff., 103 und dem modernen Freiheitsbegriff, der grundrechtliche Freiheit positiv als den Schutz bestimmter Handlungen versteht; vgl. dazu Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 229 ff., 243 ff.; Bleckmann, Grundrechte, S. 203 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rdnr. 281. Gegen eine unversöhnliche Gegenüberstellung von Abwehr- und Leistungsaspekt der Grundrechte im Zusammenhang mit Grundrechtsvoraussetzungen auch schon Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 21 f. 729 Schlink, EuGRZ 1984,457 (467). 730 Solche „beliebigen" faktischen Bedingungen erscheinen dann unter leistungsrechtlichen Vorzeichen in Gestalt von Ansprüchen auf „Realisierungshilfe"; vgl. Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 745 ff.; Schmitt Glaeser, DÖV 1980, 1 (5 f.). 731 Vgl. Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 115 Rdnrn. 143 f., 160; Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 23 ff.; auch Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 670 f.

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Der Blick über die einzelnen Grundrechte hat gezeigt, daß die Straßennutzung immer dann an der abwehrrechtlichen Schutzwirkung partizipieren konnte, wenn die Verwirklichung des grundrechtlich garantierten Handlungsfreiraums notwendig auf die Nutzung öffentlicher Straßen angewiesen war, so daß sich die gemeingebräuchliche Nutzbarkeit öffentlicher Straßen als unerläßliche Voraussetzung für die Verwirklichung dieser Mobilitätsfreiheiten - wie der Freizügigkeit oder der Versammlungsfreiheit - beschreiben ließ. Damit ist ein für die Straßennutzung verallgemeinerungsfähiges Kriterium gefunden, mit dem sich die Straßennutzung deutlich von der Vielzahl beliebiger sozialer und tatsächlicher Voraussetzungen grundrechtlicher Bewegungsfreiheit und Mobilitätsgarantien unterscheiden läßt: Zunächst ist die Verwirklichung grundrechtlicher Mobilität nicht an eine Voraussetzung geknüpft, die im Freiheits- und Verantwortungsbereich des einzelnen liegt, sondern sie bedarf mit der Inanspruchnahme öffentlicher Straßen gerade einer Voraussetzung, die traditionell als Aufgabe staatlicher Daseinsvorsorge verstanden wird. Genauso wie das BVerfG schon im Numerus-clausus-Urteil 732 für die Bereitstellung von Studienplätzen argumentierte, so ist auch für die Straßennutzung daran zu erinnern, daß der Staat im Bereich der Straßeninfrastruktur eine faktische Monopolstellung genießt und damit auch in den Vorteil alleiniger hoheitlicher Entscheidungs- und Zugriffsrechte gelangt. Wenn der Staat aber bestimmte tatsächliche Grundrechtsvoraussetzungen zur Staatsaufgabe erklärt und in eine Monopolstellung hineinwächst, so ist es nur konsequent, wenn er als Äquivalent für die damit zugleich verbundenen Freiheitseinbußen der Bürger auch die Garantie für die Existenz dieser Voraussetzungen übernimmt 733 . Schließlich gewährleistet das Kriterium der „Straßenbezogenheit", daß die Nutzung öffentlicher Straßen für das in Rede stehende Freiheitsrecht nicht nur eine beliebige Spielart oder Modalität der Verwirklichung des grundrechtlichen Freiheitspotentials ist. Die Straßenbenutzung kommt vielmehr von vornherein nur als Voraussetzung derjenigen grundrechtlichen Garantiebereiche in Frage, die ohne ein funktionierendes Netz öffentlicher und gemeingebräuchlicher Straßen nicht zu realisieren sind. Dadurch ist die vom Grundgesetz garantierte Sphäre individueller Entfaltungsfreiheit so eng mit der Ausübungsvoraussetzung der Straßenbenutzung verzahnt, daß der Staat mit jeder Beschränkung der Nutzungsbefugnisse an öffentlichen Straßen nicht nur sein Leistungsangebot verändert, sondern zugleich die dahinter liegende „natürliche" Bewegungsfreiheit an ihre Grenzen führt 7 3 4 . Wenn die Verwirklichung grundrechtlicher Frei732

BVerfGE 33, 303 (330 ff.). Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 271; dazu auch Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnm. 88 f. 734 Dies klingt an bei Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 12, der Beeinträchtigungen des Gemeingebrauchs zwar als Verweigerung von Teilhabe qualifiziert, den Gemeingebrauch aber dennoch im abwehrrechtlichen Kontext problematisiert; ähnlich unsicher die Formulierung von Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 209. 733

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heit aber notwendig einer bestimmten tatsächlichen Voraussetzung bedarf 735 und diese darüber hinaus noch in staatlicher Hand ist, dann liegt in dem hoheitlichen Zugriff auf die Grundrechtsvoraussetzung eine Maßnahme, die „eingriffsgleich" 7 3 6 abgewehrt werden können muß, genauso wie der unmittelbare staatliche Übergriff in den garantierten Freiheitsbereich. Das Recht zur Straßennutzung genießt somit nicht automatisch als vorstaatliche „natürliche" Freiheit den abwehrrechtlichen Schutz der Grundrechte, kann aber als Grundrechtsvoraussetzung in den Gewährleistungsgehalt derjenigen grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen hineingelesen werden, deren Garantiegegenstand notwendig auf die Straßennutzung angewiesen ist. cc) Straßenbenutzung als von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte Grundrechtsvoraussetzung für die Auto-Mobilität Die eben angestellten Überlegungen sind nun auf die Frage nach dem grundrechtlichen Schutz des Autofahrens über Art. 2 Abs. 1 GG zu übertragen. Zwar kann der Gemeingebrauch als Inanspruchnahme staatlich bereitgestellter Leistungen nicht als Ausprägung der „natürlichen" Handlungsfreiheit verstanden werden, doch schützt Art 2 Abs. 1 GG zweifellos die Freiheit zu Fortbewegung und Ortsveränderung. Wenn sich schon für die Versammlungsfreiheit begründen ließ, daß ihre Ausübung notwendig straßenbezogen ist, so gilt dies um so mehr für die Fortbewegungsfreiheit. Die Nutzung öffentlicher Straßen als Teilnahme am Gemeingebrauch ist heute nahezu die ausschließliche Form, in der sich individuelle Mobilität und insbesondere Auto-Mobilität verwirklicht. Genauso wie das Vorhandensein eines ausgebauten Straßennetzes nicht nur eine „beliebige faktische Freiheitsausübungsvoraussetzung" bedeutet 737 , ist auch die Inanspruchnahme öffentlicher Straßen nicht nur eine Modalität der Fortbewegungsfreiheit und allen voran der Fortbewegung mit dem Auto. Hierbei handelt es sich vielmehr um unerläßliche Voraussetzungen zur Verwirklichung dieser grundrechtlichen Freiheiten 738 . Fortbewegung mit dem Auto und die Nutzung öffentlicher Straßen stellen sich wie zwei Seiten einer Medaille dar. Jede Beschränkung oder Vorenthaltung von Gemeingebrauch wirkt sich für den Bürger unmittelbar als Beschneidung seiner Fortbewegungsmöglichkeiten aus. Wer dennoch zwischen einer „natürlichen" Fortbewegungsfreiheit und der Bereitstellung und Gewährleistung eines staatlichen Straßennetzes unterscheiden will, 735

Siehe auch Lorenz, JuS 1993, 375 (376), der die Straßennutzung dann mit in den abwehrrechtlichen Schutzgehalt der Grundrechte aufnehmen will, wenn die geschützte Freiheit „wesensmäßig und typischerweise auf die Benutzung öffentlichen Verkehrsgrundes angewiesen [ist], so daß die grundgesetzliche Garantie [...] ansonsten ins Leere ginge." 736 So die zutreffende Charakterisierung von Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 29: „Die Verweigerung von Gemeingebrauch an öffentlichen Sachen stellt sich dar als eingriffsgleiche [Hervorhebung vom Verfasser] Verweigerung von Teilhabe." 737 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnr. 103. 738 Kromer, Sachenrecht des öffentlichen Rechts, S. 118.

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muß sich dem Einwand einer formalistischen Betrachtungsweise stellen. Dies rechtfertigt es, die Inanspruchnahme öffentlicher Straßen als notwendige Voraussetzung für die Freiheit zu Fortbewegung und Ortsveränderung in den Schutzgehalt der allgemeinen Handlungsfreiheit miteinzubeziehen 739 . d) Fazit Die Straßennutzung ist als unerläßliche tatsächliche Voraussetzung der mit Art. 2 Abs. 1 GG garantierten Fortbewegungsfreiheit mitgeschützt. Der Bürger kann daher seine Mobilitätsinteressen gegen jede nachträgliche Nutzungsbeschränkung an öffentlichen Straßen abwehrrechtlich zur Geltung bringen. Diese mit Art. 2 Abs. 1 GG initiierte Rechtskontrolle kann auch die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs fordern. Die entgegenstehende Formulierung der Straßengesetze, die einen Rechtsanspruch auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs ausdrücklich ausschließen, ist daher mehr als mißverständlich 740 . Diese Sichtweise scheint auch das BVerfG zu teilen, wenn es für den grundrechtlichen Schutz der Auto-Mobilität automatisch die Grundrechte in ihrer Abwehrdimension zur Geltung bringt - allerdings ohne den Teilhabeaspekt der Straßennutzung überhaupt zu erwähnen 741 . 4. Umweltnutzung zwischen Freiheit und Teilhabe Konnten die Bedenken gegen einen abwehrrechtlichen Schutz des Autofahrens über Art. 2 Abs. 1 GG für die Inanspruchnahme öffentlichen Straßenraums überwunden werden, so muß sich die These vom Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität noch gegenüber einem zweiten Einwand mit der gleichen Zielrichtung bewähren: Wer Auto fährt, nutzt nicht nur die Straße, sondern auch die Umwelt, insbesondere die Luft als Aufnahmemedium für die bei der Verbrennung von Kraftstoff entstehenden Schadstoffe 742 . Tatsächlich greift Murswiek beide Gedanken mit den gleichen Argumenten an. Genauso wie er schon die Nutzung der Straße als Teilhabeverhältnis charakterisierte, beschreibt er auch 739 So ließe sich auch Fobbe, Gemeingebrauch und Kraftverkehr, S. 97,99 verstehen, der sich zwar nachdrücklich gegen Haselau wendet, den Gemeingebrauch aber dennoch über Art. 2 Abs. 1 GG „mitgeschützt" sein lassen will. 740 Stern, VVDStRL Heft 21 (1964), S. 183 (219 f. Fn. 207). 741 Genauso wenig spricht das Gericht auch beim „Reiten im Walde" die Frage nach dem Teilhabeaspekt der Inanspruchnahme öffentlicher Reitwege an; vgl. dazu die Kritik von Rennert, NJW 1989, 3261 (3262); dagegen Enders, VerwArch. Bd. 83 (1992), 527 (553 Fn. 113); Kunig, Jura 1990, 523 (525 f.). Dies kritisieren auch diejenigen Autoren, die einen abwehrrechtlichen Schutz des Autofahrens leugnen, so Koch, ZfV 1994, 545 (552); Murswiek, DVB1. 1994, 74 (82 Fn. 26). 742 Der Anteil der verkehrsbedingten Emissionen am Gesamtschadstoffaufkommen beträgt für Kohlenmonoxid 71,6% und für Stickstoffoxide - NO und N0 2 - sogar 73,1%, während der Anteil an C0 2 und S02 mit 22,8% bzw. 17,1% vergleichsweise geringt ist. Zu den Dimensionen der Umweltbelastung durch den Verkehr ausführlich Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (Hrsg.), Umweltgutachten 1994, S. 244 ff.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

die Nutzung der Umweltgüter in den Kategorien des Teilhaberechts 743 . Werden mit der Ausübung von Freiheitsrechten zugleich Umweltgüter in Anspruch genommen, entstehe ein Teilhabe Verhältnis. Die Freiheitsrechte böten daher gegen Beschränkungen der Teilhabe grundsätzlich keinen Schutz. Sie könnten nur in Gestalt umweltbezogener verfassungsrechtlicher Leistungsansprüche herangezogen werden, um „ein Minimum dessen, was der Mensch in einer freiheitlichen Gesellschaft an Umweltnutzungen unbedingt benötigt" 7 4 4 zu sichern. Darunter könnten zwar die Nutzung der Luft als Atemluft oder die Verursachung unvermeidbarer Emissionen bei der Heizung von Wohnräumen fall e n 7 4 5 , doch ließe sich die erhebliche Schadstoffbelastung der Luft durch den Kraftfahrzeugverkehr wohl kaum als Ausfluß des verfassungsrechtlichen Verschmutzungs- und Existenzminimums verstehen 746 . So wenig die Sozialhilfe als Garantie des sozialen Existenzminimums einen Anspruch auf ein privates Kraftfahrzeug gewährt 747 , so wenig ließen sich konsequenterweise die Umweltbelastungen der individuellen Auto-Mobilität zur unerläßlichen Minimalgarantie an Umweltverschmutzung zählen. Für den hier interessierenden Grundrechtsschutz der Autofahrer zeitigt diese Auffassung eine klare Konsequenz: Die Auto-Mobilität müßte automatisch aus dem abwehrrechtlichen Grundrechtsregime herausfallen. Allerdings setzt sich Murswiek mit dieser Auffassung einigen gewichtigen Bedenken aus. Schon die Ausgangsfeststellung, jede Ausübung grundrechtlicher Freiheit müsse in dem Moment, wo sie Umweltgüter in Anspruch nimmt, auch als Teilhabeverhältnis erkannt werden, ist nicht vereinbar mit dem herkömmlichen Verständnis von Teilhabe. Im grundrechtlichen Kontext meint Teilhabe nämlich stets Teilhabe an staatlichen Leistungen 748 . Solange der Staat kein hoheitliches Bewirtschaftungssystem für die noch frei nutzbaren Umweltgüter errichtet hat, beansprucht umweltbelastende Freiheitsausübung aber keine staatliche Leistung, sondern eine Naturgegebenheit. Dies gilt namentlich für die

743 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnr. 83; ders., DVB1. 1994, 77 (81 ff.); vgl. auch schon dens., JZ 1988, 985 (992 f.). 744

Murswiek, DVB1. 1994, 77 (82).

745

Murswiek, DVB1. 1994, 77 (82); zu den „beim sozialen Zusammenleben unvermeidlichen Lärm-, Geruchs- oder Rauchimmissionen" ders., Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 246 f. 746

So wohl auch Koch, ZfV 1994, 545 (552).

747

Aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 und 2 wird ein Anspruch des einzelnen auf Sicherung seines Existenzminimums abgeleitet; kann sich der einzelne nicht selbst erhalten, ist der Staat zur Fürsorge verpflichtet; vgl. BVerwGE 1, 159 (161 f.); 5, 27 (31); 9, 78 (80 f.); BVerfGE 82, 60 (85); Düng, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Rdnr. 43; Art. 2 Abs. 2 Rdnrn. 26 f.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 410; Podlech, in: AK, GG, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 25; vgl. auch Häberle, VVDStRL Heft 30 (1972), 43 (95). 748

Siehe nur BVerfGE 33, 303 (330).

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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Luft, die als öffentliches G u t 7 4 9 jedermann zur Nutzung zur Verfügung steht. So wenig der Staat die Nutzung solcher in Allgemeinhand stehenden Umweltgüter und Ressourcen mangels staatlicher Leistung mit einer Benutzungsgeb ü h r 7 5 0 oder neuerdings „Verleihungsgebühr" 751 bepreisen kann, so wenig läßt sich die Inanspruchnahme dieser „Allmende" zu einem Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe an gewährender Staatstätigkeit herabstufen. Mag die Ausübung grundrechtlicher Freiheit auch vielfach Umweltgüter in Anspruch nehmen - solange diese Umweltgüter als öffentliche Güter noch in jedermanns Hand stehen, bleibt die Umweltnutzung Ausübung vorstaatlicher und in diesem Sinne „natürlicher", das heißt abwehrrechtlicher Freiheit. Diese Ungereimtheiten mag auch Murswiek gesehen haben, wenn er neuerdings zugesteht, daß „Teilhabe an der Nutzung öffentlicher Umweltgüter dogmatisch betrachtet (auch) Freiheitsausübung sein kann, daß Vorenthaltung der Teilhabe dann als Eingriff in den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit zu betrachten und rechtstechnisch nach dem Eingriffs- und Schrankenschema zu bearbeiten ist, daß also das Grundrecht dogmatisch auch hier als Eingriffsabwehrrecht zur Geltung gebraucht werden kann." 7 5 2 Allerdings meint Murswiek damit immer noch keinen vollständigen abwehrrechtlichen Schutz. Vielmehr sei „der Eingriff von vornherein gerechtfertigt" 753 , wenn nicht aus749 Öffentliche Güter zeichnen sich dadurch aus, daß sie niemandem ausschließlich zugeordnet werden können, aber auch niemandem vorenthalten werden dürfen; vgl. für die Luft Schwarzer, UPR 1985, 305 (306); dazu allgemein Siebert, Ökonomische Theorie der Umwelt, S. 9; Wicke, Umweltökonomie, S. 41. 750 Mit diesem Argument wurde insbesondere den landesrechtlich festgesetzten Wasserentnahmeentgelten - allen voran dem baden-württembergischen „Wasserpfennig" - ihre Qualität als Gebühr abgesprochen; vgl. F. Kirchhof i NVwZ 1987, 1031 (1033 ff.); Pietzker, DVB1. 1987, 774 (775); Sander, DVB1. 1990, 18 (20 ff.). Das BVerfG hat den „Wasserpfennig" jedoch als zulässige nichtsteuerliche Abgabe qualifiziert; siehe BVerfG, Beschl. v. 7. 11. 1995, UPR 1996, 188 ff. 751 Um die Nutzung von Umweltressourcen dennoch zum Gegenstand staatlicher Gebührenerhebung zu machen, wird mit der Verleihungsgebühr ein neuer Gebührentypus diskutiert. Nach ihren Verfechtern soll die Gebührenpflicht in der Traditition der Konzessionsabgaben mit der Verleihung des Rechts auf Umweltnutzung entstehen; vgl. F. Kirchhof DVB1. 1987, 554 (555); dens., Umweltabgaben, in: Umweltschutz durch Abgaben und Steuern, UTR Bd. 16, S. 101 (112 f.); dens., Die Höhe der Gebühr, S. 29 f. Dagegen aber Friauf in: FS zur 600-Jahr-Feier der Universität zu Köln, 1988, S. 679 (683); P. Kirchhof in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. IV, § 88 Rdnr. 187; Weyreuther, UPR 1988, 161 (164). Entscheidend dürfte in dieser Kontroverse das finanzverfassungsrechtliche Argument sein, daß der Akt einer Rechtsverleihung keinen besonderen zurechenbaren Vermögenswerten Aufwand der öffentlichen Hand voraussetzt, der eine individuelle Finanzierungsverantwortlichkeit begründen könnte. Damit geriete die „Verleihungsgebühr" als Abgabe ohne besonderen Finanzierungsanlaß in die Nähe zur Steuer und würde wie diese allein der Deckung der allgemeinen Staatsaufgaben dienen; konsequent a. A. aber Murswiek, NuR 1994, 10 (14). 75 2

Murswiek, DVB1. 1994, 77 (83); anders noch ders., JZ 1988, 985 (992) sowie in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnr. 83. 75 3 Murswiek, DVB1. 1994, 77 (83).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

nahmsweise das unerläßliche Umweltbelastungsminimum eine verfassungsrechtliche Befugnis zur Umweltnutzung abstütze. Mag Murswiek nach dieser Kurskorrektur im Ergebnis auch zutreffende Lösungen erzielen können, so läßt er doch eine tragfähige Begründung dafür vermissen, warum er die differenzierte Eingriffs- und Schrankenarchitektur des Grundgesetzes verlassen will. Sicherlich ist die Durchsetzungsfähigkeit des individuellen Freiheitsanspruchs automatisch geschmälert, wenn ihm im Rahmen der Verhältnismäßigkeit i.e.S. das Gemeinwohlinteresse der Erhaltung und Sicherung der Umwelt entgegengehalten werden kann. Und genauso selbstverständlich kann sich umweltbeanspruchende Freiheitsausübung durchaus gegenüber Allgemeininteressen durchsetzen, wenn die Grenze der individuellen Zumutbarkeit überschritten wird. Allerdings kann das Übermaßverbot die erforderliche Feinsteuerung zwischen dem individuellen Bedürfnis nach Umweltnutzung und dem Gemeinwohlinteresse am Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen leisten, ohne daß es der von Murswiek für die umweltbeanspruchende Freiheitsausübung formulierten besonderen Entscheidungsmuster inhaltlich bedürfte. Neben der dogmatischen Skepsis, die gegenüber diesem Sonderweg laut werden muß, setzt sich Murswiek schon allein wegen seiner wohl nur aus pragmatischen Gründen verkürzten Verfassungskontrolle erheblicher Kritik aus. Grundrechtlich geschützte Freiheit kann daher auch dann noch abwehrrechtlich verteidigt werden, wenn sie Umweltgüter nutzt, solange diese keiner besonderen Zuordnung unterliegen. Unter diesem Gesichtspunkt verliert Autofahren daher nicht seinen negatorischen Schutz aus Art. 2 Abs. 1 GG. 5. Nachtrag: „Umweltpflichtigkeit" und „Polizeipflichtigkeit" der A uto-Mobilität ? Die vorangegangenen Gedanken rühren schließlich an ein noch nicht explizit angesprochenes Argument, das das Autofahren doch noch aus dem Gewährleistungsanspruch der allgemeinen Handlungsfreiheit ausnehmen könnte. Konnte der Hinweis auf die kraftfahrzeugbedingten Umweltbelastungen den Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität zwar nicht auf die Ebene der Teilhaberechte verweisen, so ließe sich aber unter dem gleichen Gesichtspunkt dafür eintreten, umweltbelastende Freiheitsausübung von vornherein aus dem Tatbestand der Grundrechte herauszuschneiden. Wird eine solche „Umweltpflichtigkeit der Grundrechte" auch nicht ausdrücklich vertreten 754 , so kann sich das Postulat eines umweltbezogenen Neuzuschnitts der grundrechtlichen Schutz-

754 Siehe ausdrücklich dagegen nur Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, §111 Rdnr. 180, obwohl er deutlich zugunsten immanenter Grundrechtsbeschränkungen Stellung nimmt; vgl. auch Kloepfer, Umweltrecht, S. 51; bejahend - zumindest für das Eigentum - aber Bender/Sparwasser/Engel, Umweltrecht, S. 11 Fn. 46.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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bereiche aber auf die Tradition der „engen" Tatbestandstheorien 755 berufen, die in unterschiedlichen Spielarten 756 bestimmte Formen der Freiheitsausübung von vornherein aus dem Schutzbereich ausgrenzen wollen. Ein solches enges Tatbestandsverständnis äußert sich auch mit der Vorstellung einer grundrechtsimmanenten „Nichtstörungsschranke" 757 . Auf diesem Wege werden Konflikte mit Grundrechten Dritter nicht erst als äußere Schranke durch Abwägung an den grundrechtlichen Freiheitsanspruch herangetragen, sondern der Schutzbereich soll von innen her auf den konfliktfreien und nicht mißbräuchlichen 758 Gebrauch der Grundrechte begrenzt werden. Vor dem Hintergrund dieser Tatbestandstheorien kann der Grundrechtsschutz für das Autofahren leicht ins Wanken geraten. Schließlich verwirklicht der Autofahrer nicht nur seine individuelle Handlungsfreiheit, sondern er gerät nur zu leicht in die Rolle des polizeirechtlichen Störers 759 . Sowohl das mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG faßbare Interesse an Verkehrssicherheit 760 als auch der Schutz der Bevölkerung vor gesundheitsbeeinträchtigenden Umweltbelastungen kollidieren mit dem Freiheitsanspruch der Autofahrer. Unter Berufung auf die Todes- und Unfallopfer, die der Straßenverkehr jährlich fordert 761 , könnte 755 Zu dieser Unterscheidung zwischen „engen" und „weiten" Tatbestandstheorien Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 280 ff.; vgl. auch Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 111 Rdnm. 171 ff. 756 Solche immanente Schranken sind in mehrfacher Richtung entwickelt worden; vgl. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 280 ff.; Bleckmann, Grundrechte, S. 330 ff. In diesen Zusammenhang gehört auch die „Normbereichsanalyse" von F. Müller, Freiheit der Kunst als Problem der Grundrechtsdogmatik, 1969; dazu Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 155 ff. 757 Siehe etwa Murswiek, Die staatliche Verantwortung für die Risiken der Technik, 1985, S. 247 f.; für eine Beschränkung von Art. 2 Abs. 1 G i. S. einer materiellen Polizeipflichtigkeit Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 79; ähnlich Bettermann, Grenzen der Grundrechte, 1968, S. 15 ff. Dagegen Kloepfer, Umweltrecht, S. 51 m.w.N. und schon Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl. 1986, S. 267 f. 758 So Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Rahmen der Grundrechte, S. 87 ff.; dazu Bleckmann, Grundrechte, S. 331 f. Ähnliche Ergebnisse dürfte etwa auch Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 111 Rdnm. 176 ff. erzielen, wenn er die „evidente" Rechtsverletzung aus dem Tatbestand der Grundrechte herauskürzen will. 759 Allgemein zum „Kfz-Halter als Störer" im Verhältnis zwischen ruhendem und fließendem Verkehr Fliegauf ZRP 1994, 386 (387); krit. Ronellenfitsch DAR 1994, 490 (492 f.). 760 Verkehrssicherheit ist dabei kein eigener Schutzgegenstand, sondern nur die prägnante Formulierung des verfassungsrechtlich mit Art. 2 Abs. 2 GG gewährleisteten Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, das hier gegenüber den Risiken des Straßenverkehrs in Ansatz gebracht wird; so Sendler, DAR 1990, 404 (405); Vock, NZV 1993, 59 ff. Am Rande sei auf den nicht nur aus historischen Gründen interessanten Beitrag von Gunzert, DAR 1966, 326 (327 ff.) hingewiesen, der die Förderung der Verkehrssicherheit von einer Analyse der „Soziologie des Kraftfahrers" abhängig macht. 761 Nach Angaben des Bundesministeriums für Verkehr (Hrsg.), Verkehr in Zahlen 1993, S. 155, 162 sinkt die Zahl der Toten und Verletzten im Straßenverkehr zwar ste-

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

der Auto-Mobilität pauschal jeder grundrechtliche Freiheitsschutz abgesprochen werden. Wann immer sich demgegenüber hoheitliche Beschränkungen der Auto-Mobilität darauf berufen können, in Erfüllung der staatlichen Schutzpflicht 7 6 2 einer Verletzung von Individualrechtsgütern entgegenzutreten 763, müßte das Autofahren konsequenterweise schon von vornherein aus dem Spektrum grundrechtlich geschützter Freiheitsausübung herausfallen. Andernfalls ließe sich die Polemik von Starck gegen ein Grundrecht auf „Stehlen und Hehlen" 7 6 4 mit dem Autofahren als einem Grundrecht auf „Töten und Verletzen" nahtlos weiterschreiben 765 . Der ausführlichen Kritik des wissenschaftlichen Schrifttums an den Immanenzlehren 766 sei hier für Art. 2 Abs. 1 GG nur hinzugefügt, daß es schon aus systematischen Gründen verfehlt erscheint, dem Vorbehalt der „Rechte anderer" eine andere Funktion zuzuweisen als der im gleichen Satz genannten „verfassungsmäßigen Ordnung" oder dem „Sittengesetz". Wenn für letztere die Schrankenqualität unbestritten sein dürfte, ist es wenig konsequent, allein den Vorbehalt der „Rechte anderer" in eine grundrechtsimmanente Schutzbereichsbegrenzung umzudeuten. Auch die Rechtsprechung kann für ein solches Grundrechtsverständnis nicht herangezogen werden. In diese Richtung wird zwar gerne der „Sprayer von Zürich"-Beschluß des BVerfG gedeutet 767 , in dem das BVerfG das eigenmächtige Besprühen fremder Mauern aus der Kunstfreiheit ausgenommen hat, weil sich die Reichweite der Kunstfreiheit „von vornherein nicht auf die eigenmächtige Inanspruchnahme oder Beeinträchtigung fremden tig, doch hatte Deutschland 1992 noch immer über 10.000 Tote und mehr als 516.000 Verletzte zu beklagen, darunter allein 130.000 Schwerverletzte. 762 Nach Herzog, in: 30. Deutscher Verkehrsgerichtstag, 1992, S. 25 (27 f.) ist der Zusammenhang zwischen der staatlichen Schutzpflicht für Leben und körperliche Unversehrtheit und den ordnungsrechtlichen Verkehrsbeschränkungen so eng, daß sich die Verkehrsgesetze schon als „Ausführungsgesetze zu Art. 2 Abs. 2 GG" betrachten lassen. Vgl. i.ü. zu der Frage, ob der Staat mit der Zulassung und gegenwärtigen Reglementierung des Straßenverkehrs seine Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Bevölkerung erfüllt. Eggstein, VB1BW 1995, 161 (165 ff.) und Vock, NZV 1993, 59 (62), die beide den Straßengesetzgeber vom Vorwurf der Schutzpflichtverletzung freisprechen. 763 Der Schutzpflichtgedanke schließt hier die Zurechnungslücke, die dadurch entsteht, daß die grundrechtliche Gefährdungslage für die Individualrechtsgüter der Bevölkerung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nicht unmittelbar auf staatliches Handeln zurückzuführen ist, sondern sich erst in Ausübung des individuellen privaten Kraftfahrzeugverkehrs verwirklicht. 76 4 Starck, JuS 1981, 237 (246 f.); auch Podlech, in: AK, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 63a. 765 Vgl. Wrobel, „Verfassungsfeind Automobil", SZ v. 1. 8. 1992; Wesel, „Über die Verfassungswidrigkeit unserer Autos", DIE ZEIT v. 14. 5. 1993, S. 36. 76 6 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 290 ff.; Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 33 f., 159 ff.; Bleckmann, Grundrechte, S. 330 ff. Für die Umweltnutzung als Bestandteil der grundrechtlichen Freiheitsverbürgungen auch Ts ai, Die verfassungsrechtliche Umweltschutzpflicht des Staates, 1996, S. 136 ff., 140. 767 So Isensee, in: ders./Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 177.

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Eigentums zum Zwecke der künstlerischen Entfaltung" erstrecke 768 . Doch ist dieser Beschluß schon deshalb nicht auf alle Freiheitsrechte und insbesondere nicht auf Art. 2 Abs. 1 GG übertragbar, weil es sich bei Art. 5 Abs. 3 GG um ein vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht handelt, das zur Eingriffslegitimation allein auf die Figur des kollidierenden Verfassungsrechts angewiesen ist. So wollte auch das BVerfG in seiner nachgeschobenen Begründung nicht auf eine Abwägung verzichten 769 . Die wenigen Judikate, die sich mit dem Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität befassen, beschränken den individuellen Freiheitsanspruch der Autofahrer aus Art. 12 Abs. 1 oder Art. 2 Abs. 1 GG zwar auch mit den kollidierenden Interessen der Verkehrssicherheit oder des Gesundheitsschutzes der Anwohner, doch schneiden diese gegenläufigen Individualrechte das Autofahren nicht schon aus dem Schutzbereich heraus. Entsprechend dem klassischen Schutzbereich-Schranken-Denken hat die Rechtsprechung den konkreten Umfang des Gewährleistungsanspruchs der Auto-Mobilität immer erst auf der Ebene der Abwägung erzeugt 770 . Mögen die vom Straßenverkehr ausgehenden Gefahren und Beeinträchtigungen für Leib, Leben und Umwelt auch noch so evident sein, so bleibt es dennoch der Abwägung auf der Schrankenebene - und nicht einem radikalen Neuzuschnitt der Schutzbereiche - vorbehalten, den Ausgleich mit den kollidierenden Belangen hervorzubringen. 6. Ergebnis Autofahren ist vom Schutzgehalt der allgemeinen Handlungsfreiheit erfaßt. Die Freiheit zu individueller Fortbewegung mit dem Auto kann gegen hoheitliche Beeinträchtigungen negatorisch verteidigt werden, obwohl Autofahren mit der Straße fremdes Eigentum nutzt, Umweltgüter und Ressourcen beansprucht und ein erhebliches Sicherheitsrisiko bedeutet.

ΙΠ. Zur Einschränkbarkeit der Auto-Mobilität Hat sich Auto-Mobilität als grundrechtlich geschütztes Verhalten behaupten können, bedeutet ein innerstädtisches Fahrverbot eine Einbuße an grundrechtlicher Freiheit, die sich an der Schrankentrias von Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen muß. Spiegelbildlich zur Weite des Schutzbereichs steht die freie Entfaltung der Persönlichkeit allerdings auch unter einem grobmaschigen Schrankenvorbehalt 7 7 1 . Das BVerfG hat der Schranke der verfassungsmäßigen Ordnung als der 768

BVerfG, NJW 1984, 1293 (1294) = EuGRZ 1984, 271 (272); zust. Laubinger, VerwArch. Bd. 81 (1990), 583 (620 f.). 769 BVerfG, NJW 1984, 1293. 770 Vgl. BVerfGE 26, 259 (264) - Sonntagsfahrverbot; E 16, 147 (172 ff.) - Besteuerung des WerkfemVerkehrs; BVerwG, NJW 1988, 432 f. - Saisonverkehrsverbot. 771 BVerfGE 4, 7 (16); Scholz, AöR Bd. 100 (1975), 265 (273).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Gesamtheit der formell und materiell verfassungsgemäßen Rechtsordnung 772 einen Inhalt gegeben, der den Umfang der mit Art. 2 Abs. 1 GG initiierten Verfassungskontrolle auf den Schutz vor übermäßigen und ungesetzlichen Freiheitsschranken reduziert 773 . Dieses umfassende Verständnis der „verfassungsmäßigen Ordnung" im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG drängt zugleich die übrigen Schranken, insbesondere die Schranke der „Rechte anderer" zurück 7 7 4 . Die hier zu beurteilende Einbuße an individueller Mobilitätsentfaltung durch ein Innenstadtfahrverbot erfolgt in Gestalt eines Exekutivaktes, gestützt auf die straßenrechtlichen Teileinziehungsvorschriften. Da diese die rechtsstaatlichen Ausgleichsvorstellungen der Verhältnismäßigkeit und des Abwägungsgebots bereits in den Tatbestand inkorporiert haben 775 , formulieren die Teileinziehungsregelungen als verfassungsmäßige gesetzliche Eingriffsbefugnis eine taugliche Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit. Die Grundrechtskontrolle verlagert sich damit auf die nachgeordnete Ebene, das heißt auf die Frage, ob die Straßenbehörden mit dem Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots von den Ermächtigungen auch in verfassungsmäßiger Weise Gebrauch gemacht haben. 1. Absolute Grenzen für die verkehrspolitische

Gestaltungsfreiheit

a) Kernbereich privater Lebensgestaltung Der mit Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte individuelle Freiheitsanspruch ist durch die weitgefaßten Grundrechtsschranken in großem Umfang der Gestaltungsfreiheit der Gesetzgebung und schließlich der gesetzesvollziehenden Verwaltung überantwortet. Anhand des Übermaßverbots läßt sich diese Gestaltungsfreiheit in Sphären gestufter Schutzintensität strukturieren. Das BVerfG hat auf diesem Weg den „Kernbereich privater Lebensgestaltung" über Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG institutionell abgesichert und so „der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen" 776 . Auf der ausdifferenzierten Wertungs772 BVerfGE 6, 32 (37); 19, 206 (215); 50, 256 (262); 59, 275 (278 f.); 72, 200 (245); Degenhart, JuS 1990, 161 (164); enger Doehring, Staatsrecht, 3. Aufl. 1984, S. 287; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 22; Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 299 f. i.V.m. S. 63; dazu krit. Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd.VI, § 152 Rdnrn. 32 ff. Ausführlich hierzu Starck, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnrn. 16 ff. 773 Vgl. Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 36; Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 2 Rdnr. 24. 77 4 Degenhart, JuS 1990, 161 (164 f.); krit. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 21. 775 Vgl. dazu schon oben, S. 120 ff. 776 BVerfGE 6, 32 (41); 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (245 ff.); 35, 202 (232); 80, 137 (153); dazu Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 38; Geis, JZ 1991, 112 (113 ff.); für den Grundrechtsschutz der AutoMobilität Sendler, DÖV 1974, 217 (219); krit. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdnr. 11.

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skala zwischen eingriffsfestem „Innenraum" und weitgehend staatlich ausgestaltbarer Sozialsphäre 777 erweist sich das Autofahren aber als eine Tätigkeit mit außerordentlich hohem Sozialbezug. Dies zeigt sich spiegelbildlich an der Konfliktträchtigkeit der Auto-Mobilität 7 7 8 . Daher lassen sich aus dem von Art 2 Abs. 1 GG i. V. mit Art 1 Abs. 1 GG verbürgten Kernbereich keine verfassungsfesten Gestaltungsgrenzen für die staatliche Verkehrspolitik formulieren. b) Institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs Aussagekräftiger für den Schutz der Auto-Mobilität ist dagegen die institutionelle Garantie des straßenrechtlichen Gemeingebrauchs 779. Diese Aufwertung des Gemeingebrauchs zu einer unüberwindlichen Grenze für Grundrechtsbeschränkungen beruht auf der schon mehrfach angeklungenen Angewiesenheit vieler Freiheitsrechte auf ein gemeingebräuchlich nutzbares Netz öffentlicher Straßen 780 . Mit der Anerkennung einer solchen institutionellen Schutzwirkung wird Gesetzgebung und Verwaltung zwar eine absolute Gestaltungsschranke vorgegeben, doch hindern institutionelle Garantien die Hoheitsträger nur daran, die garantierte Institution abzuschaffen oder sie in ihrem typischen Gehalt auszuhöhlen 781 . Solange aber der Bestand einer Einrichtung nicht gefährdet ist, kann der Bürger aus einer institutionellen Garantie keinen Anspruch auf den Erhalt einzelner konkreter Ausprägungen der Einrichtung ableiten 7 8 2 . Mit der institutionellen Garantie des Gemeingebrauchs kann der Staat zwar darauf verpflichtet werden, stets ein „umfassendes" 783 Netz öffentlicher Straßen bereitzustellen. Indes besteht auf die Aufrechterhaltung bestimmter 777 Zur gestuften Schutzintensität der allgemeinen Handlungsfreiheit nach dem Maßstab des Sozialbezugs des Handelns vgl. etwa BVerfGE 27, 344 (350 f.); 54, 143 (146 f.); zur Entwicklung der Rspr. ausführlich Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 327 ff.; Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 37 m.w.N. und Scholz, AöR Bd. 100 (1975), 80 (90 ff.); krit. zur verfassungsgerichtlichen Argumentation Geis, JZ 1991, 112 (116 f.). 778 Zu dem gleichen Ergebnis kann man für das Autofahren auch gelangen, wenn man mit Degenhart, JuS 1990, 161 (167) Freizeitaktivitäten regelmäßig außerhalb des unantastbaren Kembereichs der Persönlichkeitsentfaltung ansiedelt. Allerdings ist der Aussagegehalt dieser Vermutung für eine hoheitliche Ausgestaltbarkeit von Freizeitbetätigungen sehr zu bezweifeln, läßt sich doch das als unantastbar anerkannte „Für sichSein" damit überhaupt nicht erfassen. 779 Vgl. dazu schon oben, S. 85 f. 780 So Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnr. 103. Das erkennen auch diejenigen Autoren des älteren Schrifttums an, die einer solchen institutionellen Garantie eher skeptisch gegenüber stehen, so Huber, DÖV 1955, 129 f. 781 Bleckmann, Grundrechte, S. 248; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 122, 124; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 855. 782 Steinbeiß-Winkelmann, Grundrechtliche Freiheit und staatliche Freiheitsordnung, 1986, S. 122 f. m.w.N.; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 875. 783 Die Formulierungen divergieren, sind aber alle gleichermaßen vage; vgl. nur Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 508; Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780). 12 Rdthel

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Straßen kein Anspruch, solange nur ein ausreichender Bestand an Straßen vorhanden bleibt, an dem sich die Freiheit zu gemeingebräuchlicher Straßennutzung entfalten kann 7 8 4 . Ab welchem Punkt sich dieser Bestandsschutz für das Gemeingebrauchsregime öffentlicher Straßen aber zur unüberwindbare Grundrechtsschranke aktualisiert, dazu fehlt es angesichts so vager Formulierungen wie „systematisch durchgeführte Kampagne zur Privatisierung" 785 oder Privatisierung „in größerem Umfang" 7 8 6 oder „in großem Stile" 7 8 7 noch an praktikablen und aussagekräftigen Kriterien. Einhelliger Konsens dürfte allein darüber zu erzielen sein, daß die institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs einer vollständigen Privatisierung oder Veranstaltlichung des gesamten Straßenbestandes entgegensteht788. Demgegenüber dürfte die im Jahr 1994 vom Bundesgesetzgeber im FStrPrivFinG 789 eingeräumte Möglichkeit der Privatfinanzierung von Fernstraßen das Verbot umfassender Entstaatlichung der öffentlichen Wege noch nicht berühren 790 . Man mag darüber nachdenken, ob ein flächendeckendes Fahrverbot für den ganzen Innenstadtbereich schon an die räumlichen Wirkungsgrenzen der grundrechtlichen Gemeingebrauchsgarantie stößt. So wenig sich die institutionelle Garantie des Gemeingebrauchs aber gegen die Einziehung einzelner Straßen ins Feld führen läßt, so wenig vermag sie bestimmten Widmungsinhalten Bestandsschutz zu vermitteln. Solange ein öffentlicher Weg in gemeingebräuchlicher und damit in zulassungsfreier Nutzung erhalten bleibt, schützt die institutionelle Gemeingebrauchsgarantie nicht davor, daß die Widmung nachträglich auf bestimmte Benutzerkreise oder Benutzungsarten beschränkt wird. Mit der Garantie des Gemeingebrauchs ist der Gemeingebrauch nur als Nutzungsregime insgesamt, nicht aber als Verbürgung bestimmter Verkehrsformen oder Benutzungsarten, garantiert. Der Ausschluß des motorisierten Kraftfahrzeugverkehrs von den innerstädtischen Straßen muß sich damit zwar als grundrechtliche Freiheitseinbuße an den Schranken von Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen. Als Grundrechtseingriff unterliegt er aber nur den regulären Rechtfertigungsanforderungen. 784 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 508; Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780); ders., in: Erichsen (Hrsg.), Allg VerwR, S. 521 (552); ders., in: Bartlsperger/Blümel/Schroeter (Hrsg.), Straßengesetzgebung, S. 97 (100 f.). 785 Salzwedel, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Bes VerwR, S. 761 (780). 786 Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 508. 787 Papier, Recht der öffentlichen Sachen, S. 98. 788 Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnr. 103; Salzwedel, DÖV 1963, 241 (247). 789 Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz v. 30. 8. 1994, BGBl. I, S. 2243. 790 Vgl. dazu Steiner, Straßenbau durch Private, NJW 1994, 3150 f.; siehe auch Püttner, Zur Rechtmäßigkeit des Privatfinanzierungsmodells im Straßenbau, Rechtsgutachten 1994, der hierin aber einen Verstoß gegen tragende Haushaltsgrundsätze der Verfassung und des HGrG erblickt.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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2. Das Übermaßverbot als Schranken-Schranke für Eingriffe in die private Auto-Mobilität Jede Einschränkung der Auto-Mobilität muß als Beschneidung der allgemeinen Handlungsfreiheit auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen 7 9 1 . Die Gebote der Eignung und Erforderlichkeit staatlicher Maßnahmen sind schon im Rahmen der Berufsfreiheit auf das innerstädtische Fahrverbot angewendet worden 7 9 2 und wirken in gleicherweise auch für Art. 2 Abs. 1 G G 7 9 3 . Die mit einem innerstädtischen Fahrverbot ausgesprochene Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit muß sich daher letztlich an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne messen lassen. Ein Eingriff in die Freiheit des Art. 2 Abs. 1 GG entspricht diesem Maßstab dann, wenn „überwiegende Gründe des Gemeinwohls den Eingriff rechtfertigen oder gar gebieten." 794 In der damit geforderten Abwägung genießt der individuelle Freiheitsanspruch um so größeren Schutz, je mehr der hoheitliche Eingriff „elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt" 795 und je geringer der Sozialbezug des Handelns zu veranschlagen i s t 7 9 6 . a) Grundrechtsschutz der Auto-Mobilität über Art. 2 Abs. 1 GG im Spiegel der Rechtsprechung In den wenigen Judikaten aus dem Umfeld des Autofahrens hat Art. 2 Abs. 1 GG als grundrechtliche Verbürgung der Auto-Mobilität des „schlichten" Straßenteilnehmers bislang kaum eine Rolle gespielt. Das BVerwG hat zwar schon früh betont, daß die Ausübung bestehenden Gemeingebrauchs des „schlichten" Straßenteilnehmers über Art. 2 Abs. 1 GG Grundrechtsschutz genießt 797 . Dennoch führte die mit der allgemeinen Handlungsfreiheit auferlegte Rechtfertigungslast in der Folgezeit ein ausgesprochenes Schattendasein, wenn um die Rechtmäßigkeit von Verkehrsbeschränkungen gestritten wurde. Diese Nebenrolle des Art. 2 Abs. 1 GG läßt sich teilweise darauf zurückführen, daß die Gerichte überwiegend mit Anliegerklagen befaßt wurden. Fast alle Rechtsstreitig791 Zum Erfordernis der Verhältnismäßigkeit für jede Einschränkung des Ait. 2 Abs. 1 GG siehe nur BVerfGE 17, 306 (314); 44, 353 (373); 55, 159 (165); 75, 108 (154 f.); 80, 137 (153); Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 36; Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 18. 792 Siehe schon oben, S. 124 ff. und S. 131 ff. 793 Eignung und Erforderlichkeit sind „blind" für die besonderen Gewährleistungsgehalte der einzelnen Grundrechte; so Wendt, AöR Bd. 104 (1979), 414 (448 f.). 794 BVerfGE 18, 315 (327); 21, 245 (249); ähnlich BVerfGE 55, 159 (165); dazu Erichsen, in: Isensee/Kirhchof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 37. 795 BVerfGE 17, 306 (314) - „Mitfahrer"-Beschluß. 796 Dazu Scholz, AöR Bd. 100 (1975), 265 (273 ff.); zust. Erichsen, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 37; vgl. auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 18. 797 So BVerwGE 4, 342 (346); 30, 235 (238); später mit verändertem Schutzumfang BVerwGE 32, 222 (225); aus neuerer Zeit BVerwG, NJW 1988, 432 (433).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

keiten um Fußgängerzonen oder verkehrsberuhigte innerstädtische Bereiche sind von privaten oder gewerblichen Anliegern angestrengt worden 7 9 8 . Wenn Anlieger ihren Rechtsstatus gegenüber Einziehungen und anderen Maßnahmen der Verkehrsberuhigung geltend machten, stützten sie ihr Klagebegehren in den überwiegenden Fällen vorrangig auf die Eigentumsgarantie und allenfalls noch auf die Berufsfreiheit. Damit erübrigte sich eine gerichtliche Auseinandersetzung mit Art. 2 Abs. 1 GG - und zwar nicht nur, weil die allgemeine Handlungsfreiheit geringeren Schutz verspricht, sondern weil schon die Subsidiarität des Art. 2 Abs. 1 GG einen Rückgriff auf dieses Auffanggrundrecht verbietet. Erst in einem ganz anderen Zusammenhang hatten die Gerichte Anlaß zu einer Auseinandersetzung mit Art. 2 Abs. 1 GG als dem grundrechtlichen Standort der Auto-Mobilität. Eines der ersten Urteile in diesem Zusammenhang mag die Entscheidung des BVerwG aus dem Jahr 1967 7 9 9 sein, in dem das Gericht ein Parkverbot ausdrücklich als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit erkannt hat. Da das BVerwG seine Entscheidung allerdings schon auf die einfache Gesetzeswidrigkeit der Verkehrsanordnung stützen konnte, kann dieses Urteil für die Frage nach grundrechtlichen Entscheidungsmaßstäben nicht fruchtbar gemacht werden. Größere gerichtliche Aufmerksamkeit im Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 1 GG als Maßstab zum Schutz der Auto-Mobilität wurde überörtlichen Verkehrsbeschränkungen in Gestalt von Verkehrsverboten und Geschwindigkeitsbegrenzungen zuteil. Für überörtliche Eingriffe in den Autoverkehr kann sowohl die Klagebefugnis als auch der verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstab allein aus Art. 2 Abs. 1 GG gewonnen werden, so daß sich die angerufenen Gerichte ausführlich mit der Rechtstellung des schlichten Straßenteilnehmers und seinem Freiheitsanspruch auf uneingeschränkte Auto-Mobilität auseinandersetzen mußten. Hervorhebung verdient hier ein Urteil des BayVGH 8 0 0 , in dem es sich auf die Klage von sieben Motorradhaltern mit der Sperrung eines Bundesstraßenabschnitts für Krafträder an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen auseinandersetzen mußte. Nachdem der VGH die Benutzung von öffentlichen Straßen ausdrücklich dem Gewährleistungsanspruch des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit unterstellt hat 8 0 1 , führt er zu den materiellen Prüfungsmaßstäben 798 Siehe BVerwG, JZ 1994, 520 ff. auf die Klage eines privaten Anliegers einer Fußgängerzone. I.ü. überwiegen die von gewerblichen Anliegern angestrengten Verfahren. So wollten in dem von BVerwG, NJW 1988, 432 ff. entschiedenen Sachverhalt anliegende Fremdenverkehrsbetriebe Ausnahmegenehmigungen von einem Saisonfahrverbot erstreiten. Der VGH Mannheim, NZV 1991, 85 ff. hatte die Zulässigkeit eines Fußgängerbereichs auf die Klage von einem Bootsverleih und einem gewerblichen Parkplatz zu prüfen; vgl. auch die von VGH Bad.-Württ., UPR 1991, 113 ff. zu beurteilende Fußgängerzone in einem Kurort. In ähnlicher Weise wendeten sich anliegende Pensionsbetriebe gegen ein saisonbegrenztes Fahrverbot, das das BVerwG in NJW 1980, 354 zu beurteilen hatte; vgl. auch schon BVerwG, DÖV 1977, 603 ff. 799 BVerwGE 4, 181 ff. 800 BayVGH, BayVBl. 1986, 754 ff. m. Anm. Gehrmann, NuR 1987, 289 ff. 801 BayVGH, BayVBl. 1986, 754 Lts. 1.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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aus: „Für die Beschränkung dieses u.a. dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG unterstellten Gemeingebrauchs müssen aber die allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs, des Übermaßverbots und schließlich der Unterscheidung zwischen Störern und Nichtstörern beachtet werden." 8 0 2 In Ausfüllung dieser Grundsätze verlangt der VGH weiter, daß „die Verkehrsbeschränkung das letzte Mittel (ultima ratio) ist, um erhebliche Mißbräuche des Rechts auf Gemeingebrauch zu verhindern. Die Ausübung des grundrechtlich geschützten Gemeingebrauchs [...] darf nur zum Schutz gleichgewichtiger Rechtsgüter unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beschränkt werden." 803 Zu solchen Rechtsgütern zählt der VGH vor allem die Verkehrssicherheit und den Lärmschutz - auch wenn im konkreten Fall beide Gründe den Ausschluß nur der Krafträder nicht zu tragen vermochten. Diese Entscheidung ist dank ihrer seltenen Genauigkeit, mit der der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem Motorradverbot zur Geltung gebracht wird, zu begrüßen. Leider läßt der VGH aber eine Stellungnahme zu der entscheidenden Frage vermissen, mit welchem Gewicht das individuelle Interesse an Kraftfahrzeugmobilität grundsätzlich gegenüber den Allgemeininteressen an Verkehrssicherheit und Umweltschutz zu veranschlagen ist. Vor dem Spiegel dieser verwaltungsgerichtlichen Judikate spricht der „Mitfahrer"-Beschluß des BVerfG aus dem Jahr 1964 8 0 4 eine deutlichere Sprache. An dieser Entscheidung ist besonders bemerkenswert, daß das BVerfG mit Art. 2 Abs. 1 GG ausdrücklich die „allgemeine Handlungsfreiheit des Kraftfahrzeugbesitzers" gewährleistet sieht. Auf der Skala zunehmender Schutzintensität, je mehr der hoheitliche Eingriff „elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsformen berührt" 8 0 5 , hat das Gericht die zu beurteilende Genehmigungspflicht dann als einen empfindlichen Eingriff in die Handlungsfreiheit des Kraftwagenbesitzers gewertet 806 . Gleichwohl läßt sich dieses deutliche Votum nicht verallgemeinernd auf alle Verkehrs- und Mobilitätsbeschränkungen übertragen. Zwar berühren Beschränkungen des Straßenverkehrs auch die „allgemeine Handlungsfreiheit des Kraftfahrzeugbesitzers" und dessen Eigentümerbelieben. Wenn das BVerfG das gerügte Verbot im Mitfahrerbeschluß aber als empfindlichen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG wertete, so stand dabei nicht das Autofahren und die AutoMobilität auf dem gerichtlichen Prüfstand, sondern die Mitnahme von Fahrgästen als Personenbeförderung. Ob das Gericht auch die flächendeckende Widmung von Fußgängerbereichen als empfindlichen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit werten würde, bleibt so gesehen offen. 802 803 804 805 806

Bay VGH, BayVBl. 1986, 754. BayVGH, BayVBl. 1986,754(755). BVerfGE 17, 306 ff. BVerfGE 17, 306 (314). BVerfGE 17, 306 (315).

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Die Rechtsprechung liefert für den Schutz der Auto-Mobilität über Art. 2 Abs. 1 GG damit weder reichhaltiges Anschauungsmaterial noch eine gefestigte Verhältnismäßigkeitsjudikatur, die die Anforderungen an die Rechtfertigung von Mobilitätsbeschränkungen vorzeichnen könnten. Eine konkrete Betrachtung der jeweils in Rede stehenden Mobiltätsbeschränkung bleibt daher unverzichtbar. b) Beschränkungen der Auto-Mobilität in der abstrakten Rechtsgüterabwägung zwischen individuellem Freiheitsanspruch und Gemeinwohl Ein innerstädtisches Fahrverbot wirkt umfassend auf das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung ein. Wer bislang innerhalb der „Sperrzone" mit dem Auto zum Einkaufen, zur Arbeitsstätte, zum Arzt, zum Friseur, zu Freunden und Bekannten gefahren ist oder aus anderen Gründen innerstädtische Ziele mit dem Auto angesteuert hat, wird sich gegen die Verfügung des Fahrverbots auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen können, um die damit ausgesprochenen Beschränkungen seiner Auto-Mobilität grundrechtlich anzugreifen 807 . Gleichwohl handelt es sich um einen Eingriff von vergleichsweise geringer Intensität, wenn man ihn in der Terminologie des BVerfG danach beurteilt, inwieweit er „elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt" 8 0 8 . Das Fahrverbot stellt nicht die Erreichbarkeit der innerstädtischen Ziele in Frage, sondern schränkt nur die Wahlfreiheit des Bürgers zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln ein. Konnte er vorher zwischen dem individuellen Kraftfahrzeugverkehr, öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxen, dem Fahrrad und dem Spaziergang zu Fuß wählen, bleibt ihm mit dem Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots - je nach dem kommunalen Nutzungskonzept für den Kernbereich - zumindest die Entscheidung für das eigene Auto zukünftig verwehrt. Man mag die Pflege von Freundschaften genauso wie die allgemeine Zugänglichkeit des innerstädtischen Raums in die Nähe der „elementaren Äußerungsformen" menschlicher Handlungsfreiheit rücken. Diese Freiheitsgehalte werden durch ein Fahrverbot jedoch nicht beeinträchtigt. Anders als das Spazierengehen, das schon als Ausdruck der mit Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG garantierten körperlichen Bewegungsfreiheit unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht, kann weder das Autofahren noch die Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Verkehrsmitteln zum Kreis solcher elementarer Betätigungen der Handlungsfreiheit gezählt werden. Gemessen an der gestuften Schutzintensität des Art. 2 Abs. 1 GG erlebt der grundsätzliche Freiheitsanspruch der Autofahrer mit einem Innenstadtfahrverbot daher eine vergleichsweise geringe Einbuße. 807

Ausgenommen sind freilich die allein als Verwirklichung des Anliegerrechts oder der Berufsfreiheit zu fassenden Fahrten, die ihre grundrechtliche Verbürgung schon mit Art. 14 Abs. 1 GG bzw. mit Art. 12 Abs. 1 GG gefunden haben. 808 So das Kriterium im schon erwähnten „Mitfahrer" -Beschluß in BVerfGE 17, 306 (314); vgl. auch BVerfGE 20, 150 (159); dazu Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 37; Jarass, in: ders./Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 18.

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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Fällt der Freiheitsanspruch der Autofahrer auch mit geringem Gewicht in die Waagschale grundrechtlicher Prüfung, so legt das rechtsstaatliche Übermaßverbot den verkehrslenkenden Gemeinden dennoch die Rechtfertigungslast auf, die individuelle Freiheitseinbuße mit überwiegenden Gründen des öffentlichen Wohls zu begründen. Schon im Rahmen der Berufsausübungsfreiheit sind die Belange, die grundsätzlich für Verkehrsverbote im Innenstadtbereich streiten, skizziert worden 8 0 9 . In dieser abstrakten Rechtsgüterabwägung kann die allgemeine Handlungsfreiheit nicht stärker ins Gewicht fallen als die mit Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit. Anders als etwa für die besonders beeinträchtigten Taxifahrer legt ein innerstädtisches Fahrverbot den von Art. 2 Abs. 1 GG aufgefangenen Mobilitätsinteressen keine offensichtliche finanzielle Einbuße auf. Genausowenig zwingen diese Mobilitätsbedürfnisse außerhalb des besonderen Schutzgehalts der Berufsfreiheit automatisch zu Umdispositionen der Erwerbstätigkeit. Solange aber jedes Ziel im Geltungsbereich des Fahrverbots in angemessener Zeit noch zu Fuß erreichbar bleibt, bedeutet der erzwungene Verzicht auf das Auto nur eine mehr oder weniger große Einbuße an Bequemlichkeit und eventuell an Zeitersparnis. Konnten sich der Gesundheitsschutz der Anwohner, der Verkehrsumweltschutz und die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer schon gegenüber den beruflichen Einbußen an grundrechtlicher Freiheit durchsetzen, so vermag die abstrakte Rechtsgüterabwägung gegenüber dem Verlust von bloßen Annehmlichkeiten kaum anders auszufallen. In der abstrakten Rechtsgüterabwägung lassen sich Beschränkungen der innerstädtischen Auto-Mobilität daher grundsätzlich als gemeinwohlmotivierte Verkehrsberuhigungsmaßnahmen vor dem individuellen Freiheitsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG rechtfertigen. c) Zumutbarkeitserwägungen Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt aber nicht nur eine abstrakte Gewichtung von individuellem Freiheitsanspruch und konfligierendem Gemeinwohl. In Anwendung des Übermaßverbots zur Kontrolle grundrechtsbeschränkender Hoheitsakte betont das BVerfG vielmehr, daß eine Maßnahme den Betroffenen „nicht übermäßig belasten" 810 und für den einzelnen „nicht unzumutbar" sein dürfe 8 1 1 . Demnach muß auch der hoheitlich erzwungene Verzicht auf Auto-Mobilität dem einzelnen zumutbar sein 8 1 2 .

809

Siehe schon oben, S. 135 ff., insbes. S. 136 ff.

810

BVerfGE 17, 306 (314).

811

BVerfGE 9, 338 (345); aus jüngerer Zeit BVerfGE 81, 70 (92); 81, 156 (192 f.); 81, 1 (19 f.); dazu Gentz, NJW 1968, 1600 (1604); Jacobs, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 93 ff.; Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 783 Fn. 131. 812

So Hermes, DAR 1993, 92 (93) für die Innenstadtsperrung.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

aa) Zumutbarkeit von Fußwegen Wie schon im Rahmen der Eigentumsgarantie rührt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch im Rahmen von Art. 2 Abs. 1 an die Zumutbarkeit von Fußwegen 813 . Parallel zu den Interessen der privaten und gewerblichen Anlieger sowie den Interessen von Gästen, Kunden, Besuchern, Patienten etc., auch nach dem Ausspruch eines innerstädtischen Fahrverbots zumutbar erreichbar zu bleiben, können diese nun im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit selber auf das Zumutbarkeitserfordernis dringen. Auch Art. 2 Abs. 1 GG verlangt von den Gemeinden daher ein Nachdenken über die örtliche Reichweite des Fahrverbots oder über die Zulassung alternativer öffentlicher Verkehrsmittel, um die individuellen Mobilitätsbedürfnisse aufzufangen. Innerhalb dieser Marge noch zumutbarer Wegstrecken mögen etwa die Feststellungen des BayVGH aus dem Jahre 1992 liegen, worin das Gericht einen viertelstündlichen Fußweg - d.h. etwa 1000m Entfernung - grundsätzlich für zumutbar erachtet hat 8 1 4 . bb) Berücksichtigung von Sonderbetroffenheiten: Die Rechtstellung Gehbehinderter Ferner verlangt das Gebot der Zumutbarkeit die Berücksichtigung typischer Sonderbetroffenheiten. Auch wenn eine Belastung für den Großteil der Betroffenen nicht zu beanstanden ist, kann sie dennoch unzulässig sein, wenn sie außer acht läßt, daß eine Teilgruppe typischerweise sehr viel härter betroffen ist und daher einer gesonderten Behandlung bedarf 815 . So hat der BayVGH in seine Überlegungen miteinbezogen, daß der Kläger weder „gehbehindert noch aus anderen Gründen in einer körperlichen Verfassung [ist], die es ihm verbietet, einen etwa viertelstündigen Fußweg [...] zurückzulegen." 816 Damit ist die Sonderstellung der körperlich Behinderten angesprochen, die auch bei Innenstadtsperrungen zu berücksichtigen ist. Schon im Straßenverkehrsrecht finden sich mehrfach Hinweise darauf, daß körperlich Behinderte bei der allgemeinen Ordnung des Straßenverkehrs eine Sonderstellung beanspruchen können. So ermächtigt § 45 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 2 StVO die Straßenverkehrsbehörden dazu, die notwendigen Anordnungen „im Zusammenhang mit der Kennzeichnung von Parkmöglichkeiten für Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung und Blinde" zu treffen. Auch in der Praxis der Ausnahmegenehmigungen nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 813

Siehe oben, S. 76 ff. BayVGH, NZV 1992, 503; zust. Änderte, BayBgm 1995, 303 (304 f.). 815 BVerfGE 46, 160 (164); 48, 102 (115 f.); insbes. für Berufsregelungen BVerfGE 59, 336 (355 f.); 68, 155 (173); 70, 1 (31); Bleckmann, Grundrechte, S. 280 f.; Isensee, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 111 Rdnr. 78; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rdnr. 18; Stern, StaatsR Bd. III/l, S. 943 f.; vgl. auch Breuer, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 148 Rdnrn. 36 f.; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 81. 816 BayVGH, NZV 1992, 503. 814

F. Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 Abs. 1 GG

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StVO spielen Behinderte eine so bedeutsame Rolle, daß sie in der Verwaltungsvorschrift zu §46 StVO ausführlich und gesondert berücksichtigt werden 817 . Die besondere Angewiesenheit Behinderter auf staatliche Hilfe und Unterstützung zur Verwirklichung ihrer Mobilitätsbedürfnisse kommt schließlich in § 59 SchwbG zum Ausdruck. Hierin wird Behinderten die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr garantiert 818 . Auch außerhalb des besonderen Bekenntnisses in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 G G 8 1 9 für ein Diskriminierungsverbot Behinderter 820 können körperlich Behinderte bei der Frage nach der Zulässigkeit von Verkehrsbeschränkungen daher eine entsprechende Berücksichtigung ihrer besonderen Erschwernisse beanspruchen. Stellt ein innerstädtisches Fahrverbot für körperlich nicht behinderte Personen noch eine grundsätzlich hinnehmbare Beschneidung der Verkehrsmittelwahlfreiheit dar, so kann die gleiche Verkehrsbeschränkung für gehbehinderte Personen leicht bedeuten, daß der gesperrte Bereich für sie völlig unzugänglich und unerreichbar wird, da eine Verweisung auf die Alternative „Fußweg" nur in engen Grenzen möglich ist. Vielfach müssen Behinderte auch auf das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln verzichten, da Busse und Straßenbahnen beispielsweise für Rollstuhlfahrer häufig kaum zugänglich sind 8 2 1 . Das Verbot übermäßiger hoheitlicher Belastung ermöglicht es Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung 822 daher, sich auf ihre allgemeine Handlungsfreiheit - unter Umständen auch im Rückgriff auf Art. 1 Abs. 1 G G 8 2 3 817 Abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 46 StVO Rdnr. 20 a; vgl. auch Zusatzzeichen 1020-11 zu § 39 StVO; dazu Hauser, Parkerleichterungen für Schwerbehinderte und Blinde, VD 1983, 2 ff. 818 Zu den Anspruchsvoraussetzungen Weher, SchwbG, § 59 Anm. 1 ff.; zur Erstattung der Fahrgeldausfälle BVerwG, NVwZ-RR 1991, 31. 819 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden", eingefügt durch Art. 1 Nr. 1 lit. b des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v. 27. 10. 1994 (BGBl. I S. 3146) mit Wirkung ab dem 15. 11. 1994. 820 So die Deutung der Neufassung von Jürgens, Grundrecht für Behinderte, NVwZ 1995,452 (453). 821 Etwas anderes mag beispielsweise für die Stadt Köln gelten, die zur Zeit ihr gesamtes Netz an Straßenbahnen und Untergrundbahnen auf sog. Niederflurbahnen umstellt, um so den ebenerdigen Zugang zu ermöglichen. 822 Die Vwv zu § 46 StVO, Zu Nr. 11 definiert Schwerbehinderte mit außergewöhnlicher Gehbehinderung als Personen, „die sich wegen der Schwere ihres Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außerhalb ihres Kraftfahrzeugs bewegen können"; siehe näher Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 46 StVO Rdnr. 20a. Diese Begriffsbestimmung ist deutlich enger als die in § 60 Abs. 1 SchwbG normierten persönlichen Voraussetzungen für die unentgeltliche Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel; vgl. Neumann/Pahlen, SchwbG, § 60 Rdnm. 2 ff. 823 So Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (10), der die Mobilitätsinteressen Behinderter allein auf die Menschenwürde stützen will; Art. 1 Abs. 1 GG sei „vor allem dann tangiert, wenn man Menschen, deren Mobilität ohnehin eingeschränkt ist, Mobilitätschancen vorenthält." Zur Schutzwirkung der Menschenwürde für körperlich Behinderte vgl. auch Podlech, in: AK, GG, Art. 1 Abs. 1 Rdnr. 38.

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Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

zu berufen, um Ausnahmegenehmigungen von dem innerstädtischen Verkehrsverbot zu erzielen. In Abwägung mit den öffentlichen Interessen, die allgemein für Maßnahmen der Verkehrsberuhigung streiten, können die genannten Personenkreise zwar nicht verlangen, jederzeit von dem Fahrverbot dispendiert zu werden. Beispielhaft hat das OVG Lüneburg dazu als Abwägungsfaktoren bei der Entscheidung über die Zuteilung eines Schwerbehindertenparkplatzes „sowohl Art und Umfang der Behinderung, die Fortbewegungsmöglichkeiten des Behinderten und sein Angewiesensein auf ein Kraftfahrzeug als auch die örtlichen Gegebenheiten, die Verkehrssituation und den Parkraumbedarf der Allgemeinheit" benannt 824 . Bei der hier interessierenden Frage nach einem Dispens für Gehbehinderte von einem innerstädtischen Fahrverbot mag ein zweckmäßiger Interessenausgleich zum Beispiel darin gefunden werden, gehbehinderten Personen die Einfahrt und das Parken im Innenstadtbereich jedenfalls für den Zeitraum zu gestatten, in dem auch der Lieferverkehr für Anlieger zugelassen ist. In Fußgängerbereichen ist diese Möglichkeit für die Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Nr. 11 StVO in der Vwv zu § 46 StVO sogar ausdrücklich vorgesehen 825 . Grundsätzlich bleibt aber daran zu erinnern, daß Behinderte ihre Sonderberechtigung rechtstechnisch nicht über § 46 StVO erstreiten können, da die Straßenverkehrsbehörden nicht ermächtigt sind, Ausnahmen von einem straßenrechtlichen Fahrverbot zu bewilligen und damit den wegerechtlich definierten Widmungsrahmen faktisch auszuweiten 826 . Vielmehr müssen schon die Straßenbehörden der besonderen Belastung Gehbehinderter durch nachträglichliche Gemeingebrauchsbeschränkungen gerecht werden entweder indem sie Gehbehinderte als besonderen „Benutzerkreis" von vornherein vom persönlichen Geltungsbereich der Teileinziehung aussparen 827 oder indem sie entsprechende Sondernutzungssatzungen erlassen 828 .

824

OVG Lüneburg, Urt. v. 14. 4. 1988 - 12 A 269/85 - , Lts. 2. Vwv zu § 46 StVO, Zu Nr. 11,1 Nr. 1 lit d); abgedruckt bei Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, § 46 StVO Rdnr. 20 a. 826 Vgl. zu § 46 StVO schon oben, S. 142; zum Verhältnis von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht siehe S. 40 ff. 827 Zu den Gestaltungsmöglichkeiten der Widmung und spiegelbildlich der Teileinziehung Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 262 f. und schon oben, S. 46 ff. 828 Mit Ausnahme etwa des BerlStrG ermächtigen die meisten Landesstraßengesetze die Gemeinden, Sondernutzungen durch Satzung erlaubnis- und gebührenfrei zu stellen; vgl. § 16 Abs. 7 StrG BW, Art. 22 a BayStrWG, § 18 Abs. 9 BremLStrG, § 19 Abs. 7 HambWG, § 37 HessStrG, § 19 Abs. 1 StrWG NW, § 18 Abs. 1 NStrG; § 42 Abs. 2 RhPfStrG, § 19 Abs. 3 und § 52 SaarlStrG. Auf diese Möglichkeit hat schon das BVerwG, NJW 1990, 2011 (2012) in seinem „Scherenschnitt-Urteil" hingewiesen; so Steinberg, NJW 1978, 1898 (1903 f.); vgl. auch Hufen, DÖV 1983, 353 (360, 362); Laubinger, VerwArch. Bd. 81 (1990), 583 (625 Fn. 138); krit. Kodal/Krämer, Straßenrecht, S. 611 f. 825

G. Resümee

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G. Resümee: „Autofreie Innenstadt" und Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität A m Ende dieser Überlegungen zum Grundrechtsschutz der Autofahrer gegen hoheitliche Verkehrsbeschränkungen kann für die „autofreie Innenstadt" festgehalten werden, daß Autofahren vielfach grundrechtlichen Schutz genießt, wobei gegen innerstädtische Verkehrsverbote vor allem die Eigentumsgarantie, die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit ins Treffen geführt werden können. Ein Innenstadtfahrverbot bedeutet unter verschiedensten Gesichtspunkten eine Einbuße an grundrechtlicher Freiheit, die den hoheitlichen Verkehrsplanern eine besondere Rechtfertigungslast auferlegt. Sie müssen insbesondere Eignung und Erforderlichkeit der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen unter Beweis stellen und den individuellen Freiheitsanspruch gegen Gründe des öffentlichen Wohls abwägen. Unter Berufung auf den Verkehrsumweltschutz, den Gesundheitsschutz der Anwohner und die Sicherheit der Fußgänger streiten für verkehrsberuhigende Maßnahmen aber regelmäßig überwiegende Gemeinwohlgründe, die das mit Art 12 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG begründete Individualinteresse an uneingeschränkter Auto-Mobilität nicht selten überwinden werden. Auch wenn Beschränkungen der Auto-Mobilität mithin grundsätzlich möglich und zulässig sind, verwehren die Grundrechte und insbesondere das Übermaßverbot den Stadtvätern aber die Verfügung der gänzlich autofreien Stadt. Zunächst bedeutet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz für die kommunalen Verkehrsplaner auch, daß sie die Bürger nicht grenzenlos auf alternative Verkehrsmittel und hier insbesondere auf den Fußweg verweisen können, sondern das Gebot der Zumutbarkeit wahren müssen. Der Grundrechtsschutz der Mobilität kristallisiert damit zwei unterschiedliche Gestaltungskonzepte heraus: Entweder entscheiden sich die Gemeinden für ein generelles und allumfassendes Fahrverbot für den motorisierten Individualverkehr. Dann werden sie aber mit einem Durchmesser der Sperrfläche von 1500m oder 2000 m schnell an die Grenze des Zumutbaren stoßen. Oder aber die gemeindlichen Straßenbehörden entschließen sich dazu, das Fahrverbot aufzulockern, indem sie Fahrzeuge des öffentlichen Linienverkehrs und Taxen zulassen. Im Gegenzug dafür könnten sie den für den Individualverkehr gesperrten Bereich weiter ausdehnen. Daneben gibt es einzelne Mobilitätsbedürfnisse, die unter dem besonderen Schutz der Grundrechte stehen und ausnahmslos zu berücksichtigen sind. Hierzu zählen zunächst die privaten und gewerblichen Anlieger. Sie können zwar keine unumschränkte Auto-Anbindung verlangen, aber sie können sich kraft der besonderen Angewiesenheit ihres Grundeigentums auf Zugänglichkeit über den öffentlichen Straßenraum einen - wenn auch zeitlich und sachlich eingeschränkten - Liefer verkehr erstreiten. Ähnlich durchsetzungskräftig ist auch das Recht zur Straßennutzung mit Kraftfahrzeugen von Polizei, Feuerwehr, Postdienst, Müllabfuhr, ärztlichen Rettungsdiensten und ähnlichen Versorgungsverkehren. Das Gebot der Zumutbarkeit verlangt schließlich, daß bei der

188

Dritter Teil: Die Grundrechte der Autofahrer

Neukonzeption der innerstädtischen Mobilität auch die gesteigerten Mobilitätsbedürfnisse Gehbehinderter berücksichtigt werden. Alle diese Fälle besonderer Angewiesenheit auf Auto-Mobilität erzwingen Ausnahmeregelungen, um das individuelle und rechtlich anerkannte gesteigerte Bedürfnis nach Auto-Mobilität abzufedern. Insoweit - aber auch nur in diesen engen Grenzen - bleibt die gänzlich „autofreie" Innenstadt eine Illusion oder mit Ronellenfitsch gesprochen eine „grundrechtsdogmatische Schreckensvision" 829 .

829

Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (13).

Vierter

Teil

Grundrecht auf Mobilität"?

A. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität eine Bestandsaufnahme Die Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen flächendeckender innerstädtischer Verkehrsverbote haben nicht nur spezifische Ergebnisse für diesen konkreten hoheitlichen Eingriff in das Verkehrsgeschehen zu Tage gefördert. Anhand der aufgezeigten Aspekte kann eine systematische Einordnung des Grundrechtsschutzes der Auto-Mobilität getroffen werden.

I. Grundrechte und Multifunktionalität der Auto-Mobilität Die Frage nach dem Grundrechtsschutz der Autofahrer gegen hoheitliche Verkehrsbeschränkungen war von Anfang an nicht nur eine Frage nach Intensität und Umfang des Grundrechtsschutzes. Vielmehr erwies sich schon der grundrechtliche Standort als ein besonderes Problem. Wenn das Grundgesetz selber eine allgemeine Mobilitätsverbürgung oder ein „Grundrecht auf Autofahren" benannt hätte, wäre die mühsame Suche nach den einschlägigen Grundrechten erspart geblieben. Allerdings stellt es eher die Ausnahme denn die Regel dar, daß der Rechtsanwender mit leichter Hand unmittelbar auf die verfassungsrechtlich bezeichneten Freiheitsgarantien des Grundgesetzes zurückgreifen kann - die „unbekümmerten" 830 Formulierungen der Grundrechtsgehalte stellen ihre Anwender seit jeher vor eine besondere Konkretisierungsaufgabe 831 . Als besondere und eigentümliche Schwierigkeit erwies sich allerdings, daß sich die Auto-Mobilität auch innerhalb der grundrechtlich benannten Freiheitsgarantien nicht ausschließlich und abschließend dem Schutzbereich einer Verbürgung zuordnen ließ, sondern in die Freiheitsgehalte vieler Grundrechtsgarantien hineinspielte. A m Beispiel des innerstädtischen Fahrverbots konnte daher illustriert werden, daß hoheitliche Verkehrsbeschränkungen nicht nur mit der allgemeinen Handlungsfreiheit, sondern auch mit der Eigentumsga830

Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 162. Zu dieser besonderen Konkretisierungsaufgabe als „gestaltende Sinngebung und schöpferische Verdeutlichung und Ausformung der Grundrechte" Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1718 m.w.N. Nach Scheuner, VVDStRL Heft 22 (1965), 1 (60) fordern Grundrechtssätze eine spezifisch „wertende und schöpferische Verdeutlichung". 831

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

rantie, der Berufsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und der Freizügigkeit in Berührung kommen können. Der Auto-Mobilität kann unter dem Blickwinkel des Grundrechtsschutzes daher eine viele Verbürgungen überwölbende „Querschnittswirkung" zugesprochen werden. Diese „Querschnittswirkung" der Auto-Mobilität beruht zum einen darauf, daß sich das Grundgesetz mit den Grundrechten nicht für den Schutz bestimmter Tätigkeiten ausgesprochen hat, sondern regelmäßig ganze Lebensbereiche oder Motivationslagen von hoheitlichen Einwirkungen abschirmen w i l l 8 3 2 . Dieser undeterminierte Freiheitsschutz äußert sich etwa darin, daß Art. 12 Abs. 1 GG nicht allein wenigen herkömmlichen Berufsbildern grundrechtlichen Schutz verspricht, sondern grundsätzlich allen Tätigkeiten offensteht 833 - die entscheidende Hürde für den Grundrechtsschutz ist dann das Erwerbsmotiv 834 . Genausowenig umschreibt das Grundgesetz positiv, welche Handlungen in die Schutzwirkung der Kunstfreiheit oder der Religionsfreiheit einzubeziehen sind 8 3 5 . Ausschlaggebend für die Zuordnung einer Tätigkeit wie z.B. des Tapezierens und Malens - um ein Beispiel von Gusy wiederaufzugreifen 836 - zu einem grundrechtlichen Freiheitsbereich ist nämlich die konkrete Zwecksetzung. Zweckoffene Tätigkeiten können daher zwangsläufig mit einer größeren Zahl von Grundrechten in Berührung kommen als solche Tätigkeiten, die typischerweise Ausdruck einer bestimmten Motivationslage sind. Für das Autofahren vermag dieser Gedanke zu erklären, warum die grundrechtliche Beurteilung der Auto-Mobilität z.B. sowohl die Berufsfreiheit als auch die allgemeine Handlungsfreiheit beanspruchen kann - je nach dem, ob die individuelle AutoMobilität gerade als Freizeitvergnügen oder als Erwerbsbetätigung geltend gemacht wird. Die Bedeutungsvielfalt des Autofahrens resultiert schließlich auch daraus, daß Auto-Mobilität entsprechend dem Ziel der Autofahrt in unterschiedliche grundrechtliche Zusammenhänge gestellt werden kann. So kann ein Fahrverbot etwa für Versammlungsteilnehmer auf dem Weg zu einer Versammlung unter Umständen eine relevante Einbuße in ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG bedeuten, während sich Pendler auf dem Weg zum Arbeitsplatz auf ihre Berufsfreiheit und Gläubige auf dem Weg in die Kirche auf ihre Glaubensfreiheit berufen möchten, um die Mobilitätsbeschränkungen anzugreifen. 832

Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1719 f. Dazu schon ausführlich oben, S. 108 f. 834 Gusy, JA 1992, 257 (259) und schon oben, S. 135. 835 Kunst- und Glaubensfreiheit gehören zu den Paradebeispielen für nicht rechtserzeugte, sondern ausschließlich sachgeprägte Normbereiche, die aber schon wegen der Grundrechtsbindung aus Art. 1 Abs. 3 GG einer Konkretisierung bedürfen. Ohne Grundrechtskonkretisisierung besteht „bestenfalls eine Scheinbindung"; siehe Nierhaus, AöR Bd. 116 (1991), 72 (86 f.) m.w.N. 836 Gusy, JA 1992, 257 (259 f.). 833

Α. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität

191

Π. Auto-Mobilität im Spektrum der grundrechtlichen Schutzbereiche Auto-Mobilität kann somit je nach Ziel und Zweck des Autofahrens mit den unterschiedlichsten Grundrechten in Zusammenhang gebracht werden. In Anlehnung an diesen Befund lassen sich auch zwei Wege unterscheiden, wie das Argument individueller Auto-Mobilität grundrechtlich zur Geltung gebracht werden kann. So kann Autofahren den besonderen Bezug zu den Freiheitsrechten einmal dadurch erlangen, daß das Autofahren dazu dient, einen Ort zu erreichen, an dem die eigentliche grundrechtliche Freiheitsausübung - etwa die Teilnahme an einer Versammlung, einem Gottesdienst oder vor allem die Ausübung der Berufstätigkeit - stattfinden soll. Die zweite Möglichkeit, Autofahren in die Schutzgehalte der grundrechtlichen Freiheitsgarantien einzubeziehen, besteht schließlich darin, daß das Autofahren selbst der Verwirklichung grundrechtlich geschützter Zwecke - z.B. des mit Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Erwerbsmotivs - dient. Diese Unterscheidung nach der Art und Weise, wie die individuelle Auto-Mobilität den bestehenden Grundrechtsgehalten zugeordnet wird, schlägt sich auch in der Bemessung des Grundrechtsschutzes nieder. 1. Mobilität und Auto-Mobilität im Vorfeld grundrechtlicher Freiheitsausübung Die Einlassung der Autofahrer, ein hoheitliches Verkehrsverbot hindere sie daran, mit dem Auto einen Versammlungsort zu erreichen, zum Arbeitsplatz zu gelangen oder Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, ist für den Grundrechtsschutz ihrer Auto-Mobilität regelmäßig nicht erfolgversprechend. Der Schutz der Auto-Mobilität über die Freiheitsrechte aus Art. 8, 11 und 12 GG scheitert dabei wiederkehrend an dem gleichen Einwand, nämlich der unterschiedlichen grundrechtlichen Bedeutung von Mobilität und Auto-Mobilität für die Erreichbarkeit der Stätte grundrechtlicher Freiheitsverwirklichung. Daß Autofahren überhaupt in Zusammenhang mit der Versammlungsfreiheit oder der Freizügigkeit gebracht werden konnte, verdankt es der Ausdehnung des Grundrechtsschutzes auf solche Vorbereitungshandlungen, die unerläßlich für das „Werden" des eigentlichen grundrechtlichen Sachverhalts sind 8 3 7 . Dieser Grundrechtsschutz „im Vorfeld" der Hauptfreiheit ist zunächst für die Anreise der Versammlungsteilnehmer ausgeprägt worden. Heute findet er sich der Sache nach genauso für die Freizügigkeit oder die Berufsfreiheit. Mit dem Argument, daß das eigentliche Freiheitsrecht leerliefe ohne die Möglichkeit, den Versammlungsort, den Arbeitsplatz oder den Wohnsitz auch aufzusuchen, ist die Erreichbarkeit dieser Stätten daher von den ortsgebundenen Grundrechten mitgarantiert 838 . Diese enge Bindung vieler Grundrechte an die Mobilitäts837 Damit als „Entstehensvoraussetzung" i. S. von Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 16 ff. 838 Siehe für Art. 11 GG oben, S. 93 ff.; für Art. 8 GG oben, S. 96 ff. und für Art. 12 GG oben, S. 105 f.

192

Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

möglichkeiten der Bürger ist nicht von der Hand zu weisen. Insoweit läßt sich die Bedeutung der Mobilität für die Ausübung grundrechtlicher Freiheit durchaus nach Ronellenfitsch damit zusammenfassen: „Ohne Mobilität im allgemeinen Sinn ist praktisch kein Grundrecht denkbar." 839 Diese häufige Angewiesenheit der Grundrechte auf die Mobilitätsmöglichkeiten der Grundrechtsträger ist nicht unbeachtet geblieben. Sie hat ihren Niederschlag etwa in der verfassungsrechtlichen Begründung der institutionellen Garantie des Gemeingebrauchs gefunden 840 . Was für die Mobilität im allgemeinen zutreffend ist, gilt aber nicht auch und gerade für die Auto-Mobilität. So schützt die Versammlungsfreiheit zwar die Anreise der Teilnehmer zum Versammlungsort, sie garantiert aber keineswegs, daß sie dies auch mit dem Auto tun können 8 4 1 . Genauso verbürgt die Berufsfreiheit zwar die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes, sie schützt aber nicht gegen Beschränkungen des motorisierten Individualverkehrs, solange alternative Verkehrsmittel bestehen 842 . Diese in den einzelnen Grundrechts verbürgungen vorgefundene Unterscheidung ist keineswegs willkürlich. Für die Freiheit, sich unter freiem Himmel zu versammeln oder an einem frei gewählten Arbeitsplatz seiner Berufstätigkeit nachzugehen, ist es nur unerläßlich, daß die Versammlungswilligen überhaupt zusammenkommen oder die Berufstätigen ihren Arbeitsplatz überhaupt aufsuchen können. Für die Inanspruchnahme der Versammlungsfreiheit oder der Berufsfreiheit als „Hauptfreiheitsrecht" ist es dagegen völlig unerheblich, ob Versammlungsteilnehmer oder Berufstätige mit dem eigenen Kraftwagen, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. So wenig Erreichbarkeit mit Auto-Erreichbarkeit gleichgesetzt werden kann, so sehr verbietet sich auch die Gleichsetzung von Mobilität und Auto-Mobilit ä t 8 4 3 . Die vorgenannten Grundrechte aus Art. 11, 8 und 12 GG lassen sich zwar durchaus als Mobilitätsverbürgungen bezeichnen. In dem Maße, wie sie zur Inanspruchnahme des grundrechtlichen Freiheitspotentials auf die Ortsveränderungsmöglichkeiten der Bürger angewiesen sind, verbürgen sie die „im Vorfeld" erforderliche Mobilität. „Erforderliche Mobilität" in diesem Sinne bedeutet unter den gegenwärtigen Bedingungen von Infrastruktur und öffentlichem Personennahverkehr aber nicht zwingend Auto-Mobilität. Erst wenn der Hinweis auf alternative Verkehrsmittel und Verkehrswege nicht mehr gelingt, mögen sich hier die grundrechtliche Bedeutung von Mobilität und Auto-Mobilität einander annähern. Aus der Vielzahl grundrechtlicher Zusammenhänge, die sich auf den ersten Blick für den Schutz der Auto-Mobilität angeboten haben, scheiden damit diejenigen Grundrechte aus, die Mobilität nur allgemein als Freiheitsbedingung im 839

Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (322). Vgl. dazu oben, S. 86 ff., 177 f. 841 Siehe oben, S. 94. 842 Siehe oben, S. 106. 843 Insoweit ist das Fazit von Ronellenfitsch, DAR 1994, 7(12) „Das Grundrecht auf Mobilität umfaßt auch die Mobilität durch das Auto" mehr als mißverständlich. 840

Α. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität

193

Vorfeld der „Hauptfreiheit" verbürgen. Dies gilt für die Versammlungsfreiheit genauso wie für die Freizügigkeit oder die Berufsfreiheit im Hinblick auf die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes. Diese Grundrechte gewährleisten zwar auch gewisse Mobilitätsmöglichkeiten. Sie garantieren aber nicht gerade und notwendigerweise die Mobilität mit dem Auto. Verkehrsbeschränkungen berühren diese nur „mitgarantierte" Ortsveränderungsfreiheit regelmäßig nicht und bedeuten daher insoweit auch keine relevante Einbuße an grundrechtlicher Freiheit, die vor diesen Garantien verantwortet werden müßte. 2. Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität als Verkehrsmittelwahlfreiheit Viel erfolgversprechender für die Autofahrer scheint es, ihre Grundrechte nicht wegen des Ziels, sondern wegen des Zwecks ihrer Auto-Mobilität geltend zu machen. Die Überlegungen zum innerstädtischen Fahrverbot haben gezeigt, daß die Autofahrer dann Grundrechtsschutz über die Berufsfreiheit oder die Versammlungsfreiheit erzielen können, wenn sie das Autofahren selbst als Ausdruck beispielsweise ihrer Berufsfreiheit oder ihrer Versammlungsfreiheit verteidigen können 8 4 4 ; ähnlich läßt sich auch das Anliegerrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG deuten 845 . Diese speziellen Freiheitsgarantien erweisen sich dann genauso wie die allgemeine Handlungsfreiheit als Garantien der Verkehrsmittelwahlfreiheit. Sie fangen nicht nur die Ortsverändungsfreiheit oder allgemeine Mobilitätsmöglichkeiten als Entstehensvoraussetzung grundrechtlicher Freiheit auf, sondern sie schützen eigenständig die Entschließungsfreiheit des Bürgers, das eigene Auto zu benützen oder sich für andere Verkehrsmittel zu entscheiden. Als eines von vielen Fortbewegungsarten kann das Autofahren daher immer nur dann grundrechtlichen Schutz beanspruchen, wenn gerade die Wahlfreiheit zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln und Mobilitätsträgern über die grundrechtlichen Freiheitsräume mitgeschützt ist. Die grundrechtliche Bestandsaufnahme für den Schutz der Auto-Mobilität zeichnet damit ein recht spärliches Bild. Außerhalb des Anliegerrechts, das in engen Grenzen die Erreichbarkeit von Grundstücken mit dem Kraftfahrzeug garantiert, ist Auto-Mobilität vor allem über die Berufsfreiheit geschützt, nämlich als die Freiheit, Autofahren zu Erwerbszwecken im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG auszuüben. In seltenen Fällen kann Autofahren auch als Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts der Versammlung mit Art. 8 Abs. 1 GG verteidigt wer844

Zu Art. 11 GG schon oben, S. 97 ff.; zu Art. 12 GG siehe S. 107 ff. Das Anliegerrecht nimmt insoweit eine Sonderstellung ein, als das Erfordernis der Zugänglichkeit des Grundstücks über das öffentliche Straßennetz an die „mitgarantierte" Erreichbarkeit von Arbeitsplatz oder Versammlungsort erinnert. Darin erschöpft sich das Anliegerrecht aber nicht. Das Anliegerrecht garantiert weniger die Erreichbarkeit des Grundstücks, sondern vorrangig die angemessene Verwirklichung seiner Nutzungsmöglichkeiten; siehe oben, S. 74 f. Insoweit erweist es sich nicht als Inkonsequenz, wenn das Anliegerrecht einen - wenn auch sachlich stark eingeschränkten Grundrechtsschutz für die Auto-Mobilität verspricht. 845

13 Röthel

194

Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

den. Für den praktisch bedeutsamsten Bereich privater Auto-Mobilität verbleibt schließlich nur die Berufung auf Art. 2 Abs. 1 GG.

III. Rechtfertigungsfähigkeit staatlicher Eingriffe in die Auto-Mobilität Nach dieser Verortung der Auto-Mobilität im Spektrum der grundrechtlichen Schutzbereiche gilt es noch, einen abschließenden Blick auf die Rechtfertigungsfähigkeit von Mobilitätseinbußen zu werfen. Das entscheidende Kontrollinstrument staatlicher Verkehrslenkungsmaßnahmen ist das Übermaßverbot, das vor allem über die Berufsfreiheit und die allgemeine Handlungsfreiheit zur Geltung kommt 8 4 6 . Aus den Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit eines innerstädtischen Fahrverbots taugen nur einige Gesichtspunkte zur Verallgemeinerung und Übertragung auf andere Verkehrsbeschränkungen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß das Gebot der Geeignetheit wegen des weiten verkehrspolitischen Prognosespielraums zu einem relativ stumpfen Schwert geworden i s t 8 4 7 . Als aussagekräftiger erweist sich dagegen der Erforderlichkeitsgrundsatz, da er Gesetzgebung und Verwaltung darauf verpflichtet, über die zeitliche und örtliche Reichweite von Verkehrsbeschränkungen nachzudenk e n 8 4 8 . Über das Gebot des mildesten Mittels müssen sich die staatlichen Verkehrspolitiker auch der Frage stellen, ob die erstrebte Verhaltenslenkung anstatt mit dem ordnungsrechtlichen Handlungsinstrumentarium nicht auch mit den Mitteln des Abgabenrechts verwirklicht werden könnte 8 4 9 . Das Beispiel der „autofreien Innenstadt" hat allerdings auch erwiesen, daß sich vor dem Ziel umfassender Verkehrsberuhigung und Zurückdrängung des Autoverkehrs die Erforderlichkeit von weitreichenden Verkehrs verboten kaum bestreiten läßt 8 5 0 . Die endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit von Verkehrsbeschränkungen wird häufig erst auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit i.e.S. stattfinden. Bei der abstrakten Ausbalancierung von Art und Ausmaß der individuellen Freiheitseinbuße und dem Gewicht der sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange wird sich die Auto-Mobilität allerdings regelmäßig nicht gegen den Schutz von Leben und körperlicher Unversehrtheit der Verkehrsteilnehmer, den Verkehrsumweltschutz und insbesondere den Schutz der Anwohner vor Lärm und Umweltbelastungen durchsetzen können 8 5 1 . Demgegenüber fällt die Verkehrsmittelwahlfreiheit - auch in Gestalt des Erwerbsinteresses - grundsätzlich mit geringem Gewicht in die Waagschale. Das Gebot umfassender Abwägung muß aber auch diejenigen öffentlichen Interessen zur Geltung brin846 Zur Rolle des Übermaß Verbots bei der Bestimmung des von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten „Kernbereichs" der Anliegernutzung oben, S. 73 f. 847 Siehe oben, S. 127 ff. 848 Dazu bereits oben, S. 133 ff. 849 Dazu schon oben, S. 132 f. 850 Siehe oben, S. 133 f. 851 Vgl. für Art. 12 GG bereits oben, S. 136 ff. und für Art. 2 Abs. 1 GG siehe S. 182 ff.

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

195

gen, die für die Aufrechterhaltung der Auto-Mobilität streiten. Die notwendigen Versorgungsverkehre - beispielsweise ärztlicher Rettungsdienst, Feuerwehr, Polizei, Müllabfuhr, Postfahrzeuge - werden daher von Fahrverboten regelmäßig auszunehmen sein 8 5 2 . Im übrigen spricht um so mehr für die Zulässigkeit einer Verkehrsbeschränkung, je mehr der hoheitliche Eingriff Raum für Alternativen, insbesondere für andere Verkehrsmittel, läßt. Eine entscheidende Grenze formuliert an dieser Stelle aber das Gebot der Zumutbarkeit. Die Autofahrer können nur im Rahmen der individuellen Zumutbarkeit auf andere Verkehrsmittel oder Erwerbsfelder verwiesen werden. Der Gedanke der Zumutbarkeit verlangt auch die Berücksichtigung von Sonderbetroffenheiten; gehbehinderte Personen werden daher nach Abwägung der konfligierenden öffentlichen Interessen unter Umständen auf eine Ausnahmestellung dringen können 8 5 3 . Im Ergebnis werden Verkehrsbeschränkungen aber kaum daran scheitern, daß die Interessen der Autofahrer als Verkehrsmittelwahlfreiheit von beliebigen Individualinteressen zu einer grundrechtlich geschützten Rechtstellung avanciert sind. Die Verfassungsmäßigkeit hoheitlicher Verkehrspolitik erweist sich im Spiegel des Übermaßverbots vielmehr hauptsächlich als eine Frage der Feinbalancierung von Ausnahmeberechtigungen und Sonderstellungen.

B. Vom Grundrechtsschutz für die Mobilität zum „Grundrecht auf Mobilität 46 A m Ende dieser Betrachtung des Grundrechtekatalogs des Grundgesetzes ist wieder an die von Ronellenfitsch nachdrücklich aufgeworfene Frage zu erinnern, ob die aus den Grundrechten herauskristallisierten Aussagen über Mobilität und Auto-Mobilität zu einem eigenständigen „Grundrecht auf Mobilität" verdichtet werden können 8 5 4 .

I. „Grundrecht auf Mobilität" und induktive Grundrechtsbegründung nach Ronellenfitsch Ronellenfitschs „Grundrecht auf Mobilität" ist derart heftig ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, daß es sinnvoll erscheint, am Ausgangspunkt weiterer Überlegungen Methode und Aussagekraft dieser umstrittenen Grundrechtsposition nochmals zu skizzieren 855 . Ronellenfitsch hat das Grundrecht auf Mobilität zunächst als das Ergebnis einer Zusammenschau verschiedener Einzelverbürgungen bezeichnet, die er 852

Dazu schon oben, S. 139 ff. Vgl. dazu oben, S. 184 f. 854 Zum „Grundrecht auf Mobilität" Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 ff.; weiterentwickelt zum „Grundrecht auf Autofahren" in DAR 1994,7 ff. 855 Vgl. auch schon die knappe Darstellung oben, S. 154. 853

196

Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

zuvor auf ihren Mobilitätsgehalt abgefragt hat 8 5 6 . In abgewandelter Form erklärt er den Nachweis des Mobilitätsgrundrechts später als Abstraktion aus der Gesamtheit der grundrechtlichen Mobilitätsgehalte, indem „Gemeinsamkeiten vor die Klammer gezogen werden." 857 Ob das Mobilitätsgrundrecht nun das Ergebnis einer „Zusammenschau", wie es Ronellenfitsch nennt, oder einer Abstraktion aus allen Freiheitsrechten darstellt - die Prämissen sind gleichbleibend. Ronellenfitschs Grundrechtskreation ruht auf der Annahme, daß das Grundgesetz die einzelnen Grundrechte nicht abschließend geregelt habe und daher Raum für die induktive Entwicklung weiterer Einzelgrundrechte lasse 858 : „Freiheitspositionen bestehen auch ohne ausdrückliche Benennung." 859 Als methodisches Leitbild zitiert Ronellenfitsch 860 das vom BVerfG im Volkszählungsurteil entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung 861 . So viel Mühe Ronellenfitsch darauf verwendet, die benannten Freiheitsrechte des Grundgesetzes auf ihren Gehalt an Mobilität und Auto-Mobilität abzufragen, so überraschend knapp und oberflächlich hält er seine Ausführungen zur Schutzwirkung der Mobilitätsgarantie: Das Grundrecht auf Mobilität bilde ein „eigenständiges neues Grundrecht" 862 , das - so die einzige Aussage zur Schutzkraft dieses so aufwendig begründeten neuen Grundrechts - wie die speziellen Grundrechte einen Rückgriff auf die allgemeine Handlungsfreiheit entbehrlich mache 863 .

II. Begründung neuer Grundrechtsgehalte im Spiegel von Rechtsprechung und Schrifttum So neuartig und innovativ, wie es auf den ersten Blick scheinen mag und wie es auch von Seiten der Kritiker dargestellt wird, sind weder die Methode noch das Ergebnis von Ronellenfitsch. Letztlich hat Ronellenfitsch am Beispiel der Mobilität nur Stellung bezogen zu der keineswegs neuen, aber zuzugegebenermaßen kontroversen Frage, inwieweit der Grundrechtekatalog des Grundgesetzes Entwicklungen und Ergänzungen erlaubt oder gar fordert. So hat Bethge schon im Jahr 1985 daraufhingewiesen, daß eine „im Detail ungemein problemträchtige Variante der Grundrechtsfortbildung" dort zu vermerken sei, „wo aus dem Zusammenwirken mehrerer Grundrechte ein neuartiges Freiheitsrecht ent856

Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (322). Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (9). 858 Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (321). 859 Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (9). 860 Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (321); ders., DAR 1994, 7 (9). 861 BVerfGE 65, 1 ff., 41 ff. = NJW 1984, 419 ff.; zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung vgl. schon oben, S. 153 Fn. 656. 862 Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 (322). 863 Ronellenfitsch, DAR 1994, 7 (9). 857

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

197

steht bzw. einzelne Grundrechte sich überlagern." 864 Die Heftigkeit der Kritik legt jedenfalls die Vermutung nahe, daß Ronellenfitsch mit seiner These vom induktiv nachweisbaren Grundrecht auf Mobilität in ein Wespennest der Grundrechtsdogmatik getreten ist. 1. Methodische Bedenken der Literatur gegen das „Grundrecht auf Mobilität" Die Idee eines Grundrechts auf Mobilität ist eingehend von Koch kritisiert worden 8 6 5 . An dieser Stelle soll aber weniger interessieren, wie Koch seinerseits - in Abgrenzung zu Ronellenfitsch - die Schutzkraft der Grundrechte zugunsten der Auto-Mobilität einschätzt 866 , sondern nur seine Stellungnahme zum procedere von Ronellenfitsch. Koch erteilt der Methode von Ronellenfitsch eine deutliche Absage: „Eine ,induktive' Begründung neuer Grundrechtsgehalte" sei bisher keineswegs anerkannt 867 . Dazu könne sich Ronellenfitsch auch nicht auf das Recht zu informationeller Selbstbestimmung berufen, da unter diesem Titel nur konkretisiert werde, was als das „Recht auf Privatheit" schon immer grundrechtlich geschützt worden sei 8 6 8 . Ferner setze sich Ronellenfitsch durch sein Mobilitätsgrundrecht in Widerspruch zur Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit 869 . Tragende Einwände hat Koch damit allerdings nicht formulieren können. Mag der Vergleich des Rechts auf Mobilität mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung - allerdings aus anderen Gründen - auch etwas hinken 8 7 0 , so ist der Fingerzeig mit dem „Recht auf Privatheit" nicht weniger erklärungsbedürftig. Wenn sich Koch darauf beruft, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sei „nur" eine Konkretisierung des „Rechts auf Privatheit" - von dem in der Verfassung freilich genauso wenig geschrieben steht wie von dem Recht auf Mobilität - , so bleibt daran zu erinnern, daß auch Ronellenfitsch das Recht auf Mobilität keineswegs als seine individuelle Neuschöpfung betrachtet. Schließlich ruht das Grundrecht auf Mobilität auf der Zusammenschau der vom Grundgesetz selbst benannten Grundrechtsgarantien, nachdem Ronellenfitsch zuvor den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes Grundrecht für Grundrecht auf seinen Aussagegehalt für die Auto-Mobilität abgeklopft hat. Mit dieser Bestandsaufnahme hat Ronellenfitsch aber nichts anderes getan, als die Grundrechte für seine Fragestellung zu konkretisieren. Auch das Grundrecht auf Mobilität ist zunächst nur das Ergebnis der Konkretisierung allgemeiner for864

Bethge, Der Staat 1985, 351 (371). Koch, ZfV 1994, 545 ff. 866 Siehe dazu oben, S. 159 ff. im Anschluß an den Nachweis in Fn. 694. 867 Koch, ZfV 1994, 545 (548). 868 Koch, ZfV 1994, 545 (548). 869 Koch, ZfV 1994, 545 (548). 870 Vgl. dazu bereits die Einwände gegen den Vergleich des Grundrechts auf Mobilität mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, oben S. 154 ff. 865

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

mulierter Grundrechtsgehalte. Unter diesem Gesichtspunkt kann es Ronellenfitsch daher nicht verwehrt werden, sich auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu berufen. Auch die von Koch ausgesprochene Warnung, mit dem Grundrecht auf Mobilität werde die Subsidiarität der allgemeinen Handlungsfreiheit mißachtet, vermag nicht zu überzeugen. Wenn es gelingt, aus der allgemeinen Handlungsfreiheit in Verbindung mit anderen Grundrechten besondere Freiheitsbereiche herauszulösen und zu konkretisieren, so stehen diese im Verhältnis der Spezialität zum allgemeinen Freiheitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 G G 8 7 1 . Prominentestes Beispiel dieses Phänomens ist das aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete allgemeine Persönlichkeitsrecht 872. Kochs harte Kritik an Ronellenfitsch vermag aber nicht zuletzt deshalb so wenig zu überzeugen, weil Koch für seine eigene Prämisse - daß die induktive Herleitung von Grundrechten keinerlei Anerkennung beanspruchen könne weder Nachweise noch Begründungen erbringt. Mag das inhaltliche Unbehagen gegen ein Grundrecht auf Autofahren auch noch so groß sein - methodisch hat Koch keine durchgreifenden Einwände gegen Ronellenfitschs Mobilitätsgrundrecht formulieren können. Genauso wenig scheint Sendler bei seinem Rundumschlag gegen das „Grundrecht auf Mobilität und Autofahren" darauf bedacht gewesen zu sein, dogmatische und methodische Argumente vorzubringen. Sendler fehlt es zwar nicht an Eloquenz, um das Grundrecht auf Mobilität zu diffamieren als „unbekömmliche Mixtur, die aus dem Zusammenschütten zahlreicher Grundrechte das Grundrecht auf Mobilität und Autofahren erwachsen lassen w i l l " 8 7 3 , doch sind seine wohlklingenden Einwände weniger methodischer Art als inhaltlicher oder gänzlich allgemeiner Natur. Auf die inhaltliche Kritik, mit dem Grundrecht auf Mobilität werde „zum Inhalt eines Grundrechts gemacht [...], was nur Voraussetzung für seine Inanspruchnahme i s t " 8 7 4 , war schon an anderer Stelle einzugehen 875 . Daneben wendet sich Sendler mit seiner bereits im Titel ausgesprochenen Warnung vor der „wundersamen Vermehrung der Grundrechte", die „allmählich unseren Rechtsstaat [...] zu ersticken" drohten und mittlerweile zu „unkontrolliertem Wildwuchs" gelangt seien, grundsätzlich gegen die Hochzonung jeglicher Individualinteressen auf die Grundrechtsebene 876. So sehr sich Sendler auch über das 871

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 352 und schon die Nachweise auf S. 152 in Fn. 652. 872 Zu Herleitung und Inhalt vgl. schon oben, S. 152 Fn. 654. 873 Sendler, NJW 1995, 1468 (1469). 874 Sendler, NJW 1995, 1468 (1469). 875 Sendler rührt damit an die - zu bejahende - Frage, ob das Autofahren als Benutzung öffentlicher Straßen und damit als Inanspruchnahme staatlicher Leistungen überhaupt einer abwehrrechtlichen Deutung zugänglich ist, dazu bereits ausführlich oben, S. 160 ff. 876 Sendler, NJW 1995, 1468 f.

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

199

„Grundrecht auf Datenschutz", das „Grundrecht auf Anonymität" oder das bald zu befürchtende „Grundrecht auf Immobilität" belustigt, so wenig greift er aber die methodische Herleitung dieser Schutzpositionen an. So deutlich das Unbehagen gegen ein Grundrecht auf Mobilität und Autofahren auch sein mag, so ist es seinen Kritikern aber bislang nicht gelungen, den Nachweis eines solchen Grundrechts methodisch in Abrede zu stellen. Das Grundrecht auf Mobilität ist aber nicht der erste und einzige Aufhänger solcher Kontroversen um eine Erweiterung und Weiterentwicklung des Grundrechtekataloges. Anhand einer Standortbestimmung des Mobilitätsgrundrechts zwischen diesen teilweise längst anerkannten und teilweise nach wie vor heftig umstrittenen neuen Grundrechtsgehalten soll daher im folgenden untersucht werden, ob sich das Grundrecht auf Mobilität an eine schon anerkannte Begründungsstruktur zur Benennung noch unbenannter Freiheiten anlehnen kann. 2. Unbenannte Freiheitsrechte

und Grundrechtsfortbildung

a) Überblick Freiheiten und Rechte zum Grundrecht avancieren zu lassen, entspricht einem Trend, der ständig neue Nachweise für Sendlers Bonmot von der „Grundrechte-Inflation" 877 liefert. Auch an dieser Stelle sei zunächst an die verfassungsgerichtlichen Grundrechtsprägungen erinnert, allen voran an das allgemeine Persönlichkeitsrecht 878 und seine Ausformung zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung 879 , neuerdings in Gestalt des Grundrechts auf Datenschutz 880 . Ähnlich ernsthaft und umfassend wurde - jedenfalls bis zur Aufnahme des Umweltschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz 8 8 1 - auch über das Grundrecht auf Umweltschutz diskutiert 882 . Andere 877

Sendler, NJW 1995, 1468 (1469). Vgl. dazu die Nachweise auf S. 152 in Fn. 654. 879 BVerfGE 65,1 ff. (41 ff.); dazu schon oben, S. 153 Fn. 656. 880 Herb, CR 1992, 705 (705); Süß, RiA 1980, 208 ff.; Weichen, CR 1992, 738 (738). Auch das BVerfG hat statt des früheren Begriffs „Recht auf informationelle Selbstbestimmung" im Quellensteuerurteil - NJW 1991, 2129 (2132) - von einem „Grundrecht auf Datenschutz" gesprochen. Krit. Kloepfer, Datenschutz als Grundrecht, 1980; vgl. aber auch die Festschreibungen in der Sächs LVerf v. 27. 5. 1992, GVB1. S. 243 ff. und LVerfBbg v. 22. 4. 1992, GVB1. S. 122 ff. 881 Art. 20 a GG, eingefügt in das Grundgesetz mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v. 27. 10. 1994, BGBl. I S. 3146. Ausführlich zur Genese des neuen Art. 20 a GG Kloepfer, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, 1995, S. 37 ff. 882 Kupp, JZ 1971, 401 (403), Lücke, DÖV 1976, 289 ff. m.w.N. über das ältere Schrifttum in Fn. 5 f.; abl. Kloepfer, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, 1978, S. 27 ff.; auch Huber, in: FS für Hans Klecatsky Bd. 1, 1980, S. 353 (368 f.); Soell, NuR 1985, 205 (210 f.). Gegen die Aufnahme des Umweltschutzes als Staatszielbestimmung vgl. schon Rauschning, DÖV 1986, 489 ff. Zur Rechtslage seit der Aufnahme des Umweltschutzes als Staatszielbestimmung in das Grundgesetz Kloepfer, Verfassungsänderung 878

200

Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

Neuschöpfungen bleiben dagegen eng mit dem Namen einzelner Autoren verbunden, so etwa das „Grundrecht auf Sicherheit" 883 oder das „Verfassungsrecht auf Gesundheit" 884 . Daneben läßt sich noch eine Vielzahl weiterer Beispiele anführen, bei denen über Gewicht und Grenzen individueller Rechtspositionen unter dem Stichwort „Grundrecht" nachgedacht wird: So wird das Verhältnis von Versammlungsfreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung als „Grundrecht der Demonstrationsfreiheit" 885 untersucht und Art. 5 GG avanciert in neudeutscher Manier zu einem „Grundrecht der Medienfreiheit" 886 . Die Grundrechte werden auch schon zu so speziellen Gewährleistungen wie ein „Grundrecht auf Anrede" 8 8 7 oder ein „Grundrecht auf ungehinderten und jederzeitigen Familiennachzug" 888 bemüht. Schließlich kann noch an ein ganzes Bündel von Postulaten in Grundrechtsgestalt erinnert werden, die zumeist unter dem Oberbegriff der sozialen Grundrechte 889 zusammengefaßt werden 890 . Prototyp all dieser sozialen Grundrechte ist das Recht auf Arbeit 8 9 1 . Als anschaulich erweist sich hier schon der Gang durch die Landesverfassungen, die den Staat nicht selten auf Wohnung 8 9 2 , Bildung 8 9 3 , Urlaub 8 9 4 oder Freizeit und Erholung 8 9 5 ver-

stau Verfassungsreform, S. 45 m.w.N., der eine Deutung des neuen Art 20 a GG auch als Grundrecht auf Umweltschutz nicht a priori ausschließen will. 883 Isensee, Das Grundrecht auf Sicherheit, 1983; vgl. auch van den Daele, KritV 1991,257 (260 f.). 884 Seewald, Zum Verfassungsrecht auf Gesundheit, 1981; vgl. auch Lang, Der Einbau sozialer Rechte, insbesondere eines Rechtes auf Gesundheit, in die österreichische Verfassung, in: FS für Hans Fioretta, 1983, S. 187 ff. 885 Bethge, ZBR 1988, 205 ff.; Hannover, KJ 1968, 51 ff. 886 Hoffmann-Riem, JZ 1975, 469 (470); ders., in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 389 (404 ff.); zust. Bethge, AöR Bd. 104 (1979), 265 (285); Stock, AöR Bd. 104(1979), 1 (7, 53). 887 Schultz, Grundrecht auf Anrede?, MDR 1982, 285 f. 888 Meyer-Teschendorf, Grundrecht auf ungehinderten und jederzeitigen Familiennachzug?, DÖV 1989, 105 ff.; ähnlich speziell auch die Fragestellung von Hobe, Gibt es ein Grundrecht auf begabungsgerechte Einschulung?, DÖV 1996, 190 ff. 889 Vgl. Murswiek, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. V, § 112 Rdnm. 40 ff. sowie schon oben, Fn. 720 ff. 890 Zur terminologischen und normativen Unschärfe dieses Begriffs aber Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1485. 891 Dazu Nebendahl, Grundrecht auf Arbeit, ZRP 1991, 257 ff.; RyffeUSchwartlän· der (Hrsg.), Das Recht des Menschen auf Arbeit, 1983; Scholz, Das Recht auf Arbeit, in: Böckenförde/Jekewitz/Ramm (Hrsg.), Soziale Grundrechte, 1981, S. 75 ff. 892 Art. 106 Abs. 1 BayVerf; Art. 47 LVerfBbg; Art. 14 Abs. 1 Brem. Verf.; Art. 7 Abs. 1 Sächs. Verf. 893 Art. 11 Abs. 1 Bad.-Württ. Verf.; Art. 128 BayVerf.; Art. 29 LVerfBbg; Art. 27 Abs. 1 Brem. Verf.; Art. 8 NWVerf.; Art. 7 Abs. 1 Sächs. Verf.; Art. 20 Thür. Verf.; für Österreich vgl. Spielbüchler, Das Grundrecht auf Bildung, EuGRZ 1985,437 ff. 894 Art. 174 BayVerf.; Art. 56 Brem. Verf.; Art. 34 Hess. Verf.; Art. 24 Abs. 3 NWVerf.; Art. 57 Abs. 4 Rh.-Pf. Verf.; Art. 48 Abs. 2 Saarl. Verf.

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

201

pflichten wollen 8 9 6 . Man mag diese Liste von „Grundrechten" noch um einige Zeilen weiterschreiben, doch schon diese wenigen Beispiele beweisen, daß die Achtung individueller Interessen offensichtlich als unbefriedigend empfunden wird, wenn sie nicht auch das Prädikat eines Grundrechts verliehen bekommen. Das Grundrecht auf Mobilität befindet sich also - wenn nicht in guter - so doch zumindest in zahlreicher Gesellschaft. b) Versuch einer Systematisierung Genauso variantenreich und vielfältig, wie sich die zahlreichen Versuche und Forderungen nach einer Fortbildung des Grundrechtekatalogs inhaltlich präsentieren, so stark unterscheiden sie sich auch in ihrer methodischen Fundierung. Um das Grundrecht auf Mobilität in diesem Kreis einordnen zu können, soll daher versucht werden, die grundrechtlichen Neuschöpfungen nach der Art und Weise ihrer Herleitung und Begründung zu systematisieren. aa) Allgemeine Handlungsfreiheit und „unbenannte" Freiheitsrechte Neubenennung grundrechtlicher Freiheit steht in den weitaus häufigsten Fällen im Zusammenhang mit der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG. Seitdem das BVerfG mit dem Elfes-Urteil 897 Art. 2 Abs. 1 GG im Sinne der allgemeinen Handlungsfreiheit auslegt, hat es in der Folgezeit sehr häufig selbst einzelne Freiheitsbereiche aus dem weiten sachlichen Anwendungsfeld von Art. 2 Abs. 1 GG herausgelöst, benannt und spezifiziert. So hat das BVerfG schon im Elfes-Urteil Art. 2 Abs. 1 zur Maßstabsnorm für die ,Ausreisefreiheit" 898 erhoben. Als ähnlich begriffsprägend hat sich auch die verfassungsgerichtliche Anerkennung der Vertragsfreiheit 899 als Schutzgut von Art. 2 Abs. 1 GG erwiesen. In anderen Judikaten hat das Gericht etwa die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr 900 und - um nur einige Beispiele zu nennen 901 895 So noch Art. 34 der DDR-Verfassung von 1968/74. Zur Bedeutung der Gewährung sozialer Grundrechte durch die DDR-Verfassung für die Verfassungsdiskussionen vor und nach der Wiederherstellung der Deutschen Einheit Stern, StaatsR Bd. III/2, S. 1782 f. Ein „Recht auf Erholung" benennt auch die bayerische Landesverfassung in Art. 174 Abs. 1 Satz 1 Bay Verf. Dieses Recht wird aber zutreffend nur als Programmsatz gedeutet; so Meder, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 1992, Art. 174 Rdnr. 1. 896 Soziale Staatsziele - insbesondere Arbeit, Wohnen und soziale Sicherheit - haben auch die Gemeinsame Verfassungskommission ausführlich beschäftigt; vgl. Kloepfer, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, S. 62 ff. 897 BVerfGE 6, 32 (36 f.). 898 BVerfGE 6, 32 (41 f.); siehe auch BVerfGE 72, 200 (245). 899 BVerfGE 8, 274 (328); 12, 341 (347); 70, 115 (123); 74, 129 (151 f.); ausführlicher Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnrn. 56 ff. 900 BVerfGE 12, 341 (347); 19, 209 (216); 31, 145 (175); 50, 290 (366). 901 Weitere Bsp. bei Bleckmann, Grundrechte, S. 486 f.; Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 24; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 12 Fn. 38.

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

- das Recht zur Fütterung der Tauben auf öffentlichen Plätzen 902 , das Recht, ohne Schutzhelm Motorrad zu fahren 903 und schließlich die Sammlungsfreih e i t 9 0 4 benannt. Die Auslegung des Art. 2 Abs. 1 GG als allgemeine Handlungsfreiheit ist damit in der Rechtsprechung seit ihren Anfängen begleitet von dem Bedürfnis, „unbenannte" Freiheitsrechte aus der Weite des Schutzbereichs herauszuschälen und auszuformen. Auf diesem Weg hat das BVerfG seiner Rechtsprechung vor allem zu begrifflicher Kontinuität verhelfen können. Zugleich ist es dieser Judikatur zu verdanken, daß Schutzgehalt und Schutzkraft der allgemeinen Handlungsfreiheit in weiten Bereichen von einer vorhersehbaren Rechtsprechung begleitet werden. Diese zunehmende Verdichtung des Gewährleistungsgehalts von Art 2 Abs. 1 GG durch das BVerfG mag derart offensichtlich auf der Unbestimmtheit der allgemeinen Handlungsfreiheit beruhen, daß hier kaum von einer Weiterentwicklung oder Fortbildung des Grundrechtekatalogs, sondern allenfalls von einer Konkretiserung und Ausformung gesprochen werden kann 9 0 5 . Diese eher nüchterne Betrachtung mag von der zutreffenden Vorstellung geleitet sein, daß Art. 2 Abs. 1 GG einer materiellen Ausdehnung des Grundrechtsschutzes gar keinen Raum beläßt. Die Benennung einzelner Freiheitsbetätigungen als Schutzgüter von Art. 2 Abs. 1 GG wirkt nicht konstitutiv für ihre Schutzfähigkeit im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit 906 . Dann nämlich würde Art. 2 Abs. 1 GG zu einem Grundrecht „aus der Hand der Rechtsprechung" 907 . Gleichgültig, ob sie vorher schon als solche „benannt" worden sind, genießen sämtliche Ausprägungen menschlichen Verhaltens mit Art. 2 Abs. 1 GG Grundrechtsschutz. Vor diesem Hintergrund kann von einer materiellen Fortentwicklung des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG gar keine Rede mehr sein. (1) „Unbenannte" Freiheitsrechte und Handlungsbeschreibungen bei Art. 2 Abs. 1 GG Wenn Rechtsprechung und Schrifttum dennoch von „unbenannten Freiheitsrechten" im Gewährleistungsbereich von Art. 2 Abs. 1 GG sprechen, wollen sie diesen besonderen Freiheitsbereichen offensichtlich einen anderen Aussagege902

BVerfGE 54, 143(144). BVerfGE 59, 275 (278). 904 BVerfGE 7, 111 (119); 20, 150(154). 905 So etwa Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 24. 906 Anders noch Schmidt, Die Freiheit vor dem Gesetz, AöR Bd. 91 (1966), 42 (75 ff.), der das „materielle Grundrecht" des Art. 2 Abs. 1 GG erst mit der Entwicklung bestimmter „Freiheitsschutzbereiche" konstituiert sieht. Dagegen Scholz, AöR 100 (1975), 80 (99 Fn. 118); zust. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 335; Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 24 Fn. 82. 907 Dies dürfte das entscheidendste Argument gegen die bereits auf S. 202 Fn. 906 skizzierte Auffassung von Schmidt, AöR Bd. 91 (1966), 42 (75 ff.) sein, da Schmidt Entwicklung und Anerkennung der von Art. 2 Abs. 1 GG aufzufangenden „neuen Freiheitsrechte" ausdrücklich dem BVerfG überantwortet, so besonders deutlich auf S. 77 f., 80. 903

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

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halt zuweisen. So erzeugt auch umgekehrt keineswegs jede „Benennung" grundrechtlicher Freiheit als bloße positive Feststellung des Grundrechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG auch schon ein „unbenanntes Freiheitsrecht". Sonst gäbe es - mit A l e x y 9 0 8 gesprochen - „so viele unbenannte Freiheitsrechte wie es Handlungsbeschreibungen gibt", und der Begriff des unbenannten Freiheitsrechts verlöre seinen Sinn. Alexy will daher nur relativ generelle Handlungsbeschreibungen in den Kreis der unbenannten Freiheitsrechte aufnehmen, so etwa ein Recht auf Ausreise, nicht aber ein Recht auf Ausreise in einem ungewöhnlichen Anzug 9 0 9 . Auch die Rechtsprechung des BVerfG zeugt von dieser Unterscheidung zwischen bloßen Beschreibungen geschützten Verhaltens und „unbenannten" Freiheitsrechten. Das BVerfG zieht den Kreis der „unbenannten" Freiheitsrechte aber offensichtlich noch erheblich enger, da es diesen Begriff in seiner Judikatur nur einmal ausdrücklich angewendet hat, nämlich auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht 910. Mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hat das BVerfG aber nicht nur - wie etwa für die Ausreisefreiheit - die generalklauselartig gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit auf ein bestimmtes Verhalten angewendet und dessen Schutzwürdigkeit positiv festgestellt. Vielmehr hat Art. 2 Abs. 1 GG durch die verfassungsgerichtliche Judikatur zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht eine qualitative Weiterentwicklung erfahren, indem die allgemeine Handlungsfreiheit als „aktive" Entfaltungsfreiheit um ein „passives" oder zustandsbezogenes Element, nämlich „ein Recht auf Respektierung des geschützten Bereichs" 911 , angereichert worden ist. Daher stützt das BVerfG das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch nicht allein auf die allgemeine Handlungsfreiheit, sondern greift zusätzlich auf die Menschenwürde zurück. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht soll „durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG" gewährleistet sein 9 1 2 . Man mag im einzelnen über Funktion und Bedeutung dieser doppelten Abstützung streiten 913 . Aber auch wenn man in der Schutzrichtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keinen qualitativen Gewinn gegenüber der Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG sehen will, so wird aber niemand bezweifeln, daß Art. 2 Abs. 1 GG mit der Ent908

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 332. Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 332. 910 BVerfGE 54, 148(153). 911 BVerfGE 54, 148 (153) unter Berufung auf BVerfGE 6, 32. 912 St. Rspr., siehe etwa BVerfGE 54, 148 (153). 913 Vielfach wird die zusätzliche Berufung auf die Menschenwürde insoweit für überflüssig gehalten, als schon die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG nicht nur die Verhaltensfreiheit gegen Beschränkungen schütze, sondern auch die Nichtbeeinträchtigung von Zuständen garantiere; so Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 311 ff., 335; Schmitt Glaeser, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 129 Rdnr. 19. Die Berufung auf die Menschenwürde wird dann als materielle Verstärkung der allgemeinen Handlungsfreiheit im Hinblick auf die Grundrechtsschranken gedeutet; so Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Abs. 1 Rdnr. 11; Schmidt, AöR Bd. 106 (1981), 497 (504 f.); grundsätzlich zur Bedeutung der Menschenwürde als materiales Prinzip innerhalb Art. 2 Abs. 1 GG Alexy, a.a.O., S. 321 ff. 909

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

wicklung des Persönlichkeitsrechts einschließlich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung in Tatbestand und Rechtsfolge entscheidend an Aussagekraft und Ausformung gewonnen hat 9 1 4 . Diese Zurückhaltung des BVerfG bei der Anerkennung „unbenannter" Freiheitsrechte ist zu begrüßen. Soll das „unbenannte" Freiheitsrecht nicht zu einer inhaltsleeren Kategorie werden, ist eine dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht vergleichbare qualitative Weiterentwicklung gegenüber der bloßen ausdrücklichen Anerkennung der Schutzfähigkeit bestimmter Ausprägungen menschlicher Freiheitsausübung im Rahmen von ArL 2 Abs. 1 GG zu verlangen. Es wird zwar gerne betont, daß Art. 2 Abs. 1 GG durch seine „offene" Tatbestandsfassung nachgerade zur Erzeugung von Grundrechten einlade 915 . Art. 2 Abs. 1 GG ist aber keineswegs das einzige konkretisierungsbedürftige Grundrecht. Für Art. 12 Abs. 1 GG ist aber - soweit ersichtlich - bislang noch niemand auf die Idee gekommen, aus der Tatsache, daß Art. 12 GG auch die Berufsfreiheit des Schauspielers schützt, die Konsequenz zu ziehen, daß die „Schauspielerfreiheit" aus der Berufsfreiheit herausgelöst und ihr als speziellere Gewährleistung vorangestellt werden müsse, ohne weitergehende Aussagen für Tatbestand oder Rechtsfolge formulieren zu können. (2) „Unbenanntes" Freiheitsrecht auf Mobilität und Autofahren? Die Kategorie der „unbenannten" Freiheitsrechte kann nicht zum tragenden Pfeiler bei der Bündelung der Grundrechtspositionen der Autofahrer zu einem Grundrecht auf Mobilität erklärt werden. Dies beruht zunächst darauf, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht mittlerweile eine Strukturierung und Verdichtung aufweisen kann, von der für die Mobilität und insbesondere die AutoMobilität noch nicht die Rede sein kann. Noch ist der Grundrechtsschutz für die Mobilität nicht derart ausgeformt, daß er sich genauso an die speziellen Grundrechtsgarantien annähern ließe wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf informationelle Selbstbestimmung916. Entscheidend gegen die Konzeption eines Mobilitätsgrundrechts als „unbenanntes" Freiheitsrecht spricht aber weiter, daß mit dem Grundrecht auf Mobilität und Autofahren nicht nur Freiheitspositionen aus Art. 2 Abs. 1 GG, sondern auch aus anderen, spezielleren Gewährleistungen gebündelt werden sollen. Das Grundrecht auf Mobilität soll ja das grundrechtliche Gewicht der Mobilität aus dem gesamten Grundrechtekatalog - soweit er für die Abstützung der Mobilität fruchtbar gemacht werden kann - widerspiegeln, anstatt nur an die Auffang914

Daher kann auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 335 dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eine Sonderstellung gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit einräumen, obwohl er in der Schutzrichtung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts keine Erweiterung des Art. 2 Abs. 1 GG erblickt. Zum Grad der Ausformung, die Art. 2 Abs. 1 GG mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erfahren hat, oben, S. 152 ff. 915 Sendler, NJW 1995, 1468. 916 Dazu schon oben, S. 154 ff.

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

205

funktion der allgemeinen Handlungsfreiheit zu erinnern. Tatsächlich ist ein ähnlicher Einwand auch schon gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung geäußert worden. Längst nachdem das BVerfG den Grundrechtsschutz für die persönlichen Daten entdeckte, wird heute davor gewarnt, voreilig jede Maßnahme staatlicher Informationserhebung und -Verarbeitung an Art. 2 Abs. 1 GG zu messen, da diese Freiheitssphäre gleichermaßen in den Schutzgehalt vieler spezieller Freiheitsrechte falle 9 1 7 . Diese Warnung erinnert daran, daß „unbenannte" Freiheitsrechte trotz ihrer Spezialität gegenüber der allgemeinen Handlungsfreiheit doch immer Ausprägungen von Art. 2 Abs. 1 GG bleiben. Mit dem „unbenannten" Freiheitsrecht wird das Spektrum grundrechtlicher Freiheit ausschließlich im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit weiterentwickelt und konkretisiert. Wenn mit der Benennung grundrechtlicher Freiheit aber von vornherein eine Zusammenschau mehrerer und speziellerer Verbürgungen intendiert ist, so paßt schon das Grundmuster des „unbenannten" Freiheitsrechts aus Art 2 Abs. 1 GG nicht. Daher muß es verwundern, wenn sich Ronellenfitsch bei der Suche nach einem Vorbild gerade auf das Recht zu informationeller Selbstbestimmung beruft 918 . Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung mag zwar inhaltliche Weiterentwicklungen des Art. 2 Abs. 1 GG illustrieren, nach seiner methodischen Herleitung aber eignet es sich kaum als Vorbild für ein Grundrecht auf Mobilität. Das Grundrecht auf Mobilität kann daher sinnvollerweise nur bei solchen Freiheitsbenennungen strukturelle Anleihen nehmen, die sich gleichfalls als die Bündelung mehrerer Grundrechte verstehen. bb) Grundrechtsschöpfung aus mehreren Grundrechten In diesem Bereich der Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung grundrechtlichen Freiheitsschutzes fehlt es sowohl an reichem Anschauungsmaterial als auch an klaren und systematischen Positionen. Dennoch lassen sich aus der zaghaften Kasuistik des BVerfG und aus verstreuten Forderungen des Schrifttums verschiedene Argumentationsmuster zur inhaltlichen Weiterentwicklung der Grundrechte unterscheiden: zunächst die vom BVerfG ins Spiel gebrachte Figur des „einheitlichen Grundrechts", schließlich der Gedanke eines „Wirkungsverbundes" inhaltlich sich ergänzender Grundrechte und letztlich die Verklammerung von Grundrechtsvoraussetzungen zu einem einzigen Grundrecht.

917 Alberts , CR 1994, 492 (494 ff.); grundsätzlich gegen eine Überlagerung der speziellen Freiheitsgarantien durch Innominatfreiheiten Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 29; genauso für den Bereich der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit Degenhart, JuS 1990, 161 (165 f.). 918 Ronellenfitsch, DAR 1992, 321 Fn. 3.

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

(1) Das „einheitliche Grundrecht" Diesem Grundtypus läßt sich beispielsweise die Vorstellung einer grundrechtlichen „Medienfreiheit" zuordnen. Hoffmann-Riem wollte unter diesem Titel zunächst nur den verfassungsrechtlichen Stellenwert der Freiheit von Presse und Rundfunk gemeinsam und einheitlich beurteilen 919 . Dieses medienübergreifende Grundrechtsverständnis hat für Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mittlerweile Schule gemacht. Unter dem Eindruck fortwährender Entwicklung auf dem Kommunikationssektor wird Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG immer häufiger als „Querschnittsgrundrecht" verstanden, das den Freiheitsschutz sämtlicher Typen und Technologien massenmedialer Kommunikation gewährleisten soll 9 2 0 . Diese Forderung nach einem umfassenden Freiheitsschutz im Bereich der Massenmedien und Kommunikationstechniken ruft in Erinnerung, daß das BVerfG mit dem gleichen Argument lückenlosen bereichsspezifischen Freiheitsschutzes schon Art. 12 Abs. 1 GG zu einem „einheitlichen Grundrecht der Berufsfreiheit" weiterentwickelt hat, um „sämtliche Phasen beruflicher Entfaltung als Abschnitte eines einheitlichen Lebensvorgangs" zu schützen 921 . Noch offensichtlicher mag das Verständnis der Grundrechte aus Art. 4 GG diesem Gedanken eines umfassenden Freiheitsschutzes verpflichtet sein. Hier nährt die Einsicht von Schutzlücken zwischen den Freiheitsbereichen aus Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG das verfassungsgerichtliche Postulat eines einheitlichen Schutzbereichs, der die Freiheit schützt, Glauben und Gewissen, Religion und Weltanschauung zu bilden, zu haben, zu äußern und demgemäß zu handeln 922 Allen diesen Beispielen ist gemeinsam, daß mehrere selbständige, aber thematisch eng miteinander verwobene Grundrechtsverbürgungen zu einer einheitlichen Freiheitsgewährleistung zusammengezogen und verdichtet werden sollen, da ein punktueller Grundrechtsschutz als unzulänglich empfunden wird. Dieses Argumentationsmuster, das für Art. 12 Abs. 1 GG oder Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG durchaus seine Berechtigung haben mag, läßt sich aber schon im Ansatz nicht auf die Mobilität und schon gar nicht auf die Auto-Mobilität übertragen. Der Blick über den Grundrechtekatalog des Grundgesetzes hat ge919

Hoffmann-Riem, JZ 1975,469 (470). Nachdrücklich für eine entwicklungsoffene Interpretation des Art. 5 Abs. 1 GG Hoffmann-Riem, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 389 (404 ff.); im Hinblick auf die neuen elektronischen Medien Degenhart, BayVBl. 1986, 577 (582); auch ders., in: FS für Rudolf Lukes, 1989, S. 287; für ein medienübergreifendes Verständnis sämtlicher Kommunikationsfreiheiten Bullinger, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Hdb StR Bd. VI, § 142 Rdnr. 180 m.w.N. 921 So seit BVerfGE 7, 377 (402); siehe auch BVerfGE 33, 303 (329 f.); 59, 172 (205 f.); zu dieser Weiterentwicklung des Art. 12 GG Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 32; Schmidt-B leibtreu/Klein, GG, Art. 12 Rdnr. 10; krit. wegen des klaren Wortlauts aber Rittstieg, in: AK, GG, Art. 12 Rdnr. 59. 922 Zur Position des BVerfG siehe nur Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 581; noch deutlicher Mikat, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 2, S. 1059 (1064), der Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG zu einem „Grundrecht der Religionsfreiheit" zusammenzieht. 920

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

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zeigt, daß Mobilität und Autofahren nicht nur über eine Gewährleistung oder über mehrere, eng miteinander verknüpfte Gewährleistungen aus dem gleichen thematischen Umfeld geschützt sind, sondern vielmehr ein ganzes Bündel von Grundrechten in Anspruch nehmen können. Hier sei nur daran erinnert, daß schon die Mobilität im weiteren Sinne - also nicht nur das Autofahren - unter anderem auf die Freizügigkeit, die Versammlungsfreiheit und die Berufsfreiheit gestützt werden konnte. Diese sachlich völlig eigenständigen Garantien lassen sich aber offensichtlich nicht zu einem „einheitlichen" Freiheitsbereich verdichten, ohne daß zugleich die Ausdifferenziertheit des Grundrechtekataloges verloren ginge. Die Suche nach grundrechtlichen Vorläufern und Vorbildern, an die das Grundrecht auf Mobilität angelehnt werden kann, ist damit keineswegs beendet. (2) Zusammenwirken idealkonkurrierender Grundrechte zum „Wirkungsverbund" Eine Fortentwicklung des Grundrechtsschutzes ist schließlich auch dort zu vermerken, wo aus dem Zusammenwirken mehrerer sich ergänzender und überschneidender Freiheitsrechte ein neuartiges Freiheitsrecht geschaffen wird. Bethge erwähnt in diesem Zusammenhang die Demonstrationsfreiheit, die aus einer Verbindung von Elementen der Versammlungs- und der Meinungsfreiheit herausgebildet worden ist 9 2 3 . Verallgemeinernd kann man an dieser Stelle auf sämtliche Freiheiten hinweisen, die sich im Schnittbereich idealkonkurrierender Grundrechte 924 bewegen. So ist etwa an die „Werbefreiheit" 925 zu denken, deren Grundrechtsschutz aus der Berufsfreiheit und - heute nicht mehr bestritt e n 9 2 6 - der Meinungsfreiheit gespeist w i r d 9 2 7 . Ähnliche Gemengelagen ergeben sich im Konkurrenzfall von Pressefreiheit und Berufsfreiheit, wovon auch 923

Bethge, Der Staat Bd. 24 (1985), 351 (371); zum Grundrecht der „Demonstrationsfreiheit" vgl. schon oben, S. 200 Fn. 885. 924 Grundrechte stehen in Idealkonkurrenz zueinander, wenn sie sich weder auf der Tatbestandsebene noch auf der Rechtsfolgenseite durch Spezialität verdrängen, sondern nebeneinander zur Anwendung kommen können; so Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 332 f. m.w.N. 925 Von „Werbefreiheit" sprechen etwa Drettmann, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, S. 128; Lerche, Werbung und Verfassungsrecht, 1967, S. 72; v. Münch, AfP 1974, 598 ff. 926 Gegen einen Schutz der Wirtschaftswerbung über die Meinungsfreiheit noch BVerwGE 2, 172 (178 f.); Lenz, in: Hamann/Lenz, GG, Art. 5 Anm. Β 1; zurückhaltend auch Oppermann, in: FS für Gerhard Wacke, 1982, S. 393 (400); nur i. Erg. genauso Leisner, Werbefernsehen und öffentliches Recht, 1967, S. 98 ff. sowie v. Münch, AfP 1974, 598 (601). Für den meinungswertigen Charakter von Werbeaussagen siehe nur Friauf/Höfling, AfP 1985, 249 (253); Jarass, NJW 1982, 1833 (1834); Schmidt-Jortzig, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 141 Rdnr. 21; Weides, WRP 1976, 585 (587 f.); Wendt, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 5 Rdnr. 11. 927 Ausführlich zur Werbefreiheit als Problem idealkonkurrierender Grundrechte Drettmann, Wirtschaftswerbung und Meinungsfreiheit, S. 128 ff., 151 ff.

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

schon die Umschreibung „Presseberufsfreiheit" zeugt 9 2 8 . Besonders augenfällig ist diese Funktion der Grundrechtskonkurrenzen als Quelle neuartiger Freiheitsbereiche, wenn man Grundrechtskonkurrenzen mit Schwabe stets durch einen „Wirkungsverbünd" 929 oder auch durch eine „Wertkumulation" 930 der idealkonkurrierenden Grundrechte auflösen will. Dieser leichtfüßige und verlockende Gedanke zur Verdichtung des Grundrechtsschutzes läßt sich aber nicht auf die hier interessierenden Fragen der Mobilität übertragen. Zwar genießt Mobilität im allgemeinen und Autofahren im speziellen über eine Vielzahl von Freiheitsrechten grundrechtlichen Schutz. Diese Grundrechte wirken im Regelfall aber nicht gleichzeitig nebeneinander, sondern sie kommen alternativ zur Geltung. So ist Autofahren entweder als Berufsausübung durch Art. 12 Abs. 1 GG oder als Freizeitvergnügen durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Das gleiche Bild zeigt sich für die Mobilität im allgemeinen. Wer seine Mobilität grundrechtlich verteidigen will, kann dies entweder mit dem Argument tun, er wolle an einem Ort Aufenthalt und Wohnsitz im Sinne des Art. 11 GG nehmen, oder aber er kann sich gestützt auf Art. 12 bzw. Art. 8 GG darauf berufen, seinen Arbeitsplatz oder eine Versammlung aufsuchen zu wollen - daß Art. 12 GG und Art. 8 GG gleichzeitig zum Zuge kommen sollten, scheint doch schwer vorstellbar und zeugt allenfalls von einiger Phantasie. Mit dem Gedanken der Idealkonkurrenz lassen sich die punktuellen und verstreuten Gewährleistungen, die zur Verteidigung der individuellen Mobilität und insbesondere der Auto-Mobilität vorgebracht werden können, daher nicht zu einem Grundrecht auf Mobilität als überwölbendes Freiheitsrecht zusammenfügen. (3) Verklammerung von Grundrechtsvoraussetzungen Liegt das gemeinsame Element, mit dem sich der Grundrechtsschutz der Mobilität zu einem Grundrecht auf Mobilität verklammern ließe, nicht in einer thematischen Verwandtschaft der zum Schutz berufenen Grundrechte, so kann der Blick nur noch auf strukturelle Gemeinsamkeiten und Parallelen gelenkt werden. Hierfür bietet der Grundrechtschutz für die Mobilität im allgemeinen allerdings nicht der der Auto-Mobilität - einen augenfälligen Anknüpfungspunkt. Die verkehrsmittelunabhängige Mobilität, verstanden als räumliche Erreichbarkeit eines bestimmten Zielortes, wurde wiederkehrend als Voraussetzung der Grundrechtsausübung in die Garantiegehalte der speziellen Freiheits928

Degen, Pressefreiheit, Berufsfreiheit, Eigentumsgarantie, 1981, S. 308. Schwabe, Probleme der Grundrechtsdogmatik, S. 306 ff., 367; ders., JA 1979, 191 (194 ff.). Anstelle einer ausführlichen Kritik sei hier nur auf Drettmann, Wirtschafts Werbung und Meinungsfreiheit, S. 167 ff. verwiesen. 930 Bleckmann/Wiethojf, DÖV 1991, 722 (729 f.); dagegen Würkner, DÖV 1992, 150(151 ff.). 929

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

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rechte, etwa aus Art. 12, Art. 11 oder Art. 8 GG, miteinbezogen 931 . Gestützt auf dieses Strukturmerkmal - Mobilität als vorgelagerter Grundrechtsschutz ließe sich für ein Mobilitätsgrundrecht plädieren, das einen einheitlichen grundrechtlichen Rahmen dafür bereitstellen würde, die für die Inanspruchnahme grundrechtlicher Freiheit unerläßliche Mobilität zusammenzufassen und sie gemeinsam in einem einzigen Freiheitsrecht abzubilden. Ein so begründetes Grundrecht auf Mobilität wäre aus mothodischer Sicht kein absolutes Novum. Der Schutz von Grundrechtsvoraussetzungen bildete schon den Nexus für die „innere Geistesfreiheit", die Faber als Zusammenfassung der „inneren" Gehalte der Kommunikationsgrundrechte konzipiert hat 9 3 2 . Faber speist die „innere Geistesfreiheit" aus der Erkenntnis, daß das Grundgesetz nicht nur die Phase der Äußerung von Meinungen und religiösen Anschauungen, sondern auch schon die vorgelagerte Phase der Bildung dieser Überzeugungen in Schutz n i m m t 9 3 3 - und zwar als verfassungsgesicherte Grundrechtsvoraussetzungen 934. Insoweit abstrahiert Faber unter dem Titel der „inneren Geistesfreiheit", was für einzelne Grundrechte in Gestalt der „Gedankenfreih e i t " 9 3 5 oder der „Freiheit des Denkens" 936 bereits auf größere Anerkennung gestoßen ist. Nach diesem Vorbild könnte nun auch das Grundrecht auf Mobilität begründet werden. So wie die „innere" Geistesfreiheit aus den „inneren" Grundrechtsvoraussetzungen zusammengefügt worden ist, ließe sich das Grundrecht auf Mobilität aus den „Mobilitätsvoraussetzungen" der Grundrechte herleiten. Hat das Grundrecht auf Mobilität - freilich nicht als Grundrecht auf Auto-Mobilität, wie immer wieder betont werden muß - auf diesem Wege auch ein strukturelles Vorbild gefunden, so liegt darin aber natürlich noch keine Antwort auf die Frage, ob eine solche Zusammenfassung der Einzelaspekte der Mobilität überhaupt sachlichen Gewinn und Nutzen versprechen könnte. Hier ist deutliche Skepsis angebracht. Solche interpretatorischen Systematisierungen und Zusammenfassungen mögen den Grundrechtsschutz inhaltlich 931

Vgl. zusammenfassend zum Grundrechtsschutz der Mobilität als Schutz von Grundrechtsvoraussetzungen im Gegensatz zum Schutz des Autofahrens schon oben, S. 191 ff., 193 ff. 932 Faber, Innere Geistesfreiheit und suggestive Beeinflussung, S. 41 ff., 62 ff., 128 ff. 933 Heute entspricht es der überwiegenden Auffassung, daß sich der Garantiegehalt der Meinungsfreiheit auch auf die Meinungsbildung erstreckt, so Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 25; abw. aber Hoffmann-Riem, in: AK, GG, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 16, der nur Art. 2 Abs. 1 GG für einschlägig hält. Noch stärker wird die Einbeziehung der Glaubens- und Gemssensbildung in den Schutzgehalt des Art. 4 Abs. 1 GG gefordert; vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rdnr. 130; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rdnr. 7; Zippelius, in: BK, GG, Art. 4 Rdnm. 41 ff.; vgl. auch v. Münch, in: ders./Kunig, GG, Art. 4 Rdnr. 21. 934 Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 62. 935 So Starck, in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Abs. 1, 2 Rdnr. 19. 936 Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 4 Rdnr. 6. 14 Röthel

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Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

faßbarer machen. Auch ließe sich mit einem Grundrecht auf Mobilität der übergreifende Charakter des Mobilitätsphänomens im Grundrechtekatalog versinnbildlichen. Und wer sich von dieser Zusammenfügung der Mobilitätsvoraussetzungen zu einem einzigen Grundrecht zugleich eine sachliche Aufwertung der Mobilität im Grundrechtsgefüge erhofft, wird dieses Petitum um so mehr mit seiner Stimme unterstützen wollen. Doch vor solcher Euphorie sei gewarnt. Zunächst ist daran zu erinnern, daß ein Grundrecht auf Mobilität nicht zwingend auch eine effektive Erweiterung des Grundrechtsschutzes bedeutet. Schließlich würde das Mobilitätsgrundrecht ja nur aus den grundrechtlich vorgefundenen Bruchstücken gespeist werden und könnte schon von seiner Begründung her nicht über das ohnehin bestehende Maß an Grundrechtsschutz hinausgehen. Vielmehr stünde im Gegenteil zu befürchten, daß der Grundrechtsschutz für die Mobilität durch ein „einheitliches" Grundrecht nivelliert und damit verflacht würde. Für das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 9 3 7 , die Vertragsfreiheit 938 und auch für die Wettbewerbsfreiheit 939 wird mittlerweile nachdrücklich die Rückkehr zu den speziellen Grundrechtsgewährleistungen angemahnt. Der Ruf nach einer einheitlichen Verbürgung der Mobilität setzt sich den gleichen Bedenken aus. Indem die Mobilität aus den speziellen Grundrechten herausgerissen und isoliert wird, verliert der Grundrechtsschutz notwendig an Kontur, insbesondere weil der mit den unterschiedlichen Grundrechtsschranken vorgegebene Rahmen aufgegeben werden müßte. Gerade auf dieser ausdifferenzierten Schrankenarchitektur beruhen aber die spezifischen und abgestuften verfassungsrechtlichen Reaktionen auf hoheitliche Beschneidungen grundrechtlicher Freiheit. Hiervon profitieren auch die individuellen Mobilitätsinteressen mehr als von einem nivellierten Grundrechtsschutz. c) Ausblick: Grundrecht auf Mobilität de constitutione ferenda? Mobilität und Auto-Mobilität genießen de constitutione lata zwar vielfältig grundrechtlichen Schutz, doch lassen sich diese über den gesamten Grundrechtekatalog verstreuten Berechtigungen nicht systematisch überzeugend zu einem eigenständigen Mobilitätsgrundrecht zusammenfügen. Mit diesem vielleicht etwas karg ausfallenden Ergebnis unserer Bestandsaufnahme ist freilich das letzte Wort über ein Mobilitätsgrundrecht noch nicht gesprochen. Ob ein solches Recht nicht doch auf erhebliche rechtspolitische Bedürfnisse antworten 937

Siehe oben, S. 205. Für den Vorrang der Spezialgrundrechte gegenüber der Vertragsfreiheit Erichsen, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 152 Rdnr. 59; Papier, Grundgesetz und Wirtschaftsordnung, in: Benda/Maihofer/Vogel (Hrsg.), Hdb VerfR Bd. 1, S. 609 (637 f.); Scholz., AöR Bd. 100 (1975), 80 (128 f.); siehe auch schon Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, S. 42 ff. 939 Insbesondere für einen Vorrang von Art. 12 GG Breuer, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HdbStR Bd. VI, § 147 Rdnr. 97; Degenhard JuS 1990, 161 (165); Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 12 Rdnrn. 115, 136 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 2 Rdnrn. 55 ff. 938

Β. Vom Grundrechtsschutz zum Grundrecht

211

könnte und daher ausdrücklich im Grundrechtekatalog festzuschreiben wäre, ist noch genauso offen wie Gewährleistungsgehalt und Garantiewirkung eines solchen Grundrechts 940 . Für die Aufnahme eines Grundrechts auf Mobilität in den Grundrechtekatalog - in welcher Form auch immer - sprächen ähnliche Erwägungen, mit denen auch schon für die Aufnahme eines Grundrechts auf Umweltschutz plädiert wurde. Die Festschreibung der Mobilität im Grundrechtekatalog könnte vor allem der Klarstellung dienen. Mit dieser Abwägungs- und Auslegungshilfe würden Gesetzgebung, Verwaltung und auch die richterliche Kontrolle ausdrücklich auf die Berücksichtigung der individuellen Mobilitätsbedürfnisse verpflichtet 941 . Diese Vorteile vermögen aber die Nachteile einer Änderung des Grundrechtekatalogs nicht aufzuwiegen. Selbst wenn sich eine verfassungsändernde Mehrheit für ein Grundrecht auf Mobilität und Autofahren als vorbehaltlos gewährleistetes Grundrecht finden würde, so stünde die motorisierte Mobilität aber nach wie vor unter dem Vorbehalt von Art. 2 Abs. 2 GG als kollidierender Verfassungsnorm. Auch dann noch blieben Beschränkungen des Straßenverkehrs zur Erhaltung und Förderung der Verkehrssicherheit, zum Schutz der Anlieger vor Lärm und Luftschadstoffen und schließlich zur Abwehr von gesundheitsschädlichen Umwelteinwirkungen durch den Straßenverkehr zulässig. Daß Auto-Mobilität nur einen recht labilen Faktor in unserer Grundrechteordnung bildet, beruht weniger darauf, daß sich das Grundgesetz explizit und geschlossen gegen den motorisierten Verkehr ausgesprochen hätte. In dem schwachen Eigengewicht der Auto-Mobilität spiegelt sich vielmehr allein das Dilemma wider, in die das Auto unsere auf sozialverträgliches Verhalten ausgelegte Freiheitsordnung stürzt. In gewissem Maße wird das Autofahren immer den Gemeinwohlbindungen der Grundrechte zum Opfer fallen. Ob geschrieben oder ungeschrieben - das Recht auf Mobilität wird seinen Inhalt genauso wie seine Grenzen letztlich erst aus dem Zusammenspiel mit den übrigen Grundwerten des Grundgesetzes erhalten. Als sich die Gemeinsame Verfassungskommission mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob das Grundgesetz um ein ausformuliertes Recht auf informatio940

Ob eine Grundgesetzänderung mit dem Ziel, ein Grundrecht auf Mobilität in den Gmndrechtekatalog aufzunehmen, politisch auf die erforderlichen Mehrheiten stoßen würde, ist freilich eine andere Frage. 941 Vgl. etwa die von Soell, NuR 1985, 205 (212 f.) thesenartig zusammengefaßten Argumente für eine Festschreibung des Umweltschutzes. U.a. beruft er sich auf die „Hinweisfunktion" und die „Appellfunktion", die solche Festschreibungen insbes. für den Gesetzgeber erfüllen können. Daneben erhofft er sich eine „edukatorischpädagogische Funktion für die politische Auseinandersetzung und für den einzelnen" und schließlich eine „Klarstellungsfunktion" richterlicher Kontrollmöglichkeiten bei Abwägungsdefiziten und Abwägungsdisproportionalitäten; vgl. auch schon Kloepfer, Zum Grundrecht auf Umweltschutz, S. 32 ff.

212

Vierter Teil: Grundrecht auf Mobilität

nelle Selbstbestimmung zu ergänzen sei 9 4 2 , ist dieses Petitum mit der Befürchtung abgewiesen worden, das Grundgesetz verlöre seinen Charakter als „fundamentale Rechtsquelle", wenn bereits geltendes materielles Verfassungsrecht nochmals ausdrücklich in den Verfassungstext aufgenommen würde 9 4 3 . Für ein geschriebenes Mobilitätsgrundrecht kann nichts anderes gelten. Zwar könnte der Grundgesetzgeber mit der Festschreibung der Mobilität über den Schutzbereich dieses Grundrechts den Kreis der potentiell geschützten Positionen erweitern. Zu der eigentlichen Konfliktlösung im Ausgleich mit den widerstreitenden öffentlichen und privaten Belangen hat er damit aber noch keinen materiellen Beitrag geleistet. Ein solches Grundrecht auf Mobilität wäre darauf angelegt, in Widerstreit mit dem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG oder mit Art. 20 a GG zu treten. Ein Grundrecht aber, das von vornherein auf unlösbare Zielkonflikte zusteuert, und diese auch sich heraus ohnehin nicht lösen kann, schadet der Glaubwürdigkeit der Grundrechte mehr, als daß es dem Anliegen nach stärkerem Grundrechtsschutz für die Mobilität nutzen könnte. Die Glaubwürdigkeit bestehender Grundrechte resultiert nicht zuletzt aus ihrer Kontinuität in der Rechtsordnung. Dieser Selbstbeschränkung des verfassungsändernden Gesetzgebers verdanken wir nicht nur die Nüchternheit und Schlichtheit des Grundgesetzes, sondern auch seine Aktualität. A l l das einer Forderung nach grundgesetzlich verankerter Mobilitätsgewähr zu opfern, hieße dem Zeitgeist eine Einfallstüre in das Grundgesetz zu öffnen.

942

Vgl. zur Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission Kloepfer, sungsänderung statt Verfassungsreform, 1995, hierzu S. 78 f. 943

Verfas-

BT-Drucks. 12/6000, S. 62 f.; für eine Aufnahme der informationellen Selbstbestimmung in den Grundrechtekatalog aber Kloepfer, Verfassungsänderung statt Verfassungsreform, S. 79.

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