161 23 93MB
German Pages 361 [364] Year 1990
Linguistische Arbeiten
239
Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Herbert E. Brekle, Hans Jürgen Hcringcr, Heinz Vater und Otmar Werner
Angelika Redder
Grammatiktheorie und sprachliches Handeln: »denn« und »da«
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1990
ClP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Redder, Angelika : Grammatiktheorie und sprachliches Handeln: "denn" und "da" / Angelika Redder, - Tübingen : Niemeyer, 1990 (Linguistische Arbeiten ; 239) Zugl.: Munster (Westfalen), Univ., Hafail.-Schr., 1988 NE: GT ISBN 3-484-30239-9
ISSN 0344-6727
© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen I99Ü Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urhcberrechlsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages un/.ulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspcichenirig und Verarbeitung in elektronischen Systemen, Printed in Germany. Druck: Weihert-Druck GmbH, Darmstadt.
i
GEGENSTAND UND METHODE DER ANALYSE
1.1 1.2 l .3
Gegenstand Theoretischer und methodischer Kontext Aufbau der Arbeit
2
DER AUSDRUCK 'DENN-
2.1
Theoretische und methodische Voraussetzungen
17
2.2
'denn' in Frage-Formen
20
2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5 2.2.5.1 2.2.5.2 2.2.5.3 2.2.5.4
20 22 26 29 33 33 35 37
2,2.5.10 2.2.6 2.2.7 2.2.8 2.2.9
Häufigkeiten Einige einfache Beispiele Bezugsgegenstände von 'denn* in Frage-Formen Die "Anknüpfung" Grundfunktion von 'denn' Innehalten in einem Musterdurchlauf Verstehen und Verstehenssynchronisierung Deiktische Qualität von 'denn1 - historische Etymologie Deiktische Rücklenkung zwecks Reparatur von Verstehensproblemen Das komplexe sprachtheoretische Grundmodell Diskursive Leistung der Frage-Form und deiktische Leistung von 'denn1 Funktionale Etymologie und Feldtransposition Verstehenssynchronisierung und das Handlungsmuster des Begründens Propositionale Strukturierung des Prä"-E durch Frage-Form, Wortstellung und Akzent Operative Qualität von 'denn' Folgerichtigkeit und Nicht-Verstandenes Illokutive Qualitäten der fragenden Äußerungen mit 'denn' 'denn' in exklamativen Äußerungen Zur Formel tendierende Verwendungen
2.3
'denn' in Satzverbindungen
80
2.3.1 2.3.2
"Konnektivität" Grundfunktion von 'denn' in Satzverbindungen
81 83
2.2.5.5 2.2.5.6 2.2.5.7 2.2.5.8 2.2,5-9
l 3 13
40 42 44 45 47 50 59 61 65 73 77
VI
2.3.3 2.3.4 2.3.5 2.3.6
2.3.7
Syntax und historische Entwicklung Bedeutungsbestimmungen in der Literatur Wieviel und wo wird mit 'denn1 mündlich begründet? Empirische Rekonstruktion beanspruchter Wissenstypen und bearbeiteter Verstehensschritte Exkurs; Argumentative tat von 'denn' (108-109) Exkurs: 'nämlich' (111-112) Ostensives 'denn': monologische Variante
121
2.4
'denn1 und 'weil'
125
3
DER AUSDRUCK 'DA1
3.1
Wort-und begriffsgeschichtlicher Überblick
132
3.2
Syntax von 'da*
134
3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.2.4.1
Das Adverb Statt Adverb oder Partikel: Deixis 'da' Das Relativum Relativum oder: von der Deixis zum paraoperativen 'da' Sprachsystematische Bestimmung des Relativums 'da': paraoperative Prozedur I Diachrone Bestimmung Synchrone Bestimmung Prozedurale Analyse von "Relativsätzen" Selektionsbeschränkungen und Sprachentwicklung Die Konjunktion Darstellung des subordinierenden'da'in REST Paraoperative Prozedur II - prädikative Operation der "Konjunktion" Funktional-etymologische Analyse Exemplarische Ableitung des paraoperativen 'da' Prozed u rale Leis tu ng von pa raoperati vem ' da' Leistung bei Nachsatzposition Ergebnis
136 138 144 147
3.2.4.2 3.2.4.3 3.2.4.4 3.2.4.5 3.2.5 3.2.6 3.2.7 3.2.8 3.2.8.1 3.2.8.2 3.2.8.3 3.2.8.4
86 94 103 105
147 149 152 154 158 159 160 172 175 176 180 183 185
VII
3.3
3.3.1 3.3.2 3.3.2.1
Funktion von paraoperativem 'da' beim sprachlichen Handeln empirische Analysen Häufigkeiten Paraoperatives 'da' im Bereich des Schriftlichen: institutionelle Briefe Briefanfänge: "initiales" 'da' Exkurs: Nebensatz und illokutiver Akt (197-199)
86 186 190 191
3.3.2.2 3.3.2.3
Ergebnis: Einleitung und Inanspruchnahme Briefformulierung: lautes Denken als Analysebeweis
203 204
3.3.3 3.3.3.1 3.3.3.2
Wissenschaftliche Texte Absatzeinleitungen in wissenschaftlichen Monographien Wissenschaftliche Vorlesung (Peter Szondi) und wissenschaftliche Artikel: 'da' in Texten zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit 1.) 'da' im Vordersatz 2.) Syntaktisch komplexe Vordersatz-Beispiele 3.) Paraoperatives 'da' und das Mittel der Parenthese 4.) Die paraoperative Prozedur innerhalb von Handlungsmustern: Behauptung und Assertion 5.) Verfahren der Wissensgewinnung: Antizipation und Retrozipation 6.) Empirische Analysen zu nachgestelltem 'da' 7.) Paraoperatives 'da' innerhalb von Handlungsmustern II: Begründen als Taktik 8.) Substituierbarkeit von 'da' in Nachfeldposition durch 'denn' und 'weil'
208 208
241
3.4
Semantik und Pragmatik von paraoperativem 'da1
247
3.4.1 3.4.1.1 3.4.1.2 3.4.1.3 3.4.1.4 3.4.2
Allgemeine handlungsanalytische Bestimmung Bedeutung für sprachinterne und sprachexterne Zwecke Pragmatik des Ausdrucks Mentale Prozesse der propositionalen Strukturierung "Kausalität", "Konditionalität" und Begündung Die handlungstheoretische Bestimmung und Bestimmungen in der Fachliteratur Allgemeine referenz-und logisch-semantische Darlegungen "Bekanntheit", "Wahrheit" und "Präsupposition" Äußerungsfunktion Begründungsbeziehungen und Korrelationen Thematizität und Argumentativität Syntaktische Besonderheiten von 'da' gegenüber 'weil'
247 248 250 252 260
3.4.2.1 3.4.2.2 3.4.2.3 3.4.2.4 3.4.2.5 3.4.2.6
220 221 223 227 228 232 235 239
267 268 269 274 278 286 289
VIII
3.5
Uterarisches 'da'
292
3.5.1 3.5.2 3.5.3
"Nachdenken über Christa T." "Frauen vor Flußlandschaft" "Die Tage der Commune"
292 297 300
3.6
Diskursives 'da'
304
3.6.1 3.6.2
Verwendungen in mündlicher Kommunikation Funktionalität in gesprochener Sprache
304 313
4
ZUSAMMENFASSUNG UND PERSPEKTIVEN
4.1
4.3
Handlungs- und sprachsystematische Funktion von 'denn' und 'da' Perspektiven im Zusammenhang einer Wortartenbestimmung Perspektiven für die Hauptsatz-/Nebensatz-Diskussion
5
LITERATUR
328
6
QUELLEN
349
4.2
315 322 326
IX
Abbildungen Schema l Diagramm la Diagramm Ib Diagramm 2 Diagramm 3 Diagramm 4 Diagramm 5 Diagramm 6 Diagramm 7 Diagramm 8 Diagramm 9 Diagramm 10 Diagramm 11 Diagramm 12 Diagramm 13 Diagramm 14 Diagramm 15
Schritte des Sprechhandlungs-Verstehens Ausschnitt aus dem Beginn eines Handlungsmusters Leistung von 'denn?1 in einem Handlungsmuster Sprachtheoretisches Grundmodell P- -p 'denn' -i-'?' in einem Handlungsmuster Begründen Begründen einer Bitte Abbildung (67c) aus: Lenerz 1984,87 Abbildung (123) aus: Lenerz 1984,111 Abbildung (124) aus: Lenerz 1984,112 Abbildung (127) aus: Lenerz 1984,113 Abbildung (128) aus: Lenerz 1984,113 Abbildung (132) aus; Lenerz 1984,115 Abbildung (142) aus: Grewendorf et al. 1987,238 Abbildung (121) aus; Grewendorf et al. ebd., 231 'da' in CP Systematik von 'denn' und 'da'
36 40 41 43 45 48 68 163 164 164 165 165 166 169 170 171 321
XI
Mit diesem Band lege ich die leicht gekürzte Fassung meiner im September 198 an der Westfälischen Wilhelms-Universitat Münster eingereichten Habilitationsschrift der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen in Münster für die angenehme Zeit der Zusammenarbeit während der letzten sechs Jahre. Darüber, daß die neu begonnene Tätigkeit wieder zusammen mit meinen Hannoveraner Kolleginnen und Kollegen erfolgt, freue ich mich. Für anregende Diskussionen und Hinweise bei Vorträgen in Groningen, Hamburg, Hannover, Köln, L und und Mannheim möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Nicht zuletzt sage ich den Herausgebern meinen herzlichen Dank für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe "Linguistische Arbeiten". Münster/Hannover
1989
ι GEGENSTAND UND ZIEL DER ANALYSE 1.1 Gegenstand Zwei Ausdr cke der deutschen Gegenwartssprache stehen im Zentrum der folgenden Analysen: 'denn' und 'da'. Was zeichnet sie aus? 'denn' und 'da' geh ren zu den sprachlichen Ausdr cken, die sich gegen eine einfache Zugehensweise sperren. Sie erfordern eine besondere Art der Bedeutungsbestimmung, Als Ausdr cke, die nicht zum "Symbolfeld der Sprache" (B hler 1934} geh ren, erlauben sie keine traditionelle zeichentheoretische Darstellung, z. B. durch einfache referenz- oder rnerkmalssemantische Bestimmung. In vielen theoretischen Zusammenh ngen wird den Ausdr cken daher gar keine Eigenbedeutung, sondern lediglich eine Bedeutung als "Funktionswort" zugestanden. 'denn' und 'da' weisen des weiteren weder die f r das Deutsche typische Formcharakteristik der Flexion noch eine einfache syntaktisch-topologische Fixiertheit auf. Gleichwohl besitzen sie eine je eigene und distinktive phonologlsche Form - beispielsweise unterscheidet sich hochdeutsches 'denn' von 'dann' durch das Phonem /e/- und treten in je eigene syntaktische Formen ein. Nimmt man diese Formzusammenh nge ernst und betrachtet sie nicht als f r die Ausdr cke kontingent oder irrelevant, so ist eine andere, eine komplexere Form analyse als die flex ions bezogene Zuordnung erforderlich. Der scheinbaren Armut von Bedeutung und Formcharakteristik kontrastiert eine reiche und vielf ltige Verwendung beim sprachlichen Handeln. Auf die Vielfalt der syntaktischen Erscheinungsformen reagieren grammatische Darstellungen im allgemeinen durch die Zuweisung zu unterschiedlichen Wortarten, 'denn' gilt als Partikel oder Konjunktion (norddeutsch auch als Adverb), 'da' als Adverb, Relativum oder Konjunktion. Im Sinne der klassischen Grammatiken teilen die beiden Ausdr cke eine Funktion als ο ύ ΐ ^ δ ε σ ρ ί Ο ε * oder coniunctio. Die historische Entwicklung der Kategorien, die Theorie sprachlicher Kategorisierungen sowie die Kategorisierung einzelner Ausdr cke bilden je f r sich bereits einen Gegenstandsbereich theoretischer Reflexion und sind entsprechend reich und mit unterschiedlichem Erkenntnisinteresse und methodischem Instrumentarium in der l Die einschl gige Stelle in der Aristotelischen Poetik, Kap, 20, ist textkritisch umstritten, n mlich hinsichtlichlich des Verh ltnisses zur Kategorie des'άρθρον ('Gelenk') (cf. Steinthal 1890, I, 260ff); in der Tradition der Stoa werden beide klar getrennt und bei Dionysios Thrax ' ά ρ θ ρ ο ρ gegen ber'ayτω^υμία und σύνδεσμος gegen ber πρόθεση geschieden. Die heutigen Differenzierungen von Partikeln gegen ber Adverbien und Konjunktionen, teilweise unter der bergeordneten Kategor isierung der Inflexibilia als partioilae, sind bei L tten (1977, Kap. 1) ausf hrlich dargelegt.
Literatur behandelt worden. Die Arbeit kann so an gewonnene Erkenntnisse anknüpfen. Doch meine Hauptfragestellung ist eine andere. Die Zuweisungen lassen die Verhältnisse unbestimmt, in denen die Ausdrücke zueinander stehen. Ich möchte meine Untersuchung deshalb nicht von der Wortartenbestimmung her aufnehmen, sondern ansetzen bei den sprachlichen Ausdrücken selbst und bei ihren Funktionen für die Organisation des sprachlichen Geschehens. Das impliziert eine differenzierte Behandlung der syntaktischen ebenso wie der pragmatischen Zusammenhänge, in denen 'denn1 und 'da' systematisch auftreten. Nicht nur Formen armut im genannten Sinn und das gemeinsame funktionale Kennzeichen der Konjunktionalität führen dazu, daß in der Literatur 'denn1 und 'da' häufig zusammengebracht werden. Ihre Gemeinsamkeit wird als weitergehend angesehen, nämlich als eine logischer und/bzw. ontologischer Art: "Kausalität". Dies ist eine hochkomplexe Kategorie, die geistesgeschichtlich wie theoriegeschichtlich außerordentliches Interesse beansprucht, Kausalität als eine der drei Relationen in der Kantischen Kategorientafel, zureichender Grund und (mechanische) Kausalität bei Leibniz, Hegels dialektische Bestimmung der Einheit von Ursache und Wirkung sowie des Grundes als reale Vermittlung, Schopenhauers "vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde" sind einige richtungsweisende Behandlungen in der modernen Philosophie. Es wäre eine eigene Aufgabe, die Sedimentierungen solcherart Geistes- und Theoriegeschichte in den sprachlichen Ausdrücken, genauer: in ihren semantischen Kategorisierungsversuchen, zu rekonstruieren und die Vermittlungen zwischen wissenschaftlichem Wissen, wissenschaftlichem Alltags wissen und Alltagswissen aufzuzeigen. Insbesondere die jüngere, handlungsanalytische Philosophie im Anschluß an von Wright (z, B. 1974) stellt die Kategorie der Kausalität in Zusammenhängen von "Erklären und Verstehen" dar, welche in engem Wechselverhältnis zu sprachwissenschaftlicher Handlungsanalyse zu sehen sind. Die philosophische Diskussion bezieht sich gleichwohl auf ein sehr viel abstrakteres Niveau, so daß sie nicht unmittelbar für die Analyse einzelner Ausdrucksmittel einschlägig werden kann. "Kausalität" geht in die folgende Analyse vielmehr in komplexer Vermittlung ein. Der "kategoriale Wert" (Boettcher & Sitta 1972, 18) wird keineswegs als selbstverständlich unterstellt. Vielmehr will ich zunächst unabhängig davon die Leistung von 'denn' und 'da' beim sprachlichen Handeln untersuchen. Erst rückblickend, von der funktionalen Detailanalyse der Ausdrücke her, kann dann auch nach der Triftigkeit der Kategorisierung gefragt werden. Diese analytische Suspendierung einer "kausalen" Vorkategorisierung ist sachlich begründet: Gegenüber dem "einfacheren" Ausdruck 'weil' scheinen 'denn1 und 'da1 durch eine besondere Charakteristik ausgezeichnet zu sein. Das drückt sich in der Literatur zu den "Konjunktionen" etwa durch Versuche differenzierterer Kategorienzuweisungen im Sinne ontologischer, logischer
oder moralischer Kausalität aus, aber auch in unterschiedlichen Stileinschätzungen oder Differenzierungen zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. In gleicher Weise möchte ich gegenüber allzu schnellen Homonymie-Setzungen von 'denn' und 'da' als "Partikel" bzw. "Adverb" einerseits und als "Konjunktion" andererseits Zurückhaltung üben. Meine Frage ist vielmehr, ob sich im Laufe der Analyse Gemeinsamkeiten in den differierenden Verwendungen erkennen lassen, die über eine Gleichheit der Wortform ebenso hinausgehen wie über die Annahme einer semantischen Polyfunktionalität.2 Wenn dem so ist, ist die Systematik aufzuweisen, nach der die Ausdrücke vielfältige, aber doch auch nicht beliebige Verwendung finden können.
1.2 Theoretischer und methodischer Kontext Meine Analyse der Ausdrücke 'denn' und 'da' setzt bei der sprachlichen Oberfläche an. Darin zeigt sich zunächst eine enge Berührung zu Interaktionstheorie und Konversationsanalyse. Formale Strukturen der Interaktion, wie sie in deren Konkretion sichtbar werden, sind dort der zentrale Untersuchungsgegenstand. Sprachliche Ausdrücke, zu denen auch 'denn' und 'da' gezählt werden können - oft allgemein als Partikeln bezeichnet -, werden darin mit Blick auf die Strukturen von Interaktion behandelt und wesentlich als Mittel der Gliederung bestimmt. Eine der ersten derartigen empirischen Korpusanalysen war die Arbeit von Gülich (1970) zum Französischen. Inzwischen kann auf vielfältige Fortsetzungen textstruktureller Untersuchungen zurückgegriffen werden, wenngleich nicht speziell zu 'denn' und 'da'. Die Strukturbestimmung, die in dem Terminus "Gliederungssignale" aufgenommen worden ist, kann, bezogen auf die einzelnen Ausdrücke, als eine "Makrostruktur" bestimmt werden. Die vorliegende Analyse hat die Aufgabe, nicht allein die Makrostruktur als Bestimmungsmoment für die Ausdrücke zu betrachten, sondern insbesondere die Feinstruktur oder besser: die innere Struktur der Ausdrucksmittel darzustellen. Ich untersuche die Ausdrücke selbst. Dies soll in doppelter Weise geschehen. An sprachlichen Ausdrücken kann man eine "innere" und eine "äußere Struktur" unterscheiden. Die "äußere Struktur" wird - im engeren Sinne - durch diejenigen Formen gebildet, die die Ausdrücke konstituieren oder die sich an ihnen konkretisieren. Für 'denn' und 'da' bilden phonologische und intonatorische Formen ihre jeweilige äußere Struktur; morphologische Formungen erfahren diese beiden Ausdrücke nicht. Die syntaktischen Formen, in die sprachliche Ausdrücke eintreten, lassen sich als deren äußere Struktur im weiteren Sinne auffassen, 'denn' und 'da' weisen, wie ich darlegen möchte, in diesem Sinne eine komplexe äußere Struktur auf. 2 Zuletzt hat Heringer exemplarisch für die Bedeutungsbestimmung von Partikeln Kritik an polysemantisehen Darstellungen geübt und "das Prinzip der Einheitlichkeit" 0988a, 731) geltend gemacht.
Von der "inneren Struktur" eines sprachlichen Ausdrucks spreche ich, indem ich die Analyse der inneren Struktur von Sprechhandlungen als eine durch Zwecke konstituierte Handlungsform auch für lexikalische Sprachformen aufgreife. Sprachliche Ausdrücke haben beim sprachlichen Handeln bestimmte Funktionen oder Zwecke zu erfüllen. Das bedeutet, daß als Semantik sprachlicher Ausdrücke deren jeweilige Funktionen rekonstruiert werden müssen. Die einzelnen Bestimmungsmomente dieser Funktionen fügen sich zur Zweckcharakteristik des Ausdrucks zusammen und bilden seine innere Struktur. Beispielsweise ist die Gliederungsfunktion im Hinblick auf eine Makrostruktur, wie sie in der Konversationsanalyse als Bedeutung von bestimmten Ausdrücken, eben den Gliederungssignalen, erfaßt wurde, eine Wirkung ihrer inneren Struktur. Durch eine detaillierte Rekonstruktion der Zweckcharakteristik von 'denn' und 'da' sowie der Formen, mittels derer sie realisiert wird, will ich versuchen, unter anderem die "gliedernde" Wirkung auch dieser beiden Ausdrücke zu verstehen und zu erklären. Ich greife die Ergebnisse der Konversationsanalyse insofern auf und nehme durch meine handlungstheoretische Herangehensweise zugleich eine dazu komplementäre Analyse vor, Mit der Differenzierung einer äußeren und einer inneren Struktur von sprachlichen Ausdrücken nehme ich des weiteren eine Problematik auf, die in der Linguistik vielfältige Beachtung gefunden hat. 3 In der strukturalistischen Sprachkonzeption von de Saussure kommt sie als Unterscheidung von "Lautbild" und "Vorstellung" (nach der deutschen Übersetzung von Lommel 1931) eines sprachlichen Zeichens zur Darstellung. Im Anschluß daran und in Übereinstimmung mit der Tradition der Sprachinhaltsforschung untersucht beispielsweise Stötzel (1970) "Ausdrucksseite und Inhaltsseite der Sprache" am Beispiel deutscher Reflexivverben. Die darin enthaltene Metapher von "außen" und "innen" wird beibehalten. Zugleich nehme ich die Saussuresche Konzeption in einer Rezeptionsweise auf, wie sie vor allem durch Jäger (1975) vertreten wird, nämlich in einer psychologischen. Die innere Struktur sprachlicher Ausdrücke ist in psychologischen Kategorien zu erfassen. Allerdings ist sie meines Brach tens nicht eine Qualitas der Ausdrücke als Zeichen,, wie es sich in der Semiotik de Saussures darstellt. Vielmehr kann die innere Struktur sprachlicher Ausdrücke aus dem sprachlichen Handeln von Sprecher und Hörer erklärt werden. Sie besteht in den sprachpsychologischen Prozessen, zu deren Vollzug ein Ausdruck den Sprechern als Mittel dient.4 Im Vollzug der ausdrucksspezifischen psychologischen Prozesse durch die Hörer wird die Zweckcharakteristik des jeweiligen Mittels aktual. 3 Eine Darstellung der wesentlichen Konzeptionen zur "inneren Form" und zum Verhältnis von Bedeutungsanalyse und Grammatik in der sprachpsychologischen Tradition des vorigen Jahrhunderts findet sich zuletzt in Knobloch (1988). "* In diesem Sinne spreche ich von der inneren Struktur zugleich als von der funktionalen Struktur oder auch der inneren Systematik der Ausdrücke.
Die Aufgabe für eine handlungstheoretische Bestimmung der inneren Struktur von 'denn' und 'da' läßt sich jetzt genauer formulieren: Es müssen systematisch die spezifischen sprachpsychologischen Prozesse rekonstruiert werden, zu deren Vollzug die beiden Ausdrücke als Mittel dienen. Diese weitergehende Rekonstruktion psychologischer Prozesse unterscheidet die handlungstheoretische Bedeurungsbestimmung auch vom Konzept der Bedeutung als "Potential möglicher Deutungen", wie es etwa Heringer (1988a, 731} im Anschluß an Wittgensteins Gebrauchstheorie der Bedeutung für Partikeln ausführt. Die Metapher des Potentials attribuiert dem Zeichen selbst ein Maß an Vermögen oder Kraft. Der Sprecher kommt erst vermittelt über das sprachphilosophische Konzept des "Meinens", der Hörer über das der "Deutung" zur Geltung. Damit wird unter Wahrung einer zeichentheoretischen Grundauffassung eine funktionale Betrachtung angefügt die - hierin der Interaktionstheorie vergleichbar - im individuellen und vereinzelten Gebrauch mit einer je einzelnen Deutung^ verbleibt. Sprachliche Ausdrücke sind - handlungstheoretisch betrachtet - Mittel zur Realisierung von Zwecken. Als solche sind sie nicht einfach vorfindlich, sondern im Laufe historisch-gesellschaftlicher Entwicklungen ausgebildet. Wiederkehrende Ausdrucksbedürfnisse in repetitiven Situationen des sprachlichen Handelns haben zu ihrer routinisierten Anwendung als zweckmäßige Ausdrucksmittel geführt. Dieser Prozeß ist im sprachlichen Mittel gleichsam geronnen, Das jeweilige Zweck-MittelVerhältnis wird beim Spracherwerb als gesellschaftliches Wissen tradiert und ontogenetisch angeeignet. Eine Antwort auf die Frage nach der inneren Struktur von 'denn1 und 'da' zu finden, bedeutet, jenen Prozeß bzw. dieses sprachliche Wissen zu rekonstruieren. Ich werde sowohl die innere Struktur der sprachlichen Ausdrücke 'denn' und 'da' als auch deren äußere Struktur im engeren und weiteren Sinn untersuchen. (Traditionell ausgedrückt behandle ich also die Semantik und Grammatik von 'denn' und 'da'.) Mit diesen beiden Untersuchungsdimensionen ist jedoch erst ein Gang der Analyse gekennzeichnet. Ich habe seinen Ansatz zu Beginn dieses Abschnitts als sprachliche Oberfläche beschrieben. Mit Bezug darauf läßt sich formulieren, daß durch die Analyse von innerer und äußerer Ausdrucksstrukrur begrifflich von der sprachlichen Oberfläche zu einer anderen Struktur voranzuschreiten ist, die man als eine "Tiefenstruktur" bezeichnen kann, Es verbleibt die Aufgabe, von der Tiefenstruktur wieder zurück an die sprachliche Oberfläche zu treten und sie nunmehr im Lichte der funktionalen Begriffe ihrerseits zu untersuchen. Im analytischen Folgeschritt muß also die Wirksamkeit der Tiefenstruktur im Konkreten präzise erklärt werden. Die Zweck5 Sozialgeschichtlich hat das Deuten einen exzeptionellen Charakter. Es war in der Antike einer bestimmten gesellschaftlichen Kaste vorbehalten, die aufgrund ihres besonderen, expertenhaften Wissens Unverständliches auslegen und in dieser Auslegung oder Deutung verbindlich machen konnte; in der modernen Gesellschaft gehört das Deuten in den institutionellen Zusammenhang der Psychoanalyse (cf. dazu Flader & Grodzicki 1982; Ehlich im Druck).
Charakteristik der Ausdrücke ist in ihren systematischen Vermittlungen mit der Zweckcharakteristik der konkreten Diskurse und Texte aufzuzeigen, (Diese Dimension läßt sich traditionell als die Analyse der Pragmatik von Ausdrücken bezeichnen.) Eine solche Rekonstruktion führt also vom Besonderen zum Allgemeinen. Das Besondere ist jedoch unterschieden vom Einzelnen und Individuellen, Nicht der Akt der Wahl geeigneter Mittel in der einzelnen Handlungssituation, den individuelle Sprecher, gemessen an ihren individuellen Handlungszielen und ihrer jeweiligen konkreten Handlungskonstellation, vollziehen, auch nicht ihre vereinzelten Intentionen interessieren hier primär (anders als z. B. im Zusammenhang individualpsychologischer Fragen). Vielmehr geht es darum aufzuweisen, daß und wie Sprecher solche Wahlen treffen und verläßlich kommunikativ handeln können, und zwar auf der Grundlage davon, daß entsprechende Mittel entwickelt sind und sie so deren je neuer Herstellung oder individuellen Aushandlung entheben. Der systematisch wie historisch-gesellschaftlich vor solchen individuellen Wahlen liegende Prozeß ist zu rekonstruieren, wie er nunmehr als sprachliches Wissen der Aktanten vorliegt. Insofern werden keine Bewußtseinsprozesse individueller Aktanten oder Rationalitätseinschätzungen ihres Handelns dargelegt. Auszugehen hat eine solche Rekonstruktion freilich von der empirischen Verwendung der Ausdrücke, d, h. von deren konkreter Wirksamkeit im Diskurs und im Text. Die hauptsächliche Schwierigkeit für die Durchführung einer derart dialektisch angelegten und auf die Komplexität eines sprachlichen Ausdrucks sich einlassenden Analyseaufgabe ist, wie bereits deutlich geworden sein dürfte, eine kategoriale. Welche Kategorien sind für eine solche Analyse geeignet? Die Auffassung von sprachlichen Ausdrücken als "Mitteln" zu "Zwecken" ist bereits Teil einer Theorie des sprachlichen Handelns, Die Handlungsqualität von Sprache wird nicht obsolet, sobald der Blick sich von den Formen des sprachlichen Handelns hin auf die im Ausdruck abgebundene innere Struktur richtet - wie in vielen Analysen offenbar mehr oder minder selbstverständlich unterstellt zu werden scheint. Vielmehr ist gerade sie handlungstheoretisch zu "verflüssigen". Es ist also eine handlungstheoretische Rekonstruktion des Konkreten im Begriff zu leisten. Für die Bearbeitung einer solchen Aufgabe verwende ich eine Reihe von Kategorien, die in den letzten Jahren in der "linguistischen Pragmatik" entwickelt worden sind. Dazu gehört insbesondere die Kategorie des Handlungsmusters6, deren wesentliche Bestimmtheit, nämlich die innere Systematik, über die Kategorie des Zwecks vermittelt ist. Dazu gehören des weiteren Kategorien für mentale Handlungen und Prozesse, die Unterscheidung von Wissenstypen und von sprachlichen Einheiten wie Diskurs, Text, Handlung, Akt und Prozedur7. Diese Kategorien sind in kritischer Weiterentwicklung der sprecherbezogenen Analyse isolierter "Akte" in der Sprech6 7
siehe Rehbein (1977), Ehlich & Rehbein 0986) sieheEhlich{1986a)
akttheorie sowie der ihrem Anspruch nach weithin antipsychologischen und individual-soziologischen "conversational analysis" zu verstehen. Die linguistikgeschichtlichen Wurzeln liegen hingegen viel weiter zurück, nämlich bei einer Sprachwissenschaft vor der Ablösung von der Psychologie, wie sie sich etwa bei Wegener (1885) findet.® Eine Reihe grundlegender Konzeptionen sind von den Sprachtheorien des Philosophen Austin und des Psychologen Bühler sowie von den eher aphoristischen "Philosophischen Untersuchungen" Wittgensteins ausgegangen. Eine wichtige Frage bei der Ausdrucksanalyse betrifft den handlungstheoretischen Status dieser Mittel. Bilden sie Mittel zum Vollzug von Akten, wie dies im Rahmen des Französischen etwa von Ducrot und der Genfer Schule angenommen wird, oder sind sie von systematisch einfacherer Qualität? Diese Frage ist gekoppelt an den Status der Ausdrücke im Sprachsystem. Eingangs (in §1.1) wurde bereits darauf hingewiesen, daß 'denn' und 'da' nicht dem "Symbolfeld" von Sprache angehören. Diese Aussage nahm Bühlers sprachtheoretisches Konzept des "sprachlichen Feldes" auf. Bühler scheidet bekanntlich zwei Felder, nämlich das "Symbolfeld" und das "Zeigfeld". Mit dieser Unterscheidung ist m. E. ein wesentlicher Schritt in Richtung auf eine handlungssystematische Analyse des sprachlichen Ausdrucksrepertoires getan. Ich nehme also die Begrifflichkeit des sprachlichen Feldes terminologisch auf. Es wird zu untersuchen sein, welchen systematischen Stellenwert 'denn' und 'da' in bezug auf die sprachlichen Felder haben und wie sich daraus die Erfüllung spezifischer Funktionen beim sprachlichen Handeln ergibt. Es kann also nicht um eine bloße Zuweisung zu diesem oder jenem "Feld" gehen. Vielmehr ist es erforderlich, Feldcharakteristiken selbst zu rekonstruieren. Von da aus ist mit geeigneten Methoden die funktionale Spezifik herauszufinden, die das besondere sprachliche Ausdrucksmittel auszeichnet, eben seine besondere innere Funktions- oder Zweckstruktur, Es wurde gesagt, daß 'denn' und 'da' eine Vielfalt von Verwendungszusammenhängen und Erscheinungsformen auf weisen. Das bedeutet, daß man es nicht nur mit den Ausdrücken selbst zu tun haben wird. Nicht allein ihre "Ausdrucksseite", d. h. ihre eigene sprachliche Form als äußere Struktur im engeren Sinne, bedarf einer Untersuchung - um z, B. die Differenz von 'denn' und 'dann' erfassen zu können -, sondern zudem ihre syntagmatische Formcharakteristik, d. h. ihre äußere Struktur im weiteren Sinne. Auch diese traditionell als reine Formanalyse aufgefaßte Untersuchungsdimension kann, als Analyse der äußeren Struktur der Ausdrücke, unter dem Gesichtspunkt des Zwecks durchgeführt werden. Das spezifische Kennzeichen der in dieser Untersuchung vorgelegten Methode besteht also darin, daß auch die Formanalyse funktional erfolgt und sich handlungs theoretischer wie sprachpsychologi8
Knobloch (1988) zeigt die linguistikgeschichUiche Entwicklung und einige ihrer inhaltlichen Folgen bis zu Beginn dieses Jahrhunderts auf; in seiner Arbeit zur Problemgeschichte (1984) sind wichtige Vorleistungen dazu erbracht.
scher Kategorien - etwa Prozedur, "Neufokussierung von Aufmerksamkeit" und "propositionale Bearbeitung" - bedient. Die syntaktischen Strukturen, in die 'denn' und 'da' eintreten, werden so ihrerseits als Kombination von sprachlichen Mitteln aufgefaßt, und ihre Spezifik wird durch die Analyse des Zusammenwirkens der jeweils durch diese Mittel vollzogenen Zwecke bzw. Funkh'onen dargestellt. Deshalb müssen mit der Untersuchung der äußeren Struktur von 'denn' und 'da' zugleich funktionale Bestimmungen anderer grammatischer Mittel vorgenommen werden. Die Betrachtung richtet sich so auf syntaktische Mittel (z. B. Frageform, Verb-Endstellung) - ich spreche dabei von Form-Mitteln von Sprache im engeren Sinn -, auf topologische Mittel (z. B, Voranstellung, Vorfeld- oder Mittelfeldpositionierung von 'denn' und 'da') und intonatorische (z. B. Frageintonation, Exklamation) sowie phonologische Mittel (z. B, die Opposition von /a/ und /e/ in der Distribution von /d/ /n/). Im Verhältnis zu diesen Mitteln bezeichne ich 'denn' und 'da' als "lexikalische (Ausdrucks-)Mittel" oder, falls der Kontext eindeutig ist, auch schlicht als "Ausdrucksmittel". Die jeweiligen Eigenheiten dieser unterschiedlichen sprachlichen Mittel ebenso wie ihr Zusammenspiel beim konkreten sprachlichen Handeln sind im einzelnen funktional zu erfassen. Diese komplexe Funktionsanalyse der Formzusammenhänge hat eine doppelte Aufgabe. Sie soll einen Beitrag leisten zu der Frage der Einheitlichkeit der Ausdrücke in den unterschiedlichen Erscheinungsformen. Sie soll femer die Möglichkeit bieten, das Wechselverhältnis oder die gegenseitige Bedingtheit von äußerer und innerer Ausdrucksstrukrur von 'denn' und 'da' durch eine ganzheitlich funktionale Betrachtung darzustellen, um so schließlich eine Erklärung ihrer Pragmatik zu erlauben. Ich werde mithin im Wechselverhältnis zur funktionalen Analyse der inneren Struktur von 'denn' und 'da', d. h. zur Inhalts-Funktionsanalyse, eine detaillierte Form-Funktionsanalyse vornehmen, bei der die Differenz der formalen Mittel ernst genommen wird. Durch die handlungstheoretische Herangehensweise wird verdeutlicht, daß bzw. wie genau durch das Zusammenwirken der typologisch unterschiedlichen Mittel sprachliches Handeln mit Blick auf die thematisierten Ausdrücke sich vollzieht. Es bilden nicht etwa Morphologie und Syntax sowie Intonation die Formseite von Sprache oder die (sprachliche) Form schlechthin, während die Semantik oder Pragmatik die Funktionsseite von Sprache oder die (sprachliche) Funktion schlechthin darstellten. Die Opposition von Form und Funktion ist vielmehr als dialektische zu fassen, die unabhängig ist von den Dimensionen der Sprache. So sind syntaktische Formen ebenso funktional 9, wie pragmatische Funktionen Formen auf weisen. In diesem Sinne sind "Form" und "Funktion" in den sprechhandlungstheore tischen Kategorien "Mittel" und "Zweck" (s. Rehbein 1977; Ehlich & Rehbein 1979; Ehlich 1981) aufgehoben. Die Form-Mittel im engeren Sinne, d. h. syntaktische Formen oder syntaktische Einheiten, bilden nicht einfach den selbstverständlichen Ausgangspunkt einer ' Eine sehr instruktive Reflexion der Form-Funktions-Probtematik mit Blick auf die Grammatik findet sich im Einleitungskapitel von Eisenberg (1986, Kap. 1,2).
Sprachanalyse, sondern sind ihrerseits in ihrer Zweckcharakteristik zu bestimmen. Mit Ehlich (1981) wird zwischen "sprachinternen1' und "sprachexternen Zwecken" und ihren jeweiligen Mitteln differenziert. Die Gesamtausführung der handlungstheoretischen Sprachanalyse für beide Zweckbereiche ist noch zu leisten, wenngleich insbesondere Ehlich mit seinen Arbeiten zur Deixis (1979) und zu den Interjektionen (1986) Theorie wie konkrete Analyse bereits für zwei sprachliche Felder und darin für den systematischen Zusammenhang jeweils beider Zweckbereiche ausgeführt hat. Die vorliegende Arbeit ist als weiterer Beitrag zu einer solchen Handlungstheorie von Sprache konzipiert, der von einem Formenbestandteil - exemplarisch von zwei sprachlichen Ausdrucksmitteln - ausgeht und dessen Feldcharakteristik sowie dessen sprachexterne wie sprachinterne Zwecke zu rekonstruieren sucht. Die Rekonstruktion sprachinterner Zwecke impliziert ein Grammatikverständnis, das als "funktionale Grammatik" bezeichnet werden kann. Eine solche Grammatik des Deutschen liegt, wie gesagt, noch nicht in ausgearbeiteter Weise vor. Allerdings ist die Handlungsanalyse auch mit Blick auf sprachliche Formen10 inzwischen so weit vorangetrieben, daß eine theoretisch einheitliche Darstellung von Grammatik und sprachlichem Handeln geleistet werden kann, ohne sich in den Aporien additiver Modelle zu verlieren, wie dies zu Beginn der siebziger Jahre nicht selten war. Die "Handlungstheorie von Sprache" meint tatsächlich eine Theorie von Sprache, die sich auf deren Komplexität einläßt, und nicht eine "Konzeption" oder einen "Ansatz" für die Behandlung des Sprachgebrauchs oder der Sprach Verwendung. Kennzeichnend für eine handlungstheoretische Formanalyse, wie sie auch in der vorliegenden Arbeit verfolgt wird, ist der integrale theoretische Stellenwert von Grammatik. Das bedeutet nicht, daß eine "Pragmatisierung grammatischer Sach verhalte" vorgenommen werden soll (Reis 1987,144). Vielmehr geht es darum, ein Konzept zu entwickeln, in dem Grammatik und Pragmatik "integriert" sind. Die von Reis geprägten Formulierungen wechselseitiger Kritik - "Gramrnatisierung pragmatischer Sach verhalte" (Reis 1987, 143) bezeichne danach den Gegen vor wurf der "Pragmatiker"11 - präsupponieren, daß jeweils Pragmatik und Grammatik als getrennte, autonome Komponenten, d. h. als "Module" im Sinne der neueren Chomsky-Konzeption, betrachtet werden, wobei einmal die Grammatik als Komponente zur Pragmatik und ein andermal die Prag10
In der Pragmatik widmete man sich zunächst besonders den "illokutiven Kräften" und "perlokutiven Effekten" im Sinne von Austin, also dem sprachexternen Zweckbereich Ehlichs, im Selbstverstandnis einer Funktionsanalyse; die geeigneten Mittel gelangten zumeist nur als BedingungsKataloge gemäß Searle oder als Taxonomien von "Realisierungsformen" (z. B, Hindelang 1978 für Aufforderungen) in den Blick. Sprachinterne Zwecke - traditionelle syntaktische Funktionen oder Formen - und zu ihrer Realisierung geeignete Mittel - klassische grammatische Formen - blieben lediglich Inder Tradition des Prager Funktionalismus Untersuchungsgegenstand eines - inhaltlich gesehen - pragmatischen und grammatischen Zusammenhangs. 11 Reis zitiert meine Kritik an den "Grundzugen einer deutschen Grammatik" als Beispiel dafür, trifft damit aber keineswegs meinen Punkt.
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matik als Komponente zur Grammatik hinzugefügt werde. In einer Handlungstheorie von Sprache soll im Gegenteil die in der Aufspaltung der beiden Begriffe bereits unterstellte Dichotomie überwunden werden, auf deren Basis "Pragmatisierung" oder "Gramrnatisierung" sich überhaupt als Alternative stellen. So ist nicht allein "das fatale Vorbild der Aufschichtung Syntax - Semantik - Pragmatik in der Linguistik" als "verkehrte Reihenfolge" zu erkennen (Boettcher & Sitta 1978, 30), sondern auch die Umkehrung (Pragmatik - Semantik - Syntax) kritisch zu betrachten. Die komponentielle Aufteilung bliebe nämlich auch dabei erhalten. Es würde mithin eine additive Sichtweise perpetuiert, die der semiotischen Sprachtheorie seit ihrer pragmatistischen Fassung (Peirce; Morris) immanent ist. Sprachliche Formen funktional zu untersuchen heißt, im Wege der analytischen Scheidung der Mittel und der ihnen eigenen Funktionen (Zwecke) gerade das Ganze als Funktionseinheit zu erkennen. In der bisherigen Forschungsgeschichte ist demgegenüber häufig bloß das eine durch das andere ersetzt worden, statt Syntax Pragmatik oder umgekehrt statt Pragmatik (wieder) Syntax betrieben worden. Die Hnguistikgeschichtliche Entwicklung hat allerdings dazu geführt, daß Pragmatik - und sei es schließlich im alltagssprachlichen Sinne des Praktischen oder der Anwendbarkeit - nicht mehr gänzlich aus der Sprachanalyse auszuschließen ist. So wird auch in Syntaxanalysen mit Formen gerechnet, die "lediglich" durch ihre pragmatische Funktion, d. h. ihre Funktionalität in der Sprachverwendung, zu klären sind bei Aufrechterhaltung der beschriebenen Komponentialisierung. Wissenschaftsgeschichtlich scheint mir die gegenwärtige Situation geradezu durch ein gewisses Paradox gekennzeichnet zu sein: Mit der Abwendung von der Pragmatik (meist sprech akttheoretisch er Provenienz) scheint nämlich eine Konjunkturbelebung von funktionalen Grammatiken einzusetzen, gleichgültig, ob sie sich als solche bezeichnen oder nicht. Explizit funktionale Grammatiken liegen in Form verschiedener neuerer Theorien vor. Zu nennen sind etwa die "Functional Grammar" von Dik (1978/ rev, 19813) und seiner Gruppe, die "Functional-typological Syntax" Givons (1979; 1984), die "Functional Grammar" von Halliday (1985) sowie die "Vergleichende Grammatik Französisch-Deutsch" von Zemb (1978) neben funktional angelegten Gebrauchsgrammatiken von Einzelsprachen wie der "Textgrammatik der französischen Sprache" von Weinrich (1982) oder "A comprehensive grammar of the English language" von Quirk, Greenbaum, Leech, Svartvik (1985); für das Deutsche ist beim Institut für deutsche Sprache eine funktionale Grammatik in Arbeit (cf, Zifonun 1986), Dennoch erschöpft sich der Bezug auf "das Funktionale" häufig in allgemeinen Zielsetzungen, in einer prädikatenlogischen Funktions-Argument-Darstellung oder der selbstverständlichen Handhabung überkommener funktionaler Kategorien aus unterschiedlichen theoretischen Zusammenhängen - nicht zuletzt aus dem Prager Funktionalismus -, ohne daß eine systematische Theorie der sprachlichen Funktionen rekonstruiert ist, wie dies erforderlich wäre. Zweifellos sind in den funktionalen Gramma-
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tiken viele Phänomene neu in den Blick gerückt oder überhaupt erst grammatischer Betrachtung zugänglich gemacht worden. Für unsere Frage nach der Leistung der Ausdrücke 'denn' und 'da' ist man in diesen Grammatiken gleichwohl an die mehr oder minder traditionellen Vorkategorisierungen durch Wortarten, semantische Relationen und Strukturverhältnisse zurückverwiesen. Ich will deshalb den Versuch machen, mit der Ausdrucksanalyse von 'denn' und 'da' zugleich eine handlungstheoretische Bestimmung derjenigen Form-Mittel zu geben, mit denen zusammen sich m. E. die Gesamtleistung beim sprachlichen Handeln erst klären läßt. Die Untersuchung hat also - sozusagen neben und in der Bearbeitung der Einzelphänomene - die Aufgabe, phänomenbezogen eine handlungstheoretische Aufschlüsselung grammatischer Charakterisüka anzustreben. Im Verhältnis zu den soeben angeführten funktionalen Grammatiken spreche ich von der grammatischen Theorie im Rahmen einer Handlungstheorie von Sprache - mit dem oben beschriebenen Verständnis von Formen und Funktionen als Mittel und Zwecke - terminologisch als von einer "funktional-pragmatischen Grammatiktheorie".12 Die folgenden Analysen zu 'denn' und 'da' verstehen sich demnach als ein konkreter Beitrag zum Ausbau der funktional-pragmatischen Grammatiktheorie. Das bedeutet zugleich, daß Literatur aus syntaktischen, semantischen und pragmatischen Bereichen unterschiedlicher Provenienz zu berücksichtigen und deren jeweilige Erkenntnisse herauszuarbeiten sind. Angesichts der Fülle von Literatur auf all diesen Gebieten bleibt freilich oft keine andere Wahl, als eine - hoffentlich die zentralen Positionen und Auffassungen erfassende - Auswahl zu treffen und eine zuweilen stark zusammenfassende Argumentation zu führen. Leitend bleiben stets die Fragen nach der inneren Systematik der in 'denn' und 'da' abgebundenen Zwecke, nach ihrer Wirksamkeit zusammen mit anderen sprachlichen Mitteln, der Typik ihrer Wirksamkeit in bestimmten Text- oder Diskursarten und der sprachtheoretischen Systematik der Ausdrücke. In den Wörterbüchern sind 'denn' - meist irn Verhältnis zu 'dann' - und 'da' gut belegt.13 Der Forschungsstand zu den beiden Ausdrücken selbst ist recht heterogen. Die letzten größeren Korpusuntersuchungen an schriftlichen Texten - außerhalb rein historisch-philologischer Analysen - erstellten für die "kausalen Konjunktionen" Arndt (1956) und Härtung (1961). Ihre seman tischen Bestimmungen werden in Ent12 Das Attribut "funktional-pragmatisch" greift zugleich ein methodisches Moment auf, das für den Bereich sprachextemer Zwecke bereits als solches eingeführt ist. Derm ein nicht allein oberflächenbezogenes Verständnis von Pragmatik verlangt eine Rekonstruktion der Handlungsstrukturen aus der konkreten Empirie, jedoch nicht deskriptiv oder taxonomisch an ihr haftend, sondern begrifflich ihre funktionale Systematik erklärend. 13 Einige charakteristische Eintragungen finden sich bei Wolski (1986), der exemplarisch für Partikeln eine ausgezeichnete, kritische Untersuchung lexikographi scher Verfahren und Fragestellungen vorlegt. Derartige Probleme bleiben in dieser Arbeit außerhalb der Betrachtung.
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sprechung zum damaligen allgemeinen grammatischen Fragehorizont vorgenommen und führen zum Teil darüber hinaus. Arndt geht es mehr um die historische Verschiebung, Härtung besonders um die Kausalbeziehungen, ihre Typologie und ihre Merkmalscharakteristik in den Ausdrücken. In der Partikelforschung ist die empirische Betrachtung von Mündlichkeit durch eher sprechaktsemantische oder konversations- bzw. gesprächsanalytische Ansätze stärker ausgeprägt; so bezieht sich die Monographie von Lütten (1977) auf das Freiburger Korpus. Die Untersuchungen sind im allgemeinen nach den Wortarten getrennt und nicht auf eine einheitliche handlungstheoretische Analyse angelegt. Textstrukturell argumentieren besonders Harweg (1972) und Rudolph (1980). Neuere semantische Analysen im kausalen Ausdrucksbereich bilden vor allem die logisch-semantischen Arbeiten von Lang (1976; 1977), Pasch (1983) und Doherty (1985) sowie - illokutionssemantisch - die von Rosengren (1987). Sie stehen in einem größeren, gemeinsamen theoretischen Zusammenhang. Mein Vorhaben, 'denn' und 'da' durch die verschiedenen syntaktischen Umgebungen hindurch zu verfolgen, wird auch eine Zusammenschau der jeweiligen Einsichten der zitierten Arbeiten anstreben. Im Falle von 'da' sind Analysen zum "deiktischen Adverb" oder "Pronominaladverb", besonders mit Blick auf deren einfache Vorkommen, hinzuzuziehen. Zum - archaisierenden, gleichwohl literarisch noch frequenten - Relativum sind mir keine Detailanalysen bekannt, so daß ich hier ganz auf die eigene Darstellung angewiesen bin. Meine Untersuchung gilt 'denn' und 'da1 in der Gegenwartssprache. Dennoch läßt es eine systematische Betrachtung des jeweiligen Spektrums der Formzusammenhänge sinnvoll erscheinen, zumindest kurz auf entwicklungsgeschichtliche Wege zurückgreifen. Ich werde das an jeweils geeigneten Stellen der Analyse tun. Man wird für die Ausdrücke 'denn' und 'da' an den "zusammengesetzten Satz" (Boettcher 1972) wie über die Satzgrenzen hinaus verwiesen, mindestens in das Gebiet des "höheren Satzbaus" (Sitta 1971,4), allgemeiner auf die "Ebene der Verknüpfung" (Eroms 1980, 79) hin zu dem, was in Kritik der satzzentrierten Grammatik "Text" genannt wird (z. B. Weinrich 1972)14. Es wird zu zeigen sein, in welcher Weise die beiden Ausdrücke 'denn' und 'da' an der sprachlichen Organisation komplexer Handlungsformen beim Verständigungshandeln zwischen Sprecher und Hörer beteiligt sind, nicht zuletzt an der Bearbeitung von Wissen, Verstehen und Erwartungen. Eine handlungsanalytische Rekonstruktion hat von der Wirklichkeit des sprachlichen Handelns auszugehen. Sie ist insofern notwendig empirisch. Dies erfordert, daß man sich auf die konkreten Phänomene einläßt, ohne in ihrer Fülle "zu ertrinken" und sich in der Beobachtung von Anwendungsbereichen zu verlieren. Ich werde deshalb die Darstellung in einem methodischen Wechsel von empirischer Analyse und theore" Eine neue Diskussion der "kommunikativen Einheiten in der Grammatik" wirft Zifonun (1987) auf.
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tischer Rekonstruktion entfalten. Dabei stehen die Analysen von 'denn' einerseits und von 'da1 andererseits wiederum in einem methodisch-exemplarischen Verhältnis zueinander. Ich folge einer Verfahrensweise, in der die Beispiele aus konkretem, empirischem Materiall5 nicht nur Belegfunktion haben, sondern das konkrete Material sind, das für die Gewinnung der Kategorien in gleicher Weise die Grundlage bildet, wie diese Kategorien an der Analyse der Beispiele bewährt werden müssen. Insofern werde ich nicht empiristisch verfahren (also nicht etwa in Form von Thesen und quantifizierenden Analysen vorgehen), aber auch nicht rein intuitionistisch argumentieren. Die Verfahrensweise ist vielmehr kombiniert empirisch und theoretisch und versteht sich darin als hermeneutische. Sie findet ihren Niederschlag in einem empirisch entwickelnden Darstellungsverfahren.
.3 Aufbau der Arbeit Grammatiktheoretische und pragmatische Orientierung der Analyse durchdringen sich auch in meiner Darstellung. Insgesamt wähle ich für die beiden Ausdrücke eine gegenläufige Darstellungsmodalität. Während für 'denn1 auf ein breiteres semantisches und handlungstheoretisches Vorwissen zurückgegriffen werden kann und ich deshalb mehr inhaltlich entwickelnd vorgehe, organisiere ich die Darstellung von 'da' stärker phänographisch, d, h. von den grammatischen Formen und den empirischen Vorkommen ausgehend. Insofern versteht sich besonders diese Darstellungsform als exemplarisch einerseits für die Gewinnung grammatiktheoretischer Kategorien durch die funktional-pragmatische Syntax-Analyse und andererseits für das Herausarbeiten der allgemeinen Bestimmungen aus dem konkreten Sprachmaterial im Wechsel zu theoretischen Kenntnissen und Reflexionen. Dies ermöglicht es dem Leser, den Gang der Forschung in der Darstellung ein Stück weit mitzuvollziehen. Die Arbeit beginnt mit dem gegenüber 'da' (§3) syntaktisch weniger komplexen Ausdruck 'denn1 (§2). Zudem fange ich mit der alltäglich äußerst geläufigen Verwendung von 'denn' in Frage-Formen und damit in der gesprochenen Sprache an (§2.2), während ich umgekehrt mit den sehr seltenen mündlichen Verwendungen der sog. kausalen Konjunktion 'da' die Untersuchung beschließe (§3.6). Ich gehe bei meiner handlungstheoretischen Analyse von 'denn' - nach einigen theoretischen und methodischen Vorklärungen (§2.1) - von der historisch älteren Erscheinungsform aus und rekonstruiere insofern die allgemeine Ausdrucksbestimmung an der sogenannten Partikel 'denn' (§2.2). Anschließend wird dargelegt, daß die Leistung der sogenannten kausalen Konjunktion 'denn' systematisch daraus abzuleiten *5 Diese Beispiele werden - ebenso wie die Fußnoten - pro Kapitel, d. h. für 'denn' und 'da' getrennt, numeriert
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ist (§2.3). Deshalb fügt sich die Gesamtanalyse des Ausdrucks 'denn' im wesentlichen durch zwei große Paragraphen zusammen, Zur Analyse von 'denn' in Frage-Formen (§2.2) im einzelnen: Nach einem kurzen Überblick über Verwendungshäufigkeiten in einem ausgewählten Korpus publizierter Transkriptionen (§2.2.1) und einer ersten Sichtung typischer Beispiele (§2.2.2) entwickele ich im Zuge einer kritischen Darlegung der Bestimmungen und Probleme in der Fachliteratur (§§2.2.3-4) schrittweise die Grundfunktion des Ausdrucks 'denn' (§2.2.5). Dieser Paragraph bildet den zentralen theoretischen Teil für die Ausdrucksanalyse. Er ist in sich durch die einzelnen analytischen Schritte derart gegliedert, daß der Gang der Forschung für den Leser nachvollziehbar werden kann. Die Rekonstruktion der Bestimmungsmomente erfordert z. B. eine Behandlung der diskursiven Positionierung im Handlungsablauf, der allgemeinen Verstehensschritte beim sprachlichen Handeln, der sprachsystematischen Bestimmung mit Blick auf die historische Etymologie, des komplexen sprachtheoretischen Grundmodells (P- -p), der Leistung von Frageform und 'denn1 in seiner deiktischen und operativen Qualität - rekonstruierbar im Wege der historischen und der funktionalen Etymologie -, des Handlungsmusters des Begründens sowie der Leistungskombination von syntaktischen und intonatorischen Mittein, um schließlich die synchrone sprachsystematische Bedeutung formulieren zu können. Auf dieser Basis werden Begriffe aus der Fachliteratur reanalysiert (§2.2.6) und die illokutiven Qualitäten fragender Äußerungen mit 'denn' anhand des empirischen Materials handlungssystematisch untersucht (§2.2.7). Die Berücksichtigung intonatorischer Besonderheiten führt zur Ausgrenzung von 'denn' in exklamativen Äußerungen als einer abgeleiteten Variante (§2.2.8). Schließlich werden einige feste Formulierungen diskutiert (§2.2.9). Sodann wende ich mich der Analyse von 'denn* in einem syntaktisch wie handlungsmäßig anderen, gleichwohl keineswegs unzusammenhängendem Zweckbereich zu und untersuche die sogenannte "kausale Konjunktion" in Satzverbindungen (§2.3). Den Übergang bildet eine kurze, kritische Reflexion der Kategorie "Konnektivität" (§2.3,1). Dem schließt sich die handlungstheoretische Ableitung der Grundfunktion von 'denn' in Satzverbindungen aus derjenigen in Frage-Formen an (§2,3.2). Auf der Basis dieser Bestimmung werden einige syntaktische Besonderheiten und die historische Etymologie - besonders Lachmanns Überlegungen - aus handlungstheoretischer Sicht neu diskutiert (§2.3.3) sowie die Bedeutungsbestimmungen in der Fachliteratur kritisch-vergleichend dargelegt (§2.3,4); dabei erfährt auch der Unterschied zwischen Begründen und Erklären eine Behandlung, Vorkommenshäufigkeiten und diskursspezifische Verteilungen von satzverbindendem 'denn' werden exemplarisch angeführt und eine Dominanz im Bereich des Schriftlichen wird relativiert (§2.3,5). Es folgen - die Fachliteratur ergänzend - genaue empirische Diskursanalysen von gesprochener Sprache (§2.3.6), um die praktisch durchaus nicht zu
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vernachlässigenden Verwendungen unter dem Aspekt ihrer Diskursspezifik und Beanspruchung bestimmter Wissenstypen für die Bestimmung der Pragmatik des Ausdrucks fruchtbar zu machen. Exkurse zur häufig bemerkten Argumentativität von 'denn' und zum Ausdruck 'nämlich' sind integriert. In §2.3.7 werden das satzverbindende Pendant zu 'denn' in fragend geformten Exklamationen behandelt und systematische Schlüsse für die Varianten von 'denn' gezogen. Schließlich bestimme ich den Ausdruck 'denn' in seinem sprach- und handlungssystematischen Bezug zu 'weil' (§2.4). Die sprachsystematische Komplexität des einfachen Ausdrucks 'da' bedingt den nahezu doppelten Umfang der Untersuchung dieses sprachlichen Mittels (§3). Der Gang der Ausdrucksanalyse folgt - nach kurzem wort- und begriffsgeschichtlichen Überblick (§3.1) - der Zunahme grammatischer Komplexität jeweiliger Konstituentenstrukturen und stellt einen systematischen Zusammenhang zum Strukturausbau von Sprache her (§3.2). Dabei wird schrittweise eine funktional-grammatische Ableitung der syntaktischen Konfigurationen, die gewöhnlich als differente Wortartenbestimmungen von 'da' behandelt werden, in Kategorien einer Handlungstheorie von Sprache vorgenommen. Erst an diesen grammatiktheoretischen Teil schließen sich detaillierte empirische Analysen von schriftlichen Texten an (§3.3). Die beiden komplementären methodischen Schritte erlauben sodann eine Gesamtdarstellung der Semantik und Pragmatik von "subordinierendem", besonders "konjunktionalem" 'da' (§3.4). In §3.4.1 lege ich die handlungstheoretische Bestimmung dar und setze sie dann (§3.4.2) in einer ausführlichen kritischen Diskussion ins Verhältnis zu Bestimmungen in der Fachliteratur. Auf dieser Grundlage werden abschließend empirische Untersuchungen ausgewählter, komplexerer Verwendungen vorgenommen: solche in belletristischer Literatur (§3.5) und - abweichend von der schriftlichen Domäne - solche in mündlicher Kommunikation, d. h. in Diskursen (§3,6), Im einzelnen gliedert sich §3.2 zur Syntax von 'da1 folgendermaßen: Behandlungen und Probleme zum "deiktischen Adverb" (§3.2,1) führen im Wege der Kritik zur sprachsystematischen Analyse von einfachem 'da' als Mittel zum Vollzug einer deiktischen Prozedur (§3.2.2). Nach grammatischer Sichtung von 'da' als "Relativurn" und knapper Referierung von Lehmanns theoretischer Darstellung (§3.2,3) wird in §3.2.4 diese syntaktische Funktion aus der deiktischen Prozedur abgeleitet; das geschieht durch die Rekonstruktion der Feldtransposition hin zur paraoperativen Prozedur (§3,2.4.1). Ähnlich angelegte sprachgeschichtliche Behandlungen in der Fachliteratur, besonders die von Erdmann, werden vergleichend herangezogen (§3.2.4.2), synchrone Verhältnisse dargelegt (§3.2.4.3) und exemplarische Satzanalysen aus sprach psychologischer Sicht durchgeführt (§3.2.4.4); Selektionsbeschränkungen werden zu erklären versucht (§3,2.4,5), Dem schließt sich die Betrachtung der sogenannten "Konjunktion" 'da1 an (§3.2.5). Nach einer Präsentation von Ableitungen in der neueren Chomsky-Theorie (REST) (§3.2.6) wird demgegenüber die handlungs-
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theoretische Ableitung dargelegt (§3.2.7), Für eine Gesarntsicht der Syntax des Ausdrucks 'da' erfolgt abschließend die funktional-etymologische Analyse (§3,2,8), indem an einem grammatisch variierten Textbeispiel die Ableitungsschritte im einzelnen sprachlich konkret rekonstruiert werden (§3.2.8.1) und indem die sprachpsychologische Leistung der sogenannten "kausalen Konjunktion" 'da' allgemein formuliert (§3.2.8.2) sowie nach der Nebensatzposition differenziert wird (§3.2.8.3). Das Ergebnis der grammatiktheoretischen Analyse ist in §3.2.8.4 mit Blick auf die Bedeutung von paraoperativem 'da' - genauer: konzentriert auf die "paraoperative Prozedur ", d. h. auf die "Konjunktion" - kurz zusammengefaßt. Auf dieser Basis nehme ich dann eine detaillierte empirische Textanalyse mit dem Ziel vor, die Funktion von paraoperativem 'da' beim sprachlichen Handeln, also die Pragmatik von paraoperativem 'da', zu bestimmen (§3.3), So wird durch Rekonstruktion aus dem konkreten Material das Allgemeine analytisch entfaltet. Die Domäne von paraoperativem 'da' ist, wie Häufigkeiten im Bereich des Mündlichen vergleichend zeigen (§3.3.1), deutlicher als bei 'denn' der Bereich des Schriftlichen. Die Untersuchung von institutionellen Briefen (§3.3,2), besonders von Briefanfängen (§3,3.2.1) und lauten Briefformulierungen (§3.3,2.3) sowie von Absatzeinleitungen in wissenschaftlichen Arbeiten (§3.3.3.1) erlaubt jeweils Präzisierungen der funktionalen Bestimmungsmomente der paraoperativen Prozedur. Ein Exkurs (in §3.3.2.1) behandelt die Frage nach der illokutiven Kraft eines Nebensatzes. Die grammatisch und inhaltlich komplexeren Verwendungen in einem wissenschaftlichen Text, der an sich den Bedingungen von Mündlichkeit adaptiert ist, nämlich in der Vorlesung, ermöglichen schließlich differenzierte Einsichten in die Wirkungsweise der paraoperativen Prozedur (§3.3.3.2): propositionale Strukturierung, Verbalisierung differenter Verfahren der Wissensgewinnung, eine mögliche illokutive Modifizierung durch Nachsatzpositionierung und die Funktionalität in bestimmten Handlungsmustern wie der Behauptung, der Assertion und dem Begründen, sowie schließlich die Bedingungen für eine Substituierbarkeit durch 'denn' und 'weil' sind wesentliche Momente, die sich im Wege der konkreten Analyse erschließen. Die empirischen Untersuchungen, die der allgemeinen Ausdrucksbestimmung von paraoperativern 'da' in §3.4 folgen, betreffen bei "literarischem 'da'"(§3.5) besonders 'da' als ein sprachliches Mittel, das zwischen der Realisierung der paraoperativen Prozedur I und II, d. h. zwischen "Relativum" und "Konjunktion", ästhetisch gezielt zu oszillieren vermag; sie betreffen bei "diskursivem 'da'" besonders Fragen des textuellen Stils im Diskurs bzw. des schriftlichen Stils im Mündlichen, Die Arbeit schließt mit einer sprach- und handlungssystematischen Zusammenfassung der Analyseergebnisse zu 'denn' und 'da' sowie ihrer Verhältnisbestimmung zu 'weil' und 'nämlich' (§4.1), Einige Perspektiven, die sich daraus für die Problematik der Wortarten (§4.2) und für die Hauptsatz-/Nebensatzdiskussion (§4.3) ergeben, werden aufgezeigt
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DER AUSDRUCK 'DENN'
"Denn mal los!" oder auch mundartlich (B 0) Denn man tau! könnte, so scheint es auf den ersten Blick, das Motto für den Paragraphen darstellen. Der Ausdruck, um den es in dieser Arbeit geht, ist in dieser festen Formel allerdings in einer lautlichen Form "eingefroren", die ein historisch älteres Stadium der Wortentwicklung darstellt, 'denn' ist in (BÖ) gleichbedeutend mit heutigem 'dann', Der Verfestigung in einer diskursiven Formel entspricht es, daß eine derartige syntaktische Position für synchrones 'denn' der deutschen Hochsprache nicht geläufig ist. Vertraut ist die Verwendung dieses Ausdrucks vielmehr aus zwei anderen Konstruktionstypen: (B 1) Wann kommst du denn endlich zum Thema? (B 2) Diese Vorüberlegung ist erforderlich, denn sie beugt falschen Erwartungen vor, In (Bl) ist 'denn' innerhalb einer Frage-Form verwendet, in (B2) innerhalb einer "Satzverbindung" (Duden 1984), d. h. einer syntaktisch erweiterten, parataktischen Struktur. Um diese beiden syntaktischen Konstellationen, mithin um dieses 'denn', geht es bei meinen Analysen. In welchem Zusammenhang die zur Formel geronnene Ausdrucksverwendung von (BÖ) damit steht, wird in der historisch-systematischen Rekonstruktion (§2.3.3) deutlich werden. Dort werden auch Verwendungsweisen behandelt die gegenwärtig eher veraltet wirken oder nur noch in spezifischen syntaktischen Formen vorkommen. Dazu gehören 'denn' im einfachen Aussagesatz mit einleitendem 'so', in den festen Wendungen 'geschweige denn' und 'es sei denn' sowie in der archaisierenden Form des komparativen Vergleichs (Tim ist um vieles schneller denn Tom1), der lediglich in der Form 'denn je' aktuell geblieben ist. (B 3) So steht denn Ludwig Erhard vor einer wichtigen Entscheidung, (Die Welt 1966, Mannheimer Korpus ZWE171 T)1 (B 4) Es sei denn, er ist schlapp. (van Os 1974, 209) (B 5) Ich bin auch überzeugt, daß die Mannheimer heute mehr denn je bereit sind zu einer solchen Vereinigung. (Freiburger Korpus, Ländemeuregelung XGR 80)
2.1 Theoretische und methodische Voraussetzungen Unsere Analyse der Gegenwartssprache betrifft denjenigen Ausdruck 'denn1, der innerhalb der syntaktischen Form von Fragen im allgemeinen als eine Modal- oder Abtönungs-Partikel, in der syntaktischen Form der Satzverbindung, an der "Nullstelle" 1
Einige Belege von 'denn' aus dem Mannheimer Korpus sowie einige aus dem Freiburger Korpus habe ich mir maschinell am Institut für deutsche Sprache berechnen und teilweise als Referenzdaten im Umfang einer Zeile ausdrucken lassen. Ich danke an dieser Stelle dem IdS für die Kooperation.
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(Brinkmann 1971, 762) des koordinierten Satzes, dagegen als eine koordinierende, kausale Konjunktion bestimmt wird (z, B. Grundzüge 1981; Duden 1984). Meine These ist, daß diese beiden unterschiedlichen Wortartenbestimmungen eine Differenz der Ausdrucksmittel suggerieren, die nicht den sprachlichen Gegebenheiten entspricht; vielmehr ist 'denn' in beiden syntaktischen Konstellationen - exemplarisch in (Bl) und (B2) - dasselbe sprachliche Ausdrucksmittel, Dies will ich durch eine handlungstheoretische Bedeutungs- und Syrttaxbestimmung aufzeigen. Eine solche einheitliche Konzeption entspricht semantischen Forderungen, die Posner (1979) im Zusammenhang mit der Analyse von Konjunktionen, insbesondere von 'und', sowie Abraham (1985) für Partikelanalysen als "bedeutungsmaxi malistische Position" charakterisiert haben. Bislang liegt jedoch keine befriedigende Analyse vor, die die Ausdrucksfunktion von sprachlichen Mitteln, welche beiden Wortarten zugerechnet werden (wie z. B. 'denn'), systematisch darstellt und die syntaktische Form in ihrer eigenen Leistung beim sprachlichen Handeln untersucht, so daß das jeweilige Zusammenwirken ableitbar wird.2 Das gilt m. E. auch für die verdienstvolle Arbeit von Bublitz (1978), in der zwar - auch für 'denn' - gemeinsame Bedeutungskerne von "homophonen" Modalpartikeln bzw. Modaladverbien und Konjunktionen im deutsch-englischen Vergleich untersucht werden, ohne aber die Differenzierung nach Wortartenzugehörigkeit in Frage zu stellen oder die syntaktischen Bedeutungsanteile aufzuzeigen. Auch Bublitz übt also theoretisch-methodische Zurückhaltung vor dem weitergehenden, systematischen Schritt, die lexikalischen und syntaktischen Mittel in ihrer jeweiligen Eigenheit analytisch ernst zu nehmen und eben dadurch ihr funktionales Wechselverhalmis beim sprachlichen Handeln zu beschreiben.3 Man hat es demnach in der wissenschaftlichen Literatur mit jeweils phänomenbezogen getrennten linguistischen Analysen zu tun, die allenfalls auf eine Ähnlichkeit des gleichlautenden Ausdrucks hinweisen: "Homonym zu DENN^p ist die begründende Konjunktion DENN^" heißt es lapidar bei Franck (1980). Auch König, der mit einem gemeinsamen semantischen Kern rechnet, beschränkt sich auf die Feststellung: "In der Frage der Identifikation und Abgrenzung der Modalpartikeln von homonymen Formen anderer Wortklassen ergeben sich in allen Fällen spezifische Probleme, auf die wir hier nur sehr kurz eingehen wollen. ... Analoge (zu 'auch'; A. R.) Probleme ergeben sich bei denn, wo zumindest eine Konjunktion und eine 2 Ausdruckszentrierte Gesamtbehandlungen von "Partikeln" - im Sinne der übergeordneten Kategorie für nichtflektierbare Ausdrücke - finden sich wohl in historischen Arbeiten, allerdings ebenfalls nach grammatischen Konstellationen differenziert, indem die Vorkommen jeweils beschrieben werden. 3 Mir scheint, daß ein Ansatz hierzu in den Studien zur Gegenwartssprache am ehesten für den Ausdruck 'aber' unternommen ist (cf. Weydt 1983; Brauße 1983; Ehlich 1984; auch Bublitz geht von einem gemeinsamen Bedeutungskern aus).
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Modalpartikel zu unterscheiden sind. ... Auch hier besteht eine enge semantische Beziehung zwischen Konjunktion und Modalpartikel." ( 977,118f) Es wird also darum gehen, diese semantische Beziehung näher zu bestimmen. Krivonosov kritisiert als einziger theoretisch sowohl die Homonymie-Auffassungen wie die Konzeption des Wortartenwechsels für Modalpartikeln, genauer: für die einzelnen Worte wie unter anderem 'denn': "Das, was einer unflektierten Wortklasse in eine andere Wortklasse überzugehen erlaubt, ist die Veränderung der grammatischen (genauer: syntaktischen) Form und der syntaktischen Funktion des Wortes, das heißt eine Veränderung seiner syntaktischen Distribution." (1977, 350). In seinen eigenen Analysen widmet er sich allerdings leider wieder nur den Distributionen als Partikeln (1977a), so daß die Ausführung konkret noch aussteht. Wolskis Kritik an Homonomie-Argumentationen in der Partikelanalyse (1986, 389ff) richtet sich demgegenüber auf eine mangelnde Präzision bzw. Definiertheit des Begriffs. Er plädiert nicht für eine einheitliche Bedeutungsbestimmung, sondern problematisiert gerade Versuche, eine "übergreifende Bedeutung" (ebd.) einzelner Partikeln zu ermitteln. Ich will diesen Versuch unternehmen und prüfen, ob eine einheitliche Funktion des Ausdrucks beim sprachlichen Handeln (also etwa solchem in (Bl) und 2)) bestimmt werden kann. Dabei wird es auch um die Leistung der einschlägigen syntaktischen gegebenenfalls auch intonatorischen - Mittel in ihrem Zusammenwirken damit gehen.4 Eine derartige Ausgangsposition läßt zwei darstellungstechnische Alternativen zu: Einmal kann die handlungstheoretische Bedeutungsbestimmung von der sogenannten konjunktionalen Verwendung von 'denn' ausgehen; ein andermal kann sie mit der Analyse der "Partikel" beginnen. Ich werde in meiner Analyse den zweiten Weg beschreiten, und zwar aus folgenden Gründen. Erstens dominieren in der genuinen Form sprachlichen Handelns, nämlich der mündlichen Kommunikation, die Verwendungen in Frage-Formen. Dem entspricht zweitens ein ontologisch wesentlich früherer Spracherwerb dieses Verwendungszusammenhangs, Schließlich ist drittens dieser Gebrauch der historisch ältere^: 'thanne' ist nicht nur z. B, bei Otfrid und Isidor in Frage-Formen belegt, sondern "schon im Ahd. erstarrt dieses danne, wird zur einfachen Erweiterung des Frageworts und erscheint so bis heute" (Behaghel 1928, III, 114f; fernen von Stuckrad 1957).
4
Bis diese Analyse geleistet ist, werde ich von den gewohnten Begrifflichkeiten Gebrauch machen; sie können erst am Schluß der Arbeit kritisch eingeschätzt werden. 5 Einzelne Belege kausaler Verwendung lassen sich schon im Ahd. anführen (cf. Schützeichel 1969); die wirkliche Durchsetzung dieses Gebrauchs erfolgt hingegen erst im 15. Jahrhundert.
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2,2 'denn* in Frage-Formen
Hentschel & Weydt stellen fest: "Denn ist die häufigste Partikel in Fragen überhaupt; eigentlich folgt, wenn auch mit einigem Abstand, als zweithäufigste vor anderen Frage-typischen Partikeln wie Überhaupt und etwa." (1983, 272). Lütten sieht - der Bestimmung von Benaghel für das Althochdeutsche vergleichbar - anhand der Untersuchungen des Freiburger Korpus "keinen Anlaß zu der Vermutung, daß eine mit DENN formulierte Frage einen kommunikativ anderen Charakter hat als eine ohne DENN" und kommt zu folgendem Schluß: "Die Verwendung von DENN in Fragen ist am ehesten dadurch zu erklären, daß eine Frage mit der 'Partikel' DENN gebildet werden kann, also ein fakultatives sprachliches Mittel darstellt," (Lütten 1977, 3430. Auch Doherty6 sagt, daß "sich die positionale Bedeutung von "denn" in nichts von den mit einer Frage konversationell verbundenen Erwartungshaltungen unterscheidet" (1985,76). Haben wir es also mit einer reinen Fragevariante, mit einer "grammatikalisierten Partikel" (Lütten 1977,239), zu tun? 2.2,1 Häufigkeiten Zur Illustration der Frequenz von 'denn1 stelle ich zunächst zwei Diskursarten gesprochener Sprache gegenüber: schulische Kommunikation (nach dem HIATVerfahren publiziert in Redder 1982: Biologie, Deutsch, Mathematik und Ehlich & Rehbein 1986: Deutsch*) und die im Freiburger Korpus als "Texte gesprochener deutscher Standardsprache", Bd. II/3 (1975) dokumentierten "Alltagsgespräche". Abgekürzt führe ich unter "dennp" den Gebrauch in fragenden Formulierungen, d. h. als Partikel, an, unter "dennK" solche in assertiven Koordinationen, also konjunktionale Verwendungen. Schulische Kommunikation: Biologie Deutsch Mathematik Deutsch4
6
dennp
dennK
31 26
1 -
23 15
5 8
95
14
Wotski (1986) greift Dohertys Analyse von Partikeln als "Einstellungsoperatoren" für lexikogra-
phische Zwecke auf. Ich werde in §2,3.4 ausführlich auf das TinsteUungs-"Konzept eingehen.
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Alltagsgespräche (=H/3,1975): Familie/Erziehung Küche Büropause Telefonat Morgenkaffee Messestand Präses Scharf Seemann (Tel.-Beratung) Mieterhöhung (Beratung) Unfallvers. (") Krankenkasse (") Wohnungssuche (Tel.-Ber.) Terminabsprache Zahnarzt-Praxis Reisebüro Teppichkauf Geschirrkauf
dennp 5 l 4 2 4
dennK 2
l -
4 l 2
l l 2
2
3 l
3 -
2
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Zweierlei ist deutlich. In beiden Diskursarten überwiegen die Partikel-Verwendungen. Diese Dominanz ist im schulischen Diskurs wesentlich schärfer ausgeprägt als in den "Alltagsgesprächen". Andererseits ist der Gebrauch der Konjunktion im schulischen Unterricht, also im institutionellen Lehr-Lern-Diskurs, absolut betrachtet z. T. höher als in den außerschulischen Diskursen. In nur 4 Schulstunden (180 Min. minus ca. 15 Min. Stillarbeit) werden nahezu gleich häufig Satzverbindungen mit "kausalem" 'denn' geäußert wie in insgesamt 17 anderen Diskursen (154 Min.), während gleichzeitig die Partikelverwendung fast das Vierfache beträgt. Man kann annehmen, daß im Unterrichtsdiskurs aufgrund seines Zwecks der Wissenstradierung an die nachfolgende Generation generell mehr fragende Formen verwendet werden, weil bestimmte Handlungsmuster, insbesondere das Frage-Antwort-Muster, eine diskursiv wesentliche Funktion erfüllen, so daß auch eine höhere Frequenz von 'denn' innerhalb dieser Formen auftreten kann. Zudem liegt die Vermutung nahe, daß die konjunktionalen Verwendungen in einem diskursiv korrespondierenden Verhältnis dazu stehen. Wenden wir uns zur Klärung dieser Überlegungen den empirischen Verhältnissen von 'denn' in Frage-Formen im einzelnen zu.
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2,2.2 Einige einfache Beispiele Ich gehe, wie in §1 bereits ausgeführt, in diesem Abschnitt so vor, daß die aus der Literatur bekannten Einsichten in die Diskursanalysen einbezogen und reinterpretiert werden. Betrachten wir zunächst vergleichsweise einfache Verwendungen. (B 6)
("Beratung bei einer Krankenkasse"; der Kunde (AA) will seine Frau neben einer Privat Versicherung zusätzlich bei der durch AB vertretenen gesetzlichen Versicherung anmelden und erkundigt sich nach den formalen Bedingungen bei der Rechnungseinreichung - er sieht das Problem, daß er nicht für beide Kassen die Originale bei bringen kann, diese aber von der Privatversicherung stets verlangt werden.) j l AB
Ja, des isch richtig, öh, ich mein, öh s isch so, die PrivatverSicherungen, die wollen au immer die Originale, öh.
2
I AB IAA
3
l AB
grundsätzlich sind wir die erstleistende Kasse, die Geseirliche
4
l AB
Kasse, und haben auch n Anspruch auf die Originalrechnung „n.
l AB 5 IAA
Wie/wie/wieso sind Sie grundsätzlich die erstleistende Kasse?
6
l AB l AA
l AB j \ AA
Aber äh Ja
Ja
Würden Sie denn nichts leisten? Wenn ich mein Original erst Doch, dann würden wir auch leisten; dann zur ( ) brächte,
8
l AB
müßten wir uns zwangsläufig mit dem Duplikat zufrieden geben, ne?
9
l AB IAA l AB
geht.
10
t AB n IAA
Weil ja das Original schon fort is, ne? Des isch klar, des Ja
Aber äh in der Regel soils schon so sein, daß wir das OriJa
ginal bekommen, ne? Ja, ja, ja.
(H/3,136)7
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Der Kunde AA gebraucht in seiner Frage (Fl,6) den Ausdruck 'denn'. Die Form seiner Frage wird gewöhnlich als "Entscheidungsfrage" charakterisiert und gilt als typisch für die "Abtönungsfunktion" der Partikel (Dittmann 1980). Hentschel & Weydt charakterisieren den Effekt als Ausdruck des "Erstaunens" bzw. - im negativen Fall - des "Vorwurfs" (1983, 366); Bublitz formuliert; "Fragesätze mit denn drücken gewöhnlich die Überraschung des Sprechers aus, die auf die Diskrepanz zwischen der Erwartung und einem aus der Situation oder der vorhergegangenen Äußerung des Gesprächspartners erschlossenen impliziten Satz zurückgeht" (1978, 59) Dittmann versucht, durch Einbeziehung der unterschiedlichen Tonverläufe eine Differenzierung der Ausdrucksbedeutung nachzuweisen, und gibt eine genauere Bestimmung der verallgemeinerten Aussage zur Abtönungsfunktion von 'denn1, indem er sie "auf entscheidungsfragen, intonation 'hochschluß', sprechakttyp frage, einschränkt" und als "ICH HABE NICHT ERWARTET, DASS..." paraphrasiert (1980, 660 - die Paraphrasenmethode wird von Rombouts (1982) und Burkhardt (1982) kritisiert, Kommen wir mit diesen Bestimmungen für die Analyse von (B6) aus? Bei einem Blick allein auf die betreffende Frage scheint dies so. Man könnte meinen, daß AA mit Erstaunen (oder Befremden) fragt, ob die Versicherung keine Leistungen erbringt, wenn nicht die Originalrechnungen eingereicht werden, weil dies nicht seinen Erwartungen an die Leistungen einer Versicherung entspricht. Doch betrachten wir den Diskursausschnitt genauer. Es handelt sich um eine Form institutioneller Kommunikation. AA ist, terminologisch gefaßt, der "Klient", AB der "Agent" der Institution. AB hat das Problem der Originalrechnung mit einer institutionsinternen Regelung beantwortet und sich dabei einer fachspiachlichen Terminologie bedient - "Gesetzliche Kasse als erstleistende Kasse". Der Klient versteht diesen Begriff, genauer: seinen handlungspraktischen Gehalt, nicht und fragt dementsprechend nach ("Wieso sind Sie grundsätzlich die erstleistende Kasse?"). Das Verständnis ist für sein Problem zweifellos außerordentlich relevant, zumal von einer "Grundsätzlichkeit" dieser Gegebenheit die Rede ist. Als jemand, der das Institutionswissen selbstverständlich handhabt, bedenkt AB die Wissensdiskrepanz zwischen sich und dem Klienten nur bedingt, nämlich fachwortbezogen, und mißversteht die Nachfrage. Generell ist der propositionale Gehalt einer Frage dadurch ausgezeichnet, daß er eine Vorstrukturierung des proposirionalen Gehaltes der Antwort enthält, indem er eine "besondere Art" der "offenen Proposition" darstellt (Wunderlich 1976, 210). Begrifflich ausgedrückt heißt dies: Der propositionale Gehalt der Frage setzt sich aus dem "bestimmten Gewußten" und dem "bestimmten Nicht-Gewußten" des Fragenden zu7 Ich kürze die Ltteraturangaben des Frei burger Korpus stets mit der Bandnummer der 'Texte gesprochener deutscher Standardsprache" ab; die Schreibweise der Transkripte adaptiere ich in den Zitierungen an das Hl AT-Verfahren, Aus technischen Gründen sind die Partiturflächen leicht modifiziert eingezeichnet.
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sammen (cf. Ehlich im Druck). (Ich führe diese Überlegungen, besonders auch für die Entscheidungsfrage, unten (§2.2.5,9) genauer aus.) AB tilgt in seiner Wahrnehmung der ersten Frage von AA das bestimmte NichtGewußte, genauer: das mittels sogenanntem "Fragewort" vorkategorisierte NichtGewußte, dessen Formulierung dem Klienten schon Probleme bereitet - er repariert seine Äußerung zweimal von "wie" zu "wieso" - und faßt lediglich das bestimmte Gewußte (d. h. 'grundsätzlich die erstleistende Kasse sein' oder 'die erstleistende Kasse sein' - je nach Akzent bei "wieso" oder bei "grundsätzlich") als bestätigxingsheischend auf. Das ist der bloße Wortlaut des ersten, institutionsspezifischen Teils seiner eigenen Aussage zuvor. AB bestätigt ihn als von AA ausdrucksbezogen richtig verstanden und so vermeintlich als inhaltliches Wissen (F1.6: "Ja").8 Damit ist der Klient in seinem handlungspraktischen Unverständnis dessen, was 'erstleistend' bedeutet, belassen, Der Ratsuchende bleibt noch ratlos. Er spezifiziert daraufhin (F1.6f) das bestimmte Nicht-Gewußte in einer entscheidenden Richtung/ nämlich in Form der problemrelevanten Handlungsalternative, die den Begriff der 'erstleistenden Versicherung' praktisch zu klären helfen soll. Die Qualität der sprachlichen Projektion wird durch die Verwendung von 'werden' und durch die morphologische Form des Konjunktivs zum Ausdruck gebracht. In diesem erneuten Versuch, Verstehen zu gewinnen, kommt nun 'denn' vor. Im Lichte einer Analyse des Diskursausschnittes, der die Vorgeschichte der Äußerung ist, erweist sich 'denn' also eher als Ausdruck von Unverständnis, weniger dagegen als ein Ausdruck von Staunen oder individueller Erwartungsdiskrepanz oder, wenn man 'nichts' als das Merkmal der Negation von Hentschel & Weydt (1983) nimmt, von Negativbewertung der hörerseitigen Handlung im Sinne eines Vorwurfs 9 . (Indikatorfunktion für einen Vorwurf hatte 'denn' nach den Bestimmungen von Dittmann (1980), im Gegensatz zu Hentschel & Weydt, ohnehin nur dann, wenn es sich formal um eine Ergänzungsfrage handelte, so daß sich eine musteradäquate Handlung des Angesprochenen sinnvoll anschließen könnte hiermit präzisiert er die umgekehrt an Entscheidungsfragen illustrierte semantische Analyse von König (1977) pragmatisch.) Auch die von Behaghel für einige Fragen mit 'denn' konstatierte "Ungeduld" kann allenfalls als ein Epiphänomen gelten, das durch andere sprachliche Mittel zustandekommt, beispielsweise dann, wenn die Äußerung 8 Im Problembewußtsein des institutionellen Agenten, das er über seine Fachterminologie hat, dürfte sich nicht zuletzt eine stark wortschatzbezogene Fachsprachenforschung (cf. Mohn & Pelka 1984,14) und deren Umsetzung in Schulungen von Fachpersonal niederschlagen; selbst die zunehmende Berücksichtigung vor komplexeren Formzusammenhängen sowie Kommunikationsfunktionen (ebd., Kap. 3 u. 4) in der Forschung schließt keineswegs selbstverständlich eine methodische Modifikation der sernantischen Beschreibung von Fachausdrücken in funktionalen Kategorien ein, die entsprechend weitervermittelt wird. 9 Die innere Struktur des gesamten Handlungsmusters Vorwurf - Entschuldigung/Rechtfertigung ist bei Rehbein (1972) analysiert; eine sprechaktanalytische Reanalyse bieten Fritz & Hundsnurscher {1975).
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in (B6) spezifische intonatorische Markierungen enthält die jedoch nicht transkribiert sind; im Beispiel von Behaghel "wo bleibst du denn so lange?" (1928, , 115) leistet die Deixis 'so' aufgrund ihres Vergleichsaspekts den Ausdruck von Ungeduld. Die jeweilig in der Literatur hervorgehobenen Momente oder Merkmale für eine Bedeutungsbestimmung von 'denn' scheinen analytisch noch nicht hinreichend zu sein. Ehe ich weitergehende Überlegungen aus der Literatur heranziehe, will ich die Betrachtung auf andere Belege von 'denn' in Frage-Formen ausdehnen und dadurch dem Bedeutungsaspekt genauer nachgehen, der über die isolierte Betrachtung der fragenden Äußerung mit 'denn' hinausweist und eine Untersuchung des Gesamtzusammenhangs verlangt. (B 7)
1
(Ein Ehepaar setzt sich nach einem Theaterbesuch damit auseinander, wie man die Angst von Kindern in der Nacht, vor allem, wenn sie allein gelassen werden, behandeln sollte. Beispiele aus dem Bekanntenkreis werden herangezogen.) AA Er hat Angst gehabt vor dem Nachtvogel. Da sind sie mal, die Eitern, nach Haus gekommen und haben ans Fenster geklopft, weil sie die Schlüssel nicht hatten, und da war für das Kind klar, da is der Nachtvogel, und da hat er ne Vase genommen und durchs Fenster geschmissen. Und dann haben die Eltern ihn arg geschimpft und bestraft, daß er so ne gute Vase, und das Fenster kaputt, und dreckiges Wasser aufs schöne Kleid und so. l AA Und das is das, was mindestens/ l AB Was sagt denn des aus? Das
2
IAA Das sagt aus, daß/ daß dieses/(die)/ (die)/ Ja, aber das l AB Fazit dieser Geschichte geht auf die Eltern und nicht auf diese
3
I AA is die Tatsache, daß man den Kindern nun sagt, es gibt ja des l AB Komponente.
4
IAA und des nicht, daß des nix nützt, sondern es gibt für das Kind l AB Nein. Nein,
5
IAA nach wie vor des. l AB Na, das is natürlich deine Interpretation.
/3,30) Der Mann (AB) unterbricht seine Frau (AA) zu Beginn ihrer erzählerischen Coda - so jedenfalls verstehe ich die grammatisch unvollständige letzte Äußerung von AA ("Und das is das, was mindestens", FL 1) - durch eine fragende Äußerung, die 'denn' enthält ("Was sagt denn des aus?"; mit mundartlichem "des" für 'das').
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Er fragt genau in dem Moment, in dem die Erzählerin zu diesem abschließenden Strukturelement ihrer Handlung gelangt, seinerseits, als Hörer, nach der Coda oder der Lehre10, die aus der erzählerischen Wiedergabe der Begebenheit zu ziehen ist; damit will er sie zugleich in das übergeordnete Erziehungsproblem einordnen. Die Erzählung hätte ohne eine solche Lehre weder eine Funktion im Diskurszusammenhang, noch die ihr eigene Funktion des Mitempfindens, der "Sympathie", welche den Erzählzweck nicht zuletzt bei AHtagserzählungen bildet. Die Geschichte bliebe dann "witzlos" und als solche isoliert und unverständlich. Der Mann zielt mit seiner Frage also auf eine Einordnungsmöglichkeit des bislang unvollständig und nur isoliert Gegebenen in sein Handlungswissen - voreilig und sequentiell unangemessen, lediglich vom allgemeinen Handlungszweck her angemessen. Er verlangt die diskursive Zweckerfüllung durch die Aktantin, die die Handlungsausführung verantwortet Im weiteren Diskurs verlauf wird deutlich, daß er eine Diskrepanz bei der Einschätzung der Lehre erwartet und deren Offenlegung dadurch zu verhindern sucht, daß er sie selber formuliert. Im Effekt setzen beide Interaktanten gleichzeitig zu deren Formulierung an; der Mann setzt sich mit seinem turn durch, die Frau bemüht sich, ihre in der Tat anders orientierte Lehre nachzuschieben. Die Divergenz der beiden Einschätzungen wird also doch offenkundig. Die Frage nach dem Witz der Geschichte ("Was sagt denn des aus?") ist keine einfache Wissensfrage, in der Form einer Ergänzungs-/W-Frage bzw. "Fragewortfrage" (König 1977) gestellt. Durch 'denn' erhält sie einen anderen Charakter. 2,2.3 Bezugsgegenstände von 'denn1 in Frage-Formen Bereits Behaghel ( 923) weist darauf hin, daß durch 'denn' eine Bezugnahme auf Vorausgegangenes erfolgt, insbesondere auf Inhalte vorausgegangener Äußerungen. Den traditionellen Termini entsprechend nennt er dies die "anaphorische Bedeutung" von 'denn'11. König geht einen Schritt weiter und weist nach, daß keineswegs nur sprachliche Handlungen oder überhaupt nur Handlungen die Bezugsgrößen im Vorangegangenen darstellen können: "Besonders Fragewortfragen mit denn knüpfen oft nicht an Handlungen des Hörers an, sondern allgemeiner an Aspekte der Sprechsituation und zielen auf Ergänzung bzw. weitere Spezifizierung einer bereits verfügbaren Information ab." (1977, 1220 Das Vorangegangene hat nach König jeweils den Status eines Grundes oder Anlasses für die Frage. Diesen Umstand beschreiben l" im Rahmen dieser Arbeit kann die um/angreiche literaturwissenschaftliche und linguistische Erzähl theorie und deren jeweilige Begrifilichkeit selbstverständlich nicht behandelt werden. Ich beziehe mich auf allgemein anerkannte, nahezu bereits in wissenschaftliche Alltagssprache übernommene Kategorien. Exemplarisch für linguistische AnaJysen verweise ich z. B. auf folgende Arbeiten: Labov & Waletzky (1973), van Dijk (1976), Quasthoff (1980), Rehbein (1982), Gülich & Quasthoff (l 986). 11 Ich werde bei der Analyse von 'da', besonders in §3.2,2/3.2,4, noch detailliert auf diese Terminologie im Verhältnis zur handlungsanalytischen Bestimmung von Deixis eingehen.
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Hentschet & Weydt (1983) als "externe Motivation" der Frage im Unterschied zur "internen Motivation" beim Gebrauch von 'eigentlich'. Handlungstheoretisch bedeutet dies, daß 'denn' auf eine "Vorgeschichte"12 der Äußerung, in der es verwendet wird, verweist. Demnach gehen die Autoren von einer nicht-mentalen Vorgeschichte auf Seiten des Sprechers aus. König gesteht in seiner Analyse zugleich ein: "Der in der vorausgehenden Beschreibung häufig verwendete Ausdruck 'anknüpfen' ist noch zu vage. Eine weitere Präzisierung wäre hier erforderlich. Es muß hier noch einmal betont werden, daß dieser Ausdruck ausschließen soll, daß durch eine Frage mit denn einer vorausgehenden Behauptung des Gesprächspartners indirekt widersprochen wird." (ebd., 123) In (B6) und (B7) sind jeweils sprachliche Handlungen des Hörers die Gegenstände, an die 'denn' anknüpft. In Begriffen der Sprechhandlungstheorie läßt sich genauer sagen, woran angeknüpft wird. In (B6) ist es der propositionale Akt einer Äußerung des Hörers, nämlich der Gehalt des ersten Äußerungsteils, grammatisch gesprochen des ersten Konjunkts in Partiturfläche (=F1.) 3f, der in der anschließenden Sequenz (R. 5-6) von AB erneut verbindlich gemacht wird. In (B7) könnte man zunächst meinen, daß die verketteten propositionalen Gehalte, die die Geschichte von AA ausmachen, den Anlaß für die Anknüpfung mit 'denn1 bilden. Eine genauere Betrachtung erweist jedoch, daß der kommunikative Punkt der gesamten Äußerungsverkettungen, also der Zweck der diskursiven Großform des Erzählens, die Frage von AB bedingt. Mithin ist hier die illokutive Qualität der Äußerungsverkettung der Bezugsgegenstand. Ein einfacherer Fall für die illokutive Bezugnahme, quasi-empirisch gebildet, wäre; (B 8) Pubertäre Tochter zur Mutter: Halt dich aus meinen Freundschaften raus! - Mutter: Sag mal, wie redest du denn mit mir? Die Mutter kritisiert die illokutive Qualität der Anweisung durch ihre Tochter, indem sie den Handlungsmodus, das "Wie", in Frage stellt, und verweigert so einen Mitvollzug dieses Handlungsmusters. Nur ein propositionales Element betrifft die Anknüpfung in folgendem Beleg aus der schulischen Kommunikation, vor dem eigentlichen Unterrichtsbeginn: (B 9) (sl) L Kannst du bitte ma eben rüber ins Lehrerzimmer gehn? (s2) Auf meinem Platz liegt mein roter Lehrerkalender, (s3) Kannst du mir den ma eben holen? (s4) Hk Wo ist denn Ihr Platz? (160176/6/Mathe/m; Redder 1982,93/6)13 12 ich verwende diesen Begriff terminologisch: Eine Handlung ist unter dem Aspekt ihrer zweckhaften Abwicklung in eine Vorgeschichte, eine Geschichte und eine Nachgeschichte strukturiert (cf, Rehbein 1977 nach Ehlich 1972,126, wo bereits "Verstehen" und "Übernahme der "Nachgeschichte" illokutiver Akte" als notwendige Elemente einer Sprechhandtung bestimmt werden). " Ich habe hier die segmentierte Zitierform gewählt.
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Betrachten wir auch dies Beispiel ein wenig genauer. Der Lehrer vollzieht mit (sl) eine Bitte, Zur mentalen Vorgeschichte einer solchen Sprechhandlung gehört - nach der Entscheidung zur interaktiven Bearbeitung des Problems und der Wahl eines geeigneten Aktanten - die sprecherseiüge Einschätzung der AusführungsmÖglichkeiten, des Könnens, für den Gebetenen. Die Nachgeschichte hat sequentiellen Charakter. Im mentalen Bereich macht sich der Hörer das fremde Wollen zu eigen - unter nochmaliger Abfrage seines Könnens - und führt dann die entsprechende Handlung aus. Den Abschluß des Handlungsmusters der Bitte bilden Einschätzung des Handlungsergebnisses im Verhältnis zum Gewollten durch den Sprecher und Akzeptierung, gegebenenfalls durch einen Dank verbalisiert Die Äußerung (s4) der Schülerin Heike (Hk) entspricht dem sequentiell - und insofern gesellschaftlich, überindividuell - erwartbaren Handeln nicht. Insofern stellt sie eine Störung im gemeinsamen Handeln dar. Die Äußerung hat die Form einer Frage, Heikes Wissenslücke besteht hinsichtlich der genauen Lokalisierung des Lehrerpiatzes im Lehrerzimmer, 'denn' leistet mehr als nur die Anknüpfung dieses propositionalen Gehaltes an das propositionale Element im Prä der Bitte (s2), nämlich an "meinem Platz", Mit Franck (1980), anders als Krivonosov (1977), betrachte ich 'denn' allerdings nicht selbst als Element des propositionalen Gehaltes der Frage. Propositionale und illokutive Dimension einer Sprechhandlung oder ihrer Verkettungen sind nicht die einzig möglichen Bezugsgegenstände, sondern auch die Dimension des Äußerungsaktes. (B 10) Ein Schüler, den der Lehrer zu einem Beitrag aufgerufen hat, macht seine Äußerung außerordentlich laut. L: Bin ich denn taub? Diesem quasi-empirischen Beispiel läßt sich ein etwas komplexeres aus dem Freiburger Korpus zur Seite stellen: (B 11) (Beim Zahnarzt erklärt der Arzt (AA), wie man den angebrochenen Schneidezahn behandeln kann.) |AA ( ) wenn wir ( ) genau machen mit dem, dann sieht das ]AB Hm Ja ]AA harmonischer aus, nich? Oder net? Was wollte Sie denn |AB Ja, ja, ja |AA jetzt frage? JAB Ach so, ich wollt fragen, öh was Sie glauben, {AB wie lang das noch hält? (11/3,1550 Die Transkription ist in der publizierten Form zu ungenau, um eine gesicherte Interpretation zu machen. Man kann jedoch mindestens dreierlei vermuten. Einmal kann das "Hm" gewissermaßen hypervollständig transkribiert sein, indem der Pati-
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ent faktisch nur einen lautlichen Ansatz, z, B, durch eine Art des glottal stop, macht, um etwas zu sagen. Dann bezieht sich die Frage des Arztes mit 'denn1 in der Tat auf einen Äußerungsansatz, d. h. auf die akustische Dimension einer Sprechhandlung, wenn auch nur in ihrer minimalen Ausdehnung. Oder der sprachliche Ausdruck 'hm' ist korrekt transkribiert, allerdings ohne sein wesentliches Kennzeichen, nämlich den Intonationsverlauf; nimmt man eine schwebende Intonation an, so kündigt sich darin eine Divergenz des Patienten an, die eine Äußerung erwarten laßt, und der Arzt nimmt diskursiv angemessen auf diese "expeditive Prozedur" (Ehlich 1986)14 Bezug. Nicht die Äußerungsdimension, sondern eine sprachliche Einheit kleiner als ein Akt, eine Prozedur, wäre damit Bezugsgröße. Eine dritte Möglichkeit wäre eine nonverbale Handlung des Patienten, an die der Arzt anknüpft. Nachdem wir uns empirische Belege vor Augen geführt und sie einer ersten groben Sprechhandlungsanalyse mit Blick auf die diskursive Einbettung der Frage unterzogen haben, erhalten wir ein Ergebnis, das die Typen von Anknüpfungsobjekten im Sinne Königs, von sprachlichen Handlungen im besonderen, systematisch differenziert: Propositionaler Gehalt oder Teile davon, illokurive Qualität, Äußerungsakt oder auch eine Prozedur können das Bezugselement in der Vorgeschichte der Frage bilden. 2.2.4 Die "Anknüpfung" Damit ist aber noch nicht geklärt, wie der Sprecher mit 'denn' genau daran anknüpft, was also "Anknüpfung" heißt, und wozu er dies tut. Zu diesem Zweck müssen systematisch die illokurive Qualität der fragenden Äußerung und die Charakteristik ihres propositionalen Gehaltes in Differenz zur Bedeutung von 'denn' analysiert werden. Ich konzentriere mich also weiterhin zunächst auf sprachliche Handlungen als Äußerungs-Vorgeschichte. König beschreibt die Funktion allgemein: "Durch Fragen mit denn fragt man nach den Gründen oder Voraussetzungen von unmittelbar vorausgehenden Handlungen des Gesprächspartners oder man fragt 'weiter', nach näherer Spezifizierung bereits gegebener Information." (1977, 120) Diese Bestimmung betrifft die gesamte Frage und nicht so sehr den spezifischen Bedeutungsanteil von 'denn'; der Anlaß tritt als Voraussetzung, Grund, sachlicher Gehalt auf, der für den Interaktanten jeweils un^ Expeditive Prozeduren sind gemäß Ehlich funktional dadurch gekennzeichnet, daß der Sprecher einen unmittelbaren Eingriff in das Handeln des Hörers unternimmt. Formale Kennzeichen dazu verwendeter sprachlicher Mittel sind - im Deutschein - minimale, meist vokalische Bildungselemente und eine mehr oder minder reiche, distinktive In to nations Struktur. Interjektionen, die morphologische Form des Imperativs und, sofern in einer Sprache vorhanden, der Vokativ sind solche Mittel. Expeditive Ausdrücke bilden nach Ehlich neben dem Bühlerschen Symbolfeld und dem Zeigfeld ein eigenes, das "Lenkfeld" von Sprache.
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zureichend ist. Diese recht unterschiedlichen Größen versuchen Bublitz und Franck unabhängig voneinander - durch die Kategorien der Implikatur oder Präsupposition genauer zu bestimmen. Sie konzentrieren sich dabei auf sprachliche Handlungen als Elemente der Vorgeschichte. Den propositionalen Gehalt der Frage kürzt Franck mit "AF" ab - sie hält eine Umformung in einen Deklarativsatz mit der entsprechenden Aussage A für erforderlich (was ich bestreite) - , den der betreffenden Vorgängeräußerung mit "V" und bietet folgende Bedeutung von 'denn': "a) der Anlass zur DENN-Frage ist im aktuellen lokalen Kontext zu suchen, - in Gesprächen ist diese Bezugseinheit meist im Vorgänger zu suchen (V), DENN stellt Rückwärtskonnex zu V her. b) Zwischen V und Ap gibt es eine bestimmte inhaltliche Relation: A F ist eine hypothetische Voraussetzung für V bzw. für eine(n) der vielen semantischen oder pragmatischen Implikationen oder Implikaturen aus V." (Franck 1980, 224) "Das DENN in der Satzfrage gibt zu verstehen, dass der Sprecher aufgrund von V zur Vermutung AF kam, aber die DENN-Frage hat keine Tendenz, zumindest keine Präferenz-Tendenz." (ebd., 223) Parallel betrachtet sie die Funktion in "W-Fragen" als eine "Überprüfung", ob die Vermutung richtig ist. Im Unterschied zu König, der auch das Verlangen spezifischerer Information als Zweck der Frage berücksichtigt, legt sich Franck auf die Qualität der Voraussetzung des Erfragten fest. An anderer Stelle bietet sie die Paraphrase "Grund für V" oder betrachtet A F selbst als "Implikatur" oder auch "Präsupposition". Der Typ von Voraussetzung ist demnach nicht eindeutig geklärt - oder nicht zu klären. Leider gibt Franck keinen systematischen Hinweis auf Auswahlkriterium und Zweck, den die "Überprüfung" genau der jeweils genannten von möglichen anderen Voraussetzungen hat, Bublitz ist demgegenüber spezifischer. Er rekonstruiert einen "Quasi-Syllogismus", den der Sprecher aufgrund eigener Erwartungen anläßlich der Bezugshandlung aktiviert und kontrastiert, so daß er durch die Frage eine Erwartungsdiskrepanz zu behandeln versucht. Das Moment der Diskrepanz und ihrer interaktiven Bearbeitung halte ich für wesentlich - allerdings nicht im individuell bezogenen, sondern im handlungssystematischen Sinne. Welchen Stellenwert hat nach Bublitz 'denn' dabei? "Denn bezieht sich auf PSPen (Präsuppositionen; A. R.) ... oder IMPLen (Implikationen - aus der Bezugsäußerung; A.R.)... und weist darauf hin, daß die jeweilige Wahrheit dieser Sätze der Erwartung des Sprechers nicht entspricht Diese bezieht sich auf die Propositio minor eines Quasi-Syllogismus, dessen Konklusion mit dem tatsächlichen Sachverhalt nicht übereinzustimmen scheint. Zwei Möglichkeiten bieten sich dem Sprecher für die Erklärung der Nicht-Übereinstimmung der Konklusion und des SachVerhalts an. Er kann annehmen, daß der Allgemein-Satz (Propositio maior) falsch ist. ... Als Alternative bietet sich die Annahme an, daß die Propositio minor falsch ist oder, genauer, die Erwartung des Sprechers, bezogen auf die Propositio minor." (Bublitz 1978,59) Nach meiner Auffassung ist es theoretisch nicht angemessen, Implikationen oder Präsuppositionen als Satze zu qualifizieren und sie ebenso wie die Vorgängeräußerung wahrheitswertsemantisch zu behandeln ("Wahrheit dieser Sätze") sowie
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bruchlos zu einem "tatsächlichen Sachverhalt" der Vorgängeräußenmg überzugehen. Gemeint ist offenbar das Verhältnis des propositionalen Gehaltes der Äußerung zu einem spezifischen Wissen des Sprechers, das er aus einem Schlußprozeß gewinnt. Und ein solches Messen an wissensbasierten Erwartungen zweckt gerade nicht auf die Frage nach der Übereinstimmung mit der realen, praktischen Wirklichkeit ab, sondern lediglich mit ihrer mentalen Widerspiegelung im Kopf des Aktanten, allgemein gesagt, eben mit seinem Wissen. Die Rekonstruktion von Bublitz ist jedoch in einer Reihe von Aspekten zweifellos erhellend. Eine Bindung von 'denn' an Erwartungen - bereits Brinkmann (1971, 762} macht diese Beobachtung, wenn er an einem Beispiel mit der Partikel 'denn' von der "Folgerung aus einer Erwartung" spricht, die problematisiert wird - trifft meines Erachtens einen wesentlichen Kern. Ich bin allerdings nicht der Ansicht, daß es sich jeweils um einen Schlußprozeß handelt. Beispielsweise läßt sich für die Frage des Ehemannes (B7) oder auch für die der Mutter an die Tochter (B8) nicht ohne weiteres und sinnvoll ein Schlußprozeß rekonstruieren, sondern eher die mentale Handlung einer Einschätzung oder Bewertung. Des weiteren ist die Bedeutung von 'denn' erst deskriptiv erfaßt. Formulierungen wie "sich beziehen auf" (PSF oder IMPL) und "hinweisen auf" (Erwartungsdivergenz) gewinnen bei Bublitz keine begriffliche Qualität, sondern bleiben theoretisch ungeklärt. Eine Handlungstheorie von Sprache kann über diesen unbefriedigenden Zustand hinausführen. Eine solche Analyse möchte ich nun entwickeln.15 Bislang galt die Betrachtung lediglich - von der fragenden Äußerung mit 'denn' ausgehend - der Vorgeschichte. Es ist nun auch die Nachgeschichte zu betrachten. In der Literatur wird sie zugunsten des Anknüpfungsgesichtspunktes gewöhnlich ausgespart. Franck weist zwar darauf hin, daß "DENN innerhalb der Konversation geeignet ist side-sequences einzuleiten" (1980, 225), aber lediglich Lindner (1983) nimmt bei ihren Analysen von Vorschulkindern den Stellenwert im gesamten Handlungszusammenhang in die Funktionsbestimmung des Ausdrucks auf. In den Kategorien der konversationsanalytisch orientierten Gesprächsanalyse von Kallmeyer (1977) formuliert sie: "Denn wird in Fragen gebraucht, die Teilschemata zur Klärung von Voraussetzungen, also Einschübe, einleiten; dabei handelt es sich um Voraussetzungen, die unmittelbar für die Durchführung des Handlungsschemas, das durch den Einschub unterbrochen wird, und/ oder für den weiteren Interaktionsverlauf relevant sind, Denn zeigt den Status dieser Teilschemata an." (Lindner 1983, 172) Einerseits bedeutet ein Einschub die Unterbrechung eines anderen Handlungsverlaufs - in einem ihrer Belege dauert er 44 Sekunden (ebd., 163) -, andererseits kennzeichnet Lindner diese Einschübe als relevant für den Handlungsfortgang. Insofern "stattet" 'denn' ein " Wesentliche Überlegungen hierzu sowie zur Bestimmung bei assertiver Verknüpfung habe ich bereits 1985 auf dem Partikel-Symposium in Groningen und in einem Vertrag in Hannover (1985) sowie 1987 auf dem Syntax-Symposium im Institut für deutsche Sprache vorgetragen. Ich danke für die verschiedenen Diskussionsbeiträge.
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"elementares Handlungsschema Ff" mit einer "organisierenden Funktion (ebd., 159) und " leitet mit Fj ein F ein, wobei F' ein Einschub E in F ist" (ebd., 160) F ist "ein F} echt umfassendes Interaktionsschema" (ebd., 159). Interessant ist die Voraussetzungscharakterisierung: "x (dem Sprecher; A. R.) fehlen Informationen (pl..pn) über den Zustand Z zum Zeitpunkt t, d. h. x r Bild 3 vom Zustand Z in t ist unvollständig im Sinne von b, - b. ( ,., ) sind Voraussetzungen für die Durchführung von F oder von Fi...Fn zu den Zeitpunkten ti.,,trt, einer Folge von Handlungsschemata zu zukünftigen Zeitpunkten." (a.a.O.) Der Ausdruck 'Einschub' beschreibt ein Formkennzeichen von Interaktion. Die Funktionalität von 'denn' wäre demnach - den Verfahren der Konversationsanalyse entsprechend - auf die Oberfläche des Interaktionsablaufes bezogen. Die Notwendigkeit des Einschubs ergibt sich nach Lindner aus einem Informationsdefizit über einen Zustand, das jedoch für die Handlungsfortsetzung zu beheben ist Die Kategorien der Information und des Zustande bleiben m, E. erklärungsbedürftig; ein Informationsdefizit kann nicht den allgemeinen Fall erfassen, wie sich an (B7) durch die eigene Fortsetzung des Ehemannes sowie an (B8) - der Kritik an der Tochter oder (B10: "Bin ich denn taub?") leicht erkennen läßt. Der Begriff "Bild" ist bei Lindner des weiteren nicht als ein spezifischer Wissenstyp (cf. Ehlich & Rehbein 1977) zu verstehen, sondern alltagssprachlich beschreibend. Der Rückbezug ist, im Verhältnis zu den oben genannten Autoren, nicht mehr als Leistung von 'denn' bestimmt, sondern nur vermittelt darüber enthalten, daß es um die die Kenntnis von Voraussetzungen geht. Neu ist Lindners Einbezug von künftigen Handlungen, deren Voraussetzungen geklärt werden. Leider wird nicht deutlich, inwiefern möglicherweise auch hierbei eine Anknüpfung an die Vorgeschichte vorliegt. Gegenüber der Bestimmung von Bublitz fehlt ein Moment der Erwartung und der Diskrepanz. Entweder liegt das an Lindners Material kindlicher Kommunikation oder eine der beiden Bestimmungen ist in anderer Weise nicht allgemein treffend. Die Beispiele in Lindners Aufnahmen von spielenden Kindern betreffen die Identifikation, Funktion und Lokalisierung der Spielgegenstände, des Inventars im Aufnahmestudio (Mitschauanlage), die Namen der Mitspieler und die Rückkehrzeit der Mütter. Nicht sprachliche Handlungen, sondern Elemente der Situation im Sinne Königs sind also hier die Bezugsgegenstände und die Formen stets Ergänzungsfragen. Hinsichtlich der "Anknüpfung" werden noch eine Reihe von Fragen aufgerufen, in deren Beantwortung die funktionale Analyse von 'denn' weitergetrieben werden soll; Werden mittels 'denn' wirklich Informationen über relevante Voraussetzungen erfragt? Inwiefern spielen Erwartungsdiskrepanzen und deren Bearbeitung eine Rolle? Leistet 'denn' selbst einen Rückbezug und womöglich auch einen Vorgriff auf den anschließenden Fortgang der betreffenden Handlung? Wie kommt es, daß Dittmann verschiedene Paraphrasen je nach formalem Fr age typ (Entscheidungs- oder Ergänzungsfrage) und Intonation ansetzt, wobei 'denn' teilweise illokutive Indikationen leiste? Welches dieser Phänomene verdankt sich anderen sprachlichen Mitteln?
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2.2.5 Grundfunktion von 'denn' Dieser Paragraph bildet den zentralen semantischen und syntaktischen Teil meiner 'denn'-Analyse und wird dementsprechend in die einzelnen Argumentationsschritte näher untergliedert. Ich stelle die Grundfunktion von 'denn' exemplarisch am Bezug auf Handlungen der Interaktanten, insbesondere auf sprachliche Handlungen, dar. (Für nicht-sprachliche Handlungen gelten vermutlich ähnliche Bedingungen.) Analytisch und terminologisch bildet - unter der Zweckperspektive des Gesamtphänomens - diejenige Sprechhandlung das Zentrum, die als "Anlaß" oder "Bezugseinheit" charakterisiert wurde und in der Vorgeschichte der 'denn' enthaltenden Frageäußerung angesiedelt ist. Das bedeutet, daß derjenige Aktant, der die veranlassende Äußerung macht, als Sprecher S oder Interaktant S bezeichnet wird, derjenige, der die Frage mit 'denn' formuliert, als der Hörer H oder der Fragende H. Die veranlassende Handlung bildet zugleich die Geschichte des gemeinsamen Handlungszusammenhangs oder Handlungssystems, das S und H unterhalten. Dies ist also eine Präzisierung der Sprechhandlungskonfiguration, die im Vorhergehenden noch nicht scharf genug gefaßt wurde; denn zuvor war unspezifisch von "der Sprecher" oder im einfachen Sinne von "der Äußernde" die Rede. Um die Darlegung konkretisieren zu können, ziehe ich zuweilen die obigen Belege heran. 2.2,5,1 Innehalten in einem Musterdurchlauf Die Äußerung des Sprechers S hat eine bestimmte illokutive Qualität, sie realisiert also eine bestimmte Position in einem Handlungsmuster. Ein Handlungsmuster ist eine historisch-gesellschaftlich entwickelte Form zur Erfüllung repetitiver Zwecke in repetitiv auftretenden Situationen. Niemals ist ein Muster lediglich durch eine einzige, isolierte, nur auf einen Aktanten bezogene Position gekennzeichnet, sondern umfaßt stets Positionen beider Interaktanten, insbesondere auch Positionen spezifischer mentaler Akte16. Das Wissen über solche Formen, das Musterwissen, wird bei der handlungspraktischen Aneignung von Sprache ontogenetisch erworben. Ein Aktant kann deshalb, indem er sich zur Realisierung seiner individuellen Ziele eines der zweckmäßigen Handlungsmuster bedient, erwarten, daß der Interaktant in der musterspezifischen Weise reagiert, daß er also seine musterspezifische Sequenzposition erfüllt17. Sich auf das Muster - und sei es negierend - einzulassen, ist eine 16
Mit dem Ausdruck "Position" beziehe ich mich auf die graphische Darstellung solcher Handlungsmuster in Form von Flußdiagrammen, wie sie seit Anfang der siebziger Jahre in der Sprechhandlungsanalyse entwickelt worden und parallel auch in der artificial intelligence und darauf bezogenen text- und sprachpsychologisehen Arbeiten üblich geworden ist. l^In der Sprechakttheorie von Searle, die in ihrer Anfangsform einzig isolierte Sprechakte aus der Sprecherperspektive heraus betrachtet, tritt dieser Aspekt zuweilen, jedoch nicht systematisch, als
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unerläßliche Anforderung minimaler Kooperation in jeglicher Interaktion.^ Diese "Erwartung" des Sprechers ist somit als eine pragmatische oder genauer: als eine "Handlungspräsupposition" zu verstehen (Wunderlich 1972; Ehlich & Rehbein 972); sie basiert auf dem Musterwissen. Im Falle der anschließenden Frage mit 'denn' reagiert der Hörer in jeglichem Sprechhandlungsmuster für den Sprecher unerwartet. Unabhängig vom spezifischen Handlungszusammenhang ist dann der "normal course of event" beeinträchtigt Der Hörer realisiert nicht die sequentiell angemessene Musterposition. Die Musterabwicklung wird dadurch aufgehalten oder angehalten. Aus der Perspektive des Fragenden formuliert; er hält innerhalb des Handlungsmusters inne. Dieses Innehalten läßt sich als erstes Bestimmungsmoment von Fragen mit 'denn' begreifen. Es ist nicht als Infragestellung oder gar Abbruch des gemeinsamen Handlungssystems zwischen S und H zu verstehen. Im Gegenteil, sein Zweck besteht darin, es aufrechtzuerhalten und das Muster fortsetzen zu können. Um das Mittel für diesen Zweck genauer bestimmen zu können, muß erstens der allgemeine hörerseitige Handlungsverlauf in der Nachgeschichte des angehaltenen Musters betrachtet werden und zweitens die Vorgeschichte der sprecherseitigen sprachlichen Handlung. Die Leistung von 'denn' läßt sich auf diesem Hintergrund klären. Die Ausfüllung der angemessenen Musterposition durch H besteht in ihrem nicht an der Oberfläche erkennbaren ersten Schritt stets im Vollzug von mentalen Akten. Elementar und unspezifisch für ein bestimmtes Muster ist zunächst das "Verstehen" der Sprechhandlung von S. Wenn dieses Verstehen gestört ist, wenn H es als defizient erkennt, hält er im weiteren Ablauf inne. Grundlage der Frage mit 'denn' ist ein negativer Durchlauf durch die erste hörerseitige Musterposition, durch den "Entscheidungsknoten"19 des "Verstehens". Dieser ist nun in seiner inneren Struktur genauer zu betrachten.
hörerbezogene Bedingungen des Sprechaktes auf (cf. die Kritik von Ehlich 1972). Eine gewisse Einschränkung von möglichen Handlungsfortsetzungen wird in der Konversationsanalyse als Bedingung der "konditionalen Relevanz" formuliert (cf. Sacks, Schegloff, Jefferson 1974). So bedeutete es in diesem Rahmen eine unerwartete Strukturerweiterung, als sich in schulischer Kommunikation herausstellte, daß es über die "adjacency-pairs" hinaus auch z. B. systematisch dreigliedrige Strukturen gibt (Mehan 1979). Mentale Handlungen sind in der orthodoxen Konversationsanalyse aufgrund ihres phänomenologischen Grundansatzes nicht berücksichtigt, 18 Zu verschiedenen Formen von Kooperation im sprechakttheoretischen Rahmen cf. Keller (1987). ^ Mentale Handlungen werden im Flußdiagramm für Handlungsmuster als "Entscheidungsknoten" bezeichnet und in Form von Rauten - anstelle rechteckiger Handlungspositionen im akü'onalen oder sprachlichen Bereich - symbolisiert.
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2.2,5.2 Verstehen und Verstehenssynchronisierung Die Kategorie des Verstehens ist außerordentlich komplex und in den Disziplinen der Psychologie und Linguistik keineswegs einheitlich geklärt,20 Bezogen auf den Verstehensbegriff, den ich für die Analyse von 'denn' benötigen werde, sind die Sprechakt- bzw. sprechhandlungstheoretischen Auseinandersetzungen zwischen Wunderlich (1972) und Maas (1972) sowie die neuere Aufnahme dieser Diskussion bei der Analyse des Begründens (Ehlich & Rehbein 1986, Kap. 5) einschlägig.21 Wunderlich unterscheidet nach (a1) der Äußerung eines Sprechaktes durch den Sprecher S hörerseitig: (b1) das Verstehen des Sprechaktes von S, indem H die Intention von S rekonstruiert, und (c') das Akzeptieren der Intention und insofern Übernehmen der hörerseitigen Verpflichtungen (- damit gilt der Sprechakt als "gelungen") sowie schließlich (d') das Erfüllen der Intention von S durch die entsprechende Handlungsausführung seitens H (1972,286ff). Der Intentionsbegriff wird dabei äußerungsspezifisch, "also nicht zu weit gefaßt" (ebd., 289), verwendet. Maas kritisiert diesen vergleichsweise weiten Verstehensbegriff und bietet unter (c") gegenüber (b") eine Differenzierung, die er als "handlungstheoretisch" (1972, 294ff) charakterisiert: Nach (a"), dem Äußern eines Sprechaktes durch S, folgt hörerseitig (b") ein Verstehen der Äußerung in ihrer akustischen sowie einer rudimentären inhaltlichen Dimension im Sinne einer gemeinsamen Einzelsprache (- die eigentliche propositionale Dimension scheint mir in den beispielhaften Ausführungen von Maas nicht eingeschlossen zu sein), (c") ein anderes, relevantes "Verstehen", das handlungstheoretisch als "probeweise akzeptieren" des Sprechaktes zu rekonstruieren ist (ebd,, 298), (d") ein definitives Akzeptieren und schließlich (e") ein Entsprechen der von S intendierten Handlung durch H. In der Fortentwicklung der Theorie des sprachlichen Handelns ist - anders als in der Sprechakttheorie - der hauptsächliche Kritikpunkt von Maas an Wunderlichs "psychologisch privatem" (ebd., 303) Inientionsbegriff durch die systematische Bestimmung von Handlungsmustern mithilfe der Kategorien des Zwecks und des individuellen, gleichwohl - wie auch der des Bedürfnisses - gesellschaftlich vermittelten Ziels hinfällig. Zugleich wird eine weitergehende, systematisch auf die innere Struktur von Handlungen bezogene Darstellung des Sprechh andlu ngs verStehens möglich, die mit diesen beiden älteren Überlegungen kompatibel ist. Ehlich & Rehbein geben die Schritte folgendermaßen wieder: ^" Im handlungs- bzw. tatigkeitsbezogenen Zusammenhang dürften die Untersuchungen der sowjetischen Psychologie im Anschluß an Wygotski - nunmehr sind seine Einzelschriften über das Hauptwerk "Denken und Sprechen" (1969) hinaus in zwei Bänden auf Deutsch zugänglich - und A.N.Leontjew (1973) nach wie vor als richtungsweisend gellen (z. B. Lurija 1982) sowie für die psychologische Semantik das Werk von Hörmann (1976) und, mehr syntaktisch orientiert, die Analysen von Engelkamp (1973). 21 Eine detaillierte handlungslogische Rekonstruktion des Verstehens bietet Meggle (1981); seine Konzeption ähnelt stark derjenigen von Maas.
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(a)
S realisiert eine Sprechhandlung =
(bi) (bs) (bg)
H hört den Äußerungsakt; H identifiziert den propositionalen Akt; H identifiziert den illokutiven Akt; (ba) und (ba) = H rekonstruiert die "Situationseinschätzung" durch S = H nimmt die Sprechhandlung inhaltlich zur Kenntnis; (bi) und (ba) und (ba) = (b) = H perzipiert (a); H überprüft, ob die von S hinsichtlich der Situation gemachten Annahmen mit seinen eigenen übereinstimmen; H übernimmt den hörerseitigen Teil der Sprechhandlung; H bringt die Nachgeschichte der Sprechhandlung zu Ende.
(c) (d) (e)
illokutiven Akt, propositionaler Akt und Äußerungsakt
Schema 1: Schritte des Sprechhandlungs-Verstehens (aus: Ehlich & Rehbein 1986,105)
Besonders die Schritte (d) und (e) sind dann, wenn sie für bestimmte Sprechhandlungen formuliert werden sollen, noch zu spezifizieren. Mit diesem Schema geben die Autoren die generellen Schritte an. Den Begriff der "Situationseinschätzung" bestimmen sie leider in diesem Zusammenhang dezidiert nicht genauer.22 Der Musteranalyse entsprechend vermitteln sich in dieser Konstellation m. E. Zweckstruktur und Struktur der repetitiv auftretenden Situation, auf die hin die gesellschaftliche Handlungsform entwickelt ist. Die drei Dimensionen einer Sprechhandlung - der Searleschen Unterscheidung entsprechend - werden in diesem Schema differenziert. Das Wechselverhältnis von propositionaler und illokutiver Dimension drückt sich wiederum insgesamt als inhaltliche Seite der Handlung aus; das Ganze läßt sich kurz als Perzeption (b) zusammenfassen. Perzeption und Überprüfung der Situationseinschätzung entsprechen Wunderlichs Verstehensbegriff. Das probeweise Akzeptieren von Maas entspricht der Überprüfung (c). Ehlich & Rehbein weisen daraufhin, daß der Alltagsbegriff von 'Verstehen' zu undifferenziert ist, um als Basis für eine begriffliche Erfassung des Verstehens dienen zu können, "das in der Handlungssequenz des Begründens eine elementare Rolle spielt" (ebd., 107). Hier wird also ein sehr umfassender Begriff des Verstehens vertreten, der auch das hörerseitige Tun einschließt. Um Verstehen in der Interaktion zu sichern, ist dementsprechend ständig eine Vielzahl komplexer Synchronisierungen zwischen Sprecher und Hörer erforderlich. Für die erfolgreiche Synchronisierung müssen die einzelnen Verstehensschritte nacheinander, also Schritt für Schritt, "gecheckt" werden. Angesichts dieser Komplexität ist es nicht erstaunlich, daß ein solches Verstehen zuweilen gefährdet ist. Deswegen gibt es kommunikative Verfahren, um auftretende Probleme zu bearbeiten. Dies genau ist der Ort für die funktionale Analyse von 'denn': 22
Eine allgemeine Ausführung bietet Rehbein (1977), wenn er die Situationseinschätzung als das erste Stadium bei der Ausführung einer Handlung bestimmt
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'denn' ist ein Mittel zur Bearbeitung solcher Verstehensprobleme. Die oben zitierten empirischen und quasiempirischen Belege von 'denn' in fragenden Äußerungen illustrieren bereits, daß sich die fragende Äußerung des Hörers auf alle drei Dimensionen (bi-ba) sowie auf spezifische Konstituenten, Prozeduren, beziehen kann. Ein einfacher Beleg für Probleme bei der Überprüfung der Situationseinschätzungen findet sich im Freiburger Korpus beim Frühstückskaffee im Büro: (B 12) (Drei weibliche Büroangestellte, AA, AB und AC, unterhalten sich über den bevorstehenden Urlaub ihrer Kollegin (AA), indem sie über die Sicherung von Wertgegenständen und Bargeld beraten - die Institution "Tourismus" kommt darin in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Geldscheine sollen nach Plänen der Reisenden vor allem in Kleidung eingenäht werden.) AB Hoffentlich wird es nicht so viel. AC Wieso, kriegen Sie auch noch welche zum Verstecken? AA Ja, jeder. Das ah/die haben mir gesagt/ AC Wann kriegen Sie die denn? AA Morgen. Das können wir ja dann noch in den zwei Tagen machen, nich? AC Ach so, ja. (H/3,55) Um die AA gegenüber vorgreifenden Bedenken ihrer Kollegin AB über die Geldmenge und somit den Zeitaufwand für das Einnähen einschätzen und dadurch ihrerseits beratend beispringen zu können, wendet sich AC an die Reisende und klärt ein Element aus deren Situationseinschätzung, Dazu äußert sie zunächst eine Frage nach den genaueren Umständen ("Wieso?") und dann eine mit 'denn', Die Antworten erweisen, daß das Bedenken von AB zwar eine reale Basis hat, zugleich jedoch dieser Punkt von A A selbst bedacht und geklärt ist, so daß keine weiteren Bedenken oder Ratschläge nötig sind ("Ach so, ja"). 2.2,5.3 Deiktische Qualität von 'denn' - historische Etymologie Was leistet der Ausdruck 'denn1 für die Verstehenssynchronisation im einzelnen? Dazu ist ein Blick auf die historische Etymologie zu werfen. Sie ist in den einschlägigen Wörterbüchern wie von Grimm und Paul, bei Behaghel und in Einzelarbeiten in ihrer interessanten und vielfältigen Entwicklung ausführlich dargestellt Besonders Roemheld (1911), von Stuckrad (1957) und, zusammenfassend wie korpusbasiert, Arndt (1956) und Eroms (1980) geben Auskunft nicht zuletzt über die sprachgeschichtliche Entwicklung des Ausdrucks. Sie vollzieht sich vom - in unserem Begriff temporalen Zeigwort ausgehend (s. o. §2: (BÖ) Denn man tau!) über einen Gebrauch als "Vergleichspartikel" (ebd.: (B5) Ich bin auch überzeugt, daß die Mannheimer heute mehr denn je bereit sind zu einer solchen Vereinigung) und als "excipierende Partikel" (ebd.: (B4) Es sei denn, er ist schlapp) bis schließlich zur Verwendung als
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"Konjunktion" 'denn' (ebd.: (B2) Diese Vorüberlegung ist erforderlich, denn sie beugt falschen Erwartungen vor). Ich werde bei der Betrachtung von 'denn' in Satzverbindungen auf diese Wortgeschichte eingehen. Hier ist allein von Interesse, daß 'denn' aus 'thanne', 'danne', 'dann1 abgeleitet ist, frühestens ab dem 15. Jahrhundert, später im 16. Jahrhundert bei Luther, als eigene Form nicht-temporaler Qualität neben 'dann' tritt und allmählich in den verschiedenen Sprachräumen geschieden wird. Im Niederdeutschen ist dieser Prozeß bis heute nicht abgeschlossen, so daß dort 'denn' und 'dann' in der Alltagssprache nicht distinktiv verwendet werden ( - in der syntaktischen Form der Satzverbindung scheint 'denn1 ohnehin eher in den Bereich der geschriebenen Sprache zu gehören).23 'dann' ist ein deiktischer Ausdruck. Er gehört nach der systematischen Unterscheidung von "Syrnbolfeld" und "Zeigfeld" einer Sprache durch Bühler (1934) zum Zeigfeld. Bühler arbeitet die handlungs theoretische Bestimmung von Deixeis jedoch nur für den Bereich der sinnlichen Wahrnehmung, d. h. für die Deixis "ad oculos", und für die Vorstellung, die Deixis "am Phantasma", aus. Eine weitergehende Analyse bietet Ehlich (1979). Sie basiert auf einer erschöpfenden Korpusanalyse des biblischen Hebräisch im Pentateuch und ist dann in allgemeiner Form für das Deutsche, teilweise im Vergleich mit dem Englischen, formuliert (1982,1983) sowie durch konkrete literarische Analysen (z. B. 1985) und in einer Einzelanalyse zu 'so' (1987) ausgearbeitet worden. Ich gebe die wesentlichen Bestimmungen wieder. Die Verwendung der Deixis hat handlungs theoretisch nicht den kategorialen Status einer Handlung oder eines Aktes, sondern den einer Prozedur. Prozeduren sind, systematisch gesehen, kleinere Handlungseinheiten. Deixeis sind Mittel der "Orientierung" beim Verständigungshandeln zwischen Sprecher und Hörer. Die "deiktische Prozedur" dient dem Sprecher dazu, die Aufmerksamkeit des Hörers zu fokussieren, und zwar neu. Diese "Neufokussierung" begreift Ehlich als ein Verweisen, das in systematischer Opposition steht zur "Fokuskontinuierung" mittels "phorischer Prozeduren" (im Deutschen durch 'er, sie, es' realisiert) sowie zur "nennenden Prozedur" mithilfe der Ausdrücke des Symbolfeldes.^4 Der deiktische Verweis erfolgt, kategorial betrachtet, in einem Verweisraum und hat ein Verweisobjekt. Die Verweisobjekte werden durch verschiedene Deixistypen vorkategorisiert bzw. in ihrer Charakteristik aufgegriffen: Personal-, "Objekt"-, Lokal-, Temporal- und Aspekt-Deixeis sind (im Deutschen) zu differenzieren (cf. Ehlich 1987, 291). "Zur Verwendung der schweizerdeutschen Partikel in der Umgangssprache cf, Werten (1983). 24 Die phorischen Prozeduren gehören, wie Ehlich Ü986a) ausführt, nicht dem deiktischen, sondern dem operativen Feld zu. Die handlungsiheoretische Bestimmung der nennenden Prozeduren wird semiotisch gewöhnlich als ein Referieren gefaßt.
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'dann' ist demnach zur deiktischen Neufokussierung der Aufmerksamkeit des Hörers geeignet. Das Verweisobjekt hat genuin eine temporale Charakteristik. Dies läßt sich genauer bestimmen. "Der mit thanne eingeleitete Satz enthält eine Tatsache, die dem Vorausgehenden nachfolgt" (Behaghel 1928, III, 112). Keineswegs muß sich die Nachfolgeschaft auf eine satzförmig wiedergegebene Tatsache beschränken, auch nicht auf deren Zeitlichkeit. Folgen und Folgerungen lassen sich ebenfalls durch 'dann' zürn Ausdruck bringen. Derartige Generalisierungen einer Dimension wie der zeitlichen Nachfolge zur ontologischen und logischen Nachfolge sind in der Sprache keine Seltenheit und werden vor allem unter dem Aspekt der Metaphorisierung und Ikonizität diskutiert (z. B. Givon 1979; Braunmüller 1982; Haiman 1985).a Allgemein möchte ich die Bedeutung von 'dann' folgendermaßen formulieren: 'dann' ist ein Mittel zum Vollzug einer deiktischen Prozedur und verweist so auf eine Abfolge, und zwar auf eine lineare Abfolge26, 'denn' ist zunächst, als freie Variante von 'dann', ebenfalls ein Mittel zum Vollzug deiktischer Prozeduren. In welcher Weise unterscheidet es sich im Laufe der Sprachentwicklung von 'dann? Behaghel leitet aus 'danach' die Deutung "unter diesen Umständen" für 'dann'/'denn' in Fragesätzen ab (1928, HI, 1130- Demnach wäre 'denn' in unseren Fällen ebenso zu bestimmen. Nach meiner Auffassung ist das ein Paraphrasierungsversuch spezifischer Verwendungszusammenhänge, der analytisch nicht weiter führt. Bei einer vollzogenen Distinction zwischen 'dann' und 'denn' scheint mir ein anderes Bedeutungsverhältnis vorzuliegen, 'dann', also der mit dem Phonem /a/ gebildete Ausdruck, leistet eine Neufokussierung linearer Abfolgen, 'denn', also der demgegenüber mit dem Phonem /e/ gebildete Ausdruck, leistet die deiktische Neufokussierung einer linearen Abfolge in ihrer Verkehrung oder Rückwärtsgerichtetheit.^ Man kann kurz von einer "Rückwärtsabfolge" im Unterschied zur normalen, vorwärts orientierten Abfolge sprechen. Der Prozeß, um dessen Abfolge es geht, wird durch 'denn' als "retrogredient" qualifiziert 'dann' qualifiziert ihn demgegenüber als "progredient".
25 ich gehe in §3,4,1,4 bei deFTknalyse des breiter gefächerten 'da' auf diesen Aspekt ein. 2*" Im Unterschied dazu habe ich die sprunghafte Folge-Qualität von 'so' als Korrelat von 'wenn' darzulegen versucht (Redder 1987). 2? Ich benutze nicht die logische Sprechweise von "konversen" Verhältnissen, weil sie lediglich das Ergebnis, nicht jedoch den Weg dorthin zu erfassen vermag, - Die Rückwärtigkeit der Abfolge wird im Niederdeutschen, also bei fehlender Distinktion, nicht ausdrucklich charakterisiert, sondern verbleibt im Handlungswissen der Interaktanten. Im übrigen gelten die folgenden Funktionsbestimmungen dort genauso.
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2.2.5.4 Deiktische Rücklenkung zwecks Reparatur von Verstehensproblemen Was heißt das für die Verwendung von 'denn1 in den oben betrachteten fragenden Äußerungen? Die Rücklenkung im Handlungsmuster geschieht aufgrund der deiktischen Qualität des Ausdrucks 'denn'.28 Der Hörer orientiert mittels 'denn' die Aufmerksamkeit des Sprechers neu auf ein Verweisobjekt, das die Qualität einer Rückwärtsabfolge hat Wir haben bereits gesehen, daß die Höreräußerung auf den sprecherseitigen mentalen Entscheidungsknoten vor einer sprachlichen - und analog vor einer nicht-sprachlichen - Handlung abzielt. Da deiktische Prozeduren nach vorn (kata-) und nach hinten (ana-) orientieren können, haben wir es offenbar hier mit dem Vollzug einer anadeiktischen Prozedur zu tun. 'denn' orientiert in der Höreräußerung die Aufmerksamkeit des Sprechers anadeiktisch neu auf den sprecherseitigen Entscheidungsknoten vor einer (sprachlichen) Handlung unter der Kategorie rückwärtiger Abfolge. Die Rückwärtigkeit oder Retrogredienz der systematischen Abfolge im Handiungsmuster wird prozedural aufgegriffen, Dem von S vollzogenen, abfolgekonformen Handlungsschritt von der mentalen Vorgeschichte zur interaktionalen Geschichte wird bei der Neufokussierung eine umgekehrte Richtung gegeben. Der musterspezifische Rückgriff auf den Entscheidungsknoten des Sprechers wird im Detail also anadeiktisch und mit retrogredienter Abfolgecharakteristik prozessiert. Ich illustriere diese deiktische Leistung von 'denn' anhand des relevanten Ausschnitts im Flußdiagramm eines Handlungsmusters, einmal im Normaldurchlauf (la) und einmal mit einem Innehalten des Durchlaufs durch fragend formuliertes 'denn1.
Sprecher mentaler Bereich
Hörer interaktionaler Bereich
mentaler Bereich
Diagramm la: Ausschnitt aus dem Beginn eines Handlurtgsmusters 2^ Die weitere Analyse wird zeigen, daß diese Aussage nicht identisch ist mit der Formulierung: Der Ausdruck 'denn' jsj in fragenden und satzverbindenden Zusammenhängen eine Deixis.
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Sprecher mentaler Bereich
Hörer interaktionaler Bereich
mentaler Bereich
Diagramm lb: Leistung von 'denn?' in einem Handlungsmuster
Die Einklammerung der Position X im Handlungsmuster soll das Innehalten in der Musterabwicklung verdeutlichen. Der Grund für das Innehalten des erwarteten positiven Durchlaufs durch die hörersei tige N ach geschieh te der (sprachlichen) Handlung und die Rüddenkung der Sprecheraufmerksamkeit von der Handlungsausführung zur mentalen Vorgeschichte besteht in einer Defizienz beim Hörer, genauer: in einer Verstehensdefizienz. Die Synchronisierung des Verstehens zwischen Sprecher und Hörer ist nicht (vollständig) gelungen. Der Sprecher hat in der mentalen Vorgeschichte seiner Handlung, also beim Durchlauf durch den gleichfalls intern strukturierten Entscheidungsknoten vor der interaktiven Handlungsausführung, keine ausreichende Antizipation der Verstehensvoiaussetzungen des Hörers geleistet. Ich spreche daher von einer unzureichenden "mentalen Vorarbeit" durch S. Das hörerseitige Nicht-Verstehen an einem der oben vorgestellten Schritte ist dadurch veranlaßt und führt (sofern der Hörer grundsätzlich an einer Aufrechterhaltung des gemeinsamen Handlungssystems interessiert ist/ also innehält, um sein Nicht-Verstehen in ein Verstehen zu transformieren und sodann seinen Entscheidungsknoten in der erwarteten Weise positiv durchlaufen zu können) zu der beschriebenen Aufmerksamkeitsorientierung auf die Sprecherseitigen mentalen Vorarbeiten unter der Kategorie einer Rückwärtsabfolge. Ziel ist es, diese verstehensbedingte Rückwärtsabfolge wieder in ihre handlungssystematisch normale Abfolge zu bringen. Es geht mithin um die Wiederherstellung von Folgerichtigkeit in der interaktiven Abwicklung der (sprachlichen) Handlung, die durch die ungenügende Antizipation hörerseitiger Verstehensgrundlagen durch den Sprecher gestört wurde. Der gesamte Prozeß, den der Hörer bei seinem Nicht-Verstehen in Gang setzt, hat insofern einen Charakter, den man als "Reparatur" im Sinne des konversationsana-
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ly tischen "repair" (Schegloff, Jefferson, Sacks 1977) bezeichnen kann. Rehbein (1984a) hat dieses mehr oberflächenbezogen, nämlich aufgrund seiner Einschubs- oder "sidesequence"-Qualität (Jefferson 1972) erfaßte Phänomen der Reparatur handlungstheoretisch weiter ausgearbeitet, indem er exemplarisch "reparative Handlungsmuster" im Fremdsprachenunterricht untersucht. Die Reparaturen beziehen sich dabei jedoch weniger auf die Bearbeitung von Verstehensproblemen als auf die defizitäre praktische Umsetzung verschiedener Wissensformen, wie Rehbein im einzelnen nachweist. Hier haben wir es mit einer reparativen Bearbeitung von Verstehensproblemen zu tun. 2.2,5.5 Das komplexe sprachtheoretische Grundmodell Ich habe von der Synchronisierung des Verstehens beim Verstand!gungshandeln zwischen Sprecher und Hörer gesprochen, von der mangelnden Anttzipationsleistung oder mentalen Vorarbeit auf Seiten des Sprechers und dem dadurch bewirkten Verstehensdefizit auf Seiten des Hörers, das dieser nunmehr durch eine spezifische Handlungsform zu einem Verstehen zu transformieren sucht. Wie ist jedoch Verstehen als eine mentale Größe theoretisch überhaupt zu erfassen, und wie ist es interaktiv zugänglich zu machen? In der Sprachwissenschaft wird - seit dem Auseinander gehen von Linguistik und Psychologie - gewöhnlich vom Verbalisierten als dem selbstverständlichen und gewissen Gegenstand der Theorie ausgegangen, Die Sprechhandlung wird - als "Sprechakt"29 - auch in pragmatischen Theorien von ihrem Resultat her und nur innerhalb ihres Resultatcharakters bestimmt. Mentales bleibt, in systematischer Weise, theoretisch im allgemeinen ausgespart und wird lediglich bei unausweichlichen "Grenzfällen", also peripher, aufgegriffen.^ 0 Um jedoch Handlungen wie die hier in Frage stehenden analysieren zu können, ist ein differenzierteres sprachtheore^ In Anlehnung an die idealistische Konzeption von Humboldts und, weiterführend, der Sprach inhalts Forschung (v, a. Weisgerber 1971; cf. Gipper & Schwarz 1962ff) wird der Sprache selbst eine Eigenexistenz in der "sprachlichen Zwischenwelt" zugewiesen, so daß sprachliches Handeln als eine Verwendung dieses ideell vergegenständlichten Instruments aufgefaßt wird, eines Instruments, an dessen Besitz nur die Mitglieder einer "Sprachgemeinschaft" partizipieren; terminologisch kommt diese Auffassung bei verschiedenen Autoren in bewußter oder unbewußter Tradition (z. B. bei Brinkmann, Hundsnurscher, Schemer, Rosengren, Motsch) in Ausdrücken wie 'Sprachakt", "Sprachteilhaber" und auch "Sprachverwendung" zum Tragen. Mentale Prozesse der Handelnden und das Wechsetverhäitnis von mentalem und sprachlichem Handeln in der Verbalisierung bleibt daher zugunsten einer mentalistischen Verdinglichung der Sprache bei der konkreten Analyse der Interaktion praktisch unerkannt. • Die Entwicklungen in der Psycholinguistik/Sprachpsychologie und Artificial Intelligence sind teilweise als Versuche zu verstehen, diese Prozesse zurückzunehmen. Allerdings ist dabei wiederum zu berücksichtigen, inwieweit die disziplininternen Entwicklungen der Psychologie theoretische und methodische Hilfen dafür bereitstellen.
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tisches Modell als das des Verbalisierten und - in wahrheitswertfunktionalen Konzeptionen - der Wirklichkeit zugrunde zu legen. Ein solches komplexeres Modell differenziert systematisch zwischen der Wirklichkeit, ihrer mentalen Widerspiegelung im Kopf der Aktanten und der Versprachlichung. Ausgehend von der üblichen Abkürzung für das Resultat der sprachlichen Tätigkeit (das Verbalisierte im propositionalen Akt) durch das Symbol p, repräsentiert das folgende Diagramm das komplexere sprachtheoretische Grundmodell:
H
Diagramm 2: Sprachtheoretisches Grundmodell - - {aus: Ehlich ft Rehbein 1986,96)
Die Wirklichkeit (P) wird im Kopf von Sprecher ( 5) und Hörer ( ) im Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen Praxis widergespiegelt und in Sprache, im Wege der Verbalisierung, umgesetzt (p). "Der ' -Bereich' ist vielfältig und repräsentiert die komplexe Menge psychischer Strukturen, die die Widerspiegelung der Wirklichkeit ebenso leisten wie die Kombination von Wissenselementen zu neuen Erkenntnissen, die dann selber als Wissen abgelagert werden, wie aber auch die komplexen Bewertungsprozesse anhand von deontischen und anderen Hierarchien und Systemen usw." (ebd., 97). Wenn ich also bislang von Wissen und Verstehen gesprochen habe, so ist theoretisch stets der -Bereich gemeint. Dies komplexere Modell ist nun auf die Störanfälligkeit in Interaktionen, auf die Bearbeitung von Verstehensproblemen, zu beziehen. Es zeigt sich, daß allein der proposition a le Gehalt als verbalisierter (p) und die Wirklichkeit (P) für beide Interaktanten direkt zugänglich sind, etwa im Wege der sinnlichen Gewißheit von Sprachwahrnehmung. Der Ort, an dem die Störung beim Verständigungshandeln auftritt, ist dagegen der -Bereich, für S wie für H. Er muß nun einerseits interaktiv zugänglich gemacht werden, um ihn zu bearbeiten. Der Hörer kann dazu sein Verstehensdefizit, speziell z. B. seine Wissenslücke, verbalisieren, d. h. in einen propositionalen Gehalt (p) sprachlich umsetzen. Andererseits muß für die Bearbeitung des Problems dieser Gehalt in seiner mentalen Qualität gekennzeichnet werden, also als der Ort des Defizits. Begrifflich gesprochen:
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Das problematische -Element muß als -Element von H, d. h. als TlH-Element, verbalisiert werden. Der Sprecher muß es dann mit seiner -Struktur ( 5), besonders mit seinem Wissen, ins Verhältnis setzen und dem Hörer das Ergebnis wiederum versprachlicht zugänglich machen/ damit er dadurch seine -Struktur ( ) synchronisieren und das Verstehensdefizit beheben kann. Wodurch wird die Charakterisierung des propositionalen Gehalts der Höreräußerung als nH-Element - also in seiner besonderen interaktiven Funktion für die Bearbeitung eines Verstehensproblems, nicht im Sinne der gewöhnlichen Umsetzung von Mentalem in Verbales - geleistet? Zwei Mittel greifen dafür spezifisch ineinander. 2,2.5.6 Diskurs ive Leistung der Frage-Form und deiktische Leistung von 'denn1
Die syntaktische Form einer Frage stellt eine einfache, grundlegende Realisierungsform der Sprechhandlung "Frage" (nach Wunderlich 1976 als Fragehandlung abgrenzbar) dar31. Der Zweck, d. h. die Illokutionsspezifik, einer Frage besteht im Zugriff auf das Wissen eines Interaktanten, um eine eigene Wissenslücke zu schließen. Die syntaktische Form der Frage ist somit ein einfaches sprachliches Mittel, um die Grenze zwischen zwei Handlungsräumen zu überbrücken. Die Form aktiviert die sequentielle Qualität der Handlung. Speziell, nämlich innerhalb des Musterablaufs 'Begründen', kann die Frage-Form dazu verwendet werden, um vom hörerseitigen in den sprecherseitigen Handlungsraum zu gelangen. Eine Frage löst beim Befragten einen Suchprozeß nach dem fraglichen Wissen und die Kommunikation des aufgefundenen Wissens aus- Die syntaktische Form ist daher des weiteren zweckdienlich zur Überbrückung der Handlungsraumgrenze an den beiderseitigen Positionen des Wissens in einem Handlungsmuster oder allgemeiner: an den jeweiligen Positionen des -Bereiches im Handlungssystem. Die Form einer Frage qualifiziert mithin den propositionalen Gehalt als Element des -Bereichs. Dabei ist antizipiert, daß der Interaktant aufgrund seiner Wissensstruktur dazu in der Lage ist, das fragliche Tl-Element zu liefern. Ein Hörer kann dies umso mehr einem Sprecher gegenüber unterstellen, als auf dessen mentale Vorarbeit bei der vorangegangenen Handlungsausführung Bezug genommen wird. Darin ist die häufig konstatierte Sicherheit^2 über das Wissen von S bei fragenden Äußerungen mit 'denn' begründet, Diese Formanalyse erlaubt eine Differenzierung der Analyse des verbalen Ausdrucksmittels, um das es hier geht, nämlich 'denn1. 31
Die Elementaritäl dieser illokutiven Kraft dürfte der hi s torisch-gesellschaftlichen Ausbildung einer standardisierten Umsetzung des Handlungszwecks bis in die syntaktische Formung hinein zugrunde liegen, 32 "Wesentlich für Fragen mit denn scheint auch zu sein, daß der Fragende fest damit rechnet, daß der Hörer die Antwort auf die Frage weiß." (König 1977,121)
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Die obige Graphik (Diagramm Ib) könnte suggerieren, daß allein der Ausdruck 'denn' die Handlungsraum überbrückung, die Bezugnahme von Mentalem ( ) auf Mentales ( 5) und die anadeiktische Neufokussierung eines Verweisobjektes mit der Qualität einer Rückwärtsabfolge leistet. Die beiden ersten Funktionen erweisen sich nunmehr als Leistungen der syntaktischen Form der Frage. Das Diagramm ist deshalb zu präzisieren. Eine Fuge zwischen 'denn' und dem Zeichen für die FrageForm, dem Fragezeichen, soll die beiden sprachlichen Mittel trennen, und die jeweiligen Pfeile {dicker bzw. dünner punktierter Pfeil) sollen die Leistung der mit ihnen vollzogenen Prozeduren im Handlungsablauf angeben.
Sprecher mentaler Bereich ,att
A
Hörer interaktionaler Bereich
mentaler Bereich
1 denn C ?
yv -v
Diagramm 3: Leistung von 'denn1 + ?' in einem Handlungsmuster
Es verbleibt jedoch nicht einfach die dritte Funktion (die anadeiktische Neufokussierung mit der Qualifikation einer Rückwärtsabfolge) als die "Restaufgabe", die durch 'denn' erfüllt wird. Denn es ist noch offen/ wieso die Aufgaben derart "konform", gleichzielend erfüllt werden. Auf welche Weise wird die Aufmerksamkeit ausgerechnet auf den fraglichen mentalen Bereich orientiert, und zwar anadeiktisch? Um eine Antwort zu finden, ist eine weitere theoretische Überlegung fruchtbar zu machen, 2,2.5.7 Funktionale Etymologie und Feldtransposition Wir haben 'denn' als einen Ausdruck bestimmt, der dem Zeigfeld von Sprache zugehört Dazu gehört auch 'so'. In einer detaillierten Ausführung hat Ehlich (1987) dargelegt daß dies sprachliche Mittel für andere Zwecke funktionalisiert werden kann, für Zwecke, die durch ein anderes sprachliches Feld wahrgenommen werden. Dieses bezeichnet Ehlich als "operatives Feld" oder "Operationsfeld". Ausdrücke des
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operativen Feldes werden zum Vollzug operativer Prozeduren verwendet. "Das Operationsfeld unterscheidet sich von den anderen in charakteristischer Weise, indem es hier um die Verarbeitung, die Prozessierung des sprachlichen Geschehens selbst geht, und zwar nicht im Sinne der interaktionalen Minimalerfordernisse, die oben (...) mit einfacher Kooperation bezeichnet wurden, sondern stärker mit Blick auf die propositionale Dimension." (Ehlich 1986a, 340· Die operativen Prozeduren dienen also der Verarbeitung von Sprache als Sprache, insbesondere in ihrer propositionalen Dimension. Die Funktionalisierung eines deiktischen Ausdrucks für solche Zwecke bedeutet, daß ein Mittel gewonnen wird, "um komplexe Aufmerksamkeitsanforderungen durch den Einbau von Prozeduren zu erleichtern, die zum Beispiel propositionale Einzelteile zusammenfassen und als zusammengefaßte abspeichern." (1987, 293) Ehlich weist eine routinisierte Funktionalisierung der Deixis 'so' für solche Zwecke in der Umsetzung von 'so ... daß' zu 'so daß' nach. Durch die Routinisiertheit dieser Unterordnung unter einen eigenen Zweckbereich geschieht etwas, das er theoretisch als "Feldtransponierung" oder "Feldtransposition" (ebd.) begreift. Ein Ausdruck, der genuin einem bestimmten Feld U - allgemein gesprochen zugehört, wird routinisiert für die Zwecke des sprachlichen Feldes X eingesetzt; um die Funktionalisiertheit auch terminologisch zu verdeutlichen, spricht Ehlich dann von einem Ausdruck der Handlungsqualität "para-X" (ebd., 293). Die Genese solcher Feldtranspositionen, die wesentlich - wie etwa im Falle von 'so daß1 - zum Strukturausbau von Sprache beitragen, wird im Rahmen einer "funktionalen Etymologie" (ebd., 294) rekonstruiert. Im Unterschied zur historischen Etymologie - beides kann, muß jedoch nicht im konkreten Fall übereinstimmen - geht es bei dieser Rekonstruktion um die Ableitung der Leistungen eines Ausdrucks beim sprachlichen Handeln. Das Konzept der Feldtransposition betrifft zuweilen - wie bei 'so' oder 'da' (s. u., §3.2.4) - die gleichen Ausdrücke und deren grammatische Erscheinungen, die Tesniere (1959) mit seinem Konzept der "translation" (die "transposition" von Bally aufgreifend) analytisch behandelt. Der Unterschied besteht darin, daß dem eine Kategorisierung nach Wortarten zugrunde liegt und insofern die translation als bloßer Wortartenwechsel erfaßt wird, nicht jedoch als Wechsel von Handlungsfunktionen. Das Dilemma der Analyse von Wortarten wird damit prolongiert.33 Wenn der Ausdruck 'denn' in der Gegenwartssprache produktiv im Zusammenhang mit zwei syntaktischen Formen verwendet wird, nämlich der Frage-Form und der topologischen Position zwischen zwei Satzformen, also in der Satzverbindung, so 33
Ähnlich wie Krivonosov kritisiert Brinkmann (T971, 621) am Beispiet von 'das' und 'daß' die Vermischung von Wortarten Wechsel und Wechsel der syntaktischen Funktion. Daß auch isolierte syntaktische Funktionen handlungsthcoretisch nicht die Grundkategorien abgeben können, wird sich im Laufe dieser Arbeit zeigen.
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liegt hier funktional-etymologisch ebenfalls eine Funktionalisierung der Deixis für andere, nämlich operative Zwecke vor. Konzentrieren wir uns hier zunächst auf die Rekonstruktion des ersten Falls,, also den routinisierten Gebrauch in Kombination mit der Frage-Form. Die Aufmerksamkeit gilt bei der Bearbeitung von Verständigungsproblemen in besonderer Weise der propositionalen Organisation, wurde gesagt. Es ist wichtig, daß der propositionale Gehalt, der durch die Frage-Form interaktiv transportiert wird, als -Element im -Bereich des Interaktanten zur Geltung kommt. Die anadeiktische Neufokussierung wird in den Dienst dieser operativen Zwecke gestellt. Der Ausdruck 'denn' ist beim routinisierten Zusammengehen mit der Frage-Form ein paraoperativer Ausdruck. Er ist also ein Mittel zum Vollzug einer paraoperativen Prozedur, d. h. einer Prozedur, durch die allgemein für den Interaktanten eine propositionale Organisation vorgenommen wird. Das bedeutet nicht, daß die deiktische Qualität des Ausdrucks verloren geht, Sie bleibt vielmehr aktual. Es ist nun genauer zu bestimmen, was sozusagen das Operative am paraoperativen Ausdruck 'denn' ist. Dazu ist etwas weiter auszuholen und die Handlungsqualität der fragenden Äußerung mit 'denn' sowie das Verhältnis von Wortstellung und Akzent funktional zu bestimmen. 2.2,5.8 Verstehenssynchronisierung und das Handlungsmuster des Begründens
Durch die Diskussion der Literatur zur sogenannten "Partikel" 'denn' sowie anhand einiger exemplarischer empirischer Betrachtungen konnten in diesem Paragraphen bereits zwei wesentliche Bestimmungsmomente von 'denn1 analysiert und durch die deiktische Qualität des Ausdrucks erklärt werden: das Innehalten in einem Musterablauf und die Synchronisierung von Verstehen im Wege einer reparativen Bearbeitung. Die Transformation eines Nicht-Verstehens in ein Verstehen ist nun der Zweck einer Handlungssequenz, die als Begründen zu typisieren ist. Ehlich & Rehbein (1986) arbeiten sowohl die innere Struktur dieser Handlungssequenz wie auch die Systematik des Handlungstyps heraus, also die Zugehörigkeit und jeweilige Spezifik einzelner Handlungsmuster, die im System des Begründens in den Dienst dieser Verstehenstransformation gestellt werden können. Darauf wird weiter unten einzugehen sein. Hier interessiert die einfache, die Grundform einer Handlungsbegründung. Ich referiere kurz ihre innere Struktur und gebe dann das Flußdiagramm der Handlungssequenz wieder. Ausgangssituation ist der Vollzug einer Handlung C durch S, den H nicht versteht. Dieses Nicht-Verstehen (-»V) impliziert die exklusive Alternative einer negativen Einstellung E von H zu C oder einer positiven Einstellung E'. Entscheidet sich H dafür, S zur Lieferung einer Verstehenshilfe zu provozieren, statt die Konsequenzen
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einer negativen Einstellung für den gemeinsamen Handlungszusammenhang sofort zur Wirkung kommen zu lassen, setzt er ein Prä der drohenden negativen Einstellung kommunikativ nach außen (Kundgabe eines Prä- ). H behandelt das Problem also als ein "produktives Nicht-Verstehen". S muß nun entscheiden, ob er an der Fortsetzung des gemeinsamen Handlungssystems interessiert ist und, im positiven Fall, wie er eine Umformung der Alternative in die Sicherung einer positiven Einstellung F bei H bewirken kann. S sucht dann ein "Element D, von dem er annimmt, daß es die Kraft hat, bei H die Umformung „, zu E' zu bewirken" (ebd., 98). S äußert dieses D-Element in einer "Exothese": "Dieses Äußern stellt eine unveränderte Abbildung des mentalen Elementes D in den Interaktionsraum von S und H dar." (ebd., 102) H entscheidet, ob D wirksam ist, d. h., ob D geeignet ist, sein Nicht-Verstehen in ein Verstehen (V) zu transformieren. Ist dies der Fall, übernimmt er eine positive Einstellung zur Handlung und ist offen für die Anschlußhandlung bzw. das Fortsetzungselement G (oder F, falls es in die Sequenz selbst integriert ist). Das Flußdiagramm der Handlungsbegründung sieht folgendermaßen aus : Hirer •entaler Seren n
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Diagramm 4: Begründen (aus: Ehlich i Rehbein 1986,100)
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Die Geschichte, der innere Teil des Handlungsmusters, ist für alle Typen der Begründung gleich; unterschiedlich sind Vor- und Nachgeschichte, also die Einlagerungen der Sequenz in andere Handlungsmuster. Die Spezifikationen von C differieren, ferner die Struktur des Schlußelements sowie seine Verteilung auf die Interaktanten, Zentral ist das D-Element und seine Transformation eines Nicht-Verstehens in ein Verstehen. Offensichtlich steht die Hörer äußerung, die wir hier im besonderen betrachten, mit diesem Handlungsmuster im Zusammenhang: Bei der fragenden Äußerung mit 'denn' handelt es sich um eine Realisierungform des Prä-E. Der Hörer provoziert mit dieser Äußerung eine Verstehenshilfe von S. Der Zwang zur Suche nach einem D-Element ist besonders groß, weil diese Realisierungsform des Prä- die Fortführung des Muster ablau fs komplementär in Aussicht stellt, sobald die durch 'denn' charakterisierte verkehrte, rückwärtige Abfolge durch Lieferung eines D-Elementes wieder in eine normale Abfolge - in ein 'dann1, wenn man mit der Etymologie sprechen will - gewandelt wird, Die Fortsetzung der Handlungssequenz bei Position G im Diagramm 4 ist durch den Ausdruck 'denn1 in die Formulierung des Begründens selbst negativ, in rückwärtigem Ablauf, integriert; der positive Fortgang des Handlungsmusters ist lediglich angehalten, bis Verstehen hergestellt ist. Ich sehe in dieser Konstellation einen der wesentlichen Unterschiede von 'denn' zur Verwendung von 'eigentlich' (dazu auch Bublitz 1978), H hat im Fall von 'eigentlich' das Nicht-Verstehen eine Weile lang auf sich beruhen lassen - womöglich war es auch noch gar nicht recht deutlich geworden - und seine Handlungen fortgesetzt. Erst an einem Punkt weniger drängender Handlungsfortführung, ja insbesondere nach bereits erfolgtem Abschluß des betreffenden Handlungsmusters, greift er das Nicht-Verstehen auf. Dies ist der Aspekt der "internen Motiviertheit", den Hentschel & Weydt hervorheben, Um ihre Überlegungen in dem hier vorgelegten Rahmen zu formulieren: die handlungspraktische Unterstellung, daß das gemeinsame Handlungssystem hinsichtlich des fraglichen Punktes auch ohne dessen Klärung aufrechtzuerhalten ist, soll zur Gewißheit geführt werden. Der Druck auf S, das D-Element zu liefern, so daß H eine positive Einstellung einnehmen kann, verstärkt sich dadurch allerdings. Eine häufige Kombination von 'denn' und 'eigentlich' in den Höreräußerungen bringt diese beiden Bedingungen, Dringlichkeit und insofern nunmehr nicht länger aufzuschiebende handlungspraktische Aktualität, ausdrücklich zusammen. Der illokutive Typus der fragenden Äußerung mit 'denn' ist damit geklärt, Prä- ist in sich von komplexer innerer Struktur. Ehlich & Rehbein formulieren: "Im Normalfall schließt ein Prä- zwei Ulokutive Akte zusammen: Einerseits enthält das PräE eine Aufforderung von H an S: 'Gib mi(r) eine Verstehenshilfe!'; andererseits weist das PräE S darauf hin, daß das gemeinsame Handlungssystem von S und H in Gefahr steht. Da das Handlungssystem, als zwischen S und H etabliert, eine positive Bewertung, d. h, ein Inter-
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Handlungssystem, als zwischen S und H etabliert, eine positive Bewertung, d, h. ein Interesse für S hat, bedeutet diese Information über seine Gefährdung eine bedingte Drohung von H an S: 'Wenn Du mir keine Verstehenshilfe gibst, stelle ich unser gemeinsames Handlungssystem in Frage', oder 'Wenn nicht D, dann E!'." (ebd., 101) Wir haben uns nun genauer der propositionalen Struktur der Äußerung und damit der operativen Charakteristik von 'denn' zuzuwenden. Ist es so, daß lediglich das Nicht-Verstehen als solches zum Ausdruck gebracht wird, oder erfolgt ein gewisser Vorgriff auf das D-Element? Bereits an den wenigen Belegen, die ich oben betrachtet habe, wurde erkennbar, daß der propositionale Gehalt an ein recht breites Spektrum von "Bezugsgegenständen anknüpft" (§2,2,3). Er enthält demnach in verschiedenen Graden von Spezifik dasjenige n-Element, um dessen Verstehensproblematik es geht. Das D-Element wird mithin sachlich vorstrukruriert. Wie dies sprachlich erfolgt und welche Leistung 'denn' dabei vermöge seiner Funktionalisierung zu einem operativen Ausdruck erbringt, ist erst auf der Basis einer genaueren syntaktischen Analyse zu bestimmen. 2.2,5,9 Propositionale Strukturierung des Präund Akzent
durch Frage-Form, Wortstellung
Zunächst ist die propositionale Strukrurierung der Äußerung durch die Frage-Form zu betrachten. Der propositionale Gehalt einer Frage zeichnet sich durch ein "bestimmtes NichtGewußtes" des Fragenden komplementär zu seinem "bestimmten Gewußten" aus^4 eben diese Komplementarität macht die Bestimmtheit und somit Erfragbarkeit des Nicht-Gewußten aus. Der Fragende wählt denjenigen Interaktanten als Hörer aus, von dem er annimmt, daß dieser über das fragliche Wissen verfügt. Der Hörer soll durch seine Antwort das bestimmte Nicht-Ge wußte in ein bestimmtes Gewußtes wandeln und in das sprecherseitig bereits verfügbare bestimmte Gewußte einpassen, so daß sich das Wissen des Fragenden zu einem gesamten Gewußten fügen kann, Das bestimmte Nicht-Ge wußte wird im Falle der Frage-Form stets in die erste Position der Äußerung, ins Vorfeld, gesetzt. Bei der Ergänzungsfrage wird das bestimmte Nicht-Gewußte durch ein Fragewort im Vorfeld zum Ausdruck gebracht. Für die Form der Entscheidungsfrage sind die Verhältnisse etwas komplexer. Bei dieser Form kann m, E. im terminologischen Sinne ein Null-Element in Opposition zu einem explizierten Element im Vorfeld angesetzt werden, während der Subjektausdruck ins Mittelfeld rückt.35 Diese ausdrückliche Freilassung der Erstposition 34
Im Zusammenhang einer handlungstheoretischen Bestimmung der psychoanalytischen Deutung bringt Ehlich (im Druck) die propositionale Charakteristik einer Frage derart auf den Begriff und befaßt sich kurz mit der grammatischen Struktur von Frage und Antwort im Verhältnis zur Wissensorganisation. 35 Ich nehme also nicht etwa ein movement des finiten Verbs nach COMP an, um in den Termini von GB zu sprechen.
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der Modus des Verbs als ein bestimmtes Nicht-Gewußtes qualifiziert wird. Die Flexionsformen des Deutschen erschweren eine explizite Voranstellung dieses Typs des Nicht-Gewußten, so daß die Freilassung des Vorfeldes ein sprachtypologisch angemessenes Mittel darstellt.^ Ein Akzent auf dem finiten Verb kann unterstützend hinzutreten. (Ein anderer Akzent kann dies bestimmte Nicht-Gewußte präzisieren oder modifizieren.) Die Prädikation des propositionalen Gehalts wird bei einer Entscheidungsfrage also durch das freie Vorfeld prozedural in Opposition zum PBereich gesetzt, d. h. Gedanke und Wirklichkeit werden sprachlich (verbal) einander gegenübergestellt Eben dies bildet zugleich die illokutive Opposition der Entscheidungsfrage zur propositional gleichlautenden Assertion, deren Charakteristik in einer Übereinstimmung von Gedanken und Wirklichkeit besteht, d. h. in einer Aufhebung der Opposition von und P. 37 Die Frage-Form ist mithin allgemein ein Mittel zur spezifischen, wissensbezogenen internen Differenzierung des propositionalen Gehaltes von Prä- . Inhaltlich bedeutet das bestimmte Nicht-Gewußte in Prä- eine mehr oder minder klar umrissene Thematisierung und Vorkategorisierung des kritischen, defizitären nH-Elements, etwa durch Fragewörter (B7, 8, Bll) (formaler Typ der Ergänzungsfrage); oder es enthält bereits eine weitgehende Vorstrukturierung bis hin zur Präsentation des D-Elementes durch H selbst als nH-Element, das lediglich hinsichtlich seiner Konformität mit 5 sequentiell eingebracht und S zur Entscheidung vorgelegt wird (Entscheidungsfrage). In solchen Fällen überwiegt freilich die Tendenz, Übereinstimmung zu erzielen, gegebenenfalls durch eine Adaptierung von 5 an , Eine solche Adaptierung kann in einer Handlungsmodifikation oder -zurücknähme des Handlungsmusters bestehen, das S begonnen hatte, Häufig sind diese Formen von Pra-E mit einem expliziten oder präsupponierten Negationselement versehen. Ein Beispiel letzter Art war (B10) ("Bin ich denn taub?"). Auf (B6), den Beleg bei der Krankenversicherung, werde ich in dieser Hinsicht unten noch einmal eingehen. Der Ausdruck 'denn' kann in der fragenden Äußerung verschiedene Positionen einnehmen, nicht jedoch die Vorfeld position, Dementsprechend variiert die Erstreckung der anadeiktischen Verweiskraft im Rede- oder Textraum, die sich handlungssystematisch als Rücklenkung auf ein -Element in der mentalen Vorgeschichte der Sprecheräußerung darstellt. Wie stellen sich die Verhältnisse an der sprachlichen Oberfläche dar? 3* Im stärker isolierend entwickelten Englischen wird die Modalität durch finites 'do1 im Vorfeld ausgedrückt. 3? Diese Aufhebung der Opposition hat es historisch der bis vor kurzem assertionszentrierten Linguistik ermöglicht, mit dem einfacheren sprachtheoretischen Grundmodell P-p zu operieren, wobei die 'Frage' an erste Grenzen dieser Konzeption stieß. - Die einzelne syntaktische wie funktionale Ableitung der Entscheidungsfrage aus der Ergänzungsfrage sowie die Darstellung sogenannter Stirnsätze muß an einem anderen Ort erfolgen.
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Über die Satzgrenze hinaus erfolgt anadeiktisch eine Neufokussierung der vorangegangenen Sprecherhandlung als Vorgeschichte der fragenden Höreräußerung. Innerhalb der Satzgrenze werden die jeweiligen propositionalen Elemente in der Wortfolge links von 'denn' neufokussiert. Dies sind insbesondere die Ausdrücke für das bestimmte Nicht-Gewußte, wie sie für Frage-Formen charakterisiert wurden. Die bei opera tionaler Funktionalisierung von 'denn1 erhaltene deiktische Qualität entfaltet sich jedoch auch auf die rechtsstehenden propositionalen Teile. Sie werden katadeiktisch neufokussiert. Handlungssystematisch bedeutet dies, daß auf vorhandene -Elemente im Entscheidungsknoten des Hörers verwiesen und dadurch eine differenzierende Vororganisarion hinsichtlich der Folgerichtigkeit eines D-Elementes für H vorgenommen wird. In der pradikatenlogischen Diskussion kennt man den "Skopus" eines Operators. Partikeln werden häufig als Operatoren bestimmt. Vom Skopus einer Partikel ist vor allem im Zusammenhang mit sogenannten Gradpartikeln (Airmann 1976) die Rede. Für die Modal- oder Abtönungspartikeln, zu denen 'denn' gezählt wird, fehlen derartige Betrachtungen.38 Der Skopus eines Operators erstreckt sich gemäß der strukturalistischen Argumentation im Deutschen gewöhnlich in der Wortfolge nach rechts. Sprachpsychologisch kann für 'denn' eine entsprechende Prozedur rekonstruiert werden: Je nach der eigenen Stellung von 'denn' erfaßt die katadeiktische Neufokussierung einzelne oder umfangreichere Teile des propositionalen Gehaltes der fragenden Äußerung, Grenzen der Konstituentenstruktur beschränken die Reichweite. Die "Partikel" selbst, also paraoperatives 'denn', ist in der Wortstellung weitgehend frei - und bereitet deshalb syntaktischen Erfassungen Schwierigkeiten,39 (B 7) Was sagt denn das aus? (B 7} Was sagt das denn aus? (B 6) Würden Sie denn nichts leisten? (B 6") Würden denn Sie nichts leisten? (B 6") Würden Sie das denn leisten? (B 14) (So, wir können gehen. -) Hast du deinen Schlüssel denn? Deutlich ist, daß die katadeiktische Prozedur notwendig in eine anadeikü'sche umschlägt, wenn sie selbst am Äußerungsende zur Geltung gebracht wird. In (B14) wird bei normaler Akzentsetzung (s. u.) "deinen Schlüssel" im engeren Sinne anadeiktisch neufokussiert, Eine weitere anadeiktische Neufokussierung der vorangegangenen Sprecheräußerung und damit handlungssystematisch des sprecherseitigen -Berei3® Einzig Abraham hat in einem Vortrag (1985) auch für diese Partikeln Fokusanalysen durchgeführt. 39 in den Grammatiken wird kaum eine solche Darlegung gegeben; die breiten Ausführungen zu den Partikeln bei Heibig & Buscha (1984) bilden eine Ausnahme, ohne allerdings ihrerseits Fragen der Topologie zu erörtern. - Ich kennzeichne Beispiele, die ich durch syntaktische Variation gewinne, durch Beibehaltung der Nummer.
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ches wird dadurch nicht behindert. Der Akzent tritt als Mittel zur Identifikation des bestimmten Gewußten an die Stelle der Topologie. Heibig & Buscha konstatieren als einzige syntaktische Besonderheit; "Weil die Partikeln keine Satzglieder sind, sind sie auch nicht allein erststellenfähig: Sie können als einziges Stellungsglied nicht die Position vor dem finiten Verb im deutschen Aussagesatz (Hauptsatz) besetzen, sondern sind immer nur zusammen mit ihrem Bezugswort im Satz verschiebbar" (1984,475), Wegen der "Distributionsbeschrankung" von 'denn' auf Fragesätze (ebd., 487) muß diese Aussage für 'denn' entsprechend modifiziert werden. Die handlungstheoretische Bestimmung ermöglicht eine analytisch differenziertere Erklärung dieses Umstandes. Das bestimmte Nicht-Gewußte einer Frage wird bei der Realisierung von Prä- als bestimmtes Nicht-Verstandenes zur Geltung gebracht. Da es in Frage-Formen stets im Vorfeld steht, muß 'denn' in Prä- diese Position dafür freilassen. Zugleich muß 'denn' eben dies Element anadeiktisch neu fokussieren, als Verweisobjekt mit der Charakteristik einer Rückwärtsabfolge versehen und operativ als Nicht-Verstandenes qualifizieren können. Die funktionale Analyse läßt eine Rekonstruktion der einzelnen Zweck-Mittel-Verhältnisse zu: In einer Frage scheidet das finite Verb aufgrund seiner Position (als Bezugspunkt der Wortstellung im Satz) zwischen dem bestimmten Nicht-Gewußten (im Vorfeld) und dem bestimmten Gewußten des propositionalen Gehalts (im Mittel- und Nachfeld), 'denn' gewinnt durch die Transposition ins operative Feld der Sprache zu seiner deiktischen Qualität die operative Charakteristik einer Kategorisierung propositionaler Elemente hinsichtlich ihrer folgerichtigen bzw. nicht-folgerichtigen Verstehbarkeit hinzu. Diese Zweckcharakteristik von 'denn' kann jedoch erst greifen, wenn das problematische Element als solches, als Nicht-Gewußtes, identifiziert ist, Deshalb erscheint es sachlich durchaus konsequent, wenn in der Wortfolge zunächst das finite Verb die Grobdifferenzierung in Nicht-Gewußtes und Gewußtes vornimmt und dann erst 'denn' - anadeiktisch neu fokussierend - die Spezifikation als Nicht-Verstandenes vornimmt. Aus diesem Grund wird paraoperatives 'denn' nicht im Vorfeld gebraucht, sondern im Mittelfeld.4^ Ein einfaches Beispiel dafür ist (B7). Die topologische Verschiebbarkeit von 'denn' im Mittelfeld - Beispiele (B71, B6, B6", B14) - erlaubt es, Spezifischeres, insbesondere Komplexeres, als Nicht-Verstandenes rsp. als Verstandenes operativ zu qualifizieren, als dies lediglich parallel zur Differenzierung durch das finite Verb und die FrageForm möglich wäre. So besteht in (B7) das bestimmte Nicht-Gewußte nur in 'was', das bestimmte Nicht-V erstandene jedoch im finiten 'was sagt aus?" - das Präfixverb ist trennbar und bildet daher eine Verbklammer; das bestimmte Verstandene wird durch die propositional oder illokutiv verweisende Objektdeixis 'das' ausgedrückt Demgegenüber stellt in (B7') 'was sagt das aus?' das bestimmte Nicht-Verstandene und 'aussagen' als solches das bestimmte Verstandene dar. Ebenso ist in (B14) 'hast ^ Auf regionale und umgangssprachliche Varianten komme ich zurück.
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du deinen Schlüssel?' unter der Modalität des Zutreffens das bestimmte Nicht-Verstandene und das 'Schlüssel-Haben von dir1 als solchem das Verstandene. In (B6) bildet 'nichts leisten' das bestimmte Verstandene für den Hörer und 'würden Sie' das problematische nH-EIement, das einer VerStehensbearbeitung zugeführt werden soll. Allein das 'würden' scheint in (B61) problematisch zu sein; allerdings ist dies nach meiner Sprachkenntnis nur dann der Fall, wenn darauf auch ein Akzent liegt andernfalls liegt ein Kontrastakzent auf 'Sie' (oder auch auf 'nichts') nahe, der das Nicht-Verstandene darauf ausdehnt unabhängig von der Stellung des paraoperativen 'denn'. Interessant ist, daß eine weitere Verschiebung von 'denn' nach rechts unter Beibehaltung des negativen Ausdrucks 'nichts' in (B6) diskursiv inakzeptabel wird: (B 6*) *Würden Sie nichts denn leisten? Die positive Version (B6"), bei der das Nicht-Verstandene und also vom Sprecher in ein Verstehen zu Transformierende positiv formuliert ist ('würden Sie das?'), ergibt im Verhältnis zum 'leisten' als bestimmtem Verstandenen durchaus eine zweckmäßige Äußerung von Prä- , Offenbar widerspricht die positive Begründung einer Leistung von nichts (also einer Null-Leistung) allem Erfahrungswissen über die Interessen von Versicherungsklienten.41 Ich permutiere zur Illustration noch einen der einfachen empirischen Belege, nämlich das Beispiel zum urlaubsmäßigen Einnähen von Geldscheinen: (B 12) Wann kriegen Sie die denn? (B 12') Wann kriegen Sie denn die? (B 12") Wann kriegen denn Sie die? In der Originaläußerung (B12) ist lediglich das 'Kriegen' von Geldscheinen ('die'} mit Blick auf die Interaktantin ('Sie') als solches verstanden, während die Konstellation dieser ganzen Aktion für die Interaktantin problematisch ist. Erst dann, wenn in diesem Punkt Verstehen hergestellt wird, kann sich für die Hörerin die Sprecheräußerung zuvor (- die Sorge, daß es nicht so viel Geld sein möge, an die sich zunächst ein Einschub mit einer anderen Kollegen anschließt -) als folgerichtige, insofern konsequente und begründete Handlung darstellen und verständlich werden, so daß im gemeinsamen Handlungsmuster fortgefahren werden kann. In (B12') ist das Problematische das Dransein der Sprecherin bei der Geld Verteilung; in (B 12") schließlich ist es lediglich der Zeitpunkt des Kriegens, während 'Sie die' das bestimmte Verstandene ausmacht. In der gesprochenen Sprache kann man häufig eine phonetische Kontraktion von 'denn' und finitem Verb beobachten. Die Äußerung lautet dann beispielsweise: (B 7') Was sagt'n das aus? Der Ausdruck rückt in diesen Fällen also noch vor das grammatische Subjekt. Man könnte argumentieren, daß dies eine Stellung in der linken Verb- bzw. Satzklammer bedeutet - eine "Adjungierung" im Sinne von GB. Die oben als sinnvoll und funktio41
Es ist keineswegs so, daß 'nichts' als Objekt grundsätzlich nicht anadeiktisch von 'denn' erfaßt werden kann: {B 6") Würden Sie nichts denn da in die Beanstandungslisie eintragen?
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nal rekonstruierte Positionierung von paraoperativem 'denn' nach dem Unterscheidungselement in Nicht-Gewußtes/Gewußtes, d. h. nach dem finiten Verb, wird dadurch nicht berührt. Dies verhält sich anders für Formen, die im Hochdeutschen kaum üblich sind, sondern mehr auf die gesprochene Sprache im süddeutschen Raum, besonders in Bayern, begrenzt zu sein scheinen, wenn sie auch dort vergleichsweise selten vorkommen.42 Ich meine Verwendungen von 'denn' unmittelbar im Anschluß an ein Fragewort also im Vorfeld, noch vor dem finiten Verb. (B 15) Ja, wer denn soll lesen, was ich in dieses Heft schreibe? (aus: Max Frisch: Stiller; ybh 00229)
Solche Formen sind nach meiner Auffassung aus hochsprachlich durchaus geläufigen, ja häufigen Fragen abzuleiten, die nach traditioneller, satzzentrierter Syntax als unvollständig, "elliptisch" gelten: (B 15') (Das soll doch jemand lesen. -) Wer denn? Derartige Fragen wie (BIS1) sind explizit auf das Nicht-Gewußte bzw. genauer mittels paraoperativem 'denn' - auf das Nicht-Verstandene beschränkt. Alles andere verbleibt im Präsuppositionsbestand zwischen Hörer und Sprecher. Diskursiv ist diese Form völlig angemessen und keineswegs defizitär. Die Reduktion auf das nichtgeteilte Wissen bedeutet zugleich, daß die Differenzierung in bestimmtes NichtGewußtes und bestimmtes Gewußtes durch das finite Verb unnötig ist; das finite Verb fehlt ganz. Die Frage nach der Wortstellung mit Blick auf die Satzfelder erübrigt sich dadurch. Beliebig ist die Wortstellung dennoch nicht: Nach wie vor steht paraoperatives 'denn' hinter dem bestimmten Nicht-Gewußten und qualifiziert es vermöge anadeiktischer Neufokussierung als Nicht-Verstandenes im Sinne mangelnder Folgerichtigkeit. (BIS) laßt sich aus (BIS1) ableiten. Die satzförmige Ausführung des propositionalen Gehaltes in (BIS) kann diskursiv als Nachklapp des gemeinsam Gewußten bestimmt werden. Der diskursive Anlaß wird zumeist in einer mangelhaften Perzeprion bei Schritt b2 (s. o. Schema l, §2.2.5.2) bestehen, d. h. in einer partiell defizitären Identifikation des propositionalen Gehalts einer Sprecheräußerung. Der Hörer äußert dann zunächst das Nicht-Verstandene und schließt daran das tatsächlich Verstandene in der vom Specher geäußerten Form an, er wiederholt den Äußerungsteil als Verstandenes, Syntaktisch gerat paraoperatives 'denn' durch die nachgeschobene explizite Prädikation tatsächlich vor die linke Verbklammer, also ins Vorfeld.4^ Solche Fragen werden oft als "Echofragen" bezeichnet und weisen eine bestimmte fragende Intona*^Ich danke dem IdS für Belegprüfungen; die drei folgenden Beispiele entstammen dem dortigen Korpus. *^Die Beobachtungen von Bayer (1984) - auch von Grewendorf (mündlich) -, daß im Bayerischen Personalsuffixe an COMP adjungiert werden können, lassen sich möglicherweise so interpretieren, daß im Bayerischen - wo nach Befragungen beim IdS Äußerungen wie (BIS) eher gekannt werden als in anderen deutschen Sprachregionen - generell mehr nach dem Verfahren der Voranstellung von wesentlich Neuem und des Nachklapps von gemeinsam Gewußtem vorgegangen wird.
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tionsstruktur auf (Tropf 1983; Wunderlich 1986). Nicht selten mag eine kleine Pause dies Verhältnis verdeutlichen. In Form einer Deliberation kann ein solches Verstehensproblem auch in derselben Person, als "innere Rede" im Sinne Wygotskis, bearbeitet und entsprechend sprachlich nach außen gesetzt werden. Dies dürfte für Vorkommen in Texten wie (BIS) der übliche Fall sein. In meinem Korpus gesprochener Sprache fehlen Vorkommen wie (BIS). Es sind also weitere empirische Untersuchungen - unter Einschluß der Intonationsstruktur - für die Bestimmung der diskursiven Funktion solcher Formen erforderlich. Sie könnten zugleich die systematische Bestimmung als abgeleitete Formen, wie ich sie oben entwickelt habe, in ihrer Reichweite überprüfen. Die Erfragung einzig und allein des Nicht-Verstandenen kann in sich recht komplex sein, wie folgender Beleg aus einer öffentlichen Diskussion dokumentiert: (B 16) Ja, ich glaub, wir sollten uns vielleicht überhaupt nich an diese zwohundert oder zwohundertsoundsoviel Festtags-/Ostertoten klammern, sondern das, was Herr Seefeld vorhin sagte, nämlich durchschnittlich pro Jahr sechzehnrund sechzehntausend/sechzehn-siebzehntausend Verkehrstote. Aber wenn sie nun, wie ich dem entnehme, eigentlich nicht für eine Geschwindigkeits-begrenzung plädieren, was denn nun dann? (Freiburger Korpus, Verkehrsunfälle; xcg 00070) Die Zuspitzung auf das Nicht-Verstandene wird breit angebahnt, d. h. es wird diskursiv ein breites gemeinsames Wissen erstellt, ehe dann die Frage pointiert, lediglich durch Fragewort und drei "Partikeln" im weiten Sinne - paraoperatives 'denn', Planungsdeixis 'nun' und temporale Deixis 'dann' -, geäußert wird. Man kann sich durchaus vorstellen, daß der Sprecher wegen seiner breiten Anbahnung der zentralen Frage noch einmal das selbstverständlich Gemeinsame verbal anschließt, nämlich daß etwas unternommen werden muß. Die letzte Äußerung könnte dann lauten: (B 16') Was denn nun dann soll geschehen? Die Ableitung dieser syntaktischen Äußerungsform läßt sich wie oben an die Entwicklung des gemeinsamen diskursiven Wissens binden. Meine sprachpsychologische Rekonstruktion der Prozeduren bleibt also auch für Verwendungen von 'denn' unmittelbar nach dem Fragewort zutreffend, indem paraoperatives 'denn' durch seine Positionierung das jeweils Linksstehende anadeiktisch für die operative Qualifizierung als Nich t-Verstandenes und das Rechtsstehende für die Qualifizierung als das Verstandene erfaßt. Die funktionale Bestimmung ist also nicht an satzförmige Äußerungen gebunden. Vielmehr vermag sie auch deren Ausführungen nach einer Vorfeld-Positionierung von paraoperativen 'denn' erklären, indem sie solche Fälle - z. B. (BIS; B16') - als abgeleitete darlegt.44 44
Den umgekehrten Versuch, aus Vorfeld-Positionierungen ("COMP-Adjungierungen") alle anderen Positionierungen bzw. syntaktischen Verhältnisse abzuleiten, den Rosengren (mündlich) unternimmt, halte ich nicht für angemessen. Er widerspricht, wie sich durch empirische Analysen zeigt, dem Gebrauch von 'denn' in der deutschen Hochsprache sowie insbesondere den Häufigkeitsver-
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Eine andere abgeleitete Form liegt vor, wenn die Äußerung gar keine Frageintonation trägt. Darauf gehe ich noch gesondert ein (§2.2.9). Die Analyse von 'denn1 in Nebensätzen wie (B 17) es war jetzt eher die Rede von Liebe und Tod, was denn zu mancher Betrachtung teils zart poetischen, teils aber unerbittlich wissenschaftlichen Gepräges Anlaß gab. (Thomas Mann, Ges. Werke; amz 07495) möchte ich an anderer Stelle eigens ausführen. Sie übersteigt die Aufgabenstellung dieser Arbeit da sie eine Reihe von syntaktischen Klärungen, z. B. zu sogenanntem (freien) Relativ- und indirekten Fragesatz, voraussetzt, Die Bedeutungsbestimmung von 'denn', wie sie hier entwickelt wird, kann demgegenüber für solche Verwendungen aufrecht erhalten werden. Schließlich gibt es, topologisch betrachtet, durchaus fragende Äußerungen, in denen 'denn' gänzlich voransteht: (B 7") Denn was sagt das aus? (B 6'") Denn würden Sie das leisten? Nach der gängigen Wortartenbestimmung ist 'denn' hier Konjunktion und nicht Partikel, also besteht im Rahmen von Partikelanalysen kein Erklärungsbedarf. Ich möchte vorgreifend (s. u. §2.3) bereits so viel sagen, daß der propositionale Gehalt durch diese topologische Verschiebung von 'denn', also aufgrund eines syntaktischen Mittels, nur noch die Form, nicht aber mehr die Qualität einer Frage bzw. eines Prä-E oder eines sonstigen sequenzierenden Ülokutiven Aktes hat. Der bei Heibig & Buscha angeführte Grund mangelnden Satzgliedwertes für die Beschränkung auf das Mittelfeld erklärt sich anders: Die operative Qualität, mithin der Zweck der Bearbeitung von Sprache als Sprache, enthebt den operativen Ausdruck selbst einer proposition alen Qualität. Er ist nicht selbst Teil des propositionalen Gehaltes, sondern bearbeitet ihn operativ. Diejenigen Konstituentenstrukturen, denen Satzgliedwert zuerkannt wird, haben demgegenüber stets selbst propositionale Qualität; sie konstituieren den gesamten propositionalen Akt mit. Somit wird von der handlungsanalytischen Funktion her durchsichtig, warum sich diese Partikel einer prepositional basierten Strukturanalyse gegenüber querstellt. Diese Kennzeichnung gilt auch für andere Partikeln.4^ Im Rahmen der Gradpartikelanalyse hat Altmann (1978) eine Präzisierung der jeweiligen semantischen Reichweiten vorgenommen, indem er dem Skopus einen "Fokus" gegenüberstellt: "Er bezeichnet in diesem speziellen Fall den unmittelbaren semantischen Wirkungsbereich von Gradpartikeln und ist durch die ... nachgewiesenen haltnissen. Die Vorfeld-Position von 'denn' ist eine deutlich periphere Form, Dies hat zur Konzipierung von "prepositional attitudes" geführt, die strukturell als Operatoren behandelt werden. Auf diesen senwntisierenden Vorschlag will ich im Zusammenhang mit 'denn' in der Satzverbindung kurz eingehen. 45
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Eigenschaften hinreichend charakterisiert: er enthält in jedem Fall den Satzakzent und fixiert die jeweilige Bezugsmenge im semantischen Sinn. Mit den syntaktischen Zuordnungskonstituenten ist er nicht in jedem Fall deckungsgleich." (ebd., 116) Jacobs (1983) hat diese Unterscheidung aufgegriffen und hinsichtlich der intonatorischen Analyse verfeinert. Generell wird der Fokus durch den "Fragetest" ermittelt, 'denn' ist zwar keine Gradpartikel, doch die Berücksichtigung intonatorischer Mittel zur Feinstrukturierung propositionaler Elemente, die wiederum - nach unserer Analyse - einer operativen Bearbeitung unterzogen werden, kann auch hier fruchtbar gemacht werden. Dittmann (1980) berücksichtigt derartige Phänomene in seiner Paraphrasenanalyse von 'denn' für den Fall der Vorwürfe, ohne allerdings den Mechanismus im einzelnen zu beschreiben. (B 14') Hast du den Schlüssel denn? (B 6"") Würden Sie denn nichts leisten? Das intonatorische Mittel des Akzents operiert über den syntaktisch-topologischen Mitteln und kann so die paraoperative Prozedur, die mit 'denn' vollzogen wird, modifiziert zur Wirkung kommen lassen. Genauer: Der Akzent ist seinerseits ein Mittel aus dem operativen Feld von Sprache. Im Zusammenwirken mit paraoperativem 'denn'engt er den Bereich der anadeiktisch oder katadeiktisch neu fokussierten Verweisobjekte ein; d. h. der Akzent erlaubt eine Präzisierung des bestimmten NichtVers tandenen oder des bestimmten Verstandenen relativ zur bloßen Wortstellung von 'denn'. In (B141) wird das finite Verb als solches akzentuiert und so der Modus in Opposition zur Wirklichkeit, zum P-Bereich, als das einzig Nicht-Verstandene hervorgehoben. In (B6"") Hegt der Akzent auf dem infiniten Verb und damit inhaltlich auf der Handlung, um deren Vollzug oder Nicht-Vollzug es geht. Heibig & Buscha beschränken ihre Darlegung auf die Gegenüberstellung von Normal- und Kontrastakzent. Danach gibt es die beiden Varianten (B7"") und (B7 ). Die Unmöglichkeit des Kontrastakzentes bei der syntaktischen Stellung in der authentischen Äußerung (B7) behandeln sie nicht. (B 7"") Was sagt das denn aus? (B T1"") Was sagt das denn aus? (B 7*) »Was sagt denn das aus? Interessant ist, daß offenbar nur bei weitgehender Endstellung von 'denn' ein Kontrastakzent möglich ist. Das läßt sich erklären, wenn man die Vorgeschichte solcher Äußerungen mit in die Analyse einbezieht. Ich führe Beispiel (B7'"") entsprechend aus: (B 7"") H: Sagt das denn was über die Eltern aus? S: Nein. H· Was sagt das denn aus? Der Kontrastakzent bedeutet interaktiv, daß bereits eine Frage oder ein Prä- in Form einer Entscheidungsfrage des Hörers vorangegangen ist. Diese Äußerung kann, muß jedoch nicht schon mit 'denn' formuliert worden sein. (Falls noch nicht von diesem Ausdrucksmitte! Gebrauch gemacht wird, kennzeichnet H das bestimmte Nicht-
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Gewußte nicht als fehlendes Verstehenseiement, behandelt die Wissenslücke also nicht als ein Verstehenproblem, sondern als normale Wissensdefizienz.) Der Sprecher reagiert im Beispiel auf das Prä- in einer Weise, daß dem Hörer noch immer das Verstehenseiement fehlt Genauer: H hat durch seine Äußerung bereits ein ^Element geboten, das ihn zum Verstehen führen könnte, falls es sich als mit der Wirklichkeit übereinstimmend erweist; d. h, der Hörer bietet selbst ein für ihn akzeptables D-Element an. Durch die einfache Negierung liefert der Sprecher jedoch nicht nur kein D-Element, sondern transformiert darüber hinaus das bestimmte Verstandene von H nunmehr in ein Nicht-Verstandenes. Der Hörer konzentriert darauf die Suche nach dem Verstehenselement einzig und direkt auf das Verstehen selbst, statt weiterhin Alternativen, die er gedanklich als verständlich in den Blick nimmt, auszuschließen. ^ Die Synchronisierung der -Strukturen wird operativ - durch den Akzent auf 'denn' - pointiert. Der Zweck der Äußerung, die Umformung von Nicht-Verstehen zu Verstehen, wird mittels Akzentuierung also selbst - gleichsam auf einer Metaebene - von der operativen Prozedur erfaßt. Sie wird reflexiv auf sich selbst angewandt. Der Hörer bringt dadurch zugleich zum Ausdruck, daß er nicht versteht, daß der Sprecher ihn in seinem Nicht-Verstehen belassen hat, daß er also die illokutive Qualität seiner ersten Äußerung nicht angemessen und seinerseits kooperativ behandelt hat. Wird jetzt wieder keine Transformation zum Verstehen geleistet, droht das gemeinsame Handlungssystem zu zerbrechen. Das Moment der Drohung, das, wie gesagt wurde (§2.2,5.8), im Prä- enthalten ist, wird zur Geltung gebracht 2,2.5.10 Operative Qualität von 'denn' Ich stelle nun die prozedurale Bearbeitung des propositionalen Gehalts der Höreräußerung durch 'denn' insgesamt dar und schließe damit die handlungstheoretische Bestimmung des Ausdrucks ab. Die deikrische Qualität von 'denn' erlaubt eine Neufokussierung der Sprecheraufmerksamkeit. Bei routinisierter Anwendung für Zwecke des operativen Feldes, d. h. im Zuge einer Feldtransposition zum paraoperativen Ausdruck, erfolgt der Verweis stets im Rede- oder Textraum, betrifft also dafür spezifische Verweisobjekte. Insbesondere sind dies Verbalisierungen, also Elemente des propositionalen Gehalts der betreffenden Äußerung,47 Die operative Qualität von 'denn' besteht darin, die Verweisobjekte als Elemente des Verstehens zu kategorisieren, d, h. als TlH-Elemente mit 46
Dieses Verfahren des direkten Zugriffs auf das Treffende im Unterschied zum Ausschließungsverfahren zum Zweck der Wissensgewinnung könnte auch durch den Ausdruck 'statt dessen' angesprochen werden, *' Dies können ihrerseits Verbalisterungen der propositionalen, illokutiven oder Äußerungsdimension einer sprachlichen Handlung des Sprechers sein, welche den Anlaß für ein Innehalten des Hörers gab.
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Blick auf das Verständigungshandeln zwischen H und S. Speziell werden die Verweisobjekte - vermöge des Phonems /e/ in Opposition zu /a/ - als Versiehenselemente mit der Charakteristik einer ve r-kehr ten Abfolge, einer Rückwärts-Abfolge, charakterisiert, d. h. als Elemente eines Verstehens mit mangelnder Folgerichtigkeit, Der Vollzug des Verstehens erweist sich so als retrogredient, Der diskursive Zweck besteht in einer Synchronisier ung von hörersei tigern und sprechersei tigern Verstehen, so daß das Innehalten in einem Handlungsmuster beendet und im normalen Ablauf fortgefahren werden kann. Die hörerseiüge Vorstrukturierung des D-Elements, also der Adaptierung von an Hs, ist Ausdruck der Kooperation von H - mit der entsprechenden Ambivalenz für eine Entscheidungsmöglichkeit im Handeln von S. In fragenden Äußerungen von Prä- mit 'denn' greifen die durch Ausdrucks- und Form-Mittel realisierten Prozeduren im einzelnen folgendermaßen ineinander. Die Frage-Form verschafft interaktiven Zugang zum Handlungsraum des Sprechers. Des weiteren differenziert die Stellung des finiten Verbs den proposirionalen Gehalt in bestimmtes Nicht-Gewußtes - irn Vorfeld - und bestimmtes Gewußtes. Die durch 'denn' vollzogene deiktische Prozedur rückt anadeiktisch den voranstehenden propositionalen Teilgehalt, das bestimmte Nicht-Gewußte, als defizitäres TT H -Eiement neu in den Aufmerksamkeitsbereich des Sprechers, Im Handlungsablauf bedeutet dies eine Rücklenkung an die Stelle im begonnenen und nunmehr angehaltenen Handlungsmuster, an der der Sprecher sein Handeln mental vorbereitet hat, d. h. eine Rücklenkung an den sprecherseitigen Entscheidungsknoten vor seiner Äußerung, Katadeiktisch rückt der Hörer zugleich den folgenden propositionalen Teilgehalt als vorhandenes, mit dem Sprecher geteiltes n H -Element neu in den Aufmerksamkeitsbereich. Handlungssystematisch bedeutet dies, daß im Entscheidungsknoten des Sprechers, also im ns-Bereich, komplementär gemeinsames Wissen neu fokussiert wird, das die Bestimmtheit des Defizits untermauert. Die durch 'denn' vollzogene operative Prozedur dient dem Hörer dazu, das - mittels Frage-Form und Wortstellung differenzierte, möglicherweise durch Akzentsetzungen noch genauer Eingegrenzte - bestimmte Nicht-Gewußte als bestimmtes NichtVerstandenes zu kategorisieren und damit interaktiv eine Verstehensbearbeitung zu initiieren - im Unterschied zu einer Wissensbearbeitung im einfachen Frage-AntwortMuster, Illokutiv bedeutet dies die Modifikation der Äußerung von einer Frage zu einem Prä-E, d. h. zum Vollzug der hörerseitigen Handlungsposition im Muster des Begründens, Zugleich wird das bestimmte Nicht-Verstandene zum bestimmten Verstandenen in ein Verhältnis mangelnder Folgerichtigkeit gesetzt. Die Charakterisierung der mangelnden Folgerichtigkeit leitet sich funktional-etymologisch aus dem Bedeutungsmoment der rückwärtigen, retrogredienten Abfolgecharakteristik von 'denn' gegenüber der normalen Abfolge Charakteristik ab, welche durch 'dann' ausgedrückt wird. Handlungssystematisch bewirkt diese inhaltliche Charakterisierung, daß der Hörer sein defizitäres n H -Element genau an der Stelle im Entscheidungsknoten von S, d. h. im ns-Bereich, neu fokussiert, an der sich für ihn komple-
mentär eine Folgerichtigkeit ergäbe. Das gesuchte Verstehens-Element - das D-Element im Muster des Begründens - ist so mit Blick auf die Folgerichtigkeit vorstrukturiert. Dadurch ergibt sich eine Art von folgerichtigem mapping der ana- und katadeiktisch neufokussierten Verweisofojekte in den ns-Bereich, was die Synchronisierung von 5 und befördert. Kommuniziert S das fehlende D-Element, so stellt sich mit der Transformation des Nicht-Verstehens in ein Verstehen auch im Bereich Folgerichtigkeit her und erlaubt eine Handlungsfortführung an der innegehaltenen Position. Damit hat sich die Bedeutung von 'denn' auf der Basis einer Feldtransposition vom deiktischen ins operative Feld von Sprache sprachpsychologisch darstellen lassen. Da die funktionale Etymologie synchron in der deutschen Hochsprache kaum noch bewußt ist, kann 'denn' mit Blick auf seine sprachsystematisch para-operative Qualität auch abkürzend als ein operativer Ausdruck bezeichnet werden. 2.2,6 Folgerichtigkeit und Nicht-Verstandenes Ich habe soeben formuliert, daß sich bei erfolgter Synchronisierung von 5 und auch im H-Bereich Folgerichtigkeit herstellt die dann eine Handlungsfortführung erlaubt Dies scheint auf eine Schlüssigkeit und, zugespitzt, auf einen Schlußprozeß hinzudeuten, demgemäß der Hörer das für ein Verstehen geeignete -Element - bis hin zur Vorformulierung des D-Elementes der Begründung in Form einer Entscheidungsfrage - auswählt. Das entspräche den Bestimmungen von Bublitz. Ich meine, daß dieser Weg zu einem Verstehenselement jedoch nur einer unter anderen ist. Er hängt vom Typ des aktivierten Wissens ab. Geht es z. B. um ein "wissenschaftliches Wissen", wird die Verfahrensweise von Bublitz naher liegen als bei der Aktivierung z, B. von "MaximenWissen".4^ Einen Beleg für diesen Wissenstyp dürfte die erste Äußerung der künftigen Urlauberin im Bürogespräch des Freiburger Korpus darstellen: (B 13} AA Sag mal, Mensch, soll man denn immer alles Zeug mit sich l AA schleppen? Und im Hotel ist es ja genau so wenig sicher. l AB Sagen Sie, müssen Sie denn l AB unbedingt n Fotoapparat mitnehmen? 1 AC Ich würd schon einen mit[ AC nehmen, ) AB Na ja, schön is es natürlich. (11/3,51) 4
^Zu diesen unterschiedlichen Wissenstypen ausführlich Ehlich & Rehbein (1977).
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Offensichtlich befindet sich AA in einem Maximenkonflikt. Zwar ist der vorausgegangene Diskurs nicht abgedruckt, angesichts der Einleitungsformel "Sag mal, Mensch" ist es jedoch sehr wahrscheinlich, daß AA das ganze Sicherheitsproblem mit dieser Äußerung beginnt. Allerdings dürfte der bevorstehende Urlaub bereits Thema sein, andernfalls wären "mitschleppen" und "Hotel" nicht verständlich. Eine derartige Konstellation steht, wie sich zeigen wird, keineswegs im Widerspruch zur obigen Bestimmung des Innehaltens und der operativen Abzielung auf Folgerichtigkeit. Der Maximenkonflikt ergibt sich aus: Ml: Sichere im Urlaub dein Hab und Gut stets im Hotel! M2: Trage dein Hab und Gut zur Sicherung immer bei dir! Der Widerspruch zwischen beiden Maximen wird von AA bemerkt4^, problematisiert und soll an einer bestimmten Stelle interaktiv bearbeitet werden. Das Nicht-Verstehen wird keineswegs durch einen Schlußprozeß gewonnen. Vielmehr ist eine vergleichende Bewertung zu rekonstruieren. Betrachten wir diesen komplexen Fall genauer. Systematisch stellt A A den Hörer H dar; die beiden Inter aktanten haben jedoch lediglich Vorschlags-, nicht jedoch Entscheidungskompetenz, so daß zugleich AA als Sprecher S in der Begründungssequenz fungiert. Dieser Punkt wird für die Rückfrage von AB relevant. Handelt es sich in (B13) um den spezifischen, interaktiv ein Stück weit nach außen gesetzten Typ einer "kognitiv-operativen Begründung", die innerhalb des Handelnden abläuft? Ehlich & Rehbein beschreiben seine Charakteristik als in einen internen Prozeß umgeformte Handlungssequenz des Begründens (1986, I21f), Die Position der Suche nach dem D-Element, die im sequentiellen, interaktiv angelegten Begründen durch S eingenommen wird, durchläuft bei der kognitiv-operativen Begründung H selbst; genau diese Position kann allerdings unter Zuhilfenahme von Interaktanten bearbeitet werden. An dieser Stelle hat das Muster des Ratschlages oder Ratgebens""° seinen Ort. Inwiefern geht es aber in (B 13) überhaupt um ein Verstehensproblem und nicht einfach um ein Problem? Es wird nicht der oben rekonstruierte Maximenkonflikt als solcher geäußert. Vielmehr ist die Suche nach einer Lösung bereits ein Stück weit vorangekommen. AA (als, systematisch gesehen, Hörer H) stößt dabei - wegen der bekanntlich unsicheren Aufbewahrung von Wertgegenständen in Hotels - auf die unbequeme Präponderanz von (M2). Das führt dazu, daß gewissermaßen eine Obermaxime in Zweifel gezogen wird, die als Kriterium für diese Gewichtung und insofern für die Lösungsfindung fungiert. Sie lautet etwa: MO: Sichere unter allen Umständen dein Hab und Gut! Der Maximenkonflikt tritt also an einem bestimmten Bearbeitungsschritt als Entscheidungsproblem auf. Das Gewicht der Obermaxime, insofern das Entscheidungskriterium, wird nicht mehr selbstverständlich akzeptiert. Damit wird zugleich das Handlungssystem mit solchen Aktanten unverständlich, die diese Obermaxime ^ Möglicherweise werden zudem beide Maximen unabhängig voneinander noch mit der Maxime M: 'Kümmere dich im Urlaub um nichts als um dein Wohlbefinden!' konfrontiert, 50 vgl. dazu z. B. Wunderlich (1976, Kap, VI) und Rehbein (1977).
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selbstverständlich vertreten. Nun zeigt sich die Parallelität zum Verstehensproblem: Der Maximenkonflikt stellt das Pendant zum Handlungsvollzug dar, der an einer bestimmten Bearbeitungssielle zu Zweifeln und insofern zu einem Verstehensproblem hinsichtlich der handlungsleitenden Maxime führt. An dieser Stelle wendet sich der Aktant, hier AA, an Interaktanten, die er als Vertreter der Obermaxime und insofern auch als Aktanten des entsprechenden Handlungssystems kennt oder antizipierend einschätzt. Sie sollen das Unverständnis für die unbequeme Präponderanz beseitigen, indem sie ein D-Element liefern. Das hat dann freilich den Effekt, daß der hinter dieser Traktierung eines gewöhnlichen Problems als Verstehensproblem stehende Maximenkonflikt zugleich im D-Element eine Bewegungsform findet. Das Verstehensproblem an der ausgezeichneten Stelle des Handlungsproblems wird nicht in irgendeiner Form des Begründens bearbeitet, sondern nach dem Typ der kognitiv-operativen Begründung. Das sichert dem Aktanten die letzte Entscheidungskompetenz. Die Verwendung von 'denn' in der ersten Äußerung von AA ist demnach angebracht und in Übereinstimmung mit unseren Analysen. Das kritische -Element wird nicht durch Schlußprozesse, sondern durch Bewertungen51, genauer gesagt: durch bewertende Vergleiche, gewonnen. "Folgerichtigkeit" bedeutet hier konkret Konsistenz mit vertretenen Maximen. Sie hat nichts mit einer logischen Folgerung bzw. mit einer Schlüssigkeit im Sinne von Schlußprozessen zu tun. Es wird hier auch nicht versucht, durch bestimmte Modifikationen eigener Schlußprozesse ein Verstehen herzustellen, wie Bublitz es allgemein annimmt. 52 Wie ist nun die Rückfrage mit 'denn' von AB ("Sagen Sie, müssen Sie denn unbedingt n Fotoapparat mitnehmen?") zu analysieren? AB zieht eine andere Maxime in Zweifel, die für das übergeordnete Problem von exemplarischer Relevanz ist, also für AA offenbar Gültigkeit hat. M3: Halte die besonderen Momente des Urlaubs möglichst perfekt im Bild fest, nimm also einen guten Fotoapparat mit! Die Vertretung dieser Maxime bildet nun ein Verstehensproblem für AB, zumal sie selbst MO offensichtlich nicht in Zweifel zieht. Statt ein D-Element zu liefern, verlangt sie ihrerseits ein D-Element von AA. Das Modalverb 'müssen1 und der Ausdruck 'unbedingt' machen die Frage noch stärker tendenziös, als es die von AA mit dem Modalverb 'sollen' ist.53 Wird dieser Wertgegenstand aus dem Urlaubshandeln her5
Die Handlung des Bewerten* untersucht ausführlich Zillig 0982); Sandig (1979) diskutiert insbesondere unterschiedliche Ausdracksmöglichkeiten, $2 Allerdings ist die Aktantin AA im weiteren Verlauf des Gesprächs zu weitreichenden Adaptierungen ihrer Bedürfnisse an die bezweifelte Obermaxime bereit, indem sie das Geld zwar nicht auf der Haut, wohl aber, in ihre KJeidung eingenäht am Körper tragen will. "Wunderlich (1980) rechnet Fragen mit 'denn' generell zu den "Tendenzfragen'1, und zwar mit negativer An t worter Wartung; Frartck (1980) halt eine Prognostizierbarkeit der erwarteten Antworten nicht für möglich und scheidet deshalb eine Tendenziös!tat aus.
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ausgehalten, also auf M3 verzichtet so erübrigt sich zumindest dafür der von AA erkannte Maximenkonflikt. Dieser Gang des Verstehens von AB könnte als ein praktischer Schluß rekonstruiert werden; ihm geht allerdings die Konfrontation und Bewertung von Handlungsmaximen, nicht von irgendwelchen anderen Allaussagen, voraus. Im Sinne von Bublitz wäre in der tendenziösen Frage von AB ein Modifikationsversuch für die Erstreckung von M3 angelegt, um selber MO aufrecht zu erhalten und das Unverständnis von AA zu beheben, ohne zugleich Ml und M2 in Frage zu stellen, die AA zur Bezweiflung von MO führten, Folgerichtigkeit kann also auch in der Bewegung von Widersprüchen bestehen. Anvisierung von Folgerichtigkeit gemessen an der Verstehensmöglichkeit von H, also an der Struktur seines nH-Bereiches, als operative Leistung des Ausdrucks 'denn' läßt zudem eine Präzisierung der Bestimmung von Franck zu, daß der Hörer eine "Vermutung überprüfen" wolle, zu der ihm die Handlungsausführung Anlaß gibt (1980, 223). Der propositionale Gehalt der Höreräußerung, im Begründungsmuster der des Prä- , ist keineswegs eine Vermutung. Vermutungen enthalten ein Nicht-Wissen, das sich an der Wirklichkeit, also P, bemißt, nicht an der Synchronisation mit der -Struktur von Interaktanten. Des weiteren geht es nicht um die Überprüfung, sondern um die Herstellung von Verstehen nach den Kriterien von H, nach Maßgabe seiner -Struktur. Selbst wenn H bereits ein D-Element im propositionalen Gehalt liefert, bedeutet dies nicht eine Vermutung über die -Struktur von S, sondern eben die Vorlage eines -Elementes, die in der -Struktur von H ein NichtVers tehen in ein Verstehen umformen kann. Der richtig erkannte Bias, der in einer Vermutung insofern steckt, als sie aus dem eigenen Wissen abgeleitet ist, kann durch die handlungsanalytische Bestimmung also präziser gefaßt werden. Insbesondere die Leistung von "denn1 im operativen Umgang mit diesem propositionalen Gehalt bleibt andernfalls undeutlich. Das außerordentlich komplexe, mehrfach geschachtelte Beispiel (BIS) für die Funktionalität von 'denn' macht deutlich, daß die mentalen Prozesse, die sich beim NichtVerstehen wie beim Verstehen abspielen, vielfältige Formen aufweisen können, von denen logische oder praktische Schlüsse nur jeweils eine bilden. Bewertungen (wie im Falle von AA) und Kategorisierungen sind z, B. andere. Wesentlich ist es, den beanspruchten Wissenstyp zu rekonstruieren, weil er häufig mit bestimmten Bearbeitungsformen assoziiert ist. Entsprechend bemißt sich auch das, was Folgerichtigkeit zwischen dem gesuchten Verstehenselement und der vollzogenen Handlung - hier dem besonderen Fall der Austragung eines Maximenkonflikts - inhaltlich bedeutet^4, an dem aktualisierten Wissenstyp. Des weiteren ist (B13) ein Beleg dafür, daß das riH-Element die Qualität einer Handlungspräsupposition der vollzogenen Hand54 Äußerlich, d, h. bemessen an der Abfolge in einem Handlungsmuster, wird generell die Rückwärtsabfolge vom "2. Schritt vor dem l." durch die Äußerung des Prä- mit 'denn' in den Bereich der Aufmerksamkeit gerückt und durch die propositionale Umreißung des fehlenden Elementes zur mustergerechten Abfolge gezwungen.
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lung darstellt, eben die Bearbeitung eines Maximenkonflikts, und zugleich die Implikation, die sich aus einer Maxime, der Obermaxime MO, ergibt, welche AA/H mit ihren Interaktanten AB/S und AC/S als Handlungspräsupposition geteilt weiß. Nun verhält es sich hier jedoch sehr komplex: H gelangt handlungspraktisch zu einer Infragestellung dieser Handlungspräsupposition, will jedoch kurzgesagt moralisch nicht die Konsequenz einer Umstrukturierung ihres gesamten handlungsleitenden Wissens auf sich nehmen, sondern nur den konkreten Einzelkonflikt lösen. Der Widerspruch soll also lediglich lokal beseitigt bzw. bewegt werden. Aus diesem Grund wendet sich H nicht etwa an Interaktanten, die diese Handlungspräsupposition ohnehin nicht teilen und Maxime MO und deren Implikaturen nicht anerkennen. Vielmehr sollen die Interaktanten mit der Lieferung eines D-Elementes für das handlungspraktisch unverständlich gewordene System von Präferenzen und handlungsleitenden Maximen den Zweifel beseitigen und MO als Handlungspräsupposition reetablieren. Diese Reetablierung wird von der Implikation her "aufgezäumt". Es wird also nur ein bestimmter Teil des Begründungsmusters in Anspruch genommen, um einen anderen Zweck zu erreichen. Die Anwendung eines "Partialmusters" haben Ehlich & Rehbein (1977) als eine "Taktik" bestimmt. Die fragende Äußerung von AA mit 'denn' stellt also eine taktische Anwendung der kognitiv-operativen Begründung dar. Für die Äußerung von AB gilt dies nicht. Auf den Status des gemeinsamen Handlungssystems von S und H als die Position C, die das Handlungs muster des Begrün dens einleitet (s, o. das Flußdiagramm 4), gehe ich an weiteren Beispielen noch einmal allgemeiner ein. 2.2.7 Illokutive Qualität der fragenden Äußerungen mit 'denn' Ich komme nun zur Frage nach der illokutiven Qualität der fragenden Höreräußerungen mit 'denn' im einzelnen. Allgemein ist die Illokution in §2.2.5.8 als Prä- im Muster des Begründens bestimmt worden. Dies ist nun noch einmal im Hinblick darauf zu spezifizieren, um welchen Typ des Begründens es sich handelt und über welches Handlungsmuster das Begründen operiert. Damit geht die Untersuchung der vorangegangenen Sprecherhandlungen sowie der sprecherseitigen Reaktionen einher. Zugleich versuche ich, die jeweiligen Verstehensschritte, an denen das Innehalten sich festmacht, zu rekonstruieren. Dazu werden Beispiele aus den §§ 2.2,2-4 und einige neue Belege auf der Basis der in § 2.2.5 gewonnenen Kenntnisse über 'denn' detailliert analysiert. Daran läßt sich exemplarisch die Pragmatik von 'denn' darlegen. In der Literatur wird gewöhnlich die Illokution der Frage selbstverständlich unterstellt oder explizit als primäre hervorgehoben," "Fragesätze mit denn werden fast ausschließlich verwendet, um Fragen zu stellen." (König 1977, 122) Die einzige ^5 Ich beziehe mich mit dem Ausdruck Frage-Form stets nur auf die syntaktische Form; die Illokution bezeichne ich als Frage, an möglicherweise mißverständlichen Stellen auch als "Fragehandlung", wie Wunderlich (1976) dies vorschlägt.
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Ausnahme, die auch König aufzeigt bildet die Realisierung eines Vorwurfs. Die Untersuchungen konkreten Materials zeigen ein sehr viel differenzierteres Bild: Durch die fragende Formulierung mit 'denn' wird ein Spektrum von Illokutionen realisiert das von der einfachen Frage über Bedenken und Ermahnung bis zum Vorwurf und zur Zurückweisung reicht Entsprechend variieren die Sprecherreaktionen von der Beseitigung des Verstehensproblems und insofern Aufrechterhaltung der bereits vollzogenen Handlung über deren Modifikation bzw, Änderung bis zur Aufgabe der Handlung, d. h, bis zum Ausstieg aus dem begonnenen Muster, Im letzten Fall führt das Innehalten im positiven Musterablauf zum Abbruch, Die Frage nach dem Verhältnis zum System des Begründens, d. h. zu den systematisch geschiedenen Typen bei Ehlich & Rehbein, schließt sich an. Ich will das illokutive Spektrum durch exemplarische Analysen illustrieren. Einen einfachen Fall propositionalen Nicht-Verstehens stellt (B9), die kleine Szene vor dem eigentlichen Unterrichtsdiskurs, dar. Ich zitiere nun auch die Lehrerreaktion auf die Schüleräußerung mit 'denn'. (B 9) (sl) L Kannst du bitte ma eben rüber ins Lehrerzimmer gehn? (s2) Auf meinem Platz liegt mein roter Lehrerkalender. (s3) Kannst du mir den ma eben holen? (s4) Hk Wo ist denn Ihr Platz? (s5)L Eh, die Frau/ (so) Sa Ich weiß, wo der is. (s7) L Die Frau Pim ist da. (s8) Hk Ja (s9) L Die weiß Bescheid. (slO) «Hkgeht.)) (Redder 1982,93/4-7) Der Lehrer äußert seine Bitte in differenzierter Weise, Die Bitte ist ein Typ der Aufforderung. Kennzeichen sind die Transposition des sprecherseitigen Wollens in den Handlungsraum von H und die Ausführung einer künftigen Handlung durch H; in der Bitte nimmt der Sprecher zur Beförderung der Sollens-Etablierung sprachlich auf die hörerseitigen Entscheidungskriterien für die Übernahme des Wollens Rücksicht. Eine standardisierte Form ist die Einbeziehung des Hörers an einer musterspezifisch früheren Position, nämlich bei der Antizipation des hörerseitigen Könnens, durch Verwendung des entsprechenden Modalverbs (cf. Redder 1984, 69-75). Von dieser Realisierungsform einer Bitte macht der Lehrer zweimal, in (sl) und (s3), Gebrauch. Das Handlungsmuster, in dem sich hier konkret ein Innehalten abspielt, ist demnach eine Bitte, und die vollzogene Handlung, auf die hin der Hörer innehält, die Realisierung der sprecherseitigen aktionalen Position, die gleichfalls als Bitte bezeichnet wird. In derartigen Mustern ist der Sprecher verstärkt auf die Kooperativst des Hörers angewiesen, der Druck zur Beförderung eines positiven Entscheidungsdurch* laufs also recht hoch.
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Im ersten Schritt (sl) wird das "Schema" - im planungstechnischen Sinne gemäß Rehbein (1977) - der künftigen Handlung gegeben, also die grobe Bitte formuliert, die sich auf den äußeren Teil der Handlung (Verlassen des Klassenraums) bezieht. (s2) und (s3) sind demgegenüber Detaillierungen hinsichtlich des Zwecks. (s2) gibt eine Orientierung über den Handlungsgegenstand, und zwar so, wie sie sich im Kopf des Lehrers darstellt; (s3) enthält die spezifische Handlung, die ausgeführt werden soll, also die konkrete Bitte an die Schülerin Heike. Die Orientierung (s2) ist nicht hörerbezogen formuliert; der Lehrer leistet eine ungenügende mentale Vorarbeit zu dieser Äußerung, indem er die Handlungsvoraussetzungen von Heike unzureichend einschätzt. Dadurch ergibt sich für sie ein Verstehensproblem. Sie hält nicht sofort, nämlich nach (s2), im Handlungsablauf inne und unterbricht den Lehrer - eine institutionell heikle Sache. Vielmehr perzipiert sie die Bitte bis zu ihrer endgültigen Ausführung und äußert dann ihr Unverständnis, also Prä- . Dazu bedient sie sich des paraoperativen 'denn'. Diese Äußerung hat, grob betrachtet illokutiv die Qualität einer Frage. Durch 'denn' wird das bestimmte Nkht-Gewußte jedoch speziell als Verstehensdefizit bearbeitet. Deshalb möchte ich solche Fragen als Verstehensfragen bezeichnen. Ein Element aus dem proposirionalen Gehalt der Bitte, genauer ihres orientierenden Teils (s2), wird aufgegriffen, mit entsprechend deiktischer Umsetzung ('mein' zu 'Ihr'} wiederholt und durch 'denn' als bestimmtes Verstandenes vom bestimmten, im Sinne mangelnder Folgerichtigkeit Nicht-Verstandenen geschieden, das als -Element durch ein Fragewort umrissen wird ('wo'). Nachdem sich zunächst ein Schüler, Sa, durch Kenntnis des Lehrerplatzes offenbar das Privileg des Auftrags - und damit des zeitweiligen Entkommens aus dem Unterricht - selbst verschaffen will (so), klärt der Lehrer das Problem von Heike (s4), indem er auf Hilfe "vor Ort" verweist (s7). Er liefert also nicht genau das D-Element, das Heike vorkategorisiert hat, sondern ein alternatives. Dies wird von Heike mit "Ja" (s8) akzeptiert ("definitiv akzeptiert" im Sinne von Maas), hält also ihrer Situationsüberprüfung (nach dem Schema l der Verstehensschritte bei Schritt (c); s. o. §2.2.5.2) nunmehr stand, und mündet, nach weiterer Versicherung des ausreichenden Wissens durch L (s9), in der Übernahme der hörerseitigen Handlungsposition (slO). Das Innehalten am hörerseitigen Entscheidungsknoten der Bitte wird dadurch beendet und ein positiver Durchlauf zur Handlungsausführung gemacht. Der Sprecher L muß keinerlei Modifikationen seiner Handlung, der Bitte, vornehmen. Im Muster des Begründens entspricht dem allgemein das Fortsetzungselement G von Diagramm 4 (s. o. §2.2.5.8). Da es sich um eine in die Sequenz integrierte Fortsetzung handelt und die C-Position im weiten Sinne eine Aufforderung zu einer Handlung von H darstellt, ist in (B9) genauer das Fortsetzungselement F der "Sollens-Begründung" im Sinne von Ehlich & Rehbein (1986,113) realisiert: "Das Begründungsmuster operiert also auf der Transferstelle vom Sollen zum Wollen (entsprechend ist beim Müssen die Begründung hinfällig). Wir nennen diesen Typ der Absichtsbegründung
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Sollen-Begründung." (ebd., 112) In (B9) Hegt der spezifische Fall vor, daß über die Transposition deshalb nicht entschieden wird, weil das Können nicht gesichert ist. Wenn der Hörer, hier Heike, jedoch Kooperativität zeigt, indem das Nicht-Verstehen zu bearbeiten versucht wird, ist eine positive Präponderanz für eine Wollensübernahme angezeigt.56 Ich veranschauliche nun die Leistung der fragenden Äußerung mit 'denn' in (B9) im Diagramm des Handlungsmusters der Bitte. Hirer aentikr Bereich
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Diagramm 5: Begründen einer Bitte
An dieser Graphik sieht man zugleich exemplarisch die Verlaufscharakteristik für andere Handlungsmuster, also bei einem Bezug auf andere Sprechhandlungen. 56
Die Rückkehr und, bei abschließendem Dank von L, der Austritt aus dem Handlungsmuster der
Bitte ist im Transkript nicht erkennbar; ich weiß jedoch, daß er in envartbarer Weise erfolgt.
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Die fragende Äußerung mit 'denn1 stellt generell die Verbalisierung einer systematisch, d. h. in jedem Handlungsmusier vorgesehenen Verlaufslinie, nämlich der negativen Entscheidung beim Verstehen, dar. Eben diese Systematik hat zur historischgesellschaftlichen Ausbildung von Bearbeitungsformen, dem System des Begründens, sowie im engeren Bedürfniszusammenhang zur Schaffung von Ausdrucksmitteln geführt, die zur Bearbeitung des hörerseitigen Verstehensproblems taugen. Dazu gehört das paraoperative 'denn1. Diese Verbalisierung macht dem Interaktanten das negative Ergebnis in der beschriebenen, spezifischen Weise zugänglich - als Element - und dadurch behandelbar. Die Form der Verbalisierung ist also derart, daß nicht fakultativ, sondern wiederum systematisch eine Bearbeitung durch den Sprecher erfolgt, also ein erneuter Durchlauf durch dessen Entscheidungsknoten und eine Suche des D-Elementes für H. Bezogen auf die Terminologie von Lindner wird deutlich, daß der "Einschub" keineswegs als ein Exkurs, also als ein Austritt aus dem laufenden und Eintritt in ein anderes Muster aufgefaßt werden muß. Diese Sicht legt besonders ihre mengentheoretische Formulierung vom F' "echt einschließenden" Schema F nahe. Vielmehr wird am Entscheidungsknoten innerhalb des Handlungsmusters von einem Muster Gebrauch gemacht, das über dieser Position operiert.57 Das Begründen operiert über mentalen Positionen anderer Handlungsmuster, sofern an ihnen infolge eines Verstehensproblems innegehalten wird. Der Exkurs kennzeichnet demgegenüber ein Verfahren, das komplexe, oft untereinander verkettete andere Muster in Dienst nimmt, um - zum Beispiel - ein Verstehensproblem ein Stück weit, vorbereitend, zu bearbeiten. Diese Vorarbeit verselbständigt sich jedoch gegenüber der Handlungsfortführung, in deren Dienst sie erfolgt; deshalb sind am Exkursende besondere Verfahren ausgearbeitet, um dahin zurückzuleiten.
Ich habe mit (B9) einen Beleg für eine Verstehensfrage diskutiert. Sie ist in eine Konstellation eingespannt, die der Sollens-Begründung, im System des Begründens dem Begründen III, entspricht. "Einfach" habe ich diese Realisierung von Prä-E genannt erstens wegen der illokuüven Einfachheit und zweitens wegen der Einfachheit des Verstehensproblems. Im Schema der Verstehensschritte (§2.2.5.2) ist die Identifikation des propositionalen Aktes (bi) defizitär. Die Synchronisierung von und S ist also recht leicht herzustellen und erfordert von S keine Handlungsmodifikationen. Werfen wir unter diesen Aspekten noch einmal einen Blick auf den komplexen Beleg (BIS, §2.2.6). Die erste Äußerung mit 'denn', aus dem Munde der sorgenvollen Urlauberin, betrifft nicht einen der Schritte (b) im Verstehensschema, sondern bereits (c), d. h. die Sifuafionseinschätzung; hier geht es speziell um die Einschätzung von Handlungsalternativen und deren Bewertung. Der Status der Äußerung im System des Begründens ist außerordentlich komplex: Bei einer gewöhnlichen Problembearbeitung wird an einem Entscheidungsknoten eine kognitiv-operative Begrün57 Die graphische Darstellung erfordert also eigentlich die 3. Dimension.
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dung in den Dienst genommen, um dem Maximenkonflikt als solchem auf den Grund zu gehen; dabei erweist sich die Obermaxime als Grund und - gemessen an den Präferenzen - als unverständlich; am Entscheidungsknoten der kognitiv-operativen Begründung wird deshalb eine interaktive Öffnung des Problemlösungsprozesses zur Suche nach einem Verstehenselement vorgenommen, indem eine über dieser Entscheidung operierende Sollens-Begründung initiiert wird. Der Charakter dieser interaktiv an das gemeinsame Handlungssystem und dessen Präsuppositionsbestand gebundenen Begründung wird sogar bis in die Formulierung hinein deutlich: AA, also - systematisch betrachtet - H, verwendet das Modalverb 'sollen', bezogen auf einen generalisierten Aktanten 'man', was den Maximencharakter des beanspruchten Wissens verdeutlicht" Welche illokutive Qualität hat nun diese Äußerung ("Mensch, sag mal, soll man denn immer alles mitschleppen?")? Trotz der generalisierenden Formulierung ist die Tangierung des Handlungsbereichs von AA aus dem Diskurszusammenhang für AB und AC offensichtlich. Insofern geht es handlungspraktisch nicht um eine Sollens-Begründung, sondern um den Typ des Begriindens, den Ehlich & Rehbein - in systematischer, also begründungsbezogener Präzisierung von Rehbein (1972) - als "Rechtfertigen II" bezeichnen. Allerdings ist die negative Bewertung der in Frage stehenden Handlung noch keineswegs eindeutig, so daß noch nicht die illokutive Qualität eines Vorwurfs erreicht ist; vielmehr befindet sich die Aktantin noch im Vorfeld eines solchen Handlungsmusters - dem erreichten Verstehensschritt (c) und nicht (d) entsprechend. Deshalb scheint mir eine illokutive Qualifizierung der Äußerung von AA als Deliberation angemessen. Bemerkenswert ist, daß 'denn' gleichermaßen funktional ist Die Wirksamkeit der paraoperativen Prozedur für die Verstehensbearbeitung ist offensichtlich unempfindlich gegenüber dem unterschiedlichen Stand der Verstehensschritte, dem Anlaß für das Verstehensproblem und dem Typ des Begründens, der eingeleitet wird. Der Klient der gesetzlichen Krankenversicherung (B6) dürfte aufgrund der institutionellen Handlungsbedingungen von einer konfliktaren Bearbeitung seines Verstehensproblems absehen und drückt sein Unverständnis über die Anforderungen der Kasse und deren Gründe ("erstleistende Kasse zu sein") bei Schritt (c) aus ("Würden Sie denn nichts leisten?"). Die Äußerung steht im Zusammenhang mit einem zuvor geäußerten Unverständnis über die Original-Forderungen und sucht im Wege einer exemplarischen, handlungspraktischen Klärung Verständnis darüber zu gewinnen; d. h. die Äußerung zielt ab auf eine Sollens-Begründung oder, wenn die H-Tangiertheit intonatorisch zum Ausdruck gebracht wird, auf eine Rechtfertigung. In der Tat reagiert der Agent der Institution in Richtung der Tangiertheit ("Doch, dann würden wir auch leisten; dann müßten wir uns zwangsläufig mit dem Duplikat zufrieden geben, ne? Weil das Original ja schon fort is, ne? Des isch klar, des geht. Aber äh in der Regel soll s schon so sein, daß wir das Original bekommen, ne?"). 5° Die Funktionalität der Wendung 'soll ich' für ein Zuvorkommen vor einer Handlungsanweisung habe ich an anderer Stelle ausgeführt (Redder 1982).
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Mit vergleichsweise viel sprachlichem Aufwand wird die Anforderung im Sinne einer Ausnahme zurückgenommen, statt ein Verstehenselement zu liefern; für den Einzelfall wird also diejenige Handlung modifiziert, die das Unverständnis ausgelöst hat, und so das Verstehensproblem aktuell beseitigt. Unmittelbar anschließend reetabliert der Vertreter der Institution allerdings, seinen Weisungen gemäß, wieder die allgemeine Norm. Das Begründungsmuster wird demnach durch eine Handlungsmodifikation, genauer: durch eine Zurücknahme der Handlung, um seinen Punkt gebracht. Ein Verständnis wird nicht hergestellt, nur eine Beseitigung der negativen H-Tangiertheit durch entsprechendes Entgegenkommen. Die Erkundigung über einzelne Handlungskonsequenzen als Mittel zur Verständnisgewinnung über die Handlungsnorm59, die der Klient mit seiner Äußerung realisiert, wird nur in ihrem unmittelbaren, nicht in ihrem mittelbaren Zweck erfüllt. Ein Beispiel für die Anwendung der kognitiven Begründung als Partialmuster, also als Taktik, illustriert folgender Beleg aus dem Schulunterricht: (B 18) Im Biologieunterricht erklärt die Lehrerin wiederholend das Zusammenspiel von innerer und äußerer Atmung; das Thema der Unterrichtsreihe lautet: "der Blutkreislauf". Soeben hat sie den Sauerstoffaustausch noch einmal unter dem zeitlichen Aspekt erläutert. (sl) L un dann atmet man diese fünf Prozent, die wir jetzt eingeatmet haben, vielleicht so in zwanzig Minuten, je nachdem, was wir für ne körperliche Bewegung machen, wieder aus. (s2)L Ulrike! (s3) U Is das denn n Kreislauf? (s4) L Ja, das hat was mit dem Kreislauf zu tun. (Redder 1982,25/10-26/4) Es scheint, als wenn die Schülerin Verstehensschwierigkeiten mit der beschreibenden Darlegung des Vorgangs durch die Lehrerin hat und sie insofern als Verstehensvorgabe bearbeitet; das Ergebnis ihrer Bearbeitung ist ein fachwissenschaftlicher Begriff, den sie als D-Element zur Entscheidung stellt. Eine klug mitdenkende Schülerin, so scheint es; freilich ist angesichts der Gesamtthematik der Stunde, des Wiederholungscharakters der Erklärung - die Schüler erweisen sich in dieser Stunde als nicht sehr kooperativ - und schließlich des Alltagswissens dieses Verstehensangebot nicht sehr originell. Der Versuch, durch ein vorgebliches Nicht-Verstehen eine Verstehensleistung zu dokumentieren - im Sinne des wirklichen Mitdenkens bei Lehrererklärungen - geht jedoch insofern schief, als die Lehrerin sachlich exakt den Sauersioffaustausch nur als einen Teilprozeß des Blutkreislaufs zur Geltung bringt. Die mitschwingende Kritik von U, daß sie als Schülerin die Erklärung wirklich auf den Begriff bringen muß, um Verständnis herzustellen, geht so ins Leere. Die "schlaue" Verstehensfraee findet kein Lob. $5 Kommunikative Normen und ihrer Auswirkung auf die Struktur von Gesprächen untersucht Techtmeier (1986).
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(B 19)
{Große Lautstärke bei einer Gruppenarbeit in der Schule.) L Könnt ihr denn nicht mal ein bißchen leiser sein? Eine solche Lehreräußerung hat die illokutive Qualität der Ermahnung: ihr Zweck besteht in einer Handlungsänderung des Interaktanten vor dem Wirksamwerden von Sanktionen (cf. Füssenich 1981). Diese Frühzeitigkeit läßt es sprachlich zu, ein Verstehensproblem bei Schritt (c), bei der Situationseinschätzung, zur Geltung zu bringen, zugleich jedoch eine negative Haltung in Aussicht zu stellen. Als D-Element kommt gewissermaßen nur eine Handlungsmodifikation des Sprechers in Frage, (B 20)
(Paula, die zuweilen recht unpünktlich ist, wollte um fünf Uhr bei Felix sein. Sie kommt um sechs Uhr an.) Felix: Biste denn wieder zu spät losgefahren? Paula: Du, da war ein unheimlicher Stau auf der Autobahn. Felix hat beim Verstehen bereits Schritt (d) in negativer Weise erreicht. Er äußert sein Unverständnis über die Unzuverlässigkeit in einem Vorwurf, der die Realisierungsform einer Frage mit 'denn' hat. Ein D-Element kann nur in einer Entschuldigung geliefert werden, was tatsächlich getan wird. Die Handiungsbegründung endet insofern erfolgreich. Insgesamt zeigt sich, daß der Systematik des Begründens nicht direkt eine Systematik der Frä-E-Äußerungen gegenübersteht, sofern die Realisierungsformen mit paraoperativem 'denn' in Betracht gezogen werden. Die illokutiven Qualitäten sind vielmehr von einer dritten Dimension abhängig, nämlich vom jeweils erreichten Schritt im Verstehensprozeß. Verstehensfrage, Erkundigung, Deliberation, Ermahnung und Vorwurf wurden untersucht. Dieses Spektrum von Ulokutionen kann also in den Dienst von Verstehensbearbeitungen gestellt werden. Gleichwohl geschieht die Indienstnahme nicht beliebig, sondern bei je spezifischen Verstehensschritten. Die Verstehensfrage ist bei Schritt (b) funktional, Erkundigung, Deliberation und Ermahnung bei Schritt (c), der Vorwurf bei Schritt (d).60 Eine Distributionsbeschränkung hinsichtlich der unterschiedlichen Typen von Begründung scheint nicht zu bestehen; vielmehr können diese Ulokutionen bei den geeigneten Schritten des (Nicht-)Verstehens innerhalb all der Begründungstypen verwendet werden. Unterschiedslos funktional ist insbesondere paraoperatives 'denn'. Unabhängig davon, bei welchem Schritt das Verstehensproblem auftritt und weiche Illokution mit der Äußerung realisiert wird, in der es gebraucht wird, dient der Ausdruck dem Vollzug der paraoperativen Prozedur, wie ich ihn analysiert habe. ® Diese Aussage über die Funktionalität ist nicht so zu mißverstehen, daß einzig diese Ulokutionen bei den jeweiligen Schritten verwendbar sind, da ich nicht alle möglichen illokutiven Akte erschöpfend untersucht habe; das Ergebnis bezieht sich auf ihr Funktionsverhältnis untereinander und ist insofern exemplarisch.
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Um auf die Beobachtungen in der Literatur zu 'denn' zurückzukommen: Weder Frage - im Sinne der spezifischeren Verstehensfrage, sobald 'denn' verwendet ist noch Vorwurf bilden die einzigen Illokutionen, sondern stellen systematische Pole eines Spektrums dar. Illokutive Indikatorfunktion hat 'denn' insofern in keinem Fall.61 (Allenfalls für ein Verstehensproblem kann der Ausdruck verkürzend, in der wissenschaftlichen Alltagssprache, als "Indikator" bezeichnet werden, sofern die paraoperative Prozedur darin rekonstruiert bleibt.) 2,2.8 'denn' in exklamativen Äußerungen Das letzte Beispiel (B20) stellt ein Übergangsphänomen zu einem eigenen Funktionstyp von 'denn' dar. Er kommt durch ein sprachliches Mittel zustande, das häufig unbeachtet bleibt: durch die Intonation. Die Frage-Form wird durch einen exklamativen Ton verlauf in eine exklamative Form transformiert, 'denn' wird somit in einem Ausruf funktional. Die Differenzierung der Tonhöhenverläufe und Untersuchung einer möglichen Funktionsverschiebung findet in der Literatur so gut wie keine Beachtung. Auch Heibig & Buscha lassen in ihrer tabellarischen Darstellung bei der "Ausrufeintention" eine Lücke und reduzieren 'denn' explizit auf die Frageintention (1984,487). Es ist ein großes Verdienst von Dittmann (1980), auf den Unterschied zwischen "Hochschluß" und "Halbschluß" (im Sinne des Dudens) bei der Verwendung von 'auch' und 'denn' aufmerksam gemacht zu haben. Der Halbschluß (fallende Intonation) dürfte zürn Teil schwache Fragen, wie in (B20), und zum Teil exklamative Formen intonatorisch einschließen. Der exklamative Funktionstyp ist systematisch aus dem oben analysierten fragenden abzuleiten. Betrachten wir ein quasi-empirisches Beispiel in beiden möglichen Varianten. (B 21) Ein älteres Kind, Jacob, ist erstmals allein zu Hause, weil die Mutter für ein paar Stunden zu einer Konferenz muß und sich keine Betreuung fand. Sie ruft zwischendurch an; Jacob langweilt sich; darauf die Mutter: M Was machst du denn? J Kisten bauen. (B 22)
Jacob ist allein zu Hause; die Mutter ruft zwischendurch an: M Na, was machst du denn so? J Kisten bauen.
(B 23)
Jacob spielt seit einer Weile allein im Wohnzimmer. Die Mutter sieht schließlich mal nach ihm. Großes Basteln, Klebstoff und Farbe auf dem Teppich:
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Die Autoren fassen Partikeln generell als illokutive Indikatoren auf, was Dittmann zu Recht kritisiert (1980,63) und lediglich, wie gesagt, für Vorwürfe aufrecht hält.
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M J
Was machst du denn! Ja äh, die tropft immer so, die Farbe.
Den Konventionen entsprechend sollen Fragezeichen eine fragende und Ausrufezeichen eine exklamatorische Intonationsstruktur darstellen. Die Äußerung der Mutter, die Höreräußerung also, zielt in (B21) und (B22) auf ein Wissen ab. In (B21) erkundigt sich die Mutter nach dem Tun, um die geäußerte Langeweile zu verstehen. (B22) stelle ich im Moment noch zurück; es sei lediglich darauf hingewiesen, daß derartige Äußerungen keine exklamatorische, sondern eine, wenngleich gegenüber (B21) schwächere, Frageintonation haben, (B23) hat eine exkl amative intonatorische Form. Die illokutive Qualität ist aufgrund dieses sprachlichen Mittels direkt identifizierbar.*'2 (Der "Satzmodus" des Ausrufesatzes bezieht nicht zuletzt von da her seine Eigenständigkeit.) Hat die Mutter - wie H oben in (B20) - den Schritt (d) des Nicht-Verstehens erreicht? In der exklamativen Intonation kommt zweifellos eine H-Tangiertheit zum Ausdruck, die auf die Spezifik des realisierten Handlungsmusters Einfluß nimmt6·* Insofern könnte man zunächst annehmen, daß im System des Begründens ein "Rechtfertigen I" realisiert wird, also die Rechtfertigung einer nicht-kognitiven, vergangenen Handlung. Der Sprecher, Jacob, versucht in der Tat, eine Rechtfertigung zu äußern. Ich spreche von einem Versuch, weil die Handlung nicht angemessen ist, sondern als "Ausrede" gelten dürfte, Eine Fortsetzung wie "Mein Gott, da kannst du doch aufpassen!" ist sehr wahrscheinlich; keinesfalls wird die Mutter etwa mit "Ach so, na dann will ich nichts gesagt haben" die Rechtfertigung honorieren. Was ist also statt dessen gefordert und warum? Der Anlaß der ganzen Äußerung, d. h. die vergangene Handlung des Sprechers unachtsames Umgehen mit Farbe und Klebstoff im Wohnzimmer - bedeutet eine Infragestellung des gemeinsamen Handlungssystems. Darüber ist kaum Verständnis herzustellen. Es gibt kein D-Element, welches das Nicht-Verstehen in ein Verstehen umformen kann. H, hier die Mutter, hat im Falle der exklamativen Form bereits alle Schritte des Verstehens (b-e) - hier bezüglich einer nicht-sprachlichen Handlung - negativ durchlaufen. Eine negative Einstellung ist bereits unveränderbar eingenommen. Im Muster des Begründens befindet sich H also bereits an der negativen Position außerhalb des Musters: Das Nicht-Verstehen bleibt bestehen, weil kein Verstehenselement existiert. Ein sequentieller Übergang zur Rechtfertigung ist demnach unangemessen. Warum wird dennoch der Ausruf mit 'denn' realisiert? 'denn' dient unverändert dem Vollzug der paraoperativen Prozedur, wie ich sie beschrieben habe. H antizipiert jedoch 62 König (1977,122) betrachtet solche Äußerungen - ohne Rücksicht auf die Intonationsstruktur als indirekte Vorwürfe, da - und angesichts solcher Äußerungen verschärft er seine vorangehende Aussage - stets zunächst eine Fragehandlung zu rekonstruieren sei. Dittmann {1980,630 bestimmt sie ebenfalls als indirekte Vorwürfe. ^3 Unter dem Aspekt der Emotionen diskutiert Fiehler (1986) Modifikationen des Handlungsmusters; er bindet diese Phänomene an Bewertungen zurück.
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bereits, was S auch feststellen wird, daß die Prozedur "im Leeren" endet. Hinsichtlich des deiktischen Anteils im paraoperativen Ausdruck liegt hier der besondere Fall einer "Deixis ins Leere" (Ehlich 1979,607) vor. Das intonatorische Mittel der Exklamation verändert die gesamte Handlungsqualität, Der Hörer unternimmt keinen Übergang mehr in den Interaktionsraum mithilfe der Frage-Form; er initiiert keinen sequentiellen Zugriff auf den -Bereich des Sprechers. Kurz: die Leistungen der Frage-Form, die ich oben (§2.2.5) beschrieben habe, entfallen. Die Frage-Form bleibt, strikt syntaktisch, bloße Form. Ihr wird, durch das Mittel der Intonation, nicht illokutive Wirksamkeit verliehen. Die Opposition zwischen Frage-Form und Aussage-Form wird - im terminologischen Sinne des Prager Strukturalismus - neutralisiert durch die exklamative Intonation. Die bloße Form der Frage und die ins Leere orientierende Neufokussierung mittels 'denn' werden lediglich verbal in den Interaktionsraum gesetzt, "ausgerufen". Operatives Ergebnis ist der Aufweis der Nicht-Existenz eines D-Elements, 'denn' hat in der exklamativen Form der Äußerung eine ostensive Funktion. Ich habe bislang stillschweigend unterstellt, daß die Frage-Form stets mit einer Frageintonation realisiert wird. Diese Unterstellung ist in der Literatur, besonders in den Grammatiken, nicht ungewöhnlich. Demgegenüber fordert Lieb (1980a) die Einbeziehung der Intonation als ein Kommunikationsmittei in die sprachtheoretische Analyse. Der ostensive Funktionstyp von 'denn' kann als weiterer Beleg für diese Notwendigkeit hinzugenommen werden. Der Umstand, daß die Verwendung von 'denn' in der syntaktischen Form der Frage für die gesprochene Sprache typisch ist, erlaubt nicht nur die Ausnutzung intonatorischer Mittel, sondern er wird offenbar auch systematisch ausgenutzt. Die Fälle, die Dittmann (1980) unter dem Aspekt der fallenden Intonation behandelt, sind systematisch andere. Eine fallende Intonation unterscheidet sich erstens von der exklamativen. Zweitens ist die Handlungskonstellation von gänzlich verschiedener Art - was zugleich für die Funktionseinschränkung der Exklamation spricht. Allerdings würde ich sein Beispiel" Wo bleibst DU denn so lange?" (ebd., 63) mit Emphase auf dem Aktanten, statt auf der negativ bewerteten Handlung, wie Dittmann hervorhebt, als eine typische Formulierung mit exklamativer Intonation ansehen. Dittmann diskutiert hier den Ton verlauf nicht, sondern interpretiert die Emphase als Grund dafür, daß für derartige Äußerungen eine Vorwurfqualität ferner liege als bei einer Emphase auf der Handlung. Überraschung, die er damit verknüpft, scheint mir eher darauf bezogen zu sein, daß entgegen allen sonstigen Abmachungen und Gepflogenheiten, also gegen die Erwartungen, der Interaktant gegen die gemeinsamen Handlungspräsuppositionen verstößt, so daß kein Verständnis aufgebracht werden kann, In diesem Sinne weist Dittmann darauf hin, daß "weniger eine antwort als vielmehr eine rechtfertigung des hörers erfordert" ist (ebd., 62). Bei exklamativer Intonation würde das, wie ich nun zeigen möchte, nicht genügen.
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Welche Sprecher-Handlung ist einer derartigen Exklamation angemessen? Der VOTwurf, den die Exklamation zu realisieren vermag, ist von spezifischer Qualität, wurde gezeigt. Man könnte ihn eine Klage nennen, Der Sprecher kann auf ihn nur mit einer Entschuldigung reagieren, d. h. die negative Bewertung der Handlung voll übernehmen und versichern, daß es nicht in seiner Absicht liegt, das gemeinsame Handlungssystem in Frage zu stellen, sondern daß ihm vielmehr an dessen Aufrechterhaltung liegt. Äußerungen wie "a. Kannst du denn nicht gerade fahren?" oder "b. Bist du denn wahnsinnig geworden?" stellen nach König jeweils einen indirekten Vorwurf dar, der "auf eine Erklärung für dieses Verhalten abzielt." (1977, 122} Ich bin sicher, daß sein zweites Beispiel b. eine exklamative Form haben muß, um geäußert werden zu können. Die besondere Äußerungsform hat nämlich bereits formelhafte Qualität gewonnen. Eine Erklärung, wie König sagt, halte ich als Zweck der Sprecheräußerung für ausgeschlossen. Etwas ganz anderes ist es, wenn der Sprecher dem Hörer nachweisen kann, daß er von völlig falschen Voraussetzungen ausgeht und durchaus ein D-Element existiert. Dazu ist aber besonderer sprachlicher Aufwand nötig; seine interaktive Vermittlung ist zuweilen recht heikel, denn zunächst muß die Ungestörtheit des gemeinsamen Handlungssystems wieder hergestellt werden. Formeln wie "Nun mal langsam}" oder "Moment mal!" - mit korrespondierender exklamativer Intonation geäußert - sind verfestigte Mittel, die dazu entwickelt sind. Die ostensive Funktion von 'denn' dürfte stark an formelhafte Äußerungen gebunden sein. In diesem Zusammenhang, nämlich der Verwendung von 'denn' in Fragen mit "phraseologischem Charakter" wie "Wo gibt es denn so etwas?" (geläufiger als "Wo gibt's denn sowas!"), diskutiert Hunger (1972,61) die modale Partikel und bestimmt solche Äußerungen als "Aussagen in Form von Fragen" (ebd.). Meines Brach tens deckt diese Gegenüberstellung von Frage und Aussage anhand der formalen Dichotomie von Fragesatz und Aussagesatz - gegebenenfalls noch durch Imperativsatz erweitert - die besondere Qualität solcher Formen, nämlich die Ausrufe-Qualität, und deren Funktionalität eher zu als auf. Im Lichte der neuen Überlegungen ist noch einmal ein kurzer Blick zurück zu werfen, nämlich auf die authentische Szene zwischen den Eheleuten bei vermeintlich "punktloser" Erzählung (B7) (s. o. §2.2.2) und auf die quasi-empirische zwischen Mutter und Tochter (B8) (s. o, §2,2.3), Im letzten Fall kann man sich sowohl eine schwach fragende wie eine exklamative Intonation vorstellen, wobei ersteres aufgrund der expeditiven Prozedur am Äußerungsbeginn ("Sag mal") wahrscheinlicher ist; ich habe oben entsprechend den taktischen Fall rekonstruiert, bei dem die Mutter Zugang zu verborgenen Nöten der Tochter zu gewinnen sucht. Eine schwache Frage ist dem angemessen. Die Äußerung des Ehemannes, "Was sagt denn des aus", ist sehr gut mit exklamativer Intonation denkbar. Der Umstand, daß "die Sache selbst in die Hand genommen wird", spricht dafür, daß auf der Seite der Ehefrau ein D-Element
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antizipiert wird, das nicht existiert - gemessen an der Rationalität des Mannes. Diese Interpretation wird dadurch gestützt, daß der Mann das Verständnis der Frau mit den Worten quittiert: "Na, das is natürlich deine Interpretation": das D-Element existiert nur im Kopf der Erzählenden. - Es wäre interessant, anhand des Bandmaterials diese Interpretation zu überpüfen. 2.2.9 Zur Formel tendierende Verwendungen Abschließend will ich an ausgewählten Beispielen einige abgeleitete Verwendungen behandeln, die zu formelhaften Verfestigungen tendieren, . Reaktivierung des gemeinsamen Handlungssystems Ich habe im letzten Paragraphen bereits ein Beispiel am Übergang zwischen Erkundigung und Klage angeführt, das eine schwache Frage darstellt, nämlich: (B 22) Jacob ist allein zu Hause; die Mutter ruft zwischendurch an: M Na, was machst du denn so? J Kisten bauen. Analog ist (B24) zu betrachten: (B 24) AA und AB leiten ein morgendliches Telefongespräch zunächst durch einige Frotzeleien über die Frühzeitigkeit des Anrufs bzw. die Langschläfrigkeit des Angerufenen ein, der diesmal aber schon wach ist. AB Na, aber aufgeweckt warst du ja schon immer, nicht? AA Ja, doch, AB Ja ja AB is das natürlich keine Schwierigkeit, nich? AA Ja, seit wann bist du denn wieder im Lande? AB Äh seit gestern abend. (11/3,62) In beiden Beispielen "hakt" gewissermaßen das gemeinsame Handlungssystem; es ist nach einer mehr oder minder ausgedehnten Unterbrechung noch nicht wieder voll aktiviert. Deshalb müssen Verfahren angewendet werden, um einen Zugang zum Interaktionsraum des anderen zu gewinnen. Ein solches Verfahren bietet die Anknüpfung an eine Konstellation oder Handlung in der Vorgeschichte, die zum Zeitpunkt der letzten gemeinsamen Handlung noch offen, noch nicht prakisch abgeschlossen war. Die darauf basierende Wissensdefizienz zwischen den beiden Aktanten wird sprachlich nach Art eines Verstehensdefizits bearbeitet. Die paraoperative Prozedur wird in der gewohnten Weise wirksam. Dies impliziert systematisch, daß ein gemeinsamer Handlungsablauf lediglich angehalten ist, um nach der Herstellung des Verstehens positiv fortgeführt zu werden. Auf diese Weise ist der Zweck eines "opening up" (cf. Schegloff 1967) erreicht und das gemeinsame Handlungssystem reaktiviert und nach vorn hin "in Gang gebracht". Die Mutter überbrückt die räumliche
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Trennung und gewinnt Zugang zum Handeln des Sohnes; das Telefonat kann mit einem "soliden" Thema beginnen. Derartige Verwendungen, die sich der paraoperativen Prozedur und damit des Begründungsmusters in einer abgeleiteten Weise bedienen, tendieren dazu, zur Formel zu geraten.64 Solche Äußerungen sind es auch, an denen Dittmann die fallende Intonation beobachtet. Sein Beispiel mit Halbschluß-Intonation ist: "05") Was ist denn los?" - "Mit dieser intonation kann (15") nicht von einem beliebigen passanten geäußert werden ("der zu einer menge schaulustiger stoßt"; A. R.), sondern nur von einem beteiligten, z. b, einem polizisten oder arzt. Dieser 'beteiligte' kann gerufen worden und insofern vorinformiert sein." (1980,64) Für diesen Fall konstatiert Dittmann einen Bezug auf die "Vorgeschichte" und betrachtet das Beispiel deshalb als über das hinausgehend, was König als Bezug auf Situationselemente statt auf Handlungen charakterisiert. (Dittmann spricht vom "situationsdeiktischen" Bezug.) Weiter führt er aus: "...der Sprecher drückt konversationellerweise aus, daß er sich emotional oder handelnd auf die situation einläßt. Hier ist das abtönende element der funktion von denn also konventionell noch ausgeprägter als im fall der intonation 'hochschluß'. Als funktionsbeschreibung schlage ich deshalb den ausdruck von ICH HABE ZUR KENNTNIS GENOMMEN, DASS [...] UND ES GEHT MICH ETWAS AN, DASS [...] vor." (1980,65). Die Nähe zu meiner obigen Analyse ist deutlich. "Kenntnisnahme" dürfte jedoch nicht ausreichen, um die Grundbestimmung der paraoperativen Prozedur, nämlich Wissens- und Verstehenssynchronisation in der dargestellten Weise, zum Ausdruck zu bringen. Der fallende Tonverlauf solcher Äußerungen ist nicht mit dem exklamativen zu verwechseln; jener bedeutet noch keine Transformation der Frage-Form in Richtung auf ein anderes illokutives Potential, sondern schwächt sie lediglich ab, grenzt das Potential also auf weniger stark eingreifende ülokutionen ein. Im Unterschied zur exklamativen Form geht es dem Hörer hier wirklich um die Gewinnung von Wissen und Verstehen. In schulischer Kommunikation finden sich Verwendungen vergleichbarer Art zur Reaktivierung des gemeinsamen Handlungssystems häufig zu Unterrichtsbeginn. (B 25) L Wo warn wer denn das letzte Mal stehen geblieben? ist eine typische Formulierung, um sich auch selbst erst wieder besinnen zu können.
64
Darauf dürfte die Überlegung zu einer vorwiegend phatischen Funktion gegründet sein, die Lütten anstellt. "DENN zielt offenbar weniger auf den Fragemodus als solchen als vielleicht auf die Konstituierung einer Kommunikatioiissituation ab, in der eine Frage gestellt werden kann." (1977, 345)
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2. Der Unterrichtsdiskurs Nicht auf eine generelle Reaktivierung des gemeinsamen Handlungssystems, sondern auf eine Reaktivierung des schulischen Sachwissens zur Lösung gestellter Aufgaben zielen nahezu formelhafte Verwendungen von 'denn* innerhalb nicht ganz unproblematisch abzuwickelnder Aufgabe-Lös ungs-Muster ab. Zuweilen wird dabei ein echter Exkurs eingeschaltet, der Stück für Stück in gleicher sprachlicher Form das Wissen aus den Köpfen der Schüler herausholt, 'denn' ist in seiner paraoperativen Qualität für derartige Lehrer-Fragen - Taktiken im Verhältnis zu außerschulischen Fragen - außerordentlich funktional. Ich illustriere lediglich ein charakteristisches Beispiel. (B 23) {Im Mathematikunterricht hat Schüler Horst (H) die mathematische Form einer Textaufgabe als Bruch richtig an die Tafel geschrieben und beginnt, den Bruch in die Standardform x=y/z umzuwandeln, um ihn zu berechnen.) (sl) L Jetzt gibts eigentlich zwei Möglichkeiten, wie man da weiter machen könnt, ne? (s2) H (Ja, ich kann) kürzen. Ich kann kürzen? (s3) L Hm, was denn? (s4) H Die hu/die Sechs durch die Hundertvierzig. (Interj.) X2 X2
-> (Konj.) X!
Xl
-> (X") S
S1 S
-> (d-/w-, COMP, ...}S -> NP VP INFL
INFL —> [a Tps] COMP-» [a Tps] [a W] X"
-> [-W]
[+W] [-W] X"
-> ob, warum,... -> daß, weil -> es NP, Adj P, PP,...
(Tps=Tenipusmorphem)
Für unsere Frage ist die Generierung aus S' relevant. Ich referiere zunächst die Analysen von Lenerz, Die "d-/w-Position ist für korrelative Pronomina definiert, die ein vorangestelltes Satzglied wiederaufnehmen; die Bezeichnng ^-/w-Position ist willkürlich, da nicht nur a- oder w- Pronomina in dieser Position auftreten können, sondern z. B. auch so und andere Pro-Formen" (ebd., 82). Diese Position ist somit dem Hauptsatz zugehörig. Demgegenüber ist COMP "eine syntaktische Konstituente, die in Nebensätzen für satzeinleitende Konjunktionen (daß, weil, ob, ...) definiert ist. In Hauptsätzen ist sie nicht lexikalisch durch eine Konjunktion gefüllt, und zwar einfach deshalb, weil es im Deutschen keine entsprechenden hauptsatzeinleitenden 'Complementizer' gibt. Aufgrund einer allgemeinen Konvention werden nicht-lexikalisierte Konstituenten durch das (leere) 'Identitätselement' 'e' terminal expandiert" (ebd., 83). Lenerz argumentiert dann, daß in COMP nur Elemente mit dem Merkmal [+ Tps] stehen können,
163
so daß neben lexikalischen Besetzungen durch subordinierende Konjunktionen - wegen ihrer Einleitung von finiten, also tempusmarkierten Strukturen - nur finite Verben in Frage kommen. So entstehen die Verberststellungs-Sätze. Die Verbzweitstellung kommt dann dadurch zustande, daß ein Satzglied vom Typ X" vor die COMP-Position rückt, sei es durch move- , sei es durch Basisgenerierung (vgl ebd., 84-86). Die INFL-Markierungen, die die vorangestellte NP aus S mitnimmt, darf nun nicht direkt mit der trace kolndiziert werden, sondern wird über die d-/w-Position vermittelt, die noch unter S' steht, "Diese d-/w-Position (oder COMP, s. u.) kann nun als 'Notausstiegsluke' (escape hatch) für die notwendige KöreferenzbeZiehung zwischen dem d-Pronomen und X" dienen, wobei von X" angenommen wird, es sei in der Basis lexikalisiert worden:
d-/w-
z\ den Mann j
t. den
tf
t Koindizierang
INT
COMP
'move ex1
Diagramm 6: Abbildung (67c) aus: Lenerz 1984,87
Die drei Punkte rechts neben COMP deuten die sogenannte "Wackernagel-Position" von Partikeln an. Soweit sind Fälle von Linksversetzung bzw. Extraposition dargestellt Parallel behandelt Lenerz die Relativkonstruktion. Zunächst wird das Relativpronomen in der d-/w-Position generiert. "Das syntaktisch-se man tische Dilemma bei den Relativsätzen im Deutschen besteht also in folgendem: Das Relativpronomen muß auf eine Leerstelle im von ihm eingeleiteten Satz referieren, - gleichzeitig aber muß dieser Satz durch die lexikalische Besetzung der COMP-Position als syntaktisch untergeordnet gekennzeichnet sein. Dieses Element verhindert aber in der Regel gerade die Herstellung der erforderlichen Koreferenzbeziehung zwischen der d-/w-Position und der Leerstelle in S." (ebd., 110) Lenerz1 Lösung besteht darin, entweder - wie historisch z.T. belegt und in manchen Dialekten noch heute gebräuchlich - neben dem Relativpronomen COMP außerdem durch eine Relativpartikel zu besetzen oder aber das Relativpronomen nach COMP zu bewegen. Es ergibt sich folgende Struktur:
164
Diagramm 7: Abbildung (123) aus: Lenerz 1984,111
Weiter argumentiert Lenerz: "Auch diachron hat man davon auszugehen, daß das vorangestellte d'/w-Pronomen, das sich auf eine Leerstelle im folgenden Satz bezieht, als Vorläufer des Relativpronomens anzusehen ist, Es stellt ebenso wie bei Links-Ausklammerung in Hauptsätzen die explizite Beziehung zur Bezugs-NP her. Auf der Grundlage dieser syntaktischen Struktur findet also offenbar in der Geschichte des Deutschen in der nhd. Standardsprache eine Uminterpretation des Relativpronomens in der in (124) dargestellten Art statt:" (ebd., 1110
d-/w-
COMP
den
Diagramm 8: Abbildung (124) aus: Lenerz 1984,112
Diese Uminterpretation nimmt Lenerz auch für Konjunktionen wie als, da, wie, wo an, die aus "sogenannten 'relativen Adverbien' entstanden sind" (ebd.). Die Umdeutung des 'da' stellt sich dann folgendermaßen dar: "Bei tharjiho (die lautlich im nhd. da zusammenfielen) laßt sich die 'korrelative' Verwendung in der d-/w-Position mit Verb-Zweitstellung beobachten (.,.), aus der der Übertritt in die COMP-Position gemäß (124) angenommen wird, so daß sich ein Nebensatz mit Verb-Endstellung ergibt" (ebd., 113). An zwei Belegen aus den Nibelungen und aus Isidor gibt Lenerz die Strukturdarstellung an und betont die entsprechende Gültigkeit für temporales ao.
165
PP.
(ze Norwaege in der marke) . i
da
. i
fanden
. j
sie den degen t
i
t
j
Diagramm 9: Abbildung (127) aus: Lenerzl9S4,113
(in dhea chiheizssenun lantscaf) .
honec endi miluh t j springant
Diagramm 10: Abbildung (l 28) aus: Lenerz 1984,113
Lenerz bemerkt, daß der Wandel des syntaktischen Status (d. h. der Subkategorisierung) auch einen Wandel der Semantik der betreffenden Elemente bedeuten kann. "Dabei zieht COMP diese Elemente wohl deshalb an, weil durch seine Besetzung durch eine 'Konjunktion' im Deutschen die für Nebensätze typische Endstellung des Verbs garantiert wird, und weil die betreffenden Sätze dadurch zudem der für untergeordnete Sätze charakteristischen Einschränkung in der Topikalisierbarkeit von Satzgliedern genügen." (ebd., 114) Schließlich veranschaulicht Lenerz die diachrone Entwicklung in folgendem Diagramm:
166
Sj
('Korrelat', koreferent zuSj)
(W ackern age iElemente)
X X
(wiederaufnehmendes Pronomen, koreieren t
Diagramm 11: Abbildung (132) aus; Lenerz 1984,115
Lenerz weist allerdings eine "Entstehung" von Nebensätzen zurück, indem er eine prinzipielle Strukturgleichheit von Haupt-und Nebensatz postuliert und insofern unabhängig von der Oberflächenstruktur immer schon "Nebensätze" im Sinne von eingebetteten Sätzen annimmt. Das Neuenglische gilt ihm als Beispiel für auch oberflach ens trukrurelle Gleichheit Wie verhält sich diese syntaktische Darstellung zu unseren bisherigen Analysen? Das, was ich als Feldtransposition, also als Funktionalisierung der deiktischen Prozedur zu operativen Zwecken, beschrieben habe, erscheint hier als "Uminterpretation" der d-/w-Konstituente zu COM P, Einige Punkte erscheinen mir dabei noch weiterer Erklärung bedürftig. Erstens ist die d-/w-Position als spezifische Konstituente von S1 angesetzt, nämlich als Korrelat und nicht allgemeiner als d-Element Ein Korrelat kann, wie exemplarische Analysen verdeutlichen (cf. Redder 1987), allerdings bereits als eine operative Funktionalisierung gelten. Darzustellen wäre also auch die Genese des Korrelats aus der einfachen Deixis in S. Möglicherweise eignet sich dazu theorieäntern die Annahme der Bewegung einer pro-Konstituente nach S'. Lenerz setzt diese Analyse bereits voraus. Zweitens dürfte noch nicht abschließend geklärt sein, was eine Identifizierung von COMP und d-/w-Konsrituente syntaktisch heißt. Lenerz sieht in seinen Diagrammen für Links-Ausklammerung oder Relativsatz keinerlei Modifikation in der Konstituentenhierarchie oberhalb von S' vor. Der syntaktisch differente Status einer Links-Ausklammerung gegenüber der Bezugs-NP einer Relativkonstruktion im "Matrixsatz" ist nach meiner Auffassung in der X-bar-Struktur anzuzeigen. Beim Relativsatz müßte statt XI eine NP angesetzt werden; die hauptsächliche VP ist dann keineswegs glei-
167
chermaßen in S: angesiedelt wie bei der Links-Ausklammerung, was die Diagramme bei Lenerz suggerieren. Des weiteren ist - abgesehen von der Durchbrechung des prinzipiell binären Strukturaufbaus bei S' - offenbar die Konzeption der topologischen Felder in die Konstituentenhierarchie der X-bar Theorie projiziert Meines Wissens ist das nicht so einfach und umstandslos möglich, da die X-bar Theorie unabhängig von Positionsmarkierungen konzipiert ist.43 Das Hauptproblem bei der Rekonstruktion von Lenerz dürfte jedoch in der syntaktisch wie kategorial noch unzureichend präzisierten Kategorie COMP zu bestehen. "Komplement" ist einmal als ein Begriff aus der Valenzgrammatik vertraut, wo er Ergänzungen des Verbs nicht aus der funktional-semantischen Perspektive - dabei sind die "Argumente" des Verbs von Belang -, sondern aus der syntaktischen Perspektive betrifft. Insbesondere geht es um satzförrnige Verbergänzungen, nämlich die Inhaltssätze als "Komplementsätze", sowie um die sogenannten "indirekten Fragesätze" in dieser Funktion, Genuin ist der Begriff aus der einfachen Mengenlehre bekannt, wo er die zu einer identifizierten Teilmenge ergänzende Menge mit Bezug auf die Gesamtmenge meint; notwendige Voraussetzung ist eine Zweiteilung der Gesamtmenge, Lediglich das Moment der Vervollständigung zu einem Ganzen ist bei der Metaphorisierung in der valenziellen Syntax aufgegriffen; in der binär konzipierten generativen Syntax kann "Komplement" demgegenüber unmittelbar mengentheoretisch verstanden werden. Es ist dann die kategorial irrelevante Ergänzung, der "Schwester"-Knoten, des kategorial relevanten "Kopf-Knotens zum übergeordneten "Mutter"-Knoten als der Gesamtmenge gemeint. Terminologisch wird auch von "specifier" des "heads" gesprochen. Wir haben demnach in der TG eine strukturbedingte Kategorie vor uns, die eine grammatische Relation bezeichnet. Die Frage in der Syntaxtheorie lautet denn auch sehr breit, welche Typen von "complementation" es gibt. Besonders Bresnan hat in ihrer Dissertation Typen von Komplementen logisch-funktional herausgearbeitet (vgl, Bresnan 1970; 1982 im Rahmen von LFG); Ransom beginnt ihre Monographie mit der Aussage: "Complement constructions are as intricate and varied as the patterns on a Persian tapestry" (1986,1). Strukturformen, die solche Relationen eingehen, sind jedoch von Konstituenten zu scheiden, die solche Relationen herstellen: Das sind die sogenannten "complementizer" {"Komplementierer"), abgekürzt COMP, Sie machen Konstituenten dazu fähig, Ergänzungen zu sich zu nehmen (vgl. die Konzeption von Korrelaten als Valenzerweiterer bei Fries 1985), und umgekehrt können sie Konstituenten zu Ergänzungen machen. Zugleich präsentiert COMP den strukturell erforderlichen Schwester-Knoten in der Phrasenstruktur. 43
Einen kritischen Vergleich von X-bar* und Feldkonzept unternimmt Olsen (1982). Grewendorf, Hamm, Stemefeld {1987, 7.1/7,2) zeigen ebenfalls die Differenzen und Zusammenhänge des "topologischetV' und des "generaiiven Modells" auf.
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Lexikalisierte complementizer sind nach der am Englischen orientierten generativen Theorie die subordinierenden Konjunktionen, Die Besetzung von COMP durch "Anschlußwörter" im Sinne Brinkmanns ("ProAdverbien" im Sinne der Grundzüge) oder auch durch das finite Verb im Hauptsatz, wie bei Lenerz, macht deutlich, daß COMP zugleich als Positionskategorie verstanden wird. Mithin fällt unter COMP mehreres zusammen: Konstituentenkategorie, Relationskategorie bzw. Angabe einer syntaktischen Relation, Positionskategorie und grammatische Kategorie (i. e. S., Wortarten entsprechend). Das ist unbefriedigend. Zudem ist es keineswegs eine einhellige Meinung, daß - nicht zuletzt im Deutschen - nur eine einzige Strukturbeschreibung gleichermaßen für Haupt- und Nebensätze anzunehmen ist, daß also sowohl der Haupt- als auch der Nebensatz durch COMP eingeleitet wird. Reis (1985) macht demgegenüber gerade die Differenz der beiden Satztypen im Deutschen geltend und sieht nur für Nebensätze COMP vor. Valenzgrammatisch ist es nicht sinnvoll, alle Nebensätze als Komplementsätze aufzufassen, was man durch COMP als grammatische Kategorie für "Konjunktionen" jedoch suggeriert. Eisenberg geht auf die Differenz ausführlich ein und trifft eine Unterscheidung zwischen Ergänzungssatz-Subjunktionen "ESUB" und AdverbialsatzSubjunktionen "ASUB" innerhalb der Paradigmenkategorie "SUB" (=subordinierende Konjunktionen) (1986,347). 'da' gehört demnach zu ASUB. Freilich geht daraus nicht mehr die "pronominale", deiktische Qualität bzw. deiktische Herkunft hervor, die Lenerz durch die Um interpretation von d-/w-Position zu COMP noch erkennen läßt. Seine Uminterpretation bedingt jedoch zugleich eine Satzgrenzenüberschreitung, welche er zuvor an anderen Konzeptionen der Relativsatzgenese kritisiert. Dadurch, daß Lenerz die d-/w-Konstituente von vorneherein unter S' ansiedelt, fällt dieser Schritt nicht ins Auge. Des weiteren ist die Problematik eines movements von nicht-wh-Elementen bei ihm nicht sehr ausführlich diskutiert. Aus diesem Grund wird jedoch z. B. für das englische Relativum - genauer: für den Relativsatzkomplementierer und nicht das Relativpronomen*44 - 'that' eine komplizierte Genese unterstellt, dergemäß zwangsläufig - Lenerz erwähnt die Möglichkeit nur stützend - zunächst ein wh-Element nach COMP bewegt und das nicht-wh-Element adjungiert wird; das wh-Element unterliegt sodann einer Tilgung (cf, Radford 1981, 2590. Theorieintern wie auch aus allgemeinen, syntaktischen und semantischen Gründen überzeugt die Darstellung von Lenerz also noch nicht ganz, wenngleich die Verschiebung und Uminterpretation im Sinne einer kategorialen Veränderung zweifellos interessante Vorschläge darstellen. Die Weiterentwicklung von G B in den "Barriers" (1986) enthält nun besonders eine Spezifikation der sogenannten "zero-categories" wie COMP. Chomsky unterwirft auch sie den X-bar-Strukturregeln-, Demnach sind C" (bzw. CP), C und C vorgesehen; gleiches wird für das ehemalige Merkmal - eine "Einheitenkategorie" im Sinne 44
Vgl. von Stechow & Sternefeld (1988,385).
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von Eisenberg (1986) - INFL ("inflection") vorgenommen. Somit stellen sowohl C als auch I den "head" einer Struktur dar. Paraoperatives 'da1 muß danach als C aufgefaßt werden, Anschlußwörter oder Korrelate müßten nach meiner Auffassung strukturell übergeordnet sein. Das führt mich zu folgender These: Anschlußwörter sind als C" und Korrelate sind als C' zu generieren. Die neueren, nach der Arbeit von Lenerz publizierten Entwicklungen von REST sind in den Einführungswerken nur allgemein aufgegriffen, nicht jedoch für unsere Fragestellung im einzelnen ausgeführt. Ich kann deshalb nur die einschlägigen Darstellungen referieren, wie sie für Relativsätze geboten werden. Ziel ist es, einen prinzipiellen Vergleich mit meinen syntaktischen Vorschlägen zu ermöglichen. Die Konjunktionalsätze erfahren keine differenzierte Ableitung. So dürfte beispielsweise der Strukturbaum für einen 'weü'-Satz, den Grewendorf, Hamm, Sternefeld präsentieren, gleichermaßen für 'da' anzunehmen sein:
weil
Diagramm 12: Abbildung (142) aus: Grewendorf et al. 1987, 238
Ein gesamtes Satzgefüge stellt sich bei den Autoren - am Beispiel eines Temporalsatzes - folgendermaßen dar:
170
bevor
Otto l or
*
wieder laufen konnte
wollte
er i Otto J
schon aus dem Krankenhaus
Diagramm 13; Abbildung (121) aus: Grewendorf et al. ebd., 231
Von Stechow & Sternefeld (1988) diskutieren COMP am ausführlichsten. Gemäß der "Revision der Satzstruktur" in den "Barriers" ergibt sich: [CPCOMP [ I p NP[ r INFLVP]]]. "Die Kategorie COMP wird, genau wie die anderen Kategorien dem X'-Schema unterworfen. Demnach hat COMP einen Kopf, ein "Komplement" und einen Spezifikator. Mit anderen Worten, CP hat die Feinstruktur (2): [cp SpecC [ C C IP]]. Diese Struktur wirft eine Reihe von neuen Fragen auf, zum Beispiel die, wie hergeleitet werden kann, daß im deutschen "Nebensatz" höchstens eine der beiden COMPPositionen SpecC oder C besetzt ist." (ebd., 350) Im Unterschied zur Darstellung in GB ist also nicht mehr INFL, sondern COMP oberster Knoten unterhalb von S oder - falls COMP lediglich für Nebensätze angenommen wird - von S'. Es erhebt sich damit erneut die Frage, ob S oder COMP der Kopf von S1 ist. Von Stechow und Sternefeld beziehen innerhalb des Buches unterschiedliche Positionen bei der Darstellung von Einzelfragen (vgl. Kap. 4.3, 10, 11). Schließlich vertreten sie jedoch die Ansicht, daß S' eine Projektion von COMP ist (ebd., 350 und 376). Sie diskutieren dann die Bedingungen für deutsche Relativsätze in der Weise, daß auf jeden Fall eine Position von CP, nämlich SpecC oder C, besetzt sein muß und zwar genau eine (- das bedeutet die Einführung des Doppel-COMPFilters); des weiteren muß in S' die Besetzung von CP in irgendeiner Weise "sichtbar" sein (ebd., 384), Das deutsche Relativpronomen wird zu SpecC bewegt, C selbst bleibt unbesetzt. Das "System der deutschen Kornplementierer in einer Synopse" sieht danach folgendermaßen aus (ebd., 385):
+T -T
+WH ob/E
-WH
daß/E 0
171
T=TempusmerkmaI, E=Ieere C-Position, 0 "ist ein leeres Morphem, das aber in der Syntax gesehen wird ... Im Bairischen kann E nach Wft-Elementen als daß realisiert werden, nach Relativphrasen als wo." (ebd.) Das Bairische genügt demnach dem Filter nicht unbedingt. Wie ist auf diesem Hintergrund relativisches 'da' darzustellen? Es dürfte nicht einfach als C anzusehen sein, jedoch ebensowenig bloß als SpecC. Vielmehr müßte die deiktische Qualität in diesem theoretischen Rahmen als ein Merkmal erfaßt werden, wie es sich wohl hinter den morphologisch orientierten Zeichen "wh" oder "d" gewöhnlich - implizit - verbirgt. Eine genauere Merkmalskennzeichnung müßte die lokale oder temporale deiktische Qualität spezifizieren. Danach wäre SpecC = [d-] oder genauer; SpecC = [deikt i 0 k/ temp ]· Der Komplementierer wäre durch paraoperatives 'da' besetzt, also durch den Ausdruck in seiner operativen Funktionalisierung. Wenn man davon ausgeht, daß die C-Position eine operative Funktion des besetzenden Ausdrucks anzeigt, genügt die Darstellung C = 'da'. Somit wäre CP insgesamt folgendermaßen darzustellen:
CP
SpecC [ deikt
l
lok/temp
'da' Diagramm 14; 'da' in CP
Im Falle des Relativums ist CP dann Kokonstituente von N', dominiert von N". Diese Konstituentenposition zeigt dann zugleich an, daß COMP eine satzförmige Konstituente in einen Satzteil transformiert. Eine solche Transformation unterstützt nach meinem Verständnis die These von v. Stechow & Sternefeld, daß COMP der Kopf von S' ist. Das gilt m. E. gleichermaßen für sogenannte konjunktionale Nebensätze. Die Autoren präferieren die "Differenzthese", d. h. die Auffassung, daß Haupt- und Nebensätze differieren und nicht - gemäß der "Uniformitätsthese" - gleichermaßen durch eine einzige S-Struktur zu erfassen sind (ebd., Kap. 11.7). CP ist für paraoperatives 'da' genau wie beim Relativum zu bestimmen; unterschiedlich ist die Position in der Konstituentenstruktur. Vorfeld- und Nachfeldbesetzung müßten in der Phrasenstruktur entsprechend dargestellt werden. Mir ist momentan allerdings unklar, wie die Gesamtstruktur eines Satzgefüges auszusehen hätte, weil
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nach meiner Auffassung zumindest bei der Vorfeldbesetzung durch einen "Nebensatz" der - relativ dazu bestimmte - "Hauptsatz" von anderer Qualität ist als bei einer Nachfeldbesetzung: Er kann in jener Form nicht in gleicher Weise als "selbständige" sprachliche Formeinheit betrachtet werden wie in dieser. (Konsequenzen für die illokutive Qualität der jeweiligen Äußerung diskutiere ich in §3.3.3.2 ausführlich,) Eine Bestimmung dessen, was ein 'Satz1 ist, erweist sich als notwendige Voraussetzung für die Strukrurdarstellung. Möglicherweise kann die X-bar-Theorie insofern fruchtbar gemacht werden, als bei der Vorfeldbesetzung der "Hauptsatz" lediglich als S' zu bestimmen ist, während er bei der Nachfeldbesetzung auf der S"-Ebene angesiedelt ist - sofern es sich nicht um valenziell notwendige, nur an der Oberfläche "hinten" stehende Nebensätze handelt, also Komplementsätze im traditionellen Sinn. Der Nebensatz hat dann demgegenüber konstitutionell stets nur S-Qualität. Eine solche Zuordnung zu Strukturebenen würde allerdings mit einer Reihe von Prinzipien der X-bar-Theorie brechen. 3.2.7 Paraoperative Prozedur II - prädikative Operation der "Konjunktion" Wie bereits als Relativum (§3.2,4) ist 'da' auch als sogenannte Konjunktion (§3.2.5) zur Organisation von Sprache als Sprache im Verständigungshandeln zwischen Sprecher und Hörer, mithin zu Zwecken des Strukturausbaus der Sprache, funktionalisiert, 'da' macht auch bei dieser Bewegung in eine hierarchisch anders positionierte sprachliche Einheit hinein eine Feldiransposition durch und wird zum paraoperativen Ausdruck. Das Zusammenwirken von deiktischer Prozedur und Endstellung des finiten Verbs, also die Kombination von deiktischem und syntaktischem Ausdrucksmittel zu operativen Zwecken, ist offenkundig sehr weitgehend routinisiert, Diese Endstellung zwingt offenbar im Deutschen zur Einleitung durch einen sprachlichen Ausdruck, der allgemein verbindenden, verknüpfenden Charakter hat - wie immer diese Verknüpfung im einzelnen aussieht45. Es gibt keine derartigen Nebensätze ohne ein solches sprachliches Mittel. Dies Phänomen dürfte nicht zuletzt der Grund für die Positionsbestimmung der Verknüpfungselemente bei Engel sein: Sie gelten ihm als Mittel zur Besetzung des dem Finiturn korrespondierenden linken Klammerteils im Nebensatz (1988, 304f). Demgegenüber stellen Heibig & Busch a (1984, 566) heraus, daß bei konsequenter Verbbezogenheit des Klammer- oder Rahmengedankens Nebensätze eigentlich keinen Rahmen haben; die subordinierende Konjunktion steht vor dem "Glied l" - im Duden (1984, 718) entsprechend vor dem Vorfeld. "Trotzdem kann man auch hier von einem Rahmen sprechen, der nicht durch die verbalen Teile allein, sondern durch das Einleirungswort des Nebensatzes (Konjunktion, Pronomen oder Adverb) als rahmenöffnender Teil und die zum Prädikat gehörenden Satzglieder als rahmenschließende Teile entsteht." (ebd., 567) ^Brinkmann (1952) spricht leistungsbezogen vorn "Signalwort", das den Gliedsatz einleitet, Drach nennt es das "Rieh t wort des Gliedsatzes" (1940,30).
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In den Grundzügen wird die Felderaufteilung insgesamt modifiziert; ein "Satzfeld" repräsentiert die Erstreckung der Einheit 'Satz' nach der Form eines einfachen Aussagesatzes; Extra Positionen wie Voranstellung, Parenthese und Nachtrag stehen außerhalb. Innerhalb des Satzfeldes werden dann Vorfeld, Finitum und "Hauptfeld" geschieden (1981, 705f). Für Formen mit End- oder Spitzenstellung des Finitums heißt es dann: "In den anderen Stellungstypen geht das Vorfeld in das Hauptfeld mit ein, so daß das Satzfeld aus Finitum und Hauptfeld besteht" (ebd., 706); die subordinierende Konjunktion nimmt dementsprechend eine Position vor dem Hauptfeld ein, die nicht mehr in Tennen von Vorfeld oder Klammerteil zu fassen ist. Wie auch an dem Hinweis, daß ein Widerspruch zwischen struktureller Hierarchie und Reihenfolge sprachlicher Elemente im Satz auftreten kann, deutlich wird (ebd., 703) - was nach Eisenberg nicht zuletzt von der weitgehenden Irrelevanz der Topologie im Deutschen für die Strukturbildung und die Zuweisung syntaktischer Funktionen zeugt (1986, 302) -, durchmischen sich bei diesen Konzeptionen ständig Betrachtungen der sichtbaren Form und Betrachtungen von Leistungen für die sprachliche Verarbeitung des Rezipienten. Damit hat sich der gesamte topologische Feldgedanke weit von dem entfernt, was Drach im Rahmen der Sprechkunde bezweckt, indem er "Sprachgestalten" an "Sprechdenk-Funktionen" bindet (1940, 7) und so etwa das Vorfeld als "Ausdrucksstelle", das Nachfeld als "Eindrucksstelle" charakterisiert (ebd., 17f)46 und untersucht, welche Inhalte an diesen Positionen im "Aussage-Hauptsatz", bei dem "überall das Geschehen in Mittelstellung gesetzt wird" (ebd., 16), stehen können. Für den "Gliedsatz" hebt er die Einordnung eines "Sprechdenkaktes" in einen anderen hervor und qualifiziert die Konjunktionen als "Satzeinleirungen" an der Stelle des "Ausgangspols", die mit dem finiten Verb als Ausdruck des Geschehens im "Zielpol" eine "Klammer um den Satzinhalt" bilden (ebd., 29). "Die Gliedsatz-Konjunktionen dagegen (gegenüber Anschlußworten im Vorfeld wie 'nun', 'deshalb' etc.; A,R.) haben allerstärkste denkfunktionale Bedeutung: sie sind Richtweise, die dem weiteren Denken den Weg anzeigen." (ebd., 30) Ohne die stark ausdruckspsychologisch geprägte Sichtweise übernehmen zu wollen, scheinen mir die Überlegungen von Drach insofern bedenkenswert, als sie bestimmte Stellungen im Satz für spezifische inhaltliche Verarbeitungen auszeichnen. Im Rahmen der handlungstheoretischen Beschreibung dürften sich einheitlichere Bestimmungen durch operative Prozeduren geben lassen. Hier kann es nur um diejenigen Phänomene gehen, die mit Konjunktionen, speziell mit der subordinierenden Konjunktion 'da', zu tun haben. Der propositionale Gehalt des Nebensatzes mit einleitendem 'da' wird als Teügedanke einem vollständigen Gedanken "inseriert". Was heißt das grammatisch? Wie im Falle des "Relativsatzes" transformieren Verbletztstellung und intonatorische/graphische Segmentierung47 das satzförmig Verbalisierte in eine Sub-Prädikation. 'da' 46 Dementsprechend nennt auch der Duden das Vorfeld "Ausdrucksstellung" (1984,719). 47 In seiner Satzlehre betont Drach (1940) bereits die Stimmführung als syntaktisches Konstitu-
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wird für eine operative Prozedur verwendet, durch die eine Neufokussierung und lokalisierende Kategorisierung der gesamten - insofern zweifach operativ "eingeklammerten" - Sub-Prädikation geleistet wird. Sie betrifft aber nun keinen propositionalen Teilgehalf des übergeordneten Satzes, insbesondere kein (nominales) Argument der übergeordneten Prädikation. Insofern wird sie nicht zur Attribution transformiert. Vielmehr hat die Sub-Prädikation jetzt gewissermaßen als Substrat Anteil an der Entfaltung der übergeordneten Prädikation zur Aussage. Es bildet sich eine Prädikation höherer Stufe. (Dieser Status kommt in Kategorialgrammatiken deutlich zum Ausdruck.) Die spezifische Ausdrucksleistung des paraoperativen 'da' besteht darin, die Sub-Prädikation wiederum als "locatum" und nun die gesamte übergeordnete Aussage als "locandum" zu kategorisieren, so daß eine Kopplung erfolgen kann. Eine Kategorisierungsleistung ist für Konjunktionalsätze allgemein geläufig. Sie findet sich in der Form semantischer Subklassifizierungen in den Grammatiken. Boettcher & Sitta (1972) weisen nachdrücklich auf die analytische Differenz zwischen "kategorialem Wert" und "Strukturtyp" hin und bestimmen im einzelnen die möglichen Verhältnisse zueinander. Kritisch verhalten sie sich zu der traditionellen Sichtweise, daß der kategoriale Wert jeweils vom Nebensatz her - als dessen Anschlußwert - zu bestimmen ist und insofern parallel zur syntaktischen Subordinationsbeziehung verläuft; demgegenüber scheiden sie syntaktische Hierarchie, die an die Fmitumstellung als einziges Kriterium zu binden ist und von da her Haupt- und Nebensatz ("H-Setzung/N-Setzung") bestimmt, von semantischer "Dominanz" und "Dependenz", die den Ausgangspunkt des kategorialen Wertes vom syntaktischen Status unabhängig macht und ihn stets bei der semantisch dependenten Setzung ansiedelt (ebd., 44ff). Auf diesem Hintergund können dann Parallelität und Oppositionalität von syntaktischer und semantischer Dominanz (in Strukturtypen A versus B), positionsbezogene Dominanz (in Strukturtypen D und E) sowie differente semantische Dominanz je nach dem Kriterium der "Elementgemeinsamkeit'1 oder nicht (Strukturtyp C) herausgearbeitet werden4^. Wir haben es hier mit dem einfachen Fall des Strukturtyps A zu tun. Wie funktioniert die ins Operative transponierte deiktische Verweiskraft hierbei im einzelnen? Katadeiktisch verweist 'da' im Rede- rsp. Textraum, indem das Verweisobjekt als propositionaler Gehalt des Nebensatzes verbalisiert wird. Das bedeutet: Das lokale Verweisobjekt wird "gezeigt" und sogleich sprachlich expliziert. Darüber hinaus reicht die katadeiktische Kraft bei Vorfeld position bis in den übergeordneten tionsmittel und prägt die Metapher der "Spannung" für die intonatorisch sowie morphosy n taktisch konstituierte Klammerung (vgl. dann Glinz 1952). In den Grundzügen (1981) sind die phonologischen Mittel momentan grammatisch am ausführt ich s ten beschrieben. 48 Charakteristische Beispiele der Strukturtypen sind für A: Da er völlig erschöpft war, blieb er daheim; für B: Er war völlig erschöpft, weswegen er daheim blieb; für C: Er war völlig erschöpft; deswegen blieb er daheim; für D: Er blieb daheim, denn er war völlig erschöpft; für E: Er blieb daheim, er war völlig erschöpft (cf. Boettcher & Sitta 1972, 34-43)
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Satz hinein. Die Neufokussierung der hörerseitigen Aufmerksamkeit auf ein lokales Verweisobjekt bleibt über die Nebensatzgrenze hinweg noch so weit erhalten, daß die Sub-Prädikation lokalisierend in der Gesamtaussage wirksam werden kann. Freilich wird sie nicht in der komplex ausgeführten Form ihrerseits neu fokussiert. Dies geschieht in "redundanten", archaisierenden bzw. umgangssprachlichen Äußerungen vermöge deiktischer Ausdrücke wie 'da' oder 'so' als sogenannte Korrelate49 in der Erstposition. Der Nebensatz gilt in solchen Fällen intensiver Hörersteuerung syntaktisch als linksversetzt. Ohne derartige Korrelate ist es in der Vordersatzstellung mithin die syntaktische Position, die die Einfügung in die Gesamtaussage und somit das Wirksamwerden des Lokalisierten in der Gesamtaussage leistet, weniger das paraoperative 'da'. Dies ist anders beim Nachsatz. Dann fehlt eine deutliche syntaktische Insertion. Vielmehr liegt - in der Terminologie von Dik (1981) - ein "tail" oder "afterthougt" (vgl, den "Nachtrag" bei Drach 1940, 33} vor, ein Umstand, der die Prozesse modifiziert. Allein durch das paraoperativ erhaltene Vermögen von 'da', katadeiktisch auf die Sub-Prädikation und zugleich anadeiktisch auf die übergeordnete Aussage verweisen zu können, werden dann beide vermittelt. Das hat diskursive Konsequenzen, auf die vor allern Harweg (1972) hinweist. Im empirischen Teil wird darauf zurückzukommen sein. Wie verhält sich diese komplexe Verständigungsprozedur zu einfachem Lokalverweis? Betrachten wir die charakteristische Vorfeldposition ausführlicher. 3.2.8 Funktional-etymologische Analyse Die bisher entwickelte funktional-grammatische Untersuchung soll in diesem Paragraphen bis zu einer ersten, theoretischen Bedeutungsbestimmung von 'da' beim sprachlichen Handeln geführt werden, die dann im empirischen Teil (§3.3) konkretisiert und präzisiert wird. Zunächst werde ich die systematische Ableitung der Funktionalisierung des Ausdrucksmittels, die sich bei der Syntaxanalyse rekonstruieren ließ (s. o. §§3.2.2, 3.2.4, 3.2.7), nunmehr exemplarisch-konkret in den einzelnen Schritten nachvollziehen, sodann die Bedeutung von paraoperativem 'da' formulieren, soweit die grammatische Analyse dies erlaubt, und schließlich die Bedeutung bei nachgestelltem "Kausalsatz" betrachten.
49
Für das Frühneuhochdeutsche hat jüngst Thim-Mabrey (1987) eine Untersuchung des Korrelats 'so' vorgelegt; Fabricius-Hansen (1981) diskutiert Korrelate zu verschiedenen Nebensatztypen, auch den Angabesätzen.
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3,2,8.1 Exemplarische Ableitung des paraoperativen 'da' Ich will versuchen, die Funktionsweise der subordinierenden "Konjunktion" 'da' im einzelnen abzuleiten. Dies erfordert mehr als die Betrachtung von Einzelsatzbeispielen. Deshalb bediene ich mich eines kleinen Tricks und diskutiere eine Mini-Geschichte in formalen Abwandlungen^0. (B 19)
(B 20)
(B 21)
(B 22)
(B 23)
Der kleine Junge Er spazierte durch die Straßen, Er guckte nach oben. Er verlor sein Gleichgewicht, Er fiel hin. Der kleine Junge Er spazierte durch die Straßen. Er guckte nach oben. Da verlor er sein Gleichgewicht (, jund/itnd da) fiel (#/#/er) hin. Der kleine Junge Er spazierte durch die Straßen. Da er nach oben guckte, verlor er sein Gleichgewicht und fiel hin. Der kleine Junge Er spazierte durch die Straßen, In dem Moment, da er nach oben guckte, verlor er sein Gleichgewicht und fiel hin. Der kleine Junge Er spazierte durch die Straßen und guckte nach oben. In dem Moment, da verlor er sein Gleichgewicht und fiel hin.
In (B19) ist die simpelste Form einer Erzählung gewählt, nämlich die schlichte Reihung von Einzelsätzen,51 Die Herstellung eines Zusammenhangs wird - bis auf die Fokuskontinuierung für den Protagonisten durch die Phorik 'er' - insgesamt dem Hörer angelastet. Sie geht nicht in die Verbalisierung ein. Die Überschrift macht typographisch deutlich, daß es sich um eine thematisch zusammenhängende Liste von Aussagen und nicht urn isolierte Einzelaussagen handelt. Diese rudimentäre Form ist nur als bestimmter "Stil"52 für Erzählungen funktional. Nur scheinbar ist er dem simplen alltäglichen Erzählen angenähert, wie empirische Beobachtungen oder ein Blick auf ontogenetisch frühe Formen leicht zeigen können. Vorausgesetzt ist nämlich eine unverbundene, fragmentarisierte Wahrnehmung, wie sie derart eher kunstvoll auszuführen ist.^
5® Der Ausdruck, um den es hier geht, ist jeweils fett gedruckt. Kursiv erscheinen sprachliche Konsequenzen der Abwandlungen mit Blick auf die operativen Prozeduren, die die Kohärenz im Sinne der Textlinguistik auf der Ausdrucksebene sichern, also Mittel der Kohäsion. 51 a. Labov & WaJetzky (1973). 52 Zu einem pragmatischen Stilbegriff cf. Rehbein (1983), Sandig (1986). 53 So z. B. bei Wondratschek; vgl. dazu Brandstetter (1976).
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Beispiel (B20) illustriert einen ersten Schritt hin zur verbalen Strukturierung dessen, was der Hörer in seinem Wissen inhaltlich mitvollzieht. Die Erzählung wird bis zu einem bestimmten Punkt in einfacher Reihung entwickelt; der Hörer baut einen entsprechenden Vorstellungsraum auf. Dann ändert sich die grammatische Ausdrucksform erheblich: Im Vorfeld (an Erststelle) wird nicht mehr die phorische Prozedur zwecks Fokuskontinuierung gewählt, sondern die lokale Deixis 'da'; dies ist zugleich mit einer Koordination des folgenden Geschehens verknüpft. Als Adverbial bzw. Anschlußwort im Sinne von Brinkmann entfaltet 'da' seine katadeiktische Verweiskraft und fokussiert die Aufmerksamkeit des Hörers neu. Der "Anschluß" bleibt durch die gleichzeitige anadeiktische Kraft gewahrt: 'da* fungiert als Scharnierstelle beim Fokussieren im Vorstellungsraum. Ehlich (1985) analysiert entsprechende Verwendungen bei Eichendorff; Die Leistung besteht in einer schlagartigen Versetzung des Hörers von einer in eine andere Szene; dadurch wird eine diskursive Zäsur - denn mit Blick auf die Hörererwartungen über den Fortgang der Erzählung handelt es sich um die Darstellung zweier Oppositionsglieder - deiktisch bearbeitet und zugleich die Synchronizität des neu Präsentierten mit dem bereits Bekannten zum Ausdruck gebracht.54 Mithin kommt die deiktische Prozedur als zeitlich-punktuelle Lokalisierung der Höreraufmerksamkeit im Vorstellungsraum zur Geltung, "Indem dem Leser die Opposition gezeigt wird, wird sie ihm zugleich wieder hinweggenommen." (Ehlich 1985, 256) Dieses Verfahren, vermittelt durch 'da' als "Medium der Präsentation" (ebd.), prädestiniert den Ausdruck zur Verwendung an darstellerischen Umschlagpunkten, besonders am erzählerischen Höhepunkt.^ Schlagartige deiktische Neufokussierung durch 1da" bedeutet eine schlagartige, zugespitzte Aufrnerksamkeitsorientierung auf den fokussalen Brennpunkt. Ein anderer Teil dieser wissenschaftlichen Metapher des "Fokus" oder der "Fokussierung" wird sowohl bei Rehbein (1977) als auch in Kallmeyers konversationsanalytischer Bestimmung von Fokussierungen (1978) benutzt, nämlich das Spektrum dessen, was in den Lichtkegel tritt. EhJtchs Fokusbegriff bei der Analyse von Deixeis ist also wesentlich enger, pointierter; nur insofern kann er für die wesentliche Bestimmung dieser Ausdrucksgruppe erklärend werden. Die außer54
Mithilfe dieser sprachpsychologischen Erklärung dürfte auch die von Boettcher & Sitta (1972, 83f) konstatierte Besonderheit erfaßt werden können, daß 'da' in einem Strukturtyp C einen restriktiven, temporalen 'als1-Satz ersetzen kann, dann allerdings, im Gegensatz zu den Verhältnissen bei Elementgerneinsamkeit, diese Zweitsetzung dominant ist; die Autoren führen dies auf nunmehr fehlende Elementgemeinsamkeit zurück. Vermöge seiner deik tischen Qualität muß 'da' nicht, wie erwartet wird, in irgendeiner Weise im Text- oder Rederaum anadeiktisch auf einen temporalen propositionalen Teilgehalt verweisen und dann - im Sinne der Elementgemeinsamkeit - durch 'als' substituierbar sein. 55 Rehbein (1987) hat im Rahmen empirischer Analysen von türkischen Deutschsprechern deren Verwendung von 'da' als "multiple formula" mit dem Zweck eines Fokusschwenks charakterisiert. Allein der Zäsurcharakter, nicht jedoch seine mentale Bearbeitung, wäre im Blick, wenn 'da' in derartigen Verwendungen als Gliederungssignal im Sinne von Güüch (1970) bestimmt würde.
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ordentliche Breite des Fokusbegriffs, den Kallmeyer in Anlehnung an Pike verwendet, entfaltet er in seiner Untersuchung anhand unterschiedlicher Handlungs-, Ausdrucks- und grammatischer Formen sowie schemadifferenter Funktionszusammenhänge als konstitutionelle Aktivität der Interaktanten in der einzelnen Interaktion. "Fokuswechsel bedeuten eine Veränderung der Aufmerksamkeitsausrichtung, wenn auch häufig nur eine partielle Änderung" lautet dementsprechend seine Bestimmung (ebd., 214), Rehbein (1977) begreift mit seinem Fokusbegriff zwar nicht die elementare Aufmerksamkeitsorientiening bei jeglichem Handeln, sondern spezifische Prozesse des verändernden Eingreifens - etwa beim Warnen -, bleibt damit für unsere Analyse der spezifisch deiktischen Lebtungen jedoch ebenfalls mit dem breiter angesetzten Metaphernteil des Lichtkegels zu unspezifisch. Wenn ich im folgenden von Fokussierungen spreche, beziehe ich mich auf den Fokus als Brennpunkt, wie Ehlich ihn für die Deixis-Analyse kategorial verwendet. Das deiktische Objekt ist dementsprechend das, was diesen Brennpunkt ausmacht - beispielsweise eine Szene in der Erzählung. Derartige Fokussiertheit ist also durchaus unabhängig von der "Ausdehnung" des deiktischen Objekts.
In der Erzählfassung (B21) ist, verglichen mit den beiden vorigen Fassungen, das 'da' in ein vorausgehendes Erzählelement "vorgezogen", während die anderen Erzählelemente - ohne verbale Fokuskontinuierung des Protagonisten - als koordinierte Einheit folgen. Die - handlungstheoretisch gefaßte - Vorgeschichte für die durch 'da' neufokussierte Geschichte ist reduzierter. Unterstellt man nach Art generativer Grammatiken die einfache Reihung von Sätzen, wie (B19) sie repräsentiert, als die Basisstruktur - erst mit der Ausbildung der X-bar Theorie geraten allerdings 'Texte' im Sinne von übersatzmäßigen, S-dominierenden Einheiten tendenziell überhaupt in den Blick -, so muß die Veränderung bei der Verwendung von 'da' als ein "movement" im Sinne von GB bestimmt werden56. Syntaktisch leitet 'da' jetzt einen Nebensatz ein, der seinerseits die Vorfeldposition im Hauptsatz ausfüllt, 'da' ist also/ aus der Perspektive einer syntaktischen Ableitung, nicht nur an die Spitzenposition des zweiten Satzes in der Erzählung vorgerückt, sondern bildet die Einleitung eines Nebensatzes. Prozedural schlüsselt sich die syntaktische Konstruktion folgendermaßen auf. Die Endstellung des finiten Verbs äst eine operative Prozedur, die einen Satz in einen Satzteil, semantisch in eine Prädikafion, transformiert und dadurch die propositionale Verarbeitung des Hörers entsprechend steuert, 'da" ist genuin eine deiktische Prozedur, die die Höreraufmerksamkeit auf ein lokales oder auch temporales Verweisobjekt neu orientiert. Die Spitzenposition in einem Nebensatz, also in einer operativ hergestellten, satzförmigen Prädikation, dient der Kopplung der propositionalen Teilgehalte, d. h. ihrer Ausrichtung auf eine gemeinsame propositionale Dimension, auf eine propositionale Einheit - den propositionalen Akt - hin,57 Insbesondere 56
Die Veränderungen an den anderen Erzählelementen sind durch Koordination zu beschreiben, die allerdings im Rahmen der Standardtheorie die bekannten Darstellungsprobleme bereitet (cf. Kohrt 1976; Thümmel 1979a).
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ist die operative Prozedur an dieser Strukturstelie, der linken Satzklammer, generell, wie wir nun im Verhältnis auch zürn Relativum sagen können, von kategorisierender Qualität, d. h, sie dient der Spezifikation der Kategorie, unter der diese Kopplung zu vollziehen ist. Wird 'da' zu dieser operativen Funktion eingesetzt, so fungiert es ganz analog dem oben (§3.2.4) dargestellten relativen Fall und fokussiert die beiden propositionalen Teile als locatum und locandum neu. Die Grenze des Fokussierten bestimmt sich durch andere operative Prozeduren, speziell durch Verbendstellung und Nebensatzposition im Hauptsatz. Die funktionale Etymologie zeigt, daß 'da' auch in dieser Konstellation - unter Wahrung deiktischer Qualität - der Bearbeitung des sprachlichen Geschehens, genauer: dem prozeduralen Strukturausbau eines propositionalen Aktes, dient. Als subordinierende Konjunktion gehört 'da' mithin dem operativen Feld zu; es ist paraoperativ. Welcher Unterschied ergibt sich für das Verstehen des Gedankens im Haupt- und Nebensatz bei (B21) verglichen mit der deiktischen Bearbeitung einer Zäsur in (B20)? Die vergleichende Betrachtung erfordert zuvor eine methodische Bemerkung, um Mißverständnissen vorzubeugen. Diese Frage geht über eine syntaktische Ableitung hinaus, und zwar insofern, als nicht unterstellt wird, daß die semantische Bestimmung der Subjunktion 'da' Schritt für Schritt die syntaktischen Veränderungen im Sinne eines l ^-Verhältnisses mitzumachen hat. Das bedeutet, es wird keineswegs unterstellt, daß eine Verwendung wie in (B21) auf eine solche wie in (B2Ö) zurückzuführen ist. Der Sprecher konstruiert nicht zunächst die Äußerungsform mit einfacher Deixis und transformiert sie dann in eine Form mit paraoperativer Verwendung. Eine solche Vorstellung würde die Routinisierung, die der Funktionalisierung der Deixis für operative Zwecke zugrunde Hegt, unterschätzen - und damit das Verfahren der funktional etymologischen Rekonstruktion verfehlen. Die Darstellung der verschiedenen Erzählversionen simuliert nicht Wege oder Schritte der verbalen Planung, sie dient vielmehr dazu, die Rekonstruktion der Funktionalisierung von 'da' konkret zu machen. Dabei baue ich auf Einsichten auf, die ich in den vorangegangenen Abschnitten über die prozedurale Bedeutung sowohl der Deixis als auch des Relativums und über die beteiligten syntaktischen Ausdrucksmittel vermittelt habe. Die Bedeutungsbestimmung der sogenannten kausalen Konjunktion 'da' kann also an dieser Stelle nur so weit geleistet werden, wie dies von der Formseite her möglich ist. Sie wird ihre notwendige Präzisierung durch die diskursiven, empirischen Analysen erfahren.
In EB2Ö), dem Fall der einfachen Deixis, erfolgt, wie wir sagten, eine Neufokussierung im Vorstellungsraum; sie rückt schlagartig eine neue Szene in den Bereich der Aufmerksamkeit, zeigt sie und nimmt sie wieder hinweg. In (B21), der Erzählversion mit paraoperativem 'da', wird die Hauptszene, um die es geht, erst im Hauptsatz, durch die übergeordnete Prädikation, dargestellt. Dies Verhältnis gilt generell, aus syntaktischen, nicht aus semantischen Gründen, wie die Erzählversionen nahelegen könn5
- E s kann an dieser Stelle nicht auf das enge Wechsel Verhältnis zwischen propositionalem und illokutivem Akt eingegangen werden. Dazu sind eigene Studien erforderlich (s. u. §3.3).
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ten. Wird diese Szene dadurch weniger schlagartig zur Darstellung gebracht? Ich meine ja, nämlich aus zwei Gründen. Erstens steht der Nebensatz in (B21) in Vordersatzposition, er nimmt also das Vorfeld des Hauptsatzes ein. Dadurch ist sein propositionaler Gehalt ein integraler Bestandteil des propositionalen Gehaltes des Hauptsatzes, dessen verbale Ausführung ein Hörer aufgrund grammatischer Mitkonstruktion erwarten kann. Er ist beim Verstehen der Sub-Pradikation, wie oben in operativen Begriffen ausgeführt, auf eine Kopplung an eine andere Prädikarion orientiert. Zweitens ist der einleitende Ausdruck eine Deixis. Die syntaktische Position der Sub-Prädikation im Verhältnis zur Prädikation bewirkt, daß die Deixis diese Kopplung kraft ihrer Fokussierungsleistung vornimmt Die katadeiktische Verweiskraft wird syntaktisch, positionell bedingt, prolongiert. Auf diese Weise orientiert der Sprecher die hörerseitige Aufmerksamkeit über die Sub-Prädikation hinweg auch neu auf die Prädikation, Wie bei der Relativierung durch 'da' werden bei der Kopplung die propositionalen Teile kategorisiert Die Sub-Prädikation ist das neufokussierte locatum, während die Prädikation das locandum darstellt. Der Fokusschwenk von der Vorgeschichte der Gesamtäußerung, in (B21) also vorn propositionalen Gehalt der erzählerischen Exposition, ist durch diese Art der propositionalen Kopplung nicht mehr unvermittelt und bloß gezeigt, wie in (B2Ö). Vielmehr ist er gewissermaßen retardiert, retardiert durch die Sub-Prädikation. Die Bearbeitung des Übergangs vom einen, zuvor kommunizierten Gedanken, zum anderen, dem Haupt-Gedanken, erfolgt mithin sprachlich vermittelt. Das wird besonders deutlich, wenn man den Zwischenschritt einmal probeweise tilgt: (B 20') Der kleine Junge Er spazierte durch die Straßen, Da verlor er sein Gleichgewicht und fiel hin. Im Vergleich zu (E21) fehlt die Sub-Prädikation; 'da' fungiert als einfache Deixis analog zu (B20), allerdings bereits im Anschluß an die erste Äußerung, erzähltechnisch also im Anschluß an die Exposition. Die Opposition zwischen erwartbarem Fortgang und faktischer Fortführung ist hier derart groß, daß sie meines Erachtens nicht einfach nur durch diese deiktische Prozedur bearbeitet werden kann. Der Eindruck eines kaum nachvollziehbaren Szenenschnitts steigert sich zum Defizit, zur Lücke. Dem kann gegengesteuert werden, wenn der scharfe Kontrast als solcher expliziert wird, beispielsweise durch Insertion von 'plötzlich', etwa nach dem phorischen Ausdruck: (B 20") Er spazierte durch die Straßen. Da verlor er plötzlich sein Gleichgewicht und fiel hin. Auf der Basis der funktional-etymologischen Analyse und dem diskutierten Verhältnis von (B21, 20', 20") lassen sich nun allgemeine Aussagen über die prozedurale Leistung von paraoperativem 'da' beim sprachlichen Handeln formulieren. 3.2,8.2 Prozedurale Leistung von paraoperativem 'da'
Ich habe gesagt, daß bei der routinisierten Funktionalisierung von 'da' für das operative Feld der Verweis stets im Rede- oder Textraum erfolgt; das Verweisobjekt
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ist die Sub-Prädikation. Zu welchem Zweck? Warum nimmt der Sprecher eine derart komplexe propositionale Strukturierung und somit auch komplexe Strukturierung des Verstehens vor? Bezieht man die Frage zunächst auf den Zusammenhang des Erzählens, wie ich ihn hier illustriert habe, ergibt sich ein funktionaler Zusammenhang mit - zumindest potentiellen - Lücken im Vorstellungsraum des Hörers, die nicht mit einfachem deiktischem Verweis bearbeitet werden können. Wenn der Sprecher (Erzähler) nicht davon ausgehen kann, daß der Hörer anhand der bisherigen Geschichte im Vorstellungsraum über eine hinreichende Ausgangsbasis für eine szenische Zäsur verfügt, d. h. für eine schlagartige Umfokussierung auf einen synchronen, jedoch unerwarteten Sachverhalt/ versucht er, diesen Schwenk zu retardieren und ihn sukzessive vorzunehmen. Dazu kann er deiktisch verweisen und das Verweisobjekt verbalisieren, also in den Rede- oder Textraum bringen. Erst daran gekoppelt wird er dann das eigentlich Neue sprachlich kommunizieren. Einen derartig sukzessiven Fokusschwenk vermögen genau solche Prozeduren zu leisten, wie sie für paraoperatives 'da' bestimmt wurden. So legt der Sprecher im Verständigungshandeln mit dem Hörer die notwendige Basis für eine Neufokussierung von andernfalls kaum nachvollziehbarem Neuem, Eine Erklärung für die Funktionalität kann auch stärker beim Sprecher und seinen Plänen für die sprachliche Darstellung ansetzen. Der sukzessive Fokusschwenk ist dann Ausdruck für bestimmte Formen der verbalen Planung. Diese Herleirung aus der deiktischen und somit spezifisch prozeduralen Qualität von paraoperativem 'da' stimmt im Ergebnis überein mit der Beobachtung von Arndt (1956), daß durch dessen Verwendung eine "schrittweise Ableitung" von "Tatbeständen" erfolgt (vgl. 1960,253). Es wird bei den empirischen Analysen zu prüfen sein, ob es sich um Ableitungen oder "Schlußprozesse", wie etwa Lang (1976) und Pasch (1983) dies rekonstruieren, im strikten Sinne handelt. Damit hängt dann auch die Frage nach der Beteiligung an Thema-Rhema-Strukturierungen (Arndt 1956 betont in Anlehnung an Boost 1955 die thematische Leistung des 'da'-Nebensatzes) und Bekanntheit zusammen, die in der Literatur angeführt werden (insbesondere bei Paul 1920 und daran anknüpfenden Grammatiken sowie bei Arndt 1956, Härtung 1961, Bartsch 1978, Eroms 1980, Pasch 1983 - teilweise gebunden an einen Präsuppositionsbegriff). Das Verhältnis von propositionaler Strukturierung und Wissensausbau ist also genauer zu betrachten. Insbesondere stellt sich die Frage nach dem Status der SubPrädikation irn gemeinsamen Wissen von Sprecher und Hörer. Handelt es sich um den Inhalt eines Wissenselementes, in diesem Sinne also terminologisch um ein 'Gewußtes' (cf. Ehlich & Rehbein 1977)? Wird demnach der sukzessive Fokusschwenk über die Verbalisierung und rede-/textdeiktische Neufokussierung eines Gewußten als der Sub-Prädikation bewerkstelligt? Auf dem Hintergund dieser Frage ist eine terminologische Präzisierung erforderlich. Ehlichs Begriff des "Vorstellungsraums" als eines deiktischen Verweisraums legt
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bestimmte Verwendungszusammenhänge nahe, insbesondere die diskursive Großform des Erzählens. Ehlich hat bereits bei seiner systematischen Ableitung der Verweisräume darauf aufmerksam gemacht, daß deiktische Verweise im Rede- oder Textraum und im Vorstellungsraum konkret zuweilen sehr schwer zu differenzieren sind, da sprachliches Verstehen sich generell mental umsetzt Möglicherweise liegt bei paraoperativem 'da' - funktional betrachtet - ein solch problematischer Fall vor. Um allgemeinere diskursive Zusammenhänge, in denen 'da' paraoperativ verwendet wird, ebenfalls von einer möglichen Verweisung im Mentalen her analysieren zu können, ist es sinnvoll, den Ausdruck "Wissensraum" zu verwenden (vgl. Redder 1987)58 Kategorial entspricht er dem von Ehlich & Rehbein entwickelten -Bereich, d.h. der mentalen Widerspiegelung der Wirklichkeit im Verhältnis zur Wirklichkeit und zur Versprachlichung 59 ; Rehbein (1977) hat dafür den metaphorisierenden Ausdruck 'Wissensraum' geprägt, um den handlungstheoretischen Status als eine Dimension des 'Handlungsraums' darzulegen. Mir scheint der Anwendungsbereich dieser Raum-Metaphorik nicht deutlich60; hier soll der Terminus unter Bezug auf den deiktischen Zusammenhang verwendet werden, bei dem der -Bereich einen möglichen Verweisraum darstellt, wovon der 'Vorsteliungsraum 1 nach meinem Verständnis ein spezifischer Teil ist. Unter Bezug auf den so verstandenen Wissensraum ist es möglich, genauer zu erfassen, ob die Verwendung von paraoperativem 'da' handlungsanalytisch aus einer Neufokussierung abzuleiten ist, die im Zuge der Verbalisierung ihr Verweisobjekt im Rede- oder Textraum erhält. Eine solche Analyse geht über die anhand der Beispiele dargestellten Sachverhalte hinaus. Bislang ist ungeklärt geblieben, warum gerade eine lokale Kategorisierung für einen sukzessiven Fokusschwenk funktional sein kann. Im Zusammenhang mit (Bll) wurde oben (§3.2.2) argumentiert, daß eine Rede raum-zeitlich dimensioniert gedacht werden kann. Dasselbe gilt für das Wissen. Wissen hat eine innere Struktur und wird beim Verstehen bearbeitet, entwickelt, verändert. Ein deiktisches Verweisen im Wissensraum kann unter der Perspektive des Verstehens sinnvoll in einer räumlichen oder auch zeitlichen Dimension ausgeführt werden. Das Verweisobjekt ist dann ein Ort oder ein Zeitpunkt bei der verstehenden Prozessierung von Wissen. Insofern kann mit 'da' im Wissensraum auf den Ort oder den Zeitpunkt im Wissensausbau verwiesen werden. Ein Element des Wissens, ein n-Element, wird auf diese Weise als =8 Wohlbekannt ist sicherlich die Deixis im eigenen Wissensraum des Sprechers, wenn ein "Gedankenblitz" aufleuchtet, aber nicht für eine symbolische Verbal i siemng genügt: "Na, da war's grad!" 59 Cf. Ehlich & Rehbein (1977) und (1986); s. o. §2.2.5.5, Diagramm 2. 60 Möglicherweise ist es nicht zufällig, daß Rehbeirt selbst auch zunächst nur vom 'Wissen' redet. Neuerdings spricht Givon (1982) ähnlich vom "epistemic space", den er in kritischer Revision der neukantianischen - auch bei Peirce vertrelenen - Erkenntnistheorie ("epistemology") analytisch zu rekonstruieren versucht, indem er - sprach vergleich end - von den sprachlichen Gegebenheiten ausgeht; für ihn ist dabei das Konzept der "evidentiality" zentral.
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räumlich oder zeitlich im Wissensraum verankertes neu in den Aufmerksamkeitsbereich gerückt. Es geht bei dieser Neufokussierung nicht urn den Inhalt, das Gewußte, sondern die räumliche - sekundär zeitliche - Lokalisierung des Wissens. Das Gewußte selbst kann dann durch - last but not least - symbolische Prozeduren erfaßt und präsentiert werden. Im Rahmen einer solchen Überlegung kann die Genese der diskursiven Leistung von paraoperativem 'da1 in sehr feinen Differenzierungen behandelt werden: Ausgehend von der deiktischen Neufokussierung eines Wissenselementes unter der Kategorie seiner Lokalisiertheit, wird im Wege der Verbalisierung der Inhalt dieses Wissenselementes, das Gewußte, zugleich neufokussiert und durch andere sprachliche Ausdrucksmittel als katadeiktisches Verweisobjekt in den Rede- oder Textraurn gehoben. So wird eine komplexe Verankerung im Wissen vorgenommen. Paraoperaiives 'da' ermöglicht mithin eine wissensmäßige Anbindung des Hauptgedankens. Eine derartige Basis kann auch als Grundlegung, als Grund und insofern causa verstanden werden. Allerdings leistet nicht der Ausdruck 'da' eine kausale Qualifizierung, wie generell behauptet wird - gleichgültig, ob als logische oder tatsächliche Kausalität. Vielmehr erfolgt diese inhaltliche Bestimmung vermittelt durch den propositionalen Gehalt der beiden Prädikationen bzw. vermittelt durch das Wissen von Sprecher und Hörer über deren Zusammenhang, 'da' leistet nur Prozeduren paraoperativer und deiktischer Art, wie ich sie beschrieben habe. Die generelle diskursive Funktionsweise diskutiere ich bei der empirischen Untersuchung im Detail. In (B22) liegt eine Version der Geschichte vor, die den Umschlagpunkt von Szene zu Szene symbolisch vorbereitet, nämlich durch die Formulierung 'in dem Moment', also Nennung eines Zeitpunktes. Der wird dann wiederum deiktisch aufgegriffen; allerdings, anders als in (B23), nicht als bloße Neufokussierung im Rede- oder Textraum, also gleichsam symbolisch und anadeiktisch gedoppelt, sondern mit anschließend qualitativ genauer ausgeführtem Verweisobjekt, als es anadeiktisch bereits in Anspruch genommen wird. Dies erfolgt wieder mit der Kennzeichnung als Sub-Prädikation, nämlich im Rahmen eines Nebensatzes. Wir haben hier einen Fall des relativischen 'da1. Demgegenüber ist die Verweisung in (B23) lediglich anadeiktisch; die Konstruktion gilt syntaktisch als Extraposition bzw. Linksversetzung im Sinne von Altmann (1981). 3.2.8.3 Leistung bei Nachsatzposition Bislang ist nur eine Stellung des gesamten Nebensatzes berücksichtigt worden, nämlich die - für subordinierendes 'da1 in der Literatur als typisch geltende - Vorfeldposition. Ich will nun abschließend auch die prozeduralen Verhältnisse im Falle der Nachfeldposition bestimmen. Dabei bediene ich mich der bisherigen Erkenntnisse und sehe von umfänglicheren Beispieldiskussionen ab. Ich illustriere diese Verwendung lediglich an einem Zeitungsbeleg:
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(B24)
Mit Betroffenheit schildert Weiskirch, man habe ihm gesagt, es sei zu kompliziert und auch zu teuer, nachträglich Gurte anzubringen, da die entsprechenden Wagen ohnehin bald ausgemustert würden. (SZ, 15.4.88)
Im Falle des Nachsatzes wird die Einfügung der Sub-Prädikation in die übergeordnete Aussage nicht durch ein ausgezeichnetes syntaktisches Mittel - die Besetzung einer notwendigen Position im Hauptsatz - unterstützt. Das Nachfeld ist gerade ein syntaktischer Bereich, der zusätzlichen Verbalisierungen zu einer in sich bereits abgeschlossenen Aussage dient. Gleichwohl ist er bekanntlich ein - gegenüber dem Vorfeld zweitrangiger - Bereich besonderer Aufmerksamkeitsorientierung im Deutschen, eben durch seine Eigenständigkeit.61 An dieser Steile wird die Verknüpfung, genauer: die Vermittlung von realisierter Aussage und nachgestellter Sub-Prädikaiion, wesentlich durch den Ausdruck 'da1 geleistet Nach dem Verstehen der Äußerung, die die Form eines Hauptsatzes aufweist, d. h. nach dem Verstehen ihres gesamten propositionalen Gehaltes sowie ihrer illokutiven Qualität, wird die Aufmerksamkeit des Hörers neu auf ein lokales Verweisobjekt gerichtet, und zwar anadeiktisch und zugleich katadeiktisch. Anadeiktisch wird die Orientierung im Rede- oder Textraum vorgenommen. Verweisobjekt ist die in Form eines Hauptsatzes realisierte Sprechhandlung. Die Position von 'da' im Nachfeld ermöglicht es aus den oben genannten Gründen, daß der lokaldeiküsche Verweis sowohl in der propositionalen als auch in der illokutiven Dimension ausgeführt werden kann. Als neufokussiertes locandum der Rede oder des Textes - und somit als Vorgeschichte der 'da'-Äußerung - wird die Sprechhandlung "offen" für eine Ankopplung. 'da' vollzieht sie paraoperativ durch eine Synchronisierung und räumliche Umorientierung der Aufmerksamkeit.^ Und zwar verweist 'da' katadeiktisch in der propositionalen Dimension der Rede oder des Textes; Verweisobjekt ist die SubPrädikation. Im Verhältnis zum anadeiktischen Verweisobjekt, zum locandum, bildet sie das locarum. Vermöge nachgestelltem, paraoperativem 'da' erfolgt mithin eine abschließende Verankerung der neufokussierten Rede oder des Textes in einem propositionalen Gehalt als ihrem oder seinem Ort. Man kann annehmen, daß es sich, wie im Fall der Vorfeldposition, bei der Sub-Prädikation urn die Verbalisierung eines Gewußten handelt. Durch die paraoperative Prozedur - und nur durch sie - wird also die Äußerung schließlich an einem - zumindest für den Sprecher relevanten - Ort im Wissen festgemacht. Im Falle des Nachsatzes kann sich diese Verankerung auf die proposition ale oder die illokutive Dimension der Sprechhandlung beziehen. ^ Besonders im Prager Funktionalismus sind diese Verhältnisse vielfäitig diskutiert worden. Eine ausführliche, methodcnkritische Darstellung der verschiedenen linguistischen Konzeptionen zu ihrer Erklärung bietet Eroms (1986). ^2 Auf der Phänornenebene ähneln die Ergebnisse der Prozeduren dem, was in der Literatur zu den weiterführenden bzw. Satz-Relativsätzen angefühlt wird (s. o,).
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3,2.8.4 Zusammenfassung
Ich fasse die Ergebnisse der funktional-etymologischen Analyse zusammen und bestimme die gesamte strukturierende Funktion beim sprachlichen Handeln, soweit sie von der Forrnbetrachtung her möglich ist Die Lokaldeixis - und sekundär auch Temporaldeixis - 1 da ! wird für Zwecke des Strukturausbaus von Sprache eingesetzt, "da" wird auf den Verweis im Rede- oder Textraurn festgelegt und in routinisierter Weise, verbunden mit der operativen Prozedur der Verbendstellung, paraoperativ verwendet, 'da' erfährt, sprachsystematisch betrachtet, eine Feldtransposition, Genereller Zweck ist die Verknüpfung, d. h. die Kopplung von sprachlichen Einheiten. Bei einer Vorfeldposition des 'da'-Satzes wird diese Kopplung durch einen syntaktisch auf zwei proposition ale Elemente prolongierten katadeik tischen Verweis vorgenommen, nämlich durch Verweis auf die Sub-Prädikation und auf die Prädikation des Hauptsatzes, Anadeiktisch wird der Interaktant von der Vorgeschichte der komplexen Äußerung durch einen sukzessiven - und nicht, wie im Falle der einfachen Deixis, schlagartigen - Fokusschwenk auf eine neue Tätigkeit, insbesondere auf einen neuen propositionalen Akt, orientiert. Mithin wird eine diskursive Übergangsstelle bearbeitet. Als zusätzliche Mittel des Ausgehens von einer Vorgeschichte beim Fokusschwenk dienen innerhalb der Rede intonatorische Mittel, speziell der Tonhöheneinsatz von paraoperativem 'da' an der Spitzenposition im Verhältnis zum gesamten Tonhöhenverlauf, möglicherweise gestützt durch einen Akzent Im Falle der Nachfeldposition leistet allein das paraoperative 'da' die Anbindung an eine Vorgeschichte und die Kopplung, nämlich durch Entfaltung von anadeiktischer und katadeiktischer Verweis kraft. Gekoppelt wird so die vorangegangene, in Form eines Hauptsatzes realisierte Äußerung (in der Rede oder im Text) mit einem propositionalen Element, nämlich der Sub-Prädikation. Der Hauptsatz bildet somit zugleich die Vorgeschichte für den Fokusschwenk. In der mündlichen Rede wird dies Verhältnis durch einen progredienten Ton am Äußerungsende gestützt; im schriftlichen Text erfolgt dies durch ein Satzzeichen, nämlich das Komma. Die Kopplung ist in jedem Fall als eine räumliche und auch zeitliche Lokalisierung kategorisiert. Diese Lokalisierung darf als Verortung im Wissen interpretiert werden. Die Funktion von paraoperativem 'da 1 besteht demnach in der komplex strukturierten Entfaltung von Gedanken im linearen Verbalisierungsprozeß und in ihrer wissensmäßigen Verankerung. Diskursiv erfolgt die Bearbeitung einer Übergangsstelle durch einen Fokusschwenk. Die empirischen Analysen müssen zeigen, welches solche Übergangsstellen sind und wie die Bearbeitung im einzelnen erfolgt. Eine Typisierung in Abhängigkeit von bestimmten Diskurs- oder Textarten ist zu erwarten. Unter syntaktischem Aspekt ist abschließend folgendes hervorzuheben. Paraoperatives 'da' - ob als Relativum oder als subordinierende Konjunktion - ist ein , ein "Gelenk", im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die funktionale Etymologie er-
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weist, daß auch nach der Feld transposition noch deik tische Verweiskraft entfaltet wird, so daß insbesondere bei Nachfeldposition Nebensatz und Hauptsatz neu fokussiert werden. Die Orientierung des Hörers kann zweifach, rück- und vorausweisend, erfolgen. Im Falle der Vorfeldposition wird sie, syntaktisch bedingt, sukzessive kafadeiktisch zur Geltung gebracht.
3.3 Funktion von paraoperativem 'da* beim sprachlichen Handeln - empirische Analysen Die Grammatik von 'da1 ist nun handlungstheoretisch rekonstruiert und prozedural bestimmt. Dies erlaubt den Übergang zur Analyse der konkreten Funktion des Ausdrucks beim sprachlichen Handeln. Im Rahmen dieser Arbeit interessiert dabei lediglich paraoperatives 'da', traditionell gesprochen also das subordinierende 'da'.63 Zentraler Gegenstand ist die sogenannte kausale Konjunktion, also paraoperatives 'da' zum Vollzug prädikativer Operationen, Dazu nehme ich exemplarisch detaillierte empirische Untersuchungen vor. Lediglich ausgewählte relativische, d. h. für attribuierende Operationen geeignete Verwendungen sollen mitbehandelt werden, um die Nähe, ja die zuweilen kaum auflösbare, schillernde Ausdrucksfunktion in derartigen Konstruktionen zu verdeutlichen und systematisch einzuordnen. Ähnlich wie bei der Analyse von 'denn' differenziere ich zwischen Diskursen und Texten, insbesondere zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit, Die Beispielanalysen werden handlungsanalytisch vorgenommen. Allerdings wird nicht in jedem Falle eine erschöpfende Analyse angestrebt. Vielmehr ist die Darstellung in einer Progression der konkreten Funktionsbestimmungen von paraoperativem 'da' beim sprachlichen Handeln angelegt. Dem Leser wird so die Möglichkeit geboten, den Gang der Forschung ein Stück weit m i tzu vollziehen. Grundlegend für die Bestimmung der Pragmatik des Ausdrucks wird die empirische Untersuchung von Texten sein. Sie führt in §3.4.1 zur allgemeinen Bedeutungs- und Funktionsbestimmung, welche in §3.4.2 zu Darstellungen in der Fachliteratur ins Verhältnis gesetzt wird. Den theoretischen Diskussionen folgen wiederum empirische: In §3.5 behandle ich komplexe literarische Gebrauchsweisen, insbesondere auch von relativischem 'da', und abschließend, in §3.6, Verwendungen in der gesprochen Sprache, in Diskursen. 3.3.1 Häufigkeiten Mehr noch als 'denn' hat paraoperatives 'da' seine Domäne im Bereich des Schriftlichen. Daraufhat bereits Behaghel (1928/III, 41) hingewiesen; Eisenmann bestätigt das durch seine Korpusuntersuchungen für den alemannischen Raum: "Unsere Untersuchung umfaßt allerdings nur das beiordnende DA, denn unterordnendes DA, sei es temp, oder kaus., ist unseren Mundarten vollkommen fremd. Dagegen ist 63
Die reine Deixis - traditionell also das Adverb - bleibt außerhalb der konkreten Betrachtung.
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das beiordnende DA - nach UND und - die dritthäufigste Kj. in unserem Stat. Maie." (1973,106) Ich vergleiche diese Beobachtung zunächst kurz mit den Häufigkeiten in Transkripten gesprochener Sprache. Ein Überblick über die ausgewählten, bereits publizierten Korpora mündlicher Kommunikation 64 ergibt folgende Daten:
Biologie Deutsch Mathematik Deutsch* Alltagsgespräche Meinung gegen M. Öffentl./priv. Disk. 4 Beratungen
da l 0 0 0 (1) 11 5 2
denn l 0 5 8 17 86 22 9
weil l 1 6 18 38 83 26 48
In §2.1.1 hatte sich bereits gezeigt, daß in den Schulstunden wesentlich mehr von 'denn' in fragender Formulierung als in der Satzverbindung Gebrauch gemacht wird, wenngleich in einzelnen Stunden die Frequenzen hoch sein können. Dieses Bild verschärft sich für den Ausdruck 'da'. Bei der schulischen Wissensvermittlung scheint "kausales" 'da' irn allgemeinen nicht verwendet zu werden. (Der einzige Beleg entstammt ausgerechnet einer Stunde, in der auch die anderen Konjunktionen des "Kausalbereiches" nur je einmal vorkommen; er wird in §3.6.1 als (B89) diskutiert.) Gleiches scheint für sogenannte Alltagsgespräche zu gelten, wobei der einzige Beleg hier zudem abgebrochen und zu 'weil* repariert wird (111,1975, 38): (B 25) Du/du/du/du machst ja auch so Gesichter. Und des is/und da/weil das so is, hat er sich/ und weil des so is, ah is auch die/ is die/ die Situation so unsicher. Ich werde derartige Belege nicht weiter berücksichtigen, denn nur eine Hörprobe der Tonaufzeichnung könnte die genannte Rekonstruktion bestätigen. Die meisten Verwendungen im mundlichen Zusammenhang liegen in den Fernsehdiskussionen vor, die in Band II der "Texte gesprochener deutscher Standardsprache" dokumentiert sind. Dabei verteilen sie sich auf nur 5 von 12 Diskursen: 64
VgL§2: drei Schulstunden (Redder 1982); Deutschstunde* (in: Ehlich & Rehbein 1986, Anhang); Texte gesprochener deutscher Standardsprache 1,1971; II, 1974; 111,1975; Beratungsgespräche (in: Schröder 1985).
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Verkehrssicherheit Geisteskranke Mütter - Töchter fixe Idee Deutschstunde
da 6 l 2 l 1
denn 30 4 8 4 7
weil 17 2 12 11 3
Es fällt auf, daß in dreien dieser Diskurse zugleich der Gebrauch von monologischem 'denn1 die Verwendung von 'weil' übertrifft Es wird zu diskutieren sein, ob hier ein besonderer, möglicherweise schriftsprachlicher Stil gepflegt wird, oder welche anderen Diskursbedingungen dafür verantwortlich sind. Von den fünf Belegen aus Band I - woraus ich allerdings aus Gründen der Vergleichbarkeit zu Band II hier nur §4: "Diskussionen" ausgewertet habe - entfallen vier ebenfalls auf Fernseh-/Rundfunkdiskussionen; nur einer findet sich in dem privaten Gespräch über die Ehe. Betrachten wir noch das Verhältnis von Vorfeld- und Nachfeldposition all dieser Belege mit paraoperativem 'da', also das Vorkommen in Vor- oder Nachsätzen, Angesichts des Materials erweist sich eine Spalte "Schaltsatz" als erforderlich. Bei der syntaktischen Diskussion in §3.2.6/7 habe ich solche - funktional betrachtet parenthetische - Verwendung noch nicht berücksichtigt. Dies kann aufgrund der Komplexität dieser Konstruktion sinnvoll erst anhand der konkreten Vorkommen geschehen.
Verkehrssicherheit Geisteskranke Mütter - Töchter fixe Idee Deutschstunde Grass DDR Ehe Srudienberatung Biologie
Vordersatz 0 0 1 (1) 0 1 1 0 (2) 1
Nachsatz 4 1
0 1 0 0
Schaltsatz 2 0 0 0 1 0 0 0 0 0
7
8
3
1
0 0
(D
Die Angaben innnerhalb der Klammern sind jeweils von besonderer Art. Die drei Belege unter "Vordersatz" werden durch die Formulierung "ich mein(e}" diskursiv eingeführt; der "Nachsatz"-Beleg ist ein komplexer Fall von paraoperativem 'da' und erweist sich inhaltlich womöglich als Relativum. Auch einige der zunächst umstandslos eingeordneten Belege bedürfen detaillierterer syntaktischer Bestimmung, da sie zuweilen in Satzperioden ihren Ort haben. Es fällt auf, daß sich Verwendungen von Vorder- und von Nachsatz durchaus die Waage halten, jedenfalls in mündlichen Diskursen von öffentlichem Charakter,
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Für den Bereich des Schriftlichen ist es kaum möglich, eine sinnvolle Vergleichbarkeit von Häufigkeitsangaben zu Diskursen herzustellen, die doch nach wie vor leider zu sehr geringen Teilen als Transkripte öffentlich zugänglich sind. Demgegenüber können durch die elektronische Datenverarbeitung Texte ungleich ausführlicher und vielfältiger quantitativ ausgewertet werden. Erst dann, wenn (a) insgesamt in der Forschung mehr mündliche Sprache verschriftet wird und (b) die erforderlichen Transkriptionsverfahren, insbesondere das komplexere HIAT-System, computergestützte Bearbeitung ermöglichen, lassen sich derartige Vergleiche leichter ziehen. Ich will lediglich zur Illustration eine sehr kleine Stichprobe schriftlicher Belege anführen, die freundlicherweise am Institut für deutsche Sprache in Mannheim für mich erstellt wurde. Dabei zeigt sich zugleich die Schwierigkeit einer maschinellen Auszählung. Einige Referenzdaten machen nämlich deutlich, daß Verwendungen nach einem Semikolon oder nach einer Redeeinleitung als "Nachstellungen" gezählt werden, statt, wie es von der weiteren syntaktischen Form her angemessen ist, als Vordersatzposition; diese Klassifikation umfaßt des weiteren Schaltsätze bzw. Parenthesen neben echten Nachsatzpositionen. Ich gebe deshalb die IdS-Liste in Normaldruck wieder; fettgedruckt notiere ich meine Bestimmungen, wenn sie aufgrund der Ausdrucke von Refenrenzdaten vollständig korrigierbar sind; kursiv, durch + oder - addierend bzw. subtrahierend, notiere ich sie, soweit mir eine Einsicht in die Belege möglich ist. Zudem werfe ich für die schwierige Nicht-Vordersatzpositionen die Daten nach links aus, wenn sie exhaustiv anzugeben sind. Berücksichtigt werden Literatur, Zeitungen bzw. Zeitschriften und wissenschaftliche Arbeiten. Interessant ist das Verhältnis von deiktischem und paraoperativem 'da1, das aus den Gesamtvorkommen des Wortes 'da' errechnet werden kann. 'da' ges. Böll( Ansichten e, Clowns) Mann (Betrogene) Bergengruen (Tempekhen) FAZ Kieler Nachr. Bild (Januar) Bild (Juli) Rundschau Freisinger Tagebl. Zollem-Alb-Kurier Studium Generale IdS-Forschungsber.
93 8 44 124 13 50 55 3 1 4 2 6 78 612
paraoperatives 'da' Vordersatz Nachsatz Schaltsatz 2 l l 1 3 9 2 5 19 4 4 2 3 3 2 2 1 4 3 6 2 27 17 minus 3 54
7
54
6
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In wissenschaftlichen Arbeiten und der wissenschaftlichen Zeitschrift dominiert klar die Vordersatzposition; in Zeitungen überwiegen demgegenüber nachgestellte Positionen (im weiten Sinne). Beachtenswert ist, daß von den 19 Nachsatzbelegen in der FAZ allein 4 von 5 mir zugänglichen Ausdrucken Redewiedergaben im Nebensatz enthalten; der 5. Ausdruck enthält eine vermutende Einschätzung als Gehalt des 'da'-Satzes. Möglicherweise zeichnen sich in diesen wenigen Belegen bereits textartspezifische Tendenzen der Verteilung ab. Mit Rücksicht darauf, daß die Summe der Nachsatz-Belege nach der IdS-Zählung Schaltsätze mitenthalten kann, darf die Gesamtverleilung von wirklichen Nachsatzpositionen und Vordersatzpositionen etwa als gleichrangig gelten. Dabei ist zu beachten, daß lediglich zwei wissenschaftliche Textarten gegenüber sieben Zeitungen ausgewertet sind; die vermutete Funktionsdifferenzierung für Zeitungen könnte aber mit der syntaktischen Position im Nachsatz einhergehen. Gleiche Häufigkeit von Vorder- und Nachsatzposition bedeutet, daß nicht generell die Aussage aufrecht zu erhalten ist daß paraoperatives 'da' - im Bereich des Schriftlichen - in Voranstellung dominiert (vgl. §3.2). Gleichwohl ist eine derartige Häufigkeitsverteilung gegenüber Verwendungen von 'weil' und stets nachgestelltem 'denn' klar als Besonderheit zu werten. Wenn sich zudem eine Funktionsdifferenzierung in Nachsatzpositionen zumindest für bestimmte Textarten nachweisen läßt65, dann gewinnt die Besonderheit von paraoperativem 'da', Vordersätze einzuleiten, wieder an Aussagekraft. Literarische Texte bedürfen offenbar genauer Einzelanalyse, um eine Tendenzaussage machen zu können (s. u. §3.5). Wie auch für die bisherigen Untersuchungen werde ich jeweils weitere, unpublizierte Daten und Transkriptionen heranziehen. Anders als bei der Analyse von 'denn' will ich für paraoperatives 'da' vom Bereich des Schriftlichen als seiner offenkundigen Domäne ausgehen (§3.3.2, §3.3.3) und erst abschließend Verwendungen in der gesprochenen Sprache behandeln (§3.6). 3.3.2 Paraoperatives 'da' im Bereich des Schriftlichen: institutionelle Briefe Ich beginne die Diskussion im Bereich des Schriftlichen mit einer spezifischen Textart, dem Brief. Ein einfacher Brief richtet sich an einen (oder mehrere) bestimmten Adressaten, geschrieben von einem bestimmten Absender. Formales Kennzeichen dafür sind Anrede und Gruß beziehungsweise Unterschrift. Der Brief steht gewöhnlich in einem gemeinsamen Handlungszusammenhang der beiden Aktanten, hat also eine Vorund eine Nachgeschichte im handlungstheoretisch präzisen Sinn. Daher gehen in ihn spezifische Formen gemeinsamen Wissens sowie Handlungspräsuppositionen ein, des weiteren Antizipationen ihrer Entwicklung mit Blick auf die Nachgeschichte. Ais ^ In einem hier unpubliziertön Teil meiner Habilitationsschrift konnte dieser Nachweis geführt werden.
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Text kennzeichnet ihn die zerdehnte Sprechsituation. Das hat Konsequenzen für seine innere Struktur. Für meine Fragestellung ist der Brief von besonderem Interesse, weil ihn sprachpsychologisch eine Doppelheit kennzeichnet. Er kontimiiert und zasuriert zugleich die gemeinsame Geschichte.^ Diese Konstellation hat eine auffallende Ähnlichkeit mit der von Ehlich für das deiktische 'da* in Spitzenposition diskutierten (s. o. §3.2.8.1) und läßt daher eine entsprechende sprachliche Bearbeitung erwarten. In der Tat hat sich bei meinen Materialbeobachtungen gezeigt, daß sehr viele nicht-private Briefe eine charakteristische Verwendung von paraoperativem 'da' enthalten, so daß sich eine genauere Betrachtung lohnt. Ich konzentriere mich auf eine bestimmte Briefart, nämlich den Brief im institutionellen Zusammenhang, kurz: den institutionellen Brief. In der Terminologie von Ermert (1979) ist er dem "volloffiziellen Handlungsbereich" zuzurechnen. Die von vorneherein weiter gefaßte Öffentlichkeit des Briefinhaltes und die entsprechend allgemeinere Form der gemeinsamen Geschichte von Absender und Adressat ermöglichen es, das Verständigungshandeln zwischen den Interaktanten, auf das es in unserer Analyse ankommt, leichter zu rekonstruieren. Wegen der besseren Zugänglichkeit betrachte ich vor allem Briefe im Rahmen des Wissenschafts be triebes. Dabei wird selbstverständlich der Datenschutz gewahrt; ich zitiere also nur den notwendigen Inhalt, gegebenenfalls maskiert. Briefformen sind, wie andere sprachliche Formen auch, historisch-gesellschaftlich entwickelt. Sie sind darüber hinaus Gegenstand eigener Anleitungen in Briefstellern. Zuletzt behandelt Ettl (1984) die Formkriterien und Zielsetzungen solcher Briefsteller im historischen Abriß und stellt die Funktionsveränderungen bis hin zur Dysfunktionalität im Laufe der Gesellschaftsentwicklung dar. Von der ehemals fünfschrittigen Architektonik - die freilich bereits Geliert kritisierte - ist bis heute ein dreischrittiger Gesamtaufbau von Briefen geblieben. Den sprachlichen Formen selbst wird wesentlich mehr Freiraum eingeräumt, sie variieren stilistisch. Erst in letzter Zeit gelten ihnen linguistische Analysen im Rahmen einer pragmatischen Stilistik, so bei Sandig (1986), und einer systematischen Betrachtung des Formulierens, wie bei Antos (1982) allgemein und 0987} für Grußworte in Festschriften sowie jüngst bei Keseling 09S8) aus tätigkeitstheoretischer Perspektive,
3.3.2.1 Briefanfänge: "initiales" 'da' Zahlreiche institutionelle Briefe - unabhängig von den jeweiligen Absendern - "fallen mit der Tür ins Haus", obschon sich, wie Härtung hervorhebt, "mit Hilfe einer mehr oder weniger kunstvollen Einleitung" dieser Eindruck vermeiden ließe (1983, 219). 66
In der Literatur wird gewöhnlich nur auf den Aspekt der Kontinuierung - als "Einbettung" in den "Interaktionszusammenhang" oder "Bestandteil einer konkreten Kommuni kationsgeschichte"hingewiesen (Härtung 1983; Henne 1983; Vieh wcgcr 1983).
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Die Verwendung von paraoperativem 'da' in Briefeinleitungen vermeidet scheinbar solchen Effekt Ich zitiere zwei Beispiele. (B 26) Institut für... Liebe Kollegen, da möglicherweise hinter dem Vorgang (Schulz) eine gewisse Brisanz stekken könnte, möchte ich mich (und letztlich Herrn Kollegen Müller) ein wenig absichern, indem ich Ihnen den ENTWURF des Antwortschreibens zur Korrektur vorlege. Bitte, machen Sie Verbesserungs vorschlage und reichen Sie diese an mich zurück, damit eine wirklich einmütige Stellungnahme vorgelegt werden kann. Besten Dank. Mit freundlichen Grüßen Ihr Klaus Meier (B 27)
Universität..., Fachbereich l Der Hausherr Betr.: Schließanlage des Gebäudes Dorfstraße Sehr geehrte Damen und Herren! Da bei einem Einbruch in das Gebäude Dorfstraße zwei Gruppenschlüssel entwendet wurden, müssen die Haustüren aus Sicherheitsgründen mit neuen Schlössern versehen werden. Aus diesem Grunde ist es bis auf weiteres nicht möglich, die Haustüren mit Ihrem Gruppenschlüssel zu schließen. ... mfg
In beiden Briefen beginnt der Text mit 'da', sobald die Anrede, im Sinne einer "Routineformel" nach Coulmas (1981), abgewickelt ist. Ich nenne diese Positionierung im Brief "initiales 'da'". Durch die Anrede wird die gemeinsame Geschichte zwischen Absender - identifiziert auf dem Couvert oder durch den Briefkopf - und Adressat wachgerufen, gemeinsames Wissen und Handlungspräsuppositionen werden aktualisiert. Über die zerdehnte Sprechsituation hinweg wird durch den Text, den Brief, ein Handlungssystem etabliert. In dieser Situation sind zwei Fälle zu unterscheiden.67 (1) Das gemeinsame Wissen enthält bereits ein Element, das einen Brief erwarten läßt, Handlungstheoretisch ausgedrückt: Die aktualisierte Gemeinsamkeit bildet ein "be'' Härtung bleibt demgegenüber zu unspezifisch, wenn er formuliert: "bereits vor dem Lesen des Textes weiß er etwas über mögliche dominierende Ziele, sobald er etwa festgestellt hat, wer der Absender ist, denn das erlaubt ihm einen Bezug auf einen bestimmten Interaktionszusammenhang". Übereinstimmend mit den hier vorgetragenen Überlegungen fährt er fort;"und er beginnt die Erfahrung, die er mit dieser Interaktion und in ihr gemacht hat, zu reaktivieren," (1983,220)
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siimmtes Handlungspotential, das ausgeschöpft werden kann", sie stellt selbst eine "Konstellation" (Rehbein 1977, 265) für eine Handlungsausführung dar. Der Briefschreiber kann daher auf die nunmehr aktualisierte Erwartung als Ansatzpunkt für seinen Briefinhalt Bezug nehmen. Typische sprachliche Formulierungen sind mit 'wie' + Partizip Perfekt gebildet, etwa: 'wie vereinbart1, oder sie bestehen aus 'gemäß' + Nominalkonstruktion, etwa: 'gemäß unserer Vereinbarung' oder Phrasen mit 'be* zug' wie 'bezugnehmend auf Ihr Schreiben', 'unter Bezugnahme auf etc. Sie bilden Formeln, die im Fall (1) zweckmäßig sind. (2) Die Aktualisierung der Gemeinsamkeiten ist sehr allgemein und enthält für den Adressaten keinen bestimmten, konkreten Anknüpfungspunkt für den Brief text Der Brief ist unerwartet. Die Konstellation, spezifischen der "Ansatzpunkt der Handlung" {Rehbein ebd.) muß - auf der Basis der Gemeinsamkeit - erst hergestellt werden. Für den Briefschreiber ergibt sich daher ein spezifisches Problem, das des Anfangs. Solche Fälle liegen bei Briefen mit initialem 'da' vor. Ich analysiere im folgenden die Funktionalität dieses sprachlichen Mittels. Den einfachen Typ bilden Briefe ohne ein "Betreff", wie ihn (B26) darstellt, den komplexeren Typ bilden Briefe mit dieser formalen Vorschaltung, wie (B27). Ich werde als erstes den einfachen Typ behandeln. Doch zuvor noch einige allgemeine Überlegungen, Der Einschnitt, den der Brief im adressatenseitigen und im gemeinsamen Handlungssystem darstellt, muß bearbeitet und das Neue, um das es geht, in das System eingefügt werden. Dazu bedarf es eines Verfahrens, das innerhalb der Handlungsanalyse als eine "Einleitung" zu bestimmen ist. Nach Rehbein (198l)68 ist die Einleitung gegenüber der Ankündigung^ dadurch gekennzeichnet, daß der hic-et-nuncPunkt im Interaktionsraum bereits gesetzt, das Zäsurelement also realisiert ist und daß die Äußerung selbst den Beginn der neuen Handlung darstellt. Die Einleitung räumt dem Interaktionspartner keine Gelegenheit zur Entscheidung über den Handlungsfortgang mehr ein, sondern vermittelt lediglich zwischen Hörerwissen und Handlungsausführung. Insofern ist eine Einleitung kein Handlungsmuster oder die Realisierung einer Sequenzposition in einem Muster, sondern eine, wie Rehbein es nennt, "diskursive Prozedur" ("discoursive procedure" ebd., 247). Er verwendet hier wie bereits 1977 einen sehr weiten, vor allem auf die Stadien des Handlungsprozesses bezogenen Begriff von Prozedur, der insofern mehr auf die technische Abwicklung, die Prozessierung von Handlungen abgestellt ist. Da ich in meiner Untersuchung die engere Kategorie verwende, wie Ehlich (1979) sie systematisch bei °° Es handelt sich um eine erweiterte Ausführung des deutschen Artikels in der ZGL (1979). ^ Kallmeyer (1978) untersucht Ankündigungen im theoretischen Rahmen der Konversationsanalyse; sie gehören danach zu makrostruktürellen Formen der Orientierung bzw. Fokussierung von Aufmerksamkeit, "die in der Anwendungsstruktur von Aktivitätskomplexen die Stelle der vorgreifenden Verdeutlichung einnehmen können, aber nicht nur dort erscheinen." (ebd., 228) Einleitungen, ebenfalls Formen der Fokussierung, behandelt er nicht systematisch vergleichend, weist aber empirisch eine Reihe von einleitenden Gliederungssignalen auf; insofern dürfte er Einleitungen in einem engeren Formrahmen, bezogen auf Signale, ansetzen.
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der Bestimmung des deiktischen und expeditiven Feldes bestimmt hat7^ möchte ich von der Einleitung als einem diskursiven "Verfahren" sprechen. In diesem diskursiven Verfahren wird unter anderem das neue Thema im gemeinsamen Wissen verankert, und zwar durch spezifische sprachliche Ausdrucksmittel, die sogenannten "shifter"; "By means of these the speaker incorporates the theme in the hearer's domain of knowledge, he so to speak 'shifts' the theme into the discourse." (Rehbein 1981, 249) Solche shifter sind z, B. 'übrigens', 'und (noch)'; häufig haben sie auch die Form von Formeln wie 'es gibt...', 'es war einmal ..." und bilden spezifische Formen von "Gliederungssignalen" im Sinne von Gülich (1970) und Quasthoff (1979). Gemäß ihrer beschriebenen Funktion konstituieren sie die klassische rhetorische und auch in Briefstellern formulierte Forderung der captatio benevolentiae. Der Absender eines Briefes kann, so scheint es angesichts der zahlreichen Belege, zu diesem Zweck von einem besonderen sprachlichen Mittel Gebrauch machen, dem vorangestellten paraoperativen 'da'. Wie sind die sprachpsychologischen Prozesse dabei im einzelnen zu rekonstruieren? In (B26) setzt der Absender unmittelbar nach der Anrede mit der Neufokussierung auf eine Sache von lokalisierbarer Qualität ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Adressat lediglich die gemeinsame Geschichte mit dem Absender aktiviert, im Text jedoch noch keinen expliziten Anhaltspunkt dafür, in welcher Weise und an welchem Punkt dieser Brief daran anknüpft/ 1 Die Aufmerksamkeitsorientierung kann zwar im Prinzip im aktivierten Wissensraum72 erfolgen, allerdings ohne eine eindeutige Fixierungsmöglichkeit eines Wissenselementes, Diese Möglichkeit erschließt sich für den Adressaten erst dadurch, daß der Absender die Orientierungshandlung im Textraum vornimmt und das Verweisobjekt verbalisiert: "da möglicherweise hinter dem Vorgang ... eine gewisse Brisanz stecken könnte, ..."7^ rjer Adressat verfügt ^ Danach sind Prozeduren auf das Verständiglings hand ein zwischen Sprecher und Hörer abgezweckt und handlungssystematisch unterhalb der Aktebene angesiedelt - letzteres in Übereinstimmung mit Rehbein (1977). 71 Der oben beschriebene Fall (1), die Realisierung einer Erwartung, ist beim Beginn mit 'da' sprachlich ausgeschlossen. 72 Ich beziehe mich auf die oben eingeführte Verallgemeinerung des deiktischen Verweisraumes "Vorstellungsraum". Insofern ist die Kategorie nicht identisch mit dem gleichlautenden Terminus bei de Beaugrande & Dressler (1981), Die Autoren bezeichnen damit Teilstrukturen bei der Textrezeption, wie sie durch semantische Netze darstellbar sind und sich schließlich zur Konstitutierung einer 'Textweit" bei der gesamten Textrezeption zusammenfügen. 3 Aufgrund der oben im Zusammenhang der Feld transposition beschriebenen Routiniertheit, mit der 'da' paraoperativ verwendet wird, ist anzunehmen, daß der Rezeptionsprozeß direkt von dem einleitenden 'da' aus fortschreitet und sich insofern gar nicht erst zu einer bewußten Suche des Verweisobjektes im Wissensraum ausgestaltet. Ich komme auf diesen Punkt aus der Perspektive
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nun über einen Fixpunkt seiner Orientierung. Möglicherweise stellt sich für ihn heraus, daß er einem Element im aktivierten gemeinsamen Wissen mit dem Absender korrespondiert, das - implizit - für eine Neufokussierung nahelag. Unabhängig davon hat er nun von diesem neufokussierten und als Lokalisierbares qualifizierten Verweisobjekt für das Verstehen des weiteren Textes auszugehen. Und dieser Ausgangspunkt ist durch ein grammatisches Mittel in besonderer Weise gekennzeichnet: Die sprachliche Ausführung erfolgt innerhalb einer Nebensatzstruktur, das Verweisobjekt wird mithin als eine Sub-Prädikation für den Adressaten zugänglich gemacht. Für die Wissensorganisation des Adressaten bedeutet dies, daß das komplexe Verweisobjekt einen wissensmäßigen Ausgangspunkt für die Prädikation, mithin für den Hauptgedanken darstellt. Als ein solcher Ausgangspunkt, also als ein untergeordneter Gedanke, steht dieser selbst beim verstehenden Mitvollzug nicht mehr zur Disposition. Vielmehr wird der Adressat mit dem textuellen Verstehen der Briefeinleitung durch initiales 'da' und Sub-Prädikation nolens-volens dieses sprachlich vermittelte Wissen als Grundlage für alles weitere akzeptieren.7* Somit erweist sich die Charakterisierung von 'shiftern' als Anbinder "on what is pre-known to the hearer" (Rehbein 1981,249) mit Blick auf paraoperatives 'da' als zu eng gefaßt. Aus der Perspektive des Absenders betrachtet, ergibt sich folgendes. Der Absender nimmt die deiktisch neufokussierte Sub-Prädikation als gemeinsam Gewußtes in Anspruch, Inanspruchnahme bedeutet, daß der Aussage nicht zu widersprechen ist. Konkret ist es unerheblich, ob die beanspruchte Gemeinsamkeit eine reale Basis hat, ob der Rezipient über das Gewußte wirklich bereits in dieser Form verfügt. Der verstehende Mitvollzug der Sub-Prädikation, also der symbolischen Entfaltung der Sache als katadeiktisches Verweisobjekt im Textraum, garantiert schließlich ein entsprechend gemeinsames Text wissen. Den Status eines wissensmäßägen Ausgangspunktes, der für die Entfaltung der Hauptsache neu fokussiert wird, hat dies Gewußte primär im Wissen des Absenders. Er setzt hier den Anfang für das Neue und leitet den Brief dementsprechend ein. Damit setzt der Absender zugleich auf die Verbindlichkeit der gemeinsamen Geschichte mit dem Adressaten, so daß eine ausführliche Explizierung, wie sie in den formalen Zusammenhängen der Bürokratie dominiert, entbehrlich ist. Der institutionelle Brief erhält so von der Form her ein Moment eher persönlicher Kommunikationsaufnahme, In Richtung auf die Entfaltung der Sache wird der Fokusschwenk sukzessive vollzogen. In Richtung auf den Zusammenhang mit der Vorgeschichte dieser Äußerung, und das ist hier die gemeinsame Interaktionsgeschichte der Aktanten, ist ein solcher Fokusschwenk für das konkrete Anliegen tendenziell schlagartig. Die Diskrepanz zwischen formaler Unaufwendigkeit durch persönliche Verbindlichkeit und inhaltlicher Bestimmtheit durch den Absender selbst - als dem institutionell Verantwortdes Absenders weiter unten zurück, ^ Insofern ist diese Einleitung, paradox ausgedrückt, eine zurückhaltende Form, "mit der Tür ins Haus zu fallen".
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lichen - bringt stilistisch eine Bearbeitung von Widersprüchen zum Ausdruck, die derartigen institutionellen Briefen eigen ist. Die exemplarisch an (B26) entwickelte direkte Inanspruchnahme von Gemeinsamkeit kann als ein Bestimmungsmoment von initialem 'da' in Brief einlei tun gen gelten. Wird diese Bestimmung durch andere Beispiele gestützt? Zuweilen gewinnt die Inanspruchnahme den Charakter von Unvermitteltheit und Unausweichlichkeit. Das kann je nach Konstellation im Extremfall autoritär oder unbeholfen wirken. Letzteres gilt etwa für folgendes, hektographiertes Schreiben aus einer Lehranstalt an die - teilweise per Lehrauftrag auf Zeit - Lehrenden: (B 28) Sehr geehrte(r) Frau/ Herr Schneider Da wir im nächsten Jahr unsere Bibliothek vervollständigen wollen, bitte ich Sie mir dabei zu helfen. Es wäre nett von Ihnen, wenn Sie mir eine Liste über die Bücher zusenden würden, die ... Mit freundlichen Grüßen Maria Schulze Der Stil schwankt zwischen bürokratischer Sachlichkeit und persönlicher Ansprache. Selbstverständliche Inanspruchnahme eines Wissens über institutsorganisatorische Entscheidungen, über das stundenweise beschäftigte Lehrende kaum verfügen dürften, und recht vertraute Bitte ("Es wäre nett von Ihnen") kontrastieren und lassen dieses Schwanken sprachlich manifest werden.75 Institutionelle Autorität und persönliche Distanzierung davon schließen einander aus; sie vermitteln dem Leser einen Eindruck von Unbeholfenheit. Ein anderer Nebeneffekt der komplexen und nicht unproblematischen Briefeinleitung mit initialem 'da' kann sich aus dem thematischen Verhältnis von Sub-Pradikation und Prädikation ergeben, Ich zitiere ein typisches Beispiel, (B 29) Lieber Paul, da ich nur kurz in Berlin sein konnte - wegen anderer Termine und Forschungspläne -, fand ich gar keine Zeit, mit Dir zu reden, wie ich es vorhatte. Des weiteren war genau parallel zu Deinem Vor trag ... Nun meine Bitte: Kann ich eine Kopie Deines Vortrags haben? ... Pointiert könnte man sagen: "Viel Einleitung um nichts". Der sukzessive Fokusschwenk ist zu sehr retardiert. Der untergeordnete Gedanke, der als Ausgangspunkt für den Hauptpunkt, hier eine Bitte, dienen soll, verselbständigt sich und wird in einer Parenthese expandiert. Der Hauptgedanke stellt sich zudem als weitere Vorbereitung für das eigentliche Anliegen im Brief heraus. Der Adressat wird auf komplizierte Weise "geneigt gemacht". Durch das initiale 'da' mit anschließender Sub-Prädikation nimmt der Absender ein Gewußtes in Anspruch, das außerhalb dieser Konstruktion die illokutive Qualität einer Entschuldigung oder Rechtfertigung hätte. Die Inanspruchnahme schließt demgegenüber eine negative Reaktion des Adressaten aus. 7
^ Dem entspricht auch der Wechsel vom institutionellen 'wir' zur individuellen Sprecherdeixis ("ich"/"mir") beim Übergang vom Neben- zum Hauptsatz.
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An Beispiel (B29) wird eine besondere Funktion von initialem 'da' beim sprachlichen Handeln deutlich. Die Inanspruchnahme von Gewußtem dient im Verständigungshandeln zwischen Absender und Adressat einem in sich widersprüchlichen Zweck: Im Rahmen von paraoperativem 'da' realisiert der Absender eine einleitende Thematisierung zu Zwecken ihrer Dethematisierung. Unangemessen ist ein solches Verfahren besonders dann, wenn der Anknüpfungspunkt im gemeinsamen Wissen die Überlagerung der Handlungsraurne betrifft, so daß der Adressat in seinem Handlungsspielraum ohnehin tangiert wird. Eben diese Tangiertheit steht dann für ihn nicht mehr zur Disposition; er wird doppelt tangiert. Ich habe gesagt, daß die Sub-Prädikation in (B29) außerhalb dieser Konstruktion mit paraoperativem 'da' die Qualität einer Entschuldigung oder Rechtfertigung hätte. Diese Aussage gibt Anlaß zu einer genaueren Betrachtung von grammatischer Struktur und illokutiver Qualität. Exkurs: Nebensatz und illokutiver Akt S üb-Prädikationen oder, in Begriffen einer Satzgrammatik, Nebensätze sind in einer Bedeutungsanalyse besonders zu behandeln. Auf diesen Umstand hat systematisch vor allem Frege in seinem Artikel "Über Sinn und Bedeutung" (1892) hingewiesen. Er legt dar, daß Nebensätze - ebenso wie die indirekte, "ungerade Rede" - nicht immer eine "gerade Bedeutung" haben, sondern häufig eine "ungerade Bedeutung": Ihre Bedeutung ist dann kein Wahrheitswert, sondern das, was gewöhnlich ihr Sinn ist, nämlich ein Gedanke, Frege führt dies für eine Reihe von Inhaltssätzen mit 'daß* klassifiziert nach den übergeordneten Verben -, für abhängige Fragesätze und für "Adverbsätze des Zwecks mit "damit"" (1969, S3) sowie Bedingungssätze aus. In Kategorien der Sprechakttheorie stellt Freges Sinn eines Satzes, der Gedanke, den propositionalen Gehalt dar. Der Wahrheitswert, Freges Bedeutung, ist demgegenüber, je nach "direction of fit" zwischen "world " und "word" im Sinne von Searle (1979), ein mögliches Element der illokutiven Kraft. Möglich deshalb, weil nicht für alle illokutive Akte die Frage nach der Wahrheit, im Sinne einer Übereinstimmung von propositionalem Gehalt und Wirklichkeit, einen Punkt macht. Bekanntlich hat Austin in seinen Vorlesungen von 1955 (1962) die selbstverständliche Voraussetzung, daß eine wahrheitswertzentrierte Bedeutungsanalyse vorzunehmen sei, kritisiert, die daran geknüpfte Reduktion der Betrachtungen auf die grammatische Form des Aussagesatzes76 und den illokutiven Akt der Assertion zurückgewiesen und statt dessen den Handlungscharakter von Sprache erkannt sowie programmatisch den Blick geöffnet für die Vielfalt der sprachlichen Handlungen. Gegenüber dem späten Wittgenstein, der ebenfalls eine Gebrauchstheorie der Bedeutung gefordert und aphoristisch formuliert hatte, versuchte Austin, durch eine bestimmte Methodologie ?6
Diese Kritik war zwar bereits von Linguisten wie Wegener (1885) und Ammann (1928) schon einmal formuliert, aber nur bei Wegener ansatzweise in eine Handlungsthcorie von Sprache urngesetzt worden.
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die Untersuchung von Fehlschlagen - zu einem allgemeinen Handlungsbegriff zu gelangen und erste exemplarische Analysen vor allem hochgradig institutionalisierter Handlungen durchzuführen. Dadurch war zunächst die Frage nach der Wahrheit auf die nach der illokutiven Kraft (und auch dem perlokutiven Effekt) ausgedehnt worden. Die weitgehende Semantisierung der Sprechakttheorie durch Searle und die daran geknüpfte (stillschweigende) Hoffnung auf eine eins-zu-eins-Beziehung zwischen sprachlicher Form und illokuüver Qualität beförderte meines Erachtens den Versuch, dann doch wieder Wahrheit als Bedeutung der Proposition aufzufassen und "Brechungen" dieser Wahrheit an propositionale Einstellungen zu binden, den illokutiven Akt weitgehend an sprachlichen Formen, wie beispielsweise den Satzmodi, festzumachen77 und gegebenenfalls in zwei Schritten, durch 'indem'-Relationen (cf. Heringer 1974) die aktuelle illokutive Qualität zu bestimmen - das Konzept der "indirekten Sprechakte" verdankt sich weitgehend dieser Methodologie; als "Basishandlung" im Sinne von Heringer gilt für Äußerungen in der Form von Aussagesätzen stets die Behauptung. So ist es nur konsequent, wenn eine Reihe von Arbeiten auch bestimmte semantische Kategorisierungen von Konjunktionen zum Anlaß nehmen, die entsprechenden Nebensätze als Realisierungen illokutiver Akte zu bestimmen78: so etwa Holdcroft (1971) bei seiner Behandlung von "conditional assertions"; Wunderlich bei seiner anders bezogenen Konzeption von "konditionalen Sprechakten" wie z. B, dem Warnen, Drohen, Ratschlag geben79 (1976); so ferner Ducrot (1972), der bei konditionalen Formulierungen die Protasis als Akt der "supposition" ausgrenzt, während in kritischer Auseinandersetzung damit van der Auwera (1986) in nicht-kommentieren den Fällen eine Assertion (der Möglichkeit von Protasis und Apodosis) ansetzt; Searle & Vanderweken (1985) liefern endlich eine logische Darstellung sowohl der Koordination von illokutiven Akten als auch der konditionalen Strukturierung ("conjunctive illocutionary acts" und "conditional illocutionary acts" in Kap. 7, VII/VÜI), was Rolf (1986) in seinen "Anmerkungen" scharfsinnig kritisiert; ferner bestimmt Wagner in seiner "illokutiven Grammatik" (1984) z. B. allein die 'weil'-Formulierungen als Begründungen. Die Sprechhandlungstheorie überwindet nicht nur die Sprecherbezogenheit und Isoliertheit der in der Sprechakttheorie betrachteten Äußerungen, sondern auch diese Semantisierungen. Die ^ In differenzierter Weise unlängst Motsch & Pasch (1987), Interessante aktuelle Diskussionen zum Satzmodus liegen in Meibauer (1987) vor; eine Scheidung zwischen Form und Handlung mit Blick auf die Frage unternimmt allerdings Wunderlich (1976). ^ Ich habe die Argumentation von Heringer für 'weil' bereits in §2.4 ausgeführt. Brandt et al. (1983) gehen zwar von Begründungen als "Operationen" aus, ordnen jedoch den Nebensätzen ebenfalls Illokutionen zu {s. o. §2.3.3). 79 In den Handlungsanalysen von Rehbein (1977, 325-336), auf die Wunderlichs Überlegungen partiell aufbauen, hat der praktische Schluß - in Form einer 'wenn...dann'-Beziehung rekonstruiert einen spezifischen Stellenwert in der Systematik der gesamten Illokution und ist nicht, wie Wunderlich dies anhand der "Normalform" dieser Sprechaktklasse - in Kritik an Searle und Lewis ausführt, die klammernde Form zweier Akte, deren einer in einer "partikulären Behauptung" des Antezendens (Wunderlich 1976,258) besteht.
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komplexen Wechselverhältnisse von sprachlichen Formen und Zwecken werden analysiert.80 Das, was bei Frege zur Beobachtung der "ungeraden Bedeutung" von Nebensätzen führte, führt in diesem Zusammenhang zu folgender Einsicht: Nebensätze haben einen spezifischen propositionalen Gehalt, jedoch keine eigene illokutive Qualität. Was ist jedoch dann ihre (Fregesche) Bedeutung? Handlungsanalytisch haben Nebensätze eine Nähe zu Prozeduren. Meine These lautet: Sie sind spezifische, komplexe Ensembles von operativen Prozeduren zum Zwecke des Strukturausbaus von Sprache, also zu sprachinternen Zwecken. Mit BHck auf die Gesamtäußerung, formal also mit Blick auf den Gesamtsatz, wird durch einen (vorangestellten) Nebensatz eine Organisation desjenigen Gedankens vorgenommen, der durch den gesamten propositionalen Gehalt kommunikativ vermittelt wird. Es wird ein popositionaler Teil - nicht einmal ein Akt - an einen anderen gekoppelt und bewirkt so eine bestimmte Formung des gesamten propositionalen Aktes. Die Qualität der Kopplung, insbesondere die prozedurale Bedeutung von Konjunktionen, leistet dies. Nur vermittelt durch das Wechsel Verhältnis von propositionaiem und illokutivem Akt kann womöglich eine illokutive Spezifizierung oder eine Modifikation des illokutiven Aktes der Gesamtäußerung bewirkt werden. Das wird empirisch zu untersuchen sein {s. u. §3.3.3.2, 4.) u. 7.)). Weder hat jedoch der Nebensatz ülokutive Qualität noch sind die Konjunktionen einfache illokutive Indikatoren. Daß sie operative Prozeduren zu realisieren vermögen, die wesentliche Elemente von illokutiven Akten ausmachen, habe ich oben für 'denn' gezeigt (§2). Sätze mit paraoperativem 'da' sind in der Tat Nebensätze. Ihr Beitrag an der prozeduralen Konstitution der gesamten sprachlichen Handlung im Prozeduralen ist die Qualität der Neufokussierung und lokalen - wie auch temporalen - Kategorisierung. Das, was prozedural verarbeitet wird, ist Inhalt der Sub-Prädikation. Sie stellt die propositionale Dimension dar, die Frege die ungerade Bedeutung des Nebensatzes, nämlich den Gedanken, nennt Ich habe diese inhaltliche Dimension durch den Begriff der Prädikation bestimmt. Als Sub-Prädikation bildet dieser Gedanke jedoch nur ein Element des gesamten propositionalen Aktes. Es ist locatum im Verhältnis zu einem locandum. Meine Auffassung, daß Nebensätze keine illokutive Qualität besitzen und also auch Nebensätze mit einleitendem 'da' keine Sprechhandlungen realisieren, unterscheidet sich von der Paschs, die formuliert: "Wenn man die Äußerung eines Einstellungsoperators mit seinem Operanden als eine sprachliche Handlung ansieht, was durchaus legitim ist, so stellt sich die Äußerung einer Konstruktion mit da oder denn immer als Vollzug mindestens zweier sprachlicher Handlungen dar." (1983a, 335) Der Hinweis auf die "Legitimität" deutet an, daß sie eine andere Ansicht nicht ausschließt. 80
So beispielsweise bei der Analyse des Begründern mit seinen keineswegs an 'weil1-Konstruktionen gebundenen Realisier u ngsformen, wie etwa Antos dies umgekehrt - im Sinne einer hinreichenden Bedingung - unterstellt (s. o,); Redder (1984) zum Zusammenhang von Medal verbgebrauch und illokutiver Qualität,
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Zurück zu (B29). Diese Einleitung realisiert also aus systematischen Gründen keinen illokutiven Akt, sei dies eine Entschuldigung, eine Rechtfertigung oder eine Begründung. Derartige Formulierungen in Briefen können daher nicht, wie Rosengren (1983) allgemeiner annimmt, Umsetzungen einer "Sender-Strategie" in Illokutionshierarchien sein, mit dem besonderen Zweck, Sender- oder (angestrebte) Empfängerhandlungen, je nach Position auf der "Treppe der Bedingungen", zu begründen (ebd., 1720. Denn diese Konzeption von begründenden Operationen setzte zwei illokutive Akte voraus, die in ein Dominanz-Subsidiaritäts-Verhältnis gebracht werden. Inwiefern die hier angestellten Analysen zur handlungstheoretischen Bedeutung von paraoperativem 'da' im Effekt mit den Bestimmungen von Rosengren (1983, 1987) und auch Pasch (1983) - trotz theoretischer und methodologischer Differenzen - übereinstimmen, werde ich in §3.4.2 ausführlich diskutieren, "da1 ist auch kein Indikator von Begründungszusammenhängen, wenn man Begründungen und Erklärungen in der oben (§2.3.4) beschriebenen Weise differenziert Rosengren nimmt demnach zu rasch eine Zuordnung von Satzeinheiten zu illokutiven Akten vor, ohne die Differenz der traditionell als Haupt- und Nebensatz bestimmten Formen zu berücksichtigen,^ 1 Grammatische Formen sind jedoch in ihren Eigenheiten als Ausdrucksformen von Sprache ernst zu nehmen: sie sind als "autonome" Mittel zu bestimmten Zwecken zu beachten.82 Die diskursive Leistung der 'da'-Konstruktion besteht, so können wir bislang sagen, in einer Organisation des verbindlichen Wissens83 als Ausgangspunkt des darauf aufbauenden, interaktiv thematischen Wissens. Differenziert man handlungssystematisch, unabhängig von Mündlichkeit oder Schriftlichkeit, zwischen Sprecher und Hörer, lautet die Rekonstruktion: Prozedural erfolgt eine sprecherseitige Inanspruchnahme von Wissen als gemeinsamem. Dadurch, daß Rosengren eine Begründung "definiert" als "eine Operation, die darin besteht, daß der Sender auf ein Implikations- bzw. Replikationsverhältnis zwischen Sachverhalten Bezug nimmt", wobei dies Verhältnis "als allgemein gültig vorausgesetzt" wird (1983,172), kann überhaupt der Eindruck entstehen, daß Formulierungen mit paraoperativem 'da' speziell etwas mit der illokutiven Qualität von Begründungen zu tun haben. Mit Blick auf das Handlungsmuster des Begründens (s. o. §2.2.5) ist das zu bezweifeln. Die Inanspruchnahme von Gewußtem widerspricht geradezu dem Zweck von Begründungen, Verstehenselemente für den Interaktanten ®1 In diese Richtung zielt auch eine kritische Anmerkung von Brünncr (1983), wenn sie auf die unhaltbare Voraussetzung der sprachlichen Ausgedrücktheit von Funkt ions- und Ziel zusammenhängen in Texten oder Diskursen hinweist. ^2 Damit wird freilich nicht einer Autonomie im Sinne einer theoretischen Konzeption wie der von Chomsky (1981) das Wort geredet, die vom Fom-Funktäons-Verhältnis die Funktion abtrennt und die Form als solche "autonom" zu erklaren.sucht. 8$ Härtung (19835 formuliert die "Schaffung von Verbindlichkeiten" als ein wesentliches Kennzeichen der Funktion von Briefen,
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zu liefern. Doch betrachten wir weitere empirische Belege zur genaueren Klärung dieses Zusammenhangs, Mit dem folgenden Beispiel (B30) wird der Übergang zu den komplexen Formen der Briefeinleitung hergestellt. Wird die Unvermitteltheit der Briefeinleitung mit initialem 'da' dort textuell aufgefangen? (B 30) ForschungsWerkstatt "Schulkultur" Liebe Kolleginnen und Kollegen, da die Forschungswerkstatt am 27.6. gemeinsam mit den amerikanischen Gästen des Fortbildungsprogramms stattfindet und unsere Bibliothek zu klein ist, haben wir unser Treffen in das Humboldt-Haus (Hauptstr.) verlegt. Gleichzeitig ändert sich der Beginn: 18.00 (statt 17.00). Mit herzlichem Gruß Schmitz Der Hauptpunkt des Briefes ist graphisch abgesetzt und kann so leicht vom Adressaten - womöglich selektiv - wahrgenommen werden. Die zweite neue Information nimmt einen eigenen (Haupt-)Satz in Anspruch. Die Einleitung mit initialem 'da' ist für den Leser nicht problematisch, denn sie enthält einen für den Leser im Unterschied zum organisierenden Absender vergleichsweise irrelevanten organisatorischen Punkt, über den er im Sinne persönlicher, kooperativer Einbeziehung dennoch - grammatisch gleichsam nebenher - informiert wird (sofern er nicht davon weiß). Die Problemlosigkeit des Fokusschwenks wird dadurch gestützt, daß als Briefkopf ein für den Leser bereits eingeführtes Emblem - die Titelseite eines Buches zur "Schulkultur" - und darunter die Zeile "Forschungswerkstatt "Schulkultur"" geschrieben steht. Auf diese Weise ist bereits eine spezifischere Verankerung des Briefes im gemeinsamen Wissen hergestellt, der Wissensraum in besonderer Weise vorstrukturiert, nämlich eingegrenzt auf eine Thematik. Das Stichwort "Forschungswerkstatt" kann somit in der Einleitung zu Recht als gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen werden, wenn auch (womöglich) nicht die gesamte Sub-Prädikation, Ein klarer Beleg für eine komplexe Form der Briefeinleitung ist das eingangs (§3.3.2.1) zitierte Beispiel (B27) mit einem "Betreff": (B 27) Universität..., Fachbereich l Der Hausherr Betr.: Schließanlage des Gebäudes Dorfstraße Sehr geehrte Damen und Herren! Da bei einem Einbruch in das Gebäude Dorf Straße zwei Gruppenschlüssel entwendet wurden, müssen die Haustüren aus Sicherheitsgründen mit neuen Schlössern versehen werden. Aus diesem Grunde ist es bis auf weiteres nicht möglich, die Haustüren mit Ihrem Gruppenschlüssel zu schließen.
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Die Vorschaltung "Betr.:" war bis vor kurzem in sogenannten Geschäftsbriefen routinemäßig eingeführt. Sie dient dazu, eine Anknüpfung an die Vorgeschichte zu leisten, technisch ausgedrückt: der Brief wird in einen "Vorgang" eingeordnet, der stichwortartig charakterisiert ist. Zuweilen folgt ein detaillierter "Bezug" auf einen Handlungsschritt des Adressaten oder auch des Absenders. Handiungstheoretisch wird dem Adressaten dadurch das "Schema" eines Handlungspians irn Sinne von Rehbein (1977) zugänglich gemacht. Innerhalb der textuellen Abwicklung bildet es das "Prä" - in Anlehnung an die Terminologie der "pre-sequence" von Sacks (1976). Ihm folgen, als Ankündigung, die Etablierung eines gemeinsamen Handlungsraums durch die Anrede und die Einleitung in das eigentliche Anliegen des Briefes. In (B27) klafft zwischen "Schließanlage des Gebäudes Dorfstraße" als Prä und "Da bei einem Einbruch in das Gebäude Dorfstraße zwei Gruppenschlüssel entwendet wurden" in der Einleitung eine Lücke. Der Zusammenhang ist keineswegs auseinander abgeleitet oder aufeinander aufbauend. Der Betreff ist zu allgemein gewählt; er umfaßt bereits einen Aspekt des Neuen, das mitzuteilen ist. Die Schlagartigkeit der Neufokussierung, wie sie etwa in (B26) vorliegt, ist in (B27) nur unwesentlich "gebremst". Dies wäre anders, wenn das Prä gelautet hätte: "Einbruch in das Gebäude Dorfstraße - Erneuerung der Schlösser". So wäre auch die Stilebene der Sache angemessener, als dies bei "entwenden" und "Schließanlage" im Originalbrief der Fall ist. Der mangelnden Konkretheit des Betreffs korrespondiert - in negativer Weise - ein abgehobener Stil in der Einleitung. Anders verhält sich dies in folgendem Beleg: (B 31) Fachbereich l - Der Dekan Betr.: Ernennung von ... zu ... hier: Berufungskommission Sehr geehrte Frau Baum, da laut Berufungsrichtlinien bei... eine Berufungskommission zu bilden ist, hat der Fachbereichsrat... Das Prä ist in der Einleitung terminologisch wieder aufgegriffen. Zudem kann die Kenntnis derartiger Fachterminologie aus der universitären Selbstverwaltung sowie deren handlungspraktischer Implikationen in der Tat bei den Adressaten, dem wissenschaftlichen Personal, als bekannt vorausgesetzt werden. Das gilt auch dann, wenn faktisch das gemeinsame Wissen nicht (vollständig) beim Adressaten präsent ist. Denn ein Dekan ist auf die korrekte, gesetzmäßige Durchführung der Geschäfte verpflichtet und insofern auch den Kollegen gegenüber zu Belehrungen berechtigt, gegebenenfalls aufgefordert. Sein Wissen kann demnach Verbindlichkeit für weiteres Handeln beanspruchen. Diese Einleitung mit initialem 'da' ist also durchaus handlungsadäquat. Betrachtet man Belege, in dem das 'da1 aus phänographischer Sicht nicht mehr briefeinleitend verwendet wird, sondern innerhalb des Briefes, erweist sich die Funktion dennoch als gleichartig. Ich gebe lediglich ein Beispiel,
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GAL - Gesellschaft für Angewandte Linguistik Sehr geehrte/r Frau Dr. Bauer, Herr Dr. Bäcker, Universität Neuss, hat Antrag auf Mitgliedschaft in der GAL gestellt. Da Herr Dr. Bäcker Sie als Referent genannt hat, bitte ich um eine kurze Stellungnahme darüber, ob sie/er angewandt-linguistisch tätig ist und ob Sie daher ihre/seine Aufnahme in die GAL befürworten. Im voraus vielen Dank für Ihre Bemühungen Dieses Schreiben ist standardisiert. Nur die kursiv gedruckten Partien sind aktuell eingesetzt. Standardisiert ist also auch das paraoperative 'da' in der Einleitung des zweiten Satzes. Ein Betreff ist hier nicht vorgesehen. Faktisch fungiert jedoch der erste Satz als ein solches Prä für das Anliegen. Dieser erste Satz hat die einfache Form eines Aussagesatzes und die illokurive Qualität einer Mitteilung. Der Adressat baut ein entsprechendes gemeinsames Wissen mit dem Absender auf und ist darauf gefaßt, den Inhalt der Mitteilung für seine Handlungsplanung umzusetzen. Bei Kenntnis der Gepflogenheiten kann er daraus Erwartungen über spezifische Umsetzungsformen ableiten, er kann handtungspraktische Schlüsse daraus ziehen. Im Brief schließt sich daran die Einleitung in das Anliegen an. Die exakte Form der Handlungsraumüberlagerung wird durch 'da' neu fokussiert und innerhalb der Sub-Prädikation als gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen, um eine Bitte daran anzuknüpfen. Diesen Effekt hat die standardisierte Formulierung für den Adressaten auch dann, wenn er zum ersten Mal mit einem solchen Anliegen konfrontiert wird, also aus der Mitteilung noch nicht (ohne weiteres) praktische Schlüsse zieht. Die Inanspruchnahme mittels paraoperativem 'da' basiert schließlich stets auf dem verbindlichen Wissen des Absenders als des Verwalters der institutionellen Handlungsabwicklung. 3.3,2.2 Ergebnis: Einleitung und Inanspruchnahme Die Beispielanalysen lassen eine Bestimmung der Funktionalität von initialem 'da' in Briefen sowie erste Verallgemeinerungen über paraoperatives 'da' in schriftlicher Verwendung zu. Paraoperatives 'da' wird an initialer Stelle in Briefen zu ihrer Einleitung verwendet Diese spezifische Form der Einleitung überbrückt die Zäsur im Handlungssystem von Absender und Adressat mehr oder minder unvermittelt. Die Unvermitteltheit variiert, indem durch ein Prä, z, B. in der Form eines Betreffs, die Thematik des Briefes angesprochen und der Bereich der Neufokussierung dadurch etwas eingegrenzt wird. In jedem Falle setzt der Absender einen Ansatzpunkt für die neue, gemeinsame Handlung und strukturiert das Adressaten wissen nach seinen Erfordernissen. Speziell nimmt der Absender seinen Schreibanlaß als gemeinsam Gewußtes in Anspruch. Der Schreibanlaß ist im unerwarteten Brief aber zunächst nur im Kopf des Absenders fokussiert. Die Aufmerksamkeitsorientierung des Adressaten wird durch
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paraoperativces 'da' sukzessive auf den Hauptgedanken gerichtet. Der Absender versucht also, das "Problem des Anfangs" zu lösen. Mithin hat initiales 'da' in Briefen eine genuin textuelle Funktion, Sprachpsychologisch betrachtet, fokussiert der Absender mittels 'da' das entsprechende Element in seinem eigenen -Bereich neu. Als sein Gewußtes hat es die Qualität eines absenderbezogenen n-Elementes. Durch die Verbalisierung als Sub-Prädikation macht er es im Textraum für den Adressaten zugänglich, ohne daß ihm widersprochen werden kann. Dieser Umstand kann als Inanspruchnahme von - allgemeiner gesprochen - sprechersei tigern Wissen als gemeinsamem bezeichnet werden. An den Briefeinleitungen erweist sich, daß die Sub-Prädikation bei paraoperativem 'da' nicht umstandslos der Opposition von Bekanntheit vs. Nicht-Bekanntheit zuzuordnen ist. Vielmehr ist sie dieser Distinktion gegenüber unempfindlich. Dieses Ergebnis modifiziert die Bestimmung, die ich in §3,2.8 auf syntaktischer Basis gegeben habe. Dort erschien die Positions- und schließliche Strukturverschiebung in den Nebensatz als ein Vorgang, der Sprecher und Hörer gleichermaßen zugänglich ist. Der Charakter der Inanspruchnahme wurde ebensowenig deutlich wie der Umstand, daß es sich bei dem Gewußten um ein sprecherbezogen neufokussiertes nElement handelt. Weitere empirische Analysen werden zeigen, inwieweit diese Bestimmung generell für paraoperatives 'da' gilt. 3.3.23 Briefformulierung: lautes Denken als Analysebeweis ich will mich nun dem systematischen Stellenwert von paraoperativem 'da1 bei der sprecherseitigen Fokussierung im eigenen Wissen genauer zuwenden. Damit rückt die verbale Planung bei der Abfassung von Texten in den Blick, "Verbale Planung" bedeutet nicht, daß der Sprecher vor der Handlungsausführung bereits über einen kompletten Plan verfügt In dieser Weise hat beispielsweise Antos (1983) den Begriff bei Rehbein (1977) als ein starres Schema mißverstanden und ihm seine "dynamische" Konzeption der Formulierung gegenübergestellt (ähnlich teilweise Sandig 1988). Auch Quasthoff (1980) unterstellt letztlich ein "Ziehen" von Plänen bei der Verbalisierung und muß daher zwischen verschiedenen Plänen beim Erzählen unterscheiden, um die Strukturiertheit in der propositionalen und ülokutiven Dimension zu klären. Verbale Planung ist schwer zu rekonstruieren. Um so glücklicher sind Gelegenheiten, sie direkt zugänglich zu erhalten. Das Verfahren dazu ist das "laute Denken". Solches Material liegt in Antos (1983) und Keseling (1988) vor, die das Verfahren für Analysen der Textkonstitution nutzbar machen. Die Absenderbezogenheit des durch paraoperatives 'da1 beanspruchten Ausgangspunktes zwar nicht bei Briefeinleitungen, aber innerhalb von Briefen ist in einigen
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Dokumenten von Keseling deutlich nachweisbar. Eines seiner Transkriptprotokolle der Formulierungsarbeit, Tl, sowie kleinere Ausschnitte aus anderen Protokollen, (8/10) von VP-G-5 und (9) von VP-G-6, sind für meine Fragestellung besonders eindrucksvoll. Ich zitiere exemplarisch den relevanten Ausschnitt aus Tl.
(B 33} Lautes Denken beim Formulieren eines Briefes - Tl aus Keseling 1988, 221. (Schrifttypen: fett=Vorformulierung ; unterstrichen=Niederschrift / kursiv=Reflexion, normal=gelesene Passage - Form an HIAT adaptiert) Ahm ... ich bitte Sie die hier genannten Mängel . äh bis zum { ) beheben zu lassen oder zu beheben Insbesondere ... Ich bitte Sie .... die genannten Mängel bis zum ( ) 17.12.85 beheben zu lassen ( ) .. Insbesondere ..( ) insbesondere ( ) die Fenster sind uns wichtig ( } Nee, ich müßte da drohen das is viel zu weich hier ((streicht "insbesondere")) beheben zu lassen, da .... ich hab das ja eigentlich am Telefon erklärt dann schon warum beheben zu lassen Ich müßte jetzt also ne harte Formulierung/ne härtere Formulierung wählen Mietabzug Da ich sonst... irgendwie ah n Mietabzug machen werde / da ich sonst ((seufzt)).... /( }/Ich bitte Sie, die genannten Mängel bis zum 17.12.85 beheben zu lassen . wie sieht n das juristisch aus ,. beheben zu lassen .. sollt ich sie bitten da noch äh mit uns Verbindung aufzunehmen (das is) schwierig schwierig .. wie is n der Duktus ((liest halblaut den gesamten bisher geschr. Brief, fährt dann langsamer und mit größerer Lautstärke fort:)) Ich bitte Sie, die genannten Mängel bis zum 17.12.85 beheben zu lassen, da ich da ich was/was denn da ich ansonsten ((seufzt)) .... mhm::: ... Abflußrohr beheben zu lassen. Is es da Ende oder fang ich n neuen Satz an? äh . da ich andernfalls aufgrund . / da ich andernfalls /andernfalls is gut /da ich andernfalls Da nee da . da diese also diese Mängel... da diese Mangel eine Beeinträchtigung/eine wesentliche Beeinträchtigung der Wohnqualität darstellen wäre ich andernfalls gezwungen „ / wäre ich andernfalls gezwungen , äh ... einen Miet wie formuliert man das Mietabzug Miet Mietabzug vorzunehmen ( ) Da diese Mängel eine erhebliche Minderung des Wohnwertes darstellen, wäre ich andernfalls gezwungen ( ) werde ich andernfalls . die vereinbarte Monatsmiete die zwischen uns vereinbarte Monatsrniete// Es werden umfangreiche Reparaturen - irn terminologischen Sinne (s. Keseling ebd.) bei der Vorformulierung vorgenommen, die jedoch stets von einem paraoperativen 'da' ihren Ausgang nehmen. Dieses 'da 1 bildet mithin den Fixpunkt der Formulierungsplanung; revidiert wird jeweils die Formulierung der Sub-Prädikation. Keseling diskutiert einige Gründe dafür, die vor allem mit inhaltlichen und logisch-semantischen Verhältnissen zu tun haben. Die mentalen Pianungsprozesse sind also dadurch charakterisiert, daß der Absender stets eine Neufokussierung auf einen Ausgangs-
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punkt in seinem Kopf vornimmt Er verweist jeweils lokal in seinem Wissensraum und hält an dieser Orientierungshandlung bei allen Modifikationen fest. Das Verweisobjekt differiert hingegen und wird entsprechend verschieden in den Rede- bzw. Textraum gehoben. Dabei kann es, wie (B33) zeigt sogar passieren, daß in Phasen schwieriger verbaler Planung das Neufokussierte - in verbalisierbarer Form - aus dem Fokus geraten ist, die Deixis also ins Leere verweist Ich zitiere die Stelle noch einmal: (B 34) da ich .da ich was/was denn da ich ansonsten ((seufzt)) An dieser Stelle scheint mir eine Korrektur der Interpretation sinnvoll, die in Keselings Notation eingeht. Er hat außer dem ersten "da ich" den Rest als Reflexion gekennzeichnet also auch "da ich ansonsten". Das ist nach meiner Einschätzung nicht angemessen. Wenn "Reflexion" bedeutet, daß die mentalen Prozesse selbst Gegenstand der Versprachlichung beim lauten Denken sind, während "Vorformulierungen" Elemente der verbalen Planung, also Verbalisierungen darstellen, die freilich noch nicht in Sprache für andere umgesetzt sind, sondern noch dem - experimentell laut gemachten - inneren Sprechen zugehören, erweist sich lediglich die Suche nach dem vorgeblichen - Fokus als Reflexion. Sie ist charakteristischerweise als lückenhaft gekennzeichnet, indem die Sprecherin 'denn' innerhalb der Frage an sich selbst verwendet. Mit "da ich andernfalls" faßt sie demgegenüber wieder einen Fokus ins Auge und läßt ihn entsprechend laut werden, eben als Vorformulierung. Dabei wird später lediglich "ansonsten" durch "andernfalls" ersetzt, und zwar mit expliziter Bewertung ("andernfalls is gut"). Freilich ist das Verweisobjekt damit immer noch nicht verbalisiert, in den Rede-/Textraum gehoben, sondern nur das wissensorganisatorische Verhältnis ("logisch-semantische Verhältnis" bei Keseling) zum propositionalen Gehalt, der der Neufokussierung vorausgeht.84 In (B33) wird zudem ein interessanter Punkt deutlich, der mit der Position der SubPrädikation in der Gesamtaussage zu tun hat: Kurz nach dem Fokusverlust (B34) zeigt sich, daß die Schreiberin auch den Überblick über den Stellenwert der momentan fokussierten Passage im Gesamttext aus den Augen verloren hat. (B 35) da ich waslwas denn da ich ansonsten ((seufzt)) .... mhm::: ... Abflußrohr beheben zu lassen. Is es da Ende oder fang ich n neuen Satz an? Dabei wird "Abflußrohr" sehr leise gesprochen; ich habe es deshalb kleiner gedruckt. Meines Erachtens muß "beheben zu lassen" als gelesene Passage gekennzeichnet werden, da diese Formulierung bereits kurz zuvor vorgelesen wurde, also bereits niedergeschrieben ist, und nicht als Element der Reflexion. Allerdings schließt sich daran 8* 'ansonsten' ist eine altertümliche, laut Adelung oderdeutsche Variante von 'sonst' {cf. Grimmsches Wb. 16, 1905, 1735). Wunderlich (1979) legt in seiner Analyse von 'sonst" dar, daß in seinem Skopus ein alternativer propositionaler Gehalt in den Blick genommen und zugleich als Negation der unmarkierten Proposition gekennzeichnet wird. Daraus folgt praktisch eine Konzentration auf die positive Alternative.
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eine neue Reflexion an, nämlich über die weitere Textstruktur. Das neufokussierte Gewußte, verbal bis zu "da ich ansonsten" bereits umgesetzt, kann als untergeordnete Fortführung oder als untergeordneter Ausgangspunkt für einen weiteren Gedanken konzipiert werden. Grammatisch ist zwischen einer Nachfeld- und einer Vorfeldposition der Sub-Prädikation zu entscheiden. Beide Positionen können durch paraoperatives 'da' wahrgenommen werden. Erst nach langer Überlegung (16 sec) und im Zuge der allmählichen verbalen Erfassung des Verweisobjektes von 'da1 klärt sich auch sein Status im Gesamt der Gedanken: Es bildet den Ausgangspunkt für einen nächsten Punkt. Die verbale Planung läßt hier erkennen, daß die Funktionalisierung von 'da' zu operativen Zwecken keineswegs die deiktische Leistungsmöglichkeit im Text- oder Rederaum einschränkt, ana- oder katadeiktisch zu verweisen. Daraus bezieht dieses Ausdrucksmittel seine besondere Eignung für die Wahrung eines textuellen Zusammenhangs über Einschnitte hinweg. Ich fasse die Ergebnisse, die anhand des lauten Denkens bei der Formulierung von Briefen gewonnen wurden, allgemein zusammen. Sie gehen über die Funktionsbestimmung von initialem 'da' in Briefeinleitungen, die ich oben gegeben habe, hinaus. Die deiktische Neufokussierung des als gemeinsam in Anspruch genommenen Gewußten basiert auf einer verbalen Planung des Absenders bzw. Sprechers. Sie verdankt sich seiner mentalen Organisation des zu kommunizierenden proposirionalen Gehaltes. Dabei werden nach seiner Maßgabe verschiedene Wege oder Zugangsweisen zum eigentlichen Punkt planerisch durchgespielt, bis eine endgültige Formulierungsentscheidung getroffen wird. Der jeweilige Ausgangspunkt wird währenddessen durch deiktischen Verweis im Wissensraum neu fokussiert. Deutlich ist, daß nicht die Wissenssstrukrur des Adressaten für den Ansatzpunkt ausschlaggebend ist, sondern die dem Absender eigene Sicht auf die "Sachlogik" und die Präsentation.^ Das Ergebnis all der Formulierungsversuche macht schließlich für den Adressaten einen bestimmten Weg des verstehenden Mitvollzugs verbindlich, d. h, eine bestimmte Form der Strukturierung seines Wissens von einem spezifischen, deiktisch neufokussierten Gewußten aus. Für den Adressaten hat das Verweisobjekt zunächst einmal lediglich sprachliche Realität. Und es steht selbst, durch die grammatische Subordination, nicht zur Disposition. Auf diese Weise bearbeitet der Absender problematische Stellen des Übergangs zu einem neuen Handlungsschritt im 85
Nur in diesem Sinne, bezogen auf paraoperatives 'da', läßt sich die allgemeine Zugangsweise von Rosengren (1983) auf die innere Struktur eines Briefes als illokutiv umgesetzte Strategien des Absenders verstehen. Der Strategie-Begriff, bei ihr ähnlich wie bei Wagner (1984) und Ossner (1985), anders als bei Ehlich & Rehbein (1977), greift nach meiner Auffassung zu weit und kann die Spezifik des Verfahrens beim Verständigungshandeln gerade nicht einfangen. Ebensowenig handelt es sich um eine Umsetzung in Illokutionen (s. o.). Eroms (1980) hebt mit dem Begriff "Begründungsstrategie" auf ein anderes Phänomen ab, nämlich die Differenz zwischen "Sachverhaltsbegründung" und "Äußerungsbegründung".
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Brief. Systematisch besteht ein solcher Bedarf bei der Einleitung eines Briefes, wo das Problem des Anfangs gelöst werden muß (s. o. §3.3,2.1). Diese Einsicht werden wir im folgenden Abschnitt zu wissenschaftlichen Texten zu erhärten haben, bevor daraus allgemeine Darstellungskonsequenzen für paraoperatives 'da' zu ziehen sind. 3.3.3 Wissenschaftliche Texte Von wissenschaftlichen Texten darf man erwarten, daß die ermittelten wissenschaftlichen Erkenntnisse in einer für den Leser angemessenen Weise dargestellt werden. Es ist bekannt, daß der Gang der Forschung und der der Darstellung oft differieren. Die Darstellung muß sowohl der Sache als auch dem verstehenden Mitvollzug des Lesers angemessen sein, sie muß mithin das Wissen des Lesers so strukturieren, daß ein Nachvollzug der Forschungserkenntnisse möglich ist, also Einsicht in die Sache vermittelt wird. Die Darstellungsverfahren sind dabei keineswegs universal, sondern kulturspezifisch. Dies hat Clyne (1987) am Vergleich von deutschen und englischen wissenschaftlichen Arbeiten konkret zeigen können. Der Umgang mit Wissen, dementsprechende Erwartungen an die Darstellung und Verfahren der Wissensverarbeitung sind in historisch-gesellschaftlich spezifischer Weise ausgebildet und stellen somit eine kulturspezifische Vororganisation des Leserwissens dar, die durch einen Einzeltext, d. h. eine Einzeldarstellung, nicht beliebig modifiziert oder gar ignoriert werden kann.^ Mit Blick auf die Wissenschafts- und Kulturgeschichte des menschlichen Denkens dürfte sich zudem zeigen, daß bestimmte Denk- und Darstellungsverfahren auch an wissenschaftstheoretische Konzepte, insbesondere an das jeweilige Theorieverständnis, gebunden sind. Solche Diskussionen im einzelnen nachzuzeichnen oder empirisch zu fundieren, übersteigt jedoch die Grenzen dieser Arbeit Hier kann es nur darum gehen, wissenschaftliche Texte als darstellungsmäßig besonders reflektierten Sprachgebrauch zum Gegenstand der Untersuchung zu machen, um den Zusammenhang zwischen verbaler Planung und der Verwendung von paraoperativem 'da' ein Stück weiter aufzudecken. Dazu ist bei den textspezifischen Zwecken und entsprechenden sprachlichen Mitteln und Formen anzusetzen. 3,3.3,1 Absatzeinleitungen in wissenschaftlichen Monographien Läßt sich die für Briefe beschriebene Funktionalität von paraoperativem 'da' auch in wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere Monographien, nachweisen? Die größere Komplexität der Texte dehnt die textsystematische Betrachtung von initialem 'da' auf absatz-ein leitend es 'da' aus. ™ Vgl. zum Verhältnis von Sprache und Kultur aligemein - bezogen auf einen pragmatischen Begriff von 'Kultur' - Redder & Rehbein (1987).
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Volosinov weist bereits 1930 darauf hin, daß die linguistische Qualität eines Absatzes weitgehend ungeklärt ist. Er betrachtet diese Textform auf dem Hintergrund dialogischer Rede und formuliert: "Der Absatz ist gleichsam ein abgeschwächter und ins Innere einer monologischen Äußerung eingegangener Dialog. Die Orientierung auf den Hörer oder Leser und die Berücksichtigung seiner möglichen Reaktionen liegen dem Zerfall der Rede in Teile zugrunde, die in der schriftlichen Form als Absätze bezeichnet werden." (1975, 175f) Wesentlich für die Segmentierung sind also Umsetzungen interaktiver Strukturen. Dieser handlungstheoretisch außerordentlich interessante Punkt ist als Anstoß zur detaillierteren Betrachtung der spezifischen Umsetzungsprozesse und Modifikationen wenig aufgegriffen worden. In einer der jüngsten Übersetzungen sowjetischer Linguistik, bei Moskalskaja, bleibt der Interaktant außerhalb der Strukturbetrachtung, vielmehr stehen der Textproduzent, mehr noch der Text selbst zentral. Moskalskaja diskutiert in ihrer "Textgrammatik" lediglich die "Kompositionsstruktur des Absatzes" (1984, §15). Im Unterschied zur "transphrastischen Einheit" ist der Absatz kein syntaktisches Phänomen, sondern wird - in Anlehnung an die literaturwissenschaftliche Diskussion - als ein Element der Komposition eines Textes betrachtet. Die absatzinternen ebenso wie die textbezogenen Kompositionsstrukturen können variieren, vor allem abhängig von der Textart. Absatzintern hebt Moskalskaja den "Kernsatz", der den Hauptgedanken des Absatzes ausdrückt, im Unterschied zu den "kommentierenden" sowie "einleitenden" und "(folgernden) End-Sätzen" hervor. Wissenschaftliche Texte zeichneten sich durch eine klare, meist drei- bis vierteilige, Absatzstruktur aus. Der jeweilige Kernsatz beinhalte dabei das für nahezu jeden Absatz charakteristische "Mikrothema", Diese beiden differenten, ja mit Blick auf ein Handlungskonzept von Sprachstrukturen konträren Auffassungen mögen zur Kennzeichnung des Hintergrunds für die folgende Betrachtung von absatzeinleitendem paraoperativen 'da' genügen. Eine kleine, zufällige Stichprobe, die ich aus Bänden der Reihe "Linguistische Arbeiten" gezogen habe, ergibt folgendes Bild. Es werden in der Tat Absätze, teilweise sogar ganze Kapitel, mit paraoperativem 'da' eingeleitet. Die Häufigkeit variiert allerdings recht stark. Sie scheint nicht vom Typ der Thematik abhängig zu sein, also etwa von syntaktischen, semantischen oder pragmatischen Untersuchungsgegen"' Einer der wenigen Grammatiker, die - unabhängig davon - für Sprache als "Rede" derartige Überlegungen einbeziehen, ist Brinkmann (1971); dieTextgrammatik des Französischen von Wcinrich (1982) und die Hereinnahme des Kapitels "Text" einschließlich s prechakttheo retische r Darlegungen bei Engel (19S8) zeigen neuere Weiterentwicklungen; Heringer (1988) geht in seiner Grammatik demgegenüber gerade vom Rezipienten aus. In der Textlinguistik bestehen heute Tendenzen, einerseits Text und Diskurs umstandslos zu identifizieren und Textstrukturen als "Illokutionsstrukturen" zu bescheiben (z. B. Brandt et al. 1983; Motsch (Hg.) 1987), andererseits kognitionspsychologische Überlegungen gegenüber sprachlichen Analysen zu verselbständigen und die Zerlegung des Textes als Reflex von Wissenseinheiten, "chunks of knowledge", zu betrachten (vgl. de Beaugrande & Dressler 1981; Rickheit & Strohner 1985).
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ständen. Dies zeigen folgende Zahlen (in der Abfolge bezogen auf die Gesamtseitenzahl): Höhle 1978 (Lexikalistische Syntax), 204 S.: Lenerz 1984 (Syntaktischer Wandel), 206 S.: Reis 1977 (Präsuppositionen), 238 S,: Bublitz 1978 (Sprechereinstellung), 245 S.: Lindner 1983 (Sprachliches Handeln), 266 S, + Anhang:
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Offenkundig nutzen die Autorinnen die Möglichkeit durch 'da' die Zäsur zwischen zwei Absätzen zu bearbeiten, indem etwas als gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen und zum Ausgangspunkt für weitere Darstellungen gemacht wird, sehr unterschiedlich aus. Geringe Verwendung ist allerdings keineswegs ein Zeichen für Strukturlosigkeit. So verfolgt insbesondere Reis eine strikte, thetisch und antithetisch konzipierte Darstellungsform; statt 'da' dominieren bei ihren Absatzanfängen 'daß (dem so ist)', 'aber (selbst) (wenn)', 'wenn dem so ist/wäre' und ähnliche operative Ausdrucksmittel. Die jeweiligen Absätze sind dementsprechend in sich abgeschlossen; ein neuer Ausgangspunkt wird weniger durch wissensstrukturierende Weiterentwicklung als durch seinen Stellenwert im übergeordneten "Schema" der Darstellung, im Aufstellen und Ausschließen von Alternativen bestimmt, bis sich die These beweist. Das entspricht den Darstellungsanforderungen eines deduktiven Schließern, wie es logischempiristische Theorien verlangen. Die beiden absatzeinleitenden Verwendungen der Konjunktion 1da' in ihrer Monographie stehen im Zusammenhang mit Beispielpräsenlationen. Für die Analyse ist es erforderlich, den größeren Textzusammenhang zu zitieren, (B 36)
"Aber: Alle in dem Sinne unpersönlichen Prädikate, daß sie im Rahmen Es ist..., daß p verwendbar sind, können auch im Rahmen (105)a vorkommen; die meisten auch im Rahmen {105)b,b'; viele können fakultativ den Träger der im Prädikat ausgedrückten Empfindung zu sich nehmen, ohne daß ihre Bedeutung eine andere wäre als im rein unpersönlichen, in (103)b, (104)b, illustrierten Gebrauch, vgl. (105), (106): (105)a. Hans findet es ..., daß Fritz abgesagt hat. b. Hans kommt es ... vor, daß Fritz abgesagt hat. 1 b, Hans scheint es ... (zu sein), daß Fritz abgesagt hat. (106) Es ist für Hans peinlich/wichtig/unwichtig/unbegreiflich/sehr arg, daß Fritz abgesagt hat. Da aber Sätze der Art (l05)/(l06) in Glaubenskontexten nichtfaktiv gebraucht werden können, Verbum-Dicendi-Gebrauch zumindest für Satze wie (105)a nicht ungewöhnlich ist, garantieren 'unpersönlich' emotive Prä-
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dikate nicht per se die faktive Präsupposition innerhalb von iifl/J-Konstrak tionen," (Reis 1977,153} Die Beispiele im Text werden nicht, wie man erwarten könnte, anschließend diskutiert. Sie dienen lediglich zur Illustration der Aussagen, die vorab gemacht sind; dementsprechend werden sie mit "vgl." angefügt So folgt ihrer Illustration ein nicht nur technisch bedingter (Unter-)Absatz88 mit einleitendem 'da', genauer: 'da aber'. Vielmehr wird eine eigene, neue Aussage gemacht, die für die Gesamtargumentation weiterführend ist. Der Schritt zu diesem neuen Gedanken wird durch paraoperatives 'da' bearbeitet. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird neu fokussiert. Und dies wird genutzt, um seine Erwartungen umzulenken. Das ist die Leistung des operativen Ausdrucks 'aber'. Somit erfolgt nicht nur die Bearbeitung einer Übergangsstelle irn Wissensausbau, sondern auch eines Erwartungsbruches mithilfe von 'da'. Diese komplexe Steuerung im Verständigungshandeln zwischen Autor und Leser ist riskant. Sie ist um so mehr auf die Verbindlichkeit der Sub-Prädikation angewiesen, um die Prädikation interaktiv geltend zu machen. Ich habe gesagt, daß sie in der Argumentation von Reis weiterführend ist. Denn sie enthält das Ergebnis einer übergeordneten, kontrastierenden Darstellung, die in (B36) durch das einleitende, in seiner Doppelpunkt-Konstruktion den "Para-Konjunktionen" (wie 'allerdings:'; cf. Thim-Mabrey 1985) vergleichbar verwendete 'aber' aufscheint. Dem korrespondiert im Text vorher ein 'zwar'.89 In dessen Skopus werden Selektionsbeschränkungen hinsichtlich persönlicher oder unpersönlicher Gebrauchsweise bei einigen "nichtkognitiven Faktiva", insbesondere Empfindungsverben, diskutiert und beispielhaft - durch die erwähnten (103), (104) - illustriert. Unpersönliche Gebrauchsweisen sind dabei nach der genannten Konstruktion gebildet. Die der 'zwar-aber'-Argumentation übergeordnete Aussage lautet: "weder ,.., noch sind die Grenzen zwischen Verba Affectus und anderen Faktiven im einzelnen scharf zu ziehen. Schließlich reflektiert der für die Stabilität faktiver Präsuppositionen {und damit für die Geltung als Präsuppositionsgarant) offenbar entscheidende Unterschied 'persönlich' vs. 'unpersönlich* in der Regel nicht inhärente Eigenschaften der sprachlichen Ausdrücke, sondern ihres jeweiligen Gebrauchs im Satz: Zwar ..." (ebd., 152). ™ Absätze des Typs "neue Zeile" rechne ich hierzu. Beispiele erfordern aufgrund ihrer eigenen Handtungscjualität in Texten einen Neubeginn; syntaktische Fortsetzungen des Textes über Beispiele hinweg sind in den wenigsten Fällen möglich und als Ausnahme, etwa bei Wiederholungen, zu betrachten. Allerdings dürfte auch dtes Darstellungsprinzip vom Theoriekonzept und dem daran gebundenen Status von Beispielen für die Sachanalyse abhängen. Das mag meine Leseerfahrung klaren, nach der mir zum verstehenden Mitvollzug der Argumentation die Beispiele häufig "zu spät" kommen und die vorgreifenden numerischen Referierungen womöglich mehrerer Beispieltypen als argumentative "Belege" zu wenig einsichtig werden. ®* Zu "zwar ,.., aber" als einem "zweiteiligen Konnektivum" s. unlängst Primatarova-Miltscheva (1986); sie berücksichtigt bei den Korpusanalysen allerdings nur maximal im zweiten Satz nach 'zwar1 stehendes 'aber'. Pragmatisch werde dadurch dem Kontraargument entweder ein Proargument oder ein Aigumentandum verbunden.
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Die Folgerung, die sprachlich aus dem Wissen gezogen wird, welches im Unterabsatz (B36) durch paraoperatives 'da' in Anspruch genommen wird, ist demnach für die übergeordnete, modalisierte ("in der Regel") Behauptung wesentlich. Um so wichtiger ist es, daß dieses Wissen für den Hörer nachvollziehbar ist. Hier wird es in Form einer Sub-Prädikation in Anspruch genommen, nicht nachgewiesen. Ist es vorher als solches dargelegt? Glaubenskontexte werden insgesamt nicht in diesem Unterkapitel zu den "nichtkognitiven Faktiven", sondern in einem weit vorausgegangenen Unterkapitel diskutiert. Dort hebt Reis explizit die Problematik und Umstrittenheit der Verhältnisse in der Prasuppositionsdiskussion hervor; die "Intuitionen" differieren stark. "Emotiv-faktive Prädikate" innerhalb von Glaubenskontexten qualifiziert Reis allerdings als "auf jeden Fall nichtpräsuppositional", sofern deren Komplemente in Pro-Form auftreten, während sie bei Vollformen "meiner Intuition nach" Faktivität annimmt {ebd., 122). Diese explizit an das Wissen der Autorin gebundene Einschätzung erscheint als - freilich verallgemeinernde - Modalisierung ("sinnvollerweise") bei der kurzen Ergebnisresümierung wieder: "das dort erzielte Ergebnis - daß sinnvollerweise nur die Präsupposition 'persönlicher' faktiver Prädikate (...) betroffen sein können" - nämlich von ihrer Eliminierung aus der Reihe der Präsupposirionsgaranten - "bestätigt sich auch hier." (ebd., 149). Mithin wird durch paraoperatives 'da* in (B36) ein Gewußtes in Anspruch genommen, das bereits zweifach ausdrücklich als Einschätzung der Autorin gekennzeichnet wurde. Der durch 'aber1 vollzogene Erwartungsbruch verstärkt diese Autorenbezogenheit des Wissens. Dann, wenn die "Intuition" der Autorin einen common sense mit dem Leser findet, gestaltet sich die Inanspruchnahme durch 'da' im Verstehensprozeß des Lesers problemlos. Andernfalls bindet sie ihn an einen Mitvollzug, der ein diskursives Verfahren nach Art einer Thematisierung zu Zwecken der Dethematisierung darstellt, wie ich es irn vorigen Abschnitt (§3.3.2.1) an (B29) diskutiert habe. {B 37)
"Da die Herleitung dieser Oberflächenstrukturen (alternativ zu den tkatParaphrasen gleicher tiefenstruktureller Provenienz) mittels einer lexikalisch regierten Regel - postuliert wird hierfür Subjekt-Objekt-AnhebungFn bewerkstelligt wird, würde auch hier die Abgrenzung ihres Anwendungsbereichs durch die grammatische Verfügbarkeit von [+/- faktiv] vereinfacht, wenn die postulierte Korrelation existierte. Die Existenz dieser Regel ist allgemein kontrovers, s. Chomsky (1973). Daß sie fürs Deutsche nicht zu motivieren ist, wird in Reis (1973b) zu zeigen versucht, "
(Reis 1977,185f) (B37) bildet einen eigenständigen Absatz. Wieder wird ein insgesamt wichtiges Argument - durch den Konjunktiv als bedingt gekennzeichnet - an einen wissensmäßigen Ausgangspunkt geknüpft, der vom Leser so mitzuvollziehen ist, wie er sich für die Autorin darstellt. Dieser Umstand wird durch die parenthetische Einfügung sogar offensichtlich. Der Einschub würde sich erübrigen, wenn das beanspruchte Gewußte als Gemeinsames gesichert wäre.90 Vielmehr wird in der Form einer Sub-
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Prädikation ein neues Wissen in Anspruch genommen, das durch den eingeschobenen Hinweis noch im Vollzug der Verbalisierung fundiert werden soll. Diese Basis ist ein Postulat, das seinerseits als umstritten gekennzeichnet wird, ja von der Autorin an anderer Stelle als unzutreffend nachgewiesen worden ist Das ist kein Widerspruch zur 'da'-Konstruktion, Sub-Prädikation und Inhalt der Parenthese geben nämlich die Argumentation anderer Autoren (Kiparsky & Kiparsky) wieder, wie der Passage vor (B37) zu entnehmen ist. Der Gesarntzusammenhang zwischen Sub-Prädikation und (konjunktivischer) Prädikation ist in derart knapper Form nur für die Autorin zugänglich. Die sachkompetente Referierung in Sub-Prädikation und Parenthese wird als wissensmäßiger Ausgangspunkt präsentiert, der Hinweis in der Fußnote macht den Hintergrund für den Konjunktiv in der argumentativen Weiterentwicklung, genauer: in der expliziten Bedingung ("wenn die postulierte Korrelation existierte") erkennbar. Die Autorin verkürzt ihre Kritik an der referierten Darstellung der Phänomene auf diese Weise; sie verfährt damit darstellungstechnisch außerordentlich ökonomisch, wenn auch mit einem gewissen Risiko, falls die Darstellung für den Leser dadurch aufwendiger mitzuvollziehen ist. Bublitz und Lindner verfahren stärker beschreibend. Die Absätze werden meist durch symbolische Thematisierungen, z. B. die untersuchten Ausdrücke, Äußerungen oder Argumentationen in der Literatur, eingeleitet. In beiden Belegen von paraoperativem 'da1 bei Lindner wird eine darstellungsorganisatorische Aussage gemacht (B 38} "Da ich irn folgenden ausschließlich sprachliche Handlungsschemata behandeln werde, kann auf das Attribut sprachlich verzichtet werden." {Lindner 1983,59) 1 Der Gegenstand der Darstellung^ wird als sub-prädiziertes Verweisobjekt von 'da' für den Leser verbindlich gemacht, um eine darstellungstechnische Konsequenz anzuschließen. Die gesamte Aussage betrifft eine allgemeine Entscheidung der Autorin bei der verbalen Planung und steht zu Beginn eines Unterkapitels. Der Leser hat sie tatsächlich lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Der andere Beleg bei Lindner betrifft einen mehr inhaltlichen Punkt der Darstellung: (B 39) "Da in der Forschung bereits auf die organisierende Funktion von denn als eine Partikel, die Schemata zur Klärung von Voraussetzungen kennzeichnet - wenn auch dort nicht so genannt - aufmerksam gemacht wurde, verzichte ich auf einführende Beispiele und beginne mit den Verwendungsbedingungen für denn (i.f. abgekürzt 'VB 5')." . (ebd., 159) 90
Man könnte sich in dieser Weise die Form einer Erinnerung an die Basis dieses Wissens vorstellen; dann würde der Inhalt der Parenthese jedoch sinnvollerweise einen entsprechenden Ausdruck, etwa ein 'ja', enthalten. " Die Qualität eines Planungselements wird durch die Verwendung von 'werden' mit Bezug auf den Sprecher ausgedrückt (cf. Redder 1984).
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Es handelt sich um einen eigenen, von der inhaltlichen Fortführung der Gedanken abgetrennten Absatz, so daß die Vorfeldposition des paraoperativen 'da' insgesamt funktional ist. Die Darstellungsentscheidung, die hier getroffen wird, bindet die Autorin an etwas, das sie explizit als gemeinsam Gewußtes qualifiziert. Derjenige Leser, der nicht in gleicher Weise darüber verfügt, wird dadurch an die einschlägige Literatur verwiesen. Die parenthetische Erläuterung geht auf eine vorherige begriffliche Fassung der Autorin zurück, die sie nunmehr in Anspruch nimmt und zugleich gegenüber dem allgemein Gewußten differenziert: Gemeinsames wissenschaftliches und Text-Wissen bilden gleichermaßen den Ausgangspunkt für die Darstellungsentscheidung. Parallel verhält es sich in einem Fall bei Bublitz. 'da' leitet dort ein längeres, exkursartiges Referat über eine Konzeption in der Literatur ein: (B 40) "Da die Gedanken Ducrots bei uns kaum verbreitet sind, gehe ich etwas ausführlicher auf sie ein ..." (Bublitz 1978,17) Darstellungs technische Entscheidungen in dieser sprachlichen Form sind keineswegs spezifisch für geisteswissenschaftliche Arbeiten, wie beliebige Belege aus naturwissenschaftlichen Arbeiten, hier aus zwei anerkannten geographischen Monographien, vergleichend zeigen. Der erste Beleg findet sich in der "Einführung in die klimagenetische Geomorphologie", die eine seinerzeit neue morphologische Theorie (die klimagenetische Morphologie) und entsprechende Methodologie (mathematische Modellberechnungen und Laborexperimente) darstellt. {B 41) "Da wir zunächst nur unkonzentrierten Oberflächenabfluß betrachten und außerdem unberücksichtigt lassen müssen, daß der Oberflächenabfluß je Flächeneinheit auch von der Hangneigung abhängen kann, ergibt sich für unsere Modelluntersuchung nur eine Abhängigkeit von der Fließgeschwindigkeit und von der horizontal gemessenen Wasserscheidenentfernung." (Rohdenburg 1971,3) Das Vorgehen bei der experimentellen Untersuchung wie bei der Darstellung ist so, daß die verschiedenen Einflußfaktoren schrittweise berechnet und in ihrer Überlagerung untersucht werden. Ein Teil dieser Entscheidung wird für den Leser im 'da'-Satz verbindlich gemacht Ebenfalls darstellungstechnisch, wenn auch inhaltlich anders bezogen, ist der folgende Beleg aus der "Geomorphologie der Bundesrepublik Deutschland", die ebenfalls klimagenetisch konzipiert ist. (B 42) "Da auch heute noch in neueren geomorphologischen Arbeiten die Auswirkungen solcher Bewegungen mit dem Phasen-Schema STILLES parallelisiert werden, sei zur besseren Übersicht trotz der erwähnten Bedenken eine Übersicht über die Phasengliederung der alpidischen Gebirgsbildung, die zeitlich der saxonischen entspricht, gegeben." (Semmel 1972,15) Die Darstellungsentscheidung wird explizit an den wissenschaftlichen Usus gebunden, obwohl zuvor argumentiert wurde, daß er sachlich nicht mehr haltbar sei.
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Die beiden anderen Belege von absatzeinleitendem 'da' in der linguistischen Arbeit von Bublitz beziehen sich - einmal vorweg, einmal nachfolgend - auf angeführte Äußerungsbeispiele, sind also positionell denen von Reis vergleichbar. Das gilt auch für den inhaltlichen Stellenwert, denn ihnen kommt illustrativer Charakter für das zu, was der Autor als verbindlichen Wissenszusammenhang vermitteln will. Ich zitiere das Beispiel mit Voranstellung: (B 43) "Da konvers. IMPLen weder vorhersagbar noch unaufhebbar sind, kommt es durchaus vor, daß sie falsch sind und, wenn dies vom Sprecher erkannt wird, korrigiert werden: (10) 'Du hast aber einen Bari.' - Hast du was gegen struppige Barte? - Nein, nein, ich find' ihn gar nicht so struppig, sondern nur etwas lang.'" (Bublitz 1978, 52) An die Stelle einer Interpretation tritt das Vertrauen auf die Evidenz der Funktionsweise des thematisierten Phänomens im Beispiel, indem dies als gemeinsam Gewußtes im Rahmen von 'da1 in Anspruch genommen wird. Mir scheint, daß sich hier der Forschungsprozeß vor die Darstellung schiebt: Die Einsicht, die der Autor bei der Bearbeitung solcher Beispiele in sein Phänomen gewonnen hat, wird bei der verbalen Planung unvermittelt als Wissen beansprucht. Von den fünf Belegen bei Lenerz nehmen drei ein eigenes Sachwissen in Anspruch, während zwei Belege Referierungen verbindlich machen. Die Beispiele sind analog zu den bei Reis diskutierten zu bestimmen. Insgesamt vier Belege enthalten in der Sub-Prädikarion ein Negationselement ('kein', 'nicht', 'aber'), was auf ein bestimmtes, ausgrenzendes Darstellungsverfahren hinweist. Die vergleichsweise zahlreichen Belege von absatzeinleitendem 'da' bei Höhle - einer ist zugleich kapiteleinleitend - enthalten sechsmal Negationselemente, viermal Positionselemente ('gilt', 'ist ganz abgestellt auf, 'definiert', 'entspricht') sowie vier Modalisierungen ('im allgemeinen'. Oft', 'kann', 'ist offensichtlich1) und schließlich zwei Resümierungen durch Kombination mit 'also'. Alle Sub-Prädikationen betreffen inhaltliches und methodologisches Sachwissen. Die Negations- bzw. Positionselemente innerhalb der Sub-Prädikation zeugen auch hier von einer bestimmten Genese der Neufokussierung eines nicht zu widersprechenden Ausgangspunktes: Maßgeblich ist die eigene Einschätzung des Gewußten als wirklichkeitsadäquat oder nicht. Von da aus wird die Darstellung bis zum nächsten verbindlichen Gewußten vorangetrieben. Das gilt auch für die Belege mit Modalisierungen. Sie enthalten als solche noch eine explizite Spur des Zustandekommens: Das Gewußte ist auf die Einschätzungsmöglichkeiten des Autors oder bestimmte Bedingungen in der Wirklichkeit bezogen. Ein Beispiel: (B 44) "Da im allgemeinen eine einfache formale Entsprechung zwischen Subjekt des Aktivs und einer bestimmten Präpositionalphrase des Passivs besteht, wäre die erste Vermutung, daß von einem Aktiv a auszugehen sei." (Höhle 1978,149)
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Das modale Gewußte ("im allgemeinen") ist auf einen nicht-modalen wissenschaftlichen common sense bezogen. Es bildet den Ausgangspunkt für weitere "Vermutungen", also für mentale Entwürfe der Verhältnisse in der Wirklichkeit. Die verbale Planung scheint sich daher während der Verbalisiemng von einem fixierten Punkt aus weiterzuentwickeln. Der Leser wird so in den Gedankengang des Autors hineingenommen, als partizipiere er unmittelbar an ihm. Höhle zitiert den common sense schon ganz zu Anfang des Buches^ als "gültige Entsprechung" und beansprucht ihn anschließend unter dem Stich wort "regelmäßiges Entsprechungs Verhältnis" bereits innerhalb einer 'da'-Konstruktion als Sub-Prädikation (ebd.). Eines der Beispiele in Verbindung mit 'also1 bildet den letzten Absatz eines Unterkapitels. (B 45) "Da also i.a. sowohl für die Passivhilfsverben als auch für die A.c.I.-Verben die Einschränkung X * VK gilt, von dem unmittelbar abhängigen Verb also kein Infinitiv abhängig ist, sind mehrfach ineinander eingebettete Passive wie in der eingangs besprochenen englischen Konstruktion im Deutschen ausgeschlossen." (ebd., 172) Das durch paraoperatives 'da' in Anspruch genommene Gewußte wird bei der Verwendung von 'also' zugleich als ein vergleichendes Extrakt aus Vorherigem gekennzeichnet^. Auf diese Weise qualifiziert der Autor die Wissensorganisation, die er beim Leser vornimmt, im Textzusammenhang, und das heißt auch, im bislang entwickelten gemeinsamen Wissenszusammenhang, Dadurch gesellt sich ein spezifisches Element des Leserbezuges zu der ansonsten autorbezogenen Prozedur. Wenn der Leser die Darstellung, d. h. die sprachliche Entfaltung der Untersuchungsergebnisse, bislang mitverfolgt und verstanden hat, sollte er in der Tat über das Resümee in gleicherweise verfügen können, wie es nunmehr zum Ausgangspunkt für weiteres Wissen wird. Der Autor beansprucht Verbindlichkeit nicht nur des Gewußten, sondern auch des Gewußten als Extrakt aus dem erstellten gemeinsamen Textwissen. In gleicher Weise geht Rohdenburg in der geomorphologischen Untersuchung zu Beginn eines Absatzes von einem mit dem Leser gemeinsam entwickelten Gewußten aus: (B 46) "Da die stabilitätszeitliche Flußeintiefung also außerhalb der heutigen Regenwaldgebiete geringer ist als in diesen, besteht häufig die Tendenz, die Trockenwald-Savannen-Zone als den eigentlichen Bereich der "tropischen Flächenbildüng" aufzufassen." (Rohdenburg 1971, 204f) Die genannte Auffassung wird anschließend nach den Erkenntnissen der klimagenetischen Morphologie als unzutreffend dargelegt. Vorangegangen ist der Absatzeinleitung mit paraoperativem 'da' und 'also', zwei Absätze zuvor, die Ausführung der " Die Formulierung tautet: "In diesem Beispiel wie in fast allen parallel gebauten gilt folgende Entsprechung: der von von regierten Nominalphrase in b entspricht das Subjekt von a;" (ebd., 6) 93 Zu 'also1 vgl. kurz Redder (1989),
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räumlich-klimatischen Differenzierung der Vorgänge. Insbesondere hieß es da; "In den humiden Gebieten ist in den Stabilitäts- und Übergangszeiten andererseits auch die klimazyklische Flußeintiefung im allgemeinen sehr ausgeprägt {...), während diese in den trockeneren Gebieten nur bei stärkerer Reliefenergie so deutlich wird (...)." (ebd., 204). Man sieht, daß propositionale Teile im Nebensatz wörtlich wieder aufgegriffen sind, nunmehr als zwischen Autor und Leser gemeinsam verbindliches Wissen, das füglich in Anspruch genommen werden kann. Allerdings hat derselbe Autor zwei Seiten zuvor in vergleichbarer Position 'weil' verwendet: (B 47) "Weil man also in vielen Fällen nicht mit der notwendigen Sicherheit entscheiden kann, ob eine bestimmte Stufe nun Hydroresistenz-, Lithoresistenz-, Dislokations- oder Pedimentationsstuf e ist, wurde in Abschnitt D b vorgeschlagen, alle diese Stufenformen im Grundgebirge unter dem eniwicklungsneutralen, statisch-morphologischen Oberbegriff "Rumpfstufe" zusammenzufassen." (ebd., 202) Der Text bildet den letzten Absatz eines Unterkapitels - anders als in (B46), dem noch die Gegenargumentarion sowie ein ganzer Absatz zur "deutliche(n) Abweichungen von dem hier gezeichneten Bild" (ebd., 205) folgen. Der Nebensatz enthält in (B47) demnach die Grundlage für eine abschließende Aussage, die ihrerseits dem Leser inhaltlich aus einem vorangegangenen Abschnitt bekannt ist. Neu ist lediglich die Relation zwischen den beiden propositionalen Teilgehalten, also das G rund-Folge-Verhältnis im weiten Sinne. Das wird angemessen durch 'weil' zum Ausdruck gebracht, ohne auf die verbale Planung des Autors Bezug zu nehmen, wie 'da' dies tut. Der genannte Vorschlag des Autors wird auf diese Weise auf eine rein sachbezogene Grundlage gestellt. Der abschließende inhaltliche Punkt, den der Autor setzen will, wird so treffend kommuniziert 'also' genügt zur Kennzeichnung des gemeinsam verbindlichen Textwissens, eine Inanspruchnahme erübrigt sich für den Autor offenbar. Freilich wird so weder eine Übergangsbearbeitung vom vorletzten zu diesem letzten Absatz noch eine sukzessive Umlenkung der Leseraufmerksamkeit bewirkt, wie paraoperatives 'da' dies leistet Der Absatz steht für sich. Ist das Gewußte, das durch 'da' in Anspruch genommen wird, in wissenschaftlichen Texten häufig oder gar immer von derartig resümierender Qualität, unabhängig von 'also'? Letzteres gilt, wie die anderen Beispiele gezeigt haben, keineswegs. Allenfalls gibt der Umstand der Inanspruchnahme dem Leser Anlaß, eine Rechtfertigung dafür zu suchen und dazu beispielsweise auf die gemeinsame Entwicklung von Diskursoder Textwissen zu rekurrieren. Dieser Zusammenhang bildet, handlungstheoretisch betrachtet, allenfalls eine Nahelegung. Das gilt für den Rezipienten, d. h. beim Verstehen der Konstruktion, ebenso wie für den Produzenten, d. h. bei seiner verbalen Planung. Faktisch leistet dies jedoch nicht das paraoperative 'da'. Es ist lediglich geeignet, eine Zäsur zu bearbeiten, indem - anders als bei der reinen Deixis - ein verbindlicher Ausgangspunkt neu fokussiert und in der Sub-Prädikation sprachlich genannt wird. Woraus sich die Verbindlichkeit ableitet und wodurch sie sich gegenüber dem Interaktanten rechtfertigt, bleibt unberücksichtigt. Das ist lediglich durch
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die Rekonstruktion des Wissenstyps zu erschließen, dem die Sub-Prädikation zugehört (z. B. (wissenschaftlichem) common sense). Steht der Wissenstyp im Zusammenhang mit dem gemeinsam konstituierten Textwissen von Autor und Leser, bedarf es zu seiner spezifischen Kennzeichnung eigener sprachlicher Ausdrucksmittel (wie 'also', 'ja') oder textueller Positionen, die eine entsprechende Funktion haben. Der Absatzbeginn ist sicherlich eine mögliche Position. Einerseits beginnt mit ihm, graphisch deutlich abgesetzt, Neues, andererseits steht er noch in einem Zusammenhang mit dem vorangehenden Absatz - als Element einer Folge von Absätzen. Der letzte Absatz eines Kapitels wird als solcher tendenziell auf alle vorherigen Absätze des Kapitels bezogen. Dies vermag die Position von paraoperativem 'da' - parallel zu initialem 'da' in Briefen - als Einleitung eines Kapitels ebenfalls zu leisten. Der Ausgangspunkt des komplexen Neuen, das das Kapitel ausmacht, wird nämlich vermöge seiner Position an das Bekannte des letzten Kapitels rückgekoppelt, dessen Inanspruchnahme scheint sich daher (im Sinne einer Nahelegung) positionell zu rechtfertigen. Ein Bezug auf das gemeinsame Textwissen wird in folgendem Beleg aus einem linguistischen Artikel - zum Thema - schließlich als solcher expliziert. In ihrer fremdsprachendidaktisch und lexikalisch orientierten Arbeit zu den Kausalkonjunktionen schreibt Pasch: (B 48) "Da die Formulierung der Gebrauchsbedingungen der Konjunktionen eine wie oben zu zeigen versucht wurde - dringende linguistische Aufgabe ist, gab es in Grammatiken und Spezialarbeiten wiederholt Versuche, entsprechende Verallgemeinerungen aus den Fakten zu ziehen, wie sie u. a. durch die Beispiele (2) und (3) illustriert werden." (1983a, 333) Die Parenthese läßt erkennen, daß der Autorin die Inanspruchnahme durch paraoperatives 'da' nicht ausreicht, um die gemeinsame Verbindlichkeit des grundlegenden Gedankens hervorzuheben. Deshalb fügt sie diesen Status explizit in einer Parenthese aus. Der Leser wird gegebenenfalls in den Text zurückverwiesen, um sich diese Grundlage anzueignen. Bei Thim-Mabrey (1982) findet sich eine ähnliche Parenthese, allerdings innerhalb eines nachgestellten 'da'-Satzes. Ich werde ihn später (s. u. §3.3.3.2, 6.)) diskutieren. Umgekehrt verläßt sie sich ganz auf den inhaltlichen Mitvollzug des Lesers derart, daß ein bestimmtes Gewußtes für eine neue Aussage beansprucht werden kann: (B 49) "Die Begründungsbeziehung als sprachlich realisierte Struktur muß unterschieden werden vom kausalen Zusammenhang als logischem Verhältnis. Während nämlich bei letzterem nur noch geklärt werden muß, in welcher besonderen Weise zwei Sachverhalte aufeinander bezogen sind, und damit der Zusammenhang selbst als Sinnganzes bereits vorausgesetzt wird, kann dieser sprachlich auf zwei Arten realisiert werden: einmal als ein Sinnganzes, bestehend aus zwei aussagemäßig unabgeschlossenen Strukturen, zum anderen als Beziehung zwischen zwei aussagemäßig abgeschlossenen Strukturen, also zwischen zwei Sinnganzen,
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Diese beiden Strukturtypen, fortan abgekürzt als ST1 und ST2, entsprechen in ihrem Intonations- und Akzentmuster den intonatorischen Einglied sätzen beziehungsweise Zweigliedsätzen. Da ihre Funktion in der unterschiedlichen Strukturierung des Inhalts besteht werden sie als inhaltliche Strukturen bezeichnet" (Thim-Mabrey 1982, 2080 Paraoperatives 'da* findet sich hier im letzten Satz des gesamten Abschnittes, d. h. es leitet Absatz und Abschnitt aus. Der Leser, der die eingangs im Abschnitt unterschiedenen "logische Verhältnisse" als "Inhalte" und die sprachlichen Strukturen bzw. Struktur typen als "Strukturierungen" versteht, erkennt im Inhalt des Nebensatzes die Essenz des gemeinsam aufgebauten Textwissens, die nun für einen abschließenden Gedanken - genauer: für eine terminologische Festlegung - in Anspruch genommen wird. Hinsichtlich des Inhalts der zitierten Passage zu unserem Thema ergibt sich folgendes. Versteht man "aussagemäßige Abgeschlossenheit"94, die auch Eroms (1980) für 'da' hervorhebt, in unserem Sinne als Resultat einer spezifischen operativen Prozedur beim Verständigungshandeln, nämlich als sprachliche Inanspruchnahme eines Wissenselementes als Gewußtem, so stimmen unsere Analyseergebnisse überein. Inanspruchnahme nicht von bereits entwickeltem, sondern als Vorgriff auf zu entwickelndes gemeinsames Textwissen dürfte im folgenden Beleg zur Thematik vorliegen: (B 50) "Während die Herkunft von weil nicht erneut untersucht zu werden braucht, ist die Herkunft von denn weiter strittig. Da sich aber Tendenzen in der Gegenwartssprache zeigen, denn aus dem Feld der begründenden Konjunktionen wieder zu verdrängen, eine Erscheinung, die ganz unterschiedlich begründet wird^1"1·, ist es berechtigt und notwendig, einen Zusammenhang zwischen dem mittelhochdeutschen und dem neuhochdeutschen System der begründenden Konjunktionen herzustellen. Fn. Sieh unten, Abschnitt VI." (Eroms 1980, 74f) Aus der Prädikarion im Hauptsatz und explizit aus der Fußnote geht hervor, daß die für 'denn' nachweisbaren Tendenzen in der Gegenwartssprache erst später Thema sind und im einzelnen dargelegt werden. Der Gehalt des Nebensatzes enthält also das begriffliche Schema geplanter inhaltlicher Ausführungen und wird als solches, dem Verbalisierungsplan des Autors gemäß, hier - für den Leser vorgreifend - in Anspruch genommen. Insofern haben wir hier den besonderen, abgeleiteten Fall des umgekehrten Verfahrens zur Resümierung mittels 'da'. Solche Verfahren sind aus der Erzahlforschung als Angabe des " 5" bekannt.
*4 Thim-Mabrey folgert aus der Unmöglichkeit, mit einer 'da'-Formulierung auf eine 'warum'Frage zu antworten, kurz zuvor, "daß ein da-Satz stets aussagemäßig abgeschlossen ist und nur in Verbindung mit einer aussagemäßig abgeschlossenen Trägerstruktur auftreten kann," (ebd., 208)
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Die Inanspruchnahme des Gewußten durch paraoperatives 'da' schließt als solche keineswegs aus,, daß der Leser faktisch beim verstehenden Mit Vollzug des Textes noch kein entsprechendes Wissen aufgebaut hat. Die Sub-Prädikation ermöglicht ihm - und verpflichtet ihn darauf -, es gleichwohl nunmehr zum Ausgangspunkt der weiteren Darstellung und Entfaltung von Wissen zu machen. Auf diese Weise hat ein mental "abgehängter" Leser zugleich die Chance, wieder einen "Einstieg" in den Text zu gewinnen. Solche Fälle der Angewiesenheit des Lesers auf Verbindlichkeiten bzw. umgekehrt Fälle der vom Autor angelegten Wissenstrukturierung können eine Fragmentarisierung des. verstehenden Mitvollzuges bewirken, ja sogar präformieren. Wenn allerdings dem Inanspruchgenommenen ein entsprechendes Wissen beim Leser korrespondiert, stellen die Sub-Prädikationen "Pflöcke" für den gedanklichen Mitvollzug dar, die der Autor nach eigener Maßgabe setzt und zugleich sprachlich kommuniziert, so daß eine wissensstrukturelle Überprüfung der Gemeinsamkeit möglich ist. Der sprachliche Ausdruck 'da' leistet diese Gemeinmachung freilich gerade nicht. Die Belege aus wissenschaftlichen Monographien haben gezeigt daß paraoperatives 'da' für verschiedene Ziele gleichermaßen funktional ist: Erstens wird es an Stellen eingeschobener darstellungstechnischer Organisation verwendet. Dabei geht es um die Kommunikation großräumiger verbaler Planung des Textes. Zweitens machen Autoren bei kleinräumiger verbaler Planung von diesem Ausdrucksmittel Gebrauch, besonders zu beginn von Absätzen. Dabei geht es um Darstellungsschritte bei der Wissensvermittlung. Derartige Schritte sind ferner bei der Behandlung von Beispielen und ihrer inhaltlichen Auswertung sowie bei der Vermittlung von referiertem und eigenem Wissen wichtig. Paraoperatives 'da' in Vorfeldposition dient jeweils der gleichen Funktion, nämlich der Bearbeitung von Zäsuren, insbesondere der Übergänge von entwickeltem zu zu entwickelndem gemeinsamen Wissen, wie es sich für den Autor darstellt. Sein gedanklicher Entwicklungsgang wird so kommunikativ zugänglich und zugleich verbindlich gemacht, 3.3.3.2 Wissenschaftliche Vorlesung (Peter Szondi) und wissenschaftliche Artikel: 'da' in Texten zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit Ich will nach der Untersuchung typisch schriftlicher Texte nun exemplarisch eine für die mündliche Präsentation konzipierte Darstellung von wissenschaftlichem Wissen betrachten: eine Vorlesung. Für einen phänomenbezogenen Vergleich werden zuweilen Belege aus wissenschaftlichen Artikeln, die nicht selten auf Vorträge zurückgehen, hinzugezogen. Die bisher gewonnenen Bestimmungen der Pragmatik von paraoperativem 'da' machen zugleich eine Ausdehnung des untersuchten Phänomenbereichs möglich. Nicht nur absatzeinleitendes und damit im Vordersatz stehendes 'da', sondern auch Verwendungen an Nachfeld- oder Mittelfeld-Position, d. h. in Nach- oder Schaltsätzen
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bzw. Parenthesen, sind in diesem Paragraphen von Interesse. Daran werden sich Verschiebungen von einer rein propositionalen zu einer im Wechsel mit der fllokution funktionierenden Operativität der durch 'da' vollzogenen Prozedur erweisen. Es ist keineswegs einfach zu klarem welche Handlungsqualität einer Vorlesung zukommt. Dies ist abhängig von der historisch-gesellschaftlichen Funktion, die sie im Rahmen der Institution Hochschule^ einnimmt. In Zeiten, in denen sie zunehmend obsolet wird - Mitte der sechziger Jahre in der BRD - oder, nach zwischenzeitlicher Eliminierung aus dem Repertoire der Vermittlungsformen an der Universität, in denen sie erst langsam und zuweilen unterschwellig wieder in den Diskurs eingefügt wird, ändert sich ihre Struktur tendenziell zu der einer diskursiven Großform. Vordem nahm die Vorlesung - als Vortrag - einen festen Platz in der akademischen Lehre ein und hatte die Qualität eines Textes mit der ihm eigenen Überlieferungsqualität (cf. Ehlich 1983a). Vorlesungsskripten besorgten die Tradierung auch in schriftlicher Form.96 Ich werde mich hier auf eine solche textuelle Vorlesung alten Typs beziehen, kurz vor deren Ablösung: auf die aus dem Nachlaß herausgegebenen Vorlesungen von Peter Szondi zur "literarischen Hermeneutik".97 Man darf erwarten, daß ein Autor, der das Verstehen und dessen historisch-gesellschaftliche wie im besonderen sprachliche Bedingtheit zum Gegenstand seiner Vorlesung macht, ebenso reflektiert bei der Darstellung seiner Erkenntnisse verfährt.9® 1.) 'da' im Vordersatz Die Zerlegung einer Vorlesungsreihe in Einzelvorlesungen erfordert zu deren Beginn stets die Herstellung des Zusammenhangs. Der Abschnitt (B49) stellt einen solchen ersten Absatz der 11. Vorlesung zur Reihe "Interprelationsprobleme (Hölderlin)" dar und widmet sich als dritte Vorlesung der philologisch umstrittenen Hymne "Friedensfeier". Deren Reinschrift wurde sehr spät aufgefunden und gab Anlaß zur Kritik 95 Diese Institution ist Gegenstand der Interaktionsanalyse von Koerfer & Zeck (1983); zentral stehen dabei Seminardiskussionen. 96 Brinkmann (1971) diskutiert einen Vortrag als eine Form "partnerbezogener linearer Satzfolge" in seiner Grammatik. 97
Ich zitiere nach der Studienausgabe der Vorlesungen, Band 5, "Einführung in die literarische Hermeneutik", Frankfurt: Suhrkamp 1975 {abgekürzt: Szondi LH V). Die Editionsprinzipien wahren für meine Zwecke hinreichend Authentizität, Selbst wenn ein Beispiel durch redaktionelle Bearbeitung zustande gekommen sein sollte, ändert sich an dieser Einschätzung nichts, da es mir nicht um eine rhetorische Analyse der Sprache Szondis als individueller Person geht. Durch die Edition ist die Vorlesung endgültig zu einem Text geworden, so daß ich textbezogene Kategorien verwende. 98 Es hat sich gezeigt, daß in der Vorlesung auch extensiv vom Korrelat 'so' in Konditionalkonstruktionen Gebrauch macht ist (Redder 1987).
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der Editionen früherer Entwürfe, der Rekonstruktion der Entstehung der Reinschrift sowie ihrer Interpretationen. Auf den letzten Punkt geht Szondi besonders ein. (B 51) "In der zweiten Strophe der Hymne Friedensfeier tritt zum ersten Mal im Gedicht der Fürst des Festes oder doch dieser Name auf. Im Lauf der Auseinandersetzungen um diese Gestalt ist man allmählich zur Einsicht gekommen, daß es verfehlt war, die Frage oder die These, wer mit ihr gemeint 5 sei, gleichsam als das einzige Problem des Gedichts hinzustellen. Denn man hat darüber zunächst den sehr präzisen Zusammenhang vernachlässigt, in dem die Gestalt auftritt und auf den sich ihre Merkmale beziehen, Merkmale, die man nicht als Wesenszüge absolut setzen sollte. Da es aber hier urn Interpretationsprobleme geht, um die Erkenntnisproblematik der Philolo10 gie, für die als Exempel die Hölderlin-Forschung dient, kann diesem Fehler selber nicht ganz aus dem Weg gegangen werden und müssen im Lauf der Interpretation die verschiedenen Hypothesen über den Fürsten des Festes der Reihe nach betrachtet und zur Diskussion gestellt werden." (Szondi LH V, 350) Szondi begründet - im Nachhinein, mittels 'denn' - den aktuellen Kenntnisstand, demzufolge eine der Hauptstreitfragen verfehlt war. Daran schließt sich die negativ konzipierte 'da'-Äußerung an (Z. 8-13); Es erfolgt eine Neufokussierung ("Da", Z. 8), die durch das anschließende nicht-verbale Element syntaktisch als Neufokussierung einer Sub-Prädikation erkennbar ist {"Da es ..,"), Wir haben hier den hochkomplexen Fall des sogenannten "expletiven" 'es' (vgl. Pütz 1975). Im Rahmen einer sprachpsychologischen Behandlung ist der Ausdruck 'es' als "phorische Prozedur" zu bestimmen (s, o. §3.2.2.). Durch eine phorische Prozedur bewirkt der Sprecher eine Fokuskontinuierung beim Hörer. Diese Leistung kann insbesondere für die Organisation des sprachlichen Geschehens ausgenutzt werden, im Deutschen speziell zur sprachlichen Realisierung der Subjektposition, Sprachpsychologisch heißt dies für (B51), daß der Leser die erwartete syntaktische Position, nämlich die Zweitstelle, im Fokus halten und nach Art einer kataphorischen Prozedur mit den Kongruenzelementen des finiten Verbs syntaktisch sättigen soll. Die operative Qualität der Phorik (Ehlich 1987a) wird hier besonders deutlich. Die naheliegenden Erwartungen, die der Leser aus dem in ( 5 ) zuvor Gesagten heraus entwickelt, werden zudem durch 'aber' umgelenkt ("Da es aber hier ..."). Diese Prozedur entspricht der oben in (B36) diskutierten. Der Leser wird "hier", in der Vorlesung, auf ein Gewußtes verpflichtet, das Programm ist: "Interpretationsprobleme", und das heißt: "die Erkenntnisproblematik der Philologie" (Z. 90- Dies Thema ist, als übergeordnetes Ziel, zu Beginn der Vorlesungsreihe genauer vorgestellt worden. Somit wird das allgemeine darstellungsorganisatorische Wissen reaktiviert, um Zielsetzung und Verfahren der Einzel Vorlesung daran rückzukoppeln. Der Übergang vom "Einstieg", den die Information über die Forschungslage realisiert, zur methodischdidaktischen Entscheidung über die Themenbehandlung "hier und jetzt", die in der Prädikation ausgedrückt ist, wird zweckmäßig durch paraoperatives 'da' bearbeitet.
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Dem Leser werden in (B51) - darin (B38-40) vergleichbar - also Darstellungsentscheidungen und deren Kriterien zugänglich und zugleich verbindlich gemacht. In Unterrichtsanalysen hat sich gezeigt daß dadurch die Mitarbeit der Interaktanten an der gemeinsamen Sache befördert wird; allerdings erfolgt die Vermittlung dort in sprachlich anderer Form, beispielsweise durch den Modalverb-Apparat (Redder 1984; 1987 allgemeiner zum Unterrichtsplan). Paraoperatives 'da' erlaubt es, das Kriterium als Gewußtes zu kommunizieren und zugleich in Anspruch zu nehmen, während Phasierungen und Strukturierungen durch Modalverben lediglich die planerischen Konsequenzen daraus modal qualifizieren. Diese Qualifikation hat in (B51) ebenfalls Eingang gefunden, nämlich in der Verwendung von 'können' und 'müssen' in der Prädikation, auf die hin die Sub-Prädikation angelegt ist. Nebensatz und Hauptsatz stehen also in einem modalen Verhältnis zueinander: Im Nebensatz wird noch einmal das Ziel festgehalten, im Hauptsatz werden Wege zu diesem Ziel kommuniziert^ 2.) Syntaktisch komplexe Vordersatz-Beispiele Ich diskutiere nun syntaktisch komplexe Belege von paraoperativem 'da', die die Versprachlichung von verbaler Planung recht gut erkennen lassen. Die beiden folgenden kommen bei der exemplarischen Ausführung interpretatorischer Analysen Szondis vor. In (B52) wird das Problem der Rekonstruktion von sprachlicher Konsistenz anhand verschiedener Handschriften diskutiert, also das hermeneutische Problem des Gadamerschen "Vorgriff(s) der Vollkommenheit", Für eine bestimmte Stelle in der "Feiertagshymne" wird festgestellt, daß sie erwiesenermaßen konsistent ist. (B 52) "Denn daß die erste Stufe einen in sich konsistenten Satz darstellt steht fest, und zwar gleichgültig, ob sie nun mit Hellingrath zu lesen ist als ... oder mit Beißner als .... Da nun die Hymne selber unvollendet ist, wie ich, diesmal mit Beißner und Hellingrath, gegen Lachmann und Pongs annehme, und 5 gleich mit Vers 67 ein Satz beginnt, der zwar von Vers 70 an einen in sich zusammenhängenden zweiten Teil erhält, aber zwischen Vers 67 und 70 eine große Lücke aufweist, ist es editionskritisch keine legitime Aufgabe, auch den vorausgehenden Satz um jeden Preis als lückenlosen herzustellen." (Szondi LH V, 312) "Brünner (1983) hat einige Fälle des Zusammengehens von Konjunktionen und Modalverben in Planungsdiskursen unter dem Aspekt von "schlußtragenden Konstruktionen" behandelt. Ich meine, daß die Differenzierung zwischen Schlußprozessen und Einschätzungen, Bewertungen, Entscheidungen so terminologisch und auch zuweilen analytisch verwischt wird, so daß präzisere Bestimmungen gewonnen werden könnten. Äquivalenzen, wie Ransom (1986) sie gar zwischen z, B, 'for to' und 'will1 formuliert, setzen die unterschiedlichen sprachpsychotogischen Leistungen der Mittel eher zuf als daß sie sie entdecken. Eine Verhältnisbesrimmung und Betrachtung möglicherweise gleicher pragmatischer Effekte hätte jedoch gerade davon auszugehen.
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Der Skopus des paraoperativen 'da' (Z. 3) erstreckt sich über eine in sich syntaktisch komplexe Sub-Prädikation (Z, 3-7). Die katadeiktische Verweiskraft reicht weit. Szondi qualifiziert das in Anspruch genommene Gewußte im ersten Teil als umstrittene/ in dieser Form jedoch vom ihm (mit) vertretene "Annahme"; es wird dadurch ein Wissen verbindlich gemacht, zu dem er sich als Ausgangspunkt in seinem Kopf entscheidet. Die Bindung der Vorlesung an den Gang der Interpretation im Kopf des Dozenten - an den Plan für seine Darlegung, genauer gesagt - wird durch die Verwendung der Planungsdeixis 'nun' gestützt ("Da nun ,,."). Im Effekt einer Übergangsbearbeitung sind Planungsdeixis und paraoperatives 'da' vergleichbar^. Die Differenz besteht in zweierlei. Erstens ist paraoperatives 'da' nicht auf eine Abfolge bezogen, sondern fokussiert lediglich einen Ort oder auch Zeitpunkt, Zweitens ist 'da1 Ausdruck verbaler Planung mit Blick auf den wissensmäßigen Ausgangspunkt der Darstellung - dies hat sich empirisch am lauten Denken bei der Briefformulierung gezeigt (§3.3.2,3). Die Prozedur wird jedoch nicht selbst wie bei der Verwendung von 'nun' - in der Planungsdimension ausgeführt. Im Skopus von 'da' bewirkt 'nun', daß das in Anspruch genommene Gewußte ein Moment des geplanten Übergangs enthält, jedoch nicht zentral stellt, Ich habe innerhalb der syntaktischen Diskussion zum Relativum den umgekehrten Fall diskutiert (s. o. BIS, §3.2.4.4), bei dem 'da' eine Subordination unter die Planungsdeixis vornimmt, so daß der Übergang zum nächsten Planungsschritt ('nun') näher ausgeführt werden kann (im "Relativsatz", eingeleitet durch 'da'). Der zweite Teil des Gewußten in (B52) - das "Konjunkt", logisch gesprochen - ist ein von Szondi unabhängiges, wissenschaftliches Sachwissen (Z. 5-7), wenngleich auch ihm notwendig eine interpretatorische Einschätzung zugrundeliegt. Das gesamte Gewußte dient als Basis für eine methodologische Kritik, die Szondi als Dozent bzw. Autor dann entfaltet. Durch die Verwendung von paraoperativem 'da' wird mithin sukzessive die Aufmerksamkeit auf einen neuen Interpretationsschritt hingelenkt. Auf andere Weise syntaktisch hochkomplex ist (B53). (B 53) "Durch diese Unsicherheit wird auch jenes Interpretationsverfahren fragwürdig, zu dem man gern Zuflucht genommen hätte: nämlich zuerst die Handlung - wenn das Wort hier statthaft ist - herauszustellen und dann erst die dramatis personae, von der Handlung her, zu bestimmen zu suchen. 5 Aber da, um ein konkretes Beispiel zu geben, nicht nur umstritten ist, wer in den Versen 109-112 denn darum rief ich (...) O Jüngling, dich zum Fürsten des Festes mit Jüngling und wer mit Fürst des Festes gemeint ist, sondern auch, ob von zwei Gestalten oder von einer einzigen die Rede ist, ob das 100 Historisch - im Mhd, und Nhd., bis zu Goethe - hat auch 'nun' einmal der Subordination gedient, war also zu operativen Zwecken funktionalisiert {cf. Grimm WB 1889, 989f zur temporal/kausalen Konjunktion).
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rufen ein "zu jemand rufen" oder ein "zu etwas ausrufen" bedeutet, kann 10 auch das Handlungsgefüge nicht mit Sicherheit im voraus erkannt werden." " (Szondi LH V, 332) Die Verweiskraft von 'da1 erstreckt sich hier noch weiter (Z. 5-9), die Konstruktion ist verzweigter, als im vorigen Beispiel. Dennoch fehlt ein sprachliches Korrelat, das das Ende anzeigen würde und die Fokussierung erneuerte. Die paraoperative Prozedur hält einen komplexen propositionalen Teil der Gesamtäußerung zu einer Einheit zusammen, 'da' steht im Vergleich zu (B52) diesmal im Skopus eines anderen operativen Ausdrucks, nämlich 'aber' (Z. 5). 'da' und 'aber' erweisen sich Oberflächenstrukturen betrachtet als permutierbar.101 Nicht die Sub-Prädikation wird als den Erwartungen des Lesers zuwiderlaufend behandelt, sondern die gesamte Prädikation. Die Umlenkung der Erwartung wird also mithilfe der Basierung auf ein Gewußtes leichter, nämlich sukzessive nachvollziehbar gestaltet. Dies Gewußte, das durch paraoperatives 'da' in Anspruch genommen wird, baut der Autor wiederum in sich kontrastiv koordinierend auf. Der operative Ausdruckskomplex 'nicht nur ..., sondern auch' steuert die Erwartungen gegenläufig, von der Negation (Z. 5) zur expliziten Position (Z. 7) hinführend102, und fügt Isoliertes ('nur') zusammen ('auch') - im Sinne der "Einordnung in eine gemeinsame Instanz", wie Lang (1977) dies für die Koordination beschreibt. Szondi qualifiziert in (B53) zudem das Gewußte als zielführendes ('um..,zu') Beispiel (Z. 5), das komplexe Verbalisierungsverfahren mithin als methodisch reflektiertes. So wird für die weitere Gedankenentfattung eine filigrane Gedankengrundiage gelegt. Allein die komplexen syntaktischen Ausführungen innerhalb des Nebensatzes, wie (B52) und (B53) sie enthalten, zeigen, daß paraoperatives 'da" keineswegs einfach auf bereits Bekanntes hin angelegt ist, wie etwa Paul, Brinkmann und Sitta in den Grammatiken annehmen. Die systematischen syntaktischen Möglichkeiten im Skopus von 'da'^^ zeugen vielmehr gerade davon, daß mit komplexen sprecherseitigen "Zubereitungen" des In-Anspruch-Genommenen gerechnet wird, also mit Erwartungs- und Wissensbearbeitungen, die weit über eine einfache Reproduktion von gemeinsamem Wissen hinausgehen. Daher genügt auch der Hinweis von Harweg nicht, "daß die als Grund fungierende Tatsache als Tatsache bekannt ist" und "nicht als Grund" (1972, 101
Anders als im vorigen Beispiel ist 'aber' nach Clement & Thümmel (1975) hier als Konjunktion, nicht als Situativpartikel zu werten, während 'da' jeweils Situativpartikel ist. 102 Es ist bekannt, daß die explizit positionierende Erwartungsumlenkung im Unterschied zur einfachen Umlenkung nach einer Negation nicht in allen Sprachen einen eigenen Ausdruck hat (s, z. B, zum Englischen im Vergleich zum Hebräischen Dascal & Katriel 1977, zum Deutschen, Niederländischen und Englischen Abraham 1975 und Deutschen/Englischen Bublitz 1978). 103
Cf. im Rahmen des deutschen Sprachsystems insgesamt Ctement & Thümmel (1975) und Cl£ment (1982) sowie speziell für 'da' Thümmel 1979. Ich will Thümmels Beobachtungen zur NichtSubstituierbarkeif von 'da' durch 'weil' im Anschluß an meine diskursive Bedeutungsbestimmung sprachpsychologisch 2u rekonstruieren versuchen.
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140). Die Frage nach der Bekanntheit scheint zu grob gestellt, um die Prozeduren beim Verständigungshandeln adäquat zu erfassen. Dies wird an einer komplexen Formulierung in Harwegs eigenem Artikel deutlich. (B 54) "Derselbe Test zeigt zugleich, daß eine da-haltige Begründung einen solchen Status nicht hat (als Satzglied; A.R.) Denn eine dfl-haltige Begründung als Antwort auf eine Warum-Frage wäre, wie z. B. die - unzulässige - Äußerungsfolge *A.: Warum kommt Karl nicht? -R.: Da es regnet zeigt und auch 5 bereits von Erben und Brinkmann betont worden ist, offensichtlich ungrammatisch, und da dieser Tatbestand nicht dadurch erklärt werden kann, daß man annähme, ein tiß-haltiger Ausdruck des in Rede stehenden Typs gebe keinen Grund an - denn das tut er ja offensichtlich ebensogut wie ein ti)ei/-haltiger -, verbleibt als einzige Möglichkeit, diesen Tatbestand zu er 10 klären, nur die Annahme, daß dieser da-haltige Ausdruck die durch den Ausdruck warum ? an dessen Antwortkorrelat gestellte Forderung nach Satzgliedwertigkeit nicht erfüllt" (Harweg 1972,143) Das Satzgefüge mit dem 'da'-Satz in Vorfeld-Position ist explizit einem Hauptsatz mit einleitendem 'denn' (Z. 2) koordiniert ("und da", Z. 6), dem Nebensatz ist ein ergänzender 'daß'-Satz untergeordnet (Z. 7), und auf dessen Gehalt bezieht sich wiederum ein parenthetischer Einschub mit 'denn' (Z. 8f)· Durch die Koordination werden die beiden verknüpften Aussagen parallelisiert. So kommt eine eigenartige Gleichordnung von eingangs nachgeschobener Begründung durch 'denn' und lokalisierender paraoperativer Prozedur zustande. Das durch 'da' in Anspruch genommene Gewußte ist offenbar nicht hinreichend "als Tatsache bekannt", sonst wäre die parenthetisch eingeschobene Begründung nicht erforderlich, durch die ein Teil der Sub-Prädikation - deutlich am Korrelat 'dadurch' im 'da-Satz (Z. 6) - erst leserbezogen verstehbar gemacht wird. Durch die Partikel 'ja' (Z. 8) versucht der Autor schließlich, in dieser Aussage auf gemeinsam geteiltes Wissen zu rekurrieren. Die komplexe Zubereitung dessen, was als "bekannt" gilt, ist in der sprachlichen Formung gut erkennbar. Die in (B54) parallelisierten Aussagen dienen gleichermaßen der bereits vorweggenommenen Behauptung Harwegs, daß 'da'-Sätze, die dem "zu begründenden Sachverhalt nachgestellt sind", nicht den funktionalen Status eines Satzgliedes haben, sondern, wie anschließend ausgeführt wird, denjenigen eines Satzes, "textologisch" denjenigen eines "Textfortsetzungssatzes" (1972,148). Derartige Positionierungen werde ich im folgenden untersuchen. Während inhaltlich Harwegs Ergebnis zur syntaktischen Funktion zuzustimmen ist - nach meiner Auffassung entspricht das der generellen Funktion der topologischen Positionen -, kann ich die Analyse mittels FrageAntwort-Sequenz und auch die Argumentation zur Kausalität nicht uneingeschränkt miivollziehen. Darauf werde ich bei meiner kritischen Auseinandersetzung mit der Literatur (§3.4.2) genauer eingehen.
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3.) Paraoperatives 'da' und das Mittel der Parenthese Ich betrachte im folgenden Beispiele, in denen 'da' nicht mehr im Vordersatz vorkommt Zunächst ist das Zusammenwirken der paraoperativen Prozedur mit einem grammatischen Mittel zu untersuchen, das gewöhnlich als Parenthese bezeichnet wird. (B 55)
"Nun wirft die Stelle aber nicht nur die Frage auf, inwieweit sie einen Wandel dokumentiert; wichtiger noch - da auch sonst kaum etwas die Rede von einem solchen Wandel rechtfertigt - ist eine andere Frage, ob es im Text der metrischen Fassung - wie bei Hellingrath, Lachmann, Heidegger und anderen - heißen soll:... oder - wie bei Beißner -..." (Szondi LH V, 3010 Der Text bildet einen eigenen Absatz innerhalb der Diskussion von Prosafassung und metrischem Entwurf der "Feiertagshymne". Szondi hat zuvor verschiedene Interpretationen einer Stelle referiert und die Folgerung eines fundamentalen Wandels - gemäß Lachmann - als nicht stichhaltig zurückgewiesen. Er beginnt den Absatz mit der Planungsdeixis, vollzieht also explizit einen Übergang zum nächsten Planungsschritt. Dieser Übergang wird kontrastiv angelegt: 'nicht nur ...; wichtiger ...'. Es ist also bereits eine Umlenkung der Erwartung des Lesers angebahnt; lediglich die positive Ausführung fehlt noch. An dieser Stelle wird die Darstellung syntaktisch und pragmatisch unterbrochen.104 Eine Parenthese ist ein typisches Phänomen gesprochener Sprache, indem der Sprecher eine unterstellte Voraussetzung als nicht selbstverständlich für den Hörer erkennt und deshalb durch einen Einschub zu bearbeiten versucht, ohne daß die begonnene Konstruktion völlig aufgegeben werden muß. Die Parenthese ist also ein Phänomen hörerbezogenen Verhaltens beim sprachlichen Handeln - eine Kommentierung im weitesten Sinne (vgl. Posner 1972). Auf diesen Aspekt weisen vor allem die Genfer Linguisten - in der Tradition Ducrots - bei der Untersuchung der Textorganisation und ihren verschiedenartigen Indikatoren, zu denen auch parenthetische Einschübe rechnen, besonders hin Cvgl. auch Gülich & Kotschi 1983). Bassarak (1987) bestimmt im Rahmen des Konzepts von IIlokutionshierarchien Parenthesen als "Nebenhandlungen" und insofern als "Mittel zur kommunikativen Wich rung" (ebd., 174) und versucht von da her, die verschiedenen Beziehungen zur Haupthandlung als Spezifikationen der Leistung (Koordination, Verstehensstützung, Motivationsstützung, Ausführungsstützung, reiner Kontaktbezug etc.) auszuweisen. Den Status von Parenthesen verfehlt er meines Erachtens jedoch - im Rahmen des theoretischen Ansatzes, müßte man fast sagen, konsequenterweise -: Parenthesen gelten Bassarak als "illokutive Handlungen". 104
Eine syntaktische Beschreibung im Rahmen der generativen Grammatik - als COMP-COMPBewegung - liefert Tappe (1981); Ziv (1985) versucht sie im Rahmen der Funktionalen Grammatik von Dik unter der - modifizierten - Kategorie des 'tail' ('afterthought') zu behandeln, wodurch m. E. die funktionale Spezifik der syntaktischen Position jedoch nivelliert wird; eine ausführliche pragmatische Diskussion des Phänomens bietet Betten (1976).
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Auf der Grundlage der neueren handlungstheoretischen Differenzierungen von Prozeduren möchte ich die Mittel, nämlich Pausierung und spezifische Tonführung, als Mittel zur Ausführung operativer Prozeduren bestimmen, die die Bearbeitung des sprachlichen Geschehens in der beschriebenen Weise erlauben. Innerhalb dieser Prozeduren vermag der auf Sukzession angelegte Fokusschwenk mittels paraoperativem 'da' dann dasselbe zu leisten, was operatives 'denn' ohne solches Zusammenspiel bereits auszudrücken vermag. 'da' selbst gewinnt - in den allgemeinen Kategorien für die Interaktanten, Sprecher und Hörer, formuliert - keine Hörerbezogenheit, sondern die Neufokussierung bleibt an ein -Element im Wissen des Sprechers gebunden. Hörerbezogenheit wird nur durch die parenthetische Einfügung in den Diskurs bzw. Text gewonnen. Der Sprecher formuliert ein Gewußtes nachträglich für den Hörer, damit er sein Verstehen vollständig ausführen kann. Im Unterschied zu 'denn' wird das Gewußte bei der Verwendung von 'da' innerhalb einer Sub-Prädikation in Anspruch genommen, ohne eigene illokutive Qualität. Des weiteren erfolgt die Aufmerksamkeitsorientierung mittels 'da' unter der Kategorie einer Lokalisierung und nicht, wie im Falle von 'denn', der einer rückorientierenden Abfolge. Die Zäsur, die 'denn' aufgrund seiner reparativen Qualität macht, d. h. aufgrund seines Innehaltens im Handlungsfortgang, um ihn anschließend zu ermöglichen, ist der Funktion der Parenthese selbst vergleichbar. Ausdrucksmittel und grammatisches Mittel sind im Falle von parenthetisch eingesetztem 'denn' mithin parallel organisiert, so daß sich häufig eine solche Überlagerung im sprachlichen Handeln findet (s. o. §2.3.6, B41). Eine derartige Parallelität ist bei der Überlagerung der parenthetischen Prozeduren mit paraoperativem 'da' nicht gegeben. Vielmehr ergänzt 'da' durch seine Leistung der Übergangsbearbeitung die Prozeduren mehr mit Blick auf die anschließende Handlungsfortführung. Nur dann, wenn die Überlagerung der operativen Prozeduren detailliert aufgezeigt werden kann, ist es gerechtfertigt, von einer Substituierbarkeit der 'da'- durch eine 'denn'-Formulierung zu sprechen - anders als dies beispielsweise Arndt (1956) und Härtung (1961) in ihren Analysen der kausalen Konjunktionen allein auf der Basis des alltäglichen Sprachempfindens tun. In diesem und nur in diesem Sinne fungiert 'da' in (B55) so wie 'denn'. 4.) Die paraoperative Prozedur innerhalb von Handlungsmustern: Behauptung und Assertion Betrachten wir nun und in den nächsten Punkten Vorkommen von paraoperativem 'da' im Nachsatz. Diese Positionierung eröffnet exemplarisch eine Reihe weiterer Einsichten in die Funktionalität operativer Prozeduren, indem neue Interrelationen auftreten. Einmal wird das Verhältnis von Proposition und Illokution anhand bestimmter propositionaler Bearbeitungen zu behandeln sein, des weiteren sind Formen der Wissensge-
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winnung zu unterscheiden, und schließlich stellt sich angesichts der Nachsatzposition die Frage nach der pragmatischen Vergleichbarkeit von 'da1 mit 'denn' und besonders mit dem ebenfalls subordinierenden 'weil'105. Die Diskussion des folgenden Belegs für nachgestelltes 'da' (B56) führt beispielhaft zum erstgenannten Problemkomplex, dem Beitrag der paraoperativen Prozedur zum Wechsel Verhältnis von Proposition und Illokution. (B 56)
"Spricht der Umstand, daß hier noch der Friede angeredet ist, gegen einen solchen Vergleich der beiden Stellen, so spricht er doch vielleicht auch dafür, da die Frage nach der Herkunft die Assoziationsbrücke sein könnte vom Frieden zu Buonaparte als dem Fürsten des Fests, 5 Doch nun ist zu fragen, ob eine solche Identiät im Ausdruck zur Identifizierung des Fürsten ausreicht, ob der Allbekannte bei Hölderlin wirklich als Deckname Buonapartes gelten darf." (Szondi LH V, 352) Szondi wägt zwei Interpretationen gegeneinander ab, genauer: die interpretatorische Konsequenz aus einem "Umstand" innerhalb des untersuchten Textes, Diese Konsequenzen sind Negationen voneinander. Die positive Dimension wird durch Neufokussierung eines Gewußten gestützt (Z. 3) - eines Gewußten freilich, das seinerseits durch den Konjunktiv von 'können' als lediglich von der Qualität sprachlicher (p) oder mentaler ( ) Möglichkeit gekennzeichnet wird. Das fordert handlungspraktisch zu einer Überprüfung der konkreten Wirklichkeit (P) auf, in diesem Fall zu einer analytischen Verfolgung der alternativen Interpretationsrichtung. Szondi diskutiert im weiteren Verlauf jedoch statt dessen eine Voraussetzung, die auch dabei gemacht wird, kritisch - eingeführt als ein die Negation negierender neuer Planungsschritt: "doch nun" (Z. 5). Was leistet paraoperarives 'da' in der nachgestellten Position und vor einem Übergang zum nächsten Planungsschritt? Nachgestellt ist der 'da'-Nebensatz in (B56) einem Hauptsatz, der im weiten Sinne zur Realisierung des illokutiven Aktes einer Behauptung geeignet ist {Z. 1-3) - im weiten Sinne, weil eine komplexe, modalisierte Realisierungsform vorliegt, die unten genauer betrachtet werden muß. Ich spreche nur von der Geeignetheit, weil die konkrete Realisierungsform durch Kommasetzung (respektive Tonverlauf in der gesprochenen Vorlesung) sowie durch die anadeiktische Neufokussierung mittels 'da' für eine zusätzliche Prozedur beim Verständigungshandeln offen gehalten wird. 105 Harweg (1972) legt dar, daß nur in diesen Fällen beide Formulierungen "Text fort Setzungssätze" und insofern vergleichbar sind: "Satztheoretisch und textologisch miteinander vergleichbar sind somit nicht die da- und weil -Sätze der traditionellen Grammtik, sondern die - dem durch sie begründeten Sachverhalt folgenden und von uns für saizwertig erklärten - iia-Sätze der traditionellen Grammatik und die von uns als E r Weiterung s-, Explikations- bzw. Spezifikationssätze spezifizierten Textfortsetzungssa'tze mit einem lyeii-Satz der traditionellen Grammatik als erweiterndem, explizierendem bzw. spezifizierendem Satzglied." (ebd., 148)
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Die Handlung ist also noch nicht abgeschlossen realisiert, trotz hinreichender Elemente für den Vollzug des illokutiven Aktes ebenso wie des propositionalen Aktes. Die Sprechhandlung der Behauptung unterscheidet sich vom Handlungsmuster der Assertion (cf. Ehlich & Rehbein 1979) nach meiner Auffassung durch ein dezisionistisches Element.106 Das Wissen, das der Behauptende dem Hörer sprachlich zugänglich macht, weil er gefragt wurde oder aber weil er antizipiert, daß dieser nicht darüber verfügt es für seine Handlungspraxis jedoch benötigt, verdankt sich nicht - wie im Falle der Assertion - einem allgemeinen, konsensuellen Wissen^7, sondern einem "membership" gebundenen (Sacks 1972) Wissen, Das bedeutet keineswegs, daß es sich um ein rein individuelles und vereinzeltes Wissen etwa der Form "partikularen Erlebnis Wissens" (Ehlich & Rehbein 1977) handeln muß; im Gegenteil scheint mir dies ein abgeleiteter Fall zu sein. Vielmehr spiegeln sich darin die Fragmentarisierung und auch Widersprüchlichkeit gesellschaftlichen Wissens sowie die arbeitsteilige Praxis1^ wider, nunmehr aus dem Blickwinkel einzelner Aktanten. Derartige Differenzen des gemeinsamen Wissens kommen bei der Einschätzung der Wirklichkeitsadäquatheit in einer Behauptung zum Ausdruck. Sie werden jedoch nicht im einzelnen verfolgt und herausgearbeitet - etwa im Wege der Kritik.109 Der individuelle Sprecher trifft mit der Kornmunikation des thematisierten Wissens vielmehr selbst die Entscheidung, sich denjenigen Wissenskomplex zu eigen zu machen, dem es als sachangemessen zugehört. Er verzichtet für sich und für andere, also den Hörer, auf eine Bearbeitung ^ Im Englischen wird sprachlich oft nicht zwischen diesen beiden Handlungen geschieden; beide werden durch das sprechhandlungsbezeichnende Verb 'to assert' benannt, so daß es im SprechaktLexikon von Ballmer & Brennenstuhl (1981) - ausgedrückt in den originalen deutschen Kategorien der Analyse der Berliner Gruppe - im "Kampfmodell" (hier auch 'to claim'), in der "Vertextung" (hier auch 'to state') und im allgemeinen Teil des "Informationsmodells" angeführt ist Die deutsche Rezeption und Anwendung der angelsächsischen Sprechakttheorie hat offenbar häufig mal den einen, mal den anderen Zusammenhang in der Übersetzung oder eigenen Analyse verwendet, ohne die Differenzen zu verdeutlichen. Aus der Assertions-Analyse von Ehlich & Rehbein ist ersichtlich, daß das deutsche Lexikon der Berliner Gruppe diese Sprechhandlung im Informationsmodell und in der Vertextung klassifiziert hat, während die Behauptung dem Kampfmodell und auch dem Enaktionsmodell zugehören dürfte. W7 Im Sinne von Keller (1975) sind Wissen und kollektives Bewußtsein zu trennen. 108 isjjcnt von ungefähr dürften sich bei Searle (1975) - Anscombre folgend - und bei Wunderlich (1976) die Beispiele auf das Einkaufen und die Privatdetektei beziehen. ^ Nicht vom Sprecher, sondern vom thematisierten Sachverhalt her formuliert Wunderlich: "Bei vielen Behauptungen (nämlich solchen, die sich nicht unmittelbar auf partikuläre Sachverhalte beziehen, z. B. generellen oder hypothetischen Aussagen, wertenden oder normativen Urteilen, Aussagen aufgrund von Hörensagen o4er aufgrund von Alltagsüberzeugungen) kann die Konvention, sie nur zu tun, wenn das Behauptete wahr ist, nicht in unproblematischer Weise eingelöst werden, da dies bedeuten würde, vorweg zu wissen, ob das Behauptete wahr ist." (1976,254)
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der Einschätzungsdifferenzen und damit auf eine Anbindung an gemeinsam geteiltes Wissen. Damit läßt er auch die Wirklichkeitsadäquatheit erst einmal auf sich beruhen. Aufgrund dieser Entscheidung bekommt die sprachliche Handlung einen individuellen Charakter, soweit der "Wahrheitswert" des prepositional en Gehaltes betroffen ist. Der Sprecher steht mit seiner Dezision dafür ein - handlungspraktisch wissend, daß Differenzen bestehen und also auch mit einem Nicht-Verstehen beim Hörer gerechnet werden muß. Diesen letzten Umstand hebt Wunderlich mit großer Deutlichkeit hervor: "Meiner Auffassung nach gehört es zur Natur einer Behauptung, daß der Sprecher einen Wahrheitsanspruch macht. Um diesen Anspruch zu bewahren, muß er sich im weiteren in bestimmter Weise verhalten: in diesem Sinne sage ich, er ist bestimmte Bedingungen für sein späteres Verhalten eingegangen bzw. hat sich zu bestimmten Dingen verpflichtet" (1976,255} Gerade seine "Bürgschaft" für die Konsistenz mit einem bestimmten Wissenskomplex erlaubt es dem Sprecher jedoch zugleich, durch eine Behauptung interaktiv über die Differenz hinweg zu einem nächsten Punkt des gemeinsamen Wissens zu gelangen. Denn der Zweck der Handlung besteht, wie bei der Assertion, in der Übernahme des - lediglich sprachliche Wirklichkeit (P) beanspruchenden - Wissens durch den Hörer. Er gibt dem Wissen dementsprechend "Kredit". Nur auf diesem Hintergrund ist die Verpflichtung zur argumentativen Erhärtung des Anspruchs, die Wunderlich ausführt, zweckdienlich. Wird sie interaktiv ausgeführt, hat die Bürgschaft gerade nicht ausgereicht, die Behauptung war als solche also dann nicht erfolgreich (im Sinne von Austin) oder "erfüllt" (im Sinne von Maas 1972). Eine "Insertion" (Rehbein 1977,342) etwa des Begründungsmusters wird erforderlich.11^1 Im oben zitierten Beispiel (B56) wird einer Insertion vorgegriffen und noch innerhalb der Behauptung ein Wissens element als gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen (Z. 3), das die Brücke - die "Assoziationsbrücke" - zu einem gemeinsamen Wissen insgesamt bilden kann. Paraoperatives 'da' fügt das für das Verständigungshandeln nötige Wissenselement in den zum illokutiven Akt notwendigen propositionalen Gehalt ein, neufokussierend und lokalisierend. Auf diese Weise entsteht die komplexe Realisierungsform einer Sprechhandlung. Es handelt sich nicht um die Verknüpfung einer Behauptung mit einer Begründung (oder Erklärung) von deren propositionalem Gehalt (d. h. mit einer "Sachverhaltsbegründung" gemäß Eroms 1980). Und es handelt sich auch nicht um eine Behauptung ^" Mein Eindruck ist, daß Ducrot (1984) mit seinem Konzept der "autorit4 polyphonique" (chap. VII) im Rahmen der Untersuchung von stillschweigenden und ausgesprochenen Voraussetzungen in Argumentationen genau diesen Punkt der Verbürgtheit ebenfalls annimmt, wenngleich er ihn nicht systemarisch auf eirte Behauptung bezieht, sondern auf Begründungen, "raisonnements", auf entsprechende sprachliche Ausdrucksmittel bei interaktiven Bezugnahmen auf gemachte Äußerungen und bei Reprisen.
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und deren, illokutive, Begründung ("Äußerungsbegründung" im Sinne von Eroms; "Sprachhandlungs-Begründung" nach Rosengren 1987), die gemäß der Literatur (ebenfalls bei Thim-Mabrey 1982, Pasch 1983) erst durch die Nachfeld-Position bei paraoperativem 'da' Geltung erlangt. Die Prozesse sind komplexer. Ihre Analyse erfordert eine Differenzierung von Verfahren der Wissensgewinnung. 5.) Verfahren der Wissensgewinnung: Antizipation und Retrozipation Der Nebensatz wurde oben im Exkurs (in §3.3.2.1) als ein komplexes Ensemble von operativen Prozeduren charakterisiert, das einen propositionalen Akt zum propositionalen Teilgehalt - zu einer Prädikation im logisch-funktionalen Sinne - transformiert und auf dessen Einarbeitung in einen gesamten propositionalen Akt hinordnet111. Die paraoperative Prozedur, zu deren Realisierung 'da' dient, wird konstitutionell gewissermaßen als äußerste Prozedur über den gesamten Nebensatz, d. h. über das aus Wortstellungen und rhythmisch-intonatorischen Mitteln gewonnene Ensemble operativer Prozeduren, wirksam und verleiht ihm eine spezifische kategoriale Qualität, die eine gleichorientierte Kopplung an den propositionalen Gehalt des Hauptsatzes ermöglicht (s, o. §3.2.4.4 und §3.2.8.1). Gleichorientierung heißt dabei, daß die Kategorisierung ein Moment des gesamten propositionalen Gehaltes herauspräpariert und mit einem entsprechenden Moment des Teilgehaltes identifiziert,112 Paraoperatives 'da' leistet eine Kategorisierung als im Wissensraum Lokalisiertes, als Gewußtes. Die Neufokussierung des lokalisierten Gewußten geschieht, wie die empirischen Analysen bereits gezeigt haben, auf der Basis autorbzw. sprecherseitiger verbaler Planung. Die Inanspruchnahme dient dem sukzessiven Übergang zu neuem Wissen, hatten wir gesagt. Eine derartige proposition ale Bearbeitung durch paraoperatives 'da' scheint auf den ersten Blick einer Wissensentfaltung vergleichbar zu sein, wie sie im Fall einer einfachen Assertion - sowie bei entsprechender Wissensqualifikation in der Behauptung - vorliegt. Betrachten wir die Verfahren der Wissensgewinnung in einer einfachen, nur aus einem "Hauptsatz" besiehenden Assertion genauer und vergleichen sie mit denen bei voran- und bei nachgehender propositionaler Bearbeitung mittels paraoperativem 'da'. Nach der Musteranalyse von Assertionen bei Ehlich & Rehbein (1979) gehört die sprecherseitige Antizipation eines teilweise Nicht-Wissens oder Nicht-Wissens in der Umgebung des zu vermittelnden neuen Wissens beim Hörer zur mentalen Vorgeschichte, die gegebenenfalls auch interaktional durch Fragen vollzogen werden kann, 1
^ Diese handlungstheoretische Bestimmung möchte ich in einem eigenen Artikel genauer ausführen; sie Hegt in der bei Ehlich 0986a) angedeuteten Linie, nach der "Satzfortnen" zu den Realisierungsformen operativer Prozeduren zählen. 112 Einfachster Fall ist die verbale Präsentation, ausgedruckt durch (para)operatives 'daß', durch ein Ausdrucksmittel also, das bekanntlich etymologisch und funktional-etymologisch aus der Feldtransposition der Objektdeixis 'das' hervorgegangen ist.
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Diese Vorgeschichte geht - als verbale Planung - in den propositionalen Gehalt einer Assertion ein. Das neue Wissen wird unter Bezug auf hörersei tig Bekanntes dargelegt. Wir erhalten Thema und Rhema einer einfachen Assertion. Die für paraoperatives 'da' ermittelte Inanspruchnahme als Gewußtes stimmt im Effekt damit überein, ohne gleichwohl von der Antizipation des hörerseitigen Wissens auszugehen. Vielmehr setzt der Sprecher in einer Art Abkürzungsverfahren beim Umgebungswissen des Neuen im eigenen Wissen an. Der Anknüpfungspunkt für die eigene Weiterentwicklung hin zum neuen Wissen wird an die Stelle der Antizipation von Hörerwissen gesetzt und kommuniziert. Er wird mittels paraoperativem 'da1 als Gewußtes in Anspruch genommen. Das ist immer dann zweckmäßig, wenn - wie im Falle von Texten - für den Sprecher zu wenig über den Hörer bekannt ist, so daß eine Antizipation kaum möglich ist Die Analyse der Wissensdarlegung im propositionalen Gehalt mit paraoperativern 'da' hat also von dem einzelnen Handelnden, dem Sprecher, auszugehen (vgl. Ehlich & Rehbein 1979, §4). Die Gewinnung von neuem Wissen folgt im allgemeinen vom Bekannten aus. Diese Richtung der mentalen Prozesse ist dann gegeben, wenn nicht unmittelbar zugängliche, künftige Wirklichkeitsprozesse und -zustände betroffen sind. Das Verfahren der Wissensgewinnung ist dann als 'Antizipation' zu bestimmen. Ein Sprecher kann demnach den assertiv zu vermittelnden propositionalen Geh alt so verbalisieren, daß dem Verfahren der Antizipation gefolgt wird. Dem entspricht die vorangestellte Inanspruchnahme von Gewußtem mit angekoppeltem, folgendem neuen Wissen im propositionalen Gehalt des Hauptsatzes. Die Realisierungsform der solchermaßen komplexen Assertion zeichnet dann den allgemeinen Gang der Wissensentfaltung nach. Die Wahl dieser Realisierungsform ist geradezu methodologisiert (oder auch didaktisiert), wenn ein Nachvollzug von wissenschaftlicher Wissensgewinnung angestrebt wird. Der Hörer soll dann die Gedankenentwicklung, die den Forschungsprozeß ausmacht, durch die Rezeption der entsprechenden Darstellung der gewonnenen Erkenntnis aktiv mitvollziehen. Dies Darstellungsverfahren liegt den oben behandelten Beispielen aus der wissenschaftlichen Literatur (§3,3.3.1) und den Vorlesungs-Beispielen mit paraoperativem 'da' in Vorfeld-Position (§3.3.3.2, l.)-2.}) zweckmäßig zugrunde. Die Planung einer wissenschaftlichen Wissensvermittlung durch Verkettung von Assertionen, wie wissenschaftliche Abhandlungen sie darstellen, folgt so dem antizipierenden Verfahren der Wissensentwicklung, wenngleich nicht Antizipation des Hörerwissens, sondern Inanspruchnahme eines sprecherseitigen Wissens als gemeinsam Gewußtes den jeweiligen Ausgangspunkt bildet. Die paraoperative Prozedur wird an der mentalen Position im Handlungsmuster, d. h. bei der Antizipation, stellvertretend eingesetzt und in die Verbalisierung der Assertion umgesetzt. Von diesem Darstellungsverfahren machten die Autorinnen bevorzugt an Übergangsstellen Gebrauch, seien dies
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Absätze, Kapiteleinlei hingen oder methodisch-didaktische Einleitungen. Bezogen auf die Rede oder den Text wird dadurch ein sukzessiver Fokusschwenk der hörerseitigen Aufmerksamkeit bewirkt. Die syntaktisch zuweilen recht komplexen Belege aus der Vorlesung zeigen zudem, daß auch innerhalb der Darstellung ein solches Verfahren sehr zweckmäßig ist. Wie verhält es sich bei Nachfeld-Position von 'da'? Wir gehen auch hierbei vom einzelnen Aktanten, vom Sprecher, aus. Ein Verfahren der Wissensgewinnung, das vom Neuen zum Bekannten verläuft, ist dann gegeben, wenn es um die Wissensgewinnung über einen vergangenen Wirklichkeitsprozeß oder -zustand geht. Ehlich & Rehbein beschreiben die Situation folgendermaßen: "Bleibt er (der Handelnde, A.R.) auf sich gestellt, so benutzt er sein Wissen hinsichtlich der Umgebungen des Sachverhaltes, über den er kein Wissen hat, und er versucht, indem er das vorhandene Wissen operational einsetzt, neues Wissen zu gewinnen. Er verfährt dabei ähnlich wie beim Antizipieren, nur daß der Objektbereich nicht zukünftig, sondern vergangen ist." (1979, 260). Diesen Prozeß der retrograden mentalen Konstruktion nennen sie - mit allen semantisch-pragmatischen Vorbehalten - parallel zum Antizipieren ein "Retrozipieren". Auch diesem Verfahren der Retrozipation kann bei der Organisation des propositionalen Gehaltes einer Assertion gefolgt werden. Es handelt sich dann um eine syntaktisch komplexe Assertion mit nachgestelltem Nebensatz. Das im Hauptsatz zunächst verbalisierte Neue kann beispielsweise mittels paraoperativem 'da' an bereits bekanntes Wissen gekoppelt werden, welches in der nachgestellten Sub-Prädikation verbalisiert wird. So ergibt sich eine verbale Darstellung nach dem Verfahren der retrozipierenden Wissensgewinnung. Die Nachträglichkeit allein, d. h. die Positionierung des Nebensatzes, enthält ein Moment der Hörerbezogenheit: Für ihn und die erfolgreiche Abwicklung seines Verstehens erfolgt sie. Insofern kann noch während der Assertion die Musterposition der "Antizipation des Hörer-Wissens" abgewickelt und nachträglich in die proposition ale Struktur eingearbeitet werden. Das ändert gleichwohl nichts daran, daß ein -Element aus dem Wissen des Sprechers, also ein n^-Element, in Anspruch genommen wird, dem nicht zu widersprechen ist. Erst die Nachfeld-Position von paraoperativem 'da', also die Wissensentfaltung nach retrozipierendem Verfahren, gab den Anlaß, über den Stellenwert der paraoperativen Prozedur innerhalb von Handlungsmustern detaillierter nachzudenken. Die Gewöhnlichkeit des antizipierenden Verfahrens hat den Vollzug einer - wenn auch syntaktisch komplexen - Assertion bislang im Selbstverständlichen belassen können. Es ist nun deutlich, daß die paraoperative Prozedur spezifische mentale Teilprozesse in einem Handlungsmuster betrifft und lediglich so, vermittelt über die propositionale Strukturierung, einen Anteil auch an der Abwicklung eines illokutiven Aktes gewinnen kann.
235 6.) Empirische Analysen zu nachgestelltem 'da' Was ergibt sich illokutiv bei einer Inanspruchnahme von Gewußtem im Nachtrag an eine Behauptung im weiten Sinne, wie sie unser Ausgangsbeispiel (B56) darstellt (s. o. unter 4.)? Ich wiederhole es noch einmal. (B 53} "Spricht der Umstand, daß hier noch der Friede angeredet ist, gegen einen solchen Vergleich der beiden Stellen, so spricht er doch vielleicht auch dafür, da die Frage nach der Herkunft die Assoziations brücke sein könnte vorn Frieden zu Buonaparte als dem Fürsten des Fests. Doch nun ist zu fragen, ob eine solche Identiät im Ausdruck..." Die Ankopplung geschieht an einen in sich komplex strukturierten propositionalen Akt, wie wir bereits sagten. Er ist durch die Negation ('dagegen - dafür sprechen') deiiberativ angelegt und innerhalb der positiven Aussage doppelt modalisiert: Einerseits kennzeichnet 'vielleicht' ein - angesichts eines hier tätigen Expertenwissens nicht bis zur Gewißheit durchdachtes Wissen, andererseits gibt die Negation einer Negation, wie sie in 'doch' zum Ausdruck kommt, wiederum dieser positiven Aussage ein mehr zur Gewißheit tendierendes Gewicht Diese Gewichtung und also aussagemäßige Entscheidung für die Adäquatheit des Wissens bewirkt, daß es sich nicht etwa um die Formulierung einer Vermutung handelt, Gewichtung bzw. die Dezision erhalten eine Stützung durch die Sub-Prädikation. Solcherart Verbindlichkeit mindert den dezision is tischen Charakter - gegebenenfalls bis zu dessen Aufhebung hin. Hier ist das Gewußte selbst jedoch durch den Konjunktiv als lediglich mental und dann verbal antizipiertes, noch nicht mit Blick auf die Wirklichkeit abschließend durchdachtes Wissen gekennzeichnet: Die Überprüfung an der Wirklichkeit steht auch hier noch aus, Das gesamte Wissen bleibt an die mentale ( ) und verbale Sphäre (p) als bloße "Möglichkeit" gebunden. Es ist ein Wissen, das "membership" des mitdenkenden Experten voraussetzt. Durch diese komplexe innere Struktur der beiden gekoppelten propositionalen Teile wird insgesamt ein propositionaler Akt realisiert, dem die illokutive Qualität einer Behauptung zukommt. Das dezionistische Element wird in (B56) als Ergebnis durch die nachgetragene operative Prozedur nicht aufgehoben, sondern verstärkt. Weder die gesamte Behauptung noch das Gewußte bzw. die dadurch gestützte neue Aussage werden in (B56) weiter verfolgt. Vielmehr schließt sich, in ausdrücklicher Negation einer vom Leser erwartbaren Fortsetzung dieser Position, statt dessen im Zuge einer Erwartungsrücklenkung auf die pragmatische Negation davon ('doch')1*3 ^3 Die spezifische diskursive Leistung einer Negation der Negation, wie sie für 'doch' kennzeichnend ist {Weydt 1969 spricht von "adversativer" Qualität), wird - im Gegensatz zu einer logischen Behandlung, die zur bloßen Position führt - in einer vielfältigen Literatur dargestellt. Zu nennen sind exemplarisch die Studien von Rath (1975) ('doch' dient der Konsensusherstet lung auf emotionalem Wege), Lütten (1977), Franck (1980). Vor allem bei Franck wird ein direkter Bezug zu illokutiven Akten hergestellt, während Lütten eine "sprechakttypologische Bindung" (an Wunsch, Auf-
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ein neuer Planungsschritt an ('nun')- Der wird sodann ausführlich zur Sprache gebracht. Ich ziehe zwei einfachere Belege aus wissenschaftlichen Artikeln hinzu, um die Wirksamkeit der paraoperativen propositionalen Bearbeitung im Wechselverhältnis zur illokutiven Qualität allgemeiner darzustellen, (B 57) "Die unter anderem bei H.Brinkmann konstatierte 'Neigung' der Aütagssprache zur Verbzweitstellung in lyeiV-Sätzen findet eine plausible Erklärung in der Verwendbarkeit von weil in zwei unterschiedlichen Strukturtypen, da die Verbzweitstellung deutlicher als eine konstatierende Intona5 tion ST2 signalisieren kann. Umgekehrt verwundert es dann nicht mehr, wenn da nicht in solch parataktischer Verwendung belegt ist, da es als eine ohnehin nur in ST2 auftretende Konjunktion nicht eigens als solche gekennzeichnet zu werden braucht." (Thim-Mabrey 1982,, 219) Dieser Textausschnitt steht auf der letzten Seite des Artikels. Es ist also ein umfängliches gemeinsames Wissen mit dem Leser aufgebaut Letzte Erklärungsleistungen der neuen Erkenntnisse werden dargestellt. Zweimal macht Thim-Mabrey dabei von paraoperativem 'da' Gebrauch (Z, 4; Z. 6). Die "plausible Erklärung" (Z. 4f) ist als solche einer Einschätzung der Autorin auf der Basis ihres Expertenwissens geschuldet; der propositionale Gehalt ist zunächst zur Realisierung einer Behauptung geeignet. Er wird jedoch geöffnet und weitergeführt.^ 'da' koppelt eine Sub-Prädikation an, die Gewußtes als gemeinsam in Anspruch nimmt. Es verdankt sich einer Anwendung des Sachwissens, das die Autorin analytisch entwickelt hat. Derjenige Leser, der es bereits so gut verstanden hat, daß er über den Mitvollzug der Erkenntforderung, Befehl) neben die selbständigen Funktionen "Gegensatzstruktur" und "rekursive Bezugnahme auf eine gemeinsame Wissensbasis" stellt. Doherty (1985) löst die Bindung an illokutive Qualifikationen und geht statt dessen vom Konzept der Einstellungsoperatoren aus; 'doch' hat danach - anders als bei Bublitz (l378) - eine einheitliche "positionale Bedeutung". Auch Gewehr (1981) legt illoku t ionsmodifizierende prepositional attitudes zugrunde, betont jedoch die hörerseitige Erwaitungsumlenkung, wenn er anhand eines Beispiels formuliert: "Ich interpretiere das dock hier als eine Art "Präventivpartikel", um mögliche andere Ansichten des Hörers von vorneherein zu unterbinden und sich insistierend dessen Zustimmung zu sichern." (ebd., 21) Hentschel gibt als übergreifende Bedeutung: "Doch drückt einen Widerspruch zwischen zwei Bezugspunkten aus. Zumindest einer von beiden wird dabei als dem Hörer bekannt vorausgesetzt." (1986,148) 114 Zur Erinnerung: ST2 ist, wie oben unter (B48d) ausführlich zitiert, sprachliche Form aus zwei aussagemäßig abgeschlossenen Strukturen zum Ausdruck eines Sinnganzen, ^5 Auf den Aspekt der Öffnung als Änderung auch des - angeblich selbständigen - Hauptsatzes hat, vor der entsprechenden ausführlichen Kritik von Slötty (1936) an Nehring (1930) bereits Delbrück hingewiesen: "Zwei innerlich zusammengehörige Sätze erleiden beide durch die Verschmelzung eine äußere Veränderung, Der erste in der Betonung und unter Umständen durch Hinzufügung eines auf den zweiten Satz hinweisenden Wortes. Im übrigen bleibt er dein Typus des unabhängigen Satzes seiner Zeit ähnlicher als der zweite." (1919,790
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nisse hinaus selbst zu produktivem Weiterdenken in der Lage ist, folgt dieser Inanspruchnahme problemlos. Er ist nun ebenfalls Experte. Dies begründet eine membership-Identität von Autor und Leser. Insofern wird in der Sub-Prädikation gerade kein dezisionistisches Element wirksam. Vielmehr zieht die paraoperative Prozedur rückwirkend das dezisionistische Moment der Prädikation in eine geteilte Wissens-Mitgliedschaft hinein, so daß es aufgehoben wird. Es liegt somit in (B57) keine komplexe Behauptung, sondern eine komplex ausgeführte Assertion vor. Gleiches gilt für die 'Äußerung in Z. 5-8; die mangelnde "Verwunderung" wird zu einem Teil der komplexen Assertion und bleibt nicht etwa als Behauptung stehen. Der Leser kann also nur dadurch widersprechen, daß er die komplexe Assertion, insbesondere die retrozipierende Wissensgewinnung, kritisiert, nicht jedoch durch Kritik der Sub-Prädikation, welcher vermöge paraoperativem 'da' nicht widersprochen werden kann. Betrachten wir ein weiteres Beispiel der Autorin. (B 58) "Weil tritt also in ST1 wie in ST2 auf, da hingegen nicht in ST1. Die Frage ist, wie es sich dann aber erklärt, daß auch die da-S&ize ein 'Korrelat' haben können. Offensichtlich wird der seiner Trägerstruktur vorangehende daSatz durch so wieder aufgenommen. Das ist jedoch kein Argument gegen 5 die aussagemäßige Abgeschlossenheit der Trägerstruktur, da diese, wie weiter oben definiert, nur in Richtung der Textprogression gelten muß, von anaphorischen Elementen also nicht betroffen wird." (ebd., 211) Ein 'Korrelat' gilt gewöhnlich in der Grammatik als Platzhalter oder Hinweiser auf das Element, das diese Position nicht unmittelbar grammatisch, wohl aber inhaltlich ausfüllt. Der Leser kann also nach der konstatierten 'Offensichtlichkeit" (Z. 3) durchaus die Negation dessen erwarten, was Thim-Mabrey im anschließenden Hauptsatz formuliert, Durch 'jedoch1 kehrt sie diese Erwartung ausdrücklich um. Die Aussage, d. h. der propositionale Gehalt des letzten Satzes, ist so zunächst für eine Behauptung geeignet. Sie wird wiederum nicht in der Weise stehen gelassen, sondern - grammatisch als Nebensatz - fortgeführt (Z. 5ff). Das mittels 'da' in Anspruch genommene Gewußte wird zudem durch einen Einschub mit Hinweis auf bereits Bekanntes gestützt. Die ungleiche Verteilung von Expertenwissen zum linguistische Thema bleibt sprachlich auf diese Weise nicht länger erhalten; vielmehr weicht sie einer einfachen Wissensdifferenz, die assertiv behoben wird. Wieder ist der Leser gehalten, gegebenenfalls bereits das früher entwickelte und nunmehr lediglich beanspruchte Wissen zu kritisieren, falls er das retrozipierend gewonnene Gesamtwissen in Zweifel zieht. Ein Beispiel aus naturwissenschaftlichem Zusammenhang. (B 59) "Der stärkere Abtrag durch schießenden Abfluß auf dem Mittelhang muß zugleich auch eine stärkere Oberhangkrümmung bewirken, da die Zunahme der Abtragung mit der Hangneigung stärker ist als bei nur strömendem Abfluß. Es bildet sich jedoch kein scharfer Knick anstelle eines Oberhanges, da der Übergang von strömendem zu schießendem Abfluß nicht sprunghaft erfolgt wie im urngekehrten Fall." (Rohdenburg 1971,8)
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Paraoperatives 'da' ist zweimal verwendet. In der letzten Äußerung führt die Kopplung zu einer komplexen Assertion. Die erste Äußerung enthält im Hauptsatz eine Modalisierung durch das Modalverb 'müssen'.116 Das Expertenwissen ist offenkundig mit einer Grenze konfrontiert, die nur noch durch ein Schlußverfahren zu überwinden ist. Dem entspricht die gesamte Methodik der Analyse, die Rohdenburg an anderer Stelle klar umreißt: "Es ist eine noch ungelöste Aufgabe der Geomorphologie, alle genannten Abhängigkeiten sowohl im Gelände als auch bei Modellversuchen im Labor zu erfassen. Beim augenblicklichen Stand bleibt keine andere Möglichkeit, als mit vereinfachten Annahmen ein Modell zu entwerfen, um wenigstens zu Grundvorstellungen über die Art der Formung durch fließendes Wasser und ihr Ergebnis zu gelangen." (ebd., 3) Auf diesem Hintergrund wird die Verwendung von 'müssen' verständlich und zugleich ambivalent. Sie bringt den Schlußprozeß und damit zugleich ein dezisionistisches Moment im Rahmen der gewählten Methode zum Ausdruck; denn in ihr wird die unterhalb der Evidenz des SachVerhalts liegende Unsicherheit eines Schlusses im weiteren als Setzung, als sprachlich verwirklichtes Wissen, genommen, auf das sich weiteres Wissen aufbaut. Die Dezision wird in (B59) zudem durch ein Wissen gestützt, das als gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen wird (faktisch jedoch ebenfalls auf Schlüssen beruht). Die explizite Zurücknahme des Expertenwissens für den lediglich zu erschließenden Sachverhalt wird mit einem bestehenden Expertenwissen gekoppelt, so daß eine Minderung des dezisionistischen Momentes, wie es für Behauptungen charakteristisch ist, eintritt. Gleichwohl ist so noch nicht der Sprung zum gesicherten Expertenwissen vollzogen; die Modalität bleibt erhalten, ja sie wird erst für den Leser nachvollziehbar gemacht. Insofern hat die gesamte erste Äußerung deutlich die Qualität einer - wenngleich gut gestützten - Behauptung. Man kann sich in nuce an ein Verfahren besonders in der Mathematik und auch der Logik erinnert fühlen, bei dem vorab eine These (oder Behauptung) gesetzt wird, die dann schrittweise aus gegebenen Gesetzmäßigkeiten abgeleitet, bewiesen wird, nämlich das Deduzieren. Auf den Zusammenhang zwischen Retrozipieren und Schließen und die Rolle von paraoperativem 'da' dabei gehe ich im Bedeutungskapitel (§3.4.1.2) ein, weil er einen zentralen Stellenwert in der allgemeinen Bedeurungsbestimmung besonders von Lang (1976) und Pasch (1983) einnimmt. Es sei hier lediglich darauf hingewiesen, daß sich ein solcher Zusammenhang erst bei der Betrachtung von Belegen mit 'da' in Nachfeld-Position nahelegt und dort auch keineswegs bei allen, wie die vorigen Beispiele aus geisteswissenschaftlichen Arbeiten zeigen,
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^ ES handelt sich um den oft "epistemisch" oder "inferentiell" genannten Gebrauch, den ich zusammen mit Gisela Brünner, handlungsheoretisch an Ehlich & Rehbein (1972) anknüpfend, als "abgeleitete Verwendung" (1983,51) bzw. "Modalität zweiter Stufe" {Redder 1984,224) bestimmt habe.
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7} Paraoperatives 'da1 innerhalb von Handlungsmustern II: Begründen als Taktik Besteht irgendein Zusammenhang von paraoperativern 'da' mit der Handlung des Begriindens? Besonders für die Nachfeld-Position scheint sich dies, im Sinne einer nachgeschobenen Begründung, nahezulegen, wie auch die Fachliteratur zeigt. Die deiktische Präsentierung eines Gewußten kann nur eine spezifische Prozedur dessen ausmachen, was beim Begründen mit der Lieferung eines D-Elementes verbunden ist, um ein Nicht-Verstehen des Hörers in ein Verstehen zu transformieren (s. §2.2.5.8, Diagramm 4). Und zwar läßt sich die Präsenz - insofern Lokalisierbarkeit an der Finalposition des Begründungsmusters ansiedeln, an welcher der Hörer mithilfe des D-Elementes bereits eine Transformation vom Nicht-Wissen in ein Wissen vornimmt. Wenn der Sprecher eben diese Transformation durch Neufokussierung des D-Elementes in Anspruch nimmt, entbindet er sich gerade von der wesentlichen Musterposition, dem Begründen selbst, und nimmt vorgreifend die Prozedur aus einem hörerseitigen Pragmern in Anspruch. Ein derartiges Verfahren der Partialmuster-Anwendung für musterfremde Zwecke haben Ehlich & Rehbein (1977) handlungsanalytisch als eine "Taktik" bezeichnet. Mit paraoperativem 'da' wird also eine solche Prozedur für die propositionale Bearbeitung eingesetzt, die an hörerseitiger Position systematischer Teil im Handlungsmuster der Begründung ist und insofern zu einer bestimmten illokutiven Qualität im Wechsel Verhältnis steht. Maßgeblich ist bei 'da' jedoch die Wissensstruktur des Sprechers und die Inanspruchnahme als im Wissen Lokalisiertes, als Gewußtes. Der taktische Einsatz der Prozedur dient dem Zweck, eine Weiterentwicklung von Wissen oder, allgemeiner, weiteres Handeln daran anzuknüpfen. Die Finalposition eines Handlungsmusters ist generell als Übergangsstelle für eine Anschlußhandlung gekennzeichnet, so daß die Inanspruchnahme einer dort systematisch verankerten Prozedur zweckmäßig ist. Wir stehen also vor dem Ergebnis, daß die paraoperative Prozedur, die mittels 'da' realisiert wird, sowohl eine spezifische, nämlich retrozipierende Wissensgewinnung darstellende mentale Prozedur im Muster der Assertion realisiert, als auch eine taktisch eingesetzte Prozedur aus dem Handlungsmuster des Begründens. Und wir sind bei der Rekonstruktion von Behauptungen auf die argumentative Stützung des Wahrheitsanspruches gestoßen, der durch diese Prozedur realisiert werden mag. Wie ist dieses merkwürdige Ergebnis zu werten? Offenkundig handelt es sich um eine Prozedur, die in verschiedenen Handlungsmustern an unterschiedlichen Positionen auftritt und einen zweckbezogen spezifischen Stellenwert hat. Des weiteren ist diese Prozedur nicht in einfacher Weise Bestandteil dieser Handlungsmuster, sondern sie stellt jeweils eine charakteristische
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Modifikation oder gar taktische Einsetzung dar. Das übergreifende Ziel ist jeweils die Herstellung einer zwischen Sprecher und Hörer gemeinsamen wissensmäßigen Ausgangsbasis. Sie erfolgt durch paraoperatives 'da' im Wege einer Inanspruchnahme. Für die propositionale Bearbeitung der Äußerung und die an den propositionalen Akt im Wechselverhältnis gebundene illokutive Qualität bedeutet dies eine je musterspezifische Modifikation, Taktischer Einsatz der Prozedur im Muster des Begründens kommt, wie mir scheint, vor allem für einen parenthetischen Einschub von paraoperativem 'da' in Frage. Wir hatten oben (unter 3.}) bei (B55) die Nähe, aber auch den Unterschied zwischen 'da' und 'denn' zur Einleitung solcher Formen diskutiert. Ich will diese Überlegung anhand eines Beispiels aus der geographischen Einführung von Semmel weiterführen. (B 60) "Als dritte große morphographische Einheit bleibt, da das Alpenvorland aus bereits dargelegten Gründen in diesem Zusammenhang zu der Mittelgebirgsregion gerechnet wird, noch das Hochgebirge zu erwähnen." (Semmel 1972,2) Häufig werden in der geographischen Literatur vier morphographische Einheiten unterschieden. Die Erwartung eines sachkundigen Lesers wird insofern durch die Aufzählung der "dritten" Einheit womöglich in eine falsche Richtung gelenkt. Dem steuert der Autor durch den parenthetischen Einschub entgegen. Wie an der Formulierung "aus bereits dargelegten Gründen" erkennbar ist, geschieht dies nicht völlig unerwartet für denjenigen, der das bislang entwickelte Textwissen verstanden und mitvollzogen hat. Allerdings wird es nun in einen neuen, konsequenten Zusammenhang gestellt, der vom Leser nicht selbstverständlich bereits antizipiert sein muß. Zuvor war gesagt worden: "Eine gewisse Sonderstellung nimmt das Alpenvorland ein, das häufig als besondere morphographische Einheit angesehen wird. Es weist an manchen Stellen bekanntlich Flachlandcharakter auf, ist aber dennoch morphographisch überwiegend den Mittelgebirgen ähnlich und in seiner genetischen Entwicklung schließlich nicht vom Hochgebirge zu isolieren." (a.a.O). Hier wird also gerade die doppelte Zugehörigkeit ausgeführt, wodurch der Status als Einheit noch keineswegs ganz klar ist, wenn auch der Relativsatz für die aktuelle Einschätzung eine Negation impliziert. Mithin wird durch paraoperatives 'da' in (B60) ein Gewußtes in Anspruch genommen, das per Implikation bereits als Textwissen vermittelt wurde. An dieser Stelle realisiert es in der Tat einen taktischen Vorgriff auf das D-Element in der Finalposition einer Begründung; die Begründung selbst ist implizit im vorangegangenen Text geliefert - implizit deshalb, weil der wesentliche Sachverhalt dort durch komplexe Assertionen kommuniziert wurde. Für den gesamten propositionalen Gehalt, in den die Sub-Prädikation in (B60) eingeschoben wird, ergibt sich keine Modifikation hin zu einer Begründung. Es wird lediglich eine Teilprozedur aus dem Muster des Begründens integriert, das nicht als solches vollzogen wird. Vergleichen wir diesen gut im Text nachvollziehbaren Fall noch einmal mit dem Beleg aus der Vorlesung von Szondi.
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(B 55)
"Nun wirft die Stelle aber nicht nur die Frage auf, inwieweit sie einen Wandel dokumentiert; wichtiger noch - da auch sonst kaum etwas die Rede von einem solchen Wandel rechtfertigt - ist eine andere Frage, ob es im Text der metrischen Fassung - wie bei Hellingrath, Lachmann, Heidegger und anderen - heißen soll:... oder - wie bei Beißner Der Parenthese geht in diesem Fall keine Stelle im Text voraus, die explizit oder implizit als Begründung für das in Anspruch genommene Gewußte fungiert Es folgt auch keine entsprechende Ausführung. Das D-Element wird also nicht zuvor assertiv vorbereitet oder sonstwie geliefert, sondern lediglich in der beschriebenen Weise taktisch beansprucht. Es bildet die Grundlage für einen propositionalen Gehalt, der seinerseits allerdings eine Begründung für die - im Text durch ein Semikolon abgetrennte - Assertion (oder Behauptung?) darstellt. Der Leser ist darin nämlich zu einer Gewichtung von "Fragestellungen" anhand des Textes angeleitet. Das könnte zu Verstehensproblemen führen, vor allem für diejenigen Leser, die mehr in der Tradition Lachmanns denken, der gerade einen fundamentalen Wandel annimmt und im einzelnen nachzuweisen versucht. Szondi nimmt innerhalb seiner Begründung ein Wissen in Anspruch, das nicht nicht seinerseits an das gemeinsame Wissen gebunden werden soll, sondern das gelieferte D-Element der Einschätzung verschiedener Lesarten stützen soll. Es zeigt sich, daß keineswegs einfache illokutive Zuordnungen möglich sind, auch dann nicht, wenn die Position des paraoperativen 'da' - wie bei der Parenthese - in der aufgezeigten Nähe zu 'denn'-Verwendungen für bestimmte diskursive Funktionen prädestiniert zu sein scheint. 8.) Substituierbarkeit von 'da' in Nachfeldposition durch 'denn' und 'weil' Betrachten wir für Fragen der Substituierbarkeit einen weiteren Beleg für nachgestelltes 'da1 in Szondis Vorlesung: (B 61) "Zunächst ist jedoch nach dem Gedankengang selbst zu fragen. Dabei empfiehlt es sich, nicht von der metrischen Ausführung, die große Lücken aufweist, auf den, nur an einer Stelle unterbrochenen, Prosaentwurf zurückzugreifen, sondern bei diesem selbst einzusetzen, da es durchaus möglich ist, daß der Gedankengang zwischen den beiden Fassungen, im Zusammenhang vor allem mit der neu entstehenden dritten Strophe, wesentlich abgewandelt wurde." (Szondi LH V, 288f) Die gesamte Passage dreht sich um das Analyseverfahren, besonders um methodische Schritte. Sie werden also nicht allein zu Zwecken der "Einführung in die literarische Hermeneutik" konkret vorgeführt, praktiziert, sondern auch selbst zum Thema der Darlegung gemacht. Wenn ein Experte dabei explizit eine "Empfehlung" formuliert ("dabei empfiehlt es sich"), so ist dies keineswegs, im Sinne einer performativen Analyse, als Vollzug dieser Sprechhandlung zu verstehen, sondern als Realisierungs-
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form einer Assertion. Innerhalb dieser Handlung verwendet Szondi paraoperatives 'da'. Diese Inanspruchnahme von Gewußtem ermöglicht eine - auch nachträgliche Anbindung des als Empfehlung qualifizierten neuen Wissens an ein gemeinsames Vorwissen. Im Unterschied zu den assertiven Belegen in den wissenschaftlichen Monographien wird hier keine textuelle Übergangsstelle bearbeitet; dazu taugt die Nachfeld-Position des Nebensatzes nicht. Die anadeiktische Verweiskraft reicht nicht über die Hauptsatzgrenze hinaus; die Vorgeschichte ist allein innerhalb der Gesamtkonstruktion zu suchen (s. o. §3.2.8.3). Eben dies bedingt einerseits die volle Funktionalität der paraoperativen Prozedur für die Konstituierung des propositionalen Aktes bis hin zu einer möglichen Modifikation der illokutiven Qualität und andererseits die Reduktion der diskursiven Leistung auf die aktuell mit der Äußerung verbundene Wissensorganisation. Es ergibt sich so eine große Nahe zu einer 'denn'-Formulierung, Die Passage würde dann folgendermaßen lauten: (B 61') Zunächst ist jedoch nach dem Gedankengang selbst zu fragen. Dabei empfiehlt es sich, nicht von der metrischen Ausführung, die große Lücken aufweist, auf den, nur an einer Stelle unterbrochenen, Prosaentwurf zurückzugreifen, sondern bei diesem selbst einzusetzen, denn es ist durchaus möglich, daß der Gedankengang zwischen den beiden Fassungen, im Zusammenhang vor allem mit der neu entstehenden dritten Strophe, wesentlich abgewandelt wurde. Anders als in (B56) (s. o. unter 6.)) halte ich in (B61) eine Formulierung mit 'denn1 für diskursiv denkbar, und zwar aus folgendem Grund. Indem Szondi den asser tier ten propositionalen Gehalt als eine Empfehlung qualifiziert, nimmt er - zumindest auf der sprachlichen Ebene - deutlich Rücksicht auf die Wissensstruktur und also auch die Einschätzungskriterien seiner Hörer/Leser. Dieser Bezug auf den -Bereich der Interaktan ten steht in einem Gegensatz zum Bezug auf den eigenen -Bereich, wie 'da' ihn nach unseren Analysen zum Ausdruck bringt. Diese Beobachtung kann zu zwei alternativen Annahmen führen. Erstens: Die 5Bezogenheit trifft für Nachfeld-Positionierung von paraoperativem 'da' nicht zu. Zweitens: Der propositionale Gehalt des Hauptsatzes ist derart, daß durchaus eine Bindung an die verbale Planung des Sprechers/Autors rekonstruierbar ist. Verfolgen wir zunächst die zweite Sicht weise. Die Vermittlung von Analysemethoden ist Teil der Vorlesungsthematik. Dementsprechend kann davon ausgegangen werden, daß die Entfaltung des methodischen Wissens in (B61) ebenfalls einem Darstellungsplan des Sprechers geschuldet ist. Das erweist sich, wenn man die Nachgeschichte der zitierten Äußerung betrachtet: (B 61 f) ",.., sondern bei diesem selbst einzusetzen, da es durchaus möglich ist, daß der Gedankengang zwischen den beiden Fassungen, im Zusammenhang vor allem mit der neu entstehenden dritten Strophe wesentlich abgewandelt wurde. Auf dieser Hypothese beruht die Deutung Eduard Lachmanns,
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die - wie fragwürdig ihre Ergebnisse auch sein mögen - das Verdienst beanspruchen kann, die Fragen, an denen Heidegger vorbeigeht, mit aller Schärfe gestellt zu haben. Der letzte Teil des Prosaentwurfs, entsprechend den Versen 61 ff. der metrischen Fassung, lautet;..." (Szondi LH V, 289) In der weiteren Ausführung greift Szondi genau auf den propositionalen Gehalt des 'da'-Nebensatzes zurück, anadeiktisch neufokussierend ("auf dieser") und symbolisch qualifizierend ("Hypothese"). Vom Prosaentwurf ausgehend, widerlegt er sodann in komplexen und breit ausgeführten Interpretationsschritten die genannte These. Es handelt sich bei der Sub-Prädikation demnach zwar urn ein - in Expertenkreisen gemeinsames - Gewußtes, jedoch keineswegs um ein vom Au tor/Sprecher geteiltes Wissen. Szondi stellt die gewußte "Möglichkeit" ("da es durchaus möglich ist, ...") vielmehr im Folgenden seinem hermeneu tisch gewonnenen "Sein", d. h. seinem positiven Sachwissen, diskursiv gegenüber. Die Inanspruchnahme des Gewußten durch paraoperatives 'da1 bezweckt in (B61f) offenkundig etwas, das wir bislang für die Nachfeld-Position noch nicht beachtet haben. Ich formuliere die gewonnene Einsicht allgemein. Die nachgeschobene paraoperativen Prozedur dient einer propositionalen Bearbeitung der Nachgeschichte der sprachlichen Handlung. Der deiktische Anteil bei der mittels 'da' vollzogenen Prozedur leistet insbesondere einen sukzessive nach vorn, also katadeiktisch orientierten. Fokusschwenk. Die Nachfeld-Position von paraoperativem 'da' erlaubt mithin zwar keine Anbindung an die Vorgeschichte der syntaktisch komplexen Gesamtäußerung, wohl aber eine Anbindung an die Nachgeschichte. Der Übergang der Sprechhandlungsgeschichte zu dieser Nachgeschichte wird mittels paraoperativem 'da' angebahnt Somit ist geklärt, daß sich die paraoperative Prozedur auch im Falle der Nachfeld-Positionierung auf die verbale Planung des Sprechers und nicht derjenige auf die Wissenstruktur des Hörers bezieht. Denn in der Nachgeschichte wird das Wissen des Sprechers verbal entfaltet. Diese Rekonstruktion der mentalen Prozesse kann empirisch untermauert werden. Beim lauten Denken während der Briefformulierung (s. o., §3.3.2,3) sind wir auf eine Passage gestoßen, in der die Autorin unentschieden war, ob der 'da'-Satz zu Ende geführt oder neu begonnen sein sollte: (B 35) "da ich ansonsten ((seufzt))... mhm:::... Abflußrohr beheben zu lassen. 1s es da Ende oder fang ich n neuen Satz an?" Diese laute Überlegung zeugt von der positionsunabhängigen n^-Bezogenheit des paraoperativen 'da'. Steht der ermittelte sukzessive Fokusschwenk auf die Nachgeschichte im Gegensatz zur obigen (unter 6.) gewonnenen) Analyse von (B56)? Keineswegs, denn die deutliche Erwartungsumlenkung durch 'doch' und die Markierung eines neuen Planungsschrittes ('nun') zeigen, daS mit dem Nebensatz nicht einfach eine in sich geschlosse-
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ne Einheit beendet wird, sondern der Text- oder Redeanschluß in irgendeiner Weise damit zu verbinden ist. Wenden wir uns nun der oben angenommenen ersten Sichtweise zu, wonach die paraoperative Prozedur bei Nachfeld-Positionierung nicht auf den -Bereich des Sprechers bezogen ist. Die soeben durchgeführte Rekonstruktion und der empirische Nachweis zeigen, daß die Annahme in dieser strikten Form keinesfalls aufrechterhalten werden kann. Gilt jedoch statt dessen eine modifizierte Annahme folgender Form: Der S-Bezug ist im Falle einer Nachfeld-Positionierung von paraoperativem 'da' nicht mehr eindeutig gegeben. Träfe diese Annahme zu, dann würde sich die Differenz zu 'denn' in der syntaktischen Konstellation, die für 'denn' ausgezeichnet ist, verwischen. Sie würde jedoch zugleich besagen, daß der ns-Bezug kein allgemeines Bestimmungsmoment von paraoperativem 'da' ist Dies widerspricht dem empirischen Beleg beim lauten Denken. Das Problem klärt sich in anderer Weise. Die entwickelte prozedurale Bestimmung von paraoperativem 'da' ist die allgemeine Ausdrucksbestimmung. Zu analysieren bleibt die prozedurale Differenz, die sich daraus ergibt, daß 'da1 einen Nebensatz und 'denn' einen Hauptsatz einleitet, d. h. daß 'da' mit anderen operativen Prozeduren zusammenwirkt als 'denn1. Im Falle von 'denn' bestand die Nachgeschichte in der Fortsetzung eines Handlungsmusters, über dem eine Verstehensbearbeitung für den Hörer vorgenommen wurde. Das Innehalten im Muster zwecks Vollzug einer eigenen Handlung, nämlich des Begründens, stellt die Verbindung zu erwartbaren Nachgeschichte her, nicht die paraoperative Prozedur, die mittels 'denn' vollzogen wird. Eine Übergangsbearbeitung durch prolongierten katadeiktischen Verweis auf die Nachgeschichte und Lokalisierung des proposiiionalen Teilgehaltes im gesamten propositionalen Akt kann durch 'denn' nicht geleistet werden. Das zeigt sich, wenn wir die durch 'denn' substituierte Version (B611) mit der originalen Nach geschieh te fortführen. Dazu sind Änderungen vorzunehmen. Der einfache objektdeiktische Anschluß erscheint als nicht hinreichend; vielmehr ist eine andere, neue Qualifizierung erforderlich, die Ableitungen aus der Aspekt-Deixis 'so', beispielsweise 'solch', leisten können; (B 6 — sondern bei diesem selbst einzusetzen, denn es ist durchaus möglich, daß der Gedankengang zwischen den beiden Fassungen, im Zusammenhang vor allem mit der neu entstehenden dritten Strophe, wesentlich abgewandelt wurde. Auf einer solchen Hypothese beruht die Deutung Eduard Lachmanns, die - wie fragwürdig ihre Ergebnisse auch sein mögen - das Verdienst beanspruchen kann, die Fragen, an denen Heidegger vorbeigeht, mit aller Schärfe gestellt zu haben.
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Die gezogenen Konsequenzen für die Rede- oder Textfortführung bestätigen zugleich die Bestimmung des reparativen Charakters von 'denn', der mit einer Rücklenkung der Aufmerksamkeit einhergeht. Die "angehaltene" Fortführung erfordert eine neue Aufmerks amkeitsorientierung; 'solche' ist dazu geeignet. Gleichwohl ist der Effekt beider Ausdrücke, 'denn' und originales 'da', vergleichbar. Er besteht in der Lieferung eines Wissenselementes, das es dem Hörer ermöglicht, dem Diskurs oder Text weiter zu folgen. Einmal ist dies Element jedoch nach Maßgabe des Hörer-Wissens gewählt, um dann im vom Sprecher geplanten Sinn fortzufahren, ein andermal ist es gemäß der sprecherseitigen Wissensentfaltung gewählt und bleibt demgemäß im Duktus seiner propositionalen Entfaltung. Wegen des gleichen Effekts ist die obige Substitution möglich. Das gilt nach meiner Auffassung nicht für (B56). Ich wiederhole den Beleg: (B 56) "Spricht der Umstand, daß hier noch der Friede angeredet ist, gegen einen solchen Vergleich der beiden Stellen, so spricht er doch vielleicht auch dafür, da die Frage nach der Herkunft die Assoziationsbrücke sein könnte vom Frieden zu Buonaparte als dem Fürsten des Fests. Doch nun ist zu fragen, ob eine solche Identiät im Ausdruck ..." Eine durch 'denn' vollzogene Rücklenkung auf eine Verstehenslücke (zwecks Nachlieferung des entsprechenden Wissenselementes} ist nicht zu vereinbaren mit der Erwartungsumlenkung und dem planerischem Neuansatz, der im Anschluß an die 'da'-Formulierung durch 'doch nun' vollzogen wird. Bei einer Substitution von 'da' durch 'denn' müßte vor dem Neuansatz zugleich eine explizite Beendung des innegehaltenen Gedankens eingeschaltet werden, welcher ja erst nach der Verstehensbearbeitung fortgeführt werden kann. Der Text würde dann beispielsweise lauten: (B 56') Spricht der Umstand, daß hier noch der Friede angeredet ist, gegen einen solchen Vergleich der beiden Stellen, so spricht er doch vielleicht auch dafür, denn die Frage nach der Herkunft könnte die Assoziationsbrücke sein vom Frieden zu Buonaparte als dem Fürsten des Fests. Doch diese Überlegung soll nicht weiter verfolgt werden. F.S ist nun vielmehr zu fragen, ob ... Die Ausformulierung mit 'denn' statt 'da' macht des weiteren deutlich, daß durch die anderen syntaktischen Erfordernisse die gesamte gegenläufige Konstruktion irn konditional geformten propositionalen Akt zerbrochen wird. Nicht nur er wird durch die Kopplung an einen eigenen propositionalen Akt verändert, sondern auch die ülokutive Qualität würde nicht in der beschriebenen Weise zur Behauptung hin modifiziert; vielmehr wären Vermutung und partielle Begründung verkettet. Das Verstehen des Hörers verläuft dementsprechend bei (B56) ('da') und (B56') ('denn') recht unterschiedlich. Inwiefern ist schließlich die von Ha r weg beschriebene Vergleichbarkeit von 'da' und 'weil' im Falle der Nachfeld-Positionierung bei prozeduraler Betrachtung aufrecht zu erhalten?
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In §2.4 habe ich dargelegt, daß 'weil' nicht -bezogen, sondern primär P-bezogen operiert. Maßgeblich sind also besonders die Verhältnisse in der Wirklichkeit, nicht die Wissensstruktur. Wenn wir 'weil' in (B61) substituieren, ergibt sich folgende Formulierung: (B 61") Zunächst ist jedoch nach dem Gedankengang selbst zu fragen. Dabei empfiehlt es sich, nicht von der metrischen Ausführung, die große Lücken aufweist, auf den, nur an einer Stelle unterbrochenen, Prosaentwurf zurückzugreifen, sondern bei diesem selbst einzusetzen, weil es durchaus möglich ist, daß der Gedankengang zwischen den beiden Fassungen, im Zusammenhang vor allem mit der neu entstehenden dritten Strophe, wesentlich abgewandelt wurde. Auf einer solchen Hypothese beruht die Deutung Eduard Lachmanns, die - wie fragwürdig ihre Ergebnisse auch sein mögen - das Verdienst beanspruchen kann, die Fragen, an denen Heidegger vorbeigeht, mit aller Schärfe gestellt zu haben. Ist die Überlegung, die "Möglichkeit", mittels 'weil' an den propositionalen Gehalt des Hauptsatzes gekoppelt, so wird sie als sachliche Möglichkeit dargestellt. Szondi ließe jeglichen Zusammenhang mit eigenem oder gemeinsamem Wissen sprachlich unberücksichtigt. Sachlich wäre das freilich nicht falsch oder widersprüchlich. Jedoch fügt sich eine derartige Verbalisierung nicht in den weiteren Gang der Darstellung, bei dem deutlich wird, daß sie nicht als solche, sondern vielmehr als eine - nicht von vorneherein von der Hand zu weisende - Überlegung ("Hypothese") eines Kollegen genauer verfolgt werden soll, um sie dann nach Maßgabe des eigenen Wissens als nicht stichhaltig zurückzuweisen. Im Hinblick auf die Nachgeschichte zeigte sich 'weil' also als ungeschickt. Eine diskursive Anbindung, wie sie für paraoperatives 'da' aufgrund der aktualen katadeiktischen Verweiskraft gezeigt werden konnte, ist mit 'weil' ohnehin nicht möglich. Dieser Ausdruck ist nicht aus dem Zeig-, sondern dem Symbol-Feld in das operative Feld transponiert und enthält daher keine derartige Leistungskraft. Die (para-)operative Prozedur, die mittels 'weil' vollzogen wird, verbleibt innerhalb des Satzgefüges. Ein Wechsel der Einschätzungskriterien innerhalb der Darstellung wäre bei P-bezogenem 'weil' die Folge. Nicht Interpretations verfahren und deren Ergebnisse gäben den Maßstab ab, sondern diese Diskussion wäre eingelagert in eine theorie- und methodenunabhängige Zugangsweise, die zwangsläufig einen Sprung vom Interpretationsergebnis zu einer allgemein verbindlichen Sachverhaltsdarstellung am Ende machen müßte, nach der dann auch die Denkmöglichkeit diskreditiert wäre. Die Probe auf wissenschaftlich-methodisches Arbeiten, innere Konsistenz und Reichweite von Kritik würde in der Darstellung nicht durchgehend verfolgt - im Unterschied zur Ankopplung mit 'da' im originalen (B61). Was ergibt sich bei einer Substitution von 'da' durch 'weil' im erstzitierten Beispiel mit Nachfeld-Position?
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(B 56")
Spricht der Umstand, daß hier noch der Friede angeredet ist, gegen einen solchen Vergleich der beiden Stellen, so spricht er doch vielleicht auch dafür, weil die Frage nach der Herkunft die Assoziationsbrücke sein könnte vom Frieden zu Buonaparte als dem Fürsten des Fests. Doch nun ist zu fragen, ob eine solche Identiät irn Ausdruck ... In diesem Falle ist die Ankopplung durch 'weil' ohne Darstellungsbrüche insgesamt eher möglich, weil die Modalisierung, die der Konjunktiv leistet, eine Wissensbezogenheit aufrecht erhält, die im übergeordneten propositionalen Akt die Darstellung prägt. Die Zäsur, die die Ausdruckskombination 'doch nun' anschließend realisiert, ist ebenfalls mit: der internen Bezogenheit der operativen Prozedur 'weil' kompatibel. Die durchgeführten strukturalis tischen Proben zeigen, daß die Substituierbarkeit von 'da' durch 'denn' oder 'weil' nur auf der Basis sehr feiner Diskurs- und Textanalysen einschätzbar ist. In einem methodologisch strikten Sinne kann man sagen, daß es um die Analyse von verschiedenen Stilen - als Realisierungsformen von sprachlichen Handlungen - und von gesamten Darstellungsverfahren geht, Nicht die einzelne operative Prozedur alleine ist zu beachten, sondern die Art, in der das Verstehen des Interaktanten beim Verständigungshandeln insgesamt bearbeitet wird. Die handlungsanalytisch rekonstruierte Differenzierung der operativen Ausdrucksmittel in Pbezogene und -bezogene, die in sich wiederum hörer- oder sprecherbezogen funktionieren, ist dazu erklärungskräftig. Derartige Analysen können auch fruchtbar gemacht werden, um in Stilanalysen beispielsweise Darstellungsbrüche zu kennzeichnen.
3.4 Semantik und Pragmatik von paraoperativem 'da' Die konkreten Analysen institutioneller Briefe, wissenschaftlicher Monographien und Artikel sowie einer wissenschaftlichen Vorlesung haben das Bild der paraoperativen Prozedur, die durch 'da' vollzogen wird, stabilisiert und exemplarisch die Funktion des Ausdrucks beim sprachlichen Handeln rekonstruierbar gemacht. Dies erlaubt nun eine allgemeine, systematische Bestimmung der Funktion der sogenannten "kausalen Konjunktion" 'da' beim sprachlichen Handeln (§3.4.1), Anschließend werde ich ausführlich die Bedeutungsbestimmungen und Problemdiskussionen in der einschlägigen Fachliteratur diskutieren und meine Ergebnisse dazu ins Verhältnis setzen (§3.4.2), Die breite Darstellung soll es dem Leser zugleich ermöglichen, die unterschiedlichen theoretischen und methodischen Herangehens weisen im Wege der Kritik seinerseits vergleichend zu prüfen. 3,4.1 Allgemeine handlungsanalytische Bestimmung An dieser Stelle erscheint eine Bemerkung zur Terminologie angebracht. Im Rahmen einer Handtungstheorie von Sprache wird stets von sprachlichen Mitteln zu be-
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summten Zwecken ausgegangen. Der übliche, vor allem in der Semiotik, aber auch in daran anschließenden pragmatischen Theorien verwendete Begriff der Bedeutung ist daher prinzipiell funktional zu verstehen. Bedeutung und Funktion sind dann keine verschiedenen Begriffe mehr, sondern Ausdrucksalternativen, Man kann durch sie allenfalls sinnvoll verschiedene Abstraktionsgrade differenzieren. Bedeutung umfaßt dann die jeweilige Rekonstruktion des Konkreten im Begriff, also die Darstellung der allgemeinen Bestimmungen eines Phänomens. Von Funktion wird die Rede sein, wenn es um die konkrete Wirksamkeit der Bestimmungen geht, d. h, um ihre Wirksamkeit beim sprachlichen Handeln. 117 Die allgemeine Systematik der Ausdrucksfunktion kann man auch als Pragmatik eines Ausdrucks bezeichnen. 3.4,1,1 Bedeutung hinsichtlich sprachintemer und sprachexterner Zwecke Die Besonderheit des Ausdrucks 'da' besteht darin, daß er noch synchron als ein sprachliches Mittel erkennbar ist, das im Sinne der Kategorien von Ehlich (1981) sprachinternen und sprachexternen Zwecken dient. Die Bedeutung von 'da' hinsichtlich sprachinterner Zwecke ist bereits in den §§ 3.2.4, 3.2.7 und 3.2.8 des Syntax-Teiles entwickelt worden, 'da' ist ein Ausdrucksmittel, das einen zweifachen Anteil am Strukturausbau von Sprache hat Genuin handelt es sich um einen deiktischen Ausdruck; einfaches 'da' gehört mithin zum Zeigfeld von Sprache, Mittels 'da' wird eine deiktische, genauer: eine lokaldeiktische, Prozedur vollzogen, die in systematisch unterschiedenen Verweisräumen die Aufmerksamkeit des Hörers neu auf lokal kategor isierte Verweisobjekte f o kassiert. In dieser Funktion leistet der Ausdruck einen Beitrag zum einfachen proposirionalen Aufbau, 'da' dient jedoch zudem den besonderen sprachinternen Zwecken eines hypotaktischen Ausbaus propositionaler Akte. Der Ausdruck trägt zu einer komplexeren propositionalen Organisation bei, nämlich erstens einer attributiven und zweitens einer prädikativen Bearbeitung propositionaler Teile. Zu diesen beiden Zwecken wird die_Deixis 'da' im Laufe der Sprachgeschichte routinisiert für den Vollzug operativer Prozeduren funktionalisiert. Der Ausdruck macht also, funktional-etymologisch betrachtet, eine Transposition ins operative Feld von Sprache durch. Die deiktische Verweiskraft bleibt im paraoperativen 'da' aktual, und zwar stets im Textoder Rederaum. So bearbeitet der Sprecher propositionale Teile für den Hörer in spezifischer Weise. Neufokussierung, lokale Kategorisierung und propositionale Kopplung waren die Bestimmungsmomente, die im Rahmen der Formanalyse herausgearbeitet wurden. Die empirischen Analysen erlauben nun eine Ausführung der Funktion von paraoperativem 'da' beim Verständigungshandeln, d. h. eine Bestimmung der mit den H7 Dies ist nicht mißzuverstehen als Addition, etwa Funktion=Bedeutung + Kontext oder Bedeutung + Situation! Vielmehr sind Bedeutung und Funktion theoretisch wie methodisch durch die Kategorien einer Handlungstheorie von Sprache vermittelt.
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sprachinternen Zwecken einhergehenden sprachexternen Zwecke, denen der Ausdruck dient, Die allgemeine Bestimmung für den prädikativen propositionalen Ausbau, also für die sogenannte kausale Konjunktion, läßt sich folgendermaßen formulieren. Durch den Vollzug der paraoperativen Prozedur erfolgt eine spezifische Wissensbearbeitung. Das katadeiktische Verweisobjekt, nämlich der propositionaler Gehalt der Subpradikation, wird als Gewußtes, jn Anspruch genommen und so als gemeinsamer Ausgangspunkt für neues Wissen - kommuniziert im propositionalen Gehalt der Prädikation - genutzt. Sprecherseite und Hörerseite sind dabei zu scheiden, Sprecherseitig wird ein Element aus seinem vorhandenen Wissen in die Verbalisierung eingebracht um neues Wissen daran zu binden, zu koppeln. Nur aus der Perspektive des Sprechers und für die verbale Planung kann daher von der Neufokussierung eines n-Elementes im Wissensraum die Rede sein, wie die Vermutung in §3.2.8 lautete. Empirisch ließ sich diese Genese der Verbalisierung durch das laute Denken beim Formulieren von Briefen nachweisen. Die im Paraoperativen aktuale deiktische Prozedur ist für die Äußerung demgegenüber im Rede- oder Textraum verweisend, d. h. das Verweisobjekt ist in der Kommunikation rede- oder textdeiktisch. Es wird nicht nur neufokussiert, sondern zudem propositional ausgeführt und so operativer Bearbeitung zugänglich. Das sprecherseitige H-EIement wird als versprachlichtes Gewußtes verbindlich gemacht. Dieser Umschlag ist für paraoperatives 'da' wesentlich und nicht dahingehend mißzuverstehen, daß schließlich jeder Gedanke eines Sprechers vermittelt über die Sprache für den Hörer zugänglich wird. Denn die operative Bearbeitung besteht in einer Inanspruchnahme als gemeinsam Gewußtes, Die Rekonstruktion der verbalen Planung und damit der Verschiebung des deiktischen Verweises bei operativer Funktionalisierung erweist die Sprecherbezogenheit des verbalisierten n-Elementes. Es erfolgt die Inanspruchnahme eines Wissenselementes nach Maßgabe des sprecherseitigen Wissens. Einer Inanspruchnahme ist nicht zu widersprechen. Insofern muß der Hörer dieses Wissen nolens-volens als Ausgangspunkt der propositionalen Entfaltung in der Prädikation übernehmen. Paraoperatives 'da' bedeutet also die neu fokussierte sprachliche Grundlegung eines sprecherseitigen Wissens als gemeinsam verbindlichem Gewußten für weitere inhaltliche Ausführungen, der der Hörer nicht zu widersprechen hat. Wie 'denn' ist paraoperatives 'da' -bezogen. Im Unterschied zu 'denn' bezieht es sich nicht auf den hörersei tigen, sondern auf den sprecherseitigen -Bereich. Wesentlich ist die verbale Planung des Sprechers, nach der er die propositionale Verarbeitung des Hörers im Wege einer Inanspruchnahme von Gewußtem als gemeinsamem steuert, "da" hat es essentiell mit der Entfaltung von Wissen zu tun. Das unterscheidet 'da' beispielsweise von 'aber', das der Bearbeitung von Erwartungen dient. Die beiden gekoppelten propositionalen Gehalte, das locatum und das locandum, haben nicht nur durch die syntaktische Formung einen differenten Status im Sinne
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eines neben- und eines hauptsächlichen Gehaltes. Die Gehalte sind auch funktional nicht gleichgeordnet. Die paraoperative Prozedur verleiht dem nebensächlichen Gehalt eine wissensbasierende und insofern verstehensvorbereitende Qualität 3.4.1.2 Pragmatik des Ausdrucks Es hat sich gezeigt, daß für die Funktion von paraoperativem 'da' beim sprachlichen Handeln Formdifferenzen relevant sind. Grundsätzlich ist zwischen zwei Positionen zu unterscheiden: zwischen der Vorfeld-Position und damit der Position, die syntaktisch einen integralen Bestandteil des Hauptsatzes ausmacht, und der parenthetisch eingeschobenen oder der Nachfeld-Position, welche beide außerhalb der Hauptsatzstruktur angesiedelt sind. Die bei paraoperativer Verwendung von 'da' aktuale deiktische Prozedur bewirkt, daß über das Satzgefüge hinausgreifende Orientierungen vorgenommen werden. Im Vorfeld erfolgt eine Anbindung an die Vorgeschichte, im Nachfeld an die Nachgeschichte der Äußerung. Dementsprechend unterschiedlich verläuft der in §3.2.8 dargelegte sukzessive Fokusschwenk durch paraoperatives 'da' - im Unterschied zum schlagartigen Szenenwechsel durch die vorangestellte Deixis 'da'. Jeweils wird jedoch eine Bearbeitung von diskursiven Übergangsstellen geleistet, Zunächst zur Funktion der paraoperativen Prozedur in Vorfeldposition. Einen Extremfall der Funktionalität stellen sicherlich die untersuchten Briefanfänge dar. Paraoperatives 'da1 vermag - im Falle unerwarteter Briefe - die unvermittelte Anbindung an eine allgemeine, unspezifische gemeinsame Vorgeschichte zwischen den Interaktanten, zwischen Autor und Leser, sukzessive auf die Geschichte, auf das Anliegen des Briefes, hinzulenken, indem ein gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen und zum Ausgangspunkt für das Neue gemacht wird. Die textspezifische Funktion von 'da' ist demnach die Herstellung eines Ansatzpunktes im gemeinsamen Handlungsraum. Insofern dient die paraoperative Prozedur in Brief an fangen der Realisierung eines spezifischen diskursiven Verfahrens, nämlich der Einleitung. Innerhalb eines Briefes verschiebt sich das hin zu einer Anbahnung des Anliegens, um das es jeweils geht, also hin zur Einleitung bestimmter Phasen oder Segmente im Text. Ist ein Betreff als Prä gegeben, kann die Einleitung weniger unvermittelt, statt dessen vermittelt erfolgen. Der sukzessiven Bearbeitung von Übergangsstellen in einem Text dient paraoperatives 'da' auch in wissenschaftlichen Arbeiten, sowohl kapitel- als auch absatzeinleitend. In linguistischer Fachliteratur fällt besonders die Verwendung nach der Illustration von einzelnen Sprachbeispielen auf, die einen Übergang zum systematischen, theoretischen Wissen abverlangen. Es geht um die Darstellung, um die verbale Vermittlung von fachlichem Wissen, von Expertenwissen, Die Inanspruchnahme von Gewußtem zum Zwecke der Kopplung an neue propositionale Gehalte ist hervorragend dazu geeignet, Schritte der inhaltlichen Weiterentwicklung zu vollziehen. Es zeigte sich, daß das beanspruchte Gewußte größtenteils dem wissenschaftlichen
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common sense, aber auch dem aktuell hergestellten gemeinsamen Textwissen zwischen Autor und Leser entnommen ist. Der Autor setzt seine verbale Planung für die sprachliche Darstellung seiner Erkenntnisse in eine bestimmte propositionale Organsation um. Es wird eine spezifische Realisierungsform der sprachlichen Handlungen gewählt, also ein bestimmter Darstellungsstil benutzt. Er kann als prozessualisierend bezeichnet werden. Die beschriebene textuelle Leistung von 'da' wird auch für methodisch-didaktische Einschätzungen und Entscheidungen an darstellungsmäßigen Übergangspunkten beispielsweise zu Beginn der Vorlesung - genutzt. Der mehr inhaltlichen, thematisch entwickelnden Funktion ist mithin eine textorganisatorische Funktion parallelisiert. Die paraoperative Inanspruchnahme von Gewußtem als gemeinsamem zeichnet bei Vorfeldpositionierung folgerichtig ein Verfahren der Wissensgewinnung nach, das als Antizipation zu bestimmen ist. Der Leser wird auf diese Weise sprachlich in den Gedankengang des Autors involviert, er wird zum exakten Nachvollzug angehalten, wobei der Gehalt der Subprädikation, der durch 'da' paraoperativ an die Prädikation gekoppelt wird, widerspruchslos als verbindlich hinzunehmen ist. Zuweilen, besonders in der Vorlesung, lassen sich syntaktisch ebenso wie inhaltlich komplexe "Zubereitungen" dieses in Anspruch genommenen gemeinsamen Gewußten nachweisen, an denen der Versuch sichtbar wird, die zugrundeliegenden komplexen Gedankengänge sprachlich nach außen zu setzen, ohne sie gleichwohl im einzelnen zu thematisieren. Vielmehr werden sie durch die paraoperative Prozedur, zu deren Vollzug 'da' dient, präsentiert und zugleich dethematisiert In Nachfeld-Position funktioniert paraoperatives 'da' sukzessive neufokussierend mit prolongiertem katadeiktischen Verweis auf die Nachgeschichte. Anadeiktisch ist die Prozedur auf den propositionalen Gehalt des Hauptsatzes als der strukturintemen Vorgeschichte orientiert. Die relative Abgeschlossenheit des propositionalen Aktes, der erst durch die Kopplung noch einmal "geöffnet" wird, läßt eine handlungssystematisch tiefergreifende Funktionalität von paraoperativem 'da' zu. Sie kann, durch das Wechselverhältnis von propositionalem und illokutivem Akt, bis zu einer Modifikation der Handlungsqualität führen. Nachträgliche Inanspruchnahme von Gewußtem als Basis für einen bereits ausgeführten propositionalen Akt ist ein verbales Verfahren, das an verschiedenen Positionen in unterschiedlichen Handlungsmustern angesiedelt sein kann. Bei der sprachlichen Wissensvermittlung, wie sie im einfachen Fall durch eine Assertion erfolgt, ergibt sich eine Darlegung, die dem Vefahren der Retrozipation nachgezeichnet ist. Das Gewußte folgt dem Neuen. Durch diesen Nachtrag kommt ein Element der Hörerbezogenheit zur 'da'-spezifischen Sprecherbezogenheit hinzu; Das Gewußte ist zwar nach wie vor dem Denken des Sprechers bzw. Autors geschuldet, die Positionierung dieser Anbindung ist jedoch einer nachgeschobenen Antizipation hörerseitiger Verstehensprozesse bzw. -probleme angemessen. Gegebenenfalls wird durch
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dieses Verfahren sogar ein andernfalls dezisionistischer, allein durch die Verbalisierung des Sprechers getragener propositionaler Gehalt nicht behauptet, sondern assertiert. Die nachträgliche Kopplung an ein - wenngleich lediglich in Anspruch genommenes - gemeinsam Gewußtes mindert in solchen Fällen das dezisionistische Moment derart, daß noch während des Handlungsvollzugs eine Modifikation der illokutiven Qualität erfolgt. Die positionelle Hörerbezogenheit rückt die Verwendung von paraoperativem 'da' im Nachfeld nicht nur syntaktisch, sondern auch diskursfunktional in die Nähe von 'denn'. Fundamentaler Unterschied bleibt, daß 'denn' die Realisierung eines eigenständigen illokutiven Aktes erlaubt, während paraoperativs 'da' den propositionalen Gehalt im Bereich des Prozeduralen beläßt; Ein Nebensatz realisiert keinen illokutiven Akt (s. Exkurs in §3.3.2.1). Des weiteren wird das Gewußte als der sprechersei tigen Wissensstruktur angemessen kommuniziert, auch dann, wenn faktisch eine Übereinstimmung mit dem hörerseitigen Wissen gegeben ist. Im Effekt ist dann eine Substitution durch 'denn' möglich. Dies gilt gleichermaßen für 'weil', mit dem paraoperatives 'da' die syntaktische Form teilt, nicht jedoch die Wirklichkeitsbezogenheit bzw. die den Differenzen zwischen P und gegenüber neutrale Gegebenheit des propositionalen Gehaltes. Eine Funktion, die im Zusammenhang mit dem Handlungsmuster der Begründung steht, scheint paraoperatives 'da' nur in taktischer Weise zu übernehmen, und zwar dann, wenn es nachgestellt oder parenthetisch eingeschoben ist. Auch der parenthetische Einschub bewirkt, als Position, eine Hörerbezogenheit und damit im Effekt eine Nähe zu 'denn', wenngleich durch 'da* die Zäsuren der Parenthese gerade bearbeitet werden. Die Inanspruchnahme des Gewußten kann als Vorgriff auf die Transformation vom Nicht-Verstehen zum Verstehen durch das D-Element in der hörerseitigen Finalposition des Handlungsmusters Begründen verstanden werden (s. Diagramm 4 in §2.2,5,8, finale Position). Innerhalb einer geeigneten sprachlichen Handlung, d. h, bei entsprechender diskursiver bzw. textueller Einbettung der Äußerung in den Handlungszusammenhang, kann diese Funktion zur Geltung kommen. Jedoch ist daraus nicht abzuleiten, daß para operatives 'da' das Partialm us ter einer Begründung, insofern eine taktische Begründung, indiziere. 3,4,1.3 Mentale Prozesse der propositionalen Strukturierung Bislang wurde an keiner Stelle von einer Kausalität des paraoperativen 'da' gesprochen. Für eine Klärung dieses Punktes ist zuvor eine genauere Bestimmung der beiden Verfahren der Wissensgewinnung, Antizipation und Retrozipation, erforderlich, denen die Strukturierung des propositionalen Gehaltes in den verschiedenen wissenschaftlichen Darlegungen (Monographien, Artikel und Vorlesung) nachgezeichnet ist. Briefeinleitungen und Redewiedergaben sind damit ins Verhältnis zu setzen. Insbesondere ist die in der Literatur häufig anzutreffende Bestimmung zu diskutieren, mittels der "kausalen Konjunktion" 'da' werde ein Schlußprozeß zum Ausdruck gebracht
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"Beim Antizipieren wie beim Retrozipieren sind die angewandten Teiloperationen genauer zu kennzeichnen. Wir heben eine von ihnen besonders hervor, das Schließen." (Ehlich & Rehbein 1979, 261) Ist es im Falle von paraoperativem 'da' gerade diese angewandte Teiloperation, die zur Geltung kommt, oder sind es vielmehr andere mentale Operationen? Dazu stelle ich alle durch 'da' gekoppelten propositionalen Gehalte einander gegenüber, die in den empirischen Analysen behandelt wurden. Ich beginne mit den Belegen wissenschaftlicher Art (§3.3.3). Denn innerhalb derartiger Textarten ist am ehesten mit der herausstechenden Form von Wissensgewinnung, mit Schlußprozessen, zu rechnen, Ich trenne zwischen den themenbezogenen und den darstellungsorganisatorischen Zusammenhängen sowie der Vorfeld- und Nachfeld- bzw. parenthetischer Position. Zitiert werden nur die relevanten Satzgefüge und die wesentlichen propositionalen Gehalte, und zwar in tabellarischer Übersicht, Zunächst die Belege mit Vorfeld-Position, 'da'-Nebensatz
Hauptsatz
36
Sätze in Glaubenskontexten nichtfaktiv gebraucht werden können
garantieren die Verben nicht per se faktive Presupposition
37
Herleitung mittels lexikalisch regierter Regel bewerkstelligt wird
würde Abgrenzung durch t +/-faktiv ( vereinfacht
43
konvers. IMPLen weder vorhersagbar noch unaufhebbar sind
kommt es vor, daß sie falsch sind
44
i. a. einfache Entsprechung zw. Subjekt des Aktivs u, best. PP des Passivs besteht
wäre die erste Vermutung, daß ...
45
Einschränkung X=/VK gilt
sind eingebettete Passive ausgeschlossen
46
Flußeintiefung außerhalb Regen waldgebieten geringer als innerhalb ist
besteht Tendenz,... aufzufassen
48
Formulierung dringende Aufgabe ist
gab es wiederhol i Versuche,...
52
Hymne selber unvollendet ist
ist es editionskritisch keine legitime Aufgabe
53
Aber: nicht nur umstritten, wer, sondern auch, ob von 2 oder l Gestalt die Rede ist
kann Handlungsgefüge nicht erkannt werden
54
und: Tatbestand nicht erklärt werden kann verbleibt als einzige Möglichkeit,...
254
Damit sind alle nicht-darstellungsorganisatorischen Belege aus §3.3.3 mit paraoperativem 'da' in Vorfeld-Position noch einmal zusammengestellt Betrachtet man nun die gekoppelten propositionalen Gehalte, die nach unserer Analyse dem Verfahren der antizipierenden Wissensgewinnung nachgebildet sind, so erweisen sich erstaunlich wenige Beispiele als Ausdrücke von Schlußprozessen. Lediglich (B36), (B44) und (B54) sind so zu bestimmen. In diesen Äußerungen nehmen die Autorinnen ein Gewußtes als gemeinsam in Anspruch, aus dem dann eine Konsequenz im Sinne einer Schlußfolgerung gezogen wird. Locatum ist mithin eine gegebene Voraussetzung, locandum die Schlußfolgerung. Der Leser erhält mit der Neufokussierung auf einen wissensmäßigen Ausgangspunkt so die Möglichkeit, den Schluß im Zuge der Kopplung mit nachzuvollziehen. Die anderen Beispiele aus dem Korpus zeigen, daß keineswegs irgendwie geartete Schlüsse die Kopplung bestimmen müssen. Andere mentale Operationen kommen statt dessen zum Tragen. Es sind Einschätzungsprozesse und Bewertungen. Zu einer Einschätzung gehören wesentlich die Identifikation der Konstellation und ihre Klassifikation oder Kategorisierung; Bewertungen werden nach einem besonderen Einschätzungsmaßstab vollzogen, sie umfassen also besondere Formen von Kategorisierungen und bilden selbst besondere Formen von Einschätzungen118. Wir haben es hier mit Einschätzungen innerhalb eines Fachwissens zu tun. Der Gehalt innerhalb des Nebensatzes, also die Sub-Prädikation, bildet die Konstellation, von der die Einschätzung oder die Bewertung ausgehen. Ein bestimmtes sachliches Wissen wird identifiziert, als solches neufokussiert und an eine fachspezifische Klassifikation oder Kategorisierung gekoppelt. Die Einschätzung ist mithilf e der paraoperativen Prozedur propositional in ihre Teiloperationen aufgespalten. Auf diese Weise ist der Leser in der Lage, sie prozessual mitzuyollziehen. Das Gewußte, das durch paraoperatives 'da' in Anspruch genommen und als locatum kategorisiert wird, ist das Resultat der Identifikation, das nicht zur Disposition steht. Der propositionale Gehalt des Hauptsatzes enthält die Klassifikation oder Bewertung im Rahmen des Fachwissens. Nehmen wir exemplarisch den ersten Beleg: daß bestimmte "Sätze in Glaubenskontexten nichtfaktiv gebraucht werden können", ist die Identifikation einer Sachkonstellation, nämlich des Verhaltens eines untersuchten Phänomens in bestimmten Zusammenhängen. Diese Identifikation bildet die Grundlage für die Klassifikation, daß die entsprechenden Verben "nicht per se faktive Präsuppositionen garantieren". Diese Aussage enthält keinen anderen Sachverhalt, sondern klassifiziert das Identifizierte unter einem bestimmten Blickwinkel, nämlich der Fragestellung, auf die hin das Phänomen untersucht wird. Insgesamt liegt in der Äußerung somit eine propoH° Die spezifische Einschätzung einer Situation ("das Sich-Orientieren") stellt bei Rehbein ein eigenes Handlungsstadium dar, weil "der Aktant solange nicht in seinem Handeln fortfahren kann, als er nicht den Kontext, der Ansatz und Grundlage seiner Handlung werden soll, perzipiert, identifiziert und bewertet (=klassifizier t, kategorisiert) hat." (1977,143)
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sitional entfaltete Einschätzung zum Phänomen vor. Nur über eine Gemeinsamkeit dieses Wissens kann des weiteren eine Wissensentwicklung vorangetrieben werden, Die Einschätzung ist also eine notwendige Grundlage für weitere Darlegungen der Sache, um die es jeweils geht. In unseren Beispielen bilden (B37), (B45), (B46), (B52) und (B53) klare Fälle von Einschätzungen. Sie sind nicht zuletzt deshalb leicht als solche erkennbar/ weil sie im Hauptsatz Modalisierungen, Bewertungs- oder Klassifikationsprädikate enthalten. Lediglich (B43) und (B48) scheinen eine solche Bestimmung nicht auf Anhieb zuzulassen. Betrachtet man die Propositionen jedoch genauer, so erkennt man, daß auch sie auf Einschätzungen basieren. Die Operation geht nur nicht mehr deutlich in die sonstige Ausdrucks wähl ein, "Es kommt vor" und "es gab wiederholt Versuche" erscheinen nicht als Klassifikationen oder Kategorisierungen. Es sind Darstellungen bestimmter Verhältnisse in der Wirklichkeit, solcher Verhältnisse freilich, die zuvor an eine bestimmte Konstellation gekoppelt wurden. Die Bindung an den -Be reich der Autorinnen wird also lediglich durch 'da' hergestellt; die gekoppelten propositionalen Gehalte würden eine P-bezogene Formulierung mit 'weil1 erlauben. Der Unterschied bei der Formulierung mit 'da' besteht genau darin, daß die Autorinnen den sachlichen Zusammenhang gewissermaßen einschätzend verflüssigen und damit in der Phase der Erkenntnisgewinnung und nicht der bloßen Assertion von Wissen ansiedeln. Auch diese Äußerungen stellen also in ihrer propositionalen Srrukturierung eine Einschätzung dar. Betrachten wir nun die Beispiele, die nach den obigen Analysen mit darstellungsorganisatorischen Dingen zu tun haben. Dabei wurde bereits von Einschätzungen, vor allem aber von Entscheidungen gesprochen. Entscheidungen basieren auf Einschätzungen. Aus einer Menge von eingeschätzten Alternativen wird eine Alternative für die Realisierung einer Handlung ausgewählt (B)
'dal-Nebensatz
Hauptsatz
38
ich ausschließlich sprachliche Handlungs- kann auf 'sprachlich' verzichtet werden schemata behandeln werde
39
bereits auf organisierende Funktion aufmerksam gemacht wurde
verzichte ich auf einführende Beispiele
40
die Gedanken Ducrots bei uns kaum verbreitet sind
gehe ich ausführlicher auf sie ein
H" Solche Entscheidungen sind generell für das Handeln relevant und nehmen einen entsprechenden Stellenwert in handlungstheoretischen Sprachtheorien ein (z. B. Kummer 1975 in seinen "Grundlagen der Texttheorie")
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zunächst nur unkonzentrierten Oberflächenabfluß betrachten
ergibt sich für unsere Modelluni ersuchung nur eine Abhängigkeit von,..
42
Auswirkungen nach dem Phasen-Schema parallelisiert werden
sei eine Übersicht gegeben
49
ihre Funktion in Strukturiemng des Inhalts besteht
werden sie als inhaltliche Strukturen bezeichnet
50
gegenwärtig Tendenzen der Verdrängung von 'denn' zeigen
ist es berechtigt und notwendig, historischen Zusammenhang herzustellen
51
hier um Interpret a Hortsprobleme geht
müssen verschiedene Hypothesen betrachtet und zur Diskussion gestellt werden
Die Übersicht bestätigt, daß die propositionale Strukturierung nicht auf Schlußprozessen basiert. Es handelt sich auch nicht um die Verbalisierung von Einschätzungen, sondern vielmehr um die sprachliche Darlegung von Entscheidungen, Im besonderen geht es um Entscheidungen über das Verfahren der Untersuchung (B41, 50, 51) oder der Darstellung der Untersuchungsergebnisse (B38, 39,40,42,49). Paraoperatives 'da' fokussiert jeweils die Grundlage der Entscheidung, also das Einschätzungsergebnis, neu und kategorisiert es als locatum, an das die getroffene Wahl als locandum angekoppelt wird. Aufgrund der sprachlichen Form steht die Einschätzungsgrundlage außerhalb der Diskussion, sie wird in Anspruch genommen. Wir haben nun alle komplexen Assertionen aus §3.3.3, deren propositionale Strukrurierung nach dem Verfahren der antizipierenden Wissensgewinnung geformt ist, untersucht Es zeigt sich, daß nur bei drei der insgesamt achtzehn derartigen Belege Schlußprozesse die angewandten Operationen bei der Antizipation darstellen. Sieben Äußerungen sind demgegenüber als Darlegungen von Einschätzungsprozessen zu bestimmen. In den weiteren acht Belegen, die inhaltlich durch einen Bezug auf Darstellungsorganisationen ausgezeichnet sind, bilden Entscheidungen die einschlägigen Operationen. Das allgemeine Analyseergebnis kann nun präzisiert werden. Ein Autor macht von paraoperativem 'da' im Vorfeld der propositionalen Organisation Gebrauch, wenn er für den Rezipienten ein Gewußtes als Grundlage von Schlüssen, Einschätzungen oder Entscheidungen in Anspruch nehmen und so den komplexen Gedanken prozessual nach dem Verfahren einer Antizipation darstellen will. Ist dieses Ergebnis zu vereinbaren mit der Funktionsbestimmung von paraoperativern 'da' in Briefen? Es war gesagt worden, daß der Ausdruck dort zu Zwecken einer Einleitung, also zum Vollzug eines besonderen diskursiven bzw. textuellen Verfah-
257
rens, verwendet wird. Wenn man die Belege noch einmal betrachtet, wird unmittelbar deutlich, daß weder Schlußprozesse noch Einschätzungen, sondern Entscheidungen die angewandten Operationen für die propositionale Strukturierung ausmachen. Dies ist dem Zweck von Einleitungen absolut angemessen, stellen sie doch gerade den Beginn einer Umsetzung von Handlungsplänen in die Wirklichkeit dar. (B)
'da'-Nebensatz
Hauptsatz
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hinter dem Vorgang möglicherweise Brisanz stecken könnte
möchte ich mich ein wenig absichern
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zwei Gruppenschlüssel entwendet wurden
müssen Türen mit neuen Schlössern versehen werden
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Bibliothek vervollständigen wollen
bitte ich Sie, mir dabei zu helfen
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nur kurz in Berlin sein konnte
fand ich keine Zeit
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Forschungswerkstatt gemeinsam stattfindet und Raum zu klein ist
haben wir das Treffen verlegt
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eine Berufungskommission zu bilden ist
hat der FBRat Sie...
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Herr NN Sie als Referent genannt hat
bitte ich um kurze Stellungnahme
Interessanterweise sind die meisten Sub-Prädikationen in irgendeiner Weise modal charakterisiert oder leicht charakterisierbar ^0, sei es in möglichkeitsbezogener, sei es in zielbezogener Weise - lediglich das stilistisch eigenartige Beispiel (B27) enthält eine nicht-modale Präsentation der Wirklichkeit als Gewußtes. Die Konstellation, die als Einschätzungsresultat der Entscheidung zugrunde Hegt, wird also entsprechend verbalisiert. Eine abgeleitete Form ist (B29), das Beispiel mit der besonders ausgedehnten Einleitung, in der das Satzgefüge die Präliminarien bildet. Nicht die Entscheidung, sondern insgesamt erst die Einschätzung wird propositional dargelegt^1 Wenden wir uns jetzt den Belegen mit nachgestelltem paraoperativem 'da' zu. Sind diese Assertionen, deren propositionale Strukturierung dem retrpzipierenden Verfahren der Wissensgewinnung nachgebildet ist, stets oder überwiegend Ausdrücke von Schlußprozessen? 120
In (B30) ist es ein Nicht-Können, in (B32) ein Sollen, das die Modalität der Sub-Prädikation ausmacht. 121
Die Entscheidung folgt erst, eingeleitet durch "Nun meine Bitte:".
258
(B)
Hauptsatz
'da'-Nebensatz
56
spricht der Umstand dagegen, so spricht er doch vielleicht auch dafür
die Frage nach der Herkunft die Asso ziationsbrücke sei n könnte
57
Verbzweit findet plausible Erklärung ·+· 'da' nicht para taktisch verwendet
Verbzweitstellung ST2 signalisieren kann; es als ohnehin nur in ST2 auftretend nicht gekennzeichnet zu werden braucht
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ist kein Argument gegen aussagemäßige Abgeschlossenheit der Trägerstruktur
diese nur in Richtung der Textprogression gelten muß
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bildet sich kein scharfer Knick
Übergang nicht sprunghaft erfolgt
61
es empfiehlt sich, beim Prosaentwurf selbst einzusetzen
möglich ist, daß Gedankengartg abgewandelt wurde
(B56) und (B59) stellen deutlich keine Schlußprozesse, sondern Einschätzungen dar. Im Unterschied zu obigen Verfahren wird hier allerdings zunächst die Bewertung oder Klassifikation formuliert, um sie anschließend an die identifizierte Konstellation rückzukoppeln. Auch die erste Äußerung von (B57) bildet prepositional eine Einschätzung. Die anderen Belege, also die zweite Äußerung von (B57), (B58) und (B61) bringen in der Tat Schlußprozesse zum Ausdruck, im letzten Fall sogar einen praktischen Schluß (cf. von Wright 1974). Ich will diese Bestimmungen an der Gegenüberstellung von (B59), einer Einschätzung, und (B58), einem Schluß, exemplarisch darlegen, weil die Operationen eine sehr große Nähe zueinander haben und daher oft schwer zu differenzieren sind. In (B59) wird eine Beobachtung in der Wirklichkeit klassifiziert, nämlich eine Hangformung, die sich durch das Fehlen eines scharfen Knickes auszeichnet. Diese Klassifikation wird an die bestehenden Bedingungen, die Konstellation, in der das Phänomen auftritt, rück gebunden, Die Konstellation ist als nicht sprunghafter Übergang vom strömenden zum schießenden Abfluß des Wassers identifiziert und als Gewußtes in Anspruch genommen. Es wird lediglich der Schritt von der Klassifikation zur Identifikation, rückorientiert, sprachlich entfaltet, insgesamt also ein retrograder Einschätzungsprozeß. Demgegenüber wird in (B58) zunächst ein Urteil formuliert, das dann an eine Konstellation gekoppelt wird. Diese Konstellation wird nicht einfach identifiziert, sondern als Bedingungspotential für unterschiedliche Prozesse gekennzeichnet; die Modalisierung 'nicht müssen' hebt ja gerade eine Festlegung auf nur eine einzige Alternative auf. Das Urteil wird auf diese Weise an eine Bedingung rückgekoppelt, die die Realität des doppelt negierten SachVerhalts, die aussagemäßige Abgeschlossenheit, zuläßt. Es bleibt beim Urteil freilich eine gewisse Lücke
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im Wissen, eben genau die Lücke, die durch den Schlußprozeß bearbeitet und überbrückt wird. Eine Einschätzung stellt demgegenüber eine klassifizierende und kategorisierende Identifikation eines Sachverhaltes dar, bei der keine Wissenslücke überbrückt wird, sondern Wissen auf eine begriffliche Form gebracht wird. Es erweist sich, daß Schlußprozesse eher im Falle der retrozipierenden Darlegung des Wissens, also bei einer nachgeschobenen Inanspruchnahme des Gewußten, den Gedanken ausmachen als bei den antizipierenden Strukturierungen des propositionalen Gehaltes. Allerdings sind gleichermaßen Einschätzungen so ausgedrückt Als letztes verbleiben die beiden diskutierten Belege für paraoperatives 'da' innerhalb parenthetischer Einschübe. (B 55) ... wichtiger noch - da auch sonst kaum etwas die Rede von einem solchen Wandel rechtfertigt - ist eine andere Frage ... und (B 60) Als dritte große morphographische Einheit bleibt, da das Alpenvorland ... zu den Mittelgebirgsregionen gerechnet wird, noch das Hochgebirge zu erwähnen. Wir haben bei den Analysen gesagt, daß diese Formulierungen aufgrund der Positionierung des Nebensatzes starke Nähe zu Einschüben mit 'denn' auf weisen und als taktische Inanspruchnahme des D-Elementes an der hörerseitigen Final position des Handlungsmusters Begründen zu bestimmen sind. Die Operationen, die zu diesem Einschub führen, sind in beiden Belegen unterschiedlich: in (B55) ist es offensichtlich eine Einschätzung, in (B6Ö) eine Entscheidung. Ich bezweifle, daß ein Schlußprozeß parenthetisch verbalisiert werden kann. Denn zu einem Schlußprozeß gehört eine gewisse Kohärenz auch der Darstellungsform, dem die Parenthese widerspricht. Wir haben nun alle bislang analysierten Vorkommen von paraoperativem 'da' auf die Operationen hin untersucht, die die innere Strukturierung des propositionalen Gehaltes bedingen. Es erweist sich, daß Schlußprozesse nur eine Möglichkeit bilden. Einschätzungen und Entscheidungen sind die anderen, keineswegs selteneren mentalen Operationen, die verbal zur Darstellung kommen. Dies führt zu dem Ergebnis, daß paraoperatives 'da' zwar - im Unterschied zu 'denn' und 'weil' - überhaupt geeignet ist, Schlußprozesse zu versprachlichen, daß seine Bedeutung jedoch keineswegs darin aufgeht. Vielmehr setzt der Sprecher, dem antizipierenden oder retrozipierenden Verfahren der Wissensgewinnung folgend, mentale Operationen wie Schlüsse, Einschätzungen und Entscheidungen bei der Entwicklung von Gedanken in eine propositionale Strukturierung um, so daß der Hörer beim verstehenden Mitvollzug eine entsprechende Wissensstrukturierung vornimmt. Der Gehalt des Nebensatzes wird dabei durch paraoperatives 'da' neufokussiert und als lokalisierender Ansatzpunkt kategorisiert, ohne daß dem zu widersprechen ist. Die mentale Operation wird in ihren Teiloperationen sprachlich prozessiert, ohne daß die jeweils grundlegende zur Disposition steht. Die Bedeutung von paraoperativem 'da' gehört somit in den
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systematischen Zusammenhang von Prozessen und Verfahren der Versprachlichung von Gedankenentwicklungen. Sein Ort ist in einer Theorie der Verbalisierung und Konstitution propositionaler Akte. 3,4.1.4 "Kausalität", "Konditionalität" und Begründung In welchem Verhältnis steht dieses Analyseergebnis zur traditionellen Bestimmung von paraoperativem 'da' als einer kausalen Konjunktion, also einer Konjunktion, die kausale Verhältnisse kennzeichnet? Paraoperatives 'da' ist nicht P-bezogen. Insofern kann es nicht um den Ausdruck von Kausalverhältnissen als sachlichen Zusammenhängen gehen. Der komplexe propositionale Gehalt wird nicht in der Weise gekoppelt, daß seine Teile als Elemente einer ontologischen Kausalbeziehung kategorisiert werden. Diese Funktion kann, wie argumentiert wurde (§2.4), operatives 'weil' übernehmen. Freilich ist auch bei der Verwendung von 'da' nicht prinzipiell ausgeschlossen, daß die propositionalen Teile faktisch in einer solchen Relation zueinander stehen, nur ist dies dann ohne die Vermittlung von 'da1 der Fall, also unabhängig von der Kopplung. Der Hörer erkennt die Relation dann anhand seines Wissens über die prepositional ausgedrückten Sachverhalte. Die paraoperative Prozedur widerspricht diesem Wissen lediglich nicht, sondern läßt es zu. Die empirischen Textanalysen auch von Arn dt (1956) und Härtung (1961) erweisen jedoch, daß selten von einer solchen Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, allenfalls in vermeintlichen stilistischen Aufbesserungen, 'da1 kann insofern als komplementär zu 'weil' gelten. Geht es bei der Verwendung von paraoperativem 'da' statt der ontologischen um analog konzipierte Zusammenhänge im mentalen Bereich, d. h. um sogenannte logische Kausalität oder, mit Bezug auf den Gehalt des Nebensatzes, um die Kommunikation von logischen oder Erkenntnisgründen? Eine derartige Auffassung kommt wie in der Literatur zumeist hervorgehoben wird - etwa bei Behaghel122 zum Ausdruck: "Wenn weil und denn im wesentlichen den tatsächlichen Grund bezeichnen, da den logischen Grund, so hängt dies damit zusammen, daß da der Mundart, der lebendigen Rede überhaupt fremd ist." (1928 III, 341) Sieht man sich diese Formulierung genauer an, so ist die Aussage in einem modalen Zusammenhang gemacht ("im wesentlichen" kann sich durchaus auch noch auf das verkürzte Konjunkt innerhalb der 'wenn'-Formulierung beziehen) und, wichtiger noch, an einen Erklärungsversuch gebunden. Behaghel stellt einen Zusammenhang zur Schriftlichkeit der Verwendung her, ohne ihn gleichwohl näher auszuführen. Anhand unserer Analyseergebnisse kann man argumentieren, daß die verbale Planung im Schriftlichen einen größeren Stellenwert gewinnt, so daß Logisches - im Sinne von mentalen Darstellungs- und Verstehensprozessen - bis in die sprachliche Formulierung hinein wirksam werden mag. Ferner gelangt 'da', wie Arndt und Härtung in ihren Korpusana122
Schon Becker (1827) spricht vom "entfernten logischen Grund".
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lysen ebenfalls feststellen, ganz besonders in wissenschaftlichen Texten zur Verwendung, und zwar sowohl während seiner operativen Funktionalisierang im 18. Jahrhundert - dort insbesondere an die Vordersatzposition gebunden (cf. Arndt 1956, 147) -, als auch in gegenwärtigen "wissenschaftlichen Abhandlungen" mit "anspruchsvollem" Stil (ebd., 1560- Härtung hebt die zunehmende Schriftlichkeit und die inhaltsstrukturierenden Bedürfnisse wissenschaftlicher Literatur explizit als verantwortliche Momente für die Entwicklung und Verbreitung von paraoperativem 'da' hervor und wendet sich damit zugleich kritisch gegen eine mögliche 'Tendenz vulgär-materialistischer Interpretation", wenn Arndt eine direkte Bindung an die Entwicklung kausalen Denkens vornimmt (1961, 16). Rudolph (1981) bestätigt an einem kleinen Korpus die vergleichsweise hohe Rate von 'da' in wissenschaftlicher Literatur, vor allem in Vordersatzposition. In wissenschaftlichen Texten geht es primär um die verbale Darstellung von Wissen, wie wir sagten. Mentale Prozesse nehmen einen besonderen Stellenwert dabei ein. 123 Insbesondere kommen, wie sich zeigte, Einschätzung, Entscheidung und auch Schlußprozeß durch paraoperatives 'da' in ihren Teiloperationen prozessual zürn Ausdruck. Basieren derartige Handlungen auf der Kopplung zweier Elemente, die in einem kausalen Verhältnis zueinander stehen? Ist das eine Element genauer ein logischer Grund? Sicherlich geht es um Zusammenhänge systematischer, und nicht kontingenter Art. Einschätzungen basieren systematisch auf Identifikation und Klassifikation (Bewertung) einer Konstellation, Entscheidungen auf Einschätzungen der Gegebenheiten und möglicher Handlungswege, Schlußprozesse auf der Einschätzung von Bedingungen. Des weiteren handelt es sich um bestimmte Folgeverhältnisse: Identifikation und Bewertung sind Voraussetzung und nicht Folge von Einschätzungen etc. Insofern wird mit der Neufokussierung und Inanspruchnahme des jeweiligen Voraussetzungselementes bei jedem Aktanten ein Wissen aktualisiert, das den gekoppelten Gedanken als Element einer Handlungsfolge erwarten läßt. Der Gesamtzusammenhang erscheint dann fundiert und folgerichtig. Allerdings ist eine Kategorisienmg als "logischer" oder Erkenntnisgrund" lediglich im Falle von Schlußprozesssen treffend. Für Einschätzungen und Entscheidungen paßt dieser Begriff nicht.124 Zuweilen wird auch der moralische oder "Beweggrund" als die causa angeführt, die 'da' zum Ausdruck bringe (vgl. die Auflistung in den Grundzügen 1981, 799). Bei der Kommunikation von Entscheidungen mögen derartige Gründe zum Tragen kommen 123 ich meine, daß folgende Vermutung von Amdt erst noch genau überprüft werden müßte: 'Ihre Häufung {kausaler Vordersätze, auch mit 'weil'; A.R.) in wissenschaftlichen Texten der frühen Aufklärungszeit scheint allerdings aus dem Denkschema der formalen Logik erwachsen zu sein" (1960, 254) Möglicherweise entpuppt sie sich als Projektion bestimmter wissenschaftstheoretischer Erwartungen. ^24 Bereits Wunderlich & Reis (1924, Bd.2,415} formulieren ihr Mißtrauen gegen die "Übernahme logischer Unterscheidungen in die Sprachlehre" und sehen die Differenz zwischen 'weil' und 'da' mehr in der syntaktischen Positionierung im Nach- respective Vordereatz.
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(z. B. in der Briefeinleitung B26), jedoch keineswegs immer, Entscheidungen werden durch die verschiedensten Kriterien und Voraussetzungen bedingt, beispielsweise durch instititutionelle Erfordernisse oder Routinen, wie in (B31, B32), Wenn man Voraussetzungen, Bewertungs- und Einschäizungskriterien, Bedürfnisstrukturen und verallgemeinerte Denkverfahren oder Schlußprozesse gleichermaßen als causa und das Gesamtverhältnis innerhalb der mentalen Handlungen als eines der Kausalität auffaßt, muß man sich darüber im klaren sein, daß wesentliche begriffliche Differenzierungsmöglichkeiten im Wege der Analogisierung eingeebnet werden. Die innere Systematik dieser mentalen Handlungen wird dabei überdeckt. Diese weitgehende Problematisierung, ja Infragestellung der "kausalen" Charakterisierung wird in der Literatur, die sich auch zu der Differenzierung in logische versus ontologische Gründe kritisch verhält125, etwa Arndt (1956), Harweg (1972), Eroms (1980), Thim-Mabrey (1982), nicht in Erwägung gezogen. Eine Ausnahme bildet Pasch; ihre Darstellung diskutiere ich am Ende dieses Abschnittes. Aus onomasiologischer Sicht erweist sich, daß nur an bestimmten Stellen des Spektrums oder besser: nur an qualitativen Umschlagpunkten eines Kontinuums von Zusammenhängen, die durch 'da' kommuniziert werden, Relationskonzepte entwickelt sind. Kausalität ist dabei sicherlich eines, das ausgezeichnete Teile dieses Kontinuums grob zu erfassen vermag, jedoch nicht alle und nicht sehr differenziert. Die Untersuchung "semantischer Relationen", wie Sitta (1971) sie für Inhaltssätze detailliert vornimmt, oder allgemeiner der "kategorialen Werte" (Boettcher & Sitta 1972) macht notwendig von den verfügbaren Kategorien Gebrauch. Allerdings wird dort auf feinere Differenzierungsmöglichkeiten hingewiesen; im Duden steht schließlich: "Die verschiedenen kategorialen Beziehungen, die im Deutschen zwischen Teilsätzen bestehen können, bilden insgesamt nicht ein logisches System, innerhalb dessen einzelne Positionen in wohlgeordnetem Verhältnis zueinander stünden. Vielmehr hat sich die Gesamtmenge der kategorialen Werte im Verlauf der Geschichte unserer Sprachgemeinschaft nach und nach entwickelt, gesteuert von wechselnden Bedürfnissen und daher durchaus begrenzt systematisch. Damit hängt es zusammen, daß einzelne Bereiche sehr differenziert ausgebaut sind, andere sehr pauschal, einige Werte sehr nah beeinander liegen, andere sehr viel weniger." (1984,6690 !25 Härtung bedient sich positiv der "spezifische(n) Relation zwischen zwei Sachverhalten (Erscheinungen), die dann gegeben ist, wenn der eine den anderen notwendig hervorbringt" (1961, 55) und hält die Differenzierung zwischen Ursache (Realgrund) und Erkenntnisgrund (log. Grund) für nützlich. Zugleich betont er, daß für die sprachliche Analyse die objektiven Beziehungen irrelevant seien, da es ohnehin nur um die gedanklichen Widerspiegelungen gehe (ebd., 56), So gesehen können wir freilich niemals Erkenntnisse über die Wirklichkeit kommunizieren; ich halte die Differenzierung gerade für Sprachanalysen von erheblicher Relevanz, weil durchaus sprachliche Mittel ausgearbeitet sind, um beides voneinander abzusetzen. Vermutlich wendet sich Härtung hier kritisch gegen wissenschaftstheoretische Verkürzungen um die mentale Sphäre insgesamt, dem zuzustimmen ist.
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Die Rekonstruktion des semasiologischen Wandels von 'da' basiert ebenfalls auf den traditionell unterschiedenen Kategorien. Abraham (1976) stellt in seiner Darlegung der "Trugschlüsse" für 'da' die durchgängige Grundkonstellation der Simultaneität heraus, die den etymologischen Weg von lokalisierender zu temporaler Kennzeichnung bis hin dann zur kausalen ermöglicht. Traugott, die auf eine mögliche Überspringung der Temporalität hinweist (1986, 146), bestimmt das ikonische Prinzip derartiger Entwicklungen und erstellt beispielsweise für Konditionale eine "cognitive map" charakteristischer Übertragungswege (1985). Ebenso läßt sich für paraoperatives 'da' ein Bild der Verschiebung dessen, worauf punktuell lokalisierend gezeigt wird, rekonstruieren, vergleichbar dem Verfahren, das Radden für die Entwicklung englischer Präpositionen vom lokalisierenden zum kausalen Ausdrucksmittel anwendet (1985)126, Dabei wird, der semiotischen Grundkonzeption entsprechend, die Relation dem jeweiligen sprachlichen Zeichen als Bedeutung gewissermaßen angeheftet. Man erhält so ein temporales, konditionales, kausales und auch, wie etwa bei Behaghel (1928, III, 99/109), ein konzessives 'da'. König weist bei seiner am Englischen vorgeführten Analyse von Verwendungs- bzw. Kontextbedingungen für Konditionale und Konzessiva nach, daß "many of the categories traditionally used for the classification and characterization of adverbial clauses are not discrete ones. Under certain contextual conditions, a clause that is formally marked as one type of construction may be interpreted as another. Hence, it is not possible to identify the adverbial constructions examined in this chapter by a list of necessary-and-sufficient conditions. One way oi dealing with this problem of delimination and identification is to use the concept of a prototype {...), even though the exact implications of such an approach have yet to be spelt out" (1986, 2420. Ich halte diese Einsicht, insbesondere auch in mögliche Neutralisierungen von Gegensätzen sowie in eine nicht umkehrbar zunehmende Abstraktion bis hin zum alleinigen Ausdruck von Konzessivität (König 1987), für außerordentlich wichtig. Es wäre eine Verkennung der Bedeutung von 'da' im operativen Feld, wollte man es - auch nur prototypisch - auf Kausaltität festlegen. Einzig sinnliche Lokalisierung ist syntaktisch, nämlich im Zuge der Funktionalisierung für operative Zwecke, ausgeschlossen. Ich denke allerdings, daß die wiederum zeich enzentrierte Prototypen-Semantik nicht das geeignete Darstellungsverfahren für die Funktionsweise des Ausdrucks ist. Vielmehr bietet die prozedurale Bestimmung die Möglichkeit, eine konstante Bedeutung anzugeben und dennoch solche von König 126
Radden (1985) stellt im einzelnen die Raum-Metaphern dar, die kausalen Präpositionen wie with, on, in, for, at, from, of, by, through noch immer zugrunde liegen. Place, Goal, Source und Path werden dabei gleichermaßen ausgenutzt, und zwar punktuell, linear, oberflächlich oder flächig bzw. umfänglich in der Dimension (die fehl paginierte S,184 mit entsprechendem Diagramm ist im Anschluß an S. 185 zu lesen). Durch die jeweiligen räumlichen Konstellationen werden verschiedene Aspekte an Kausalität hervorgehoben, nämlich Source für den causing event und Goal für den resulting event (ebd., 187), im einfachen Fall; vermittelt z. B, über Repetitionen können auch Place und Path Elemente von Kausalität bilden.
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ermittelten konkreten Effekte zu erklären. Unter Verzicht auf die Kategorie der Kausalität habe ich dies in §3.2 bei der funktional-etymologischen Darlegung ausgeführt. Die aktuale deiktische Prozedur ermöglicht es dem Sprecher, auch bei operativer Verwendung, im Verständigungshandeln zwischen sich und dem Hörer, eine Kopplung propositionaler Teile zu vollziehen, die lediglich lokalisierend kategorisiert werden. Das Wissen des Hörers über die gekoppelten Propositionen selbst kann dann zu feineren Kategorisierungen führen. So ist das im Vergleich zu 'denn1 und 'weil' breitere Ausdrucksspektrum von 'da' mit Blick auf die propositionalen Gehalte meines Erachtens angemessen berücksichtigt. So wird auch der "Causalitätsfehlschluß" angesichts jeglicher Erwartung von Handlungsfolgen vermieden, den bereits Wegener (1885), auch mit Bezug auf Konjunktionen, anführt127. Hat die Konjunktion 'da' wenigstens eine kausale Bedeutung aus pragmatischer Sicht, dient sie also der Realisierung einer Begründung? Auch das ist nicht der Fall, wie sich gezeigt hat. Der Sprecher liefert kein Verstehenselement für den Hörer, sondern nimmt vielmehr gerade etwas als gerneinsames Wissen in Anspruch, was inhaltlich einen systematischen Teilgedanken der kommunizierten Schlüsse, Einschätzungen, Entscheidungen bildet, 'da' ist also kein Indikator von Begründungen (Rosengren 1983) oder "marker", wie etwa Schiffrin (1987) dies für englische Konjunktionen oder die Genfer Linguisten es für französische Äquivalente annehmen. Allerdings nimmt der Sprecher im Unterschied zur Kommunikation des bloßen Resultats oder Egebnisses dieser mentalen Handlungen eine Verstehenssteuerung in einer Weise vor, die dem Hörer einen Einblick in die Genese des propositionalen Handlungsresultats, insofern auch in die Entwicklung des komplexen propositionalen Gehaltes, erlaubt. Der Sprecher involviert den Hörer in die mentale Vorgeschichte, die zur Verbalisierung des hauptsächlichen, syntaktisch im Hauptsatz kommunizierten propositionalen Gehaltes geführt hat, sei sie innerhalb einer Einschätzung, Entscheidung oder eines Schlußverfahrens lokalisiert (sie!). Er präsentiert sie, zeigt sie verbal, nämlich durch einen Ausdruck, dessen Verweiskraft auch bei operativer Funktionalisierung noch aktual ist, und nimmt sie zugleich ohne Duldung von Widerspruch als gemeinsam Gewußtes in Anspruch, So kann er es als Ansatzpunkt für seine gedankliche Ausführung geltend machen. ^27 "Die Verhältnisse neinlich, welche in uns die Erwartung auf einen bestimmten weiteren Verlauf erweckt haben, erscheinen uns als die Gründe selbst für den Weiterverlauf; es wandelt sich somit der psychische Zustand der Erwartung in die logische Vorstellung eines Causalitätsverhältnisses, und unsere durch Erfahrung gewonnenen Erwartungen in ihrer Totalität sind die Formen und das Schema, nach denenwir das Geschehen in der Welt verknüpfen." (1885, 130) Diese Generalisierung setzt sich momentan auch in der sprechakttheoretischen discourse analysis durch, indem nicht mehr Konzepte wie Hierarchie, Plan (script, schema) - neben solchen der Subsidiarität - den über isolierte Akte hinausgehenden Blick auf Zusammenhänge prägen, sondern nunmehr "Kausalität" (z. B. in den Beiträgen des Bandes von Ellis & Donohue 1986). Die Kategorie des Zwecks als Konstituens des Zusammenhangs bleibt ausgeblendet.
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Insofern besteht - vor allem bei Vordersatz-Position - eine gewisse Nähe zur Funktion von "faktischem" oder "resumptivern" 'wenn', das nicht nur mit dem "Korrelat" 'dann', sondern besonders auch mit 'so' verwendet wird (cf. Harrung 1961; FabriciusHansen 1980; König & van der Auwera 1988). Auch paraoperatives 'da' kann durch die Aspektdeixis 'so' im Hauptsatz unter inhaltlichen Aspekten neufokussiert werden. Adelung führt selbstverständlich unter "'da' im Vordersatz" bei 2, "kausal mit 'so'" in dieser Form an (1782,482); auch Arndt (1956) und Thim-Mabrey (1982) weisen auf diese korrelative Formulierung hin; Thim-Mabreys Beleg aus einem offenbar heimatkundlichen Buch mutet allerdings außerordentlich archaisierend an. Insgesamt ist die Verwendung dieses Korrelats heute sehr begrenzt, jedoch nicht völlig aufgegeben. Wie weit reicht die Ähnlichkeit mit der Korrelierung zu 'wenn'? Ich habe (1987) eine sprachpsychologische Erklärung für das Korrelat 'so' zu geben versucht und von dieser Fragestellung her die Funktion des Nebensatzes mit 'wenn' als sprachliche "Grundlegung" bzw. "Fixierung eines Ausgangspunktes" beschrieben, der für eine im Vergleich zur Erwartung linearer inhaltlicher Fortführung andersartige Ausführung durch 'so' taugt. Ähnlich hat Rehbein (1984) 'wenn(-dann)'Konstruktionen in Beschreibungen untersucht und sich dabei kritisch mit der Bestimmung von Ullmer-Ehrich (1979) als einem rahmensetzenden Konditional mit Bezug auf einen imaginären Raum auseinandergesetzt Allerdings verwendet Rehbein bei seiner Bestimmung Kategorien, die 'wenn' als eine Deixis erscheinen lassen: "Hieraus ergibt sich, daß die "wenn"-Konstruktion eine Fokus-Bewegung des Hörers auf eine Raumposition hervorruft, an der zugleich der nächste zu beschreibende Sachverhalt in der Vorstellung verankert wird...., denn durch sie (die "wenn"-Konstruktion; A.R.) wird der Fokus des Hörers zu einem neuen Verankerungspunkt geführt, ohne - und das ist eine richtige Beobachtung Ullmer-Ehrichs - die "deiktische Perspektive" aufzugeben, also ohne den Vorstellungsraum zu verlassen," (1984, 82) 'wenn' ist kein deiktischer Ausdruck, sondern ein operativer. Die Begriffe "Vorstellungsraum", "deiktische Perspektive" und "Fokus-Bewegung" gehören allerdings systematisch in den Zusammenhang der deiktischen Prozeduren. Die beiden ersten Kategorien dürften bei Ullmer-Ehrich wie Rehbein anderen sprachliche Besonderheiten, insbesondere dem deiktischen Verweis, geschuldet sein, der bei Beschreibungen nach einer entsprechenden Exposition in der Tat charakteristischerweise im Vorstellungsraum erfolgt. Als operativer Ausdruck hat 'wenn' jedoch selbst nichts mit einer Neufokussierung oder auch einem durch die Neufokussierung bewirkten Fokusschwenk im Vorstellungsraum zu tun. Die Kompatibilität mit der Diskursart verdankt sich vielmehr einer anderen Prozedur, 'wenn' qualifiziert einen proposirionalen Gehalt als bestimmtes Nicht-Gewußtes und bringt ihn als nicht-P-bezogen in das Verstehen des Hörers ein. Somit wird einem Element der mentalen Widerspiegelung durch die Verbalisierung im Nebensatz eine rein sprachliche Wirklichkeit zubemessen. (Im Falle konjunktivischer Formulierung wird sie an mentale Einschätzungen rückgebunden.) Der Gehalt des Nebensatzes wird also in jedem Fall in aus-
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drücklicher Opposition128 zur faktischen (oder praktischen) Wirklichkeit P kommuniziert, und zwar als eine - im Sinne des bestimmten Nicht-Gewußten - Grundlage oder Voraussetzung, sei dies eine "Wissensvoraussetzung" (Fabricius-Hansen 1980, 178 für das sog. faktivische 'wenn'), eine logische conditio im Sinne traditioneller Konditionalität oder eine zeitliche Voraussetzung oder schließlich auch eine konzessive conditio, wie König & van der Au wer a (1988) sie beschreiben.129 Der Unterschied zwischen sogenannt faktivischem 'wenn' und 'da' besieht in folgendem. Der Sprecher nimmt mit der par aopera riven Prozedur 'da' den Gehalt ohne eine Opposition zur Wirklichkeit P in Anspruch und präsentiert ihn als lokalisiertes Gewußtes. Die Frage nach dem Verhältnis zu P stellt sich bei einer solchen Inanspruchnahme nicht. Diese Differenz bei paraoperativem 'da' dürfte die Kategorisierung als Kausalität anstelle von Konditionalität - die im Sinne der zunehmenden Abstraktion der Relationen freilich als latent enthalten gilt (vgl. Abraham 1976, König 1987) traditionell befördern. In den Grundzügen (1981) und bei Eisenberg (1986) wird dementsprechend das Konditionalverhältnis als das übergeordnete und das Kausalverhältnis als eine besondere Form davon - eben als Grund-Folge-Beziehung - behandelt. Umgekehrt ist etwa bei Härtung (1961) Kausalität die übergeordnete Kategorie. Ebenso argumentiert Rudolph (1981,167) nach einer ausführlichen Darlegung einiger philosophischer und wissenschaftstheoretischer, besonders naturwissenschaftlicher, Positionen zur Kausalität für Raum, Zeit und Kausalität als den drei Grundkategorien, wobei die causa - so schon in ihrer Arbeit (1976) - Ursache, Grund, Ausgangspunkt, Voraussetzung, Bedingung, Auslösefaktum u. a. sein kann. Es bleibt Paschs Darstellung der Kausalität von 'da', 'denn' und 'weil' zu diskutieren. "Der Terminus "Kausalkonjunktion" könnte suggerieren, daß es sich bei der hier einschlägigen Beziehung um den Ursache-Wirkungs-Zusammenhang handelt. Dies ist jedoch nicht so.... Auch die Unterscheidung von sachlicher Ursache und Motiv (Beweggrund) für Handlungen ist im Bereich der Kausalkonjunktionen irrelevant und wird hier deshalb vernachlässigt. ... Das, wodurch die Bedingung-Folge-Beziehung auf der Ebene der intensionalen Bedeutung identifiziert wird, nenne ich Wenn-soVerknüpfung, Diese Verknüpfung ist nicht symmetrisch." (Pasch 1983, l Gif) Mit der Formulierung "wenn-so" in dieser Bestimmung wird nicht auf den sprachpsychologischen Unterschied zwischen linearer Owenn-dann 1 ) und qualitativ veränderter ('wenn-so') Fortführung eines Gedankens abgehoben, wie soeben für die konkreten sprachlichen Ausdrücke diskutiert. Allerdings steht diese Umschreibung 128 Hierin stimmt 'wenn(-dann/so>' mit der Leistung des Konjunktivs überein. 12
^ ich denke, daß sich auch für die ausführlich semaBiologisch untersuchten Konditionale - hinzuweisen ist vor allem auf die Arbeiten in den Bänden von Traugott (1986) und Hairrtan (1985) - eine prozedurale anstelle einer prototypischen Bedeutungsbestimmung vornehmen läßt. Hier ist jedoch nicht der Ort für eine allgemeine Darlegung von 'wenn'.
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theoretischer Verhältnisse durch "objektsprachliche" Ausdrücke auch nicht im Widerspruch dazu. Denn es soll eine Differenz zur materialen Implikation der Logik formuliert werden, die gewöhnlich als "wenn-dann-Verknüpfung" umschrieben wird, Pasch stellt damit die grundlegende intensionale Verknüpfung dar, mithin eine Erfassung der grundlegenden Bedeutungsstruktur im Rahmen einer intensionalen Semantik. Die "wenn-so-Verknüpfung" erfaßt den nicht-kontingenten, in einer Folge siehenden Zusammenhang der verknüpften Gehalte, wie er oben charakterisiert wurde. Folie einer derartigen Semantik ist eine widerspruchsfreie, wohlgeformte logische Rekonstruktion der Bedeutung sprachlicher Ausdrücke. Dementsprechend differenziert Pasch bei der intensionalen Darstellung zwischen Antezedens und Konsequens. "Bei weil identifiziert das thematisierte Antezendens das Bedingende einer Bedingungs-Folge-Beziehung zwischen Sachverhalten, wobei svq als Instanz eines der in einer solchen Beziehung stehenden Sachverhalte fungiert. Bei da und denn kann, wie gezeigt wurde, svq Bedingendes oder Bedingtes in einer solchen Beziehung zwischen Sachverhalten sein." (Pasch 1983, 104) Die intensionalsemantische Grundbestimmung als "wenn-so-Verknüpfung" für alle sogenannte kausale Konjunktionen erlaubt es Pasch, die Unabhängigkeit vom konkreten Verhältnis der Konjunktbedeutungen zu erfassen und die Charakteristik der von Lang entwickelten operativen Bedeutung logisch zu rekonstruieren. "Die Wenn-so-Verknüpfung identifiziert also eine Beziehung zwischen Einheiten, für die es möglich sein muß, eine wie Lang (1977) sagt - gemeinsame Einordnungsinstanz (GEI) nachzuweisen." (ebd.) Die Differenz von Paschs Analyse zu den hier entwickelten Bestimmungen leitet sich aus dem zeichen- vs. handlungstheoretischen Grundansatz ab, der meines Erachtens bei ihr den interessanten Punkt der GEI insofern offen läßt, als unklar bleibt, wie denn nun ein Sprecher den Hörer zum "Nachweis" einer solchen Gemeinsamkeit bringt und welche funktionale Auswirkung das für die Bedeutung der Gesamtäußerung hat. Dabei denke ich keineswegs an einzelne Konkretionen, die in der Tat "nicht als lexikalische Gebrauchsbedingungen bei den Konjunktionen vermerkt werden" müssen, wie sie fortfährt, sondern an den allgemeinen Mechanismus einer derartigen Bedeutung. Die Darlegungen von Pasch hierzu gehören jedoch in den folgenden Paragraphen, Ich schließe hiermit die handlungstheoretische Bestimmung von paraoperativem 'da' und diskutiere anschließend einschlägige Bestimmungen in der Fachliteratur. Dabei werden auch einige bislang nicht behandelte Aspekte der Bedeutung und Funktion aufgegriffen. 3.4.2
Die handlungstheoretische Bestimmung und Bestimmungen in der Fachliteratur
Empirische Korpus anal ysen zur kausalen Konjunktionen 'da1 im Bereich des Schriftlichen sind - die historischen Untersuchungen eingeschlossen - durchaus vorhanden, allerdings kaum text- oder diskurstheoretisch systematisiert. Die beiden Monogra-
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phien von Arndt (1956) und Härtung (1961) repräsentieren einen methodischen Wechsel von historisch-philologischer Korpusanalyse zu "synchronisch-strukturellen" Forschungen (Härtung 196l/15). Ferner erfolgen die zahlreichen Untersuchungen von Rudolph (1976; 1979; 1981) anhand konkreter Belege in einem kleineren Korpus aus belletristischer Literatur und wissenschaftlichen Arbeiten sowie notierten Verwendungen im mündlichen Sprachgebrauch, und die beiden Artikel von Rosengren (1983,1987) beziehen sich auf Verwendungen in Geschäftsbriefen, Während es Rudolph um allgemeinere Bedeutungsbestimmungen unabhängig von Textarten in einem weit gefaßten Rahmen der Texttheorie von Petöfi geht, bemüht sich Rosengren um die spezifischen sprachlichen Anforderungen in Geschäftsbriefen (s. o., §3.3.2) und eine theoretische Erfassung des Phänomens im Rahmen der Analyse von Illokutionsstrukturen. Die syntaktischen Bestimmungen von Cle"ment &Thümmel (1975) und Thümmel (1979) sind - im Sinne ihres strikt strukturalistischen Ansatzes notwendig - an empirische Vorkommen der Formen gebunden. Ebenso gründet ThimMabrey (1982) ihre Syntaxuntersuchung auf Belege aus verschiedenen Textarten. Demgegenüber ist die ausführliche Analyse von Pasch (1983) rein theoretischer Art und lediglich durch konstruierte Beispielsätze illustriert. Im Artikel von Eroms (1980) wechseln Belege aus - z. T. historischen - Texten mit konstruierten Beispielsätzen. Harras (1984) greift bei ihrer Argumentation die in Grammatiken vorgelegten Beispielsätze auf. Entsprechend dem schon von Behaghel gehegten Zweifel - "Ob dieses kausale da jemals der lebendigen Rede angehört hat, kann bezweifelt werden; den heutigen Mundarten scheint es fremd zu sein." (1928, III, 100) - findet sich in Eisenmanns quantitativ angelegter Untersuchung gesprochener Sprache keine Eintragung. Ich gruppiere die Darlegungen in der Literatur um einige leitende Fragestellungen. Im ersten Teil werde ich im weiten Sinne semantische, im zweiten Teil syntaktische Diskussionen aufgreifen. Dabei strebe ich keine erschöpfende Referierung aller Aussagen zu 'da' an - viele, vor allem ältere Bestimmungen werden in den verschiedenen Arbeiten hinreichend wiedergegeben -, sondern mir geht es um das Verhältnis zu den bislang gewonnenen handlungstheoretischen Ergebnissen. 3.4.2,1 Allgemeine referenz- und logisch-semantische Darlegungen Arndt (1956, 1960) betont die in der Bedeutung von 'da1 stets mitschwingenden Bedingungen nicht-kausaler Art, insbesondere temporaler und lokaler Qualität. Das entspricht der oben vertretenen Auffassung von einem Kontinuum möglicher Verhältnisse der propositionalen Gehalte. Im Grimmschen Wörterbuch ist eine dementsprechend viel weitere Bestimmung der "abgeleiteten bedeutungen" verzeichnet: "da für weil, doch minder nachdrücklich, die läge der dinge bezeichnend, da er einmal gekommen ist, so will er nicht wieder weggehen, da es nicht anders ist, so trete ich zurück." (I860, Sp. 653) Damit ist die lokalisierende Kategorisierung umrissen, die nach
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unserer prozeduralen Bestimmung im deiktischen Verweis aktual bleibt und alle Gehalte gleichermaßen operational koppeln läßt. Der genannte mindere, genauer: fehlende Nachdruck bildet das wesentliche Bedeutungsmerkmal von 'da' in Opposition zu nachdrücklichem 'weil' bei Härtung, während beide Ausdrücke im Merkmal "Ursache" übereinstimmen (1961,70). Das Merkmal "Nicht-Nachdruck" macht es nach Hartungs Auffassung auch erklärlich, weshalb nicht 'weil', sondern gewöhnlich 'da' "für die Einleitung der nur referierten Begründung" verwendet wird (ebd., 68). Mir scheint die Umschreibung durch diesen Begriff mit der Differenz zwischen PBezogenheit von 'weil' und -Bezogenheit von 'da' übereinzugehen; Wie sich die gekoppelten Gehalte sachlich, in der Wirklichkeit, zueinander verhalten, ist bei der Verwendung von 'da' gar nicht prozedural erfaßt Grundlage der Verbalisierung ist die sprecherseitige -Struktur mit einem entsprechenden -Element als Gehalt des Nebensatzes. In der logisch-semantischen Analyse von Pasch (1983) entspricht dem die intensionale Darstellung von 'da' als Operator über "Konfigurationen aus einem Einstellungsoperator mit seinem Operanden" (1983,111), nämlich einem Sachverhalt: "da(e(sv), e(sv))" (1987,127); hierin ist 'da' dem 'denn' vergleichbar (s. o., §2.3.4) 13°, während 'weil', wie oben (§2,4) gesagt, unmittelbar über Propositionen bzw. Sachverhalten operiert. Dieser Umstand des -Bezuges und die nicht durch paraoperatives 'da' geleistete Kategorisierung einer irgendwie gearteten Kausalität - über die Lokalisierung hinaus - erklärt nach meiner Auffassung auch die vielzitierte, bereits von Becker bemerkte, "Lockerheit" der Begründungsbeziehung^1 beziehungsweise die konstatierte "mindere Relevanz" (Arndt 1956, 144/155) oder "das geringere Gewicht" (Pasch 1983a, 335). Die Verbindlichkeit entspringt eben nicht einem sachlichen Verhältnis der propositionalen Gehalte, sondern der Inanspruchnahme durch den Sprecher nach seinem Ermessen beim Vollzug der zum Ausdruck gebrachten mentalen Handlung und hat eine dementsprechend andere, die Verbalisierung betreffende, Funktion beim sprachlichen Handeln. Dies führt zu drei pragmatischen Bestimmungsmomenten, die in den referenzsemantischen, logisch-semantischen und sprechaktsemantischen Darstellungen in unterschiedlicher Weise angeführt und behandelt werden: der "Bekanntheit" und "Wahrheit", der "Handlungsqual i tat" der Äußerung (besonders des Nebensatzes) und der "Sprecherbezogenheit". 3.4.2.2 "Bekanntheit", "Wahrheit" und "Präsupposition" Paul formuliert: "Allgemein ist die Verwendung von da zur Einführung eines als bekannt angenommenen Grundes, wofür im Mhd. sit gebraucht wurde," (1920 IV, 225). Bei Arndt lautet die vergleichbare Ausführung: "Damit wird oft der Grund, der ^30 Dort habe ich auch schon den Begriff des Einstellungsoperators diskutiert. 131 Drach spricht z. B. von der "als beiläufiges Satzglied erweiternd, unterstützend, ausmalend" hinzugegebenen Begründung (1940,37).
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herangezogen wird, beim Hörer als bekannt vorausgesetzt oder wird ihm als bekannt suggeriert. Das ist dadurch möglich, daß die Zusammenhänge, in die der ursächliche Bezug eingelagert wird, dem Hörer (bzw. Leser) schon naher stehen. So wird nun die Begründung in diese bekannten Tasachen hineingezogen und wirkt dadurch in vielen Fällen glaubhafter und allgemeingültiger." (1956,145) Im Unterschied zu Paul - und auch zu einigen Rezeptionen dieser Ausführung - bezieht sich Arndi auf bestimmte Verwendungen von 'da', nämlich solche, in denen "noch auf andere Begleitumstände" angespielt wird (ebd.). Und diese Anspielungen funktionieren nur, wenn selbstverständliche Gemeinsamkeiten zwischen Sprecher und Hörer, mithin Präsuppositionen, aktualisiert werden können. Sie sind das Bekannte, in das die Begründung, also der Gehalt mit Bezug nicht auf andere, sondern ursächliche Zusammenhänge, "hineingezogen" wird. "Voraussetzung" und "Suggerierung" basieren dann auf einer Übertragung der Bekanntheit der "anderen Begleitumstände" auf den ursächlichen Zusammenhang. In der Terminologie von Ducrot könnte man von einer Mitgegebenheit sprechen, die Arndt hier als Mechanismus darzulegen sucht. Es erweist sich, daß Arndt die Bekanntheit nicht als generelle, verallgemeinerte Bedeutungsdimension von 'da1 auffaßt. Das stimmt mit der ausdrücklichen Formulierung von Härtung - unter Hinweis auf gewöhnlich zusätzliche Merkmale zur Kennzeichnung von Bekanntheit - überein: "Bei der Bekanntheit der Ursache handelt es sich jedoch nicht um ein spezifisches funktionales Merkmal für /da/" (1961, 68), womit er Auffassungen in der Literatur, namentlich von Dal und Hottenrott, entgegentritt (ebd., 69). In der Tat verkürzt Dal die bei Paul als allgemeine Verwendung gekennzeichnete Bindung an eine sprecherseitige Annahme von Bekanntheit zu folgender Bestimmung: "da bezeichnet einen als bekannt vorausgesetzten Grund und hat in dieser Funktion mhd. sfi ersetzt." (1966, 208) Die Annahme ist zur Voraussetzung verschärft. Hottenrott leitet seine Aussage - im Rahmen einer kurzen didaktischen Darstellung unter der Rubrik "Aus der Werkstatt der Sprache" in der Zeitschrift Muttersprache - demgegenüber etymologisch her: "Dies Bindewort "da" kann aber nur dann gebraucht werden, wenn es wie das Umstandswort, aus dem es entstanden ist, auf etwas hinweist, was "da" liegt, also bekannt ist. Als Bindewort kann "da" also nur auf einen bekannten Grund hinweisen" (1952,103). Brinkmann erkennt ein Vermittlungselement, nämlich Evidenz: "Während erklärendes weil auf Tatsachen zurückgreift, die dem Partner noch unbekannt sein können, wird da im allgemeinen auf Voraussetzungen hinweisen, die als bekannt und gegeben gedacht sind. Offenbar verbindet sich mit -Sätzen eine Evidenz; es wird erwartet, daß einleuchtet, was sie aussprechen. Darin wirkt sich wohl der Zeigewert von da (da ist er) aus, das auf etwas hinweist, was im Gesichtskreis der Partner liegt." (1971, 678) Diese Bestimmung scheint unserer von paraoperativem 'da' sehr nahe zu kommen. Zwar ist es nicht der "Gesichtskreis" im Sinne des Wahrnehmungsraums, in dem die deiktische Prozedur aktual bleibt, sondern, wie sich nunmehr theoretisch fundiert sagen läßt, der Rede- oder Textraum, aber das fragliche Phänomen hängt in der Tat mit dieser Ausdrucksleistung zusammen.
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Aus der rekonstruierten Inanspruchnahme ergibt sich für den Hörer ein Modus des verstehenden Mitvollzuges, der nicht aus einer Alternative sprecherseitiger "Erwartung von Evidenz" oder "Annahme von Bekanntheit" erwächst, sondern dessen Verbindlichkeit sich aus dem Ausschluß eines Widersprechens ableitet. Evidenz oder Bekanntheit des Gehaltes sind demgegenüber kontingent. Allerdings können sie handlungspraktisch förderlich sein und nicht etwa paralysierend. Insofern müssen die zitierten Bestimmungen als auf hilfreiche Elemente, jedoch nicht auf das wesentliche Moment orientierte Darstellungen gelten. Inanspruchnahme dürfte mit der Qualifizierung des Unstrittigen bei Eroms übereingehen; "Diese (die "lockerere Begründungsbeziehung" durch 'da1; A,R.) wird verwendet, um kommunikativ gesehen nicht mehr Strittiges begründend anzuführen." (1980, 96) Auf mögliche argumentative Implikationen dieser Formulierung gehe ich unten noch ein. Unstrittigkeit erinnert an eine andere semantisch-pragmatische Kategorie, die ebenfalls für die Bestimmung von 'da' herangezogen wird und die die bisher genannten Beschreibungen der sprecherseitigen mentalen Prozesse von Annehmen (als bekannt), Denken (als gegeben) oder Voraussetzen auf eine selbstverständliche Voraussetzung hin zuspitzt: die Kategorie der Präsupposition. Sie wird vor allem in der französischen Tradition - etwa bei Martin (1973) und Barbault et al. (1975) für 'puisque' - erklärend herangezogen. Auch Pasch führt sie in der für den Sprachunterricht umgesetzten Darstellung ihrer Analyseergebnisse an: "da-Satze können nicht als entdeckende Feststellungen verwendet werden. ... Sie haben weniger Gewicht, wirken als Unterstellungen (ähnlich wie Präsuppositionen und Parenthesen)" (1983a, 336). Freilich vergleicht sie die Wirkung nur mit Präsuppositionen und identifiziert sie nicht damit In ihrer ausführlichen Analyse beurteilt sie, unter Hinweis auf den Präsuppositionsbegriff bei Katz und Jackendoff, die Identifikation der "Bedeutung des da-Satzes (mit) eine(r) Präsupposition" als als "nicht gerechtfertigt" (1983,191/2). Zuvor schließt sie auch Evidenz und Bekanntheit - durch Widerspruchstests - als lexikalisch nicht einschlägig bzw. für die Formulierung der "Gebrauchsbedingungen für da irrelevant" aus der Bedeutungsbestimmung aus (ebd., 1900. Statt dessen rekonstruiert sie das Phänomen intensional-semantisch mit Bezug auf die Frage nach der Wahrheit des propositionalen Gehaltes im Nebensatz folgendermaßen: "Die Verwendung eines da-Satzes ist - wie die Äußerung einer Präsupposition - die Äußerung einer Unterstellung, daß der von der Äußerung zum Ausdruck gebrachte propositionale Gehalt wahr ist, d. h. daß der vom geäußerten Ausdruck bezeichnete Sachverhalt eine Tatsache ist. Im Unterschied zu einer Präsupposition ist die mit daSatz-Verwendungen realisierte Äußerung von Tatsachenunterstellungen jedoch nicht Vorbedingung dafür, daß die Verwendung der gesamten Konstruktion, in die die Unterstellungsäußerung eingeht, wahr oder falsch ist (bzw. im Falle der Kausalkonstruktion wahr ist)." (1983,1960
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Die sprach theoretische Konzeption der intensionalen Semantik verlangt eine Rückführung komplexer Bedeutungen auf einfache Kategorien, insbesondere also auch die Rückführung von propositionalen Gehalten auf wahrheitswertfähige Propositionen mit der Bedeutung von Urteilen; darauf wurde bereits bei der Diskussion von 'denn' hingewiesen. Für propositionale Gehalte im Skopus von 'da' ergibt sich nun deutlich eine "ungerade Bedeutung" im Sinne von Frege, d. h. es handelt sich nicht um assertierte Urteile. Diese Einsicht formuliert Pasch sehr klar. Im Unterschied zur Rückführung auf eine andere, als elementar geltende sprachliche Handlung, nämlich die Behauptung132, wie Pasch dies für 'denn' ausführt (s. o. §2.3.4), erkennt sie die Bedeutung von 'da' als dazu negativ bestimmt. Mit dem Kennzeichen einer vorsichtigen und vorläufigen Bestimmung formuliert sie daher unmittelbar vorweg: "Verwendungen von da-Sätzen hingegen waren als nicht zum Typ der Behauptungen gehörend festgestellt worden. Den Typ von Handlungen, dem sie zuzuordnen sind, kann ich nur provisorisch als "nicht-behauptende Urteilsäußerung" bestimmen. Zu diesem Typ gehören auch die Äußerungen der Präsuppositionen eines geäußerten Satzes." (ebd.)133 Pasch faßt dann, wie soeben oben zitiert, den Handlungstyp als "Unterstellung" zusammen, so daß sich auch ihre lexikographische Kurzfassung der Analyseergebnisse so liest: "Der da-Satz muß als unterstellender Urteilsausdruck angesehen werden, die denn-Sätze dagegen sind behauptende Urteilsausdrücke. Dementsprechend differenzieren sich ihre Äußerungen in Unterstellungen (da-SatzÄußerungen) und Behauptungen (denn-Satz-Äußerungen) in komplexeren Äußerungen." (1983b, 570 Die Differenz zur Prä'supposition sieht sie gemäß erstem Zitat in der mangelnden Vorbedingung des Nebensatz-Gehaltes für die Wahrheit der Gesamtaussage. Im Rahmen unserer Analyse ist dies auf die -Bezogenheit anstelle einer P-Bezogenheit von 'da1 zurückzuführen; es geht gar nicht um die Verhältnisse in der Wirklichkeit als solche.134 Wie verhalten sich ferner ihre Bestimmung als Unterstellung und unsere als Inanspruchnahme zueinander? Eine Verwendung von 'Unterstellung', allerdings die weniger gebräuchliche, ist mit 'Inanspruchnahme' identisch. Die andere, gebräuchliche Verwendung ist different, ja geradezu gegenläufig, 'Unterstellung' bedeutet 13
^ Pasch reflektiert allerdings die bislang unzureichende Bestimmung dieser Handlung und fordert: "Was unter einer Behauptung zu verstehen ist, bedarf noch einer unabhängigen Klärung im Rahmen einer Theorie sprachlichen Handelns." (1983,198) Bei den Analysen der Szondi-Vorlesungen habe ich oben (§3.3.3.2,4.» im Zusammenhang mit dem ersten Nachsatz-Beleg (B56) eine solche Bestimmung vorzulegen versucht. 133 Eisenberg setzt die Behauptung gewissermaßen eine Stufe höher an, wenn er die Bedeutung der Konjunktion 'da' kurz zusammenfaßt:"... das Zutreffen von b (wird) präsupponiert (...) und es wird behauptet, daß a eine Folgerung ausb sei." (1986, 350) ^34 Insofern geht die Darlegung in den Grundzügen fehl, dergemaß die subordinierenden Verknüpfungen für das Grund-Folge-Verhältnis "durchgängig einen realisierten (bzw, - bei Zukunftsaussagen - einen als unbedingt realisierbar charakterisierten) Sachverhalt als Grund voraussetzten)." (1981,799)
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dann, daß zwar um die Falschheit oder doch zumindest Ungeklärtheit einer Sache gewußt, jedoch "wider besseres Wissen" das Gegenteil geltend gemacht wird. In diesem gewöhnlichen Sinn ist der Begriff der 'Unterstellung' also für eine Bestimmung von paraoperativem 'da' gänzlich unangemessen. Zwar vermute ich, daß Pasch nicht diese Begriffsbedeutung im Auge hat. Dennoch bleibt er mißverständlich. Deshalb schlage ich weiterhin den Begriff der 'Inanspruchnahme' für analytische Zwecke vor. Anläßlich der Darlegungen von Pasch ist nun noch der Handlungsstatus der verschiedenen begrifflichen Erfassungen zu klären. Präsupposition, Behauptung und Unterstellung ebenso wie, in anderer Literatur, die Begründung sind Ausdrücke einer handlungsbezogenen Bemühung um die Klärung der Phänomene. Sind sie jedoch auch sinnvoll systematisch gleichzuordnen? Eine Behauptung ist, wie auch eine Begründung, eine Sprechhandlung - in Kritik am Searleschen Begriff des Aktes, mit dem er Unterschiede, die er selbst teilweise darlegt, terminologisch nivelliert, spreche ich systematisch nicht vom Sprechakt, sondern von einer Sprechhandlung (cf, insgesamt die frühe Kritik von Ehlich 1972).135 Für die illokutive Kraft, also ein Element von Akt-Qualität, haben wir im Deutschen meist nur dieselben Ausdrücke zur Verfügung. Dadurch stimmen die Bezeichnungen der Sprechhandlungen bzw., von ihrer inneren Struktur her erfaßt, der Handlungsmuster häufig mit denen für die illokutiven Akte136 überein (z. B. im Falle der Begründung). Zuweilen werden auch Präsuppositionen als "Akte" qualifiziert, besonders in der 135
Ebensowenig verwende ich den Ausdruck 'Sprachhandlung", wie etwa Rosengren dies tut, weil darin m. E. ein theoretischer Widersprach steckt, indem danach Sprache eben genau nicht theoretisch bündig als eine Form des Handelns zu begreifen ist, sondern lediglich zuweilen für ein Handeln verwendet wird, so daß dieses Kompositum für die Bezeichnung von "Sprachgebrauch" (sie) dient, während Sprache als solche eigens existiert. Diese als cartesianisch zu bezeichnende Auffassung wird in den sprachlichen Darstellungen von Pasch bis in die Formulierungen hinein greifbar und begründet so den Eindruck eines in seiner Differenziertheit zuweilen recht "anstrengenden Stils". ^** Infolge der Zusammenführung von Textanalyse - im Sinne einer kritischen Überwindung der saizzentrierten Sprachanalyse - und Sprechakttheorie wird von vielen Wissenschaftlern nicht mehr zwischen Text und Diskurs geschieden; alle sprachlichen Handlungsformen gelten als Text. (Bei einer erhaltenen Differenzierung nach dem alleinigen Kriterium von Mündlichkeit versus Schriftlichkeit wird in konsequenter Analogie vom 'Textakt" gesprochen; cf. Zillig 1980.) Texte werden dann handlungsbezogen durch ihre niokutionsstruktur charakterisiert. Das erfordert eine wiederum illokutive Qualifizierung auch der eher formbezogenen Einheit Text' insgesamt (auf Makroebene), so daß etwa in Motsch & Pasch (1987) nunmehr illokutive Akte und, davon unterschieden, "illokutive Handlungen" begrifflich differenziert werden. Ich kann auf diese und andere Doppelungen der Phänomene durch spezifische Analogisierungen und Metaphorisierurigen hier leider nicht näher eingehen.
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französischen und Genfer Tradition oder etwa bei Burkhardt (1982). Wenn man die ursprünglichen semantischen Bestimmungen betrachtet, wird jedoch deutlich, daß Präsuppositionen Teilprozesse von propositionalen Akten bilden137, und zwar ausgezeichnete und illokutionsunabhängige Teilprozesse, Insofern ist eine Gleichordnung mit Akten systematisch unangemessen.1^ ES handelt sich um einen kategorial anderen Phänomen typ. Ebensowenig sind Unterstellung und Inanspruchnahme Sprechhandlungen oder Akte. Soweit ich sehe, sind sie - dies sei gesagt, um einem möglichen Fehlschluß auf die Reichweite der Kategorie 'Prozedur' vorzubeugen - auch keine Prozeduren. Im Moment bin ich nicht in der Lage, eine systematische Bestimmung zu geben. Beide Phänomene betreffen den Umgang mit Wissen beim Verständigungshandeln zwischen Sprecher und Hörer. Dies gilt ebenso für Präsuppositionen, so daß ich der bei Pasch konstatierten Nähe der Phänomene zueinander zustimme. Solange über die damit zusammenhängenden Prozesse und deren Wirksam werden beim sprachlichen Handeln noch nicht mehr bekannt ist, muß der handlungsanalytische Status offen bleiben. Deskriptiv könnte vielleicht - vorläufig und eher behelfsmäßig - von wissensbezogenen Verfahren gesprochen werden, wie ich es in verbindlicher Weise für die Einleitung als einem diskursiven Verfahren getan habe. Allerdings scheint mir eine übergeordnete begriffliche Festlegung für die Anaiysezwecke hier nicht unbedingt notwendig zu sein, solange das Verhältnis zu den handlungstheoretisch geklärten Kategorien Handlung, Akt und Prozedur deutlich bleibt. 3.4.2.3 Äußerungsfunktion Lenken wir den Blick nun vom handlungstheoretischen Status des propositionalen Gehaltes im Nebensatz, wie er sich in der Literatur relativ zur Wahrheit oder Faktizität stellt, weg und hin zur diskutierten Äußerungsfunktion, besonders unter dem Aspekt einer sprechhandlungsmäßigen Umsetzung von Kausalität. Die meisten Autoren behandeln die Bedeutungsbestimmung des Ausdrucks 'da' unter Rekurs auf die Gesamtäußerung, in der er steht, und sprechen von der Realisierung einer Begründung. Dabei bleibt zuweilen offen, ob die gesamte Äußerung, syntaktisch also das Satzgefüge, gemeint ist oder nur die Teiläußerung mit 'da', syntaktisch also der Nebensatz.139 Die "kausale" Verknüpfung, die 'da' leistet, wird in den neueren Bedeutungsbestimmungen nach logischem Vorbild meist als ein Schlußprozeß wiedergegeben. Ich konnte durch empirische Analysen zeigen, daß Schlußprozesse nur einen Typ von mentalen Handlungen bilden, die prepositional entfaltet und in ihrer Vorgeschichte interaktiv zugänglich gemacht werden; Einschätzungen und Entscheidungen waren ^7 Eine weitgehende syntaktische Irrelevanz der Kategorie hat Reis (1977) darzulegen versucht. 138 Auch Heringer (1989) kritisiert dies. ^9 im Exkurs (§3.3.2.1) wurde bereits kritisch ausgeführt, daß ein Nebensatz prinzipiell keine illokuttve Kraft hat, insofern also keinen illokutiven Akt realisiert.
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andere (s. o. §3.4.1,3). Dann, wenn man den Schlußprozeß gewissermaßen generalisiert für mentale Handlungen schlechthin und damit für den -Bezug von 'da' nimmt, ergibt sich für 'da' - nicht jedoch für 'denn' und 'weil' - eine allgemeine Übereinstimmung der handlungstheoretischen Ergebnisse mit denen in der Fachliteratur, Pasch faßt die "Gebrauchsbedingung" für 'da' folgendermaßen zusammen: "da: Subordinierende Konjunktion, Mit ihr bringt der Sprecher zum Ausdruck, daß nach seiner Auffassung das, was der Hauptsatz ausdrücken soll, eine Schlußfolgerung aus dem ist, was der Nebensatz ausdrücken soll, wobei die Wahrheit dessen, was der Nebensatz aussagt/ unterstellt wird." (1983, 212) Im vorigen Paragraphen (3.4.1,4) wurde bereits ihre Unterscheidung der durch 'da' ausdrückbaren Schlußformen von der materialen Implikation wiedergegeben; es handelt sich demnach um eine echte Folgerung, nicht um eine Folge, 'da' ist in diesem Sinne, ebenso wie 'denn' und anders als 'weil', bei Pasch ein "Schlußoperator", der allerdings nicht - wie 'denn' "allein die ausgedrückte Sprechereinstellung zu dem durch p bezeichneten Sachverhalt svp" als Folgerungsoperanden haben kann (1983,185). In dieser Einschätzung unterscheidet sich Pasch, wie wir sehen werden, von Eroms, Thim-Mabrey und Rosengren. Eroms (1980) übernimmt - mit einer eigenen näheren Bestimmung - die logischsemantische Darstellung von Begründungen bei Lang (1976); daher "impliziert (eine Begründung; A,R.) aber immer den Vollzug einer bestimmten Schlußfigur" (ebd., 79). Seine sprachhistorische Fragestellung zum Form-Funktionsverhältnis dürfte der Grund dafür sein, daß Eroms Hauptsätze und ebenso Nebensätze - als die historisch spätere Form - als "begründend" klassifiziert (1980, 78), insofern also auch Nebensätzen eine illokutive Qualität zuerkennt. Das gilt auch für Rudolph, wenn sie das Spektrum möglicher illokutiver Qualitäten, die realisiert werden können, folgendermaßen einleitet: "Der Kausalsatz ist ein Begründungssatz, mit dem der Sprecher ..." (1981,175). Die illokutive Kategorie ist hier auf die grammatische transferiert, gewissermaßen als sprechakttheoretische Paraphrase der traditionellen semantischen Kategorisierung des Nebensatzes. Dadurch wird die illokutive Bestimmung frei für verschiedene Akte, für die der "Begründungssatz" lediglich eine mehr oder minder direkte Realisierungsform darstellt; insbesondere führt Rudolph die Handlungen begründen, erklären, explizieren und argumentieren an, die so vollzogen werden, Rosengrens Behandlung von Begründungen (1983) habe ich bereits in §2.3.3 und bezogen auf die Geschäftsbriefanalysen - in §3.3.2.1 diskutiert. In ihrer Untersuchung von "Begründungen und Folgerungen als kommunikativen Handlungen" (1987) greift sie in den Hauptlinien die logisch-semantische Bedeutungsbestimmung der Konjunktionen von Pasch auf, führt sie aber im Sinne einer Sprechaktsemantik anders aus. Für 'da' gibt sie die Bestimmung; "da: BEGR (p, IR(q))" (ebd., 182). Dabei ist - umgekehrt zu Pasch - "p=Antezendes" im Sinne des Begründenden und "q=Kon-
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sequens" im Sinne des Begründeten (die Abfolge ist also nicht an der Syntax von 'denn' oder - meistens - 'weil' orientiert, sondern an der Logik des konditionalen Schließens). IR bedeutet "illokutive Rolle"140 und BEGR qualifiziert die Konjunktion nicht als einen Schlußopera tor, sondern einen "Begründungsoper ator" (ebd., 181). Im Unterschied zu 'denn' fehlt bei 'da' die illokutive Rolle im Begründenden. Darin wird ausgedrückt, daß "die Wahrheit von p unterstellt" ist (ebd., 182), während sie bei 'denn' immer im Skopus einer Assertion kommuniziert wird. Offensichtlich nimmt Rosengren für Nebensätze mit 'da' ebenfalls keine illokutive Qualität an, ohne daß dies als systematische Unmöglichkeit dieser syntaktischen Form gilt. Im übrigen untersucht sie in diesem Artikel ausführlich die verschiedenen Bezugsmöglichkeiten des Begründungsoperators, also auf p oder auf die IR von p - wobei letzteres eine "propositionale Realisierung der IR (... PIR)" (ebd., 185) voraussetze -, sowie Abhängigkeiten von deren topologischer Stellung. In ihren authentischen und Testbeispielen wird zwar immer 'da' und nicht 'denn' verwendet, aber "der Unterschied zwischen da und denn spielt für die hier gestellte Frage keine entscheidende Rolle." (ebd., 184) Die Belege für eine Begründung von IR lauten dann z. B. "(13) Da Du zu dieser Zeit dieses Testprogramm in A. vorgestellt und ... sämtliche Testergebnisse von Herrn S, mit nach L. genommen hast, möchte ich Dir mitteilen, daß die weitere Entwicklung von Herrn S, als positiv zu beurteilen ist... (auth,)" (ebd., 186) oder "(15) Da Angebot für N. erst am 12.10. fertiggestellt werden kann, würden wir vorschlagen, daß wir JV. erst am 15.10. besuchen,... (auth.)" (ebd.). Ich will meine Bestimmung von paraoperativem 'da' zu der von Rosengren ins Verhältnis setzen, weil in vielen Punkten eine große Nähe zu bestehen scheint, Rosengrens Beispiel (13) klingt außerordentlich formell bzw. institutionell; damit geht konform, daß in diesem Fall tatsächlich mit der gesamten Äußerung diejenige Handlung vollzogen wird, die auch genannt ist, d. h. ein "performativer Akt" im Sinne der ersten institutionellen Handlungsanalysen von Austin. Ich würde allerdings nicht mit Rosengren argumentieren, daß durch den Nebensatz die Operation einer Begründung für den illokutiven, propositional benannten, Akt der Mitteilung vollzogen werde, den der Hauptsatz ausmacht. Vielmehr wird nach meiner Auffassung der für Mitteilungen charakteristische propositionale Akt in besonderer Weise verbalisiert. Eine Mitteilung hat nicht, wie die Assertion, den Zweck bloßer Wissensvermittlung an den Interaktanten, um eine Wissenslücke bei ihm zu füllen, sondern beruht auf der - i, a. institutionell bedingten - Antizipation, daß der Interaktant dieses Wissen benötigt, um eine Entscheidung zu faden (s. o. §3.3.2.1, zu B32). Der Sprecher *** Rosengren unterscheidet sie- im Sinne der Sprechakttheorie - von expliziten, modalen Qualifizierungen der Wahrheit des propositionalen Gehaltes in Sprachhandlungen der "Einstellungsbekundung", die bei Pasch beide unter den Einslellungsoperator e fallen, soweit sie semantisiert bzw. grammatikalisiert sind. Dementsprechend qualifiziert Rosengren die "reduktiven" Schlüsse von Lang und Pasch als "epistemische Erklärungen" im Unterschied zu Begründungen der IR (1983, 185/187). Beides kann ihres Erachtens durch 'da' geleistet werden, was sie jedoch lediglich arn berühmten Kunstbeispiel der Heizungsrohre ausführt.
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kommuniziert also - ähnlich wie bei der Großform des Berichts Ccf. Rehbein 1984) entscheidungsrelevantes Wissen. In der Verbalisierung von (13) legt der Sprecher bzw. Schreiber den propositionalen Gehalt so auseinander, daß seine Einschätzung, die der Äußerung insgesamt zugrundeliegt, sprachlich auch in ihrer Vorgeschichte entfaltet wird. Die für Mitteilungen wesentliche Antizipation der Entscheidungsrelevanz wird innerhalb des Nebensatzes mit 'da' präsentiert und zugleich als Ansatzpunkt für die Kommunikation des fehlenden Wissens in Anspruch genommen. Insofern bildet der Gehalt des Nebensatzes die Identifikation einer Konstellation, auf dem die Klassifikation eines im Wege der Mitteilung zu kommunizierenden, entscheidungsrelevanten Wissens basiert. Und genau das bildet den Gehalt des Hauptsatzes, das Wissen selbst ist grammatisch wiederum als Inhaltssatz versprachlicht, Nicht eine Begründungsoperation über Unterstellung + Mitteilung, wie Rosengren dies analysiert, sondern die Verbalisierung einer gewöhnlich nur mental in der sprecherseitigen Vorgeschichte vollzogenen, systematischen Musterposition macht, als integrierter Teil des propositionalen Gehaltes der Sprechhandlung selbst, nach meiner Rekonstruktion die Charakteristik von (13) aus. Vergleichbare Funktionsweisen innerhalb anderer sprachlicher Handlungsmuster habe ich in §3.3.3.2 unter 6.) ausgeführt. Insgesamt erweist sich die operative Funktionalität von 'da' - dem Wechsel Verhältnis von Illokution und Proposition angemessen - als Kqntinuum von propositionaler bis zu illokutiver Wirksamkeit. Innerhalb dieses Kontinuums bilden die propositionale Stützung (vgl, soeben Rosengrens Beispiel (13) sowie viele meiner Belege in §3.3.3.1), die Intensivierung (z. B, B56 in §3.3.3.2,6.)) und die Modifikation der illokutiven Qualität der Gesamtäußerung (z. B. B57 und B58) gut erkennbare Kristallisationspunkte der Zweckmäßigkeit, Die Möglichkeit einer illokutiven Modifikation durch die Art der Verbalisierung besteht nach meiner Analyse erst im nachgestellten Fall. Rosengren formuliert demgegenüber: "Diese Beispiele zeigen, daß der Bezugspunkt der Begründung bei realisierter PIR und nachgestellter Begründung von der Semantik der Propositionen abhängig ist. Bei vorangestellter Begründung ist der Bezugspunkt eindeutig die PIR." (1987, 187) Ein Gegensatz unserer Aussagen besteht jedoch nur scheinbar, denn Rosengren betrachtet ausdrücklich nur explizit gemachte Handlungsqualifizierungen. Sie bilden insofern Teile des propositionalen Gehaltes und repräsentieren diskursanalytisch betrachtet keineswegs selbstverständlich die illokutive Kraft der Gesamtäußerung - und nur die, nicht jedoch der Nebensatz, realisiert eine solche Qualität. Insofern handelt es sich nur um einen besonderen propositionalen Gehalt, der an das in Anspruch genommene Gewußte als einem Teil der mentalen Vorgeschichte der Verbalisierung gekoppelt wird. Rosengrens Voraussetzung, daß die illokutive Rolle prepositional realisiert sein muß, um vom Begründungsoperator als Argument "erfaßt" werden zu können, dürfte ihrem stärker semantisierenden, sprechakttheoretischen Grundansatz geschuldet sein.
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Die Ähnlichkeit des paraoperativ gekoppelten Äußerungsteils mit 'da' zum Handlungsmuster der Begründung ergibt sich lediglich aus dem Effekt, daß durch die vorverlegte Involvierung des Hörers bzw. Lesers in die sprachliche Handlung dessen verstehender Mitvollzug und die dementsprechende hörerseitige Fortführung des Handlungsmusters befördert wird. Anders als bei einer Begründung bleibt dem Hörer jedoch nicht die Möglichkeit, ein Nicht-Verstehen des gelieferten D-Elementes zu signalisieren. Es wird in diesem Sinne kein D-Element geliefert (s. o. §3.3.3.2, 7.)). Während Rosengren - wie Pasch - das, was ich Inanspruchnahme genannt habe, als "Unterstellung" ebenfalls für ein wesentliches Bedeutungsmoment von 'da' erachtet, macht sie den handlungstheoretisch rekonstruierten Unterschied zwischen einer Bezogenheit auf hörerseitige -Elemente bei 'denn' und auf sprecherseitige -Elemente bei 'da' nicht mit. Anders als (13) halte ich Rosengrens Beispiel (15) (Da Angebot für N. erst am 22.20. fertiggestellt werden kann, würden wir vorschlagen, daß wir N, erst am 15.20. besuchen,...) nicht für performativ. Die gesamte Äußerung stellt - insbesondere in einem Geschäftsbrief - keinen Vorschlag, sondern ebenfalls eine Mitteilung (über einen Beschluß des Absenders) dar. Der Briefempfänger wird nur sehr bedingt und eingeschränkt eine Umentscheidung bewirken können, was einem Vorschlag widerspricht. Lediglich durch die sprachliche Form wird hier eine Entscheidung für den Leser präsent und zugleich verbindlich gemacht. Ich denke auch nicht, daß die permutierte und um die PIR getilgte Version "{15") Wir besuchen N. erst am 15.10. .,., da Angebot für N. erst am 12,10. fertiggestellt werden kann." (ebd.), wie Rosengren meint, "am ehesten als ein Versprechen oder als eine Assertion" zu interpretieren ist (ebd., 187). Auch hier handelt es sich um eine Mitteilung, der die Einsicht in die entscheidende Vorgeschichte erst nachgeschoben wird. 3.4.2.4 Begründungsbeziehungen und Korrellationen Wenn nach Rosengrens Worten das Bezugselement des Begründungsoperators nicht nur der propositionaie Gehalt des Hauptsatzes sein kann, sondern auch seine illokutive Rolle, ist damit eine schon in früherer Literatur getroffene Differenzierung angesprochen, die vor allem Eroms - als Weiterentwicklung der Textanalyse Harwegs einerseits und der logisch-semantischen Rekonstruktion von Erklärungen bei Lang andererseits - in Kategorien der generativen Semantik annimmt. Eroms scheidet "Äußerungsbegründungen" von "Sach Verhaltsbegründungen" (1980,940. Als Illustrationsbeispiel für eine Äußerungsbegründung mit 'da' bietet er "(39) Karl ist (vermutlich) zu Hause, da es regnet." (ebd., 94) und formuliert eine Paraphrase davon mit dem "durch die Konjunktion gestifteten Hypersyntagma": "(39') Karl ist zu Hause, und der Grund für meine Annahme, daß er zu Hause ist, ist, daß e$ regnet." (ebd., 95). Gemäß Boettcher & Sitta (1972) handelt es sich dabei um den Ausdruck einer mehr oder minder explizierte "Symptombeziehung", gemäß Lang und Pasch um einen reduktiven Schluß, gemäß Rosengren um die Begründung einer Einstellungsbekundung. Erorns hebt
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einen anderen Punkt hervor: "Da-Sätze sind aussagemäßig abgeschlossen, jedoch sind sie integrierte Begründungen und deswegen Begründungen, die den Text indirekt mit konstituieren." (ebd., 96} Äußerungsbegründungen gelten ihm als eine "Begründungsstrategie" der "direkten" Textkonstitution, während integrierte, d. h. syntaktisch subordinierte, Begründungen die alternative Strategie der "indirekten" Textkonstitution bilden. Demnach stehen bei Eroms 'da'-Sätze quer zu den textkonstituierenden und syntaktischen Kriterien und dienen - zumindest in Außerungsbegründungen - zugleich beiden Begründungsstrategien. Harweg erfaßt dies Phänomen zuvor lediglich satztheoretisch als einen "Textfortsetzungssatz", wobei die " -haltigen Begründungen den - funktionalen - Status eines Satzes haben" (1972, 142) - konträr zum syntaktischen Wert als Nebensatz. Diese Qualität kommt ihnen nach Harweg nur in der nachgestellten Position zu, so daß sie mit 'weil'-Sätzen vergleichbar sind (s. o, §3,3.3.2 unter 4,), Fn. bei BS6), während sie in Vordersatzposition Satzglied-Status haben und nicht textfortsetzend, sondern "anaphoräsch" seien (ebd., 151) - d. h. anadeiktisch im Textraum verweisend in Ehlichs handlungstheoretischer Terminologie. Den Gegensatz zwischen aussagemäßiger Abgeschlossenheit und syntaktischer Subordination führt Thim-Mabrey - unabhängig von Eroms - in ihrer syntaktischen Untersuchung genau aus, indem sie den Begriff des "Sinnganzen" von Drach fruchtbar zu machen sucht und der logischen "Begründungsbeziehung" die grammatischen "Strukturtypen ST1 und ST2" kontrastiert (1982, 208f; s. o. §3.3.3.1 das Zitat als B49). Damit wird laut Thim-Mabrey "die intuitive Auffassung 'Begründungsbeziehung= Sinnganzes' als zu einfach" revidiert (ebd., 208), 'da' werde nur in ST2, d. h. in "zwei aussagemäßig abgeschlossenen Strukturen, also zwischen zwei Sinnganzen", verwendet (ebd., 209). Wie Harweg aus dem Umstand, daß man auf 'warum'-Fragen nicht mit 'da' antworten kann (s. o. §3.3.3.2 unter 2.) das Zitat als B54), und aus einem möglichen Tonabfall arn Ende des Hauptsatzes auf den Satzstatus der nachgestellten 'da'-Sätze schließt, leitet Thim-Mabrey daraus eine generelle aussagemäßige Abgeschlossenheit der Formulierung ab. Sie stützt dies durch Tests auf den Satzakzent und bezieht sich dabei auf die Arbeit von Kanyschewa (1957), nach der "intonatorische Zweigliedsätze" von "intonatorischen Eingliedsätzen" geschieden werden. Intonationskriterien sind freilich für die Analyse schriftlicher Verwendungen, wie sie dort diskutiert werden und auch der Domäne von 'da' entsprechen, wenig brauchbar141. Statt dessen hat man sich an Interpunktionen und entsprechender Orthographie zu orientieren. Dann ist es allerdings auffällig, daß eindeutig Anbindungen an den Hauptsatz dominieren und außerordentlich selten - wenn überhaupt (mir liegt kein Beleg vor) - abgetrennte Schreibung des 'da'-Satzes vorkommt, sei dies im Falle der Nachstellung mittels Semikolon oder gar Punkt, sei dies mittels punktierter Abschließung eines durch Großschreibung eigens angesetzten 'da'-Satzes, also einer Form, die Vordersatzposition und insofern Fortführung erwarten läßt 1*1 Soweit es mir durch den Zugang zum Tonmaterial möglich ist, will ich diesen Aspekt bei den mündlichen Betspielen in §3,6 berücksichtigen.
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Im Schriftlichen muß die Hauptlast für den grammatischen Nachweis einer aussagemäßigen Abgeschlossenheit demnach der Ausschließung von paraoperativem 'da' nach 'warum'-Fragen und den sogenannten "Vorschlagsworten" 'darum, deshalb, deswegen' (Arndt 1956) angelastet werden. Ich meine, daß diese grammatische Besonderheit allerdings durch handlungsanalytische Überlegungen zu stützen ist. Thim-Mabrey bestimmt die genannten Vorschlagswörter als "kataphorische Elemente" mit einer "Platzhalterfunktion" (1982, 210} - hiermit den in §3,2.2 kritisierten Beschreibungen für Deixeis im Text- oder Rederaum folgend. Als kataphorische Platzhalter signalisieren sie aussagemäßige Unabgeschlossenheit des Hauptsatzes und insofern eine Integration des Nebensatzes, die ihn selbst als aussagemäßig unabgeschlossen erweist. Wenn 'da'-Sätze sich einer solchen Konstruktion widersetzen, gilt dies wiederum als Zeichen ihrer aussagemäßigen Abgeschlossenheit und ebenso der des Hauptsatzes, so daß sich eine Struktur ST2 ergibt. In einer handlungstheoretischen Analyse sind die einschlägigen Korrelate folgendermaßen zu rekonstruieren. Ausdrücke wie 'deshalb' und 'deswegen' sind Komposita aus einem objektdeiktischen Ausdruck - in flektierter Form - und einem operativen Ausdruck - der jeweiligen "Präposition". In dieser Form gehören sie dem operativen Feld von Sprache zu, bilden also Ausdrücke von operativer Qualität. Funktionaletymologisch haben wir es genauer mit para-operativen Ausdrücken zu tun. Die weiterhin wirksame deiktische Neufokussierung durch das objektdeiktische Kompositionselement wird gewöhnlich zeichentheoretisch im Sinne eines "Pro"-Elementes interpretiert (z. B. Grundzüge 1981). Die Leistung dieser paraoperativen Ausdrücke als "Platzhalter" ist nicht semantisch - valenziell besteht Fakultativität und insofern ohnehin syntaktische Abgeschlossenheit des Hauptsatzes -, sondern sprachpsychologisch, bezogen auf das Verständigungshandeln zwischen Sprecher und Hörer, zu rekonstruieren. Es handelt sich um eine operativ funktionalisierte Neuorientierung der Aufmerksamkeit auf ein Verweisobjekt, das routinisiert im Rede- oder Textraum sprachlich ausgeführt ist. Das Verweisobjekt wird komplex kategorisiert: 1.) mittels des Deixistyps als "Objekt" im weiten Sinne, 2.) mittels des operativen - häufig aus dem Symbolfeld transponierten - Ausdrucks ('haib(er)', 'wegen'} als Grund. Diese Vorkategorisierung begünstigt die Kopplung durch 'weil' nach der Seite des Begründenden hin. 'da' kann solcherart neu etablierter Aufmerksamkeit des Hörers nach meiner Auffassung aus mehreren Gründen nicht korrespondieren. Die Inanspruchnahme eines Gewußten als Gemeinsamem verdankt sich der -Struktur des Sprechers und nicht derjenigen des Hörers oder der Struktur der Sache selbst, also P. Die paraoperative Prozedur bearbeitet vielmehr Probleme der Verbalisierung, betrifft also die sprechersei tige verbale Planung und bewirkt eine Verstehensbeförderung beim Hörer, indem er in die lokalisierende mentale Vorgeschichte des hauptsächlichen propositionalen Aktes, als des locandums, involviert wird. Das ist eine Funktionalität, die nicht mit
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einer objektdeiktischen, insofern prepositional gleichordnenden, Neufokussierung im propositionalen Gehalt des Hauptsatzes, sei dieser vor- oder nachgestellt, zusammenpaßt. Eine nicht-gleichordnende Neufokussierung durch die Deixis auf Aspekte an "Objekten", nämlich 'so', unterstreicht - im nachgestellten Hauptsatz - demgegenüber die Differenz zwischen dem an die mentale Vorgeschichte gebundenen propositionalen Gehalt des Nebensatzes und der hauptsächlichen, kommunikativ an die gesamte Sprechhandlung gebundenen Proposition (s. o., §3.4.1). Die Aspektdeixis kann - bezogen auf die Gegenwartssprache besser: sie konnte - deshalb paraoperativ als "Korrelat" von 'da' fungieren. Thim-Mabrey sieht lediglich wegen der - laut Harweg - rechtsläufigen Textprogression142 darin keinen Widerspruch zur ST2-Struktur (s. o. §33.3.2 unter 6.) das Zitat als B58). Damit habe ich die "Selektionsbeschränkung" hinsichtlich möglicher Korrelate handlungstheoretisch dargelegt, ohne daraus eine Strukturaussage abzuleiten. Die von Thim-Mabrey - wie auch von Eroms und, für den nachgestellten 'da'-Satz, von Harweg - konstatierte aussagemäßige Abgeschlossenheit erklärt sich nun sprachpsychologisch folgendermaßen. Als -Element im Wissen des Sprechers ist der Gehalt des Nebensatzes nur Ansatzpunkt, nicht interaktiv gleichwertiger Teil der hauptsächlichen Proposition143; er bildet eine Grundlage (locatum) der jeweils vollzogenen mentalen Handlung bei der verbalen Planung und wird durch die Inanspruchnahme nunmehr auch für den Hörer sprachlich zugänglich. Insofern ist das locatum, der paraoperativ durch 'da' gekoppelte proposiHonale Gehalt des Nebensatzes, "inhaltlich" in sich abgeschlossen. Zudem ist er interaktiv in sich abgeschlossen, ja einer interaktiven Auseinandersetzung gerade entzogen, indem er in Anspruch genommen wird. Dieses oben noch einmal als Ausschluß eines Widersprechens charakterisierte Verfahren erklärt auch die Unmöglichkeit, eine Antwort auf eine 'weü'-Frage zu realisieren bzw. zu koppeln. Eine solche Sprechhandlung erfordert sequentielle Diskursivität und Hörerbezogenheit sowie propositionale Gleichgeordnetheit, also P-Bezug des erfragten Grundes. Inanspruchnahme und Bezogenheit allein auf die -Struktur des Sprechers, wie paraoperatives 'da' sie leistet, widersprechen dem.144 *42 ich halte diese allgemeine These keineswegs für gesichert; bereits bei der Diskussion von 'denn' hat sich ein zumindest komplexerer Verlauf gezeigt, der damit nicht utnstandslos zu vereinbaren ist. In einer kleinen Arbeit zu Sequenzierungsmitteln im Unterrichtsdiskurs (im Druck) habe ich des weiteren für 'und1 diskursive Rekursionen anstatt Progressionen darzustellen versucht. ^43 Härtung faßt dies - unter Rekurs auf die "Bekanntheit" und deshalb "Nicht-Nachdriicklichkeit" so: "... das Bekannte wird gesagt, um etwas daraus abzuleiten; es ist nicht eigentliches Aussageanliegen." (1961, 68) Ähnlich bereits Arndt: "Schrittweise wird aus dem ersten Tatbestand der nächste abgeleitet, auf den es in der Regel ankommt." (1956,147) 14i Brinkmann beschreibt 'da', im Gegensatz zu 'weil', dementsprechend als nicht in "dialogische Situationen" gehörig (1971, 676/677).
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Der Inanspruchnahme kontrastiert zudem eine daran gekoppelte, hörerbezogene Erwartungsbearbeitung als locandum, wie dies diejenigen operativen Ausdrücke tun, die Thim-Mabrey des weiteren als "nichtkataphorische, spezifizierende Elemente" (1982, 210f) - "Vorschlagswörter" auch bei Erben (1972), "Rangierpartikeln" bzw. "pardcules mobiles" bei Clement & Thümmel (1975; 1979} - anführt, nämlich 'nur', 'bloß', 'einzig und allein', 'gerade', 'eben'. Nach Thim-Mabrey verhindern sie dann eine Kopplung mit 'da', wenn - gemäß Arndt (1960) - "ein 'stummes' deshalb mitklingt", so daß eine "Begründungsbeziehung des Typs ST1" realisiert wird, dem nur 'weil' entspricht (1982,211), Eine derartige Erwartungsbearbeitung fordert, sofern sie - durch syntaktische Position an der Kopplungsstelle - das locandum darstellt, in der Tat eine sachiich-propositionale Integration des Grundes, also eine P-bezogene operative Prozedur. Ich komme auf die zu Beginn dieses Paragraphen angeführte "Äußerungsbegründung" bei Eroms zurück. Sie dehnt sie nicht, wie man durch die Begrifflichkeit erwarten könnte, auf Begründungen beliebiger Illokutionen (im Sinne Rosengrens) aus. Dies dürfte denn historisch-literarischen oder selbstkonstruierten Beispielmaterial und der semantischen Betrachtungsweise geschuldet sein, dergemäß Ausgedrücktheit den betrachteten Phänomenbereich bedingt - illokutive Ausgedrücktheit, die auch Rosengren fordert, ist aber bekanntlich stark auf institutionelle Zusammenhänge eingeschränkt. Trotz Hinweis auf die Weglaßbarkeit des Modalwortes in seinem Beispiel (39) (Karl ist (vermutlich) zu Hause, da es regnet.) bleibt er auf die standardmäßige Realisierungsform (und einen Standardinhalt) einer Vermutung konzentriert. Thim-Mabrey überschreitet diese Sichtweise, indem sie sich ausdrücklich fragt, "ob und in welcher Form das Begründungssubstrat realisiert ist" (1982, 212). Danach unterscheidet sie generell neben vollständig realisierten auch "verkürzt realisierte Begründungssubstrate" und "nichtrealisierte Begründungssubstrate". Symptombeziehungen - die sie in einem vermeintlichen Unterschied zu Boettcher & Sitta gleichermaßen14-5 als Kausalbeziehungen betrachtet, indem ein "Akt des Schließens oder Vermutens" (ebd., 202) geäußert wird - haben z. B. alle drei Möglichkeiten. Für den letzten Fall zitiert sie keinen eigenen Beleg, sondern ein Beispiel aus Hermodsson (1978, 29), nämlich "(9) Da seine Lampe brennt, arbeitet er noch." (1982, 201). Es handelt sich - wie bei Eroms - um ein typisches Äußerungskonstrukt. Ich halte es nicht für zufällig, daß in der Literatur nie empirische Belege für die Symptombeziehung angeführt werden. Das dürfte mit einer Diskrepanz zwischen umgangssprachlichem und fachwissenschaftlichem Symptombegriff zusammenhängen. Der fachwissenschaftliche Symptombegriff bezieht sich auf systematisierte Erscheinungsformen für einen Prozeß, der nicht unmittelbar zugänglich ist, nicht auf kon143 |\jach meinem Verständnis tun dies auch Boettcher & Sitta; ihnen geht es lediglich um die begriffliche "Abhebung" eines spezifischen Typs von "unspcztfizicrtcn" Kausalbcziehungen (1972, 141 f).
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tingente (An-)Zeichen. Dementsprechend ist das vielzitierte - ebenfalls konstruierte Beispiel bei Boettcher & Sitta (1972, 142} eines, in dem dieser Modus der Erscheinungsform gerade aus einer systematischen Zwecksetzung heraus für Laien vergegenständlicht worden ist, nämlich in ein Bereitschaftslämpchen für den Motor ("Da die Lampe nicht brennt, ist der Motor kaputt"). Man erwartet nun vom Laien eine modalisierte Formulierung im Hauptsatz. Vom Fachmann erwartet man dagegen nicht einen Blick auf das Lämpchen, sondern in den Motor, ehe er sein Urteil fällt. Ein Bezug auf das "Symptom" würde dagegen gerade eine Grenze bzw. Übersteigung des fachmännischen Wissens anzeigen, insofern wiederum eine Modalisierung fordern. Andere Zusammenhänge, in denen Wissen vermittelt über derartige systematische Erscheinungsformen gewonnen wird, sind uns aus der Medizin geläufig.^ 46 Die Inanspruchnahme eines derartigen Wissens über den Symptomcharakter bedeutet also einen Widerspruch: Die Inanspruchnahme eines qualifizierten Expertenwissens bei gleichzeitiger Erreichung seiner Grenze. Der Fachmann ist dann auf Schlüsse und Einschätzungen angewiesen, die in ihrem Ergebnis gerade nicht gesichert, nicht unmodalisiert, sind. Die eher kontingenten Anzeichen, die in den Konstruktbeispielen in Anspruch genommen werden, stehen in keinem Verhältnis dazu. Sie wirken artifiziell und stilistisch überzogen.147 Es mag mit dem Typ der Korpora zusammenhängen, daß wirkliche Symptombeziehungen nicht aufgefunden werden oder zumindest als solche - möglicherweise wegen der wissensmäßigen Diskrepanz zum erforderlichen Fachwissen - nicht erkannt werden. Sicherlich macht es allerdings für die Analyse von paraoperativem 'da' keinen Unterschied, denn von Belang ist es lediglich für die Analyse von Modalisierungen im Hauptsatz, und interaktiv relevant ist ein Wissen über Symptome als solches eher in Erklärungen, also nach unseren Analysen im Zusammenhang mit Formulierungen durch 'weil', 'da' erfordert widerspruchslose Übernahme des Ansatzpunktes; über den wissensmäßigen Zusammenhang selbst, gar seine Typisierung, soll dem Hörer nichts interaktiv vermittelt werden. Wenn also Verwendungen von paraoperativem 'da' im Zusammenhang mit Modalisierungen im Hauptsatz vorkommen, die das beanspruchte Gewußte als ein Symptom für entsprechend gefolgertes Wissen erweisen, so handelt es sich um eine abgeleitete Verwendung von 'da'. Ich hoffe, daß mit meiner empirisch basierten Unterscheidung von Schlußprozessen und Einschätzungen (neben Entscheidungen) ein für paraoperatives 'da1 besser geeignetes Begriffsinstrumentarium verfügbar wird, das solche Belege bündiger erfaßt. In unseren Analysen konnte lediglich die Einschätzung (B46) (§3.3.3.1) ein Beispiel für die Inanspruchnahme eines "symptomatischen" Wissens darstellen: "Da die siabüitätszeitliche Flußeintiefung also außerhalb der heu146 Freilich dürften sie dort überwiegend in der mundlichen Praxis eine Rolle spielen, wo wiederum para operatives 'da' nicht eben seine Domäne hat, Diskursanalysen sind wünschenswert. Ohne Thematisicrung solcher sprachlicher Formen widmet sich Rehbein (1986) besonders verschiedenen Wissenformen und -widersprächen im Arzt-Patienten-Diskurs. 147
Das ändert sich sofort, wenn man in {9} oder in das Motor-Beispiel statt 'da' 'wenn' einsetzt,
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tigen Regen waldgebiete geringer ist als in diesen, besteht häufig die Tendenz, die Trockenwald-Savannen-Zone als den eigentlichen Bereich der Tropen aufzufassen." Der hauptsächliche propositionale Gehalt ist deutlich modalisiert; durch 'also' im Nebensatz wird allerdings das Gewußte gerade nicht gemäß einer allgemeinen Symptom Charakteristik verbal zur Geltung gebracht, sondern als ein mit dem Leser gemeinsames Textwissen. Ich habe die sogenannte Symptombeziehung so ausführlich diskutiert, um darzulegen, daß eine semantische Typisierung der Kausalbeziehungen für paraoperatives 'da' aufgrund seiner mangelnden P-Bezogenheit und seiner Funktion einer Bearbeitung von Verbalisierungsproblemen wenig Sinn macht und dies nicht zuletzt in mangelnden Belegen in der Literatur seinen Niederschlag findet. Gleichermaßen dürfte Thim-Mabrey nicht zufällig keinen empirischen Beleg mit 'da', sondern nur einen (literarischen) mit 'denn', für ihre "Nachtragsbeziehungen" angeben. Diese "Begründungsbeziehung" ist, anders als die Symptombeziehung, auch bei ihr funktional gefaßt und beschreibt faktisch einen bestimmten Fall der Prozedur, die ich für 'denn' allgemein analysiert habe: "Der Kausalsatz tragt eine Erläuterung zu einem im Verlauf einer Äußerung als unklar erkannten Ausdruck nach" (1982, 214). Die Bedeutung des sprachlichen Ausdrucks 'denn' wird demnach irrtumlich für die Art der Beziehung zwischen den gekoppelten Gehalten genommen. Grammatisch bildet diese Beziehung bei ihr eine weitere Art, die verkürzt realisierte Begründungssubstrate erlaubt. In meinen empirischen Analysen habe ich bis jetzt keinen derartigen Beleg behandelt, in den Briefen und wissenschaftlichen Arbeiten kommen sie nicht vor; aus Zeitungen sind sie mir jedoch auch vertraut, wenngleich ich sie dort nicht für sehr häufig halte. Es kann also sein, daß sich bei einer Häufigkeitsanalyse eine textartspezifische Verteilung zeigt. Interessant ist schließlich Thim-Mabreys Fall des nichtrealisierten Begründungssubstrats, der offenkundig mit einer ebenfalls funktional bestimmten Beziehungsart einhergeht, nämlich mit der "Einordnungsbeziehung": "Darin hat der Kausalsatz die Funktion, die Frage (z. B. - oder ferner die Aufforderung; A.R,) dem Befragten gegenüber durch eine Einordnung in einen rational einsehbaren Zusammenhang (...) als sinnvolle Frage auszuweisen." (Thirn-Mabrey 1982, 214). Die Autorin dehnt also hier die Betrachtung von "Äußerungsbegründungen" im Sinne von Eroms auf andere illokutive Akte als Vermutungen aus. Sie führt zwei empirische Belege an, einen aus der Übersetzung von Proust und einen aus einem öffentlichen Brief, Damit ist zugleich gezeigt, daß die von Rosengren (1987) geforderte propositionale Äußerung der illokutiven Rolle für einen entsprechenden Bezug des Begründungsoperators darauf keineswegs erforderlich ist. Der Frage-Beleg aus Proust scheint auf den ersten Blick meiner oben formulierten Tendenz, daß die operative Prozedur erst in nachgestellter Position eine Modifikation der illokutiven Qualität bewirken kann, entgegenzustehen: "(30)... da Sie manchmal
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Ihren Elfenbeinturm verlassen, wären da nicht kleinere intime Zusammenkünfte bei mir ... das Richtigere für Sie? (Proust XIII S, 431)" (Thim-Mabrey 1982, 214) Nach meiner Analyse geht es nicht um den Ausweis von Sinn durch eine rationale Einordnung der Frage - oder genauer vielleicht: des Vorschlags -, sondern um ein typisches, diesmal diskursives und nicht textuelles, Verfahren der Einleitung, wie es aus der Konversationsanalyse auch als "opening up" bekannt ist148. Sieht man sich den Kontext genauer an, so steht am Beginn ein Erstaunen der Sprecherin, Gilberte, den Angesprochenen auf "einer solchen Massenveranstaltung wieder(zu)finden" (Proust XIII, 1975, 430), dem folgt eine längere erlebte Rede, die abrupt mit einem graphischen Zeichen für wörtliche Rede abgebrochen wird: "»Also gut, schloß Gilberte, da Sie manchmal Ihren Elfenbeinturm verlassen, waren da nicht kleine intime Zusammenkünfte bei mir, zu denen ich ein paar verwandte Geister einladen könte, das Richtigere für Sie? Solche großen Rummel wie diese hier passen doch gar nicht für Sie," (ebd., 431) Es zeigt sich, daß wieder an das anfängliche Erstaunen angeknüpft wird, und zwar durch 'also gut' einen Abschluß ankündigend, Man kann nunmehr das opening durch paraoperatives 'da' präziser als ein "opening up closing" (Schegloff & Sacks 1973) bestimmen149. Die Präsenz des Hörers ist nun nicht mehr Gegenstand des Staunens, sondern Grundlage für eine Handlungsentscheidung, die sich als Einladung erweist. Die Sprecherin, Gilberte, bearbeitet mit dem Nebensatz das Problem der Ankopplung einer Sprechhandlung an die diskursive Konstellation - und der Autor den Schwenk von weit entfernter zu wieder einsetzender direkter Rede; an die Einladung schließt sich noch einmal die bewertende Dimension des Erstaunens über die Konstellation an. So ist schließlich durch einen sukzessiven Fokusschwenk der Bogen zum Beginn der direkten Rede - zugleich einem Absatzbeginn - gespannt. Die illokutive Qualität der Gesamtäußerung wird durch paraoperatives 'da' nicht tangiert. Die Einladung ist situativ angekoppelt. Thim-Mabreys Bezeichnung als "Einordnungsbeziehung" ist daher text- oder diskursfunktional wesentlich treffender als die einer illokutiven Begründung. Auch hier bestätigt sich, daß paraoperatives 'da' in Vorfeldposition einen sukzessiven Fokusschwenk bewirkt und so den hauptsächlichen propositionalen Gehalt lokalisierend entfaltet, während in Nachfeldposition noch im Zuge der Verbalisierung eine propositional vermittelte Einflußnahme auf die illokutive Qualität vollzogen werden kann. Im Effekt dürfte dies zu den positionsbedingten Satz Wertbestimmungen von Harweg (1972) konform sein. Eroms leitet aus seiner Distinktion von Äußerungsbegründungen gegenüber Sach Verhaltsbegründungen eine weitere Eigenart von 'da' ab: "Denn- Sätze und daSätze sind dagegen (gegenüber 'weÜ'-Sätzen; A. R.) sprecherbezüglich," (1980, 95).i50 148 Man könnte gerade dieses Beispiel gut parallel i sieren mit Einleitungen durch 'übrigens: ', einem Ausdrucksmittel also, das Thim-Mabrey (1985) als "Para-Konjunktion" bestimmt. i4 " Es erweist sich an diesem Beispiel, daß die empirischen Belege bei einer Zitierung nur des syntaktisch relevant erscheinenden Ausschnitts den Blick für die Funktionsweise - auch grammatischer, nämlich "kohärenzbezogener" Art - verstellen.
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Im Unterschied zur Leistung von 'denn' kann diese Einsicht für 'da' durch die handlungstheoretische Analyse untermauert werden. Darüber hinaus haben unsere Untersuchungen ergeben, daß sie nicht nur für diese spezifisch zugespitzte Verwendung - systematisch also für einen abgeleiteten Fall - gilt, sondern daß die Sprecherbezogenheit ein wesentliches Bestimmungsmoment von paraoperativem 'da' generell darstellt. 3,42.5 Thematizität und Argumentativität In der Fachliteratur finden sich schließlich zwei funktionale Aussagen, die ich vor der abschließenden Diskussion syntaktischer Besonderheiten darlegen möchte. Das eine Stichwort lautet "Argumentativität", das andere "Thematizität". Pasch charakterisiert 'da'-Sätze irn Unterschied zu Präsuppositionen dadurch, "daß sie im Hinblick auf ihre Bezugssätze "argumentierende nicht behauptende Urteilsäußerungen" sind." (1983, 196) Auch Eggs dürfte eine solche Einschätzung teilen, wenn er Formulierungen mit 'da' als Paraphrasen von "Argumenten" mit 'wenn' anführt (1979,431); allerdings bemerkt er beiläufig eine "Ungeschicklichkeit" von Hypothesen innerhalb argumentativer Zusammenhänge, wenn sie mit 'da' formuliert werden (1979, 432)^. Nach den bislang gewonnenen Einsichten ist Paschs Charakterisierung unzutreffend. Bei aller Problematik und Ungeklärtheit dessen, was eine Argumentation ist (s. o. §2.3.6 mit Bezug auf 'denn'), kann doch als ein wesentliches Charakteristikum gelten, daß zu argumentativen Zwecken nicht etwas als gemeinsam Gewußtes in Anspruch genommen werden kann, ohne Widerspruch zuzulassen. Vielmehr soll gerade umgekehrt ein Verstehenswiderstand, der sich aus Wissens- bzw. Bewertungsdiskrepanzen oder aus Wissensdefiziten herleitet, schrittweise überwunden und durch gemeinsames Wissen in ein Verstehen überführt werden. Mithilfe von paraoperativem 'da* ist eben dies nicht zu leisten. Nur dann, wenn als abgeleitete Fälle solche Argumentationsverfahren mitberücksichtigt werden, die sprecherzentriert und im besonderen durch Inanspruchnahmen gekennzeichnet sind, fungieren auch Formulierungen mit paraoperativem 'da' argumentativ. Kein abgeleiteter Fall einer Argumentation , sondern eine normale Verwendung liegt dann vor, wenn durch den Gehalt des 'da'-Nebensatzes ein Ansatzpunkt in Anspruch genommen ist, an den wiederum eine gemeinsame Grundlegung von Wissen gekoppelt wird, so daß sich an diese Äußerung erst argumentative Prozeduren anschließen. ^ Ganz analog wird dies für die französischen Äquivalente abgeleitet und bei Henschelmann (1977) für 'puisque' und 'da1 gleichermaßen beansprucht, ^1 Rudolph (1985} diskutiert u. a. 'weil' als "argumentative Konjunktion", ohne daß 'da' explizit ausgeschlossen wird; auch Eroms (1980) attribuiert nur 'weil' und 'denn' Argumentativität, ohne 'da' dagegen abzugrenzen. Klein (1987) konzentriert sich auf die Typen "konklusiver Sprcchhandlungen", weniger auf sprachliche Realisierungsformen wie die Konjunktionen.
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'da' als Mittel der Thematisierung aktiviert einen breiten Diskussionszusammenhang in der Literatur, der hier nicht zu referieren ist; eine ausführliche Darstellung der verschiedenen grammatischen Traditionen gibt Eroms (1986). Arndt bezieht sich mit der entsprechenden These auf Boost, der Ammanns ThemaRhema-Konzept aufgreift und syntaktisch ausarbeitet, "Nun haben wir in unseren Beispielen gesehen, daß "da" stärker als "weil" auf schon Bekanntes hinweist. Wenn nun der begründende Gliedsatz {bei normaler, nicht affektgeladener Rede) im Vorfeld steht, funktional also das Thema bildet, so wird "da" am besten in der Lage sein, eine echte Brücke zwischen der vorausgehenden Aussage und dem nachfolgenden Trägersatz herzustellen, indem es sowohl auf den vorausgehenden Satz zurück- als auch auf seinen Trägersatz vorweisen kann und sich funktionell wie bedeutungsmäßig nicht in den Vordergrund schieben wird," {Arndt 1956,149) Arndt beschreibt hier einmal das, was wir nunmehr durch die Analyse der im paraoperativen 'da' noch aktualen deiktischen Prozedur theoretisch verankern können. Auch die Funktionalität als findet sich hier, allerdings gebunden an eine syntaktische Position im Vorfeld - sukzessiver Fokusschwenk zur Nachgeschichte hin auch bei Nachfeldposition ist hier noch nicht erfaßt. Vorfeldposition wird zum anderen als Themaposition, d. h. als Position für das Bekannte, konzipiert und insofern leicht mit der These von der Bekanntheit des durch 'da' eingeleiteten Nebensatzes in Einklang gebracht. Arndts Formulierung ist etwas vage in bezug darauf, was denn nun genau das Thema bildet. Denn mit Boost - auf die weitgehende Vernachlässigung dieses Punktes weist Eroms zu Recht hin, ohne sich dem anzuschließen (1986, 330 - ist nicht nur im Hauptsatz, sondern auch innerhalb des Nebensatzes zwischen Thema und Rhema zu differenzieren. Für das Hauptsatz-Nebensatz-Verhältnis gilt: "Steht der Gliedsatz als Einleitung, bildet er das Thema; steht er nach, muß aus der bisher festgestellten Struktur gefolgert werden, daß er in diesem Falle Mitteilung, Rhema ist und der sog. Hauptsatz(teil) die Rolle des Themas übernimmt," {Boost 1964, 60) Für den Nebensatz selbst gibt er darüber hinaus folgende Bestimmung: "Thema des konjunktionalen Gliedsatzes ist die Konjunktion. "Nachdem" - (man beachte den deiktischen Charakter vieler Konjunktionen und das durch die Vorwegnahme hervorgerufene Spannungsmoment 1)) "mein Vater das Haus verlassen hatte,..." Diesem Thema steht als Rhema der durch das Prädikat nicht mehr gegliederte übrige Satz als Rhema gegenüber." (ebd., 59). Dem Ausdruck 'nachdem 1 vergleichbar, besonders aufgrund seiner paraoperativ aktualen deiktischen Qualität, ist die "Konjunktion" 'da' nach Boost also ebenfalls das Thema der Subprädikation, d. h. des Gehaltes im Nebensatz. Ich meine, daß die Themaqualität - identifiziert mit dem Bekannten - allerdings nur mit einer Fokuskontinuierung, also mit phorischen Prozeduren, nicht jedoch mit einer Neufokussierung, also mit deiktischen Prozeduren, unmittelbar zu vereinbaren ist^. Die Verhältnisse dürf''2 Q cr bestimmte Artikel, auf den Boost am Ende des Ktammereinschubs per Fußnote vergleichend hinweist, ist m. E, keineswcgs gleichermaßen als dcikfischcr Ausdruck zu analysieren.
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ten generell, d. h. auch bezogen auf die reine Deixis, nicht nur auf die operativ funktionalisierten Deixeis, verwickelter sein, und die deiktische Prozedur dürfte eine Art von Widerspruchsbearbeitung zwischen Bekanntheit und Neuheit leisten.1^ "Thema" im Sinne dessen, worum es geht - und in dieser sehr weiten Form verwendet Ammann (1928) diesen Begriff zunächst, hierin mit der ursprünglichen Konzipierung von Paul und Mathesius übereinstimmend - trifft den diskursiven, oder, wie Amman (1928, 22) sagt, "homiletischen" Charakter der fraglichen Ausdrucksmittel besser. Bevor das Verhältnis der verschiedenen Kategorien nicht genauer geklärt ist, möchte ich zu der allgemeinen Bestimmung der subordinierenden Konjunktionen als Thema-Elemente nicht Stellung nehmen. Möglicherweise erübrigt sich diese Diskussion, sobald die Kategorie des Nebensatzes und der operativen Ausdrücke zur Kopplung an den Hauptsatz insgesamt handlungstheoretisch geklärt sind. Hier haben wir uns jetzt nur zu fragen, ob für paraoperatives 'da' eine Bestimmung in diesem Problemzusammenhang sinnvoll zu leisten ist. Dazu greife ich auf eine schon bei Ammann angelegte Differenzierung zurück, die als doppelte Dichotomie von "Bekanntheit/Nichtbekanntheit" und "Neuheit/Nichtneuheit" bei Haftka in den Grundzügen (1981, 726) grammatisch wiederbelebt zu sein scheint. Erstere ist eine Dichotomie "kognitiver Kategorien", letztere eine grammatischer Kategorien, indem "Vorerwähntheit" oder Nicht-Vorerwähntheit "einer Einheit innerhalb des sprachlichen Kontextes" zur Geltung kommt (ebd.). Damit wird der Blick wieder - wie schon einmal im Prager Funktionalismus - vom Satz auf den Text ausgeweitet. Bekanntes ist danach thematisch, Neues rhematisch; Bekanntes kann ebenso nicht neu sein wie neu. Ammann hat nach meinem Verständnis eine Konzipierung von Bekanntheit schlechthin bereits dadurch ausgeschlossen, daß er seine Argumentation horerseitig auf die Situation der Rede und deren handlungspraktische Relevanz bezieht, während er zugleich eine feine sprecherseitige Differenz von konkret erlebter Situation, die nun sprachlich kommuniziert wird, und Versprachlichung gegenüber dem Hörer beachtet: "Wenn z. B. ein Dienstbote meldet: 'Es steht ein Mann vor der Tür' oder 'es ist ein Buch abgegeben worden', so sind die realen Substrate 'ein Mann' und 'ein Buch' hier dem Meldenden erst im Augenblick der Wahrnehmung, dem Empfänger der Meldung erst in dem Augenblick, wo diese erfolgt, gegeben und sind vorher für ihn schlechthin nicht dagewesen. Hier handelt es sich also darum, daß Personen und Dinge neu in den Lebensbereich eintreten, in dessen Dienst die Mitteilung erfolgt;" (ebd., 19). Nicht schlechthin, sondern für die Zwecke der Rede ist das Thema an eine "Differenz in der Bewußtseinslage des Sprechenden und des Hörers" gebunden (ebd., 22). Für den Hörer müssen alle Elemente, um die es außerhalb des gemeinsamen Wahrnehmungs- und Handlungsraumes geht, zunächst sprachlich vermittelt werden. Damit ist genau die schwierige Situation des Redebeginns oder "Textanfangs" skizziert, die bei Haftka bzw. in den Grundzügen als die besondere Situation zu erfassen versucht wird (cf. 1981, 728). Eroms anerkennt sie als einzig relevante für die »53 Zu ,-ier[ Verhältnissen von - in der arabischen Terminologie - mubtada und habar und der hebräischen Deixis 'zä' cf. im einzelnen Ehlich (1979),
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ansonsten "virtuelle" Überlappung von Thema und Rhema (1986, 46). Wir haben am Beispiel der Briefanfänge konkret gesehen, daß paraoperatives 'da' genau zu solchen Zwecken gebraucht wird. Ebenso gilt dies für die Übergangsbearbeitung etwa bei Kapitel- oder Absatzgrenzen in Texten. Insofern können wir sagen, daß durch die paraoperative Inanspruchnahme von Gewußtem der Widerspruch zwischen Themarisierung und Rhema tisierung bei der Versprachlichung eines gemeinsamen Ansatzpunktes bewegt wird. An einzelnen Beispielen (z. B. B29 in §3.3.2.1 und B36 in §3.3.3.1) wurde eine diskursive Thematisier ung zum Zwecke der De thematisierung deutlich. Durch den 'da'-Satz wird also gerade nicht das inhaltlich geliefert, was Thema der weiteren Ausführung ist, sondern die Grundlage für dieses Thema, Eine einfache Qualifikation als Thema des Satzgefüges nach den satzfunktionalen Kriterien geht an dieser komplexen, widerspruchsbearbeitenden Funktion vorbei. Die Erwartung von Eroms, daß im allgemeinen - aufgrund des "vornehmlich kommunikativ zu beschreibenden Begründungsverhältnis(ses)" - "dö-Begründungen als thematische Glieder" fungieren (1980,96), muß in diesem Sinne differenzierter gefaßt werden. Positionen ist allerdings eine Stellung im Vorfeld für derartige Übergangsbearbeitungen besser geeignet. 3.4.2,6 Syntaktische Besonderheiten von 'da1 gegenüber 'weil' Zum Abschluß dieser Literaturdiskussion wende ich mich syntaktischen Besonderheiten von paraoperativem 'da' zu. Die beiden Hauptmerkmale, die gewöhnlich auch in den Grammatiken hervorgehoben werden (z. B. Eisenberg 1986, 798f), nämlich Selekrionsbeschränkung des Korrelats und Ausschluß in einer Antwort auf eine 'warum'-Frage, habe ich oben (§3.4.2.4) bereits diskutiert. In den Grundzügen wird des weiteren auf die - auch von Thim-Mabrey bemerkte - Möglichkeit aufmerksam gemacht, "reduzierte Strukturen" zu verknüpfen (1981, 802). Dies Phänomen ist für subordinierende Konjunktionen nicht weiter auffällig. Interessant sind demgegenüber syntaktische Besonderheiten von paraoperativem 'da' gegenüber 'weil', wie Thümmel (1979) sie nachweist. Die Frage ist, wieweit diese Phänomene durch unsere handlungstheoretische Bedeutungsbestimmung erklärbar sind. Thümmel bindet seine syntaktischen Darlegungen strikt an Belege konkreter Vorkommen. Dabei ist freilich stets von einer diskursiven und stilistischen Angemessen heit sowie Grammatikalität der - "nicht belletristischen" (ebd., 3) - Formulierungen auszugehen. Ebenso wie Thümmel plädiere ich für eine einheitliche Darstellung der Konjunktion 'da* in den verschiedenen Satzstellungstypen. Mit Clement (1977) nimmt Thümmel allerdings keine kategoriale Differenzierung zwischen Haupt- und Nebensatz vor, sondern spricht neutral von "Konjunkten". Ich diskutiere die Konstruktionen, in denen er 'weil' für nicht durch 'da' substituierbar hält, systematisch zusammenfassend.
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Nach Thümmel ist 'weil' in Konjunkten von Obwohl' (Obwohl u, weil v, ist z'), Oder' ('z, weil u oder weil v'), 'sondern' ('nicht weil u, sondern weil v, ist z') und nach der Rangierpartikel 'nicht' ('nicht weil v, ist z') nicht durch 'da' ersetzbar ( 1979, 4f/7). Meine handlungstheoretische Erklärung dafür lautet folgendermaßen. All diese Ausdrücke enthalten ein oppositives Negationselement und bewirken insofern eine thematisch dezidierte Erwartungsumlenkung beim Hörer. Darin unterscheiden sich die Ausdrücke z. B, von 'aber', das lediglich eine nicht-oppositive Erwartungsumlenkung auf etwas anderes leistet und mit paraoperativem 'da' kompatibel ist (s. o. B53 in §3.3.3.2 unter 2.)). Eine oppositive Umlenkung ihrerseits auf eine Inanspruchnahme von Gewußtem als dem sprecherseitigen Ansatzpunkt zu gründen, ist nur dann nicht widersprüchlich, wenn es sich um den Ansatzpunkt eines fremden, in seiner Rede wiedergegebenen Sprecher handelt. Andernfalls kann nur eine Formulierung gewählt werden, die einen gleichartigen propositionalen Gehalt zum Zwecke der Begründung oder Erklärung koppelt, wie 'da' dies eben nicht tut. Zu starke Gleichartigkeit in der Funktionsweise, um gut oder problemlos einander subordiniert werden zu können, dürfte der Grund für folgende von Thümmel konstatierte Nicht-Substituierbarkeit darstellen: In Konjunkten von Temporal-Konjunktionen wie 'als1, 'nachdem1, 'seit', 'wenn1 und Konjunkten mit Boettchers (1972) "Inhalts-Konditional-Komplex" oder sog. faktivem 'wenn' steht lediglich 'weil' (Thümmel 1979, 50- In operativ funktionalisiertem 'da' bleibt der lokal- oder temporaldeiktische Verweis aktual, so daß der sich Ausdruck innerhalb temporaler Konstruktionen - in traditionellen Relationskategorien gesprochen - "temporal" statt "kausal" verstehen läßt. Dies könnte zu diskursiven Mißverständnissen führen. Die Vergleichbarkeit von faktivischen 'wenn' und 'da' habe ich oben (§3.4.1.4) bereits diskutiert. Ich halte allerdings dennoch beide - temporale wie konditionale - Formulierungen auch mit 'da' statt mit 'weil' für diskursiv nicht unsinnig oder disfunktional. Man könnte so gerade einen besonderen Effekt der relationalen Vagheit einerseits und des zweifach einleitenden, anbahnenden Fokusschwenks andererseits erzielen. Für den letzten Fall würde Thümmels substituiertes Beispiel lauten: "Wenn ein patient in einem spital mit einer an sich einfachen blinddarmentzündung zum risikofall wird, da der arzt am sonntag nicht gerne operieren mag, ist das sicherlich ein viel "medizinischerer" fall." (ebd., 6). Die Nicht-Ersetzbarkeit von 'weil' durch 'da' in restriktiven und pseudo-restriktiven Relativsätzen, Relativsätzen ohne Antecedens und nachgestellten, nicht relativischen Attributen klärt sich nicht in Begriffen einer Selektionsbeschränkung, Vielmehr ist paraoperatives 'da', wie ich in §3.2.4 ausführlich dargelegt habe, selbst ein mögliches Relativum, das jedoch nur dann eine klar nicht-kausale Restriktion vornimmt, wenn das locandum selbst lokaler oder temporaler Qualität ist (s. §3.2.4.5) - "schillernde" Belege werde ich im folgenden §3.5 untersuchen; andernfalls ist eine Verwendung von 'da' im Sinne eines parenthetischen Einschubs und nicht im Sinne einer Präzisierung der Restriktion zu verstehen. Insofern muß der Sprecher sich dann, wenn er innerhalb seiner Restriktion eine deutliche Begründung oder Erklärung in zweiter Stufe subordinieren will, der Konjunktion 'weil' bedienen.
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Einige Selektionsbeschränkungen hinsichtlich der Grad- oder Rangierpartikeln, nämlich solche für die Klasse ParMobl, wurden oben (§3.4,2.5) behandelt. Nach Thümmel schließen des weiteren folgende Klassen 'da' im Unterschied zu 'weil' aus: "Rangierpartikeln der Klasse ParMobS ('besonders', 'insbesondere', 'vor allem'), der Klasse ParMob4 ('auch', 'gerade') und der Klasse ParMob3 ('höchstens') sowie vergleichbare Ausdrücke, etwa 'weniger', 'beinahe', 'schon', 'etwa', 'teils' (ebd., 7f). Die Erklärung ergibt sich parallel zu der für ParMobl dadurch, daß diese Ausdrücke alle eine Äußerungsfortführung auf dem gleichen propositionalen Niveau, also Poder -bezogen, nahelegen oder gar erfordern, und nicht eine verbale Entfaltung der sprecherseitigen mentalen Prozesse, die den durch die Partikeln ausgedrückten Einschätzungs- oder Entscheidungsergebnissen vorausgehen. Allerdings ist für solche Ausdrucksbedürfnisse durchaus ein sprachliches Mittel vorhanden, nämlich das Syntagma 'zumal da', das in dieser festen Form lexikalisiert ist. Eine Koordination mit kausalen Prepositional- oder Nominalphrasen erfordert 'weil' und nicht 'da" im Konjunkt, weil stets eine P-Bezogenheit dieser Phrasen vorliegt und keine propositionale Divergenz der Konjunkte möglich ist.1-*4 In Konjunkten von 'da', 'so daß', 'damit' und Konditionalen ('wenn', 'falls') kann 'weil' laut Thümmel ebenfalls nicht mit Sicherheit durch 'da' ersetzt werden (ebd., 40. Eine Einschätzung, eine Entscheidung oder ein Schluß sind zur Darlegung ihrer mentalen Vorgeschichte nicht nochmals an ein in Anspruch genommenes Wissen zu knüpfen, sondern sie erfordern schließlich eine sachbezogene oder zumindest hörerbezogene Stütze, 'so daß' ist, ebenso wie 'weil', P-bezogen; soll das Konjunkt selbst inhaltlich begründet oder erklärt werden, ist 'da' ungeeignet; soll die Gesamtäußerung, also das Gefüge aus Hauptsatz und Nebensatz mit 'so daß', an einen Ausgangspunkt geknüpft werden, wie er sich für den Sprecher darstellt, ist sehr wohl 'da1 verwendbar. Gleiches gilt für Bedingungen mit 'wenn1 oder 'falls1, die sich auf die sprachliche (p) bzw. die mentale Wirklichkeit ( ) beziehen und daher recht gut interaktiv durchsichtig gemacht werden können, indem der Sprecher zudem seinen mentalen Ausgangspunkt verbalisiert Freilich wird dann keine sachbezogene Verankerung gegeben. Das Beispiel, das Thümmel für eine Beschränkung nach 'damit' anführt (ebd., 50, ist mit dem Korrelat 'deshalb' gebildet, schließt paraoperarives 'da' also aus einem anderen Grund aus. Im übrigen gilt dasselbe wie für eine Konditionalstruktur, Eine letzte Beobachtung von Thümmel ist interessant, nämlich die Fragwürdigkeit einer Verwendung von 'da' im unmittelbaren Skopus einer Modalpartikel (ebd., 9). Dies ist jetzt dadurch zu erklären, daß sich Modalisierung und Inanspruchnahme in dieser Kombination widersprechen. Eine weniger enge syntaktische Bindung, etwa durch eine Modalisierung innerhalb des Hauptsatzes, führt z. B. zu den oben diskutierten "Symptombeziehungen" oder "reduktiven Schlüssen", die ebenfalls nicht 15* Zur "Austauschbarkeit von Kausalsätzen mit Kausalphrasen" cf, Rudolph (1979); Rosenfeld {l982) untersucht ausführlich Kausalphrasen mit 'aus* und 'vor' anhand von Literatur (Grass, Blechtrommel; Kinder- und Erwachsenenliteratur), Einzelbelegen aus Zeitschriften und Radio-/Fernsehsendungen sowie dem Freiburger Korpus.
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zweckmäßig durch 'da' geäußert werden/ sondern besser - anders, nämlich hörerbezogen - durch 'denn'. Der Umstand, daß 'da' innerhalb seines Skopus' wiederum sehr wohl ein 'ja' oder 'doch' erlaubt (ebd., 9f), stützt die Qualität der Inanspruchnahme, ja verstärkt sie durch eine weitere, parallel angelegte operative Prozedur. Es zeigt sich, daß eine handlungsanalytische Erklärung der syntaktischen Untersuchungen von Thümmel - bis auf die andere diskursive Funktionalität von 'da' innerhalb anderer Konjunktionen - mit seiner konstituentengrammatischen Analyse kompatibel ist. In den beiden folgenden Paragraphen soll die handlungstheoretische Analyse an komplexen, bislang in der Fachliteratur nicht behandelten Verwendungsformen in ihrer Erklärungskraft überprüft werden. Außerordentlich kunstvoll eingesetztes paraoperatives 'da' in der belletristischen Literatur (§3.5) und schließlich der - angeblich vernachlässigbare - Gebrauch in der mündlichen Kommunikation (§3.6) bilden dort die Untersuchungsgegenstände.
3.5 Literarisches 'da* Sprache ist reflektiertes Handlungsmittel nicht zuletzt in belletristischer Literatur. Wird paraoperatives 'da' für literarische Aussagen dienstbar gemacht, ergibt sich eine Inanspruchnahme der gedanklichen Entfaltung in literarisch-ästhetischer Absicht, mithin ein spezifischer literarischer Stil. Ich diskutiere exemplarisch einige markante Verwendungen in moderner Literatur.155 3.5.1 "Nachdenken über Christa T." Die Schriften von Christa Wolf fordern ein auf 'da' geschärftes Auge unermüdlich zu genauerem Hinsehen heraus. Dieses Wort scheint ihre Schriften partienweise gleichsam auszuzeichnen, ja den Kunstgriff ihrer Darstellung von Bewußtwerdungsprozessen zu bilden. In der biographischen Selbstfindung durch Erinnerung treten die schlagartig neu fokussierenden Deixeis hervor, welche mannigfach das 'gedaechtnis1 (Kindheitsmuster 1979,38) in unterschiedliche Vorstellungsräume verweisen und so den fragmentarischen Charakter der Erinnerungselemente - von Wolf als "Muster" bezeichnet - zur Sprache bringen. Im "Nach-denken" (1971, 9)156 macht, gleichsam komplementär dazu, das orientierende Zeigen mittels 'da' die Verbindungen solcher "Muster" nach-denkend verbal gewärtig. Paraoperatives 'da', also die zu operativen *" in meiner Habilitationsschrift sind zudem Passagen von P. Weiss und F. Fühmann diskutiert. 156 kk zitiere aus der Sonderausgabe der Sammlung Luchterhand: Christa Wolf, Nachdenken über Christa T., 1971=24. Aufl. 1985. Auslassungen sind - im Kontrast zu textuellen Gedankenzeichen mit {...) gekennzeichnet.
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Zwecken funktionalisierte Deixis, erfüllt diesen Zweck. Ich meine, daß für beide Fälle ein unmittelbarer Zusammenhang von ästhetischer Konzeption und Versprachlichung rekonstruiert werden kann; doch will ich mich hier auf das verknüpfende, paraoperative 'da' beschränken157. (B 62)
Mir fällt ein, daß wir sie nie fragen konnten: Was willst du werden? (...) Also? - Der bekannte Blick, dunkel, leicht spöttisch, ein wenig vorwurfsvoll. Ich? Lehrerin doch wohl? konnte sie fragen. Da gab man es auf, da schwieg man, ließ die Sache auf sich beruhen, bestand nicht darauf, sie festzulegen, da allzu deutlich war: Sie konnte es wirklich nicht wissen. (39/40) Dreimal ist 'da' verwendet, zweimal rein deiküsch (Z. 3) und einmal operativ funktionalisiert (Z. 5), zudem einmal im Kompositum 'darauf gebunden. So werden die Handlungen keineswegs in ihrer Abfolge dargestellt, wie sie sich in der Erinnerung entwickelt Vielmehr werden ihre Schnittstellen in erinnerten Situationen wiedergegeben, insofern Übergangsstellen bei der Rekonstruktion des Geschehens in raumzeitlicher Feme gekennzeichnet, die schließlich, in ihrer Qualität als Ansatzpunkt, die Aufmerksamkeit auf eine neue Einsicht umorientieren. Die deiküsche wie die operative Prozedur sind mimetisch für den Gang des Nach-denkens genommen. Verpflichtung auf das "Seh-Raster" und Angewiesensein auf das Zuleiten des "lebendigen Materials" durch den "psychischen Apparat" der Autorin (Frankfurter PoetikVorlesung 1983, 8) sind in sprachliche Prozeduren umgesetzt. Schlagartig - deiktisch -wird zunächst die Opposition dessen, was zu erwarten ist, präsent und präsentiert, nämlich Nicht-Erneuerung von Frage und Bedrängen; schließlich erfolgt - paraoperativ - ein sukzessiver Fokusschwenk auf die mentale Vorgeschichte der entscheidenden Situationseinschätzung: "da allzu deutlich war". Diese Offensichtlichkeit wird in Anspruch genommen für die gewonnene Einsicht ("Sie konnte es wirklich nicht wissen."). Paraoperatives 'da' kategorisiert das Deutlichsein als tiefere Grundlage ^7 isjjeraad (1978) thematisiert allgemein die Pronominalstruktur, Srinkmann (1985) verschiedene syntaktische (z. B, Subjekteinsparung) und symbolische Mittel der "Aufeinanderfolge von Sätzen" in der "Kassandra". Im Rahmen meines Hamburger Seminars (WS 87/88) hat Matthias Veit in einer Hausarbeit erste Zusammenstellungen und I n terpre tat tons versuche des rein deiktischen 'da' in "Christa T." unternommen. Ich möchte die Analyse an anderer Stelle ausführen. - Gegenüber der kunstvollen Vermittlung von autorbezogener und leserbezogener Neufokussicrung geschieht in alltäglichen Erzählungen durch den Gebrauch von 'da", besonders auch von 'und da', an Stellen außerhalb des Höhepunktes folgendes; Die propositionalen Gehalte werden durch die schlagartige Neufoku&sienjng gegeneinander isoliert, insofern fragment an s i er t, kommuniziert. Was im Kopf des Erzählenden je in den Fokus gerät, erinnert wird und dort durchaus seinen orientierenden Zusammenhang im Vorstellungsraum hat, verbleibt für den Zuhörer lediglich als Verweis im Rederaum, Das operative 'und' wahrt nur auf der sprachlichen Ebene den Zusammenhang in der diskursiven Croßform, dem Erzählen, Das kann effektvoll sein, das kann auch zu einer Desorientiertheit beim Hörer führen. Derartige sprecherbezogene Fokuswechsel sind besonders im ontogenetischen Erzählerwerb zu beobachten, jedoch auch noch später bei lebhaft sich erinnernden Erzählern, wie die Transkripte in Quasthoff (1980) zeigen.
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auch der plötzlichen Neufokussierungen, an die es anadeiktisch anknüpft. Über die traditionelle Bestimmung als kausale Verwendung können wir sprachpsychologisch sagen: 'da' koppelt hier zwei mentale Teilprozesse einer Einschätzung, die Identifikation der Situation und ihre Kategorisierung. Diese prozedurale Leistung wird dem ästhetischen Konzept der Verwortung von Erinnerung hervorragend gerecht. Im folgenden Beleg sind die mentalen Prozesse weniger einfach. (B 63) Nicht dieses Mädchen, ein anderes, späteres war es wohl, das auf einmal "irre" wurde - irre woran? - und anfing, in den Spiegel zu starren, abwesend, verzweifelt und fremd zu sein, so daß einem alle Fremdheiten wieder einfielen, mit denen man selbst ja doch auch von klein auf zu tun gehabt. 5 Seit dem Abend genaugenommen, da man aufhört, sich selbst mit Namen zu nennen, wie alle: Krischan - was man mehr als zwanzig Jahre später in den Skizzen, die ich gefunden habe, durchaus wieder versucht: Krischan ging, Krischan kam ... Das Kind am Abend geht nicht und kommt nicht. Es hat damit zu tun, allein zu sein mit einem Schmerz, den man aushalten 10 muß, den man zum erstenmal nicht wegblasen darf. (27) Das paraoperative 'da' in der 5. Zeile ist für verschiedenes Verstehen offen: für eine einfache relativische Kopplung an den abendlichen Zeitpunkt, um ihn genauer zu bestimmen; für eine nachträgliche Kopplung der Definitheit dieses Abends ("Seit dem Abend ...") an die Identifikation der Konstellation als ihre Bedingung; für eine nachträgliche Kopplung des Ansatzpunktes einer Entscheidung für einen Handlungszeitpunkt. Traditionelle Kategorisierungen der Verwendung lauteten also: temporales Relativum, Konditional- oder Kausalbeziehung. Alle drei Verstehensmöglichkeiten sind sinnvoll, beleuchten sie doch unterschiedliche Aspekte desselben Phänomens. Auch das fehlende Prädikat im Hauptsatz, also der "unvollständige" propositionale Gehalt der Gesamtäußerung - als Reparatur des vorangehenden "von klein auf" - läßt die Festlegung auf einen dieser Aspekte konstruktiv offen. Hier wird paradoxerweise durch die Inanspruchnahme von Gewußtem als gemeinsamem Raum für mehr als verstehenden Mitvollzug des Lesers gewährt, nämlich Raum für seine assoziative Identifikation des Verhältnisses, das diesen Lebensmoment zum biographischen Umschlagpunkt ("nicht dieses Mädchen, ein anderes") qualifiziert. 'man1, der sprachliche Ausdruck für einen generalisierten Aktanten, stützt diese Anheimstellung; jeder Leser hat ein hinreichendes Erfahrungswissen über diese Zusammenhänge. Es wird in Anspruch genommen, "authentisch", durch Verzicht auf den Abstand (Wolf 1983,151), indem mentale Handlungen vom Ansatzpunkt aus exothetisiert werden. Das zweckmäßige sprachliche Mittel bildet paraoperatives 'da'. Diese Unmittelbarkeit verlöre sich, wäre eine Entscheidung für einen der Aspekte getroffen und 'seit' oder 'an dem', 'wenn' oder 'weil1 gewählt worden wären. (B 64)
(Fotographie einer Schulklasse:) Die Kindergesichter. Lachende, selbstzufriedene, ein paar ängstliche, ein drohendes, einige finstere, aber ein Geheimnis kann ich nicht entdecken,
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Anders die Lehrerin, links oben, letzte Reihe. Sie hat etwas zu verbergen, eine Wunde, könnte man denken, die schwer heilt. Sie ist zurückhaltend, gefaßt Da man sich an sie hielt, hat sie Halt gefunden, Da man sie darum bittet, lächelt sie. Die Augen freilich ... (37) Auch hier ist die paraoperative Prozedur in ihrer Komplexität genutzt: Das angesichts Verwundetheit und Zurückhaltung überraschende Halt-Finden und Lächeln wird vermittelt, vom Ansatzpunkt her präsentiert, ohne es jeweils in seinem Zusammenhang ganz bloßzulegen. Gekoppelt werden lediglich zwei simultan auftretende Erscheinungen, deren eine aus der Perspektive der Erzählerin Ansatz, Grundlage für die andere bildet. Ob nun raum-zeitliches Zusammentreffen, Erfülltheit einer Bedingung oder ein Grund für das überraschende Handeln vorliegt, bleibt offen. Auch der weitere Text gibt keinen Aufschluß. Vielmehr werden im neuen Absatz alle Dimensionen weiter verfolgt, Ort, Zeit, wiederkehrende Bedingung und grundlegende Zuspitzung zu einer Handlungsentscheidung: (B 640 Ist das ihr Platz auf die Dauer? Drei Jahre lang stellt sie sich vor den großen Ferien zu ihrer Klasse, der Fotograf drückt auf den Knopf, er entwickelt die Platte, er sieht keinen Unterschied, liefert die Bilder ab und kassiert das Honorar. Die Lehrerin, Christa T., geht in ihre Kammer und stellt die drei Bilder nebeneinander, betrachtet sie lange, eine Bewegung ist ihr nicht anzumerken. Am Ende aber setzt sie sich an den Tisch, vor die Bilder, und schreibt ihren Aufnahmeanrrag für die Universität. (37f) In einem anderen Fall legt sehr wohl die N ach geschieh te der Äußerung eine bestimmte Dimension des Zusammenhanges nahe, sofern sie, ebenfalls durch paraoperatives 'da' angebahnt, eindeutig zu verstehen ist. {B 65) (Einschub einer Reflexion als Autorin-Erzählerin:) Aber von dieser Seite kommen wir an die Geschichte nicht heran. Denn eine richtige kleine Geschichte war es, wie ich jetzt merke, mit Einleitung, Hauptteil, Höhepunkt, Umschlag und schnellem Abfall, mit Kabale und Liebe, bloß wir haben es, da wir mitten darin steckten, nicht gesehen. Da sie erzählbar geworden ist, scheint sie hinter uns zu liegen... (680 "da wir mitten darin steckten" mag eingeschobene Zeitangabe oder in Anspruch genommenes D-Element zur Verstehensbeförderung sein. Dann erfolgt die grundlegende Identifikation einer Konstellation, die in Opposition zum Nicht-Sehen steht, als Erzählbarkeit und bildet den Ansatzpunkt zu einer, in syntaktischem Chiasmus nunmehr hauptsächlich ausgeführten, zeitlichen Einordnung. Rückwirkend opponiert dazu der Gehalt der Parenthese; er wird als zeitliche Präsentation verstehbar. Zahlreiche Verwendungen im Anschluß an einen festgehaltenen "Augenblick" oder an sonstige Zeitlichkeit zeugen von "temporalem" Gebrauch, den Härtung als "gebundene", ebenfalls konjunktionale Verwendung der "freien Verwendung" von 'da' gegenüberstellt und in der (schriftlichen) Gegenwartssprache für weitgehend überholt hält (1961, 86f)· Einzig dann, wenn 'als' wegen einer Gleichzeitigkeit ausge-
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schlössen sei und umgangssprachlich 'wo' an die Stelle trete, habe diese gebundene Verwendung noch ihre Funktion. In der Tat erweist sich, daß durch paraoperatives 'da' ein literarisches Dilemma gelöst werden kann: Erzählerische Origoverschiebungen können an bestimmten Punkten zur Deckung kommen und unmittelbarer Vergegenwärtigung dienen; eine Dimension der Situation kann vor Augen geführt werden, ohne sich des anderen probaten Mittels, des sogenannten erzählenden oder "szenischen" Präsens (cf. Quasthoff 1980) oder sonstigen Tempuswechsels als solchem (cf. Wolfson 1982), zu bedienen und den Duktus daher insgesamt zu unterbrechen. Nur ein Moment wird aus dem Erinnern oder Antizipieren direkt exothetisiert und markiert so seine Relevanz. Keineswegs ist dabei prateritale Erzählform die Voraussetzung, wie dies etwa in dem Beleg aus den "Kindheitmustern" der Fall ist (- die anfängliche Deixis interressiert jetzt nicht): (B 66) Da kann man nichts machen, sagte er, erinnerte dich nun aber an die große Szene, die unter der Überschrift: Wie Lutz verlorenging und wiedergefunden ward in die Familienchronik eingegangen ist. Jene entsetzliche Stunde, da Nelly, zuerst allein, dann mit der Mutter im wehenden weißen Laden5 mantel, schließlich inmitten einer Schar von Nachbarskindern und -frauen, auf der Straße, auf dem Sonnenplatz, in den GEWOBA-Höfen, endlich bis in die Wepritzer Berge hinein den Bruder suchte, alle Stufen von Unruhe über Angst bis zu Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung erfuhr und sich immer den einen Satz wiederholen mußte: Wenn er tot ist, bin ich schuld. (Kindheitsmuster, SL1979,22) 'da' (Z. 4) leitet, relativisch an die "entsetzliche Stunde" ankoppelnd, eine lange Ausführung der erlebten Stunde ein, die in der zentralen Sentenz mündet. Die deiktische Neufokussierung, die bei der operativen Funktionalisierung aktual bleibt, kann hervorragend für die Präsentation der Szene aus der Erinnerung heraus genutzt werden, statt sich in einen darstellenden Erzählfluß umstandslos einzuordnen. An einem Fragment - einem Element aus dem "Muster" von Christa Wolf - tritt das grundlegende Erinnerungsverfahren sichtbar vor Augen. Ein komplexes Beispiel unter vielen im "Nachdenken", im direkten Anschluß an (B64f), zeigt die Unabhängigkeit von grammatischen Tempuswahlen: (B 67) So ist sie in den Hörsaal geraten, vor dieselbe Tafel wie ich, vor denselben sommersprossigen Jungen, der durchaus mit uns einen Kindergarten bauen will. Er heißt Günter, sagt Christa T, - da sind wir fast am Bahnhof -, ich kenne ihn, er ist nicht zu bremsen. Das ist der Augenblick, da wir zu lachen anfangen, lachen dann weiter, bis meine Bahn kommt. Alle die Tage, die vor uns liegen! (38) Aus der Rückblende, die ihren Anlaß im Aufeinandertreffen der Handlungswege von Christa T. und Erzählerin im Hörsaal hatte, wird ein Punkt im gemeinsamen
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Weg beim Erzählen erreicht, den zukunftsträchtig ein befreiendes Lachen kennzeichnet. Auch der Wirklichkeit enthobene Augenblicke werden so präsentiert: (B 68) Sie blickte mich schnell an. Das wird der Augenblick sein, da ich die Lider senke, nehme ich an, denn daß ich mein eigenes Empfinden ruhig von ihr ausgedrückt hören kann, ist nicht denkbar. (52) Die Bindung von 'da' an den -Bereich des Sprechers ermöglicht es hier, in der Schwebe zu lassen, ob anläßlich erinnerter Augenblicke nunmehr Antizipationen vor Augen treten oder ob die Erinnerung mittels des präsentischen Bildes zeitlich und räumlich identifiziert wird, "nehme ich an" kann sich auf das locandum oder das locatum, den Relativsatz oder den Hauptsatz, beziehen, steht dieser Ambivalenz also nicht im Wege. Die "Undenkbarkeit" klärt ebensowenig diesen Punkt, wenn sie auch ein anderes, offen gelassenes Vermittlungsglied für das Verstehen - operativ eingebracht durch 'denn' - bildet, nämlich das für den Gehalt des locandums als solchem. 3.5.2 "Frauen vor Flußlandschaft" Dies ist der letzte Roman (1985) von Heinrich Böll.158 Bis auf die "Vorbemerkung" ist er dialogisch angelegt; lediglich ein langer, als solcher gekennzeichneter Monolog (Kap. 6) und kleinere Absätze innerer Rede sind eingelagert. Gezeigt wird Bonn, das Handlungsfeld von Politikern und ihren Frauen. Hier interessiert eine auffällige Erscheinung, nämlich der zahlreiche Gebrauch von paraoperativem 'da' in zwischen die Reden geschobenen "Regieanweisungen"^9. Ich habe sieben derartiger Vorkommen gezählt; dem stehen insgesamt fünf Belege in der mündlichen Kommunikation selbst gegenüber, drei in interaktiver Rede (davon einer in relativischem Anschluß), zwei in der inneren Rede des Monologs. Die Zahlen sind nicht als Typik eines Autors zu betrachten, weil Böll einen durchaus differenten, möglicherweise genrespezifischen Gebrauch von diesem sprachlichen Ausdruck zu machen scheint. Die IdS-Zählung (s. o., §3.3.1) von "Ansichten eines Clowns" (1969) ergab lediglich drei Belege, meine Durchsicht des preisgekrönten Romans "Billard um halb zehn" (1959) ergab sieben "freie" und fünf "gebundene", relativische Verwendungen, also insgesamt zwölf Belege. Ich konzentriere mich auf die Belege in den "Regieanweisungen" des Bonn-Romans. (B 69)
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KATHARINA RICHTER Ihr Mann meint, ich sollte für Sie das graue Jackenkleid aus dem Schrank nehmen, es noch einmal aufbügeln ... Er meint, Sie könnten dazu Korallen tragen. ERIKA WUBLER lacht: Geschmack hat er und etwas mehr. Wenn Sie je Rat brauchen, ich meine, in Kleiderfragen ... Da Katharina gehen will. Warten Sie
Ich zitiere aus der Taschenbuchausgabe 1987 von Kiepenheuer & Witsch, Köln. ^ Ich spreche davon in Gänsefüßen, weil derartige Formen ihren Ort in Theaterstücken, z. B. in Dramen, haben, nicht jedoch in Romanen. 59
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bitte einen Augenblick. Lassen Sie das Kleid im Schrank; ich brauche heute kein Kleid. (16) ERIKA In der Zeitung steht, daß meinem Mann in dieser Bingerle-Sache nichts vorzuwerfen ist. Es steht aber auch etwas drin, was Karl betreffen könnte. Da Katharina schweigt. Sie verstehen nicht, was ich meine? KATHARINA Nein. ERIKA Zum dritten Mal ist in dieser Nacht ein kostbarer Flügel, auf dem Beethoven gespielt haben soll, säuberlich zerlegt und wie Brennholz vor dem Kamin gestapelt worden. (18) EVA FLINT verlegen: Er ist weg - weggeflogen. Bewegt. Ach Gott, ja - ihr seid alle so schwer, wie Blei seid ihr, auch Karl. Ja Da Ernst Grobsch sie anblickt ich weiß, er wirkt nicht so, aber er ist so: ein Grübler, nett, kann auch leichtsinnig sein. Aber ihr Deutschen, alle, immer habt ihr die ganze Welt auf der Brust, und er, Jesus, so leicht, lächelnd - kann tanzen - immer fröhlich, obwohl er's doch schwer hat hier, schwerer als ihr alle. ERNST GROBSCH Jesus? Heißt der etwa auch Perez Delegas? Da Eva Plint nickt. Das ist einer der härtesten Burschen, den sie hier haben - ich kenne ihn aus Diskussionen, (92f) ELISABETH BLAUKRÄMER Sie können das Argument auch umkehren. Da Dr. Dumpier sie fragend ansieht. Blaukrämer konnte mich nicht haben, er hat mich nie bekommen, und so schickte er mir diese beiden aufs Zimmer: (126)
In allen Belegen ist lediglich der Nebensatz mit paraoperativem 'da1 in die Rede eingeschoben. Die Interpunktion schließt - allen Regeln zum Trotz - teilweise den Nebensatz auch formal ab, während inhaltlich die Fortführung der Rede das locatum bildet, das sonst durch einen Hauptsatz gekoppelt wird. Der Kunstgriff, in einem dialogischen Roman Regieanweisungen einzuflechten, ist bereits dazu angetan, die Intentionen des Autors ein Stück weit für den Leser zugänglich zu machen. Der Konstruktionscharakter der Reden wird offengelegt. Paraoperatives 'da' ist nun hervorragend geeignet, die verbale Planung des Autors durchsichtig zu machen und zugleich in Anspruch zu nehmen für das Verständnis der diskursiven Entwicklung. Die stets turn-interne Positionierung läßt die Aufdeckung der mentalen Vorgeschichte von sprachlichen Handlungen zugleich als eine der jeweiligen Sprecher erscheinen. So wird sprachliches Handlungswissen in Anspruch genommen. Der Diskurs wird als naturalistische Konstruktion - in genau dieser Widersprüchlichkeit - ausgeführt. Das gilt jedoch nicht allein für die jeweilige Sprecherseite. Vielmehr betreffen die Sub-Prädikationen das Handeln der jeweiligen Interaktanten, der Hörerfiguren. Auf diese Weise wird die scheinbare Verkettung von Äußerungen als eine praktische Sequenzierung erkennbar, die interaktiv durch den Hörer gesteuert wird und so alltäglichen, dem Leser vertrauten Handlungsmustern entspricht Die Verbalisierungen der Vermittlungselemente im wahrnehmbaren Diskurs beziehen sich auf die verschiedenen Dimensionen sprachlichen Handelns. Stets
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werden Übergangsstellen zwischen Äußerungen bearbeitet, und zwar zwischen Äußerungen desselben Sprechers. In (B69) wird eine komplexe Sequenzierung durch den Nebensatz verstehbar. Zunächst scheint es, als wenn die Hausherrin die Anordnung des Hausherrn, die ihr die Bedienstete als Vorschlag übermittelt, mit lachendem Kommentar akzeptiert; dem schließt sich noch ein leicht provozierendes Geplänkel an. Das Muster der Anordnung könnte damit abgeschlossen sein. Die anschließende Aufforderung 'Warten Sie bitte einen Augenblick" ist eine typisch "empraktisch" eingebettete Sprechhandlung im Sinne Bühlers. Die zwischengeschobene "Regieanweisung" bringt die konkrete Praxis zum Ausdruck: die Bedienstete, Katharina, handelt einem Musterabschluß entsprechend und ist dabei zu gehen. Diese Konstellation wahrnehmend macht Frau Wubler die besagte Aufforderung und trifft erst dann eine wirkliche Entscheidung über die hausherrliche Anordnung; sie negiert sie. Die Unerwartetheit dieses Handelns kommt erst durch die regiemäßig explizierte praktische Handlung Katharinas zur Geltung. In der Tat erweist sich der Bruch, den paraoperatives 'da' für den Hörer zunächst überbrückt, anschließend als skandalöser: Die Hausherrin wird - erstmals nicht in ein Hochamt zum Gedenken eines bekannten Politikers gehen und damit ein unmißverständliches Zeichen in der Bonner Gesellschaft setzen. Die Unerwartetheit wird also anschließend der Öffentlichkeit zugemutet - ohne eine sprachliche Bearbeitung. In (B70) handelt nicht die Sprecherin, sondern ihre Hörerin interaktiv unerwartet. Deren Schweigen ist nunmehr der Ansatzpunkt für weiteres Handeln, nämlich für ein Nachhaken. Auch diese zunächst verbal für den Leser überwundene interaktive Bruchstelle tritt später, am Ende des Romans, offen zutage: Karl, Gärtner des Hauses und Lebensgefährte von Katharina - verehrt auch von der Hausherrin - ist tatsächlich derjenige, der bei der reichen Prominenz nacheinander das Status- und Kultursymbol des Klaviers wieder auf seinen materialen Gebrauchswert, den von Brennholz, reduziert. Katharina weiß das. In (B71) ist die Regieanweisung gewissermaßen in eine Äußerung hineingeschoben, parenthetisch. Der erste Äußerungsteil, das "Ja", ist nicht unmittelbar verständlich und wird nachträglich als Reaktion auf ein Verhalten des Hörers, Evas zweitem Mann, nachvollziehbar, so daß Eva daran wiederum die Begründung ihres Urteils über Karl, ihren ersten Mann, anschließen kann. Sie, politisch eher links und mit Ausbrüchen aus dem wohlgeordneten Leben in Bonn liebäugelnd, stellt Vergleiche mit einem Mann an, in den sie verliebt ist, Jesus Perez Delegas, einem kubanischen Kommunisten. Bei der Identifikation dieses Mannes entsteht wieder eine interaktive Übergangsstelle, die durch die Regieanweisung sequenzierend bearbeitet wird. Für den gesamten Roman stellt diese Passage einen Kulminatonspunkt dar, indem anderes Denken, Handeln, Fühlen sich konkretisiert, gleichsam als lebendiges Gegenbild, welches sich jedoch sogleich wieder entzieht und in die gewohnten Handlungsbahnen aufgesogen wird.
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Auch in (B72) wird durch die Regieanweisung ein Ausdruck von Unverständnis beim Hörer - "fragendes Ansehen" beschreibt dies genauer - als Ansatzpunkt für die weitere diskursive Ausführung der Sprecherin zugänglich gemacht. Es geht um eine der zentralen Frage in der dargestellten Gesellschaft: Wer hat wen wie oft "gehabt"? 3.5.3 "Die Tage der Commune" Im Sinne eines Vermittlungselementes zur Analyse von paraoperativem 'da' in gesprochener Sprache will ich nun ein Exemplum literarischer gesprochener Sprache "des Volkes" betrachten. "Die Tage der Commune" stellen die historische Situation der ersten, knapp dreimonatigen Herrschaft des Proletariats in Paris dar.160 Brecht hat das Stück 1948/49 "streng nach der Wahrheit" als eine Art Gegenentwurf zu Nordahl Griegs - unter dem Eindruck der Spanienkämpfe geschriebener - "Niederlage" konzipiert. Ursprünglich wollte Brecht damit das Berliner Ensemble 1949 eröffnen; er ließ jedoch wegen der aktuellen politischen Brisanz des Themas dann von diesem Plan ab (cf. Völker 1988, 366, 3710; erst 1956 fand die Uraufführung, 1957 die Erstausgabe statt. Wenn Brecht in der Sprache der Communarden, d. h, von Arbeitern, paraoperatives 'da' vorsieht, ist zu fragen, an welchen Stellen dies geschieht und zu welchem Zweck, denn von proletarischen Revolutionären erwartet man nicht den Duktus geschriebener Sprache. Viermal wird diese Formulierung verwendet; hinzu kommt ein Gebrauch in einer Regieanweisung, die den Formen bei Böll gleicht, (B 73}
(Die Lehrerin Genevieve und der Arbeiter Langevin sind im Ministerium des Innern, um ihre Arbeit als Delegierte bei der Commune aufzunehmen; kein einziger Beamter ist da, alles ist abweisend - auch der Portier, der lediglich das Zeigen der Büros als zu seiner Arbeit gehörend demonstriert, nicht jedoch das Zeigen der Register und Karten über die Schulen im Bezirk, und auch nicht die erbetene Besorgung von Öl für die Lampen.) GENEVIEVE Zusammen werden wir es schon in Erfahrung bringen. LANGEVIN Es wäre am besten, gleich neue Schulen zu bauen, dann wüßte man, wo sie liegen, es muß alles von A bis Z neu gemacht werden, da es ja auch immer schlecht gemacht wurde. Das gilt von den Kliniken bis zur Straßenbeleuchtung. Wieviel bezahlt Ihnen die Bevölkerung für Ihre Dienste, zu denen das Ölholen nicht gehört? PORTIER 7 Frs. 80 pro Tag, aber das zahlt nicht die Bevölkerung, sondern der Staat. (2156) Langevin ist Mitglied des Zentralkomitees der Nationalgarde und bis zur Erschöpfung darum bemüht, die revolutionären Ideen zu verwirklichen und die Herrschaft des Proletariats praktisch zu befestigen. So ist er zugleich derjenige, der die zögernde, legalistische Handlungsweise eines Teils der Commune kritisiert und er160
Ich zitiere aus der Werkausgabe edition suhrkamp, Frankfurt; Stücke 5 (1967).
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kennt, daß es falsch war, nicht sofort auf Versailles zu marschieren, um eine Gegenrevolution auszuschließen {2173). Wenn nun dieser Arbeiter, der Genevieve auch die konkret gewendete Maxime "Lerne, Lehrerin" in Erinnerung bringt (2158), in seiner Rede zu einem schriftlichen Stil greift, wie ihn paraoperatives 'da' darstellt, so bringt er revolutionäres Wissen zum Ausdruck, und zwar so, wie er es sich als Bewußtsein zu eigen gemacht hat. Die Einschätzung der bestehenden Institutionen leistet er nicht ad hoc; alles von Grund auf neu zu machen - der Gehalt des Hauptsatzes - ist eine revolutionäre Maxime, die auf der Einsicht basiert, daß alles Besiehende "schlecht gemacht wurde" und nicht einfach neuen Zwecken subsumiert werden kann. Dieses Gewußte nimmt Langevin als gemeinsames Bewußtsein in Anspruch, statt es beispielsweise in einen Erklärungszusammenhang zu bringen, wie dies durch 'weil' geschehen würde. Durch die Partikel "ja" - d. h. durch einen ebenfalls operativen Ausdruck - nimmt er zudem explizit auf Bekanntes Bezug. Dadurch gewinnt die Äußerung einen appellativen Charakter. Angesichts der konkreten Situation und der Hilflosigkeit ihrer praktischen Bewältigung, wie sie in (B73) deutlich werden, klaffen in Anspruch genommenes Bewußtsein - als Ansatzpunkt von Handlungsentscheidungen - und praktisches Handeln recht weit auseinander. Die Inanspruchnahme mittels paraoperativem 'da' gerät zum Pathos. So deutet sich die gesellschaftshistorische Verfrühtheit der Revolution im sprachlichen Stil des Communarden an. Diese Interpretation wird durch die anschließende Wechselrede gestützt, in der die politisch reflektierte und leicht ironisierende Frage an den Portier auf dessen "Belehrung" über die Herkunft seines Lohnes stößt, was von "falschem Bewußtsein", ja von Borniertheit zeugt. Deshalb liegt die Vermutung nahe, daß Brecht die Formulierung mit paraoperativem 'da' an dieser Stelle verfremdend eingesetzt hat. Das ist offenkundiger in einem anderen Beleg. (B 74)
(Im Wandelgang des Stadthauses versucht ein schlauer Bauer aus der Provinz - Vertreter einer feindlichen Gegenkraft zu den revolutionären Arbeitern -, den Delegierten als "Bettler" listig Geld zu entlocken.) BETTLER fängt sie unten ab: Messieurs, erlauben Sie mir, daß ich Ihnen den Ballon zeige, der soeben Paris verläßt, er ist über den Häusern zu sehen. DELEGIERTER Ah, der Ballon der "Sociale"? Ist er abgeflogen? BETTLER Mit Proklamationen und Deklarationen. 10 000 Stück für das flache Land. Der Boden wird den Bauern übergeben. Vom Ballon aus! Ich bin vom flachen Land, ich. Ich weiß Bescheid, ich zeige Ihnen den Ballon. Die Delegierten schauen durch ein Fenster nach oben. BETTLER Messieurs, der Ballon! DELEGIERTER Du bist Bauer, mein Alter? BETTLER Aus der Auvergne, Saint-Antoine. DELEGIERTER Und warum bist du hier? DELEGIERTER Aber warum bist du gegen die Verteilung des Bodens?
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BETTLER Nun Messieurs, man nimmt weg. DELEGIERTER Aber doch nicht dir. Du sollst bekommen. BETTLER Verzeihen Sie, Messieurs, man nimmt weg. Habe ich etwa meinen Hof noch? 10 Centimes. DELEGIERTER Aber da sind deine eigenen Kinder, nicht? BETTLER Sehen Sie? DELEGIERTER Aber das kommt doch davon, daß ihr nicht genug Land habt! BETTLER Dürfte ich Sie um die 10 Centimes für die Besichtigung bitten, da der Ballon jeden Augenblick verschwindet. (2167) In der letzten Äußerung von (B74) verwendet der Bauer paraoperatives 'da'. Man kann dies im Verhältnis zur Sprache der Communarden als einen Stilbruch charakterisieren, der sich in einem durchgehend bürokratisch-unterwürfigen Ton des Bauern ausdrückt. Paraoperatives 'da' läßt sich hier genauer als sprachliches Mittel bestimmen, das durch die Inanspruchnahme einer Situationsindentifikation die Divergenz der Situationseinschätzungen verschiedener Aktantengruppen zu unterstreichen vermag: Die Begeisterung darüber, daß Delegierte der Commune mit einem Ballon die Belagerung von Paris durchbrechen, ist den Interaktanten gemeinsam. Gemeinsam sollte demnach auch die Bewertung des Zwecks dieser Aktion sein, nämlich die Landverteilung in der Provinz. Doch das ist nur Schein. Die beiden Delegierten fragen den Bauern in dieser Erwartung freundlich nach seiner Biographie und auch nach seiner Einschätzung der Commune. Die Divergenz, ja Kontradiktion wird langsam offenkundig, in gleichem Maße die Taktik des Bauern-Bettlers, aus der vermeintlichen Gemeinsamkeit des erfolgreichen Baiionaufstiegs für sich Kapital zu schlagen. Die Interaktanten handeln in zwei völlig verschiedenen Handlungsmustern. Der Versuch der Delegierten, dem Bauern Einsicht in die Wirklichkeit und in seine Bedürfnisbefriedigung durch die Landverteilungsaktion der Commune zu vermitteln, geht ins Leere, ja kehrt sich schließlich praktisch ins Gegenteil. Die Delegierten erhalten eine praktische Lehre über die konkrete Wirklichkeit. Denn mit ausgesuchter Höflichkeit und "hohem" sprachlichen Stil setzt der Bauer sein Interesse entgegen und drängt auf ein Handeln, das seine Grundlage in einer Konstellation hat, der in der Tat nicht zu widersprechen ist: der Ballon wird jeden Augenblick verschwinden. Der Bettler hat Erfolg; die Delegierten zahlen - und stellen "kopfschüttelnd" fest, daß es Jahre dauern wird, diesen "Feind" zu überzeugen (2168). Die beiden anderen Belege stehen ebenfalls im Zusammenhang mit praktischen Belehrungen, allerdings weniger komplexer Art. (B 75) (Ein Genösse, Philippe, ist aus dem belagerten Paris desertiert.) JEAN Leider können wir Paris nicht so leicht verlassen. Warum? Die Blätter können den Baum nicht verlassen, die Blattläuse können es. Er ist eine Laus, Philippe. FRANCOIS Ich werde dir die Zähne einschlagen müssen, Jean.
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JEAN Aber leidenschaftslos, bitte. FRANCOIS hilflos: Ach Jean, wir wissen nichts, Pause. Was du denkst, könnte man vielleicht so ausdrücken: Philippe ist kein besonders mutiger Mensch, da er nicht denken gelernt hat, JEAN Gut. (2183f) Frai^ois ist Seminarist - und sucht ständig "seinen Lavoisier" -, während Jean ein junger Arbeiter ist. Das treffende Bild, in dem Jean das Handeln von Philippe begreift, läßt Frangois nicht gelten, sondern übersetzt es gewissermaßen in seine Denk- und auch Sprechweise, den Gedanken wiederum Jean zuschreibend. Mit dem Gestus des Intellektuellen formuliert er also das Denken des anderen vermeintlich besser als dieser selbst. Dazu paßt der Stil, mittels 'da' eigenes Wissen in Anspruch zu nehmen. Jean ironisiert diese Belehrung durch seine lehrerhafte Bewertung: "Gut". (B 76)
DAS ANDERE KIND zu }ean: Du und Babette, schlaft ihr miteinander? JEAN Ja. DAS KIND Sie ist hops von dir, eh? JEAN Hm. Da sie sich in mich verliebt hat. BABETTE Du hast dich in mich verliebt. JEAN Wie immer das war, wißt ihr, sie hat damit angefangen. BABETTE Wieso? Ich sagte kein Wort, du warst es. JEAN Nein, ich weiß. Aber deine Augen, BABETTE Und deine? (2183) Dies ist ein Beleg von paraoperativem 'da', der syntaktisch "nicht vorgesehen ist", der als ungrammatisch gilt. Denn Jean reagiert auf eine Frage - wenn dies auch keine 'warum'-Frage ist - lediglich mit einem Nebensatz, nachdem er durch einen expeditiven Ausdruck ("Hm") - wenn der Punkt eine fallend-steigende Intonation anzeigt lediglich hörerseiiige Konvergenz zum Ausdruck gebracht hat. Dennoch erscheint die Verwendung von 'da' hier keineswegs ungrammatisch, sondern lediglich stilistisch überzogen. Genauer: sie stellt ein Gegengewicht zur deutlich umgangssprachlichen Ausdrucks weise des Kindes dar ("hops von dir") und bringt in einer schriftlichen Formulierungsweise den gleichen Gehalt zum Ausdruck, Nur scheinbar handelt es sich um eine Begründung oder Erklärung; faktisch wird lediglich eine Zurechtweisung des "Tons" vorgenommen und das Kind so über die angemessene Kommunikationsform für solche Inhalte belehrt. Diese schriftliche, angesichts der soziohtstorischen Situation insofern angelernte Ausdrucksweise kontrastiert wiederum der - wenig spater geäußerten - umgangssprachlichen Treffsicherheit für politische Vorkommnisse, nämlich für die Flucht von Philippe (B75). Zudem schließt sich ein kleiner Streit zwischen Babette und Jean darüber an, wer "damit angefangen" hat, sich zu verlieben. Nun erweisen sich die Erwachsenen als kindisch, Die kleine stilistische Pointierung im paraoperativen 'da* kann als ironische Brechung der Darstellung revolutionärer Avantgarde gelten, indem das sexuelle Bewußtsein nicht mit dem politischen Schritt hält.
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3.6 Disktirsives 'da1 Abschließend werde ich anhand empirischen Materials der Frage nachgehen, zu welchen Zwecken paraoperatives 'da' aus seiner Domäne des Textes, besonders des schriftlichen Textes, herausgenommen und in den mündlichen Diskurs übernommen wird. Bei der Häufigkeitsübersicht in §3.3.1 hat sich bereits gezeigt, daß zwar außerordentlich selten, in vereinzelten Diskursen jedoch mehrfach von paraoperativem 'da' in gesprochener Sprache Gebrauch gemacht wird. Die empirischen Untersuchungen des in Texten - und auch in den literarischen Dialogen - beanspruchten Wissenstyps lassen vermuten, daß in den Belegen ein verallgemeinertes Wissen, möglicherweise ein Expertenwissen, die Basis abgibt. Für diese These spricht auch der Umstand, daß die Belege in den Öffentlichen Diskussionen des Freiburger Korpus überwiegen (insgesamt elf in Bd. H/2, van Os 1974), während die All tags gespräche (Bd. II / 3,1975) nur einen einzigen Beleg auf weisen, der zudem abgebrochen und mit 'weil' wieder aufgenommen wird (s. o. §3.3.1, B25), Im öffentlichen Interview mit Günter Grass (Bd. II/l, 1971) sind zudem zwei Verwendungen, im Unterrichtsdiskurs eine Verwendung zu verzeichnen. Die beiden Vorkommen in einer Studienberatung (Schröder 1985) enden im Hauptsatz mit einem Anakoluth. Einige Einzelbelege habe ich mir bei Seminaren und Rundfunksendungen notiert. 3,6.1 Verwendungen in mündlicher Kommunikation In der Sendung "Meinung gegen Meinung" des SWF I vom 2.4.1970 zum Thema "Verkehrssicherheit" kommt paraoperatives 'da' am häufigsten vor, nämlich sechsmal. Eine genauere Betrachtung ergibt, daß die Hälfte der Belege einen Typ von Rede wiedergäbe betrifft. Und zwar können während der Sendung Höreranfragen gemacht werden, die im allgemeinen notiert und durch den Diskussionsleiter an die Diskutanten weitergegeben werden. Ich zitiere exemplarisch einen der drei Belege: (B 77)
Diskussionsleiter W. Littmann (ab) (Ja). und hier haben wir eine Anfrage von Herrn Pautz ausFreiburg-imBreisgau, und ich glaube, das war ein Thema, worüber man durchaus noch länger diskutieren könnte. Wir können s vielleicht hier in wenigen Sätzen für heute beantworten; wir werden s bestimmt bei uns im Rasthaus in 5 nächster Zeit aufgreifen. Herr Pautz fragt, in den Fahrschulen sollte mehr auf Autobahnen und Landstraßen geübt werden als in der Stadt Oft kann der Fahrer auf der Autobahn seinen Wagen nicht richtig einschätzen, da er in der Fahrschule nie schneller als siebzig Kilometer gefahren ist. In der Fahrschule sollte mehr auf das Fahrkönnen der Schüler eingegangen 10 werden als auf die genaue Formulierung der Verkehrsvorschriften. Es sollte
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Fahrschulen für Fortgeschrittene geben, wo man zum Beispiel richtig schleudern lernen könnte. (11/2,93) Im Nebensatz mit 'da' (Z. 7f) deutet kein Konjunktiv auf eine Redewiedergabe hin. Dies ist auch überflüssig, denn die gesamte Diskurssituation ist eindeutig als eine Redewiedergabe gekennzeichnet; Name und Wohnort des Originalsprechers werden als Rahmen von dessen "Anfrage" an die Diskutanten genannt. Paraoperatives 'da' ist ausgezeichnet geeignet, in solcher Konstellation ein Verfahren des "foregroundings" (cf, van Peer 1986) zu realisieren: In Anspruch genommen wird eine Hintergrundangabe des Originalsprechers - möglicherweise eine originale Begründung. Der propositionale Gehalt der Wiedergabe wird bei einer Inanspruchnahme weder in die Gesamtproposition integriert und sachbezogen ins Verhältnis gesetzt, wie 'weil' dies tun würde, noch tendenziell zu eigen gemacht, indem - etwa durch 'denn' - eine hörerbezogene Begründung nachgeschoben wird. Die Sprecherbezogenheit von 'da' kann statt dessen für einen mentalen Ausgangspunkt beim Gewußten eines anderen Sprechers genutzt werden. Die faktische Distanz zwischen dem aktuellen Sprecher mit seinem - hauptsächlichen - Gedanken und dem originalen Sprecher mit dessen in Anspruch genommenem Gedanken als mentaler Voraussetzung tritt als eine Form des "Stilbruchs" in Erscheinung: Mündlichkeit und Schriftlichkeit sind im paraoperativen 'da' gekoppelt. Gleichwohl ist dieser Einsatz eines schriftsprachlichen Ausdrucksmittels nicht unangemessen, sondern gerade funktional. Durch den Kontrast der verbalen Formen wird die Tradierungsleistung von - besonders schriftlichen - Texten aktualisiert. Der "Zitatcharakter" der Sub-Prädikation spiegelt sich in der Wahl des sprachlichen Mittels ihrer Verknüpfung mit der Prädikation. In Begriffen der soziolinguistischen Analyse von Gumperz könnte die Verwendung von paraoperativem 'da' hier sinnvoll als ein "contextualization cue" (1982) charakterisiert werden, ohne daß damit die Gesamtkonzeption von Verstehen als Deuten übernommen würde.^ Der Sprecher gibt dem Hörer durch ein Formmerkmal einen Hinweis auf die konkrete Funktion seiner Äußerung, nämlich der Weitergabe einer Frage. Er wählt einen schriftlichen "Stil" irn Sinne der pragmatischen Stilistik, Diese Interpretation von (B77) geht davon aus, daß der wiedergebende Diskussionsleiter zwar bei der originalen Höreranfrage ansetzt, sie aber selbst ausformuliert Eine schriftliche Notiz der Originalfrage ist mit Sicherheit die Grundlage, denn auf S. 89 des Transkripts (II/2) spricht der Leiter davon, daß ihm Höreranfragen "hereingereicht" werden; der Transkriptionskommentar nach dem zitierten (B77) lautet lediglich "wahrscheinlich abgelesen". Unklar ist, inwieweit diese Notizen wörtliche Mitschriften der Anfragen sind. Das ist nur partiell anzunehmen, denn erstens dürften die Anrufe teilweise zu lang und ausführlich für eine Weitergabe sein, zweitens ist nicht zu erwarten, daß jeder Anrufer seinen Beitrag pointiert und öffentlichkeitsreif 161
Eine ausführliche, kritische Darstellung der Konzeption von Gumperz haben Rehbein und ich (1987) vorgelegt.
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vorbringt, zumal dann nicht, wenn er ersichtlich nicht direkt durchgestellt wird, sondern es mit einer vorgeschalteten Instanz zu tun hat.162 Üblicherweise wird in der Anrufzentrale ein abstract mit Teilzitierungen des wesentlichen propositionalen Gehaltes erstellt und weitergereicht. Ein erfahrener Diskussionsleiter wie W. Littmann ist zweifellos in der Lage, während der Weitergabe die Formulierungen den veränderten Diskursbedingungen zu adaptieren, so daß etwa propositionale Fragmente, zwei Hauptsätze oder auch Anschlüsse nebensächlicher Gedanken mit 'weil' ohne Stocken in Kopplungen durch 'da' geändert werden können. Sicherlich geschehen derartige Adaptierungen nach einem bestimmten Repertoire von Realisierungsformen. Dem Diskussionsleiter ist - wie bei Reportagen {cf. Rehbein 1977,12.2) - ein Set von Standardformulierungen und Vorplanungen für den sprachlichen Zugriff verfügbar, wozu die journalistische Form der Kopplung von Hintergrundangaben durch paraoperatives 'da', wie ich sie an anderem Ort nachweisen konnte, gehören dürfte. Zeit zur Adaptierung bietet die standardisierte Einleitung 'Frau oder Herr NN aus XY fragt1; sie bildet eine Formel, die meist nicht mit den Hörerbeiträgen übereinstimmt, denn selten werden wirkliche Fragen gestellt, eher Hinweise oder Vorschläge gemacht. Dies ist auch in (B77) erkennbar. Die nicht-adaptierten Formen der Hörerbeiträge sind im Transkript an vier Direktdurchstellungen (von insgesamt 28 Anrufen) analysierbar. In recht unterschiedlichem Ausmaß - die Entscheidungskriterien für eine Durchstellung wären interessant, sind mir jedoch leider nicht bekannt - zeichnen sie sich z. B. durch Anakoluthe, Auslassungen und Nachträge in den eigentlichen Anliegen aus; bezeichnenderweise gilt dies nicht für die ebenfalls weitgehend formelhaften Einleitungen. Die jeweilige praktische Erfahrung mit dieser institutionellen Diskursart ist sprachlich ablesbar. Nur einer dieser Zuhörer bedient sich in seiner Frage des paraoperativen 'da': (B 78) Anrufer Herr Rinker, Freiburg (ah) Es wäre auch hier in diesem Falle wie mit der Automatik zu fordern, ( ) da die Anforderungen an alle Kraftfahrer im Gesamt() bundesgebiet die gleichen sind, daß endlich zu einer einheitlichen Prüfmethode vor allen Dingen auf der theoretischen Seite gekommen wird. (II/2,101) Dieser Anrufer ist in mehrerlei Hinsicht sprachlich auffallend. Erstens gelingt es ihm, über eine außerordentlich lange Zeitspanne hinweg (7 Transkriptseiten) die gesamte Diskussion an sich zu ziehen; zweitens stellt er nicht nur drei Fragen zu verschiedenen Aspekten einer einheitlichen Prüfungsanforderung, sondern "doziert" über längere Zeiträume, so daß der Diskussionsleiter mit der Bemerkung "Das war jetzt nun wirklich ein echter Diskussionsbeitrag" (102) ein Ende zu setzen versucht; drittens dokumentiert der Anrufer ausgeprägte Erfahrung im Umgang mit institutio**2 Auf nicht-wörtliche Weitergabe deutet ein wiederholter, schließlich direkt durchgestellter Anruf, denn der Hörer fühlt sich mit seiner Anfrage zuvor "falsch interpretiert" (S, 132) und formuliert nun sein Anliegen noch einmal selbst.
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neuen Hierarchien ("Ja, sehr richtig Herr Simsa, Herr Dorktor Simsa", 103); viertens zeichnen sich die sprachlichen Formulierungen in Syntax wie Lexikon durch einen Bürokratenstil par excellence aus. Beispielsweise spricht der Anrufer nicht, wie die Diskutanten, von 'Autofahrern'/ sondern von '(jugendlichen) Kraftfahrern', von 'Fahrerlaubnis' statt 'Führerschein*, von 'Verkehrsteilnehmer' und von 'schulen, ausbilden, prüfen', 'ein Fahrzeug besteigen1. Ferner häufen sich typisch bürokratische Wendungen wie 'zu tun gedenken bezüglich', 'es wäre darauf hinzuweisen, daß mit der Tatsache, daß ..,','... liegt im einen Fall so, daß ..,'. Geradezu klassisch ist die Nominalkonstruktion zu Beginn seines Beitrags: "Mich interessiert kurze Stellungnahme zu der Uneinheitlichkeit bei den Anforderungen zum/ prüfungsmäßigen Anforderungen an den Kraftfahrer, dann natürlich ( ) die Anforderungen selbst, insbesondere beim Fahren in bezug auf richtige Fahrgeschwindigkeit und Beobachtung des Verkehrs." (H/2,97) Ein mittlerer Beamter vom Fach scheint das Wort zu haben - und sich zweifellos wichtige Gedanken zu machen. Bei diesem gesamten Sprachstil erstaunt es keineswegs, wenn in (B78) das schriftsprachliche 'da' verwendet wird. Eine Bestimmung aus institutionellen Verordnungen wird entsprechend in Anspruch genommen. Zudem ist die Äußerung parenthetisch eingeschoben, so daß ohnehin die beiden bezogenen Ausdrucksmittel, 'da' und 'denn', geeigneter sind als etwa 'weil'. Wie in den literarischen Belegen bei Brecht fügt sich die Verwendung auch hier in einen insgesamt belehrenden Duktus ein. In (B78) handelt es sich zugleich um eine kleine be lehrt-belehrende Replik, denn die Problematisierung der unterschiedlichen "Methode, mit der der Prüfling zu antworten hat" (101) war zuvor als Problematisierung uneinheitlicher Prüfungsanforderungen mißverstanden und von den befragten Fachleuten als falsch zurückgewiesen worden. Die beiden Belege von paraoperativem 'da1 außerhalb von Redewiedergaben in diesem Diskurs stammen von demselben Sprecher, nämlich dem Chefredakteur der "Auto-Motor-Kritik", Dr. Paul Simsa (ae). Einmal ist paraoperatives 'da' ebenfalls eingeschaltet, das andere Mal äußert Simsa den Nebensatz im Nachhinein. Ich zitiere die parenthetische Verwendung: (B 79) Aber es ist tatsächlich so, daß wir, da wir nun mal diesen Föderalismus haben, von dem ich persönlich gar nichts halte, müssen wir uns, glaube ich, an dessen Gesetzlichkeiten und Gegebenheiten halten, denn . da wird ja ein/ein/eine Unmasse von Empfindlichkeiten aufgerührt. (H/2,71) Interessant ist, daß dieser anfängliche Einschub anschließend syntaktisch als Vordersatz behandelt wird. Darin zeigt sich ein ähnliches Phänomen verbaler Planung und Planungsmodifikation wie bei der lauten Briefformulierung (§3.3.2.3). Das paraoperative 'da' wird sprechersei tig zum Orientierungsmittel. Die Inanspruchnahme von Gewußtem wirkt hier keineswegs unangemessen für die mündliche Kommunikation, sondern bietet einen im staatspolitischen Geschäft vielzitierten - nämlich auf die schriftlich fixierte Verfassung zurückgehenden - Ausgangspunkt für eine Handlungsentscheidung, welche hier eine modale Qualität auf weist. Daran wird wiede-
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rum, gewissermaßen komplementär, hörerbezogen Verständnis heischend, durch 'denn' eine Begründung angefügt. Quasi-Expertenwissen ist grundlegend in folgender Äußerung, die der Diskussionsleiter (aa) einer ZDF-Sendung zum Thema "Sind Geisteskranke Stiefkinder unserer Gesellschaft?" macht, (B 80) (Der Direktor der Universitätsnervenklinik bedauert die geringe gesellschaftliche Beachtung der Psychiatrie.) aa Und das ist um so bedauerlicher, da die Chancen der medizinischen Versorgung ja erheblich gestiegen sind. Wir haben ja gewissermaßen eine Revolutionierung erlebt in den letzten Jahrzehnten. Wenn Sie vielleicht zunächst einmal die Chancen der medizinischen Versorgung kurz darstellen würden. (II/2,140) Der Diskussionsleiter vollzieht mithilfe der paraoperativen Prozedur deutlich einen Übergang im Diskurs: In Opposition zur bedauerlichen Praxis wird eine beachtenswerte theoretische Konstellation als Ansatzpunkt in Anspruch genommen, um mögliche Praxisalternativen daraus ableiten und vorn Fachmann darlegen zu lassen. Eine Handlungsvoraussetzung wird zur Diskussionsgrundlage, der nicht zu widersprechen ist, insofern sie eine tradierte Einschätzungs- und Bewertungsgrundlage von entscheidenden Experten darstellt. Der Diskussionsleiter instanzüert ihre Verbindlichkeit als Vermittler zwischen solchen Experten - ein derartiger Vertreter ist sein direkter Ansprechpartner - und Laien, wie sie die Zuhörer der Sendung darstellen, Belege, die nicht ein derartiges Fach- und (Quasi-)Expertenwissen verbindlich tradieren, sondern lediglich entsprechende sprachliche Formen auf weisen, finden sich in der ARD-Diskussionsrunde (22.7.1970) zum Thema "Schwierige Mütter - schwierige Töchter". (B 81) Mutter(ae): ae; Bei uns ist das im Grunde unproblematisch, da ich unbeherrscht bin und nervös, und das wissen die Kinder, und ich schrei die an. ab: Und is da dann Schluß? ae: Ja. Das is aber kein Problem, weil die mich nich ernst nehmen, und ich nehme mich im Moment ernst, und fünf Minuten später nehme ich mich auch nich mehr ernst, ( /2,160) (B 82)
Tochter (af): af: Ja, ich weiß nicht, ob das Wegrennen von zu Hause nicht schon eine Art Strafe ist, ob mit oder ohne Aggression, ab: Für wen? Für wen? a£ Für die Töchter, also in dem Fall, weil die Töchter Angst haben werden oder die Söhne, da die Eltern wahrscheinlich mit oder ohne Agression (sie!) sagen würden: "Ja, geh nur wegen mir, geh nur, ich
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kann sowieso nichts mehr dran ändern" oder auch mit freundlichem Einverständnis sagen: "Ja, bitte schön, wir werden dir helfen, wir werden sehen, wohin du gehst". Im Grunde genommen ist das ja auch schon eine Strafe für manche. (H/2,161) Die Mutter (B81) nimmt offenbar ein Gewußtes als Ausgangspunkt in Anspruch, das familienintern unumstritten, ja geradezu Handlungsgrundlage auch für andere ist. Im Unterschied zur anschließenden Ausführung der Zusammenhänge, in denen sie 'weil* verwendet, hebt sie diesen Punkt sprachlich-stilistisch heraus. Sie setzt also mit einer - vermeintlich - stilistisch aufgebesserten Form an diesem prekären Punkt an, der durch paraoperatives 'da' zugleich außerhalb der inhaltlichen Diskussion bleibt. Die Tochter (B82) versucht, recht elaboriert zum Thema Strafe Stellung zu nehmen. Sie beginnt ihren Beitrag in bürokratischem Nominalstil. Die detailliertere Ausführung erfordert dann zwei "kausale" Konstruktionen hintereinander, so daß möglicherweise die stilistische Maxime: "Variiere deine Ausdrucksmittel!" ausschlaggebend dafür gewesen ist, die zweite Sub-Prädikation durch paraoperatives 'da' zu koppeln. Der Status der rein mentalen Wirklichkeit ( ), der dem Gehalt zukommt, läßt diese Formulierung zudem sachlich zu. Das ändert jedoch nichts daran, daß der Stil diskursiv unangemessen wirkt und die Stellungnahme den Charakter von Angelesenheit gewinnt. Mutter wie Tochter machen sich durch die sprachliche Form der Gedankenkopplung zu autorisierten Vertretern allgemeiner Einschätzungen und Bewertungen; sie setzen ihre Sprecherautorität ebenso wie die oben untersuchten Vertreter öffentlicher Institutionen für die Tradier ung institutioneller Grundlagen ein. Durch die sprachliche Inanspruchnahme von Gewußtem handeln sie als "Agenten"163 der Institution Familie (zu dieser Institution cf. Martens 1983). Typische Beispiele aus den Medien - sei es Rundfunk, sei es Fernsehen - sind folgende Notierungen aus der Magazinsendung "Deutschland und die Welt" im Deutschlandfunk: (B 83} Da im Frühjahr Landtagswahlen in X und anstehen, werden die Agrarminister sehr genau überlegen müssen,... (7.12.87) (B 84) Die Landwirte aber bleiben unzufrieden, da sie nun auch weiterhin nicht wissen, wohin die Reise geht. (ebd.) Kommentiert wird jeweils ein EG-Gipfeltreffen der Wirtschaftsminister. Der Diskursart des Kommentars gemäß werden Ausdrucksmittel bevorzugt, die die Sichtweise und die Wissensaktivierung des Kommentators zum Ausdruck bringen. Paraoperatives 'da* erfüllt diesen Zweck. •^ Das differente Hand lungs wissen und die verschiedenen Handlungsspielräume zur Realisierung institutioneller Zwecke bedingt eine Differenzierung der Aktantengruppen in Institutionen, die Ehlich & Rehbein (1977) als "Agenten" bzw, "Klienten" begrifflich fassen.
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Vorbereitetheit und insofern sprachliche Fundiertheit präsentiert sich auch in der Formulierung des Moderators der neu eingerichteten Magazinsendung "Studio l" im ZDF bei der ersten Sendung. Der zweite Satz, den der Sprecher äußert, lautet: (B 85) "Da wir in der ersten Sendung noch keine Zuschauerreaktionen mitteilen können, haben wir einige prominente Politiker gefragt, (was säe von dieser neuen Sendung erwarten)." (ZDF, 13.4,88, 20.15h) Der Wortlaut in Klammern ist möglicherweise nicht exakt, sondern sinngemäß wiedergegeben. Durch paraoperatives 'da' wird die Grundlage einer Handlungsentscheidung, die Einschätzung der Konstellation in einer Erstsendung, kommunikativ zugänglich gemacht und zugleich in Anspruch genommen. Den Versuch, sich verbal den "Anstrich" eines professionellen Kommentators zu geben, stellt demgegenüber die Stellungnahme eines sehr jungen, professionellen Tischtennisspielers in der Nachrichtensendung "Aktuelle Stunde" des WDR III dar. Gefragt, ob der alte Vizeweltmeister aus den sechziger Jahren noch heute als Vorbild gilt und wie die Chancen für eine Wiederholung dieser Leistung bei den nächsten Olympischen Spielen, bei denen das Tischtennisspiel erstmals olympische Disziplin sein wird, einzuschätzen sind, antwortet dieser junge Spieler unter anderem: (B 86) Wir versuchen es natürlich Steffen NN nachzumachen, aber in dieser Zeit ist es etwas schwieriger, da die Chinesen wirklich dominierend sind. (WDR
, 27.8.88)
Das Interview ist in eine Preisziehung eingelagert bei der dieser und ein zweiter Tischtennisspieler in Aktion treten. Der Versuch, kompetente und von Experten geteilte Einschätzungen in seinen Antworten zu vermitteln, schlägt sich insgesamt im sprachlichen Stil des Sprechers nieder, so daß sich die Verwendung von 'da' sehr gut einfügt. Sie kommt im Laufe des Interviews noch einmal vor, Analog ist die Äußerung einer Frau bei einem "Passanten-Interview" zu bestimmen. (B 87) (Reporter fragen wartende Passanten vor einem Lungentestwagen, in Münster, warum sie von dem Angebot einer öffentlichen Bildschirmuntersuchung Gebrauch machen wollen.) P: "Ich möchte,. da ich schon alter bin, n bißchen über meine Gesundheit Bescheid wissen." (WDF 3, 25.4.88,19.55h) Die überraschende Äußerungsmöglichkeit in einem öffentlichem Medium, dem Fernsehen, läßt die - "durchschnittlich" wirkende - Frau zu einem sehr gewählten, schriftsprachlichen Ausdrucksmittel greifen, das von gesundheitspolitischer Reflektiertheit ihres Handelns zeugt, was sie womöglich aus der "Masse" der Passanten herauszuheben vermag. Interessant ist die minimale Pause, die sie vor paraoperativem 'da' macht und die möglicherweise von einer bewußten verbalen Planung zeugt. Deutlich ad hoc und dennoch von sprachlich "hohem Niveau" ist folgende Äußerung eines Wissenschaftlers bei der Eröffnung einer Arbeitssitzung.
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(B 88)
(Einige Kollegen kommen gerade etwas verspätet zur Sitzung.) L: "Ja, eröffnen wer vielleicht also die Sitzung, da alle eingetroffen sind." (Münster, 30.9,85) Die Sitzungseröffnung ist eine institutionelle Formalität, die in entsprechenden sprachlichen Wendungen ihren Niederschlag findet (cf, Gülich 1981). Dieser Situation ist der bürokratische Stil, den paraoperatives 'da1 realisiert - ich erinnere auch an die institutionellen Briefeinleitungen (§3.3.2,1) - sehr gut angepaßt. Man kann sich vorstellen, daß diese Ausdruckswahl hier zudem durch die unmittelbare, sinnliche Wahrnehmung der notwendigen Konstellation für die Eröffnung befördert wurde: Mit dem Eintritt der verspäteten Kollegen sind nunmehr "alle da", und dieses deiktische 'da' assoziiert sich gewissermaßen während der Äußerung mit dem paraoperativen. Eine deutliche Exothese der unmittelbaren Situationseinschätzung ist zumindest das 'ja', mit dem die Äußerung einsetzt; sinnliche Wahrnehmung als Anlaß dazu mag im 'da' demgemäß noch als "Spur" der mentalen Prozesse bei der verbalen Planung gelten - dem lauten Denken bei der Briefformullerung (§3.3.2.3) vergleichbar. Expertenwissen und deutliche Sachautorität kommen in der Verwendung einer Lehrerin im Biologieunterricht zum Ausdruck. Es geht um die Erklärung der Atmung, d. h. der Sauerstoffzirkulation und Verbrennung. (B 89) Mi: Ja', die Nährstoffe in un'm Körper, die werden verbrannt. L: Richtig. Und zum Verbrennen, was braucht man, wie ne Kerze? S:
L:
Sauerstoff!
Sauerstoff.. Und als Rückstand von der Verbrennung . bleibt übrig . Kohlendioxid, das Ce O zwei, und da das giftig ist,. muß es wieder raus. Drum nimmt das Blut in unserem Gewebe . . da/das Kohlendioxid wieder auf und transportiert es wohin? (Redder 1982,23/6-24/2) Bei einer diskursiven, auf Wiederholungen aufbauenden Erarbeitung des Gesamtzusammenhangs von innerer und äußerer Atmung geht die Lehrerin zwischenzeitlich zu einer eigenen Erklärung über. In dieser Erklärung legt sie paraoperativ die Grundlage für die Erklärung der Blutzirkulation: die Giftigkeit erfordert den Austausch. Diese Grundlage nimmt die Lehrerin als Fachwissen in Anspruch, statt es erklärend - etwa durch die Verwendung von 'weil' - in den propositionalen Gehalt einzubeziehen. Sie formuliert den Zusammenhang aus fachwissenschaftlicher Perspektive, unter Einsatz ihrer Sachautorität. Dadurch gewinnt die Ausführung eine dozierende Qualität. Nicht die sprachliche Interaktion mit den Schülern im konkreten Unterrichtsdiskurs bestimmt das Ausdrucksmittel, sondern die Verbalisierung von schriftlich abgesichertem Fachwissen. Die Lehrerin verschafft als Agentin der Institution Schule im Wege der Inanspruchnahme dem zu tradierenden fachlichen Wissen diskursiv eine nicht zu widersprechende Geltung. Was geschieht, wenn Lernende, also "Klienten" der Institution, von der gleichen sprachlichen Form Gebrauch machen?
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Der folgend Beleg stammt aus einem Hauptseminar zum Thema "Sprachstörungen", Eine Studentin referiert die verschiedenen Typen und Kennzeichen von Aphasien. (B 90) St Ja, das heißt also hauptsächlich für den Aphatiker,. daß der . ahm. ne kommunikative Fähigkeit durchaus aufweist, auch wenn er eben in einzelnen . Sprach.etappen Schwierigkeiten hat bei der Wortfindung hauptsächlich. oder auch bei der Artikulation, IL Hm l St Da eben seine . semantischen, syntaktischen und phonologischen . Werkzeuge, Steuerungsfunktionen, die eben zu der rech/zu der linken Gehirnhälfte zählen würden, ausgefallen sind. (HS "Sprachstörung", 8.7.86, Aufnahme + Transkript A.R.) Die Referierung erfolgt durchaus nicht flüssig - und auch nicht frei von begrifflichen Konfusionen; einige zögernde Pausierungen machen die Abhängigkeit von positiver Reaktion deutlich. Als diese durch ein fallend-steigend intoniertes 'Hm' dann von der Seminarleiterin kommt, fährt die Studentin plötzlich, nach intonatorischem Abschluß des Vorangehenden, mit einem Nebensatz fort: Durch paraoperatives 'da' nimmt sie nun ein Wissen in Anspruch, was von eigener Sicherheit über den Ausgangspunkt zeugt - besser: sprachlich zu zeugen scheint. Erst in dem Moment, in dem die hauptsächliche Aussage durch die Sachautorität bestätigt wurde, fühlt sich die Studentin ihrerseits sachlich autorisiert und schiebt als grundlegendes Gewußtes nach, was sie als Ergebnis ihrer Lektüre im Kopf hat, Den Kommilitoninnen gegenüber hebt sie sich als Referentin tatsächlich durch mehr Sachkompetenz ab - ein Referat stellt ja insgesamt eine Delegation der Wissensvermittlung durch den institutionellen Agenten an einen Klienten dar - und kann dies auch sprachlich zur Geltung bringen. Zugleich scheint noch in der sprachlichen Realisierungsform das Medium durch, das zu dieser Kompetenz führte, nämlich die Schriftlichkeit des angeeigneten Stoffes. In einer anderen Institution, nämlich in der Arzt-Praxis, dokumentiert eine studentische Patientin, daß sie minimale Fachkenntnisse in ihre Ailtagspraxis umsetzt und entsprechend bedenken kann, (B 91) (Die Patientin ist bei einem Hautarzt, weil sie unter starkem Juckreiz leidet.) P Dacht ich ers vielleicht, das sei das Sportstudium, weil ich häufig l P dusche; daß vielleicht die Haut austrocknet. Aber .. IA Hm
da ich
t P mich ständig eincreme,, Ja, Kann ich das auch nicht vorstellen, JA Machen Sie? (Horstmann 986, No. 1,2/5) Die Patientin hat ersichtlich selbst Überlegungen über die Gründe ihres Leidens angestellt, bevor sie sich zum Arztbesuch entschied. Während sie nach dem Äuße-
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rungsbeginn mit 'aber', der auf die Ergebnislosigkeit hin angelegt ist, noch zögert, äußert der Arzt durch fallend-steigend intoniertes 'hm' Konvergenz mit ihrer Ausführung. Die Patientin fährt dann mit paraoperativem 'da' fort. Durch die darin aktuale deiktische Neufokussierung ist dieser Ausdruck neben der Dokumentation von Reflekriertheit diskursiv sehr gut geeignet, die kleine turn-Unierbrechung zu bearbeiten und mit neuer Aufmerksamkeit im angefangenen Gedanken fortzufahren. 3.6.2 Funktionalität in gesprochener Sprache Die Domäne von paraoperativem 'da' ist der Text, insbesondere der schriftliche Text. Eine sprecherbezogene Inanspruchnahme von Gewußtem als gemeinsamem Ausgangspunkt einer gedanklichen Entfaltung ist textuellen und schriftlichen Handlungskonstellationen hervorragend angemessen. Die Indienstnahme der paraoperativen Prozedur unter den Bedingungen mündlicher Kommunikation läßt sich daher nur rechtfertigen, wenn bestimmte, einen Diskurs tendenziell transzendierende Zwecke die interaktiv angemessenere Hörereinbeziehung überlagern. Eine Inanspruchnahme, die keinen Widerspruch zuläßt, exekutiert mentale, im weiten Sinne wissensbezogene Differenzen zwischen Sprecher und Hörer. Der Sprecher dokumentiert mittels paraoperativem 'da' Sachautorität und realisiert eine diskursive Autorität. Dem entspricht die empirische Beobachtung, daß die paraoperative Prozedur mündlich besonders unter institutionellen Bedingungen funktional ist Man kann geradezu von institutionsspezifischen Verwendungen sprechen. Institutionelles Wissen und Fachwissen, sei es als direkter Experte, sei es als vermittelnder Quasi-Experte, werden bevorzugt auf diese Weise verbindlich gemacht und so tradiert oder perpetuiert Der sprachliche Stil entspricht daher dem eines Agenten der Institution. Nicht selten ist er bürokratisch - und dient insofern zuweilen einer vermeintlichen stilistischen Aufbesserung. Die operative propositionale Bearbeitung in Form einer grundlegenden Inanspruchnahme, der nicht zu widersprechen ist, verleiht der gesamten Äußerung eine belehrende, dozierende Qualität. Sie kann angemessen sein, solange die Verbindlichkeit und daraus abgeleitete Konsequenzen nicht offenkundig der Diskurssituation, besonders dem hörerseitigen Handeln widersprechen. Andernfalls gerät sie zur bloßen Form und wird pathetisch. Zuweilen bleibt die schriftliche, zumindest textuelle Herkunft des verbindlich Gewußten bis in die diskursive mündliche Formulierung hinein erkennbar. Man könnte - im Unterschied zu hörerbezogenem 'denn' - die mündliche Verwendung von paraoperativem 'da' als eine institutionsspezifische Transponierung textueller Elemente in den Diskurs beschreiben, Paraoperatives 'da' kennzeichnet demnach in Diskurse eingelagerte Textpassagen, deren wesentlicher Zweck - im Unterschied zum Diskurs - in der Überlieferung besteht (cf. Ehlich 1983a), Die handlungstheoretisch rekonstruierbare Differenz von Schriftlichkeit versus Mündlichkeit einerseits und
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Text versus Diskurs andererseits kommt in diesem Ausdrucksmittel sprachlich zur Gelhing. Während 'denn' aufgrund seines Bezuges auf den hörerseitigen -Bereich und die prozedurale Bearbeitung eines Verstehensproblems den Bedingungen mündlicher Kommunikation durchaus gut angemessen ist und eher wegen seiner Differenziertheit gegenüber einer wirklichkeitsbezogenen (P-bezogenen) Verbalisierung konkret im Bereich des Schriftlichen dominiert, ist die Domänenspezifik von paraoperarivem 'da' weitergehend systematisch in der Sprecherbezogenheit der wissensentfaltenden Prozedur gegründet.
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4 ZUSAMMENFASSUNG UND PERSPEKTIVEN Wir haben die beiden Ausdrücke 'denn' und 'da' einer ausführlichen syntaktischen und pragmatischen Analyse im Rahmen einer Theorie des sprachlichen Handelns unterzogen. Welche Ergebnisse und Perspektiven ergeben sich daraus?
4.1 Handlungs- und sprachsystematische Funktion von 'denn' und 'da' Es hat sich gezeigt, daß 'denn1 und 'da1 auf den mentalen Bereich des sprachlichen Handelns bezogen sind. In einem komplexeren Modell zum Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit (P- -p) laßt sich eine systematische Lokalisierung der Ausdrucksleistung vornehmen: 'denn' und 'da' sind auf den mentalen Bereich der Widerspiegelung von Wirklichkeit kurz: auf den H-Bereich, bezogen. Dieser Bezug unterscheidet sie beispielsweise von dem Ausdruck 'weil', 'weil' ist ihnen gegenüber direkt auf die Wirklichkeit P bezogen. Verallgemeinernd wird 'weil' auch für einen Bezug auf Wirklichkeit vor einer Distinktion von P und verwendet; Mentales wird dann unterschiedslos als Teil der Wirklichkeit behandelt. Gleichwohl ist auch für 'weil' eine Opposition relevant, nämlich die zur Verbalisierung p. Der komplementäre Ausdruck dazu scheint 'nämlich' zu sein; sein Kennzeichen ist ein pBezug, Diese beiden Ausdrücke habe ich nur unter systematischen Gesichtspunkten kurz diskutiert, nicht jedoch im einzelnen pragmatisch untersucht. Das Analyseergebnis zu 'denn' und 'da' läßt eine klare Systematik erkennen, in der beide Ausdrücke ihren spezifischen Ort haben. Sie macht auch die Schwierigkeit erklärlich, die entsteht, wenn man beide Ausdrücke mehr oder minder nach Analogie zu 'weil' semantisch zu bestimmen sucht. Der direkte P-Bezug, mehr noch die Unempfindlichkeit von 'weil1 gegenüber einer Distinktion von Wirklichkeit und Mentalem, macht 'weil' in einem einfacheren P-p-Modell behandelbar, In entwickelteren semantischen Theorien stellt sich der -Bezug von 'denn' und 'da' als ein Operieren über "Einstellungen über Propositionen" dar, wodurch analytisch eine weniger weit reichende Verallgemeinerung, statt dessen eine Bindung an die Einzelproposition vorgenommen ist. Handlungs theoretisch sind 'denn' und 'da' als Mittel zum Vollzug von Prozeduren bestimmt worden. Sie haben also weder eine Handlungs- noch eine Akt-Charakteristik, Vielmehr gehören sie zu weniger komplexen Einheiten des sprachlichen Handelns. Das hat Konsequenzen für ihre Wirksamkeit, nicht zuletzt auch für ihr grammatisches Verhalten (s. u., §4,3), Sie tragen sprechhandlungsintern zum sprachlichen Handeln bei, insbesondere zur Abwicklung propositionaler und illokutiver Akte in Angemessenheit an die -Bereiche von Sprecher und Hörer. Das bedeutet terminologisch: Die mit 'denn' und 'da' vollzogenen Prozeduren bilden einen
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bestimmten Teil des Verständigungshandelns zwischen Sprecher und Hörer. Diese Art des Beitrags zur Abwicklung der Akte ist also weder als Realisierung eines Aktes noch als dessen Indizierung mißzuverstehen. Beide Ausdrücke stellen unter sprachtheoretischem Gesichtspunkt interessante sprachliche Mittel dar. Ihre systematische Verankerung ist über das Bühlersche Konzept des sprachlichen Feldes und seiner handiungstheoretischen Weiterentwicklung durch Ehlich zu gewinnen. Beide Ausdrücke gehören genuin zum Zeigfeld von Sprache; sie sind deiktische Ausdrücke und so für den Vollzug der deiktischen Prozedur in den verschiedenen Verweisräumen geeignet. Während die temporale Deixis 'denn' mit der Charakteristik der Abfolge bzw. Rückwärtsabfolge (bei vollzogener Distinktion gegenüber 'dann') historisch verblaßt und nur noch in der gesprochenen Sprache Norddeutschlands aktuell ist, gehört die einfache lokale Deixis 'da' zu den frequentesten sprachlichen Mitteln der gegenwärtigen Hochsprache. Die jeweilige deiktische Leistung der Neufokussierung des Hörers hat beide Ausdrücke geeignet gemacht, in routinisierter Weise zu Zwecken der Bearbeitung von Sprache als Sprache eingesetzt zu werden. In bestimmten grammatischen Konstellationen, d. h. bei einer Kombination mit bestimmten anderen sprachlichen Mitteln syntaktischer, topologischer und auch intonatorischer1 Art, und bei einer Fixierung auf den Rede- oder Textraum als ihren deiktischen Verweisraum sind die Ausdrücke zu operativen Zwecken funktionalisiert Sie machen also eine Feld transposition in das operative Feld oder Operationsfeld von Sprache durch, 'denn' und 'da' wurden deshalb sprachsystematisch als para-operative Ausdrücke bestimmt. Diese Qualität ist für hochsprachliches 'denn' gegenwärtig die wesentliche. Demgegenüber tritt 'da' in beiden Funktionsbereichen auf und ist innerhalb des operativen Feldes formal differenziert - attributiv und prädikativ - wirksam, 'da' ist in der deutschen Hoch- und Standardsprache deiktischer sowie paraoperativer Ausdruck. Ich habe die durch 'denn' und 'da' vollzogenen paraoperativen Prozeduren in einem kombiniert theoretischen und empirischen Verfahren detailliert rekonstruiert. Die paraoperative Charakteristik wurde im terminologischen Sinne als Ableitung aus der deiktischen dargelegt. Die deiktische Charakteristik bleibt bei der Feldtransposition in das operative Feld jeweils erhalten. Insofern erweist sich, daß die Einheitlichkeit der Ausdrücke gewahrt bleibt. Für paraoperatives 'denn' sind zwei einfache und eine abgeleitete Variante auszumachen: Eine Variante kommt zusammen mit der Frage-Form, mit Frage-Intonation und mit topologischer Positionierung im Rhema - d. h, im Mittelfeld oder Nachfeld 1
Für den Bereich des Schriftlichen ist dies Mittel jeweils durch ein graphisches zu substituieren. 2 Konsequenzen ziehe ich in §4.2.
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beim sprachlichen Handeln zur Geltung, Die andere Variante wird zusammen mit einer Aussage-Form, mit Aussage-Intonation und topologischer Positionierung vor Thema und Rhema - also im Vorvorfeld oder an der Nullstelle außerhalb des Satzes realisiert. Quer dazu steht die abgeleitete Variante mit Frage-Form oder mit AusrufeForm und je exklamativer Intonation. 'denn' zeigt einen besonderen -Bezug, nämlich einen hörerseitigen -Bezug. Der Ausdruck dient der Bearbeitung von Verstehensproblemen beim Hörer, d. h, er dient der Bearbeitung von Verstehensdefiziten und -divergenzen zwischen Sprecher und Hörer, 'denn' wird also zur Synchronisierung der -Bereiche unter Rücksicht auf die horerseitige Differenz oder Divergenz verwendet. Ein Nicht-Verstehen wird in ein Verstehen überführt. Dies ist zugleich der Zweck eines ganzen Handlungssystems, nämlich des Begründens. 'denn' entfaltet an systematisch hörer- wie sprechersei tiger Position im Muster seine operative Bedeutung, Es wird im Prä- des Hörers oder in der Begründung des Sprechers funktional. Die paraoperative Prozedur wurde durch die Analyse der Mittel-Kombinationen im einzelnen folgendermaßen bestimmt. Die Äußerungsform der Frage verschafft einen Zugang zum Handlungsraum eines Interaktanten, speziell zu dessen mentalem Bereich; die Frage-Intonation unterstützt dies. Der propositionale Gehalt der Äußerung ist durch diese beiden Mittel des weiteren als bestimmtes Nicht-Gewußtes qualifiziert, syntaktisch-topologisch in thematisches bestimmtes Gewußtes und Thematisches bestimmtes Nicht-Gewußtes geschieden. Aktualer deiktischer Anteil und operativer Anteil der durch 'denn' vollzogenen Prozedur wirken damit zusammen. Anadeiktisch erfolgt eine Neufokussierung des sprecherseitigen mentalen Entscheidungsknotens vor einer Handlungsausführung, in deren weiterem Ablauf währenddessen innegehalten wird. Zugleich wird katadeiktisch das Nicht-Gewußte bzw. das Nicht-Verstandene im -Bereich des Hörers neufokussiert. Aufgrund der topologischen Positionierung von 'denn' verweist der Ausdruck anadeiktisch auf den propositionalen (Teil-)Gehalt, der gewöhnlich als Fragewort im Vorfeld steht und somit das bestimmte Nicht-Gewußte ausmacht, während er katadeiktisch den "im Skopus" liegenden propositionalen Teil neufokussiert, der das bestimmte Gewußte beim Hörer ausmacht. Der operative Anteil der Prozedur transportiert durch die katadeiktisch gewonnene Identifikation des bestimmten Gewußten das problematische -Element an eine Stelle im -Bereich des Sprechers, die für den Hörer im Zuge einer Rückwärtsabfolge des Gedankens eine Folgerichtigkeit ergäbe. Der betreffende propositionale Gehalt wird also in bestimmter Weise einer Verstehensbearbeitung, einer Synchronisierung der -Bereiche, zugeführt. Die Kategorisierung der Rückwärtsabfolge leitet sich aus der deiktischen Spezifik als Abfolge ab. Die paraoperative Prozedur erlaubt so in prozeduraler Kombination des Ausdrucksmittels mit Form-Mittel, topologischem und intonatorischem Mittel den Zugriff auf das Verstehenselement, auf das D-Element in der Systematik des Begründens.
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Diese Bestimmung gilt für 'denn' im Vollzug des Prä- wie im Vollzug der Begründung. Die Differenz wird durch die syntaktische Form der Frage oder der Aussage und die topologische Position des Ausdrucks hergestellt Im einen Fall kommt die paraoperative Prozedur sequentiell, dialogisch zur Geltung, im anderen Fall wird sie durch Form-Mittel, topologisches und intonatorisches Mittel in eine Verkettung gebracht und insofern monologisiert. So greift der Sprecher einer Verstehensdivergenz beim Hörer vor. Es lassen sich also eine dialogische und eine monologische Variante der Prozedur scheiden. Quer dazu habe ich eine andere Variante ermitteln können, nämlich die ostensive. Sie ist an exklamative Mittel gebunden. Kurz kann von dialogischem, monologischem und exklamarivem 'denn' gesprochen werden. Die Systematik der Varianten und die Systematik des Funktionierens im spezifischen, über anderen Handlungen operierenden Handlungsmuster des Begründens wurde im einzelnen ausgeführt. In beiden Varianten kann 'denn* in den verschiedenen Handlungstypen des Systems Begründen operieren, Das bedeutet für die monologische Variante, daß sie in Handlungsbegründung, Rechtfertigen I, kognitiver Begründung, Absichtsbegründung, Sollens-Begründung, Rechtfertigen II und kognitiv-operativer Begründung vorkommen kann. Insofern kann monologisches, paraoperatives 'denn1 nicht als illokutiver Indikator für Begründungen gelten, sondern allenfalls als Indikator für das System der verschiedenen Handlungstypen, genannt: das Begründen. Des weiteren habe ich die unterschiedlichen Verstehensschritte, an denen die Prozedur wirksam werden kann, genauer bestimmt. Für die dialogische Variante ergibt sich eine breitere Wirksamkeit als für die monologische; hierbei muß ein VorVerständnis gesichert sein. Verstehensprobleme bei den ersten Verstehensschritten der Perzeption werden weniger durch paraoperatives 'denn' als durch P-bezogenes 'weil' sinnvoll bearbeitet. Dem korrespondiert das Wirksamwerden in einer anderen sprachlichen Handlung, nämlich im - gegenüber dem -bezogenen Begründen - Pbezogenen Erklären. Die monologische Variante eröffnet die Möglichkeit einer Adaptierung des hörerseitigen Verstehens an die Sprecher sei tigen Einschätzungs- und Bewertungsmaßstäbe; es geht handlungspraktisch zumeist um das "rechte" Verstehen. Dennoch bleibt die Bezugnahme auf die hörerseitige -Struktur wesentlich für 'denn', Das macht die Eignung für argumentative Zusammenhänge im engeren Sinne aus. Auf dem Hintergrund dieser Bestimmungen wurde erstmals die Pragmatik der monologischen Variante in gesprochener Sprache empirisch untersucht. Die Analyse erwies eine diskursspezifische Funktionalität - Diskussion, Beratung und Lehr-LernDiskurs wurden exemplarisch für verstehensbezogene Diskurse behandelt. Auch paraoperatives 'da' zeichnet sich durch einen Bezug auf den mentalen Bereich aus. Im Unterschied zu 'denn' ist bei 'da1 jedoch der sprecherseitige -Bereich ausschlaggebend, 'da' hat einen ü--Bezug. Ergänzend zur diskursanalytischen Rekon-
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struktion konnte dies anhand eines Transkripts von lautem Denken (aus dem Material von Keseling) empirisch bewiesen werden, 'da' weist eine gegenüber 'denn' wesentlich komplexere Syntax auf. Ich habe sie schrittweise handlungstheoretisch abgeleitet Das Auftreten von 'da' als topologisch recht frei verschiebbare Deixis, ferner als relativisches Verknüpfungsmittel und schließlich als sogenannte subordinierende Konjunktion konnte im einzelnen funktional-etymologisch als Ergebnis einer Feldiransposition dargelegt werden. Die Lokaldeixis wird mithin routinisiert für operative Zwecke funktionalisiert, die sich intern durch die Kombination mit anderen operativen Mittel in attribuierender und prädizierender Weise ausdifferenzieren. Der deiktische Anteil der paraoperativen Prozedur besteht in einer doppelt katadeiktischen oder ana- und katadeiktischen Neufokussierung im Rede- oder Textraum - je nach der Position des "Nebensatzes". Insofern wird eine spezifische propositionale Organisation geleistet. Sie kann gemäß der deiktischen Spezifik als Kopplung von kategor isierten Teilen, nämlich Lokalisierendem (locandum) und Lokalisiertem (locatum), bestimmt werden. Die Kombination mit zwei anderen operativen Prozeduren, realisiert durch das topologische Mittel der Verb-Endstellung und das der Positionierung von 'da' an die linke Satzklammer, hat zur Folge, daß das Lokalisierende lediglich als propositionaler Teilgehalt - insofern als Sub-Prädikation - neufokussiert und gekoppelt wird. Bei Voranstellung ist es zugleich der im Vorfeld erwartbare Teilgehalt, bei Nachstellung ein unerwarteter Nachklapp. Die Charakteristik der paraoperativen Prozedur verhindert jedoch, daß bei Vorfeldbesetzung der Teilgehalt als Thema des Gesamtgehaltes zur Geltung käme. Vielmehr wird etwas Widersprüchliches geleistet, nämlich eine Themarisierung zu Zwecken der Dethematisierung. Mit paraoperativem 'da' nimmt der Sprecher ein bestimmtes Gewußtes - den katadeiktisch neufokussierten proposition alen Gehalt des Nebensatzes - als gemeinsames in Anspruch. Das bedeutet, daß diesem nicht zu widersprechen ist. Es ist diskursiver Behandlung entzogen - anders als das paraoperativ erfaßte D-Element im System des Begründens. Dieses in Anspruch genommene Gewußte bildet den Ausgangspunkt für eine weitere propositionale Wissensentfaltung. Die Maßgeblichkeit der sprecherseitigen -Struktur bedeutet, daß durch derartige propositionale Organisationen ein Problem der Verbalisierung bearbeitet wird. Paraoperatives 'da' betrifft in spezifischer, nämlich Anfangspunkte setzender Weise die Umsetzung verbaler Planung in die sprachliche Kommunikation, also die Umsetzung von US in p an der Stelle des propositionalen (Neu-) Einsatzes. Eine derartige propositionale Strukturierung durch die paraoperative Prozedur erfolgt besonders im vorangestellten Fall. Im nachgestellten Fall, also nach lediglich intonatorisch nicht voll ausgeführter Sprechhandlung, sind prozedurale Modifikationen des propositionalen wie auch des illokutiven Aktes dadurch möglich. Bei der Einschaltung als Parenthese nähert sich die Inanspruchnahme wegen der Hörerbezogenheit dieses topologischen Mittels der Leistung von 'denn' an; die Synchronisierungsleistung bleibt jedoch durch den inhärenten ns-Bezug schwächer hörerspezifisch.
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Inanspruchnahme von Gewußtem als gemeinsamem funktioniert handlungspraktisch in Abhängigkeit vom Typ des Wissens - je stärker es verallgemeinert ist, desto leichter fällt die Inanspruchnahme. Ich habe empirisch verschiedene Typen diskutiert, Es ist keineswegs so, wie in der Literatur oft angenommen wird, daß Bekannlheit eine Voraussetzung für die Verwendung von 'da' ist, sondern sie wird in der beschriebenen prozeduralen Weise der Inanspruchnahme gerade hergestellt. Ebensowenig ist das Verhältnis des Gekoppelten stets an Schlußprozesse unterschiedlicher Art gebunden; die Inanspruchnahme kann sich auf derartige Grundlagen der Wissensentfaltung beziehen, muß dies jedoch keineswegs. Häufiger ist ein solches Verhältnis bei der retrozipierenden als bei der antizipierenden Wissensgewinnung. Einschätzungen und Entscheidungen sind die gewöhnlichen mentalen Prozesse, die zugrunde liegen. Des weiteren hat die Rekonstruktion der Bedeutung aus dem empirischen, schriftlichen Textmaterial ergeben, daß bestimmte Textbedingungen die Verwendung geradezu fordern. Generell geht es um die Bearbeitung von Übergangsstellen der Kommunikation, die die paraoperative Prozedur aufgrund der beschriebenen Charakteristik hervorragend abzuwickeln vermag. Exemplarisch habe ich die Bearbeitung des Problems des Anfangs in institutionellen Briefen diskutiert; ferner wurden die Absatzsrrukturierung in wissenschaftlichen Arbeiten sowie der Gang der Darstellung in einer Vorlesung untersucht. In literarischen Texten läßt sich die paraoperative Bearbeitung von Problemen verbaler Planung als spezifisch ästhetische Konzeption erweisen. Unterschiedliche Typen wurden dargelegt. Besonders in der belletristischen Literatur finden sich die andernorts archaisierenden Verwendungen von paraoperativem 'da' als Relativum noch durchaus zahlreich. In mündlichen Diskursen implantiert paraoperatives 'da' gewissermaßen Textpassagen zum Zweck der Tradierung von Verbindlichkeiten. Solche Verwendungen sind im allgemeinen institutionsspezifisch und realisieren einen weitgehend bürokratischen Stil. Beide Ausdrucksmittel, 'denn' und 'da', sind also zu einer Funktionalisierung ihrer deiktischen Qualität für operative Zwecke, zum Vollzug paraoperativer Prozeduren, eingesetzt. Beide Prozeduren haben ihren Zweck in der Synchronisierung der Bereiche von Sprecher und Hörer. Das bildet einen wesentlichen Aufgabenbereich im Verstä nd igungshandeln von Aktanten. Die Opposition der Prozeduren besteht in ihrer hörer- oder sprecherseitigen Bezogenheit im Ausgangspunkt der Synchronisierung, 'denn' und 'da' stehen in handlungssystematischer Opposition zueinander, indem US und HHeine Opposition bilden, 'weil' ist gegenüber dieser und der P-EiDifferenzierung unempfindlich, dominiert jedoch komplementär zu 'denn' und 'da' in einem P-Bezug. Ich veranschauliche dieses Ergebnis anhand des komplexeren Modells von sprachlichem Handeln und setze p-bezogenes 'nämlich' dazu ins Verhältnis.
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denn
nämlich Diagramm 15: Systematik von 'denn1 und 'da'
'denn' und 'da' bilden eine handlungspraktische Opposition, indem einerseits Probleme des Verstehens und andererseits Probleme der Vcrbalisierung an Übergangsstellen bearbeitet werden. Die allgemeine Kategorie der Kausalität hat sich als untauglich für eine Erfassung der Ausdrucksleistung von 'denn1 und 'da' erwiesen. Die differenzierteren Kategorien der logischen, moralischen oder motivierenden Kausalität weisen allerdings eine gewisse Affinität zu bestimmten Handlungstypen im System des Begründens auf, so daß sich für 'denn' folgendes ergibt. Logische Kausalität läßt an die kognitive Begründung denken, motivationale Kausalti tat an die Absichtsbegründung und moralische Kausalität an Rechtfertigen oder Sollens-Begründung. Wenn man jeweils das, was eine kognitive Handlung, eine Absicht, eine Handlung mit H-Tangierung oder eine künftige H-Folgehandlung verstehbar, also als D-Element zur Umformung von Nicht-Verstehen in ein Verstehen geeignet macht, als dazu in einer kausalen Relation stehend begreift, so ist die Kategorisierung nachvollziehbar. Im Wege einer Metaphorisierung sind dann einzelne Aspekte der paraoperativen Prozedur, die mittels 'denn' vollzogen wird, erfaßt. Umgekehrt erlaubt es die handlungstheoretische Analyse, die Begrenztheit und Fragmentarität dieses BestimmungsVerfahrens deutlich werden zu lassen. Nur bestimmte Dimensionen dessen, was das System des Begründens ausmacht, sind terminologisch aufgenommen, und dies System bildet wiederum nur den Handlungszusammenhang, in dem die paraoperative Prozedur in bestimmter Weise wirksam, funktional ist. Ich habe deshalb vorgeschlagen (§2.4), allenfalls von einer "Handlungs-Kausalität" zu sprechen, indem man sich dieses Handlungssystems des Begründens be-
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dient, um Verstehensprobleme zu bearbeiten. Als prozeduraler Teil des Zugriffs auf ein D-Element ist 'denn' insofern handlungskausal. Aus systematischen Gründen würde ich es jedoch vorziehen, auf diesen kategorialen Übertragungsversuch zu verzichten. Mit Blick auf die Bearbeitung von Verbalisierungsproblemen an Übergangsstellen, in denen paraoperatives 'da' seinen handlungspraktischen Ort hat, scheint die Kategorisierung einer Kausalität noch ferner zu liegen; sie wird auch durch keine partiell aufgegriffene Systematik gestützt. Kausalität ergibt sich allenfalls aus dem Verhältnis der organisierten propositionalen Gehalte zueinander, nicht jedoch aus der paraoperativen Prozedur. Man müßte also jeglichen verbal-organisatorischen Ausgangspunkt einer propositionalen Entfaltung als causa betrachten, wenn Kausalität vom Inhalt unabhängig und an die paraoperative Prozedur gebunden werden sollte, Das erscheint mir als eine zu weitreichende Übertragung, die die Bestimmungskraft der Kategorie "Kaualität" zu sehr aufweicht. Formulierungen mit paraoperativem 'da' sind vielmehr in einem funktionalen Zusammenhang mit Formulierungen zu sehen, die mit resumptivem 'wenn' oder mithilfe der Frage-Form (sog. "Stirnsatz") gebildet sind. In der grammatischen Beschreibung stellen sie im allgemeinen schwierige Randphänomene dar, die sich durch prozedurale Bestimmungen möglicherweise besser klären lassen.
4.2 Perspektiven im Zusammenhang einer Wortarienbestimmung Aus sprachtheoretischer Perspektive scheinen mir zwei Analyseergebnisse besonders relevant. Beide paraoperativen Ausdrücke können aus den jeweiligen deiktischen Ausdrücken systematisch abgeleitet werden. Des weiteren läßt sich durch die analytische Differenzierung der einzelnen sprachlichen Mittel und ihrer jeweiligen Zwecke zeigen, daß 'denn' und 'da' in den jeweiligen Form-Furt ktions-Zusammenhängen die gleiche Charakteristik behalten. In Kombination mit anderen Prozeduren ergibt sich ein je systematisch bestimmbarer, unterschiedlicher Funktionszusammenhang, nicht eine Funktionsveränderung der mittels 'denn' oder 'da' vollzogenen paraoperativen Prozedur. Das erweist, daß die Einheitlichkeit der beiden Ausdrucksmittel gewahrt bleibt. Diese Einheitlichkeit läßt es nicht sinnvoll erscheinen, von Homonymen zu sprechen. Wir haben ein Aus drucks mittel 'denn' und ein Ausdrucks mittel 'da' im System der deutschen Gegenwartssprache zu betrachten. Wie ist auf diesem Hintergrund die unterschiedliche Wortartenzuweisung zu beurteilen? Es ist hier nicht der Ort, auf die komplexe und schwierige Diskussion von Wortarten generell einzugehen. Allerdings möchte ich einen Satz aus den "24 Bemerkungen zur Wortarten-Frage" von Plank zitieren: "Wie plausibel oder unplausibel funktionale Begründungen im Einzelfall jeweils sein mögen, im Prinzipiellen ist nicht daran zu zweifeln, dass was im Bereich von WA-Karegorisierungen (WA=Wortarten; A. R.)
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überhaupt begründet werden kann/ nur funktional begründet werden kann, im Sinne einer Motiviertheit sprachlicher Formen und Musterbildungen dadurch, wozu Sprache (als Sprachvermögen) dient, nach Massgabe der Bedingungen, unter denen sie (als technische Fertigkeit) funktioniert." (1984, 518) Den Hintergrund dieser Feststellung bildet keine Handlungstheorie von Sprache, wie sie hier verwendet wurde. Dennoch ist der Aspekt der Funktionalität aufzugreifen. Ich schlage vor, funktionale Bestimmungen im Sprachsystem - auf der Grundlage eines handlungstheoretischen Systembegriffs - als kategorialen Zugriff auf die sprachlichen Ausdrucksmittel zu wählen. Im Zusammenhang mit 'denn' in Satzverbindungen habe ich kurz rekapituliert, inwiefern die Kategorie der "Konjunktion" bereits eine über den Satz hinausweisende funktionale Ausrichtung hat Das gilt für die Partikeln nicht in gleicher Weise. Die Kategorie des Adverbs ist wiederum über eine satzinterne, syntaktisch-funktionale Bestimmung, die ebensowenig geklärt ist wie die der Partikel (s. z. B, die ausführliche Diskussion in der Grammatik von Eisenberg 1986,195ff), etabliert. Die Bestimmungskriterien für die Sonderung einzelner Wortarten sind bekanntlich heterogen, Können sie dennoch in der geforderten Weise funktional sein? Konzentrieren wir uns zunächst auf die Differenzierung der "Partikel" und der "Konjunktion" 'denn'. Diese Differenz ist festgemacht an unterschiedlichen syntaktischen, genauer: an unterschiedlichen topologischen Erscheinungsformen. Ich habe sie im einzelnen durch die Betrachtung der kombinierten sprachlichen Mittel behandelt. Nimmt man diese anderen Mittel in ihrer jeweiligen Spezifik ernst, anerkennt man die Eigenständigkeit ihrer Leistung beim sprachlichen Handeln und damit zugleich das funktionale Zusammengreifen der Mittel zu einer sprachlichen Handlungseinheit, so stellt sich das Form-Funktions-Verhältnis anders dar. Zur Bestimmung allein der Funktion des Ausdrucksmittels 'denn' beim sprachlichen Handeln erscheint es hinreichend, ja systematisch treffender, lediglich den sprachsystematischen Status von 'denn' anzugeben. Er lautet dann; 'denn' ist ein Ausdrucksmittel des operativen Feldes von Sprache. Mit 'denn' wird eine paraoperative Prozedur ausgeführt. Die Kennzeichnung der paraQualität laßt deutlich werden, daß dieser Ausdruck funktional-etymologisch eine Feldtransposition durchgemacht hat. Insofern ist diese sprachsystematische Bestimmung für 'denn' eine abgeleitete. Die einfache, genuine Bestimmung ist die der Zugehörigkeit zum deiktischen Feld, Für 'denn' ist sie jedoch historisch verblaßt und in der gegenwärtigen Hochsprache nicht mehr aktuell, sondern nur für regionale Varianten ('denn'='dann'). Die Spezifikationen der Prozeduren, wie ich sie analytisch herausgearbeitet habe, sind nicht mehr sprachsystematischer Art. Sie gehören vielmehr zu einer handlungstheoretischen Bedeutungsbestimmung.
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Die festen Form-Funktions-Verhältnisse betreffen ebenfalls nicht die sprachsystematische Bestimmung, sondern die Organisation in der sprachinternen Struktur. Die mögliche Kombinatorik kann als eine Art sprachimmanenter Funktionszusammenhang betrachtet werden. Die Idee der Selektionsbeschränkungen von Chomsky (1965) wies in eine solche Richtung. Nach meiner Auffassung ist die Darstellung der sprachinternen und sprachexternen Mitteln und Zwecken, die Ehlich (1981) entwickelt hat, für eine genauere Bestimmung dieser Verhältnisse weiterführend. Die systematische Funktionalität dieser Kombinatorik im sprachlichen Handeln, also die "pragmatische", sprachexterne Zweckhaftigkeit, habe ich in einer einheitlichen Bestimmung darzustellen versucht. Sie ist durch die beiden einfachen und die abgeleitete Variante, die sich aus der jeweiligen Mittel-Kombinatorik ergeben, nicht in beliebig verschiedene Dimensionen geschieden, sondern in je ableitbare - die dialogische, monologische und ostensive Charakteristik mit der entsprechend unterschiedenen Positionierung im System des Begründens. Es zeigt sich also für 'denn', daß die Differenz der Formzusammenhänge an systematisch anderer Stelle ihren Ort hat und nicht in die allgemeine Kategorisierung aufgenommen werden muß. Die Feldcharakteristik ist als Kategorisierung notwendig und hinreichend. Für 'da' stellt sich die Sache etwas komplexer dar. Das, was traditionell das Adverb 'da' ausmacht, kann sprachsystematisch als die einfache Form der Deixis bestimmt werden, 'da' gehört in seiner einfachen Form zum Zeigfeld der Sprache. Die Kombinatorik mit topologischen Mitteln ist vergleichsweise frei. Die deiktische Prozedur deckt einen weiten sprachexternen Zweckbereich ab. Sie deckt allerdings in spezifischer Weise auch einen sprachinternen Zweckbereich ab, nämlich den Strukturausbau von Sprache. Das geschieht im Wege der Feld transposition^. 'da' ist in seiner funktional-etymologisch ableitbaren Forn ein Ausdruck des operativen Feldes von Sprache, 'da' dient dem Vollzug einer paraoperativen Prozedur. Auch für dieses Ausdrucksmittel lassen sich spezifische Form-Funktions-Zusammenhänge bestimmen, die angebbaren sprachinternen Zwecken genügen, nämlich dem propositionalen Ausbau in unterschiedlicher Reichweite und innerer Komplexität. "Relativum" und "Konjunktion" sind nicht durch eine Differenzierung der Kategorien zu erfassen, sondern durch die Erfassung dieser strukturinternen Wirksamkeit. Ich habe das durch die Bestimmung der rede- oder textdeiktischen Objekte getan, die in 3 Ich habe eine weitere Kombinatorik, die dem Strukturausbau dient, in dieser Arbeit nicht behandelt, nämlich das Zusammengehen mit anderen operativen Ausdrücken - traditionellen Präpositionen - und intonatorischen, genauer: Akzent-Mitteln. Dazu gehören Ausdrücke wie 'dabei', 'cjabei', 'damit', 'd^mit', aber auch 'davon1 etc. (vgl. Schrodt 1983; Braunmüller 1985). Ich denke, daß sie in ähnlicher Weise handlungstheoretisch erfaßbar sind, wie hier entwickelt; allerdings sind dazu noch genauere Analysen der einzelnen Präpositionen erforderlich, als sie bislang vorliegen.
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Kombination mit den jeweiligen topologischen Mitteln neufokussierbar werden. Der sprachexterne Zweck wurde allgemein als propositionale Organisation zum Zweck der Bearbeitung von Verbalisierungsproblemen bei textuellen und diskursiven Übergängen und Wissensentfaltungen bestimmt. Es zeigt sich auch für 'da', daß die traditionellen Wortartenbestimmungen systematisch wenig Aussagekraft und analytische Reichweite besitzen. Die allgemeine Bestimmung der Feldzugehörigkeit und erfolgter Feldtranspositionen sowie im besonderen die Analyse der ausdrucksspezifischen prozeduralen Ausprägung erweisen sich demgegenüber als notwendig und hinreichend. Dieses an zwei syntaktisch komplexen Ausdrucksmitteln gewonnene grammatiktheoretische Ergebnis konsolidiert die hand!ungstheoretische Kritik der Wortarten, wie sie für traditionelle "Personal-" und "Demonstrativpronomina", "deiktische Adverbien" sowie "Interjektionen" bereits detailliert durchgeführt wurde. Solche Analysen sind - methodisch vor allem von "schwierigen" Wortarten ausgehend fortzusetzen, um die Wortartenkritik ihrerseits kritisch auszuführen und konkret zu machen. So kann zwar die vorliegende Untersuchung von 'denn' und 'da1 exemplarisch genommen werden für eine handlungstheoretische Neubehandlung von Partikeln und Konjunktionen, jedoch entbindet sie nicht von weiteren Einzelanalysen, wie sich bereits bei einem Vergleich jener zwei Ausdrucksmittel zeigt. Ausdrücke dieser beiden traditionellen Wortarten dürften sich als Mittel des operativen Feldes von Sprache erweisen. Allerdings ist mit unterschiedlichen Feldtransposirionen zu rechnen, möglicherweise auch damit, daß unter die heterogene Klasse der "Partikeln" auch andere als operative Ausdrücke subsumiert wurden. Umgekehrt ist zudem zu untersuchen, welche sprachlichen Mittel nicht-lexikalischer Art operative Zwecke erfüllen. Dies Programm führt in weiteren Schritten zu sprach vergleichenden, sprachtypologisch orientierten Analysen. Es ist bekannt, daß die Wortarten oder partes orationis als solche einzelsprachlich differieren. Demgegenüber können das Konzept des sprachlichen Feldes und die Differenzierung von insgesamt fünf Feldern der Sprache - Symbolfeld, deiktisches Feld, expeditives Feld, operatives Feld und Malfeld (cf. Ehlich 1986a) - aufgrund ihrer allgemeinen handlungstheoretischen Fundierung und gestützt durch vorliegende empirische Analysen unterschiedlicher und auch typologisch differenter Sprachen einen sehr viel größeren Allgemeinheitsgrad beanspruchen. Universalität kann freilich erst auf der Basis breiterer konkreter Untersuchungen einzelner Sprachtypen nachgewiesen werden.
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4,3 Perspektiven für die Hauptsatz-/Nebensalz-Diskussion 'denn' und 'da' haben für die Diskussion von Parataxe und Hypotaxe, für die Frage nach Hauptsatz- oder Nebensatz-Verknüpfung, einen unterschiedlichen Stellenwert. Sie stellen gleichsam Vertreter beider Strukturformen dar. 'denn' ist mit Parataxe und Hauptsatz-Verbindung, 'da' mit Hypotaxe und Nebensatz-Verknüpfung assoziiert. Es ist unnötig zu sagen, daß hier keine Satz-Diskussion geführt werden kann. In verdienstvoller Arbeit hat Müller (1985) die Komplexität dieses Unternehmens erneut dargelegt und eine Reihe interessanter Vorschläge gemacht. Eine Ausführung betrifft die Problematik von Satzverbindungen mit "denn1, nämlich im Zusammenhang der Diskussion der "Einzigkeit des illokutiven Anspruchs im zusammengesetzten Satz" (ebd., 145). Müller konstatiert einen Widerspruch zwischen der Intuition, der gemäß die "Sequenz Sie schämte sich, denn er gähnte herzhaft" (ebd.) nur genau einen iJlokutiven Anspruch hat und also als nur ein Satz erfaßt wird, und der traditionellen Syntax, nach der es sich um zwei Sätze handelt, mit der Konjunktion als gleichsam freiem Element dazwischen. Die Lösung dieses Widerspruchs entwickelt Müller folgendermaßen:"Denn signalisiert keinen illokutiven Anspruch im Eigenfeld. Von anderer Warte her: Denn ist hinsichtlich der Anspruchssignalisierung unvollständig ... Wenn nun aber Sequenzen Leerstellen besetzen, die von einem anderen Zeichen eröffnet werden, dann bildet dieses Zeichen ihnen gegenüber einen morphosyntaktischen Reflexivkontext... Die Gesamtsequenz signalisiert somit weder zwei noch drei, sondern genau einen illokutiven Anspruch, nämlich den Anspruch, dass zwischen "seinem" herzhaften Gähnen und "ihrem" Sich-Schämen ein kausaler Zusammenhang besteht ... Es ist die komplexe Struktur der Gesamtsequenz, die diesen Anspruch signalisiert." (ebd., 1460 Wie verhält sich diese Bestimmung zu unseren handlungstheoretischen Überlegungen? Die Betonung, daß die Gesamtsequenz den Anspruch einer Einheitlichkeit kausaler Qualität stellt, stimmt mit der inneren Systematik des Begründens überein: Das Muster des Begründens operiert über dem Entscheidungsknoten eines anderen Handlungsmusters; die Vorgeschichte oder der Einstieg in das Muster besteht also systematisch im Vollzug einer anderen Handlung. Im Flußdiagramm 4 (§2.2.5.8) ist dies die Position C, Ohne diese Position ist das Begründen obsolet. In der monologischen Variante von 'denn' sind Position C und die sprecherseitige Position der Begründung verkettet, was sich grammatisch - im einfachen Falle der Begründung einer sprachlichen Handlung - als Satzverbindung darstellt. Die Leistung von 'denn' ist unabhängig von dieser inneren Systematik, Sie besteht vielmehr in der rekonstruierten paraoperativen Prozedur zum Zugriff auf das D-Element. Die handlungssystematische Einheitlichkeit ist allerdings nicht als Einheit der Illokution aufzufassen. Traditionell gesprochen realisiert der 'denn'-Satz, also die syn-
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taktische Form des Satzes zusammen mit 'denn', eine Begründung, während die vorangehende Äußerung von der Form eines Satzes eine andere Handlungsqualität aufweist, beispielsweise die einer Assertion. Die grammatische Satzverbindung stellt pragmatisch also sehr wohl eine Äußerungsverkettung, eine Verkettung zweier Sprechhandlungen mit je eigener illokutiver Qualität dar, Die nachgestellte Äußerung ist im Falle der Verwendung von paraoperativem 'denn' stets ein Handlungstyp des Systems Begründen, genauer: es ist die sprecherseitige Musterposition im jeweiligen Handlungstyp. In den meisten Fällen handelt es sich um die einfache Handlungs-Begründung. Ich habe darzulegen versucht (§2.2.5.9), daß die paraoperative Prozedur, die mittels monologischem 'denn' vollzogen wird, aus innersystematischen Gründen eine Äußerungsform erfordert, die Thema und Rhema enthält. Das bestimmte Nicht-Verstandene und das bestimmte Verstandene müssen im propositionalen Gehalt expliziert sein. Eine solche syntaktische Form stellt der einfache Satz dar. Ein Satz ist zudem eine Form-Einheit, die einen illokutiven Akt realisieren kann. Insofern ist 'denn' nicht zufällig koordinierend. Anders sehen die Verhältnisse für paraoperatives 'da' aus. Die paraoperative Prozedur dient der Inanspruchnahme eines Gewußten als gemeinsamem, ohne daß dem zu widersprechen ist, wurde gesagt. Diese Leistung ist nicht zu vereinbaren mit dem Vollzug eines illokutiven Aktes, indem er wesentlich auf Interaktion, auf Sequentialität angelegt ist. Der propositionale Gehalt muß demgegenüber eine ausgeführtere Form haben und Thema wie Rhema enthalten. Diesen beiden Bedingungen entspricht genau die Form des "Nebensatzes". Die propositionale Struktur eines Satzes ist durch andere operative Prozeduren, nämlich durch die Endstellung des Verbs und die Besetzung der linken Satzklammer durch einen kategorisierenden paraoperativen Ausdruck wie 'da', so umgeformt, daß sie nicht mehr der Realisierung eines illokutiven Aktes dienen kann, Ein Nebensatz hat keine illokutive Qualität Er realisiert jedoch einen Thema-Rhema-bezogen vollständigen propositionalen Gehalt. Auch für paraoperatives 'da1 erweist sich das Wechsel Verhältnis zwischen grammatischer Struktur der Äußerung und Leistung der Prozedur als systematisch. Die "subordinierende" Qualität von paraoperativem 'da1 ist nicht zufällig. Das "Satzgefüge" mit paraoperativem 'da' ist eine Formeinheit, die der Realisierung nur einer, wenngleich prepositional komplexer, Sprechhandlung dient. Lediglich ihr kommt eine illokutive Qualität zu. Die traditionsreiche Rede vom Verhältnis eines Haupt- und Nebengedankens, der durch ein Satzgefüge verbalisiert wird, kann auf diesem Hintergrund durchaus neue Aktualität gewinnen.
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