Gotthold Ephraim Lessings Vermischte Schriften: Teil 1 [Reprint 2021 ed.] 9783112413821, 9783112413814


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German Pages 404 [401] Year 1771

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Gotthold Ephraim Lessings Vermischte Schriften: Teil 1 [Reprint 2021 ed.]
 9783112413821, 9783112413814

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Gotthold Ephraim Lessings

vermischte

Schriften.

Berlin, 1771. Dey Christian Friedrich Vaß.

Vorbericht. x5on den Lessmgschen Schriften,

welche

in den Jahren 1753 - 56 zu Berlin in

sechs Duodezbänden an das Licht gekommen, war der größte Theil seit langer Zeit ver­

dammt, der Vergessenheit gänzlich überlassen zu werden. Verfasser und Verleger waren dar­ über einig geworden; und besonders glaubte

jener diesen Entschluß sowohl sich selbst als dem Publikum schuldig zu seyn.

Das Pu­

blikum wachset täglich an Einsicht und Ge­

schmack: aber viele Verfasser bleiben zurück, und wehe dem,

der es auch nicht einmal

fühlet, daß er zurück geblieben,

und eitel

genug ist, noch immer auf den Beyfall zu rechnen, den er vor zwanzig Jahren erhal­

ten zu haben vermeynet.

Nur der Nachdruck,

welchen man b*-

sagten Schriften öffentlich drohet, hat dein Verfasser den Wunsch abgclockt, das hämi-

2

sche

Vorbericht. x5on den Lessmgschen Schriften,

welche

in den Jahren 1753 - 56 zu Berlin in

sechs Duodezbänden an das Licht gekommen, war der größte Theil seit langer Zeit ver­

dammt, der Vergessenheit gänzlich überlassen zu werden. Verfasser und Verleger waren dar­ über einig geworden; und besonders glaubte

jener diesen Entschluß sowohl sich selbst als dem Publikum schuldig zu seyn.

Das Pu­

blikum wachset täglich an Einsicht und Ge­

schmack: aber viele Verfasser bleiben zurück, und wehe dem,

der es auch nicht einmal

fühlet, daß er zurück geblieben,

und eitel

genug ist, noch immer auf den Beyfall zu rechnen, den er vor zwanzig Jahren erhal­

ten zu haben vermeynet.

Nur der Nachdruck,

welchen man b*-

sagten Schriften öffentlich drohet, hat dein Verfasser den Wunsch abgclockt, das hämi-

2

sche

Vorbericht. t —.............—■

»

fthe Vorhaben, ihn in seiner ganzen arm­

seligen Kindheit wieder auf den Platz z« bringen, vereiteln zu können. Und lediglich in Absicht auf diesen Wunsch

hat er sich zu einer neuen Sammlung ent­

schlossen ,

in dre er aus jener altern alles

aufzunehmen gesonnen, worauf die Liebha­ berei)

des allernachsichtvollesten Lesers nur

immer einigen Werth legen könnte.

Gegenwärtiger erster Theil kann davon zur Probe dienen; wobey der Verfasser wei«

ter nichts zu erinnern findet,

als daß die

neu hinzugekommenen Stücke desselben auf eben die Entschuldigung Anspruch machen,

welchen die billige Kritik den alten nicht ver­ weigern kann.

Es wäre Thorheit, zu Aus­

besserung einer baufälligen Hütte, Materia­ lien zu verschwenden, von welchen ein ganz

neues Gebäude aufgeführet werden könnte.

Sinnge«

Sinngedichte.

(I)

Die Sinngedichte an den Leser. Aber wird incht einen Rlopstock loben?

Doch wird ihn jeder lesen? — Nein. Wir wollen weniger erhoben. Und fleißiger gelesen seyn.

(2) Ebendieselben. QBir möchten gern dem Kritikus gefallen: Nur nicht dem Kritikus vor alle»:.

Wamm?

Dem Kritikus vor allen

Wird auch ket»: Sinirgedicht gefallen.

Sinngedichte.

4 fc „

rg^gn,



.-1-4

(3) Auf Len neuern Theil dieser Sinn­ gedichte. jweymal neunte Zahr, mit stummer Ungeduld,

Bewahrr, auf Besserung, sie mein verschwiegner Pult.

Was sie nun besser sind, das läßt sich leicht ermessen:

Mein Pult bewahrte sie; ich hatte sie vergessen.

(4) Der Stachelreim.

Erast, der gern so neu, als eigenthümlich spricht,

Neilnt einen Stachelreim sein leidig Sinnge­ dicht. Die Reime HLt' ich wohl; den Stachel fühl' ich «licht.

Sinngedichte.

5

(5) Nikander.

Aikandcm glückte jüngst ein tl-efflich Epi­ gramm, So sein, so scharf, als je von Kastnern eine« kam. Nun schwitzt er Tag und Nacht, ein zweytes a»szuhecken. Vergeben«; was er macht, verdirbt. So sticht ein Bienchen uns, und läßt den Stachel stecken. Und martert sich, und stirbt.

(6) An den Marull.

Groß willst du, und auch artig seyn?

Marull, was artig ist, ist klein.

Az

6

Sinngedichte. -A.K t.

--------

4

(7)

Merkur und Amor. Merkur und Amor zogen Auf Abentheuer durch das Land.

Einst wünscht sich jener Pfeil und Dogm; Und giebt für Amors Pfeil und Dogen 2hm feinen vollen Beutel Pfand.

Mit so vertauschten Waffen zogen,

Und zieh» noch, beide durch da« Land. Wenn jener Wucher sucht mit Pfeil und Dogen,

Entzültdet dieser Herzen durch das Pfand.

Sinngedichte.

7

-------------g

s (8)

Thrax und Stax.

Stax. Dhrax! eine raube Frau zu nehmen!

O Thrax, das nenn' ich dumm! Thrax. Za freylich, Stax! ich muß mich schämt».

Doch sich, ich hielt sie auch für stumm.

(9) Der geizige Dichter.

Du ftagst, warum Semir ein reicher Geizhals ist? Semir, der Dichter? er, den Welt und Nach« welk liest?

Weil, nach des Schicksals ew'gem Schluß, Ein jeder Dichter darben muß.

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-1

(io) Auf Lucinden.

Sie hat viel Welt, die muntere Lueinde.

Durch nicht« wird sie mehr roth gemacht. Zweydeutigkeit und Schmutz und Schänd' und Sünde,

Sprecht wa« ihr wollt: sie winkt euch ju, und lacht. Errblhe wenigstens, Lucinde,

Daß nichts dich mehr errökhen macht!

di) Auf

die

Europa.

Als Zevs Eurchren lieb gewann.

Nahm er, die Schöne zu besiegn»,

Verschiedene Gestalten an.

Verschieden ihr verschieblich anzuliegen.

Ais

Sinngedichte.

9

Als Gott zuerst erschien er ihr; Dann als ein Mann, und endlich als ein Thier.

Umsonst legk er, als Gott, den Himmel ihr zu

Füßen: Stolz fliehet sie vor seinen Küssen. Umsonst fleht er, als Mann, im schmeichelhaften

Ton: Verachtung war der Liebe Lohn. Zuleht — Mein schön ©tfcMedyt, gesagt zu deinen

Ehren' — Ließ sie — von wem? — vom Dullen sich

bethören.

A 5

IO

Sinngedichte.

(12)

Pompils Landgut. $(uf diesem Gute läßt Pompil Nun seine sechste Frau begraben. Wem trug jemals ein Gut so viel?

Wer möchte so ein Gur nicht haben?

0 3) Widerruf des Vorigen. Ach möchte so ein Gut nicht haben.

Denn sollt' ich auch die sechste drauf begraben: Könnt' ich doch leicht — nicht wahr, Pompil? — Sechs gute Tage nur erlebet haben.

Sinngedichte.

II

7 »**

(I4)

An die Herren T und P. Qßeld) Feuer muß in eurem Busen lodern'.

Zhr habt den Muth, euch kühn herauözufodern. Doch eure Klugheit hält dem Muche bar Gewicht: Ihr foderr euch, und stellt euch nicht.

(15)

Die Ewigkeit gewisser Gedichte. Perse, wie sie Bassuö schreibt.

Werden «nvergLnglich bleiben: —

Weil dergleichen Zeug zu schreiben.

Stets ein Stümper übrig bleibt.

I2

Sinngedichte.

(16)

Auf das Jungfernsiift zu'

Denkt, wie gesund die Luft, wie reut, Sic um dieß Zungfenistift muß fcvti! Seit Menschen sich besinnen, Starb keine Jungfer driimen.

(i?)

An den Doktor Sp * *.

Dem Söhnchen läßt dich nie den Namen Barer hören: Herr Doktor ruft es dich. Zch dankte, dieser Ehren! — Die Mutter wollt' es wohl so früh nicht lüge» lehren?

Sinngedichte. j

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*3 »

(18Auf den Mneinon.

Mnemon nichr ein seltner Mann! Die iveit er sich zurück erinnern sann!

Bi« an die ersten Kinderpossen: Wie viel er Vbgel abgeschossen, Wie manches Mädchen er begossen; Bi« an das Gängelband, bis an die Ammcnbrust,

Ist, was er litt und that, ihm alle« noch bewußt. Zwar alles glaub' ich nicht; ich glaub' indessen, Die Zeit ist ihm noch unvergessii,

Als seine Mutter Dotilis

Noch nicht nach stincm Batet hieß.

14

Sinngedichte.

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(19)

Bavs Gast. So oft Kodyll mich sieht zu Baven schmau­ sen gehen,

Beneidet mich Kodyll.

Der Thor!

Das Mahl bey Davm kömmt mir theuer gnug zu stehen:

Er liest mir seine Verse vor.

(20)

Auf den Rufus. Qßeifj ichs, was Rufus mag so viel Ge­ lehrten schreiben? Dieß weiß ich, daß sie ihm die Antwort schul­ dig bleiben.

Sinngedichte.

15

(21)

Auf Dorinden. Hst nicht Dorinde von Gesicht

En« Engel? —

Ohne Zweifel. —

Allein ihr plumper Fuß? —

Der hindert nicht.

Sie ist ein Engel von Gesicht,

Von Huf ein Teufel.

(22)

An das Bild der Gerechtigkeit, in dem Haufe eines Wucherers, nebst der Antwort. Gerechtigkeit! wie kömmst du hler ju stehen?

Har dich dein Haueherr schon gesehen?

„Wie meynst du. Fremder, diese Frage? „Er sieht und übersieht mich alle Tage.

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I)

(23)

Auf einen adlichen Dummkopf. Dar nenn' ich einen Edelmann! Sein Ur — Ur — Ur — Ur — Aelterahn

War älrer Einen Tag, als unser aller Abn.

(24)

An eine würdige Privatperson, ©tobt einst der Leichenstcin von dem, was

du gewesen,

Dem Enkel, der dich schätzt, so viel er braucht, zu lesen, So sey die Summe dieß: »Er lebte schlecht und recht, »Ohn' Amt und Gnadengeld, und niemand» Herr noch Knecht.

Sinngedichte.

17

(25) Auf die Iris.

Der Zris blühend volle Brust

Reizt uns, 0 D *, zu welcher Lust! Doch ihr erbärmliches Gesichte,

O D *, macht Reiz und Lust zu nichte. Sich, Freund, so liegen Frost und Flammen,

Und Gift und Gegengift beysammen.

(-6) Auf Frau Trix.

Frau Trix besucht sehr oft den jungen Doktor Klette. Argwohnet nicht«! Zhr Mann liegt wirklich krank zu Bette.

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J-

.

.

j

(2?)

Auf Lukrins Grab. iMelch tibrender Gestank hier, wo Lukrin

begraben, Der unbarmherz'ge Filz! — 2«h glaube gar, sie haben De« WuchrerS Seele mir begraben.

(28)

Im Namen eines gewissen Poeten, dem der König von Preußen eine goldene Dose schenkte. Di- goldne Dose, — dmkt nur! dmkt! — Dle König Friedrich mir geschenkt. Die war — was das bedeuten muß? — Statt voll Dukaten, voll Helleborus.

Sinngedichte. ... ...

19 , , ...

,| |

(29) Auf den falschen Ruf von NigrinTode.

Es sagte, sonder alle Gnade, Die ganze Stadt Nigrinm todt.

Was that die Stadt in dieser Noch?

Ein Zehntheii von der Stadt sprach: Schade)

Doch als man nach und nach erfuhr, daß das Geschrey Ein bloßes blindes Lärmen sey: So holren, was zuvor das eine Zehncheil sprach,

Die andem neune nach.

D -

Sinngedichte.

20

(3°) Auf Len Gargil. §Mtl richtrisch scharfem Kiel durchackett seine Lieder

Gargil.

Zns neunte Hahr schreibt, löscht und schreibt er wieder.

Sein Lied ist Lieb' und Wein. Kann man e< ihm verdenken,

Daß er der Nachwelt will vollkommne Possen schenken?

(Zl) Die Flucht.

-Ich flieh, um öfter noch zu streiten!,. Rief Fix, der Kern von tapfern Leuten. Das hieß; (so übersetz' ich ihn)

Ich flieh, um öfter noch zu flieh».

Sinngedichte.

21

(Z2)

Die Wohl thaten. Wir' auch ein böser Mensch gleich einer lecken Düne,

Die keine Wohlchat halt: dem ungeachtet schütte— Sind beides, Dutt' und Mensch nicht allzu morsch und alt, —

Nur deine Wohlchat ein.

Wie leicht verquillt ein Spalt!

*=^Q@=Mfa=

0

(5?) Auf die Phasis. Don weitem schon gefiel mir Phasie sehr:

Nun ich sie in der Nähe

Von Zeit zu Zeiten sehe/ Gefällt sie mir — auch nicht von weitem mehr.

(58) Auf Nickel Fein. An Jahresfrist, verschwur sich Nickel Fein, Ein reicher, reicher Mann zu seyn. Auch wär' es, traun! nach seinem Schwur ge­ gangen, Hätt' man ihn nicht vor Jahresfrist gehangen.

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(59)

Auf eine Liebhaberinn des Trauerspiels. Hch höre, Freund, dein ernste», schöne« Kind Will sich des Lachen« ganz entwöhnen,

Kömmt in den Schauplatz nur, wenn süße Thränen Da zu vergießen sind. —

Wie? fehlt es ihr bereits an schölten Zähnen?

(6o)

Auf ein Schlachtstück von Hugtenburg. furchtbare Täuscherey!

Bramarbas stand

vor ihr,

Ward blaß, und zitterte, und fiel, und rief: Guartier!

Sinngedichte.

37

Aidl

(61) Auf den Hablador.

Habladors Mund, Utin, ist dir ein Mund

zum küssen? Wie er spricht, spricht dir niemand nicht? — Wie sollte so ein Mann auch nicht zu sprechen

wissen? Er thut ja nichte, als daß er spricht.

(62) Auf den Mison. Hch warf dem Mison vor, daß ihn so viele

hassen. Ze nun! wen lieb' ich denn? sprach Mison

ganz gelassen.

z8

Sittngedichte.

♦ (6Z)

Der reiche Freyer.

Ein Bettlet gieng auf Freyersfüßen,

Und sprach zu einer Magd, die er nach Wunsche fand:

Nimm michi Sie fragt: worauf? „Auf diese dürre Hand: «Die soll uns wohl ernehren müssen!.. Die Magd besann sich kurz, und gab ihm ihre Hand.

(64) Auf den Rufinus.

Rufinus endet nichts, er singt nur alles an. Ob alles ? Lesbta, sprich doch! du kennst den Mann.

Sinngedichte. **•

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39 ■■ u

(65) Hänschen Schlau. ,E« ist doch sonderbar bestellt, (Sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen, „.Daß nur die Reichen tn der Welt

,„DaS meiste Geld besitzen.

(66) An die Dorilis. ©ein Hündchen, Dorilis, ist zärtlich, taiv delnd, rein : Daß du es also leckst, soll das mich wundem? neln! Allein dein Hündchen lecket dich:

Und dieses wundett mich.

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Sinngedichte.

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I ------- - -.4.

(67) Grabschrist eines Unglücklichen, welcher

zuletzt in einem Schiffbruche

umkam. Hier werfen mich die Wellen an das Land.

Hier grub mich todt, mit frommer Hand, Ein Fifther in den leichten Sand.

Dein Mitleid, Leser,

ist bey mir nicht an­

gewandt l Zm Sturme scheitern und ersaufen.

Hieß mir Unglücklichen, mit Sturm tn Hafen laufen.

(68) An einen schlechten Maler. Ach saß dir lang' und oft:

warum denn,

Meister Steffen? Zch glaube fast, mich nicht von ungefähr zu treffen.

41

Sinngedichte.

***

------ "»

(69)

Ruf eine Bildsäule des Amor. Hier blieb, als Amor, sich noch mächliger

zu sehen, Eleonor» ward, sein Kirper geistlos stehen.

(7°) Auf ebendieselbe. So lieb euch, Kinder, Ruh und Glück:

Zurück von ihm, dem Schalke.' weit zurück! —

(Ich hätte viel für diesen Rath gegeben!) Er stellt sich st> nur ohne Leben.

(71)

Auf ebendieselbe, ^ommt diesem Amor nicht zu nah,

Und stirt ihn nicht in seinem Staunen! Noch steht er so, in Einem süßen Staunen,

Seit er Philinden sah.

(72)

Auf ebendieselbe. ©le Unschuld naht sich ihm, und bebt:

Sie fühlt, sie fühlt es, daß er lebt.

Sinngedichte.

43

(73) Auf ebendieselbe.

0 Chloe, halte deinen Blick Von diesem Schalke ja zurück!

Gesetzt,

hauchen.

(9°) An ebendenselben. Dem hast du nur die Hand, und dem dm

Kuß beschieden.

Ich, gnLd'ger Herr von Dampf! bin mit der Hand jufrieden.

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54

Sinngedichte.

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...

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(9l)

Auf einen gewissen Diäter. ^)hn singen so viel müß'ge Dichter,

Ihn preisen so viel dunkle Richter, Ihn ahmt so mancher Stümper nach.

Ihm nicht zum Ruhm, und sich zur Schmach,

Freund, dir die Wahrheit zu gestehen.

Ich bin zu dumm e« einznsehen, Wie sich sür wahr Verdienst ein solcher Beyfall schicket.

Doch so viel seh Ich ein,

Da« Singen, das den Frosch im tiefen Sumpf entzücket, Das Singm muß ein Quaken sey». fr—

Sinngedichte.

55

(92) An den Wesp. Nur Neue» liebest du? nur Nene» willst du machen? Du bist, mein guter Wesp, sehr neu in allen Sachen.

(93)

An den Trill.

93alb willst du, Trill, und bald willst du dich nicht beweiben: Bald dünkt dich» gut, bald nicht, ein Hagestolz zu bleiben. Zeh soll dir rathen? Wohl! Thu, was dein Vater that: Bleib frey; heyrache nicht! — Da hast du mei­ nen Rath.

56

Sinngedichte.

(94)

An ebendenselben. D.. nennest meinen Rath ein schales Sirm

gedieht ? Trist, elnen andern Rath bekichmst du wahrlich

nicht. Zirm Hängen und zum Freyen

Muß niemand Rach verleihen.

(95)

An die Fuska.

(§cy nicht mit beinern rothen Haar

So äußerst, Fuska, unzufrieden! Ward dir nicht schönes braunes Haar,

So ward dir braune Haut beschieden.

(96) Auf den Tod des D. Mead.

Als Meav am Styx erschien, rief Pluto voller Schrecken: Weh mir! nun kömmt er gar, die Todten zu erwecken.

(97) Auf die schöne Tochter eines schlechter:

Poecen.

Der Dater reimt und suchet allen. Nicht wenig Kennern, zu gefallen.

Die Tochter buhlt: 0! straft sie nicht! Das gute Kind will allen, Wie ihres Vaters Reim, gefallen.

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Sinngedichte.

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(98)

An ebendieselbe.

Drin brauner Mädchen, Freund, ist schön: Dar muß ihr auch der Neid gestehn.

So schön, daß man er gern vergißt, Daß sie ein wenig buhlrtsch ist;

So schön, daß man er gar veigißt.

Daß ihr Papa ein Reimschmied ist.

(99)

Ans den Sertuö.

Die, der Ein Auge fehlt, die will sich Sextus wählen? Ein Auge fehlet ihr, ihm müssen beide fehlen.

Sinngedichte.

59

AU

(100)

Kunz und Hinz. 2tun;. jptnj, weißt du, wer das Pulver hat erfunden?

Der leid'ge böse Geist. ^in5«

Wer hat dir, Kunz, das ausgebunden?

Ein Pfaffe wäre, der Berthold heißt. Äuny. Sey drum! so ward mir doch nichte aus» gebunden. Denn sieh! Pfaff' oder böser Geist

Zst Marie wie Mutter, wie mane heißt.

(101)

Auf den Bav. Ein schlechter Dichter Bav? ein schlechter

Dichter? nein!

Derrn der muß wenigstens ein guter Reimer seyn.

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"iH?...,

(106) Das schlinttnste Thier.

„Wie heißt bas schlimmste Thier mit Namen? So fragt' ein Kinig einen weisen Mann.

Der Weise sprach: von wilden heißre Tyrann,

Und Schmeichler von den zahmen.

qui nos illud primum admomtos eise volutrunr, epigramma atque inTcriptionem unum fonarc. — Facile intdligimus, manGfse voce in, mutata s.gnificauonc ei poteftate voetg.

über das Epigramm. ..........................................

97 u

Unterricht über bas Epigramm mit dem anzufan» gen, was das Wort seiner Ableitung nach bedeute, und ehedem nur bedeutet habe. Genug, daß ein jeder von selbst sehe, daß er ictzt dieses nicht mehr bedeute. Das Wort sey gebliebm: aber die Dr« deumng des Wortes habe sich verLndert. Gleichwohl ist gewiß, daß brr Sprachgebrauch nur selten ganz ohne Grund ist. Das Ding, dem er einen gewissen Nam-n zu geben fortfährt, fäh, ret ohnstreitig auch fort, mit demjmigen Dinge etwas gemein zu behalten, für welches dieser Name eigentlich erfunden war. Und was ist dieses hier? Was hat das witzig, ste Sinngedicht etnes Martial mit der trocknest«» Ausschrlst eines alten Denkmahls gemein, so daß beide bey einem Volke, dessm Sprache wohl am wenigsten unter allm Sprachen dem Zufälle über, lassen «ar, einerley Namen führm tonnten? Diese Frage ist nicht die nehmliche, welche Skaltger, zu Anfänge seine» Hauptstücks über G bas

98

Anmerkungen

bas Epigramm, aufwirst *).

Skaliger fragt t

..warum werden nur die kleinm Gedichte Epi-

„ grammen genennt? — „ Das heißt annehmen, daß alle kleine Gedichte ohne Unterschied diesm

Namen sührm können, und daß er nicht bloß titlet besondern Gattung kleiner Gedichte zukimmt.—

Daher (innen mich auch nicht die Antworten

desSkaligers befriedigen, die er, aber auch nur fragweise, darauf ertheilet.

Etwa, sagt er, eben

darum, well sie klein, !weil! sie kaum mehr, als

die bloße Aufschrift sind?

Oder etwa darum, weil

wirklich die ersten kleinen Gedichte auf Denkmäh­

ler gesehet wurden, und also im eigentlichen Ver­ stände Aufschriften waren? Zenes, wie gesagt, seht etwas falsches voraus,

und macht allen Unterricht über das Epigramm über•) Pottictf Hb. in. cMp. 126. — Quam ob causam Epigrammatis vox brevibus tantum poematiii propria facta eft ? An proprer ipfam brevitacem, quasi oihil elfer praeter ipfam infcriptionem ? An quz ftatuis, trophaeü, fimaginibus, pro elogiis inlcribebantur, ea primo veroque significaru Epigrammata sunt appellata ?

über daS Epigramm. fj_

99 --------- l,

überflüßig. Denn wenn es wahr ist, daß bloß die Kürze das Epigramm macht, daß jedes Paar ein­ zelne Verse ein Epigramm sind: so gilt der kausti­ sche Einfall jenes Spaniers, von dem Epigramme vornehmlich» »wer ist so dumm, daß er nicht ein „Epigramm machen könnte; aber wer ist so ein „Narr, daß er sich die Mühe nehmen sollte, de„ren zwey zu machen? — Dieses aber sagt imGmnde nichts mehr, als was ich bey meiner Frage als bekannt annehme. Zch nehme an, baß die ersten kleinen Gedichte, welche auf Denkmähler gefetzt wurden, Epigram­ men hießen: aber darinn liegt noch kein Gmnd, warum letzt auch solche kleine Gedichte Epigramm«» heißen, die auf Denkmähler gesetzt zu werden, weder bestimmt noch geschickt sind. Oder höchstens würde wiedemm aller Gmnd auf die, beiden ge­ meinschaftliche, Kürze hinaus laufen. Zch finde nicht, daß die neurern Lehrer der Dichtkunst, bey ihren Erklärungen de« EpiGr gramms

Anmerkungen

loo

gramms, auf meine Frage mehr Rücksicht genom«

mm HLktm.

Wenigstms nicht Loileau, von

dem fteylich ohnedem keine schulgerechte Definition an dem Orte •) zu verlangen war, wo er sagt, daß

das Epigramm oft weiter nichts sey, als rin guter Einfall mit ein Paar Reimm verzieret.

Aber

auch Batteux nicht, der das Epigramm als einen interessanten Gedanken beschreibt, der glücklich und

in wenig Wortm vorgetragm wird.

Denn weder

hier noch dort sehe ich die geringste Ursache, war, um dmn nun aber ein guter gereimter Einfall, ein

kurz und glücklich vorgetragmer interessanter Ge
vcl pcrfonz , vcl facti indicatione:

aut cx pro* pofitis

über bas Epigramm. d_ i

»

105

'n----------- »

Da er sie nehmlich in der eigentlichen Aufschrift nicht erkannte,

in welcher er nichts, als die

bloße einfache Anzeige einer Person oder Hand­ lung sahe: so hielt er dasjenige Epigramm, in

welchem aus gewissen Vorausschickungm etwa« hergeleitet wird, und in welchem also die Vor-

ausschickungen, und das was daraus hergcleitct

wird, als zwey merklich verschiedene Theile sich nicht leicht verkennm lassen, für völlig von

jenem unrerschiedm.

Die Subtilität fiel ihm

nicht bey, daß bey jenem, bey der eigentlichen Auf­

schrift, zu der Wirkung desselben da« beschricbme Werk selbst baS Seine mit beytrage, und folglich

bey dem andern, dem eigentlichen Siimgedichte,

das, wa« er die Vorausjchickungm nennet, dem

beschriebnen Werke, so wie da«, was aus dteftn Vorausschickungm hergeleitet wird, der Ausschrist

selbst mtspreche. G 5

Der

pofitis «liquid deductnr. Quae definitio fimul completii tut etiatti divifionem: ne quis damnec prolixitatem. L. r.

io6

Anmerkungen 0

41«.

Der wortreiche Varasjor hat ein langer Kapttel von den Theilen des Epigramm«, deren er gleichfalls nur zwey, unter dem Namen derVerfrändigung und bc« Schlusses, annimmt, und

über bereit Bearbeitung er wirklich mancherley gute Anmerkungen macht. *)

Aber auch er ist weit

entfernt, diese Theile für nothwendig zu halten,

indem er gleichfalls eine einfachere Gattung erkein

litt, welche sie nicht habe, und überhaupt aus ihnen weder für die Eigenschaften, noch für die

individuelle Verschiedenheit des Epigramms da« geringste zu feigem verstanden hat.

Batteux sagt ausdrücklich:

„ Das Epigramm

„hat nochwmdtger Weise zwey Theile: der erste ist „der Vortrag des Subjekts, der Sache, die den „Gedanken hervorgebracht oder veranlasset hat;

„unb der andere der Gedanke selbst, welchen man

„die ♦) C«p. 13» «le cpignmmttfa. Sunt igitur partes fpigrammatis» duae numero duntaxat, infignes ac primariar, cxpofitio rei, 8c concluGo epigrammatis — In illo genere primo quod ftaruimus fimplicjs & uniujmodi cpigamuiatis. —

über das Epigramm.

107

„die Spitze nennt, oder dasjenige was den Leser „rtijt, was ihn interessirel.Gleichwohl läßt

er unter seinen Exempeln auch solche mit uncerlan« fett, die diese zwey Theile schlechterdings nicht ha-

ben, deren Erwähnung ohnedem in seinem ganzett

übrigen Unterrichte villtg unfruchtbar bleibet. Fol­ gende vier Zeilen des Peliflön j. E. Grandeur, favoir, renommde,

Amitid, plaifir & bien, Tont n’est que vent, que fomde: Pour mieux dir», tont n’est rien.

mbgm ihm immerhin einen noch s» interessanten Gedanken enthalten.

Aber wo ist die Veranlas­

sung dieses Gedankens?

Wo ist der einzelne be­

sondere Fall, — denn rin solcher muß die Veran­

lassung seyn — bey welchem der Dichter darauf gekommen ist, und seine Leser darauf führet? Hier

ist nichts al« der bloße interessante Gedanke, bloß der Eine Theil: und wmn, nach ihm selbst, das

Epigramm nothwendiger Weise zwey Thelle haben muß.

iog

Anmerkungen

muß, so können diese, so wie alle ihnen ähnliche Zeilen, unmöglich ein Epigramm heißen. — Zum

Unglück ist er nicht bloß ein übelgewählre« Exerm pel, woraus ich dem Baneux hier tintn Dorwurf mache.

Sondern da« Schlimmste ist, daß au«

diesem Exempel zugleich da« Fehlerhafte seiner Er« klärung de« Epigramm« erhellet, „nach welcher r« „ein imereffanterGedanke seyn soll, der glücklich

»und tn wenig Worten vorgetragen worden.,, Denn, wenn sich ein interessanter Gedanke auch

ohne seine individuelle Veranlassung vortragen läßt, wie stch au« dem Beyspiele, wenn e« schon kein Epigramm ist, bmnoch ergiebt: so wird wenigsten«

die Anzahl der Theile des Epigramme, welche

Barreux selbst für nothwmdig erkläret, weder in seiner Erklärung liegen, noch auf irgend eine Weise

daran« herzuletten seyn. —

Wenn un< unvermuthet ein beträchtliche« Denkmahl aussttßt, so vermenget sich mit der am

gmehmett Ueberraschung, in welche wlr durch die Größe

über das Epigramm.

109

Größe oder Schönheit de« Denkmahl« gerathen, sogleich eine Art von Verlegmhelt über die noch

unbewußte Bestimmung desselben, welche so lange anhälc, bi« wir uns dem Denkmahle genugsam ge­ nähert habm, und durch seine Aufschrift au« um

strer Ungewißheit geseht worden; worauf da« Der« gnügen der befriedigten Wißbegierde stch mir dem

fchmeichelhaften Eindrücke de« schönen sinnlichen Gegenstände« verbindet, und beide jusammen'in

ein dritte« angenehme« Gefühl zusammenschmeljen. — Diese Reihe von Empfindungen, sage ich, ist da« Sinngedichte bestimmt nachjuahmm; und

nur dieser Nachahmung wegen hat tf,

in der

Sprache seiner Erfinder, den Namm feine« Urbil­ des, de« eigentlichen Epigramme behalten.

Wie

aber kann e« sie ander« nachahmm, al« wenn e« nicht allein eben dieselbe» Empfindungen, sondem

auch eben dieselben Empfindungm nach eben der, selbm Ordnung in seinm Theilen erwecket?



muß über irgend «in einzeln ungewöhnlichen Gr, genstand,

ho

Anmerkungen

geuft.mb, den es zu einer so viel als möglich sinn, lichcn Klarheit zn erheben sucht, in Ermattung sehen, und durch einen unvorhergesehenen Ausschluß diese Ermattung mit eins befriedigen.

Am schicklichsten werden sich also auch die Theile des Epigramms, Erwartung und Auf« sichlusi nennen lassen; und unter diesen Denen» nuiigcn will ich sie nun in verschiedenen Anen klet, ner Gedichte aufsuchen, die fast immer unter den Sinngedichten mit durchlaufen, um zu sehen, mit welchem Rechte man dieses geschehen läßt, und welche Klaffificarion unter ihnen eigentlich einzu­ führen seyn dürfte. Natürlicher Weise aber kann eö nur zweyerley Astergatlungcn des Sinngedichts geben: direine, welche Ecwarmng erregt, ohne uns einen Auf­ schluß darüber zu gewähren; die andere, welche uns Aufschlüsse giebt, ohne unsere Erwartung dar, nach erweckt zu habm. i. Zch

über das Epigramm.

in

1. Ich fange von der letztem an, zu welcher vornehiulich alle diejenigen kleinen Gedichte gehSreti, welche nichts als allgemeine moralische Lehren oder Bemerkungen enthalten. Eine solche Lehre oder Bemerkung, wmn sie aus einem einzelen Falle, der unsere Neugierde erregt har, hergeleitet oder auf ihn angeweiüet wird, kann den zweyten Theil eines Sinngedichts sehr wohl abgeben: aber an und für sich selbst, sie sey auch noch so witzig vorgetragen, sie sey in ihrem Schluffe auch noch so spitzig zugearbeitet, ist sie kein Sinngedicht, som der» nichte als eine Maxime, die, wenn sie auch schon Dewundemng erregte, dmnoch nicht dieje­ nige Folge von Empfindung erregen kann, welche dem Sinngedichte eign, ist. Wenn Martin! folgendes an den Decianu» richtet •), Quod magni Tbraseae, consummatique Catonis Dogmata sie sequeris, salvus ut esse velis ; Pefto-

ns

Anmerkungen

♦- ■— ...—------

q

Festere nec nndo ftriftos incurris in enses, Qued secisse velim te, Deciane facis. Nolo virum, sacili redimit qui fanguine famam: Hunc volo, kiudari qui fine morte potest.

was fehlt den beidm letztm Zeilen, um nicht ein

sehr interessanter Gedanke zu heißen? und wie HLtte er kürzer und glücklicher ausgedrückt werden

(Simm?

Würde er aber allein eben den Werth

haben, den er in der Verbindung mit den vorher, gehenden Zeilm hat? würde er, als eine bloße

für sich bestehende allgemeine Maxime, ebm den Reiz, ebm das Feuer haben, eben de« Eindmckes fähig seyn, dessen er hier ist, wo wir ihn auf

einm einzeln Fall angewenbet finden, welcher ihm ebm so viel Ueberzeugung mitthcilet, als er von ihm Glanz entlehnet?

Oder wenn unser YDacnflte, zur Empfehlung

einer milden Sparsamkeit, geschrieben HLtte: Lieb' immer Geld und Gut: nur so, daß dein Erbarmen Der Amre fühl': und flieh die Armuth, nicht die Armen: wäre

über das Epigramm, «tz»



.

riz

- ....

j

wäre « nicht ebenfalls ein sehr interessanter, so kurz als glücklich ausgedrückter Gedanke?

Aber

wäre es wohl eben das, was er wirklich an den sparsamen Lelivor schrieb? *) Du liebst zwar Geld und Gut; doch so, vaß dem Erbarmen Der Arme fühlt. Du fliehst die Armuth, nicht die Armen.

Der Unterschied ist klein: und doch ist jene«, bey vollkommm eben derselben Wendung, doch nicht«

al« eine kalte allgemeine Lehre, und diese« ein Bild voller Leben und Seele; jener ein gereimter

Sittenspruch, und diese« ein wahres Sinngedicht. Gleichwohl ist eben dieser Wetnife, so wie auch der ältere Loga», nur allzu reich an so gv

nannten Urberschriften, die nicht« al« allgemelne

Lehrsätze enthalten; und ob sie schon beide, besom der« aber XDernite, an Vortheilen unerschöpflich

sind, eine bloße kahle Moral aufzustuhen, die ein-

zeln Begriffe derselben so vortheilhafk gegen etnan» der •) Crfte- Vuc-S. 14» der Schwei-erlt. Au--aV» von 1763,

H4 , -

Anmerkungen ■ »*«

- y,

der abzusetzm, daß oftmals ein ziemlich verführe, rische« Blendwerk von den wesentlichen Theilen de« Sinngedicht« daran« entstehet: so werdm sie doch

nur selten ein feines Gefühl bekriegen, daß e» nicht dm großen Abstand von einem wahren

Sinngedichte bi« zu einer solchen zum Sinn­ gedichte ausgefeilten Maxime bemerken sollte.

Vielmehr ist einem Mmschm von solchem Gefüh, le, wenn er ein oder mehrere Bücher von ihnen hinter einander liefet, oft nicht ander« zu Muthe,

al« einem, der sich mit einem feinen Weltmann« und einem stetfm Pedamm zugleich in Gesellschaft findet: wenn jener Lrsahnmgm spricht, die auf

allgemeine Wahrheitm leiten;

so spricht dieser

Sentenzen, zu dmen die Erfahmngen in dieser

Welt wohl gar noch erst sollm gemacht werdm. Dey keinem Epigrammatistm aber ist, mir we,

nigsten«, die ähnliche Abwechselung voll Etnpfiw

düngen lästiger geworden, al« bey dem ©wert. Nur daß bey diesem der Pedant sich unzählich ist terer

über das Epigramm. ^■s..

115

- ------------------ ,-l>

.......

lerer härm läßt, als der feine Mann von Erfah»

rniig; und daß der Pedant mit aller Gewalt noch Zch Halle dm, in

oben drein witzig seyn will.

allem Emste, für einen starken Kopf,

der ein

ganze« Buch des Dwens in einem Zuge lesen

kann, ohne drehend und schwindlicht zu werden. Zch werde es unfehlbar, und habe immer dieses für die einzige Ursache gehalten, weil eine so große

Menge bloß allgemeiner Begriffe, die unter sich

keine Verbindung haben, in so kurzer Zeit auf ein»

ander folgen: die Einbildung möchte jedm gern,

in eben der Geschwindigkeit, in «in individuelles Bild verwandeln, lind erliegt endlich unter der vergebnen Bemühung.

Hingegen ist dar Moralisiren gerade zu, des Martial» Sache gar nicht.

Ob schon die meisten

feiner Gegenstände sittliche Gegenstände sind: so wüßte ich doch von allen lateinischen Dichtem fei* mn, aus dem sich wmigere Siktenjprüche wirtlich

ausziehm ließen, als au« ihm. H a

Er har nur wmig

Sinn»

ii 6

Anmerkungen

Sinngedichte von der An, wie da« angeführte an den Decianu«, welche sich mit einer allgemeinen Moral schlissen: seine Moral ist ganz in Hande lang verwebt, und er moralisiret mehr durch Dey, spiele, al« durch Worte. Vollend« von der Art, wie das dreyzrhnte seines zwölften Buch« ist. Ad AuÜurn Genus, Aufte, lucri divites habent iram. OJiffe quam donafle vilius conftat. welches nichts als eine feine Bemerkung enthält, mit gänzlicher Verschweigung des Vorfalls, von dem er sie abgezogen, oder der sich daraus erklären lassen: von dieser Art, säge ich, wüßte ich außer dem gegenwärtigen, nicht noch drey bey ihm aufzufinden. Und auch bey den wenigen scheinet es, daß er den veranlassenden Vorfall mehr aus gewisi sen Bedenklichkeiten mit Fleiß verschweigen wollen, als daß er gar keinen dabey im Sinne gehabtAukrus mochte den Reichen wohl kennen, der so listig eine Ursache vom Zaune gebrochen, sich über ihn

über das Epigramm.

117

ihn, oder über den Dichter zu erzürnen, um sich irgend ein kleines Geschenk zu ersparen,

er ihnen sonst machen müssen.

daß

Wenigstens hat

Marrial dergleichen bloße sittliche Bemerkun­ gen doch immer an eine gewiss? Person gerichtet,

welche anscheinende Kleinigkeit Logan und YOec#

Nike nicht härten übersehen oder vernachläßigen sol­

len.

Denn es ist gewiß, daß sie die Rede um

«in großes mehr belebet; und wenn wlr schon die

angeredcte Person, und die Ursache, warum nur

diese, und keine andere angeredet worden, weder kennen noch wissen: so seht uns doch die bloße An­

rede geschwinder in Bewegung, unter unserm eignen Zirkel umzuschauen, ob da sich nicht jemand findet, ob da sich nicht etwas zugewagm, worauf

der Gedanke des Dichters anzuwenden sey. Wenn nun aber bloße allgemeine Sirtensprüche, sie mögen nun mit der Einfalt eines vermeinten

Raro, oder mit der Spihfindlgkeit eines Banviu»,

oder mit dem Scharfsinne eines wernike vorgeH 3

tragen

Anmerkungen

ii8 d



■■—-■. 3.

-

tragen seyn, die Wirkung nicht haben, die sie

allein zu dem Namm der Sinngedichte berechtigen könnte; wmn also ein Verinu« und Prbrak, oder tvie sonst die ehrlichm Männer heißen, die schöne

erbauliche Disticha geschrtebm habm, au« dem

Register der Epigrammatisten Wegfällen: so wer,

dm diejmigm noch weniger darinn aufzunehmen seyn, welche andere scientifische Wahrheiten in dle

mgen Schrankm de« Epigramm« zu bringen ver­

sucht habm.

Ihre Verse mögen gute Hülfsmittel

de« Gedächtnisse« abgeben; aber Sinngedichte sind sie gewiß nicht, wmn ihnen schon, nach der Er-

klämng de« Batteux diese Bmmnung nur schwer

abzustreiten seyn dürste.

Dmn sind z. E. dle me-

dicinischm Vorschriften der Schule von Salerno

nicht eine« sehr interessanten Inhalt«? und könn, tm sie nicht gar wohl mit ebm so vieler Präcision

imb Zierlichkeit vorgetragen seyn, al« sie e« mit weniger sind?

Und dennoch, wenn sie auch Lu-

kre; selbst abgefaßt hätte, würdm sie nicht« al«

ein

über daS Epigramm. - -7

119

— «80^- — .

q

ein Beyspiel mehr seyn, daß die ErklLmng des Batteux viel zu weitliustig ist, und gerade da« vornehmste Kennzeichen barinn fehlet, welches daS Sinngedicht von allen andern kleinm Gedicht cen unterscheidet. 2. Die zweyte Aftergattung des Epigramms war dir, welche Erwanung erregt, ohne einen Aufschluß darüber zu gewähren. Dergleichen sind vornehmlich alle kleine Gedichte, die nichte als ein bloßes seltsames Faktum enthalten, ohne lm ge­ ringsten anzuzetgm, aus welchem Gesichtspunkte wir dasselbe betrachten sollen; die uns also weiter nichts lehren, als daß einmal etwa« geschehen ist, was eben nicht alle Tage zu geschehen pflegt. Derjenigen kleinen Stücke gar nicht einmal hier zu gebenfeil, die, wie Vie Kayser vea Ausönins, die ganze Geschichte, den ganzen Charakter eines Manner in wenige Züge zusammenfassen, und deren unter dm Titeln, Icones, Heroes asm. so unzühliche geschrieben worden. Dmn diese H4 möchte

rra

Anmerkung««



möchte man schon verwegen nicht für Sinngedicht« wollen gelten lassen, weil ihnm die Einheit fehlet, die nicht in der Einheit der nehmlichen Person, stndern in der Einheit der nehmlichen Handlung bestehen muß, wenn sie der Einheit der Gegen» stände« in der eigentlichen Aufschrift entsprechen soll. Aber auch alrdenn, wenn das Gedicht nur «ine einzige völlig zugerundere Handlung enthält, ist es noch kein Sinngedicht, Fall» man uns nicht etwas daraus schließen, oder durch irgmd eine seine Bemerkung in das Innere derselben tiefer eindrtngen läßt. Denn z. E. Martial sich begnügt hätte, die bekannte Geschichte de« Muciu« Skävola in soll -ende vier Verse zu fassen *): Dam peteret regem decepta fatellite dextra, Injecit facris se peritura focis.

Sed tarn faeva plus miracula non tulit hoftis, Et raptum flammls jufiit abire virtim.

würbe»

iibrr daS Epigramm, g u- /

- > -

tf

.

rsr n)

.

würden wir wohl sagen sinnen, daß er ein Sinn«

zedtchr auf diese Geschichte gemacht habe? Kaum wLre e< noch eines, wenn er bloß hinzugestht

hätte: Urere quam potuit contemte Mucius igne, Hane fpeßare manum Porsena non potuit.

Denn auch das ist noch nicht vielmehr als Ge­ schichte; und wodurch es ein völliges Sinngedicht

wird, sind lediglich dir endlichen lehren Zeilen: Major deceptae fama est» et gloria dextrae: Si non erraffet, fecerat illa minus«

Denn nun erst wissen wir, warum der Dichter unsere Aufmerksamkeit mit jener Begebenheit be­ schäftigen wollen; und das Vergnügen über eine so feine Betrachtung, „daß oft der Irrthum uns „geschwinder und sichrer unsere Absicht erreichen

„hilft, als der wohlüberlegte, kühnste Anschlag,,, verbunden mit dem Vrrgnügm, welches der ein­

zelne Fall gewähret, macht das gestmmte Ver­

gnügen des Sinngedichts.

H 5

Ohn-

Anmerkungen

Ohnstreitig hingegen müssen mir uns nur mit der Helfte dieses Vergnügens bey einige«« Stücken

der griechischen Anthologie,

und bey noch

mehrer» verschiedner «eurer» Dichter behelfen, die

sich eingebildet, daß sie nur das erste das beste ab­ geschmackte Histörchen zusammen reimen dürfen,

tim ein Epigramm gemacht zu haben.

Lin Bey­

spiel aus der Anchologie sey dieses *): Kew

«XXvXu» mrei ätrtrxiiarcn.

xAmjf Key XlAtr/ey

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Ai&agyix«;

Kuftteei,

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o ToXfJt,ws V7T6 Xvrri}s9

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»pfpoTi^ots r/itwr «kos * tue e (*vt stvTft»

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f 91^1

XMTOf,

„Ein Wahnwitziger iutb ein Schlafsüchttger logen

„beysammm l**l*

.'

.1 I 7

-

giftige ober obfcine Tiraden, die weder Erwar­ tung erwecken, noch Erwartung befriedigen; dir

mehr, um gegenwärtige dringende Empfindungen zu äußern, hingeworfen, als mit Absicht auf eine besondere Dichtungsart ausgearbeitet find.

Wer

z. E. ein Salve, nee tnlnimo puella naso ♦), ein

Difertiflime Rornult nepotum *•), eilt Caeli, Lesbia nostra, Lesbia Ma, ***) für Sinngedichte halten kann: der muß Lust haben, selbst auf die wohlfeil­ ste Art ein epigrammatischer Dichter »erben zu

wollen

So gar sind die nie genug gepriesenen klei­

nen Stücke, dergleichen ad Phafellum, de passere

mortue Lesbise, und andere, die so unzjhligmal nachgcahmet und übersetzt worden, dennoch nichts weniger als Sinngedichte.

Aber ich gebe es zu,

daß sie etwa« besseres sind: und ich wüßte gar nicht, warum z E. letzteres, auf den todten Sper­

ling feiner Lesbia, welches ietzt unter uns durch eine

Catull.

>73

eine vortreffliche Uebersetzung und durch eine eben so glückliche Nachahmung, In aller Munde ist, ein Epigramm heißen müßte; da es die id.ir.pe Naeuia ihrer Art ist, die m>< aus dem Alterthume übrig geblieben. Wenn aber dem ohngeachtet sich Mattial nach dem Catull soll gebildet haben; wenn er selbst, iHv für f inen einjigen Meister erkennet •_): so ist die­ ses entweder nur von dem naiven Ausdrucke, und andern allgemeinen Eigenschaften des Dichters, oder doch nur von der geringsten Anzahl der fiel, nern catuötsdjen Gedichte zu verstehen, von wel­ chen es allein möglich war, daß Marktal sein Ideal des Sinngedicht« abstrahlret haben tonnte. Von sblchen, z L. ")

•) i*. *• «r-

?8.

Sic inter veteres legaf Foetai, Nee nuicos mihi pr»frta$ priores t Uno sed tibi sim minor Carulle. **) Carmen 91. ys. & 10$.

(satu II.

»74 fr . ■

. i

»*MCC* De

■■

»

Lesbia.

Lesbia mi dicit sein per male, nec tacet unquam

De me: Lesbia me, difpeream nifi amat.

Quo figno? quasi non totidem mox deprecor illi Affidue: verum difpeream, nifi amo. Ad Calvum de Quinti/ia.

Li quicquam mutis gratum acceptumve fepulchris Accidere noftro, Calve, dolore potek,

Quo defiderio veteres renovamus amores, Atque olim misfas flemus amicitias: Certe non tanto mors immatura dolori eft

Quintiliae, quantum gaudet amore tuo. De puero et prcecone. Cum puero bello praeconem qui videt esse,

Quid credat, nifi se vendere discupere? 9«m wer erkennet in diesen nicht die völlige Ein­

richtung des Martials?

Und nur auf diese, wie

es der Rhetor nennen würde, enchymematische Einrichtung kömmt es an, ob etwas ein Sinnge­

dicht heißen kann: nicht aber auf die bloße Spitze

des

Catull.

>75

des Schlusses, die bald mehr bald weniger rüge« schliffen seyn kann, so wie sie es auch wirklich bey dem Martial selbst ist. (--)

Ach getraute mir, wegm dieses Urtheils über die kleinern Gedichte des Catulls, mit einen l7auzettus selbst fertig zu werden. Denn so ein großer Verehrer des Catulls Nam geriuö auch immer mag gewesen seyn: so ist doch gewiß, daß er den Martial eben so wenig wegen der Unzüchtigkeit, als wegen der ihm eigenthünv lichen Einrichtung des Sinngedichts, jährlich verbräunt hat. ZeneS möchte uns Toskanus lieber bereden: aber wen hätte NaugeriuS sodann dem unzüchtigen Martial vorgezogen? Einen noch um züchtigern Catull. Dieses hingegen kann dämm nicht seyn, weil wirklich die eigenen Epigramme des Naugertus in ihrer Einrichtung dm Epigram­ men de« Martial weit näher kommen, als den klei­ nen

Latuü.

I

w> nett Gedichten des Latull«; welche» bereit» Va,

vassor, und noch ein Gelehrter

ob schon nur

an dem einzigen auf die Dlldflule de» Pythagoras,

da» ich obm angeführt Habs, nicht ohne Vermutn

dcmng bemerkten. rung?

Aber warum diese Verwunde,

E« war dem Naugeriu», wie gesagt, we­

der um die Sittlichkeit, noch um eine gewisse Einfalt, die sich mit dem zugespitzten Witze nicht

wohl vertrügt, jti thun; welche» auch daher schon erhellet, weiter, nach dem Riccirt» “), die Pciapeia allen attdem Epigrammen dieser Art

weit vorgezogeu.

Sondem er sahe lediglich auf

die Sprache, die sich in dem Martial viel zu weit von der Reinigkeit und dem vollen mLnnlichen Gange des clceronischen Zeitalter« entferne.

Wir

wissen, wa» für ein Eiferer für die Sprache diese«

Zeitalter« er war; er, dem Politian und Ern«, tnoa *) Remerques für les Reflexion* du P. Repin, p. 699. Op. Vavafsoris. — Obfervttiones mifcellanea: io Auctbrcs v. 8t a. Vol. 11. T. II. p. 2O8‘ ♦*) Barth öl. Ricci us de Imitation« lib. X.

Latttll.

'77 —♦

MUS viel zu barbarisch schrtkbm.

Wenn er alst

ja die zugespihtm Schlußfälle btf Martials ju»

gleich mit verwarf, so geschahe es doch gewiß Mw

in so weit, als ebm sie es sind, dle von jener Lau» terkeit sich zu mtfernm, und jmem reichen Nüsse

von Worten zu entsagen, am ersten verleiten. Denn di« nehmlichen Schlußfälle, so bald sie nur

einer altrömischem Diktion fähig warm, mißfie»

lm ihm gar nicht.

Man fthe das rwilfte, da«

siebzehnte, da« zwey und vierzigste seiner Gedichte, in der Ausgabe der Vulpii.

Das letztere ist auf

sein eigenes Dtldniß, in welchem ihm der Maler einm Hämisch angelegt hatte, und schließt:

— Non qtrod firn pügna versatus in ulla, Haec butheHs pifter induit afma meis.

Verum, hoc quod bell«, hec Patriae quod tem« pore iniquo,

Ferre vel Imbellem quemlibet arma decet. Waü kann mehr in dem Geichmacke des Martial

seyn, al« dieser Schluß.?

Nur stepllch, daß ihn M

Mar»

Catull.

178

v Martial vielleicht mehr zusammen gepresser, und

unstarr in vier Zeilen, nur in zweyen würde gesagt haben.

Denn die letzte ohne eine Zeile, das La­

tein mag so gut seyn, al« « will, ist doch wahr,

lich sehr prosaisch. Vielleicht dürste rt auch überhaupt nicht wahr seyn, daß NaugeriuS ein so besonderer Verehrer

de« Catull« gewesen.

Denn PauIJovius erzehlt

zwar, baß er alle Zahre, an einem gewissen den Mustn geheiligtm Tage, eine Anzahl Exemplare

vom Martial dem Vulkan gevpfett, da« ist, ver­ brannt habe.

Aber e« ist, wie bekannt, ein eigen,

mächtiger Zusatz de« Lamianus Srrava, daß

diese Verbrennung dem Catull zu Ehrm geschehen sey.

Naugeriu« zeigt sich, in seinm Gedichten

selbst, auch nur al« einen sthr mtfemtm Nachah, mer de« Camll«: er ist bey weitem kein Cotta, der, um eben diese Zeit, seinm Landsmann mit

allm dm offenbarstm Fehlem nachahmte, und

besonder« in der Rauhigkeit de« carullischm Pen­

tamer

Ca ru ll. J|

*79

j

tameters eine Schönheit suchte, die nur für ganz

eigene Ohren sey» kann. Zwar wenn Cotta dieses in dem Geiste that, in welchem es schon zu der Zeit des jüngmr Plinius geschah: so habe ich nichts

dagegen.

Denn schon damals bediente man sich

zu Rom der Schreibart des Camlls, so wie jetzt

französische Dichter sich der Schreibart ihres Ma-

rors dann «nd wann bedtenm.

Nicht als ob

diese Schreibart noch letzt die reinste, und richtig­ ste, und best« wäre: sondern bloß, weil ihre ver­ alteten Ausdrücke und Wendungen zum Theil kür­ zer und kräftiger sind, überhaupt aber NachlLßig-

keilen erlauben, die der Dichter in der letzt übli­

chen Sprache auf keine Weise wagen dürfte. Fa­ di versus, schreibt Plinius von dem Pompesus

Satumr'nus •), quales Catullus aut Calvus. Quan­

tum illis leporis, dulcedinis, amaritudtois, atnoris inferit! fane, fed data opera molliusculos, levius-

culosque, duriusculos quosdam: et hoc, quasi Ca-

M

i

tullu*

180

Catull.

e

I Colins aut Calvos.

Mich dünkt, ti ist kein Wurv

der, daß uns von dtrfm Versen de« Saturnino« nichts übrig gebltebm: wer sich nicht in der Spra,

che seine« rigmm Zeitalter« auf die Nachwelt zu kommen getrauet, nimmt vergeben« zu einer Altem seine Zuflucht.

Die Nachwelt hat genug zu thun,

wenn sie auch nur die Muster in jeder Gattung

aufheben soll; und e« ist nicht« mehr al« Be» dienst, daß der originale Martial, vor dem voll, kommensten Nachahmer de« Tamll«, auf uns

gekommen ist; wenn e« auch schon wahr wäre, daß Tamll selbst dem Martial unendlich vor» zuzlehen st». (antet:

Ad patriam redeo longis a finibus exnl. Caub mei reditus eompatriota falt St 3

Sdlicet

Catull.

iga

t>*"r£T

t

1

Scbicet a Calamis tribnit cui Francia nomen: Quique notat curfutn praetereuntis Iker.

Quo licet Ingenio vestrum revocate Catullum, Quovis fiib medio clausa papyrus erat So viel versteht man gleich, daß da« Buch selbst,

oder vielmehr der Dichter selbst, redend etngeführet wird, um uns zu sogen, durch wen, und von

wannen, er aus dem Elmde wieder in sein Vater­ land zurückgekommen sey.

Auch dieses ergiebt sich

fb gleich, daß solches durch einen Landsmann von ihm, durch einen Veroneser also, und aus einer sehr entfernten Gegend geschehen sey.

Wenn nun

Skaltger bloß hätte vermuthen wollen, baß diese entfernte Gegend vielleicht Frankreich gewesen sey:

fb möchte es hlngehen.

Allein er behauptet gerade

zu, daß sie es wirklich gewesen, und will damit

nichts mehr behaupten, als ausdrücklich in dem Epigramme selbst stehe.

In Gallils so eum repe-

riifle alle ipso, qui publicavit, epigrammate testa­

tus est.

Gleichwohl ist es offmbar, baß die testen zwey

Catuü.

183

zwey Zeilen diese« nicht besagen, und daß unter

dem longis a finibus eben so wohl Deutschland, und jede« andere Land, verstanden werdm kann, eU

Frankreich.

Zwar wird Frankreich« in der drittm

Zeile gedacht: aber im geringsten nicht, um da» mit da« Land anzugebm, wo zetther Catull im

Staub« und in der Dunkelheit gelegm; sondem bloß, um au« der Sprache diese« Lande« ein Merk«

mahl anzugebm, au« welchem wir dm Namm de« Finder« errathm sollen.

Dmn die Worte,

Scilicet a Calamis tribuit cui Francia nomen, kön­ nen unmöglich etwa« ander« hetßm, al« daß der

Name diese« Finder«, diese«Äompatriotm de« Ca­ tull«, diese« Veroneser« also, auf welchm nur allein

da« cui sich beziehen kann, in der ftanzisischm Spra­ che a calamis hergenommm sey. Folgt aber hieraus,

daß er sich darum nothwendig auch auf stanztfl«

sichern Gmnde und Dodm müsse besundm habm, alS er seinm Fund chac? Möglich kann e< seyn: nur

au« diesen Wottm fließt e« nicht schlechterdings.

M 4

E
viel gute; und so viel ganz vortreffliche. Wer ihm, aus allm Zeiten und Völkem, noch am nächsten kömmt, ist unser wernike. Beyder Reichthum ist fast gleich groß: nur daß man dem Retchchume des Deutschen ein wenig zu sehr die Mühe und den Schweiß ansieht, dm er gekost«. Martial gewann dm (einigen unter Menschen und von Menschen: Wernike fibertt stinm, ost nicht ohne Lebensgefahr, aus dem Schoost der Erbe zu Tage. Wemike besaß mehr von dm Metallen, woraus Geld zu münzm: unb dem Martiale gieng mehr gemünztes Geld durch die Hände. Man schweige doch nur von dem falschen Witze de« Martial! Welch« Epigrammatist hat dessen nicht? Aber wie viele haben das, was dm falN» schm

1-6

Martial. ♦

schm Witz allein erträglich macht, und was Mar­ tial in so hohem Grade besitzt 1

Martial weiß,

baß es falscher Witz ist, und giebt ihn für nichts

anders: seine müssigen Finger spielen, und kaum ist das Spielwerk fertig, so bläset er es an« der

Hand.

Andere hingegm wissen kaum, woran sie

schneiden und poliren, ob es eil» echter oder unech,

ter Stein ist; sie geben sich mit dem einen eben so viel Mühe, als sie nur mit dem andem sich geben

solltm; mit gleich wichtiger, gleich seyerlicher, gleich ehrlicher Mine bietm sie den unechten eben so theuer als den echten.

Auch wüßte ich fast kein Exempel, wo Mar» tial in eben demselben Sinngedichte falschm und wahren Witz vermischt hätte.

Er hat sehr ost

wahren Witz; auch wenn der Gegmstand sehr

klein, sehr lächerlich, sehr verächtlich ist.

Aber

nie zeigt er falschen Witz bey einem ernsten, wär-

digm, großen Gegmstande.

Er kann bey einem

solchen eben so ernst, ebm so würdig, eben si> groß seyn

-

0

Martial.

197

***

3

"

seyn : und nur da« ist der wahre Probierstein M

witzigen Manne«, dem man den Witz zu keinem

Schimpfe anrechnen darf.

Seine Vertheidigung

in diesem Punkte wäre nicht besser zu führen, alt durch Gegenstellung neurer Sinndichter, die sich gelüstm lassen,

über den nehmlichen ernsthaften

Dorwurf mit ihm zu wenetfem.

Zch will nur

eine einzige dergleichen angebm; wozu ich da«

Sinngedicht auf den Tod der Porcia wähle. Dar Original der Martials, — wer feimt es nicht? - ist dieses. *) Conjugis audiffet falum cum Porcia Bruti.

Et fubtrafta fibi quaereret arma dolor:

Noadum fcitis, ait, mortem non poflie negari? Credideram fatis hoc vos docuifle patrem. Dixit, et ardentes avido bibit ore favillas:

I nunc, et ferrum, turba molesta, nega.

Vortrefflich! ob schon nicht«, al« da« historische

Faktum.

Nur daß der Dichter da«, wa« Porcia

N 3

bloß

Martial.

is8 t s

I

II

-----

J

bloß durch ihre Handlung sägte, sie mit Worten

ausdrücken läßt.

Man sage nicht: „aber mit

einer ziemlichen Unschicklichkeit, wenn die That ander« sd geschehen ist, al« Plutarcb berichtet, daß nehmlich Porcia, nachdem sie die brennenden Koh, len verschluckt hatte, den Mund fest verschloß, twb durch Zurückhaltung des Athem« ihren Tod best,

derte. „ Freylich hat sie nicht« weiter gesprochen, und konnte wohl auch nicht« weiter sprechen. Doch «er heißt un« denn, die letzte Zeile al« SBorte der

Porcia anschen?

Ich weiß wohl, baß e« Auske,

ger de« Matttal« giebt, die diese« zu thun au«, drücklich anweisen; wie z. E. Raderug *) r bage»

gen ich keinen weiß, der vor diestr Mißdeutung gewatnet hätte.

Gleichwohl ist e« sicherlich eine;

und die Worte, I nunc, et ferrum, turba molefia,

nee»! sind SBorte de« Dichters, der auf einmal sich dsinkey läßt, bey der Handlung selbst gegen, wättig •) Dey dem bisse lebte ßrile infuicintis ct imdcntis Porti» vißlicis vox heifir.

Ma r t i al.

»U

199

...

wjtttg ju seyn, und ganz tn dem Geiste der Poe«

eia, der vereitelten Aufsicht mit diesen, Epiphone-

ma spottet.

Mit der Arria, die man bey dem

ähnlichen Entschlüsse, mit ihrem Gemahle zn ster­ ben, an der Ausführung gleichfalls hindern wollte,

und die mit dem Kopse gegen die Mauer rannte, baß sie für todt niederfiel, wäre er ein andere« ge­

wesen.

Dmu dieft ward wieder zu sich gebracht,

und hätte also selbst ein solche« I nunc zu der lästi­ gen Schaar ihrer gutherzigen Aufseher sagen kön­

nen; wie sie dm» auch wirklich so etwa« sagte.')

Aber der Porcia, mir dm brmnenden Kohlm im

Schlunde, e« in dm Mund zu legen: so eine Un­ gereimtheit konnte dem Marttale unmöglich einfal-

lm.

Und nun, nachdem ich ihn von diesem an-

gcschmitzten Flecke gerciniget, höre man seine

Nacheiferer.

N 4

Der

Plhu*i fp. 16. HL in. FociUata, dixeram, inquir, vobis invemuram me cuamlibet duram id Worten» vianij si vo Heilem negafletis.

400

Martial.

t

.

i

Per erste sey Marku» Antonio» Lasirnova; denn es hat nicht an Kennern gefehlt, die ihm um ter den neuem latetnifchm Epigrammatisten den

allererstm, und zugleich den nächsten Platz nach

dem Martiale zuerkannt haben.

Welche Envar-

wng muß dieses «rweckm! *) Porcia magnanimi poteram post fata Catonil Vivere ? debueram non soperefle patrl. Sed mo fata tuo fervabant, Brate, dolorl: An dux ad mortem non fatis unus erat?

Dumque fibi ferrum querttur moritura negari: Hane, ait, explorant Nomina et igne demum.

Und nun, welcher Abfall!

Zch will nicht tadeln,

daß die Sermocination, welche von vome herein

nicht angegeben wird, mit der fünften Zeile st

nachlLßlg abbricht; ich will nicht anmerkm, dar dem Leser schon die ganze That der Porcia bekannt seyn muß, wenn er die letzte Zeile nur einiger»

Maaßen verstehm soll: sondem ich will bloß fragen,

war

Martial.

301

was wir bey dieser letzten Zeile, außer der dunkeln Aiideumng der That, überhaupt dmken sollen? Oder was hätte Porcia wohl selbst gedacht, wenn

ihr wirklich in dem kritischen Augenblicke solche Worte entfahrm wären?

Wie kam fie darauf,

sich einem Hause zu vergleichen? Haue mit Feuer prüfen?

Was heißt, «in

Was kann es in dem

figürlichen Verstände heißen, in welchem es hier

gebraucht seyn muß? —

Doch diese Armseligkeit

ist so vieles Ernstes nicht werth.

Ungefehr um gleiche Zeit mit dem Casanova, versuchte auch Faustas Sabaua sein Heil;

und so: *) Bruto dlgna viro, generofi nata Catonis, Ebibis ardentes cur moritura faces? Non aliter potoi tantum compefcere luftum:

Igne exficcantur, igne domantur aqux.

Sollte man nicht glauben, Porcia habe sich, un­ ter allen «-glichen Todesarten, gerade diese mit

N 5 *) Delia« Poet. Itil. P. XL p.

-vielem

t

t

lüOr

vielem Bedachte ausgesonnen?

Sie habe mit

allem Fleiße die Wasser ihrer Betrübniß, nicht etwa mir dem Dolche abjapftn, sondern lieber mit Feuer auftrocknm wollen?

Sie habe —

Doch

was ist leichter, als über so was zu spotten? Zch eile zu einem drittel», dem Nikolaus

Grudius: dem Bruder des zLttltchm Johannes

Sekunda»; leider nur einem letblichm Bruder, und keinem Bruder in Apollo. —

Aber sein Epi»

gramm ist st lang — ich glaube ich werde mit dem

bloßen Schlüsse davon kommen können.

Er läßt

die Porcia gegen ihren todten Gemahl in zwölf Verse«» betheuren, wie gem und wie unfehlbar sie

ihm unverzüglich stlgm wolle; und setzt endlich hinzu: #) Hxc simul; ardenti simul obftruit ora favilla. Qu» potius flagrans tela miniftrebamor? Qu® potius ?

Zch dächte lieber einen von seinen

eigenen Pfeilen; besonders, »vem» ihr« von jenm vn>

20z

Martial.

e

11

-jb**-*aOc>*‘** ii



,

vertauschten noch einer übrig ist. Oder, wmn eS ja Feuer seyn mußte, warum nicht lieber seine eigene Fackel? Es folget endlich Werm'ke; und es thut mir leid, daß ich ihn muß folgen lassen. Er hak zwey Sinngedichte auf die Porcia; beide ungleich besser als die Sinngedichte des Casanova, des SabLus, des GrudiuS; aber beide doch noch unendlich unter dem Muster des Martials. *)

1. ..Man bitt nicht Porcia vergebens sich beklagen, ..Noch daß dieß edle Weib in Ohnmacht weibisch sinktr »Eie kann, gleich ihrem Mann, den Lod beherrt ertragen, ..Und iffct Feur, weil er aus Leche Wasser trittst, r. .. Schau an die Porcia, die kein Geschicke beugt, ..Die mit dem Tode weiß, wie Cat» selbst, zu scherzen: »Die Kohl' in ihrem Munde zeigt, »Was für ■ ■

auch nur ein# »»ft den groben unnatürlichen Wol­ lüsten anzupreism, deren bloße Benennungen bey ihm uns schon st viel Abscheu erregen t Vielmehr,

M er ihrer erwähnt, geschieht es nie anders, als mit Spott und Verachtung.

Hieran muß aber

Vavasstr im geringsten nicht gedacht haben, der

ein gewißes Epigramm, worinn ich M Zlechtfer» tigung des Manials gerade am meist« jtt find«

glaube, st ansteht, als ob stch der Dichter ftlbst dadurch das Unheil gesprochen»

Es ist das drey

und vieqigste des zwilsten Buchs, au einen nicht ganj schlechten Poetm, dessen er unter dem Namen Sabellus mehnttalen gedenkt. Facundos mihi de libidinofis Legi Ai nimiurn, Sabelle, versus!

Quales ned Didjmal sciunt puelbe,

Nee malles ElephaDtidos libelli: Sunt illic Veneris nove figura;

Quales perdituS audeat fUtutot; Praeftent et taceaht quid exoleti;

Quo symplegmxte quinqne copulentnr; O

Qua

Martial,

aio t "

'



ij

Qua plnrei teneintnr a catena; Extfoftam liceat quid ad lucemam. Tanti non «rat «sse te difertum!

Vavassor erkennet in diesen Versen, ich weiß nicht welchen Triumph, dm die Ehrbarkeit auch oft

über die erhalte, von denen sie am muchwilligsten unter die Füsse grtrerm werbe. Wmn sich unter dm» SabrlluS, sägt er, Mattia! nicht selbst mey,

ntt: so prallet doch der Pfeil, dm er gegen dieser

fein Ebenbild abdrückt, unmittelbar auf ihn zu«

tflrf *). — Zch kann mich dessen schwerlich bete/ dm. Denn auch der unbesonnenste Schriftsteller nimmt sich vor dergleichen Selbstverdammungen

tvohl in Acht. Vielmehr muß Martial von seinem steyestm Epigramme btt $« dem Gedichte des Sa,

bellus noch weit hin r« seyn geglaubt habm; und ich *) Cy. XI. — Nuaquim mihi magii placuit Mmialii» qtutn «um fuim vcrborum intcmpcranüem ultus cft ipfe per le, ft Musis, quas coafporcavit> de corio fuo, itt si loqui licet« siüsfecic. Mirum illud (cd tarnen verum« Scripsit contra ft Manialis» et taftuoi damaavii fuumi eÄ modo» ut «nrea rofuil

Martial. (r_

i

31t

ii

-11f -ZU"

3

ich meyne, er hätte diesen abführen können, wenn

er sich der Retorsion gegen ihn bedienen «ollen.

„Die? HLKe Martial sagen können, „ich mit dir,

„SabclluS, in gleicher Schuld?

Zch, der ich

„nichts sage, als was täglich um und nrbm mir „geschieht; der ich es htchstms nur eben so ohne

».Scham sage, al« es geschieht; der ich es aber „auch so ohne Scham sagen muß, wenn es ein

„Brandmahl für dm werden soll, von dem ich « „sage: wa« habe ich mit dir gemein, der du zu „dm Lüsten, die ich durch da« Lächerliche so gut zu

„bestreiten suche, als sich etwas Sttafbares durch „das Lächerliche bestreiten läßt, der du zu tiefen „Lüsten mit aller mögltchm verführerisihin Bered, „ ftmkett anreiyest? Dieses Anrettzen, diese Er,

„Weckung der Begierden ist es, wa» ich eigentlich O

i

„an

posui t excusavit. ttfe ac iudica. F ein Thor gewesen, baß er einer Saufgurgel gleich hingegebm hätte, was er ja wohl zu andem Dingm besser anwmden tonnen, wenn er es schon

nicht selbst verrrinkm wollen, oder tonnen? Q4

Nec

Nee confeflbrum vicina numismata tantum, Aera fed a cunels ulteriora petis. Dieses ist gerade die größte Schwierigkeit; aber

auch gerade das, was die Ausleger am wenigsten bekümmert: nur daß einige bkMimiia in der Angst

herbey ziehen, damit sie wenigstens nicht ganz ver,

stummen dürfen.

Doch ich will mich bey einzeln

Widerlegungen nicht aufhalten, sondern kurz sagen, worinn ihrer aller Irrthum liegt.

Es ist falsch,

daß die fünf Namiünata, welche jeder Ritter im

Theater damals hatte, fünf wirkliche auch außer dem Theater gangbare Geldstücken warm: es wa­ ren nichts als fünf Zeichen, Marken, Zahlpfem nige, die sie bey dem Eingänge, oder vorher, er­

hielten, und gegen deren Diederablieferung ihnm

etwas Ausgemachtes, hier namentlich Wein, verabfolget warb.

Mit einem Worte, es waren

Tefferae: Und so wie es Teffene frumentarte, oleatiae, coenariae, nummariae gab *), warum sollte

es ♦) Torentios ed Suet. Aug. e. 41.

Martial.

S49

e< Nicht auch Tefferae vinariz gegeben habm?

Ganz gewiß; die quinque numifmata warm quin*

que teffera vinariz, und dieses ist der einzige wahre Schlüssel zu betdm Epigrammm.

Solche Teflene

galten außer ihrer Bestimmung nichts; unb wer

keinen Gebrauch von thnm machte, «0 er ihn

machm sollte, besaß an ihnm auch weiter nichts. Dieses allein macht es begreiflich, wie man im Theater ß> freygebig damit styn konnte.

Warum

sollte man rinnt andern nicht darauf genieß« las,

sm, was man selbst nicht gmießm mochte? Hütte sich Sexkllian nur seiner Unmäßigkest nicht zu schä,

mm gehabt:

Die Zeichm härte er immer ohne

Scham annehmm, auch wohl von seilten Dekan», ten ohne Scham fvdern ttnnen.

Zu mehrerer

Bestärkung dieser meiner Auslegung merke ich nur noch an, baß numisma auch bloß für dm ©tritt,

pel, für das Gepräge auf einem Geldstücke ge,

braucht wird, und daß das Wort teffera nach kei, ner Abänderung in bas eiegteifche Sylbemnaaß

Q

s

geht.

Martial.

rz»

,

t

geht, wodurch allein schon Martial gezwungen werden

konnte,

ein andere« Wort dafür zu

brauch«. 2. Zum zweyten Deysstele wähle ich das ein und fünfzigste Epigramm des acht« Buches, in

welchem

von einem Kunstwerk« die Rede ist;

nehmlich von einem kostbar« Trtnkgefchtrre, wel­ ches der Dichter von dem Rufus geschenkt bekam, und dar er daselbst folgendrrmaaßm beschreibt:

Quis labor in phiala? deftt Myos, anneMyronis? Mentoris bacc man ns est, an, Polydete tna?

Livescit nulla caligine fufca, nec odit Exploratores nubila mafia focoi. Vera minus flavo radiant ele&ra metallo,

Et niveum felix puftula vincit ebur.

Materi» non cedit opu$: sic alligat ordern, Plurima cum tote lampade Luna nitet

Stat caper Aeolio Thebani vollere Phryxl Cultus, ab hoc mailet vecta fiilffe foror.

Hunc nec Cinypbius tonfor violaverit, et tu Ipfe tna palci vite, Lyaee, velis.

Terga

Martial.

S5i

Terga premit pecoris geminis Amor aureus alis,

Palladius teuere lotos ab ore sonst.

Sic Methymnaso gavifus Arione delpbin, Languida-non tacitum per freta vexit onus. Imbuat egregium digno mihi nestare munus

Non gr- ge de domini, fed tua, Cefte, manus - Was ich mit dem allgemeinen Namm Trinkgeschirr benennet habe, war eigentlich eine Schaale mit ei»

nem ganz tunbett Boden, so daß sie auf diesem Dodm nicht stehen konnte, sondern auf dm Rand

umgestürzet werdm mußte, wmn sie ruhig liegm

sollte.

Das ist die Beschreibung wenigstens, die

uns Aehenäus aus dem Apollodorus von Athm und au« dem Dionysius Thrax von einer Phiala

macht *)t

»ubr» ttt trv^fitw foi

»«y I»f4$ec9■«/, »aa« e»r«t t«

TiSu&xf

Es war offb

ganz gmau das, was wir ein Lnmmelcken nem nm; ein Decher, der gleichsam selbst berauscht ist, und auf seinem Fusse nicht stthen kann.

Jedoch nicht

•) Lib. XL p. fOI Idir Dalech.

ass

l>

Martial.

»O»«"

■(

nicht um die Form des Trtnkgeschitte« ist mir rt letzt zu chun, sondem lediglich um ble Malerte desstlbm. Ich frage: woraus bestand es? die Aus« leger, so viel ich deren nachgesehen, — das ist, alle ohne Ausnahme — antworten hierauf, wie au« Einem Munde, daß sie von Gold geir.sen fty, und zwar von berjenigm Art Goldes, welche Eleftrum geheißen. Doch dieser Uebereinstimmung ungv achtet bin ich ganz ariderer Meynung, ob ich gleich gern gestehm will, daß die gemeine Auslegung, auf dm erstm Anblick, die wahrscheinlichere zu seyn scheinet, und baß Martial Worte und Aus« drücke braucht, von denen es mich würde gewum bert habm, wenn sie niemanden verführt hätten. Die richtigere ErklLmng dieser Motte und Ausdrücke ist es daher auch, die es der Mühe wetth macht, ein längst nicht mehr vorhandenes Geschirr in ttiu Here Betrachtung zu ziehen, von dem es sonst sehr gleichgültig wäre, ob es von Gold, oder von wer weiß was? gewesen. Ich

Martial.

»53

Zch sage als», die Trlnkschaale unsers Dichters

war nicht von Gold, sondern aus einem ko>ibaren Steine geschntttm. Ich will nicht hoffen, daß

tch nöthig habm werde, vor erst zu erwetsm, daß es wirklich Trinkschaalen aus kostbaren Steinen -egebm. Nach dem Salmasins zwar, sollte lch

es fast nöthig habm. Dmn dieser hielt sich, ziem­ lich aus dem einzigm Grmide, daß die Phiila der

Alcm gewihnltchermaaßm von Silber genresm, für berechtiget, in dem Lampnvikus eine Stelle zu ändem, *) in der außer ihm wohl sonst kein Mmsch etwas zu LnbeM hätte findm sollm, und

Phiaias fenas in eben so viel Mauleselinom zu

verwandeln.

Doch bey dem allm lmgnet er es

selbst nicht, was ich als ausgemacht anttehme. Und nun Zeile vor Zeile rrwogm i

Die ersten zwey, in welchem der Dichter dm Meister feiner schönm Schaale errathm will oder

zu wissen verlangt, sollm mich dadurch nicht irre

machen.

a54

Marti»!.

Hmache», baß sich von dem Mya, dem Myron, und dem Mentor, nur Werke In Erzr oder Sil­

ber angrsühret finden.

Die altm Statuarii wa­

ren allgemeine Dilderer, und wer in Erz: gieß«, konnte, der konnte gewöhnlich auch in jeder an-

hem Materie arbeiten.

Vom Polykler wenig­

sten« find«» sich, ebm sowohl Werke in Stein al«

io Erzk, bey alten Schriftstellern genannt. Wenn also Phon diese Zetlm nicht« für mich beweisen, so bin ich doch auch ganz ruhig, baß sie im Grunde

nicht« gegen mich bewetsm können.

Vielmehr

ist «« billig, daß sie sich i» ihrem Sinne nach dm

übrigen Zetlm bequemm. Gleich die jweyte und dritte nun; Livescit null« caligine fulca, nee odit Exploratorea nubila maffa focos:

wie ist es doch immer möglich, daß «ran die vom Golde verstehm kann? Wie kann Gold nubila maffa

heißen? Wie kann man vom Golde sagen, daß e« nulla caligine fuseum sey? Wie kann man sagen,

daß

Marttal.

|

*•*-" -1

-55 —3

baß ein goldene« Gefäß daSFeucr nicht i» scheue»

habe? Nubil* maffa kann schlechterdings nur ven einerMassegeftzt werben, die weder ganz undurch­ sichtig noch ganz durchsichtig ist; nur von einer Masse, durch die wir die Gegenstände gleichsam

wie durch einen Nebel erblicken, dergleichen alle Hornsteine in ihren klaren Stellen sind.

Auch

kann da« Gold im Schmelzen durch kein« Rauch

etwa« fclbcn, und wenn et noch so unscheinbar

au« der Kapelle kömmt, so ist e« doch gar bald poiiret, und Färb und Glanz «erbm an einer Skelle, rote an der andern.

Ein goldene« Gefäß aber

zu pottreN, wer iN der Welt wird e« in den Schmelzriegel werfen, roenn er sein Gefäß nicht am läng­

sten will gchabt haben?

Har man denn fönst kein

Mittel zu erforschen, ob da« Gold lauter und rein, oder mit Zusatz verfälscht sey?

So wenig alle diese

Ausdrücke -aber auf da« Gold passen, so vollkom­ men passen sie hingegen auf eine schöne Steinarr, die an allen Stell«, da« Licht in einem gleich«»

Grad«

2Z6

Martial. >♦

Grade durchläßt, ohne dichtere Fleckm ju haben,

t»6 es fast ganz undurchsichtig ist. Auch nur von einer Steina« gilt es, daß sie die Probe de«

Feuer« nicht zu scheuen hat. Denn ti ist gewiß, daß eine wahre edel« Steina« einen hähem Grad

d« Feuer« aushalten kann, al« irgmd eine Konu Position. Und dessm, daß die Masse drr Schaale

keine Komposition, sondem echter uatürücherStetn sey, kormte der Besitzer auch höchsten« nur ver,

sichert ru seyn verlangen; wie auch sich rvirkltch versichem, wenn er sie wir der gehörigen Dehuv samketr einem Feuer «uSstellte, dem keine Komposition, ohne Nachchetl an Klarheit und Farbe,

Widerstand gehalten hätte. Der fünfte Der« ohne Zweifel war der et« sührerisihste: Vera minus flava radiant eleftra metalle.

Es fragt sich: wa« sind hier die vera Eleftra?

Zst da« eigmtlich ft genannte Erdpech, der Denn stein, da« Sncdnum» und wie tt sonst heißt, da­

mit

Martial. -■■**» nffi? *0..-------

»SS

257 -

- g

mit gemeynet? oder sollen wir die Art Goldes ver­ stehen , die ivegm ihrer blaßzelben Farbe den

griechischen Namen des ebm so blaßgelben Bern­

steine bekam? tere.

Die Ausleger behauptm: dae letz­

Denn, sagen sie, auch von diesem Elektrum

gab es zweyerley ©orten, eine natürliche und eine nachgemachte.

Sie bemffen sich deshalb auf das

Zeugniß des Plinius, gegen welche« nichts einzu-

wenden ist. ♦) pondere. —

Omni auro inest argentum varlo Ubicunque quinta argenti portio est,

elestrum vocatur. — addito.

Fit et cura elestram argento

Von dieser zweyten nachgemachtm Sorte,

meynen sie, sey die Schaale gewesen; und Mar­ tial habe in den Worten, Vera minus flavo radiant

elestra metallo, von ihr rühmen woLm, daß sie demohngeachtet an der erforderlichen Farbe dem natürlichen Elekmim nichts nachgegeben, oder ihm

wohl gar noch vorzuziehen gewesen.

Da« alle«

klingt recht gründlich und gur; und gleichwohl ist

9t •) Nit. Hist. lib. XXXgl. c. 4.

258 I

i

Martial. ...

.itfcngJgfQ

G

es so viel wie nichts. Denn man sage mir doch nur, wie es möglich ist, dem Golde, welches eln Fünsthetl Zusatz von Silber har, es anzuschen, daß es dlefm Zusatz von Namr habe, oder daß er ihm durch die Kunst ertheilet wordm? Man sage mir doch nur, woher zwischen dem Golde in dem etnm Falle, und dem Golde in dem andern Falle, der geringste Unterschied kommen ktnne ? Feines Gold ist feine« Gold; und eln Fänstheil Silber ist in der Hand der Namr nicht mehr und nicht weniger, aU in dm Händen brr Kunst. Ich begreife auch nicht, wie beide Stücke die Eine inniger eermf# schm sinnt, als die Andere; da sich die Natur selbst keine andem Hülfsmittel dazu bedimm kann, als die Kunst von ihr entlehnet. Ich weiß wohl, daß Plinius dem natürlichen Elektrum, dem Gol» de, welches die Namr selbst mit einem Fänftheil Silber vermischt hat, eine Eigenschaft zuschreibt, die er dem künstltchm Elektmm sonach abspricht, weil er sie nammtlich nur jmem beyleget. Quod ett

259

Martial.

l

j

est natirum, sägt VC, et venena deprehendit.

Aber

die Sache würde ntchr sehr wahrscheinlich seyn,

wenn sie auch Phon nicht, durch die ungereimte Unterscheidung zweyer Dinge, an denm nichts zn

unterscheidm ist, noch unwahrscheinlicher gemacht würde.

Grillen, die kaum der Widerlegung wetth

sind: denn kurz, wa eiectra sind dem Martial allerdings hier eigentlicher wahrer Bernstein, wah­ res Elektrum; und nicht jene bloß so genannte Mi­

schung Golde« und Silbers.

Daß er aber von

dem Bernsteine sagt, flavo radial tnetallo, dat

hat freylich alle dtejentgm verwirren müssen, wel­ che nicht wußten, oder sich nicht erinnerten, daß

die Lateiner das Wort Metallum nicht bloß von benjmigen mineralischen Kirpem brauchm, von

denen wir es ieht brauchm, sondem mehrere kost­ bare Massen, die aus der Erde gegrabm wurden, damit belegten.

So nmnet Martial selbst, den

lateinischen Marmor, welcher aufdemTaygema gebrochm ward, grünes Metall: *) ♦) lib. VL

R a

Illi-

26s

Martial.

. .................... ..................................

|

Illic Taygeti virent metalla. Za, wenn dieses und mehrere ähnliche Exempel auch nicht wären, warum firmte in unserer Stelle das flavo metallo nicht auch bloß von der Farbe des gelben Metalls verstanden werben? Und wenn Martial in bleiern Verstände sogar von der gelblichem Wolle der spanischm Schafe sagen durste:*) Vellera nativo pallent tibi flava metallo; lediglich mit Beziehung auf die Farbe des kostbar« (len aller Metalle: warum hätte er nicht auch von dem Demsteine sagen dürfen: Vera minus flavo radiant electra metallo; ohne daß darum Wolle Wolle, und Demstein Demstein zu seyn aufhiren müßte? Zch komme auf die sechste Zeile, in' welcher ebmfalls ein zweydeutiges Wort verkömmt, dessen falsche Auslegung dm Irrthum bestärken müssen. Et niveum Felix pustula vincit ebur. Pustula

361

Martial. »

■■

-

■■

■ - |

Pustula heißt eigentlich jede kleine Entzündung, die

sich auf der Haut äußert; eine Blatter, eine Ma,

ser, und dergleichm.

Weil nun aber so eine Blatt

ter, oder Maser, über die Haut htnaustritt, so sind einige Ausleger der Meynung, baß hier unter

pnstula die erhabenen Figuren der Schaale verstaw dm würdm.

Andere aber ziehen das argentum

pußulatum hierher; ohne uns jedoch zu sagen, was es hier soll.

Soll dir Schaale selbst von diesem

feinsten Silber gewesen seyn: wie war sie denn auch zugleich von Elekwum?

Sollen aber nur

die rrhabmen Figuren daraus gewesen seyn: wer sieht dmn nicht, daß diesem der Dichter selbst au«, drücklich widerspricht, wmn er weiterhin dm schi,

nm goldgelbm Dock beschreibet?

Eben dadurch

werden dmn auch dle erster« widerlegt.

Dmn

wmn hier von den erhabenm Figmen, von der

pustula, gesagt wird, baß sie da« Helsenbein an Weiße übertroffm i wie kinnen sie denn dort al« goldgelb angegeben werdm?

R 3

Genug der Wider, legung:

Martial.

36

■ “sti-tfip-iff“ legung: der wahr« Verstand ist dieser.

BuftuU

schließt nicht nothwendig den Degrif der Erhöhung

in sich, sondem heißt auch oft weiter nicht- als ein bloßer Fleck;

weiter nicht- al» da» allgemeinere

macuia; «ine Stelle, wo dir Farbe eine-Dinge»

durch eine andere Farbe tmterbrochm wird.

Bei»

brt ist eben da», was bey dem Plinius auch ver­ tue® heißen: und so wie Plinius macuia und ver­ tue* verbindet, wenn er von den Edelsteinen sagt, daß sie nach Berfthiedenheik derselbe» verschiedene

Namm bestattn; so nennt er auch Lhnliche Flecken

oder Wackeln, besonder» in dm künstlichen inert fcentibus varie miculis ec verrucis - - mutari sanius nomine in cadem plerumque miteria. Et i-------------------- 11 —

265

A

Und hiermit breche tch ab, da sich die übrigen Seilen von selbst erklären.

(7.) An andem Stellen haben die Aueleger den Sinn

des Dichtere verfehlt, weil, ihn nicht zu verfehlen, wenigstens etwas von einer Eigenschaft erfodert wird, die ihnen leider noch öftrer abgeht, als. Scharfsinn: ich meyne, feines Gefühl.

Wer sollte z. E. glauben, daß folgendes kurze Epigramm, welches die Leichtigkeit und Deutlich» kett selbst zu seyn scheinet, noch bis auf den Heuti»

gen Tag nicht richtig genug erkläret worden. *)

Qui ducie vultus, et non legis itta Übenter,

Omnibus invideas, linde, nemo tibi. Aber wie ist das möglich? wird man fragen. Was

ist da viel zu erklären? was kann noch mehr da» rinn stecken, als die trockenen Worte befaßen, wel»

che die ganze Welt versteht? Martial wünscht, daß

R $ *) l.id. I. ep. 4J,

der.

266

Martial.

6er, welcher dieses nicht gern liefet, und ein hihr nijcheS Gesicht darüber ziehet, alle« beneiden möge,

ohne von jemanden in der Welt beneidet zu wer#

den. — Sehr recht i Aber wie steht es denn'mit

dem diese»? worauf geht denn da« ifta? Was ist denn da«, was der Dichter, bey einer so hohen

Verwünschung, durchaus ohne Mißgunst and Hohn will gelesen wissen? Neunzehn Theile der

Ausleger thun, al« ob sich da« ja wohl von selbst verstünde; und da« Eine Zehntheil, welche« sich

ausdrücklich darüber erklLtt, versichert im Namen aller, baß unter dem ista Martial seine eigenen

Epigrammen überhaupt verstehe. Dmn was wohl

sonst? — Wahrlich, schlimm für ben Martial, wenn sich simstnichtS darunter verstehen läßt! Denn

sage mir doch, wer nur einige« Gefühl hat, was

für ein Geck der Dichter seyn muß, der durchaus

verlangt, daß man seine Verse mit Vergnügen le# sen soll; der durchaus nicht leiden will, daß man

auch nur eine Mine darüber verzieht? Und wa« für

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für ein bösartiger, unnmischlicherGeck er seyn muß,

wenn er gar allen, die keinen Geschmack an seinen Versen findm, das Schrecklichste dafür anwüm

scheu kann, was sich nur denken läßt? Gewiß, ft ein Geck, so ein böeartiger Geck war Martial

nicht: ja, wmn er es auch im Grunde gewesen

wäre, glaubt man wohl, daß er sich dafür bloß

grgebm habe? Es ist sonderbar, wie er gerade da eine so kleine ettele Rolle spielen muß, wo er ganz von Freundschaft und Bewunderung fremder Du

gmden überfloß ? Dean mit einem Motte: dasiiia beziehet sich einzig und allein auf dm Inhalt des

nächst vorhergehmdm Epigramms, in welchem er

feinem Freunde dem Decianua ein ft feltmes Lob

«theilet, daß er, nicht seine rigmm Verse, soiu dem dieses tob gleich darauf gegen dm Neid sichem zu müssen, ftlbst für nöthig nachttte: Man

left nur:

Si quii erit, rares Inter numerandus amicos, Qnales prifca fides, famaque neritanos:

Si

-68

Martial.

♦ Li quts Cecropiae madidas Latiaeque Minervae Artibus, et vera fimplicitate bonus: Si quis erit resti cusios, imitator bonefti, Et nihil arcano qui roget ore deos:

Si qnis erit magno? fubnixus robore mentis,

Difpeream, si non hic Decianus erit.

Und nun verbinde man hiermit so fort das folgen­

de; und nttheile selbst. Qui ducis vultus, et non legis ista libenter, Omnibus invideas, livide, nemo tibi.

Sollten Leser, die sich nicht fthr um den Martial bekümmert haben , wohl glauben , daß di» augen­ scheinliche Verbindung dieser zwey Epigrammen

unter sich, schlechterdings noch von keinem Ausle­ ger bemerkt worden?

Was durch Gelehrsamkeit

In den alten Dichtern zu erklären stehet, das ist uns, die wir tetzt leben, ziemlich vorweg genonv

men.

Aber aus mein SBort: von dem, was sich

in ihnen bloß durch Geschmack und Empfindung erklä-

Martial. t-



269

j

erklären läßt, ist uns noch manches übrig gelassen, was wir zuerst bemerkm könnm. Zch weiß nicht, ob ich hieher auch die unzm längliche ErklLnmg eines andem kurzm Epigramms rechnen darf, das st oft nachgeahmr, st ost über« sehet worben. *) Nuper erat medlcus, nunc eft vefpillo Dianlua : Quod vefpillo facit, fecerat et medJcns. Denn wenn man eü hier auch schon empfunden hätte, daß, nach der gewbhnlichm und einzigen Auslegung, dem Einfalle des Dichter« an Rich» tigkeit noch sehr vieles abgehe: st wüßte ich doch nicht, woher man, was ihm abgeht, ersehen svl» len; da der Umstand, durch dm es einzig und allein geschehM kann, st gänzlich unbekannt geblie» ben. Zur Noth mässm wir uns, wenn keine nL» Here Gleichheit zwischm einem Vefpillo und einem ungeschickten Arzt« sich sinder, fteylich auch schon damit begnügm, daß beide die Leute unter die Erde

Martial. fsOc* Erbe bringen, ob schon der eine in einem ganz am dem Verstände, als der andere.

Aber wie, wenn

sich zeigm ließe, daß die Vefpillon« nicht bloße

Todtmgräber gewest»; baß sie dabey noch rin am deres Handwerk gehabt, welches sie einem milderst fihm Arjtt ungleich näher bringt; kurz, wmn sich

zeigm ließe, daß sie die Gehülfen des Tcharfttch« ters gewest», die zugleich Verbrecher mit abthun

müssen: sollte das nicht dm Einfall des Dichters um ebm so vieles richtiger, als beißmder machm?

Diese« aber kann ich wirklich zeigm; und zwar

au« einem noch ungedmckten Epigramme eine« ast tm lateinijchm Dichter« in dem Lakurnäisthen

Manuskripte, welche« ich au« der obgedachten

Abschrift de« Gudius hier mittheilm will.



ist auf elnm Elenden, tvelchrr etnm gewaltigen

großen Bmch hatte; und lautet st:

Moles tante tibi pendet fub ventre, Sinn gl,

Ut te non dubitem dicere blcipitem. Nam te fi addiftum mittat Tententia campe,

Vtipiilo ignorat, quod fecet enfe capnt. Da«

Martial. ti'

27»

I , ■



|

Das Zeugniß ist klar und deutlich; und was wir daraus l muß man, außer der Ausgabe des Räderns, «och die Pariser von 1617 bey Mich. Gfonrnn»

in

Martial.

272 (1

11

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"

1 ■

- ,

in Folio, und die Skrlversche von *619 in Duodej, zu bekommm suchm, welche beide letztem die Anmerkungen von nahe zwanzig verschiebnen @e# lehrkm enthalten.

Ls ist nur Schade, daß wir

das Beste, was in ihn« zerstreun ist, nicht in einem vollständigem und beurtheilendem Auszuge,

als Famabiu« und Schrevel davon gemacht ha» 6m, besitzen sollen;

und daß kein Burman»

oder Corte den ganzen Text des Dichters gegm

gute Manuskripte neuerlich vergllchm, als woran e< ihm noch immer sehr nöthig ist.

Sollte sich noch ein fleißiger Mann findrn, der sich dieser Mühe zu untnziehen Lust hätte: so zeige ich ihm hiermit an, baß die fürstliche Bibliothek zu Wolfenbüttel vier Handschriften vom Martial

besitze«, wovon drey auf Pergamen sind.

Doch

nm «ine, die aber an vielen Stellm sehr verlo» schm, ist von «was bettächtlicherm Alter: Denn die entern beide sind aus der erstm Helft« des fünf*

zehnten Jahrhunderts, und scheinen entweder eine

von

Martial.
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t

braucht, scheinet sehr gegründet zu seyn *): und

welch em Glück rolre es, wmn sich i» diesem, wmigstens nur die unverfälschte Anthologie des Agachig» fände, und mit der Zeit an da« Licht

käme.

Schon au« ihr, warn denn nun auch die

ursprünglichen Sammlungen de« Meleager und

Philippus auf immer verloren wären, würden wlr, denke ich, von dem epigrammatischen Genie

der Griechen einen etwa« andern Begriff betonn mm, al« wir un« letzt davon zu machen, vielleicht nur verleitet worden.

ü) Denn wa« stellet sich der größere Theil von Le»

fern, welcher die Anthologie nur vom Hörensagen, wib höchsten« au« wenig Beyspielen darau« fitv net, überhaupt darunter vor^ Wa« sonst al« eine Sammlung eigmtlicher Sinngedichte, ganz In der Manier, welche dm Griechen, zu Ihren besten

Zelten,

Griechische Anthologie. 29z tz" ----------- »»gpfr-o«.......... Zeiten/ eigen war?

t

Und diese Manier wofür

hält er sie ander»/ al» für da» klare plane Gegen«

theil der Manier de» Martial», welche sich vor«

nehmlich durch Witz und boshafte Ueberraschung empfiehlt?

Gleichwohl geht von bleser Vorstel­

lung , nenn man sie auch nur bey dem Planudes

und Rephalas auf die Probe bringt, sehr viele» Nb.

Und wie viel mehr würde von ihr abgehcn,

nenn wir sie gar gegen jene ersten ursprünglichen Sammlungen, oder auch nur, wie gesagt, gegen

die erste noch erträgliche Verfälschung und Ver­

stümmelung derselben haltm könnten l

In dieser,

de» Agarhias nehmlich, war ein eigener Abschnitt satyrlsther Sinngedichte; noch ritte» andem, wel­

cher lediglich dem Lobe des Welne» und der Schmau-

.ftrey gewidmet «ar, nicht zu gedenken.

Wenn

»ieseaber nun in dem Rephala« gänzlich fehl«;

nenn sich äkephala«, außer dm verliebten Abschnit­ ten, io welchen fteylich mehr Empfindung al» Witz

sepn mußtr, nm auf die dedlkarorischm und sepulT 3

krall«

Griechische Anthologie.

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krall schm, überhaupt nur auf die eigentlichen Auf« schrtsten eingeschränkt, deren größte« Verdienst »V

lerdlng« die Simplicität ist, deren Wirkung aber

nicht au« dieser biogen Simplicität, sondern zu« gleich au« dem sinnlichm Eindrücke entsprang,

welchen da« Denkmahl machte: wie kann man ihn demohngeachtet zum allgemeinm Maaßstabe

annchmcn, nach welchem e« auszumessen, wieviel

Witz die Griechen in alle» verschiednm Gammgen de« Epigramm« geliebet und zu brauchm vergön«

net haben?

(4.) Ev mag sich nun freylich wohl aus dem jätyrischm

Abschnitte, welcher in dem Rephala» mangelt, verschiedmes in der Sammlung de« Planuve« finden.

Allein wa« sich denn auch in diestr: dahin

gehörige« sinder, da« ist von derManier de« Mar»

tial« so weit lange nicht entfernt, al« man sich i i