Gotthold Ephraim Lessings Vermischte Schriften: Teil 8 [Reprint 2021 ed.]
 9783112462485, 9783112462478

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Evtlhold Ephraim Lessings

I ä m mtliche Schriften.

Achter Theil.

Berlin, 1792. Zn der Vossisch en Buchhandlung.

Gotthold Ephraim Lessings

vermischte

Schriften. AAA — »fr*#!«

Achter Theil.

Berlin, 1792. In der Vosstschen Buchhandlung. wr

Vorrede.

Es bedarf bey Lessings Verehrern kei­ ner Entschuldigung, daß in dieser Samm­ lung auch seine Vorreden zu verschiede­ nen/ von ihm theils übersetzten, theil- her­ ausgegeben Büchern nicht übergangen worden sind. Das Jahr, aus denen sie herrühren, ist über jeder einzelnen ange­ zeigt, und es wäre daher überflüssig, hier die Titel der Bücher, vor denen sie ste­ hen, noch einmal zn wiederholen. r

Vorrede.

IV

Auf sie folgen zwey Beyträge zur Kenntniß der deutschen Sprache:

das

Wörterbuch über Friedrichs von Lo­

gan Sinngedichte, und Anmerkungen zu

Andreas

Scultetus

Gedichten.

Bekanntlich gaben Lessing und Ramler im Jahr 1759 gemeinschaftlich -Logau's

Sinngedichte heraus.

Was man bald

vermuthete, daß von dem erstem die

Vorrede und das Wörterbuch, von dem letztem aber nur die Auswahl der Sinn­

gedichte, und einige Verbesserungen in

der Versification des Dichters, herrühr­ ten, hat Herr Ramler seitdem in seiner neuen

Ausgabe von Logau's Sinnge­

dichten (Leipzig 1791)

bestätigt, und

dabei den nun erfüllten Wunsch geäu-

V

Vorrede. —...............

-

j

j

ßert, daß dieses Wörterbuch mit in die

Schriften seines verewigten Freundes ausgenommen werden möchte.

Eben so schahbar, wie das Wörter«

buch über Logau, sind für den Sprach­ forscher auch die Bemerkungen über An­

dreas Scultems Gedichte. Doch brauch­ ten die Gedichte selbst nicht ganz abge-

druckt zu werden, da nur Fragmente dar­ aus nöthig waren, um -Lessings Be­ merkungen vollkommen verständlich zu machen.

Der Schluß dieses Bandes enthält die Schrift:

Vom Alter

der

Oel-

malerey, die noch mit angehängt wer­

den

mußte,

um dem gegenwärtigen

Bande ungefähr eine gleiche Bogenzahl * 3

VI

Vorrede.

«-

------

mit den vorigen zu geben.

-+

Sie kann

gewissermaßen den Uebergang zu unsers

Verfassers artistischen und antiquari­ schen Schriften machen, die in den väch«

sten Theilen folgen sollen. Ohne Zweifel ist Lessings Verehrern die Nachricht an«

genehm, daß sich unter seinen hinterlasse«

nett Papieren noch verschiedene in dieses Fach einschlagende Aufsätze gefunden ha­

ben,

mit deren Anordnung sich itzt der

Herr Hofrath Eschenburg in Braun« schweig beschäftigt.

Inhalt. i. Sekte Gesammelte Vorreden. $ i i) Zu Johann Huarrs Prüfung -er Köpfe zu den Wissenschaften 1752. z -) Zu Marigny Geschichte der Araber unter der Regierung der Kalifen 175z. 13 3) Zu dem ersten und zweiten Theile der Lest singschen vermischten Schriften 175z. 29 4) — dritten und vierten Theile — 1754. 41 5) Zu Lhristlob Mylius vermischten Schrif­ ten 1754' 5r 6) — Richardsons Sittenlehre für die Ju­ gend in äsopischen Fabeln 1757 93 7) — Gleims Preußischen Kriegsliedern 1758. 98 8) — Friedrichs von Logau Sinngedichten 1759» 1 106

II.

Seite

Beyträge zur Kenntniß der deutschen Sprache. , $ n; i) Wörterbuch über Friedrich» von Logau Sinngedichte i/f?. > 119 a) Anmerkungen ju Andreas Sculrerus dichte» 1769* • 341 III.

Vom Alter der Selmalerey aus dem

Lheophilus Presbyter 1774.

287

Gesammelte

I

Gesammelte Vorreden. i. Zu Johann Huart'S Prüfung der Köpfe

zu den Wissenschaften.

I 7 r 3. x5on den spanischen Gelehrten werden wenige unter uns so bekannt seyn, als Johann Huar, te, nicht sowohl nach seiner Person, als nach seinem Werke, dessen Uebersetzung wir hier lie, fern. Denn in Ansehung jener trifft der AuS, sprach deS Seneca, oder wenn man ihn lieber einem Franzosen zuschrelben will, des Herrn de la Bruyere, auch an ihm ein! viele kennt man, und viele sollte man kennen. Unzählige Halb, A a

Gesammelte

4 0,

.

Vorreden.

----- —........ ...... *

gelehrte haben sich mit ihren Geburtstagen und Sterbestunden, mit ihren Weibern und Kin­ dern, mit ihren Schriften und Schristchen in

die Register der Unsterblichkeit elngeschlichen; nur einen Man», der über die Grenzen seines Jahrhunderte hinaus dachte, der sich mit nicht« gemeinern beschäftigte, und kühn genug war,

neue Wege zu bahnen, findet man kaum dem Namm nach darin, da doch die geringsten seiner Lebenöumstände auf den und jenen Theil

seines Werks ein sehr artiges Licht werfen könn­ ten. Unterdessen können gleichwohl meine Le­ ser mit Recht von mir verlangen, ihnen davon so viele mitzutheilen, als sich hier und da auf­

treiben lassen. Ich will es thun; man schreibe mir es aber nicht zu, wenn sie nur allzu trocken

und unzulänglich scheinen sollten. Johann Huarte wurde zu St. Jean Pie de Port, einer kleinen Stadt in dem niedern Navarra, an dem Flusse Neve, geboren. Die­

ser Umstand ist gewiß, weil er sich selbst auf dem Titel seines Werks natural dc Sant Juan

del pie del Puerto genannt hat.

Seine Ge-

Gesammelte Vorreden.

5 ,. »

burtszeit ist desto ungewisser; und Antonius in

feiner spanischen Bibliothek weiß selbst nichts mehr zu sagen, als daß er um ifgo gelebt ha«

be.

Wer sie ein klein wenig näher wissen will,

der begnüge sich mit folgender Muthmaßung.

Das Dücherschrelben, sagt er gleich im Anfan«

ge dieses Werke, sollte man bis in dasjenige Alter «ersparen, in welchem der Verstand alle

diejenige Stärke erlangt hat, deren er fähig ist.

Er setzt dieses Alter zwischen das ein und drei« ßigst« bis zum ein und fünfzigsten Jahre. Wenn man

nun glaubt,

wie man es mit größter

Wahrscheinlichkeit glauben kann, der, welcher

diese Regel giebt, werde sie selbst beobachtet ha«

den, so kann man von dem Jahre 15-66, in

welchem er dieses sein einziges Werk zum ersten, male herausgegeben hat, zurückgerechnet, un« maßgeblich behaupten, daß er gegen das Zahr

15-20 geboren sey.

Und wenn man sich auf die

Umstände dieser Zett und der vorhergehenden

Zahre besinnt;

so wird es nicht schwer fallen,

eine wahrscheinliche Muthmaßung anzugeben,

wie unser Quarte als ein Spanier, A 3

außer sei«

Gesammelte Vorredett.

6

■ ■——d»

nen Briefen finden, und ich will lieber ein wenig nachlässig und frei scheinen, als ihnen diese Merkmale abwischen, welche sie von er­ dichteten Briefen unterscheiden müssen.

Zch

habe ihrer einen ziemlichen Vorrath, und die,

welche ich hier ohne Wahl, so wie sie mir in die Hände gerathen, mitgetheilt, sind die wenig, sten. Es wird mir angenehm seyn, wenn meine

Freunde nicht die einzigen sind, die etwas darin

zu finden glauben. Ich habe gesagt, daß diese beiden Theile

nichts als Kundschafter sind.

Einige ernsthafte

Abhandlungen und verschiedene größere Poe,

sien, wozu ich die dramatischen Stücke vornem, lich rechne, möchten ihnen gerne folgen. Unter den letzten sind einige, welche schon die Probe

der öffentlichen Vorstellung ausgehalten, und wenn ich sie selbst rühmen darf, auch Beifall Die Probe des Drucks ist die

gefunden haben.

letzte und wichtigste. Zch kann hier meine Vorrede beschließen, und muß den Leser um Verzeihung bitten, daß

ich von nichts als von mir geredet habe.

4. Zu

dem dritten und vierten Theile der

vermischten

Schriften.

17 5 4. ^Hch bin eitel genug, mich des kleinen Beifalls

zu rühmen, welchen die zwei ersten Theile mei­ ner Schriften, hier und da, erhalten haben. Zch würde dem Publico ein sehr abgeschmacktes Compliment machen, wenn ich ihn ganz und gar nicht verdient zu haben, bekennen wollte. Eine solche Erniedrigung schimpft seine Einsicht, und man sagt ihm eine Grobheit, anstatt eine Höflichkeit zu sagen. Es sey aber auch ferne von mir, seine schonende Nachsicht zu verkennen, C 5

42 3

Gesammelte Vorreden. . -

-ggQgr.

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»

und die Aufmunterung, die es einem Schrift, steiler widerfahren läßt, welcher zu seinem Ver, gnügen etwas beizutragen sucht, für ein schuldi­ ges Opfer anzusehen. Ob mir nun also der erste Schritt schon nicht mißlungen ist; so bin ich doch darum nicht we­ niger furchtsam, den zweiten zu wagen. Oft lockt man einen nur darum mit Schmeicheleien aus der Scene hervor, um ihn mit einem desto spöttischem Gelächter wieder hineinzutreiben. Zch nennte es einen zweiten Schritt; aber ich irrte mich; es ist eben sowohl ein erster, als jener. Ein zweiter würbe es seyn, wenn ich die Dahn nicht verändert hätte. Aber, wie sehr habe ich diese verändert! Anstatt Reime, die sich durch ihre Leichtigkeit und durch einen Witz empfehlen, der deswegen keine Neider erweckt, weil jeder Leser ihn eben so gut als der Poet zu haben glaubt, anstatt solcher Reime bringe ich lange prosaische Aussätze, die zum Theil noch dazu «ine gelehrte Miene machen wollen. Da ich mir also nicht einmal eben dieselben Leser wieder versprechen kann, wie sollte ich mir

Gesammelte Vorreden.

43

eben denselben Beifall versprechen können? Doch er erfolge, oder erfolge nicht; ich will ro» nigstens auf meiner Seite nicht« versäumen, ihn zu erhaschen. Das ist, ich will mich de« Recht« der Vorrede bedienen, und mit den höflichsten Wendungen, so nachdrücklich al« möglich, zu verstehen geben, von welcher Seite ich gerne woll­ te, daß man dasjenige, wa« man nun bald wahr­ scheinlicher Weise lesen, noch wahrscheinlicherer Weise aber nicht lesen wird, betrachten möge. Ich sage also, daß ich den dritten Theil mit einem Mischmasch von Crttik und Litteratur an, gefüllt habe, der sonst einen Autor deutscher Nation nicht übel zu kleiden pflegt. E« ist Schade, daß ich mit diesem Bändchen nicht et, ntge zwanzig Jahr vor meiner Geburt, in la, teintscher Sprache, habe erscheinen können! Die wenigen Abhandlungen desselben, sind alle Rettungen *), überschrieben. Und wen glaubt man wohl, daß ich darin gerettet habe? Lauter verstorbene Männer, die mir e« nicht danken können. Und gegen wen? Fast gegen lauter *) Th. in, S. ss. ö. f.

Gesammelte Vorreden.

44 fr.

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3

Lebendige, die mir vielleicht ein saures Gesicht dafür machen werden. Wenn das klug ist, so weiß ich nicht, was unbesonnen seyn soll. — Man erlaube mir, daß ich nicht ein Wort mehr hinzusehen darf. Ich komme vielmehr sogleich auf de« vierten Theil, von dessen Anhalte sich mehr sagen läßt, weil er niemanden, oder welches einerlei ist, weil er alle und jede angeht. Er enthält Lustspiele *). Ach muß es, der Gefahr belacht zu werden ungeachtet, gestehen, daß unter allen Werken des Witzes die Komödie dasjenige ist, an wel, ches ich mich am ersten gewagt habe. Schon in Zähren, da ich nur die Menschen aus Bü­ chern kannte — beneidenswürdig ist der, der sie niemals näher kennen lernt! — beschäftigten mich die Nachbildungen von Thoren, an deren Daseyn mir nichts gelegen war. Theophrast, Pl-utuS und Terenz waren meine Welt, die ich, in dem engen Bezirke einer klostermäßtgen Schule, mit aller Bequemlichkeit studierte. -7 *> Der junge Gelehrte und die Juden.

Gesammelte Vorreden.

45

Wie gerne wünschte ich mit diese Iahte zutück;

die

einzigen,

in

ich

welchen

glücklich

ge«

lebt habe!

Von diesen ersten Versuchen schreibt sich, zum Theil, der junge Gelehrte her, den ich, als ich nach Leipzig kam, ernstlicher auSzuarbetten, wir die Mühe gab.

Diese Mühe ward

mit durch das dasige Theater, welches in sehr

blühenden Umständen war, ungemein versüßt. Auch ungemein erleichtere, muß ich sagen, weil

ich vor demselben hundert wichtige Kleinigkeiten lernte, die ein dramatischerDichter lernen muß,

«nd aus der bloßen Lesung seiner Muster nim# mermehr lernen kann. ■ Zch glaubte etwas zu Stande gebracht zu

haben, und zeigte meine Arbeit einem Gelehr« ten, dessen Unterricht ich in wichtigern Dingen

zu genießen das Glück hatte.

Wird man sich

nicht wundern, als den Kunstrichter eines Lust­

spiels einen tiefsinnigen Weltweisen und Meß­ künstler genannt zu finden?

Vielleicht, wen»

e6. ein anderer, als der Herr Professor Rast«

tut wäre.

Er würdigte mich einer Deurthei«

46 f

Gesammelte Vorreden '

-V*-

----------------- J

S

lung, die mein Stück zu einem Meisterstück« würde gemacht haben, wenn ich die Kräfte ge, habt hätte, ihr durchgängig zu folgen.

Mit so vielen Verbesserungen unterdessen, als ich nur immer hatte anbringen können, kam mein junger Gelehrter in die Hände der Frau tleubetin. Auch ihr Urtheil verlangte ich; aber anstatt des Urtheile erwies sie mir die Eh, re, die sie sonst einem angehenden Komödien, schreiber nicht leicht zu erweisen pflegte: sie ließ ihn aufsühren. Wenn nach dem Gelächter der Zuschauer und ihrem Händeklatschen die Güt«! «ineö Lustspiels abzumessen ist, so hatte ich hin? längliche Ursache, das meinige für keines von den schlechteste» zu halten. Wenn eö aber ungewiß ist, ob diese Zeichen des Beifalls mehr für den Schauspieler, oder für den Verfasser gehören; wenn es wahr ist, daß der Pöbel ohne Gr» schmack am lautesten lacht, daß er oft da lacht, wo Kenner weinen möchten: so will ich gern« nichts aus einem Erfolge schließen, aus welchem sich nichts schließen läßt.

Gesammelte Vorreden.

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Dieses aber glaubt ich, daß mein Stück sich auf dem Theater gewiß würde erhalten haben, wenn es nicht mit in den Ruin der Frau tteubetin wäre verwickelt worden. Es verschwand mit ihr aus Leipzig, und folglich gleich aus demjenigen Orte, wo es sich, ohne Widerrede, in ganz Deutschland am besten ausnehmen kann. Zch wollte hierauf mit ihm den Weg des Drucks versuchen. Aber was liegt dem Leser an der Ursache, warum sich dieser bls jetzt verzögert hat? Zch werbe beschämt genug seyn, wenn er finden sollte, baß ich gleichwohl noch zu zeitig damit hervorrückte. Das war doch noch einmal eine Wendung, wie sie sich für einen bescheidenen Schriftstel­ ler schickt! Aber man gebe Acht, ob ich nicht gleich wieder alles verderben werde! — Man nenne mir doch diejenigen Geister, auf wel, che die komische Muse Deutschlands stolz seyn könnte! Was herrscht auf unsern gereinigten Theatern? Zst es nicht lauter ausländischer Witz, der, so oft wir ihn bewundern, eine

48 fr

Gesammelte Vorreden. '

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Satyre über den unsrtgen macht?

Aber rote

kommt eö, daß nur hier die deutsche Rächet, ferung zucückbleibt?

selbst/

Sollte

wohl die Art

roie man unsere Bühne hat verbessern

wollen, daran Schuld seyn?

Sollte wohl die

Menge von Meisterstücken, die man auf ein­

mal, besonders den Franzosen abborgte, unsere ursprünglichen Dichter niedergeschlagen haben? Man zeigte ihnen

auf einmal, so zu reden,

alles erschöpft, und setzte sie auf einmal in die

Nothwendigkeit, nicht blos etwas gutes, son­ dern etwas besseres zu machen. Dieser Sprung

war ohne Zweifel zu arg; die Herren Kunst, richter konnten ihn wohl befehlen,- aber die, die ihn wagen sollten, blieben aus. Was soll aber diese Anmerkung? Vielleicht

meine Leser zu einer gelinderen Beurtheilung bewegen? — Gewiß nicht; sie können es hal,

ten wie sie wollen. meine Landeleute,

wagen;

Sie mögen mich gegen oder gegen Ausländer auf,

ich habe ihnen nichts vorzuschreiben.

Aber das werden

sie doch wohl nicht verges­

sen, wenn die Kritik den jungen Gelehrten inöbe«

Gesammelte Vorreden. .