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German Pages 408 [412] Year 2010
Cordula M. Kessler
GOTISCHE BUCHKULTUR
Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens.
Neue Folge Band 17
Im Auftrag der Dominikanerprovinz Teutonia herausgegeben von Walter Senner OP (Federführender Herausgeber) Thomas Eggensperger OP Kaspar Elm Isnard W. Frank OP Ulrich Horst OP
Cordula M. Kessler
GOTISCHE BUCHKULTUR Dominikanische Handschriften aus dem Bistum Konstanz
Akademie Verlag
Gedruckt mit Unterstützung der Dominikanerprovinz Teutonia und der Schweizer Provinz der Dominikaner.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-05-004583-2 ISSN 0942- 4059
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2010 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form – durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren – reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Satz: Peter Kessler, Fribourg Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer“ GmbH, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany
Inhaltsverzeichnis TexTTeIl 1. einleitung ........................................................................................... 1. 1 Thema .................................................................................................. 1. 2 Forschungsstand .................................................................................. 1. 3 Vorgehen und Ziel der Arbeit ..............................................................
1 1 2 4
2. 2. 1 2.2 2.2 2.4 2.5
Der Weg in die Biblioteca Vaticana Apostolica ............................... Einleitung ............................................................................................ Der Weg von Rom nach Paris ............................................................. Der Weg von Paris nach Kreuzlingen ................................................. Der Weg von Kreuzlingen nach St. Katharinental .............................. Zusammenfassung ...............................................................................
9 9 10 19 24 28
3. 3. 1
Zeugen dominikanischer Buchproduktion in Zürich .................... Eine illuminierte Handschriftengruppe rund um das vatikanische Graduale .............................................................................................. Die künstlerische Ausstattung der «Zürcher Gruppe»......................... Fleuronnée-Initialen ............................................................................ Ornamentale Deckfarbeninitialen (Typ 1)........................................... Ornamentale Deckfarbeninitialen (Typ 2)........................................... Figürliche Deckfarbenmalereien ......................................................... Die einzelnen Handschriften der «Zürcher Gruppe»........................... Zum Buchwesen in den dominikanischen Klöstern Zürichs............... Zürcher Dominikanerkloster ............................................................... Dominikanerinnenkloster Oetenbach .................................................. Dominikanerinnenkloster St. Verena .................................................. Dominikanerinnenkloster Töss ........................................................... Das dominikanische Buchwesen im Spiegel der normativen Quellen Zur Rolle der Zürcher Dominikaner bei der Buchproduktion.............
29
3. 2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.5 3.6 4. 4.1 4.2 4.2.1
eine Handschriftengruppe aus St. Katharinental.......................... Das Graduale Vat. lat. 10773 ............................................................... Zum Nürnberger Graduale .................................................................. Das Nürnberger Graduale und seine Beziehung zu den Codd. 10771/10772 .............................................................................
29 30 30 32 33 33 34 36 36 41 43 45 47 50 53 53 54 55 V
4.3 4.3.1 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4
Zum St. Katharinentaler Graduale ...................................................... Das Nürnberger Graduale und das St. Katharinentaler Graduale ....... Die Drei Antiphonarien (Vat. lat. 10770, 10771, 10772) .................... Die archivalischen Belege im Codex Vat. lat. 10772 ......................... Die Codices Vat. lat. 10771 und 10772 .............................................. Das Antiphonar Vat. lat. 10770 ........................................................... Das Beziehungsgeflecht zwischen den drei Antiphonarien, insbes. zwischen den Sommer-Antiphonarien Vat. lat. 10772 und 10770...... 4.5 Elf Fragmente einer dominikanischen Antiphonarhandschrift ........... 4.6 Zu den Fleuronnée-Initialen der Handschriftengruppe aus St. Katharinental ................................................................................. 4.7 Das Beziehungsgeflecht der gesamten Handschriftengruppe ............. 4.8 Zum Buchwesen im Dominikanerinnenkloster St. Katharinental ...... 4.8.1 Bibliothek und Archiv ......................................................................... 4.8.2 Zum St. Katharinentaler Skriptorium und möglichen anderen Entstehungsorten .................................................................................
57 58 60 60 63 65
5. 5.1 5.1.1 5.1.2 5.1.3 5.1.4 5.1.5 5.2 5.3
Bemerkungen zur Ikonographie ..................................................... Singuläre Bildthemen in liturgischen Handschriften .......................... Maria als Gekrönte bei der Geburt Christi.......................................... Kreuzigung Christi durch die Tugenden ............................................. Johannes der Evangelist ...................................................................... Hl. Agnes ............................................................................................ Die Zürcher Stadtheiligen Felix, Regula und Exuperantius ............... Karlsvita im Vadianus 302 .................................................................. Liederhandschriften ............................................................................
83 83 84 85 87 94 95 96 96
6. 6.1
99
6.2 6.3 6.4 6.5
Bemerkungen zum Stil der figürlichen Malereien ......................... Vatikanisches Graduale Vat. lat. 10773, Münchner und Engelberger Psalterium ...................................................................... Nürnberger Graduale und Vatikanische Antiphonarien ...................... Zur Verwendung unterschiedlicher «modi» ........................................ Zur «Kommunikationslandschaft»...................................................... Jüdische Malerei..................................................................................
99 102 106 107 109
7. 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2
Beobachtungen zum Herstellungsprozess der Handschriften ...... Die St. Katharinentaler Handschriftengruppe ..................................... Zu den so genannten Stifterdarstellungen .......................................... Zu den Stifterdarstellungen ................................................................. Die Manessische Liederhandschrift ....................................................
111 111 112 119 124
VI
66 72 72 74 76 76 78
7. 3 7. 4
Die Weltchroniken............................................................................... 127 Technische Aspekte............................................................................. 129
8.
Zusammenfassung der ergebnisse
133
FArBTAFeln ............................................................................................. 141 KATAlogTeIl Katalog nr. 1 – nr. 43 ................................................................................... 159 AnHAng Anhang 1 Gutachten von J. B. Lassus: Einleitung ......................................................... Anhang 2 Versteigerungsanzeige der Klosterzentralverwaltung des Kantons Thurgau Anhang 3 Transkription der dem Cod. Vat. lat. 10772 beigebundenen mittelhochdeutschen Fassungen zweier St. Katharinentaler Urkunden ......................... Anhang 4 Skizze zur Lage der mittelhochdeutschen Dokumente im Cod. Vat. lat. 10772 ....................................................................................... Anhang 5 Abkürzungsverzeichnis und Literaturnachweis............................................. Anhang 6 Register der katalogisierten Handschriften.................................................... Anhang 7 Abbildungsnachweis ......................................................................................
361 363 364 366 367 396 399
VII
Mein Dank Die vorliegende Publikation ist eine überarbeitete Fassung meiner Dissertation mit dem ursprünglichen Titel «Studien zu gotischen Handschriften aus dem südlichen Teil der Diözese Konstanz». Sie wurde im März 2000 von der Philosophischhistorischen Fakultät der Universität Bern auf Antrag von Prof. Dr. Ellen J. Beer (†) und Prof. Dr. N. Gramaccini angenommen. An dieser Stelle danke ich allen, die auf vielfältigste Weise am Zustandekommen dieser Arbeit beigetragen haben. An erster Stelle gilt mein Dank Prof. Dr. E. J. Beer (†) für ihre langjährige Betreuung, die vielen anregenden Diskussionen und für die grosszügige Ausleihe von Fotomaterial sowie Fachliteratur. Den Professoren Dr. H. Herkommer und Dr. N. Gramaccini danke ich für ihre Bereitschaft, als Gutachter zu fungieren. Anregung zu dieser Arbeit gab Prof. Dr. P. Ladner, der mich im Rahmen eines Kolloquiums auf die Vatikanische Handschriftenguppe aufmerksam machte, mir grosszügig umfangreiches Studienmaterial (Mikrofilme, Literatur) zur Verfügung stellte und die Arbeit mit stetem Interesse verfolgte. Für fruchtbare Diskussionen und Hinweise danke ich: Pater Sigisbert Beck (†), ehem. Bibliothekar des Stifts Engelberg; Verena Baumer-Müller, Freiburg; Leonhard E. Boyle O.P. (†), ehemaliger Präfekt der Biblioteca Apostolica Vaticana; Margrith Früh, Frauenfeld; Christine Jacobi-Mirwald; Josef Leisibach, Handschriftenabteilung der Kantons- und Universitätsbibliothek Freiburg; André-Jean Marquis, Rom; Karel Otavsky; Christine Sauer, Nürnberg; Marlies Stähli, Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek in Zürich; Werner Thöni, Aargauische Kantonsbibliothek; Martina Wehrli-Johns, Zürich. Gedankt sei auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschiedener Bibliotheken, Archive und Institutionen für ihre freundliche und fachkundige Unterstützung: Aargauische Kantonsbibliothek in Aarau; Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Berlin; Burgerbibliothek sowie Universitätsbibliothek und Schweizerische Nationalbibliothek, Bern; Cleveland, Cleveland Museum of Art; Stiftsbibliothek, Engelberg; Historisches Museum, Kantonsbibliothek und Staatsarchiv des Kantons Thurgau, alle in Frauenfeld; Hessische Landesbibliothek in Fulda, Antiquariat Dr. J. Günther in Hamburg; Badische Landesbibliothek, Karlsruhe; British Museum, London; J. P. Getty Museum, Malibu; Bayerische Staatsbibliothek und Graphische Sammlung in München; Metropolitan Museum of Art und Pierpont Morgan Library, New York; Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg; Bibliothèque nationale und Musée Marmottan, Paris; Biblioteca Apostolica Vaticana, Archivio Segreto Vaticano und Istituto Svizzero, Rom; Stiftsbibliothek und Vadianische Sammlung, St. Gallen; VIII
Ministerialbibliothek, Schaffhausen; Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart; National Gallery of Art, Washington; Zentralbibliothek, Zürich. Danken möchte ich auch allen privaten Sammlern, die mir Einblick in ihre Sammlung gewährten. Die Aufnahme meiner Dissertation in die Schriftenreihe «Quellen und Forschungen zur Geschichte des Dominikanerordens» geht auf eine Anregung von Prof. Dr. Isnard W. Frank OP zurück, wofür ich ihm sehr danke. Diese Anregung haben die anderen Mitglieder des Herausgebergremiums aufgenommen; ihnen gebührt ebenfalls ein herzliches Dankeschön, insbesondere dem federführenden Herausgeber Prof. W. Senner OP, der mit unendlich viel Geduld die Überarbeitung und Drucklegung begleitet hat. Für die grosszügigen Druckkostenzuschüsse bedanke ich mich bei der Dominikanerprovinz Teutonia und bei der Schweizer Provinz der Dominikaner. Mein Dank gilt im Weiteren dem Akademie-Verlag Berlin, namentlich der Lektorin Katja Richter für die Druckbegleitung. Ein besonders herzliches Dankeschön geht an meine Familie, meine Eltern (†) und meine Geschwister, Freunde und Studienkollegen, die alle auf vielfältigste Weise zum Gelingen der Arbeit beigetragen, viel Verständnis aufgebracht und mich stets ermuntert haben. Meiner Tochter Clara ist dieses Buch gewidmet.
IX
1. einleitung 1. 1 Thema Im Wintersemester 1989/1990 nahm ich an einem Kolloquium zum Thema «Gotische Schriften» teil, das P. Ladner an der Universität Bern durchführte. Er erwähnte im Zusammenhang mit dem Graduale von St. Katharinental sieben Handschriften der Vatikanischen Bibliothek, Codd. Vat. lat. 10769–10775, die laut Bibliothekskatalog möglicherweise aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharinental resp. aus dem Dominikanerinnenkloster St. Verena in Zürich stammen sollen. Er war auf diese Handschriften gestossen, als er seinen Beitrag zum Kommentarband der Faksimile-Ausgabe des besagten Graduale verfasste. In dieser Publikation wurden die Handschriften lediglich am Rande erwähnt. Sie sind bislang nicht eingehender bearbeitet worden. Meine Idee, im Rahmen der Lizentiatsarbeit die sieben Vatikanischen Handschriften zu erforschen, wurde von P. Ladner wie auch E. J. Beer begrüsst und unterstützt. Im Verlaufe des Jahres 1991 verfasste ich meine Lizentiatsarbeit mit dem Titel «Studien zur Ordenskunst am Oberrhein anhand einer Handschriftengruppe in der Vaticana».1 In dieser Arbeit habe ich zunächst alle sieben Manuskripte ausführlich beschrieben. Dabei hat sich gezeigt, dass die beiden Handschriften Vat. lat. 10774 und 10775 deutlich jünger sind, so dass ich den Schwerpunkt meiner Untersuchung auf die fünf erstgenannten Manuskripte (Cod. Vat. lat. 10769–10773) gelegt habe. Diese gehören der ober- und hochrheinischen Buchmalerei der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zum Anfang des 14. Jahrhunderts an. Unter den durchwegs für die dominikanische Liturgie bestimmten Codices befinden sich zwei Gradualia, vier Antiphonarien und ein Psalterium-Hymnar. Die künstlerische Ausstattung besteht aus historisierten und ornamentalen Initialminiaturen, Fleuronnée-Initialen sowie aus einigen Randzeichnungen. Ziel der Lizentiatsarbeit war die stilistische und zeitliche Einordnung dieser Handschriften. Beachtung wurde insbesondere den Fragen nach dem Herstellungs-, Bestimmungs- und Aufbewahrungsort der Codices geschenkt. Bei der Bestandesaufnahme präsentierte sich die heterogene Handschriftengruppe (13.–16. Jh.) mit ihrer umfangreichen künstlerischen Ausstattung als sehr interessantes Forschungsmaterial, das im Rahmen einer Lizentiatsarbeit nicht abschliessend bearbeitet werden konnte. Es schien somit sinnvoll, die Lizentiatsarbeit als Ausgangsbasis für die Dissertation zu nehmen. Die dominikanischen Handschriften in der Biblioteca Apostolica Vaticana stehen deshalb auch im Zentrum der vorliegenden 1
Kessler 1991.
1
Dissertation. Es ist vorgesehen, die Aufmerksamkeit gewissen Detailfragen zu widmen, einige Thesen der Lizentiatsarbeit zu überprüfen, vor allem die Materialbasis zu erweitern und die Handschriften in ihren Kontext zu stellen. Konkret bedeutet dies: Eine bisher von der Forschung kaum zur Kenntnis genommene Handschriftengruppe in der um 1300 auf einem Höhepunkt angelangte Buchmalerei des südlichen Teils der Diözese Konstanz zu situieren.
1. 2 Forschungsstand E. Bannister verzeichnete die sieben Codices erstmals als Musikhandschriften der Vatikanischen Bibliothek anfangs des 20. Jahrhunderts.2 Er listet die Handschriften lediglich auf und datiert sie mit Ausnahme des Manuskriptes Vat. lat. 10773, das er ins 14. Jahrhundert legt, ins 15. Jahrhundert. Bei zwei Handschriften führt er eine Herkunftsangabe an: bei Cod. Vat. lat 10773 ist es Diessenhofen und bei Cod. Vat. lat. 10769 St. Verena in Zürich. Im Rahmen der Gesamtkatalogisierung erstellte J. B. Borino eine ausführliche Beschreibung, insbesondere des Inhalts.3 Er datiert alle Handschriften ins 14. Jahrhundert und gibt zur Provenienz die folgenden Angaben: bei den Codd. Vat. lat. 10769 und 10770 St. Verena in Zürich und bei den restlichen Handschriften St. Katharinental. Sämtliche Angaben sind jedoch mit einem Fragezeichen versehen. Eine Ausnahme bildet der Cod. Vat. lat. 10772. Aufgrund der zwei beigebundenen St. Katharinentaler Urkunden hielt er diese Provenienzangabe offenbar für gesichert. P. Salmon führte die Codices im fünfbändigen, nach dem Inhalt geordneten Katalog der lateinischen liturgischen Handschriften der Vatikanischen Bibliothek auf.4 Seine Kurzbeschreibungen stützen sich auf die Arbeiten von E. Bannister und J. B. Borino. Seine Angaben zur Provenienz weichen jedoch von J. B. Borino insofern ab, als er nur mehr beim Cod. Vat. lat. 10769 davon ausgeht, dass er aus St. Verena stammt und den Cod. Vat. lat. 10774 überhaupt nicht lokalisiert. Zudem hat er die Fragezeichen weggelassen. In der Einleitung zum Handschriftenkatalog der Zentralbibliothek in Zürich zählt C. L. Mohlberg all jene Bibliotheken auf, die in ihren Beständen Turicensia aufbewahren und führt unter Rom auf: «(Vat. lat. 10769 [14. Jh.], ein Dominikanerinnen2
3 4
2
Bannister 1913. Vom selben Autor liegt in der Vatikanischen Bibliothek, Sala Barberini, Nr. 509, das handschriftliche Werk: «Index codicum manuscriptorum ad litugiam rem spectantium» auf. Dort sind die Codd. Vat. lat. 10769–10775 auf fol. 13v aufgeführt Borino 1947, S. 220–238. Salmon 1968/1969: Cod. Vat. lat. 10769, Bd. 2, Nr. 203, S. 90. – Codd. Vat. lat. 10770–10772 und 10775: Bd. 1, Nr. 133, S. 67–68. – Cod. Vat. lat. 10773: Bd. 2, Nr. 204, S. 90–91. Cod. Vat. lat. 10774, Bd. 1, Nr. 83, S. 42–43.
Graduale aus S. Verena in Zürich und ein Antiphonar aus demselben Konvent: Vat. lat. 10771[13./14.Jh.]».5 Auch D. W. H. Schwarz erwähnt in der Festschrift zu Ehren von C. L. Mohlberg in einer Anmerkung zwei Handschriften mit Zürcher Provenienz, die nach Rom gelangt seien: «In der Vatikanischen Bibliothek liegen einige liturgische Handschriften aus Zürich (so ein Graduale S. XV. Cod. Vat. 10769 (10640), ein Antiphonar S. XIV/XV. Cod. Vat. 10647) [...]».6 Welche Handschrift er mit der zuletzt genannten meint, ist unklar. Handelt es sich um eine ältere Signatur – eine solche gibt D. W. H. Schwarz auch für den Cod. Vat. lat. 10769 in Klammern an – oder um die heute unter der Signatur Cod. Vat. lat. 10647 aufbewahrte Sammelhandschrift? M. E. trifft der erste Fall eher zu, denn die soeben erwähnte Sammelhandschrift enthält keine Sequenz zum Fest von Regula und Felix, auf die in AH hingewiesen wird.7 Es ist mir jedoch nicht bekannt, welche Handschrift diese Signatur einst getragen hat. A. Schönherr spricht in seinem 1965 erschienenen Beitrag «Zürcher Handschriften im ‹Exil› » ebenfalls von zwei Handschriften, die in der Biblioteca Apostolica Vaticana aufbewahrt werden, allerdings ohne Angaben zu den Bibliothekssignaturen: «Neben mehreren Choralhandschriften schweizerischer Provenienz ist das Zürcher Frauenkloster am Oetenbach auch hier durch zwei bedeutende Manuskripte vertreten: durch ein Messgesangbuch aus der Zeit um 1320 und durch ein Offiziumsantiphonar aus derselben Zeit, die nach Mohlberg eher den Schwestern zu St. Verena, nach neusten Untersuchungen des vatikanischen Katalogbearbeiters Laurent dagegen eher den Ordensfrauen am Oetenbach zuzuweisen sind.»8 Es ist anzunehmen, dass er mit dem Messgesangbuch den Cod. Vat. lat. 10769 meinte, beim Offiziumsantiphonar käme entweder Cod. Vat. lat. 10770 (Borino) oder 10771 (Mohlberg) in Frage.
5 6 7
8
Mohlberg 1952, S. XV. Der Bibliothekskatalog ist ab 1932 in Teillieferungen erschienen. Die Einleitung ist datiert mit 8. Oktober 1950. Schwarz 1948, S. 430, Anm. 2 Zu den älteren Signaturen: der Codex Vat. lat. 10773 trug einst die Nummer 10644. vgl. AH, Bd. 55, Nr. 115, Sequenz «In caelesti ierarchia» ist im Handschriftennachweis angegeben: «Grad. ms. S. Katherinae Divodurensis saec. 14. Cod. Vatican. 10773 (olim 10644).» – Zur Handschrift Vat. lat. 10647: Vatasso/Carusi 1920, S. 594–595, sie setzt sich aus verschiedenen Antiphonarfragmenten zusammen. – In der AH, Bd. 55, Nr. 128, Sequenz zum Fest von Felix und Regula ist im Handschriftennachweis angegeben: «Antiphon. ms. Praedicatorum S. Verenae Turicensis saec. 14. et 15. Cod. Vatican. 10647.» In der Handschrift, die heute die Signatur Vat. lat. 10647 trägt, ist, wie ich mich am Original vergewissern konnte, die Sequenz zum Fest von Felix und Regula nicht enthalten. Schönherr 1965.
3
Im Zusammenhang mit seinen Forschungen über die frühe dominikanische Liturgie hat A. Dirks den Inhalt der Handschrift Cod. Vat. lat. 10773 einer eingehenden Analyse unterzogen. Die Codd. Vat. lat. 10771–10775 nennt er nur beiläufig.9 Wie bereits oben erwähnt, hat P. Ladner im Kommentarband zur Faksimilie-Ausgabe des Graduale von St. Katharinental auf diese Handschriften aufmerksam gemacht. Er bezog sie in den Textvergleich zwischen dem Nürnberger und dem Katharinentaler Graduale ein, jedoch ohne sich in der Interpretation über ihr Verhältnis zu äussern.10 In ihrem Beitrag zur selben Publikation hat E. J. Beer die Handschriftengruppe, insbesondere den Codex Vat. lat. 10772 in die Diskussion um die Frage nach dem Herstellungsort des St. Katharinentaler Graduale einbezogen.11 In Anlehnung an den Beitrag von P. Ladner schreibt sie: «Die Schwestern haben in ihrem Scriptorium nicht nur unser Graduale geschrieben, sondern noch manch anderes Chorbuch, wie sich beispielsweise am Nürnberger Graduale belegen lässt oder an einem jüngeren, wohl noch vor 1320 geschaffenen, urkundlich für St. Katharinental gesicherten Vat. lat. 10772 in Rom. Das von der Forschung unbegreiflicherweise bisher nicht zur Kenntnis genommene Antiphonar stellt neben einem Psalter und fünf weiteren für den Chordienst bestimmten Handschriften einen eindrucksvollen Beleg für die Schreibtätigkeit (und nur von dieser ist die Rede) der Katharinenthaler Nonnen dar und erweitert zugleich unsere Kenntnis des Handschriftenbestandes dieses Klosters [...].» Diese aufgrund von Mikrofilmen vorgenommene erste Einschätzung der Bedeutung der gesamten Gruppe trifft, wenn auch nicht in den Details, immer noch zu. Im Kunstdenkmälerband über das Kloster St. Katharinental hat A. Knoepfli die Handschriften in Rom lediglich der Vollständigkeit halber aufgenommen. Wie er ausdrücklich schreibt, basieren seine kurzen Beschreibungen auf Schwarz-WeissMikrofilmen.12 Immerhin sind hier zum ersten Mal drei historisierte Miniaturen aus dem Cod. Vat. lat. 10771 abgebildet, und neben dem Hinweis auf die oben genannten Bibliothekskataloge enthalten Knoepflis Beschreibungen Angaben zum Inhalt und zum Schmuck der Handschriften.
1. 3 Vorgehen und Ziel der Arbeit Nach dem Blick auf den Forschungsstand der Vatikanischen Handschriftengruppe soll nun der Aufbau, das Vorgehen und die Ziele der Dissertation erläutert werden. Die vorliegende Arbeit ist in einen Text- und einen Katalogteil gegliedert. 9 10 11 12
4
Dirks 1979. Ladner 1983, S. 295ff. Beer 1983, S. 189. Knoepfli 1989, S. 179–182.
Im Textteil werden thematische Schwerpunkte abgehandelt. Diese Abhandlungen basieren auf dem Katalogteil, wo jede Handschrift resp. jedes Fragment nach demselben Schema beschrieben wurde. Unabdingbar war es, auch die intensiv bearbeiteten Handschriften wie das Graduale von St. Katharinental, den Codex Manesse oder die Weltchronik des Rudolf von Ems in den Katalog miteinzubeziehen, weil sie in gewissen Diskussionspunkten eine zentrale Rolle spielen. Hier konnte ich mich jedoch auf eine kurze Zusammenfassung der bestehenden Forschungsarbeiten beschränken. Als besonders hilfreich erwies sich, dass in den letzten drei Jahrzehnten die von H. Wentzel als «Dreigestirn der gotischen Buchmalerei der Zeit um 1300» bezeichneten Handschriften – die Manessische Liederhandschrift, das Graduale von St. Katharinental und das Manuskript 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen – als Faksimile herausgegeben und die Editionen jeweils von einem Kommentarband mit Beiträgen von ausgewiesenen Fachleuten begleitet wurden. Gleich zwei grosse Ausstellungen waren dem Codex Manesse gewidmet. Die erste fand 1988 in Heidelberg aus Anlass des 100. Jahrestages der Rückkehr der Manessischen Liederhandschrift aus Paris nach Heidelberg statt. Dazu erschien ein reich bebilderter, annährend 700 Seiten starker Katalogband mit nahezu zwanzig Beiträgen zu Teilaspekten der Liederhandschrift.13 Damit liegt eine umfassende Darstellung über ein Werk von ausserordentlichem künstlerischem und literarischem Wert vor. Besonders wertvoll sind der wissenschaftliche Apparat und die Farbabbildungen. Drei Jahre später veranstaltete das Schweizerische Landesmuseum zum Jubiläum «700 Jahre Eidgenossenschaft» eine Ausstellung mit dem Titel «edele frouwen – schoene man. Die Manessische Liederhandschrift in Zürich».14 Hier stand weniger die Handschrift selbst als vielmehr ihr Kontext im Zentrum: das mittelalterliche Zürich, der Entstehungsort der Liederhandschrift, der am Entstehungsprozess beteiligte Personenkreis und dessen Lebensformen. Einen vertiefteren Bearbeitungsgrad wurde bei den kaum oder nicht erforschten Handschriften angestrebt. Bei den Fragmenten, die m. E. aus derselben Handschrift stammen, habe ich eine kurze Einleitung vorangestellt. Es wurde versucht, sie in der liturgisch resp. inhaltlich richtigen Reihenfolge zu ordnen. Den Schluss des Kataloges bilden die zwei wesentlich jüngeren Handschriften der Biblioteca Apostolica Vaticana. Sie wurden der Vollständigkeit halber miteinbezogen. Einen ersten wichtigen, die ganze Gruppe betreffenden Fragenkomplex, der in der Lizentiatsarbeit nicht abschliessend behandelt werden konnte, stellt die Geschichte zur Provenienz dar: Auf welchen Wegen, aus welchen Gründen und zu welchem Zeitpunkt waren die Choralhandhandschriften und das Psalterium nach Rom gelangt? 13 14
Kat. Codex Manesse. Kat. edele frouwen – schoene man.
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Bereits in der Lizentiatsarbeit konnte ich zeigen, dass die Behandlung der heterogenen Handschriften als Gruppe aufgrund einer kohärenten Nummerierung des 19. Jahrhundert gerechtfertigt ist und die Handschriften spätestens seit dem 19. Jahrhundert alle zusammen an einem Ort aufbewahrt wurden. Von der Antwort auf diese Fragen hoffe ich, weitere Aufschlüsse über die Lokalisierung der Handschriften zu erhalten. Die in der Lizentiatsarbeit vorgenommene Lokalisierung basierte auf der Stil- und Textanalyse, der Aufschlüsselung der Ikonographie, der Identifikation der namentlich bezeichneten Dominikanerin im Cod. Vat. lat. 10773 und einer ersten Untersuchung der mittelhochdeutschen Fassung zweier St. Katharinentaler Urkunden im Cod. Vat. lat. 10772. Wie oben bereits erwähnt, erwiesen sich die Vatikanischen Handschriften als heterogen. Deshalb werden die weiteren Ziele der Dissertation zu den einzelnen Handschriften resp. zu den Untergruppen formuliert. Das Graduale Vat. lat. 10769 stellt zusammen mit einer Reihe weiterer Handschriften ein Zeuge der Zürcher Buchmalerei aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts dar. Diese Erkenntnisse gewann ich bereits während meiner Lizentiatsarbeit, als ich in der Ausstellung «edele frouwen – schoene man. Die Manessische Liederhandschrift in Zürich» auf das dominikanische Psalterium Ms. C 140 stiess und die Stilverwandtschaft mit dem Vatikanischen Graduale Vat. lat. 10769 bemerkte. Damit nahm die Bildung der «Zürcher Gruppe» ihren Anfang. Es soll versucht werden, den Spuren der seit der Reformation verstreuten weiteren Zürcher Handschriften zu folgen, um dann von der Buchproduktion in Zürich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ein genaueres Bild zu erhalten. Somit würden die möglichen Vorstufen zum Codex Manesse und zur St. Galler Weltchronik – beide Handschriften sind mit grosser Wahrscheinlichkeit um 1300 in Zürich entstanden – erkennbar. Die beiden Codices Vat. lat. 10771 und 10772 bilden zusammen ein vollständiges dominikanisches Antiphonar. Sie sind wohl kurz nach 1290 als Einheit entstanden und dürften aufgrund der dem Codex 10772 vorgebundenen mittelhochdeutschen Fassungen zweier St. Katharinentaler Urkunden dem Chordienst im berühmten thurgauischen Dominikanerinnenkonvent gedient haben. Diese Thesen der Lizentiatsarbeit sollen eingehend überprüft werden. Insbesondere die archivalischen Belege werden ausführlich erörtert, da sie eine entscheidende Rolle bei der Ermittlung des Bestimmungsortes spielen. Obwohl das Nürnberger Graduale schon seit längerem als Schlüsselhandschrift für die Buchmalerei am Oberrhein um 1300 betrachtet wird, ist es noch nicht seiner Bedeutung entsprechend erforscht. Eine detaillierte Untersuchung sollte eine genauere Lokalisierung ermöglichen und Aufschluss geben über seine stilbildende Wirkung auf die Kunst am Ober- und Hochrhein um 1300. In diese Diskussion ist eine Reihe von Fragmenten (Frauenfeld, New York, Washington, München, Überlingen, z. T. in Privatbesitz), die vereinzelt im Kunst6
handel aufgetaucht sind und stilistisch mit dem vatikanischen Antiphonar und dem Nürnberger Graduale verwandt sind, miteinzubeziehen. Es sind Zeugen von verlorenen Choralhandschriften, die ihres künstlerischen Schmuckes beraubt wurden. Es wird in diesem Zusammenhang von grossem Interesse sein, den jetzigen Standort einiger Fragmente in Privatbesitz in Erfahrung zu bringen, um sie eingehend bearbeiten zu können. Nach Möglichkeit sollen weitere, nicht veröffentlichte Fragmente dazu gewonnen werden. Neben der Einzeluntersuchung (Stil, Ikonographie und Textbruchstücke) wird der Versuch unternommen, den Standort der einzelnen Fragmente innerhalb des verloren gegangenen Codex resp. der Codices zu rekonstruieren. Das Antiphonar Vat. lat. 10770 ist ausschliesslich mit Fleuronnée-Initialen ausgeschmückt. Diese Prachtinitialen dürften in derselben Werkstatt entstanden sein wie jene des Katharinentaler Graduale und der Engelberger «Bibly», was überprüft werden soll. Bezüglich des Graduale von St. Katharinental, das im Zusammenhang mit seiner Faksimilierung interdisziplinär erforscht wurde, werden lediglich Teilprobleme wie einige ikonographische Besonderheiten, die Stifterdarstellungen und der Herstellungsprozess erörtert. Es muss der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Vorstellung über die Entstehung des Graduale von St. Katharinental (Text in St. Katharinental von den Dominikanerinnen geschrieben, Miniaturen gemalt entweder im Dominikanerkloster Konstanz oder in einem weltlichen Atelier mit Sitz in Konstanz, dem die Dominikaner beratend zur Seite standen) möglicherweise auch für das Nürnberger Graduale und die Codd. Vat. lat. 10771/10772 Gültigkeit hat. Mit Hinweis auf die damals noch unerforschten Handschriften in der Vaticana vermutete P. Ladner, dass St. Katharinental über ein leistungsfähiges Skriptorium verfügte, was ebenfalls näher betrachtet werden muss. Im Zusammenhang mit dem Herstellungsprozess ist vorgesehen, auch auf einige technische Aspekte einzugehen. Eine wichtige Grundlage für meine Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Dominikanerinnenkloster St. Katharinental bildete die 1989 in der Reihe «Die Kunstdenkmäler des Kantons Thurgau» erschienene Monographie von A. Knoepfli, dem die ehemalige Klosteranlage als Denkmalpfleger und als Barockforscher bestens vertraut war.15 Von grossem Wert ist die von R. Meyer erarbeitete Neuausgabe des «St. Katharinentaler Schwesternbuches». Darin enthalten ist auch die Gründungsgeschichte, die auf der Basis einer bisher nicht bekannten Berliner Handschrift vom Anfang des 14. Jahrhunderts ediert wurde. Eine detaillierte Untersuchung und ein umfangreicher Kommentar begleiten die Edition.16 15 16
Knoepfli 1989, darin Angaben zur älteren Literatur. Meyer 1995.
7
Einen wesentlichen Beitrag zur Ikonographie der beiden Johannes, insbesondere zur Christus-Johannes-Gruppe, im Graduale von St. Katharinental leistet ein Aufsatz von M. Wehrli-Johns.17 Sowohl bei der Besprechung der Ikonographie und des Stils werden Schwerpunkte gesetzt. Es sollen einige charakteristische und/oder seltene Bildthemen ausgewählt und ausführlicher besprochen werden. Bei der Stilentwicklung sollen die weniger gut erforschten Werke prioritär und eingehender behandelt werden. Entscheidende Impulse und ein bedeutender Gewinn an Informationen vermittelte mir die Mitarbeit an der Buchpublikation «Buchmalerei im Bodenseeraum»18 und an der Ausstellung «Wenn Bettelmönche bauen. Die Prediger in Zürich.», die im Frühling 1999 in Zürich stattfand19 und schliesslich in den zusammen mit Christine Sauer verfassten Beitrag «Zur Buchmalerei im Umfeld des Zürcher Dominikanerklosters» in der Publikation «Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich» über die drei Bettelorden in Zürich mündete.20
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19
20
8
Wehrli-Johns 1995. Buchmalerei im Bodenseeraum 13. bis 16. Jahrhundert. Hrsg. im Auftrag des Bodenseekreises von Eva Moser. Friedrichshafen 1997. Hier bot sich die Gelegenheit, das bis zur Fertigstellung des Manuskriptes im März 1995 gesammelte Material vorzustellen. Seither konnte ich mehrere neue Erkenntnisse gewinnen. Ich habe darauf verzichtet, die Korrekturen jeweils anzumerken. Dazu erschien ein Begleitheft: Wenn Bettelmönche bauen. Die Prediger in Zürich. Ausgewählte Texte und Bilder der Ausstellung vom 3. März bis 29. Mai 1999. (Helferei Heft 8) Zürich 1999. Kessler/Sauer 2002.
2. Der Weg in die Biblioteca Vaticana Apostolica 2. 1 einleitung Gemäss der Studie über die Geschichte der Handschriftensammlung der Vatikanischen Bibliothek von J. Bignami Odier sind die Handschriften Vat. lat. 10769–10775 in der Zeit zwischen 1903 und 1912 in die Bibliothek gelangt.1 Die in diesen Jahren eingegangenen Manuskripte wurden in den Katalogen von M. Vattasso/H. Carusi2 sowie von J. B. Borino3 beschrieben. J. Bignami Odier bedauert, dass diese Autoren das Eingangsdatum und die unmittelbare Herkunft der Handschriften nicht in ihren Katalogen aufgeführt haben. Da die zur Diskussion stehenden Manuskripte bereits in einem Inventar von E. M. Bannister von 19054 aufgeführt sind, kann die von J. Bignami Odier gegebene Zeitspanne noch etwas eingegrenzt werden. Nachdem es zunächst aussichtslos schien über die zentrale Frage der Provenienz der Handschriftengruppe mehr zu erfahren5, stiess ich in anderem Zusammenhang auf den 1939 erschienenen Aufsatz der St. Galler Kunsthistorikerin D. F. Rittmeyer mit dem Titel «Von den Kirchenschätzen der im Jahre 1848 aufgehobenen Thurgauer Klöster. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des Kantons Thurgau.»6 Darin berichtet sie über eine Reihe von thurgauischen Kunstwerken – insbesondere Goldschmiedearbeiten –, die nach der Klosteraufhebung 1848 in den Vatikan gelangt waren und die sie dort sowie in mehreren Kirchen Mittelitaliens wieder entdeckt hat. Anlass für ihre Suche war ein Aufsatz des ehemaligen Leiters des Archivio Segreto Vaticano, A. Mercati, mit dem Titel «La provenienza dialcuni oggetti delle collezioni vaticane», aus dem Jahre 1936.7 A. Mercati stellt darin ausführlich einen zufälligen Aktenfund vor, mit dessen Hilfe er die Provenienz einiger Objekte in den 1 2 3 4 5
6 7
Bignami Odier 1973, S. 256. Vatasso und Carusi 1914/1920. Borino 1947. Bannister 1905, fol. 13v. Für die Diskussion über die damit verbundenen methodischen Probleme mit L. Boyle, dem damaligen Leiter der Biblioteca Apostolica Vaticana, sowie einem langjährigen Mitarbeiter des Archivio Segreto Vaticano, dem aus der Schweiz stammenden A.-J. Marquis, sei herzlich gedankt. Beide meinten, dass die Signaturen der Handschriftengruppe zu wenig aussagekräftig seien, um einen Hinweis auf die Provenienz zu geben. Zudem seien die Eintritte in die Sammlung zu dieser Zeit kaum dokumentiert. Auf diesen Aufsatz hat mich K. Otavsky aufmerksam gemacht, wofür ich mich bedanke. Diese Studie wurde von R. Henggeler besprochen in: Anzeiger für Schweizerische Altertumskunde, N F, Bd. 39 (1937), S. 164.
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Vatikanischen Sammlungen zu klären vermochte. Eine wesentliche Quelle stellt dabei ein Pariser Auktionskatalog aus dem Jahr 1851 dar. Darin werden ab Nummer 118 Handschriften aufgezählt. Es entstand die Hypothese, dass die bis anhin rätselhaft gebliebenen Nummern, welche die Handschriften Vat. lat. 10769–10775 (Kat.-Nr. 1, 15, 19, 20, 35, 42, 43) tragen, mit denjenigen im Auktionskatalog übereinstimmen.
2.2 Der Weg von rom nach Paris Alle Handschriften sind auf dem vorderen Deckelspiegel mit Bleistifteintragungen von der gleichen Hand versehen, und auf den vorderen Buchdeckeln kleben beschriftete Zettel. Diese weisen alle dieselben Ausmasse auf und sind mit brauner Tinte von derselben Hand in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschriftet worden. Die Gleichartigkeit der Schrift lässt vermuten, dass der Schreiber der Bleistifteintragungen und der Zettelbeschriftungen identisch ist. Aufstellung der Signaturen: aktuelle Signatur
Signatur innen (Schrift 2. H. 19. Jh.)
Signatur aussen (Schrift 2. H. 19. Jh.)
Vat. lat. 10769
120
120
Vat. lat. 10770
121 ter
121
Vat. lat. 10771
121
122
Vat. lat. 10772
121 bis
122
Vat. lat. 10073
119
119
Vat. lat. 10774
121 quater
122
Vat. lat. 10775
121
122
Geordnet nach den Signaturen innen: Signatur innen
Inhalt
Datierung
aktuelle Signatur
119
Graduale
um 1234–56
Vat. lat. 10773
120
Graduale
um 1270
Vat. lat. 10769
121
Antiphonar (Winterteil)
um 1290
Vat. lat. 10771
121 bis
Antiphnonar (Sommerteil)
um 1290
Vat. lat. 10772
121 ter
Antiphonar (Sommerteil)
um 1310
Vat. lat. 10770
121 quater
Psalterium und Hymnar
2. Hälfte 15. Jh.
Vat. lat. 10774
121
Antiphonar (Sommerteil)
14.–16. Jh.
Vat. lat. 10775
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Die zweite Tabelle zeigt, dass die Handschriften zur Zeit, als die inneren Nummern Gültigkeit hatten, nach dem Alter und dem Inhalt geordnet waren: Auf die beiden Gradualien folgen die Antiphonarien und den Schluss bilden die jüngeren Handschriften. Die äusseren Nummern stehen in einem Bezug zu den inneren. Geändert hat sich nur, dass die Bände 121 bis, ter, quater und 121 (10775) alle die Nummer 122 erhalten haben. In einem nächsten Schritt soll mit Hilfe der Archivalien im Archivio Segreto Vaticano und im Staatsarchiv des Kantons Thurgau, den Studien des ehemaligen Leiters des Archivio Segreto Vaticano, A. Mercati, und der Kunsthistorikerin D. F. Rittmeyer der Weg der Handschriften vom Vatikan über Paris zurück nach Frauenfeld resp. Kreuzlingen verfolgt werden. 8 Meine These lautet: Im Sommer 1850 muss es im Zusammenhang mit der amtlich bewilligten Versteigerung von Kulturgütern aus den aufgehobenen Klöstern zu weiteren Verkäufen gekommen sein. Die sieben Vatikanischen Handschriften dürften durch einen solchen Verkauf in die Hände des Kunsthändlers A. Loewenstein aus Frankfurt a. M. gelangt sein.9 Zusammen mit Kunstwerken aus den Aargauer Klöstern Muri und Wettingen sowie aus den Luzerner Klöstern St. Urban und Rathausen wurden sie nach Paris gebracht und für eine Auktion, die anfangs März 1851 hätte stattfinden sollen, vorbereitet. Die Intervention von einflussreichen Pariser Katholiken führte schliesslich dazu, dass der Vatikan beschloss, sämtliche zum Verkauf stehende Objekte zu erwerben. Bei den Vorbereitungen zur Auktion (Katalog und Ausstellung) im Frühjahr 1851 in Paris dürften die Handschriften mit den oben erwähnten Nummern versehen worden sein. Es handelt sich also um Auktionsnummern und nicht um alte Bibliothekssignaturen. Im Auktionskatalog von 1851 werden die Handschriften wie folgt beschrieben10: 119. Livre de choeur, manuscrit in fol. sur velin du commencent/du XIIIe siècle; il renferme quatre lettres ornées contenant des sujets de figures en or et en couleur. Belle conservation, première reliure (Kreuzlingen; 350,00) 120. Autre livre de choeur. MS. in fol. sur velin du XIIe siècle, contenant six grandes et belles lettres ornées d’arabesque sur fond d’or/bruni. Belle conservation, première reliure (Kreuzlingen; 600,00) 8
9
10
Rom, Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, fasc. 3, Oggetti sacri provenienti dallo spaglio delle chiese e conventi della Svizzera in vendita a Parigi ecc. – Mercati 1936. – Rittmeyer 1938. – Rittmeyer 1938 bis. – Rittmeyer 1939. Dazu Rittmeyer 1939, S. 19: «Stets habe ich vermutet, dass die Gelegenheit der Silbergant, welche viele Händler anlockte, auch zu diesen Verkäufen, aber ohne Versteigerung benützt wurde.» Rom, Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, fasc. 3.
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121. Autre semblable du XIVe siècle et contenant onze grandes let-/tres historiées ou ornées d’arabesques en or et couleur, conservation/pareille (Kreuzlingen; 400,00) 122. Quatre autres semblables des XIVe et XVe siècles et d’une orne-/mentation plus simple, même conservation (Kreuzlingen; 1000,00)
Aufgrund der inneren und äusseren Numerierungen und den Beschreibungen im Katalog kann folgender Ablauf rekonstruiert werden: Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten für die Auktion wurden die Handschriften innen mit Bleistift numeriert. Dabei subsumierte man die Handschriften Vat. lat. 10770–10775 unter der Nummer 121 resp. 121, 121bis, 121ter und 121quater. In einem zweiten Schritt wurden aussen die Zettel aufgeklebt. Der Codex Vat. lat. 10770 hat die Nummer 121 erhalten, den Handschriften Vat. lat. 10771–10775 wurde allen dieselbe, nämlich die Nummer 122, zugewiesen. Beim Verfassen der Katalogtexte muss ein Fehler unterlaufen sein. Denn die Katalogbeschreibung unter der Nummer 121 passt zum Codex Vat. lat. 10771. Dieser trägt im Innern auch diese Nummer, jedoch aussen die Nr. 122. Es wäre denkbar, dass das Kleben der Zettel und das Verfassen der Katalogtexte gleichzeitig vorgenommen wurde. Ein Beweis für diese Verwechslung stellt die vom Architekten J. B. Lassus am 22. März 1851 vorgenommene Prüfung und Schatzung der zum Verkauf stehenden Objekte dar. Sein Text zur Nr. 121 entspricht dem Codex Vat. lat. 10770: «Manuscrits du XIVe siècle, 2 lettres historiées» (dazu unten ausführlich). Die einzelnen Beschreibungen sind – wie dies für Auktionskataloge üblich ist – sehr summarisch und z.T. ungenau. Es handelt sich um liturgische Handschriften, die für den Chordienst verwendet wurden und unter «livres de choeur» zusammengefasst werden. Es wird jedoch nicht zwischen Antiphonar und Graduale, Hymnar und Psalterium unterschieden. Alle Handschriften befinden sich auch heute noch in einem guten Erhaltungszustand. Die groben Datierungen treffen meistens zu. Das Graduale Vat. lat. 10769 resp. 120 stammt jedoch aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Es weist in der Tat nachgebräunte Goldgründe auf, so dass sie kupferfarben wirken (z. B. foll. 4v, 17r). Es ist mit elf ornamentalen Deckfarbeninitialen verziert. Die Kurzbeschreibung des Graduale Vat. lat. 10773 resp. 119 trifft im Wesentlichen zu. In der pergamentenen Handschrift wird bei vier Festen der Introitus mit einer figürlichen Deckfarbeninitiale ausgezeichnet (foll. 14v, 73r, 86r, 106r). Die Handschrift Vat. lat. 10771 resp. 121 ist tatsächlich mit historisierten und ornamentalen Initialen geschmückt. Insgesamt sind es jedoch 16 Deckfarbeninitialen, davon gehören acht eindeutig zur Gruppe der historisierten. Die Beschreibung im Katalog nennt elf grosse Initialen. Wurden nur die grösseren mitgezählt? Der Vergleich der knappen Katalogbeschreibungen mit dem Befund der Handschriften zeigt, dass es bei zwei Manuskripten Differenzen bei der Anzahl von Deckfarbeninitialen gibt. Für diese Differenzen gibt es keine einleuchtende Erklärung. 12
Der Umgang mit Handschriften zeigt jedoch, dass Fehler sehr schnell unterlaufen und eine gewisse Sorgfalt und Konzentration nötig sind, um diese zu vermeiden. Es ist vorstellbar, dass die Vorbereitungen für die Auktion und für den Katalog unter Zeitdruck erledigt werden mussten. Die öffentliche Besichtigung hätte am 8. und 9. März 1851 und die Auktion an den zwei darauffolgenden Tagen (Montag und Dienstag, 9. und 10. März 1851) bei Bonnefons de Lavialle an der Rue des Jeuneurs 42 in Paris stattfinden sollen. Wie aus den Akten im Archivio Segreto Vaticano hervorgeht, hatten einige Pariser Katholiken bereits im Februar Kenntnis von den zum Verkauf stehenden Objekten. In ihrem Namen wandte sich Henri-Léon Riancey an den damaligen Nuntius in Frankreich, Pietro Antonio Garibaldi, und bat um Erlaubnis, die zum Verkauf stehenden Kunstwerke zu erwerben, denn nach seinem Wissen, sei es Katholiken nicht erlaubt, mit Kultgegenständen zu handeln.11 Sein Brief datiert vom 12. Februar 1851: Il existe, en ce moment à Paris, une collection de vases sacrés et d’objets précieux à l’usage de l’Eglise catholique, laquelle attire à la fois l’admiration et la douleur de toutes les âmes chrétiennes. Ce sont les depouilles de six couvents de Suisse violemment supprimés par les Gouvernemens radicaux et dont les trésors ont été saisis et vendus par ordre de ses spoliateurs. Le possesseur actuel Mr. Strauss, chef d’orchestre et artiste distingué, les a achetés dans un voyage récent en Suisse. Frappé de la beauté et de la richesse de ces magnifiques produits de l’art et de la piété de nos Pères, il a voulu d’abord les soustraire à une destruction certaine. Les Gouvernemens helvetiques n’osaient pas mettre publiquement en vente des objets si rares par les souvenirs qu’ils rappellent, par l’usage sacré auquel ils sont destinés, par les reliques notables que plusieurs d’entreux contiennent. Un reste de pudeur et la crainte d’exciter la clameur et les vengeances des populations fidèles les retenaient. Aussi avaient ils dejà passé des marchés pour faire fondre les metaux précieux et livrer les pierreries au commerce. Mr. Strauss, independamment du désir de conserver la valeur artistique et historique de ces monuments vénérés, pensa que s’il les apportaît en France, il serait possible peut être de les faire acquérir par les Eglises et de les restituer ainsi à leur primitive destination. Toutefois, voulant s’en défaire avantageusement, il s’était décidé à les exposer en vente publique, et cette vente est indiquée pour le 10 et 11 mars prochain. Plusieurs personnes, pieuses et amies des arts, ayant été appellées à visiter cette collection, ont été émus d’une affliction profonde à l’idée que de tels chefs d’oeuvre, que des vases qui avaient servi aux plus augustes et aux plus redoutables mystères de notre sainte Religion, allaient être mis à l’encan et passeraient vraisemblablement entre les mains de spéculateurs et de marchauds, d’Anglais hérétiques, de Juifs peut être! Elles ont conçu le vif désir d’eviter ce malheur et cette profanation. Un coup d’oeil jeté sur le Catalogue descriptif qui est joint à la présente note, expliquera mieux qu’on ne le pourrait dire ici, 11
Henri-Léon Camusat de Riancey, 1816–1870, Pariser Anwalt, der sich als überzeugter Katholik und Monarchist der Politik und dem Journalismus zuwandte und eine Reihe von Werken veröffentlichte, u. a. Histoire du monde depuis la création jusqu’à nos jours (1838–1841, 4 Bde.); Histoire résumée du moyen âge (1841); Recueil des actes N. T. – S. P. Pie IX (1852– 1854, 3 Bde.). Larousse XIXe siècle, vol. XIII, 2. partie, p. 1169.
13
combien ce désir se justifie. Elles voudraient pouvoir, amiablement, acheter toute la Collection, rendre au Culte catholique les merveilles qui la composent et les acquérir pour des Cathédrales, Chapelles ou Communautés. Les premières ouvertures qu’elles ont faites près du Possesseur actuel ont été, en ce qui concerne, favorablement accueillies. Il consentirait à traiter à un prix raisonnable quoique déjà très élevé, et à renoncer à la vente publique. Mais un doute de consience arrête les personnes honorables qui pourraient s’occuper de cette bonne oeuvre. Les lois de l’Eglise ne s’opposent elles pas à ce que des Vases sacrés, des Calices, des reliquaires, des Croix, des anneaux, des crosses abbatiales, enfin des objets consacrés, soient achetés, surtout lorsqu’ils proviennent de spoliations aussi scandaleuses que la suppression des six couvens dont voici le noms: ›Rathaüsen, Frauenfeld, Weittingen, Kreutzlingen, Muri et St. Urbain‹? [sic] L’intention formelle de n’acheter ces objets que pour les soustraire à la profanation et pour les rendre au service de l’Eglise ne peut elle pas motiver une dérogation à ces lois, d’après une autorisation spéciale du Saint Siège? Peut-on demander et obtenir cette autorisation? Il est bien évident que la solution de ces questions doit préceder et précede toute démarche concluante vis à vis du Possesseur actuel. On prend la liberté de faire observer que le temps presse, qu’il y a une grande urgence, puisque la vente publique est annoncée et fixée au 10 et 11 mars 1851. Telles sont les questions sur lesquelles on ose implorer une prompte réponse.12
Bereits am 13. Februar leitete der Nuntius die Anfrage weiter an Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato, und bat ihn, die Angelegenheit mit Papst Pius IX. zu besprechen.13 Es folgte ein reger Briefwechsel zwischen Rom und Paris, der im Archivio Segreto Vaticano überliefert ist. Daraus geht hervor, dass Papst Pius IX. den Ankauf bewilligte. Zu erfahren ist ferner, dass sich eine nicht genannt sein wollende Person aufgrund ihrer religiösen Gefühle dem Komitee anschliessen und sich mit einem Betrag von 100’000.– Francs am Ankauf beteiligen wollte, dies unter der Bedingung, dass ein Teil der Objekte dem Papst zur Verfügung gestellt würden.14 Der Nuntius erfuhr darauf, dass es sich bei der anonymen Person um Papst Pius IX. selbst handelte. Wie aus der Korrespondenz weiter hervorgeht, wollte der Papst zuerst nur einen Teil der Objekte erwerben, entschied sich aber später für den Ankauf der ganzen Sammlung und war auch bereit, die Summe zu erhöhen. Der von H.-L. Riancey erwähnte Besitzer J. Strauss hatte offenbar den erfolgreichen Goldschmied und Juwelier F. D. Froment-Meurice engagiert, um sämtliche Kunstgegenstände zu schätzen, nachdem dieser von einer Gruppe von Pariser Katholiken 12 13 14
14
Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 7–8. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 3–4. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 9–10, Brief vom 25.2.1851: «Intanto però debbo incaricare la S.V. Illma e Roma di far avvertita la società degli acquirenti che conosciutasi qui la cosa da persona animata da religiosi sentimenti, ha questa determinato di associarsi alla compra di cui è menzione, concorrendovi per la somma di centomilla franchi, nell’ intendimento, siccome si è potuto tradevere, di mettere a disposizione del S. Padre la partita degli oggetti corrispondenti nel complessivo valore alla valore detta somma.»
das Angebot erhalten hatte, die gesamte Sammlung zu kaufen.15 Im Archivio Segreto Vaticano ist eine Kopie der Schätzung des Goldschmieds erhalten geblieben: «Estimation de Mr. Froment Meurice./Mr. Strauss, m’ayant prié de donner mon avis sur les orfevreries reliquieuses et/autre dont il avait annoncé la vente pour le Lundi 10 mars; vente qu’il a suspendue/sur la proposition qui lui a été faite d’aquerir, la Collection toute Entière...»16 Im Folgenden erklärt F. D. Froment-Meurice sein Vorgehen bei der Schätzung und hält ausdrücklich fest, dass seine Erfahrungen in diesem Bereich lückenhaft seien, er über die Resultate von Auktionen und über die Preise von Antiquitäten nicht informiert sei und den Wert von religiösen Objekten nicht kenne. Von den zum Verkauf stehenden Handschriften bewertete er nur die Nr. 118, die nicht zu den hier zur Diskussion stehenden Manuskripten gehört. Letztere subsumierte er unter der Nummer 120 und schätzte sie wie folgt: façon et prime
prix total
118 Manuscrits parchemin
600
600
120 Tout les Missels
200
200
prix demandé par Mr. Strauss
5000
Er kommt schliesslich auf einen Gesamtbetrag von 134᾽950 Francs und macht folgende Schlussbemerkung: «Le prix demandé par Mr. Strauss, est de 250’000 Francs 00 Centimes; / La différence qu’on remarque ici provient d’une confusion/dans l’établissement de plusieurs estimation et dans une confusion de Numéros.»17 15
16 17
Zur Person von J. Strauss: Riancey bezeichnet ihn in seinem Brief vom 12. Februar 1851 als «chef d’orchestre et artiste distingué». Während Mercati 1936, S. 6, Anm. 7, noch keine überzeugende Interpretation zur Hand hatte und an die Wiener Musikerfamilie dachte, konnte Rittmeyer 1938, S. 215, Anm. 39, die Person einordnen. Isaac Strauss, geboren 1806 in Strassburg, war israelitischer Abstammung, lebte als Musiker ab 1827 in Paris, komponierte leichte Musik und wurde schliesslich «chef des bals de la Cour du second Empire». Dazu: Larousse XIXe siècle, vol. XIV, 2. partie, p. 1138. Offenbar betätigte er sich auch nach dem Verkauf im Jahre 1851 noch als Kunsthändler, denn bereits 1852 bot er dem Nuntius in Paris eine Sammlung aus Freiburger Klöstern (La Part-Dieu, Hauterive und Jesuitenkloster) an. Der Verkauf kam jedoch nicht zustande. Dazu: Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 150–153. – Mercati 1936, S. 22. Zur Person von Froment-Meurice: Es handelt sich um den erfolgreichen Pariser Goldschmied und Juwelier François Désiré (1802– 1855). Er gilt als d e r Goldschmied der Romantik schlechthin. Unter seinen Auftraggebern waren die Päpste Gregor XVI. und Pius IX., der Schah von Persien, Balzac etc. Thieme-Becker, Bd. 12, S. 521–523. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, fol. 102. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, fol. 103.
15
Wie aus der erhaltenen Kaufbestätigung hervorgeht, hat eine Kommission die Verkaufsverhandlungen geführt. Die Mitglieder dieser Kommission rekrutierten sich offenbar aus der von Riancey erwähnten Gruppe von Katholiken, die sich für den Kauf einsetzte.18 Die Kommission liess von einem seiner Mitglieder, dem berühmten Architekten und Restaurator J. B. Lassus, ein Gutachten erstellen.19 Es ist datiert auf den 22. März 1851. Aus den einleitenden Worten von J. B. Lassus geht hervor, dass er die Objekte sehr sorgfältig untersucht und bewertet hat. Er teilte die Objekte nach ihrer Qualität in zwei Klassen ein. Für die Objekte der ersten, höheren Klasse wollte er sich an den erzielten Auktionspreisen orientieren, und bei den Objekten der zweiten Klasse setzte er den Materialwert (in der Regel Silber) und den halben Herstellungswert ein (s. Anhang 1). Auf die Einleitung folgt die Schätzung der einzelnen Objekte. Die Liste beginnt mit den Objekten der ersten Klasse. Lassus ordnete dieser Klasse 65 Objekte zu, darunter auch die Handschriften. Im Folgenden seine Angaben zu den Handschriften: Provenance
numéro du catalogue
Désignation
Valeur definitive Francs
Kreuzlingen
120
Livre de choeur, 6 lettres ornées, ancienne reliure, (complet).
400.00
idem
119
Livre de choeur, XIIe siècle, 4 lettres ornées.
350.00
idem
121
Manuscrits du XIVe siècle, 2 lettres historiées.
400.00
idem
122
Quatre manuscrits sans miniatures.
1000.00
Am Schluss seines Gutachtens hielt er einige wichtige Beobachtungen fest. U. a. listete er fünf Objekte auf, von denen er annahm, dass sie nicht aus den aufgehobenen Schweizer Klöstern stammten. Dabei handelte es sich um ein Triptychon und
18
19
16
Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856 Rubrica 248, Fasc. 3, fol. 106: «M. D. A. Sibour, Erzbischof von Paris, P. L. Parisis, Bischof von Langres (Abgeordneter), M. le comte de Montalembert (Abgeordneter), M. de Corcelles (Abgeordneter), M. l’abbé Eglée, chanoine de la cathédrale de Paris, M. Lassus (St. Germain l’Auxerrois). Tous les surnomés composant seuls la commission instituée pour le rachat d’objets religieuse provenant des convenants de la Suisse supprimés.» Achrivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 90–100. Zur Person von J. B. Lassus: 1807–1857, Verfechter der Neugotik in Frankreich, trat als Restaurator der wichtigsten gotischen Bauwerke Frankreichs in Erscheinung, u. a. Ste. Chapelle und Notre Dame in Paris. Thieme-Becker, Bd. 22, S. 410–411.
mehrere Email-Arbeiten (Limoges?).20 Die Handschriften befinden sich nicht darunter. Er stellte fest, dass das unter der Nr. 117 aufgeführte Kelchvelum gar nicht vorhanden sei. Zudem verzeichnete er alle Objekte, die Reliquien enthalten, in einer separaten Liste.21 Der von ihm errechnete Gesamtbetrag betrug 115’424.47 Francs. Nachdem ursprünglich 100’000 Francs geboten waren und Strauss anfänglich 250’000 Francs verlangte, die Gutachten und Schätzungen von F. D. Froment-Meurice wie J. B. Lassus auf weit weniger hohe Beträge kamen, einigte man sich schliesslich bei 125’000 Francs. Das Geschäft wurde über die Bank der Gebrüder Rothschild in Paris abgewickelt.22 Am Morgen des 31. März 1851 fand die Übergabe der insgesamt 136 Objekte an den Nuntius statt, wie ein Übergabeprotokoll bestätigt: «Procès verbal, de dépôt, et de reception des/objets religieux appartenant à Mr. Strauss, et/remis par lui, entre les mains de Monseigneur le/Nonce Apostolique; en son Hôtel, à Paris, rue de L’Université N° 69; dressé par Mr. Lassus,/Architecte du gouvernement, assisté de Mr./Lamarche, Bijoutier, a Paris, rue de la Paix 29.»23 In der Folge wird der Transport der Kunstgegenstände organisiert. In zwölf Kisten verpackt verliessen sie am 26. Juni 1851 Paris und wurden am 24. Juli 1851 in Toulon eingeschifft, um schliesslich auf dem Seeweg nach Civitavecchia transportiert zu werden.24 Parallel dazu sandte Garibaldi sämtliche Dokumente, welche die erworbenen Objekte betreffen und heute im Archivio Segreto Vaticano aufbewahrt werden, an Antonelli.25 Dazu gehören die Schätzungen von F. D. Froment-Meurice und J. B. Lassus, das Übernahmeprotokoll von Lassus, der Kaufvertrag sowie sechs Auktionskataloge. Im Vatikan angelangt, wurden die Objekte offenbar von einem Goldschmied aufgelistet, beschrieben und Vorschläge für eine Restaurierung ausgearbeitet, wie aus dem erhaltenen Verzeichnis «Elenco di vasi ed utensili sagri» hervorgeht.26 Danach wurden sie in die Floreria Apostolica al Vaticano, genauer in den Armadii, zur weiteren Aufbewahrung gebracht. Bei der Beschreibung der Handschriften hatte sich der Floriere Filippo Bertazzoli offensichtlich nur auf die Beschläge konzentriert: 119 Altro detto (Un Messale) con guarnizione di metallo 120 Altro detto come sopra 121 Altro detto come sopra
20 21 22 23 24 25 26
Nach dem Pariser Auktionskatalog sind dies die Nrn. 85, 93–95, 114 und 135. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 98–99. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 16–20. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 104–106. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 25–31, 112–113. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 32–106. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 114–127, 170.
17
122 Altro guarnito di rame, altri due guarniti di ferro, ed altro guarnito di ottone27
Im Vergleich dazu der heutige Befund: 119 = Cod. Vat. lat. 10773: je 5 Buckel und Beschläge in Kupfer mit Spuren einer Vergoldung 120 = Cod. Vat. lat. 10769: je 5 Buckel aus Kupfer und Eisen 121 = Cod. Vat. lat. 10770: Buckel und Beschläge aus Kupfer 122 = Cod. Vat. lat. 10774: je 5 Buckeln und Beschläge, von 2 Schliessen ist noch eine intakt, Kupfer? Cod. Vat. lat. 10771/10772: je 5 Buckel, von urspr. 4 Schliessen sind noch 2 intakt, Eisen? Cod. Vat. lat. 10775: von 2 Schliessen ist noch eine intakt, Beschläge der Schliessen: Kupfer/Messing?
Die ausschliessliche und wenig detaillierte Beschreibung der Beschläge lässt eine genaue Überprüfung resp. eine klare Identifizierung nicht zu. Im Chirograph vom 31. Dezember 1851 hält Papst Pius IX. fest, dass die Objekte wieder den katholischen Kirchen und Klöstern der Schweiz zurückgegeben werden sollen. Er behält sich jedoch das Recht vor, über einige frei zu verfügen.28 Nur zwei Objekte kamen allerdings wieder direkt in die Schweiz zurück. Die unter der Nr. 68 im Pariser Auktionskatalog aufgeführte Monstranz aus dem Zisterzienserinnenkloster Rathausen wurde den Ordensfrauen zuerst leihweise und dann ganz überlassen. Nachdem die Monstranz in den Kunsthandel gelangt war, wurde sie im Jahr 1919 von der Gottfried-Keller-Stiftung angekauft und im Schweizerischen Landesmuseum deponiert.29 Eine Monstranz aus Muri – nach dem Pariser Auktionskatalog aus St. Urban (Nr. 69) – kam 1874 als Geschenk des Papstes in die Pfarrei St. Peter und Paul in Zürich.30 Erst 1964 wurde auf Anordnung Papst Pauls VI. dem Konvent von Wettingen-Mehrerau das gotische, sog. Wettinger Prachtkreuz, wieder zurückerstattet.31 Die Reliquienbüsten der hl. Bernhard und Urban aus dem Zisterzienserkloster St. Urban dürften kurz nach dem Eintreffen in Rom in den Kunsthandel gelangt sein, denn schon 1886 erwarb der Sammler Johann Heinrich Angst, damals englischer Generalkonsul in Zürich und ab 1892 erster Direktor des Schweizerischen Landesmuseums, vier Platten vom Postament der Bernhardsbüste.32 27 28 29 30 31 32
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Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 124–125. Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, fol. 145. Mercati 1936, S. 26. – Rittmeyer 1938 bis, S. 260, 273–276. – Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3, foll. 154–157. Rittmeyer 1938 bis, S. 275. – Rittmeyer 1938, S. 227–228. Mercati 1936, S. 27. – Rittmeyer 1938, S. 220–226. – Hoegger 1998, S. 328–329 Nr. 10. Rittmeyer 1938 bis, S. 270–273. – Zu J. H. Angst: HBLS, Bd. 1, S. 378.
Bereits A. Mercati berichtete, dass Papst Pius IX. auf seiner Reise im Jahre 1857 eine Reihe von diesen Kunstwerken verschenkte.33 D. F. Rittmeyer gelang es einige dieser Kunstwerke in Mittelitalien (Ancona, Bologna, Faenza, Macerata etc.) ausfindig zu machen.34 Zudem erwähnte sie, dass derselbe Papst das Kruzifix mit Kreuzpartikel aus Wettingen dem Bischof von Oradea-Bihor (Rumänien) verschenkt sowie weiteren griechisch-unierten Bischöfen Geschenke dieser Art gemacht hatte.35 A. Mercati sowie W. F. Volbach und später auch D. F. Rittmeyer haben versucht, die im Pariser Auktionskatalog verzeichneten Objekte in den Beständen der Vatikanischen Museen und der Bibliothek zu identifizieren.36 Bei einigen ist ihnen dies gelungen, hingegen zählen die hier zur Diskussion stehenden Handschriften zu den Misserfolgen.37 Die unter den Nummern 123–131 aufgezählten liturgischen Handschriften aus St. Urban konnte A. Mercati in der Bibliothek auffinden.38 Sie tragen, wie ich mich selber überzeugen konnte, dieselben Zettel mit den Nummern des Pariser Auktionskataloges, wie die Codd. Vat. lat. 10769–10775. Dies stellt einen weiteren, wenn auch indirekten Beweis für die oben aufgestellte These dar.
2. 2 Der Weg von Paris nach Kreuzlingen Bisher konnten wir den Weg der Handschriften vom Vatikan bis nach Paris im Jahre 1851 zurückverfolgen. Im Gutachten des Architekten J. B. Lassus erscheint bei den Handschriften als Provenienzangabe: «Kreuzlingen». In der Folge soll versucht werden, den Weg von Paris nach Kreuzlingen weiterzuverfolgen. Im Jahre 1850 fanden im Kanton Thurgau als Folge der Klosteraufhebungen Liquidationsverkäufe statt. Diese Ereignisse sollen nun etwas eingehender betrachtet werden. Die Klosteraufhebungen im Jahre 1848 gelten als Hauptereignis der thurgauischen Kirchenpolitik des 19. Jahrhunderts. Sie sind dementsprechend gut aufgearbeitet39 und werden hier zusammenfassend sowie mit Blick auf unsere Fragestellung dargestellt. Mit der Französischen Revolution und der Befreiungsbewegung im Kanton Thurgau ab 1798 setzte ein langjähriger Säkularisierungsprozess ein, der schliesslich zur 33 34 35 36 37 38 39
Mercati 1936, S. 27. – Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, foll. 132–136. Rittmeyer 1938, S. 229–230. – Rittmeyer 1938 bis, S. 284–295. – Rittmeyer 1939, S. 30–35. Rittmeyer 1938 bis, S. 295–297. – Zum Wettinger Kruzifix mit Kreuzpartikel S. auch Hoegger 1998, S. 338 Nr. 47. Mercati 1936, S. 27–28, 43–48. – Rittmeyer 1938, S. 220–227. – Rittmeyer 1938 bis, S. 261– 284. – Rittmeyer 1939, S. 24–29. Mercati 1936, S. 28. – Rittmeyer 1938 bis, S. 268. Dazu unten ausführlich. Mercati 1936, S. 28. – Rittmeyer 1938 bis, S. 262–268. Schwager 1981, S. 5–153 (= Teil 1); Schwager 1982, S. 65–248 (= Teil 2).
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Aufhebung der Thurgauer Klöster führte. Während der Helvetik galten die Klöster als Nationalgüter und die Aufnahme von Novizen war verboten.40 Die Zeit der Mediation und Restauration brachte für die Klöster eine Phase der Entspannung. Sie durften ihre Güter wieder selbst verwalten, Novizen aufnehmen, erneut gemeinnützige Einrichtungen betreiben, manchmal konnten sie diese sogar ausbauen.41 In den 1830er-Jahren rückte die Klosterpolitik wieder ins Zentrum der politischen Diskussionen. Dies geschah aus mehreren Gründen: Die Badener Artikel von 1834 lösten hitzige Diskussionen in der gesamten Eidgenossenschaft aus und verschärften die bereits bestehenden konfessionellen und politischen Auseinandersetzungen. Es folgten die Klosteraufhebungen im Aargau (1841) und die Berufung der Jesuiten nach Luzern (1844). Der Konflikt eskalierte und gipfelte nach dem Freischarenkrieg in den Jahren 1844/1845 im Sonderbundskrieg von 1847.42 Im Kanton Thurgau, wo seit 1830 liberale Kräfte an der Macht waren, führten die beschriebenen Ereignisse und Entscheide 1836 in einem ersten Schritt zur Aufhebung des Klosters Paradies und zur Staatsverwaltung der noch bestehenden Klöster; im Sommer 1848 folgte schliesslich der Klosteraufhebungsbeschluss, der vorsah, alle Klöster ausser St. Katharinental aufzuheben und zu liquidieren. Hier ist es wichtig, die von A. Schwager gewonnenene Erkenntnis festzuhalten: «Die Aufhebung der Thurgauer Klöster war ein politischer und kein konfessioneller Akt. Weltanschauliche und ökonomische Motive standen eindeutig über den religiösen.»43 Die nun einsetzende Phase der Klosterliquidation, insbesondere der uns interessierenden Kirchenschätze, wurde von D. F. Rittmeyer ausführlich beschrieben und wird im Folgenden zusammenfassend dargestellt. Um die 1848 gefassten Beschlüsse zu vollziehen, wurden verschiedene Kommissionen eingesetzt: Klosterzentralverwaltung, Klosterliquidationskommission, Klostergutsverwertungskommission.44 Als Grundlage für die Liquidation mussten zuerst Inventare erstellt resp. bestehende bereinigt werden. Für diese Arbeit wurden acht Kommissäre gewählt. Ihnen wurden drei Experten für die Bestandesaufnahme der Klosterbibliotheken von Fischingen, Ittingen und Kreuzlingen an die Seite gestellt. Für Fischingen wurde Pfarrer Ammann aus Sirnach ernannt, für Kreuzlingen Dekan J. A. Pupikofer aus Bischofszell und für Ittingen Rektor J. C. Mörikofer.45 Wie letzterer schildert, war das Interesse der Regierung und des Kirchenrates an den 40 41 42 43 44 45
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Schwager 1981, Kap. 1. Schwager 1981, Kap. 2 und 3. Andrey 1986, S. 621–630. Schwager 1982, S. 208. Schwager 1982, S. 195–196. Schwager 1982, S. 191. – Zur Person von Mörikofer: HBLS, Bd. 5, S.124.
Bibliotheksbeständen der Klöster anfänglich sehr gering: «Man erwartete von unseren herabgekommenen und durch’s Band weg geistlichen Klöstern nichts als Geld und Gut, den geistigen Nachlass hielt man keiner Berücksichtigung werth. Daher sah sich die Regierung veranlasst, die Klosterbibliotheken dem Katholischen Kirchenrath als Schenkung anzubieten. Der damalige Präsident aber wies dies Anerbieten lachend ab, indem er sagte, ‹sie wissen nichts mit den Scharteken anzufangen›. Darauf hatte das mit der Besorgung der Kantonsbibliothek beauftragte Regierungsmitglied vor, die Klosterbücher an einen Antiquar zu verkaufen.» 46 Als J. C. Mörikofer dann bei seiner Arbeit im Archiv und in der Bibliothek der Kartause Ittingen auf ein Altarblatt stiess, wurden auf sein Gesuch hin alle aufgehobenen Klöster auch nach Kunstwerken und Antiquitäten durchsucht.47 Alle aufgefundenen Objekte wurden gemäss den Anträgen J. C. Mörikofers nach Frauenfeld gebracht und durch zwei externe Experten begutachtet.48 Als Experten amteten der Lehrer, Forstinspektor und Herausgeber von kartografischen Werken Jakob Melchior Ziegler aus Winterthur und der bekannte Archäologe und Naturwissenschaftler Ferdinand Keller aus Zürich.49 In der Zwischenzeit hatte auch die Klosterliquidationskommission ihre Arbeit aufgenommen. Eines ihrer Hauptziele war es, zusammen mit einem Vertreter des Kirchenrates die Verteilung der Kirchenschätze vorzunehmen. Mit einem Teil wurden die katholischen Pfarrkirchen ausgestattet, der andere Teil sollte versteigert werden.50 Die breit angekündigte öffentliche Versteigerung fand am 26. Juni 1850 in Frauenfeld statt.51 In der NZZ wurde über die Ereignisse wie folgt berichtet: Thurgau (Korr.) In diesen Tagen sind die Rech-/nungen der Klosterzentralverwaltung über das Ver-/mögen sämtlicher aufgehobener Klöster und im /weitern über das Vermögen des Klosters St. Katharinenthal/ und des Kollegiatsstiftes Bischoffszell per 1849 aufgelegt worden... In diesen Tagen sind/ auch die kostbaren Klosterreliquien für ca. fl. 13,600 in Frauenfeld verkauft worden, nachdem der katholische Kirchen-/raht vorher schon solche 46 47 48 49
50 51
Mörikofer 1878, S. 6. STA TG, 3’00’92, Protokoll des Kleinen Rates, Sitzung vom 23.10.1848, § 2918. STA TG, 3’00’92, Protokoll des Kleinen Rates, Sitzung vom 24.10.1848, § 3231 und Sitzung vom 4.11.1848, § 3318. Rittmeyer 1939, S. 13 und 19, fasst das Kunstgutachten Kellers zusammen. Zur Person von J. Ziegler: Es handelt sich dabei wohl um Jakob Melchior, 1801–1883, HBLS, Bd. 7, S. 656. – Zur Person von F. Keller: HBLS, Bd. 4, S. 472. Keller wurde neben dem Goldschmied Rehfuss aus Bern auch im Kanton Aargau als Experte engagiert, war aber dann verhindert, und an seine Stelle trat der Historiker Ludwig Ettmüller. Dazu Rittmeyer 1938, S. 209. STA TG, RRB Nr. 1399 vom 18. Mai 1850. STA TG, 3’00’95, Ausschreibung der Versteigerung im Amtsblatt vom 8.6. 1850. In der NZZ, vom 5.6.1850, S. 704; vom 11.6.1850, S. 733; vom 18.6.1850, S. 764.
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im Werthe von fl. 6000 für kantonale Kirchen erkauft hat. Die Steigerung hatte starken und reg-/samen israelitischen Besuch.52
D. F. Rittmeyer gelang es, zwei der Käufer namentlich zu eruieren: Den Goldschmied Fries53 aus Zürich und den Antiquar A. Loewenstein aus Frankfurt a. M.54 Sie haben Kisten für das Verpacken der erworbenen Kunstgegenstände gekauft.55 Letzterer dürfte wohl zu den im Bericht der NZZ erwähnten israelitischen Besuchern gezählt werden. Gemäss einer brieflichen Mitteilung A. Mercatis vom 25. April 1938 an D. F. Rittmeyer ist auch die Quittung von A. Loewenstein erhalten. Sie ist von grosser Bedeutung, da sie belegt, dass es neben der Versteigerung der Silbergegenstände auch zum Verkauf von weiteren Kunstgegenständen gekommen sein muss und zwar von offizieller Seite, denn die Quittung ist vom Kassier Debrunner in Frauenfeld unterschrieben. Diese Quittung nennt laut F. D. Rittmeyer: «... nicht nur einige der wertvollen Silberarbeiten, sondern auch ›differents autres objets, tels que tableaux, bois sculptés‹ etc.»56 Stellvertretend für die Verkäufe ausserhalb der Versteigerung sei hier das Gemälde von Lucas Cranach mit der Darstellung «Ecce homo» aus Kreuzlingen erwähnt. Im Pariser Auktionskatalog trägt es die Nummer 132 und soll nach J. B. Lassus aus Kreuzlingen stammen. J. C. Mörikofer hatte in Kreuzlingen ein Gemälde mit diesem Bildinhalt gesehen und dieses nach Frauenfeld bringen lassen.57 Auch J. C. Mörikofer berichtet von Verkäufen neben der amtlichen Versteigerung der Silbergegenstände: Allein ohne weitere Berathung wurden sämmtliche von mir verzeichneten Gegenstände nach Frauenfeld gebracht, welche zu meinem Schrecken zehn vierspännige Leiterwagen füllten. Diese Wagenlast machten hauptsächlich die alten Mobilien der Klöster aus, unter welchen Schränke mit schönen Schnitzereien und wieder mit eingelegter Arbeit waren. 52 53 54
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NZZ vom 30. Juni 1850, S. 816. Thieme-Becker, Bd. 12, S. 476. Zur Person von A. Loewenstein konnte ich nichts Näheres in Erfahrung bringen. Ein heute noch in Frankfurt a. M. lebender Kunsthändler Avner Loewinstein [sic!] stammt nach eigener Aussage nicht von diesem ab. Seine polnischen Vorfahren sind um 1900 nach Deutschland eingewandert. Bemerkenswert ist, dass Loewenstein auch bei den Verkäufen in den Kantonen Aargau und Luzern aktenkundig ist. Er tritt auch nach dem Kauf von 1850 als Käufer in Erscheinung. Rittmeyer 1938, S. 209–214, 218. – Rittmeyer 1938 bis, S. 244, 251, 302–307. Rittmeyer 1939, S. 18–19. Rittmeyer 1939, S. 19. Diese Quittung habe ich in den Akten im Archivio Segreto Vaticano nicht vorgefunden. Die von Rittmeyer aufgeführten Beispiele S. 28–29. Mercati 1936, S. 41. – Rittmeyer 1939, S. 28. – Zum Bericht Mörikofers STA TG, Protokoll des kleinen Rates 1848, 3’00’92, § 3231 Sitzung vom 24.10.1848 und § 3318 Sitzung vom 4.11.1848. Bericht ist abgedruckt bei Rittmeyer 1939, S. 59–65.
Leider wurden diese sämmtlich, sowie die zusammengebrachten alten Kupferstiche und Holzschnitte um ein Spottgeld an Juden verkauft.58
Von nicht öffentlichen Verkäufen berichtet indirekt auch H.-L. Riancey in seinem Brief an den Nuntius P. A. Garibaldi, wenn er schreibt, die Regierungen hätten es nicht gewagt, die Kunstwerke öffentlich zu verkaufen (s. Abschnitt 2.2). Ein wichtiger Beleg für die Verkäufe ausserhalb der öffentlichen Versteigerung stellen selbstverständlich die von A. Mercati, W. F. Volbach und D. F. Rittmeyer in den Vatikanischen Sammlungen identifizierten Objekte dar (s. oben). Zu den schliesslich in Paris zum Verkauf versammelten Objekten gehörten auch solche aus den aargauischen und luzernischen Klöstern. In Aarau traten im zweiten Halbjahr von 1850 neben A. Loewenstein E. Laubheimer aus Karlsruhe und Elias Höchster aus Mainz als Käufer auf.59 Die Kunstwerke aus St. Urban und Rathausen haben nach F. D. Rittmeyer die Berner Unterhändler Ponti für den bereits oben erwähnten I. Strauss und A. Loewenstein erworben.60 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die ausserordentlich gute Quellenlage bezüglich des Verkaufs im Kanton Luzern. Neben den zahlreichen Angeboten verschiedener Kunsthändler ist auch der Kaufvertrag mit der Auflistung sämtlicher Kunstobjekte erhalten.61 Den geschilderten Weg müssen offensichtlich auch die Vatikanischen Codices gegangen sein. Sie sind, wie eine Reihe anderer Kunstobjekte, nicht in den von den Kantonsbehörden erstellten Listen fassbar (s. Anhang 2), jedoch im Pariser Auktionskatalog von 1851.62 Als nächstes stellt sich die Frage, woher die Handschriften stammen und wie sie zu diesem Verkauf gelangten. J. B. Lassus gibt in seiner sorgfältig erarbeiteten Schätzung als Provenienz Kreuzlingen an. Woher er die Angabe bezog, ist nicht bekannt. Aus dem im Jahre 1848 aufgehobenen Augustinerchorherrenstift in Kreuzlingen sind in der Tat eine Reihe von Objekten in den Vatikan gelangt.63 D. F. Rittmeyer bespricht im Abschnitt über die Kostbarkeiten aus den Thurgauer Klöstern im Vatikan ausser den Goldschmiedewerken lediglich das im Pariser Auktionskatalog unter der Nr. 118 aufgeführte Missale, das sie unter den Beständen der 58 59 60 61 62
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Mörikofer 1885, S. 91. Rittmeyer 1938, S. 209–211. Auf S. 197 berichtet sie zudem von einem Verkauf an einen «durchreisenden Hebräer am 26. 2.1844». – Siehe. auch Rittmeyer 1939, S. 22. Rittmeyer 1938 bis, 241–244. Zu den Unterhändlern Ponti aus Bern siehe S. 244, Anm. 18. – Siehe auch Rittmeyer 1939, S. 22. Rittmeyer 1938 bis, S. 303–307. Für das Vortragekreuz aus dem Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz in Regensburg, heute Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, wird ebenfalls angenommen, dass es im 19. Jahrhundert anonym verkauft wurde. Kat. Krone und Schleier, S. 403. Rittmeyer 1939, S. 24–35.
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Vatikanischen Bibliothek nicht identifizieren konnte.64 Die hier zur Diskussion stehenden Handschriften behandelt sie nicht in der Thurgauer Studie, sondern im Bericht über die Ereignisse in Kanton Luzern. Sie vermutet, dass die Handschriften aus dem Zisterzienserkloster St. Urban stammen.65 Im detaillierten Verkaufsvertrag zwischen dem Finanzdepartement des Kantons Luzern einerseits und den Gebr. Ponti aus Bern, I. Strauss und A. Loewenstein anderseits sind Bücher aus St. Urban aufgeführt.66 Während A. Mercati, W. F. Volbach und D. F. Rittmeyer diese Bücher des 17. und 18. Jahrhunderts identifizieren konnten, gelang dies ihnen für die im Pariser Auktionskatalog unter den Nummern 118–122 aufgeführten Handschriften nicht.67 Da es in der Zwischenzeit gelungen ist, diese Handschriften (Kat.-Nr. 1, 15, 19, 20, 35, 42, 43) in der Vatikanischen Bibliothek aufzufinden und sie als Codices für die dominikanische Liturgie identifiziert werden konnten, erweist sich die Vermutung Rittmeyers als hinfällig.
2.4 Der Weg von Kreuzlingen nach St. Katharinental Die Provenienz der Vatikanischen Handschriftengruppe (Kat.-Nr. 1, 15, 19, 20, 35, 42, 43) kann – zufolge der Angaben von Lassus – bis nach Kreuzlingen zurückverfolgt werden. In welchem Kloster sie vor dem Verkauf gelegen hat, lässt sich nicht nachweisen. Es darf vorläufig angenommen werden, dass sie im Dominikanerinnenkloster St. Katharinental aufbewahrt wurde. Einige der Handschriften enthalten konkrete Hinweise auf St. Katharinental (ausführliche Diskussion im Kapitel St. Katharinental). Die Gradualhandschrift Cod. Vat. lat. 10773 (Kat.-Nr. 1) enthält eine Randzeichnung aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, welche die für St. Katharinental belegte Schwester Margaretha Pfefferhartin zusammen mit dem Evangelisten Johannes zeigt. Diese Gradualhandschrift besitzt Schmutzblätter mit einem Wasserzeichen. Es ist identisch mit demjenigen im Graduale Cod. Vat. lat. 10769 (Kat.-Nr. 15). Das Wasserzeichen konnte bisher nicht eindeutig identifiziert werden. Es dürfte im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jh. weitgehend im süddeutschen Raum einschliesslich Südtirol verwendet worden sein.68 Der Codex Vat. lat. 10769 – wohl in Zürich hergestellt und im St. Verenakloster in Zürich verwendet – könnte als Folge der Reformation nach St. Katharinental gelangt sein. Die Antiphonarhandschrift Cod. Vat. lat. 10772 (Kat.-Nr. 20) enthält die mittelhochdeutsche Fassung zweier Katharinentaler Urkunden. Der Codex Vat. lat. 10771 64 65 66 67 68
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Rittmeyer 1939, S. 24. Rittmeyer 1938 bis, S. 268. Rittmeyer 1938 bis, S. 302–307 unter den Nrn. 39–47. Mercati 1936, S. 28. – Rittmeyer 1938 bis, S. 262–268. Laut brieflicher Auskunft von Dr. Natale, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, vom 25.5.1992.
(Kat.-Nr. 19) stellt den inhaltlich ergänzenden Band dar (Sommer- und Winterteil eines dominikanischen Antiphonars). Der sonst für andere Kunstwerke teilweise recht aufschlussreiche «Custerey-Rodel» aus dem Jahre 1589 enthält einen lediglich sehr summarischen Eintrag zu den liturgischen Handschriften:69 Ittem v geschriebene mesbiecher/me viiij drukti ist j zu Basendingen/me j Evangelium biechli/me ij gesangbiechli/ittem j collektten/me j dotten biechli
Wie bereits erwähnt, war das Kloster St. Katharinental vom Klosteraufhebungsbeschluss 1848 nicht betroffen. Diese Ausnahme hatte die thurgauische Regierung aus wirtschaftlichen Überlegungen gemacht, denn die ausgedehnten Besitzungen des Klosters jenseits des Rheins wären aufgrund des Epavenrechts dem Grossherzogtum Baden zugefallen. Nachdem diese zwischenstaatliche Vereinbarung 1856/1857 jedoch aufgehoben worden war, stand in der Folge der Aufhebung des Klosters und der Liquidation seiner Güter nichts mehr im Wege. Die Revision der Kantonsverfassung wurde schliesslich in den Jahren 1868/1869 zum Anlass genommen, auch das letzte thurgauische Kloster aufzuheben.70 Da St. Katharinental infolge der Säkularisierung staatlich verwaltet wurde, wurden in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mehrere Inventare erstellt. Das erste Inventar von 1807 berichtet unter der Rubrik «Kirchen Geräthschaften und andere Praetiosen», dass ein Teil von den napoleonischen Truppen eingefordert wurde und der andere Teil zur Zeit immer noch in Schaffhausen sei: Inventarium über S. Catharinenthal 1807 (Einband)71 Inventarium über beweglich und unbewegliches Vermögen des Klosters St. Katharinenthal d. 8ten Januar 1807 (S. 17) Kirchen Geräthschafften und andere Praetiosen. Diese sind im Anno 1799 vor dem Übergang der kaiserlichen Truppen über den Rhein, von den helvetischen Truppen (Zürcher Jäger) unter Anleitung zweyer Repräsentanten, mit gewaffneter Hand abgefordert worden. Nur sind gegenwärtig diejenigen Kirchengerätschafften nicht vorhanden, die zu selbiger Zeit in Schafhausen aufbewahrt worden, welche nach der abwägung in ihrem wahren Wärth enthalten 1797 Pfund. Von dem übrigen Silbergeschirr aber ist gegenwärtig nicht einmal mehr ein silberner Esslöffel vorhanden. 69
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StA TG, 7’44’70, S. 9. – Der Anlass zum Verzeichnis gab die Amtsübergabe von Katharina Murer zu Ursula Eglof (Rodel S. 3). Der Rodel ist ediert in: FREI-KUNDERT, Karl: Zur Baugeschichte des Klosters St. Katharinental. In: Thurgauische Beiträge zur vaterländischen Geschichte 66 (1929), S. 151–158. Knoepfli 1989, S. 21. – Baumer-Müller 1994, S. 73–76. StA TG, 7’44’202.
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Leider erfahren wir auch aus dem zweiten Inventar von 1836 nichts Ausführliches über den Handschriftenbestand. Es wird lediglich ein Verzeichnis erwähnt: Inventarium über das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klosters St. Katharinenthal. 1836.72 (S. 37) Im Archiv./Über die vorhandenen, verschiedenen älteren und neueren Schriften ist ein Repertorium/vom Jahre 1732 vorfindlich, das aber seither nicht mehr nachgeführt, und allfällige Abände=/rungen darin auch nicht bezeichnet worden.73
Nach dem Klosteraufhebungsbeschluss von 1848 wurden in den Klöstern als erstes Inventuren gemacht. Obwohl in den Akten nicht erwähnt, wurde offenbar auch in dem vom Beschluss ausgenommenen St. Katharinental die Güter detailliert verzeichnet, wie das erhaltene Inventar belegt. Darin werden unter der Rubrik «Kirche, Bibliothek und Custorei» Mess- und Andachtsbücher erwähnt, jedoch nicht genauer bezeichnet oder beschrieben. Beachtung fanden die für den Inventarisator D. Rogg wertvollen Beschläge. Die sog. Andachtsbücher in der Bibliothek besassen in seinen Augen keinen Wert und wurden pauschal vermerkt: Inventarium über das bewegliche und unbewegliche Vermögen Des Gotteshauses S: CATHARINATHAL./Auf 1. Jenner/1849.74 (S. 63–69) An Fahrhabe/A. Im Klostergebäude/I. An Kirchsachen (S.63) In der Kirche 2 alte tägl: Messbücher (S. 64) 1 Todten Messbuch (S. 65) 1 Messbuch mit Silber-Beschläg 1 dito dito geringer 1 dito mit Messing Beschläg (S. 90) N° 61 Archiv Akten in den Wandkästen (S. 99) N° 88 Bibliothek 1 alter Tisch mit Schreibtafel 1 grosser tannener Tisch 3 Stühl NB. die in den Wandgestellen befindlichen/meistens alten Andachtsbüchern sind/ohne Werth. Beilagen zum Inventar/De anno/1849 75 72 73
74 75
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StA TG, 7’44’350. Das erwähnte Inventar wird im StA TG unter der Signatur 7’44’120 aufbewahrt. Davon wurde 1989 eine Abschrift hergestellt (7’44’120’1). Gemäss diesem Inventar wurden im Archiv Urkunden und Rechnungsbücher, also Dokumente der Klosterverwaltung, aufbewahrt. StA TG, 7’44’352, dieses Inventar wurde vom damaligen Klosterverwalter D. Rogg erstellt. Zur Person von D. Rogg: Baumer-Müller 1994, S. 21–23. StA TG, 7’44’352.
in der Kirche: 2 alte ordinäre Messbücher und 1 dito pro defunctis 8 dito Messbuchkissen? in der mittleren Custorei: 2 Messbücher mit silber beschlagen à 13 f. 30 u. à 12 f. 1 Messbuch mit Messing beschlagen 5 f. 24 Archiv: Akten N°88 Bibliothek/siehe oben/NB. die in den Wandgestellen befindlichen, meistens/ devotional=Bücher, sind ohne Werth.
Es wäre durchaus denkbar, dass sich hinter den lapidar genannten «Messbüchern» die liturgischen Handschriften der Vaticana verstecken, belegen lässt sich dies indessen nicht.76 Es wäre weiter vorstellbar, dass die oben genannten Kunsthändler von Kloster zu Kloster pilgerten, um direkt Kunstobjekte von den finanziell geplagten Klöstern zu erwerben.77 Ein solcher Fall ist für das Kloster Muri im Kanton Aargau aktenkundig geworden: Am 26. Februar 1844 wurden einem durchreisenden Juden Skulpturen und ein Madonnenbild verkauft.78 Betrachten wir kurz das Schicksal anderer Objekte aus dem Dominikanerinnenkloster am Rhein. 1875 verkaufte die Thurgauische Regierung alles, was sich noch in der Kirche befand. A. Knoepfli vermutet, dass der Basler Antiquar Elie Wolf nicht nur einen Teil des Chorgestühls und die berühmte Christus-Johannes-Gruppe, sondern gleich sämtliche Gegenstände ankaufte.79 Vom Bibliotheksbestand gelangte ein Teil in die thurgauische Kantonsbibliothek, einen kleinen Teil der Bände nahmen die Dominikanerinnen mit ins Exil nach Weesen, etwa ein halbes Dutzend Handschriften kam in den Besitz des Bischofs und Mystikforschers Karl Johann Greith und befindet sich heute in der Stiftsbibliothek St. Gallen als Deposita der Bischöflichen Bibliothek.80 Der weitaus grösste Teil wurde verkauft. Das bedeutende Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) wurde wohl aus finanzieller Not kurz vor 1821 an den Konstanzer Goldschmied und Antiquar Franz Aloys Castell veräussert.81 Vom Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) ist 76
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Nach mündlicher Auskunft von Verena Baumer-Müller enthalten auch die sehr ausführlichen Klosterrechnungen der Jahre 1836–1869 keine Angaben über Handschriftenverkäufe. Dazu auch Baumer-Müller 1994, S. 73. Zur misslichen finanziellen Situation: Wüthrich 1983, S. 79. Rittmeyer 1938, S. 197, 218. Knoepfli 1989, S. 233 zur Christus-Johannes-Gruppe, S. 267 zum Chorgestühl, S. 276, Anm. 48 Angaben zum Regierungsratsprotokoll und Regierungsratsbeschluss. Knoepfli 1989, S. 182–187. – Zu Greith: Er war einer der ersten Mystik-Forscher und verfasste dazu ein grundlegendes Werk: Die deutsche Mystik im Prediger-Orden (von 1250–1350) nach ihren Grundlehren, Liedern und Lebensbildern aus handschriftlichen Quellen. Freiburg i. Br. 1861. Siehe: DUFT, Johannes: Karl Johannes Greith. In: Helvetia Sacra, Abteilung I, Bd. 2. Erzbistümer und Bistümer II, erster Teil: Das Bistum Konstanz. Das Erzbistum Mainz. Das Bistum St. Gallen. Basel, Frankfurt a. M. 1993, S. 1021–1025. Wüthrich 1983, S. 79–80.
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bekannt, dass es seit 1866 im Germanischen Nationalmuseum aufbewahrt wird.82 Bei weiteren St. Katharinentaler Handschriften und Fragmenten fällt auf, dass sich recht viele im süddeutschen Raum befanden resp. immer noch befinden.83
2.5 Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die für die dominikanische Liturgie bestimmten Codd. Vat. lat. 10679–10775 mit grosser Wahrscheinlichkeit bis in der Mitte des 19. Jahrhunderts in St. Katharinental aufbewahrt wurden. Bei der Klosterliquidation und der nachfolgenden öffentlichen Versteigerung kam es zu weiteren, nicht öffentlich angekündigten Verkäufen, dabei müssen die Handschriften zusammen mit einer Reihe weiterer Kunstwerke in die Hände von I. Strauss und A. Loewenstein gelangt sein. Diese brachten die Kunstwerke mit solchen aus den aufgehobenen Klöstern der Kantone Aargau und Luzern nach Paris, um sie an einer Auktion zu verkaufen. Im dafür vorbereiteten Auktionskatalog sind die Manuskripte fassbar. Papst Pius IX. erfuhr davon und entschied sich, die gesamte Sammlung anzukaufen. Auf dem Seeweg wurden die Kultobjekte in den Vatikan gebracht. Sie wurden von Papst Pius IX. restituiert oder verschenkt oder im Verlaufe der Zeit in die Bestände der Vatikanischen Museen und in die Bibliothek integriert.
82 83
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Knoepfli 1989, S. 166. Das Nürnberger Graduale habe ich bereits erwähnt. Ein Prozessionale aus dem 15. Jh., Historisches Museum des Kantons Thurgau, T 1588: 1912 bei Helbling in München erworben. Dazu Knoepfli 1989, S. 182. Berlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Ms. germ. qu, 1254: 1895 bei Ludwig Rosenthal in München erworben. Dazu Meyer 1995, S. 75. Zürich, Zentralbibliothek, Ms. ZV 698: bei Ludwig Rosenthal in München erworben. Dazu Meyer 1995, S. 15. Zwei Fragmente der rekonstruierten Antiphonarhandschrift werden in der Graphischen Sammlung in München aufbewahrt (Kat.-Nr. 22 b und k). Von den zehn Fragmenten, die dem St. Katharinentaler Graduale entnommen wurden, befanden sich vier zeitweise in München (Heinrich Rosenthal, Hugo Helbling, Adolf Weinmüller), und ein Fragment befindet sich noch heute im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg. Dazu Wüthrich 1983, S. 96–97.
3. Zeugen dominikanischer Buchproduktion in Zürich 3. 1 eine illuminierte Handschriftengruppe rund um das vatikanische graduale Die kostbare Gradualhandschrift der Biblioteca Apostolica Vaticana (Cod. Vat. lat. 10769) kann – wie im folgenden gezeigt werden soll – einer knapp zwanzig, mehrheitlich dominikanische Handschriften bzw. Fragmente umfassenden Gruppe zugeordnet werden, die in Zürich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bzw. im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts illuminiert worden ist (im Weiteren als «Zürcher Gruppe» bezeichnet). Auf der Suche nach Vergleichsbeispielen erwiesen sich die farbenprächtigen Deckfarbeninitialen der gut erforschten Abschrift der Chronik des Otto von Freising Ms. Car C 33, der Psalterhandschrift Ms. C 140 und der unvollständigen Bibel Ms. Car. C 2 der Zentralbibliothek Zürich als gleichartig. Eine wichtige Rolle fällt der Chronikhandschrift zu, da sie lokalisier- und datierbar ist und folglich Anhaltspunkte für die Einordnung der gesamten Gruppe bietet. Weitergehende Erkenntnisse brachte dann die Untersuchung der Fleuronnée-Initialen, einer Schmuckform, die häufig lediglich marginal in die Handschriftenanalyse einbezogen wird. Sie erweisen sich jedoch als wichtiges Kriterium für die Lokalisierung und Datierung von Handschriften, da sich oftmals lokale Sonderformen entwickelten, die zeitlich begrenzt zur Anwendung kamen.1 Unter Einbezug von Datierungs- und Provenienzhinweisen sowie liturgischen Eigenheiten formierte sich nach und nach die zu besprechende Gruppe. Es zeigte sich, dass zwei Drittel der Handschriften für den Gebrauch in einem Konvent des dominikanischen Ordens bestimmt waren. Mehrere enthalten zudem Hinweise für eine Verwendung in einem dominikanischen Konvent der Stadt Zürich. Inhaltlich setzt sich die Gruppe aus Liturgica und Studienliteratur zusammen. Einen Spezialfall stellt die Manessische Liederhandschrift dar, deren Ursammlung – wie noch gezeigt wird – ebenfalls zur «Zürcher Gruppe» gehört. Die umfangreiche Gruppe bietet eine recht breite Materialbasis, so dass wesentliche Erkenntnisse zum Herstellungsprozess der Handschriften, zur Situierung sowie zur Organisationsform der Werkstatt und zum Bibliotheksbestand der dominikanischen Klöster in Zürich gewonnen werden können. Die lange als flach beschriebene Kulturtopographie des mittelalterlichen Zürich gewinnt infolgedessen 1
Augustyn/Jakobi-Mirwald/Sauer/Roland 1996/1997, Sp. 1116. – Bereits E. J. Beer ging in ihrer Habilitation bewusst von der Initialornamentik und nicht vom Figurenstil aus. Beer 1959, S. 5.
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an Profil. Um 1300 dürfte Zürich ein bedeutendes Zentrum der Buchproduktion gewesen sein.
3. 2 Die künstlerische Ausstattung der «Zürcher gruppe» Drei Arten des Buchschmucks treten innerhalb der «Zürcher Gruppe» auf: Fleuronnée-Initialen mit drei Entwicklungsstufen, ornamentale Deckfarbeninitialen in zwei Varianten und figürliche Deckfarbenmalereien in Form von historisierten Initialen sowie ganzseitigen Miniaturen. 3.2.1 Fleuronnée-Initialen Alle Handschriften der Gruppe, mit Ausnahme des Stuttgarter Deutschordenbreviers HB I 166 (Kat.-Nr. 13), sind mit Fleuronnée-Initialen ausgestattet. Sie sind mit der Palmette oder Halbpalmette als Hauptmotiv dem Palmettenfleuronnée zuzuordnen. Ihre Entwicklung zieht sich über vier bis fünf Jahrzehnte hin und reicht bis an den Übergang zum Knospenfleuronnée.2 Die Buchstabenkörper sind alternierend in roter und blauer Tinte gezeichnet. Die Hauptornamente sind in der jeweiligen Gegenfarbe, weiterer Zierrat wiederum in der Grundfarbe gehalten. Prägend ist der klare und sichere Duktus, was auf gut geschulte und erfahrene Hände deutet. Es lassen sich drei Entwicklungsphasen unterscheiden. Ein wichtiges Charakteristikum des gezeichneten Schmucks der frühen Phase ist die fast peinlich genaue Ausführung und die daraus resultierende spröde Wirkung. Die Buchstabenkörper sind in der Regel noch nicht gespalten, sondern erscheinen in kompakter Gestalt. Das Hauptmotiv der Füll- wie der Besatzornamentik stellt die Palmette oder Halbpalmette in stark stilisierten und schematisierten Formen dar. Die Zwickel der Binnenfelder sind oft schraffiert oder flächig gefüllt. Zum Besatz gehört ein konturbegleitender, haarnadelförmiger Faden mit gewelltem und umgebogenem Ende. Zumeist sind die Initialen kleineren Formats. Die bekanntesten Vertreter dieser frühen Stilphase sind die Fleuronnée-Initialen der Abschrift der Chronik Ottos von Freising (Kat.-Nr. 2), deren Anlage im Zeitraum zwischen 1254 und 1277 anzusetzen ist (s. unten). Die Fleuronnée-Initialen der nach 1270 geschaffenen Handschriften (= mittlere Phase) zeichnen sich durch eine deutliche Bereicherung und Verlebendigung des Formenapparates aus. Insbesondere bei der Besatz- und Füllornamentik ist eine grosse Vielfalt an Blättchen und Blümchen zu beobachten, welche die verschiedenen Palmettenformen der frühen Phase ergänzt. Sie sind oftmals in der Silhouette gegeben oder aus den farbigen Gründen ausgespart worden. Die Fleuronnée-Ausläufer können zu eigentlichen Zierstäben auswachsen und begleiten den Textblock über 2
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Augustyn/Jakobi-Mirwald/Sauer/Roland 1996/1997, Sp. 1151–1153.
seine gesamte Höhe. Auffallend ist auch hier der beschriebene vegetabile Dekor. Dazu kommen konturbegleitende Linien, zurückhaltende Schnörkel und Perlen. Das Ausläuferende bilden statt der üblichen Haarnadelfaden Fadenschlaufen. Der Buchstabenkörper ist nun vermehrt ornamental gespalten. Dabei tritt ein erstmals zu beobachtendes Sondermotiv auf: Im Buchstabenkörper sind Kreisflächen ausgespart, die mit einem kleineren Kern in der Gegenfarbe ausgefüllt sind.3 In seltenen Fällen kam hier anstelle der roten auch hellviolette Tinte zur Anwendung.4 Solche Fleuronnée-Initialen zeigen die Abbildungen zu Kat.-Nr. 15. In der Spätphase sind die Buchstabenkörper oftmals ornamental und farblich gespalten, unter anderem auch in Form des oben beschriebenen Sondermotivs. Spiralranken mit gebogt konturierten Palmettenbüscheln oder gelappte Halbblätter vor farbigem Grund füllen die Binnenfelder. Beim Besatz sind neben Palmetten gemalte Blüten und Blätter, wie sie schon in der mittleren Phase zur Anwendung kamen, und neu nun Fischgräten und Sägeblätter zu beobachten. Charakteristisch ist das reiche Endfadenwerk mit Schlaufen und Schnörkeln. Solche Fleuronnée-Initialen zieren die im frühen 14. Jahrhundert angelegte Ursammlung der Manessischen Liederhandschrift (Kat.-Nr. 25; S. unten). In dieser Phase bildete sich offenbar im näheren Umfeld der «Zürcher Gruppe» eine leicht unterschiedliche Variante aus. Sie basiert auf dem Formenapparat der mittleren Phase inklusive Sondermotiv, entwickelt die florale und vegetabile Ornamentik weiter und setzt sie ins Zentrum, lässt aber das sonst kennzeichnende Endfadenwerk weg. Zu beobachten ist diese Formulierung im Nürnberger Graduale und in dessen Tochterhandschriften, die ein zweibändiges Antiphonar in der Vatikanischen Bibliothek bilden und wohl um 1290 bzw. kurz danach geschaffen worden sind (s. Kapitel 4). Besonders eng ist die Verwandtschaft mit Handschriften aus der Zeit nach 1270 wie dem Vatikanischen Graduale, dem Psalter in Karlsruhe und dem Missale in Stuttgart (Kat.-Nr. 15, 11, 14). Im Zürcher Fleuronnée ist der Einfluss westlicher Vorlagen unverkennbar.5 Das Fleuronnée der frühen Phase orientiert sich bezüglich Aufbau und Formenapparat am gezeichneten Schmuck, der in der französischen Buchmalerei des zweiten Viertels des 13. Jahrhunderts üblich war.6 Der wesentliche Unterschied besteht in der ungleich spröderen Wirkung. Auch die für die mittlere Phase beschriebene Bereicherung des Motivschatzes und die damit verbundene Verlebendigung haben ihre Vorbilder in etwas älteren Pariser Beispielen aus der Zeit um die Jahrhundert-
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Cod. Vat. lat. 10769, fol. 173v Nach Stirnemann 1990, S. 59 tritt Hellviolett in Pariser Handschriften zum ersten Mal im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts zaghaft und selten anstelle des Blau in Erscheinung. Augustyn/Jakobi-Mirwald/Sauer/Roland 1996/1997, Sp. 1127–1130. Stirnemann 1990, S. 67 Kat.-Nr. 27–29.
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mitte und im dritten Viertel des 13. Jahrhunderts.7 Die für diese Phase prägende vegetabile Besatzornamentik tritt in Pariser Handschriften des dritten Viertels des 13. Jahrhunderts ein letztes Mal auf.8 An die Stelle des Palmetten- tritt das Knospenfleuronnée. Ein Entwicklungsschritt, der überzeugend mit dem Auftreten des Knospenkapitells in der gotischen Bauornamentik verglichen wird und sich mitten in einer Handschrift vollziehen kann, wie beispielsweise im Codex Manesse.9 In älteren Forschungsarbeiten über den Codex Manesse wurde bereits auf die Gleichartigkeit der Fleuronnée-Initialen einzelner Mitglieder der «Zürcher Gruppe» und auf die übereinstimmende Identität des Florators hingewiesen und eine gemeinsame Werkstatt-Tradition vermutet (s. dazu ausführlich Kat.-Nr. 25).10 3.2.2 ornamentale Deckfarbeninitialen (Typ 1) Die Hälfte der Handschriften bzw. Fragmente sind mit gleichartigen ornamentalen Deckfarbeninitialen verziert. Siehe z.B. Abbildung zu Kat.-Nr. 7. Sie bilden deshalb eine geschlossene Untergruppe, deren Glieder eng miteinander verwandt sind. Die mit floralen (z. B. Palmetten) oder geometrischen Motiven (Kreis-Punkt-Ornament, Mäander) besetzten Deckfarbeninitialen erscheinen entweder vor blauem, mit weissem Deckfarbenfleuronnée verziertem oder vor goldenem Hintergrund. Das Binnenfeld ist dekoriert mit Spiralranken, deren Zentrum rundblättrige, mehrfarbige Blüten (Margaritenblüten) bilden. Als Bereicherung treten manchmal zoomorphe Motive wie Tierköpfe und -füsse hinzu. Charakteristisch sind die eingerollten Buchstabenenden. Die farbenfrohen, in ihrer Qualität unterschiedlichen Zierinitialen sind stark in der Zweidimensionalität verhaftet. Das Blattwerk ist noch gänzlich unbeeinflusst von den naturalistischen Tendenzen der Hochgotik.11 Es dürfte sich hier um die lokale Ausprägung einer durch die Zisterzienser vermittelten französischen Stilrichtung handeln.12 Sie zeichnen sich durch eine unverkennbare Gleichartigkeit aus und wirken wie seriell produziert.
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Stirnemann 1990, S. 67–68 Kat.-Nr. 30, 32 und S. 69–70 Kat.-Nr. 36, 38. Stirnemann 1990, S. 70 Kat.-Nr. 42. Dazu Beer 1983, S. 200. – Stirnemann 1990, S. 59, setzt die Entwicklung der FleuronnéeInitialen in Frankreich in einen direkten Zusammenhang mit der Entstehung gotischer Bauten Renk 1974, S. 111, Anm. 11, S. 133–134. – Salowsky 1988, S. 428–430. – Im Ausstellungskatalog «edele frouwen – schoene man», S. 37, hat M. Schiendorfer diese Thesen erneut aufgegriffen und diskutiert. Beispielsweise das gegen 1290 am Hochrhein (Zürich) entstandene Nürnberger Graduale (Hs. 21897, Kat.-Nr. 18) ist mit Zierinitialen ausgestattet, die bereits den Sinn der Gotik für die Schönheit der Einzelformen der Natur verraten, z. B. Initiale B auf fol. 119v. Beer 1989, S. 72–87, hat auf die Rolle des Zisterzienserordens bei der Vermittlung und Verbreitung der Channel-Style-Initialornamentik hingewiesen.
Ein Parallelfall mit einer leicht unterschiedlichen Ausformulierung stellt das illuminierte Martyrologium in der Preussischen Staatsbibliothek zu Berlin (Ms. theol. lat. qu 199, Kat.-Nr. 16) dar. Es wurde in der Benediktinerabtei Petershausen bei Konstanz um 1265/70 geschaffen.13 3.2.3 ornamentale Deckfarbeninitialen (Typ 2) In drei frühen Handschriften der «Zürcher Gruppe» begegnet man neben den oben beschriebenen ornamentalen Deckfarbeninitialen mit den typischen Margaritenblüten (Typ 1) der Spaltleisteninitiale, dem charakteristischen Initialtyp der Romanik: in der Abschrift der Chronik Ottos von Freising (Ms. Car. C 33, Kat.-Nr. 2), in einer unvollständig überlieferten Bibelhandschrift (Ms. Car. C 2, Kat.-Nr. 4), beide in der Zürcher Zentralbibliothek, und in einer kirchenrechtlichen Handschrift in Stuttgart (HB VI 64, Kat.-Nr. 3) In der Bibelhandschrift sind bei den untergeordneten Initialen zu den Prologen Buchstabenkörper und Binnenornamente im Pergament belassen und aus den farbigen Gründen ausgespart (sie können sozusagen als Negative der wie üblich in Deckfarben ausgeführten Hauptinitialen zu den biblischen Büchern verstanden werden). In der Stuttgarter Handschrift sind die Initialen hingegen in poliertem Blattgold gehalten. Hauptornament stellt die in Gold ausgeführte, im Zentrum der Spiralranken angebrachte Margaritenblüte dar, die wiederum einen Anschluss an die Ornamentik des ersten Deckfarbeninitialtyps bietet. 3.2.4 Figürliche Deckfarbenmalereien Einige wenige Handschriften der Gruppe sind auch mit figürlichen Deckfarbenmalereien ausgestattet. Sie spielen für die Argumentation bei der Gruppenbildung eine untergeordnete Rolle und werden hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Sie sind jedoch für die Betrachtung der stilistischen Entwicklung der hochrheinischen und nordostschweizerischen Buchmalerei um die Wende des 13. zum 14. Jahrhundert von grosser Bedeutung, denn sie vermitteln ein Bild vom Aussehen der bisher unbekannten Zürcher Buchmalerei in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und stellen eine wichtige Vorstufe zu den reich illuminierten Prachthandschriften und den umfangreichen Wandmalereizyklen dar, die um die Jahrhundertwende in Zürich entstanden sind: beispielsweise die Miniaturen des mehrfach genannten Codex Manesse, die Illustrationen des in St. Gallen aufbewahrten Manuskriptes mit der Weltchronik des Rudolf von Ems und der Vita Karls des Grossen vom Stricker (Vadianus 302) oder die Wandmalereien aus dem Haus «Zum langen Keller», Rindermarkt 26, jetzt im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich. Die zwei Psalterhandschriften (München, Clm 23121 und Engelberg, Cod. 98) weisen für diese Gattung übliche, ganzseitige Miniaturenzyklen auf (Kat.-Nr. 8, 9) 13
Köllner 1967, S. 293–326.
33
Aufgrund der Fleuronnée-Initialen und der ornamentalen Deckfarbeninitialen (Typ 1) gehören sie zur «Zürcher Gruppe». Es ist deshalb mit grosser Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass auch die Miniaturen in Zürich gemalt worden sind.14 Auf die prägende Wirkung der figürlichen Darstellungen im Nürnberger Graduale wurde bereits mehrfach hingewiesen.15 Sie wird mit der Kenntnis der Tochterhandschriften in Rom (Cod. Vat. lat. 10771/10772) noch evidenter (Kat.-Nr. 19, 20).16 Ihr Einfluss wurde beispielsweise bei den Autorenbildern des Grundstockmeisters in der Manessischen Liederhandschrift festgestellt.17 Von der Hand desselben Meisters stammen auch die acht Autorenbilder der in diesem Zusammenhang relevanten Ursammlung der Liederhandschrift.
3. 3 Die einzelnen Handschriften der «Zürcher gruppe» In der nachfolgenden Tabelle sind die einzelnen Handschriften der «Zürcher Gruppe» mit ihren künstlerischen Ausstattungen zusammengefasst. Die Hinweise zur Datierung und Herkunft sowie die liturgischen Eigenheiten sind in den Katalogtexten beschrieben. Aufbewahrungsort, Signatur, Kat.-nr.
FleuronnéeInitialen
Zürich, ZB, Ms. Car. C 33, Kat.-Nr. 2 Stuttgart, WLB, HB VI 64, Kat.-Nr. 3 Zürich, ZB, Ms. Car. C 2, Kat.-Nr. 4
frühe Phase
Deckfarbeninitialen Typ 1
×
frühe Phase
Deckfarben- Figürliche Auftraggeber/ initialen Malereien späterer Typ 2 gebrauch
×
Dominikaner
×
Dominikaner
×
Dominikaner
frühe Phase
×
Zürich, ZB, Z XIV 16 Nr. 6, Kat.-Nr. 5 Fulda, HLB, Aa 74, Kat.Nr. 6
frühe Phase
×
Dominikaner
frühe Phase
×
Zürich, ZB, Ms. C 140, Kat.-Nr. 7
frühe Phase
×
Zisterzienserkloster Wettingen? Dominikanerinnen am Oetenbach?
14 15 16
17
34
Kessler 1999, S. 101. Saurma-Jeltsch 1988, S. 310, 335–336. Die im Nürnberger Graduale (Hs. 21879, Kat.-Nr. 18) und im zweibändigen Antiphonar der Vatikanischen Bibliothek (Vat. lat. 10771/10772, Kat.-Nr. 19, 20) auftretenden, mit naturalistischem Blattwerk ornamentierten Initialen sind in diesem Zusammenhang von zweitrangiger Bedeutung. Sie zeigen mit ihrem naturnahen hochgotischen Blattwerk i.V. zu den oben beschriebenen Deckfarbeninitialen einen Entwicklungsschritt an. Zur Ursammlung des Codex Manesse: Kornrumpf 1988 und Salowsky 1988.
Aufbewahrungsort, Signatur, Kat.-nr.
FleuronnéeInitialen
München, BSB, Clm 23121, frühe Phase Kat.-Nr. 8
Deckfarbeninitialen Typ 1
×
Deckfarben- Figürliche Auftraggeber/ initialen Malereien späterer Typ 2 gebrauch
×
unbekannt
×
Dominikanerinnen?
Engelberg, StiB, Cod. 98, Psalter, Kat.-Nr. 9
mittlere Phase
Frauenfeld, StA, Fragm., Nr. 13 a/b, Kat.-Nr. 10
mittlere Phase
×
Unbekannt
Karlsruhe, BLB, Cod. U.H. 12, Kat.-Nr. 11
mittlere Phase
×
Dominikanerinnen?
Zürich, ZB, Ms. Z XIV 30 Nr. 4, Kat.-Nr. 12
mittlere Phase
×
Grossmünster, Augustiner Chorherren
×
Deutschorden
Stuttgart, WLB, HB I 166, Kat.-Nr. 13 Stuttgart, WLB, HB I 65, Kat.-Nr. 14
mittlere Phase
Rom, BAV, Cod. Vat. lat. 10769, Kat.-Nr. 15
mittlere Phase
Dominikaner
×
Dominikaner
Nürnberg, GNM, Hs. 21897, Spätphase Kat.-Nr. 18
×
Dominikanerinnen
Rom, BAV, Cod. Vat. lat. Spätphase 10771/10772, Kat.-Nr. 19/20
×
Dominikanerinnen St. Katharinental
×
Mitglieder
Heidelberg, UB, Cod. Pal. germ. 848, Urslg., Kat.Nr. 25
Spätphase
Karlsruhe, BLB, Cod. U.H. 14, Kat.-Nr. 27
Spätphase
Dominikaner
Stuttgart, WLB, HB XIV 23, Kat.-Nr. 28
Spätphase
Dominikaner
der Zürcher Grundstockmaler Bildungselite
Eine Auswertung von Inhalt und Provenienzangaben belegt, dass insgesamt zehn Handschriften (wahrscheinlich sogar elf; S. unten zu Stuttgart, HB VI 64) in einem Kloster des Predigerordens in Gebrauch waren, davon zwei sicher im Zürcher Dominikanerkonvent. Vier wurden von Frauengemeinschaften des Ordens benutzt, wobei im Fall der drei Psalterien offen bleiben muss, ob sie von Anfang an für diesen Zweck bestimmt waren oder erst später in den Besitz der Nonnen gekommen sind. Der Predigerorden in seinem männlichen und weiblichen Zweig kann somit als Hauptauftraggeber der Floratoren und Buchmaler während des gesamten hier behandelten Produktionszeitraumes von ca. fünfzig Jahren bezeichnet werden. Eine dritte Auftraggebergruppe ist dagegen nur mit einem Exemplar belegt: Wohl auf mehrere Mitglieder der Zürcher kulturtragenden Schicht – der auch die Dominikaner angehörten – gehen die Anlage und der Buchschmuck der Manessischen Liederhandschrift im frühen 14. Jahrhundert zurück (Heidelberg, Cod. Pal. germ. 848). 35
Die restlichen drei Codices mit Zürcher Buchmalerei verteilen sich auf unterschiedliche Besteller: den Deutschherrenorden, die Augustinerchorherren am Grossmünster und vielleicht die Zisterzienser in Wettingen. Der Bedeutung der Dominikaner und Dominikanerinnen für die Adaption effizienter und moderner Formen der Buchproduktion soll im Folgenden nachgegangen werden.
3.4 Zum Buchwesen in den dominikanischen Klöstern Zürichs 3.4.1 Zürcher Dominikanerkloster Der seit 1230 im Zürcher Niederdorf ansässige Predigerkonvent befand sich in der zweiten Hälfte des 13. Jh.s bis zum ersten Viertel des 14. Jh.s – der Entstehungszeit der «Zürcher Gruppe» – vorerst in einer aufstrebenden Phase und bis zur Brun’schen Revolution von 1336 sogar in seiner Blütezeit.18 Er verfügte über eine Konventsschule19 und eine Bibliothek20. Es wird angenommen, dass der nördlich ans Querschiff anschliessende, gewölbte Raum als Sakristei gedient hat. Von dort führte eine Treppe in einen darüberliegenden, ebenfalls gewölbten Raum, der in nachreformatorischer Zeit als Spitalarchiv diente und in dem in klösterlicher Zeit die Bibliothek, auch Armarium genannt, untergebracht war.21 Der Bücherbestand dürfte recht umfangreich gewesen sein. Eine Vorstellung darüber gibt der Hinweis, dass die Dominikaner während ihres zweiten Exils (etwa 1339–1349) 43 Bände in die Obhut des Dominikanerinnenklosters Töss gegeben haben.22 Beim reformatorischen Büchersturm ist – wie die obige Zusammenstellung der «Zürcher Gruppe» zeigt – ein grosser Teil in alle Winde zerstreut, ein weiterer Teil zerstört und ein kleiner Teil in die Stiftbibliothek gelangt.23 Ein Skriptorium ist quellenmässig nicht belegt. Der Zürcher Archäologe Dölf Wild vermutet, dass der Raum R 12 im Bereich des östlichen Klausurflügels, direkt neben dem Kapitelsaal, als Skriptorium gedient haben könnte.24 Ein eindeutig klareres Bild lässt sich vom Konvent als Ort der Literaturproduktion nachzeichnen. Bereits Hugo Ripelin, der wohl erste Prior und «angesehendster 18 19 20 21 22 23
24
36
Grundlegend zum Zürcher Predigerkonvent: Wehrli-Johns 1980. – Wehrli-Johns 1999 bis. – Wehrli-Johns 2002. Wehrli-Johns 1980, S. 186–190. Wehrli-Johns 1980, S. 42 und S. 190–193. Wehrli-Johns 1980, S. 42. – Wild 1999, S. 234–235. Wehrli-Johns 1980, S. 191. – Urkunde: Zürich, Staatsarchiv, C IV 6,5. Mohlberg 1952, S. VII. – Schönherr 1965. – Bodmer/Germann 1985, S. 11–12, 17, 20. – Mohlberg 1952, S. VII. – Schönherr 1965. – Bodmer/Germann 1985, S. 11–12, 17, 20. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 37. – Wehrli-Johns 1999 bis, S. 480–483. Wild 1999, S. 237. – Wild 2002, S. 99.
Theologe seiner Zeit», war literarisch tätig gewesen.25 Er entstammte der Strassburger Familie Ripelin, die zu den bedeutendsten Patriziergeschlechtern der Bischofsstadt gehörte, und stand dem 1230 von Strassburg aus gegründeten Zürcher Konvent als erster Prior vor. Urkundlich ist er 1232 erstmals bezeugt. In Zürich wirkte er während rund dreissig Jahren abwechselnd als Prior und Subprior. In seine Prioratszeit fallen die Etablierung des Konventes, die wachsende Akzeptanz beim Stadtpatriziat und beim Adel sowie der Bau der Kirche und der Konventsgebäude. Gute Beziehungen verbanden ihn mit einem der gelehrtesten Zürcher Zeitgenossen, Konrad von Mure, der ihm seine Sakramentenlehre widmete.26 Nachdem er an Allerheiligen 1259 noch einem Schiedsgericht als Zürcher Prior vorsass, erscheint er in einer Zürcher Urkunde von 1261 als Prior des Strassburger Konventes. Das Todesjahr ist nicht gesichert. Der Dominikanerchronist Johannes Meyer nennt in der Papstchronik das Jahr 1268.27 Hugo Ripelin gehört zur ältesten Generation der deutschen Dominikaner und war ein Zeitgenosse von Thomas von Aquin und Albert dem Grossen. Die Frage, ob er sein ausserordentlich beliebtes, weit verbreitetes und bereits früh in verschiedene Sprachen übersetztes, theologisches Handbuch «Compendium theologicae veritatis» noch in Zürich oder bereits in Strassburg verfasst hat, konnte bisher nicht beantwortet werden. In den um 1298 von einem jüngeren Zeitgenossen geschriebenen Colmarer Annalen wird seine Person und sein Werk wie folgt gewürdigt: «Frater Hugo Ripilinus de Argentina, prior longo tempore Turicensis, postea factus Argentinensis, bonus cantor, laudabilis predicator, dictator scriptorque bonus atque depictor, vir in omnibus graciosus, summam fecit theologice veritatis.»28 Aufgrund dieser Charakterisierung ist es naheliegend, in Hugo Ripelin einen möglichen Vermittler strassburgischer Kunst nach Zürich zu sehen. In diesem Zusammenhang ist es von besonderer Bedeutung, dass dieser gelehrte Dominikaner offenbar über mehrere für den Herstellungsprozess von Handschriften unabdingbare Fähigkeiten (diktieren, schreiben, malen) verfügte.29 Die Frage, ob 25
26 27 28
29
Boner 1954. – Wehrli-Johns 1980, S. 48–49. – STEER, G.: Hugo Ripelin von Strassburg. In: 2 VL, Bd. 4, Sp. 252–266. – Steer 1981, insbesondere S. 3–20. – MOJSISCH, B.: H. Ripelin v. Strassburg OP. In: LexMA, Bd. V, Sp. 175. – Wehrli-Johns 1999, S. 14. – Wehrli-Johns 1999 bis, S. 484–488. – Wehrli-Johns 2002, S. 107–110. Boner 1954, S. 281–282. Steer 1981, S. 9. Zitiert nach Boner 1954, S. 272. – Zur Colmarer Chronik: KLEINSCHMIDT, E.: Colmarer Dominikanerchronist. In: 2VL, Bd. 1, Sp. 1295–1296. – SCHNITH, K.: Chronicon Colmariense. In: LexMA, Bd. II, Sp. 1953–1954. Dazu Renk 1974, S. 123. – Vetter 1981, S. 82, tendiert eher dazu, depictor im übertragenen Sinne zu interpretieren. Seine Argumente überzeugen jedoch nicht. Es ist anzunehmen, dass der gebürtige Strassburger auch während seiner Zürcher Prioratszeit mit seiner Heimatstadt verbunden blieb. Zudem dürfen m. E. die möglichen Einflüsse nicht nur im Hinblick auf den Codex Manesse gesucht werden.
37
Ripelin im Zürcher Konvent ein Skriptorium betrieben habe, drängt sich auf, lässt sich aber nicht beantworten. Spätestens 1259 – noch während der Zeit Ripelins in Zürich – ist Lütold von Regensberg30 in den Zürcher Konvent eingetreten. Er stammt aus dem Geschlecht der Freiherren von Regensberg und war mit den Grafen von Kyburg und mit den Habsburgern verwandt. Möglicherweise ist er identisch mit einem in den Colmarer Annalen erwähnten Lektor und Astrologen Lütold. M. Wehli-Johns vermutet deshalb, dass Lütold Lektor der philosophischen Fächer gewesen sein könnte.31 Belegt ist seine Tätigkeit als Schreiber. Nach eigener Aussage weilte Lütold 1276 im Lateran zu Rom und im Dominikanerkloster in Viterbo, um dort den Kaiserkrönungsritus, Eid- und Privilegienformeln und einen Auszug aus der sog. Konstantinischen Schenkung abzuschreiben, und fügte diese nach seiner Rückkehr auf den freigebliebenen Seiten der Chronik Ottos von Freising (foll. 159v–161r, Kat.-Nr. 2) bei.32 Interessant ist, dass er dabei Textualis und Halbkursive verwendete und offenbar nach der Wichtigkeit der Texte die entsprechende Schrift wählte: Während er den Ordo der Kaiserkrönung in Textualis schrieb, gebrauchte er für die anderen Schriftstücke Urkundenschrift.33 Lütold konnte zudem als einer der beiden Urkundenschreiber des Zürcher Dominikanerklosters identifiziert werden. Ihm werden sechs Urkunden zugeschrieben. Diese stehen alle in einem Bezug zu den Dominikanerinnenklöstern St. Verena und Oetenbach.34 Ein weiterer Zeuge für die schriftstellerische Tätigkeit im Dominikanerkonvent und möglicherweise auch für die Beteiligung an der Handschriftenproduktion stellt das nur im Codex Manesse überlieferte Marienlied des Dominikanermönchs Eberhard von Sax dar.35 Eberhard gehörte der Rheintaler Linie des Geschlechts jener von Sax an, die sich ab Ende des 14. Jahrhunderts Freiherren von Hohensax nannten. Er dürfte identisch sein mit dem Dominikanerbruder, der in zwei Urkunden von 1309 als Zeuge auftritt. Beide Urkunden betreffen das unter der Aufsicht der 30 31 32
33 34 35
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Renk 1974, S. 81–88. – Wehrli-Johns 1980, S. 194–201. – Wehrli-Johns 1999, S. 14. – WehrliJohns 2002, S. 112. Wehrli-Johns 1999, S. 14. Istum ordinem et modum consecrandi regem Romanorum in imperatorem scripsit frater Luitoldus de Reginsberg ordinis fratrum Predicatorum de Turego, Laterani de libro cuiusdam cardinalis, anno domini MCCLXXVI et huic libro in memoriale perpetuum annotavit anno domini MCCLXXVII crastino Verene virginis gloriose (Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Car. C 33, fol. 159v). Schneider 1987, S. 236, bezeichnet die Textualis Lütolds als konservativ. Sie zeichne sich jedoch durch ein gutes kalligraphisches Niveau aus. Wehrli-Johns 1980, S. 195–196. HAHN, G.: Eberhard von Sax. In: 2VL, Bd. 2, Sp. 286–287. – Werhli-Johns 2002, S. 115.
Zürcher Prediger stehende Augustinerkloster St. Katharina in Eschenbach.36 Sein Heimatkonvent dürfte jedoch das Konstanzer Dominikanerkloster gewesen sein, da das Rheintal innerhalb der Termini dieses Klosters lag.37 Insbesondere die Miniatur (fol. 48v), die Eberhards Marienlob vorangestellt ist, hat Anlass zu einer Reihe von Hypothesen über die Beteiligung Eberhards und möglicherweise des Dominikanerskriptoriums am Entstehungsprozess des Codex Manesse gegeben.38 Die dem ersten Nachtragsmaler zugeschriebene Miniatur zeigt Eberhard mit porträthaften Zügen in einem gotischen Kirchenraum kniend vor einem Marienaltar. Aus seinen sich zum Gebet erhobenen Händen entrollt sich eine Schriftrolle mit seiner Widmung an Maria: «Diese geringe Gabe, Herrin, sei dir gesandt. Empfange sie gnädig von mir in Deiner Tugendhaftigkeit. Immer sei von Dir beschützt. Bruder Eberhard von Sax.»39 Es handelt sich hier also um ein Stifterbild – übrigens das einzige der Liederhandschrift –, und es ist deshalb wahrscheinlich, dass Eberhard der Auftraggeber dieses Bildes war und insofern in den Entstehungsprozess der Handschrift involviert war. Für die Hypothese, Eberhard habe nach dem Tod von Rüdiger Manesse die Projektleitung übernommen, habe möglicherweise das Stifterbild selbst gemalt und sei folglich identisch mit dem ersten Nachtragsmaler, konnten bisher keine Beweise beigebracht werden. Auch für die mögliche Identifizierung des Dominikaners mit einem 1296 in Konstanz bezeugten «Eberhard pictor» fehlen Belege. Ein Argument für die Mitwirkung des Dominikaners könnte die Tatsache darstellen, dass die Handschrift im Nachlass des 1596 verstorbenen Johann Philipp Freiherr von Sax auftaucht.40 Neben dem Marienlied Eberhards gibt es weitere Belege für die Produktion volkssprachiger geistlicher Literatur im Zürcher Dominikanerkonvent. Als Verfasser zweier deutscher Predigten über Johannes-Evangelist in einer Handschrift der Gräflich Schönbornschen Bibliothek in Pommersfelden (Ms. 120) konnten der Zürcher Lektor Heinrich von Schaffhausen und Hugo von Schaffhausen, zeitweilig Zürcher Prior und anschliessend Provinzial der Teutonia (1300–1303), identifiziert werden.41 Auch das Wirken des Lektors und Priors Marquart Biberlis lässt Rückschlüsse auf die Produktion von Handschriften zu. Die Rolle Biberlis ist jedoch noch nicht 36 37 38
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Wehrli-Johns 1980, S. 160–162. Wehrli-Johns 1980, S. 201–203. Zu den Hypothesen: Sillib 1929, S. 24 und Jammers 1965, S. 93, 193. Siehe auch Renk 1974, S. 29–35, insbesondere S. 34. Zur Kritik: Vetter 1981, S. 76–77, und Claudia Brinker im Kat. edele frouwen – schoene man, S. 119–129, insbesondere S. 121. Zitiert nach Kat. edele frouwen – schoene man, S. 121. – Wehrli-Johns 2002, S. 115, Interpretation der Miniatur. Werner 1988, S. 1–21. Schiewer 1993. – Wehrli-Johns 1999 bis, S. 472, 490–491.
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eindeutig geklärt. Zum Leben des Dominikanermönchs gibt es lediglich drei urkundliche Belege.42 In einer Urkunde von 1320 tritt ein Lektor «Markwart» auf. 1325 ist ein Prior des Zürcher Dominikanerkonventes mit dem Namen Marquart belegt. 1326 schenkte «frater Markwardus Biberlin, conventus Thuricensis» dem Berner Predigerkloster drei kanonistische Handschriften: das Decretum Gratians, die Decretales Gregors IX. und eine Postilla zum Lukasevangelium.43 Sein Name taucht zudem im Kolophon eines Legendars der Solothurner Zentralbibliothek auf: «Dis heiligen sint bewerte heiligen also/das ir nam und ir tag stet geschriben an dem kalendarium/bruder und der swestern bredier ordens. und wart ir vil zetutsch braht ab einem vil alten buche. und uberlas es da vil bi alles ein wiser Lesmeister bredier ordens bruder Marchwart Biberli. dem gar kunt ist umb der heiligen legende. der sprach das es ganz und gerecht also wer.»44 A. Schönherr hat Marquart Biberli aufgrund dieses Kolophons eine bedeutende Rolle zugeschrieben: «für Dominikanerinnen ausgewählt, bearbeitet und ins Deutsche übertragen.» In ihrer Dissertation über eine Sammelhandschrift der Basler Universitätsbibliothek diskutiert M. Wallach-Faller das Kolophon ausführlich und kommt nach einer nur schwer nachvollziehbaren Argumentation zum Schluss, Biberli habe als Übersetzer und Redaktor gewirkt.45 Bereits K. Kunze und M. WehrliJohns drückten sich weit vorsichtiger aus und räumten Biberli lediglich die Rolle des Redaktors ein.46 Fundamentale Kritik an den Thesen von M. Wallach-Faller übte K.-E. Geith: Die Handschrift setze sich aus zwei verschiedenen Teilen zusammen (L I und L II). Es handle sich dabei um eine Abschrift. Das Kolophon beziehe sich auf die Vorlage von L I, und es besage, dass Biberli diese Vorlage durchgelesen und die Vollständigkeit und Richtigkeit der Übersetzungen aus dem alten lateinischen Legendar bestätigt habe. Er denkt an eine Übersetzerin aus dem Dominikanerinnenkloster Oetenbach oder Töss.47 Jüngere Arbeiten folgen den Ausführungen von K.-E. Geith.48 M. Wallach-Faller charakterisiert Biberli in der oben erwähnten Dissertation als Übersetzerpersönlichkeit, der sie noch weitere Werke, Psalter und Bibel, zuschreibt. Bei der Übertragung des lateinischen Psalters ins 42 43 44 45 46 47 48
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Wehrli-Johns 1980, S. 234, Anm. 10. – Werhli-Johns 1999 bis, S. 493–494. Zu seiner Person und seiner Familie die ausführliche Rekonstruktion in Wallach-Faller S. 100– 109. – KUNZE, K.: Biberli(n), Marquard. In: 2VL, Bd. 1, Sp. 842–843. Solothurn, Zentralbibliothek S 451, fol. 216v. Wallach-Faller 1981, S. 97–100. – Zuletzt: Wallach-Faller 1997, S. 58–59. KUNZE, K.: Biberli(n), Marquard. In: 2VL, Bd. 1, Sp. 842–843. – Wehrli-Johns 1980, S. 203–204. Geith 1982, insbesondere S. 18–20. Williams-Krapp 1986, S. 24–25. – Steer 1987, S. 314. – Schiewer 1993, S. 27, 46. Als möglicher Übersetzer oder Mitautor des Solothurner Legendars führt Schiewer (S. 47) Rudolf von Klingenberg an. – Werhli-Johns 2002, S. 113.
Deutsche sollen Biberli die Handschriften Ms. C 140 der Zentralbibliothek Zürich (Kat.-Nr. 7) und Ms. Mur. 95 der aargauischen Kantonsbibliothek49 als Vorlagen gedient haben.50 Für die Evangelienübersetzung könnte Biberli die Bibel Ms. Car. C 2 (Zentralbibliothek Zürich, S. Kat.-Nr. 4) herangezogen haben, wie M. WallachFaller meint.51 Von der Bibelübersetzung Biberlis zeugen ihr zufolge mehrere Manuskripte, die in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrt werden (Ezechiel-Fragment, Ms. C 55, Ms. C 79c, Ms. C 19) sowie eine Psalterhandschrift der Basler Universitätsbibliothek (A. IV.44).52 Auch zu dieser These äusserte K.-E. Geith in seinem Schlusssatz starke Zweifel: «Das bedeutet aber, dass das Solothurner Legendar die ihm in den Untersuchungen von M. Wallach-Faller zukommende Rolle, die Identifikation des Übersetzers einer grossen Bibelübersetzung zu ermöglichen, nicht erfüllen kann. Solange nicht weiteres Material für die Argumentation von M. Wallach-Faller erbracht werden kann, bleibt Marchwart Biberli ‹ein wiser Lesmeister bredier ordens... dem gar kunt ist umb der heiligen legende›.»53 3.4.2 Dominikanerinnenkloster oetenbach Für das Dominikanerinnenkloster Oetenbach54 sind in diesem Zusammenhang die folgenden Eckdaten von Belang: 1231 entstand eine Schwesternsamnung, die mit den Zürcher Dominikanern verbunden war. Nach dem Zusammenschluss mit einer weiteren Samnung um 1234 zogen die Beginen vor die Stadtmauern aufs Sihlfeld und nach einer Überschwemmung an den Oetenbach um.55 Die erste urkundliche Erwähnung datiert aus dem Jahr 1237, als sie das Schutz- und Immunitätsprivileg erhielten und auf die Augustinerregel und die Konstitutionen von S. Sisto in Rom verpflichtet wurden. Zusammen mit dem Dominikanerinnenkloster Töss wurde Oetenbach 1245 inkorporiert. Mit der Übersiedlung in die Stadt, auf das Sihlbühl, im Jahre 1285 setzte der Aufschwung des Konventes ein. Es entstand eine grosszügige Klosteranlage. Der Hauptaltar der Klosterkirche wurde am 49
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Aarau, Aargauische Kantonsbibliothek, Ms. Muri 95, dominikanisches Psalterium und Brevier, Ende 13./Anfang 14. Jh. Lit.: Bruckner 1955, VII, 72, 81, 89. – Beer 1959, 64–65, Nr. 5. – Wallach-Faller 1981, S. 9, 61, Anm. 3, 126, 128. – Kat. edele frouwen – schoene man. S. 49, 267. – Wallach-Faller 1997, S. 58. Wallach-Faller 1981, S. 72, 113 Handschriftenstemma. Wallach-Faller 1981, S. 82, 113 Handschriftenstemma. Wallach-Faller 1981, S. 89–90, 110–113. Geith 1982, S. 21. Halter 1959. – Wehrli-Johns 1980, S. 94–99. – Wilts 1994, 99–101, 470. – Sommer-Ramer 1995, S. 775. – Bless 1999, S. 33. – Wehrli-Johns 1999, S. 18. – Wehrli-Johns 1999 ter, S. 1019–1029. – Heusinger 2002, S. 159–165. Für die Vorgeschichte gibt es keine urkundlichen Belege. Sie wird über das Stiftungsbuch, das im 14. Jh. verfasst wurde, tradiert: Zeller-Werdmüller/Bächtold 1889.
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19. September 1317 geweiht. Die Phase der materiellen und geistigen Blüte fällt mit dem engagierten Priorat Cäcilias von Homberg (1317–1336) zusammen.56 Die Überlieferung zu Bestand und Geschichte der Oetenbacher Bibliothek ist sehr lückenhaft. Bei rund zwanzig Handschriften wurde bisher über eine Heimweisung nach Oetenbach als Entstehungs- und oder Aufbewahrungsort diskutiert.57 Von der Existenz eines Skriptoriums wird in der Forschung immer wieder ausgegangen.58 Als Beleg werden jeweils zwei Stellen aus dem Oetenbacher Schwesternbuch beigebracht, in dem es Hinweise auf die Schreibtätigkeit der Dominikanerinnen gibt. Im Zusammenhang mit dem Klostereintritt der begüterten Witwe Ita von Hohenfels im Jahre 1285 wird berichtet: «Es kament auch mit ir drei junkfrawen, der kond eine schreiben und luminieren, die andre malen, die dritt würken in der dicht das peste werk, das man finden kont. Also schribent si und ander swester, dass von luminieren und von schreiben alle jar aus der schreibstuben gieng X marck.»59 In der Vita der Schwester Elsbeth von Beggenhofen (–1340) wird über ihr Lebensende erzählt, dass ihr Todesengel «...die kleglichsten geperde gegen ir, der si nimmer vergass und zoch si nach im, als die schreibstuben lang ist...».60 Die einzige erhaltene Abschrift des Oetenbacher Schwesternbuches überliefert eine zweibändige Ausgabe aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, deren erster Teil in Nürnberg aufbewahrt wird und deren ergänzender Teil 1994 in Breslau entdeckt wurde.61 Dabei handelt es sich wohl um eine Abschrift einer vom dominikanischen Ordenschronist Johannes Meyer (1422–1485) bearbeiteten Textausgabe. Wie Untersuchungen des Adelhauser und des St. Katharinentaler Schwesternbuches sowie der Chronik des St. Michaelskloster in Bern zeigten, hatte J. Meyer die Texte jeweils in einem starken Masse redigiert mit dem Ziel, sie in den Dienst der Ordensreform zu stellen.62 Insofern dürfen die obengenannten Passagen aus dem Oetenbacher Schwesternbuch nur bedingt als direkte Belege für einen Skriptoriumsbetrieb
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Halter 1956, S. 66–83. – Wehrli-Johns 1999, S. 21. Schneider-Lastin 1999 bis, S. 1029–1035 Bruckner 1940, IV, S. 34–35. – Halter 1956, S. 62. – Renk 1974, S. 32. – Wallach-Faller 1981, S. 108, 110. – Schneider-Lastin 1999, S. 25. Zeller-Werdmüller/Bächtold 1889, S. 231. Zeller-Werdmüller/Bächtold 1889, S. 260. Dinzelbacher, P.: «Ötenbacher Schwesternbuch», In: 2VL, Bd. 7, Sp. 170–172. – Zum Neufund in Breslau: Schneider-Lastin 1995. – Erster Teil des Schwesternbuches: Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a, zweiter Teil: Breslau, Universitätsbibliothek, Cod. IV F 194a. Meyer 1995, S. 65–72. – ENGLER, Claudia: «Ein news puch». Die «Bibliothek» des Dominikanerinnenklosters St. Michael in der Insel. In: Berns grosse Zeit. Das 15. Jahrhundert neu entdeckt. Hrsg. von BEER, E. J., GRAMACCINI, Norberto, GUTSCHER-SCHMID, Charlotte, SCHWINGES, Rainer C. Bern 1999, S. 486. – Thali 2002, S. 199–213.
gelten.63 Trotz allen geäusserten Vorbehalten gegenüber dem in der Nürnberger/Breslauer Ausgabe erhaltenen Oetenbacher Schwesternbuch stellt es selbst ein Zeuge der schriftstellerischen Tätigkeit der Oetenbacher Schwestern dar. Es ist anzunehmen, dass einzelne Textteile in der Mitte des 14. Jahrhunderts von ihnen verfasst wurden. Namentlich bekannt ist die Mystikerin Elsbeth von Oye (um 1290–1340). Ihre Offenbarungen sind u. a. in der Handschrift Rh. 159 der Zürcher Zentralbibliothek vom Anfang des 14. Jahrhunderts überliefert, 64 die als Autograph betrachtet wird. Ihre Werke sind auch im obengenannten Schwesternbuch enthalten.65 In die Diskussion um den Entstehungsort der hoch bedeutenden Manessischen Liederhandschrift wurde immer wieder auch das Oetenbacher Skriptorium miteinbezogen, weil dessen Existenz eben als gesichert galt.66 Belege für diese Hypothese gibt es jedoch nicht. 3.4.3 Dominikanerinnenkloster St. Verena Das Dominikanerinnenkloster St. Verena entwickelte sich aus der Samnung «Schwestern von Konstanz». Den Namen erhielt diese von der Begine Adelheid von Konstanz, die um 1250 an den Unteren Zäunen in der Nähe des Franziskanerklosters ein Haus erwarb. Sie wohnte dort mit der Begine Gertrud zusammen. Adelheid zog um 1259/60 in die Nähe der Dominikaner an die Brunngasse um und gründete dort die Samnung, die am 28. April 1260 erstmals urkundlich erwähnt ist. Offenbar ging die Gründung einer Samnung auf die Initiative der Dominikaner zurück. Sie wurde vom Rat und der Bürgerschaft wie von der Propstei unterstützt mit dem Ziel, ein Frauenkloster zu errichten. Spätestens ab 1266 lebten die Schwestern 63
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Auf die sehr weitläufige und äusserst kontrovers geführte Diskussion über die Schwesternbücher, insbesondere über die Viten, kann hier nicht weiter eingegangen werden. Dazu beispielsweise DINZELBACHER, Peter: Zur Interpretation erlebnismystischer Texte des Mittelalters. In: Zeitschrift für deutsches Altertum 117 (1988), S. 1–23. – RINGLER, S.: Viten und Offenbarungsliteratur des Mittelalters. Quellen und Studien. (Münchner Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters Bd. 72) Zürich, München 1980. «Puchlein des lebens und der offenbarungen Elsbethen von Oye». Bruckner 1940, IV, S. 55. – Mohlberg 1952, S. 241 Nr. 532, S. 395. – Muschg 1935, S. 196–204, 415– 516. – HAENEL, K.: Textgeschichtliche Untersuchungen zum sogenannten Puchlein des Lebens und der Offenbarungen Swester Elsbethen von Oye. Diss. Göttingen 1958. – Wallach-Faller 1981, S. 10, 105. – Ochsenbein 1986. – SCHNEIDER-LASTIN, Wolfram: Das Handexemplar einer mittelalterlichen Autorin. Zur Edition der Offenbarungen Elsbeths von Oye. In: editio 8 (1994), S. 53–70. Schneider-Lastin 1995, S. 209. – Schneider-Lastin 1999, S. 27. NEUMANN, H.: Elsbeth von Oye. In: 2VL, Bd. 2, Sp. 511–514. – Ochsenbein 1986 mit Angaben zur Überlieferung ihres Werks. – Schneider-Lastin 1995, S. 202, 208. – Schneider-Lastin 1999, S. 27. Schönherr 1965. – Schneider-Lastin 1999, S. 25. – Kritisch äussert sich dazu D. Flühler-Kreis im Kat. edele frouwen – schoene man, S. 48–49.
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nach der Augustinerregel (Urkunde vom 21. Dezember 1266), und 1277 werden sie als «ordinis fratrum praedicatorum» bezeichnet. Die Dominikanerinnen von St. Verena nahmen eine kirchenrechtlich selten vorkommende Zwischenstellung ein: Sie verpflichteten sich auf die Augustinerregel und die Konstitutionen der Dominikaner, waren aber als nicht inkorporiertes Kloster der Aufsicht des Diözesanbischofs unterstellt, der die Zürcher Dominikaner mit der Seelsorge und Visitation beauftragt hatte. Die Bezeichnung St. Verena ist erst ab 1371 geläufig.67 Das Stadtkloster für Töchter aus Bürger- und Handwerksfamilien war Teil des dominikanischen Seelsorgekonzeptes und bildete als solches das geistige Zentrum des Beginenquartiers, das sich ab 1270 zwischen der Predigerhofstatt und dem Neumarkt entwickelte. Die Haupttätigkeiten der Frauengemeinschaft waren: Herstellen von Textilarbeiten, Betreuen von Kranken und Sterbenden und spätestens ab Mitte des 15. Jh.s Führen einer Schule.68 Über eine Bibliothek wird in den überlieferten Texten nicht berichtet. Die sehr qualitätvolle Gradualhandschrift (s. Kat.-Nr. 15), die heute in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt wird, könnte zeitweilig im Verenenkloster bei der liturgischen Feier benutzt worden sein. Bei einem ebenso qualitätvollen Gebetsbuch mit privatem Charakter in deutscher Sprache erwägt Marlis Stähli eine «Verwendung im Umfeld des Zürcher Klosters St. Verena».69 Von einem klostereigenen Skriptoriumsbetrieb im Dominikanerinnenkloster St. Verena geht – soweit mir bekannt ist – nur M. Wallach-Faller in ihrer Dissertation aus. Sie nimmt aufgrund liturgischer Eigenheiten an, dass ein deutsches Epistelbuch sowie ein deutsches Evanglienbuch im Verenenkloster um 1360 entstanden sind.70 Dabei handelt es sich ihr zufolge um Textzeugen einer zu Beginn des 67
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Bär 1911. – Wehrli-Johns 1980, S. 101–104. – Wilts 1994, S. 44 Anm. 38, 187 Anm. 717, 189, 192, 200 Anm. 755, 407. – Sommer-Ramer 1995, S. 776–777. – Bless 1999, S. 33. – Helbling 1999, S. 35–36. Zu den historischen und sozialgeschichtlichen Hintergründen: Bär 1911. – Wehrli-Johns 1980, S. 101–104. – Wilts 1994, S. 44, Anm. 38, 187, Anm. 717, 189, 192, 200 Anm. 755, 407. – Sommer-Ramer 1995, S. 776–777. – Bless 1999, S. 33. – Helbling 1999, S. 35– 36. – Hohl 1999, S. 1054–1067. – Helbling 2002, S. 215–227. Stähli 2002, S. 245. – Burgerbibliothek Bern, Cod. A 90. Solothurn, Zentralbibliothek, Ms. S 160, Deutscher Psalter, Anfang 15. Jh.; Lit.: Schönherr 1964, S. 3–4. – Wallach-Faller 1981, S. 9, 111. – Wallach-Faller 1981bis, S. 40 passim. – Wallach-Faller 1997, S. 58. _ Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 19, Deutsches Epistelbuch mit einzelnen Gebetsanweisungen, um 1360. Lit: Mohlberg 1952, S. 20–21 Nr. 54, S. 352. – Wallach-Faller 1981, S. 10, 31 Anm 4, 85, 89, 110. – Wallach-Faller 1981 bis, S. 39 passim. – Wallach-Faller 1997, S. 59. _ Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 55, Deutsches Evangelienbuch, um 1360. Lit.: Baldegger, J.: Untersuchungen über eine allemannische Evanglien-Handschrift der Stadtbibliothek in Zürich (Msc. C 55, 713). Diss. Freiburg. Halle 1904. – Mohlberg 1952, S. 29–
14. Jahrhunderts von Marquard Biberli getätigten deutschen Bibelübersetzung (vgl. dazu den Abschnitt über Marquard Biberli). Hier wäre meiner Meinung nach klarer zwischen Bestimmungs- und Herstellungsort zu unterscheiden. Eindeutige Hinweise für eine Schreibtätigkeit gibt es erst im 15. Jahrhundert: Neben den alltäglichen Schreibarbeiten im Zusammenhang mit der Rechnungsführung und dem Schulbetrieb ist dies eine Handschrift mit drei in Deutsch verfassten Heiligenviten, deren Schreiberin sich im Nachtrag nennt: «AMEN des helf uns gott. Hör fil und wenig sag/antwort nüt uf all frag/lüg scheident fründschaft fil/da man den lügen glouben will. Dis wart us geschriben an sant johans baptisten abent to man zalt MCCCC und xlviiij jar von schwester angnes fösinen.» Und in einem Nachsatz gibt sie zudem Auskunft über ihre Herkunft: «... schwester Angnes fösin zu sant frenen Zürich».71 3.4.4 Dominikanerinnenkloster Töss Im Kontext der dominikanischen Literaturproduktion im 13./14. Jahrhundert ist das ebenfalls unter der seelsorgerischen Obhut der Zürcher Dominikaner stehende, bei Winterthur gelegene Dominikanerinnenkloster Töss von Interesse. Töss ist – anders als Oetenbach und St. Verena und entgegen bisheriger Darstellungen – nicht aus einer Beginensamnung hervorgegangen, sondern eine unter Beizug der Zürcher Dominikaner begründete Stiftung des Grafen Hartmann d. Ä. von Kyburg. Denn die Kyburger verfolgten damit – wie bei der Gründung des Dominikanerinnenklosters St. Katharinental – territorialpolitische Ziele.72 Im Jahr 1233 erteilte der Bischof Heinrich von Konstanz die Erlaubnis zur Klostergründung und gewährte all jenen einen Ablass, die zur Finanzierung des Klosterneubaus beitrugen. Grund und Boden schenkte den Gründerinnen Graf Hartmann. Den Zürcher Dominikanern oblag die Cura monialium. 73 Das 1245 bzw. 1267 inkorporierte Dominikanerinnenkloster lebte nach den Augustinusregeln und den Konstitutionen von St. Marx in Strassburg. Es gelangte unter der Landesherrschaft der Kyburger durch Schenkungen und Käufe zu materiellem Reichtum und entwickelte sich unter der Herrschaft der Habsburger dank der Förderung durch Agnes von Ungarn zu deren Hauskloster. Im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts lebte Elisabeth, die Tochter König Andreas III. von Ungarn, in Töss.74
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30 Nr. 85, S. 354. – Wallach-Faller 1981, S. 10, 30, 31 Anm. 4, 65, 81, 85, 89, 93, 95, 99, 110. Wallach-Faller 1981 bis, S. 40. – Wallach-Faller 1997, S. 58. – Zur Lokalisierung der Handschriften Wallach-Faller 1981, S. 61, Anm. 1 und 2. Zitiert nach: Helbling 2002, S. 226. – Einsiedeln, Stiftsbibliothek 671/655. Eugster 1991, vor allem S. 86–109. Wehrli-Johns 1980, S. 94–99. Dejung/Zürcher 1952, S. 318–331. – Däniker-Gysin 1958. – Eugster 1991, vor allem S. 86– 109. – Wilts 1994, S. 462–463. – Palaia 1999. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 901–907.
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Die Dominikanerinnen dürften sich durch ein sehr hohes Bildungsniveau ausgezeichnet und über eine recht bedeutende und umfangreiche Bibliothek verfügt haben. Vom einstigen Bücherbestand ist nur wenig erhalten.75 Von den schriftstellerischen Aktivitäten der Dominikanerinnen zeugt das Tösser Schwesternbuch. Es enthält eine während des 14. und 15. Jahrhunderts gewachsene Sammlung exemplarischer Gnadenviten von Tösser Schwestern, die in der Zeit von etwa 1250 bis 1350 gelebt haben.76 Drei Fassungen des 15./16. Jahrhunderts sind überliefert und – wie bei den anderen Schwesternbüchern – stellt sich die Frage, wieweit die Schilderungen die realen Verhältnisse des 13./14. Jahrhunderts wiedergeben oder ob die Darstellungen im Dienst der Reformbestrebungen stehen.77 Dies
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Die Gründung des Klosters wird kontrovers beurteilt: Während Däniker-Gysin und WerhliJohns von einer kyburgischen Stiftung ausgehen, interpretieren Wilts 1994 und Palaia 1999 (S. 102–104) die Quellen dahingehend, dass es bereits eine Beginensamnung gegeben habe. Däniker-Gysin 1958, S. 56–58, 94–95. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 911–914, 923–924. Bei folgenden Handschriften wurde Töss als Entstehungsort und/oder Bibliotheksheimat diskutiert: _ Engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 141, Heinrich Seuse: Horologium sapientiae, Toess, 14. Jh.; Lit.: Bruckner 1950, VIII, S. 69–70. – Däniker-Gysin 1958, S. 56, 94 (mit älterer Literatur). – Schönherr 1964, S. 60. – Edition: Künzle, P.: Heinrich Seuses Horologium Sapientiae (Spicilegium Friburgense: Texte zur Geschichte des kirchlichen Lebens XXIII) Freiburg 1977. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 912, 924.- Zürich, Staatsarchiv, C II 13, 365, Konsekrations- und Ablassbuch, Töss, 14. Jh.; Lit.: Däniker-Gysin 1958, S. 56–57, 94– 95. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 902, 923–924. _ Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 108a, Heinrich Seue: Das puechlein der ewigen weysheit, 15. Jh.; Lit.: Bruckner 1940, IV, S. 68. – Mohlberg 1952, S. 56 Nr. 139. – Däniker-Gysin 1958, S. 58, 96. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 924. _ Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 108b, Anonyme Abhandlung über mystische Theologie, 15. Jh.; Lit.: Bruckner 1940, IV, S. 68. – Mohlberg 1952, S. 56–57 Nr. 140. – Däniker-Gysin 1958, S. 58, 96. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 924. _ Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 162, deutsches Andachtsbuch, 15. Jh.; Lit.: Bruckner 1940, IV, S. 68. – Mohlberg 1952, S. 72–73 Nr. 188. – Däniker-Gysin 1958, S. 58, 95. – Bodmer/ Germann 1985, S. 18. – Wehrli-Johns 1999 quater, S. 924. HAAS, Alois: Stagel (Stagelin), Elsbeth OP. In: 2VL, Bd. 9, Sp. 219–225, insbesondere Sp. 223–225. Nürnberg, Stadtbibliothek, Cod. Cent. V, 10a. – St. Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 603. – Überlingen, Leopold-Sophien-Bibliothek, Cod. 22. – Edition: VETTER, Ferdinand (Hrsg): Das Leben der Schwestern zu Töss, beschrieben von Elsbeth Stagel, samt der Vorrede von Johannes Meier und dem Leben der Prinzessin Elisabeth von Ungarn. (Deutsche Texte des Mittelalters 6). Berlin 1906. – OEHNINGER, Heinrich Robert: Wir hatten eine selige Schwester... 33 Lebensberichte über Dominikanerinnen aus dem Kloster zu Töss bei Winterthur. Nach dem mittelhochdeutschen Text von Elsbeth Stagel (1300–1360). 2 Bde. Zürich 2003. Die Edition von Vetter diente Oehninger als Basis für seine «Neuedition», seine Übertragung ins Neuhochdeutsche und für seine Nacherzählung.
gilt auch für das darin vermittelte Bild über die Entstehung und Organisation der Bibliothek sowie zum Skriptoriumsbetrieb.78 Mit der Analyse der komplexen Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte des Schwesternbuches wurde zudem versucht, die Rolle Elsbeth Stagels (um 1300 bis um 1360) – geistliche Tochter Heinrich Seuses – als Schriftstellerin zu klären. Beim Schwesternbuch war sie an einer ersten Zusammenstellung des Grundcorpus beteiligt, jedoch nicht die alleinige Verfasserin des Buches. Während ihre Mitautorschaft an der Vita Heinrich Seuses stark bezweifelt wird, dürfte sie an der Entstehung der ältesten bekannten Handschrift von Seuses Büchlein der ewigen Weisheit in Töss beteiligt gewesen sein.79
3.5 Das dominikanische Buchwesen im Spiegel der normativen Quellen Das Buchwesen spielte im Dominikanerorden eine bedeutende Rolle, weil die Hauptaufgabe des Ordens, die Seelsorge, eine entsprechende Ausbildung der predigenden Brüder verlangte. Für die Grundausbildung, die im Rahmen eines Hausstudiums erfolgte, benötigte jeder Konvent die entsprechende Studienliteratur. Folglich thematisieren normative Schriften wie z. B. die Generalkapitelsakten Fragen rund um Erwerbung, Ausstattung und Aufbewahrung von Büchern häufig. Dazu äussert sich auch der Ordensgeneral Humbertus des Romanis (–1277) ausführlich, insbesondere in seinem Werk über die verschiedenen Ämter im Dominikanerorden, wo er dem Amt des Bibliothekars und demjenigen des Schriftenmeisters je ein Kapitel widmet.80 Detailreich wird zuerst die Lage der Bibliothek innerhalb des Konvents – nicht wetterseitig, gut belüftbar –, die Einrichtung mit hölzernen Schränken, die Art der Aufstellung und Signierung der Bücher vorgeschrieben. Einem Pflichtenheft ähnlich werden sämtliche Aufgaben eines Bibliothekars festgehalten: Instandhalten und Aktualisieren der Bücher, den Buchbestand durch die Kopiertätigkeit professioneller Schreiber, Schenkungen, Erbschaften und Ankauf vermehren, und ein Bücherverzeichnis erstellen. Die Ausstattung des Skriptoriums wird ebenfalls genau beschrieben: «IV. Circa annexa studio. Item, ipsius interest habere in libraria encaustum pennas, pumices, 78 79 80
Däniker-Gysin 1958, 59–62. Haas 1987, S. 279–280, 290, 292. – HAAS, Alois: Stagel (Stagelin), Elsbeth OP. In: 2VL, Bd. 9, Sp. 219–225. Humbertus de Romanis 1888/1889, Vol. II, S. 263–268. – Zum dominikanischen Buchwesen allgemein: Walz 1935. – Hinnebusch 1973, 191–230. – FINGER, Heinz: Artikel «Dominikanerbibliotheken». In: Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl., Bd. 2. Stuttgart 1989, S. 338–339. – FINGER, Heinz: Artikel «Humbertus de Romanis». In: Lexikon des gesamten Buchwesens, 2. Aufl., Bd. 3. Stuttgart 1991, S. 552–553.
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cretam, plumbos, regulas, cultelinos ad scindendum pennas, sebum vel candelas ad vigilandum de nocte, et hujusmodi ad scribendum, vel studentum, vel vigilandum necessaria, et fratribus sine difficultate cum indiguerint ministrare.»81 Explizit werden eine Reihe von häufig benutzten Werken genannt, die der Bibliothekar an einem oder mehreren Pulten aufstellen soll, damit sie prompt zu konsultieren sind. Neben summarisch aufgezählten kanonistischen Schriften, Predigt- und Legendensammlungen sowie Chroniken und kirchengeschichtlichen Werken werden namentlich genannt: Vollständige Bibeln mit und ohne Glossen sowie Texte des Petrus Comestor, Petrus Lombardus, Raimundus de Pennaforti, Godefridus de Trano und Guilelmus Peraldus.82 Mehrere der hier genannten Titel an Studienliteratur befinden sich unter den Handschriften der «Zürcher Gruppe»: Die Abschrift der Chronik Ottos von Freising, die Bibel Zürich Car. C 2 und das dazugehörige Fragment, Summa super rubricas decretalium des Godefridus de Trano Stuttgart, HB VI 64 und die beiden Legendae aureae des Jacobus de Voragine (Stuttgart, HB XIV 23 und Karlsruhe, Cod. U.H. 14). Die Bibelfragmente können sowohl für das Studium wie auch für die Liturgie verwendet worden sein und weisen auf eine weitere Gattung von Literatur hin, die innerhalb der «Zürcher Gruppe» den zweiten Schwerpunkt bildet: die in jedem Konvent benötigten liturgischen Codices. Dazu gehören ein Missale (Stuttgart, HB I 65), zwei Gradualien (Rom, Cod. Vat. lat. 10769 und Nürnberg, Hs. 21897) sowie vier Psalterien (Engelberg, Cod. 98, Karlsruhe, Cod. U.H. 12, Zürich, Ms. C 140 und München, Clm 23121). Es erstaunt nicht, dass die Psalterhandschriften die Mehrheit innerhalb der Liturgica bilden, denn der Psalter war das mittelalterliche Gebetsbuch schlechthin und dementsprechend stark verbreitet. Zu den oben erwähnten Hauptaufgaben eines Bibliothekars gehörte die Bücherbeschaffung. Unter den aufgezählten Möglichkeiten war die Herstellung von benötigten Handschriften durch professionelle Schreiber offensichtlich die wichtigste und entsprechend aufwändig. Dies erschliesst sich aus dem Umstand, dass nach Humbertus de Romanis einem Konventsmitglied die Aufgabe übertragen werden soll, die Anfertigung von Textabschriften zu organisieren und zu überwachen. Er beschreibt das Amt im mit «De officio gerentis curam scriptorium» betitelten Abschnitt wie folgt: Der Schriftenmeister hat die Entscheidungsbefugnis über Kopieraufträge. Ihm obliegt die Prüfung der Textabschriften auf Korrektheit und Vollständigkeit. Bei der Wahl der Berufsschreiber soll er auf deren sittliche Unbescholtenheit besonders achten.83 Falls Schreiber sich zeitweilig für ihre Arbeit im Konvent aufhalten 81 82 83
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Humbertus de Romanis 1888/1889, Vol. II, S. 266. Humbertus de Romanis 1888/1889, Vol. II, S. 265. Frauen oder Schwestern waren gemäss Generalkapitelsakten nicht als Auftragnehmerinnen zugelassen:
müssen, solle er dafür besorgt sein, dass sie den Klosterbetrieb nicht stören. Für Besuche bei den Schreibern muss eine Bewilligung eingeholt werden. 84 Eine weitere wichtige Aufgabe des Schriftenmeisters bestand – als Auftraggeber – darin, für eine ordensgemässe Buchausstattung zu sorgen: «Debet autem opponere curam quod omnia quae facit scribi plus sint de legibili littera et durabili, quam formata multum vel pretiosa, et maxime circa conventus libros vel scripta.»85 Eine übertriebene Bibliophilie war im Orden allgemein verpönt: «...nec littere auree in libris nostris...».86 Auch Humbertus de Romanis spricht sich dagegen aus. In seinem Kommentar zur Regel des hl. Augustinus schreibt er ausführlich, wann bei Büchern Tadel angezeigt sei: «Circa secundum notandum quod circa libros est reprehensibilis nimia pretiositas, et maxime in libris religiosorum, qui in omnibus maxime debent praetendere paupertatem... Item pulchritudo: Pulchritudo enim est puerile quid, quia pueri delectantur in litteris floridis et vaire depictis, et hujusmodi pulchritudinem praeferentibus... Item illegibilitas. Sunt enim aliqui qui faciunt fieri scripta de tali littera quod post modicum tempus, visu debilitato, vix est eis legibilis vel aliis...».87 Zu den liturgischen Handschriften, die innerhalb der «Zürcher Gruppe den umfangreicheren Teil bilden, meint er an anderer Stelle: «... quod libri sint de littera et nota bene legibili, et diligenter correcti et punctati...»88 Humbertus de Romanis hatte klare Vorstellungen von einer Dominikanerbibliothek und einem -skriptorium: Beide hatten stets im Dienst der Wissensaneignung und Ausbildung zu stehen. Weitere wesentliche charakteristische Züge waren die klar strukturierte Bibliotheksorganisation, die dem Nutzen und der guten Lesbarkeit sich unterordnende Buchausstattung und die Bevorzugung von professionellen Schreibern anstelle der konventsinternen Kopiertätigkeit, denn die Brüder sollten sich auf das Studium als ihre wesentliche Aufgabe konzentrieren und ihre Zeit nicht mit Abschreiben verschwenden.89 Dies bedeutete eine klare Abkehr von der Tradition der Mönchsbibliothek. Es ist nicht davon auszugehen, dass seine Vorstellungen und Vorschriften bis ins Detail befolgt und in die Realität umgesetzt wurden, die
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«Fratres non faciant sibi scribi psalteria vel alia scripta per moniales. Vel alias mulieres.» Monumenta OP, S. 47, Generalkapitel von 1249. Humbertus de Romanis 1888/1889, Vol. II, S. 267. – Dazu auch Akten des Generalkapitels in Paris von 1279: «Priores et eorum vicarii non se reddant faciles ad dandas licencias fratribus visitandis suis scriptoribus. Nisi iidem scriptores essent laudabilis conversacionis et fame.» Monumenta OP, S. 203. Humbertus de Romanis 1888/1889, Vol. II, S. 267. Monumenta OP, S. 11, Generalkapitel von 1239 in Paris. Humbertus de Romanis 1888/1889, Vol. I, S. 448–449. Humbertus de Romanis 1888/1889, Bd. II, S. 159. Monumenta OP, S. 65.
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wesentlichen Punkte dürften befolgt worden sein, und sein Einfluss auf das dominikanische Buchwesen war prägend.90
3.6 Zur rolle der Zürcher Dominikaner bei der Buchproduktion Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Dominikanerkonvent durchaus als Hauptauftraggeber der rekonstruierten «Zürcher Gruppe», die sich durch einen einheitlichen Buchschmuck über eine Zeitspanne von gut fünfzig Jahren auszeichnet, in Frage kommt. Als bedeutendes Studienzentrum mit einem grossen intellektuellen Potenzial hat der Konvent das geistige Leben Zürichs stark belebt und scheint in der Produktion von volksprachiger Literatur eine Pionierstellung eingenommen zu haben.91 Der Konvent verfügte – beispielsweise in der Person des Hugo Ripelin – über das nötige Know-how in der Buchkonzeption, war in der Lage die nötigen Vorlagen zu beschaffen, die Kopierarbeiten im Sinne Humbertus de Romanis zu überwachen und gut zu heissen. Die dominikanischen Frauenkonvente Zürichs waren in der fraglichen Periode (nach 1254 bis ca. 1310) daran, sich zu etablieren. Sie dürften deshalb nur bedingt als Auftraggeberinnen dieser Codices aufgetreten sein. Die Heterogenität der gesamten Auftraggeberschaft, die Einheitlichkeit des Buchschmucks und die gelegentliche Verwendung von Malanweisungen sind ein klarer Hinweis auf das Engagement von professionellen Schreibern, Floratoren und Buchmalern. Der entscheidende Impuls zur Beschäftigung von professionellen Buchherstellern dürfte entsprechend der von Humbertus de Romanis wesentlich geprägten Vorschriften zur dominikanischen Buchproduktion vom Zürcher Konvent gekommen sein. Die Dominikaner hatten – wie unter 3.5. ausgeführt – bedingt durch das Studienwesen einen grossen Bedarf an Verwaltungsschriften, liturgischen Büchern und Literatur für Bibliothek und Studierende zu decken. Sie trugen damit zur Einführung neuer, sich am Betrieb in den Universitätsstädten orientierender Methoden bei. Für die Studienliteratur begnügten sich die Brüder mit der in den Universitätsschriften üblichen Fleuronnée-Initiale als einfachem Textgliederungselement (Karlsruhe, Cod. U.H. 14; Stuttgart, HB XIV 23). Die über fünfzig Jahre in Zürich tätigen Floratoren pflegten ein relativ einheitliches, sich im Lauf der Zeit nur an neueren stilistischen Strömungen anpassendes Formenrepertoire. Zum Teil kamen dazu – in deutlicher Übergehung des Verbots von Goldinitialen – Deckfarbeninitialen mit Blattgold in durchweg einfachen ornamentalen Formen ohne figürliche Elemente (Stuttgart, HB VI 64; Zürich, Car. C 33 und Car. C 2). Nur in den Pracht90 91
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Visitatoren wurden zu Korrekturen angehalten: «Curiositas... in libris ... severius corrigantur.» Monumenta OP, S. 130. Wehrli-Johns 1999 bis, S. 472–473.
handschriften wie Antiphonarien, Gradualien und Psalterien sowie in der von Laien bestellten Manessischen Liederhandschrift kommen historisierte Initialen und Miniaturen mit grösserer stilistischer Vielfalt vor. Die heterogen zusammengesetzte Auftraggeberschaft der «Zürcher Gruppe» widerspiegelt die Verflechtung der kulturtragenden Schicht Zürichs: Beispielsweise pflegte der Dominikanerprior Hugo Ripelin einen regen Austausch mit Konrad von Mure, dem Kantor und Leiter der Stiftsschule am Grossmünster, wie aus dem Prolog der von Konrad um 1255–1260 verfassten Sakramentslehre hervorgeht.92 Cäcilia von Homberg, Priorin von Oetenbach, entstammte dem Hochadel und dürfte – wie ihr Bruder Graf Wernher von Homberg – zu jenem Personenkreis gehört haben, der am Entstehungsprozess der Manessischen Liederhandschrift beteiligt war.93 In diesen Prozess war – wie unter 3.4.1. ausgeführt – auch der Dominikaner Eberhard von Sax involviert. Die von den Dominikanern initierten Innovationen in der Buchherstellung gingen einher mit bemerkenswerten baulichen Leistungen: Der Bau einer Tonrohrwasserleitung vom Zürichberg in den Kreuzgang des Klosters um die Mitte des 13. Jahrhunderts und der gotische Langchor der Dominikanerkirche, der hierzulande als eines der bedeutendsten Bauwerke dieser Periode gilt, manifestieren das grosse Selbstbewusstsein der Dominikaner, ihre klare Positionierung in der städtischen Kultur wie auch in den Bereichen Bildung, Studium und Wissenschaft.94 Die politischen Folgen der Brun’schen Revolution von 1336 dürften nicht nur beim Chorneubau der Dominikanerkirche zu einem Unterbruch geführt haben, sondern auch bei der Buchproduktion.95
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Wehrli-Johns 1999 bis, S. 486, 472. Wehrli-Johns 1999 ter, S. 1022. Zur Tonrohr-Wasserleitung Wild 1999, S. 244–265. – Zum gotischen Chor: Wild 1999, S. 100–123. Wehrli-Johns 1999 bis, S. 470, 475.
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4. eine Handschriftengruppe aus St. Katharinental Im Zentrum dieses Kapitels stehen vier der insgesamt sieben liturgischen Codices, die 1850 als Folge der Säkularisierung verkauft wurden, nach einem Zwischenhalt in Paris in die Vatikanische Bibliothek gelangten, sowie das Nürnberger und das St. Katharinentaler Graduale und auch die aus elf Fragmenten rekonstruierte Antiphonarhandschrift. Ihre Beziehung zum Dominikanerinnenkloster St. Katharinental und die engeren wie loseren Verbindungen untereinander werden aufgezeigt und schliesslich das dichte Beziehungsgeflecht in einem Stemma dargestellt. Den Schluss bildet die Diskussion über den Skriptoriumsbetrieb in St. Katharinental und über den möglichen Entstehungsort der Handschriftengruppe.
4.1 Das graduale Vat. lat. 10773 Die älteste und möglicherweise aus Strassburg nach St. Katharinental importierte Handschrift stellt das Graduale Cod. Vat. lat. 10773 in der Biblioteca Apostolica Vaticana dar (Kat.-Nr. 1).1 Mit dem Motiv der Gekrönten Maria beim Weihnachtsbild weist sie eine ikonographische Gemeinsamkeit mit dem St. Katharinentaler Graduale auf. Der Codex dürfte spätestens seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in St. Katharinental verwendet worden sein, wie drei Randzeichnungen mit Johannes dem Evangelisten nahelegen: In der einen Darstellung kniet die mit «S. M. Pfefferhartin» bezeichnete Dominikanerin vor ihm (fol. 106r). Sie könnte mit der im Totenrodel von St. Katharinental in Kolonne IX, Position 43 aufgeführten Margaretha Pfefferhartin identisch sein.2 Nach A. Müller haben die in der Spalte IX aufgeführten Schwestern, wo auch Margaretha Pfefferhartin eingetragen ist, in den Jahren 1300 bis 1350 gelebt.3 Die Konstanzer Patrizierfamilie Pfefferhartin gehörte dem Ratsbürgertum an.4 In St. Katharinental lebten weitere weibliche Mitglieder dieser Familie: Adelheid ist im Totenrodel in Kolonne VIII, Position 36 aufgeführt,5 und ihre Vita ist im «Schwesternbuch» überliefert.6 Elsbeth figuriert im Totenrodel in 1
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Bannister 1913. – Borino 1947, S. 228–232. – Salmon 1968/1969, Bd. 2, S. 204. – Dirks 1979. – Ladner 1983, S. 297, Anm. 18. – Knoepfli 1989, S. 181. – Kessler 1991, vor allem S. 67–70 und 117–126. Henggeler 1932, S. 166. Müller 1971, S. 28. Borst 1978, S. 289. Henggeler 1932, S. 165. Meyer 1995, S. 150–154, Kommentar S. 295.
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Kolonne XI, Position 33.7 Welche Art von Beziehung die Familie Pfefferhard zum Kloster St. Katharinental unterhielt, ist unklar. In anderen Dominikanerinnenklöstern des Bodenseeraumes sind – soweit ich die Quellen überblicke – für diesen Zeitraum keine Schwestern mit diesem Namen belegt. Zwei weitere Randzeichnungen von derselben Hand zeigen Johannes den Evangelisten ohne Begleitung. Sie weisen auf ein Kloster hin, das seinen Kult besonders gepflegt hat. Ein Hinweis auf die ursprüngliche Bestimmung der Handschrift könnte der Manuskripteintrag «Beatissima Katherina» (fol. 133v) darstellen, denn anstelle der üblicherweise verwendeten Positiv-Form sanctus resp. sancta wurde hier bewusst der Superlativ eingesetzt. Demnach ist anzunehmen, dass die Handschrift für ein Dominikanerinnenkloster mit der hl. Katharina als Patronin hergestellt wurde. Wie die Inhaltsanalyse zeigt, muss die Handschrift um 1234 entstanden sein (s. Kat.-Nr. 1 unter Forschungsstand und Kommentar). Unter Berücksichtigung der genannten Prämissen käme nur das 1230 gegründete St. Katharinenkloster in Strassburg als Bestimmungsort in Frage.8 Denkbar wäre, dass das Kloster St. Katharinental zu seiner Gründung im Jahre 1242 eine neue, zeitgemässe Gradualhandschrift und weitere für den Klosterbetrieb unabdingbare Schriften vom Strassburger Dominikanerkloster St. Markus bezogen hätte, wie dies für die Konstitutionen belegt ist.9
4.2 Zum nürnberger graduale Nach dem Blick auf ein um 1250 geschaffenes Werk wenden wir uns einer Handschrift zu, die gegen Ende des 13. Jahrhunderts angefertigt wurde: dem für die hochrheinische Buchmalerei sehr bedeutenden Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18). Dem jüngeren St. Katharinentaler Graduale (Kat.-Nr. 34) diente es sowohl für den Text als auch für die Ikonographie als Vorlage (s. unten). In hohem Masse stilprägende Wirkung übte es auf die beiden Vatikanischen Codices 10771 und 10772 (Kat.Nr. 19, 20) aus, so dass diese als Tochterhandschriften bezeichnet werden können (s. unten). Das Nürnberger Graduale gehört neben dem St. Katharinentaler Graduale zu den Ahnen der zwei anderen hochrheinischen Prunkhandschriften: die Manessische Liederhandschrift und dem Codex 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen (Kat.-Nr. 25, 29). Der Grundstockmaler des Codex Manesse hat von der Nürnberger Handschrift die Eleganz der Figuren sowie das Verhältnis von Körper und Gewand übernom7 8 9
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Henggeler 1932, S. 167. Barth 1960, Sp. 1373–1375. – Histoire de Strassbourg 1981, S. 67–68. – Scheeben 1961, S. 39–40. Barth 1932, zu St. Katharinental S. 100. – Sack 1975, zu St. Katharinental u. a. S. 50, 140 Anm. 103, 147.
men.10 Für den ersten Nachtrag gehörte sie, nebst Strickers Vita Karls des Grossen in St. Gallen, zu den Grundlagen.11 Zur Handschrift 302 der Vadianischen Sammlung steht das Graduale nach E. J. Beer lediglich in einer lockeren Beziehung. L. E. Saurma-Jeltsch meint, dass die Weltchronik die Richtung des Nürnberger Graduale fortsetze und dessen Auseinandersetzung mit Werken aus dem französisch-flandrischen Raum aufnehme.12 Auf diese Auseinandersetzung und die stilistische Einordnung wird in Kapitel 6 eingegangen. 4.2.1 Das nürnberger graduale und seine Beziehung zu den Codd. 10771/10772 Das Graduale in Nürnberg, Hs. 21897, enthält einige ornamentale Deckfarbeninitialen mit naturnahem Blattwerk, wie Ahorn und Eichenlaub, kombiniert mit zoomorphen Elementen und geometrischen Motiven auf den Buchstabenkörpern (z. B. foll. 3v, 19v, 111r). Sie sind mit denjenigen in den Codices 10771 und 10772 sehr nahe verwandt.13 In allen drei Handschriften trifft man auf unziale und kapitale Initialformen. Im Detail betrachtet, sind die Hasten an ihren Enden fast immer verbreitert, die Rundungen weisen Schwellungen auf, und die Enden sind oftmals spiralig eingerollt. Das ornamentale Repertoire des Nürnberger Graduale ist nicht so einheitlich wie jenes der Vatikanischen Codices 10771 und 10772. Neben den zoomorphen und geometrischen Ornamenten sowie dem charakteristischen naturnahen Blattwerk sind auch noch romanische Ornamente zu vermerken. Der Figurenstil des Graduale in Nürnberg (Hs. 21897) und der Antiphonarhandschrift Vat. lat. 10771 ist frappant ähnlich. Bei den Figuren handelt es sich um schlanke, feingliedrige, eher überlängte Gestalten, deren Körper manchmal S-förmig geschwungen sind. Sie weisen eine höfische Eleganz und Anmut auf. Die enganliegenden Gewänder lassen den Figurenkörper gut zur Geltung kommen. An den Gewandsäumen der Nürnberger Figuren sind noch wenige zackige Elemente vorhanden, die in der Vergleichshandschrift ganz verschwunden sind. Die relativ kleinen 10 11 12 13
Saurma-Jeltsch 1988, S. 311. Saurma-Jeltsch 1988, S. 314. Saurma-Jeltsch 1988, S. 340. Naturalistisches Blattwerk findet man in der Hochgotik in allen Kunstgattungen. Ein Vergleichsbeispiel aus der Glasmalerei stellen die Fenster in Münchenbuchsee dar (s. Beer 1956, Tafel 65). Für die Goldschmiedekunst seien hier stellvertretend zwei Beispiele genannt: In der Werkstatt des Meisters Johannes in Freiburg i.Br. wurde um 1280 das Kreuz hergestellt, das sich in Frauenfeld befindet (s. Heuser 1974, WK 14, S. 131f, Abb. 128–137). Ein Vortragekreuz, das heute im Badischen Landesmuseum in Karlsruhe aufbewahrt wird, wurde um 1290 in Freiburg i.Br. geschaffen (s. Heuser 1974, WK 29, S. 137f, Abb. 174–178).
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Köpfe, im Cod. Vat. lat. 10771 etwas grösser, mit einer mächtigen, meist lockigen Haartracht zeichnen sich durch die feinen, klar geschnittenen Gesichtszüge aus. Die Augenbrauenlinie in schwarzer Tinte unterstreicht mit schönem Schwung die mandelförmigen, seitlich nicht ganz geschlossenen Augen. Die Nasenlinie schliesst mit roter Tinte bei der Augenbraue an und gibt der Nase zusammen mit der Schattierung und den Nasenflügeln in schwarzer Tinte ihre unauffällige Form. Der Mund wird durch zwei rote Linien angedeutet, wobei die obere zusätzlich mittels schwarzen Punkten begrenzt wird. In der Farbgebung differieren die beiden Manuskripte. Der Maler der Nürnberger Handschrift arbeitete mit einer breiteren Farbpalette und spielte mit den verschiedenen Helligkeitsstufen der Farben. Im Unterschied zu Vat. lat. 10771 wurde Dunkelblau weniger häufig verwendet, dafür wird Beige (fol. 160v) sowie Graublau (fol. 204r) öfters und auch grossflächiger eingesetzt. Unterschiede sind auch in der Gestaltung des Inkarnats zu vermerken: Während dafür bei den Figuren von Vat. lat. 10771 fast reines Weiss eingesetzt wurde, wurde in der Nürnberger Handschrift ein ganz helles Beige mit Rosa und Grau verwendet. Sämtliche figürlichen Initialen beider Handschriften sind mit Goldgrund ausgestattet. Die Figuren der Nürnberger Handschrift erhalten in einigen Beispielen eine Standfläche in Form von Rautenmuster mit Punkt (fol. 114r) oder eine Art Podest mit verschiedenförmigen Öffnungen (z. B. foll. 160v, 168v, 204r, 219v). Der Buchstabenkörper übernimmt eine architektonische Funktion, und in einigen Fällen kommen noch architektonische Versatzstücke hinzu (Kat.-Nr. 19, foll. 114r, 219v, 249v; Kat.-Nr. 20, fol. 200v). In der Nürnberger Handschrift weisen die Initialen ausser in zwei Fällen immer Ausläufer und zwar sehr ausgedehnte aus. Teilweise sogar solche, die rechteckig umbrechen und so nicht nur den Binnen- oder Aussensteg, sondern auch den Kopfsteg besetzen (z. B. foll. 177r, 194r, 219v). Im Codex Vat. lat. 10771 sind die Hälfte der Initialen mit Ausläufern versehen, sie sind jedoch längst nicht so ausgedehnt. Das Layout wirkt ruhiger. Das Fehlen von Medailloninitialen in den Vatikanischen Manuskripte (Cod. Vat. lat. 10771 und 10772) mag daran liegen, dass überhaupt keine I-Initiale als Miniatur ausgestaltet wurde.14 Zudem ist der französische Einfluss bestimmt nicht mehr so stark wie in der Nürnberger Handschrift. Die bisher beschriebene Beziehung zwischen dem Graduale in Nürnberg und dem zweibändigen Antiphonar in Rom, insbesondere die zeitliche Abfolge, wird nochmals deutlich, wenn wir die Miniatur auf fol. 248 betrachten (Kat.-Nr. 18 b). Sie wurde aus dem Nürnberger Graduale ausgeschnitten und zu recht als Nachtrag 14
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Ausführlich zur Medailloninitiale: Beer 1983, S. 185–187.
beschrieben. Sie erweist sich als Werk des Malers, der die figürlichen Miniaturen im Antiphonar (Cod. Vat. lat. 10771, Kat.-Nr. 19) geschaffen hat. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass im Nürnberger Graduale die französischen Quellen in der stilistischen Ausprägung der Deckfarbeninitialen noch stärker zum Ausdruck kommen. Die Figuren im Codex Vat. lat. 10771 tragen enganliegendere Gewänder, an deren Säumen keine zackigen Elemente mehr zu bemerken sind. Zudem haben sie einen höheren Grad an Vergeistigung erreicht. Letzteres ist vor allem auf die Wirkung des weissen Inkarnats zurückzuführen. Diese relativ geringen Unterschiede stehen aber der engen Verwandtschaft nicht im Wege. In den Codices 10771 und 10772 sind uns wohl die unmittelbaren Nachfolger des Graduale in Nürnberg erhalten geblieben.
4.3 Zum St. Katharinentaler graduale Die Bedeutung dieser Cimelie war offensichtlich schon dem wohl ersten Nachbesitzer der Handschrift, Franz Joseph Aloys Castell, bewusst, denn er veranschlagte den Preis auf 200 fl.15 und bemerkte «dieses buch ist Alt 511. Jahre + enthelt 71. St.: der schoensten Gemelte».16 Als die Handschrift 1958 bei Sotheby in London zur Versteigerung kam, wurden in kurzer Zeit die nötigen Geldmittel von der GottfriedKeller-Stiftung, dem Schweizerischen Landesmuseum und dem Kanton Thurgau zur Verfügung gestellt, um das Werk anfangs Dezember 1958 ersteigern zu können. Schon beim Erwerb wurde klar, dass die wertvolle Handschrift faksimiliert werden sollte, um das Original zu schonen. Beim zweiten Anlauf gelang dieses Vorhaben: Anstelle eines Teil-Faksimile konnte ein Voll-Faksimile realisiert werden, das 1979 erschienen ist.17 Ihm folgte 1983 der Kommentarband mit Beiträgen von ausgewiesenen Fachleuten. Darin wird die Handschrift ausführlich beschrieben, eingeordnet und gewürdigt, wie dies Hans Wentzel schon 1953 gefordert hatte: «Meines Wissens ist dieser Kodex bisher nie von der Schweizer kunsthistorischen Literatur behandelt oder auch nur genannt worden. Dabei ist er ein Meisterwerk – ja er ist wohl die schlechthin bedeutendste Buchmalerei dieser Zeit aus der deutschen Schweiz. Er müsste sich in Zukunft mit der Manesse-Handschrift und der St.-Galler-Weltchronik zu einem Dreigestirn der gotischen Buchmalerei der Zeit um 1300 aus der Schweiz vereinen!»18 Meine Arbeit baut auf dem erwähnten Kommentarband auf, und im Katalogtext werden die wichtigsten Ergebnisse zusammengefasst (Kat.-Nr. 34). Auf die seither 15 16 17 18
Wüthrich 1983, S. 83. Zitiert nach Wüthrich 1983, S. 81. Wüthrich 1983, S. 88–91. Zur Faksimile-Ausgabe die Rezension von Schmidt 1983, S. 436–437. Wentzel 1953, S. 177.
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erschienenen Beiträge zur Ikonographie und im Speziellen zu den sogenannten Stifterdarstellungen wird in den nachfolgenden Kapiteln eingegangen. Hier soll versucht werden, das dichte Beziehungsgeflecht, in das die Cimelie eingebunden ist, zu beschreiben. 4.3.1 Das nürnberger graduale und das St. Katharinentaler graduale Im Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe des Graduale von St. Katharinental arbeiteten E. J. Beer und P. Ladner die engen Beziehungen in Bezug auf Ikonographie und Text zwischen dieser Handschrift und derjenigen in Nürnberg heraus, wie sie bereits ansatzweise von B. Hellwig beschrieben worden waren. Aufgrund der als Verweiszahlen übernommenen Foliierung, der Abschreibefehler und der paläographischen Untersuchung konnte P. Ladner das Abhängigkeitsverhältnis dieser beiden Handschriften klar und überzeugend definieren.19 Auf der Basis von detaillierten Beschreibungen der Deckfarbeninitialen wies E. J. Beer nach, dass die Nürnberger Handschrift, neben anderen Quellen und selbständigen Bildschöpfungen, hinsichtlich der Ikonographie Vorlagefunktion inne hatte (s. Tabelle). Sie betonte jedoch mit Nachdruck, dass sich die Verwandtschaft auf den Text und die Ikonographie beschränke,20 worin ihr L.E. Saurma-Jeltsch zustimmte.21 Die von B. Hellwig erwogene Entstehung im selben Skriptorium sei wegen der unterschiedlichen Stilsprache abzulehnen.22 Zusammenstellung der Bildthemen des Nürnberger Graduale, die für das St. Katharinentaler Graduale vorbildlich waren: Bildthema Johannes betet am Altar Thronender Johannes Darbringung Christi im Tempel Verkündigung der Geburt des Johannes an Zacharias Geburt Johannes des Täufers Vita Johannes des Täufers
19 20 21 22
58
Ladner 1983, S. 297. Beer 1983, S. 185. Saurma-Jeltsch 1988, S. 335. Hellwig, Manuskript.
nürnberger graduale (Kat.-nr. 18, 18 a und b) fol. 219v, zur Johannessequenz
St. Katharinentaler graduale (Kat.-nr. 34) fol. 159r, Nr. 15, zur Johannesequenz fol. 146r, Introitus zum fol. 160r, Nr. 30, zur Johannesfest1 Johannessequenz fol. 151v, Introitus zum Fest fol. 166v, Nr. 43, Introitus zum Mariae Lichtmess Fest Mariae Lichtmess fol. 160v, Introitus zur Vigil des fol. 177v, Nr. 48, Introitus zur ViJohannesfestes gil des Johannesfestes fol. 161v, Introitus zum Fest fol. 178v, Nr. 50, Introitus zum Johannes des Täufers Fest Johannes des Täufers fol. 249v, Sequenz zum Fest fol. 190r, Nr. 60, Introitus z. Fest Johannes des T. der Enthauptung Johannes des T.
Bildthema Entrückung des hl. Dominikus Johannes d. T. huldigt dem Jesusknaben Petrus und Paulus 1
nürnberger graduale (Kat.-nr. 18, 18 a und b) fol. 236v, Sequenz zum Dominikusfest fol. 248r (Kat.-Nr. 18 b) Sequenz Geburt Johannes d. T. fol. 177v, Introitus zum Fest der Apostel
St. Katharinentaler graduale (Kat.-nr. 34) fol. 261v, Nr. 68, Sequenz zum Dominikusfest fol. 264v, Nr. 70, Sequenz zur Geburt Johannes d. T. fol. 291r, Nr. 71, Sequenz zum Fest der hll. Petrus und Paulus
Beer 1983, S. 134, Anm. 102, interpretiert die Darstellung als thronender Christus mit Geisttaube. M. E. ist sie aufgrund der Darlegungen von M. Wehrli-Johns 1995 und der Kenntnis des Fragmentes im Musée Marmottan in Paris (Kat.-Nr. 22 d) als der an der Brust Christi trinkende Adler zu deuten.
Aus dieser Zusammenstellung wird ersichtlich, dass im Nürnberger Graduale bereits die Grundlagen für die ausführlichen Bildzyklen zu den Messgesängen der beiden Johannes im St. Katharinentaler Graduale vorhanden waren. Es wird zudem deutlich, dass diese Bildthemen beide Handschriften prägen. Schliesslich sei im Folgenden auch noch auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Gesängen der beiden Handschriften hingewiesen, die M. Lütolf im Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe des St. Katharinentaler Graduale beschrieb.23 Diese beziehen sich vor allem auf das Sequentiar. Beide Gradualien enthalten ein im Vergleich zum dominikanischen Standartrepertoire, das auf Humbertus de Romanis zurückgeht und 27 Sequenzen umfasst, ein erweitertes und in der Reihenfolge abweichendes Sequentiar.24 Jenes des Nürnberger umfasst 38 Sequenzen und jenes des St. Katharinentaler wurde noch einmal beträchtlich erweitert auf 47 Sequenzen. In der Reihenfolge jedoch unterscheiden sich die beiden Sequentiare.25 In beiden Handschriften tritt die Johannessequenz an bevorzugter Stelle auf: Im Nürnberger Graduale wird das Sequentiar damit eröffnet, und im St. Katharinentaler Graduale ist sie ins Messformular integriert.26 In beiden Sequentiaren wird eine sich durch ihren ornamentalen Charakter auszeichnende Melodie für zwei Sequenzen verwendet. Sie begleitet sowohl die Mariensequenz «Tibi cordis in altari» (fol. 264v resp. 297r) als auch den seltenen Text «Nicolaum harmonie» zum Fest des hl. Nikolaus, dem einen Klosterpatron von St. Katharinental (fol. 244r resp. 293r).27 Beiden ist zudem die Sequenz «O crux ave fructus celi» (fol. 251v resp. 295v) gemeinsam, die
23 24 25 26 27
Lütolf 1983. Lütolf 1983, S. 259 weist darauf hin, dass Dominikanerhandschriften der Universitätsbibliothek Freiburg i. Br. die Humbertsche Reihenfolge übernehmen. Lütolf 1983, Tabellen S. 259, 261. Lütolf 1983, S. 263. Lütolf 1983, S. 260–261. In deutscher Übersetzung im Anschluss an den Beitrag von Lütolf.
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weder in der AH noch im RH verzeichnet ist.28 Die Sequenz «Jesu Christe dei filii» (fol. 303r) konnte bisher nur im jüngeren St. Katharinentaler Graduale nachgewiesen werden.29 M. Lütolf hält am Schluss seines Beitrages fest: «Indes steht schon jetzt fest, dass die Dominikanerinnen von St. Katharinenthal nicht nur ältere und verbreitete Sequenzen in ihr Repertoire aufgenommen, sondern sich auch um neue und weniger bekannte Stücke bemüht haben.»30 Somit zeichnen sich nicht nur die Ikonographie, sondern auch die Gesänge des Graduale aus St. Katharinental durch Eigenheiten aus, die teilweise bereits im Nürnberger Graduale zu bemerken sind.
4.4 Die Drei Antiphonarien (Vat. lat. 10770, 10771, 10772) 4.4.1 Die archivalischen Belege im Codex Vat. lat. 10772 Bei den archivalischen Belegen für eine Heimweisung des Codex Vat. lat. 10772 nach St. Katharinental handelt es sich um mittelhochdeutsche Fassungen zweier lateinischer Urkunden.31 Der Schluss der zweiten Urkunde fehlt.32 Die lateinische Vorlage des ersten Dokumentes konnte bisher nicht identifiziert werden. Es ist nicht datiert. Die urkundende Priorin ist als M bezeichnet, und die Zeugen sind nicht namentlich aufgezählt. Es wird darin die Jahrzeitstiftung des Burkhard von Tannheim und dessen Frau Lugardis festgehalten.33 Sie haben für das Kloster ein Gut im Wert von 30 Mark Silber gekauft. Dafür soll ihrer beider Jahrzeit jeweils am Tag nach jenem des hl. Gallus begangen werden. In der Gründungsgeschichte ist die Jahrzeitstiftung erwähnt.34 Bisher gab es dafür jedoch keinen urkundlichen Beleg. Als solchen – wenn auch nur indirekten – dürfte das Dokument angesprochen werden. Das zweite Dokument stellt eine mittelhochdeutsche Fassung einer Urkunde vom 19.3.1264 dar, wie Knoepfli festgestellt hat.35 Es hat eine weitere Stiftung des Burk-hard von Tannheim und dessen Frau Lugardis zum Gegenstand. Sie haben für das Diessenhofener Kloster das Gut Grossholz im Wert von 84 Mark Silber gekauft. Die jährlichen Zinsen von 4 Mark Silber sollen für die Krankenfürsorge verwendet werden. Es siegeln der 28 29 30 31 32 33 34 35
60
Lütolf 1983, S. 264. Siehe auch Ladner 1983, S. 321. In deutscher Übersetzung im Anschluss an den Beitrag von Lütolf. Lütolf 1983, S. 264. Siehe auch Ladner 1983, S. 321. In deutscher Übersetzung im Anschluss an den Beitrag von Lütolf. Lütolf 1983, S. 264. Transkription S. Anhang 3. Knoepfli 1989, S. 179, wies auf die Identität mit TUB, Bd. 3, Nr. 475 hin; er schien nicht bemerkt zu haben, dass der Schluss der zweiten fehlt. Tannheim ist ein südlich von Villingen gelegenes Dorf. Meyer 1995, S. 146. Knoepfli 1989, S. 179. TUB III, S. 274–275 Nr. 475.
Prior des Konstanzer Dominikanerklosters, der Provincial der Ordensprovinz Teutonia, der Konvent der Schwestern von Diessenhofen und Burkhard von Tannheim. Letzterer stammte aus Villingen und unterstützte das Kloster in bedeutendem Masse. Wie in der Gründungsgeschichte berichtet wird, soll er mit seiner Frau nach Diessenhofen gekommen sein.36 Das hier von ihm erstellte und bewohnte Haus diente später den Seelsorgern und vornehmen Gästen des Dominikanerklosters als Unterkunft.37 Weiter heisst es, er habe einen Brunnen graben und das Wasser in den Konvent leiten lassen. Fünf seiner Töchter sollen ins Kloster eingetreten sein. Sieben Schwestern mit dem Namen Tannheim sind denn auch im Totenrodel aufgeführt.38 Die in der Berliner Handschrift (14. Jahrhundert) überlieferte Gründungsgeschichte nennt Burkhard von Tannheim als Stifter des Petrus-und-Paulus-Fensters.39 Der gleichnamige Sohn Burkhards von Tannheim, Leutpriester in Freiburg i. Br., schenkte seinen vier Schwestern sowie seinen Nichten, allesamt Klosterfrauen in St. Katharinental, und dem dortigen Konvent seinen Garten und seine Wiese in Villingen. Als Gegenleistung sollte ihm und seinen Eltern zu Ehren eine Jahrzeit gefeiert werden, was in einer Urkunde vom 7. März 1313 festgehalten ist.40 Kehren wir nun zum Interpretationsversuch der Dokumente im Codex Vat. lat. 10772 zurück. Burkhard von Tannheim ist in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts mehrmals als massgeblicher Förderer des Klosters St. Katharinental belegt. Aus der mit 1313 datierten Urkunde, welche die Jahrzeitstiftung seines Sohnes festhält, erfahren wir, dass Burkhard der Ältere und dessen Frau verstorben sind. Als Abfassungszeit für die lateinischen Vorlagen ist folglich die Zeitspanne zwischen 1250 und 1313 anzunehmen. Mit der im ersten Dokument genannten Priorin M könnte Mechthild Kloter gemeint sein. Sie hat das Priorinnenamt in den Jahren 1260–1280 innegehabt.41 Die lateinische Vorlage des zweiten Dokumentes ist identifiziert und 36 37 38
39
40 41
Meyer 1995, S. 146, Kommentar S. 286–287. Er tritt in einer St. Katharinentaler Urkunde von 1258 als Zeuge auf. TUB III, S. 274, Anm. 1. Knoepfli 1989, S. 115, 154 um 1260–1270 gestiftet. Henggeler 1932, S. 162 Kolonne III, Position 38 Eufemia, S. 164 Kolonne VII, Position 25 Irmi, Position 40 Adelheid, Position 47 Lucia, Kolonne VIII, Position 6 Lugi, S. 165 Kolonne IX, Position 6 Elisabeth, S. 166 Kolonne X, Position 44 Lugart. Meyer 1995, S. 146. Nach Knoepfli 1989, S. 26 und insbesondere S. 220. Von den Abschriften der Gründungsgeschichte aus dem 18. Jahrhundert nennt die Fassung B Konrad von Salenstein als Stifter der Fenster der Apostelfürsten. Die Abschriften werden im StAF unter der Signatur 7.44.9 A–D aufbewahrt. TUB, Bd. IV, S. 271–273 Nr. 1169. Seine Schwestern sind namentlich aufgeführt: Lucie, Adelhait, Irmengart und Lutgart. Vgl. Anm. 17. Meyer 1995, S. 145 erwähnt in der Gründungsgeschichte, S. 282 Kommentar mit Lebensdaten. Eugster nennt in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vier Priorinnen mit dem Namen Mechthild. Mechthild Kloter, auch von Kloten, wäre, seiner Darstellung nach, 1261 verstorben (Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 820–821). Die Interpretation Knoepflis (Knoepfli
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wurde 1264 geschrieben (s. oben). Daraus kann immerhin gefolgert werden, dass die mittelhochdeutschen Fassungen nach 1264 – jedoch vor 1313 – angefertigt wurden. Da sich die beiden Dokumente in der ersten Lage befinden, belegen sie nur, dass die Handschrift ab einem gewissen Zeitpunkt in St. Katharinental aufbewahrt wurde.42 Deshalb ist es von grossem Interesse, den Zeitpunkt des Einbindens der Dokumente zu bestimmen. Dazu soll zuerst die Lage und deren Inhalt genauer betrachtet werden. Bei dieser 1. Lage handelt es sich um ein Binio, dessen erstes Blatt am Buchdeckel klebt. Vom zweiten Doppelblatt fehlt die zweite Hälfte (s. Skizze Anhang 4). Die erste Hälfte trägt die Nummer 1 und enthält auf fol. 1r drei Antiphone zum Fest des hl. Petrus Martyr. Es folgen auf fol. 1v die beiden mittelhochdeutschen Dokumente. Die Folien 2r–2v enthalten 5 Antiphone zum Fest der hl. Katharina. Ein Hinweis auf den Zeitpunkt des Einbindens der Dokumente dürfte die selten überlieferte Antiphon «O mirande claritatis» liefern, die sich ebenfalls in der ersten Lage befindet. Da dieser Text im Antiphonar Vat. lat. 10770, das im ersten Viertel des 14. Jh.s geschaffen wurde und zum Codex Vat. lat. 10772 in einem engen inhaltlichen Abhängigkeitsverhältnis steht (s. unten), integriert ist, ist anzunehmen, dass die 1. Lage mit den beiden volkssprachlichen Dokumenten und dem Antiphontext wohl kurz nach der Entstehung der Handschrift beigefügt wurde. Mit dem Hinzufügen des Antiphontextes brachte man die Handschrift auf den aktuellen liturgischen Stand und passte die ältere (10772), die aufgrund stilistischer Überlegungen um 1290/1300 datiert werden kann, der neueren (10770) an. Das Einbinden der mittelhochdeutschen Dokumente stellt einen bewussten Akt dar: _ Mit der Übertragung in die Volkssprache wurde der Text für alle Konventsmitglieder verständlich. _ Die Dokumente sind mit Fleuronnée-Initialen ausgeschmückt, einzelne Buchstaben sind mit Rot ausgezeichnet. Es handelt sich also nicht um Ausschuss. _ Mit diesem Akt wurde der Stiftertätigkeit der Familie Tannheim gedacht. Möglicherweise war die Jahrzeitstiftung des Burkard Tannheim Junior für ihn und seine bereits verstorbenen Eltern der direkte Anlass dazu (Urkunde vom 7. März 1313). Offenbar legte die Stifterfamilie von Tannheim grossen Wert auf eine Würdigung ihrer Stiftertätigkeit, denn am 2. Dezember 1357 wird urkundlich das Versprechen der Priorin und des Konventes festgehalten, der Familie von
42
62
1989, S. 179) beruht auf einem Lesefehler. Im ersten Dokument wird der Name der Priorin nicht mit A, sondern M abgekürzt. Aufgrund des Textzusammenhanges kam er auf die Priorin A. von Tannheim, die 1331 nachgewiesen ist. Die lateinischen Urkunden müssen jedoch vor 1313 als Burkhart noch lebte, geschrieben worden sein. Foll. 1 und 2 sind der Rest eines Binio. Das erste Blatt dieser Lage klebt auf dem Buchdekkel und das vierte fehlt.
Tannheim als Wohltäterin des Klosters und auch den Konventsfrauen Lutgard und Else von Tannheim besondere Ehre zukommen zu lassen.43 Im ersten mittelhochdeutschen Dokument wird vermerkt, dass die Jahrzeit am Tag nach dem Fest des hl. Gallus (16.10) begangen werden soll. Dies könnte erklären, warum die Dokumente dem Sommerteil des zweibändigen Antiphonars beigebunden wurden.44 4.4.2 Die Codices Vat. lat. 10771 und 10772 Vat. lat. 10771 (Kat.-nr. 19)
Vat. lat. 10772 (Kat.-nr. 20)
Schrift
got. Minuskel
got. Minuskel
lagen
Sexternionen
Sexternionen
Masse der Blätter
34,8 x 48,8 cm
34,5 x 48,6 cm
Masse des Schriftspiegels
31,7 x 20,8 cm
31,7 x 20,7 cm
Anzahl Corpora pro Seite
9 Notencorpora
9 Notencorpora
alte Signaturen: innen
122
122
aussen Inhalt
Ausstattung
121
121 bis
Winterteil eines dominikanischen Antiphonars mit erweitertem Proprium Sanctorum 1. Deckfarbeninitialen 2. Fleuronnée-Initialen
Sommerteil eines dominikanischen Antiphonars 1. Deckfarbeninitialen 2. Fleuronnée-Initialen
Die tabellarische Aufstellung dokumentiert bereits die enge Verwandtschaft der beiden Antiphonarien. In den nachfolgenden Ausführungen sollen die Deckfarbeninitialen, deren Hauptmotiv aus naturalistischem Blattwerk besteht, eingehend betrachtet und verglichen werden, denn sie stellen eine wichtige Gemeinsamkeit der beiden Codices dar, die zu wenig deutlich aus der Tabelle hervorgeht. Das Blattwerk mit naturnahen Formen tritt sowohl als Besatzornament als auch als Füllornament auf. Unschwer zu erkennen sind das Eichenlaub mit Eicheln (z. B. 10771, fol. 159v; 10772, fol. 46r), Rebenblätter und Trauben (10771, fol. 240v), Efeu (10771, fol. 189v), Farne (z. B. 10772, fol. 241r), Ahorn (10771, fol. 188v), Wellenranken mit gleich- oder wechselständigen Halbpalmetten (z. B. 10771, fol. 240v; 10772, fol. 185v) sowie Dreizackblätter. Die Details wie Blattränder und Rippen etc. sind sorgfältig ausgearbeitet. Die Konturen sind oft mit einer feinen, weissen Linie, manchmal auch schwarz umrissen. Neben dem naturalistischen Blattwerk treten auch geometrische Motive wie Punkte, Kreisringe, Sterne (10772, fol. 34r), Rauten (10772, fol. 187v; 10771, fol. 225v), Dreiecke (10772, fol. 187v) oder Zick43 44
TUB, Bd. IV, S. 887–888. Die Frage, wieso der Schluss der zweiten Urkunde fehlt, muss offen bleiben.
63
Zack-Linien (10772, fol. 138r) als Besatzornamente auf. Ein wichtiges Element des Formenapparates bildet die Ranke. Sie ist in der Regel spiralförmig und weist im Zentrum vielfältige Blüten und Rosetten auf. Eine weitere Gruppe von Dekorationsmotiven stellen die zoomorphen Elemente wie Drachen oder nur deren Köpfe oder Flügel dar. Die Köpfe dienen häufig als Verbindungselemente beim Zusammenschluss von Haste und Rundung oder als Endmotiv von Balken oder Rundungen. Ganze Drachen treten als Füllornamente auf (10771, fol. 225v und fol. 172v; 10772, fol. 115v), wobei sich diese durch einen langen, sich verzweigenden und mit einem Blattbüschel endenden Schwanz auszeichnen.45 Einige Deckfarbeninitialen wirken durch ihren symmetrischen Aufbau sehr ausgewogen und in sich geschlossen (Bsp.: 10771, fol. 6v und 240v; 10772, foll. 122v, 172v, 205v, 248v). Die im Codex Vat. lat. 10771 in der Regel verlängerten Hasten und die eng dem Buchstabenkörper entlang geführten Rahmenleisten ergeben ein unregelmässiges Bildfeld. In der Handschrift Vat. lat. 10772 fehlen die Ausläufer, so dass die Bildfelder eine annähernd viereckige Form aufweisen. Die farbliche Ausgestaltung der Rahmen ist in den beiden Handschriften leicht unterschiedlich. Während jene von 10771 unifarben sind, sind die andern oft mehrfarbig gestaltet und wirken dadurch plastischer. Der Hauptunterschied zwischen den Deckfarbeninitialen der beiden Handschriften besteht jedoch in der Farbgebung: Jene von 10772 ist dunkler und auch stumpfer. Gold kommt in diesem Codex nie zur Anwendung. Der Codex 10771 weist immerhin eine nicht figürliche Initiale mit Goldgrund (fol. 239v) auf. Teilweise wirken die Initialen in 10772 etwas weniger kraftvoll und die Gestaltung ist weniger ausgewogen (z. B. Initiale C, fol. 241r). Die beschriebenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede führen m. E. zu folgenden Schlüssen: Die Maler sind wohl kaum identisch, schöpfen aber aus demselben ornamentalen Repertoire und gehören dem gleichen Atelier an. Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass die beiden Antiphonarien aus den folgenden Gründen eine Einheit bilden: 1. die gleichartige Buchanlage 2. der sich ergänzende Inhalt 3. die Ausstattung mit gleichartigen Deckfarbeninitialen 4. der gemeinsame Weg in die Vatikanische Bibliothek Folglich dürfen die dem Codex Vat. lat. 10772 beigebundenen archivalischen Belege für die Heimweisung nach St. Katharinental auch auf die Handschrift Vat. lat. 10771 bezogen werden.
45
64
Zu diesem Drachentypus Beer 1983, 182. Sie vermutet, dass dafür Buchmalereien aus dem Artois und aus Flandern vorbildlich gewesen seien.
4.4.3 Das Antiphonar Vat. lat. 10770 Der Codex Vat. lat. 10770 (Kat.-Nr. 35) enthält den Sommerteil eines dominikanischen Antiphonars. Seine künstlerische Ausstattung besteht ausschliesslich aus Fleuronnée-Initialen. Die insgesamt 27 Prachtinitialen stellen einen autonomen Buchschmuck dar und sind in ihrem künstlerischen Wert den Deckfarbeninitialen ebenbürtig. Sie illustrieren die wichtigsten Feste des Sommerteils des Proprium de Tempore und eine Reihe von Heiligenfesten (s. Tabelle unten). Auf den pergamentfarbenen Stegen der gespaltenen Buchstabenkörper entfaltet sich ein phantasievolles Leben. Dazu gehören insbesondere Fabelwesen, Blattranken und abstrakt-geometrische Motive. Unter den Fabelwesen sind auch antropokephale (foll. 232r, 255v) anzutreffen. Die Binnenfelder sind in der Regel mit Knospenfiligran gefüllt. Als Alternative können sie auch schraffiert sein (fol. 202r). Hie und da lockern ein oder mehrere Rundmedaillons das Binnenfeld auf. Solche Medaillons wurden vorzugsweise bei den Gelenkstellen und an den Enden der Fleuronnée-Stäbe angebracht. Ihr Zentrum bilden Fabelwesen, Rosetten oder Blüten. Ein Ring von Blättern oder Knospenfiligran umgibt in der Regel die Medaillons. Bei den Medaillons im Binnenfeld kann dieser Ring aus Rosetten bestehen (foll. 28v, 127r). Der Feuronnéebesatz setzt bei der Initiale in der Regel mit einer Linie an, die von schwellenden Konturen, Fadenschnörkeln und Blättern oder kleinen Blüten umrankt wird. Fleuronnée-Stäbe begleiten den Text auf einer oder mehren Seiten. Anstelle eines solchen Stabes wird der Schriftspiegel zuweilen auch von einer Blattranke mit Fabelwesen gerahmt (fol. 131r). Neben den beiden Hauptfarben Rot und Blau hat der Zeichner gerade für die Zierelemente auch grüne, gelbe und braun-rote Tinten verwendet. Aufgrund des beschriebenen Repertoires an Gestaltungselementen,46 Formen und Farben sowie des klaren Duktus sind diese Prachtfleuronnée der Gruppe um die Engelberger «Bibly» und das Katharinentaler Graduale (Kat.-Nr. 34) zuzuordnen.47 Innerhalb dieser Gruppe sind sie den älteren Beispielen, wie der Bibel in Karlsruhe (Cod. Aug. perg. 154),48 dem Brevier aus Oetenbach (Aarau, Aargauische Kantonsbibliothek, Ms Muri 95),49 dem Ms. B. III. 1 in der Universitätsbibliothek in Basel50 am nächsten verwandt. Die hohe künstlerische Qualität verbindet sie vor allem mit der «Bibly» und dem Graduale. Deshalb ist mit grosser 46 47
48 49 50
Das Füllornament mit den breiten, gekreuzten Bändern, die quadratische Flächen bilden, fehlt. Dazu Beer 1959, S. 15. Gruppeneinteilung S. Beer 1959, S. 13f. – Zur «Bibly»: Bruckner 1950, Bd. 8, S. 66, Anm. 24, Taf. 45, 48 d. – Beer 1959, S. 15–17, 22–25 und S. 73ff. dort ältere Literatur und Abbildungen. – Beer 1983, S. 197–200, mit Abbildungen. – Kessler 1991, vor allem S. 35f. Beer 1959, S. 90. Beer 1959, S. 64f. Dieses Brevier ziert nur eine Prachtinitiale. Beer 1959, S. 65f.
65
Wahrscheinlichkeit von einer Entstehung im ersten Viertel des 14. Jahrhunderts sowie von einem engen Werkstattzusammenhang auszugehen. 4.4.4 Das Beziehungsgeflecht zwischen den drei Antiphonarien, insbes. zwischen den Sommer-Antiphonarien Vat. lat. 10772 und 10770 Wie der Codex Vat. lat. 10772 (Kat.-Nr. 20) enthält auch der Codex Vat. lat. 10770 (Kat.-Nr. 35) den Sommerteil eines dominikanischen Antiphonars. Die beiden stehen bezüglich des Inhaltes in einem engen Abhängigkeitsverhältnis. Diese These soll im Folgenden anhand der inhaltlichen Besonderheiten beschrieben und belegt werden, wobei auch der inhaltlich ergänzende Band mit dem Winterteil im Codex Vat. lat. 10771 einbezogen wird. Beim letztgenannten ist besonders bemerkenswert, dass das Proprium de Sanctis mit Festen ergänzt wurde, die eigentlich dem Sommerteil angehören. Es handelt sich dabei um typisch dominikanische Feste (Petrus Martyr, Coronae Domini, Translatio Sancti Dominici) und das Fest der hl. Katharina. Erwähnenswert ist, dass in beiden Sommer-Antiphonarien das Fest des hl. Antonius von Padua (13.6.), das die Dominikaner 1260/1262 in ihre Liturgie aufgenommen haben, fehlt.51 In allen drei Handschriften ist das Fest der Translatio Sancti Dominici, das 1267 im Orden eingeführt wurde,52 verzeichnet, was einen Terminus post quem ergibt. Die inhaltlichen Besonderheiten sind in der nachfolgenden Tabelle zusammengestellt und werden anschliessend kommentiert. Vat. lat. 10771 mit dem Winterteil
Vat. lat. 10772 mit dem Sommerteil
Vat. lat. 10770 mit dem Sommerteil
Sequenz zu Ostern: «Victime paschali laudes immolant»
foll. 6v–7r
foll. 4v–5v
Petrus M.: Antiphon «O mirande claritatis»
fol. 1r
fol. 117r
Coronae Domini
foll. 250r–253v
foll. 129v–133r
foll. 123r–127r
Fest der hl. Katharina
foll. 3v, 267v–271r
foll. 111v–114v, 248v–252r, 257v–258r
foll. 247v–257r, 257v–258r
Ungewöhnlich ist, dass alle drei Antiphonarien die Sequenz «Victime paschali laudes immolant» zu Ostern enthalten, denn Sequenzen gehören nicht zum Bestandteil eines Antiphonars.53 Eine Sequenz wird zwischen dem Alleluia und dem Evangelium vorgetragen und bildet somit einen Bestandteil der Messe. Die Sequenzen werden zum Sequentiar zusammengefasst, das normalerweise einen Teil des Missale
51 52 53
66
Ladner 1983, S. 300. Ladner 1983, S. 300, Anm. 22. Fiala/Irtenkauf 1963, S. 113.
resp. des Graduale darstellt.54 Der Text beider Handschriften stimmt bis ins kleinste Detail überein (z. B. immolant statt immolent). Im Vergleich zur Version bei Kehrein fehlen die Verse 6 und 8, was jedoch häufig der Fall ist.55 Eine wesentlich andere Textversion verzeichnen die Analecta Hymnica.56 Besonders bezeichnend für das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den beiden Antiphonarien Vat. lat. 10772 und 10770 ist die Antiphon «O mirande claritatis» zum Fest des hl. Petrus Martyr. Das Formular entspricht in beiden Manuskripten dem Gängigen.57 Dem Codex Vat. lat. 10772 wurde jedoch nachträglich ein Binio vorangebunden, der neben den zwei volksprachlichen Dokumenten drei Antiphone zum Fest von Petrus Martyr enthält (s. oben). Es handelt sich dabei um die folgenden Antiphonen: «O mirande claritatis», «In se Christi» und «Sic vita spectabilis». Keine dieser drei Antiphone ist in den Analecta Hymnica oder im Ordinarium oder im Corpus antiphonalium verzeichnet.58 Sie dürfen deshalb als sehr selten bezeichnet werden. Interessant ist, dass die erste der drei Antiphonen im Codex Vat. lat. 10770 innerhalb des Formulars nach der Antiphon zum Benedictus «Summa pollens Petrus munditia» erscheint, d. h. in dieser Handschrift bereits an der liturgisch richtigen Stelle integriert ist. Bezüglich der Relativchronologie bedeutet dies, dass die Handschrift Vat. lat. 10772 älter ist als 10770, was durch die künstlerische Ausstattung bestätigt wird.59 Bemerkenswert ist zudem, dass am Rand im Codex Vat. lat. 10770 von einer jüngeren Hand vermerkt wurde: «Die Antiphon gilt nicht mehr» (fol. 117r). Das Fest Coronae Domini (4. Mai) steht im Zusammenhang mit der Überführung der Dornenkrone nach Paris im Jahre 1239. Es handelt sich dabei um ein typisch dominikanisches Fest, das von Humbert de Romanis in die Ordensliturgie aufgenommen wurde.60 Unüblicherweise wird das Fest auch im Winterantiphonar (Cod. Vat. lat. 10771) aufgeführt. Der Text bricht jedoch etwa in der Hälfte ab, was wohl damit erklärt werden kann, dass er eigentlich zum Sommerantiphonar gehört. Die Lage ist jedenfalls an der entsprechenden Stelle komplett. Die Textversion stimmt 54
55 56 57 58 59
60
Es handelt sich dabei um eine gängige Sequenz, die im Ordinarium des Humbertus de Romanis an 2. Stelle des Sequentiars erscheint, im Cod. Vat. lat. 10773 an 4., im Cod. Vat. lat. 10769 an 2., im Nürnberger Graduale an 7. und im St. Katharinentaler Garduale an 3. Stelle. Kehrein 1873, S. 81–82 Nr. 83. AH, Bd. 34, S. 27f. Guerini 1921, S. 88–89. AH, Bd. 28, Nr. 48 S. 135–136. Fest Petrus Martyrs: Vat. lat. 10772, foll. 121v–124v; Vat. lat. 10770, foll. 113r–117v. Guerini 1921, S. 88–89. AH, Bd. 28, Nr. 48 S. 135–136. Hesbert 1963–1979. Die Deckfarbeninitialen des Cod. Vat. lat. 10772 sind nach 1290 zu datieren. Die FleuronnéeInitialen des Cod. Vat. lat. 10770 gehören zur Gruppe der Engelberger «Bibly» und des Graduale St. Katharinental und dürften im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts entstanden sein (s. oben). Ladner 1983, S. 300.
67
in den drei Handschriften im Wesentlichen überein, jedoch nicht mit derjenigen in den Analecta Hymnica61 und nur teilweise mit derjenigen im Ordinarium.62 Der Codex Vat. lat. 10772 ist ausführlicher als 10770, zumal er zwei Hymnen mehr enthält.63 Folgende Schlüsse können aus dem vorangehenden Textvergleich gezogen werden: Es ist wiederum unüblich, dass das Winterantiphonar Vat. lat. 10771 diesen Text enthält, da dieser zum Sommerantiphonar gehört. Er entspricht ungefähr dem Ordinarium, somit dem Nötigen. Im Sommerantiphonar Vat. lat. 10772 sind die Gesänge zum Fest der hl. Katharina auf drei Stellen verteilt. Der Kernbestand des Codex Vat. lat. 10771 wurde im Manuskript Vat. lat. 10772 noch um fünf Antiphone erweitert. Der Vergleich der beiden Sommerantiphonarien zeigt, dass im Codex Vat. lat. 10770 die drei Teile neu geordnet, kombiniert und zudem stark erweitert wurden, was ein Indiz darstellt, dass die Handschrift 10770 jünger sein dürfte. Die starke Betonung des Festes der hl. Katharina in allen drei Antiphonarien dürfte auf ein Bestimmungskloster mit Katharina als Patronin hinweisen. Die besprochenen Textstellen zeigen, dass die drei Antiphonarien, insbesondere Vat. lat. 10772 zu Vat. lat. 10770, in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen. Nach dem Inhalt wird nun die künstlerische Ausstattung der drei Antiphonarien genauer untersucht. In der nachfolgenden Tabelle sind alle Feste aufgeführt, die mit Deckfarbeninitialen bzw. mit Prachtfeuronnée verziert und somit eine spezielle Auszeichnung erhalten haben. Vat. lat. 10771 erster Adventssonntag
Vat. lat. 10772
Vat. lat. 10770
fol. 3v
fol. 1v
fol. 6v
Weihnachten
fol. 42v
Epiphanie
fol. 57v
Ostern
fol. 159v
Himmelfahrt Christi
fol. 28v
Pfingsten
fol. 37r
fol. 37v fol. 47v
Dreifaltigkeitsfest, Vigil
fol. 46v
fol. 48v
Dreifaltigkeitsfest
fol. 65v1
fol. 68r
erster Sonntag im September
fol. 76v
erster Sonntag im Oktober
fol. 78v2
fol. 81r
erster Sonntag im November
fol. 93v3
fol. 98r
Kirchweihfest
fol. 167r
hl. Andreas
fol. 172v
61 62 63
68
AH, Bd. 24, S. 30–39. Guerini 1921, S. 90. «Eterne regi glorie» (RH Nr. 629) und «Lauda mater concio spine» (RH Nr. 10204).
Vat. lat. 10771 hl. Nikolaus
Vat. lat. 10772
Vat. lat. 10770
fol. 174v
hl. Nikolaus
fol. 188v
hl. Johannes Ev.
fol. 189v
hl. Johannes Ev.
fol. 200v
hl. Agnes
fol. 201v
hl. Agnes
fol. 208v
hl. Vinzenz
fol. 217r
Bekehrung des hl. Paulus
fol. 225v
Mariae Lichtmess
fol. 239v
Verkündigung an Maria, Vigil
fol. 240v
fol. 115v
fol. 105v
Verkündigung an Maria
fol. 122v
fol. 114v
Petrus Martyr
fol. 134v4
fol. 127r
Übertragung des hl. Dominikus
fol. 131r
hl. Johannes d. Täufer, Vigil
fol. 138r
hl. Johannes d. Täufer
fol. 148r
fol. 131v
hl. Petrus und Paulus
fol. 157v
hl. Maria Magdalena
fol. 167v
hl. Dominikus, Vigil
fol. 172v
hl. Dominikus
fol. 185v
fol. 183r
Himmelfahrt Mariae, Vigil
fol. 187v
fol. 185v
Himmelfahrt Mariae
fol. 169r
fol. 201r
Enthauptung Johannes d. T.
fol. 205v
fol. 204r
Geburt Mariae
fol. 218v
fol. 217r
Erzengel Michael
fol. 226r
fol. 224v
Allerheiligen hl. Martin
fol. 232r fol. 241r
hl. Cecilia hl. Catharina, Vigil
fol. 239v fol. 247v
fol. 248v
fol. 255v
hl. Catharina 1 2 3 4
Initiale wurde vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt. Initiale wurde vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt. Für die Initiale wurde lediglich Platz frei gelassen. Für die Initiale wurde lediglich Platz frei gelassen.
Bis zum Kirchweihfest handelt es sich um Feste des Proprium de Tempore. Darunter sind keine Besonderheiten zu vermerken. Typisch für dominikanische Handschriften sind die Ordensheiligen Dominikus und Petrus Martyr sowie die Ordenspatroninnen Maria, Maria Magdalena und Katharina. 69
Wenn man davon ausgeht, dass der Kult der Heiligen, deren Formular mit künstlerischem Schmuck ausgestattet wurde, im Bestimmungskloster der Handschrift auch auf andere Weise besonders gepflegt wurde, so müssten ihnen zu Ehren auch Altäre geweiht sein.64 Wie oben festgestellt, sind die Formulare aller drei Antiphonare zum Fest der hl. Katharina besonders ausführlich, so dass die Handschriften wohl für ein Kloster mit dem Patronat der Heiligen aus Alexandria bestimmt waren. Im ober- und hochrheinischen Raum sind die nachfolgenden Dominikanerinnenklöster mit dem Patrozinium der hl. Katharina belegt65: Ammerschweier (später Colmar), St. Katharinental bei Diessenhofen, St. Katharina in Freiburg i.Br., St. Katharina in St. Gallen, Zoffingen in Konstanz, St. Katharina in Strassburg. Das Katharinenkloster in Ammerschweier wurde 1286 in den Dominikanerorden aufgenommen. 1310 fand die Übersiedlung nach Colmar statt. Altarpatronzinien sind aus dieser Zeit keine bekannt.66 Das Kloster St. Katharinental bei Diessenhofen ist zu Ehren der hll. Katharina und Nikolaus von Bari gebaut worden. Bei der ersten Weihe, die zwischen 1267 und 1269 möglicherweise von Albertus Magnus vorgenommen wurde, wurde der Hauptaltar Maria und Johannes dem Evangelisten geweiht, der eine Altar der Laienkirche zu Ehren der Klosterpatrone und der andere zu Ehren der Ordensheiligen Dominikus und Petrus Martyr. 1305 fand eine weitere urkundlich bezeugte Weihe statt. Die Urkunde berichtet von den folgenden vier Altären und ihren Patronen: Fronaltar: Maria, Johannes der Täufer, Dominikus; evangelienseitiger Nebenaltar: Maria, Johannes Evangelist, Nebenpatrone: Petrus Martyr, Jakob maior, Maria Magdalena; epistelseitiger Nebenaltar: Katharina, Nikolaus, Agatha, Thomas Becket; Altar auf dem Lettner: Maria, alle Engel, alle Heiligen.67 Von den vier Dominikanerinnenklöstern in Freiburg i.Br. ist eines mit dem Titulus St. Katharina belegt. Eine bereits existierende Sammlung erhielt 1297 eine Schenkung zur Errichtung eines Klosters und 1305 die dazu nötige Baubewilligung.68 64 65
66
67 68
70
Eine enge Beziehung zwischen Bildprogramm und Altarpatrozinien stellte B. KurmannSchwarz in Königsfelden fest (Kurmann / Kurmann-Schwarz 1999, S. 99, Anm. 74.). Die Einschränkung auf dominikanische Frauenklöster kann aus folgenden Günden vorgenommen werden: In Formularen zu den Festen des Ordensgründer heisst es: Cod. Vat. lat. 10772, fol. 133v in translatione b. Dominici patris nostris, fol. 171v in festo b. Dominici patris nostris; im Cod. Vat. lat. 10770, fol. 127r in translatione b. Dominici patris nostris, fol. 167v in festo b. Dominici patris nostris. – Die hl. Katharina als Patronin dürfte auf ein Frauenkloster hindeuten. Barth 1960, Sp. 236. – Leicht differierende Daten gibt Wilms 1928, S. 50, an: entstand aus einer Inklusenversammlung ab 1220 in Katzental unter Mitwirkung des Dominikaners Emicho von Colmar. 1288 Übersiedlung nach Ammerschweier und Nennung als Moniales. Ab 1312 in Colmar. Knoepfli 1989, S. 25–26 mit Diskussion der verschiedenen Quellen. – Meyer 1995, S. 145, 284–286. – Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 783–784. Kat. 750 Jahre Dominikanerinnenkloster Adelhausen, S. 15.
Die Dominikanerinnen des regulierten, jedoch nie inkorporierten St. Galler Konventes errichteten in der Mitte der 14. Jahrhunderts eine Kapelle, die 1368 der hl. Katharina geweiht wurde. Von Altarweihen wird erst 1515 berichtet.69 Das Kloster Zoffingen in Konstanz erhielt erst gegen Ende des 13. Jahrhunderts eine eigene Kapelle. Sie wurde 1314 dem Patrozinium der hl. Katharina unterstellt und der Hauptaltar zu Ehren der Heiligen Maria, Katharina, Nikolaus und Dominikus geweiht.70 Auch in Strassburg, wo die frühesten Dominikanerinnenklöster der Provinz Teutonia entstanden sind, ist ab 1230 ein der hl. Katharina geweihtes Kloster belegt.71 Es lag im Südosten der Stadt, vor den Mauern in der Krutenau. 1245 wurde es inkorporiert. Nach den schwierigen Anfängen prosperierte das Kloster dank eines päpstlichen Ablasses, der 1268 von Albert dem Grossen bestätigt wurde. Weitere Ablassschreiben datieren aus den Jahren 1282, 1286 und 1295.72 Altarpatronzinien sind erst 1371 schriftlich belegt: Einer war Johannes dem Evangelisten und ein anderer Matthäus geweiht. Eine siebzehn Jahre jüngere Quelle nennt den Altar der hl. Caecilia. Berücksichtigt man die Datierung der Handschriften aufgrund stilistischer Kriterien (Codd. 10771/10772 kurz nach 1290, Cod. 10770 um 1310), fallen bereits eine Reihe der oben genannten Klöster als möglicher Bestimmungsort weg, da sie sich im Zeitraum von 1290 bis 1310 im Entstehungsprozess befanden oder dieser sogar erst später einsetzte. Auffallend ist, dass in keinem der genannten Klöster eine besondere Verehrung der hl. Agnes überliefert ist. Für die Auszeichnung ihres Festes mit zwei Miniaturen im Codex Vat. lat. 10771 müssten besondere Beweggründe ausschlaggebend gewesen sein. Ganz allgemein kann festgehalten werden, dass in den Frauenklöstern der Bettelorden am Oberrhein die hl. Agnes besonders verehrt wurde. Dabei stand weniger ihr Martyrium als ihr Wunsch, sich mit Christus zu verloben, im Vordergrund und wurde Gegenstand mystischer Verehrung (s. Kapitel 5).73 Ein konkreter Grund könnte im Stifterwillen liegen, denn bei der einen Miniatur war die Darstellung einer Nonne resp. zweier Nonnen vorgesehen (fol. 200v). 69 70 71 72
73
Poeschel 1957, S. 137 und 143. – Wilts 1994, S. 420–421. Hilberling 1957, S. 6, 41. Wilts 1994, S. 174. Wilts 1995, S. 431–432. Barth 1960, Sp. 1373–1375. – Histoire de Strassbourg 1981, S. 67–68. – Scheeben 1961, S. 39–40. Nach Barth 1960, S. 1373–1374 galten die Ablässe wie folgt: 1282: für die 4 Hauptfeste Mariae und für die folgenden Heiligenfeste: Augustinus, Dominikus, Petrus Martyr. 1286: Fest der Dreifaltigkeit und Marienfeste sowie für die folgenden Heiligenfeste: Johannes Baptist, Petrus und Paulus, Johannes Ev., Petrus M., Augustinus, Nikolaus, Dominikus, Maria Magdalena, Katharina. 1295: Herrenfeste, Marienfeste und für die Feste der folgenden Heiligen: Allerheiligen, Michael, Johannes Baptist, Johannes Evangelist, alle Apostel, Laurentius, Stephanus, Petrus Martyr, Nikolaus, Martin, Dominikus, Margaretha, Agathe, Cecilia, Katharine, Maria Magdalena. Mystik am Oberrhein, S. 122.
71
Bemerkenswert ist auch, dass die Liturgie der dominikanischen Frauenklöster des Ober- und Hochrheins recht einheitlich ist. Die künstlerische Auszeichnung bestimmter Heiligenfeste lässt offenbar nur bedingt Aussagen über den Bestimmungsort einer Handschrift zu. Erschwerend kommt die lückenhafte Quellenlage hinzu. Da der Codex Vat. lat. 10772 die mittelhochdeutschen Fassungen zweier Katharinentaler Urkunden enthält und zusammen mit Vat. lat. 10771 eine Einheit bildet (Sommer- und Winterteil des Antiphonars), sind diese zwei Folianten wohl für St. Katharinental geschaffen worden. Das Antiphonar Vat. lat. 10770 ist inhaltlich eng mit dem Codex Vat. lat. 10772 verwandt, und muss deshalb wohl auch für das genannte Kloster hergestellt worden sein (s. oben). Im weiteren sind die FleuronnéeInitialen des Codex 10770 äusserst nahe mit denjenigen im Graduale von St. Katharinental verwandt (s. oben). Alle Indizien und Argumente legen nahe, dass diese drei Handschriften im Kloster St. Katharinental benützt wurden.
4.5 elf Fragmente einer dominikanischen Antiphonarhandschrift Von einer weiteren dominikanischen Antiphonarhandschrift, die den Winterteil umfasste, zeugen elf Fragmente (Kat.-Nr. 22 a–k), die heute zerstreut in Privatsammlungen und Museen Europas und den USA aufbewahrt werden. Der schon von H. Swarzenski postulierte Werkstattzusammenhang zwischen den Fragmenten und dem Nürnberger Graduale wird mit der Kenntnis des Cod. 10771 offensichtlich,74 obwohl die Einzelblätter nicht ganz dieselbe Qualitätsstufe erreichen. Neben der Stilsprache gibt es weitere Gemeinsamkeiten: etwa die z. T. recht ungewöhnlichen ikonographischen Themen (Kat.-Nr. 22 d, h, i, j), zudem ist ein Schwerpunkt auf der Johannesthematik feststellbar. Ferner belegt ein Fragment, dass es in diesem zerschnittenen Manuskript eine Medailloninitiale (Kat.-Nr. 22 k) gegeben hatte. Ein weiteres gemeinsames Element stellt der Einbezug der Stifterdarstellungen in das Bildfeld der historisierten Initialen dar.
4.6 Zu den Fleuronnée-Initialen der Handschriftengruppe aus St. Katharinental Anhand der Fleuronnée-Initialen der St. Katharinentaler Handschriftengruppe lässt sich die Entwicklung dieses Schmuckelementes der gotischen Buchmalerei zwischen Zürich- und Bodensee ablesen. Zudem werden weitere Verbindungen zwischen den Handschriften sichtbar. Das älteste Manuskript, Cod. Vat. lat. 10773, ist mit Sägeblattinitialen verziert. Diese Initialen sind innerhalb der hier behandelten Handschriften singulär. 74
72
Swarzenski 1936, S. 53–54.
Der reiche Fleuronnée-Schmuck des Nürnberger Graduale kann wie folgt charakterisiert werden: Die Buchstabenkörper der Fleuronnée-Initialen sind in der Regel nicht gespalten. Eine Spaltung tritt in knapp zwanzig Fällen auf. Bei ein paar Beispielen werden Kreise ausgespart, die mit einem kleineren Kreis in der Gegenfarbe besetzt sind (foll. 31v, 102r).75 Dieses Sondermotiv ist typisch für die Fleuronnée-Initialen der mittleren und späten Phase der «Zürcher Gruppe» (s. Kap. 3.2.1.).76 Die Binnenfelder der Initialen füllen vorwiegend florale Ornamente aus, die durch ihren Reichtum an Formen bestechen. Die oftmals flächig dargestellten Ornamente erscheinen in der Regel vor schraffiertem Grund. Bei linearen Ornamenten hingegen ist der Grund flächig ausgefüllt. Die Begleitornamentik setzt sich aus zurückhaltendem Schnörkel, kleinen Blümchen, eingerollten Blättchen und «Froschlaich» zusammen. Besonders charakteristisch sind die sehr üppigen Stäbe aus vorwiegend vegetabilen Motiven. Während diese im Vatikanischen Graduale Cod. Vat. lat. 10769 (Kat.-Nr. 15) noch etwas starr wirken, entfalten diejenigen des Nürnberger Graduale eine Fülle an vielfältigen Formen und eine grosse Lebendigkeit.77 Mit demselben Typus von Fleuronnée-Initialen ist auch das zweibändige Antiphonar in der Vatikanischen Bibliothek geschmückt (Kat.-Nr. 19, 20). Bei gleichbleibendem Formenapparat sind bei der Qualität Unterschiede zu bemerken: Der Duktus ist weniger klar und die Ausführung etwas unsorgfältiger. Zur weiteren Einordnung des Fleuronnée-Schmucks des Nürnberger Graduales und des zweibändigen Antiphonars in der Biblioteca Apostolica Vaticana in die «Zürcher Gruppe» siehe Kap. 3.2.1.78 Äusserst aufschlussreich ist m. E. die Tatsache, dass im hinteren Teil des Antiphonars Vat. lat. 10772 zum Fest der Enthauptung Johannes d. T. ein Prachtfleuronnée vom Typ des Graduale und der Engelberger «Bibly» (Kat.-Nr. 20, fol. 202r) auftritt. Das Blatt befindet sich im Lagenverband, und die Initiale ist in den Textblock integriert. Es dürfte sich folglich um eine Fleuronnée-Initiale handeln, die den Link von der Spätphase der «Zürcher Gruppe» zur Gruppe um das St. Katharinentaler Graduale und die Engelberger «Bibly» bildet. Die Initiale M[isit Herodes rex] erstreckt 75 76 77
78
Beispiele mit ornamental gespaltenem Buchstabenkörper: foll. 15v, 106r, 112v, 118v, 131v, 137r, 141r, 147r, 155r, 181v, 187r, 207v, 2111r, 212r, 222v, 224r, 227. Zum Sondermotiv: Codex Vat. lat. 10769, fol. 173v, (Kat.-Nr. 15). – Sauer 1996 ter, Sp. 1142. – Salowsky 1988, S. 429. Es bestehen insbesondere enge Beziehungen zwischen dem filigranen Schmuck im Vatikanischen Graduale und jenem im Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 15, 18): Kat.-Nr. 15: foll. 42v, 115r, 161v, 176r, 211r und Kat.-Nr. 18: foll. 44v, 133r. Die Fleuronnée-Initialen des Nürnberger Graduale beurteilte E. J. Beer wie folgt: «Nur der Nürnberger Codex 21897 (sonst dem Graduale nahe stehend) unterscheidet sich so ziemlich von allem, was wir aus diesem Kunstkreis kennen, lehrt aber zugleich, wie eng sich oberrheinische Handschriften an bestimmte Typen der französisch-flandrischen Initialkunst anlehnen können.» Beer 1983, S. 201.
73
sich über zwei Noten- und zwei Textzeilen. Die Stämme des unzial geformten M sind jeweils in eine rote und eine blaue Farbfläche gespalten. Die ausgesparten, pergamentfarbenen Flächen haben die Form von Fabelwesen angenommen. Die Binnenfelder sind dicht besetzt mit Knospen vor schraffiertem Hintergrund. Medaillons mit Fabelwesen markieren die Fusspunkte der Initiale sowie den Endpunkt des Stabes. In derselben Lage sind die Fleuronnée-Initialen der 2. und 3. Ordnung Vertreter der Spätphase der «Zürcher Gruppe». Sie verwenden noch kein Knospenfiligran, wie das beispielsweise im Antiphonar Vat. lat. 10770 der Fall ist. Beim Antiphonar Cod. Vat. lat. 10770 wird zur Hauptsache Palmettenfleuronnée der 2. und 3. Ordnung als Zier eingesetzt. An die Stelle von Deckfarbeninitialen treten Prachtfleuronnées mit neuen Gestaltungselementen in der Technik der Federzeichnung. Wie oben ausführlich beschrieben, gehören diese Prachtfleuronnées zur Gruppe um das St. Katharinentaler Graduale und die Engelberger «Bibly». Ebenfalls dieser Gruppe zuzuweisen sind sowohl die Ausschmückung der ersten Seite des Formulars zum nachgetragenen Fest des Thomas von Aquin im Codex Vat. lat. 10771, fol. 283r (Kat.-Nr. 19)79 als wohl auch der Eingangsseite der Sequenz zur Geburt Johannes d. T. «Gabrielis vox iocunda» im Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18, fol. 250r).80 Noch etwas jünger dürften die Knospenfleuronnée sein, welche die im nachträglich ins Nürnberger Graduale eingefügte Johannessequenz «Percursorem summi regis» (fol. 246r) und die Antiphone «Occurit beato Johanni» und «Diligebat autem» im zweiten Band des Vatikanischen Antiphonars 10772 (Kat.-Nr. 20, foll. 105r–105v) verzieren.81 Interessant ist, dass die Nachträge alle – ausser die Antiphonargesänge zum Fest von Thomas von Aquin, das entsprechende Formular gehört übrigens im St. Katharinentaler Graduale zum ersten eingeschobenen Nachtrag – Gesänge zum Fest Johannes d. T. betreffen und die Fleuronnée-Initialen in einem engen Werkstattzusammenhang stehen mit denjenigen des St. Katharinentaler Graduale und der Engelberger «Bibly».
4.7 Das Beziehungsgeflecht der gesamten Handschriftengruppe Die in diesem Kapitel bisher beschriebenen vielfältigen Bezüge der einzelnen Handschriften sollen mit Hilfe eines Handschriftenstemmas zusammenfassend dargestellt und verdeutlicht werden.
79 80
81
74
Thomas von Aquin wurde 1323 heilig gesprochen. Zur Aufnahme des Festes in die Liturgie S. Ladner 1983, S. 300. Diese Sequenz erscheint im Nürnberger Graduale gleich zweimal hintereinander. Einmal mit einer Deckfarbeninitiale (Kat.-Nr. 18 b) und einmal mit einer Fleuronnée-Initiale, die in einem Medaillon den betenden Johannes in der Wüste zeigt. Die zwei Antiphone sind im Antiphonar Vat. lat. 10770 ebenfalls nachgetragen.
Cod. Vat. lat.10769 Graduale, Kat.Nr. 15
Cod. Vat. lat. 10773 Graduale, Kat.- Nr. 1
W
I?
F Nürnberger Graduale Hs. 21897, Kat.- Nr. 18, 18 a, 18 b
St.Katharinentaler Graduale, Kat.- Nr. 34
T/I/G/V FN
F
I
S/F/I
WinterSommerAntiphonar Antiphonar Cod. Vat. lat. Cod. Vat. lat. 10771, Kat.10772, Kat.Nr. 19 Nr. 20 zus. 1 dominikanisches Antiphonar
F
SommerAntiphonar Cod. Vat. lat. 10770 Kat.- Nr. 35
T
Engelberger «Bibly» Engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 6
F
S/ I 11 Fragmente einer dominikanischen Antiphonarhandschrift Kat.- Nrn. 22 a–k
Abkürzungen: F = Fleuronnée-Initialen FN = Fleuronnée-Initialen der Nachträge G = Gesänge I = Ikonographie S = Stil
V W
= = = =
Verweiszahlen Wasserzeichen Gruppe von Handschriften mit gleichartigen Fleuronnée Initialen «Zürcher Gruppe» 75
4.8 Zum Buchwesen im Dominikanerinnenkloster St. Katharinental
Die ausnehmend reiche Überlieferung von Quellentexten wie auch von Kunstwerken – wenn auch in der ganzen Welt zerstreut – ist für das nordostschweizerische Dominikanerinnenkloster charakteristisch und für die Forschung von grosser Bedeutung.82 Die Geschichte von St. Katharinental ist ab 1242 urkundlich fassbar.83 Eine Beginengemeinschaft, die um 1230 in Flaach lebte, dann von Winterthur 1235 nach Diessenhofen und schliesschlich nach St. Katharinental zog, gilt als Vorgängerin des Dominikanerinnenklosters. Die Klostergemeinschaft wurde 1245 in den Orden inkorporiert und lebte nach der Augustinerregel und den Konstitutionen von St. Marx in Strassburg. In der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts vermochte sich das Kloster zu etablieren und erlebte in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine erste Blütezeit. Die Beziehung zum Dominikanerorden gestaltete sich in der soeben umrissenen und hier interessierenden Zeitspanne offensichtlich als vielfältig: Die cura monialium nahmen die Konstanzer Prediger wie auch vom Provinzial beauftragte Brüder der Provinz Teutonia, deren Jurisdiktion St. Katharinental unterstand, wahr. Auch Beziehungen zu den Zürcher Dominikanern pflegten die Dominikanerinnen. Der Aufenthalt von Meister Eckharts nach 1313 und das vermutete Exil Heinrich Seuses in den Jahren 1339 bis 1346 werden von E. Eugster als Höhepunkte der Klostergeschichte bezeichnet.84 4.8.1 Bibliothek und Archiv Den umfangreichen Bestand der Bibliothek und des Archivs des Dominikanerinnenkloster St. Katharinental haben A. Knoepfli und E. Eugster zusammengestellt und ausführlich beschrieben.85 Von den lateinischen Handschriften werden die bedeutendsten in der vorliegenden Arbeit eingehend behandelt. Auf einige neu gewonnene Erkenntnisse jüngerer Publikationen bezüglich Bibliotheks- wie Archivbestand sei hier explizit hingewiesen. Das Prozessionale, das heute im Historischen Museum des Kantons Thurgau in Frauenfeld aufbewahrt wird, wurde von B. Konrad besprochen. Es ist wohl um 1485/90 in Konstanz in der Werkstatt um die Familie Murer angefertigt worden.86 82
83 84 85 86
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Im Rahmen des Schweizerischen Kunsttopografie-Werks «Die Kunstdenkmäler in der Schweiz» wurde dem Kloster St. Katharinental sogar ein eigener Band gewidmet: Knoepfli 1989. In der Ausstellung «Krone und Schleier» wurde die Darstellung des Nonnenchores grössten Teils mit Werken aus St. Katharinental bestritten, dabei wurden die Werke für die Dauer der Ausstellung wiedervereint. S. Katalog Krone und Schleier, S. 400–419. Zur Geschichte St. Katharinentals: Knoepfli 1989, S. 15–23. – Eugster/Baumer-Müller 1999. Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 785. Knoepfli 1989, S. 3–5, 165–187. – Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 785, 809–816. KONRAD, Bernd: Die Buchmalerei in Konstanz, am westlichen und nördlichen Bodensee von 1400 bis zum Ende des 16. Jahrhunderts.
Von besonderem Interesse ist die von R. Meyer herausgegebene, umfangreich kommentierte Edition des «St. Katharinentaler Schwesternbuches».87 Die Autorin beschreibt die verschiedenen Handschriften, welche die Gründungsgeschichte, die Schwesternviten und die Schwesternlisten überliefern. In ihre Untersuchung und Edition bezieht sie erstmals eine Berliner Handschrift mit ein, welche die Gründungsgeschichte in bisher nicht bekanntem Umfang überliefert. Diese Handschrift aus der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts weist nach R. Meyer aufgrund paläographischer, sprachlicher und buchtechnischer Argumente auf St. Katharinental als Entstehungs- und Bestimmungsort hin. Zudem dürfte sie für die jüngeren Handschriften, welche die Gründungsgeschichte überliefern, Vorlagefunktion gehabt haben.88 Von den insgesamt elf Handschriften, die das «St. Katharinentaler Schwesternbuch» resp. Teile davon überliefern, sind vier in St. Katharinental geschrieben worden.89 Die restlichen zeugen davon, dass das «St. Katharinentaler Schwesternbuch» auch ausserhalb des eigenen Konventes, im Rahmen des Büchertausches unter den Reformklöstern, tradiert wurde.90 Die älteste der Handschriften, die das Schwesternbuch überliefert, enthält zudem eine Sammlung von geistlichen Liedern, die R. Meyer erstmals veröffentlichte.91 Sowohl R. Meyer als auch C. Folini besprechen den in der Stiftsbibliothek Einsiedeln befindliche Totenrodel aus St. Kathrinental ausführlich und überprüfen die Datierung der Kolonnen von A. Müller. Beide kommen zum Schluss, dass diese in etwa stimmen, jedoch für das 14. Jahrhundert ein wenig zu spät angesetzt sind.92 Dieses
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In: Buchmalerei im Bodenseeraum 13. bis 16. Jahrhundert. Hrsg. im Auftrag des Bodenseekreises von E. Moser. Friedrichshafen 1997, S. 134, KO 77, S. 315–316. – Frauenfeld, Historisches Museum, Inv. T 1588. – Knoepfli 1989, S. 182 und 184, mit Abb. Meyer 1995. – Dazu Rezension von Schneider-Lastin 1996. Berlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Ms. germ. qu. 1254. – Meyer 1995, S. 73–76. Frauenfeld, Thurgauische Kantonsbibliothek, Cod. Y 74, 15. Jh. – Zürich, Zentralbibliothek, Ms. ZV 689, 16. Jh. – Frauenfeld, Thurgauische Kantonsbibliothek, Cod. Y 75, 1720 von Antonia Bögin in St. Katharinental geschrieben. – Weesen, Archiv des Klosters Maria Zuflucht, Cod. I.3, 18. Jh. Dazu Meyer 1995, S. 6–21, 42. Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. 452 aus der Fürstlich Fürstenbergischen Bibliothek Donaueschingen. – Meyer 1995, S. 45. P. 117–154 des Cod. Y 74 der Thurgauischen Kantonsbibliothek in Frauenfeld. Dazu: Meyer 1995, S. 9. – MEYER, Ruth: Die St. «Katharinentaler Liedersammlung». Zu Gehalt und Funktion einer bislang unbeachteten Sammlung geistlicher Lieder des 15. Jahrhunderts. In:. EWARDS, C., HELLGARDT, E., OTT, N. H. (Hrsg.): Lied im deutschen Mittelalter: Überlieferung, Typen, Gebrauch. Chiemsee-Colloquium 1991. (Publications of the Institute of Germanic Studies, University of London, Bd. 56) Tübingen 1996, S. 295–307. – Zum Musizieren und Tanzen in St. Katharinental S. Folini 1999, S. 81. Einsiedeln, Stiftsbibliothek, Klosterarchiv, KA I/4, 7 44 12. – Müller 1971. – Meyer 1995, S. 28– 37, insbes. 36. – Folini 1999, S. 23–36.
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Dokument spielt eine wichtige Rolle bei der zeitlichen Einordnung der in den Handschriften namentlich bezeichneten Dominikanerinnen. 4.8.2 Zum St. Katharinentaler Skriptorium und möglichen anderen entstehungsorten Ein Skriptorium ist für das Dominikanerinnenkloster in den Schrift- oder Bildquellen bisher nicht belegt. Die dichte Überlieferungssituation hat immer wieder zu Diskussionen über die Existenz eines klostereigenen Skriptoriums geführt. A. Bruckner stellte in der Reihe «Scriptoria Medii Aevi Helvetica» die Überreste der Bibliothek und des Archivs zusammen und meinte: «Man hat in St. Katharinental gerne und oft geschrieben und so sind wir in der Lage, an einem nicht unbedeutenden Material wiederum Frauenhandschriften des Mittelalters zu studieren.»93 Bei der bisher ältesten Katharinentaler Handschrift, der Sammelhandschrift Rh. 99b in der Zentralbibliothek Zürich aus dem 13. Jahrhundert, geht K. Schneider davon aus, dass sie in St. Katharinental geschrieben wurde. Der dritte Teil der Handschrift, die Auslegung der Augustinus-Regel des Hugo von St. Victor in deutscher Übersetzung, wurde ihrer Einschätzung nach um 1300 geschrieben.94 Bei der Bearbeitung im Rahmen der Faksimilierung des Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) stellten sich eindringlich die folgenden Fragen: Gab es ein klostereigenes Skriptorium? Was wurde dort geschrieben? Wurde gemalt und/oder gezeichnet? Und ist es denkbar, dass dort auch Handschriften in der Art des St. Katharinentaler Graduale, das Hauptwerk der hier zur Diskussion stehenden Gruppe, hergestellt worden sind? P. Ladner, der das Graduale einer codicologischen Untersuchung unterzog, bezeichnete das Schreiben der Gesangstexte als hohe skriptorische Leistung. Angesichts des ungenügenden Forschungsstandes äusserte er sich über eine Entstehung in St. Katharinental vorsichtig. Mit Blick auf das Nürnberger Graduale und die vatikanischen Manuskripte meinte er abschliessend: «... bestärkt den Eindruck, dass die Dominikanerinnen von St. Katharinental über ein leistungsfähiges Skriptorium verfügt haben dürften.»95 Neben der vermuteten Leistungsfähigkeit des Skriptoriums liessen ihn die Abschreibefehler an Schreibende denken, die das Lateinische nicht vollkommen beherrschten. Dies würde seiner Meinung für ein Nonnenskriptorium sprechen.96 93 94 95 96
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Bruckner 1964, S. 62–71. Zu mittelalterlichen Frauenhandschriften nahm er Stellung in: Bruckner 1957. – Bruckner 1971. Schneider 1987 bis, S. 250–252. – Zur Handschrift Rh. 99b: Mohlberg 1952, Nr. 468, S. 207– 208, 390. – Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 813–814. Ladner 1983, S. 297. Ladner 1983, S. 297. – Bruckner 1964, S. 64–65, hielt es, aufgrund des chronikalischen Eintrags, für möglich, dass die Handschrift in St. Katharinental geschrieben wurde. Zu diesem kontrovers beurteilten Eintrag S. Kat.-Nr. 34.
Die Schaffung der buchkünstlerischen Ausstattung im Skriptorium von St. Katharinental hielt E. J. Beer aus mehreren Gründen für ausgeschlossen. Sie unterstrich das erstaunlich hohe künstlerische Niveau der Miniaturen und der Fleuronnée-Initialen sowie die ungewöhnliche Ikonographie. Deren Konzeptverfasser müssten ihrer Meinung nach über genaue Kenntnisse der Sakralikonographie und der Mystik verfügt haben und zudem fähig gewesen sein, die klosterspezifischen Kultbedürfnisse in die Bilder einfliessen zu lassen. Sie charakterisierte den Konzeptverfasser mit den folgenden sehr treffenden Worten: «Gerade diese über allem waltende, selbst die Formgebung durchdringende geistige Kraft, in der sich profunde theologische Kenntnisse mit mystischem Gedankengut paart, kann weder aus dem still-beschaulichen St. Katharinenthal noch aus einer Laienwerkstatt hervorgegangen sein.» Nach Überlegungen, ob er auch als Künstler gewirkt hat, schreibt sie weiter: «[...] liturgische Feinheiten sind ihm beispielsweise so vertraut, dass sie mitunter bildhafte Gestalt gewinnen (foll. 3v, 21r), und der gefühlsinnigen, von Visionen heimgesuchten mystischen Welt der Schwestern steht er so beziehungsreich nahe, dass sie sich aufs lieblichste in seinem Konzept spiegelt. Das gesamte Werk ist bis in den Figurenstil hinein so ganz von einem einheitlichen, auf Gottesminne und Imitation Christi ausgerichteten Wesen erfüllt, lehrhaft und von ‹minnenklicher suszi›, wie eine sprachgewaltige deutsche Predigt.»97 Angesichts dieser Prämissen entwarf E. J. Beer zwei Szenarien: Entweder waren Konstanzer Dominikaner, die für die cura monialium (Nonnenseelsorge) von St. Katharinental zuständig waren, für die Konzeption und Umsetzung des Buchschmucks verantwortlich gewesen, oder ein weltliches Atelier in Konstanz schuf nach Vorgaben der Dominikaner das hoch bedeutende Werk.98 Eine auf zwei Werkstätten aufgeteilte Herstellung wäre denkbar und wurde auch schon bei anderen Handschriften dieser Zeit vorgeschlagen.99 Es ist davon auszugehen, dass dadurch die Herstellung der Handschrift – eine an und für sich schon komplexe Aufgabe – nicht gerade einfach zu bewerkstelligen gewesen wäre; zumal beim St. Katharinentaler Graduale, wo noch eine Planänderung dazu gekommen ist, die sich im unausgewogenen Layout und den übermalten Fleuronnée-Initialen ausdrückt. A. Knoepfli ging in Anlehnung an A. Bruckner, P. Ladner und E. J. Beer von einem leistungsfähigen Skriptoriumsbetrieb aus. Er argumentierte dabei mit dem hohen Stellenwert der Schreib- und Maltätigkeit in Frauenklöstern – wie dies für das Domini97 98 99
Beer 1983, S. 190. Beer 1983, S. 188–190. Suckale 1987, S. 84, schreibt zum Lektionar aus dem Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz in Regensburg, heute in Oxford: «Die Trennung zwischen Schreibern und Illuminatoren ist deutlich. Geschrieben wurde das Werk wohl von den Nonnen selbst. [...] Von den Malern wurden neben den Bildern auch die grösseren Initialen ausgeführt.» Und er führt zwei weitere Beispiele mit einem Schreiberinnen-Kolophon an (Suckale 1987, Kat.-Nr. 63, 73).
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kanerinnenkloster Oetenbach im Schwesternbuch belegt sei. Gleichzeitig stufte er die künstlerischen Fähigkeiten der Schwestern als gering ein: «Einfachere, derbere Filigrane und anspruchslosere Deckfarbeninitialen dürfen den Schwesterhänden durchaus zugetraut werden, nicht aber die ornamentale und besonders die figürlich hochrangige Kunst, welche die Ausstattung unserer Pracht-Codices auszeichnet».100 Folglich übernahm er die von E. J. Beer und P. Ladner entworfene Hypothese von einer auf zwei Werkstätten aufgeteilten Produktion des St. Katharinentaler Graduale. In der zusammenfassenden Darstellung in der Reihe «Helvetia Sacra» geht E. Eugster ohne weiteren Zweifel von einem regen Skriptoriumsbetrieb und von der dortigen Entstehung der hier zur Diskussion stehenden Codices aus.101 Folgendes Bild vom Skriptoriumsbetrieb in St. Katharinental in der zweiten Hälfte des 13. und des beginnenden 14. Jahrhunderts scheint sich abzuzeichnen: Von einer regen Schreibtätigkeit im Bereich der Verwaltung zeugen die umfangreichen mittelalterlichen Archivbestände.102 Offensichtlich setzte diese Tätigkeit mit der Klostergründung im Jahre 1242 ein und wurde entsprechend gepflegt. Die oben besprochene Berliner Handschrift des St. Katharinentaler Schwesternbuches stellt – wie die parallelen Werke der Dominikanerinnenklöster Oetenbach und Töss – ein eindrücklicher Zeuge der schriftstellerischen Tätigkeit der Schwestern dar. Bei den hier zur Diskussion stehenden Prachtcodices zeichnet sich angesichts des Handschriftenstemmas, des Stils und der personellen Verknüpfungen deutlich ab, welch komplexes und aufwändiges Unternehmen die Anfertigung solcher Handschriften darstellt. Bei den Hauptetappen der Buchproduktion – wie Finanzierung, Text- und Bildkonzeption und eigentliche Herstellung – sind immer mehrere Akteure beteiligt, darunter mit Bestimmtheit auch die Dominikanerinnen von St. Katharinental. Beim Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) und dem zweibändigen Antiphonar in Rom (Kat.-Nr. 19, 20), die durch eine gemeinsame Werkstatt-Tradition verbunden sind und deren Eigenheiten teilweise auf das St. Katharinentaler Graduale vorausweisen, verdichten sich die Hinweise, dass sie in Zürich geschaffen wurden. Ein Argument stellt die Stilverwandtschaft der figürlichen Deckfarbenmalereien mit den Wandmalereien der ehem. Marienkapelle des Grossmünsters, insbesondere mit der Stilstufe der Nikolauslegende, dar. Dieser Sachverhalt wird in Kapitel 6 ausführlich besprochen. Ein zweites, gewichtigeres Argument, die engen Bezüge der Fleuronnée-Initialen zur «Zürcher Gruppe», wurde im Abschnitt 4.6. behandelt. Waren möglicherweise für die Beauftragung eines Zürcher Ateliers die Beziehungen der St. Katharinentaler
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Knoepfli 1983, S. 64 und in Knoepfli 1989, S. 165. Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 785. 102 Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 785, 809–813. 101
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Schwestern zu den Zürcher Dominikanern entscheidend?103Mit einer möglichen Lokalisierung des Nürnberger Graduale und dessen Tochterhandschriften (Codd. Vat. lat. 10771/10772) nach Zürich würde die von E. J. Beer und P. Ladner entworfene Vorstellung über die auf zwei Werkstätten aufgeteilte Herstellung des St. Katharinentaler Graduales stark in Frage gestellt. Denn damit entfällt die hypothetische Prämisse, dass die Anfertigung des Nürnberger Graduale und eventuell auch der Vatikanischen Codices für die Existenz eines klostereigenen und leistungsfähigen Skriptoriums sprechen würde und dieses demzufolge über die nötigen Kapazitäten für die anspruchsvolle Anfertigung des St. Katharinentaler Graduales verfügt hätte. Die von P. Ladner als weiteres Argument angeführten Abschreibefehler könnten auch auf eine weltliche Schreibwerkstatt hindeuten. Es wäre denkbar, dass nicht nur die Miniaturen – wie von E. J. Beer vorgeschlagen –, sondern auch der Text in einer weltlichen Werkstatt angefertigt wurde. Unabdingbar wäre auch in diesem Fall die Mitarbeit – zumindest bei der Konzeption – von Ordensangehörigen, denn nicht nur das Bildprogramm, sondern auch die Gesangstexte, insbesondere das Sequentiar, weisen Eigenheiten auf, die umfassende Kenntnisse über liturgische, auch seltene Texte und Gesänge, voraussetzen (s. Abschnitt 4.3.1.). Für die Produktion in einem weltlichen Atelier würden auch die Bevorzugung des dominikanischen Ordens von solchen Ateliers bei der Buchbeschaffung (s. Kapitel 3) und die Stilverwandtschaft mit einer jüdischen Handschrift sprechen (s. Kapitel 6). Die Frage, wo denn diese Werkstatt allenfalls zu situieren wäre, kann beim jetzigen Stand der Forschung nicht beantwortet werden. Wie das obige Stemma verdeutlicht, ist das St. Katharinentaler Graduale in ein dichtes Beziehungsgeflecht mit verschiedenen anderen Handschriften eingebunden. Diese Handschriften haben mit ihren vielen charakteristischen Elementen in direkter Art Vorlagefunktion für das Graduale von St. Katharinental gehabt (Gesangstexte, Ikonographie, formale Gestaltung von Initialen, Figurenstil). Bei diesen Handschriften gibt es mehrere Argumente, die für eine Entstehung in Zürich sprechen. Beim Antiphonar Cod. Vat. lat. 10770, das in vielfältiger Weise mit der zweibändigen Antiphonarhandschrift (Codd. Vat. lat. 10771/10772) verknüpft ist, ist nicht die Vorlagefunktion für das enge Verhältnis zum St. Katharinentaler Graduale bestimmend, sondern das in derselben Werkstatt kalligraphierte Fleuronnée. Wie in den Abschnitten 4.4.3 und 4.6. dargelegt, lässt sich dieser Buchschmuck der Handschriftengruppe um die Engelberger «Bibly» zuordnen.104 Ein Vorschlag für die Verortung dieser Werkstatt gibt es bisher nicht. Es ist anzunehmen, dass eine erneute Sichtung dieser Handschriftengruppe unter Einbezug der stilverwandten jüdischen Handschrift (Abschnitt 6.5), 103 104
Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 784. Beer 1959, S. 13ff. – Beer 1986, S. 196–202. – Augustyn/Jakobi-Mirwald/Sauer/Roland 1996/1997, Sp. 1164–1166.
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unter dem besonderen Aspekt des Fleuronnée und unter Berücksichtigung neuerer Forschungsresultate ebenso aufschlussreich wäre wie bei der «Zürcher Gruppe», und dass auf diesem Weg neue Erkenntnisse zum Entstehungsort des St. Katharinentaler Graduale gewonnen würden.105 Eine vermutlich in Konstanz für das Benediktinerkloster Weingarten hergestellte Gruppe von Handschriften weist ein andersartiges Fleuronnée auf.106 Der im Graduale vorgetragene Figurenstil wurde von der bisherigen Forschung mit seltener Einmütigkeit dem konstanzischen Stilkreis zugeordnet. Diese Einordnung stützte sich vor allem auf die Gegenüberstellung mit Werken der Wand- wie Glasmalerei und der Plastik ab, etwa mit dem Märtyrerzyklus der Konstanzer Dominikanerkirche oder den Skulpturen der Konstanzer Heinrichswerkstatt.107 In der um 1300 blühenden Handelsstadt mit Bischofssitz und einem wichtigen Dominikanerkloster dürfte es eine bedeutende Buchproduktion gegeben haben, nur ist diese kaum erforscht, was in der Überlieferungssituation begründet sein mag.108 Die wohl reichen Bestände des Archivs wie die der Bibliothek des Dominikanerklosters sind nahezu vollständig verloren.109 Das erhalten gebliebene Schatz- und Bücherverzeichnis des Konstanzer Doms von 1343 führt eindrücklich vor Augen über welch reiche Bestände die Dombibliothek zu diesem Zeitpunkt verfügt haben muss. Die darin aufgelisteten 200 Handschriften gingen im Jahre 1630 durch Verkauf an das Benediktinerkloster Weingarten, weil im freiwerdenden Raum eine Trinkstube eingerichtet werden sollte.110 Von Weingarten gelangten die Handschriften in die Bibliotheken von Stuttgart, Fulda und an anderen Orten. Zwei Handschriften der «Zürcher Gruppe» sind ebenfalls diesen Weg gegangen (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB VI 64, Kat.-Nr. 3, und Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB XIV 23, Kat.-Nr. 27). Bei der Weingartner Liederhandschrift (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB XIII 1) wird – wie beim Graduale von St. Katharinental – infolge von Stilvergleichen mit Konstanzer Wandmalereien eine Anfertigung in Konstanz angenommen, womit die grosse künstlerische Bandbreite der Konstanzer Buchmalerei umrissen wäre.
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Augustyn/Jakobi-Mirwald/Sauer/Roland 1996/1997, Sp. 1164–1166, erste Revision der Gruppeneinteilung von Beer. 106 Augustyn/Jakobi-Mirwald/Sauer/Roland 1996/1997, Sp. 1165. – Sauer 1997, S. 97–108. 107 Beer 1983, S. 203–224. 108 MOSER, Eva (Hrsg.) im Auftrag des Bodenseekreises: Buchmalerei im Bodenseeraum 13. bis 16. Jahrhundert. Friedrichshafen 1997. – Sauer 1996, S. 26–27. – Klemm 1998, S. 210–212. 109 TREPKAS, Ulrike: Artikel «Konstanz». In: Helvetia Sacra, Abteilung IV, Bd. 5. Die Dominikaner und Dominikanerinnen in der Schweiz, redigiert von Petra Zimmer. Basel, 1999, S. 399. 110 Kat. «Unberechenbare Zinsen», Nr. 39, S. 134.
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5. Bemerkungen zur Ikonographie 5.1 Singuläre Bildthemen in den liturgischen Handschriften Hinsichtlich der Ikonographie treffen wir beim vorliegenden Handschriftenbestand oftmals auf ungewöhnliche, ja sogar singuläre Themen. Einen besonders reichen ikonographischen Schatz enthält das Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34, S. auch Kapitel 7). Es seien vorläufig nur die singulären Bildthemen genannt: Auf fol. 159v erscheint die Dominikanerin Katharina von Radegge ausgezeichnet mit einem Nimbus; dieselbe folgt in einer anderen Miniatur Dominikus auf der Himmelsleiter (fol. 261r); Katharina von Hernazzen, eine andere Konventsangehörige, wird von Dominikus gekrönt (fol. 263r); eine weitere Initialminiatur zeigt den hl. Bernhard von Clairvaux und Maria, die mit ihrem Mantel einen nimbierten Dominikaner (Dominikus?) einhüllt (fol. 189v); zum Fest von Mariä Himmelfahrt halten Christus und Maria eine Krone über eine bereits gekrönte und nimbierte Frauengestalt (Krönung der minnenden Seele?) (fol. 188r). Für die Deutung des letztgenannten Beispiels wurde mystische Literatur, im Speziellen die Offenbarungen Mechthilds von Magdeburg, herangezogen. Damit ist eine wichtige Quelle für eine Vielzahl von aussergewöhnlichen Bildthemen angesprochen. Der Ober- und Hochrhein gilt als ein Zentrum der Mystik, insbesondere der Frauenmystik. Hier wirkten die drei grossen dominikanischen Mystiker Meister Eckhart (1260–1328), Johannes Tauler (gest. 1361) und Heinrich Seuse (gest. 1366).1 Seltene Bildthemen überliefern auch einige der elf Fragmente aus einer Antiphonarhandschrift, so das Pariser Fragment mit einer Szenenfolge zu Johannes dem Evangelisten (Kat.-Nr. 22 f). Auf einem weiteren ist die Berufung des Isaias in Kombination mit Lukas, der Maria porträtiert (Kat.-Nr. 22 i) dargestellt, und der in der Washingtoner Art Gallery aufbewahrte Blattausschnitt zeigt das Himmlische Jeru1
Es ist nicht möglich an dieser Stelle auf die Fülle von Werken einzugehen, die in den letzten Jahren zum Thema Mystik, insbesondere Frauenmystik, erschienen ist. Ich verweise auf die Bibliographie von JARON-LEWIS, G.: Bibliographie zur deutschen Frauenmystik des Mittelalters. Berlin 1989. Zur Frauenmystik am Ober- und Hochrhein: Kat. Mystik am Oberrhein. – LANCZKOWSKI, J./DINZELBACHER, P.: Frauenmystik. In: Wörterbuch der Mystik, S. 175–179. – DINZELBACHER, Peter: Deutsche Dominikanerinnen. In: Wörterbuch der Mystik, S. 105. – Zum Verhältnis Bildende Kunst und Mystik: DINZELBACHER, Peter: Bildende Kunst. In: Wörterbuch der Mystik, S. 59–61 (mit umfangreichen Literaturangaben). – VAVRA, E.: Bildmotiv und Frauenmystik – Funktion und Rezeption. In: DINZELBACHER, P. und BAUER, D. (Hrsg.): Frauenmystik im Mittelalter. Wissenschaftliche Studientagung der Akademie der Diözese Rottenburg – Stuttgart in Weingarten. Ostfildern bei Stuttgart 1985, S. 201–230.
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salem mit Maria-Ecclesia und Christus (Kat.-Nr. 22 h). Ein stilverwandtes Fragment aus einer Choralhandschrift hat die Gefangennahme des Einhorns zum Inhalt. Da die Miniatur wohl ein Marienfest illustriert hat, dürfte sie im christologisch-mariologischen Kontext stehen (Kat.-Nr. 23). Auch die in der Engelberger Stiftsbibliothek aufbewahrten Psalterien (Codd. 60, 61, 62 und 98) fallen durch aussergewöhnliche Bildthemen auf, beispielsweise das Jesuskind im Badewännchen (Cod. 60, fol. 70v)2, die Legende von den Lehmvögelchen3 sowie der fromme und der zerstreute Beter4 im Codex 62 (foll. 73v, 17r). 5.1.1 Maria als gekrönte bei der geburt Christi Gleich in sechs Handschriften aus dem ober- und hochrheinischen Raum trägt Maria bei der Geburtsdarstellung eine Krone und zeichnet sie als Himmelskönigin aus (Vatikanisches Graduale, Kat.-Nr. 1, fol. 14v; Bibel in Aarau, Kat.-Nr. 21, fol. 5v; St. Katharinentaler Graduale, Kat.-Nr. 34, fol. 18v; Codd. 60, fol. 7v, und 62, fol. 7v, in Engelberg, und London, Add. 22279, fol. 14r).5 Die Krone stellt in diesem Kontext ein ungewöhnliches Requisit dar, denn üblicherweise ist Maria erst am Dreikönigsfest – als Mutter des Christ-Königs – damit ausgestattet. Das älteste bisher bekannt gewordene Beispiel eines Weihnachtsbildes mit der Gekrönten ist im Vatikanischen Dominikaner-Graduale (Cod. Vat. lat. 10773, Kat.-Nr. 1), das um 1250 im oberrheinischen Raum geschaffen wurde, enthalten.6 Beim Motiv mit der gekrönten Maria in Weihnachtsbildern handelt es sich aber kaum um eine dominikanische Bildprägung. Es ist wohl eher auf die Zisterzienser zurückzuführen, welche die Marienverehrung seit dem 12. Jahrhundert stark förderten und pflegten.7 Zisterziensische Einflüsse prägten auch die frühe dominikanische Liturgie. Sie sind im erwähnten Vatikanischen Codex, der in der Frühzeit des dominikanischen Ordens entstand, gut fassbar.8 Wie oben bereits dargelegt wurde, lag die Handschrift seit der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts im Dominikanerinnenkloster von St. Katharinental und war eventuell bereits für dieses Kloster hergestellt worden. In diesem Fall wäre den Auftraggebern und Herstellern des Graduale von St. Katharinental die 2 3 4 5 6
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Marti 2002, S. 254–255, Taf. VIII. Marti 2002, Abb. 137. Marti 2002, S. 213–215, Taf. XV. Marti 2002, Taf. I, X und S. 271. Ein möglicherweise zeitgleiches Beispiel befindet sich in einem Würzburger Psalterium (in Privatbesitz). Dazu: KNAUS, H.: Diurnale der seligen Gertrud von Altenberg, Tochter der hl. Elisabeth. In: DETTWEILER, Frieda/KÖLLNER, HERBERT/RIEDL, Peter Anselm (Hrsg.). Studien zur Buchmalerei und Goldschmiedekunst des Mittelalters. Festschrift für Karl Hermann Usener zum 60. Geburtstag am 19. August 1965. Marburg a.d.Lahn 1967, 267–274. Beissel 1909. – Held 1987. Dirks 1979. – Sölch 1957. – Bonniwell 1945.
gekrönte Maria in der Geburtsdarstellung bereits vertraut gewesen. Aus dem gleichen Kunstkreis sind zwei weitere Beispiele aus anderen Kunstgattungen zu nennen, die das Motiv ebenfalls bringen: Ein Antependium vom Anfang des 14. Jahrhunderts aus dem Kloster Engelberg im St. Galler Textilmuseum9 und ein Kelch aus Sigmaringen, datiert um 1320, in der Walters Art Gallery in Baltimore10. Das Kronenmotiv trifft man noch in zwei niederrheinischen Handschriften an: im Oxforder Sermologium, das um 1320 datiert wird (Bodleian Library, Ms. Douce 185)11, und im Wettinger Graduale, das um 1330 entstand und in der Aargauischen Kantonsbibliothek zu Aarau (Ms. Wett. fol. max. 1–3)12 aufbewahrt wird. 5.1.2 Kreuzigung Christi durch die Tugenden Die Kreuzigung Christi durch die Tugenden ist lediglich in 25 bisher bekannt gewordenen Beispielen überliefert.13 Der Grundtypus dieser mystischen Bildallegorie zeigt jeweils Personifikationen der drei Tugenden (Patientia, Oboedientia, Humilitas), die Christus ans Kreuz nageln, und eine vierte (Caritas), die ihm mit der 9
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St. Gallen, Textilmuseum, Inv. Nr. 24091, ehem. Iklé 1198. Die Geburtsszene zeichnet sich zudem durch eine Kombination mit der Trinitätsdarstellung aus. Lit.: Textilsammlung Iklé, Industrie- und Gewerbemuseum St. Gallen, Katalog bearbeitet von Leopold IKLé, Adolf FÄH, Emil WILD. Zürich 1908, S. 227–228. – Katalog Mensch und Tier, Textilien aus sieben Jahrhunderten, Sammlung des Industrie- und Gewerbemuseums St. Gallen. St. Gallen 1975, S. 6–7. – SCHMEDDING, Brigitta: Mittelalterliche Textilien in Kirchen und Klöstern der Schweiz. Bern 1978, S. 208. – Kat. Mystik am Oberrhein, Nr. 67, S. 172–173. – WANNERJEANRICHARD, Anne: Antependien des 14. Jahrhunderts im Industrie- und Gewerbemuseum St. Gallen und die Königin Agnes von Ungarn. In: Textilkunst 1981, S. 23–26. – Katalog Alltag zur Sempacherzeit. Innerschweizer Lebensformen und Sachkultur im Spätmittelalter. Luzern 1986, S. 178–179. – WILCKENS, Leonie von: Die textilen Künste von der Spätantike bis um 1500. München 1991, S. 215–216. – Katalog edele frouwen – schoene man 1991, S. 264, Abb. 128. – Kessler 1999, S. 88. – Katalog Die Suche nach dem verlorenen Paradies. Europäische Kultur im Spiegel der Klöster. Niederösterreichische Landesausstellung 2000 in Melk, hrsg. von Elisabeth VAVRA, St. Pölten 2000, S. 546. – MARTI 2002, S. 182–183. – Kessler Loertscher, Cordula M.: Engelberger Antependium. In: Leopold Iklé – Ein leidenschaftlicher Sammler. Hrsg. Vom Textilmusuem St. Gallen, St Gallen 2002, S. 24–25. Heuser 1974, WK 65 a, S. 165–166. Vetter 1981, S. 64, 67, Abb. 7 und 17. – Beer 1983, S. 110–111. – OLIVER, Judith: The Walters Homilary and Westphalian Manuscripts. In: The Journal of the Walters Art Gallery 54 (1996), S. 69–85. – Wittwer 1995, S. 106, Anm. 3. Zuletzt Hoegger 1998, S. 345–356, mit ausführlichen Literaturangaben. Kraft 1976. – Die Engelberger Psalterien Codices 61 und 62 weisen je eine Tugendenkreuzigung auf (Cod. 61, fol. Iv; Cod. 62, fol. 12v). Sie bringen Varianten zum Grundtypus. Im Codex 61 wurde die Zahl der Tugenden um eine erweitert. Diese fünfte setzt Christus die Dornenkrone auf sein Haupt. Noch einmal um zwei Tugenden erweitert, zeigt die Miniatur im Cod. 62 eine, die Christus den mit Essig getränkten Schwamm hinhält, und eine weitere, die beim Annageln der Füsse Christi hilft. Dazu: Marti 2002, S. 210–211, Taf. XIII und XXIX.
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Lanze die Seite durchbohrt. Christus stellte am Kreuz seine Tugenden unter Beweis: Er verhielt sich gehorsam seinem Vater gegenüber (Oboedientia), mit Demut liess er den Spott der Juden über sich ergehen (Humilitas), ertrug geduldig sein Leiden (Patientia), und aus Liebe zu den Menschen nahm er den Opfertod auf sich (Caritas). Caritas, als höchste Tugend, führt den Lanzenstich aus. In dieser Funktion ist sie nicht mehr allein in ihrer ursprünglichen Charakterisierung als barmherzige Liebe zu interpretieren, sondern in Anlehnung an das Hohe Lied Salomonis als Caritas-Sponsa, die mit ihrer Eigenschaft als verwundende Liebe den Gekreuzigten tötet: «Vulnerasti cor meum soror mea sponsa vulnerasti cor meum...»14. Dies im Gegensatz zu Longinus, der die Seite Christi «nur» öffnet. Insofern ist die Darstellung der Caritas nur formal vom Longinus der historischen Kreuzigung ableitbar. Wichtigste Grundlage dieser Kreuzigungsallegorese stellt eine Predigt des hl. Bernhard von Clairvaux zu Ostern dar.15 Darin werden die Tugenden gedanklich mit dem Kreuzestod Christi in Verbindung gebracht. Das früheste Beispiel ist in einer Predigtsammlung Bernhards der Mitte des 13. Jahrhunderts aus dem Zisterzienserkloster Heisterbach überliefert und illustriert eben diese Predigt (Düsseldorf, Universitätsbibliothek, Hs. B 31). Die Predigt und ihre bildliche Umsetzung lagen im Trend der Zeit, die zur Allegorisierung neigte und so eine lehrhafte Bildsprache schuf. Bernhards Predigt fusst auf der Kirchenväterliteratur zur Interpretation von Eph. 3,18f. Als weitere wichtige Quellen für diese seltene und komplexe Bildallegorie sind mystische und scholastische Schriften anzusprechen, etwa der «Dialogus miraculorum» des Cäsarius von Heisterbach.16 Das für ein theologisch geschultes Publikum konzipierte, zisterziensisch geprägte Lehrbild führte dem Betrachtenden die imitatio christi vor Augen. Aus dem oberrheinischen Kunstkreis sind mit den Darstellungen im oben erwähnten Engelberger Codex 61 und in zwei weiteren Psalterien (Besançon, Bibliothèque muncipale, Ms. 54, fol. 15v; Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. Donaueschingen 185, bzw. St. Peter perg. 139, fol. 8r) drei der frühesten Beispiele, d. h. aus dem dritten Viertel des 13. Jahrhunderts, überliefert. Das zuletzt genannte Psalterium war aufgrund liturgischer Eigenheiten für ein dominikanisches Kloster der Diözese Strassburg bestimmt.17 Dies dürfte – wie beim Motiv «Gekrönte bei der Geburt Christi» – ein weiterer Hinweis auf die Orientierung der frühen dominikanischen Liturgie und Ordenskunst an der zisterziensischen sein. Das Glasfenster mit der Tugendenkreu14 15 16 17
86
Ct 4,9. Migne PL, Bd. 183, Sp. 263ff. STRANGE, Josef: Caesarii Heisterbacensis Monachi Ordinis Cisterciensis Dialogus Miraculorum. 2 Bde. Köln 1851. HEINZER, Felix/STAMM, Gerhard: Die Handschriften von St. Peter im Schwarzwald, 2. Teil: Die Pergamenthandschriften. (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe 10/2). Wiesbaden 1984, S. XXXII, 231–234.
zigung im norddeutschen Zisterzienserinnenkloster Wienhausen führt so deutlich wie kein anderes die «unio mystica» der Sponsa Christi vor Augen, indem Caritas Christus umarmt und gleichzeitig die Seite öffnet.18 5.1.3 Johannes der evangelist Das Thema der «unio mystica» wird im vorliegenden Handschriftenbestand durch die aussergewöhnlich umfangreichen und ikonographisch oft seltenen Darstellungen zu den Texten und Festformularen des Evangelisten Johannes vermittelt. In dieser Fülle manifestiert sich eine starke Verehrung Johannes des Evangelisten, der in der mystischen Bewegung, insbesondere im dominikanischen Orden, als Vertreter der «vita contemplativa» (kontemplative Lebensführung) – im Gegensatz zu Petrus, der die «vita activa» (aktive Lebensführung) vertritt – eine besonders wichtige Rolle spielte. Als solcher stellt er für die Bildrezipienten – in diesem Fall für Dominikaner und Dominikanerinnen – ein wichtiges Vorbild dar und wird für sie zum Vermittler der angestrebten Schau, der «visio», und der «unio mystica» (mystische Vereinigung der Seele) mit Christus. Handschrift
Text
Bildthema
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773, fol. 106r (Kat.-Nr. 1)
Introitus des Joh.-Festes: «In medio ecclesie»
Randzeichnung Joh. Ev. mit der knienden Margarethe Pfefferhartin
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773, fol. 186r (Kat.-Nr. 1)
rhythmische Antiphon zum Fest Joh. Ev.
Randzeichnung: Joh. Ev.
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773, fol. 190v (Kat.-Nr. 1)
Joh.-Strophe der Apostelsequenz
Randzeichnung: Joh. Ev.
Aarau, Kantonsbibliothek, Ms. WettF2, fol. 176r (Kat.-Nr. 21)
3. Joh.-Brief
Christus-Joh.-Gruppe im Kontext des Letzten Abendmahls (Joh. mit geschlossenen Augen, keine «dextrarum iunctio»)
Nürnberg, GNM, Hs. 21897, fol. 146r (Kat.-Nr. 18)
Introitus des Joh.-Festes: «In medio ecclesie»
Medailloninitiale: - Joh. als Autor - Adler, der an der Brust Christi «trinkt»
Nürnberg, GNM, Hs. 21897, fol. 219v (Kat.-Nr. 18)
Johannes-Sequenz «Verbum dei deo natum»
Joh. zelebriert die Messe vor seiner Selbstbestattung
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771, fol. 188v (Kat.-Nr. 19)
Antiphon zum Joh.-Fest: »Valde honorandus est«
Christus-Joh.-Gruppe (Joh. mit geschlossenen Augen, keine «dextrarum iunctio»)
18
Hamburger 1998, S. 121–124.
87
Handschrift
Text
Bildthema
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771, fol. 189v (Kat.-Nr. 19)
1. Responsorium der 1. Nokturn des Joh.-Festes: «Valde honorandus est»
Jungenprobe
Paris, Musée Marmottan (Kat.-Nr. 22 d)
Text unbekannt
Szenenfolge zu Joh.
Österreich, Privatsammlung (Kat.-Nr. 22 e)
1. Responsorium der 1. Nokturn des Joh.-Festes «Valde honorandus»
Christus-Joh.-Gruppe im Kontext des Letzten Abendmales (Joh. mit geschlossenen Augen, keine «dextraum iunctio»)
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 16v (Kat.-Nr. 34)
Introitus zur ersten Weihnachtsmesse: «Dominus dixit»
Joh. als Seher
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 154r (Kat.-Nr. 34)
Joh.-Strophe der Apostelsequenz Joh. und vor ihm kniende Dominikanerin
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 158v (Kat.-Nr. 34)
Introitus des Joh.-Festes: «In medio ecclesie»
Szenen aus dem Leben des Ev. Joh.
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 158v (Kat.-Nr. 34)
Vers des Joh.-Festes: «Jocunditatem»
stehender Joh.
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 158 a v (Kat.-Nr. 34)
Joh.-Fest: «Alleluia. Hic es discipulus ille»
2 Szenen: - Christus-Joh.-Gruppe: (offene Augen, keine «dextrarum iunctio») - Maria-Ecclesia/Joh.
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 158a v–161r (Kat.-Nr. 34)
Johannessequenz: «Verbum dei deo natum»
23 historisierte Initialminiaturen, u. a. Christus-Joh.-Gruppe (geschlossene Augen, «dextrarum iunctio»?)
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 161r (Kat.-Nr. 34)
Versus des Joh.-Festes: «Hic es discipulus ille»
Christus im Gespräch mit Joh. und Petrus
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 161v (Kat.-Nr. 34)
Offertorium des Joh.-Festes: «Iustus ut palma florebit»
4 Szenen in Medaillons zu Tod und Verklärung des Joh.
Zürich, SLM/Frauenfeld, MKT, LM 26117, fol. 161v (Kat.-Nr. 34)
Communio des Joh.-Festes: «Exiit sermo»
2 Szenen zum Tod des Joh.
Schweiz, Privatsammlung (Kat.Nr. 38 c)
Text nicht eindeutig bestimmbar
Christus-Joh.-Gruppe (Joh. mit geschlossenen Augen, keine «dextrarum iunctio»)
Paris, BN, Estampes, Ad 152g, pl. 843 (Kat.-Nr. 39 a)
Responsorium zumJoh.-Fest: «Qui vicerit faciam illum»
Christus-Joh.-Gruppe (Joh. mit geschlossenen Augen, mit «dextrarum iunctio»)
Karlsruhe, Bad. LB, Cod. Aug. perg. 90, fol. 58v (Kat.-Nr. 41)
Argumentum des Joh.-Ev.: «Johannes evangelista»
Johannesmajestas
Karlsruhe, Bad. LB, Cod. Aug. perg. 90, fol. 59r (Kat.-Nr. 41)
Joh.-Ev.: «In principio erat verbum»
Johannes mit betender Zisterziensernonne
88
Eines der zentralsten Bildthemen, die Darstellung des an der Brust Christi ruhenden Evangelisten Johannes, soll eingehender betrachtet werden.19 Die Bildformel enthält vielfältige Bezüge zur Johannesvita und fusst auf dem bereits in den Schriften des Origenes ausgeführten theologischen Gedankengut. Je nach Kontext variiert das Schwergewicht der Bildaussage erheblich. Die Betrachtung geht vom Beispiel in der Vatikanischen Antiphonarhandschrift Vat. lat. 10771 (Kat.-Nr. 19) aus, wo die Initialminiatur mit der Christus-Johannes-Gruppe in kongenialer Weise den Text zum Fest des Evangelisten Johannes illustriert: «Valde honorandus est beatus Johannes qui supra pectus domini in cena recubuit... Johannes apostolus et evangelista virgo est electus a domino atque inter ceteros magis dilectus. Supra pectus domini Jhesu recumbens evangelii fluenta de ipso sacro dominici pectoris fonte potavit... Valde honorandus est Johannes qui supra pectus domini recubuit. Cui christus in cruce matrem virginem virgini amendavit... Hic est discipulus qui testimonium perhibet de hiis et scripsit hec et scimus quia verum est testimonium eius. Fluenta evangelii de ipso sacro dominici pectoris fonte potavit...Diligebat autem eum jhesus quoniam specialis praerogativa castitatis ampliori dilectione fecerat dignum quia virgo electus ab ipso virgo in evum permansit.» (foll. 188v–191v) Das theologische Konzept der Bildformel «Supra pectus domini Jhesu recumbens evangelii fluenta de ipso sacro dominici pectoris fonte potavit» ist erstmals bei Origenes schriftlich bezeugt.20 Origenes verknüpfte den Abendmahlsbericht (Joh. 13, 25–23) mit einer weiteren Textstelle im Johannesevangelium (Joh. 7,37 und 38), in der Christus die Dürstenden dazu auffordert, zu ihm, dem Quell des Lebens, zu kommen. Durch diese Verbindung konnte die Quelle des Lebens, aus der Johannes trinkt, als «fluenta evangelii» (Ströme der Frohen Botschaft Christi) interpretiert werden. Sie offenbaren ihm die himmlischen Geheimnisse («...cui relevata sunt secreta coelestia...»), die er im Evangelium und in der Apokalypse niederschrieb. Entscheidend ist zudem, dass Origenes die Brust des Herrn mit der Braut des Hohenliedes (Cant. 1,1) gleichsetzte.21 Darauf basiert die Idee der Jungfräulichkeit des Evangelisten («virgo est electus...») und dessen «familiaritas» (familiäre Vertrautheit) mit Christus.
19
20
21
Literatur zum Thema Christus-Johannes-Gruppe: Swarzenski 1935. – Wentzel 1944. – Wentzel 1952. – Wentzel 1959. – Wentzel 1960. – Wentzel 1964. – Haussherr 1964. – Coo de 1969. – Coo de 1970. – Haussherr 1974. – Haussherr 1975. – Greenhill 1971. – Vetter 1978. – Suckale 1985. – Zimmer 1990. – Kaiser 1994. – Kessler 1994. – Wehrli-Johns 1995. Rahner 1931, konnte die bei Origenes bereits voll ausgebildete Gedankenverbindung auf die Vorstellung von Johannes als der Prophet des Neuen Bundes und den in der jüdischen Theologie ausgebildeten Gedanken von Christus als Quell des Lebens d. h. der Evangelien zurückverfolgen. Rahner 1931, S. 105, Anm. 6: Zitate aus den Kommentaren des Origenes.
89
Die Exegese des Origenes wurde von den Kirchenvätern aufgenommen, weitertradiert, etwa in den Prologen zum Johannesevangelium22, und findet ihren Niederschlag in der römischen Liturgie. Im Frühmittelalter findet das Gedankengut des Origenes Eingang in die Homiletik und die Hohenliedkommentare.23 Ein weiteres wichtiges Motiv, das bisher noch nicht erwähnt wurde, ist die Berufung des Johannes anlässlich der Hochzeit zu Kanaa, wie es im Prolog des Hieronymus zum Johannes-Evangelium sowie einer Homilie des Beda Venerabilis zum Fest des Johannes zum Ausdruck kommt.24 In diesem Kontext steht das älteste bisher bekannt gewordene Beispiel in einer um 1160 in der Diözese Salzburg entstandenen Admonter Handschrift mit den Orationes Anselms von Canterbury. Im selben Bildfeld ist dargestellt, wie Johannes seine Braut verlässt und dann an der Brust Christi ruht. Die Illustration ist mit einer Rahmeninschrift versehen, die als Hymnus des St. Galler Mönchs Notker I (um 840–912), auch Notker Balbulus genannt, identifiziert werden konnte.25 Dies ist in der Regel der Kontext der zahlreichen ChristusJohannes-Gruppen in der Buchmalerei, die seit dem 13. Jahrhundert als Autorenbilder die Johannestexte illustrieren.26 Bestimmende Bildmotive der Christus-Johannes-Gruppen sind das Ruhen an der Brust und die Umarmung.27 Sie werden bei den jüngeren, vor allem den plastischen Beispielen noch durch die «dextrarum iunctio» ergänzt.28 22
23 24
25 26
27
28
90
Prolog «Plures fuisse» des Hieronymus zu den Evangelien: «Ultimus Johannes apostolus et evangelista, quem Jesus amavit plurimum, qui super pectus domini recumbens purissima doctrinarum fluenta potavit.» Ausführlich zu den Quellen: Haussherr 1974. – Haussherr 1975, S. 87–92. – Greenhill 1971, ausführlich zu den mittelalterlichen Quellen. Migne PL, Bd. 94, Sp. 494: «... et fecit ibi vinum dominus de aqua, et sanctificavit nuptias, et Joannem de nuptiis, et ipse reliquit conjugem, et secutus est eum. et propter hac amavit eum Jesus plus discipulis... Postea qero nocte illa in qua fuit traditus, dormavit beatus Johannes in sinu illius, et vidit secreta caelestia, quae postea scripsit...» Zitiert nach Greenhill 1971, S. 409. Pächt 1956: Hymnus Notkers: «Tu leve coniugis/pectus repusisti/Messiam secutus/ut eius/ sacra meruisses/fluenta potare.» Haussherr 1964 stellte zwei Beispiele aus Bible-moralisée-Handschriften vor, die nicht im skizzierten Kontext stehen, sondern die als typologische Gegenüberstellungen zum Motiv «Jakob schläft auf dem Stein» gebracht werden. Die Handschriften sind in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Frankreich entstanden. Zu den Bildmotiven: Haussherr 1975, S. 92–97. – Zum Umarmungsmotiv: Haussherr 1975, S. 93–94, nach Cant. 2,6: «Sinistra eius sub capite meo, et dextra eius complexabitur me». Verbindung der rechten Hände zweier Personen. Laut LCI der aus dem altrömischen Recht stammende Gestus der Form der Eheschliessung. HOLL, O.: Handgebärden, in: LCI, Bd. 2, Sp. 215. – Auf diesen Zusammenhang hat auch Haussherr 1975, S. 96 hingewiesen. Wie Wehrli-Johns 1995, Anm. 112 jedoch richtigerweise festgestellt hat, konnte das Motiv der dextrarum iunctio noch nicht befriedigend erklärt werden. Auch der Versuch von P. Zimmer,
Im ihrem Beitrag «Das Selbstverständnis des Predigerordens im Graduale von St. Katharinental. Ein Beitrag zur Deutung der Christus-Johannes-Gruppe» zog die Autorin M. Wehrli-Johns die Kommentare zum Johannesevangelium von Albert dem Grossen und von Thomas von Aquin für die Interpretation der Johannesdarstellungen heran und erzielte damit fruchtbare Ergebnisse.29 Wie die Autorin darlegte, vereinigen die vor dem Hintergrund des Pariser Mendikantenstreites entstandenen Kommentare «die dominikanische Auffassung des ‹contemplata aliis tradere›30 mit der Intellektlehre und bildet aus diesem Grund die Basis für das Selbstverständnis des Ordens und dessen Umsetzung in die Ordenspraxis.»31 Wegen der umstrittenen Bettelarmut vertritt Thomas das Ideal der Vita mixta (predigen, lehren, betteln).32 Sowohl Albert als auch Thomas beschreiben Johannes den Evangelisten in ihren Prologen als Vorbild für das kontemplativ-aktive Leben und legen darin ihr Kontemplationsverständnis dar. Dabei greifen beide auf das oben ausgeführte Gedankengut zurück, und Albert setzt Johannes mit dem Adler und dessen Fähigkeiten gleich, während Thomas «den Akt der kontemplativen Gotteserkenntnis des Johannes» mit dem Bild Is 6,1: «Vidi Dominum sedentem super solium exelsum et elevatum» ausdrückt.33 Das Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) enthält zwei Christus-JohannesGruppen: eine so genannt grosse (fol. 158va) und eine kleine (fol. 161r). Die grössere wurde bisher als Autorenbild interpretiert, da gleich darunter mit der Darstellung des Apokalyptischen Weibes («Mulier amicta sole») die visuelle Umsetzung von Apokalypse 12,1 folgt.34 M. Wehrli-Johns unterscheidet i.S. von Albert und Thomas zwei Gruppen. Die eine – sie nennt sie Christus-Johannes-Gruppe I – zeichnet sich im Wesentlichen dadurch aus, dass «Johannes bzw. der Adler ‹sehend›, mit geöffneten Augen dargestellt» ist. Johannes bzw. der Adler werden den Rezipientinnen als Vorbild für das kontemplative Leben und als Vermittler der kontemplativen Gotteserkenntnis im Sinne der Intellekttheorie vor Augen geführt.35 Zur zweiten Gruppe, von M. Wehrli-Johns Abendmahlsgruppe II genannt, gehört die so genannte kleine Christus-Johannes-Gruppe des Graduale von
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das Motiv von der Ikonographie der Heimsuchung herzuleiten, überzeugt nicht. S. Zimmer 1990, S. 115–118. Wehrli-Johns 1995. – Hinweis auf den Kommentar zum Evangelium des Johannes bei Haussherr 1975, S. 94–95, i.Z. mit dem Motiv des Schlafens. Thomasische Formel für das Kontemplationsverständnis der Dominikaner. Wehli-Johns 1995, S. 245. Wehrli-Johns 1995, S. 242–245. Wehrli-Johns 1995, S. 246–258. Beer 1983, S. 136–138, 176–177. Wehrli-Johns 1995, S. 260–263.
91
St. Katharinental. Sie illustriert den Schlussvers «Veri panem» der Johannessequenz «Verbum dei deo natum» und versinnbildlicht die durch die Eucharistie erlangte Gotteserkenntnis.36 Die in der Christus-Johannes-Gruppe I enthaltene Aussage wurde offenbar variantenreich in die Bildsprache umgesetzt.37 Im oben bereits erwähnten Vatikanischen Codex (Kat.-Nr. 19) wird der Festtag des Johannes (27. Dezember) nicht nur mit einer Christus-Johannes-Gruppe illustriert, sondern kombiniert mit der Darstellung der so genannten Jungenprobe.38 Die Jungenprobe basiert auf der bis zu Plinius zurückreichenden Vorstellung, dass der Adler die Fähigkeit besitzt, in die Sonne zu schauen, ohne dabei zu erblinden.39 Von seinen Jungen zieht er nur diejenigen auf, die beim Blick in die Sonne nicht erblinden. Auf der Miniatur schauen der Adler sowie die Jungen in die Sonne. Sie sind wie Johannes der höchsten Schau würdig. In diesem Kontext stellt die Jungenprobe eine Metapher für die himmlische Vision dar, die neben der «unio mystica» (mystische Vereinigung der Seele mit Gott) eines der Ziele der mystischen Übung ist.40 Bisher habe ich die Miniatur in Verbindung gebracht mit einem Passus im Hohenliedkommentar des Kölner Abtes Wolbero41, der das Ruhen des Johannes an der Brust Christi mit dem Adlerflug zur Sonne und der Schau der himmlischen Geheimnisse verknüpft und die Aussage der beiden Miniaturen in Worten ausdrückt: «... et in pectore tuo recumbendo dulcedinem uberum tuorum hauriens, ille, (inquam), coelestis aquila, in ipsa secreta tua pennis sanctae contemplationis volans, et in te 36
37 38 39 40 41
92
Wehrli-Johns 1995, S. 263–264. – Am Gründonnerstag beim Letzten Abendmahl setzte Christus die Eucharistie ein. – Zur Johannessequenz «Verbum dei deo natum»: AH, Bd. 55, Nr. 188, S. 211ff. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. Im Sequentiar des Nürnberger Graduale ist sie enthalten (Kat.-Nr. 18), und im St. Katharinentaler Graduale wurde sie sogar in das Messformular des Johannesfestes integriert. Dazu: Lütolf 1983, S. 263. – Ladner 1983, S. 314. – Wehrli-Johns 1995, S. 264. – Übersetzung ins Deutsche von R. Ruhstaller im Anschluss an den Beitrag von Lütolf 1983, S. 265–268. – Zimmer 1990, S. 106–111, interpretiert die Christus-Johannes-Gruppen im St. Katharinentaler Graduale aufgrund dieser Sequenz und weist, wie Wehrli-Johns, auf die eucharistische Bedeutung der Christus-Johannes-Gruppen, insbesondere der sog. kleinen im Graduale von St. Katharinental hin. – Die Johannessequenz wird im «St. Katharinentaler Schwesternbuch» mehrfach erwähnt und spielt in der Vita von Kathrin Brümsin eine grosse Rolle. Es enthält sogar eine vollständige Übertragung in die Volkssprache. Dazu: Meyer 1995, S. 124, 159–162, 256, 307–310. Wehrli-Johns 1995, S. 262–263. Dieselbe Darstellung findet sich im Engelberger Psalterium, Cod. 62, fol. 74v (Abb. Marti 2002, Taf. XVII). KALLENBACH, H.: Adler, in: RDK, Bd. 1, Sp. 172–179. Dazu: Benz 1934. – Grundmann 1934. – Muschg 1935. – Grundmann 1961. – Blank 1964/1965. – Kat. Mystik am Oberrhein. – Dinzelbacher / Bauer 1985. – Belting 1990. Wolbero wurde 1147 Abt von St. Pantaleon in Köln, er starb 1167. Dazu Stegmüller, 1956, S. 445.
solem justitiae mentis aciem intendens.»42 Da sich die Miniatur in einem dominikanischen Antiphonar befindet, kann ihre Bildaussage im Sinne der Adlersymbolik Alberts interpretiert werden und gilt deshalb als Christus-Johannes-Gruppe I. Diese Miniaturen im Vatikanischen Antiphonar sind noch aus einem weiteren Grund von grossem Interesse. Seitlich der Darstellung mit der Christus-JohannesGruppe blieb zufälligerweise die volkssprachliche Malanweisung erhalten. Sie lautet: «mit gold den guten sant Johannes da er sich naigte ufen unsers herren bruoste». Die Anweisung bestimmt die Farbgebung des Bildgrundes (Kapitel 7).43 Zum Schluss sei noch angemerkt, dass ein grosser Teil der in der Tabelle aufgeführten Handschriften in einem Zusammenhang mit dem Dominikanerinnenkloster St. Katharinental stehen (vgl. Kapitel 4). So bringt das Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) einen umfangreichen Bildzyklus zum Messformular und der darin integrierten Johannesequenz. Bereits im Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18), das dem St. Katharinentaler bezüglich der Ikonographie nachweislich als Vorlage diente, ist das Fest des Johannes Evangelist reich ausgestattet. Aber auch die Tochterhandschrift in der Vatikanischen Bibliothek beinhaltet zwei ikonographisch interessante Miniaturen (Kat.-Nr. 19). Von den elf stilverwandten Fragmenten aus einem dominikanischen Antiphonar sind zwei der Johannesthematik verpflichtet, wobei die Ikonographie des einen noch nicht restlos geklärt ist (Kat.-Nr. 22 d und e). Das Vatikanische Graduale (Cod. Vat. lat. 10773, Kat.-Nr. 1) wurde sogar «johanneisch nachgerüstet».44 Die starke Verehrung des Johannes gehört, wie M. Wehrli-Johns gezeigt hat, zu Beginn des 14. Jahrhunderts in der deutschen Ordensprovinz zum dominikanischen Selbstverständnis und ist für das Dominikanerinnenkloster St. Katharinental besonders gut belegt. Zu den bisher erwähnten Christus-Johannes-Gruppen kommen noch drei plastische Werke hinzu.45 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang ein Johannes-Libellus, dem H.-J. Schiewer und J. Conzelmann vermehrte Aufmerksamkeit schenkten.46 Der 42
43 44 45
46
Migne, PL, Bd. 195, Sp. 1026. «... indem ich an deiner Brust ruhe, trinke ich von der Süsse deiner Brüste. Gleich wie jener himmlischer Adler, der mit den Schwingen der heiligen Kontemplation zu deinen Geheimnissen fliegt und zu dir als blendende Sonne der gerechten Vorsehung strebt.» Kessler 1994. Wehrli-Johns 1995, S. 253, 265. Christus-Johannes-Gruppe im Museum van den Bergh in Antwerpen. Lit.: Knoepfli 1989, S. 231–234 mit ausführlichen Literaturangaben. Zimmer 1990, S. 75–120, bringt interessante Überlegungen zum Standort und zur Funktion der Plastik. – Kat. Krone und Schleier, Nr. 310, S. 409–412, mit Abb. Schiewer 1993. – Die Handschrift wurde zudem an der Internationalen Fachtagung «Predigt im Kontext», die im Dezember 1996 in Berlin stattfand, von J. Conzelmann unter dem Titel
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Libellus wird in der Gräflich Schönbornschen Bibliothek in Pommersfelden als Codex 120 aufbewahrt. Er ist im 15. Jahrhundert im bayrischen Raum entstanden. Der ihm zu Grunde liegende Text wurde um 1300 im Umkreis der Züricher und Konstanzer Dominikaner geschaffen. Der in der Volksprache abgefasste Text diente der Cura monialium. Die darin enthaltene Johannes-Predigt des Rudolf von Klingenberg beispielsweise liest sich wie ein Kommentar zu den oben besprochenen Werken der bildenden Kunst. Fast wortwörtlich treffen wir hier auf die oben erwähnte Malanweisung im Cod. Vat. lat. 10771: «Nu vinde ich vier gross vnd ausgenomen sache dar vmb sich der lieb sant Johannes naigte auf vnser herren...».47 5.1.4 Hl. Agnes In den für den dominikanischen Ritus bestimmten Handschriften sind neben den bereits erwähnten, z. T. ausführlichen Bildzyklen zu den Ordensheiligen (Dominikus, Petrus Martyr) auch die Feste der im Orden verehrten hll. Katharina und Maria Magdalena mit Miniaturen ausgeschmückt, insbesondere auch die wegen ihrer Christusminne hochverehrte Agnes. Die historisierten Initialminiaturen aus stil- und/ oder ikonographisch verwandten Handschriften ergeben – wenn auch aus heutiger Sicht – einen Bilderzyklus zur Vita der Märtyrerin48: Die Darstellung des Verlöbnisses mit Christus im Nürnberger Graduale (fol. 149r, Kat.-Nr. 18) ist die für die Brautmystik wichtigste Darstellung. Das Spruchband: «Christi sum desponsata, cui angeli serviunt» verdeutlicht den Bildinhalt. Die zwei Miniaturen im Vatikanischen Antiphonar (Cod. Vat. lat. 10771, Kat.Nr. 19) illustrieren den Beginn der «Vita»: Agnes wird vom Präfektensohn umworben, erwidert seine Liebe jedoch nicht (fol. 200v) und sie verweigert den Götzendienst (fol. 201v). Ihre Fortsetzung folgt auf dem Antiphonarfragment (Kat.-Nr. 22 f) mit der Auferweckung des Präfektensohns und der Enthauptung der hl. Agnes. Im St. Katharinentaler Graduale wird gleichsam als Schluss der «Vita» gezeigt, wie Agnes acht Tage nach ihrem Tod ihren Freunden erscheint (fol. 163v). Die
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«Die zwei Johannsen in St. Katharinental bei Diessenhofen» besprochen. – Für den Hinweis auf diesen Vortrag sei M. Wehrli-Johns herzlich gedankt. Auszug aus dem Beitrag von J. Conzelmann (s. vorangehende Anm.). Dazu auch Schiewer 1993, S. 40–43. Den wohl ausführlichsten Bilderzyklus in einer oberrheinischen Handschrift überliefert der Codex St. Georgen perg. 5, in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe, foll. 15v–18v. Bei der Handschrift handelt es sich um ein zisterziensisches Antiphonar aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts und von 1300–1310. Lit.: Beer 1959, S. 13, 19ff., 42f. und 90– 93. – Beer 1965, S. 41, Nr. 41. – Beer 1965 bis, S. 140, 142. – Kat. L᾽Europe Gothique, Nr. 261. –Kat. Kunstepochen Freiburg, Nr. 88. – Kat. Mystik am Oberrhein, Nr. 44, S. 138. – Beer 1983, S. 141, 179, Anm. 246. – Raeber 2003, S. 128. – Kat. Krone und Schleier, S. 461.
Darstellungen basieren wohl weitgehend auf der Legenda aurea.49 Hier sei noch auf ein im Umfeld der Zürcher Dominikanerinnen um 1305–1325 entstandenes, mittelhochdeutsches Legendar hingewiesen.50 Es schildert auf eindrückliche Weise die Vereinigung mit Christus: «wan sin lip ist ieze minem libe zu gevuget. und die schoni die dv an minem antlute sihest. dv ist da von, das er het minu huffel und minu wangen bestrichen vnd gezieret mit sinem blute. Ich han iezevon sinem munde enpfangen das hong der sussekeit vnd die milch rechter luterkeit. sin stimme hillet alle zit in minem oren al ein susses orgnen sang.»51 5.1.5 Die Zürcher Stadtheiligen Felix, regula und exuperantius Im Codex 98 der Engelberger Stiftsbibliothek (Kat.-Nr. 9) zeigt die Miniatur auf fol. 125r die drei Zürcher Stadtpatrone Felix, Regula und Exuperantius als Kephalophoren52. Zu dritt und als Kephalophoren treten sie erstmals auf einem Siegel des Rates und der Bürger aus dem Jahre 1225 auf.53 Aus der Gattung der Malerei dürfte die Miniatur im Engelberger Codex einer der ältesten Zeugen der noch erhaltenen Beispiele darstellen. Die Heiligen Felix und Regula wurden seit dem 9. Jahrhundert im Grossmünster und im Fraumünster verehrt.54 Der aufstrebende Rat vereinnahmte sie im Verlaufe des 13. Jahrhunderts als Stadtpatrone und fügte Exuperantius als dritten hinzu, wohl um sich von den beiden wichtigsten kirchlichen Institutionen abzuheben. Das Grossmünster berief sich auf Karl den Grossen, der nach der Legende die Gebeine der drei Heiligen aufgefunden und am Fundort die Stiftskirche errichtet haben soll. Die Verehrung Karls des Grossen in Zürich wurde ab 1233, als der Propst Rudolf von Hottingen und der Konvent des Chorherrenstifts am Grossmünster in Aachen um Reliquien und das Offizium Karls des Grossen baten, vermehrt gefördert. Noch im selben Jahr fand die Reliquienübertragung statt, und es wurde festgelegt, dass das Fest Karls des Grossen am Chorherrenstift jeweils am 28. Januar gefeiert werden solle. Mit der Darstellung Karls des Grossen auf seinem Siegel von 1260 eröffnete der Propst Heinrich Maness eine lange Tradition, die bis zum Ende des 15. Jahrhunderts beibehalten wurde. Derselbe Propst liess 1259–1260 die Statuten des Stifts «ex ordinatione Karoli, imperatoris sanctissimi et ecclesie
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Legenda aurea, S. 86–91. Solothurn, Zentralbibliothek, Ms. S 451. Dazu S. Kapitel 3. Zitiert nach Wallach-Faller 1986, S. 397. LCI, Bd. 7, Sp. 307–308. Ramer 1972, S. 20 Kat.-Nr. 95. Schwarz 1948. – Ramer 1972. – Die Zürcher Stadtheiligen Felix und Regula. Legenden, Reliquien, Geschichte und ihre Botschaft im Lichte moderner Forschung. Hrsg. von H. F. Etter u. a. Zürich 1988.
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nostrae fundatoris»55 erneuern. 1272 ordnete Eberhard von Waldburg, Bischof von Konstanz, das Fest auch für die übrigen Kirchen der Stadt an.56 Während im Codex 98 die Verbindung zu Zürich u. a. in dieser bildlichen Darstellung aufscheint, sind es im Cod. 10769 (Kat.-Nr. 15) die Texte im Proprium Sanctorum.
5.2 Karlsvita im Vadianus 302 Das Manuskript 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen enthält, wie N. Ott das treffend formuliert hat, «nicht nur Rudolfs Text, sondern auch, gewissermassen als reichsgeschichtlichen Anhang zum unvollendet gebliebenen heilsgeschichtlichuniversalhistorischen Entwurf Rudolfs, den ‹Karl› des Strickers».57 Für den Bildzyklus der Chronik konnte E. J. Beer überzeugend darlegen, dass vorwiegend nordfranzösische biblische Ikonographie, die noch unverfälscht frühchristliches Bildgut tradiert, vorbildhaft war.58 Anders verhält es sich bei der Karlsvita: Ihr Miniaturenzyklus stellte sich aus mehreren Gründen als aussergewöhnliche bildschöpferische Leistung heraus. Zum einen konnte sich sein Schöpfer auf keine eigentliche Bildtradition berufen. Zum anderen gelang es diesem mit Hilfe der konzisen Textinterpretation und unter Beizug von typologischen Elementen, den Text nicht nur zu illustrieren, sondern zu verdeutlichen.59
5.3 liederhandschriften Zum Schluss sollen der Vollständigkeit halber, lediglich zusammenfassend die Bildinhalte der gut erforschten Liederhandschriften (Kat.-Nr. 25, 26, 37) besprochen werden. In der Weingartner wie in der Manessischen Liedersammlung als auch im Naglerschen Fragment wird jeweils der Textcorpus eines Dichters durch ein Autorenbild eingeführt. Gemäss dem ständischen Ordnungsprinzip, dem beide Sammlungen folgen, eröffnet das Repräsentationsbild des Staufer-Kaisers Heinrich VI. 55 56 57
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Nach Kötzsche 1967, S. 207 zitiert. Dieser Abschnitt über den Karlskult in Zürich basiert auf: Kötzsche 1967, S. 202ff. – Zender 1967, S. 103, 112. – Schwarz 1948. – Gutscher 1983. OTT, Norbert H.: Rezension: Rudolf von Ems, Weltchronik. Der Stricker, Karl der Grosse. Kommentar zu Ms 302 Vad. Hgg. von der Kantonsbibliothek (Vadiana) St. Gallen und der Editionskommission: ELLEN J. BEER, JOHANNES DUFT, HUBERT HERKOMMER, KARIN SCHNEIDER, STEFAN SONDEREGGER, PETER WEGELIN. Luzern 1987, Faksimile-Verlag. VIII, 304, 81 Seiten. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 122 (1993), S. 328–333. Beer 1987, S. 97–103. Beer 1987, S. 103–107.
den Bilderreigen. Die Miniaturen der Weingartner Liederhandschrift (Kat.-Nr. 37) entsprechen dem klassischen Autorenbildtypus und beschränken sich auf eine Handvoll von Themen, wie der Sänger als Minnender, Dichter oder Ritter. In der Schwesterhandschrift, dem Codex Manesse (Kat.-Nr. 25), hingegen wurde mit Hilfe der Kompilationstechnik eine erstaunlich grosse Variationsbreite zum Thema des Autorenporträts erreicht. Der Sänger erscheint nicht nur als Minnender, Dichter oder Ritter, sondern wir treffen ihn in nahezu sämtlichen mittelalterlichen Lebensbereichen wie beim Jagen, Tanzen, Schachspielen, Musizieren, Baden, Schreiben, Beten... Bei der Themenwahl wurde – wie auch bei der Weingartner Liederhandschrift – oftmals Bezug genommen auf den Namen oder das Werk des Dichters. Doch zeigte sich gerade im Vergleich der beiden Handschriften, dass diese nur bedingt individueller Natur und auch austauschbar sind. Ein charakteristisches Requisit der Sänger beider Handschriften sind der Wappenschild und die Helmzier – eine Art Logo. Die Maler der Manessischen Handschrift bedienten sich sehr gekonnt eines äusserst reichen Bildschatzes aus den verschiedensten Kunstgattungen: Buch- und Wandmalerei, Textilkunst und Plastik (etwa Elfenbeinschnitzerei).60 Es kann abschliessend festgehalten werden, dass sich nicht nur die Liederhandschriften, sondern auch die anderen zur Diskussion stehenden Handschriften durch bemerkenswerte bildschöpferische Leistungen auszeichnen: Die Malanweisungen in der Wilhelm-von-Orlens-Handschrift ( Kat.-Nr. 17) verraten, dass es sich um eine ikonographische Neuschöpfung handelt. Neben der Karlsvita treten auch die für St. Katharinental bestimmten Handschriften, insbesondere mit der Johannesthematik, als herausragende Beispiele hervor.
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Vetter 1988, S. 275–301.
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6. Bemerkungen zum Stil der figürlichen Malereien1 6.1 Vatikanisches graduale Vat. lat. 10773, Münchner und engelberger Psalterium Am Beginn der Bemerkungen zum Stil der figürlichen Malereien steht das älteste im Rahmen dieser Arbeit besprochene Werk: das Graduale in der Vatikanischen Bibliothek (Vat. lat. 10773, Kat.-Nr. 1). Von der vielfältigen Ausstattung der Handschrift werden hier nur diejenigen Deckfarbeninitialen besprochen, die zur Erstausstattung gehören, sowie die Darstellung mit der Kreuzigung des hl. Andreas. Die Figuren der ersten qualitätvolleren Hand sind schlank, feingliedrig und eher kleinproportioniert. Die in rosa-beige gehaltenen Gesichter sind mit sicherer Hand konturiert. Den kleinen Mund markiert eine rote Linie, die seitlich mit einem braunen Punkt begrenzt wird. Schattierungen modellieren das Gesicht und verleihen ihm eine starke Plastizität.2 Auch bei der Gewandgestaltung ist es dem Maler mit Hilfe der Binnenzeichnung und des zweischichtigen Farbauftrages (Grund: helle Farbe, Licht: dunklerer Farbton, resp. umgekehrt) gelungen, den Figuren Körperlichkeit und Dreidimensionalität zu verleihen. Die Gewänder sind in wulstartige Falten gelegt (s. Petrus im Pfingstbild, fol. 86r). An der Peripherie der Gewänder sind zackige Elemente zu beobachten, die eine belebende Wirkung haben.3 Solche Elemente prägen vor allem die Tücher, die das Christuskind und Maria bedecken (fol. 14v). Die dreidimensionale Wirkung geht in erster Linie von den Figuren aus. Abgesehen von den in Aufsicht dargestellten Requisiten sind keine Raum bildenden Mittel eingesetzt worden. Die Figuren sind anatomisch glaubwürdig dargestellt. Die Farbpalette beschränkt sich im Wesentlichen auf Gold, Blau, Hellrot und Hellviolett. Zu geringeren Teilen wurde auch Rosa, Grün, Braun, Beige, Schwarz und Weiss verwendet. Die Ornamentik ist mit der Verwendung des «octopus-leaf» noch
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Die stilistische Entwicklung der ober- und hochrheinischen Buchmalerei in der Zeit von 1250– 1340 wurde mehrfach umfassend dargestellt: Vetter 1981. – Beer 1983. – Beer 1987. – Saurma-Jeltsch 1988. – Der Schwerpunkt meiner Ausführungen liegt hauptsächlich auf der Einordnung der vatikanischen Codices 10773, 10771 und 10772 sowie des Nürnberger Graduale. Bei der Betrachtung der Gesichtsgestaltung fällt die Miniatur zum Weihnachtsfest weg, weil die Gesichter später übermalt wurden. Diese Elemente des Zackenstils dürfen wohl – gemäss den überzeugenden Darlegungen von L. E. Saurma-Jeltsch – als rhetorische Form des Erhabenen interpretiert werden. Dazu: Saurma-Jeltsch 1994.
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der Romanik verpflichtet.4 Die qualitätvollen Miniaturen gehören wie diejenigen der Psalterhandschrift 61 in Engelberg zu den wenigen noch erhaltenen Beispielen des Hochrheins, bei denen die frühe Auseinandersetzung mit der westlichen Gotik spürbar ist.5 Diese setzte in den deutschen Kunstlandschaften um die Mitte des 13. Jahrhunderts ein. Zu diesem Zeitpunkt hat die französische Gotik mit ihren zahlreichen Kathedralbauten und den sie schmückenden Portalplastiken sowie Glasmalereien ihren Höhepunkt bereits erreicht. Der Oberrhein spielte mit dem Strassburger Lettner und einer Reihe von Handschriften wie etwa die Beispiele, die heute in Engelberg, in Freiburg i. Br., Karlsruhe und Stuttgart liegen, eine Vorreiterrolle.6 4
Beer 1989. – Sauer 1996, S. 9–11. Zum Codex 61 der Engelberger Stiftsbibliothek S. Marti 2002, S. 105–112. 6 Neben dem bereits erwähnten Cod. 61 in Engelberg: _ Engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 113, Psalterium, 3. Viertel 13. Jh. Literatur: BLUMER, A. B.: Codex 113 aus Engelberg – ein Privatpsalterium des 13. Jahrhunderts. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 50 (1993), S. 145–163. _ Freiburg i.Br., Universitätsbibliothek, Hs. 1133, dominikanisches Graduale, um 1260. Literatur: Kat. L᾽Europe gothique, Nr. 243, S. 149–150. – Kat. Kunstepochen, Nr. 30, S. 43– 44. – Kat. Mystik am Oberrhein, Nr. 40, S. 132. – Beer 1983, S. 181–182. _ Freiburg i.Br., Augustinermuseum, Cod. St. Katharina A, Psalterium, um 1280/90. Literatur: SCHNEIDER, H.: Ein Psalter aus dem Freiburger Katharinenkloster. In: Freiburger Diözesan-Archiv, N.F. 41 (1941), S. 254–268. – Beer 1959, S. 46. – Beer 1965 bis, S. 139. – Kat. Kunstepochen, Nr. 85, S. 85–86. – Kat. Mystik am Oberrhein, Nr. 41, S. 132–134. – Kat. 750 Jahre Dominikanerinnenkloster Adelhausen 1985, Nr. 5, S. 56. – Beer 1987, S. 119. – Saurma-Jeltsch 1988, Nr. J 9, S. 334–335. – HAGENMAIER, W.: Die deutschen mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek und die mittelalterlichen Handschriften anderer öffentlicher Sammlungen in Freiburg im Breisgau und Umgebung. (Kataloge der Universitätsbibliothek Freiburg im Breisgau, hrsg. von W. Kehr) Bd. 1, Teil 4. Wiesbaden 1988, S. 389–391. _ Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. Lichtental 25, Psalterium, um 1260. Literatur: Beer 1965, Nr. 33, S. 36. – Heinzer/Stamm 1987, S. 108–110. – Kat. Lichtenthal, Nr. 90, 257. – Kat. Mittelalterliche Andachtsbücher, Nr. 11, S. 76–77. _ Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. Lichtental 26, Psalterium, um 1270/80. Literatur: Beer 1959, S. 45–46. – Beer 1965, Nr. 35, S. 37. – Beer 1965 bis, S. 135. – Heinzer/Stamm 1987, S. 110–111. – Saurma-Jeltsch 1988, Nr. J 6, S. 330–331. _ Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Hs. Donaueschingen 185, bzw. St. Peter perg. 139, Psalterium, bald nach 1253. Literatur: Swarzenski 1936, Nr. 40, S. 122–123. – Kat. Zeit der Staufer, Bd. 1, S. 545–546, Nr. 724; Bd. 2, Abb. 515. – HEINZER, Felix/STAMM, Gerhard: Die Handschriften von St. Peter im Schwarzwald, 2. Teil: Die Pergamenthandschriften. (Die Handschriften der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe 10/2). Wiesbaden 1984, S. XXXII, 231–234. _ Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. 186 der ehem. Fürstlich Fürstenbergischen Hofbibliothek in Donaueschingen, Psalterium, um 1260–1270. Literatur: Kat. Andachtsbücher, Nr. 6, S. 80–82 (mit älterer Literatur). – Saurma-Jeltsch 1988, S. 305–309, 312f., 328– 329, Nr. J 5. – Kat. «Unberechenbare Zinsen», Nr. 11, S. 72. 5
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Diese Auseinandersetzung führte zur Aufnahme von neuen Formulierungen, insbesondere hinsichtlich Plastizität und Räumlichkeit. Zu Recht verwies bereits O. Homburger auf die Plastik als Quelle für die Vermittlung französischer Stiltendenzen, vor allem auf die Skulpturen des um die Jahrhundertmitte geschaffenen und 1602 abgerissenen Strassburger Lettners.7 L. E. Saurma-Jeltsch vermochte die These O. Homburgers insofern zu differenzieren, als sie den Skulpturen des Strassburger Lettners nunmehr die Rolle eines allgemeine Impulse vermittelnden Werkes zuschrieb. Sie erwähnte, dass die Kenntnisnahme auch über Bauplastikzeichnungen erfolgt sein könnte, und machte zudem auf die transportablen Goldschmiedearbeiten aufmerksam.8 Sie nannte als «französischstes aller oberrheinischen Werke» den Buchdeckel aus St. Blasien, eine Stiftung des Abtes Arnold II. (1247–76), den möglicherweise ein von der Ile-de-France stammender, in Strassburg tätiger Goldschmied schuf.9 Für die Übermittlung der neuen Formensprache an die Buchmalerei mass L. E. Saurma-Jeltsch allerdings einer qualitativ zwar weniger hochstehenden Goldschmiedearbeit, dem Villinger Scheibenkreuz, mehr Bedeutung zu.10 Schon mehrfach wurde die Rolle der Bettelorden, insbesondere des Gelehrtenordens der Dominikaner, als Vermittler von westlichem Formengut wie von Werkstattpraktiken diskutiert.11 Die mögliche Weitervermittlung von strassburgischem Kulturgut nach Zürich durch den theologisch bedeutenden und kunstsinnigen Dominikanerprior Hugo Ripelin wurde im Kapitel 3 erörtert. Für die Betrachtung der stilistischen Entwicklung der hochrheinischen Buchmalerei um die Wende des 13. zum 14. Jahrhunderts sind drei Handschriften aus dem letzten Drittel des 13. Jahrhunderts von grosser Bedeutung. Ihre figürlichen Deckfarbeninitialen vermitteln ein Bild über das Aussehen der Zürcher Buchmalerei in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und stellen eine wichtige Vorstufe zu den reich illuminierten Prachthandschriften dar, die um die Jahrhundertwende in Zürich entstanden sind: der Codex Manesse und die in St. Gallen aufbewahrte Weltchronik des Rudolf von Ems (Kat.-Nr. 25, 29). Auch für die umfangreichen Zürcher Wandmalereizyklen, die zeitgleich mit den erwähnten Prachthandschriften angefertigt wurden – beispielsweise die Wandmalereien aus dem Haus «Zum langen Keller»12 – bilden diese älteren Handschriften eine wichtige Basis. Es handelt sich um die beiden 7 8 9 10 11 12
Homburger 1957, S. 84. Dazu auch Beer 1987, S. 119. Saurma-Jeltsch 1988, S. 305–308. Saurma-Jeltsch 1988, S. 331–333. Saurma-Jeltsch 1988, S. 333–334. Suckale 1987, S. 79–80. – Becksmann 1992. – Sauer 1996, S. 18–19. Vetter 1981, S. 85. – Gutscher-Schmid, 1982. – Saurma-Jeltsch 1988, insbesondere J 1– J4 S. 316–317, 323–328. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 190–192 (mit Angaben zur älteren Literatur). – Michler 1992, S. 24–25, 205–207. – Wild/Böhmer 1995/1996.
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dominikanischen Psalterien (München, Clm 23121 und Engelberg, Cod. 98, Kat.Nr. 8, 9), die sich in erster Linie aufgrund der gleichartigen Fleuronnée-Initialen und ornamentalen Deckfarbenmalereien der «Zürcher Handschriftengruppe» zuordnen lassen (s. Kapitel 3). Obwohl die Malereien der Münchner Handschrift stark berieben sind, vermögen die figürlichen Miniaturen den Werkstattzusammenhang der beiden Manuskripte noch zu bestätigen. Die Gemeinsamkeiten etwa hinsichtlich Figurenstil und Farbpalette gehen über den Zeitstil hinaus und sind bis zu den formelhaften Wiedergaben von Stoffmustern zu betrachten. Die Miniaturen der Engelberger Handschrift, insbesondere jene des Proömiums, erweisen sich mit ihrem ganzseitigen, zweizonigen Bildaufbau, mit dem Zusammenfassen von Szenen und den umgebenden Rahmen als fortschrittlicher und dürften beispielsweise für den Codex 302 der vadianischen Sammlung vorbildlich gewesen sein. Als drittes Manuskript gehört die Münchner Wilhelm-von-Orlens-Handschrift (Kat.-Nr. 17) dazu, die sich durch eine ebensolche Bildkonzeption auszeichnet und darin ebenso Modellcharakter besass für den genannten Codex 302. Der in Ansätzen angewandte «Heraldische Stil» wurde beim Grundstockmaler des Codex Manesse zu einem der wichtigsten Stilprinzipien.
6.2 nürnberger graduale und Vatikanische Antiphonarien Eine Handschrift, die in der stilistischen Weiterentwicklung am Ober- und Hochrhein eine Schlüsselposition einnimmt, ist mit dem Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18, 18 a und b) erhalten geblieben. Seine Figuren vor Goldgrund sind schlank, feingliedrig, eher überlängt, und sie sind in höfischer Eleganz und Anmut vor goldenem Bildgrund dargestellt. Ihre enganliegenden Gewänder mit wenigen zackigen Elementen lassen den Figurenkörper erahnen. Die relativ kleinen Köpfe mit mächtiger, meist lockiger Haartracht zeichnen sich durch feine, klar geschnittene Gesichtszüge aus. H.-J. Heuser verglich zu Recht die Nürnberger Handschrift mit dem von 1263–1277 verwendeten Siegel des St. Katharinentaler Konvents, das er einer Konstanzer Werkstatt zuschrieb.13 Der Vergleich der Gesichter zeigt jedoch, dass die Verwandtschaft zwischen diesen beiden Kunstwerken nicht als zu eng betrachtet werden darf. E. J. Beer legte dar, dass der Stil des Nürnberger Graduale nicht als genuin konstanzisch anzusprechen sei, sondern stark von nordfranzösischen Handschriften aus dem Artois geprägt sei. Bereits das Vorhandensein des Typus der Medaillon-Initiale weise auf westliche Einflüsse hin (fol. 146r, 248r).14 Im Weiteren sei die Fleuronnée-Ornamentik im Vergleich zu derjenigen des ober-rheinischen Kunstkreises sehr verschieden, könne aber von derjenigen des Raumes Arras-Cambrai-Tournai abge13 14
Heuser 1974, S. 48, 50. Beer 1983, S. 185f.
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leitet werden.15 Im selben Raume – vor allem in Arras – seien die Quellen für den Figurenstil zu finden.16 Drei der von ihr aufgezählten Handschriften werden dem Johannes-Philomena-Atelier zugeschrieben.17 Dieses Atelier trägt den Namen des Schreibers, der sich in der Handschrift Cambrai, Bibliothèque municipale 190, selber nennt und anmerkt, dass er die Handschrift im Jahr 1266 geschrieben habe.18 Zwei weitere von ihr genannte Bibelhandschriften werden in die 1260er-Jahre datiert und nach Lille resp. Tournai lokalisiert.19 Die vierbändige Bibelhandschrift Ms. 1 in der Bibliothèque de la Ville in Arras scheint mir nicht nur für die FleuronnéeInitialen den französischen Einfluss zu belegen, sondern dürfte auch als gutes Vergleichsbeispiel für den Figurenstil herangezogen werden.20 Neben dem gotischen Bewegungsrhythmus und den gelängten Körperproportionen ist der klare, straffe Körper- und Gewandaufbau besonders verwandt. E. J. Beer siedelte den Stil des Nürnberger Graduale eher in Strassburg als in Konstanz an, zog das um 1260 datierte, südliche Hochschifffenster des Strassburger Münsters als Vergleichsbeispiel heran und stellte schliesslich zur Diskussion, ob es sich bei der Handschrift nicht um ein Importwerk handeln könnte.21 L. E. Saurma-Jeltsch ordnete das Nürnberger Graduale wie folgt ein: «Trotz der vielfachen Hinweise auf eine elsässische Provenienz muss wie beim Churer Schrein auch in Erwägung gezogen werden, ob es sich hier um einen hochrheinischen Zeugen der ehemals elsässischen Filiation handelt [...] Die Nürnberger Handschrift dürfte denn ähnlich wie der Churer Schrein die Transferierung und gleichzeitige Veränderung des ehemals elsässischen Stils an den Hochrhein belegen.»22 Die kontroverse stilistische Einordnung der Nürnberger Handschrift widerspiegelt sich auch in den Datierungsvorschlägen. R. Suckale vermutet eine Entstehung anlässlich der Altarweihe im Jahre 1268.23 L. E. Saurma-Jeltsch datiert die Handschrift um 1290, während B. Hellwig ihre Entstehungszeit mit 1280/1290 ein wenig früher ansetzt und sie an den Oberrhein (Elsass?) lokalisiert.24 Am spätesten 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Beer 1983, S. 201. Beer 1983, S. 211. Paris, Arsenalbibliothek, Ms. 280. – Brüssel, Bibliothéque royale, Ms. 14682. – Paris, Bibliothéque nationale, Ms. 16260. Beer 1969, S. 24. – Zur Philomena-Gruppe S. auch: Bräm 1997, S. 219–221. Malibu, Getty Museum, Ms. Ludwig I/8, so genannte Marquette-Bibel; Brüssel, Ms. II 2332. Dazu Beer 1972. – Bräm 1997, S. 174. Bräm 1997, S. 174–176. Beer 1983, S. 201, 211–212. Saurma-Jeltsch 1988, S. 310f., 335. Kat. Krone und Schleier, S. 410. – Zur Altarweihe: Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 783: Albert der Grosse weihte zwischen 1267 und 1269 den Fronaltar. Hellwig, Manuskript.
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wird die Handschrift von C. Gottwald datiert, nämlich um 1300.25 Zur Provenienz äussert er sich wie folgt: «Die reiche Illumination zum Fest der hl. Agnes könnte auf Freiburg und Strassburg als Provenienz schliessen lassen, zwei Städte mit um diese Zeit blühenden Agnesklöstern.»26 Zum unmittelbaren Umkreis des Nürnberger Graduale gehört der Wandmalereizyklus der ehemaligen Marienkapelle im Chorherrenhaus des Grossmünsters in Zürich, insbesondere die Darstellung der Nikolauslegende, die auch eine ikonographische Entsprechung im Codex 10771 hat (fol. 174v). Die Kapelle wurde 1850 abgerissen, so dass wir lediglich durch die von Franz Hegi erstellten Aquarelle und Bleistiftzeichnungen Kenntnis von den Malereien besitzen.27 Sowohl E. M. Vetter als auch L. E. Saurma-Jeltsch haben zu Recht zwei verschiedene Stilstufen innerhalb des Wandmalereizyklus unterschieden: einerseits die Nikolauslegende, andererseits die Verkündigung, Anbetung der hl. drei Könige, «Noli me tangere» und Marienkrönung.28 Nach L. E. Saurma-Jeltsch knüpft die erste Stufe beim Grundstockmaler des Codex Manesse an, und die zweite stellt ihrer Meinung nach bereits eine Rezeption des Bodenseestils dar. Neben dem Grundstockmaler erwähnt E. M. Vetter den Reichenauer Markusschrein (um 1305) als stilverwandtes Beispiel. Mit der Kenntnis des näheren Umfeldes der Nürnberger Handschrift, vor allem ihrer Tochterhandschriften in der Vatikanischen Bibliothek, ist es m. E. – in Übereinstimmung mit E. J. Beer – nicht zwingend, die Nikolauslegende nach dem Codex Manesse anzusetzen, und sie ist wohl etwas früher als bisher üblich zu datieren.29 Für den Marienzyklus schlägt E. J. Beer eine Entstehung im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts vor.30 Seine zahlreichen Bezüge zu Kunstwerken des Hochrheins binden das Nürnberger Graduale in ein dichtes Beziehungsnetz ein und verankern es in dieser Kunstlandschaft.31 Der kompilierende Grundstockmaler des Codex 25 26 27
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Gottwald 1988, S. 61. Gottwald 1988, S. 62–63. D. Gutscher fand unter den Landschaftsskizzen Hegis 15 Bleistiftskizzen, die mit Massangaben sowie Farbnotizen ergänzt sind und sich im Vergleich mit den Aquarellen als detailtreuer herausstellten. Sie haben Hegi offenbar als Grundlage für das Erstellen der Aquarelle gedient. Somit dürfte die Überlieferung dieser Wandmalereien recht zuverlässig sein. Siehe Gutscher 1979. – Zudem: Vetter 1981, S. 84. – Saurma-Jeltsch 1988, S. 316, 344–345. – Kessler 1991, S. 75. – Michler 1992, S. 48–49, 54, 206. – Beer 1997, S. 62. – Kessler 1997, S. 85. Saurma-Jeltsch 1988, S. 316. – Vetter 1981, S. 84, unterscheidet explizit nur die Darstellung der Anbetung der Könige. Gutscher 1979, S. 176, Datierung um 1320. – Vetter 1981, S. 98, Anm. 409a, beurteilt die Datierung Gutschers als zu spät. – Saurma-Jeltsch, 1988, S. 344–346, Datierung: 2. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts. – Michler 1992, S. 206, Datierung: um 1320. – Beer 1997, S. 62 datiert die Nikolauslegende um 1290. Beer 1997, S. 62. Kessler 1991, S. 62–66.
104
Manesse (Kat.-Nr. 25) übernahm von der Nürnberger Handschrift die Eleganz der Figuren sowie das Verhältnis von Körper und Gewand. In derselben Handschrift gehörte sie für den ersten Nachtragsmaler, neben Strickers Vita Karls des Grossen in St. Gallen (Kat.-Nr. 29), zu den stilistischen Grundlagen. Für das Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) konnte sogar eine Vorlagefunktion hinsichtlich Ikonographie und Text nachgewiesen werden. Die Lokalisierung der Nürnberger Handschrift an den Hochrhein (Zürich) gewinnt aus drei Gründen immer mehr an Wahrscheinlichkeit: Erstens mit der Einordnung ihres Fleuronnée-Schmucks in die «Zürcher Gruppe», zweitens die vielfältigen Verbindungen (Ikonographie, Stil, Text) zu Kunstwerken dieser «Kommunikationslandschaft», und drittens stehen die Deckfarbenmalereien mit der Kenntnis der Vatikanischen Codices nicht mehr isoliert da (Cod. Vat. lat. 10771/10772, Kat.Nr. 19, 20).32 Denn die Codices in der Vaticana können aufgrund ihres verwandten Buchschmucks (Fleuronné und Deckfarbeninitialen) als Tochterhandschriften des Nürnberger Graduale bezeichnet werden (ausführlich Kapitel 4). Als solche bilden sie wichtige Verbindungsglieder zwischen der Nürnberger Handschrift und deren unmittelbaren stilistischen Nachfolgewerken wie den elf Antiphonarfragmenten (Kat.-Nr. 22 a–k) und einer Bibel der Universitätsbibliothek in Basel (Tafel 13a).33 Letztere weist mit der Medailloninitiale zur Genesis – dem einzigen Schmuck in Deckfarbenmalerei – hinsichtlich Initialstruktur, Farbgebung, Blattwerk und Figurenstil mehrfache Bezüge zu den genannten Werken auf. Diese Handschriften enthalten viele Elemente, die für das Graduale von St. Katharinental Vorlagefunktion haben (Gesangstexte, Ikonographie, formale Gestaltung von Initialen, Figurenstil) und für dieses aussergewöhnliche Werk in ihrer deutlichen Ausprägung charakteristisch sind. 32 33
Insbesondere die Verwandtschaft mit den Fleuronnée-Initialen des Vatikanischen Graduale (Kat.-Nr. 15). Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel 3 und 4.6. Basel, Öffentliche Bibliothek der Universität Basel, B II 1. Lit.: ESCHER, K.: Die Miniaturen in Basler Bibliotheken und Archiven. Basel 1917, S. 51 Nr. 49. – Swarzenski 1936, S. 53, Anm. 4. – Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel, beschreibendes Verzeichnis. Abteilung B, theologische Pergamenthandschriften. Bearbeitet von G. MEYER und M. BURKHARDT. Bd. 1. Basel 1960. – Basel und die Bibel. Bibelhandschriften und Bibeldrucke aus 13 Jahrhunderten. Katalog zur Ausstellung 100 Jahre Bibelsammlung der Basler Bibelgesellschaft. Basel 1995, S. 21. Die Handschrift war im Besitz von Johannes Bernoldi, der zwischen 1325 und 1355 Prior des Basler Augustinereremitenklosters gewesen war. Als Teil der Augustinerbibliothek gelangte die Bibel in der Mitte des 16. Jahrhunderts in die Universitätsbibliothek. Die Bibel ist neben der erwähnten I-Initiale mit zahlreichen qualitätvollen Fleuronnée-Initialen ausgeschmückt, die sie ebenfalls als hochrheinisches Werk aus der Zeit um 1290/1300 ausweisen. Auf die Fleuronnée-Initialen hat Schmidt 1961, S. 39 hingewiesen.
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6.3 Zur Verwendung unterschiedlicher «modi» Um die Jahrhundertwende trifft man auf ein neues Stilphänomen, den «dolce stil nuovo», dessen Höhepunkt das Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) mit seinen entkörperlichten, zierlichen Figuren voller Lieblichkeit, umhüllt von unstofflichen Gewändern, darstellt.34 Die Handschrift 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen (Kat.-Nr. 29) bringt neben Formelementen des 13. Jahrhunderts erste Formulierungen der neuen Stilrichtung, die dann in der St. Katharinentaler Handschrift rezipiert wurden und zu einer reifen Ausformulierung gelangten. E. J. Beer umschrieb die Position der Weltchronik wie folgt: «Wie einst dem Moses ist den Malern der Weltchronik nur vergönnt, allerdings von hoher Warte aus, einen Blick in das Gelobte Land des dolce stil nuovo, des ‹süssen neuen Stils› zu tun.»35 Den Codex Manesse (Kat.-Nr. 25) zeichnet eine erstaunlich einheitliche Gesamtkonzeption aus, trotz einer ungewöhnlich langen Produktionsdauer und der Beteiligung mehrerer Schreiber und Maler, deren persönliche Formulierungen zuweilen gut erkennbar sind.36 Aus diesem Grund ist das stilistische Konzept weniger einheitlich als im Graduale von St. Katharinental und in der St. Galler Handschrift. Der Hauptmaler, der so genannte Grundstockmaler, wurde von L. E. Saurma-Jeltsch sehr treffend als Kompilator charakterisiert, der es auf innovative Weise verstanden hat, verschiedene Quellen, darunter auch neueste Stiltendenzen, miteinander zu verschmelzen und eine einmalige wie auch eigenständige Sprache zu schaffen. Während die beiden ersten Nachtragsmaler sich im hochrheinischen Stilmilieu der 10er- und 20er-Jahre bewegen, nimmt der dritte Nachtragsmaler eine Sonderstellung ein, zumal er der normannisch-französischen Stilsprache verpflichtet ist. Auch wenn sich die beiden ersten Nachtragsmaler ins damalige stilistische Umfeld einordnen lassen, gibt es doch einen entscheidenden Unterschied zu vergleichbaren zeitgleichen Werken; nämlich das Fehlen der wichtigsten Elemente des «dolce stile nuovo», die man mit den Begriffen Verinnerlichung, mystische Verklärtheit, Entmaterialisierung und Lieblichkeit umschreiben könnte. Offensichtlich gab es gleichzeitig unterschiedliche «modi», die der jeweiligen Aufgabenstellung entsprachen. So ist der «süsse neue Stil» als Ausdruck der allgemeinen Frömmigkeitsbewegung, der gewandelten Jenseitsvorstellungen und einer verstärkten Devotionshaltung eher bei sakralen Werken anzutreffen. Als Beispiele seien neben dem bereits genannten Graduale von St. Katharinental die besonders qualitätvollen Antiphonarfragmente in Frauenfeld (Kat.-Nr. 40 a, b) und jene in Paris (Kat.-Nr. 39 a, b, c), die Kreuzigungsdarstellung im St. Galler Missale Cod. 346, fol. 193r (Tafel 13b) oder – aus 34 35 36
Beer 1983, S. 203–224. – Beer 1997, S. 57–58. Beer 1987, S. 125. Zur stilistischen Einordnung des Codex Manesse seien hier eine Auswahl genannt: Vetter 1981 und Saurma-Jeltsch 1988.
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dem Bereich der Glasmalerei – die Scheiben von Kappel a. A. und Heiligkreuztal genannt. M. E. gehören nicht nur die Federzeichnungen, sondern auch die Miniaturen der Schaffhauser Bibel Cod. Min. 6 dieser Stilstufe an. Die Untersuchung des Originals zeigte, dass die Federzeichnungen nicht vorangebunden, sondern Teil der gepflegten Buchanlage sind und dass sich die kleinformatigen Deckfarbenmalereien durch ein gutes Stilniveau auszeichnen. Daraus folgt, dass zwischen den Zeichnungen und den Malereien – wie bisher angenommen – weder ein grosser qualitativer noch ein beträchtlicher zeitlicher Unterschied besteht.37 Der andere «modus», den L. E. Saurma-Jeltsch als heraldische Formgebung bezeichnete,38 ist in seiner Art nüchterner und eher im profanen Bereich vorzufinden. Wichtige Vertreter sind: der bereits oben erwähnte Codex Manesse (Kat.-Nr. 25), die Weingartner Liederhandschrift (Kat.-Nr. 37) und die Wandmalereien im Haus zur Kunkel in Konstanz mit mehreren thematisch unterschiedlichen Zyklen (Kampf der Tugenden gegen die Laster, kurz vor oder um 1300; «Weiberlisten» [1886 zerstört, Nachzeichnungen im Rosgartenmuseum], 1. Hälfte 14. Jahrhunderts; die «Weberfresken», um 1310; Leben Parzivals, um 1310).39
6.4 Zur «Kommunikationslandschaft» Das Elsass, der Breisgau und der Bodenseeraum mit den städtischen Zentren Strassburg, Freiburg, Basel, Konstanz und Zürich bilden im 13. und 14. Jahrhundert vom Stil her eine Kunstlandschaft oder, wie L. E. Stamm dies treffend nannte, eine «Kommunikationslandschaft»; ausgehend davon, dass eine gemeinsame Formensprache eine gleichartig strukturierte Kommunikation mit einem dichten Netz voraussetzt.40 In dieses Kommunikationsnetz waren die Orden, insbesondere die Dominikaner, das aufsteigende Bürgertum, die Geistlichen der Bischofssitze Strassburg, Basel und Konstanz sowie die grossen Adelsgeschlechter, denen man verschiedentlich als Mäzenen begegnet, eingebunden. Wenn es trotz der Einheitlichkeit der ober- und hochrheinischen Kunstlandschaft gelungen ist, für einzelne Teilgebiete Nuancen in den Formulierungen zu definieren, so scheint dies, zumindest vorläufig, innerhalb des Gebietes Zürich und Konstanz mittels der Stilmethode die künstlerische Produktion zu unterscheiden, nicht möglich zu sein. Wohl als Folge des besonders dichten Kommunikationsnetzes zeichnet sich dieses Gebiet durch ein äusserst komplexes Geflecht von einzelnen Stilströmen
37 38 39 40
Ausführlich unter Forschungsstand Kat.-Nr. 36, mit Literaturangaben. Saurma-Jeltsch 1988, S. 317–318, 322. – Stamm 1988, S. 37–54. Michler 1992, S. 14, 24, 26, 181, Abb. 19–21, 51–53, 451–452. Stamm 1981, S. 38.
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aus.41 Offensichtlich gelingt eine Differenzierung eher mit Hilfe der Analyse und Charakterisierung des Fleuronné-Schmucks wie das Beispiel der «Zürcher Gruppe» zeigt (s. Kapitel 3). Zu welch problematischer Einordnung die schwierige Unterscheidung des Regionalstils von den Merkmalen einer Werkstatt führt, zeigt das nachfolgende Beispiel: In einem Zeitschriftenbeitrag und in der Dissertation meinen die Autoren, J. Raeber und A. Bräm bzw. J. Raeber, glaubhaft machen zu können, der Codex 302 der vadianischen Sammlung in St. Gallen sei zusammen mit dem Zisterzienserbrevier P 4.4º der Zentralbibliothek in Luzern in einer in Freiburg i. Br. ansässigen Werkstatt gemalt worden.42 Ihnen hat E. J. Beer bereits in der Publikation «Buchmalerei im Bodenseeraum» entschieden widersprochen.43 Sie weist vor allem darauf hin, dass die vom Autorenteam angeführten Stilvergleiche und der daraus resultierende, supponierte Werkstattzusammenhang sowie die nachfolgende Argumentation auf einer Verwechslung des Regionalstils mit den Charakteristiken eines Malers resp. einer Werkstatt basieren. Hier ist anzufügen, dass die Sicht einer linearen Stilentwicklung von West nach Ost (Strassburg-Freiburg i. Br.-Konstanz) und die Zuordnung gewisser Stilkriterien an bestimmte geographische Orte in der Kunstlandschaft des Ober- und Hochrheins am Ende des 13. und zu Beginn des 14. Jahrhunderts überholt ist. Erstaunt stellt man zudem fest, dass die von K. Schneider vorsichtig formulierte Einordnung des dritten am Codex 302 der vadianischen Sammlung beteiligten Schreibers für die Argumentation der Autoren zurechtgebogen wird.44 Die Beweisführung gibt Forschungsergebnisse zu wenig differenziert wieder und verkennt z. T. die Forschungslage. Was die Münchner Handschrift Cgm 63 betrifft, zeigte E. Weigele-Ismael in ihrer Dissertation mit überzeugenden Argumenten, dass sie höchstwahrscheinlich in 41
42 43 44
Knoepfli 1972, 112–122. – Stamm 1981, S. 37–54. – Beer 1983, S. 188. – Stamm 1984, S. 85– 91. – Beer 1987, S. 118–119. – Saurma-Jeltsch 1988, 321–322. – Moser, Eva: Historische Landschaft und Buchkultur. Der Bodenseeraum im Spätmittelalter. In: Buchmalerei im Bodenseeraum 13. bis 16. Jahrhundert. MOSER, Eva (Hrsg.) im Auftrag des Bodenseekreises. Friedrichshafen 1997, S. 7–12. – Beer, 1997, S. 52–66. Raeber/Bräm 1997, S. 59–67. – Raeber 2003, S. 108–134. Beer 1997, S. 64–66. Schneider 1987, S. 39: «Der dritte Schreiber des Ms 302 Vad. scheint jedenfalls einer Schreibtradition anzugehören, die im Raum Konstanz oder nördlich des Bodensees beheimatet war. An welchem Ort er den Stricker zu Ende schrieb, lässt sich allerdings nicht ausmachen. Es ist ebenso gut denkbar, dass er in Zürich seinen eingeübten Schreibstil beibehielt, als dass sich der Codex in diesem Stadium zur Fertigstellung bereits an einem anderen Ort befand.» Raeber/Bräm 1997, S. 65 fassen dies wie folgt zusammen: «Die dritte Hand schliesslich beendet das Epos. Da letztere nicht der Zürcher, sondern einer breisgauischen Schreibtradition angehört, dürfte der Codex auch in diesem Gebiet fertig geschrieben und illuminiert worden sein.»
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Zürich um 1280 entstanden sein muss (vgl. Kat.-Nr. 17). Beim Berliner Fragment ist mit grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass es in Zürich geschrieben wurde. Hingegen ist nach wie vor unentschieden, ob das Werk in Zürich oder im Breisgau illuminiert wurde.45
6.5 Jüdische Malerei In das oben beschriebene Kommunikationsnetz war offenbar auch die jüdische Bevölkerung eingebunden.46 So trug etwa der jüdische Minnesänger Süsskind von Trimberg, dessen Liedgut im Codex Manesse überliefert ist, zur Unterhaltung christlicher Kreise bei. Ganz besonders deutlich zeigt sich dieser Sachverhalt in der stilistischen und z. T. auch ikonographischen Verwandtschaft von christlich und jüdisch geprägter Malerei und die damit einhergehende Verbindung dieser beiden Kulturkreise, die offenbar trotz grosser Divergenzen zustande kam. Dieses Phänomen, dem sonst kaum Beachtung geschenkt wird, soll anhand von zwei Beispielen illustriert werden.47 Beim ersten Beispiel handelt es sich um eine Handschriftengruppe, die enge stilistische Bezüge zum St. Katharinentaler Graduale aufweist. Die Gruppe setzt sich aus einem Pentateuch, einer Bibel und einem dreigeteilten Mahzor, einer Art Ritualbuch, zusammen, wobei letzteres mit dem Graduale am engsten stilverwandt ist.48 Interessant ist, dass die schon mehrfach vermerkte 45 46 47
48
Weigele-Ismael 1997. – Berlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 623; S. dazu: Kessler 1997, S. 247–248 KE 32. BURMEISTER, K. H.: medinat bodase. Bd. 1. Zur Geschichte der Juden am Bodensee 1200– 1349. Konstanz 1994, insbesondere S. 109–123. An dieser Stelle sei Dölf Wild herzlich gedankt für den Hinweis auf die Arbeiten von Dina Epelbaum und Sarit Shalev-Eyni. Dina Epelbaum verfasste ihre Lizentiatsarbeit zum Thema: Die Wandmalereien im Haus zum «Brunnenhof», Zürich. Ein Beispiel jüdischer Kunst aus dem 14. Jahrhundert im Spannungsfeld zwischen Adaption und Abgrenzung, Lizentiatsarbeit Universität Zürich 1999. Eine Kurzfassung ist erschienen in: Kunst + Architektur in der Schweiz 3, 2001, S. 71–72. Sarit Shalev-Enyi widmet ihre Habilitation einem dreiteiligen Mahzor, das mit dem St. Katharinentaler Graduale stilverwandt ist. – Einführend: SED-RAJNA, G.: Hebrew books and illustration. In: The Dictionnary of Art, Bd. 17, London 1996, S. 559– 566. – SED-RAJNA, G.: L’Art juif. Paris 1995. – Zur Problematik: Klemm 1998, S. 12, S. 212. Der Pentateuch wird in der British Library aufbewahrt (Add. Ms. 15282) und die Bibel im Schocken Institut in Jerusalem (Ms. 14840). Das Mahzor ist auf drei Standorte aufgeteilt: Budapest, Ungarische Bibliothek der Akademie der Wissenschaften, Ms. Kaufmann A 384, London, British Library, Add. Ms. 22413 und Oxford, Bodleian Library, Ms. Michael 619. NARKISS, B.: Hebrew Illuminated Manuscripts. New York, Jerusalem 1974, S. 102–108. SCHUBERT, U. und K.: Jüdische Buchkunst. Teil 1. (Buchkunst im Wandel der Zeit, Bd. 3/1). Graz 1983, S. 93–95. – SED-RAJNA, G.: Die Buchmalerei hebräischer Manuskripte auf helvetischem Territorium im 14. Jahrhundert. In: Die Bibel in der Schweiz. Hrsg. von der Schweizerischen Bibelgesellschaft. Basel 1997, S. 137–142.
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Stilverwandtschaft nicht nur allgemeiner Art ist, sondern beispielsweise Gemeinsamkeiten beim Figurenstil und bei der Farbpalette zu bemerken sind. Folgende Gemeinsamkeiten verbinden die erwähnten hebräischen Handschriften: Alle nennen den Schreiber Chajim im Kolophon, haben ein ähnliches Layout und zeichnen sich durch eine vielfältige Ikonographie aus, die neben gängigen Themen auch Eigenschöpfungen enthalten. Einen Anhaltspunkt für die Datierung liefert die Erwähnung des Lehrers des Schreibers in den 3 Bänden des Mahzor, R. Meir von Rothenburg, der 1293 gestorben ist.49 In diesem Zusammenhang sei noch auf einen Artikel von G. Sed-Rajna hingewiesen.50 Darin stellt sie eine Gruppe von jüdischen Handschriften vor, deren Ausschmückung mit Fleuronnée-Initialen eng verwandt ist mit jener des Graduale von St. Katharinental und der «Bibly» in Engelberg respektive mit Handschriften, die in Basel nach 1330 entstanden sind.51 Das zweite Beispiel stammt aus dem Bereich der Wandmalerei. Im Haus an der Brunngasse 8 in Zürich wurden Wandmalereien freigelegt, die aufgrund von hebräischen Beschriftungen auf jüdische Auftraggeber schliessen lassen. Aus schriftlichen Quellen geht hervor, dass zur Entstehungszeit der Malereien, um 1330, die Juden Moses und Mordechai ben Menachem Besitzer der Liegenschaft waren. Sie gehörten im damaligen Zürich zu den wohlhabendsten Familien. Sie liessen den repräsentativen Festsaal mit Wandmalereien ausstatten, die – ausser der Darstellung Esaus – weitgehend profanen Inhalts (Wappenfries, tanzende Männer und Frauen, Falkenjagd) sind, von jüdischen Schriften- und christlichen Bildermalern anfertigen. In ihrer Untersuchung der Wandmalerei stellten D. Wild und R. Böhmer enge Beziehungen stilistischer und ikonographischer Art zu gleichzeitigen Zürcher Kunstwerken fest: die engsten zu den Miniaturen, die dem zweiten Nachtragsmaler des Codex Manesse zugeschrieben werden, aber auch zu den Wandmalereien aus dem Haus «Zum langen Keller» und aus dem Haus «Zum Griesemann», die sich beide im Schweizerischen Landesmuseum befinden.52 Die nun mehrfach konstatierte Stilverwandtschaft der hebräischen Manuskripte und der von Juden in Auftrag gegebenen Wandmalereien mit Kunstwerken aus dem christlichen Umfeld spricht für die Existenz von weltlichen Werkstätten, die sowohl für christliche wie auch für jüdische Auftraggeber tätig waren, wie dies für Regensburg und Freiburg im Breisgau belegt bzw. angenommen wird.53 49 50 51 52 53
Bemerkenswert ist, dass Sed-Rajna den Schreiber Chajim nicht erwähnt. SED-RAJNA, G.: Filigree Ornaments in Fourteenth-Century Hebrew Manuscripts of the Upper Rhine. In: Journal of Jewish Art 13, 1987, S. 45–54. Beer 1965, Gruppe 2: S. 13, 22–25; Gruppe 5: S. 14, 27–29. Wild/Böhmer 1995/1996. – Epelbaum 2001. Ein Parallelfall für Regensburg stellte R. Suckale vor: ein hebräischer Pentateuch, der um 1280 in Regensburg entstanden ist. Suckale 1987, Nr. 68, S. 87–88.
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7. Beobachtungen zum Herstellungsprozess der Handschriften Dieses Kapitel befasst sich anhand einiger exemplarischer und besonders ergiebiger Beispiele mit dem Herstellungsprozess der Handschriften und den daran Beteiligten. Leider enthält nur eine der hier vorgestellten Handschriften ein Kolophon, das Auskunft über den Schreiber, den Herstellungsort und die Herstellungszeit gibt (Zürich, Car. C 33, Kat.-Nr. 2).1 Alle anderen Handschriften müssen eingehend nach aufschlussreichen Indizien untersucht werden, um eine mögliche Antwort auf die Frage nach der Identität des Auftraggebers, Stifters, Schreibers, Malers und der Heimat des Skriptoriums oder des Ateliers zu erhalten.
7. 1 Die St. Katharinentaler Handschriftengruppe Wenn bei der Manessischen Liederhandschrift und bei den Weltchroniken Einzelpersonen oder eine Familie als Auftraggeber vermutet werden (s. 7.2. und 7.3.), so ist es bei einer Reihe von liturgischen und theologischen Handschriften eine Klostergemeinschaft. Als Institution, die einen entsprechenden Bedarf hatte, stellte sie Handschriften entweder im eigenen Skriptorium her oder gab diese in Auftrag. Ein interessantes und gut dokumentiertes Fallbeispiel ist das Dominikanerinnenkloster St. Katharinental. In den Handschriften der «St. Katharinentaler Gruppe» treten die Stifter mehrfach bildlich in Erscheinung und werden somit fassbar. Bevor ich diese Stifterdarstellungen eingehender bespreche, möchte ich zunächst ein paar Definitionsfragen klären. Es ist hier jedoch nicht möglich, auf die Problematik des mittelalterlichen Stiftungswesens einzutreten.2 Jede geistliche Institution verdankt ihre grundlegende materielle Ausstattung einer wohltätigen Person oder einer wohltätigen Personengruppe, den «benefactores» oder «donatores». Ihre Schenkungen, die «donationes», können verschiedene Rechtsformen annehmen. Es ist zu unterscheiden zwischen den Schenkungen ohne und solchen mit Verpflichtung zu einer Gegenleistung. Bei ersteren ist der Rechtsakt mit der Übergabe der Schenkung abgeschlossen. Als Geschenke kommen wirtschaftliche Güter wie auch Kultgegenstände in Frage. Der Donator schenkt im Glauben, dass er dafür himmlischen Lohn erhalten wird. 1 2
Diese Handschrift und die dazugehörige Gruppe sowie deren Herstellung werden im Kapitel 3 ausführlich besprochen. Meine Ausführungen beruhen im Wesentlichen auf: Reinle 1984. – Bergmann 1985. – Sauer 1993, insbesondere S. 19–33. – Schmid 1995.
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Bei der zweiten Gruppe von Schenkungen, die «donationes pro remedio animae», auch Seelengaben oder Stiftungen genannt, wird ein Rechtsakt begründet, der seinen Niederschlag in den Urkunden und/oder in den Memorialbüchern (Liber memorialis, Liber Vitae, Nekrologium oder Anniversar) fand und bis zum jüngsten Tag andauert. Auch bei dieser Rechtsform können wirtschaftliche Güter und Kultgegenstände vergabt werden. Hinzu kommen etwa die Klostergründungen, die «fundationes», als Spezialfall, Altäre und insbesondere die Jahrzeitstiftungen. Die Motivation zur Schenkung liegt ebenfalls in der Jenseitsvorsorge begründet. Vor diesem Sachverhalt wäre es angezeigt, zwischen Stifter- und Donatorenbildern zu unterscheiden, was jedoch kaum möglich ist, da diese Darstellungen in der Regel keine Hinweise auf die möglichen rechtlichen Unterschiede einer Schenkung enthalten, so dass in der kunsthistorischen Literatur der Begriff «Stifterbild» verwendet wird. 7.1.1 Zu den so genannten Stifterdarstellungen Der Aspekt der Stifterdarstellungen im Graduale von St. Katharinental war bereits Gegenstand eines Beitrages von A. Bräm.3 In diesem Beitrag werden sämtliche Darstellungen Irdischer, die nicht zur gängigen Ikonographie gehören, als Stifterdarstellungen interpretiert. Diese Interpretation muss m. E. in einigen Fällen stark bezweifelt und in anderen zumindest differenziert werden.4 So genannte Stifterdarstellungen gibt es im Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18, 18 b) bei drei von insgesamt 18 historisierten Initialen (foll. 170v, 177v, 248r). Im Vatikanischen Codex 10771 (Kat.-Nr. 19) sollten laut Malanweisung bei einer Miniatur zuerst zwei, dann nur eine kniende Schwester dargestellt werden (fol. 200v). Das Projekt wurde aber nicht ausgeführt. Bemerkenswert ist, dass die Malanweisung von Schwester resp. Schwestern spricht und nicht von Stifterin. Von den elf Fragmenten einer Antiphonarhandschrift beinhalten vier solche Darstellungen (Kat.-Nr. 22 a, e, g, h), wobei hier die Stifter teilweise schon ins Bildgeschehen integriert sind.5 Das Graduale von St. Katharinental stellt mit seinen 3 4
5
Bräm 1992. Die Miniatur auf fol. 157r zeigt den Verstorbenen hl. Nikolaus im Grabe. Aus seinem Körper fliessen gemäss der Legenda aurea heilendes Öl und Wasser. Letzteres ergiesst sich in einen Kelch, der von einer Dominikanerin gehalten wird. Sie erscheint hier eindeutig als Handlungsträgerin und nicht als Stifterin. Im Psalterium Cod. 98, fol. 109r, bei der Bestattung der hl. Katharina fliesst Öl in zwei unterstellte Gefässe. Kat.-Nr. 22 a: Taufe Christi, Dominikaner und Johanniter. – Kat.-Nr. 22 e: Letztes Abendmahl, weltliches Stifterpaar, Dominikanerin. Die Miniatur illustriert das Fest des Johannes. Beim Letzten Abendmahl setzte Christus die Eucharistie ein. Durch die Eucharistie kann der Gläubige die Gotteserkenntnis erlangen. – Kat.-Nr. 22 g: Darbringung Christi im Tempel, Dominikanerin und weltliches Stifterpaar. Der Schwerpunkt der Bildaussage liegt auf der Eucharistie.
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ausserordentlich vielen Stifterbildern auch in dieser Hinsicht eine Ausnahme dar.6 Wie die Tabelle am Ende des Abschnitts zeigt, sind eine Vielzahl von Angehörigen des Dominikaner-, aber auch des Zisterzienser- und Johanniterordens sowie adlige Frauen und Männer in Devotionshaltung, viele mit Namen und Wappen bezeichnet, den Miniaturen beigefügt oder Teil des Bildgeschehens. Die Miniaturen, bei denen m. E. die Interpretation von A. Bräm zu differenzieren ist, werden in der Folge besprochen. Das erste solche Bild illustriert die Strophe zu Johannes dem Evangelisten in der Apostelsequenz7 – übrigens das einzige zu dieser Sequenz – und zeigt, wie Johannes eine Dominikanerin segnet (fol. 154r).8 An derselben Textstelle ist im älteren Graduale, das in der Vaticana aufbewahrt wird (Kat.-Nr. 1), am Rand Johannes mit Buch dargestellt. Wie bereits im Kapitel «Bemerkungen zur Ikonographie» im Abschnitt über Johannes den Evangelisten besprochen, manifestiert sich in der Bilderwelt des Graduale von St. Katharinental eine starke Johannesverehrung. Während im erwähnten Abschnitt Johannes als Betrachter der göttlichen Dinge im Zentrum stand, soll hier auf seine Rolle als «custos virginis» im Rahmen der «cura monialium» hingewiesen werden.9 Als Quelle für diese Rolle des Evangelisten führt M. Wehrli-Johns die drei letzten Strophen in der Johannessequenz «Verbum dei deo natum» an: Der Bräutigam hat, um das Geheimnis darzulegen, der Braut den Adler Ezechiels (= Johannes, Ez 17,1–3) geschickt.10 Besagte Autorin schlussfolgert: «Das Graduale
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10
Kat.-Nr. 22 h: Tempelvision und Isaias; Fleischwerdung des Wortes, Dominikanerin. Auch bei diesen «Stifterbildern» dürften die Ordensangehörigen Teil des johanneischen Bildprogramms sein. Schmid 1958/1959, S. 27–28. – Beer 1983. – Bräm 1992. – Ein vergleichbares Beispiel stellt das Lektionar aus dem Dominikanerinnenkloster Heilig Kreuz in Regensburg dar (Oxford, Keble College, Ms. 49). Dazu: Suckale 1987, S. 84, Nr. 61. Text der Apostelsequenz zitiert nach Cod. Vat. lat. 10773, fol. 190v (Kat.-Nr. 1): «Johannes virgo beatus est in epheso translatus ad christi convivia. Qui divina contemplatur quo exhaustu alta fatur summe sapientiae.» Beer 1983, S. 125–126, Nr. 11, deutet die Szene als Huldigung. Siehe Johannes-Sequenz «Verbum dei deo natum», 5. Strophe: «Iste custos virginis arcanum originis divine mysterium scribens evangelium mundo demonstravit.» Im dominikanischen Antiphonar St. Peter perg. 49 der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe (fol. 216r) wird Johannes der Evangelist seitlich von der thronenden Muttergottes explizit als «custos virginis» dargestellt, wie seinem Spruchband zu entnehmen ist («Iste custos virginis»). Auf diese Miniatur hat Beer 1983, S. 165–166 (mit Abb.), hingewiesen. Wehrli-Johns 1995, S. 265. – Zur Johannessequenz «Verbum dei deo natum»: AH, Bd. 55, Nr. 188, S. 211ff. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. Im Sequentiar des Nürnberger Graduale ist sie enthalten (Kat.-Nr. 18), und im St. Katharinentaler Graduale wurde sie sogar in das Messformular des Johannesfestes integriert. Dazu: Lütolf 1983, S. 263. – Ladner 1983, S. 314. – Wehrli-Johns 1995, S. 264. – Übersetzung ins Deutsche von R. Ruhstaller
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reflektiert also nicht allein das Selbstverständnis des Predigerordens als Studienorden, sondern gibt Auskunft über den hohen Stellenwert der ‹cura monialium› innerhalb des philosophisch-theologischen Wissenschaftsverständnis.»11 Die hier zur Diskussion stehende Miniatur dürfte also in diesem Sinne interpretiert werden und nicht als Stifterdarstellung.12 Dasselbe Thema wird mehrmals variantenreich bildlich umgesetzt. Besonders eindrücklich sind die Illustrationen zur letzten Strophe der Johannessequenz: «Das Brot der wahren Einsicht, das Abendmahl, an Christi Brust eingenommen, erschliesse uns...»: Auf die Christus-Johannes-Gruppe, welche die durch die Eucharistie erlangte Gotteserkenntnis versinnbildlicht, folgt Johannes, der die vor ihm kniende Schwester Katharina von Radegge belehrt.13 In derselben Art dürfte wohl auch die Miniatur zur 5. Strophe der Johannessequenz «Celi cui sacrarium...» (fol. 159v) zu deuten sein.14 Die Miniatur scheint eine direkte Übertragung des nachfolgenden Textes zu sein: «Ihm, dem Donnersohn (= Johannes), vertraute Christus sein Heiligtum, die Lilie des Himmels (= Maria) an, unter der Gunst beidseitiger Liebe.»15 Dieser Lehrsatz wird Katharina von Radegge in der Vermittlung des Johannes, eventuell als Vision, zuteil, wie dies im Schwesternbuch über Luggi von Stein berichtet wird. Diese hatte während der JohannesSequenz eine Art Deesis-Vision gehabt.16 Katharina wird Maria gleichgesetzt. In der Darstellung der «Sedes sapientiae» zum Officium der Messfeier, die zu Ehren der Ordenspatronin in der Zeit zwischen Lichtmess und erstem Adventssonntag begangen wurde, wird Johannes der Evangelist explizit als «custos virginis» dargestellt und somit noch einmal eindringlich auf die Aufgabe der «cura monialium»
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im Anschluss an den Beitrag von Lütolf 1983, S. 265–268. – Zimmer 1990, S. 106–111, interpretiert die Christus-Johannes-Gruppen im St. Katharinentaler Graduale aufgrund dieser Sequenz und weist, wie Wehrli-Johns, auf die eucharistische Bedeutung der Christus-Johannes-Gruppen, insbesondere der sog. kleinen im Graduale von St. Katharinental hin. – Die Johannessequenz wird im «St. Katharinentaler Schwesternbuch» mehrfach erwähnt und spielt in der Vita von Kathrin Brümsin eine grosse Rolle. Es enthält sogar eine vollständige Übertragung in die Volkssprache. Dazu: Meyer 1995, S. 124, 159–162, 256, 307–310. Wehrli-Johns 1995, S. 265. Bräm 1992, S. 104 Tabelle. Beer 1983, S. 136–138, Nr. 36 und 37. Sie vermutet, dass Johannes Katharina den Bildzyklus zu seiner Sequenz erklärt, zumindest sein Ruhen an der Brust Christi. – Auch hier handelt es sich nicht um ein «Stifterbild», vgl. Bräm 1992, S. 104 Tabelle. Beer 1983, S. 132, Nr. 22. Übersetzung nach Zimmer 1990, S. 107. – Siehe auch die mittelhochdeutsche Übersetzung im «St. Katharinentaler Schwesternbuch», Meyer 1995, S. 160, sowie die Interpretation S. 308. Meyer weist auf die Stelle im Markus-Evangelium hin (Mc 3,17), wo Christus Johannes den Ev. und seinen Bruder Jakobus Söhne des Donners genannt hat. Beer 1983, S. 132. – Zur Vision der Luggi von Stein S. Meyer 1995, S. 125.
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der Prediger verwiesen.17 Insofern könnten die beiden Dominikanerinnen, die unterhalb der Miniatur in einer Ranke knien und beten, als Rezipientinnen der theologischen Unterweisungen interpretiert werden. Bemerkenswert ist die Beobachtung A. A. Schmids und E. J. Beers, dass Johannes das Resultat der Umwandlung eines Thronengels ist.18 Die Bildaussage wurde also erst im Verlaufe des Malprozesses im obigen Sinne konkretisiert und verdeutlicht. Anschliessend an das Alleluia und den Vers «Hic est discipulus ille» beginnt die im Messformular zum Johannesfest integrierte, nun schon mehrfach erwähnte Sequenz «Verbum dei deo natum».19 Die drei Bildfelder der äusserst reichen Initialminiaturen fügen sich zu einem Bildganzen zusammen und nehmen nahezu die Hälfte der Seite ein. Dabei widerspiegelt die darstellerische Ebene auch die inhaltliche: Die einzelnen Bildgedanken reihen sich zu einem komplexen Gedankensystem aneinander.20 Auf die Christus-Johannes-Gruppe folgt Maria-Ecclesia in der Gestalt des apokalyptischen Weibes begleitet von Johannes dem Evangelisten. Den Abschluss der «Trilogie» bildet – im grössten Bildfeld – die Apokalyptische Vision des Johannes. Bei dem in der Christus-Johannes-Gruppe wie in der Mandorla der Apokalyptischen Vision dargestellten Dominikaner dürfte es sich um den Ordensgründer Dominikus handeln,21 während zumindest die beiden Dominikanerinnen unterhalb von Maria-Ecclesia und Johannes den weiblichen Ordenszweig repräsentieren dürften.22 Ebenfalls als Vertreterinnen des zweiten Ordens sind wohl die Dominikanerinnen auf den foll. 184v und 185r zu interpretieren. Auf fol. 184v zeigt die Initialminiatur zum Introitus des Dominikusfestes den hl. Dominikus mit den Angehörigen seines Ordens. In die Gesamtkonzeption fügt sich das Bildfeld mit einer Dominikanerin ein, die als Mitglied des Geschlechts derer von Hewen identifiziert werden darf, wie das Wappen und die Helmzier auf dem äusseren Blattrand nahe legen. Möglicherweise handelt es sich hier um die Priorin Mechthild von Hewen.23 17
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22 23
Beer 1983, S. 163–166, Nr. 66: mit ausführlicher Interpretation und höchst aufschlussreichen Quellentexten, u. a. ein Marienlob des Richard von Saint-Laurent, das Albert Magnus zugeschrieben wurde. – Wehrli-Johns 1995, S. 265. Schmid 1958/1959, S. 31. – Beer 1983, S. 163. Beer 1983, S. 176–178, Nrn. 74–76. Beer 1983, S. 178. Beer 1983, S. 177, vermutet im Dominikanerbruder bei der Apokalyptischen Vision Dominikus, während Wehrli-Johns 1995, S. 261, bei der Christus-Johannes-Gruppe den Predigermönch aufgrund des Sterns auf der Stirn als Dominikus deutet. Dazu auch Wehrli-Johns 1995, S. 263 und auch Anm. 90. Kat. Krone und Schleier, S. 407–408, Nr. 306f. Beer 1983, S. 153, Nr. 55. – Wie Folini 1999, S. 63, darlegt hat, ist die Famillie von Hewen in mehrfacher Weise mit dem Kloster St. Katharinental verbunden. Im Totenrodel sind drei Schwestern mit diesem Namen aufgeführt (Anna 2. Kolonne, Position 34; Katharina 2.
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Die nachfolgende Miniatur (fol. 185r) illustriert den Vers «Pie pater Dominice» und scheint eine singuläre Bildschöpfung zu sein. Wie E. J. Beer überzeugend dargelegt hat, wird auf die Bildformeln «Jüngstes Gericht» und «Fürbitte Marias» zurückgegriffen, um die Neuschöpfung mit der Entsendung des Dominikanerordens in die Welt darzustellen. Aufschlussreich im Hinblick auf das gesamte, stark johanneisch geprägte Bildprogramm des Graduale ist, dass Johannes an Stelle von Maria die Fürbitterrolle einnimmt. Die oben angesprochene Repräsentationsfunktion dürfte auch der zwischen den Vertretern des männlichen und weiblichen Ordenszweiges knienden Dominikanerin zukommen.24 Zwei ganz aussergewöhnliche Miniaturen zieren die Dominikus-Sequenz «In celesti yerarchya». Die Miniatur auf fol. 261v weist mit der Darstellung des Dominikus auf der Himmelsleiter eine an sich schon seltene Ikonographie auf; dass ihm dabei die Dominikanerin Katharina von Radegge nachfolgt, dürfte in der christlichen Bildtradition noch seltener sein.25 Dasselbe gilt auch für die Initialminiatur «L[audes ergo Dominico personemus mirifico voce plena]», die den 9. Vers der DominikusSequenz illustriert und zeigt, wie Dominikus Schwester Katharina Azzo krönt.26 Bevor ich mich zur Interpretation dieser beiden ungewöhnlichen Miniaturen äussere, möchte ich einen Blick auf die namentlich bezeichneten Dominikanerinnen werfen. Diese können mit Hilfe des Totenrodels als Konventsangehörige von St. Katharinental identifiziert werden. Gleich sieben Mal trifft man im Graduale auf Katharina von Radegg oder Radegge. Besonders bemerkenswert ist, dass auf fol. 231v von den zwei Dominikanerinnen, die dem Bild mit der «Sedes Sapientiae» beigefügt sind, nur sie namentlich bezeichnet ist. Sie ist im Totenrodel in Kolonne VI, Position 28 aufgeführt. Nach A. Müller hat sie in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gelebt.27 Das Geschlecht derer von Radegge konnte bisher nicht eindeutig eingeordnet werden. Drei Erklärungsansätze stehen zur Diskussion28: Katharina könnte
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Kolonne, Position 35; Anna 8. Kolonne, Position 35), S. Henggeler 1932, S. 161, 165. Zudem erwähnt er, dass die drei Brüder Rudolf, Friedrich und Wolfrad dem Kloster 1289 und 1290 Leibeigene verkauften. Die im Schwesternbuch (Meyer 1995, S. 98) genannte Priorin Mechthild von Hewenegg weist Folini dem Geschlecht von Hewen zu und stellt die Hypothese auf, dass sie identisch ist mit der 1299 erwähnten Priorin Mechthild. Erstaunlich ist, dass Mechthild von Hewenegg im Totenrodel nicht verzeichnet ist. – Meyer 1995, S. 190–191, weist sie hingegen der Familie von Hohenegg zu. – Schwarz 1983, S. 233, Anm. 78, führt als Beleg die Darstellung des Wappens der Familie von Hewen auf der Zürcher Wappenrolle und auf den Wandmalereien im «Haus zum Loch» in Zürich an. Beer 1983, S. 153–154, Nr. 56. Beer 1983, S. 169–171, Nr. 68. Beer 1983, S. 171, Nr. 69. Müller 1971, S. 28–29. – Neben Katharina wird noch Ita von Radegg im Totenrodel aufgeführt (Henggeler 1931, S. 161). Knoepfli 1958, S. 14–15. – Beer 1983, S. 130. – Schwarz 1983, S. 233.
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ein Mitglied des ritterlichen, in Schaffhausen ansässigen Bürgergeschlechts von Radegg sein.29 Erwogen wurde auch ihre Zugehörigkeit zum Freiherrengeschlecht der Schad von Radegg, das in St. Katharinentaler Urkunden aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts auftritt.30 Mehrmals wurde angemerkt, dass Verschreibungen zwischen Radegg und Randegg in Urkunden vorkommen und Katharina aus der dem Kloster St. Katharinental eng verbundenen Familie Randegg, einem Ministerialengeschlecht der Grafen von Monfort, stammen könnte.31 Für das sorgfältig geschriebene Graduale fällt m. E. der Erklärungsansatz mit der Verschreibung weg, denn der Name wurde sieben Mal eindeutig ohne «n» geschrieben. Lediglich die Endung variiert. Es ist davon auszugehen, dass der Name ganz bewusst auf diese Weise an den entsprechenden Stellen hingesetzt wurde. Hierzu ist noch die Beobachtung anzufügen, dass es interessanterweise Miniaturen gibt, bei denen sämtliche Personen beschriftet wurden. Dabei dürfte es sich immer um dieselbe Hand handeln, die in der Regel mit roter Tinte die Namen hingesetzt hat.32 Beispielsweise im Bild zum Introitus des Festes der hl. Agathe, das die hl. Lucia an deren Grab betend zeigt, sind sowohl die zur Linken der hl. Agathe kniende Katharina von Radegge wie die beiden Heiligen durch Beischriften klar identifizierbar. Bei der Darstellung der «Dominikusleiter» sind Dominikus und die ihm nachfolgende Katharina von Radegge wiederum namentlich gekennzeichnet, womit der Bildinhalt zweifelsfrei festgelegt ist.33 Es stellen sich die Fragen, ob die Beischriften noch die Funktion als Malanweisungen hatten und ob es noch weitere gegeben hat, die übermalt oder bei der Fertigstellung wegrasiert wurden.34 In diesem Fall wäre die besondere Stellung der drei genannten Dominikanerinnen innerhalb des Konventes stark zu relativieren. Neben Katharina von Radegge sind es Clara von Lindau und Katharina Azzo, die namentlich bezeichnet werden, jedoch je nur einmal. Sie sind wie Katharina von Radegge im Totenrodel aufgeführt und haben nach A. Müller wie diese in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts gelebt.35 29 30 31 32 33 34 35
HBLS, Bd. 5, S. 512. Knoepfli 1958, S. 14. – Zu den Schad von Radegg: Eugster 1991, S. 126–127, insbesondere Anm. 231. Weist zudem auf die Verwandtschaft der Schad von Radegg und den Randegg hin. Knoepfli 1958, S. 15. – Zu den Randegg: HBLS, Bd. 5, S. 530. – Eugster 1991, S. 126–127, insbesondere Anm. 230 und 231. – Meyer 1995, S. 124, 255, 290. – Folini 1999, S. 43, 78. Eine Ausnahme bildet die Beischrift «Schwest[er] kath[ar]ina h[er]n azzen», die mit schwarzer Tinte geschrieben wurde. Beer 1983, S. 171, Nr. 69. Zwei Malanweisungen haben sich im Cod. Vat. lat. 10771 (Kat.-Nr. 19) erhalten. – Alexander 1992, S. 59–60, weist auf diese Doppelfunktion hin. Clara von Lindau: Sie ist im Totenrodel in Kolonne VII, Position 48 aufgeführt. Henggeler 1932, S. 164. Nach Müller 1971, S. 28–29, haben die in Kolonne VII zwischen 1300 und 1350
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Erstaunlich ist, dass Katharina von Radegge, die im Graduale eine so starke Präsenz hat, nicht im Schwesternbuch erscheint. Aber auch Clara von Lindau und Katharina Azzo fehlen. Die Darstellung der namentlich bezeichneten Dominikanerinnen entspricht in fünf Fällen dem klassischen Devotionsbild (foll. 159r, 161r, 168v, 183v, 231v) wie übrigens auch eine Reihe der unbezeichneten. In den anderen vier Fällen sind sie – Katharina von Radegge und Katharina Azzo – auf ungewöhnliche Weise ins Bildgeschehen miteinbezogen oder bilden sogar den Mittelpunkt desselben (foll. 159v, 161r, 261v, 263r). Die Interpretationen zu den vier soeben erwähnten Miniaturen sind vielfältig. E. J. Beer verweist in der Regel auf die Mystik als Quelle für die ausserordentlichen Bildschöpfungen (s. oben). Die Handlung Katharinas von Radegge auf der Himmelsleiter bezeichnet sie als Imitatio und geht nicht weiter darauf ein. Die Krönung der Katharina Azzo erklärt sie mit dem Geist der Mystik und zitiert ein Gedicht der Mechtild von Magdeburg, das in der Tat eine Bildbeschreibung sein könnte.36 M. Wehrli-Johns stellt die vier Miniaturen in den Kontext des johanneisch geprägten Bildprogramms (s. oben und im Kapitel «Bemerkungen zur Ikonographie») und hält in diesem Zusammenhang fest: «So ist der Nonnenkonvent als MariaEcclesia Rezipient der Lehre der Dominikaner und somit auf privilegierte Weise in das kontemplative Studienideal des Ordens einbezogen.»37 Nach A. Bräm handelt es sich hier um unkonventionelle Stifterdarstellungen mit einer «stifteradaptierten Ikonographie», welche die beiden Schwestern in ihrer vermuteten Rolle bei der Herstellung des Graduale als Organisatorinnen besonders auszeichnen.38 Aufgrund des aussergewöhnlichen Einbezuges der Katharina von Radegge vermutete D. W. H. Schwarz, dass sie zum Zeitpunkt als das Graduale geschaffen wurde, bereits verstorben war. Dennoch nahm er an, die drei namentlich bezeichneten Dominikanerinnen seien die Initiatorinnen und ihre Verwandten die wichtigsten Stifter für die Herstellung des Graduale gewesen.39
36 37 38 39
gelebt. – Schwarz 1983, S. 233, Anm. 78. – Zur Familie von Lindau S. Meyer 1995, S. 233. Katharina Azzo: Sie ist im Totenrodel in Kolonne VI, Position 30 verzeichnet. Henggeler 1932, S. 163. Nach Müller 1971, S. 28–29, haben die in Kolonne VI aufgeführten Schwestern zwischen 1300 und 1350 gelebt. – Schwarz 1983, S. 233, Anm. 78. – Folini 1999, S. 106. Beer 1983, S. 170–171. Wehrli-Johns 1995, S. 266. Bräm 1992, S. 104, 106–108. Schwarz 1983, S. 234.
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G. Warner äusserte die Vermutung, Katharina von Radegge sei die Hauptmalerin der Handschrift gewesen.40 Zusammenfassend kann m. E. festgehalten werden, dass eine Reihe der oben besprochenen Beispiele nicht oder zumindest nicht nur als Stifterdarstellungen zu deuten sind, sondern stark von der mystischen Bildwelt geprägt sind und einige zum johanneischen Bildprogramm gehören, das die Handschrift wie einen roten Faden durchzieht. Bemerkenswert ist, dass die meisten der Bilder mit einem ungewöhnlichen Einbezug Irdischer in das jeweils dargestellte Heilsgeschehen auf die Bilderzyklen zu Johannes Ev. und zum Ordenspatron Dominikus entfallen. Den Rezipientinnen wird folglich bei der Bildbetrachtung die «imitatio» und die angestrebte «unio mystica» ebenso deutlich vor Augen geführt wie bei der Lektüre der Gnadenviten in den Schwesternbüchern, und die komplexen theologischen Inhalte scheinen mit einem persönlichen Bezug einfacher zu vermitteln und nachvollziehbarer zu sein. Neben diesem pädagogischen Aspekt bringen diese ungewöhnlichen Bildschöpfungen ein erstaunliches Selbstverständnis der Dominikanerinnen zu St. Katharinental zum Ausdruck. 7.1.2 Zu den Stifterdarstellungen Unter den eigentlichen Stifterbildern gibt es zwei, die aufgrund des beigefügten Wappens aus dem Stifter eine historisch fassbare Persönlichkeit werden lassen. Bei zwei Bildern (foll. 177v, 264v) erscheint das Wappen der Familie von Stoffeln. Von diesem hegauischen Grafengeschlecht lebten nahezu zwanzig weibliche Mitglieder in St. Katharinental.41 Zwischen den Bildinhalten (Verkündigung der Geburt des Johannes des Täufers sowie Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben) und der Anbringung der Wappen an genau dieser Stelle gibt es vermutlich eine konkrete Verbindung.42 Das Schwesternbuch berichtet in der Vita der Elsbeth von Stoffeln, dass diese sich von ihrem Ehemann getrennt habe und mit ihren zwei Töchtern ins Kloster eingetreten sei. Der Ehemann sei zusammen mit den vier Söhnen dem
40
41 42
WARNER, G.: Descriptive Catalogue of Illuminated Manuscripts in the Library of C. W. Dyson Perrins, Bd. 1. Oxford 1920, S. 301. – Bräm 1992, S. 106 schliesst diese Funktion aus. – Sukkale 1987, S. 80, meint im Zusammenhang des Regensburger Lektionars (Oxford, Keble College, Ms.49): «Es ist fast müssig, angesichts der grossen Zahl dargestellter Personen noch zu betonen, dass es sich keinesfalls um Malerinnen der Bilder handelt.» Seine nachfolgende Argumentation mit der Qualität der Malereien vermag allerdings nicht vollends zu überzeugen. Es sei jedoch angemerkt, dass Schreiber und Maler eher in Ausübung ihrer Tätigkeit in Widmungsbildern gezeigt werden (Beispiele bei Bergmann 1985). Knoepfli 1958, S. 14. – Schwarz 1983, S. 233, Anm. 78. – Meyer 1995, S. 236–237. – Folini 1999, S. 121–122. Zu den Miniaturen: Beer 1983, S. 147 und 172.
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Johanniterorden beigetreten. Elsbeth wird dort auch als Priorin bezeichnet.43 Sie ist wohl identisch mit der im Totenrodel in Kolonne II, Position 50 aufgeführten.44 Neben ihrem Namen ist im Totenrodel bezeichnenderweise ein Johanniterkreuz hinzugefügt worden. Zudem folgen auf ihren Eintrag zwei Schwestern mit Namen von Stoffeln, wohl ihre beiden Töchter. Ihr Ehemann ist möglicherweise Berchthold von Stoffeln, der 1317 eine Jahrzeitstiftung machte.45 So liegt es nahe, dass der Johanniter von Stoffeln zwei Miniaturen zum Fest Johannes des Täufers stiftete. Bei der Geburt Johannes des Täufers ist ein Stifter in der Ordenstracht der Johanniter dargestellt. D. W. H. Schwarz vermutete, dass es sich dabei um Hugo von Radegg handeln könnte, der 1302 als Komtur der Johanniterkomturei Hohenrain nachgewiesen und vermutlich ein naher Verwandter der Schwester Katharina von Radegg sei.46 Bemerkenswert ist, dass der weltliche Stifter in der Miniatur zum Fest des hl. Martin voll ins Bildfeld integriert ist. Könnte es sich hier möglicherweise um Martin von Stein handeln, der dem Kloster in mehrfacher Weise verbunden war? Seine Stiftung eines Fensters für den neuen, 1305 geweihten Chor ist urkundlich belegt, hingegen bleibt unentschieden, ob er die plastische Christus-Johannes-Gruppe, die heute im Museum van den Bergh in Antwerpen aufbewahrt wird, und/oder die Johannes-Baptist-Figur im Musée des Arts Décoratifs in Paris, gestiftet hat.47 Bei den Miniaturen Nr. 45, 46, 47 dürften die Stifterfiguren nachträglich unterhalb der Miniatur auf die Notenlinie gesetzt worden sein.48 Angesichts der Vielzahl von Stifterdarstellungen stellt sich die Frage, ob nicht auch Wohltäter des Klosters, die schon zu einem früheren Zeitpunkt Zuwendungen an die Klostergemeinschaft gemacht haben, bildlich im Graduale dargestellt und damit geehrt sowie ins Gebet eingeschlossen wurden. Nach der eingehenden Betrachtung der «Stifterdarstellungen» kann Folgendes festgehalten werden: Bei den zahlreichen Abbildungen von Irdischen in Devotions43
44
45 46
47 48
Meyer 1995, S. 118, 236–237, vermerkt u. a., dass die Zürcher Wappenrolle die Alt-Stoffler als dem Johanniterorden zugehörig vermerkt. – Zu ihrer Funktion als Priorin S. auch Folini 1999, S. 63. Henggeler 1932, S. 161. – Nach Müller 1971, S. 28–29, haben die in Kolonne II aufgeführten Schwestern zwischen 1242 und 1300 gelebt. – Meyer 1995, S. 236–237, geht davon aus, dass von den fünf gleichlautenden Einträgen im Totenrodel nur derjenige in Kolonne II, Position 50 für die im Schwesternbuch erwähnte in Frage kommt. – Folini 1999, S. 63, Anm. 399. Meyer 1995, S. 236–237. Schwarz 1983, S. 231, Anm. 40. – Es sei hier noch angemerkt, dass in der im Schwesternbuch überlieferten Gründungsgeschichte berichtet wird, dass Martin von Randegg mit seinen Söhnen in den Johanniterorden eingetreten sei. (Meyer 1995, S. 290) Knoepfli 1989, S. 220–221, 226–228, 231. – Meyer 1995, S. 78, 146–147, 288–289. – Folini 1999, S. 46, ausführlich über Einordnung der Familie, die Stiftungen und Vermächtnisse. Beer 1983, S. 143–147.
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haltung ist eine sorgfältige Interpretation angezeigt. Sie kann nicht nur vom einzelnen Bildmotiv ausgehen, sondern muss unter Einbezug des liturgischen Textes wie des gesamten Bildprogramms vorgenommen werden und fällt offensichtlich nicht immer eindeutig aus. Wie ich darzulegen versucht habe, können eine Reihe dieser Figuren neben ihrer möglichen Funktion als Stifter auch noch in einen anderen Kontext gestellt werden. Es bleiben immer noch eine beträchtliche Anzahl von Stifterdarstellungen, die darauf hinweisen, dass das Kloster St. Katharinental nicht über die nötigen Eigenmittel verfügte, um die Herstellung der Handschrift selbst zu finanzieren, sondern dafür Fremdmittel sammeln musste. Insbesondere der umfangreiche Bildzyklus in Deckfarbenmalerei muss mit hohen Kosten verbunden gewesen sein. Die Handschrift konnte schliesslich mittels einer Gemeinschaftsstiftung vom Konvent der Dominikanerinnen zu St. Katharinental in Auftrag gegeben werden. Einzelne Mitglieder dieses Konventes waren zugleich auch Donatorinnen im eingangs definierten Sinne, so dass ihre Darstellungen als Donatorinnenbilder bezeichnet werden können. Die Formen der Stifterdarstellungen im Graduale beschränken sich auf Wappen und Bildnisse, wobei letztere die Mehrheit bilden und dem gängigen Devotionstypus (kniender Stifter in Adoration) entsprechen. Dedikationsbilder und Sonderformen, wie Proskynese oder die Kombination von Devotions- und Dedikationstyp, gibt es keine. Stiftungen für ein liturgisches Buch waren beliebt, denn dieses war unerlässlich für die Messfeier, und somit war das stete Andenken an die Stifter gewährleistet. Humbertus de Romanis etwa hielt fest, dass die Stifter von Büchern eine besondere Erwähnung verdienen und die Stiftung ihrer Jenseitsvorsorge diene.49 In St. Katharinental hat, neben weiteren Ursachen, die Beliebtheit der Stiftung für das Graduale und weitere Kunstwerke des ersten Viertels des 14. Jahrhundert möglicherweise dazugeführt, dass die Güterschenkungen ab 1300 stetig abnahmen und um 1315 einen Einbruch erlitten.50 Tabelle zu den «Stifterbildern» im Graduale von St. Katharinental fol. /nr. (nach Beer 1983)
ausserhalb des Bildgeschehens
3v / Nr. 1 Adventsbild
1 weltl. Stifter
18v / Nr. 4 Geburt Christi und Verkündigung an die Hirten
2 weltl. Stifter
87a / Nr. 73 Szenen zur Passio Christi
49 50
innerhalb des Bildfel- Teil des des, jedoch nicht Teil Bildgeschehens des Bildgeschehens
Stifterpaar
Humbertus de Romanis 1888/1889, S. 264. Folini 1999, S. 84–91.
121
fol. /nr. (nach Beer 1983)
ausserhalb des Bildgeschehens
102r / Nr. 7 Auferstehung Christi; Petrus und Johannes kommen zum leeren Grab
Stifterpaar
119v / Nr. 8 Himmelfahrt Christi
Dominikanerin
123r / Nr. 9 Pfingsten
Mönch in roter Kutte, 2 weltl. Stifter
innerhalb des Bildfel- Teil des des, jedoch nicht Teil Bildgeschehens des Bildgeschehens
154r / Nr. 11 Johannes und Dominikanerin
Johannes segnet eine vor ihm kniende Dominikanerin
157r / Nr. 12 Der hl. Nikolaus ruht im Grabe
Dominikanerin fängt mit einem Kelch Wasser auf
158v / Nr. 13 Szenen aus dem Leben des Evangelisten Johannes
Stifterpaar und 2 Dominikanerinnen
158v / Nr. 14 Stehender Johannes Evangelist
junger Mann und Dominikanerin
158a v / Nr. 74 Christus-Johannes-Gruppe
1 Dominikanerin
Dominikus
158a v / Nr. 75 Maria in Gestalt des apokalyptischen Weibes u. Joh. der Evangelist 159r / Nr. 15 Johannes betet am Altar
2 Dominikanerinnen
kniende Dominikanerin beschriftet «S.[oror] k.[atharina] de Radegg»
159v / Nr. 22 Johannes und Katharina de Radegge, darüber Deesis
Dominikanerin «soror kath[er]ina de Radegge», nimbiert
161r / Nr. 37 Johannes und Katharina de Radegge
Dominikanerin «S[oror] k[atherina] de Radegge» kniet vor Johannes
161r / Nr. 38 Christus im Gespräch mit Johannes und Petrus
Dominikanerin «S[oror] Clara de Lindowe»
161v / Nr. 39 Szenen zu Tod weltl. Stifterin und Verklärung des Johannes Evangelist 161v / Nr. 40 Verkündigung des Todes an Johannes / Johannes predigt in Ephesos
2 Dominikaner und 2 Dominikanerinnen kniend und betend
163v / Nr. 41 Die hl. Agnes erscheint ihren Freunden
3 Dominikanerinnen kniend und betend
122
fol. /nr. (nach Beer 1983)
ausserhalb des Bildgeschehens
164v / Nr. 42 Enthauptung und Aufbahrung des hl. Paulus
3 Dominikanerinnen kniend und betend
168v / Nr. 44 Die hl. Lucia betet am Grab der hl. Agathe 170v / Nr. 45 Verkündigung an Maria
1 Dominikanerin kniend und betend
173r /Nr. 46 Ermordung des Petrus von Verona
1 Dominikanerin kniend und betend
175v / Nr. 47 Dornenkrönung Christi
1 Dominikanerin kniend und betend
177v / Nr. 48 Verkündigung der Geburt des Johannes an Zacharias
1 weltl. Stifter mit Wappen (= von Stoffeln)
178v / Nr. 50 Geburt Johannes des Täufers
1 Johanniter, 1 Dominikaner
181v / Nr. 52 Kreuzigung des Apostels Petrus
1 Dominikanerin kniend und betend
183v / Nr. 54 Enthauptung des Apostels Jakobus d. Ae.
«S. kathrina de Radegge» kniend und betend
innerhalb des Bildfel- Teil des des, jedoch nicht Teil Bildgeschehens des Bildgeschehens
Zur Linken der hl. Agathe kniet «S[oror] k[atharina] de Radegge»
184v / Nr. 55 Der hl. Dominikus mit Angehörigen seines Ordens
Wappen und Helmzier der von Hewen, 1 Dominikanerin kniend und betend 1 Dominikanerin kniend und betend
185r / Nr. 56 Dominikus überantwortet Christus seinen Orden 188r / Nr. 57 Christus und Maria krönen eine gekrönte und nimbierte Frauengestalt
1 Dominikanerin kniend und betend
188v / Nr. 58 Tod Marias
1 weltl. Stifter 2 Dominikanerinnen
189v / Nr. 59 Der hl. Bernhard von Clairvaux, Maria (?), und Dominikus (?)
2 Zisterziensermönche und 1 Dominikanerin, kniend und betend
196v / Nr. 63 Der hl. Martin teilt seinen Mantel mit dem Bettler 231v / Nr. 66 Maria auf dem Thron Salomonis
258v / Nr. 67 Maria Ecclesia und Johannes der Evangelist
1 weltl. Stifter, kniend und betend 2 Dominikanerinnen kniend und betend, eine davon ist bezeichnet mit «S[oror kath[arina] de Radegge»
1 Dominikanerin kniend und betend
123
fol. /nr. (nach Beer 1983)
ausserhalb des Bildgeschehens
innerhalb des Bildfel- Teil des des, jedoch nicht Teil Bildgeschehens des Bildgeschehens
261v / Nr. 68 Die Entrückung des hl. Dominikus
Die mit «S[oror] k[atharina] de Radegge» bezeichnete Dominikanerin folgt Dominikus auf der Himmelsleiter nach. Krönung der «Swest[er] kath[ar]ina h[er]n azzen»
263r / Nr. 69 Der hl. Dominikus krönt Schwester Katharina Azzo 264v / Nr. 70 Der kleine Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben
1 weltl. Stifter mit dem Wappen der von Stoffeln
291r / Nr. 71 Petrus und Paulus 293r / Nr. 72 Der hl. Nikolaus befreit den Adeodatus
1 Dominikanerin kniend und betend 3 Dominikanerinnen kniend und betend 2 junge weltl. Stifter
7.2 Die Manessische liederhandschrift Ein gut untersuchtes Beispiel mit der Nennung einer Reihe von historisch belegten Persönlichkeiten stellt der Codex Manesse dar (Kat.-Nr. 25). An seiner Entstehung in Zürich bestehen heute kaum mehr Zweifel, denn dafür sprechen eine Reihe von Argumenten, beispielsweise charakteristische Besonderheiten der Orthographie und Paläographie.51 Darüber hinaus lässt sich – wie im Kapitel 3 dargelegt – der Fleuronnée-Schmuck des Kalligraphen J 1 der «Zürcher Gruppe» zuordnen, und der Codex kann deshalb in verstärktem Masse in die Handschriftenproduktion Zürichs eingebunden werden. Von einem «erratischen Block» kann folglich nicht mehr die Rede sein – zumal das Naglersche Fragment (Kat.-Nr. 26) noch von einer parallelen Liederhandschrift zeugen dürfte. Die Aufnahme einer Vielzahl von Schweizer Dichtern in die Liedersammlung stellt ein weiteres Argument dar. Dabei nehmen die Person und das Werk des Zürcher Dichters Johannes Hadlaub eine wichtige Rolle ein (foll. 371v–380v).52 Ihm ist eine Doppelminiatur (fol. 371r) gewidmet, und die Eingangsinitiale zu seinem ersten Lied ist hervorgehoben durch aussergewöhnliche Grösse und sehr sorgfältige 51 52
Werner 1988, S. 1. Werner 1988, S. 1, 10–11. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 23–24. Dort auch der Hinweis, dass ein Johannes Hadlaub am 4. Januar 1302 am Zürcher Neumarkt ein Haus kaufte. Er ist mit grosser Wahrscheinlichkeit identisch mit dem Minnesänger.
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Ausführung.53 Für sein Werk wurde eine ganze Lage reserviert. Da die Schreiberhand, Ms genannt, ausschliesslich die Dichtungen Hadlaubs geschrieben hat, wurde vermutet, dass der Dichter seine Verse eigenhändig eingetragen habe.54 Wie R. Gamper gezeigt hat, ist diese Schreiberhand identisch mit derjenigen, welche die Abschrift des Zürcher Richtebriefs von 1301/1304 angefertigt hat.55 Besonderen Zeugniswert besitzt Hadlaubs Loblied auf die Zürcher Familie Manesse, die seit dem Zürcher Gelehrten Johann Jakob Bodmer (1698–1783) der Handschrift ihren Namen leiht. Darin werden Johannes Manesse (– 1298), Kustos am Zürcher Grossmünster, und dessen Vater Rüdiger Manesse d. Ä. (– 1304), seit den Sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts bedeutender Politiker Zürichs, als Besitzer von Liederbüchern und Sammler von Liedtexten gepriesen.56 Auch wenn man dem Loblied mit der gebotenen Vorsicht begegnet und in Betracht zieht, dass dieses nicht zwingend die historische Realität widerspiegelt, so scheint die Beteiligung der Familie Manesse an der Herstellung des Codex wegen ihrer sozialen und politischen Stellung im damaligen Zürich nahe liegend zu sein.57 Zu dem in einem weiteren Gedicht von Hadlaub aufgeführten Personenkreis, dem so genannten Manesse-Kreis, gibt es verschiedene Überlegungen: Der Forschungskonsens, dass es sich bei diesem Personenkreis um das Publikum des Johannes Hadlaub und die Auftraggeberschaft der Liederhandschrift handelt, wird im Ausstellungskatalog «edele frouwen – schoene man» hinterfragt: Von den in ständischer Ordnung aufgeführten Personen leben nur Rüdiger Manesse und die Äbtissin des Fraumünsters in Zürich. Wieso ist niemand von den Ratsmitgliedern, die ebenfalls zur kulturtragenden Schicht gehören, darunter? Eine interessante Erklärung stellte M. Schiendorfer vor.58 Seine Analyse zeigte, dass die von Hadlaub genannten Personen zum politischen und/oder verwandtschaftlichen Umfeld Heinrichs von Klingenberg, des politisch einflussreichen Konstanzer Bischofs (Amtszeit 1293–1306), gehören und politisch der habsburgisch-österreichischen Partei zuzuordnen sind.59 Rüdiger Manesse hingegen war als Mitglied der Gegenpartei an der Anzettelung der misslungenen Revolte Zürichs gegen Habsburg-Österreich in den Jahren 1291/92, nach dem Tod König Rudolfs, massgeblich beteiligt. In der Nennung dieser Personen im 53 54 55 56 57 58 59
Die Miniatur stammt vom Grundstock-Maler. Dazu: Koschorreck 1981, S. 110. – Salowsky 1988, S. 430, schreibt die Initiale dem Kalligraph J 2 zu. Salowsky 1988, S. 426. Gamper 1993, S. 21. Der Richtebrief wird in der Zentralbibliothek Zürich unter der Signatur Ms. C 179 aufbewahrt. Beschreibung bei Gamper 1993, S. 147. Lobpreis auf die Manesse abgedruckt bei Schiendorfer 1993, S. 38. In deutscher Übertragung in: Kat. edele frouwen – schoene man, S. 23. Kat. edele frouwen – schoene man, S. 33. Schiendorfer 1993. Zum Manesse-Kreis S. auch: Kat. edele frouwen – schoene man, S. 23–33.
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Preislied Hadlaubs sieht der Autor eine von Rüdiger Manesse veranlasste diplomatische Handlung zur Beruhigung der politisch angespannten Lage. Die Konzeption der Manessischen Liederhandschrift als «Offene Sammlung» bestand nicht von Anfang an. Wie G. Kornrumpf darlegte, war «in einem frühesten Stadium möglicherweise nichts anderes geplant als eine Minnesänger-Anthologie, grossformatig, aber bescheiden im Umfang und exklusiv – eine bebilderte Auswahl adliger Frauendiener, zu der es um 1300 mehrere, freilich kleinformatige Pendants gegeben haben muss.»60 Sie scheidet eine «Ursammlung» (Lagen 1–3) aus und stellt fest, dass erst danach Vorkehrungen getroffen wurden, damit Nachträge eingefügt und sogar Umordnungen vorgenommen werden konnten. Möglicherweise wurde im Codex Manesse nach einer Planänderung das Konzept der «Offenen Sammlung» erstmals erprobt und im Verlaufe der Arbeit verfeinert, da beispielsweise erst nach und nach vollständig leere Seiten eingefügt wurden. Ebenfalls angewandt wurde das für Zürich neuartige Konzept der «Offenen Sammlung» beim Zürcher Richtebrief von 1301/1304.61 Beim Auftrag des Rats an den Stadtschreiber Nikolaus Mangold, den alten neu zuordnen und abzuschreiben, kam dieses Konzept wohl bereits bei den Vorbereitungsarbeiten zur Anwendung.62 Aufgrund der oben erwähnten Identität des Schreibers Ms mit dem Schreiber des Zürcher Richtebriefs von 1301/1304 und der gleichartigen Konzeption als «Offene Sammlung» beider Werke vermutet R. Gamper, dass Rüdiger Manesse als Rechtskundiger und Schiedsrichter auch der Auftraggeber der Abschrift des Richtebriefs war.63 Zusammengefasst zeichnet sich der Herstellungsprozess des Codex Manesse durch eine grosse Komplexität aus: Als Auftraggeber fungieren mit grosser Wahrscheinlichkeit mehrere Mitglieder der kulturtragenden Schicht Zürichs, namentlich die Patrizierfamilie Manesse. Eine besondere Rolle dürfte Rüdiger Manesse gespielt haben. Die anfängliche Absicht, eine bibliophile Ausgabe zur Sangeskunst zu schaffen, wandelte sich nach einer Neukonzeption zu einem grossangelegten Sammelunternehmen, an dem vier Maler, sechs Floratoren und neun, eventuell sogar elf Schreiber beteiligt waren. Die konzeptionellen (Konzept «Offene Sammlung») und personellen (Florator J1, Schreiber Ms) Verknüpfungen mit zeitgleichen 60 61
62 63
Kornrumpf 1988, S. 281. Gamper 1993, S. 20. Das Konzept «Offene Sammlung» kam in Zürich um 1300 zum ersten Mal zur Anwendung. – Möglicherweise wurde dieses Konzept auch bei den Schwesternbüchern angewendet. Thali 2002, S. 201. Kat. edele frouwen – schoene man, S. 29, 43, 188. Gamper 1993, S. 21. Er weist u. a. daraufhin, dass Rüdiger Manesse eine Kopie des Schwabenspiegels anfertigen liess und das erhaltene Kolophon ein weiteres Preislied auf Manesse enthält. Dazu auch Kat. edele frouwen – schoene man, S. 38–39.
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Zürcher Werken sind zusammen mit orthographischen und paläographischen Besonderheiten weitere wichtige Argumente für die Anfertigung dieser Cimelie in Zürich.
7.3 Die Weltchroniken Von einem weiteren leistungsfähigen Skriptorium, das möglicherweise auf Vorrat arbeitete und das wohl auch in Zürich beheimatet war, zeugen das Manuskript 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen (Kat.-Nr. 29, es enthält die Weltchronik des Rudolf von Ems und die Karlsvita Strickers) sowie die Frankfurter und die sich in Schweizer Privatbesitz befindlichen Fragmente (Kat.-Nr. 30, 31). Die Lokalisierung der St. Galler Handschrift beruht in erster Linie auf der paläographischen Untersuchung K. Schneiders.64 Von den insgesamt vier an der Niederschrift des Textes beteiligten Händen konnte sie zwei in anderen Handschriften nachweisen und den Hauptschreiber als Konrad von St. Gallen identifizieren. Höchstwahrscheinlich handelt es sich dabei um den gleichnamigen Weltpriester, der zwischen 1298 und 1320 am Zürcher Fraumünster urkundlich belegt ist. In den meisten Fällen tritt er als Zeuge in Urkunden der Äbtissinen Elisabeth von Spiegelberg und Elisabeth von Matzingen auf und wird zuerst als Priester, dann als Chorherr der Benediktinerinnenabtei und schliesslich als Kaplan des Jakobus- und Leodegaraltars bezeichnet.65 Es liegt deshalb auf der Hand, die Auftraggeberschaft in der Fraumünsterabtei selbst oder in deren Umfeld zu suchen. Aufgrund der heutigen Forschungslage muss dies aber Gegenstand von Mutmassungen bleiben.66 Die in der Ausgabe kombinierten Texte, Weltchronik und Karlsepos, sprechen eher für eine Entstehung im Umfeld des Grossmünsters, wo der Karlskult gepflegt und seit 1233 besonders intensiv gefördert wurde (s. dazu Kap. 5.1.5. und Kat.-Nr. 15).67 Der in den Frankfurter Fragmenten nachgewiesene dritte Schreiber der St. Galler Handschrift legt einen Werkstattzusammenhang nahe. Mit ihrem Verzicht auf die Verwendung von Gold, namentlich für den Grund, weisen die Frankfurter Fragmente jedoch in materieller Hinsicht ein geringeres Anspruchsniveau auf. Einen bedeutenden Fund stellen die zwei Fragmente dar, die sich in Schweizer Privatbesitz befinden. Sie müssen aus einer unmittelbaren Schwesterhandschrift 64 65
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Schneider 1987 bis. Schneider 1987 bis, S. 22, 39–41. Die Haupthand der Weltchronik hat mit Sicherheit auch die Handschrift B VIII 27 der Universitätsbibliothek Basel geschrieben, wo sich der Schreiber im Kolophon als Konrad von St. Gallen zu erkennen gibt. Die Basler Handschrift enthält die vom Deutschherren Hugo von Langenstein 1293 im Bodenseeraum verfasste Verslegende «Martina» und eine deutsche Naturlehre in Prosa. Schneider 1987 bis, S. 41–42. Kat. edele frouwen – schoene man, S. 39.
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des St. Galler Codex 302 stammen, denn auf den ersten Blick glaubt man, Fragmente aus der genannten Handschrift vor sich zu haben. Die an der Illuminierung des St. Galler Codex beteiligten Hände sind zweifellos für die beiden Miniaturen auf den Fragmenten verantwortlich. Mit der Kenntnis der in Frankfurt und in der Schweiz aufbewahrten Fragmente erhalten wir nun Auskünfte über die Leistungsfähigkeit, Funktions- und Produktionsweise des wahrscheinlich in Zürich beheimateten Skriptoriums. Zudem muss die Einzigartigkeit der St. Galler Handschrift in Frage gestellt werden, denn offenbar waren die Nachfrage nach solch qualitätvollen Handschriften und dementsprechend auch ihre Verbreitung grösser als bisher angenommen. Offensichtlich wurden jeweils mehrere Weltchroniken gleichzeitig hergestellt. Dabei gab es bezüglich des materiellen Aufwandes Varianten, die entweder den Wünschen der Auftraggeber entsprachen und/oder als Hinweis für die Produktion auf Vorrat interpretiert werden können. Wahrscheinlich darf eine ähnliche Funktions- und Produktionsweise angenommen werden, wie sie vom Atelier des Diebold Lauber, das im 15. Jahrhundert tätig war, bekannt ist.68 Etwa zehn bis zwanzig Jahre später als die obigen Beispiele dürfte in Zürich noch einmal eine reich illuminierte Weltchronik entstanden sein, die allerdings nur als Torso überliefert ist und heute in Berlin aufbewahrt wird. 69 Die paläographische Verwandtschaft mit den Zürcher Anniversarienbüchern führte auf der Suche nach dem möglichen Besteller zum Grossmünster und dessen Umfeld. In diesem Zusammenhang wurde Kraft von Toggenburg, von 1310 bis 1339 Propst am Grossmünster, als möglicher Auftraggeber genannt. Auch bei der um 1350 entstandenen, luxuriösen Ausgabe des Bestsellers von Rudolf von Ems, die Rheinauer Weltchronik (Zentralbibliothek Zürich, Rh. 15), spricht die Identifikation des Schreibers mit dem Magister Johannes, Kaplan am Marienaltar des Grossmünsters, von dessen Hand auch das 1346 geschriebene Statutenbuch des Chorherrenstifts stammt, für einen Auftraggeber im selben Umfeld.70
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Stamm 1985. Berlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 623. – Lit.: Beer 1959, S. 43. – Beer 1965 bis, S. 136. – Kratzert 1974, S. 138–139. – Kat. Zimelien, Nr. 93, S. 140. – IRTENKAUF, Wolfgang: Kommentar zur Faksimileausgabe des Berliner Fragmentes, Stuttgart 1980. – IRTENKAUF, Wolfgang: Eine Zürcher Handschrift der Weltchronik und des Strickers, In: Zürcher Taschenbuch 1982, S. 1–12. – Herkommer 1987, S. 137ff., 142ff., 172. – Beer 1987, S. 92–93. – Saurma-Jeltsch 1988, J 19, S. 347– 348. – Günther 1993, S. 100–104 (mit ausführlicher Bibliographie). – Kessler 1997, KE 32, S. 247–248. Kat. edele frouwen – schoene man, S. 39, 247.
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7.4 Technische Aspekte Nachdem in den vorangehenden Abschnitten die Frage nach der Auftraggeberschaft und der Finanzierung anhand einiger Beispiele diskutiert wurde, steht mit Blick auf einige technische Beobachtungen die handwerkliche Anfertigungsprozess der Handschriften im Zentrum. Aufschlussreich für die innerbetriebliche Organisation eines Skriptoriums oder Ateliers können die Werkstattangaben sein. Solche Angaben sind in der Regel für den werkstattinternen Gebrauch bestimmt und sollten nach Fertigstellung des Produktes weggeschnitten, rasiert oder eingebunden werden. Insofern ist ihre Erhaltung zufällig. Sie können Hinweise auf die Strukturierung einer Buchmalereiwerkstatt geben, etwa auf die am Herstellungsprozess beteiligten Personen (Konzeptverfasser, Schreiber, Rubrikator, Kalligraph, Maler). Sie können mithelfen, den Ablauf der Anfertigung zu definieren. Gemeinhin gelten sie als Charakteristikum einer arbeitsteilig organisierten Buchproduktion, bei der die Werkstattangaben als Hilfsmittel eingesetzt werden, um die fehlende direkte Kommunikation wettzumachen. Ihr Gebrauch ist in der frühchristlichen Buchmalerei nachgewiesen,71 in monastischer Zeit scheint er eher unüblich gewesen zu sein und setzte in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wiederum vermehrt ein. Die Abfassung der Malanweisungen in Vulgärsprache wird zuweilen als Hinweis auf den Laienstatus der Maler gedeutet, was aber auch mit ihrer Funktion als Notizen zusammenhängen könnte. 72 Werkstattangaben lassen sich von ihrer Form her in drei Gruppen einteilen: verbale, piktographische und chiffrierte. Bei der erstgenannten Gruppe sind von ihrem Inhalt her die «ikonographischen» von den «nicht ikonographischen» zu unterscheiden. Erstere dienen bei ikonographischen Neuschöpfungen oder umfangreichen Projekten als wichtige Hilfen bei der Umsetzung eines Konzeptes. Umfangreiche, volkssprachig abgefasste Malanweisungen des ikonographischen Typs enthält die Münchner Wilhelm-von-Orlens-Handschrift (Kat.-Nr. 17). Die ins Bildfeld gesetzten Anweisungen sind wegen des schlechten Erhaltungszustandes der Miniaturen entzifferbar. Die Analyse hat gezeigt, dass die Anweisungen nicht strikt befolgt und Konzeptänderungen vorgenommen wurden.73 Die Verwendung von Malanweisungen mag im Fall der um 1270 geschaffenen Handschrift darin begründet 71
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Quendlinburger Itala, Berlin, Staatsbibliothek, theol. lat. fol. 485, in Rom am Ende des 4. Jh.s entstanden, und Ashburnham-Pentateuch, Paris, Bibliothèque nationale, nouv. acq. lat. 2334, Lokalisierung der Handschrift ist noch nicht festgelegt, datiert Ende 6./Anfang 7. Jahrhundert. Literatur zur Frage der Werkstattangaben: Alexander 1990. – Alexander 1992. – Avril 1975. – Branner 1977. – Gilissen 1982. – Lemaire 1989, S. 174–178. – Stirnemann 1982. – Stirnemann 1990. – Stones 1990. Weigele 1997, S. 81, 98–104, 207–210.
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sein, dass es für den von Rudolf von Ems zwischen 1235 und 1243 verfassten Roman noch kaum direkte Bildvorlagen gegeben hat. Im zweibändigen Antiphonar der Vatikanischen Bibliothek (Kat.-Nr. 19, 20) sind vier verbale Werkstattangaben überliefert, drei davon gehören zur Kategorie «nicht ikonographisch». Zwei bestimmen, dass der Grund «mit gold» ausgeführt werden soll (foll. 174v, 189v). Bei der Christus-Johannes-Gruppe wird zudem die Begründung für den Goldgrund mitgeliefert: «mit gold den guten sant Johannes da er sich naigte ufen unsers herren bruoste»74 (fol. 188v). Eine weitere Randnotiz weist den Maler an, bei der Initialminiatur, die Agnes mit dem Präfektensohn zeigt, eine beziehungsweise zwei Schwestern zu malen, was dieser jedoch nicht ausgeführt hat. Der Konzeptverfasser notierte zuerst, dass zwei Schwestern gemalt werden sollen, und korrigierte dann die Angabe. Die korrigierte Anweisung lautet: «un[d] ein swestr bi ir knuivent» (fol. 200v). Alle Malanweisungen befinden sich am äussersten Blattrand in unmittelbarer Nähe der Initialminiatur, und beim Binden der Handschriften hätten sie weg geschnitten werden sollen,75 was vermutlich in den meisten Fällen auch passiert war. Wie im Abschnitt 7.1.1. besprochen, könnten die Beischriften im Graduale von St. Katharinental eine Doppelfunktion gehabt haben: Zuerst dienten sie den Malern als Anweisungen, und später halfen sie den oftmals ungewöhnlichen Bildinhalt zweifelsfrei zu deuten. 76 Beispiele für den Typ der chiffrierten Werkstattangaben sind etwa im Manuskript Car. C 2 der Zentralbibliothek Zürich zu beobachten. Kleine Buchstaben als Repräsentanten («léttres d‘attente») geben dem Maler an, welche Miniatur an der freigelassenen Stelle gemalt werden soll. Ungeklärt ist bisher die Funktion der roten Doppelkreise im Manuskript 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen (Kat.-Nr. 29). Sie treten ausschliesslich im Weltchronikteil seitlich bei fast allen Miniaturen sowie bei den Miniaturen der Fragmente, die sich in Schweizer Privatbesitz befinden (Kat.-Nr. 30), auf. E. J. Beer schlug zwei mögliche Deutungen vor: Erstens könnten die Kreise in einer Beziehung zu den verschiedenen Malern stehen. Zweitens wäre es vorstellbar, dass die 74 75
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Abkürzungen wurden stillschweigend aufgelöst. – Im Engelberger Cod. 60 wird in einer Malanweisung für alle Miniaturen Goldgrund angeordnet. Marti 2002, S. 145. Ein Parallelfall liegt im Engelberger Cod. 60 vor: Wie S. Marti darlegte, handelt es sich bei den ebenfalls am äussersten Blattrand hingeschriebenen Angaben eindeutig um Malanweisungen. Diese Notizen hätten eigentlich weggeschnitten werden sollen. Alexander 1992, S. 59–60, weist auf diese Doppelfunktion hin. – S. Marti stellte bei den mittelhochdeutschen Beischriften in der Psalterhandschrift Ms. Add. 22279 der British Library in London ebenfalls eine solche Doppelfunktion fest: Die direkt oberhalb der Bildrahmen hingesetzten Anweisungen mit ikonographischen Erläuterungen blieben wohl bewusst stehen, um die ungewöhnlichen Bildthemen zu erklären.
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Kreise zur Aufnahme von Kurzbeschreibungen vorgesehen waren und somit als Lesehilfen fungieren sollten.77 Solche Doppelkreise in den Farben rot und grün weist das Vatikanische Graduale 10769 (Kat.-Nr. 15) auf, das mit grosser Wahrscheinlichkeit – wie auch die Weltchronik – in Zürich hergestellt wurde. Die Kreise sind jeweils auf der Versoseite in der Mitte auf dem Aussensteg angebracht und enthalten die ursprüngliche Foliierung in römischen Ziffern. In der Weltchronik erscheinen sie ebenfalls auf dem Aussensteg – jedoch seitlich eines Bildkompartiments –, d. h. pro zweizonig aufgebauter Miniatur kann es zwei Doppelkreise haben. Es stellt sich eindringlich die Frage, ob es sich hier um ein werkstattspezifisches Element handelt, das über längere Zeit verwendet wurde, dessen Form beibehalten, dessen Funktion sich jedoch gewandelt hat. Eine weitere Beobachtung betrifft die Arbeit der Maler: Im Sommer-Antiphonar Vat. lat. 10772 sind an vier Stellen die vorgesehenen Initialminiaturen nicht ausgeführt worden (Kat.-Nr. 20, foll. 65v, 78v, 93v, 134v). Bei den zwei erstgenannten Stellen hat der Maler jedoch bereits die Vorzeichnungen in Bleistift ausgeführt.78 In einer Reihe der zur Diskussion stehenden Handschriften wurde zum Schutz der Deckfarbenmalereien Seidentüchlein angenäht. Dazu wurden gazeartige, leinwandbindige Stoffe, die in der Regel rohweiss sind, verwendet.79
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Beer 1987, S. 62. Zu den Vorzeichnungen im Codex Manesse: Vetter 1981, S. 49. Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773 (Kat.-Nr. 1), fol. 104v (weinrote Seide). – Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10769 (Kat.-Nr. 15): foll. 94v, 114v, 120v, 144v, 170r, 172r, 175v. – Fulda, Hessische Landesbibliothek, Aa 74 (Kat.-Nr. 6): foll. 3v, 91r (weinrote Seide). – Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 21897 (Kat.Nr. 18): Hier sind lediglich die Fäden noch vorhanden. – Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771 (Kat.-Nr. 19): foll. 42v, 188v, 189v, 200v, 225v.
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8. Zusammenfassung der ergebnisse Ausgangspunkt und Zentrum der vorliegenden Studie bilden sieben liturgische Handschriften, die in der Biblioteca Apostolica Vaticana aufbewahrt werden. In meiner Lizentiatsarbeit wurden die bislang lediglich knapp beschriebenen Handschriften ausführlich bearbeitet und eine erste Bestimmung von Herstellungs-, Bestimmungs- und Aufbewahrungsorte sowie die Einordnung der buchkünstlerischen Ausstattung vorgenommen. Um die Materialbasis zu erweitern, bestand ein Teil der vorliegenden Arbeit darin, Handschriften aus dem südlichen Teil der Diözese Konstanz ausfindig zu machen, die infolge von Reformation und Säkularisation zerschnitten und/oder in alle Winde zerstreut wurden. So wurden neben den sieben Vatikanischen Codices 22 weitere Handschriften und 32 Fragmente einbezogen und im Katalogteil eingehend behandelt. Ziel war es, verschiedene in der Lizentiatsarbeit offen gebliebene Fragen, etwa nach der Provenienz, zu beantworten versuchen, und ein genaueres Bild von der Buchproduktion im Raum Zürich – Konstanz in der Zeit von 1260 bis 1330 zu erhalten. Dabei wurde ein besonderes Augenmerk auf die Rolle der Dominikaner und Dominikanerinnen gerichtet. Dem Fragenkomplex rund um die Provenienz der Vatikanischen Handschriften und ihrer Geschichte ist eines der Hauptkapitel gewidmet. Es konnte erstmals gezeigt werden, dass die Manuskripte zusammen mit einer Reihe weiterer Kult- und Kunstgegenstände als Folge der Säkularisation und im Umfeld der in Frauenfeld veranstalteten Versteigerung vom Frankfurter Antiquar A. Loewenstein angekauft wurden. Loewenstein erwarb zusammen mit seinem Geschäftspartner I. Strauss weitere Kultobjekte aus den aufgehobenen Klöstern der Kantone Aargau und Luzern. Sie wurden nach Paris gebracht und für die Auktion bei Bonnefons de Lavialle vorbereitet, die am 10. und 11. März 1851 hätte stattfinden sollen. Eine Gruppe von einflussreichen Katholiken beabsichtigte, sämtliche Kultgegenstände zu erwerben, um sie vor der Profanation zu retten. Dafür benötigten sie die Erlaubnis des Papstes und wandten sich an den Nuntius in Paris. Dieser setzte sich mit dem Prosegretario Kardinal Antonelli in Verbindung. Daraufhin meldete der Prosegretario, dass eine Person, die anonym bleiben möchte, sich mit 100’000.– Francs am Kauf beteiligen wolle. Bei dieser Person handelte es sich um Papst Pius IX., der entschied, alle Objekte anzukaufen, um sie zu restituieren. Nach langen Verhandlungen wurde schlussendlich die für die ganze Sammlung aufgrund eines detaillierten Gutachtens geforderten 250’000.– Francs um die Hälfte auf 125’000.– Francs herabgesetzt. Per Bahn und Schiff gelangten die Objekte von Paris via Toulon und Civitavecchia nach Rom. In Kisten gut verpackt befanden sich darunter auch die Handschriften, die 133
heute die Signaturen Vat. lat. 10769–10775 tragen. Bei der Vorbereitung zur Auktion haben sie eine Nummer erhalten, die sie heute noch tragen. Diese in sich kohärente Nummerierung rechtfertigte die Gruppenbildung der heterogenen Handschriften und liess eine gemeinsame Geschichte vermuten. Wie sich herausstellen sollte, entsprechen diese Nummern jenen im Auktionskatalog von 1851, wo die fraglichen Manuskripte unter 119–122 aufgelistet und summarisch beschrieben sind. Rund um das dominikanische Graduale Vat. lat. 10769 (Kat.-Nr. 15) ist es mit Hilfe von vielfältigen Hinweisen und Dank der Zusammenarbeit mit Christine Sauer, Leiterin der Abteilung Handschriften/Alte Drucke der Stadtbibliothek Nürnberg, in mehreren Etappen gelungen, eine beträchtliche Anzahl von Manuskripten zu gruppieren. Verbindendes Element dieser Handschriftengruppe, der «Zürcher Gruppe», ist die gleichartige buchkünstlerische Ausstattung: Fleuronnée-Initialen mit drei Entwicklungsstufen, ornamentale Deckfarbeninitialen in zwei Varianten und figürliche Deckfarbenmalereien. Das wichtigste Charakteristikum der ornamentalen Deckfarbeninitialen sind die als Füllornamente verwendeten Spiralen und die margaritenähnlichen Blüten. Die Fleuronnée-Initialen gehören zum grössten Teil zur Kategorie des Palmettenfleuronnée. Ihre Entwicklung zieht sich über vier bis fünf Jahrzehnte hin und reicht bis zum Knospenfleuronnée. Von den insgesamt 20 Handschriften sind weit mehr als die Hälfte für den Gebrauch in einem Konvent des dominikanischen Ordens bestimmt gewesen. Mehrere enthalten Hinweise darauf, dass sie in einem Kloster des dominikanischen Ordens in der Stadt Zürich Verwendung fanden. Zu den prominentesten Beispielen der Gruppe gehören die lokalisier- sowie datierbare Abschrift der Chronik des Otto von Freising und ihre Fortsetzung durch Otto von St. Blasien (Kat.-Nr. 2) und die «Ursammlung» des Codex Manesse (Kat.-Nr. 25). Im Vatikanischen Graduale (Kat.-Nr. 15) sind es die Sequenzen des Kernbestandes und jene des Nachtrags zu den Festen der Heiligen Verena, Felix und Regula sowie Karls des Grossen, die auf Zürich hindeuten. Die Fragen nach der Existenz einer Bibliothek und eines Skriptoriums, nach dem Bibliotheksbestand und der Literaturproduktion in den Zürcher Konventen des dominikanischen Ordens, einschliesslich des Dominikanerinnenklosters Töss, führen zu den folgenden Schlüssen: Als Hauptauftraggeber der «Zürcher Gruppe» kommt der Zürcher Dominikanerkonvent in Frage. Die Frauenkonvente des Predigerordens dürften erst bei den jüngeren Handschriften der Gruppe als Auftraggeberinnen aufgetreten sein, da sie in der Entstehungszeit der älteren Handschriften erst am Entstehen bzw. sich Etablieren waren. Die Einheitlichkeit des Buchschmucks, die gelegentliche Verwendung von Malanweisungen und die Heterogenität der Auftraggeberschaft (männlicher und weiblicher Zweig des Predigerordens, weltliche Mitglieder der Zürcher Bildungselite 134
sowie diverse Auftraggeber) sind ein klarer Hinweis auf die Beauftragung von weltlichen, professionellen Schreibern, Floratoren und Buchmalern. Der entscheidende Impuls zur Beschäftigung von solchen Buchherstellern dürfte gemäss den Ordensvorschriften zur Buchproduktion vom Zürcher Konvent gekommen sein. Er trug damit zur Einführung neuer Methoden der Buchproduktion bei, die sich am Betrieb in den Universitätsstädten orientierten. Wenn wir noch die Beobachtung von R. Gamper anführen, dass der Schreiber der Hadlaubschen Texte im Codex Manesse auch den Zürcher Richtebrief von 1301/04 schrieb, so ergibt sich ein äusserst vielschichtiges, lebendiges Bild von der Buchproduktion in Zürich um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert. Dieses Bild wird durch die nachfolgenden Erkenntnisse noch vollständiger und reicher: Von herausragender Bedeutung sind die zwei Fragmente einer Weltchronik-Handschrift des Rudolf von Ems (Kat.-Nr. 30). Sie bezeugen, dass es neben dem berühmten Exemplar in der Vadianischen Sammlung in St. Gallen (Kat.-Nr. 29) eine Parallelhandschrift mit demselben hohen buchkünstlerischen Anspruch gegeben haben muss, die in derselben Werkstatt geschaffen worden ist. Das St. Galler Manuskript stellt damit nicht mehr eine herausragende Einzelleistung dar, sondern es kann vielmehr, unter Berücksichtigung der Frankfurter Fragmente aus derselben Werkstatt (Kat.-Nr. 31), von einer bedeutenden Produktionsstätte ausgegangen werden, deren Sitz sich ebenfalls in der Stadt Zürich befunden haben dürfte. Neben den mittelhochdeutschen Epenhandschriften wie Parzival, Tristan und Wilhelm von Orlens (Kat.-Nr. 17) scheint in Zürich die Weltchronik des Rudolf von Ems, insbesondere die Kombination mit der Karlsvita des Strickers, besonders beliebt gewesen zu sein. Zusammen mit dem in Berlin aufbewahrten Fragment (Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Ms. germ. fol. 623) sowie dem Manuskript Rh. 15 der Zürcher Zentralbibliothek, die beide mit grosser Wahrscheinlichkeit auch in Zürich entstanden sein dürften, zeichnet sich eine eigentliche Zürcher «Weltchronik-Tradition» ab. In Anbetracht all dieser Erkenntnisse scheint die Limmatstadt zumindest zwischen 1275 und 1350 ein bedeutendes Zentrum der Buchproduktion gewesen zu sein. Werden auch noch die vielen jüngeren Forschungsergebnisse im Bereich der Wandmalerei und der Archäologie in den Blick genommen, gewinnt Zürich, dessen grosser Teil an mittelalterlichen Kunstschätzen zerstört oder zerstreut wurden, als bedeutende mittelalterliche Stadt mit herausragender künstlerischer Produktion immer mehr an Profil. Wie die Bearbeitung des Handschriftenmaterials gezeigt hat, weist eine Reihe der Handschriften der «Zürcher Gruppe» vielfältige Bezüge zum Dominikanerinnenkloster St. Katharinental auf, sei es hinsichtlich Ikonographie, buchkünstlerischer Ausstattung, Layout, Benutzungs- und/oder Aufbewahrungsort. Ergänzt 135
durch weitere Handschriften konnte eine zweite Gruppe gebildet werden, deren Hauptexponent das herausragende Graduale von St. Katharinental ist. Das Graduale Vat. lat. 10773 ist der älteste in dieser Studie behandelte Codex und Teil der St. Katharinentaler Gruppe (Kat.-Nr. 1). Es dürfte um 1240 in Strassburg entstanden sein. Seine Bedeutung liegt in der Überlieferung des dominikanischen Gradualtextes aus der Zeit vor der Reform unter Humbert de Romanis. Mit gutem Grund kann davon ausgegangen werden, dass die Handschrift zumindest seit der 1. Hälfte des 14. Jahrhunderts in St. Katharinental verwendet wurde, denn eine Randzeichnung zeigt eine namentlich bezeichnete St. Katharinentaler Dominikanerin vor Johannes dem Evangelisten kniend. Zusammen mit zwei weiteren Randzeichnungen, die auch Johannes den Evangelisten zeigen, wurde die Handschrift «johanneisch nachgerüstet» und erhielt damit eine für diese Handschriftengruppe charakteristische Prägung. Das Nürnberger Graduale (Kat. 18), dessen stark nordostfranzösisch geprägte Stilsprache schon seit längerem als vorbildlich für eine Reihe von ober- und hochrheinischen Kunstwerken beurteilt wurde und dessen vielfältige Funktion als Vorlage für das Graduale von St. Katharinental unbestritten ist, dürfte mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zürich geschaffen worden sein. Dafür spricht in erster Linie der Fleuronnée-Schmuck, der mit jenem der «Zürcher Gruppe», insbesondere mit jenem des Vatikanischen Graduale (Kat.-Nr. 15) verwandt ist: Eine charakteristische Gemeinsamkeit bilden die Zierstäbe mit den üppigen floralen Motiven. Eine wichtige Rolle in der Lokalisierungsfrage des Nürnberger Graduale spielen zudem die Vatikanischen Antiphonarien Vat. lat. 10771/10772. Wie die Untersuchung gezeigt hat, bilden sie eine Einheit, stellen Tochterhandschriften des Nürnberger Graduale dar und dürften aus derselben Werkstatt stammen. Die Parallelen erstrecken sich von den figürlichen über die ornamentalen Deckfarbenmalereien bis zu den Fleuronnée-Initialen. Grosse Bedeutung bei der Situierung des zweibändigen Antiphonars kommen den mittelhochdeutschen Fassungen zweier St. Katharinentaler Urkunden zu, die dem Codex Vat. lat. 10772 beigebunden sind. Sie dürften der Handschrift kurz nach deren Entstehung mit der Absicht beigefügt worden sein, in verständlicher Sprache auf die Stiftertätigkeit der Familie von Tannheim hinzuweisen. Sie belegen ferner, dass das mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zürich hergestellte Antiphonar wohl spätestens ab dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts im Dominikanerinnenkloster St. Katharinental für den Chordienst verwendet wurde. Das Sommer-Antiphonar Vat. lat. 10770 bildet mit seinen Prachtfleuronnées ein weiteres Glied der Handschriftengruppe um das St. Katharinentaler Graduale und die Engelberger «Bibly» (Cod. 6). Die Frage nach der Beheimatung der Werkstatt war nicht Gegenstand dieser Arbeit, ihr nachzugehen wäre bestimmt lohnenswert. Es konnte gezeigt werden, dass es bezüglich des Textinhaltes in einem engen Abhängigkeitsverhältnis steht zu den beiden Antiphonarien Vat. lat. 10771/10772, 136
insbesondere zum letztgenannten, das ebenfalls den Sommerteil enthält. Nur bedingt sind Hinweise über den Bestimmungsort der drei Antiphonarien aufgrund der Auszeichnung bestimmter Heiligenfeste zu erhalten. Immerhin stehen die gewonnenen Indizien nicht im Widerspruch zu dem auf andere Weise erzielten Resultat, dass sie für das St. Katharinentaler Kloster bestimmt waren. Eine weitere dominikanische Antiphonarhandschrift konnte aus elf, teilweise bereits bekannten Fragmenten rekonstruiert werden. Keines der Fragmente enthält Hinweise auf einen Bestimmungsort; sie wurden unter den St. Katharinentaler Handschriften behandelt, weil sie ikonographische und stilistische Bezüge zu dieser Gruppe aufweisen. Auffallend sind die teilweise ungewöhnlichen Bildinhalte, die nicht immer restlos erklärt werden konnten. Für das Hauptwerk der St. Katharinentaler Handschriftengruppe, das Graduale von St. Katharinental, konnte ergänzend zu den bisherigen Argumenten für die Heimweisung in den Dominikanerinnenkonvent am Rhein aufgezeigt werden, dass die Prachthandschrift Teil einer Gruppe von Handschriften mit vielfältigsten Querbeziehungen ist. Besondere Aufmerksamkeit wurde den zahlreichen Stifterdarstellungen im Graduale gewidmet: Es wurde versucht darzulegen, dass eine Differenzierung am Platz ist und einige der so genannten Stifterbilder nicht oder zumindest nicht nur als solche zu interpretieren sind, sondern als Teil des johanneischen Bildprogramms, das für die Handschrift charakteristisch ist und das dominikanische Selbstverständnis – insbesondere auch dasjenige des St. Katharinentaler Konvents – widerspiegelt. Der Diskussion über den Entstehungsort des Graduale wurde wegen der mittlerweile genaueren Kenntnis der Vatikanischen Antiphonarien viel Raum gegeben. Ein Skriptorium ist für das Dominikanerinnenkloster in den Schrift- oder Bildquellen bisher nicht belegt. Die dichte Überlieferungssituation hat jedoch immer wieder Anlass zu Vermutungen über die Existenz eines klostereigenen Skriptoriums gegeben. Vom Skriptoriumsbetrieb in St. Katharinental in der 2. Hälfte des 13. und im beginnenden 14. Jahrhundert zeichnet sich folgendes Bild ab: Von einer regen Schreibtätigkeit im Bereich der Verwaltung zeugen die umfangreichen mittelalterlichen Archivbestände. Das St. Katharinentaler Schwesternbuch stellt – wie die parallelen Werke der Dominikanerinnenklöster Oetenbach und Töss – ein eindrücklicher Zeuge der schriftstellerischen Tätigkeit der Schwestern dar. Eine auf zwei Werkstätten aufgeteilte Herstellung des St. Katharinentaler Graduale, wie im Kommentar zur Faksimilie-Ausgabe vorgeschlagen (Text im Kloster, bildkünstlerische Ausstattung ausserhalb), ist denkbar, hätte jedoch die komplexe Aufgabe nicht vereinfacht. Weisen das unausgewogene Layout und die übermalten Fleuronnée-Initialen auf eine solche Entstehungssituation hin?
137
Ein solcher Herstellungsprozess muss stark in Frage gestellt werden seitdem mit grosser Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass das Nürnberger Graduale und die beiden vatikanischen Antiphonarien in Zürich hergestellt worden sind. Denn bisher hat ihre vermutete Anfertigung in St. Katharinental für die Existenz eines klostereigenen und entsprechend leistungsfähigen Skriptoriums gesprochen, das über die nötige Kapazität verfügt hätte, um das Graduale von St. Katharinental zu schreiben. Folglich scheint es plausibler zu sein, dass nicht nur die Miniaturen, sondern auch der Text in einer weltlichen Werkstatt angefertigt wurden. Unabdingbar wäre auch bei der Textkonzeption die Mitarbeit von Ordensangehörigen, denn nicht nur das Bildprogramm, sondern auch die Gesangstexte, insbesondere das Sequentiar, weisen Eigenheiten auf, die umfassende liturgische Kenntnisse voraussetzen. Für die Produktion in einem weltlichen Atelier würden auch die Bevorzugung des dominikanischen Ordens von solchen Ateliers bei der Buchbeschaffung und die Stilverwandtschaft mit einer jüdischen Handschrift sprechen. Die Frage, wo denn diese Werkstatt zu situieren wäre, kann beim jetzigen Stand der Forschung nicht beantwortet werden. Der im Graduale vorgetragene Figurenstil wurde von der bisherigen Forschung mit seltener Einmütigkeit dem konstanzischen Stilkreis zugeordnet. Diese Einordnung stützt sich vor allem auf die Gegenüberstellung mit Werken der Wand- wie Glasmalerei und der Plastik ab. In der um 1300 blühenden Handelsstadt mit Bischofssitz und einem wichtigen Dominikanerkloster dürfte es eine bedeutende Buchproduktion gegeben haben, nur ist diese kaum erforscht, was in der Überlieferungssituation begründet sein mag. Bei der Weingartner Liederhandschrift (Kat.-Nr. 37) wird – wie beim Graduale von St. Katharinental – infolge von Stilvergleichen mit Konstanzer Wandmalereien eine Anfertigung in Konstanz angenommen, womit die grosse künstlerische Bandbreite der Konstanzer Buchmalerei umrissen wäre. Das Graduale gilt als Hauptrepräsentant des «dolce stil nuovo», des um 1300 im Bodenseeraum auftretenden Stilphänomens. Eine Gruppe von Fragmenten mit ebenso qualitätvollen Miniaturen des «süssen neuen Stils» – Zeugen von verloren gegangenen Chorhandschriften – rundet die vorliegende Arbeit ab. Möglicherweise könnte eine erneute Sichtung und Bearbeitung des kalligraphierten Fleuronnée der Handschriftengruppe um die Engelberger «Bibly» unter Einbezug der stilverwandten jüdischen Handschrift (Abschnitt 6.5) weiterführende Aufschlüsse liefern. Es ist davon auszugehen, dass bei zukünftigen Katalogisierungsund Forschungsvorhaben weitere Handschriften aus dem Raum Zürich – Konstanz entdeckt werden, die sich möglicherweise sogar den beschriebenen Gruppen zuordnen lassen; so eine beim Abschluss der Arbeit bekannt gewordene und ins Umfeld der St. Katharinentaler Gruppe zu situierende Bibel der Basler Universitätsbibliothek (B II 1, Tafel 13a). 138
Ausserordentlich deutlich zeigen sich bei den hier zur Diskussion stehenden Prachtcodices die vielfältigen, in einem Handschriftenstemma zusammengefassten Verknüpfungen. Einmal mehr kann festgestellt werden, dass sich die Buchproduktion im Raum Zürich – Konstanz um 1300 durch sehr vielschichtige Beziehungen auszeichnet. Weiter wird deutlich, welch kompliziertes und aufwändiges Unternehmen die Anfertigung solcher Handschriften darstellt, und dass bei den Hauptetappen der Buchproduktion – wie Finanzierung, Text- und Bildkonzeption und eigentliche Herstellung – immer eine Reihe von Akteuren beteiligt waren. Bei den hier vorgestellten Handschriften spielten die dominikanischen Ordensangehörigen der Zürcher Klöster und mit Bestimmtheit auch die Dominikanerinnen von St. Katharinental eine wichtige Rolle, die mit entsprechend grossem Selbstbewusstsein und klarem Selbstverständnis ausgeübt wurde.
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Farbtafeln
Tafel 1a
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Car. C 2, fol. 90v, Deckfarbeninitialen des Typ 1 und 2, Fleuronnée-Initiale der frühen Phase, Kat.-Nr. 4
Tafel 1b
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Z XIV 16, Nr. 6, Deckfarbeninitiale des Typs 1, Kat.-Nr. 5
143
Tafel 2
144
München, Bayerische Nationalbibliothek, Clm 23121, fol. VIIIr, Kreuzigung, Kat.-Nr. 8
Tafel 3a
München, Bayerische Nationalbibliothek, Clm 23121, fol. 27r, Deckfarbeninitiale des Typs 1, Kat.-Nr. 8
Tafel 3b
Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. U.H. 12, fol. 124r, Deckfarbeninitiale des Typs 1, Kat.-Nr. 11
145
Tafel 4a
Engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 98, fol. 125r, Felix, Regula und Expuperantius, Kat.-Nr. 9
Tafel 4b
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Z XIV 30, Nr. 4, Deckfarbeninitialen des Typs 1 und Fleuronnée-Initialen der mittleren Phase, Kat.-Nr. 12
146
Tafel 5a
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10769, fol. 19v, Kat.-Nr.15
Tafel 5b
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10769, fol. 120v, Deckfarbeninitialen des Typs 1, Kat.-Nr. 15
147
Tafel 6a
Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 21897, fol. 149r, Verlöbnis der hl. Agnes mit Christus, Kat.-Nr. 18
Tafel 6b
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771, fol. 174v, Jungfrauenlegende, Kat.-Nr. 19
148
Tafel 7a
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771, fol. 188v, Christus-JohannesGruppe, Kat.-Nr. 19
Tafel 7b
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771, fol. 200v, Agnes wird vom Praefektensohn umworben, Kat.-Nr. 19
149
Tafel 8a
Schweiz, Privatsammlung, Taufe Christi, Kat.-Nr. 22 a
Tafel 8b
München, Graphische Sammlung, Einzelblatt, Inv. Nr. 40230, Judaskuss, Kat.-Nr. 22 b
Tafel 8c
Paris, Musée Marmottan, Antiphonarfragment, Szenenfolge zu Johannes d. Evangelisten, Kat.-Nr. 22 d
Tafel 8d
Österreich, Privatsammlung, Antiphonarfragment, Letztes Abendmahl, Kat.-Nr. 22 e
150
Tafel 9a
Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T 5441, Antiphonarfragment, Darbringung Christi im Tempel, Kat.-Nr. 22 g
Tafel 9b
Österreich, Privatsammlung, Antiphonarfragment, Tempelvision und Berufung des Isaias; Lukas porträtiert Maria, Kat.-Nr. 22 h
Tafel 9c
Washington, National Gallery of Art, Lessing J. Rosenwald Collection, 1959.16.1 (B-22127), Antiphonarfragment, Himmlisches Jerusalem mit Maria-Ecclesia und Christus, Kat.-Nr. 22 i
Tafel 9d
Deutschland, Privatsammlung, schreibender Evangelist und Christus als Guten Hirten, Kat.-Nr. 22 j
151
Tafel 10
152
Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg 848, Manessische Liederhandschrift, fol. 6v, Kat.-Nr. 25
Tafel 11a St. Gallen, Vadianische Sammlung, Ms. 302, fol. 150r und fol.167v, Kat.-Nr. 29
Tafel 11b Schweiz, Privatsammlung, zwei Fragmente aus der Weltchronik des Rudolf von Ems, Kat.-Nr. 30
153
Tafel 12
154
Schaffhausen, Ministerialbibliothek, Cod. Min. 6, fol. 2r, 6 Medaillons vom Sündenfall bis zur Opferung Isaaks, und fol. 2v, Sitzender Jeremia, Kat.-Nr. 36
Tafel 13a Basel, Universitätsbibliothek, B II 1, fol. 5r Tafel 13b St.Gallen, Stiftsbibliothek, Cod. 346, Missale, fol. 193r, Kreuzigung Tafel 13c Schweiz, Privatsammlung, Antiphonarfragment, Christus-Johannes-Gruppe, Kat.-Nr. 38 c
155
Tafel 14
156
Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T 9393, Antiphonarfragment, Verkündigung an Maria, Kat.-Nr. 40 a
Tafel 15
Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Antiphonarfragment, Inv. T 9394, Tod Mariä, Kat.-Nr. 40 b
157
Tafel 16
158
Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773, fol. 14v, Geburt Christi, Kat.-Nr. 1
Katalog Bemerkungen zum Katalog Zur Entschlüsselung der Lagenformeln: Die römische Ziffer bedeutet die Anzahl der eine Lage bildenden Doppelblätter; die allfällig davor stehende arabische Ziffer gibt die Anzahl der sich folgenden gleich aufgebauten Lagen an; eine mit Pluszeichen der römischen Ziffer folgende arabische Ziffer bezeichnet die Anzahl von Einzelblättern, die einer Lage hinzugefügt sind; ein mit Minuszeichen versehener Exponent bezeichnet die Anzahl der fehlenden Einzelblätter einer regulär aufgebauten Lage.1 Die Wiedergabe von Texten, wie Besitzervermerke, Incipits etc. erfolgt in der Regel mit aufgelösten Abkürzungen; Querstrich bedeutet Zeilentrennung.
1
Nach Ladner, 1983, S. 295.
159
Abb. 1: Kat.-Nr. 1, fol. 106r, Johannes Ev. und Margaretha Pfefferhartin
Abb. 2: Kat.-Nr. 1, fol. 6r, Deckfarbeninitiale
160
Kat.- nr. 1
Abb. 1, 2 und Tafel 16
rom, Bibliotheca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773 graduale Strassburg(?), 1234–1256 / St. Katharinental, erste Hälfte des 14. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 198 Blätter, 308 x 433 mm; Papierblätter: foll. 194 (mit Wasserzeichen), 195, 201, 202 sowie die nicht foliierten Schmutzblätter vorne und hinten. Lagen: II-1 (Schmutzblätter aus Papier, nicht foliiert, das erste Blatt der Lage fehlt), III-1(das erste Blatt der Lage fehlt), 20 IV, V, IV, VI+2 (foll. 194 und 195 sind zwei eingeschobene Papierblätter), II-1 (Blatt zwischen fol. 198 und 199 fehlt), foll. 201 und 202 sind zwei lose eingelegte Papierblätter, II-1 (Schmutzblätter aus Papier, nicht foliiert, das letzte Blatt der Lage fehlt). Lagennummerierung: ab fol. 6 bis fol. 176 jeweils auf den Recto-Seiten in der Mitte am unteren Blattrand in römischen Ziffern mit roter Tinte (I–XXII), auf fol. 14 rasiert. Foliierungen: originale, in römischen Ziffern, mit roter Tinte ab fol. 6r bis fol. 183r (I–CLXXVII) auf Recto-Seiten am rechten Rand in der Mitte, die foll. 101/102 tragen fälschlicherweise beide die Nr. LXXXXVI; moderne, in arabischen Ziffern, auf Recto-Seiten, in der rechten unteren Ecke gestempelt, foll. 201 und 202 von Hand mit violettem Farbstift. Schriftspiegel: 290 x 190 mm, wird teilweise breiter (bis zu 200/210 mm). Hauptteil: zehn Text- und zehn Notenzeilen, Quadratnotation auf vier Notenlinien. Lateinischer Text in gotischer Textura mit schwarzer Tinte, Notenlinien in Rot, Quadratnotation in Schwarz. Schreiberhände: ursprünglicher und sehr einheitlicher Bestand von fol. 6r bis fol. 183v 6. Zeile (Ausnahmen: foll. 70v–71v 3. Zeile, fol. 72v die drei letzten Zeilen, fol. 167v die 6 letzten Zeilen und fol. 168r die zwei ersten Zeilen); foll. 1 bis 5 und fol. 183v 7. Zeile bis zum Schluss sowie die obengenannten Ausnahmen wurden von verschiedenen, jüngeren Schreibern geschrieben. Leere Seiten: foll. 2v, 195r, 200v, 202r Rasuren: fol. 5r ab der 6. Zeile, das ganze fol. 5v, fol. 76r die 2. Zeile, fol. 157v die 3. Zeile, fol. 167v ab der 5. Zeile, fol. 168 die ersten drei Zeilen, fol. 176r die 7. Zeile, auf den foll. 183v–184v die Noten. Einband: Holzdeckel mit abgerundeten Ecken; die Buchdeckel sind mit weinrotem und der Buchrücken mit hellbeigem Leder eingefasst. Auf der Vorderseite ist an der 161
oberen und unteren Kante je ein Stück Leder angebracht, das über dem roten, aber unter demjenigen des Buchrückens liegt. Auf beiden Aussenseiten sind je fünf Buckel aus Kupfer (d = 60 mm) und dreieckige Verzierungen montiert, teilweise sind noch Spuren einer Vergoldung sichtbar; ursprünglich 2 Schliessen an der Vorderkante, von der unteren ist nur noch das Kupferplättchen übrig, den beiden Schliessen entsprechen auf der Rückseite zwei Stifte; zum Schutz des unteren Buchschnitts sind an beiden Deckeln Lederstreifen angenagelt. Auf dem vorderen Buchdeckel klebt ein Zettel mit der Aufschrift «119» in brauner Tinte, dieselbe Nummer ist auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels mit Bleistift eingetragen; das dort aufgeklebte Blatt bildet mit den zwei folgenden Schmutzblättern eine 2er-Lage, deren erstes Blatt fehlt. Beide Schmutzblätter tragen dasselbe Wasserzeichen; es ist identisch mit demjenigen im Cod. Vat. lat. 10769 (Kat.-Nr. 15). Dasselbe System mit zwei Schmutzblättern und dem aufgeklebten Blatt findet sich auch hinten, das aufgeklebte Blatt trägt hier das Wasserzeichen. Es handelt sich dabei um einen Doppeladler mit einem K auf dem Brustschild. Das Wasserzeichen konnte bisher nicht eindeutig identifiziert werden. Laut brieflicher Auskunft von Dr. Natale vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart – das die Wasserzeichenkartei Piccard betreut – stammt diese Art von Adler-Wasserzeichen meist aus dem ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jh. und weitgehend aus dem süddeutschen Raum einschliesslich Südtirol.2 Signakeln: fünf Schnüre an Holzstäbchen, am Vorderschnitt Seidenfäden (foll. 35, 40, 109, 112, 116, 148, 155, 157, 163, 168, 172, 178) als feste Buchzeichen. Zustand: Wasserschäden, beispielsweise foll. 104v, 105r, 116, 117r. Inhalt Dominikanisches Graduale: foll. 1r–5r jüngere Zusätze (Sequenzen und Alleluya); foll. 6r–104v Proprium de Tempore; foll. 104v–133v Proprium de Sanctis; foll. 133v–155r Commune Sanctorum; foll. 155r–156r Kirchweihoffizium; foll. 156r– 165r div. Zusätze wie Missae votivae, Aspersionsantiphon3; foll. 165r–185r Sequentiar; foll. 185v drei Antiphonen zum Fest des hl. Dominikus und zu Corona Domini; foll. 186r–202r Sequentiar. Ausstattung Der Buchschmuck besteht aus Deckfarbeninitialen, figürlichen Randzeichnungen und Auszeichnungsinitialen. Zur ursprünglichen Ausstattung gehören die Miniaturen auf den foll. 6r, 14v, 73r, 86r und 90r. Von einer zweiten Hand stammt die Kreuzigung des Andreas. Die restlichen Miniaturen wurden von einer ungeübten Hand wohl später hinzugefügt. Die drei Federzeichnungen auf dem Blattrand sind 2 3
Brief vom 25. Mai 1992. Detailangaben bei Borino 1947, S. 230–231.
162
eine Ergänzung aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts.4 Im Weiteren ist die Handschrift mit zirka 90 Sägeblattinitialen in den Farben blau-rot, rot-gelb oder blau-gelb und mit gut 60 Fleuronnée-Initialen verziert. fol. 6r A[d te levavi animam meam deus meus], Dominica prima in adventu domini, Introitus, 100 x 98 mm. Abb.2. fol. 14v P[uer natus est nobis], In die nativitas Domini, Introitus, Geburt Christi mit Maria als Gekrönte5, 260 x 102 mm (Höhe mit Ausläufer). Tafel 16. fol. 73r R[esurrexi et adhuc tecum sum], In die S. paschae, Introitus, Auferstehung Christi mit dem Evangelist Markus6 und dem Löwen, der seinen Jungen den Lebensatem einhaucht7, 236 x 125 mm (Höhe mit Ausläufer). fol. 86r S[piritus domini replevit orbem terrarum], In die pentecostes, Introitus, Pfingstdarstellung8 mit dem Evangelisten Lukas9 und dem Apostel Paulus als Inspirator oder Belehrender(?)10, 119 x 103 mm. fol. 90r B[enedicta sit sancta trinitas trinitate], In festo S. trinitatis, Introitus, 65 x 64 mm. fol. 104v D[ominus secus mare galilee], S. Andreae, Introitus, Kreuzigung des Andreas11, 95 x 109 mm. fol. 106r Randzeichnung zum Fest des Johannes Ev. vom 27. Dezember12: Auf der linken Seite steht Johannes und hält ein Buch in der Hand. Mit seiner Rechten weist er auf ein beschriftetes Spruchband hin: «Verbum caro factum est» (Joh. 1,14). Vor ihm kniet eine Dominikanerin. Ihr Spruchband trägt die Aufschrift: «dic, dilecte, de dilecto». Dabei handelt es sich um ein Zitat aus der Johannes-Sequenz: «Verbum 4 5 6 7
8
9 10 11 12
Vgl. die figürlichen Randzeichnung im St. Katharinentaler Graduale foll. 102r, 179v. Vgl. St. Katharinentaler Graduale, fol. 18v; dazu Beer 1983, S. 109 – Kessler 1991, S. 45–47. LCI, Bd. 1, Sp. 201f.: am Ostersonntag wurde aus dem Evangelium des Markus gelesen. LCI, Bd. 3, Sp. 116–117. LCI, Bd. 1, Sp. 703. Das Thema des Löwen, der seinen Jungen den Lebensatem einhaucht, fusst auf einer Erzählung im «Physiologus» und stellt eine Praefiguration der Auferstehung Christi dar: «Tertia natura leonis talis est: Cum leaena genuerit catulum mortuum eum, et custodit filium lea, donec veniat pater tertia die et sufflaverit in faciem eius et suscitat eum. Sic est omnipotens pater omnium suscitavit tertia die primogenitum omnis creature de mortuis, dominum Iesum Christum.» Zitiert nach: Homburger/von Steiger 1964, S. 54. Petrus, klar identifizierbar (Physiognomie und Schlüssel), wird durch seine Stellung (in der Mitte der Apostel thronend) und seinen andersfarbigen Nimbus besonders hervorgehoben, denn er hat die Pfingstpredigt gehalten (Apg. 2, 14–36). Da nur im Lukasevangelium (Lk 3,22) geschildert wird, dass der Hl. Geist in Form einer Taube erscheint, dürfte es sich beim Schreibenden um den Evangelisten Lukas handeln. Bei der Darstellung des Evangelisten Lukas (s. vorangehende Fussnote) als Autor kann der Apostel Petrus als Inspirator und/oder Belehrender auftreten (LCI, Bd. 1, Sp. 697 und 700). LCI, Bd. 5, Sp. 146. Der Inroitus «In medio ecclesie» ist mit einer Fleuronnée-Initiale geschmückt.
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dei deo natum» (Vers 11a).13 Johannes kündigt hier als «amicus sponsi» der Dominikanerin als Personifikation der Sponsa/Ecclesia den Bräutigam an.14 Die Dominikanerin ist bezeichnet mit «s. m. pfefferhartin». Eine Marg[arete] Pfefferhartin war in der ersten Hälfte des 14. Jh.s. Mitglied des St. Katharinentaler Konventes gewesen.15 Masse der ganzen Szene: 123 x 105 mm. Abb.1. fol. 115r R[orate celi], In annuntiatione S. Marie virginis, Introitus, Verkündigung an Maria, 113 x 59 mm. fol. 120v D[e ventre matris me], S. Joannis baptiste, Introitus, 71 x 59 mm. fol. 134r M[ichi autem nimis honorati sunt], In communi unius vel plurimorum apostolorum, Introitus, 63 x 78 mm. fol. 186r Randzeichnung neben der rhythmischen Antiphon «Alleluya. Ave jhesu karissime» für Johannes Ev., Johannes der Ev. mit Buch, ca. 67 x 30 mm. fol. 190v Randzeichnung zur Johannes-Strophe der Apostelsequenz: «Psalle Christo laude, prece», wie die Darstellung auf fol. 186r, jedoch seitenverkehrt, ca. 66 x 30 mm. Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. 10769–10772, 10774, 10775, Kat. Nrn. 15, 19, 20, 35, 42, 43), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktion, die im März 1851 in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Nuntius Pietro Antonio Garibaldi in Paris davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultobjekte, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). 13
14
15
RH 21353. – AH, Bd. 55, Nr. 188. – S. Beer 1983, S. 135. – Zur Johannessequenz «Verbum
dei deo natum»: AH, Bd. 55, Nr. 188, S. 211ff. Sie stammt aus dem 12. Jahrhundert. Im Sequentiar des Nürnberger Graduale ist sie enthalten (Kat.-Nr. 18) und im St. Katharinentaler Graduale (Kat.-Nr. 34) wurde sie sogar in das Messformular des Johannesfestes integriert. Dazu: Lütolf 1983, S. 263. – Ladner 1983, S. 314. – Wehrli-Johns 1995, S. 264. – Übersetzung ins Deutsche von R. Ruhstaller im Anschluss an den Beitrag von Lütolf 1983, S. 265–268. – Die Johannessequenz wird im «St. Katharinentaler Schwesternbuch» mehrfach erwähnt und spielt in der Vita von Kathrin Brümsin eine grosse Rolle. Es enthält sogar eine vollständige Übertragung in die Volkssprache. Dazu: Meyer 1995, S. 124, 159–162, 256, 307–310. Für die Identifikation der Inschrift sei Frau Martina Wehrli-Johns herzlich gedankt. – WehrliJohns 1995, S. 253, führt aus, dass mit diesen Randzeichnungen der Auftrag zur cura monialium umschrieben wurde. Sie ist im Totenrodel in Kolonne IX, Position 43 aufgeführt. Dazu: Henggeler 1932, S. 166. – Müller 1971, S. 28.
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Forschungsstand und Kommentar Ansgarius Dirks hat den Inhalt der Handschrift Vat. lat. 10773 im Rahmen seiner Studie über die frühe dominikanische Liturgie untersucht. Er ist zum Schluss gekommen, dass sie vor 1234 entstanden sein muss, weil im Proprium Sanctorum das Fest des hl. Dominikus fehlt.16 Der Ordensgründer wurde 1234 kanonisiert. Anlässlich seiner Kanonisation wurde die Hymne «In celesti yerachia» verfasst, die laut Analecta Hymnica kurz nach seiner Translation im Jahre 1233 oder zu seiner Kanonisation 1234 verfasst wurde.17 Diese Hymne wurde als 14. in den Codex aufgenommen (fol. 177v), bildet einen Teil des Sequentiars und befindet sich in der letzten Lage des ältesten Bestandes (Lagennummerierung). Es ist wohl anzunehmen, dass diese Hymne aus aktuellem Anlass hinten angefügt wurde. Im Humbertschen Sequentiar befindet sich die Dominikussequenz an 10. Stelle bei insgesamt 27 Sequenzen.18 Die Analyse zeigt weiter, dass der Inhalt mit vorhumbertschen Handschriften übereinstimmt, hingegen keineswegs mit dem von Humbert geschaffenen Prototyp19, der 1256 in Paris bestätigt wurde. Folglich wurde die Handschrift nicht vor, sondern unmittelbar um 1234 geschrieben. Mit den Zusätzen auf foll. 1–5 und foll. 183v–202 wurde offenbar versucht, das Graduale der Humbertschen Liturgie anzupassen.20 Bei den Festgraden kann Dirks zisterziensischen Einfluss nachweisen.21 Die aufgrund der Inhaltsanalyse gewonnene Datierung der Handschrift lässt im Hinblick auf die Schrift an ein sehr hochstehendes und fortschrittliches Skriptorium denken,22 das offenbar über die neuesten Texte verfügte und kostbares Material für die Herstellung von Handschriften verwendete (feines Pergament, purpurfarbener Einband, vergoldete Beschläge). Der Buchschmuck widerspiegelt die Entstehung der Handschrift in mehreren Etappen und entbehrt deshalb einer gewissen Einheitlichkeit. Die Miniaturen auf den foll. 6r, 14v, 73r, 86r und 90r gehören zur Erstausstattung. Die Kreuzigung des Andreas (104v) stammt von einer zweiten Hand. Nachträglich wurden wohl die restlichen, wenig qualitätvollen Miniaturen sowie die Randzeichnungen eingefügt. Als ikongraphische Besonderheit ist die gekrönte Maria bei der Geburt anzusprechen (s. Kapitel 5). Bei der Darstellung der Auferstehung Christi und der Ausgiessung des Hl. Geistes ist die Kombination mit weiteren Szenen und Sinnbildern bemerkenswert.
16 17 18 19 20 21 22
Dirks 1979,S. 27. AH, Bd. 55, S. 133ff. Lütolf 1983, S. 259. Dirks 1979, S. 27. Dirks 1979, S. 21. Dirks 1979, S. 27. Dazu auch Ladner 1983, S. 300. Laut mündlicher Mitteilung von Pascal Ladner.
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Die Figuren der ersten Hand sind schlank und feingliedrig. Die plastisch modellierten Gesichter sind überzeugend gestaltet. Die Gewänder sind noch stark mit den Figuren verhaftet und an ihrer Peripherie treten zackige Elemente auf. Die wulstartigen Falten sind auf die Auseinandersetzung mit dem Muldenfaltenstil zurückzuführen. Die stilistische Einordnung legt eine Datierung in das zweite Drittel des 13. Jahrhunderts nahe. Einen Hinweis auf die ursprüngliche Bestimmung der Handschrift liefert der Manuskripteintrag «Beatissima Katherina» (fol. 133v). Die Verwendung des Superlativs weist auf eine besondere Verehrung der Heiligen hin. Möglicherweise ist die Handschrift für ein Dominikanerinnenkloster mit der hl. Katharina als Patronin hergestellt worden. Die für St. Katharinental belegte Dominikanerin M. Pfefferhartin zusammen mit Johannes dem Evangelisten auf einer der Randzeichnungen (fol. 106r) führt zur Annahme, dass diese Handschrift spätestens seit der Mitte des 14. Jahrhunderts in St. Katharinental benutzt worden ist. Ob sie allerdings ursprünglich für St. Katharinental bestimmt gewesen war, lässt sich nicht eindeutig sagen. Denkbar wäre, dass das Kloster zu seiner Gründung im Jahre 1242 eine neue, zeitgemässe Gradualhandschrift und weitere für den Klosterbetrieb unabdingbare Schriften vom Strassburger Dominikanerkloster St. Markus bezogen hätte, wie dies für die Konstitutionen belegt ist.23 literatur Bannister 1913. – Borino 1947, S. 228–232. – Salmon 1968/1969, Bd. 2, S. 203. – Dirks, Ansgarius: De tribus libris manu scriptis primaevae liturgiae dominicanae. In: Archivum Fratrum Praedicatorum 49, 1979, S. 5–37. – Ladner 1983, S. 297ff. – Knoepfli 1989, S. 181. – Kessler 1991, bes. S. 67–70 und S. 117– 126. – Wehrli-Johns 1995, S. 241–271, insbesondere S. 253.
23
Barth 1932, S. 100. – Sack 1975, S. 50, 140, Anm. 103, 147.
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Kat.- nr. 2
Abb. 3 und 4
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Car. C 33 Abschrift der Chronik ottos von Freising und ihre Fortsetzung durch otto von St. Blasien Zürich, zwischen 1254 und 1277 Buchkörper Pergament, 161 Blätter, 326 x 227 mm. Lagen: 17 IV, III-1 (das letzte Blatt der Lage fehlt), 2 V. Die Lagen sind jeweils zu Beginn einer Lage auf den Rectoseiten mittels römischen Ziffern nummeriert (I–XV), wobei diese Nummerierung nach der 15. abbricht. Reklamanten: fol. 8v se mala; fol. 16v eorum franco; fol. 24v docti athenienses; fol. 32v nare cep us; fol. 40v nur noch Oberlängen sichtbar; fol. 48v pupio au et fr; fol. 56v nur noch Oberlängen sichtbar; fol. 64v no iuxta; fol. 72v nur noch eine Oberlänge sichtbar; fol. 80v a pontifice urbis; fol. 88v nur noch Oberlängen sichtbar; fol. 96v tatis t’minis; fol. 104v retent(?) est quin ex; fol. 112v boemie idig(?); fol. 120v in dieb. Die Reklamanten brechen ebenfalls nach der 15. Lage ab. Moderne Foliierung in arabischen Ziffern mit schwarzer Tinte, jeweils in der rechten oberen Ecke. Teilweise ist noch die originale mit römischen Ziffern sichtbar. Schriftspiegel: 2 Kolumnen zu je 30 (foll. 1–8) resp. 36 (foll. 9–160r) Zeilen; lateinischer Text in gotischer Textura mit brauner Tinte. Texte Lütolds von Regensberg in Textualis und Halbkursive. Kolophon des Nachtrags: «Istum ordinem et modum consecrandi regem Romanorum in imperatorem scripsit frater Luitoldus de Reginsberg ordinis fratrum Predicatorum de Turego, Laterani de libro cuiusdam cardinalis, anno domini MCCLXXVI et huic libro in memoriale perpetuum annotavit anno domini MCCLXXVII crastino Verene virginis gloriose» (fol. 159v). Schreiber: Haupthand: foll. 1ra–128va, 142ra–159va; 2. Hand: foll. 129ra–141va; von der Hand Lütolds von Regensberg: foll. 159va–161r und die Nachträge foll. 126v, 128v, 141va–b.24 Zustand: gut erhalten. Einband: Holzdeckel mit hellem, gepresstem Leder überzogen, 2 funktionstüchtige Schliessen (Messing?).
24
Die Unterscheidung der verschiedenen Schreiber nach R. Gamper, CDM Schweiz III, 1991, S. 205. – Dazu auch Schneider 1987, S. 236.
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Inhalt foll. 1ra–128va, 142ra–159va Abschrift der Chronik Ottos von Freising und ihre Fortsetzung durch Otto von St. Blasien; foll. 129ra–134vc Provinciale des Tankred; foll. 135va–141va Liste der Päpste und Könige des Imperium Romanorum; foll. 159va–160vb Krönungsordo; fol. 161r Constitutum Constantini. Ausstattung Acht ornamentale Initialminiaturen: fol. 11r G[estarum rerum ab Adam], Incipit zum 1. Buch, 38 x 35 mm. fol. 19v C[oncesso ad Medos Assyriorum], Incipit zum 2. Buch, 29 x 29 mm. fol. 38r A[nno ab urbe condita], Incipit zum 3. Buch, 69 x 41 mm. Abb. 3. fol. 52v I[gitur anno ab incarnatione Domini], Incipit zum 4. Buch, 49 x 15 mm. fol. 67r O[ccupato a barbaris Romanorum imperio], Incipit zum 5. Buch, 29 x 27 mm. fol. 78r D[iviso Francorum regno], Incipit zum 6. Buch, 26 x 26 mm. fol. 92r D[efuncto Salerni beatae memoriae], Incipit zum 7. Buch, 73 x 34 mm. fol. 142r H[oc opus], Incipit zum 8. Buch, 80 x 39 mm. Zum Buchschmuck gehören zudem über 350 Fleuronnée-Initialen in den Farben Rot und Blau, meist 2 Zeilen hoch. Buchstabenkörper manchmal gespalten, Froschlaiche als Begleitornament, Spiralen und Palmetten als Füllornament (s. Kapitel 3). Provenienz Die folgenden Einträge auf fol. 1r geben Auskunft über die Geschichte der Handschrift. Am unteren Blattrand wurde von einer Hand um 1300 eingetragen: «Iste liber est f[ratrum ordinis] predicatorum de Turego.» Die beiden Vermerke am oberen Blattrand in Lateinisch und Deutsch stammen von der Hand des Bibliothekars Wolfgang Haller, der um 1553 Bibliothekar der Stiftsbibliothek gewesen war: «Sum Bibliothecae maioris Tigurinae» und «Zürych zum großßen münßter».25 Auf dem Buchrücken Signatur «623» der Stiftsbibliothek von der Hand Konrad Pellikans.26 Forschungsstand und Kommentar Unter der Signatur Car. C 33 bewahrt die Zürcher Zentralbibliothek eine Abschrift der Chronik Ottos von Freising und ihrer Fortsetzung durch Otto von St. Blasien auf – ein für die Anfänge der zürcherischen Geschichtsschreibung wichtiges Werk.27 Einträge auf fol. 1r zeigen, dass sich der Codex einst im Besitz des 25 26 27
Germann 1994, S. 156, Anm. 61. Germann 1994, S. 156, 279, 298. Wehrli-Johns 1980, S. 198–201.
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Zürcher Dominikanerklosters befand und 1525 in die Stiftsbibliothek des Grossmünsters gelangte. Ein Nachtrag berichtet, dass der Zürcher Dominikaner Lütold von Regensberg im Jahr 1276 – wohl im Hinblick auf die geplante Kaiserkrönung Rudolfs von Habsburg – drei Dokumente («Ordo consecrationis Regis Romanorum», Eide des «Rex imperator futurus», Auszug aus dem «Constitutum Constantini») im Lateran zu Rom und im Dominikanerkloster in Viterbo kopiert und nach seiner Rückkehr der Chronik am 2. September 1277 beigefügt hat. Der Name des Dominkaners steht allerdings auf Rasur. Der seit 1244 urkundlich fassbare Lütold war ab 1259 Mitglied des Dominikanerkonvents, und seine Schreibtätigkeit ist aufgrund von sechs Urkunden aus der Zeit zwischen 1260 und 1275 nachweisbar.28 A. Bruckner und C. L. Mohlberg haben die Handschrift zusammen mit C 140 und Car. C 2 (Kat. Nrn. 7 und 4) aufgrund des Kolophons Lütold von Regensberg zugeschrieben und alle drei als Überreste der Bibliothek des Zürcher Dominikanerklosters bezeichnet.29 Jüngere Forschungen legen dar, dass lediglich die foll. 159va– 161ra und die Nachträge auf den foll. 126v, 128v sowie 141va–b von Lütold von Regensbergs Hand stammen und dass die Haupthand, welche die foll. 1ra–128va und 142ra–159va geschrieben hat, nicht identisch ist mit derjenigen Lütolds.30 Einen Anhaltspunkt für die Datierung liefert die von der Haupthand ausgeführte Papstreihe, die bis zu Alexander IV., der 1254 gewählt wurde, reicht. Die Chronik wurde folglich nach 1254 und vor dem Eintrag Lütolds von Regensberg im Jahre 1277 geschrieben und befand sich schon früh, wenn nicht von Anfang an im Zürcher Predigerkloster. M. Wehrli-Johns stellte die Hypothese auf, dass die Handschrift zum persönlichen Besitz Lütolds gehört hat und nach seinem Tod in den Besitz des Klosters übergegangen ist.31 Deckfarbenintialen (Typ 1 und 2) zieren die Anfänge der acht Bücher der Chronik, Fleuronnée-Initialen der frühen Phase leiten die Prologe, Verzeichnisse und Kapitel ein. Die Chronik gehört aufgrund ihrer künstlerischen Ausstattung zur «Zürcher Gruppe» (s. Kapitel 3) und ist für die Einordnung der Handschriftengruppe von zentraler Bedeutung, da sie Datierungshinweise enthält und ihre Provenienz klar fassbar ist.
28 29 30 31
Renk 1974, S. 88 äussert die Vermutung, Lütold von Regensberg habe in Viterbo studiert und von dort die Chronik mitgebracht. Bruckner 1940, S. 78. – Mohlberg 1952, S. 101. Wehrli-Johns 1980, S. 191–192, 194–201. – Schneider 1987, S. 236. – CDM Schweiz III, 1991, S. 205. Wehrli-Johns 1980, S. 194.
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Quellen und literatur Hofmeister, Adolf (Hrsg.): Ottonis episcopi Frisigensis chronica. MGH Scriptores rerum Germanicum in usum scholarum. Hannover 1912. S. LXIX–LXXV. – Hofmeister, Adolf (Hrsg.): Ottonis de Sancto Blasio chronica. MGH Scriptores rerum Germanicum in usum scholarum. Hannover 1912. S. XVI–XIX – Bruckner 1940, S. 78. – Mohlberg 1952, S. 101, Nr. 247, S. 369. – Renk 1974, S. 88. – Kat. Zeit der Staufer 1977, Bd. 1, S. 246. – Wehrli-Johns 1980, S. 191ff. – Schneider 1987, S. 236. – CDM Schweiz III, 1991, Nr. 590, S. 205 [Rudolf Gamper]. – Kessler 1991, S. 53–59, 138. – Germann 1994, S. 156, 279, 298. – Kessler 1997, KE 1, S. 218. – Kessler 1999, S. 15. – Kessler/Sauer 2002, S. 144.
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Abb. 3: Kat.-Nr. 2, fol. 38r, Deckfarbeninitiale Typ 2
Abb. 4: Kat.-Nr. 2, fol. 105r, FleuronnéeInitialen der frühen Phase
Abb. 5: Kat.-Nr. 3, fol. 109r, FleuronnéeInitialen der frühen Phase
Abb. 6: Kat.-Nr. 3, fol. 245r, Deckfarbeninitiale Typ 2
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Kat.- nr. 3
Abb. 5 und 6
Stuttgart, Württembergische landesbibliothek, HB VI 64 godefridus de Trano, Summa super rubricas decretalium; Johannes de Deo, liber dispensationum Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, I + 261 Blätter, 280 x 195 mm. Lagen: V, 19 VI, V; fol. I und 259 bilden jeweils ein Unio mit dem Spiegelblatt. Reklamanten: Wortreklamanten jeweils am Lagenende, in der Regel weggeschnitten. Foliierung: alte Foliierung eingemittet auf dem Kopfsteg; neuere, fehlerhafte Bleistiftfoliierung oben rechts. Schriftspiegel: 2 Spalten à 37 Zeilen, Gotica, Tinte schwarz. Randnotizen von verschiedenen Händen (Deutehände und Profilköpfe). Titelverzeichnis mit Rubrizierung. Einband: rotes Leder, 14. Jh., Rücken erneuert, Weingartner Signaturschild H 62. Die beigen Schutztüchlein liegen in der Regel lose bei. Erhaltungszustand: Die Blätter zwischen foll. 122 und 147 erlitten einen Wasserschaden. Inhalt foll. 1r–245r Goderfridus de Trano, Summa super rubricas decretalium; foll. 1–2 Titelverzeichnis; foll. 245r–259v Johannes de Deo, Liber dispensationum. Ausstattung Sechs ornamentale, goldgrundige Deckfarbeninitialen zu den fünf Büchern der Summa und zum Beginn des Liber dispensationum: fol. 3r P[ost], 30 mm ohne bzw. 170 mm mit Ausläufer x 40 mm. fol. 74v E[xplicitis], 40 x 33 mm.fol. 122v F[inito], 31 mm ohne bzw. 98 mm mit Ausläufer x 38 mm. fol. 167v P[ostquam], 40 mm ohne bzw. 132 mm mit Ausläufer x 46 mm. fol. 192v P[roxime], 35 mm ohne bzw. 131 mm mit Ausläufer x 36 mm. fol. 245r A[d], 34 mm ohne bzw. 110 mm mit Ausläufer x 38 mm. Abb. 6. Fleuronnée-Initialen der frühen «Zürcher» Phase (Palmetten-Fleuronnée) markieren den Anfang der Tituli und der Kapitel (s. Kapitel 3). 172
Nicht ausgeführt wurden auf fol. 179r bzw. fol. 182r die geplanten Arbores consanguinitatis und affinitatis. Provenienz Die Handschrift ist 1630 beim Verkauf der Konstanzer Dombibliothek ins Benediktinerkloster Weingarten gelangt, wie der Eintrag auf fol. 1r oben: «Monasterii Weingartensis Anno 1630», die in Weingarten eingefügte Inhaltsangabe auf fol. Ir und das Weingartner Signaturschild bezeugen.32 Sie gehörte zu jenem Teil der Weingartner Klosterbibliothek, der 1810 als Gründungsgut in die Hofbibliothek Stuttgart einging.33 Forschungsstand und Kommentar Die sehr qualitätsvolle und sorgfältig angelegte Rechtshandschrift ist aufgrund des Fleuronnée-Schmucks und der Goldinitialen, die den Beginn der fünf Bücher der «Summa super rubricas decretali» des Godefridus de Trano und des «Liber dispensationum» des Johannes de Deo zieren – wie HB XIV 23 (Kat.-Nr. 23) – in Zürich entstanden (s. Kapitel 3) und auf unbekanntem Weg nach Konstanz gelangt.34 Zeitweilig befand sie sich in der Konstanzer Dombibliothek und nach deren Verkauf im Jahre 1630 im Benediktinerkloster Weingarten, wo sie den Besitzvermerk erhielt.35 literatur Löffler, Karl: Die Handschriften des Klosters Weingarten. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Leipzig 1912, Beiheft 41, S. 117 Nr. H62. – Autenrieth, Johanne: Codices iuridici et politici (HB VI 1–139). Patres (HB VII 1–71) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Reihe 2: Die Handschriften der ehemaligen königlichen Hofbibliothek 3) Wiesbaden 1963, S. 59f. – Köllner/JakobiMirwald 1976/1993, Kat.-Nr. 71. – Sauer 1996, S. 30–32, Kat.-Nr. 9. – Sauer 1996 bis, S. 48–49. – Kessler/Sauer 2002, S. 145.
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Sauer 1996, S. 41. Sauer 1996, S. 40. Sauer 1996, S. 37 Sauer1996, Kat.-Nr. 9, S. 68.
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Abb. 7: Kat.-Nr. 4, fol. 2r, FleuronnéeInitiale der frühen Phase
Abb. 8: Kat.-Nr. 4, fol. 20r, FleuronnéeInitialen der frühen Phase
Abb. 9: Kat.-Nr. 7, fol. 25r, Fleuronnée-Initialen der frühen Phase
Abb. 10: Kat.-Nr. 8, fol. 186v, FleuronnéeInitialen der frühen Phase
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Kat.- nr. 4
Abb. 7, 8 und Tafel 1a
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Car. C 2 Bibelfragment Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 137 Blätter, 460 x 322 mm Lagen: II+2 (die 2 Schmutzblätter sind nicht nummeriert), 5 IV, II, 4 IV, V, IV, 2 V, IV, V-1+2 (zwischen den foll. 128 und 129 fehlt ein Blatt, die 2 papierenen Schmutzblätter sind nicht nummeriert); Lagennummerierung in römischen Ziffern (2 Fragmente: I–VII und XXX–XXXIX). Moderne Foliierung in arabischen Ziffern mit schwarzer Tinte, jeweils in der rechten oberen Ecke. Schriftspiegel: 350 x 218 mm; 2 Kolumnen zu je 40 Zeilen; lateinischer Text in gotischer Textura mit brauner bis dunkelbrauner Tinte. Zustand: gut erhalten, Miniaturen in frischem Zustand. Einband: modern, hergestellt – laut Marke – von den Gebr. Stetzler, Buchbinderei und Galanteriearbeiten, Augustinergasse 19, Zürich. Text Zwei Bruchstücke des 2. Teils einer ehemals zweibändigen Bibel. Der erste Teil mit der Genesis bis zu den Psalmen fehlt. Laut Einträgen auf den foll. 50v resp. 51r ist anzunehmen, dass sich die Handschrift bereits im 17. Jahrhundert in einem fragmentarischen Zustand befand, jedoch damals noch etwas umfangreicher war. Auf fol. 50v heisst es: «Hac prior pars heu primu fragmentum paginas habet quinquaginta quarta A 1662 17. Nov. Quinquaginta nunc habet». Auf fol. 51r folgen die Angaben für das zweite Bruchstück: «Posterius fragmentum paginas habet octoginta quatuor». Zu einem weiteren Teil der Bibel S. Kat.-Nr. 5. Ausstattung 54 ornamentale Initialminiaturen zu den Prolog- oder Buchanfängen: fol. 1r I[ungat epistola], Incipit Prologus Hieronymi in Libris Salomonis, 272 x 33 mm. fol. 1r P[arabole Salomonis filii David], Incipit Liber Proverbiorum Salomonis, 189 x 73 mm. 175
fol. 11v M[emini me], Incipit Praefatio Liber Ecclesiastes, 75 x 61 mm. fol. 11v V[erba ecclesiastes filii David regis Hierusalem], Incipit Liber Ecclesiastes, 82 x 80 mm. fol. 15r O[sculetur me osculos oris sui], Incipit Liber Canticum Canticorum, 62 x 61 mm. fol. 16v L[iber Sapientiae], Incipit Praefatio Liber Sapientiae, 106 x 40 mm. fol. 17r D[iligite iusticiam qui iudicatis terram], Incipit Liber Sapientiae, 68 x 61 mm. fol. 24r M[ultorum nobis et magnorum per legem], Incipit Prologus in Libro Iesu Filii Sirach, 63 x 53 mm. fol. 24v O[mnis sapientia a Deo Domino est], Incipit Liber Iesu Filii Sirach, 71 x 70 mm. fol. 43r N[emo cum prophetas versibus viderit esse descriptos], Incipit Prologus Hieronymi in Isaia Propheta, 73 x 63 mm. fol. 43v V[isio Isaiae filii Amos quam vidit super Iudam et Hierusalem], Incipit Liber Isaiae Prophetae, 81 x 75 mm. fol. 52r H[ic est Iohannes evangelista], Incipit Prologus in Evangelium Johannis, 212 x 60 mm. fol. 52r I[n principio erat verbum], Incipit Evangelium secundum Johannem, 157 x 20 mm. fol. 65r P[rimum quaeritur quare post evangelia], Incipit Prologus in Epistulis Pauli Apostoli, 70 x 51 mm. fol. 65v R[omani], Argumentum, 70 x 52 mm. fol. 65v P[aulus servus Christi], Incipit Epistula ad Romanos, 112 x 66 mm. fol. 72r C[orinthii sunt achaici], Argumentum, 43 x 42 mm. fol. 72r P[aulus vocatus apostolus Christi], Incipit Epistula ad Corinthios I, 87 x 60 mm. fol 78v P[ost actam penitentiam], Argumentum, 67 x 41 mm. fol. 78v P[aulus apostolus Ihesu Christi], Incipit Epistula ad Corinthios II, 138 x 60 mm. fol. 82v G[alathe sunt greci], Argumentum, 47 x 47 mm. fol. 82v P[aulus apostolus non ab hominibus], Incipit Epistula ad Galatas, 120 x 68 mm. fol. 85r E[phesii sunt asiani], Argumentum, 43 x 42 mm. fol. 85r P[aulus apostolus Christi Ihesu], Incipit Epistula ad Ephesios, 141 x 60 mm. fol. 87r P[hilipenses ipsi], Argumentum, 67 x 48 mm. fol. 87r P[aulus et Timotheus], Incipit Epistula ad Philippenses, 134 x 56 mm. fol. 88v C[olossenses], Argumentum, 53 x 53 mm. 176
fol. 89r P[aulus apostolus Christi Ihesu], Incipit Epistula ad Colossenses, 144 x 57 mm. fol. 90v T[hessalonicenses sunt], Argumentum, 50 x 47 mm. Tafel 1a. fol. 90v P[aulus et Silvanus et Timotheus], Incipit Epistula Thessalonicenses I, 147 x 55 mm. fol. 92r A[d Thessalonicenses], Argumentum, 73 x 58 mm. fol. 92r P[aulus et Silvanus et Timotheus], Incipit Epistula ad Thessalonicenses II, 190 x 56 mm. fol. 92v T[imotheus instruit et docet], Argumentum, 37 x 35 mm. fol. 92v P[aulus apostolus Christi Ihesu], Incipit Epistula ad Timotheum I, 155 x 60 mm. fol. 94v I[tem Timotheo scribit], Argumentum, 69 x 20 mm. fol. 94v P[aulus apostolus Christi Ihesu], Incipit Epistula ad Timotheum II, 88 x 43 mm. fol. 96r T[itum commonefacit], Argumentum, 54 x 50 mm. fol. 96r P[aulus servus dei], Incipit Epistula ad Titum, 167 x 61 mm. fol. 96v P[hilemoni familiares], Argumentum, 51 x 36 mm. fol. 96v P[aulus vinctus Christi Ihesu], Incipit Epistula ad Philemonem, 190 x 56 mm. fol. 97r I[n primis dicendum est], Argumentum, 119 x 21 mm. fol. 97r M[ultifariam et multis modis], Incipit Epistula ad Hebraeos, 61 x 54 mm. fol. 102r L[ukas natione Syrus], Incipit Praefatio Hieronymi in Actus Apostolorum, 122 x 49 mm. fol. 102v P[rimum quidem sermonem feci de omnibus], Incipit Liber Actuum Apostolorum, 130 x 67 mm. fol. 120v N[on ita ordo], Incipit Prologus super Epistulas Canonicas, 62 x 53 mm. fol. 121r I[acobus dei et domini nostri], Incipit Epistula Iacobi, 157 x 27 mm. fol. 122v P[etrus apostolus Ihesu Christi], Incipit Epistula Petri I, 122 x 53 mm. fol. 124v S[imon Petrus servus et apostolus], Incipit Epistula Petri II, 63 x 61 mm. fol. 125v Q[uod fuit ab initio], Incipit Epistula Iohannis I, 101 x 52 mm. fol. 127v S[enior electe dominae], Incipit Epistula Iohannis II, 52 x 42 mm. fol. 127v S[enior Gaio carissimo quem ego], Incipit Epistula Iohannis III, 52 x 50 mm. fol. 128r I[udas Iesu Christi servus], Incipit Epistula Iudae, 147 x 27 mm. fol. 128v O[mnes qui pie volunt], Praefatio Apocalypsis Iohannis Apostoli, 63 x 62 mm. 177
fol. 129r A[pocalypsis Ihesu Christi], Incipit Apocalypsis Iohannis Apostoli, 127 x 63 mm. Zum Buchschmuck gehören zudem über 300 Fleuronnée-Initialen in den Farben Rot und Blau, meist 2 Zeilen hoch. Sie weisen einen klaren, sicheren Duktus auf und sind mit Palmetten, Spiralen, Froschlaich und Schraffuren ornamentiert. Provenienz Die Handschrift soll gemäss unpublizierten Forschungen von A. Schönherr einen Besitzeintrag des Zürcher Predigerklosters aus der Zeit um 1300 enthalten.36 Forschungsstand und Kommentar Die Vulgata-Teile einer ehemals zweibändigen Prachtbibel (Ms. Car. C 2) besitzen einen reichen Buchschmuck, der sie als zur «Zürcher Gruppe» zugehörig ausweist (s. Kapitel 3). Er setzt sich aus 54 ornamentalen Deckfarbeninitialen (Typ 1 und 2) und aus über 300 Fleuronnée-Initialen zusammen. Mit reinen Deckfarbeninitialen vom Typ 1 zu den biblischen Büchern und mit Initialen vom Typ 2 (Spaltleisteninitialen) zu den Prologen sowie mit Fleuronnée-Initialen zu den Bibelabschnitten wurde eine anschauliche, dem Leser Orientierung bietende Gliederung des Textes gefunden. Die Handschrift gilt zusammen mit den Mss. Car. C 33 und C 140 der Zürcher Zentralbibliothek (Kat.-Nr. 2 und 7) als Überrest der Bibliothek des Zürcher Dominikanerklosters. Während die ältere Forschung (Mohlberg, Bruckner) alle drei Handschriften der Hand Lütolds von Regensberg zuschrieb, der im Kolophon von Car. C 33 genannt ist, lehnte M. Wehrli-Johns diese Zuweisung mit Recht ab. literatur Escher 1939, S. 240 mit Abb. – Bruckner 1940, IV, S. 77. – Mohlberg 1952, S. 94, Nr. 227. – Wehrli-Johns 1980, S. 191–192. – Wallach-Faller 1981, S. 10, 81–84, 113. – Wallach-Faller 1981 bis, S. 52. – Kessler 1991, S. 53–59, 139–141. – Germann 1994, S. 155, Anm. 58 und 59. – Kessler 1997, KE 3, S. 219. – Wallach-Faller 1997, S. 58, Abb. S. 57. – Kessler 1999, S. 15. – Kessler/Sauer 2002, S. 144.
36
Germann 1994, S. 155, Anm. 59.
178
Kat.- nr. 5
Tafel 1 b
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Z xIV 16 nr. 6 Fragment aus einer Bibelhandschrift Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Pergament, stark beschnittener oberer Teil eines Doppelblattes (6a und 6b) Deckfarben Textura, braune Tinte, 2-spaltiger Text, 24 Textzeilen haben sich erhalten, Latein Text Das auf einen Viertel reduzierte Blatt (Nr. 6a) überliefert Teile aus dem MatthäusEvangelium (25,24–26,39), das zweite (Nr. 6b) enthält Ausschnitte aus dem Anfang des Markus-Evangeliums (1,1–2,9) und dem vorangehenden Prolog. Ausstattung Den Beginn des Markus-Evangeliums ziert eine Deckfarbeninitiale (I[nitium evangelii Iesu Christi Filii Dei]) vom Typ 1 (keine Spaltleisteninitiale) mit einem drachenartigen Fabelwesen, dessen Schwanz von floral besetzten Ranken gebildet wird, 80 x 23 mm (in der Höhe beschnitten). Tafel 1b. Provenienz Das Doppelblatt trägt oben rechts den Vermerk: «von III·O·186·d abgelöst./21. Febr. 1915». Die Nachkontrolle hat ergeben, dass das Doppelblatt aufgrund des Formates tatsächlich dem in der Zentralbibliothek Zürich liegenden Band mit der im Vermerk genannten Signatur als Einband gedient hat. Der Band enthält: Pistorius, J.: Ein Stück von dem lauter Wort Gottes oder der Teutschen Theologia, Cöln 1596. Er wurde wohl um 1915 neu gebunden. Spuren vom alten Einband sind keine mehr sichtbar. Forschungsstand und Kommentar Während der Arbeit an der Publikation «Bettelorden, Bruderschaften und Beginen in Zürich» stiess Marlis Stähli, stellvertretende Leiterin der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich, auf das Fragment und äusserte die Hypothese, dass dieses ebenfalls zu der in der erwähnten Publikation vorgestellten «Zürcher Gruppe» gehöre. Eine detaillierte Untersuchung ergab, dass diese Hypothese zutrifft. 179
Die ornamentale Deckfarbeninitiale (Typ 1) weist dasselbe Farben- und Formenrepertoire auf wie es für die «Zürcher Gruppe» charakteristisch ist (s. Kapitel 3). Zudem wurde das Fragment mit grosser Wahrscheinlichkeit der bruchstückhaft erhaltenen Bibelhandschrift Ms. Car. C 2 (Kat.-Nr. 4), die ebenfalls zur «Zürcher Gruppe» gehört, entnommen. Dafür sprechen die folgenden Argumente: Die überlieferten Texte auf dem Fragment fehlen in Ms. Car. C 2. Die Masse des Seitenlayouts (Spaltenbreite, Spaltenabstand), der Zeilenhöhe und der Abstand der Einstichlöcher und die 2-spaltige Textanlage stimmen überein. Auch die Tintenfarbe passt gut zum erhaltenen Bestand von Ms. Car. C 2. Im vorderen Teil ist dort die Tinte schwarz, im Bereich der Evangelien und der Apostelakten jedoch braun. literatur Mohlberg 1951, S. 279, Nr. 613.
Kat.- nr. 6
Abb. 11
Fulda, Hessische landesbibliothek, Aa 74 Ps.-Albertus Magnus, Commentarius in Psalmos lI–C Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 309 Blätter, 354 x 237 mm. Lagen: V-1, 23 V, IV, 5 V, VI. Wortreklamanten und Lagenzählung in römischen Ziffern jeweils am Lagenende I–XXXI. Eine Ausnahme bildet die Lage 23: Hier wurden die Vermerke zu Beginn der Lage angebracht. Moderne Foliierung 1–309. Schriftspiegel: 2 spaltig zu je 36 Zeilen. Schrift: gotische Textura in schwarzer Tinte. Schreiber: nach Köllner/Jakobi mindestens drei oder vier Schreiber, nach Hausmann zwei Schreiber. Zustand: Die Deckfarbeninitialen befinden sich in einem frischen Zustand. Einband: Konstanzer Einband mit Stricheisenlinien im Rautenschema. Fragmente zweier Schliessen. Auf Buchrücken Beschriftung und Weingartner Signaturschild B 27. 180
Text foll. 1–309 Ps. Albertus Magnus (Adenulphus de Anagni?): Commentarius in Psalmos LI–C. Der Anfang von Psalm 50 fehlt, der Text setzt bei Psalm 51,4 ein. Randglossen des 13.–15. Jh.s enthalten historische Notizen mit Bezügen auf Konstanz, Basel und Zürich, die dem Konstanzer Kanoniker und Chronisten Heinrich Truchsess von Diessenhofen zugeschrieben werden. Ausstattung 4 Deckfarbeninitialen: fol. 3v D[ixit insipiens in corde suo], Psalm 52, 4-zeilig. fol. 91r S[alvum me fac deus quoniam intraverunt], Psalm 68, 11-zeilig. Abb. 11. fol. 201r E[xultate deo adiutori nostro], Psalm 80, 4-zeilig. fol. 296r C[ANtate domino canticum novum], Psalm 97, 8-zeilig. Knapp fünfzig, in der Regel 4-zeilige Fleuronnée-Initialen zeichnen weitere Psalmanfänge aus. Provenienz Ein teilweise gestrichener und rasierter Eintrag auf fol. 308r: «Iste liber est sce. Marie in W...» wurde von H. Köllner als Besitzeintrag des Zisterzienserklosters Wettingen interpretiert. Demzufolge könnte es sich hier um den zweiten Teil eines dreibändigen Psalmenkommentars handeln, den der Notar F(riedrich?) von Kiburg vor 1273 dem Kloster Wettingen schenkte.37 Zahlreiche Randnotizen und Deutehände werden der Hand des Konstanzer Kanonikers und Chronisten Heinrich III. Truchess von Diessenhofen zugeschrieben. Als weiteres Argument für die zeitweilige Aufbewahrung in der Konstanzer Dombibliothek führt H. Köllner an, der 3. vermeintlich zugehörige, heute in Darmstadt (Hs. 900) liegende Band enthalte auf fol. 1r einen radierten Konstanzer Besitzereintrag («Iste liber est ecclesie Constantiensis»). Zudem sei die Handschrift möglicherweise identisch mit einer im Konstanzer Bibliothekskatalog von 1343 erwähnten, glossierten Psalterhandschrift («Item est ibi psalterium glossatum in tribus volumnibus de litera bona recenti et pulcra da modum modernum.»). Von Konstanz gelangte die Handschrift ins Benediktinerkloster Weingarten, wie der Eintrag auf fol. 1r beweist («Monasterii Weingartensis Anno 1630»).
37
Item notarius supradictus contulit nobis postillas super psalterium novi operis in tribus quinquagenis distinctas. Aus: MBK 1, Nr. 76, S. 416, Z. 38–40. Dazu Köllner/Jakobi-Mirwald 1976/1993, Kat.-Nr. 71.
181
Forschungsstand und Kommentar Nach H. Köllner legt die stilistische Verwandtschaft mit den Handschriften der Zentralbibliothek in Zürich Mss. Car. C 33, Car. C 2 und C 140 (Kat.-Nr. 2, 4, 7) eine Entstehung der Handschrift im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts im Zürcher Dominikanerkloster nahe. In der Tat liegen hier Deckfarbeninitialen vor, die alle typischen Eigenschaften der «Zürcher Gruppe» (Kapitel 3) aufweisen. Die mit floralen und/ oder geometrischen Motiven besetzten Initialen erscheinen vor goldenem Grund. Das Binnenfeld ist dekoriert mit Spiralranken, deren Zentrum rundblättrige, mehrfarbige Blüten bilden (Typ 1). Ein weiteres, sehr wichtiges Charakteristikum stellen die Fleuronnée-Initialen der frühen Phase dar. Der Codex gehört zweifellos zur «Zürcher Gruppe» (s. Kapitel 3). Als zugehöriger, dritter Band dieses ursprünglich dreibändigen Psalmenkommentars bezeichnete H. Köllner eine Handschrift, die heute in der Hessischen Landesund Hochschulbibliothek Darmstadt (Hs. 900) aufbewahrt wird. Die Zugehörigkeit scheint sich auf die Buchanlage und einen gemeinsamen Schreiber zu beziehen, jedoch nicht auf die künstlerische Ausstattung. In der Darmstädter Handschrift fehlen die charakteristischen Fleuronnée-Initialen und die Deckfarbeninitialen weisen wesentliche Unterschiede bei der Farbpalette (blau und rosa sind vorherrschend) und bei der Gestaltung der margaritenähnlichen Blüten auf. literatur Löffler, Karl: Die Handschriften des Klosters Weingarten. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Leipzig 1912, Beiheft 41, S. 61. – von Ketz, Armand/Theele, Joseph: Hessische Landesbibliothek Fulda. Handschriftenkatalog. Fulda 1972, S. 59. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 251. – Hausmann, Regina: Die theologischen Handschriften der Hessischen Landesbibliothek Fulda bis zum Jahr 1600. (Die Handschriften der Hessischen Landesbibliothek Fulda, Bd. 1). Wiesbaden 1992, S. 158–159. – Köllner/Jakobi-Mirwald 1976/1993, Kat.-Nr. 71, S. 138– 140. – Kessler/Sauer 2002, S. 144–145.
182
Abb. 11: Kat.-Nr. 6, fol. 91r, Deckfarbeninitiale Typ 1
Abb. 12: Kat.-Nr. 7, fol. 6r, Deckfarbeninitiale Typ 1
Abb. 13: Kat.-Nr. 10, Fragment 13b, Deckfarbeninitiale Typ 1
Abb. 14: Kat.-Nr. 13, fol. 10r, Deckfarbeninitiale Typ 1
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Kat.- nr. 7
Abb. 9 und 12
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 140 Psalterium Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 185 Blätter, 180 x 126 mm Lagen: Die foll. 1 und 2 kleben an fol. 3. Die Blätter, die das Kalendarium enthalten (foll. 3–5), bilden eine unvollständige Lage, werden mit Klebestreifen zusammengehalten und sind z. T. an fol. 6 angeklebt. 6 V, VI, 7 V, 2 IV, 2 VI. Wortreklamanten am Ende der Lagen sind entweder abgeschnitten oder stark beschnitten. Moderne Foliierung in arabischen Ziffern mit schwarzer Tinte, jeweils in der rechten oberen Ecke. Schriftspiegel: 111 x 71 mm; einspaltiger Text mit je 18 Zeilen; lateinischer Text in gepflegter gotischer Textura mit noch ziemlich runden Ausformungen. Zustand: gut erhalten. Einband: grauer Pappeinband, Buchrücken und Ecken sind mit Pergament verstärkt. Vorne und hinten je eine 1er-Lage Papierblätter als Schmutzblätter. Auf der Aussenseite des vorderen Buchdeckels findet sich der Stempel «STADTBIBLIOTHEK ZURICH»; derselbe Stempel findet sich auch auf fol. 1v unten. Inhalt Psalterium: foll. 1 und 2: Antiphon und Oration für die Heiligen Petrus, Thomas, Vicentius und Katharina, 14./15. Jh.; Zahlenerklärung; foll. 3r–5v Kalendarium; foll. 6r–145r: Psalterium; foll. 145r–158v: Cantica; foll. 158v–161v: Allerheiligenlitanei. Die foll. 162r–185v sind zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt worden und enthalten Teile eines dominikanischen Breviers. Ausstattung In der Psalterhandschrift der Zürcher Zentralbibliothek C 140 wird der Beginn des 1., 26., 38., 51., 52., 68., 80., 97., 101. und 109. Psalms mit je einer ornamentalen Initialminiatur geschmückt. In Anbetracht des kleinen Formats der Blätter (180 x 126 mm) weisen die Miniaturen teilweise beachtliche Ausmasse auf, beispielsweise misst die Initiale D auf fol. 27v 126 x 52 mm. fol. 6r B[eatus vir qui non abiit], Psalm 1, 76 x 61 mm. Abb. 12. 184
fol. 27v D[ominus illuminatio mea et salus mea], Psalm 26, 126 x 52 mm inkl. Ausläufer. fol. 40v D[ixi custodiam vias meas], Psalm 38, 91 x 42 mm. fol. 53r Q[uid gloriaris in malitia], Psalm 51, 146 x 67 mm inkl. Ausläufer. fol. 53v D[ixit insipiens in corde suo], Psalm 52, 78 x 46 mm. fol. 66v S[alvum me fac deus quoniam intraverunt], Psalm 68, 39 x 34 mm. fol. 82v E[xultate deo adiutori nostro], Psalm 80, 37 x 40 mm. fol. 95v C[antate domino canticum novum], Psalm 97, 40 x 38 mm. fol. 98r D[omine exaudi orationem meam], Psalm 101, 80 x 80 mm. fol. 112v D[ixit dominus domino meo sede a dextris meis], Psalm 109, 40 x 38 mm. Zum Buchschmuck gehören zudem über 180 sehr sorgfältig, mit klarem, sicherem Duktus ausgeführte Fleuronnée-Initialen in den Farben Rot und Blau, meist 2 bis 3 Zeilen hoch. An Ornamenten wurden Palmetten, Spiralen, Schraffuren und Froschlaich verwendet. Forschungsstand und Kommentar Zusammen mit den Mss. Car. C 33 und Car. C 2 der Zürcher Zentralbibliothek (Kat.-Nr. 2 und 4) wurde die Psalterhandschrift Ms. C 140 als Überrest der Bibliothek des Zürcher Dominikanerklosters bezeichnet. Während die ältere Forschung (Mohlberg, Bruckner) alle drei Handschriften der Hand Lütold von Regensberg zuschrieb, der im Kolophon des Ms. Car. C 33 genannt ist, lehnte M. Wehrli-Johns diese Zuweisung zu Recht ab.38 Nach M. Wallach-Faller diente die Handschrift um 1305–1320 dem Zürcher Dominikaner Marchwart Biberli als eine der vermutlich zwei Vorlagen für seine Psalmenübersetzung. Das Psalterium enthält ein bruchstückhaft überliefertes Kalendarium (Monate Juli bis Dezember), das dem dominikanischen Normalexemplar folgt.39 Der Grundbestand legt eine Entstehung vor 1266/70 nahe, da die in den genannten Jahren vom Dominikanerorden eingeführten Feste als Nachtrag erscheinen.40 Die nachfolgend aufgelisteten Einträge sprechen für einen Gebrauch in der Diözese Konstanz und sind als lokales Sondergut zu bezeichnen: am 4.7. Ulrich von Augsburg; am 28.8. 38 39 40
Wehrli-Johns 1981, S. 192. Das Kalendarium befindet sich heute nicht mehr im Lagenverband, dürfte aber aufgrund der Verschnürungsspuren zum originalen Bestand gehören. Nachträglich eingetragen wurde: am 7.7. Anniversarium omnium sepultorum, um 1266 in den dominikanischen Festkreis aufgenommen; Fest zum Gedenken an Eduard den Bekenner 1270 vom 7.1. auf den 13.10. verlegt; hl. Martha am 27.7.1276 eingeführt.
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Pelagius, Mitpatron von Dom und Diözese Konstanz; am 1.9. Verena; am 11.9. Felix und Regula, die Zürcher Stadtpatrone; am 16.10. Gallus; am 16.11. Othmar; am 24.11. Konrad von Konstanz. In der Litanei fallen die darin angerufenen Heiligen Petrus Martyr (Kanonisation 1253) und die Zürcher Stadtpatrone Felix und Regula auf. Drei spätere nekrologische Einträge beziehen sich auf Mitglieder der Zürcher Familie Hemmerli und sind am ehesten mit dem Oetenbacher Dominikanerinnenkloster in Zusammenhang zu bringen, denn dort sind ab Ende des 14. Jahrhunderts drei Dominikanerinnen – eine davon Priorin – mit diesem Namen belegt.41 Der Psalter dürfte deshalb zumindest zeitweise im genannten Dominikanerinnenkloster verwendet worden sein.42 Der Buchschmuck, bestehend aus Deckfarbeninitialen (Typ 1) und FleuronnéeInitialen der frühen Phase, weist die Handschrift als zur «Zürcher Gruppe» zugehörig aus (s. Kapitel 3). literatur Bruckner 1940, S. 77. – Mohlberg 1951, S. 65 Nr. 167. – Wehrli-Johns 1980, S. 191– 192. – Wallach-Faller 1980, S. 69, Anm. 68. – Wallach-Faller 1981, S. 65–72, 75– 79, 113, 121–134. – Wallach-Faller 1981 bis, S. 48, 52. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 37, 251 mit Abb. – Kessler 1991, S. 53–59, 138–139. – Kessler 1997, KE 2, S. 218–219. – Wallach-Faller 1997, S. 58. – Kessler 1999, S. 15. – Kessler/ Sauer 2002, S. 144.
41 42
Halter 1956, S. 178. Ein weiterer Hinweis liefert die Übereinstimmung zwischen Altarpatrozinien und Kalendarium. Zu den Oetenbacher Altarpatrozinien siehe: UBZ, Bd. 9, S, 340f., Nr. 3498. In der Litanei (foll. 158v–160v) ist keine lokale Färbung zu vermerken.
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Kat.- nr. 8
Abb. 10, Tafel 2 und 3a
München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 23121 Psalterium Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 204 Blätter, 155 x 110 mm. Lagen: V-1 (das erste Blatt der Lage klebt auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels; vom letzten Blatt der Lage ist nur noch ein Stummel erhalten), 3 V, IV, 2 V, 2 IV, 11 V, VIII-3 (es fehlen die ersten beiden Blätter der Lage und das zweitletzte; das letzte Blatt der Lage klebt auf der Innenseite des hinteren Buchdeckels). Foliierung: wohl frühneuzeitlich, die erste Lage in römischen Ziffern (I–VIII), die weiteren Lagen in arabischen Ziffern (1–192) mit brauner Tinte in der rechten oberen Ecke auf den Rectoseiten. Fehler bei der Foliierung: das Blatt zwischen den foll. 15 und 16 trägt keine Nummer, die Nummern 84 und 134 wurden zweimal vergeben, das Blatt zwischen den foll. 121 und 122 trägt keine Nummer. Schriftspiegel: 65 x 105 mm, einspaltig, 16 Zeilen; lateinischer Text in gepflegter, gleichmässiger und einheitlicher Textura mit braun-schwarzer Tinte. Zustand: Die ganzseitigen Miniaturen sind stark berieben, insbesondere die foll. Ir und Iv weisen Kratzspuren auf, die offenbar mutwillig zugefügt wurden. Die Initialminiaturen hingegen befinden sich in einem frischen Zustand. Einband: Holzdeckel mit purpurrot eingefärbtem Leder eingefasst; am Buchrücken ist das Leder teilweise abgefallen, so dass die Verschnürung sichtbar ist; Spuren von zwei Schliessen noch sichtbar. Auf die Innenseiten der Buchdeckel wurden nachträglich über die Pergamentblätter Papierblätter geklebt. Auf dem Buchrücken drei Signaturangaben: 1. «ZZ/121»; 2. «Cod. lat./23121»; 3. «8[1? oder 7?]». Signakeln aus purpurrot eingefärbtem Leder. Inhalt foll. IIr–VIIv Kalendarium; foll. 1r–171r Psaltertext; foll. 171r–189r Cantica und Orationen; foll. 189r–192v Allerheiligenlitanei; auf den Innenseiten der Buchdeckel lateinischer Ablassbrief von 1459. Ausstattung Die Ausstattung der Handschrift besteht aus vier Vollbildern zur Vita Christi, die je zu zweit das Kalendarium umschliessen: 187
fol. Ir Verkündigung an Maria. fol. Iv Geburt Christi. fol. VIIIr Kreuzigungsdarstellung. Tafel 2. fol. VIIIv Maiestas Domini. Den Psaltertext strukturieren zehn ornamentale Deckfarbeninitialen: fol. 1r B[eatus qui vir non abiit], Psalm 1, 10-zeilig. fol. 27r D[ominus illuminatio mea et salus mea], Psalm 26, 8-zeilig. Tafel 3a. fol. 44v D[ixi custodiam vias meas], Psalm 38, 8-zeilig. fol. 60v Q[uid gloriaris in malitia], Psalm 51, 11-zeilig. fol. 61v D[ixit insipiens in corde suo], Psalm 52, 8-zeilig. fol. 78r S[alvum me fac deus quoniam intraverunt], Psalm 68, 8-zeilig. fol. 96v E[xultate deo adiutori nostro], Psalm 80, 7-zeilig. fol. 115r C[antate Domino canticum novum], Psalm 97, 8-zeilig. fol. 117r D[omine exaudi orationem meam], Psalm 101, 10-zeilig. fol. 133r D[ixit Dominus meo sede a dextris meis], Psalm 109, 8-zeilig. Die Monatsanfänge, die Anfänge der Psalmen, Cantica und Oratorien sind mit meist zweizeiligen Fleuronnée-Initialen in den Farben Rot und Blau geschmückt. Die Versanfänge sind mit roten Majuskeln ausgezeichnet, ausser auf den foll. 157v und 158r, wo sich rote mit blauen abwechseln. Provenienz Geschichte und Provenienz der Handschrift liegen im Dunkeln. Es wird vermutet, dass sie im Verlaufe der Säkularisation aus einem unbekannten Kloster in die damalige Münchner Hof- und Centralbibliothek gelangt ist. Forschungsstand und Kommentar Die Psalterhandschrift Clm 23121 in der Bayerischen Staatsbibliothek München ist mit Ausnahme einer marginalen Nennung im Bibliothekskatalog von 1878 bisher von der Forschung nicht beachtet worden.43 Erst im Rahmen der Katalogisierung der illuminierten Handschriften der Bayerischen Staatsbibliothek hat E. Klemm die Handschrift als zürcherisch angesprochen. Das Kalendarium enthält keine Angaben zu den Festgraden, und keines der Feste hat eine Auszeichnung erhalten. In 43
Dank des Hinweises auf die Handschrift und der Auskünfte von E. Klemm – wofür herzlich gedankt sei – konnte der Psalter bereits in der Publikation Buchmalerei im Bodenseeraum 13. bis 16. Jahrhundert, MOSER, Eva (Hrsg.) im Auftrag des Bodenseekreises. Friedrichshafen 1997, berücksichtigt werden. – Klemm 1998, S.228–229, Nr. 207, erwähnt ein mit Clm 23121 verwandtes Psalterfragment mit zwei Miniaturen.
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der Litanei fehlen Auszeichnungen durch Mehrfachnennung oder Farbgebung ebenfalls. Dennoch liefern sie Hinweise für eine Lokalisierung in die Diözese Konstanz, und die Nennung von Felix und Regula dürfte auf Zürich hinweisen.44 Dafür sprechen auch die Deckfarbeninitialen: Sie erweisen sich als gleichartig wie jene einer Reihe von Handschriften, die sich ebenfalls nach Zürich lokalisieren lassen (Kapitel 3). Die Bedeutung der Münchner Handschrift liegt darin, dass sie sich mit ihren charakteristischen Initialminiaturen als Zürcher Handschrift ausweist und mit den ganzseitigen Miniaturen ein Bild vermittelt von der nur spärlich überlieferten figürlichen Buchmalerei in Zürich um 1260/1270. Der Erhaltungszustand der Miniaturen ist wegen starken Bereibungen bedauerlicherweise schlecht. Sie zeichnen sich durch ein hochrechteckiges Format, schmale Rahmung, breite Binnenzeichnung in Schwarz und ein auf die Farben blau, rot, grün und lila beschränktes Farbrepertoire aus. Neben zackigen Elementen macht sich zögerlich die gotische Formensprache bemerkbar. Die Miniaturen haben die entwickeltere Stilstufe, der etwa der Engelberger Codex 61 angehört, noch nicht erreicht. Gemeinsamkeiten bezüglich Figurenstil und Farbpalette bestehen jedoch zu einer anderen Engelberger Handschrift, dem Codex 98 (Kat.-Nr. 9), und lassen eine Entstehung in der gleichen Werkstatt vermuten (s. Kapitel 6). literatur Halm, Carolus/Keinz, Fridericus/Meyer, Gulielmus/Thomas, Gregorius: Catalogus codicum latinorum Bibliothecae Regiae Monacensis. Bd. II, Teil III, München 1878, S. 55, Nr. 475. – Kessler 1997, KE 5, S. 220. – Klemm 1998, Nr. 206, S. 227– 228. – Kessler/Sauer 2002, S. 146.
44
1.9. Verena von Zurzach, 11.9. Felix und Regula, 15.10. Gallus, 15.11. Findan von Rheinau, 16.11. Othmar von St. Gallen, 23.11. Columban, 26.11. Conrad von Konstanz. – Klemm 1998, S. 228, nennt die Dedicatio sancti Salvatoris 2.11., Constans und Alexander 5.10., mit Oktav 12.10., und die Translatio Constantis et Alexandri 16.7. als spezifische Feste, die auf Allerheiligen in Schaffhausen weisen, was ihrer Meinung nach auf einen Schaffhauser Kalender als Vorlage oder für eine Benutzung ebendort sprechen könnte, jedoch nicht für eine Anfertigung.
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Kat.- nr. 9
Abb. 15, Tafel 4a
engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 98 Psalterium Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 176 Blätter, 223 x 158 mm. Lagen: XV, 11 V, IV, 2 V, IV. Foliierung in arabischen Ziffern von 1–176, handschriftlich, mit schwarzer Tinte, jeweils in der rechten oberen Ecke. Schriftspiegel: 86 x 137 mm, einspaltig, mit je 19 Zeilen; lateinischer Text in gepflegter Textura mit braun-schwarzer Tinte von einer Hand. Lateinische Randglossen in Kursive mit brauner Tinte (foll. 11v–12v, 22v, 23v– 29v), einige weitere Blätter sind entsprechend mit Linien vorbereitet. Zustand: gut, Miniaturen unberührt. Einband: eingefasst mit purpurrotem Leder, der Buchrücken wurde in jüngerer Zeit mit hellem Leder verstärkt, die Schliessen fehlen. Inhalt Psalterium: foll. 1r–6v Kalendar; foll. 11r–159r Psaltertext; foll. 159r–172r Cantica und gewohnte Zusätze; foll. 172r–174r Symbolum athanasianum; foll. 174v– 176v Allerheiligenlitanei. Ausstattung Sie besteht aus acht ganzseitigen, zweizonig aufgebauten Miniaturen mit 21 Einzelszenen zur Vita Christi. Der Zyklus ist zwischen dem Kalendarium und dem Psaltertext eingeschoben: fol. 7r Verkündigung an Maria, Heimsuchung und Geburt Christi. fol. 7v Anbetung der hl. drei Könige und Darbringung im Tempel. fol. 8r Flucht nach Ägypten und Taufe Christi. fol. 8v Einzug in Jerusalem und das Letzte Abendmahl. fol. 9r Am Ölberg, Verrat, Geisselung und Dornenkrönung. fol. 9v Urteil des Pilatus, Kreuztragung, Entkleidung, Annagelung. fol. 10r Kreuzigung mit Maria, Johannes, Stephaton und Longinus, Kreuzabnahme. fol. 10v Grablegung und die drei Marien am Grabe Christi. Historisierte Initialminiaturen markieren die Psalmanfänge der Drei- und Zehnteilung des Psalters; diejenigen der Dreiteilung sind ganzseitig (Psalmen 1, 51, 101); 190
die restlichen sind zwischen 8 und 11 Zeilen hoch und sind in den Schriftspiegel integriert: fol. 11r B[eatus vir qui non abiit], Psalm 1, drei Marien am Grabe, Himmelfahrt Christi. fol. 32r D[ominus illuminatio mea et salus mea], Psalm 26, Abt oder Bischof begleitet von zwei nimbierten Frauen, die eine ist wohl eine Klarissin.45 fol. 47r D[ixi custodiam vias meas], Psalm 38, thronender Christus mit Schwert, umgeben von Engeln, welche die Marterinstrumente halten. fol. 59v Q[uid gloriaris in malitia], Psalm 51, Tod und Seelenerhebung Marias. fol. 60v D[ixit insipiens in corde suo], Psalm 52, Martin teilt seinen Mantel.46 fol. 74r S[alvum me fac deus quoniam intraverunt], Psalm 68, Vision der Patin des Dominikus,47 Vogelpredigt des Franziskus von Assisi.48 fol. 90v E[xultate deo adiutori nostro], Psalm 80, versteckte Heilige, die von einem Engel Nahrung erhält (?) fol. 105r C[antate domino canticum novum], Psalm 97, barfüssiger, nimbierter, tonsurierter Mann, in Ketten gelegt (hl. Leonhard49) rechts von ihm Kniende mit Orantengestus. fol. 109r D[omine exaudi orationem meam], Psalm 101, drei Engel bestatten die hl. Katharina, von ihrem Körper fliesst heiliges Öl in die unterstellten Goldschalen.50 fol. 125r D[ixit dominus domino meo sede a dextris meis], Psalm 109, die geköpften Felix, Regula und Exuperantius werden von einem herabfliegenden Engel gesegnet.51 Sorgfältige und mit sicherer Hand in blauer und roter Farbe gezeichnete Fleuronnée-Initialen schmücken die übrigen Psalmanfänge. Die üppigen Zierstäbe sind mit gemalten Blümchen und Blättchen ornamentiert. Palmetten, Froschlaich und Fadenschnörkel in reicher Variation gehören ebenfalls zum Ornamentrepertoire. Tafel 4a.
45 46 47 48 49 50
51
Sie trägt einen grauen Habit und einen schwarzen Schleier. LCI, Bd. 7, Sp. 572–579. LCI, Bd. 6, Sp. 76. LCI, Bd. 6, Sp. 288. LCI, Bd. 7, Sp. 394–398. Im Psalterium Rheinau 85 in der Zentralbibliothek Zürich (fol. 101r) wurde derselbe Psalm mit demselben Bildthema illustriert, vgl. dazu: Swarzenski 1936, Nr. 43, S. 124. Im Graduale von St. Katharinental wird das Fest der hl. Katharina mit der Darstellung ihrer Bestattung bebildert, jedoch ohne die Darstellung des fliessenden Öls (fol. 197v). Im Engelberger Psalterium, Cod. 60, fol. 69r, fliesst wundertätiges Öl aus runden Öffnungen im Sarkophag, diese werden aber nicht von Schalen aufgefangen. – Marti 2002, Taf. VII, S. 15. LCI, Bd. 6, Sp. 235.
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Provenienz Wie der Eintrag im Kalendarium auf fol. 4r belegt, befindet sich die Handschrift seit Beginn des 17. Jahrhunderts in Engelberg: «Anno 16011 [wohl 1611] tumulus B. Adelhelmi a subselliis virorum ad chorum in dextra liminis est translatus festiva die S. Bonaventure reverendissimo patre amplissimoque Domino Domino Jacobo Benedicto abbatialis monarchiae gubernacula gerente». Forschungsstand und Kommentar Der reich bebilderte Engelberger Psalter Cod. 98 wurde höchstwahrscheinlich für ein Kloster der dominikanischen Orden in Zürich hergestellt. Dies legen Kalendareinträge (roter Eintrag: Petrus Martyr 29.4., Dominikus 5.8., Augustinus 28.8.) und insbesondere die Ikonographie mit der Darstellung der Zürcher Stadtheiligen Felix, Regula und Exuperantius nahe. R. Durrer, H. Swarzenski und A. Bruckner gingen von einer Herkunft aus dem Zürcher Dominikanerkloster aus.52 A. Bruckner äusserte zudem die Hypothese, die Handschrift könnte in Engelberg auf Bestellung geschrieben worden sein.53 Die reiche künstlerische Ausstattung weist die Handschrift als Zugehörige der «Zürcher Gruppe» aus (s. Kapitel 3) und legt eine Herstellung in Zürich nahe. Die figürlichen Deckfarbenmalereien vermitteln zusammen mit denjenigen im Münchner Psalterium (Kat.-Nr. 8) eine Vorstellung über die bis anhin kaum bekannte figürliche Buchmalerei in Zürich um 1260/1270. literatur Gottwald 1891, S. 144. – Durrer 1899–1928, S. 211–213. – Swarzenski 1936, S. 124, Anm. 3. – Bruckner 1950, Bd. 8, S. 65. – Ramer 1972, S. 21 Kat.-Nr. 104. – Kessler 1997, KE 8, S. 222. – Kessler/Sauer 2002, S. 146.
52 53
Durrer 1899–1928, S. 212, Anm. 1. – Swarzenski 1936, S. 124, Anm. 3. – Bruckner 1950, Bd. 8, S. 65, Anm. 18. Bruckner 1950, Bd. 8, S. 65, Anm. 18.
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Kat.- nr. 10
Abb. 13
Frauenfeld, Staatsarchiv des Kantons Thurgau, Mappe St. Katharinentaler Fragmente, nr. 13a und b 2 einzelblätter aus einem Psalterium Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Pergament, 238 x 162 mm, angeschnitten Tinte, Deckfarben und Gold Textura, 1 Spalte à 18 Zeilen Latein Inhalt Fragment 13a:54 Auf der linken Fragmenthälfte befindet sich die Initialminiatur «Q[uid gloriaris]», zu Psalm 51. Der Text auf der rechten Hälfte gehört zu Psalm 57, ab Vers 5: «[furor illis secundum si]militudinem serpentis...» bis zum Schluss des Psalms. Fragment 13b: Anfang bei der Initialminiatur: «D[ixit insipiens in corde suo]» zu Psalm 52, es folgt auf der Rückseite dieser Blatthälfte: «D[eus in nomine tuo salvum me fac]», Psalm 53. Auf der gegenüberliegenden Blatthälfte setzt der 6. Vers des 55. Psalms ein: «[to]ta die verba mea». Die Rückseite beginnt mit der Fleuronnée-Initiale «M[iserere mei Deus miserere mei]», Psalm 56. Provenienz Die Blätter dienten als Schutzeinband von Archivalien aus dem Dominikanerinnenkloster St. Katharinental. Ausstattung Fragment 13a: Initialminiatur Q zu Psalm 51 Fragment 13b: Initialminiatur D zu Psalm 52, Abb. 13.
54
Bearbeitung aufgrund der Abb. bei Bruckner 1964, Tafel VI, weil das Fragment nicht auffindbar war.
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Forschungsstand und Kommentar In seiner Beschreibung des Skriptoriums von St. Katharinental führte A. Bruckner innerhalb der Gruppe der membra disiecta aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts die beiden Psalterfragmente auf und bildete das Fragment 13a ab. Er bezeichnete sie als Teile «eines reizenden kleinformatigen Psalters, heute noch vier Doppelblätter (...), in einer bedeutenden kalligraphischen Form. Grosse Initialen, mehrfarbig mit einfachem Rankenwerk, blau, gold, mauve, rot, grün usw. Gewöhnliche Abschnitte mit roten bzw. blauen gotischen Fleuronnée-Initialen, jeder Satz beginnend mit einer unverzierten gotischen roten bzw. blauen Majuskel. Am Rand Hinweise.»55 A. Knoepfli listet die beiden Fragmente in seinem Kapitel über «Die Handschriften und das klösterliche Skriptorium» ebenfalls auf. Er datiert sie jedoch in die Mitte des 14. Jahrhunderts und beschreibt nur Fragment 13b. Bei meinem Besuch im Thurgauer Staatsarchiv im Sommer 1992 fand ich ebenfalls nur Fragment 13b vor. Vermutlich gelangte die ehemals kleinformatige Psalterhandschrift zusammen mit dem Vatikanischen Graduale Vat. lat. 10769 in der Reformationszeit ins Kloster St. Katharinental. Die künstlerische Ausstattung (Fleuronnée-Initialen und Deckfarbeninitialen Typ 1) weist sie mit Gewissheit als Mitglied der «Zürcher Gruppe» (Kapitel 3) aus. Wie im Graduale der Vaticana, bei den Zürcher Brevierfragmenten und dem Pseudo-Albertus-Magnus-Kommentar in Fulda und in der Summa des Godefridus de Trano in Stuttgart erscheinen die Initialen vor einem goldenen Grund (Kat. Nrn. 3, 6, 12 und 15). literatur Bruckner 1964, Bd. 10, S. 64. – Knoepfli 1989, S. 182. – Kessler/Sauer 2002, S. 146–147.
Kat.- nr. 11
Tafel 3b
Karlsruhe, Badische landesbibliothek, Cod. U.H. 12 Psalterium dominicanum Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts (kurz nach 1270) Buchkörper 55
Bruckner 1964, S. 64.
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Pergament, 180 Blätter, 130 x 95 mm. Lagen: II-1 (das erste Blatt der Lage fehlt), I, VI-1 (das erste Blatt der Lage fehlt), 4 VI, VI-1 (Blatt zwischen den foll. 73 und 74 fehlt), 8 VI, VI-3 (die letzten drei Blätter der Lage fehlen). Foliierung: modern, mit Bleistift oben rechts in arabischen Ziffern. Schrift: Textualis in schwarzer Tinte. Einband: roter Ledereinband von 1975, wohl in Anlehnung an den weitgehend original erhaltenen Einband von U.H. 14 (Kat.-Nr. 28) ausgeführt. Inhalt foll. 1r–5v dominikanisches Kalendarium (Januar und Februar fehlen), entspricht dem von Humbertus de Romanis geschaffenen Prototyp; foll. 6r–180v Psalterium, Textverluste durch Initialenraub sowie durch das Fehlen der letzten drei Blätter der Handschrift. Ausstattung Die Handschrift war ursprünglich zu den Psalmen der Zehnteilung mit je einer floral und/oder zoomorph ornamentierten Deckfarbeninitiale auf Goldgrund ausgeschmückt gewesen. Es fehlen die Initialen zu den folgenden Psalmanfängen: 1, 26, 51, 52. Während die Blätter zu den Psalmanfängen 1 und 51 ganz verloren sind, sind bei den anderen beiden nur die Initialminiaturen ausgeschnitten worden. Sechs ornamentale Deckfarbeninitialen: fol. 50r D[ixi custodiam vias meas] zu Psalm 38, 5 Zeilen hoch. fol. 82v S[alvum me fac] zu Psalm 68, 7 Zeilen hoch. fol. 103r E[xultate deo] zu Psalm 80, 4 Zeilen hoch. fol. 121v C[antate domino] zu Psalm 97, 6 Zeilen hoch, im Binnenfeld des Buchstabenkörpers ist ein Löwe ersichtlich. fol. 124r D[omine exaudi orationem meam] zu Psalm 101, 12 Zeilen hoch, Drache anstelle des Schaftes des unzialen D, im Binnenfeld des Buchstabenkörpers Margaritenblüten. Tafel 3b. fol. 141v D[ixit dominus] zu Psalm 109, 4,5 Zeilen hoch. Fleuronnée-Initialen in den Farben Rot und Blau zu den Psalmanfängen, in der Regel 2 Zeilen hoch, manchmal mit Ausläufern und Stäben entlang des Textblockes. Provenienz Die nekrologischen Einträge im Kalendarium legen nahe, dass die handliche Psalterhandschrift kurz nach ihrer Fertigstellung von Mitgliedern der Basler Familien
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Zerkinden und von Tietensheim benutzt wurde.56 Auf welchen Wegen die Handschrift in die Hofbibliothek Karlsruhe – der Vorgängerin der heutigen Badischen Landesbibliothek – gelangt ist, ist nicht bekannt. Die Signatur «Unbestimmte Herkunft» verweist lediglich darauf, dass es sich um einen Zugang der Säkularisationszeit handelt. Forschungsstand und Kommentar Das dominikanische Kalendarium vermag Aufschlüsse zur Entstehungszeit und zur Provenienz zu geben. Das erste Blatt mit den Monaten Januar und Februar ist verloren gegangen. Der Überrest entspricht dem dominikanischen Normalexemplar, so dass lokale Besonderheiten fehlen. Die aktuellsten, noch in den Kernbestand integrierten Ordensfeste (Antonius am 13.6., seit 1262, Eduard der Bekenner am 13.10., seit 1270), sprechen für eine Entstehung der Handschrift nach 1270. Auffallend ist, dass das jeweils am 7.7. vom Orden seit 1266 begangene Fest Anniversarium sepultorum fehlt. Zahlreiche nekrologische Einträge: Nicholaus [...] (8.3.), S[oror] Margareta de titenshein (11.3.), Sophia [...]sheim 24.3., In festo Marci Dethelmus avunculus meus (25.4.), obiit domina Anna Hurstin, min muter selig LXXXXIX (26.5.), Katherina mater mea obiit (7.6.), Johannes der Kinden obiit (23.9.), Nicolaus de Titenshein pater meus obiit ( 29.10.). Diese deuten darauf hin, dass die Handschrift bald nach ihrer Anfertigung in Zürich in den Besitz der Basler Familien von Tietensheim und Zerkinden überging und rege benutzt wurde.57 Die goldgrundigen Deckfarbeninitialen des «Zürcher» Typs 1 leiten die Psalmen der Zehnteilung ein. Die anderen Psalmanfänge schmücken Fleuronnée-Initialen der mittleren Phase der «Zürcher Gruppe» (s. dazu Kapitel 3). Der Buchschmuck weist auf eine Entstehung in einer Zürcher Werkstatt im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts hin. Die Datierung der Schrift fällt nach Schlechter/Stamm in dieselbe Periode.58 literatur Sauer 1996, S. 30–32, 69. – Schlechter/Stamm 2000, S. 457. – Kessler/Sauer 2002, S. 146, 149.
56
57 58
Urkundenbuch der Stadt Basel. Hrsg. von der Historischen und Antiquarischen Gesellschaft zu Basel. Bearbeitet von WACKERNAGEL, Rudolf/THOMMEN, Rudolf, Bde. 1–11, Basel 1890–1910. Sauer 1996, S. 30–32, Kat.-Nr. 10. Schlechter/Stamm 2000, S. 457.
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Kat.- nr. 12
Tafel 4b
Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Z xIV 30 nr. 4 Fragmente aus einem römischen Brevier Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Pergament, 4 Fragmente unterschiedlichen Formats Deckfarben und Gold, kolorierte Federzeichnung Textura Latein Text Die Bruchstücke überliefern Ausschnitte eines Breviers zu den folgenden Festen: Geburt Christi, Johannes Ev., Octav Stephanus, Octav Johannes Ev., Octav unschuldige Kinder, Epiphanie Christi. Ausstattung 1. Initiale P[rimo tempore], Nativitas Domini, Lectio I, 30 x 26 mm. Gleich anschliessend: 2. Initiale H[odie nobis celorum rex], Nativitas Domini, Responsorium, 60 x 32 mm. Die erhaltenen Einzelblätter zieren zahlreiche kleine Fleuronnée-Initialen (ca. 10 mm hoch) in den Farben rot/blau. Oft sind sie nur mit Strichzierrat geschmückt, zuweilen aber auch mit Palmetten. Trotz der schlechten Erhaltung sind der klare Duktus und die sorgfältige Ausführung noch zu erkennen. Tafel 4b. Forschungsstand und Kommentar Anlässlich der Ausstellung «edele frouwen – schoene man. Die Manessische Liederhandschrift in Zürich» war das mit Deckfarbeninitialen und Fleuronnée-Initialen geschmückte Bruchstück eines Breviers zu sehen. Es gehört zu den insgesamt vier erhaltenen Bruchstücken, die als Bucheinband gedient haben und sich deshalb in einem schlechten Erhaltungszustand befinden. Letzteres trifft auch auf die beiden noch verbliebenen Deckfarbeninitialen und die Fleuronnée-Initialen zu. Der Buchschmuck kann aufgrund des gleichartigen Farben- und Ornamentrepertoires der «Zürcher Gruppe» zugeordnet werden: Während die ornamentalen Deckfarbeninitialen dem Typ 1 entsprechen, stimmen die Fleuronnée-Initialen mit denjenigen der mittleren Phase überein (s. Kapitel 3). Die Verwendung von Gold stellt eine Gemeinsamkeit mit dem römischen Graduale und dem Pseudo-Albertus Ma197
gnus Psalmenkommentar in Fulda, der Summa des Godefridus de Trano in Stuttgart und dem Psalterfragment in Frauenfeld dar (Kat.-Nr. 3, 6, 10, 15). Während die Deckfarbeninitialen dieser Fragmente bisher noch keine Beachtung fanden, wurden die Fleuronnée-Initialen schon als typische Vertreter einer Zürcher Werkstatt beschrieben, deren Traditionen sich bis zum Kernbestand des Codex Manesse weiterverfolgen lassen.59 H.-E. Renk bringt die Fleuronnée-Initialen der Fragmente als Vergleichsbeispiele in ihrer Dissertation «Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Handschrift» und bezeichnet sie als «lupengleich». Für die Einordnung des Breviers verlässt sie sich auf die mündlichen Aussagen von A. Schönherr, der dieses um 1280–1290 datiert und dem Grossmünster zuweist, jedoch davon ausgeht, dass es nicht unbedingt dort geschrieben worden ist.60 Eine Begründung für den Bestimmungsort Grossmünster wird nicht geliefert. Nachweislich bestanden in dieser Zeit enge Beziehungen zwischen den Dominikanern und den Chorherren des Grossmünsters.61 H. Salowsky geht in seiner Untersuchung über «Initialschmuck und Schreiberhände» des Codex Manesse mit H.-E. Renk einig: «Die bei Renk abgebildeten Lombarden [der hier zu besprechenden Brevierfragmente, c.k.] weisen in der Tat eine so weitgehende Übereinstimmung fast jeden Details mit dem J1-Fleuronnée im Manessecodex auf, dass die Annahme einer Entstehung beider Handschriften aus gleicher Werkstatt-Tradition sich geradezu aufdrängt.»62 literatur Renk 1974, S. 133–134. – Salowsky 1988, S. 429. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 37 mit Abb., S. 251 mit Abb. – Kessler 1991, S. 57–59, 139. – Kessler 1997, KE 4, S. 220. – Kessler/Sauer 2002, S. 146.
59 60 61 62
Renk 1974, S. 133–134. – Salowsky 1988, S. 429. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 37. Renk 1974, S. 133. Wehrli-Johns 1999, S. 469. Salowsky 1988, S. 429.
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Kat.- nr. 13
Abb. 14
Stuttgart, Württembergische landesbibliothek, HB I 166 Breviarium ordinis Teutonici Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament und Papier, 168 Blätter und 1 Doppelblatt, 215 x 150 mm. Lagen: I+1, III, 5 VI, I, 4 VI, IV-2 (nach fol. 121 fehlen 2 Blätter), VI, V-2 (nach fol. 126 fehlen 2 Blätter), IV+1. Reklamanten: Wortreklamanten jeweils am Lagenende. Schriftspiegel: 215 x 150 mm, in der Regel zweispaltig, foll. 10r–28r 60 Zeilen, dann Reduktion auf 45 Zeilen (foll. 28v–159v), lateinischer Text in gepflegter Textura, mit schwarzer Tinte. Einband: brauner Ledereinband, 15. Jh. Zustand: Deckfarbeninitialen z. T. stark berieben, was auf einen intensiven Gebrauch hindeutet. Inhalt foll. 10r–26r Psalterium feriatum; foll. 26r–27v Cantica, Te Deum, Quicumque; foll. 27v–27v Deutschordenslitanei; foll. 28r–158v Deutschordensbrevier, ohne lokale Besonderheiten, Nachträge und Zusätze 13.–15. Jh.: u. a. foll. 1r–2v Auszüge aus Liber ordinarius; foll. 3v–9v Kalendarium (nach 1316). Ausstattung Acht ornamentale Deckfarbeninitialen zu den Psalmen der Achtteilung: fol. 10r B[eatus vir] zu Psalm 1, 14 Zeilen hoch. Abb. 14. fol. 12v D[ominus inluminatio mea] zu Psalm 26, 12 Zeilen hoch. fol. 14r D[ixi custodiam vias meas] zu Psalm 38, 11 Zeilen hoch. fol. 15v D[ixit insipiens in corde suo] zu Psalm 52, 11 Zeilen hoch, stark berieben fol. 17r S[alvum me fac] zu Psalm 68, 12 Zeilen hoch. fol. 19r E[xultate deo adiutori nostri] zu Psalm 80, 12 Zeilen hoch. fol. 20v C[antate domino canticum novum] zu Psalm 97, 12 Zeilen, stark berieben. fol. 22va D[ixit dominus domino] zu Psalm 109, 12 Zeilen. Zu den Psalmanfängen und im Brevier zweizeilige Lombarden mit Palmetten-Fleuronnée. Etwas üppigeres Palmetten-Fleuronnée zu den Nachträgen.
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Provenienz Dem Deutschordensbrevier wurde zu Beginn des 14. Jahrhunderts ein Kalendarium vorangebunden, dessen Sondergut für eine Benutzung in der Diözese Konstanz spricht: 5.8. Oswald, 7.8. Afra, 1.9. Verena, 16.11. Othmar, 11.9. Felix und Regula, 26.11. Konrad, der Konstanzer Diözesanpatron. Der einzige nekrologische Eintrag nennt «Frater Cuonrat uon Bluomenuelt», der am 3.7.1316 gestorben war.63 Im 15. Jh. wurde das Kalendarium für den Gebrauch in der Diözese Würzburg eingerichtet (5.6. Bonifatius, 8.7. Kilian). Im Zuge der Säkularisation gelangte die Handschrift von der Deutschordensbibliothek Mergentheim (Diözese Würzburg) als Gründungsgut in die Hofbibliothek Stuttgart.64 Forschungsstand und Kommentar Wie C. Sauer dargelegt hat, lassen sich die acht ornamentalen Deckfarbeninitialen wegen ihrer Ornamentik und Farbgebung der «Zürcher Gruppe» zuordnen (s. Kapitel 3). Innerhalb der Gruppe gehören sie zu denjenigen, für die eine einfachere Ausführung (blauer statt goldener Hintergrund, beschränktes ornamentales Repertoire) charakteristisch ist (vgl. beispielsweise Kat.-Nr. 4, 7, 8). Die Fleuronnée-Initialen hingegen sind von eindeutig minderer Qualität und erweisen sich als fremd. Es wäre denkbar, dass das Deutschordensbrevier lediglich für die Ausstattung mit Deckfarbeninitialen ins Zürcher Atelier gekommen war.65 literatur Hauke, Hermann/Fiala, Virgil Ernst: Codices ascetici Teil 2 (HB I 151–249) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Reihe 2: Die Handschriften der ehemaligen königlichen Hofbibliothek 1) Wiesbaden 1970, S. 29– 32. – Köllner/Jakobi-Mirwald 1976/1993, Kat.-Nr. 71. – Sauer 1996, S. 30–32, 38, Kat.-Nr. 8. – Sauer 1996 bis, S. 48–49. – Kessler/Sauer 2002, S. 145, 149.
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Blumenfeld ist heute ein Stadtteil von Tengen (Landkreis Konstanz). S. Sauer 1996, S. 67. Sauer 1996, S. 38. Sauer 1996, Kat.-Nr. 8, S. 66–67.
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Kat.- nr. 14
Abb. 16
Stuttgart, Württembergische landesbibliothek, HB I 65 Missale dominicanum Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts Buchkörper Pergament, 148 Blätter und die beiden abgelösten Spiegelblätter, von denen das hintere als fol. 148 mitgezählt worden ist; ein vor fol. 68 eingefügtes Einzelblatt ist herausgeschnitten worden, 200 x 145 mm. Lagen: V+1 (fol. 10 ist ein Einzelblatt), VI, V, VII, VI (ein vor fol. 68 eingefügtes Einzelblatt ist ausgeschnitten worden), II, VI, V, 4 VI, II. Lagennummerierung: beschränkt sich auf die Lagen 8 bis 12, in römischen Ziffern I bis V jeweils am Lagenende, am unteren Seitenrand. Foliierung: fehlerhaft, in Bleistift. Schriftspiegel: 135–140 x 85 mm, 21 Zeilen bzw. 7 Zeilen für Seiten mit Notation, Gotica und Textualis von verschiedenen Händen, braune bis schwarze Tinte. Einband: rotes Leder, Weingartner Signaturschild F 65 auf dem Buchrücken, 1937 Erneuerung von Rücken und Spiegel. Inhalt foll. 1r–2r Alleluja-Verse; foll. 2v–6v drei Ordinaria missae; foll. 6v–32v Sequentiar (Petrus Martyr 14r, Dominikus 15v); foll. 33r–60r Benedictiones, Missae votivae, Ordinaria missae, Sequentiar für Hochfeste; foll. 60v–67v Präfationen; foll. 68r–74v Canon missae (erstes Blatt herausgeschnitten); foll. 75r–142r Missale speciale (Messoffizium für Dominikus fol. 114v); foll. 142–144v Teile eines Ordinarium missae; foll. 145r–148v Teile eines Missale mit nicht ausgeführten Rubriken und Initialen. Ausstattung Die einzelnen Textteile beginnen mit Fleuronnée-Initialen in Rot und Blau. Gelegentlich tritt auch Violett auf. Es wäre denkbar, dass das zu Beginn des Messkanons (vor fol. 68) eingefügte und zu einem späteren Zeitpunkt ausgeschnittene Einzelblatt ein Kanonbild enthalten hat. Provenienz Der Codex befand sich einst im Benediktinerkloster Weingarten, wie der Besitzvermerk («Monasterii Weingartensis 1628») auf fol. 1r oben und die in Weingar201
ten eingetragene Inhaltsangabe auf fol. Iv («68//Missale») bezeugen. Nicht bekannt ist, wann und auf welchen Wegen er dorthin kam.66 Er gehörte zu jenem Teil der Weingartner Klosterbibliothek, der 1810 als Gründungsgut in die Hofbibliothek Stuttgart einging.67 Forschungsstand und Kommentar Der Buchschmuck des sorgfältig angelegten, dominikanischen Missale besteht ausschliesslich aus Fleuronnée-Initialen. Diese dürften aufgrund formaler und stilistischer Charakteristika in der mittleren Werkphase eines in Zürich aktiven Ateliers entstanden sein (s. Kapitel 3). Eine Datierung ins dritte Viertel des 13. Jahrhunderts erfolgt aufgrund stilistischer Kriterien: Die Fleuronnée-Initialen können der mittleren Phase der «Zürcher Gruppe» (s. Kapitel 3) zugeordnet werden. literatur Löffler, Karl: Die Handschriften des Klosters Weingarten. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Leipzig 1912, Beiheft 41, S. 96 Nr. F65. – Autenrieth, Johanne/Fiala, Virgil Ernst: Codices ascetici Teil 1 (HB I 1–150) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Reihe 2: Die Handschriften der ehemaligen königlichen Hofbibliothek 1) Wiesbaden 1968, S. 103f. – Sauer 1996, S. 30– 32, Kat.-Nr. 10. – Sauer 1996 bis, S. 48–49. – Kessler/Sauer 2002, S. 148, 149.
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Sauer 1996, Kat.-Nr. 10. Sauer 1996, S. 40.
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Abb. 15: Kat.-Nr. 9, fol. 56v, FleuronnéeInitialen der mittleren Phase
Abb. 16: Kat.-Nr. 14, fol. 75r FleuronnéeInitialen der mittleren Phase
Abb. 17: Kat.-Nr. 15, fol. 42v, FleuronnéeInitialen der Spätphase
Abb. 18: Kat.-Nr. 18, fol. 31v, FleuronnéeInitialen der Spätphase
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Kat.- nr. 15
Abb. 17 und Tafel 5
rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10769 graduale Zürich, drittes Viertel des 13. Jahrhunderts (nach 1267) Buchkörper Pergament, 273 Blätter, 459 x 336 mm; 1 Doppelblatt aus Papier (s. unter Einband). Lagen: fol. 1 klebt an der rechten Hälfte des Doppelblattes aus Papier (s. unter Einband); 20 VI, VII, IV-2 (zwischen den foll. 260/261 und 261/262 fehlt je ein Blatt), III+2 (fol. 268 ist mit einer Stecknadel an fol. 267v angeheftet, fol. 269 klebt am Falz von fol. 267v), I, fol. 273 klebt am hinteren Buchdeckel. Moderne Foliierung in der unteren rechten Ecke, mit Stempel in arabischen Ziffern (1–273); ab fol. 3r originale Foliierung in römischen Ziffern (I–CCVIIII) mit roter Tinte, umgeben von einem grünen und einem roten Kreis resp. in umgekehrten Farben; fol. 3 trägt sowohl auf der Recto- wie Versoseite eine solche Nummer; ab fol. 3v besitzen jeweils die Versoseiten die Nummer; diese Foliierung geht durch bis fol. 216v; auf fol. 217v ist nur noch ein Kreis, jedoch keine Nummer mehr eingetragen, danach bricht sie ab; auf fol. 74v bis fol. 216v (ausser auf fol. 80v) ist die provisorische Foliierung noch sichtbar (kleine römische Ziffern in dunkelbrauner Tinte); Fehler bei der originalen Foliierung: Auf den foll. 29v und 30v wurde zweimal die Ziffer XXVIII verwendet und auf fol. 157v fehlt das C für Hundert (nur XLV statt CXLV). Schriftspiegel: 348 x 221 mm, foll. 3r–261r 9 Noten- und 9 Textzeilen, manchmal einzelne Notenzeilen durch Text ersetzt; restliche Teile uneinheitlich (8–10 Notenund Textzeilen); lateinischer Text in gepflegter gotischer Textura mit schwarzer Tinte, wohl von einer Hand; Quadratnotation in schwarzer Tinte, rotes Vierlinienschema; Nachträge und Ergänzungen von verschiedenen Händen (s. unter Inhalt). Einband: Die an den Ecken abgerundeten Holzdeckel sind mit Leder überzogen, an einigen Stellen ist noch ein älterer Einband aus feinem, eierschalenfarbigem Leder sichtbar; auf dem vorderen und hinteren Deckel sind je fünf Buckel aus Kupfer montiert, diejenigen auf der Hinterseite sind rund (d = 45 mm), die anderen sind mit je vier Dreizackblättern (d = 70 mm) verziert; ursprünglich hatte es hinten dieselben Buckel wie vorne gehabt, wie die noch sichtbaren Abdrücke belegen; zu den zwei Schliessen auf der Vorderseite ist die entsprechende Vorrichtung auf der Rückseite nur oben erhalten; an der Kante des vorderen Buchdeckels ist ein Stück Leder zum Schutz des vorderen Buchschnitts befestigt; Signakeln: 6 Schnüre an 204
einem Holzstäbchen, dieses ist mit einem gehäkelten Überzug aus orangem und hellgrünem Garn versehen. Am Vorderschnitt sind gedrehte Seidenfäden in den Farben Grün und Beige (foll. 24, 31, 44, 84, 93, 171, 216, 219, 226) als feste Buchzeichen angebracht. Ein Doppelblatt aus Papier, dessen linke Hälfte als Spiegel auf der Innenseite des Vorderdeckels klebt, besitzt auf beiden Hälften am unteren Rand ein Wasserzeichen, das sich auch im Cod. Vat. lat. 10773 der Vatikanischen Bibliothek (Kat.-Nr. 1) findet. Es handelt sich dabei um einen Doppeladler mit einem K auf dem Brustschild. Es erstreckt sich über 3 Binddrähte, und die Bodendrähte sind in einem Abstand von 1 mm angeordnet. Das Wasserzeichen konnte bisher nicht eindeutig identifiziert werden. Laut brieflicher Auskunft von Dr. Natale vom Hauptstaatsarchiv Stuttgart, das die Wasserzeichenkartei Piccard betreut, stammt diese Art von AdlerWasserzeichen meist aus dem ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jh. und weitgehend aus dem süddeutschen Raum einschliesslich Südtirol.68 Auf der Aussenseite des Vorderdeckels klebt oberhalb des mittleren Beschlages ein Stück Papier (77 x 97 mm) mit der Aufschrift «120» in brauner Tinte. Auf dem vorderen Spiegel klebt oben links eine blaue Marke mit der heutigen Signatur, und in der Mitte oben ist nochmals dieselbe Nummer wie aussen notiert («Nº 120»), jedoch mit Bleistift. Auf demselben Spiegel wurde zur Verstärkung im Anschluss an die Verschnürung ein Pergamentstreifen (Makulatur, Ende 15. Jh.?) angebracht. Inhalt Dominikanisches Graduale: foll. 1r–2v Credo in deum, Kyrie eleyson und Alleluya von einer späteren Hand; fol. 3r–3v Gloria; fol. 4r–4v Aspersionsantiphonen; foll. 4v–142v Proprium de Tempore; foll. 142v–144v Kirchweihoffizium; foll. 144v– 179v Proprium de Sanctis; foll. 179v–211r Commune Sanctorum; foll. 211r–214r Missae votivae; foll. 214r–225r Ordinarium missae secundum festorum dignitatem; foll. 225r–273 Sequentiar, ab fol. 256r handelt es sich um nachgetragene Sequenzen von verschiedenen Händen. Ausstattung 11 ornamentale Initialminiaturen: fol. 4v A[d te levavi animam meam], Dominica prima in adventu Domini, Introitus, 289 x 176 mm. fol. 17r P[uer natus est nobis], In die nativitas Dominis, Introitus, 250 x 114 mm. fol. 19v E[cce advenit dominator], In Epiphania Domini, Introitus, 110 x 110 mm. Tafel 5a. 68
Brief vom 25. Mai 1992.
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fol. 94v R[esurrexi et adhuc tecum sum], In die S. paschae, Introitus, 109 x 101 mm. fol. 111r V[iri galilei quid admiramini], In die ascensionis, Inroitus, 163 x 120 mm. fol. 114v S[piritus domini replevit orbem terrarum], In die pentecostes, Introitus, 110 x 99 mm. fol. 120v B[enedicta sit sancta trinitas], In festo S. trinitatis, Introitus, 122 x 107 mm. Tafel 5b. fol. 144v D[ominus secus mare galilee], In vigilia S. Andreae, Introitus, 114 x 125 mm. fol. 170r G[audeamus omnes in domino], In assumptione S. Marie virginis, Introitus, 108 x 93 mm. fol. 172r G[audeamus omnes in domino], In nativitate S. Marie virginis, Introitus, 116 x 83 mm. fol. 175v G[audeamus omnes in domino], In die omnium sanctorum, Introitus, 105 x 97 mm. Zur Buchzier gehören zudem nahezu 300, sehr sorgfältig gezeichnete Fleuronnée-Initialen mit reicher Ornamentik, davon sind die meisten 1 Text- und 1 Notenzeile hoch. Buchstaben mit langen Hasten, wie P und I, sind oftmals bis zu 4 Text- und 4 Notenzeilen hoch. Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. 10770–10775, Kat.-Nr. 1, 19, 20, 35, 42, 43), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktionsausstellung, die im März 1851 in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Nuntius Pietro Antonio Garibaldi in Paris davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultgegenstände, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). Kommentar und Forschungsstand Der Codex Vat. lat. 10769 enthält ein Graduale, das für den dominikanischen Ritus eingerichtet ist: In der Litanei ist vor der Anrufung des hl. Dominikus die Bemerkung «vox exaltetur bis dicatur» eingeschoben (fol. 90v). Das Sequentiar des Kernbestandes entspricht dem Humbertschen Prototyp, der 1256 approbiert wurde, und bringt die 27 Sequenzen in der damals festgelegten Reihenfolge.
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Einen Anhaltspunkt für die Datierung der Handschrift nach 1267 liefert das im Proprium Sanctorum bereits integrierte Fest der Translatio Dominici, das 1267 in die Ordensliturgie aufgenommen wurde.69 Verschiedene Ein- und Nachträge, die im Folgenden näher bezeichnet werden, geben einen Hinweis auf den Verwendungsort der Handschrift. Dem Codex sind zwei Pergamentblätter (foll. 1–2) vorangebunden worden, die u. a. Alleluiaverse zu den folgenden Festen enthalten: Dreifaltigkeit, Johannes Baptist, Felix und Regula, Elftausend Jungfrauen70 und Thomas von Aquin71 (alle in Rot). Da das Fest der Elftausend Jungfrauen im Jahr 1331 in die Ordensliturgie aufgenommen wurde, stellt dieses den Terminus post quem für diesen Nachtrag dar. Im Proprium Sanctorum (fol. 172v) hat eine kaum jüngere Hand als der Schreiber des Kernbestandes am Rand beim Fest von Felix und Regula vermerkt: «sanctorum felicis et regulae».72 Das Sequentiar des Kernbestandes endet auf fol. 255v. Es folgen drei in ihrer Zusammensetzung uneinheitliche und teilweise stark gestörte Lagen mit Nachträgen zum Sequentiar. Die erste Lage (foll. 256r–261v) enthält u. a. eine Sequenz zum Fest der hl. Verena (fol. 257v). Die hl. Verena wurde im Bistum Konstanz und Basel besonders verehrt. Darauf folgt die Sequenz zum Fest der Elftausend Jungfrauen (fol. 257v, am Rand in Rot: XI M megt).73 Innerhalb dieser Lage befindet sich auch die Karlssequenz in der für Zürich von Konrad von Mure umgeschriebenen Version: «Urbs Turegum, urbs famosa/Quam decorant gloriosa Sanctorum suffragia»74 (fol. 258v, am Rand in Rot: «karole»). Das Karlsfest wurde 1272 für 69 70 71 72 73 74
Ladner 1983, S. 300, Anm. 22. ACG II, S. 207. Das Fest wurde 1331 im Dominikanerorden eingeführt. ACG II, S. 151, 156, 164. Das Fest wurde an den Generalkapiteln der Jahre 1324–1326 approbiert. Cod. Vat. lat. 10769, fol. 172v. ACG II, S. 207. Das Fest wurde 1331 im Dominikanerorden eingeführt. AH, Bd. 55, Nr. 201, S. 225–226. Der Hymnus wurde für Aachen, dem Kultzentrum Karls des Grossen, um 1165 (Kanonisation) geschaffen. Die abgeänderte erste Strophe erscheint im Ordinarium divini officii secundum consetudinem chori praepositurae Thuricensis (fol. 94v), das Konrad von Mure 1260 geschrieben hat. Dazu Leuppi 1995, S. 327, 492–493. Die Karlssequenz in der Zürcher Version ist noch in einer Missale-Handschrift der St. Galler Stiftsbibliothek überliefert (Cod. 345, S. 87). Inhaltlich ebenfalls von Interesse und eventuell auf Zürich hinweisend ist das Fest Felix und Regula (S. 125). Die Handschrift ist mit einer kolorierten Federzeichnung zum «Canon missae Te igitur» ausgestattet (S. 73, Kreuzigung Christi, Tafel 13b). Dazu: SCHERRER, Gustav: Stiftsbibliothek St. Gallen. Halle 1875, S. 121. – Hänggi 1995, S. 81–85, 91–94. – Wittwer 1995, S. 105, Anm. 2. Die Verehrung Karls des Grossen wurde ab 1233 vermehrt gefördert. Der Propst Rudolf von Hottingen und der Konvent des Chorherrenstifts erbaten in Aachen Reliquien und das Officium Karls des Grossen. Noch im selben Jahr fand die Reliquienübertragung statt. Das Fest Karls des Grossen wurde auf den 28. Januar festgelegt. Dazu Schwarz 1948. – Kötzsche 1967, S. 202ff. – Zender 1967, S. 103, 112. – Gutscher 1983.
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alle Kirchen der Stadt als verbindlich erklärt.75 Wie auch die oben beschriebenen, vorgebundenen Blätter kann diese Lage aufgrund der Sequenz zum Fest der Elftausend Jungfrauen nicht vor 1331 entstanden sein, weil dieses Fest erst in diesem Jahr Aufnahme in die Ordensliturgie fand. U. E. ist die Hand der foll. 1–2 mit der Hand dieser Lage identisch. Die folgende Lage (foll. 262r–267v) dürfte in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sein (Schrift, Fleuronnée-Initialen, Officium der hl. Anna76). Die letzten drei Folien (foll. 270–273) bilden keine intakte Lage mehr. Während fol. 272 an fol. 271 befestigt ist, klebt fol. 273 an der Innenseite des Buchdeckels. Hinsichtlich Layout, Schrift und künstlerischem Schmuck sind sie jedoch einheitlich und gehören zum Kernbestand der Handschrift. Sie enthalten neben Gloria und Kyrie Eleison die Sequenz zum Fest der Hll. Felix und Regula. Die in der Diözese Konstanz (Zürich) entstandene Sequenz beginnt denn auch mit «O Thuregum, Romae regum...» (fol. 271v).77 Die beschriebenen Sequenzen des Kernbestandes wie diejenigen des Nachtrags zu den Festen der Heiligen Verena, Felix und Regula sowie Karls des Grossen weisen auf Zürich hin. Sie könnten zudem einen Hinweis dafür darstellen, dass die Handschrift nach ihrer Fertigstellung für den Gebrauch im Zürcher Dominikanerinnenkloster St. Verena eingerichtet wurde. Diese ehemalige Beginensammlung an der heutigen Froschaugasse nahm um 1266 die Augustinerregel an und wurde um 1277 den Zürcher Predigern unterstellt.78 Bereits J. B. Borino hat im Handschriftenkatalog der Vatikanischen Bibliothek das Dominikanerinnenkloster St. Verena in Zürich als mögliche Provenienz in Betracht gezogen.79 In seiner Einleitung zum Handschriftenkatalog der Zentralbibliothek Zürich führte C. L. Mohlberg das Graduale Vat. lat. 10769 und interessanterweise das Antiphonar Vat. lat. 10771 (Kat.Nr. 19) unter den Fahndungserfolgen nach den seit der Reformation verstreuten Handschriften auf und gab als Provenienz St. Verena in Zürich an.80 In verschiedenen jüngeren Beiträgen wurden die beiden Vatikanischen Codices als Überreste der Dominikanerinnenbibliothek von St. Verena in Zürich oder Oetenbach bezeich-
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1272 ordnete Eberhard von Waldburg, Bischof von Konstanz, das Fest auch für die übrigen Kirchen der Stadt an. ACG III, S. 269, 292. Das Fest wurde an den Generalkapiteln der Jahre 1459–1465 approbiert. Kehrein 1873, Nr. 561, S. 384–385. AH, Bd. 55, Nr. 128, S. 148–150. Dazu auch Leuppi 1995, S. 483–486. Diese Sequenz ist wie diejenige zum Karlsfest in der oben erwähnten St. Galler Handschrift überliefert (Cod. 345). Hohl 1999, S. 1054–1055. – Helbling 2002, S. 216–217. Borino 1947, S. 220. – Salmon 1968/1969, Bd. 2, S. 203, nimmt diese Provenienz als gesichert an: «Provient de l‘ église de Sta. Verena (Zurich).» Mohlberg 1952, S. XV. Der Bibliothekskatalog ist ab 1932 in Teillieferungen erschienen.
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net.81 Ein weiteres wichtiges Argument für die Lokalisierung der Handschrift nach Zürich stellt die Zuordnung der künstlerischen Ausstattung zur «Zürcher Gruppe» dar. Die besonders prächtige Ausstattung besteht aus elf sehr kunstvollen Deckfarbeninitialen des Typs 1 zu den wichtigsten Festen des Proprium de Tempore sowie des Proprium de Sanctis und aus nahezu 300 sehr sorgfältigen, reich ornamentierten Fleuronnée-Initialen. Somit darf die Handschrift als eines der Hauptwerke der «Zürcher Gruppe» angesprochen werden (s. Kapitel 3). literatur Bannister 1913. – Borino 1947, S. 220–223. – Schwarz 1948, S. 430, Anm. 2. – Schönherr 1965. – Salmon 1968/1969, Bd. 2, S. 203. – Ladner 1983, S. 297, Anm. 18, S. 308–323. – Knoepfli 1989, S. 180. – Kessler 1991, bes. S. 53–59 und 80–86. – Wittwer 1995, S. 106, Anm. 3. – Kessler 1997, KE 6, S. 221. – Kessler/ Sauer 2002, S. 147, 149.
Kat.- nr. 16
Abb. 19
Berlin, Staatsbibliothek, Preussischer Kulturbesitz, ms. theol. lat. qu. 199 82 Sammelhandschrift, Martyrologium83 regensburg, um 1100, Petershausen, um 1265/70, regensburg, zwischen 1040 und 1044
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Schwarz 1948, S. 430, Anm. 2. – Schönherr 1965: «Neben mehreren Choralhandschriften schweizerischer Provenienz ist das Zürcher Frauenkloster am Oetenbach auch hier [Vatikanische Bibliothek, c.k.] durch zwei bedeutende Manuskripte vertreten: durch ein Messgesangbuch aus der Zeit um 1320 und durch ein Offiziumsantiphonar aus derselben Zeit, die nach Mohlberg eher den Schwestern zu St. Verena, nach neuesten Untersuchungen des vatikanischen Katalogbearbeiters Laurent dagegen eher den Ordensfrauen am Oetenbach zuzuweisen sind.» – Knoepfli 1989, S. 180: «Angeblich aus der Sammlung St. Verena in Zürich...». – Wittwer 1995, S. 106, Anm. 3, unter Bezugnahme auf Schönherr. Dieser Text beruht auf dem ausführlichen Beitrag von H. Köllner und auf eigenen Beobachtungen am Original im Sommer 1992. In unserem Zusammenhang interessiert das Martyrologium.
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Buchkörper Pergament, 119 Blätter, 240 x 185 mm. Lagen: II, V, 4 IV, II (zwischen foll. 50 und 51 fehlen zwei Lagen: VI, IV), IV-1, IV, IV+1, 5 IV, III-1. Martyrologium: Schriftspiegel 178 x 130 mm, 28 Zeilen. Lateinischer Text in frühgotischer Minuskel von einer Hand. Einband: brauner verzierter Ledereinband mit Messingschliesse (Monogramm MM = Monasterium Murense), um 1600 im Benediktinerkloster Muri angefertigt. Inhalt foll. 1r–4v Ordo ad monachum ordinandum; foll. 5r–49v Martyrologium des Usuardus; foll. 51r–54r Computus; foll. 54v–64ra Rituale monialium ex pontificali romano-germanico; foll. 66v–119v Regula S. Benedicti. Ausstattung Die jeweiligen Monatsanfänge des Martyrologiums zieren eine grosse und elf kleine, sorgfältig gemalte Initialminiaturen mit rein ornamentalem Charakter: fol. 5r K[alendas] mit integriertem I[ncipit], 104 x 68 mm. Abb. 19. fol. 9r K[alendas], 31 x 25 mm. fol. 12r K[alendas], 33 x 26 mm. fol. 15v K[alendas], 32 x 21 mm. fol. 19r K[alendas], 31 x 19 mm. fol. 23r K[alendas], 33 x 25 mm. fol. 27r K[alendas], 28 x 22 mm. fol. 30v K[alendas], 30 x 23 mm. fol. 34v K[alendas], 31 x 24 mm. fol. 38r K[alendas], 35 x 26 mm. fol. 42r K[alendas], 24 x 18 mm. fol. 46r K[alendas], 30 x 24 mm. Provenienz Im 18. Jahrhundert befanden sich alle drei Teile vereint in einem Band in der Benediktinerabtei Muri. Im Jahre 1841, als die Abtei aufgehoben wurde, gelangte der Codex in den Besitz des damaligen Abtes Adalbert Regli. Dieser übergab ihn zur Verwahrung dem Historiker Hermann von Lindenau. Nach dem Tode von dessen Sohn, Theodor von Lindenau, wurde die Handschrift verkauft und von der Preussischen Staatsbibliothek 1876 erworben.
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Forschungsstand und Kommentar Unter der Signatur theol. lat. qu. 199 bewahrt die Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz in Berlin eine Sammelhandschrift auf, die drei zu verschiedenen Zeitpunkten und in verschiedenen Skriptorien geschaffene Einzelteile umfasst. Diese wurden wahrscheinlich in Muri kompiliert und dort mit dem jetzigen Bucheinband versehen. Für unsere Zeitspanne ist das hinsichtlich der Buchanlage, der künstlerischen Ausstattung und der Schrift einheitliche Martyrologium (foll. 5r–49v) aus den späteren 60er-Jahren des 13. Jahrhunderts von Interesse. Die Initialminiaturen zeichnen sich durch Spiralranken als Endmotive, fünflappige Efeublätter, durchwegs blauen Grund und Deckweissfiligran aus. In der grössten Miniatur (fol. 5r) treten zudem Drachen auf. Der stilistische Einfluss der hochgotischen französischen Buchmalerei ist deutlich spürbar. Wie die detaillierte Analyse Köllners gezeigt hat, ist die Handschrift im Benediktinerkloster Petershausen entstanden. Dafür sprechen die aufgeführten Heiligen, die zum einen auf die benediktinische Herkunft und auf die Diözese Konstanz hinweisen, zum anderen die speziell ausgezeichneten Namen der Hll. Gebhard, Gregor und Oswald, die sich mit den Klosterpatronen des genannten Benediktinerklosters decken. Die ebenfalls ausgezeichneten Marienfeste könnten durch den cluniazensisch-hirsauischen Marienkult begründet sein oder ein Indiz für den Gebrauch des Martyrologiums in einem Frauenkloster darstellen. Da die als Textvorlage verwendete Handschrift (Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Sal. 9,57) durch verschiedene Einträge für Petershausen gesichert ist, wird die obige Lokalisierung des Berliner Martyrologiums indirekt bestätigt. literatur Swarzenski 1936, S. 54, 131. – Köllner 1967, S. 293–326 (mit älterer Literatur). – Kat. Zimelien, Nr. 35. – Achten, Gerhard: Die theologischen lateinischen Handschriften in Quarto der Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz Berlin, Teil 1., Wiesbaden 1979, S. 129–131. – Kessler 1997, KE 7, S. 222.
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Abb. 19: Kat.-Nr. 16, fol. 5r, Deckfarbeninitiale
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Abb. 20: Kat.-Nr. 17, 4v, Begegnung Wilhelm und Jofrit / Trennung Wilhelm und Jofrit
Kat.- nr. 17
Abb. 20
München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 63 rudolf von ems: Wilhelm von orlens Wohl Zürich, um 1280 Buchkörper Pergament, 111 Blätter, 210 x 153 mm. Lagen: 5 IV, IV-1 (zwischen foll. 41 und 42 fehlt ein Blatt), 8 IV. Reste einer Lagenbezeichnung auf foll. 8v und 16v. Zweispaltiger Text zu 38–39 Zeilen in gotischer Textualis von einer Hand. Einband: heller Ledereinband mit Freisinger Blütenstempel von 1472–1475. Inhalt Rudolf von Ems: Wilhelm von Orlens bis Vers 14858, die Verse 5423–5498 fehlen. Ausstattung Sechs Initialminiaturen zu Beginn der einzelnen Bücher resp. zum Beginn der eigentlichen Handlung: fol. 1r R[iner tugende wiser rat]. fol. 2r E[in herre in francheriche saz]. fol. 17r W[er hat mich guter her gelesen]. fol. 42v A[lle die getihte]. fol. 73v D[er dise aventure]. fol. 92v S[it es nu komen ist davon]. Miniaturen: fol. 1r Autorenbild. 24 ganzseitige, zweizonige Miniaturen:. fol. 4v Begegnung Wilhelm und Jofrit / Trennung Wilhelm und Jofrit. Abb. 20. fol. 7r Begegnung an der Lanze / Schlacht. fol. 12r Verfolgung / Wilhelms Tod. fol. 15v Elyes Tod / Taufe Wilhelms von Orlens. fol. 20r Jofrits Eid / Kindsübergabe. fol. 24v Wilhelm von Orlens vor Philipp / Heimritt. fol. 27v Abschied Wilhelm von Orlens und Jofrit / Wilhelm von Orlens und Reinher. fol. 29v Begegnung Amelie und Wilhelm von Orlens / Schachspiel. 213
fol. 34v Minnegespräch / Hungereid. fol. 38v Wilhelm von Orlens krank / Amelie gesteht Liebe. fol. 44v Schwertleite Wilhelms von Orlens / Ritterschar. fol. 49r Briefübergabe / Zweikampf. fol. 53r Schlacht / Pitipas geht. fol. 56v Zweikampf / Gaukler. fol. 60v Turnierpreis / Briefübergabe. fol. 64v Briefübergabe / Reiterzug nach England. fol. 68r Entführung Amelies / Brückenkampf. fol. 72v Wilhelm von Orlens Sühneeid / Abschied. fol. 76v Duzabele heilt Wilhelm von Orlens / Wilhelm von Orlens krank. fol. 81r Tiertreiben / Belagerung. fol. 84r Damen rüsten Wilhelm von Orlens / Zweikampf. fol. 86v Zweikampf / Gefangennahme. fol. 91v Savines Bitte / Kampf. fol. 97r Savine und Amelie / Abreise. fol. 101r Begegnung Wilhelm von Orlens und Amelie / Amilot richtet. fol. 105r Hochzeit / Beilager. fol. 108r Ankunft in England / Jofrit opfert. Provenienz Im 15. Jahrhundert könnte die Handschrift im Besitz eines Hans Schmid gewesen sein, der möglicherweise identisch ist mit dem gleichnamigen Pforzheimer Minoritenbruder und Büchersammler (ca. 1420–1470).84 Aufgrund des Stempelschemas auf dem Einband wird angenommen, dass sich die Handschrift im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts in der Dombibliothek von Freising befand und dort neu eingebunden wurde. Laut einem Besitzeintrag aus dem 17./18. Jahrhundert auf fol. 1r («ad conventum vallis speciosa») wurde der Codex im Augustiner-Emeritenkloster Schönthal bei Waldmünchen in der Oberpfalz aufbewahrt. Im Jahre 1802, anlässlich der Säkularisation, liess der Hofbibliothekssekretär Johann Baptist Bernhart (1759– 1821) die Handschrift zusammen mit einer Reihe weiterer nach München bringen. Forschungsstand und Kommentar Die Handschrift stellt das früheste bebilderte Exemplar des Versepos dar, das Rudolf von Ems zwischen 1235 und 1243 im Auftrag Konrads von Winterstetten sowie Johanns von Ravensburg auf der Basis der französischen Versromane «La Manekine» und insbesondere «Jehan et Blonde» des Philippe de Rémi geschrieben hat. 84
Weigele-Ismael 1997, S. 65–67, spricht sich dagegen aus. – Klemm 1998, S. 239.
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Die 24 ganzseitigen, zweizonig aufgebauten, gerahmten Miniaturen vor Goldgrund befinden sich in einem schlechten Erhaltungszustand. Die Deckfarben und das Gold sind zu grossen Teilen bis auf die Vorzeichnungen abgeblättert oder abgerieben. Indessen sind die Malanweisungen sichtbar geworden. Die Bilder konzentrieren sich auf die Geschichte Wilhelms, andere Themenkomplexe wurden bewusst ausgeklammert (höfische Feste) oder ganz gezielt eingebracht (bestimmte Momente eines Turniers). Widersprüche zwischen den Malanweisungen und dem Bildinhalt weisen auf eine Konzeptänderung hin. Auf verschiedene Gemeinsamkeiten mit den Rudolfschen Weltchroniken wurde in der Forschung mehrfach hingewiesen: Wie die Wernigeroder Weltchronik und der Münchner Codex Cgm 6406 setzt der Miniaturenzyklus mit einem Autorenbild ein. Beim Cgm 63 handelt es sich dabei um «das früheste Autorenbild in einer deutschen Profanhandschrift».85 Die äusserst repräsentative Bildkonzeption mit den gerahmten, zweizonigen Miniaturen sowie die vereinheitlichende, sich von der direkten Textillustration lösende Gliederung des Romanstoffes orientieren sich an französisch-westlichen Romanillustrationen und weisen auf den Codex 302 der Vadianischen Sammlung in St. Gallen (vgl. Kat.-Nr. 29) hin.86 Aufgrund des beschriebenen Erhaltungszustandes fällt die stilistische Beurteilung nicht leicht. Eine Unterscheidung der Hände ist kaum zu bewerkstelligen. Immerhin steht fest, dass es sich um einen oberrheinischen Vertreter der Hochgotik handelt. Die Datierungsvorschläge reichen von der Mitte des 13. Jahrhunderts bis zur Jahrhundertwende.87 Über die Lokalisierung der Werkstatt gibt es keine Einigkeit: Im Zentrum der Diskussion stehen Strassburg88 und Zürich. In ihrer Dissertation über die Münchener Handschrift kommt E. Weigele-Ismael unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte zum Schluss, dass sie mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zürich entstanden ist. Als eines der wichtigsten Argumente führt sie die oben beschriebenen Verbindungen zum Vadianus 302 – und damit auch zu dessen Schwesterhandschriften – an und denkt an eine Entstehung des Cgm 63 im Umkreis der Zürcher Weltchronik-Werkstatt um 1280. Schon mehrfach wurde auf die Vorlagefunktion des 85 86 87
88
Frühmorgen-Voss 1975, S. 18. Beer 1987, S. 91. Frühmorgen-Voss 1975, S. 17–20, um Mitte des 13. Jahrhunderts. – WALTER, Ingo F.: Eine direkte Vorlage der Manessichen Liederhandschrift. In: Minnesänger. 33 farbige Wiedergaben aus der Manessischen Liederhandschrift IV. Aachen 1977, S. 9–12, 16, Anm. 15, Datierung um oder kurz vor 1300. – Beer 1987, S. 88, um 1280/90. – Vetter 1988, S. 300, um 1270/75. – Klemm 1998, S. 239, um 1270–1275. Z. B. Vetter 1988, S. 300. – Klemm 1998, S. 242: «Obwohl der Lokalisierung an den Oberrhein (Strassburg?) der Beweis fehlt, scheint das Gebiet des Oberrheins gegenüber der Zürich-Bodensee-Gegend doch noch immer die besseren Voraussetzungen für die Entstehung der Hds. zu bieten.»
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Cgm 63 für die in Zürich entstandene Manessische Liederhandschrift (Kat.-Nr. 25) hingewiesen: Neben der Bildkonzeption89 wurde auch der Wappencharakter der Bilder als vorbildlich beschrieben. Es handelt sich dabei um ein Stilprinzip des Grundstockmalers, das in Ansätzen bereits in der Wilhelm-Handschrift zur Anwendung kam.90 Besondere Bedeutung kommt den paläographischen Argumenten zu. Dem Schreiber der Handschrift konnte K. Schneider Fragmente einer Parzival- und Tristanhandschrift, die in Zürich gefunden und heute dort aufbewahrt werden91, zuweisen.92 Dialektologische Besonderheiten und das Abkürzungssystem sowohl des Cgm 63 wie der Fragmente sprechen ebenfalls für eine Entstehung im Zürcher Raum.93 literatur Vetter 1981, S. 63, 65–67. – Schneider 1987, S. 241–244. – Beer 1987, S. 88– 96. – Vetter 1988, Kat.-Nr. H 18, S. 284, 288, 300. – Saurma-Jeltsch 1988, S. 311– 313. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 38. – Weigele-Ismael 1997 (mit älterer Literatur). – Klemm 1998, Nr. 217, S. 239–243.
Kat.- nr. 18
Abb. 18, 21, 22 und Tafel 6a
nürnberg, germanisches nationalmuseum, Hs. 21897 graduale Zürich(?), gegen 1290 und erstes Viertel 14. Jahrhundert Buchkörper Pergament, 278 Blätter, 470 x 345 mm, 5 Papierblätter (mitgezählt sind diejenigen, die auf die Recto- resp. Versoseite der foll. 1 und 279 geklebt wurden). Lagen: VI-1 (zwischen foll. 1 und 2 fehlt ein Blatt), 15 VI; VI+1; VI; V; VI+15 (Nachträge auf den foll. 244–258, die nach dem fol. 243 eingefügt wurden); II+1; III; I+1 (fol. 278, aus Papier, wurde eingefügt). 89 90 91 92 93
Dazu u. a. Vetter 1988, S. 300. Saurma-Jeltsch 1988, S. 312. Zürich, Zentralbibliothek, Car. C 182 und C VI 1/VI 6b Bl. 36–37 sowie Zürich, Staatsarchiv, C VI 1/VI 6a Bl. 30–35. Schneider 1987, S. 241–243. Weigele-Ismael 1997, S. 72–78.
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Moderne Foliierung auf den Rectoseiten in der rechten oberen Ecke 1–280; die foll. 4–207 besitzen auf der Blattmitte eine originale Foliierung mit römischen Ziffern in Rot (I–CCIIII); ab fol. 220 setzt diese Foliierung neu ein und endet bei fol. 275 (I–LVI); zudem gibt es eine Bleistiftpaginierung (S. 4–300), die sich von foll. 2 bis 150 erstreckt. Schriftspiegel: 330 x 210 mm, 9 Text- und 9 Notenlinien mit Quadratnotation auf rotem Vierlinienschema; lateinischer Text in Textura, bei Nachträgen z. T. Bastarda. Wasserzeichen der Vor- und Nachsatzblätter sowie die auf die foll. 1 und 279 aufgeklebten Papierblätter sind identisch mit Briquet Nr. 1364, Basel, Niklaus Heusler, belegt 1578. Das Wasserzeichen des fol. 278 Briquet Nr. 12268, belegt 1509. Einband: Jetziger Lederbezug mit div. Verzierungen wurde im 16. Jh. über dem alten angebracht; je 4 Beschläge mit Buckeln aus Kupfer mit Spuren einer Vergoldung (auf dem Vorderdeckel ein zusätzlicher in der Mitte); 2 Schliessen; Schnittflächen rot bemalt; am Vorderschnitt Seidenschnüre als Signakeln; 8 lose eingelegte Stofflesezeichen, die oben zusammengeflochten sind. Inhalt Dominikanisches Graduale: fol. 1v Sanctus (Anfangsbuchstabe S fehlt); foll. 2v– 3v Tonar; foll. 3v–141r Proprium de Tempore; foll. 141r–143r Kirchweihoffizium; foll. 143r–143v Gloria (Anfangsbuchstabe G fehlt, Nachtrag?); foll. 144r–177r Proprium de Sanctis; foll. 177v–207v Commune Sanctorum (foll. 204r–207v In festo Marie Magdalene, dabei wurden die Texte zum Fest In communi unius virginis entsprechend verändert); foll. 207v–210v Missae votivae; foll. 211r–219r Ordinarium missae mit Nachtrag; foll. 219v–277r Sequentiar; foll. 278r–279r Ergänzungen; foll. 279v–280v leer. Ausstattung Die ausserordentlich reiche künstlerische Ausstattung besteht aus zahlreichen Fleuronnée-Initialen, sechs ornamentalen, mit hochgotischem Blattwerk versehenen Initialminiaturen und 16 historisierten Initialminiaturen in Deckfarbenmalerei sowie zwei Randzeichnungen (Federzeichnungen). Von vier ausgeschnittenen Miniaturen tauchten bisher zwei im Kunsthandel wieder auf, die sich nun in den USA befinden (Kat.-Nr. 18 a, b): fol. 2r Orant auf dem Fusssteg, kopiert nach dem Dominikaner auf fol. 177v94, 66 x 56 mm. fol. 3v A[d te levavi animam meam], Dominica prima in adventu Domini, Introitus, 262 x 84 mm (mit Ausläufer). 94
Darauf haben bereits Swarzenski 1936, S. 129 und Hellwig, Manuskript, Nr. 13 hingewiesen.
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fol. 17r P[uer natus est], In die nativitatis Domini, Introitus, Initialenraub, als Ersatz wurde eine Fleuronnée-Initiale eingesetzt. fol. 19v E[cce advenit dominator], In Epiphania Domini, Introitus, 98 x 88 mm. fol. 96r R[esurrexi], In die S. paschae, Introitus, Auferstehung Christi, links wohl Johannes der Täufer95, 115 x 102 mm (Länge mit Ausläufer: 325 mm). fol. 111r V[iri Galylei], In die ascensionis, Introitus, Himmelfahrt Christi, 217 x 95 mm (mit Ausläufer). fol. 114r S[piritus domini], In die pentecostes, Introitus, Pfingstdarstellung mit dem Apostel Petrus im Zentrum96, 200 x 122 mm (mit Ausläufer). fol. 119v B[enedicta sit sancta trinitatis], In festo S. trinitatis, Introitus, 191 x 84 (mit Ausläufer). Abb. 21. fol. 144r D[ominus secus mare Galylee], In vigilia S. Andreae apostoli, Introitus, 225 x 101 mm (mit Ausläufer). fol. 146r I[n medio ecclesie], S. Johannis apostoli et evangeliste, Introitus, 4 Medaillons: unten der schreibende Johannes, dann folgen zwei mit Blattwerk ausgefüllte Medaillons, zuoberst der thronende Christus mit Segensgestus, in seiner linken Hand ein Buch haltend, links der nimbierte Adler vor der Brust Christi97, 207 x 75 mm. Abb. 22. fol. 149r M[e expectaverunt], S. Agnetis virginis et martyris, Introitus, Verlöbnis der hl. Agnes mit Christus, Agnes hält ein beschriftetes Spruchband: «Christi sum desponsata cui angeli serviunt»98, auf dem Buchstabenkörper links die folgende Aufschrift: «Discede a me pabulum mortis», 105 x 105 mm, (Länge mit Ausläufer: 256 mm).Tafel 6a. fol. 151v S[uscepimus deus], In purificatione S. Marie virginis, Introitus, Darbringung Christi im Tempel99, 120 x 100 mm (Länge mit Ausläufer: 300 mm). fol. 154v R[orate celi], In annuntiatione S. Marie virginis, Introitus, Initialenraub vgl. Kat.-Nr. 18 a fol. 157r P[rotexisti me deus], S. Petri martyris, Introitus, Initialenraub.
95
96 97
98 99
Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 190r. Beer 1983, S. 158, legte dar, dass die Darstellung auf legendären Quellen fusst, die berichten, dass sich Johannes der Täufer bei der Ankunft Christi in der Vorhölle als Verkünder des Erlösers zu erkennen gab. Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 123r. Dazu Beer 1983, S. 124. Während Swarzenski den dargestellten Vogel als Adler interpretiert (Swarzenski 1936, S. 129), sieht Beer darin die Geisttaube (Beer 1983, S. 134, Anm. 102). Aufgrund der Darlegungen von Wehrli-Johns 1995, 241–271, insbesondere S. 262–263, denken wir, dass hier der an der Brust Christi trinkende Adler dargestellt ist. Interpretation nach Swarzenski 1936, S. 129. – Gottwald 1988, S. 61, interpretiert die Inschrift fälschlicherweise mit: «Ipsi sum desponsata...». Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 166v; dazu Beer 1983, S. 142–143.
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fol. 160v N[e timeas Zacharia], In vigilia S. Joannis baptiste, Introitus, Verkündigung der Geburt des Johannes an Zacharias100, 326 x 125 mm (mit Ausläufer). fol. 161v D[e ventre matris], S. Joannis baptiste, Introitus, Geburt Johannes des Täufers, mit Maria am Wochenbett Elisabeths101, 77 x 77 mm (Länge mit Ausläufer: 303 mm). fol. 168v G[audeamus omnes], In assumptione S. Marie virginis, Introitus, Marienkrönung, 87 x 95 mm (Länge mit Ausläufer: 341 mm). fol. 170v G[audeamus omnes], In nativitate S. Marie virginis, Introitus, Anna stillt Maria102, 85 x 100 mm (Länge mit Ausläufer: 403 mm). fol. 173v G[audeamus omnes], In die omnium sanctorum, Introitus, 77 x 77 mm. fol. 177r G[audeamus omnes], S. Catharinae virginis et martyris, Introitus, Disputation der hl. Katharina von Alexandria mit den Philosophen vor dem Kaiser Maxentius(?)103, 96 x 95 mm. fol. 177v M[ichi autem], In communi unius vel plurimorum apostolorum, Introitus, Apostel Petrus und Paulus104, 93 x 83 mm (Länge mit Ausläufer: 343 mm). fol. 194r S[tatuit ei dominus], In communi unius confessoris, Introitus, der hl. Nikolaus erscheint den Schiffern im Sturm, 114 x 89 mm. fol. 204r G[audeamus omnes], S. Maria Magdalene (eigentlich zu: In communi unius virginis), Introitus, Kommunion der hl. Maria Magdalena wohl durch Maximin, Bischof von Aix105, 110 x 105 mm. fol. 219v V[erbum dei], Sequenz zum Fest des Evangelisten Johannes, Johannes zelebriert die Messe vor seiner Selbstbestattung106, 107 x 103 mm. fol. 236v I[n celesti yherarchya], Sequenz zum Dominikusfest, Entrückung des hl. Dominikus (Dominikus mit Orantengestus auf der Himmelsleiter, darüber 2 Engel, zuoberst in einem Medaillon Christus und Maria107), 326 x 63 mm; unterhalb des Buchstabenkörpers Gwalis in einem tabernakelartigen Gehäuse108, 88 x 50 mm. fol. 248r G[abrielis vox iocunda], Sequenz zur Geburt Johannes des Täufers, Initialenraub, vgl. Kat.-Nr. 18 b.
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Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 177v; dazu Beer 1983, S. 147. Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 178v; dazu Beer 1983, S. 149. 102 Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 190v; dazu Beer 1983, S. 160. 103 LCI, Bd. 7, Sp. 294. 104 Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 291r; dazu Beer 1983, S. 173. 105 LCI, Bd. 7, Sp. 539. 106 Beer 1983, S. 130 bestätigte die Vermutung Hellwigs, dass es sich hier um die Messfeier des Johannes vor dessen wunderbaren Selbstbestattung handelt. Dazu LCI, Bd. 7, Sp. 128. St. Katharinentaler Graduale fol. 159r. 107 Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 260r; dazu Beer 1983, S. 169–171. 108 Beer 1983, S. 170. 101
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fol. 249v I[nter natos mulierum], Sequenz zum Fest Johannes des Täufers, 6 Szenen aus der Vita des Johannes d. T. (von oben nach unten: Heimsuchung Mariae, die hl. Elisabeth badet Johannes, Johannes in der Wüste, Busspredigt vor Gesandten aus Jerusalem, Taufe Christi, Enthauptung Johannes des Täufers109), 305 x 59 mm. fol. 250r G[abrielis vox iocunda], Sequenz zur Geburt Johannes des Täufers (Wiederholung), im Innern der Fleuronnée-Initiale Medaillon mit Johannes dem Täufer in der Wüste, 132 x 126 mm. fol. 250r Aussensteg: fliegender nimbierter Adler mit einem beschrifteten Spruchband: Fuit homo missus a deo cui nomen (Joh. 1,6). Provenienz Das Germanische Nationalmuseum hat die Handschrift gemäss seines Zugangsregisters im Dezember 1866 zusammen mit einem Brevier (Hs. 21898) vom Nürnberger Antiquar Geuder erworben.110 Forschungsstand und Kommentar Das Nürnberger Graduale – Schlüsselhandschrift für die Buchmalerei am Oberrhein um 1300 – gehört zu den Ahnen der drei hochrheinischen Cimelien: der Codex Manesse, der Codex 302 der Vadianischen Sammlung sowie das Graduale von St. Katharinental (Kat. Nrn. 25, 29, 34). Der Codex wurde in die jüngeren Forschungsdiskussionen über die genannten Handschriften einbezogen, da er in unterschiedlichem Masse für alle drei prägend war. Der kompilierende Grundstockmaler des Codex Manesse hat von der Nürnberger Handschrift die Eleganz der Figuren sowie das Verhältnis von Körper und Gewand übernommen. In derselben Handschrift gehörte sie, neben Strickers Vita Karls des Grossen in St. Gallen, für den ersten Nachtragsmaler zu den stilistischen Grundlagen. Für das Graduale von St. Katharinental konnte sogar eine Vorlagefunktion hinsichtlich Ikonographie und Text nachgewiesen werden. Wie die Analyse der Litanei, des Proprium de Sanctis und des Bildschmucks ergab, wurde das Nürnberger Graduale für ein oberrheinisches Dominikanerinnenkloster geschaffen, in dem neben der besonderen Verehrung der Heiligen Agnes, Katharina, Maria Magdalena, Dominikus und Nikolaus der Johannes-Doppelkult besonders gepflegt wurde. Nachdem die ältere Forschung die Meinung vertreten hatte, es handle sich hier um ein zisterziensisches Graduale aus Kaisheim111, hat 109
Vgl. St. Katharinentaler Graduale foll. 190r und 190v; dazu Beer 1983, S. 158–160. Hellwig, Manuskript. Der Katalog ist nicht publiziert. Es wäre denkbar, dass die Nürnberger Handschrift, wie die Vatikanischen Codices, anlässlich der Liquidationsverkäufe in Frauenfeld im Jahre 1850 in den Kunsthandel gelangte. Dazu Kapitel 2. 111 Stange 1930. – Lutze 1931.
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Hanns Swarzenski als erster erkannt, dass sie für den dominikanischen Ritus eingerichtet ist und dem oberrheinischen Stilkreis angehört.112 In diesem Zusammenhang hat er übrigens als erster Wissenschaftler des deutschsprachigen Raumes auf das St. Katharinentaler Graduale hingewiesen, das sich damals in der Sammlung von C. W. Dyson Perrins befunden hatte.113 Eine ausführliche Beschreibung und Einordnung der Handschrift hat Mitte der siebziger Jahre Barbara Hellwig im Rahmen der Katalogisierung des Handschriftenbestandes des Germanischen Nationalmuseums vorgenommen.114 Dabei wurde klar, dass die Handschrift dem Graduale von St. Katharinental als Vorlage gedient hatte und dass sie wohl seit Beginn des 14. Jahrhunderts, unzweifelhaft jedoch seit dem 16./17. Jahrhundert – wie die identischen Nachträge beweisen – zusammen mit ihm aufbewahrt worden war. Den detaillierten Nachweis erbrachten dann Ellen J. Beer und Pascal Ladner im Kommentarband zur Faksimileausgabe des Graduale von St. Katharinental.115 Eine überzeugende stilistische Einordnung des Werkes stand bis anhin aus.116 Erst mit der Kenntnis der Vatikanischen Antiphonarhandschriften (Kat.-Nr. 19, 20), Tochterhandschriften des Nürnberger Graduale mit vielfältigen Bezügen zum Dominikanerinnenkloster St. Katharinental, gewinnt die von L. E. Saurma-Jeltsch aufgrund stilistischer Überlegungen erwogene Entstehung der Nürnberger Handschrift am Hochrhein immer mehr an Wahrscheinlichkeit (Kapitel 6.2.).117 Hinzu kommt nun noch die besonders wichtige Beobachtung, dass sich der FleuronnéeSchmuck in die «Zürcher-Gruppe» eingliedern lässt (s. Kapitel 3 und 4.6.).118 Unter Berücksichtigung ihres dichten Beziehungsnetzes zu Kunstwerken wie den oben erwähnten Cimelien, den elf Fragmenten einer Antiphonarhandschrift (Kat. Nrn. 22
112
Swarzenski 1936, S. 53, 129. Swarzenski 1936, S. 129, Anm. 4. 114 Der Katalog ist nicht publiziert, hier zitiert als Hellwig, Manuskript 115 Beer 1983, S. 103–224: ikonographische Parallelen in 11 von 16 Fällen. Ladner 1983, S. 295– 325: Die Foliierung der Nürnberger Handschrift hat man in das St. Katharinentaler Graduale als Verweiszahlen, teilweise fehlerhaft, übernommen. Gemeinsame textkritische Varianten. 116 Heuser verglich den Stil des Nürnberger Graduale mit dem St. Katharinentaler Konventssiegel und dachte an eine Entstehung in Konstanz (Heuser 1974). Dies bestritt Beer, die den Stil als «alles andere als konstanzisch» beurteilte, aufgrund der stark spürbaren französischen Einflüsse eher Strassburg als Herstellungsort in Betracht zog und schliesslich die Vermutung äusserte, ob es sich nicht um ein Importwerk handeln könnte (Beer 1983, S. 210). 117 Saurma-Jeltsch 1988, S. 335–336. 118 Beer äussert dazu ihre Bedenken: Beer, Ellen J.: Buchmalerei zwischen Zürichsee und Bodensee. In: Buchmalerei im Bodenseeraum 13. bis 16. Jahrhundert. MOSER, Eva (Hrsg.) im Auftrag des Bodenseekreises. Friedrichshafen 1997, S. 60–62. 113
221
a–k) und dem Wandmalereizyklus der ehemaligen Marienkapelle des Grossmünsters liegt eine Datierung um 1290 nahe.119 literatur Bredt, Ernst Wilhelm: Katalog des Germanischen Nationalmuseums, 1903, Nr. 27, S. 32–34. – Stange, Alfred: Beiträge zur Kaisheimer Buchmalerei. In: Festschrift für Georg Leidinger zum 60. Geburtstag am 30. Dezember 1930, München 1930, S. 277–281. – Lutze, Eberhard: Studien zur fränkischen Buchmalerei im 12. und 13. Jahrhundert. Giessen 1931. – Swarzenski 1936, S. 53–54, 129–130. – Beer 1956, S. 114, Anm. 344. – Wentzel 1958, S. 29f. – Beer 1959, S. 121–123. – Schmid 1958/1959, S. 20–45. – Brenn 1960, S. 23–42. – Lafontaine-Dosogne, Jacqueline: Iconographie de l’Empire byzantin et en Occident. In: Mémoires de l’Académie royale de Belgique, Classe des Beaux-Arts XI, 3b, 1965, S. 44, 88f., 100. – Heuser 1974, S. 48. – Beer 1983, S. 124, 130, 134, Anm. 102, 143, 146, 147, 149, 158–160, 170, 172–174, 184–186, 188, 189, 201, 202, 210–213. – Ladner, 1988 S. 297, 300, Anm. 25, 308. – Saurma-Jeltsch 1988, S. 310, 335–336. – Gottwald 1988, S. 61–64. – Knoepfli 1989, S. 166–170. – Kessler 1991, insbesondere S. 60– 66. – Wehrli-Johns 1995, S. 252, 253, Anm. 45, 262, 264. – Kessler 1997, KE 11, S. 224–225. – Hellwig, Manuskript, Nr. 13. – Kessler/Sauer 2002, S. 149.
119
R. Suckale vermutet, dass die Handschrift anlässlich der Weihe von 1268 angefertigt wurde. Kat. Krone und Schleier, S. 410. – Zur Weihe: Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 783. – Zum Wandmalereizyklus: Gutscher 1979.
222
Abb. 21: Kat.-Nr. 18, fol. 119v, Deckfarbeninitiale mit floralen Motiven
Abb. 22: Kat.-Nr. 18, fol. 146r, Medailloninitiale zum Fest Johannes Ev
Abb. 23: Kat.-Nr. 18 a, Verkündigung an Maria
Abb. 24: Kat.-Nr. 18 b, Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben
223
Kat.- nr. 18 a
Abb. 23
new York, Metropolitan Museum of Art, MMA 1982.175 Fragment, Initiale r mit der Verkündigung an Maria aus dem nürnberger graduale Zürich(?), gegen 1290 Pergament, 102 x 78 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Auf der Rückseite der Miniatur haben sich Bruchstücke aus dem Tractus zum Fest des Apostels Matthäus (24. Februar) erhalten: «[Desiderium a]nime [eius tribuisti ei] et volun[tate labiorum eius non fraudasti eium.]» Die Initiale R gehört zum Introitus «Rorate celi», der das Fest zur Verkünding an Maria (25. März) eröffnet.120 Da sich die Initialminiatur auf einer Versoseite befunden hatte, stammen die Textfragmente aus einem im Kirchenjahr früher angesetzten Fest. Bildthema Die vorliegende Miniatur zeigt den Engel Gabriel, der den Lilienstab in der Linken haltend und die Rechte zum Segensgestus erhoben, Maria mit Orantengestus die frohe Botschaft Gottes verkündet.121 Provenienz L. Salavin, Paris (Auktion, Nouveau Drouot, Paris, 14. November 1973, lot 77); Anne Otto Wertheimer, Paris (Auktion, Nouveau Drouot, Paris, 21. April 1982, lot 267); The Metropolitan Museum of Art, Purchase, Gift of J. Pierpont Morgan, by exchange.122 Bemerkenswert ist, dass sich die beiden bisher bekannt gewordenen Fragmente aus dem Nürnberger Graduale zeitweilig in denselben Sammlungen befunden haben (vgl. Kat.-Nr. 18 b).
120
Vgl. Ladner 1983, S. 315. Vgl. St. Katharinentaler Graduale, fol. 170v; dazu Beer 1983, S. 144. 122 Zitiert nach: Kleinbauer 1983, S. 216.
121
224
Forschungsstand und Kommentar Die Initialminiatur R zur Verkündigung an Maria wurde wohl im 19. Jahrhundert zusammen mit drei weiteren Miniaturen dem Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18, fol. 154) entnommen. Im Auktionskatalog Ferrini wurde fälschlicherweise gesagt, die Miniatur stamme zusammen mit einer Reihe anderer Fragmente aus einer Antiphonarhandschrift.123 Nur noch einer der vier Blattausschnitte ist bisher im Kunsthandel aufgetaucht (s. Kat.-Nr. 18 b)124, von den zwei anderen fehlt bisher jede Spur. Bei diesen beiden handelt es sich um P-Initialen. Die eine hat die Messgesänge zu Weihnachten und die andere das Fest des Petrus Martyr illustriert. Anstelle der Deckfarbenminiaturen wurden kopierte Fleuronnée-Initialen eingesetzt. Sie zeugen zusammen mit den verbliebenen Ausläufern der Miniaturen vom Initialenraub. literatur Hellwig, Manuskript, Nr. 13. – Wixom, William D.: The Metropolitan Museum of Art, New York, Notable Acquisitons 1981–1982, p. 19 mit Abb. – Kleinbauer, W. Eugene: Recent Major Acquisitions of Medieval Art by American Museums, Nr. 5. In: Gesta, Bd. 22/2, 1983, Nr. 5. – Ferrini 1987, S. 7–8. – Gottwald 1988, S. 61–64. – Knoepfli 1989, S. 170. – Kessler 1991, S. 66. – Kessler 1997, KE 11 a, S. 225. – Kessler in Kat. Krone und Schleier, Nr. 305 a–b, S. 404–406.
123 124
Ferrini 1987, S. 8. Auf die zwei bisher aufgetauchten Fragmente hat E. J. Beer aufmerksam gemacht und sie dem Nürnberger Graduale zugeordnet.
225
Kat.- nr. 18 b
Abb. 24
Malibu, J. P. getty Museum, Ms. 8 Fragment mit Initialminiatur g, Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben Hochrhein, um 1310 Pergament, 102 x 93 mm Tinte, Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Auf der Rückseite des Membrum disiectum haben sich Ausschnitte aus der Sequenz «Gabrielis vox iocunda» zur Geburt Johannes des Täufers erhalten, zu der die Miniatur den Anfang bildet: «[Preco vox et testis christi mun]do lucem ferens isti ve[ritatis radius. Iohannes] virtutum scola [sic!]125 sanctita[tis norma[sic!]126 sola vite magisteriu]m. Speculum virginita[tis et exemplum castitatis multorumque gaudium.] Q127[ui sub annis teneris...].»128 Bildthema Als Illustration der Sequenz «Gabrielis vox iocunda» zur Geburt Johannes des Täufers zeigt die Miniatur Maria und Elisabeth auf einer Thronbank sitzend mit den beiden Kindern auf dem Schoss. Das Jesuskind streckt mit seiner Rechten Johannes dem Täufer eine rote Krone entgegen. In der Linken hält es eine rote Blume. In den unteren Zwickeln ist je eine Dominikanerin und ein Dominikaner dargestellt. Die Huldigung des Jesusknaben durch den kleinen Johannes beruht seit dem Ende des 13. Jahrhunderts meist auf legendären Quellen. Ihnen zufolge haben Elisabeth und der kleine Johannes das Jesuskind in Bethlehem besucht.129 Nach den Meditationes vitae Christi des Pseudo-Bonaventura hat sich die Geschichte anders zu-
125
Richtig müsste es heissen: vir tu cum stola. Richtig müsste es heissen: forma. 127 Nur die obere Hälfte des Q ist noch auf dem Fragment. 128 AH, Bd. 8, Nr. 198 129 LCI, Bd. 7, Sp. 175, 180.
126
226
getragen: Auf der Rückkehr von Ägypten sei die hl. Familie Johannes in der Wüste begegnet, danach habe es bei Elisabeth und Zacharias ein Festessen gegeben.130 Provenienz L. Salavin, Paris (Auktion, Nouveau Drouot, Paris, 22. November 1972, lot 77); Anne Otto Wertheimer, Paris (Auktion, Nouveau Drouot, Paris, 21. April 1982, lot 268); Michael Ward, New York.131 Bemerkenswert ist, dass sich die beiden bisher bekannt gewordenen Fragmente aus dem Nürnberger Graduale zeitweilig in denselben Sammlungen befunden haben (vgl. Kat.-Nr. 18 a). Forschungsstand und Kommentar Diese Miniatur wurde im 19. Jahrhundert aus dem fol. 248 des Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) herausgeschnitten. Als Ersatz wurde dort eine den Stil der Handschrift nachahmende Fleuronnée-Initiale eingefügt und der fehlende Text auf der Rückseite nicht originalgetreu ergänzt (vgl. Kat.-Nr. 18 a). Die Miniatur stellt die unmittelbare Vorstufe zur Initiale G auf fol. 264v des St. Katharinentaler Graduale (Kat.-Nr. 34) dar. Als Bestandteil des ersten Nachtrages vertritt sie eine Stilstufe, die den Miniaturen des St. Katharinentaler Graduale näher kommt als der Urbestand der Nürnberger Handschrift. Diese Stilstufe entspricht m.E. den historisierten Initialminiaturen des Vatikanischen Antiphonars 10771 (Kat.-Nr. 19). Es wurde fälschlicherweise gesagt, der Blattausschnitt stamme zusammen mit einer Reihe weiterer Fragmente aus einer Antiphonarhandschrift.132 literatur Hellwig, Manuskript, Nr. 13. – Beer 1983, S. 172, Abb. 35. – Acquisitions 1985, In: The J. Paul Getty Museum Journal 14, 1986, S. 202, Nr. 97. – Ferrini 1987, S.8. – Gottwald 1988, S.61–64. – Knoepfli 1989, S.170. – Kessler 1991, S.66. – Kessler KE 11 b, S. 226. – Kessler in Kat. Krone und Schleier, Nr. 305 a–b, S. 404–406.
130
LCI, Bd. 7, Sp. 181. Dazu auch Beer 1983, S. 172 und Urner-Astholz 1981, S. 54–55. Angaben aus: Acquisitions 1985. In: The J. Paul Getty Museum Journal 14, 1986, S. 202, Nr. 97. 132 Ferrini 1987, S. 8.
131
227
Abb. 25: Kat.-Nr. 19, fol. 6v, Deckfarbeninitiale mit floralen Motiven
Abb. 26: Kat.-Nr. 19, fol. 32v, FleuronnéeInitiale der Spätphase
Abb. 27: Kat.-Nr. 20, fol. 8v, FleuronnéeInitiale der Spätphase
Abb. 28: Kat.-Nr. 20, fol. 46v, Deckfarbeninitiale mit floralen Motiven
228
Kat.- nr. 19
Abb. 25, 26, 29; Tafel 6a und 6b
rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771 Antiphonar Zürich(?), nach 1290 Buchkörper Pergament, 290 Blätter, 488 x 348 mm. Lagen: I (der Spiegel des vorderen Buchdeckels und das Schmutzblatt bilden diese Lage), II, 22 VI, VI-1 (es ist unklar, welches Blatt fehlt, da die Lage eng gebunden ist), VI, VI-1 (das letzte Blatt fehlt, der Rest davon sowie das zweitletzte kleben am hinteren Buchdeckel). Foliierung: modern, in arabischen Ziffern gestempelt, jeweils in der rechten unteren Ecke der Recto-Seiten. Schriftspiegel: 317 x 208 mm, foll. 2r–5r 2 Kolumnen, foll. 6r–290v im Prinzip 9 Text- und 9 Notenzeilen; lateinischer Text in gotischer Textura mit schwarzer Tinte, Quadratnotation (schwarze Tinte) auf vier Linien (rote Tinte). Rasuren: auf foll. 22v und 150v. Angaben für den Rubricator: fol. 12v: j, fol. 24v: m, fol. 26r: fr, fol. 28v: a/m/p, fol. 30v: j, fol. 33r: ae/fr/f/fr/fr, fol. 38r: ad mat, Rest abgeschnitten, fol. 50v: ad a prn [...]. Angaben für den Maler: fol. 174v: «mit gold», fol. 188v: «mit gold den guten sant Johannes da er sich naigte ufen unsers herren bruoste» (Abb. 29), fol. 189v: «mit gold», fol. 200v: «und ein swestr [korrigiert, zuerst hiess es «zwen swestren»] bi ir knuivent». Einband: Holzdeckel mit abgerundeten Ecken in Leder gefasst; auf der Vorder- wie Rückseite waren ursprünglich je fünf Buckel (d = 47 mm, teilweise rostig) angebracht, auf beiden Seiten fehlt derjenige unten, nahe beim Buchrücken; beide Deckel wurden an den Kanten mit Beschlägen eingefasst, diese sind nur noch an den oberen Kanten erhalten; von den ursprünglich vier Schliessen sind noch zwei intakt, von den andern zweien sind nur noch die Metallbeschläge in Rosettenform übrig, die vier dazugehörigen Stifte sind auf der Rückseite noch alle vorhanden, eine Schliesse liegt lose bei; ein Zettel mit der Aufschrift «122» in brauner Tinte (70 x 100 mm) klebt auf dem Vorderdeckel, auf dem Spiegel des vorderen Deckels sind neben der heutigen Signatur zwei Bleistifteinträge – «407» und «N° 121» – zu vermerken; auf dem Buchrücken noch einmal die heutige Signatur der Vatikanischen Bibliothek. Signakeln: 3 x 2 Schnüre an Holzstäbchen; am Buchschnitt sind verschieden farbige Seidenfäden als Buchzeichen befestigt (foll. 5, 70, 159). Äussere Masse: 490 x 360 mm. 229
Inhalt Dominikanisches Antiphonar mit dem Winterteil: foll. 1r–5r Tonar und Hymnen zu Eigenfesten; foll. 6r–165v Proprium de Tempore; foll. 166r–271r Proprium Sanctorum des Winterteils mit zusätzlichen Festen, die eigentlich zum Sommerteil gehören würden; foll. 271v–290v Nachtrag: Kyrie Eleison, Fest Thomas von Aquin, der 1323 heilig gesprochen wurde.133 Ausstattung Zum künstlerischen Schmuck gehören acht figürliche und acht mit naturalistischem Laubwerk ausgestaltete Initialminiaturen: fol. 6v A[spiciens alonge], Dominica prima in adventu Domini, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 156 x 95 mm. Abb. 25. fol. 42v H[odie nobis celorum rex de virgine], In die nativitas Domini, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Geburt Christi, 128 x 110 mm. fol. 57v H[odie in Iordane], In Epiphania Domini, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 168 x 90 mm. fol. 159v S[epulto domino signatum est], In sabbato S. paschae, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 189 x 84 mm. fol. 167r D[um perambularet domino], S. Andreae, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 91 x 74 mm. fol. 172v A[micus dei Nicholaus], In vigilia S. Nikolai ep., Vesper, 179 x 102 mm. fol. 174v C[onfessor dei Nicholaus], S. Nikolai ep., erstes Responsorium der ersten Nokturn, Jungfrauenlegende134, 118 x 108 mm. Tafel 6b. fol. 188v V[alde honorandus est beatus Johannes], S. Joannis ev., Antiphon, die den kanonischen Festgesängen vorangestellt wurde, Christus-Johannes-Gruppe135, 126 x 110 mm. Tafel 7a. fol. 189v V[alde honorandus est beatus Johannes], S. Joannis ev., erstes Responsorium der ersten Nokturn, Jungenprobe136, 77 x 72 mm. fol. 200v B[eata Agnes in medio flammarum], S. Agnetis virginis et martyris, Magnificat-Antiphon, Agnes wird vom Präfektensohn umworben, erwidert seine Liebe jedoch nicht137, 112 x 105 mm. Tafel 7b.
133
LCI, Bd. 8, Sp. 476. LCI, Bd. 8, Sp. 52–53. 135 Kessler 1994. – Wehrli-Johns 1995, 241–271, insbesondere S. 262. 136 Vgl. vorangehende Anm.; RDK, Bd. 1, Sp. 175ff. – LCI, Bd. 1, Sp. 70–71. 137 RDK, Bd. 1, Sp. 173. – LCI, Bd. 5, Sp. 60. 134
230
fol. 201v D[iem festum sacratissime virginis], S. Agnetis virginis et martyris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Agnes verweigert den Götzendienst138, 83 x 81 mm. fol. 208v S[acram presentis], S. Vincentii martyris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 173 x 93 mm. fol. 217r S[aulus adhuc], In conversione S. Pauli, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Bekehrung des Paulus (Christus erscheint dem vom Pferd stürzenden Saulus/Paulus139), 108 x 67 mm. fol. 225v A[dorna thalamum tuum syon], In purificatione S. Mariae virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, der vom Gift gereinigte Hirsch (Maria als Überwinderin der Schlange?)140, 218 x 126 mm. fol. 239v A[ve Maria gratia plena], In vigilia annuntiatione S. Marie virginis, Antiphon zur Vesper, 179 x 84 mm. fol. 240v M[issus est Gabriel], In annuntiatione S. Marie virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 105 x 95 mm. Die Handschrift ist zudem mit zahlreichen Fleuronnée-Initialen zweiter und dritter Ordnung ausgeschmückt, die identisch sind mit denjenigen ihrer Mutter- und Schwesterhandschrift (Nürnberger Graduale, Cod. Vat. lat. 10772, Kat.-Nr. 18, 20). Die Buchstabenkörper sind nicht durchgehend gespalten. Wenn dies der Fall ist, bildet der Steg eine Treppen-, Zick-Zack-Linie oder andere geometrische Motive. Als Füllornamente wurden vor allem Palmetten und Froschlaich verwendet. Letzterer tritt neben Blümchen und Schnörkeln auch häufig als Begleitornament auf. Für die Initialen beider Manuskripte wurden durchwegs die Farben Rot und Blau verwendet. In der Regel sind sie eine Noten- und eine Textzeile hoch. Diejenigen von 10771 weisen etwas häufiger verlängerte Hasten und/oder Zierstäbe auf, zudem zeichnen sie sich durch eine sicherere Hand aus. Aufgrund der Begleit- und Füllornamente lassen sich diese Fleuronnée-Initialen dem späten 13. Jahrhundert zuordnen. Sie sind verwandt mit solchen, die in einem Zürcher Atelier geschaffen wurden (s. Kapitel 4.6.). Die foll. 271ff. der Handschrift 10771 enthalten verschiedene Nachträge. Der Wechsel zeigt sich nicht nur beim Schriftspiegel und bei der Tinte, sondern auch bei den Fleuronnée-Initialen. Da diese Seiten die Gesänge zum Fest des 1323 heilig gesprochenen Thomas von Aquin enthalten, sind diese Initialen nach diesem Termin zu datieren.
138
LCI, Bd. 5, Sp. 60. – Legenda aurea, S. 88. LCI, Bd. 8, Sp. 140. 140 LCI, Bd. 2, Sp. 286–289. – LCI, Bd. 2, Sp. 342. – LCI, Bd. 4, Sp. 79.
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231
Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. 10769–10770, 10772–10775, Kat.-Nr. 1, 15, 20, 35, 42, 43), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktion, die im März 1851 in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Nuntius in Frankreich, Pietro Antonio Garibaldi, davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultobjekte, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). Forschungsstand und Kommentar Der Codex ist zusammen mit der Handschrift Vat. lat. 10772 (Kat.-Nr. 20) als Einheit entstanden, wie der Inhalt – der erste enthält den Winter- und der zweite den Sommerteil des Antiphonars – sowie die Ausstattung mit demselben ornamentalen Initial- und Fleuronnée-Initialentyp nahe legt. Auf ihre Bestimmung für das Dominikanerinnenkloster St. Katharinental deuten die im Proprium Sanctorum enthaltenen Gesangstexte für bestimmte Heilige sowie zwei dem Codex 10772 beigebundene mittelhochdeutsche Fassungen zweier St. Katharinentaler Urkunden hin (vgl. Kat.-Nr. 20, Kapitel 4). In den historisierten Miniaturen treten uns schlanke, feingliedrige und überlängte Figuren entgegen, die in eng anliegende Gewänder gehüllt sind und den gotischen Bewegungsrhythmus bereits verinnerlicht haben. Der Vergleich mit den figürlichen Initialminiaturen im Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) zeigt, dass sie dem Maler der Handschrift Vat. lat. 10771 als direkte Vorlage gedient haben. Für die Gestaltung des zweitgenannten Initialtyps wurde hauptsächlich naturnahes und somit hochgotisches Blattwerk verwendet; daneben bereichern geometrische Motive sowie zoomorphe Elemente den Ornamentschatz. Solche Initialen weist auch das Nürnberger Graduale auf. Von ikonographischem Interesse ist die Christus-Johannes-Gruppe und die ihr nachfolgende Miniatur mit der sog. Jungenprobe. Die Wahl dieses Bildthemas vermag die Bestimmung für St. Katharinental noch zu bekräftigen. Von besonderer Bedeutung sind die teilweise erhalten gebliebenen Malanweisungen. Diejenige seitlich der Christus-Johannes-Gruppe bestimmt und begründet gleichzeitig die Farbgebung des Grundes (s. Kapitel 7.4). literatur Bannister 1913. – Borino 1947, S. 220ff. – Salmon 1968/1969, Bd. 1, S. 133. – Ladner 1983, S. 295ff. – Knoepfli 1989, S. 179–182. – Kessler 1991, vor allem S. 60– 66, 92–106. – Kessler 1994. – Wehrli-Johns 1995, S. 241–271, insbesondere S. 252, 262. – Kessler 1997, KE 12, S. 226–227. – Kessler/Sauer 2002, S. 149. 232
Abb. 29: Kat.-Nr. 19, fol. 188v, Malanweisung
Abb. 30: Kat.-Nr. 20, fol. 1v, Urkunde, Ausschnitt, Transkription, s. Anhang 3.
233
Kat.- nr. 20
Abb. 27, 28 und 30
rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10772 Antiphonar Zürich(?), nach 1290 Buchkörper Pergament, 258 Blätter, 466 x 345 mm. Lagen: II-1 (das erste, nicht foliierte Blatt der Lage klebt auf dem Buchdeckel; das Blatt zwischen foll. 1 und 2 fehlt), 8 VI, VI+2 (foll. 105 und 106 bilden eine 1erLage, die an den Schnüren des Sexternions angebunden sind), I, 11 VI, VII-2 (das Blatt zwischen foll. 246 und 247 sowie das letzte Blatt der Lage fehlen, das zweitletzte Blatt der Lage, fol. 258, klebt teilweise am hinteren Buchdeckel). Foliierung: modern, in arabischen Ziffern gestempelt, jeweils in der rechten unteren Ecke der Recto-Seiten. Schriftspiegel: bei Hauptteil (foll. 3–258), 317 x 207 mm. Zusammensetzung des Schriftspiegels: fol. 1r 10 Noten- und 10 Textzeilen, fol. 1v zwei Spalten à 35 Zeilen, fol. 2r 9 Noten- und 9 Textzeilen, fol. 2v 9 Noten- und 4 Textzeilen, foll. 3r–258v 9 Noten- und 9 Textzeilen, jedoch mit vielen Ausnahmen. Latein und Mittelhochdeutsch in gotischer Textura mit schwarzer Tinte; rotes Vierlinienschema mit schwarzer Quadratnotation. Einband: Holzdeckel mit Leder überzogen, am Buchrücken gelbliches, glänzendes Leder, das zusammen mit den Buckeln eine spätere Zutat darstellt (die Beschläge, welche die Kanten einfassen, werden teilweise von diesem Leder verdeckt); auf der Rückseite fehlt einer der je fünf Buckel (d = 50 mm); neben zwei intakten Schliessen sind zwei als Fragmente erhalten; zum Schutze des unteren und oberen Buchschnitts ist je ein Stück Leder an der Kante angenagelt; auf dem vorderen Deckel ist ein Zettel (99 x 69 mm) mit der Aufschrift «Nº 122» in brauner Tinte angebracht; auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels steht in der linken oberen Ecke «121 bis» mit Bleistift geschrieben. Signakeln: vier beige Schnüre, oben zusammengeknotet; zudem dienen Seidenfäden am Buchschnitt (foll. 48, 99, 105, 107, 110, 188) als Buchzeichen. Äussere Masse: 475 x 355 mm. Inhalt Dominikanisches Antiphonar mit dem Sommerteil: fol. 1r 3 Antiphonen zum Fest von Petrus Martyr; fol. 1v mittelhochdeutsche Fassungen zweier lateinischer 234
Urkunden141 (Abb. 3a); fol. 2r–2v 5 Antiphonen zum Fest der hl. Katharina; foll. 3r–93v Proprium de Tempore; foll. 93v–101v Kirchweihoffizium; foll. 102r–118r div. Zusätze und Nachträge (Maria Magdalena, Johannes Ev., Katharina, Marienoffizium); foll. 118r–121v Commune Sanctorum; foll. 121v–252r Proprium Sanctorum; foll. 252r–258r Marienoffizium und Hymnen zu den Heiligenfesten von Petrus Martyr, Dominikus, Katharina. Ausstattung Der Buchschmuck besteht aus 17 ornamentalen Initialminiaturen, von denen drei lediglich vorgezeichnet wurden:142 fol. 3v A[ngelus domini descendit de celo], In die paschae, Nokturnresponsorium, 77 x 70 mm. fol. 37r D[um complerentur dies pentecostes], In die pentecostes, erstes Matutinresponsorium, 69 x 76 mm. fol. 46v B[enedicat nos deus noster], In festo S. trinitatis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 76 x 72 mm. Abb.28. fol. 65v S[i bona suscepimus], Dominica prima septembris, erstes Responsorium der ersten Nokturn (Initiale wurde vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt). fol. 78v V[idi dominum sedentem super solium], Dominica prima (Initiale wurde vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt). fol. 115v M[issus est Gabriel angelus], In annuntiatione S. Mariae novembris, erstes Responsorium der ersten Nokturn (Initiale wurde vorgezeichnet, jedoch nicht ausgeführt), virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 75 x 74 mm. fol. 122v O [Petre sydus aureum], S. Petri martyris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 68 x 75 mm. fol. 138r F[uit homo missus], S. Joannis baptiste, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 78 x 66 mm. fol. 148r S[ymon Petre], In festo apostolorum Petri et Pauli, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 74 x 71 mm. fol. 172v M[undum vocans ad agni], S. Dominici, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 105 x 81 mm. fol. 185v T[ota pulchra es amica mea], In vigilia assumptionis S. Mariae virginis, Antiphon zur Vesper, 79 x 74 mm.
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Bereits Knoepfli hat auf die Identität der zweiten Urkunde mit TUB, Bd. 3, Nr. 475 hingewiesen (Knoepfli 1989, S. 179). Der Schluss dieser Urkunde fehlt im Codex 10772. S. Anhang 9.3. und 9.4., zudem Kapitel 4.4.1. 142 Für zwei weitere Initialen wurde Platz freigehalten (fol. 93v Kirchweihfest; fol. 134v Fest des Dominikus).
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fol. 187v V[idi speciosam sicut columbam], In die assumptionis S. Mariae virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 75 x 77 mm. fol. 202r M[isit Herodes rex], In decollatione S. Johannis baptiste, drittes Responsorium zur Matutin, 76 x 82 mm. fol. 205v H[odie nata est beata virgo maria], In nativitate S. Mariae virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 76 x 76 mm. fol. 218v F[actum est silentium in celo], S. Michaelis archangeli, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 80 x 70 mm. fol. 226r S[umme trinitati simplici], In die omnium sanctorum, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 74 x 77 mm. fol. 241r C[antantibus organis Cecilia], S. Ceciliae virginis et martyris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 72 x 68 mm. fol. 248v V[irginis eximie Katherine], In vigilia S. Catharinae virginis et martyris, zur Vesper, 76 x 75 mm. Die Handschrift ist zudem äusserst reich mit über 660 Fleuronnée-Initialen der 2. und 3. Ordnung geschmückt, dazu kommt eine Pracht-Fleuronnée der 1. Ordnung. Zur Beschreibung und Einordnung vgl. vorangehenden Kat.-Text. Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. 10769–10771, 10773– 10775, Kat. Nrn. 1, 15, 19, 35, 42, 43), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktion, die im März 1851 in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Nuntius in Frankreich, Pietro Antonio Garibaldi, davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultobjekte, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). Kommentar und Forschungsstand Dem Codex Vat. lat. 10772, den Sommerteil eines dominikanischen Antiphonars enthaltend, sind die mittelhochdeutschen Fassungen zweier lateinischer Stiftungsurkunden des Burkhard von Tannheim und dessen Frau Lugardis vorangebunden. Beide Urkunden halten Vergabungen ans Kloster St. Katharinental fest. Die Urkunden befinden sich zusammen mit einem seltenen Antiphontext in der 1. Lage. Da dieser Text im Antiphonar Vat. lat. 10770 (Kat.-Nr. 35), das im ersten Viertel des 14. Jh.s geschaffen wurde und zum Codex Vat. lat. 10772 in einem engen inhaltlichen Abhängigkeitsverhältnis steht, integriert ist, ist anzunehmen, dass die Urkunden wohl kurz nach der Entstehung der Handschrift beigefügt worden sind. 236
Somit dürfen sie als archivalische Belege für eine Heimweisung der Handschrift nach St. Katharinental gelten. Inhaltlich bildet der Codex die Ergänzung zur Handschrift 10771 (Kat.-Nr. 19), die den Winterteil des Antiphonars enthält. Neben der inhaltlichen Ergänzung sind auch Gemeinsamkeiten bezüglich der Buchanlage und der Ausstattung zu vermerken: Format, Schriftspiegel, Tinten, Schrift; beide weisen Fleuronnée-Initialen der 2. und 3. Ordnung – im Codex Vat. lat. 10772 sind es über 660 – sowie ornamentale Initialminiaturen auf. Von den letzteren, die sich durch hochgotisches naturalistisches Laubwerk auszeichnen, zieren 15 die Handschrift. Im Vergleich zu denjenigen im Codex Vat. lat. 10771 ist ihre Gestaltung etwas weniger ausgewogen, und sie wirken kraftloser. Deshalb sind die Maler kaum identisch, schöpfen aber aus demselben ornamentalen Repertoire und gehören demselben Atelier an. Dieser Initialminiaturtyp und die Fleuronnée-Initialen stellen die Verbindungselemente zum Nürnberger Graduale dar, das ebenfalls mit solchen Zierbuchstaben ausgestattet ist und als dessen Tochterhandschriften die Codices Vat. lat. 10771 und 10772 bezeichnet werden dürfen (vgl. Kat.-Nr. 18; S. Kapitel 4). literatur Bannister 1913. – Borino 1947, S.226–228. – Salmon 1968/1969, Bd. 1, S.133. – Beer 1983, S. 189. – Ladner 1983, S. 297, Anm. 18. – Knoepfli 1989, S. 179–182. – Kessler 1991, insbesondere S. 60–66, 107–116. – Kessler 1997, KE 13, S. 227. – Kessler/Sauer 2002, S. 149.
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Abb. 31: Kat.-Nr. 21, Ms Wett F1, fol. 6r, 9 Szenen aus der Schöpfungs- und Heilsgeschichte
Abb. 32: Kat.-Nr. 21, Ms Wett F2 fol. 5v, Geburt Christi
Abb. 33: Kat.-Nr. 21, Ms Wett F2 fol. 70r, Himmelfahrt Christi mit einem zweiköpfigen Johannesadler
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Kat.- nr. 21
Abb. 31–33
Aarau, Aargauische Kantonsbibliothek, Ms Wett F1 und Ms Wett F2 Bibel Zürich(?), vor 1298 Deckfarben und Gold Textura Latein Buchkörper Ms Wett F1: Pergament, 331 Blätter, 300 x 400 mm; je 4 Schmutzblätter vorne und hinten in Papier. Lagen: 11 VI, VI-5 (Blatt zwischen fol. 137/138 herausgeschnitten), 13 VI, VI-7 (Blatt zwischen fol. 306/307 fehlt), VI. Moderne Foliierung in arabischen Ziffern von 1–331 mit Bleistift. Bei der Foliierung unterlief ein Fehler, denn die Nr. 121 fehlt. Foliierung der Schmutzblätter in römischen Ziffern I–VI. Schriftspiegel: 200 x 280 mm, 2 Kolumnen à 31 Zeilen. Lateinischer Text in gotischer Textura mit brauner Tinte. Zustand: einige Miniaturen beschädigt, sonst gut erhalten. Einband: Holzdeckel mit braunem Lederüberzug, zwei ziselierte Bronzeschliessen (obere ist beschädigt), am Buchrücken alte Signatur in Gold: Q/I–1, Buchschnitt rot eingefärbt. Ms Wett F2: Pergament, 279 Blätter, 300 x 405 mm; je 4 Schmutzblätter vorne und hinten in Papier. Lagen: II, 15 VI, in der Folge scheint es sich in der Regel ebenfalls um Sexternionen zu handeln, was wegen der äusserst engen Schnürung nicht durchwegs verifiziert werden kann. Moderne Foliierung in arabischen Ziffern von 1–279 mit Bleistift. Foliierung der Schmutzblätter in römischen Ziffern I–VI. Schriftspiegel: 200 x 280 mm, 2 Kolumnen à 31 Zeilen. Lateinischer Text in gotischer Textura mit brauner Tinte. Zustand: 5 Miniaturen wurden ausgeschnitten, sonst recht gut erhalten. Einband: Holzdeckel mit braunem Lederüberzug, zwei ziselierte Bronzeschliessen, am Buchrücken alte Signatur in Gold: Q/I–2, Buchschnitt rot eingefärbt. 239
Inhalt Ms Wett F1: foll. 1r–137v Pentateuch; foll. 138v–154v Liber Iosue; foll. 155r–172v Liber Iudicum; foll. 172v–175v Liber Ruth; foll. 176r–199r Liber Regum l; foll. 199r–218r Liber Regum II; foll. 218r–240r Liber Regum III; foll. 240r–260r Liber Regum IV; foll. 260r–282r Paralipomenon I; foll. 282r–306r Paralipomenon II; foll. 306r–312v Ezras I; foll. 312v–322v Ezras II; foll. 322v–331v Ezras III.143 Ms Wett F2: foll. 1r–4v Petrus Comestor: Fragment aus Historia scholastica; foll. 5r–28r Matthäusevangelium; foll. 28r–44r Markusevangelium; foll. 44r–70r Lukasevangelium; foll. 70r–89r Johannesevangelium; foll. 89v–100v Römerbrief; foll. 100v–109v Korintherbrief I; foll. 109v–115v Korintherbrief II; foll. 115v–118v Galaterbrief; foll. 118v–121v Epheserbrief; foll. 121v–124v Philipperbrief; foll. 124v–126r Kolosserbrief; foll. 126r–128r Thessalonikerbrief I; foll. 128r–129r Thessalonikerbrief II; foll. 129r–131v Timotheusbrief I; foll. 131v–133v Timotheusbrief II; foll. 133v– 134v Titusbrief; foll. 134v–135r Philemonbrief; foll. 135r–141v Hebräerbrief; foll. 141v–166r Apostelgeschichte; foll. 166v–169r Jakobusbrief; foll. 169r–171r Petrusbrief I; foll. 171v–173r Petrusbrief II; foll. 173r–175r Johannesbrief I; fol. 175v Johannesbrief II; fol. 176r Johannesbrief III; foll. 176r–177r Judasbrief; foll. 177r– 188v Apokalypse des Johannes; fol. 189r Brief an die Laodicenser; fol. 189r–189v div. Prologe; foll. 190r–279r «Hec sunt interpretationes nominum hebraicorum». Ausstattung Ms Wett F1: fol. 1r F[rater Ambrosius], Incipit Epistula Hieronymi ad Paulinum prespiterum144, Schreibender (Hieronymus?)145 am Pult, 288 x 108 mm. fol. 5r D[esiderii mei], Incipit Prologus Hieronymi in Pentateucho, 45 x 46 mm. fol. 6r I[n principio creavit Deus caelum]146, Incipit Liber Genesis, 9 Szenen aus der Schöpfungs- und Heilsgschichte in runden Medaillons.147 Abb.31. fol. 39v H[aec sunt nomina filiorum Israel], Incipit Liber Exodi, Gott übergibt Moses das Gesetz, 144 x 82 mm. fol. 66v V[ocavit autem Mosem], Incipit Liber Levitici, Lammopfer (Aaron?), 74 x 78 mm.
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Angabe des Umfanges jeweils inklusive Kommentaren. RB S. 284. 145 Schönherr 1960, interpretiert den Schreibenden als Chorherr. 146 Text = Fehlstelle. 147 Die Miniatur erstreckt sich über die gesamte Seitenlänge und -breite. 144
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fol. 84v L[ocutusque est Dominus], Incipit Liber Numerorum, der auf einer Eselin reitende Bileam wird vom Engel angehalten, 136 x 92 mm.148 fol. 111v H[aec sunt verba], Incipit Liber Deuteronomii, Moses hält seine Abschiedsrede auf dem Berg Nebo, 159 x 58 mm.149 fol. 137v T[andem finita pentateucho Mosi], Incipit Prologus Hieronymi in Libro Iosue, Josua vor der Stadt Jericho, 57 x 56 mm.150 fol. 155r P[ost mortem Iosue consuluerunt], Incipit liber Iudicum, Vlieswunder: Gideon vor dem Widderfell, auf das ein Engel zeigt und auf welches der Tau des Himmels fällt, 245 x 75 mm. fol. 172v I[n diebus unius iudicis], Incipit Liber Ruth, dreigeteiltes Bildfeld, oben: Ruth sammelt Ähren ein, Mitte: florale Motive, unten: Boas heiratet Ruth, 188 x 31 mm. fol. 175r V[iginti et duas esse], Incipit Prologus Hieronymi in Libros Regum, 50 x 50 mm. fol. 176r F[uit vir unus], Incipit Liber Samuhelis I, Saul gibt sich selbst den Tod mit dem Schwert, 144 x 60 mm. fol. 199r F[actum est autem], Incipit Liber Samuhelis II, David vor der Festung Sion?, 167 x 62 mm. fol. 218r S[enuerat autem rex David], Incipit Liber Malachim, Urteil Salomos, 84 x 76 mm. fol. 240r P[raevaricatus est autem Moab], Incipit IV Regum, Himmelfahrt des Elias, 230 x 83 mm. fol. 260r E[usebius Hieronymus], Incipit Prologus in Libro I Paralipomenon151, Jesuskind an der Hand der Mutter152, 60 x 57 mm. fol. 261r S[i Septuaginta interpretum], Incipit Prologus Hieronymi in Libro I Paralipomenon, thronende Madonna mit Jesuskind, 57 x 61 mm. fol. 263r A[dam Seth Enos], Incipit Paralipomenon I, David wird zum König von Israel gekrönt, 193 x 100 mm. fol. 282r C[onfortatus est], Incipit Paralipomenon II, Traum Salomons, 91 x 82 mm. fol. 306r U[trum difficilium sit facere], Incipit Prologus Hieronymi in Libro Ezrae, 71 x 58 mm. fol. 312v E[t factum est in mense casleu], Incipit Ezrae II, Esdras?, 59 x 60 mm. 148
Miniatur seitlich beschnitten Schönherr 1955, S. 104, hat bemerkt, dass auf dem Goldgrund der Name Johannes Meyer eingraviert ist. 150 Schönherr 1955, S. 104, hat bemerkt, dass auf dem Goldgrund der Name Johannes Meyer eingraviert ist. 151 Laut RB S. 7756 stammt dieser Prolog von Stephanus Langton. 152 Dazu Wentzel 1961. 149
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fol. 317r N[on nulli autem de princibus familiarum], II Esr 7,70, 54 x 49 mm. fol. 322v E[t egit Iosias pascha], Incipit Liber Ezrae III, Josias?, 79 x 74 mm. Ms Wett F2: fol. 5r M[atheus qui et levi], Incipit Prologus in Evangelio secundum Mattheum, 37 x 49 mm. fol. 5r M[atheus autem ex judea], Incipit Prologus in Evangelio secundum Mattheum, 34 x 42 mm. fol. 5v M[atheus cum primo], Incipit Prologus in Evangelio secundum Mattheum, 33 x 38 mm. fol. 5v L[iber generationis], Incipit Evangelium secundum Mattheum, Geburt Christi mit Matthäusengel, Maria erscheint als Gekrönte!,179 x 53 mm. Abb. 32. fol. 28r Q[ue causa fuit marco], Prologus Bede prespiteri in Evangelio secundum Marcum, Markuslöwe, 109 x 52 mm. fol. 29r I[nitium evangelii Iesu Christi Filii Dei], Incipit Evangelium secundum Marcum, Auferstehung, 96 x 37 mm (unterer Teil weggeschnitten).153 fol. 44r L[ucas medicus], Incipit Prologus in Evangelio secundum Lucam, 64 x 44 mm. fol. 44r Q[uoniam quidem], Incipit Evangelium secundum Lucam154, 68 x 44 mm. fol. 44r F[uit in diebus Herodis], Lc I, 5155, Kreuzigung mit dem Lukasstier (beschädigt). fol. 70r I[ohannes apostolus et evangelista], Incipit Prologus in Evangelio secundum Iohannem, 92 x 18 mm. fol. 70r I[in principio erat verbum], Incipit Evangelium secundum Iohannem, Himmelfahrt Christi mit einem zweiköpfigen Johannesadler156, 94 x 107 mm. Abb, 33. fol. 90v R[omani sunt ex iudaeis gentibus], Argumentum, 36 x 47 mm. fol. 91r R[omani qui in urbe], Argumentum, 70 x 44 mm. fol. 91r P[aulus servus], Incipit Epistula ad Romanos, Apostel Paulus, 185 x 90 mm (in der Höhe leicht beschnitten). fol. 100v C[orinthii sunt Achaici], Argumentum, 30 x 36 mm. fol. 100v P[aulus vocatus apostolus], Incipit Epistula ad Corinthios I, Saulus stürzt vom Pferd, 146 x 75 mm. fol. 109v P[ost actam paenitentiam], Argumentum, 69 x 48 mm. fol. 109v Initialminiatur zum Incipit des zweiten Korintherbriefes fehlt. fol. 115v G[alathe sunt greci], Argumentum, 30 x 33 mm.
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Urspr. Masse: 137 x 37 mm Im Manuskript: Item aliud argumentum. 155 Im Manuskript: Incipit evangelium secundum Lucam. Nach Vulgata: Lc I, 5. 156 Zweiköpfiger Johannesadler: Adler- und Menschenkopf 154
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fol. 115v P[aulus apostolus non ab hominibus], Incipit Epistula ad Galatas, Steinigung des Paulus, 169 x 71 mm. fol. 118v E[phesii sunt Asiani], Argumentum, 27 x 35 mm. fol. 118v die Miniatur (ausser der Stamm des P) zum Incipit des Epheserbriefes P[aulus apostolus] wurde ausgeschnitten. fol. 121v P[hilipensis ipsi sunt Macedones], Argumentum, 70 x 44 mm. fol. 121v P[aulus et Timotheus], Incipit Epistula ad Philipenses, Predigt des Apostels Paulus, 149 x 77 mm. fol. 124r C[olossenses et hi sicut], Argumentum, 40 x 42 mm. fol. 124r die Miniatur zum Incipit Epistula ad Colossenses P[aulus apostolus Christi Ihesu] wurde ausgeschnitten. fol. 126r T[hessalonicenses sunt], Argumentum, 39 x 39 mm. fol. 126r die Miniatur zum Incipit Epistula ad Thessalonicenses I wurde ausgeschnitten. fol. 128r A[d Thessalonicenses], Argumentum, 85 x 45 mm. fol. 128r P[aulus et Silvanus et Timotheus], Incipit Epistula ad Thessalonicenses II, Enthauptung des Apostels Paulus, 163 x 77 mm. fol. 129r T[imotheum instruit et docet], Argumentum, 51 x 40 mm. fol. 129r P[aulus apostolus Christi Ihesu], Incipit Epistula ad Timotheum I, Predigt des Apostels Paulus, 140 x 68 mm. fol. 131v I[tem Timotheo scribit], Argumentum. fol. 131v die Miniatur zum Incipit Epistula ad Timotheum II wurde ausgeschnitten. fol. 133v T[itum commonefacit], Argumentum, 42 x 47 mm. fol. 133v P[aulus servus dei], Incipit Epistula ad Titum, Predigt des Apostels Paulus, 180 x 124 mm. fol. 134v P[hilemoni familiares], Argumentum, 45 x 45 mm. fol. 134v P[aulus vinctus Christi Iesu], Incipit Epistula ad Philemonem, Paulus auf dem Schiff, 136 x 89 mm. fol. 135r I[n primis dicendum est], Argumentum, 38 x 31 mm. fol. 135v M[ultifariam et multis modis], Incipit Epistula ad Hebraeos, Handauflegung, 228 x 81 mm. fol. 141v L[ucas natione Syrus], Incipit Praefatio Hieronymi in Actus Apostolorum, 78 x 39 mm. fol. 142v P[rimum quidem sermonem feci de omnibus], Incipit Liber Actuum Apostolorum, Sendung des hl. Geistes, 183 x 77 mm (verschmiert). fol. 166v I[acobus dei et domini nostri], Incipit Epistula Iacobi, Apostel Jakobus d. Ä., 130 x 30 mm (mittlerer Teil wurde ausgeschnitten). fol. 169r P[etrus Apostolus Iesu Christi], Incipit Epistula Petri I, Predigt des Apostels Petrus, 146 x 83 mm. 243
fol. 171v S[imon Petrus servus et apostolus], Incipit Epistula Petri II, Apostel Petrus, 91 x 93 mm. fol. 173r Q[uod fuit ab initio], Incipit Epistula Iohannis I, Oelmarter des Apostels Johannes, 159 x 80 mm. fol. 175v S[enior electae dominae], Incipit Epistula Iohannis II, Apostel Johannes, 45 x 45 mm. fol. 176r S[enior Gaio carrissimo], Incipit Epistula Iohannis III, Christus-JohannesGruppe, 54 x 56 mm. fol. 176r I[udas Ihesu Christi servus], Incipit Epistula Iudae, Apostel Judas, 117 x 28 mm. fol. 177r I[ohannes apostolus et evangelista], Incipit Prologus apocalypsis, 101 x 40 mm. fol. 177r A[pocalypsis Iesu Christi], Incipit Apocalypsis Iohannis Apostoli, Interzession, 152 x 87 mm (beschädigt). fol. 189r P[aulus apostolus], Incipit Epistula ad Laodicenses, Predigt des Paulus, 165 x 86 mm. fol. 190r A[az apprendens vel apprehensio], «Hec sunt interpretationes nominum», Verkündigung an Maria (beschädigt), 181 x 97 mm. Provenienz Die heute in Aarau liegende Pariser Bibel157 stammt aus dem 1841 säkularisierten Zisterzienserkloster Wettingen, wohin sie vermutlich vor 1298 als Schenkung des Zürcher Chorherrn Rudolf Schwerz gelangte (s. unten). In die Hände des Chorherrn geriet sie möglicherweise als Pfandgut des Zürcher Dominikanerkonvents. Forschungsstand und Kommentar Die beiden Codices enthalten den ersten und dritten Teil einer dreibändigen Bibel, deren zweiter Teil verschollen ist. Sie sind mit insgesamt 47 historisierten (wovon fünf verloren sind) und 29 ornamentalen Miniaturen geschmückt.158 Von besonderem Interesse ist die im Codex Wett F1 auf fol. 6r geschaffene Genesis-Initiale: Sieben Medaillons illustrieren die Schöpfungsgeschichte nach Gn 1,1–2,4, das achte zeigt Gott ruhend und als Schlusspunkt folgt zur Verdeutlichung des Heilsgeschehens die Kreuzigung. Die formalen Grundlagen dieses Initialtyps haben sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der französischen, vor allem in der Pariser Buchmalerei herausgebildet. Seine Wurzeln reichen jedoch ins 11./12. Jahrhundert zurück. In den hochgotischen Glasmalereien treffen wir zudem auf ebensolche 157 158
Dazu Schönherr 1960. Zum Zustand der Handschrift: Wie bereits erwähnt, sind verschiedene Miniaturen ausgeschnitten worden, weitere wurden beschädigt. Bei einigen Blättern ist Lochfrass zu beobachten.
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Gliederungssysteme. Ikonographisch bemerkenswerte Themen stellen die als Gekrönte erscheinende Maria bei der Geburt Christi (Ms Wett F2, fol. 5v), der der Himmelfahrt Christi attributiv beigefügte anthropomorphe Johannesadler (Ms Wett F2, fol. 70r), die Christus-Johannes-Gruppe159 (Ms Wett F2, fol. 176r) und das Jesuskind an der Hand der Mutter160 (Ms Wett F1, fol. 260r) dar. Fleuronnée-Initialen schmücken jeweils die Kapitelanfänge. Anlässlich der Katalogisierung der mittelalterlichen Handschriften der Aargauischen Kantonsbibliothek in der Mitte des 20. Jahrhunderts stellte A. Schönherr die These auf, dass die beiden Codices identisch sein dürften mit der vom Zürcher Chorherrn Rudolf Schwerz dem Zisterzienserkloster Wettingen urkundlich geschenkten dreibändigen Bibelhandschrift. Der zweite Band sei wohl beim Brand des Klosters Wettingen 1507 zerstört worden.161 Aufgrund ihres Kontextes wurde angenommen, dass die undatierte Schenkungsurkunde wohl zwischen 1282 und 1288 geschrieben worden war.162 Diese hält fest, dass der Zürcher Chorherr Rudolf Schwerz163 dem Zisterzienserkloster Wettingen seine Bücher unter den Bedingungen vermache, dass er im Wettinger Kloster begraben, seine Jahrzeit gefeiert und seine Schulden beglichen werden.164 Der bisherige Datierungsvorschlag (zwischen 1282–1288) beruht auf der Annahme, dass es sich beim in der Urkunde erwähnten «P. Hugoni» wohl um den Propst Hugo Bockli von Embrach, der am 19.4.1288 verstorben war, handelt.165 Folgende Überlegungen und Hypothesen sollen hier zur Diskussion gestellt werden:166 _ Bemerkenswert ist im Kontext dieser Arbeit die Nennung des Schreibers R. und dessen Gehilfe Heinrich sowie die aufgeführten Schulden für die Farben Minium und Zinnober. _ Ein sicherer Terminus ante quem der Urkunde stellt das Todesjahr 1298 des Chorherrn Rudolf Schwerz dar. 159
Wentzel 1959, S. 156: Bemerkenswert ist, dass die Gruppe hinter der gedeckten Tafel des Letzten Abendmahls dargestellt ist. 160 Wentzel 1961, S. 258: Die Attribute weisen nach Wentzel auf zwei Episoden hin, nämlich das Körbchen auf «die Heimkehr aus Ägypten» und die Schreibtafel auf den «Schulweg». Vgl. Graduale von St. Katharinental fol. 179v. Dazu Beer 1983, S. 150. 161 Schönherr Manuskript. – Schönherr 1955, S. 113, Abb. S. 115. – Schönherr 1955 bis, S. 8, 15, 26. Dieselbe These vertritt auch Bruckner 1955, S. 113. 162 Zur Urkunde: Das Original wird im Staatsarchiv des Kantons Aargau unter Wettingen Nr. 252 aufbewahrt. Zur Interpretation und Datierung: Urkundenbuch 1900/1901, S. 203–204. Lehmann 1918, S. 417–418. 163 Zur Person von Rudolf Schwerz: HBLS, Bd. 6, S. 288. 164 UBZ, Bd. 5, S. 203, Nr. 1863. – MBK, Bd. 1, S. 417–418, Nr. 77. 165 UBZ, Bd. 5, S. 203, Nr. 1863, Anm. 5. 166 Die vorgestellten Hypothesen sind das Resultat verschiedener Diskussionen und einer gemeinsamen Konsultation der Aargauer Handschriften mit M. Wehrli-Johns.
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_ Bei «P. Hugoni» könnte es sich um den Zürcher Dominikanerprior Hugo von Schaffhausen, dem späteren Provinzial der Teutonia, handeln.167 _ Möglicherweise könnte Schwerz von den Dominikanern Bücher gekauft haben, als diese zusammen mit dem Basler und Freiburger Dominikanerkonvent 1289 aufgefordert wurden, Handschriften aus ihren Beständen zu verpfänden, um die Prediger in Zofingen aus ihrer misslichen finanziellen Lage zu befreien.168 _ Auf die Idee der Vergabung könnte Schwerz gekommen sein, als er im August 1294 in der Funktion eines Obmanns in einem Streit zwischen der Fraumünsterabtei Zürich, Konrad dem Meier von Bürglen und dem Zisterzienserkloster Wettingen zu entscheiden hatte.169 A. Bruckner hat mit guten Argumenten nachgewiesen, dass die Handschriften in die Wettinger Bibliothek gelangten und nicht – wie in der Urkunde festgehalten – verkauft wurden, um die Schulden des Chorherrn zu begleichen.170 A. Schönherr und A. Bruckner haben versucht, die in der Urkunde aufgezählten Handschriften in den Beständen der Aargauischen Kantonsbibliothek aufzufinden. Es ist ihnen gelungen, sechs der zwölf genannten Bücher zu identifizieren.171 Neben der hier zu besprechenden Bibelhandschrift gehören höchstwahrscheinlich zwei Exemplare des Compendium theologicae veritatis des Hugo Ripelin (Ms Wett F14 und Ms Wett F15) dazu. Das letztgenannte stellt die ältere Ausgabe dar. Inhaltlich sind sie identisch, so dass die ältere der jüngeren als Vorlage gedient haben dürfte. Beide Handschriften sind wiederum von einer gemeinsamen, nicht mehr erhaltenen Vorlage abhängig. Sie spielen in der Forschung über das Compendium theologicae veritatis eine wichtige Rolle, da ihr Kolophon ausdrücklich Hugo Ripelin als Verfasser nennt und somit die lang diskutierte Autorschaft des stark verbreiteten Werkes eindeutig zu klären vermag. Es wird davon ausgegangen, dass die ältere identisch ist mit dem im Testament des Chorherrn Schwerz genannten «Veritatem theologie».172 167
Wehrli-Johns 1980, S. 233. SUTTER, L.: Die Dominikanerklöster auf dem Gebiet der heutigen deutschen Schweiz im dreizehnten Jahrhundert. Luzern 1893, S. 100–110, insbesondere S. 107. – BONER, G.: Das Predigerkloster in Basel von der Gründung bis zur Klosterreform 1233–1429. In: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 33, 1934, S. 165–166. Er erwähnt jedoch nur die Basler und Freiburger Dominikaner. 169 HBLS, Bd. 6, S. 288. 170 Bruckner 1955, Bd. VII, S. 112. 171 Bruckner 1955, Bd. VII, S. 112–113. – Schönherr 1955. – Schönherr 1959, S. 115. – Schönherr 1960. 172 Boner 1954. – Bruckner 1955, Bd. VII, S. 115. – Schönherr 1959, S. 115. – Schönherr 1960. – Steer 1981, S. 6, 7, 46, Anm. 7, 48–49, 217, 218, 222–223, 386, Anm. 6. – Hoegger 1998, S. 360. 168
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Der aus Fleuronnée-Initialen bestehende Schmuck unterscheidet sich deutlich und ist verschiedenen Phasen zuzuordnen (Ms Wett F15: 3. Viertel 13. Jh.; Ms Wett F14: 4. Viertel 13. Jh.).173 Unter den restlichen identifizierten Werken befindet sich eine Legenda aurea des Jacobus de Voragine (Ms Wett F12), das Bruchstück einer Historia Scholastica des Petrus Comestor (dem Ms Wett F2 beigebunden), die «Quaestiones super IV libros Sententiarum» des dominikanischen Theologen Wilhelm Rothwell und eine Bibelkonkordanz (Ms Wett F3). Nach diesem Exkurs zur Urkunde kehren wir zurück zur bisherigen zeitlichen und stilistischen Einordnung der Bibelhandschrift. A. Schönherr schlug zuerst eine Datierung zwischen 1240–1260 vor174, in einer jüngeren Publikation datierte er die Kalligraphie um 1270 und den Miniaturenstil um die Jahrhundertmitte.175 H. Wentzel hingegen dachte an eine Entstehung um 1280.176 E. J. Beer bezeichnete beide Vorschläge als Vermutungen, hielt dennoch eine Entstehung zwischen 1270 und 1280 für wahrscheinlicher.177 Bereits in einer älteren Publikation hat sie im Hinblick auf die Genesisinitiale darauf hingewiesen, dass die Künstler über genaue Kenntnisse der westlichen Stilformen um 1270/80 verfügt haben müssen.178 Als sicherer Terminus ante quem gilt jedenfalls – wie soeben dargelegt – das Todesjahr 1298 von Rudolf Schwerz. Verschiedene Hinweise in der oben besprochenen Schenkungsurkunde (Nennung eines Schreibers R., aufgeführte Schulden für Mennigrot und Zinnober) sowie die Eingangsinitiale mit der Darstellung eines Schreibenden (Chorherr?, Ms Wett F1, fol. 1r) liessen A. Schönherr vermuten, die Bibel sei im Zürcher Kunstkreis entstanden.179 Wenn H. Köllner in seiner Abhandlung über die Ornamentik des Berliner Martyrologiums (Kat.-Nr. 16) namentlich den Band Ms Wett F2 in einen Zusammenhang stellt mit drei in Zürich im 3. Viertel des 13. Jahrhunderts entstandenen Handschriften (Kat.-Nr. 2, 4, 7)180 und E. J. Beer sich bei der Beurteilung des Miniaturenstils an die am Hochrhein um 1300 geschaffenen Antiphonarfragmente (Kat.Nr. 22 a–k) erinnert181, dürfte der Rahmen für die Situierung der Aarauer Handschrift gut umrissen sein.
173
Wehrli-Johns 2002, S. 109–110, mit Abb. Ms. Wett. F 14. Schönherr 1955, S. 113. – Schönherr 1955 bis, S. 26. 175 Schönherr 1959, S. 115. 176 Wentzel 1959 bis, S. 258. 177 Beer 1983, S. 186, Anm. 272. 178 Beer 1965 bis, S. 139. 179 Schönherr 1955, S. 113. – Schönherr, 1960. 180 Köllner 1967, S. 296, 316, Anm. 69. 181 Beer 1965 bis, S. 139. 174
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literatur UBZ, Bd. 5, S. 203–204, Nr. 1863. – MBK 1918, Bd. 1, S. 417–418. – Bruckner 1940, Bd. 4, S. 90. – Bruckner 1955, Bd. 7, S. 113, Taf. XXXIV 1. – Schönherr 1955, S. 102, 107, 113, 115. – Schönherr 1955 bis, S. 8, 15–16, 26. – Schönherr 1959, S. 115, Abb. 2, S. 119. – Wentzel, Hans: Unbekannte Christus-Johannes-Gruppen. In: Zeitschrift für Kunstwissenschaft, 13, 1959, S. 155–176. – Schönherr 1960. – Wentzel, Hans: Das Jesuskind an der Hand der Mutter. In: Festschrift Hans R. Hahnloser zum 60. Geburtstag. Hrsg. von Ellen J. Beer u. a., Basel 1961, S. 251–270. – Beer 1965 bis, S. 139. – Beer 1983, S. 186, Anm. 272. – Kessler 1997, KE 10, S. 224. – Hoegger 1998, S. 359–360. – Schönherr, Alfons: Katalog der Aargauischen Kantonsbibliothek (Manuskript).
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Kat.- nr. 22 a–k elf Fragmente aus einem dominikanischen Antiphonar mit dem Winterteil Hochrhein, um 1300 In den nachfolgenden Katalogtexten werden elf Fragmente – soweit möglich – in ihrer liturgischen Reihenfolge vorgestellt. Aufgrund stilistischer Überlegungen, ihrer Ikonographie, Ornamentik, Formate, Farbpalette und/oder erhaltenen Textbruchstücken können sie derselben Handschrift zugeordnet werden. Bei der Handschrift handelte es sich ursprünglich um ein Antiphonar, das für den dominikanischen Ritus eingerichtet war und den Winterteil umfasste. Bereits H. Swarzenski hat auf einen Teil der Fragmente hingewiesen und sie zu Recht in einen Zusammenhang mit der Werkstatt des Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) gebracht.182 Er hat jedoch betont, dass sie nicht dieselbe Qualitätsstufe erreichen. E. J. Beer besprach die Einzelblätter, insbesondere die Münchner Fragmente, im Zusammenhang mit der stilkritischen Würdigung der Chorfenster der Johanniterkirche von Münchenbuchsee183 und der in Aarau liegenden Bibel aus Wettingen (Kat.-Nr. 21).184 Zwei Fragmente wurden erstmals 1976 von E. Rosenthal veröffentlicht.185 Mit Blick auf das bekannte Graduale von St. Katharinental nahm er an, dass diese Fragmente zusammen mit drei weiteren – ein viertes hielt er für eine Fälschung186 – ebenfalls aus einem dominikanischen Graduale der Zeit um 1300 stammen würden. Im Kommentarband zur Faksimileausgabe des Graduale von St. Katharinental hat E. J. Beer 1983 den Figurenstil der Fragmentengruppe im Vergleich zum Nürnberger Gradu182
Swarzenski 1936, S. 53–54. Er hat folgende Fragmente aufgeführt: Initiale A mit der Darbringung Christi im Tempel, Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T 5441; Initiale O, Judaskuss, München, Graphische Sammlung, Inv. Nr. 40230; Initiale V, Szenenfolge zu Johannes d. Evangelisten, Paris, Musée Marmottan, ehemals Collection Wildenstein; Initiale B mit zwei Szenen aus der Vita der hl. Agnes?, Standort unbekannt. Zudem erwähnte er eine Genesis-Darstellung in einer Lausanner Privatsammlung, die meiner Meinung nach nicht dazugehört. Swarzenski 1936, S. 54, Anm. 1, Abb. 611. – Obergfell 1995, S. 198–200. 183 Beer 1956, S. 114. 184 Beer 1965, S. 139. 185 Rosenthal 1976, S. 60–61. 186 Dabei handelt es sich um das Washingtoner Fragment, Himmlisches Jerusalem mit MariaEcclesia und Christus. In der redaktionellen Anmerkung zum Aufsatz von Rosenthal hat L. Wüthrich für die Echtheit des Fragmentes plädiert. Diese gilt seither in der Forschung als unbestritten, vgl. Beer 1983, S. 168.
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ale als vergröbert bezeichnet. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass die Einbezug der Stifter in das Bildfeld der Initialen neu sei und auf das Katharinentaler Graduale voraus weise.187 1987188 und 1991189 sind drei Fragmente im Kunsthandel aufgetaucht, die richtigerweise zu den bis anhin bekannten gruppiert wurden. In meiner Lizentiatsarbeit über die Handschriftengruppe in der Vatikanischen Bibliothek konnte ich zeigen, dass mit der Kenntnis des zweibändigen Antiphonars (Codd. Vat. lat. 10771/10772, Tochterhandschriften des Nürnberger Graduale), die von Swarzenski beschriebene, enge Beziehung zwischen den Fragmenten und der Nürnberger Handschrift in der Tat offensichtlich ist.190 In der Publikation über die Buchmalerei des Bodenseeraumes aus der Zeit von 1260 bis um 1340/50 sind die bisher bekannten Bruchstücke dieser verlorengegangenen Antiphonarhandschrift von der Autorin zusammengestellt und bearbeitet worden.191 Aufgrund der Textbruchstücke lässt sich mit Ausnahme von 3 Fragmenten der zugehörige liturgische Kontext eruieren. Die bestimmbaren stammen alle aus dem Winterteil eines dominikanischen Antiphonars, davon entfallen 3 auf das Proprium de Tempore und die restlichen auf das Proprium de Sanctis. Die quadratischen bis hochrechteckigen Formate der Deckfarbeninitialen bewegen sich zwischen den Massen 113–209 x 86–202 mm. Mit einer Ausnahme (Gefangennahme des Einhorns) weisen alle einen Goldgrund auf. Die Rahmen sind in der Regel zweifarbig. Das einheitliche Ornamentrepertoire für die Ausgestaltung der Buchstabenkörper besteht aus Drachenleibern, -köpfen, Drei- und Akanthusblättern sowie dem Punktornament. Die historisierten Initialminiaturen zeigen durchwegs denselben schlanken, eher überlängten Figurentyp mit eng anliegenden Gewändern, die den Körper erahnen lassen. Die Köpfe mit mächtiger, meist lockiger Haartracht zeichnen sich durch klar geschnittene Gesichtszüge aus, die durchwegs nach dem gleichen Schema gestaltet sind: Die mit brauner Tinte aufgetragene Augenbrauenlinie begleitet die mandelförmigen, seitlich nicht 187
Beer 1983, S. 211–212. Ferrini 1987, Nr. 2, S. 7–8: historisierte Initiale N mit einem schreibenden Evangelisten und Christus als Gutem Hirten. Das Fragment befindet sich nun in einer deutschen Privatsammlung. 189 Im Dezember 1991 hat mich Prof. Dr. E. J. Beer auf zwei Blätter aufmerksam gemacht: Auktionskatalog Christie‘s, Dezember 1991. London 1991, S. 17–18. Beide Fragmente befinden sich heute in Schweizer Privatbesitz. Auf dem einen ist die Taufe Christi, auf dem anderen die Gefangennahme des Einhorns dargestellt. Im Auktionskatalog wurden beide in Verbindung mit der bei Swarzenski 1936 publizierten Fragmentengruppe gebracht und als stilverwandt mit dem Nürnberger Graduale bezeichnet. Das Blatt mit der Gefangennahme des Einhorns kann auch nach eingehendem Studium aller Fragmente nicht als eindeutig der Gruppe zugehörig erklärt werden, da es einige wichtige Merkmale nicht aufweist. 190 Kessler 1991, S. 65. 191 Kessler 1997, S. 227–233, KE 14a–k. Die bisher ausführlichste Zusammenstellung der Fragmentengruppe ist von Voelkle/Wieck 1993 veröffentlicht worden. 188
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ganz geschlossenen Augen. Die Nasenlinie schliesst mit roter Tinte bei der Augenbraue an. Der Mund wird durch zwei rote Linien angedeutet. Auffallend sind die kräftigen Konturlinien in Schwarz und die reiche Farbpalette in starken Farbtönen. Das Münchner Blatt mit dem Judaskuss ist als einziges nahezu in seiner gesamten Länge und Breite überliefert und lässt weitere Rückschlüsse über das Aussehen der verlorengegangenen Handschrift zu: Die einzelnen Seiten dürften in der Regel neun Notencorpora aufgewiesen haben, und die Pergamentblätter sind in ihren Ausmassen sowie in ihrer Blattanlage vergleichbar mit dem Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) oder den Antiphonarien in der Vaticana (Kat.-Nr. 19, 20). Das zweite Münchner Fragment ist insofern interessant, als es als Überbleibsel einer Medailloninitiale beweist, dass dieser Initialtypus in der rekonstruierten Handschrift auch vertreten war. Die formalen Grundlagen dieses Typs haben sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in der französischen Buchmalerei, insbesondere in der Pariser Buchmalerei, herausgebildet. Seine Wurzeln reichen jedoch ins 11./12. Jahrhundert zurück.192 Die Fragmentengruppe kann aus stilistischen Gründen unzweifelhaft dem hochrheinischen Kreis von Handschriften wie dem Nürnberger Graduale oder dem Vatikanischen Antiphonar zugeordnet werden. Es sei zudem auf die oftmals ungewöhnliche Ikonographie mit komplexen theologischen und mystischen Bildinhalten, die für eine Reihe weiterer Handschriften aus dem ober- und hochrheinischen Kunstraum typisch ist, hingewiesen. L. Wüthrich beobachtete, dass das Fragment mit der Höllenfahrt Christi die Zahl «10» und die Initialen «W. C.» aufweist und folgerte, dass diese Eintragungen vergleichbar seien mit denjenigen im Graduale von St. Katharinental. Diese stammen von der Hand des Konstanzer Goldschmieds und Antiquars Franz Joseph Aloys Castell. Demzufolge nimmt L. Wüthrich an, die Antiphonarhandschrift sei ebenfalls im Besitz von Castell gewesen, welcher sie zerlegt habe.193
192 193
Zum Medaillontypus Beer 1983, S. 181ff. Wüthrich 1983, S. 83, Anm. 20.
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Kat.- nr. 22 a
Tafel 8
Schweiz, Privatsammlung Fragment, historisierte Initiale H mit der Taufe Christi aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 114 x 90 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textura Latein Text Oberhalb der Miniatur sind noch die Unterlängen der Worte: «[psalli]te regi n[ost]ro...» sichtbar.194 Unterhalb der Miniatur sind Textfragmente aus dem Responsorium der ersten Nokturn zum Fest der Epiphanie überliefert: «H[odie in Iordane baptizato do]mino aper[ti sunt celi et sicut columba super...]».195 Auf der Rückseite der Miniatur sind Bruchstücke aus dem 2. Vers und dem 2. Responsorium der ersten Nokturn zum selben Fest erhalten: «[Descendit spiritus sanctus corporali specie sicut columba in ipsum et vox de ce]lo facta [est. Hic est filius meus dilectus.196 In columbe] specie [spiritus sanctus vi]sus est pa[terna vox audita est...]».197 Der Text wird von drei Corpora mit Quadratnotation auf Vierlinienschema begleitet. Provenienz Das Blatt ist im Dezember 1991 im Auktionskatalog von Christie’s erstmals veröffentlicht worden und befindet sich nun in Schweizer Privatbesitz. Bildthema In knapper Form ist die Taufe Christi dargestellt: Neben dem kreuznimbierten Christus erscheinen Johannes der Täufer als Zelebrierender sowie zwei assistierende Engel. Über dem Haupt Christi ist die herabschwebende Taube, den Hl. Geist symbolisierend, erkennbar. Die Szene wird seitlich von je einer Stifterfigur begleitet. Bei
194
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 417, Nr. 4406. Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 214, Nr. 6849. 196 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 143, Nr. 2159. 197 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 224, Nr. 6892. 195
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der linken handelt es sich um einen Dominikaner, bei der rechten um einen Angehörigen des Johanniterordens, dessen Mantel mit einem Malteserkreuz bezeichnet ist. Forschungsstand und Kommentar Die Miniatur tauchte 1991 zusammen mit einer weiteren, welche die Gefangennahme des Einhorns zur Darstellung bringt, im Kunsthandel auf.198 Beide wurden im Auktionskatalog zu recht in Verbindung mit der von H. Swarzenski 1936 publizierten Fragmentengruppe gebracht und als stilverwandt mit dem Nürnberger Graduale bezeichnet. literatur Auktionskatalog Christie’s, Dezember 1991, London 1991, S. 17, mit Abb. – Kessler 1997, KE 14 a, S. 228.
Kat.- nr. 22 b
Tafel 8b
München, Staatliche graphische Sammlung, Inv. nr. 40230 einzelblatt, historisierte Initiale o, Judaskuss, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, gesamtes Blatt 331 x 250 mm; Miniatur 113 x 110 mm; Länge der Miniatur inkl. Ausläufer 278 mm. Tinte, Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Auf der Vorderseite des Blattes haben sich Textbruchstücke der ersten Antiphon der ersten Nokturn zum Karfreitag erhalten: «[Diviserunt sibi] vestimenta mea et super vestem meam miserunt sortem.199» In voller Länge folgt dann der Responsoriums-
198 199
Prof. Dr. E. J. Beer hat mich auf die Fragmente aufmerksam gemacht. Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 154, Nr. 2260.
253
text zur Initialminiatur: «Omnes amici mei...».200 Auf der Rückseite wird dieser fortgesetzt, gefolgt vom zweiten Responsorium («Velum templi...»).201 Der Text wird von Corpora mit Quadratnotation auf Vierlinienschema begleitet. Bildthema Die nahezu quadratische, gerahmte Miniatur zeigt in der kreisrunden Initiale O, unter einer Dreipassarkade, Christus und Judas im Zentrum der Häscher. Christus schützt mit seiner Rechten das Haupt des knienden Malchus vor dem Schwertstreich des Petrus, der soeben sein Schwert aus der Scheide zieht. Provenienz Das Blatt ist 1920 vom Bayerischen Nationalmuseum an den jetzigen Standort überführt worden.202 Forschungsstand und Kommentar Das Münchner Fragment ist das einzige der Gruppe, das als Blatt nahezu in seiner gesamten Länge und Breite überliefert ist und insofern für die Rekonstruktion der Handschrift eine wichtige Rolle spielt. So wissen wir, dass die einzelnen Seiten in der Regel neun Notencorpora aufgewiesen haben. Zudem ist anzunehmen, dass die Pergamentblätter in ihren Ausmassen vergleichbar sind mit dem Nürnberger Graduale oder den Antiphonarien in der Vaticana.Wie aus der Ikonographie und dem Text hervorgeht, lässt sich das Fragment den Antiphonargesängen des Karfreitags zuordnen. Daraus folgt, dass es aus dem Winterteil eines Antiphonars stammt, genauer aus dem Proprium de Tempore. A. Stange hielt das Blatt für fränkisch und datierte es um 1300. Wie aus einer Notiz auf dem Passepartout hervorgeht, hat er bereits bemerkt, dass es zum Ausschnitt mit den beiden Evangelisten gehört (Kat.Nr. 22 k), und hat auf weitere Bruchstücke in Frankfurt und Nürnberg hingewiesen. Letztere erwiesen sich schliesslich als Bruchstücke aus dem St. Katharinentaler Graduale. Das Münchner Blatt gehört zu denjenigen Fragmenten, die H. Swarzenski schon 1936 als Gruppe erkannt hat. E. J. Beer bildet das Fragment beispielhaft bei ihrer Stilanalyse der Chorverglasung der Johanniterkirche von Münchenbuchsee ab, bezeichnet es als oberrheinisch und gibt als Datierung «nach 1290» an.203 In ihren Forschungsberichten über die gotische Buchmalerei beurteilt sie den Stil der Wettinger Bibel in Aarau (Kat.-Nr. 21) als verwandt mit den Membra disiecta und nennt stellvertretend für die ganze Gruppe die beiden Münchner Fragmente 200
Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 328, Nr. 7313. Guerini 1921, S. 42, Nr. 156. 202 Laut Inventar der Staatlichen Graphischen Sammlung. 203 Beer 1956, S. 114, Abb. 37.
201
254
(s. auch Kat.-Nr. 22 k).204 Im Kommentarband zur Faksimileausgabe des St. Katharinentaler Graduale hat dieselbe Autorin die Beziehung zum Nürnberger sowie zum St. Katharinentaler Graduale beschrieben (s. einleitender Text) und wiederum stellvertretend für die Fragmentengruppe das Münchner Blatt abgebildet.205 literatur Stange 1934, S. 195. – Swarzenski 1936, S. 53–54. – Beer 1956, S. 114, Abb. 37. – Beer 1965 bis, S. 139. – Beer 1983, S. 211–212. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 6 und Abb. 148 auf S. 167. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 c, S. 229.
Kat.- nr. 22 c
Abb. 34
new York, Sammlung Bernard H. Breslauer Fragment, historisierte Initiale S mit der Höllenfahrt Christi, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 110 x 112 mm Tinte, Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Auf der Rückseite des Membrum disiectum haben sich Textbruchstücke aus dem Vers des ersten Responsoriums der ersten Nokturn der ersten Karsamstagsmatutin erhalten: «[Ne forte veniant discipuli... mortu]is, pone[ntes.]»206 Der Vers bildet die Fortsetzung zu dem von der Initialminiatur geschmückten Responsorium: «Sepulto domini». Der zweite Teil des überlieferten Textes stammt aus dem zweiten
204
Beer 1965 bis, S. 139. Beer 1983, S. 211–212. 206 Zitiert nach Voelkle/Wieck 1993, S. 126, Nr. 37. – Hesbert 1963–1979, Bd. VI, S. 404, Nr. 7640. – Guerini 1921, S. 43. 205
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Responsorium der 1. Nokturn: «[Jerusalem luge et exue te ve]stibus iucundi[tatis in[duere...]».207 Bildthema Auf der vorliegenden Initialminiatur «S[epulto Domini]» kommt die Höllenfahrt Christi zur Darstellung. Im oberen S-Bogen ist Christus vor dem bereits geöffneten Höllentor bei der Befreiung der Voreltern resp. Adams und Evas zu sehen. Der untere Teil zeigt den gefesselten und besiegten Satan sowie eine Reihe von Verdammten mit verschiedenen Attributen. Die Miniatur hat, wie die Textfragmente auf der Rückseite belegen, die erste Nokturn der ersten Karsamstagsmatutin illustriert. Folglich wurde das Blatt dem Winterteil einer Antiphonarhandschrift entnommen, genauer dem Proprium de Tempore. Provenienz Ankauf von John Fleming, New York, Ende der 1960er-Jahre.208 Forschungsstand und Kommentar Das Fragment ist erstmals 1976 von E. Rosenthal veröffentlicht worden. Er hat es, wie er selbst schreibt, bei Bernard Breslauer, dem jetzigen Besitzer, gesehen und richtigerweise als aus dem verlorengegangenen Codex stammend beurteilt. Umfassend beschrieben und eingeordnet wurde das Blatt 1993 vom Autorenteam Voelkle/Wieck im Katalog zur Manuskriptensammlung von Bernard H. Breslauer. literatur Rosenthal 1976, S. 64, Abb. 6. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 5. – Kessler 1991, S. 65. – Voelkle/Wieck 1993, Nr. 37, S. 126–127. – Kessler 1997, KE 14 d, S. 229.
207
Zitiert nach Voelkle/Wieck 1993, S. 126, Nr. 37. – Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 258, Nr. 7032. – Guerini 1921, S. 43. 208 Voelkle/Wieck 1993, S. 126, Nr. 37. – S. auch Wüthrich 1983, S. 83, Anm. 20.
256
Kat.- nr. 22 d
Tafel 8c
Paris, Musée Marmottan, ehemals Collection Wildenstein Fragment, historisierte Initiale V, Szenenfolge zu Johannes d. evangelisten, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 142 x 135 mm Deckfarben und Gold Textura? Latein? Text? Bildthema Der Blattausschnitt mit der Initiale V hat die Matutin des Festes Johannes des Evangelisten (27. Dezember) bebildert.209 Im Binnenfeld der Unziale sind über dem Kreuz vier aus Rankenwerk geformte Medaillons dargestellt. Im linken runden Bildfeld wird die Seele des Johannes von Christus und Maria, die von Wolken umgeben sind, mit einem Tuch aus einem Sarkophag erhoben und in den Himmel geführt (1). Im rechten Bildfeld wird dem thronenden Johannes von Christus und Maria die Krone aufgesetzt (2). Von den mandorlaförmigen Medaillons zeigt das obere eine Dreifaltigkeitsdarstellung mit dem frontal thronenden, kreuznimbierten Gottvater, auf dessen Schoss Christus – ebenfalls mit dem Kreuznimbus ausgezeichnet und die Rechte segnend erhoben – sitzt. Über seinem Haupt ist die nimbierte Geisttaube und der aus einer Wolke herabschwebende, ebenfalls nimbierte Adler abgebildet (3). Im unteren Spitzoval hält Christus ein kleines nimbiertes Figürchen in seinem Schoss. Aus Wolken fliegen die Taube und der Adler, beide nimbiert, auf das Haupt Christi resp. auf dasjenige des Figürchens herab. Der Adler mit dem Spruchband deutet auf Johannes den Evangelisten hin, so dass im Figürchen wohl die minnende Seele des Johannes vermutet werden darf (4).
209
Auskunft Musée Marmottan, Paris.
257
Provenienz Der Blattausschnitt wurde am 10. Mai 1911 als Teil der Sammlung R. Scholtz, Budapest, in Stuttgart durch H. G. Gutekunst versteigert. Das Musée Marmottan in Paris erwarb ihn anfangs der 1980er-Jahre aus der Sammlung Wildenstein. Forschungsstand und Kommentar H. Swarzenski brachte 1936 das Fragment zusammen mit einer Reihe weiterer als Beleg für seine These, dass das Nürnberger Graduale aus einem grösseren Werkstattbetrieb stamme, ohne sich jedoch über den Bildinhalt zu äussern. Mit der aussergewöhnlichen Ikonographie des Blattes, vor allem mit den beiden vertikalen Szenen, beschäftigte sich F. O. Büttner in seinem 1979 erschienenen Aufsatz «Ad te, domine, levavi animam meam – Bildnisse in der Wortillustration zu Psalm 24,1». Gemäss F. O. Büttner ist es nicht selten, dass Christus und Maria eine Gestalt, in diesem Falle Johannes, in den Himmel erheben und diese krönen. Bemerkenswert ist allerdings, dass diese Handlungen gemeinsam vorgenommen werden.210 In Unkenntnis des Aufsatzes von F. O. Büttner besprach E. J. Beer 1983 das Blatt im Zusammenhang mit der ikonographisch ebenfalls höchst singulären Initialminiatur auf fol. 188r im Graduale von St. Katharinental. Dort krönen Christus und Maria eine bereits gekrönte und nimbierte Frauengestalt. Dafür schlug E. J. Beer zwei Interpretationen vor: leibliche Aufnahme Marias in den Himmel resp. Krönung der minnenden Seele.211 F. O. Büttner interpretierte die kleine Frauengestalt als Darstellung der Heiligen Katharina.212 Bezüglich des Pariser Fragmentes vermutete E. J. Beer bei der zwischen Christus und Maria thronenden Figur im rechten der runden Medaillons ebenfalls Johannes. Aufgrund des liturgischen Kontextes steht fest, dass sich die vier Szenen auf Johannes beziehen. Insofern ist der Interpretation F. O. Büttners bezüglich der beiden horizontalen Szenen zuzustimmen.213 Bei der dritten Szene dürfte es sich um eine Trinitätsdarstellung gemäss dem «Paternitas»-Typus handeln214, die ergänzt wird durch den nimbierten ‚sehenden‘ Adler, der Johannes den Evangelisten symbolisiert. Da der Blattausschnitt einem dominikanischen Antiphonar entnommen wurde, dürfte es sich hier um eine ordensspezifische Ikonographie handeln. Wie M. Wehrli-Johns ausgeführt hat, betrachteten sowohl Albert der 210
Büttner 1979, S. 337. Beer 1983, S. 154–155. 212 Büttner 1979, S. 337–338. 213 Als Vergleich zu Szene 1 sei die Londoner Psalterhandschrift (British Museum, Add. 22279) genannt, die auf fol. 19v die Himmelfahrt des Johannes zeigt (Marti 2002, Abb. 5, S. 60). Und im Engelberger Codex 60 wird auf fol. 18v Johannes der Evangelist von zwei Engeln in den Himmel begleitet (Marti 2002, Abb. 99, S. 229). Vgl. auch die Darstellung der Verklärung Johannis zwischen Maria und Christus im St. Katharinentaler Graduale (fol. 161v). 214 LCI, Bd. 1, Sp. 536. 211
258
Grosse wie Thomas von Aquin den Evangelisten Johannes als das grosse Vorbild des kontemplativen Lebens. Albert setzt Johannes mit dem Adler gleich und erklärt sein Kontemplationsverständnis anhand der Eigenschaften des Adlers. Der mit geöffneten Augen ‚sehende‘ Adler symbolisiert nach M. Wehrli-Johns «den Akt der intellektuellen Schau, der auf die Erkenntnis der ersten Ursache im Sinne der [dominikanischen, c.k.] Intellektlehre zielt.»215 Die vierte Szene geht m. E. vom Typus der Christus-Johannes-Gruppe aus und bedient sich derselben Symbolik wie die vorangehende Szene. Der Unterschied dürfte darin bestehen, dass die untere mit dem Schriftband auf Johannes als Autor, d. h. auf sein irdisches Leben anspielt, währenddessen die obere, nach Erhebung und Krönung, sein himmlisches Dasein meint. Meines Wissens gibt es im oberrheinischen Kunstkreis keine gleichartige Darstellung. Am ehesten vergleichbar scheint mir eine Bildinitiale im Graduale von St. Katharinental. Die Handschrift enthält einen ungewöhnlich ausführlichen Johanneszyklus und bringt auf fol. 161v eine Medailloninitiale mit vier Szenen zu Tod und Verklärung des Johannes.216 literatur Gutekunst, H. G.: Auktionskatalog 69, Stuttgart 1911, Nr. 852. – Swarzenski 1936, S. 54, Anm. 1, Abb. 609. – Büttner 1979, S. 337, 343. – Beer 1983, S. 154, Anm. 172a. – Kessler 1997, KE 14 f, S. 230.
Kat.- nr. 22 e
Tafel 8d
Österreich, Privatsammlung Fragment, historisierte Initiale V mit dem letzten Abendmahl, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 135 x 111 mm Tinte, Deckfarbe und Gold Textura Latein 215 216
Wehrli-Johns 1995, S. 263. Wehrli-Johns 1995, S. 261, Anm. 78.
259
Text Bei den Textbruchstücken auf der Rückseite der Miniatur handelt es sich um Ausschnitte aus dem Winterteil eines Antiphonars, nämlich um die 1. Antiphon der 1. Nokturn zum Festtag des Johannes Ev. vom 27. Dezember: «[Johannes ... virgo] est electus a do[mino atque inter c]eteros magis [dilectus]».217 Der Text wird von Corpora mit Quadratnotation auf vier Notenlinien begleitet. Die historisierte Initialminiatur muss folglich den Text des 1. Responsoriums der 1. Nokturn des Johannesfestes: «V[alde honorandus est beatus Johannes qui supra pectus domini in cena recubuit...]», illustriert haben. Zudem muss die Textseite des Fragmentes im ehemaligen Codex eine Versoseite gebildet haben. Bildinhalt Auf dem gut erhaltenen Membrum disiectum ist in der historisierten Initialminiatur das letzte Abendmahl dargestellt. Im Zentrum der dichtgedrängten Apostelschar ist Christus mit dem an seiner Brust schlafenden Johannes dargestellt. Er weist auf den vor dem gedeckten Tisch sitzenden Judas hin. Darunter kniet eine Dominikanerin und ein Stifterpaar. Provenienz Unbekannt Forschungsstand und Kommentar Das Fragment wurde erstmals 1976 zusammen mit einem weiteren, das sich damals in derselben schweizerischen Privatsammlung befand (Kat.-Nr. 22 h), von E. Rosenthal veröffentlicht.218 Mit Blick auf das bekannte Graduale von St. Katharinental nahm er an, dass diese Fragmente zusammen mit drei weiteren – ein viertes hielt er für eine Fälschung219 – ebenfalls aus einem dominikanischen Graduale der Zeit um 1300 stammen. Die Initiale V hat er wohl in Unkenntnis des Textes auf der Rückseite des Fragmentes als D interpretiert. Die Textbruchstücke legen nahe, dass die Initiale als unziales V zu lesen ist. Bei der Dreipassarkade handelt es sich somit nicht um einen Bestandteil der Initiale, sondern um eine Raumformel. Die historisierte Initialminiatur illustrierte folglich den Text des 1. Responsoriums der
217
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 304, Nr. 3494. – Guerini 1921, S. 80. Rosenthal 1976, S. 60–61. 219 Dabei handelt es sich um das Washingtoner Fragment, Himmlisches Jerusalem mit MariaEcclesia und Christus. In der redaktionellen Anmerkung zum Aufsatz von Rosenthal hat L. Wüthrich für die Echtheit des Fragmentes plädiert. Diese gilt seither in der Forschung als unbestritten, vgl. Beer 1983, S. 168.
218
260
1. Nokturn zum Fest des Evangelisten Johannes vom 27. Dezember: «Valde honorandus est beatus Johannes qui supra pectus domini in cena recubuit». literatur Rosenthal 1976, S. 61, Abb. 2. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 2, Abb. 146. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 b, S. 228.
Kat.- nr. 22 f
Abb. 35
Standort unbekannt Fragment, historisierte Initiale B mit zwei Szenen aus der Vita der hl. Agnes, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament Deckfarben und Gold? Textura? Latein? Text? Forschungsstand und Kommentar In der redaktionellen Anmerkung zum Aufsatz E. Rosenthals in der Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte von 1976 berichtete L. Wüthrich, dass ihm kürzlich ein Foto des hier zur Diskussion stehenden Fragmentes in die Hände gekommen sei, und dass es eine Miniatur aus der von E. Rosenthal postulierten Handschrift abbilde.220 Es ist anzunehmen, dass es sich hier um denselben Blattausschnitt handelt, den H. Swarzenski zwar erwähnt, jedoch nicht abbildet: «Berlin, Antiquariat Tiedemann [Initial ‚B‘ mit Enthauptung der heiligen Katharina(?)]». L. Wüthrich interpretierte die obere Darstellung als Martyrium der heiligen Lucia, deren Hals mit einem Schwert durchbohrt wird; die untere zeige Lucia zusammen mit ihrer kranken Mutter am Grabe der hl. Agathe, um deren Heilung zu erbitten. Dabei sei Agathe Lucia erschienen, habe die kranke Mutter geheilt und ihr das bevorstehende 220
Rosenthal 1976.
261
Martyrium verkündet. Er hat gegen seine eigene Interpretation den Einwand vorgebracht, dass Agathe der Heiligenschein fehle. Als stützendes Argument kann bemerkt werden, dass zum Fest der hl. Lucia zu den Laudes eine Antiphon mit den Worten «Benedico te pater» gesungen wird, somit eine schmückende Initialminiatur B durchaus am Platze wäre. Es scheint sich jedoch bei der liegenden und den begleitenden Figuren der unteren Szene eher um solche männlichen Geschlechts zu handeln. Eine mögliche neue Interpretation sei versucht: Die obere Szene könnte die Enthauptung der hl. Agnes zeigen. Bei der unteren wird der Präfektensohn von Agnes, auf Bitten des Präfekten (links) hin, auferweckt, nachdem er im Bordell, das zu einer Stätte des Gebets geworden war, Gott nicht die Ehre erwiesen hatte und gestorben war.221 Auch in anderen liturgischen Handschriften, die z. T. in einem sehr engen Verhältnis zum vorliegenden Blattausschnitt stehen, wird das Fest der hl. Agnes mit Initialminiaturen illustriert. Im stilistisch eng verwandten Nürnberger Graduale (Kat.-Nr. 18) ist das Verlöbnis der hl. Agnes dargestellt (fol. 149r). In deren Tochterhandschrift, dem Vatikanischen Antiphonar Cod. Vat. lat. 10771 (Kat.-Nr. 19), illustrieren zwei Miniaturen das Fest der heiligen Agnes (fol. 200v: Agnes wird vom Präfektensohn umworben, erwidert seine Liebe jedoch nicht; fol. 201v: Agnes verweigert den Götzendienst).222 Im Graduale von St. Katharinental kommt zur Darstellung, wie die hl. Agnes ihren Freunden erscheint (Kat.-Nr. 34, fol. 163v). Die umfangreichste Darstellung der Agnesenlegende im oberrheinischen Raum bringt ein zisterziensisches Antiphonar in Karlsruhe, Cod. St. Georgen perg. 5, das um 1305 datiert wird und aus dem Frauenkloster Wonnental stammen dürfte (Raeber 2003, Abb. 95–97).223 Da der Standort dieses Fragmentes – und somit auch der Text auf der Rückseite – nach wie vor unbekannt ist, muss die definitive Interpretation vorläufig noch offen bleiben. literatur Swarzenski 1936, S. 54, Anm. 1. – Rosenthal 1976, Abb. 7, S. 65, unter dem Abbildungsnachweis S. 66: «Photograph in the collection of Mr. Robert von Hirsch, Basel».224 – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 e, S. 230.
221
Legenda aurea, S. 88–89. S. Kat.-Nr. 19. 223 Beer 1959, S. 90–93. 224 In der Sammlung Robert von Hirsch, Basel, befand sich zeitweilig das Fragment Kat. Nr. 22 g. 222
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Kat.- nr. 22 g
Tafel 9a
Frauenfeld, Historisches Museum des Kt.s Thurgau, Inv. T 5441 Fragment, Initiale A mit der Darbringung Christi im Tempel, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 125 x 125 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textura Latein Text Auf der Rückseite sind Ausschnitte aus dem Vers: «[Accipiens Symeon puerum in manibus gratias agens benedixit] dominum...»225 und aus dem Responsorium: «[Postquam] impleti sunt quem [dies purgationi]s eius se[cundum legem mo]ysi tulerunt...»226 erhalten geblieben. Die Wortteile oberhalb der Miniatur gehören zur Antiphon: «[Post partum, virgo, inviolata permanisti, dei genitrix, in]tercede pro nobi[s]».227 Es kann sich bei der Initiale nicht – wie bisher angenommen – um ein N228, sondern es muss sich um ein unziales A handeln, welches das erste Responsorium der ersten Nokturn zum Fest Maria Lichtmess eingeleitet hat: «A[dorna thalamum tuum, Sion et suscipe Regem Christum...]».229 Provenienz Das Einzelblatt stammt aus der ehemaligen Sammlung Robert von Hirsch und wurde anlässlich der Auktion bei Sotheby’s in London im Juli 1978 vom Historischen Museum des Kantons Thurgau angekauft.
225
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 27, Nr. 1233. Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 351, Nr. 7406. 227 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 4332, Nr. 408. – Guerini, 1921, S. 84, in Anlehnung an Cod. Vat. lat. 10771, fol. 225r– 225v (Kat.-Nr. 19). 228 Bei der Annahme, dass es sich um ein N zum Responsorium «Nunc dimittis» handeln würde, ergibt sich das Problem, dass der klar identifizierbare Text auf der Rückseite nicht unmittelbar auf das genannte Responsorium folgt. 229 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 12, Nr. 6051. 226
263
Bildthema Die Initialminiatur hat die Darbringung Jesu im Tempel zum Inhalt. Der sonst selten zu findende Kelch und die Darstellung Jesu als Bildmittelpunkt, aufrecht über dem Altar, legen den Schwerpunkt der Bildaussage auf die eucharistische Vorstellung.230 Dieses Bildthema illustriert in der Regel das Fest Mariä Lichtmess. Die Initialminiatur dürfte folglich einem Antiphonar, das den Winterteil enthalten hat, entnommen worden sein. Die vor dem Altar kniende Dominikanerin weist darauf hin, dass die Handschrift für den dominikanischen Ritus eingerichtet war. Neben der Dominikanerin erscheint noch ein adliges Stifterpaar. Forschungsstand und Kommentar Die ausgeschnittene Miniatur galt schon für H. Swarzenski als Bestandteil der Fragmentengruppe. Im Auktionskatalog Sotheby’s von 1978 wird sie ausführlich beschrieben und eingeordnet. Wie bereits unter der Rubrik ‚Text‘ dargelegt, kann die Miniatur nicht, wie bisher in der Forschung angenommen, die Antiphon zum Fest Mariä Lichtmess «Nunc dimittis» eingeleitet haben, sondern muss das erste Responsorium der ersten Nokturn desselben Festes «Adorna thalamum» illustriert haben. literatur Swarzenski 1936, S. 53–54. – Rosenthal, 1976, S. 63–64, Abb. 5. – Auktionskatalog Sotheby’s, The Robert von Hirsch Collection, Bd. 1, Juni 1978, London 1978, S. 12–13. – Vetter 1981, S. 83. – Früh, Margrit: Führer durch das Historische Museum des Kantons Thurgau im Schloss Frauenfeld, Frauenfeld 1989, S. 54. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 g, S. 231.
230
Vgl. Nürnberger Graduale fol. 151v mit paralleler Darstellung (Kat.-Nr. 18).
264
Kat.- nr. 22 h
Tafel 9b
Österreich, Privatsammlung Fragment, historisierte Initiale M mit der Tempelvision und Berufung des Isaias (links), lukas porträtiert Maria (rechts), aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 130 x 130 mm Tinte, Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Die erste Zeile der Textbruchstücke auf der Rückseite beginnt mit dem Buchstaben,m’. Dabei dürfte es sich um den letzten Buchstaben der Antiphon: «[Ecce ancilla Domini... verbum tuu]m» handeln.231 Dann folgt die Abkürzung für Psalmus. In abgekürzter Form schliesst der Vers: «Nunc dimittis» an. Den Abschluss der ersten Zeile bildet die liturgische Bezeichnung des nachfolgenden Textes: «Invitatorium». Aus diesem Text sind Teile aus der zweiten und dritten Zeile überliefert: «[Ave Maria, g] ratia plena[, Dominus] tecum [...]».232 Die Textbruchstücke sind als Teile des Complementoriums resp. Invitatoriums zum Fest der Verkündigung an Maria zu identifizieren.233 In der Folge ist anzunehmen, dass die Initiale M das erste Responsorium der ersten Nokturn dieses Festes illustriert hat: «M[issus est Gabriel...]», denn dieses folgt den obigen Gesangstexten unmittelbar nach. Zudem muss die Textseite des Fragmentes im ehemaligen Codex eine Versoseite gebildet haben. Bildthema Das querrechteckige Bildfeld der Miniatur mit Ausläufer wird durch die Haste der Initiale M in zwei Szenen unterteilt. In der linken sind zwei Bildthemen vereint dargestellt. Im Vordergrund ist die Tempelvision des Isaias nach Is 6,1 wortwörtlich wiedergegeben: «Im Todesjahr des Königs Usija sah ich den Herrn. Er sass 231
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 183, Nr. 2491. Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 5 bringt zwei Varianten zum Invitatorium: Ave Maria, die Nr. 1041 und 1042. 233 Guerini 1921, S. 86. Vgl. dazu auch die dominikanische Antiphonarhandschrift Cod. 10771, fol. 240, in der Vatikanischen Bibliothek (Kat.-Nr. 19). 232
265
auf einem hohen und erhabenen Thron...». Im Hintergrund folgt die im Kontext der Tempelvision stehende Berufung des Isaias (Is 6,5ff.): Ein herbeifliegender Engel reinigt ihm mit glühenden Kohlen die Zunge. In der Hand hält Isaias ein unbeschriftetes Spruchband, das wohl als Hinweis auf seine Texte mit den messianischen Prophezeiungen betrachtet werden darf. Weil letztere messianischen Charakter haben, beziehen sich die Darstellungen des Isaias fast durchwegs auf Maria.234 Die rechte Bildhälfte zeigt die ungewöhnlich frühe Darstellung des die Verkündigung an Maria malenden Lukas.235 Die hier verbildlichte Vorstellung von der bei der Verkündigung spinnenden Maria fusst auf der im Protoevangelium des Jakobus überlieferten Legende. Provenienz Unbekannt Forschungsstand und Kommentar Das Fragment wurde erstmals 1976 von E. Rosenthal zusammen mit einem weiteren, das sich damals in derselben schweizerischen Privatsammlung befand (Kat.Nr. 22 e), veröffentlicht.236 Mit Blick auf das bekannte Graduale von St. Katharinental nahm er an, dass diese Fragmente zusammen mit drei weiteren – ein viertes hielt er für eine Fälschung237 – ebenfalls aus einem dominikanischen Graduale der Zeit um 1300 stammen. Aufgrund der Textanalyse steht fest, dass die Initialminiatur das Fest der Verkündigung an Maria (25. März) illustriert hat. Auf die Beziehung zwischen Isaias und Maria wurde bereits oben hingewiesen. Die hier verbildlichte Textstelle Is 6,1 spielt in der Theologie des Dominikanerordens, insbesondere bei Thomas von Aquin, eine wichtige Rolle. Er hat den Text Is 6,1 seinem Vorwort zum Johanneskommentar vorangestellt und ihn mit dem Akt der kontemplativen Gotteserkenntnis des Johannes verbunden.238 literatur Rosenthal 1976, S. 60, Abb. 1. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 1, Abb. 147. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 i, S. 232. 234
LCI, Bd. 2, Sp. 354ff, insbesondere Sp. 357. – LCI, Bd. 7, Sp. 10. LCI, Bd. 3, Sp. 119. – LCI, Bd. 7, Sp. 458ff. 236 Rosenthal 1976, S. 60–61. 237 Dabei handelt es sich um das Washingtoner Fragment, Himmlisches Jerusalem mit MariaEcclesia und Christus. In der redaktionellen Anmerkung zum Aufsatz von Rosenthal hat L. Wüthrich für die Echtheit des Fragmentes plädiert. Diese gilt seither in der Forschung als unbestritten, vgl. Beer 1983, S. 168. 238 Wehrli-Johns 1995, S. 262.
235
266
Kat.- nr. 22 i
Tafel 9c
Washington, national gallery of Art, lessing J. rosenwald Collection, 1959.16.1 Fragment, historisierte Initiale n, Himmlisches Jerusalem mit Maria-ecclesia und Christus, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 209 x 202 mm Tinte, Deckfarbe und Gold Textura Latein
Text239 Auf der Rückseite haben sich die folgenden Textfragmente erhalten: «[Quomodo fiet istud angele dei quia virum in concipiendo non pertuli? Audi Maria virgo Christi spiri]tus sanctus super[veniet in te et v]irtus altissimi ob[umbravit tibi]. evovae.240 Sancta [dei genitrix virg]o semper maria. In[tercede pro nobis a]d dominum deum no[strum]».241 Es handelt sich um Teile der Laudesgesänge zum Fest der Verkündigung an Maria, das am 25. März gefeiert wird. Bildthema Im nahezu quadratischen Bildfeld ist unter Wimpergarkaden links Maria-Ecclesia und rechts der thronende Christus als Herrscher dargestellt. Umgeben werden sie vom Himmlischen Jerusalem, das durch 24 verschiedene Personengruppen wie Patriarchen, Propheten, Heilige, Apostel etc. repräsentiert wird, und von neun Ordensangehörigen (Dominikaner, Johanniter), die im unteren querrechteckigen Bildfeld erscheinen. Bemerkenswert ist die Darstellung Marias: Sie ist mit Krone, Sternenkranz sowie mit den Attributen der Ecclesia ausgezeichnet und steht auf dem Halbmond. Ein achtstrahliger Stern mit dem segnenden, kreuznimbierten Jesuskind schmückt ihren Schoss. Diese Bildformel vereinigt in konzentrierter Form Allusionen auf Maria als Gottes Gebärerin, als Ecclesia, als apokalyptisches Weib und als Himmelskönigin.
239
Der Text ist bei Rosenthal 1976, S. 65, Fig. 8 abgebildet. Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 436, Nr. 4563. 241 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 389, Nr. 7568. 240
267
Provenienz Das Fragment wurde 1959 von Lessing J. Rosenwald der National Gallery of Art als Geschenk überreicht. Rosenwald hatte es drei Jahre zuvor von Otto Wertheimer erworben. Von den zwei Sammlerzeichen weist das eine darauf hin, dass sich das Blatt bei Hachette in Paris befunden hatte, und das andere stammt von einem nicht identifizierten Sammler mit den Initialen PW.242 Forschungsstand und Kommentar Gestützt auf ein Gutachten von Carl Nordenfalk hielt E. Rosenthal das Washingtoner Fragment aufgrund seiner aussergewöhnlichen Ikonographie und der Tatsache, dass die Initialminiatur über den Textblock hinausragt, für eine Fälschung des 19. Jahrhunderts. Nach der Einsichtnahme in das Original konnte L. Wüthrich seine Echtheit nachweisen. Die Textfragmente auf der Rückseite stellen Teile der Laudesgesänge zum Fest der Verkündigung und nicht – wie in der Forschung gesagt wurde – zum Fest der Himmelfahrt Mariae dar. Die Initialminiatur N gehört zur Antiphon «Ne timeas...».243 Das Einzelblatt stammt somit aus dem Winterteil eines Antiphonars. Im Graduale von St. Katharinental (Kat.-Nr. 34) bebildert die Darstellung MariaeEcclesia ebenfalls das Fest der Verkündigung an Maria (Sequenz), sie wird jedoch von Johannes dem Evangelisten begleitet.244 Weitere ikonographisch verwandte Beispiele – zu erwähnen wären etwa die beiden Psalterien Clm 15909 der Bayerischen Staatsbibliothek München245 und Add. Ms. 22279 im British Museum in London (fol. 69v; Marti 2002, Abb. 58, S. 164) – zeigen, dass dieses Bildthema am Hochrhein geläufig war. literatur Seiferth, Wolfgang: Synagoge und Kirche im Mittelalter, München 1964, Abb. 45. – Rosenthal 1976, S. 62, Abb. 3 («Fälschung»). – Wüthrich, Lukas: Redaktionelle Anmerkung zu Rosenthal E.: Illuminations from a Dominican Gradual of about 1300. In: ZAK 33, 1976, S. 66. – Urner-Astholz, Hildegard: Die beiden ungeborenen Kinder auf Darstellungen der Visitatio. In: ZAK 38, 1981, S. 50–51. – Beer
242
Angaben gemäss Brief der National Gallery of Art in Washington (G. D. Jecmen) vom 22.3.1995. 243 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 347, Nr. 3863. – Guerini, 1921, S. 87. Vgl. dazu auch die dominikanische Antiphonarhandschrift Cod. 10771, foll. 244v–245r, in der Vatikanischen Bibliothek (Kat.-Nr. 19). 244 Beer 1983, S. 176–177. – Wehrli-Johns 1995, S. 265, weist darauf hin, dass nach Albert d. Grossen Ecclesia resp. das Apokalyptische Weib «zugleich die Kirche in ihrer Vollendung und die Vollkommenheit der vita contemplativa symbolisiert.» 245 Abb. 514 bei Swarzenski 1934, Tafel 87.
268
1983, S. 168. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 3. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 h, S. 231.
Kat.- nr. 22 j
Tafel 9d
Deutschland, Privatsammlung Fragment, historisierte Initiale n mit schreibendem evangelisten und Christus als dem guten Hirten, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 102 x 102 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textura Latein Bildthema Die goldgrundige Initialminiatur zeigt links einen Schreibenden, über seinem Haupt eine herabschwebende, nimbierte Taube als Symbol für die Inspiration und vor ihm den das Opferlamm tragenden Christus als Guten Hirten. Sowohl das Lamm als auch Christus sind mit dem Kreuznimbus ausgezeichnet. Umschlossen wird die Darstellung vom unzialen, aus fantastischen Drachenleibern geformten Buchstaben N. Das Gleichnis vom Guten Hirten ist sowohl im Evangelium des Johannes als auch des Lukas überliefert (Joh 10,1–16; Lk 15,3–7).246 Provenienz Das Blatt soll aus der Sammlung des Opernsängers Count John McCormack, Moore Abbey, County Kildare, Irland, stammen.247 Forschungsstand und Kommentar Der Kontext des Fragmentes ist kaum zu ermitteln, da auf der Vorderseite der Text völlig weggeschnitten und die Rückseite grösstenteils mit Papier überklebt ist. Erkennbar bleiben nebst einer Fleuronnée-Initiale E einige Corpora. Letzteres belegt, 246 247
LCI, Bd. 2, Sp. 289ff. Ferrini 1987, S. 7.
269
dass es sich um einen Ausschnitt aus einer Choralhandschrift handelt. Ohne Kenntnis des Textes ist die eindeutige Identifikation des Schreibenden und die Einordnung in den liturgischen Kontext nicht möglich. Aufgrund stilistischer Merkmale, des ornamentalen Repertoires, der Farbpalette und des Miniaturformates kann der Blattausschnitt der Gruppe von Fragmenten zugeordnet werden, die alle zu einer dominikanischen Antiphonarhandschrift gehört haben. literatur Ferrini 1987, Nr. 2, S. 7–8. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 j, S. 232.
Kat.- nr. 22 k
Abb. 36
München, Staatliche graphische Sammlung, Inv. nr. 40250 Fragment, zwei Medaillons mit schreibenden evangelisten, aus einem Antiphonar Hochrhein, um 1300 Pergament, 116 x 65 mm Deckfarbe und Gold Text Auf der Rückseite haben sich lediglich Teile von vier roten Notenlinien und Abdrucke eines anderen Schriftstückes erhalten. Bildthema Das kleine Bruchstück zeigt zwei übereinander gestellte Medaillons mit eingeschriebenen Vierpässen, in denen jeweils schreibende Evangelisten (Lukas und Markus) vor Goldgrund dargestellt sind. Der Blattausschnitt hat wohl den unteren Teil einer gerahmten Medailloninitiale (I-Initiale?) gebildet. Aus stilistischen Gründen dürfte er, wie die zehn anderen Fragmente, Bestandteil der postulierten dominikanischen Handschrift gewesen sein.
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Provenienz Das Blatt ist 1920 vom Bayerischen Nationalmuseum an den jetzigen Standort überführt worden.248 Forschungsstand und Kommentar Der Passepartout trägt den Hinweis auf das Münchner Fragment mit dem Judaskuss (Kat.-Nr. 22 b) und auf die Publikation von A. Stange.249 Gemäss Karteieintrag der Staatlichen Graphischen Sammlung wird das Blatt als «fränkisch (Kaisheim), um 1300» bezeichnet, und es soll aus derselben Handschrift wie ein Fragment des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg sowie zwei weiteren im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt stammen.250 Wie nachfolgende Forschungen ergeben haben, handelt es sich bei den genannten Membra disiecta um Teile der I-Initiale zum Palmsonntag aus dem Graduale von St. Katharinental.251 E. J. Beer hat 1965 das Fragment in einen Zusammenhang mit den bereits von H. Swarzenski publizierten, oberrheinischen Einzelblättern gebracht und die These aufgestellt, dass es sich um den unteren Teil einer gerahmten Leiste (I-Initiale?) handeln könnte. Bei der Analyse der Medailloninitialen im Graduale von St. Katharinental bespricht E. J. Beer auch das vorliegende Bruchstück, das sie ohne Zweifel für einen Bestandteil der verloren gegangenen Antiphonarhandschrift hält, und folgert daraus, dass diese bereits mit dem Typus der Medailloninitiale ausgestattet gewesen war.252 literatur Stange 1934, S. 195. – Beer 1965 bis, S. 139. – Beer 1983, S. 187, Anm. 273. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 7, Abb. 149. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 14 k, S. 233.
248
Laut Inventar der Staatlichen Graphischen Sammlung. Zudem trägt das Fragment den Stempel des Bayerischen Nationalmuseums. 249 Stange 1934, S. 195: Kaisheim, um 1300. 250 Gemäss Auskunft der Staatlichen Graphischen Sammlung wurde die Kartei um 1950 von E. Steingräber angefertigt. Bei den zwei genannten Fragmenten handelt es sich um: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Mm. 34 kl.fol. = Bredt 26; Frankfurt, Städelsches Kunstinstitut, Inv. Nr. 14312. 251 Beer 1959, S. 122–124. – Beer 1983, S. 174–176. 252 Beer 1983, S. 187, Anm. 273.
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Abb. 34: Kat.-Nr. 22 c, Höllenfahrt Christi
Abb. 35: Kat.-Nr. 22 f, Szenen aus der Vita der hl. Agnes
Abb. 37: Kat.-Nr. 23, Gefangennahme des Einhorns
Abb. 36: Kat.-Nr. 22 k, zwei Medaillons mit schreibenden Evangelisten
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Kat.- nr. 23
Abb. 37
Schweiz, Privatsammlung Fragment, historisierte Initiale o mit der gefangennahme des einhorns Hochrhein, um 1300 Pergament, 115 x 86 mm Tinte, Deckfarben Textura Latein Text Auf der Rückseite des Blattes haben sich schlecht lesbare Textbruchstücke und Notencorpora erhalten: 1. Zeile: unlesbar. 2. Zeile: «...hangeli et...» 3. Zeile: «um die». Es könnte sich um Ausschnitte aus der Antiphon: «[Celebremus conversionem sancti pauli apostoli quia hodie expersecutore effectus est vas electionis. Ideo gaudent angeli letantur arc]hangeli et [collaudant in celis fili]um die» handeln. Bildthema Die nahezu quadratische Initialminiatur zeigt mit der Gefangennahme des Einhorns ein seltenes Bildthema. Gemäss Physiologus lässt sich das Einhorn nur von einer Jungfrau fangen; indem es seinen Kopf in ihren Schoss legt, wird es zahm. Das durch einen Baum unterteilte Bildfeld zeigt rechts eine sitzende Jungfrau mit erhobenen Händen. In ihrem Schoss ruht das Horn des Tieres, dessen Körper von der Lanze des links stehenden Jägers durchbohrt wird. Als Sinnbild für die Menschwerdung Christi durch die Jungfrau Maria erscheint diese Darstellung oft im mariologischem Kontext.253 Provenienz Dieses Fragment ist zusammen mit Kat.-Nr. 22 a 1991 im Kunsthandel aufgetaucht254 und befindet sich in Schweizer Privatbesitz. 253
WEHRHAHN-STAUCH, Liselotte: Einhorn. In: RDK, Bd. 4, Sp. 1504–1544. – EINHORN, J. W.: Spiritualis unicornis. Das Einhorn als Bedeutungsträger in Literatur und Kunst des Mittelalters, (Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 13), München 1976, insbesondere Kapitel D und E des III. Teils. 254 Auktionskatalog Christie‘s, Dezember 1991, Nr. 7, S. 18.
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Forschungsstand und Kommentar Da auf der Rückseite Notenlinien überliefert sind, dürfte das Fragment aus einer Choralhandschrift stammen. In Berücksichtigung der Ikonographie könnte die Initialminiatur O den ersten Vespergesang «O [admirabile]» zum Fest Mariä Lichtmess illuminiert haben. Beim Text auf der Rückseite dürfte es sich um einen Ausschnitt aus den Laudes des vorangehenden Festes zur Bekehrung des hl. Paulus handeln. In stilistischer Hinsicht ist das Fragment eng verwandt mit den Membra disiecta aus einer dominikanischen Antiphonarhandschrift (Kat.-Nr. 22 a–k) und dürfte aus derselben Werkstatt stammen; es weist jedoch im Unterschied zu diesen keinen Goldgrund auf. literatur Auktionskatalog Christie’s, Dezember 1991, London 1991, S. 18, mit Abb. – Kessler 1997, KE 15, S. 233.
Kat.- nr. 24 Schweiz, Privatsammlung Fragment, Miniatur mit genesiszyklus Hochrhein, um 1300 Pergament, 142 x 103 mm, beschnitten Deckfarbe und Gold Text Keiner überliefert. Bildthema Die hochrechteckige, gerahmte Miniatur ist in sechs Bildfelder unterteilt und zeigt von oben links nach unten rechts: die Erschaffung der Himmelskörper, die Trennung von Wasser und Erde, die Schöpfung der Vögel und Hasen sowie – im nachfolgenden Kompartiment – der Fische, die Erschaffung Evas aus der Seite Adams und endet oben rechts mit dem ausruhenden Gottvater, dem zwei Engel huldigen.255 255
LCI, Bd. 4, Sp. 99ff.
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Provenienz Unbekannt. Forschungsstand und Kommentar H. Swarzenski stellte 1934 die Hypothese auf, dass das Genesisblatt eventuell den Antiphonarfragmenten (Kat.Nr. 22 a–k) zuzuordnen sei. Nach Einsichtnahme in das Original kann dieser These aufgrund der unterschiedlichen Stilsprache nicht beigepflichtet werden. Über die Zuordnung zu einer Buchgattung können wegen des fehlenden Textes nur Vermutungen angestellt werden. Denkbar wäre, dass die Miniatur einer Bibelhandschrift oder einem Psalter entnommen wurde. Im kürzlich erschienenen Aufsatz über die Wandmalereien der Galluskapelle in Oberstammheim geht P. Obergfell davon aus, dass das Einzelblatt im Elsass – wohl in Strassburg – entstanden sei. literatur Swarzenski 1936, S. 54, Anm. 1, Abb. 611. – Obergfell 1995, S. 198–200.
Kat.- nr. 25
Abb. 38, Tafel 10
Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 848256 Manessische liederhandschrift Zürich, 1300 bis 1340 Buchköper Pergament, 426 Blätter, 355 x 250 mm. Lagen: VI (aus z. T. zusammengenähten Einzelblättern bestehend), VI+3, VI-1, Lage 4 und 5 enthalten die Überreste mehrerer Lagen; VI-1, VI+1, VI, VI-1, VI, VI+2, VI, VI-2, V, VI, VI-2, VI, VI-1, 6 VI257, VI-4, VI-3, VI-3, 3 VI, VI-2, 5 VI, VI-1, VI-1. Lagennummerierungen: mehrere. Reklamanten: Es hat sich nur eine Reklamante auf fol. 135v erhalten.
256 257
Trägt in der Minnesangforschung die Sigle «C». Der Lage 30 sind zwei Blätter vorgeheftet. Dabei handelt es sich wohl um den Überrest eines ganzen Senio.
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Foliierungen: Reste einer Foliierung mit römischen Ziffern sowie einer nach Doppelblättern; die heute gültige, durchgängige wurde in Paris ausgeführt. Der zweispaltige, mittelhochdeutsche Text zu 46 Zeilen wurde von 9 resp. 11 Schreibern in gotischen Minuskeln (Textualis) ausgeführt.258 Der Hauptteil stammt vom Schreiber A. Einband: Die Handschrift wurde nach der Faksimilierung im Jahre 1925 neu eingebunden. Der damals abgelöste Einband ist erhalten und wird ebenfalls in Heidelberg aufbewahrt. Es handelt sich um den Einband, den die Handschrift bei ihrem Eingang in die Bibliothek Ludwigs XIV. erhalten hatte. Inhalt Foll. 4v–5v Inhaltsverzeichnis; fol. 6v Kaiser Heinrich; fol. 7v König Konrad der Junge; foll. 8v–9v König Tyro von Schotten; foll. 10v–11r König Wenzel von Böhmen; fol. 12r Herzog Heinrich von Breslau; foll. 13v–14r Markgraf Otto von Brandenburg; fol. 15r–15v Markgraf Heinrich von Meissen; fol. 17v Der Herzog von Anhalt (Graf Heinrich von Anhalt); foll. 18v–19r Herzog Johann von Brabant; foll. 20v–22r Graf Rudolf von Neuenburg; fol. 23r–23v Graf Kraft von Toggenburg; foll. 24v–25r Graf Konrad von Kirchberg; fol. 26v Graf Friedrich von Leiningen; foll. 27v–28v Graf Otto von Botenlauben; fol. 29v Der Markgraf von Hohenburg; foll. 30v–32r Herr Heinrich von Veldeke; foll. 33r–41v Herr Gottfried von Neifen (Neuffen); fol. 42v Graf Albrecht von Heigerloch; fol. 44r–44v Graf Wernher von Hohenberg; fol. 47r–47v Herr Jakob von Warte; fol. 49r–49v Bruder Eberhard von Sax; foll. 52v–53v Herr Walter von Klingen; foll. 54v–59r Herr Rudolf von Rotenburg; foll. 60r–61r Herr Heinrich von Sax; fol. 62r–62v Herr Heinrich von Frauenberg; fol. 63v Der von Kürenberg; foll. 64v–66r Herr Dietmar von Ast; foll. 67r–68v Der von Gliers; foll. 69v–70r Herr Wernher von Teufen; fol. 71r Herr Heinrich von Stretelingen; foll. 72v–73r Herr Kristan von Hamle; foll. 73v– 75r Herr Ulrich von Gutenburg; fol. 76r Herr Heinrich von der Mure; foll. 77r– 81r Herr Heinrich von Morungen; fol. 83r–83v Der Schenk von Limburg; foll. 85r–95r Schenk Ulrich von Winterstetten; foll. 98v–108v Herr Reinmar der Alte; foll. 110v–113r Herr Burkart von Hohenfels; fol. 114r Herr Hesso von Reinach; fol. 115v Der Burggraf von Lienz; foll. 117r–119r Herr Friedrich von Hausen; fol. 120r Der Burggraf von Rietenburg; fol. 121r–121v Herr Meinloh von Sevelingen; foll. 122v–123v Herr Heinrich von Rugge; foll. 124v–145v Herr Walther von der Vogelweide; foll. 146v–148r Herr Hiltbolt von Schwangau; fol. 150r–150v Herr Wolfram von Eschenbach; foll. 151v–155v von Singenberg, Truchsess zu St. Gal258
Die Anzahl der unterschiedenen Schreiberhände differiert: Salowsky 1988, S. 423–427, nennt 9 Hände, während Werner 1981, S. 18–20, 11 – bereits in der älteren Forschung genannte – Hände einer kritischen Diskussion unterzieht.
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len; foll. 158v–159r Der von Sachsendorf; fol. 161r–161v Wachsmut von Künzingen; fol. 163r–163v Herr Wilhelm von Heinzenburg; fol. 165r Herr Leuthold von Seven; foll. 167r–168r Herr Walther von Metze; foll. 170r–174r Herr Rubin; foll. 178v–179r Herr Bernger von Horheim; foll. 180r–181r Der von Johansdorf; fol. 182r Engelhart von Adelnburg; fol. 183r Herr Bligger von Steinach; fol. 184r Herr Wachsmut von Mühlhausen; foll. 185r–187r Herr Hartmann von Aue; foll. 188v– 189r Herr Reinmar von Brennenberg; foll. 191r–192r Johann von Ringgenberg; fol. 193r Albrecht Marschall von Rapperswil; foll. 194v–195v Herr Otto vom Turne; fol. 198r Herr Goesli von Ehenheim; fol. 201v Der von Wildonie; fol. 203r Von Suonegge; fol. 204v Von Scharpfenberg; foll. 205v–209v Herr Konrad, der Schenk von Landeck; foll. 213v–216v Der Winsbeke; foll. 217v–219r Die Winsbekin; foll. 220r–226r Klingsor von Ungarland; fol. 227r–227v Kristan von Luppin, ein Thüring; foll. 228v–229r Herr Heinrich Hetzbold von Weissensee; fol. 230r–230v Der Düring; foll. 231v–232v Winli; foll. 237v–247r Herr Ulrich von Lichtenstein; fol. 248r Von Munegiur; fol. 249r Von Raute; fol. 250r Herr Konrad von Altstetten; fol. 251v Herr Bruno von Hornberg; foll. 252v–253r Herr Hug von Werbenwag; fol. 254r–254v Der Püller; foll. 255v–256r Von Trostberg; fol. 257r Hartmann von Starkenberg; fol. 258r Von Stadegge; fol. 259r Herr Brunwart von Augheim; fol. 261v Von Stamheim; fol. 263r–263v Herr Goeli; foll. 264v–269v Der Tannhäuser; foll. 271v–272r Von Buchheim; foll. 273v–280v Herr Neidhart; foll. 282r–284r Meister Heinrich Teschler; foll. 285v–286v Rost, Kirchherr zu Sarnen; foll. 290v–291v Der Hardegger; foll. 293r–294r Der Schulmeister von Esslingen; foll. 295r–296r Breisach; fol. 299v Von Wissenlo; fol. 300v Von Wengen; fol. 302v Herr Pfeffel; foll. 303v–304r Der Taler; foll. 305v–307r Der tugendhafte Schreiber; foll. 309r– 310v Steinmar; fol. 311v Herr Alram von Gresten; fol. 312v Herr Reinmar der Fiedler; foll. 313v–314r Herr Hawart; foll. 315r–316r Herr Günther von dem Vorste; fol. 317r–317v Herr Friedrich der Knecht; fol. 318v Der Burggraf von Regensburg; foll. 319v–320r Herr Niune; fol. 321r Herr Geltar; fol. 322r Herr Dietmar der Setzer; foll. 323v–338r Herr Reinmar von Zweter; foll. 339v–340r Der junge Meissner; fol. 342r Der alte Meissner; fol. 343r–343v Von Obernburg; foll. 345r–347v Bruder Wernher; foll. 349v–354v Der Marner; foll. 355v–356r Süsskind, der Jude vom Trimberg; fol. 358r Gast; foll. 359v–360v Von Buwenburg; fol. 361v Heinrich von Tettingen; fol. 362v Rudolf der Schreiber; foll. 364v–368r Meister Gottfried von Strassburg; foll. 371v–380v Meister Johannes Hadlaub; fol. 381v Regenbogen; foll. 383v–391r Meister Konrad von Würzburg; fol. 394v Kunz von Rosenheim; fol. 395v Rubin von Rüdeger; fol. 396v Der Kol von Nüssen; fol. 398r Der Dürner; foll. 399v–404r Meister Heinrich Frauenlob; foll. 407v–409r Meister Friedrich von Sonnenburg; foll. 410v–411v Meister Sigeher; foll. 412v–413r Der wilde Alexander; foll. 414r–415r Meister Rumslant; foll. 416r–417v Spervogel; foll. 418v–421v Boppe; fol. 422v Der Litschauer; foll. 424r–428r Der Kanzler. 277
Ausstattung Je eine ganzseitige, gerahmte Miniatur vor hellem Pergamentgrund mit einem Porträt des Dichters eröffnet 137 der insgesamt 140 Werkkomplexe: fol. 6r Kaiser Heinrich; fol. 7r König Konrad der Junge; fol. 8r König Tyro von Schotten; fol. 10r König Wenzel von Böhmen; fol. 11v Herzog Heinrich von Breslau; fol. 13r Markgraf Otto von Brandenbrug; fol. 14v Markgraf Heinrich von Meissen; fol. 17r Der Herzog von Anhalt (Graf Heinrich von Anhalt); fol. 18r Herzog Johann von Brabant; fol. 20r Graf Rudolf von Neuenburg; fol. 22v Graf Kraft von Toggenburg; fol. 24r Graf Konrad von Kirchberg; fol. 26r Graf Friedrich von Leiningen; fol. 27r Graf Otto von Botenlauben; fol. 29r Der Markgraf von Hohenburg; fol. 30r Herr Heinrich von Veldeke; fol. 32v Herr Gottfried von Neifen (Neuffen); fol. 42r Graf Albrecht von Heigerloch; fol. 43v Graf Wernher von Homberg; fol. 46v Herr Jakob von Warte; fol. 48v Bruder Eberhard von Sax; fol. 52r Herr Walter von Klingen; fol. 54r Herr Rudolf von Rotenburg; fol. 59v Herr Heinrich von Sax; fol. 61v Herr Heinrich von Frauenberg; fol. 63r Der von Kürenberg; fol. 64r Herr Dietmar von Ast; fol. 66v Der von Gliers; fol. 69r Herr Wernher von Teufen; fol. 70v Herr Heinrich von Stretlingen (Abb. 38); fol. 71v Herr Kristan von Hamle; fol. 73r Herr Ulrich von Gutenburg; fol. 75v Herr Heinrich von der Mure; fol. 76v Herr Heinrich von Morungen; fol. 82v Der Schenk von Limburg; fol. 84v Schenk Ulrich von Winterstetten; fol. 98r Herr Reinmar der Alte; fol. 110r Herr Burkart von Hohenfels; fol. 113v Herr Hesso von Reinach; fol. 115r Der Burggraf von Lienz; fol. 116v Herr Friedrich von Hausen; fol. 119v Der Burggraf von Rietenburg; fol. 120v Herr Meinloh von Sevelingen; fol. 122r Herr Heinrich von Rugge; fol. 124r Herr Walther von der Vogelweide; fol. 146r Herr Hiltbolt von Schwangau; fol. 149v Herr Wolfram von Eschenbach; fol. 151r von Singenberg, Truchsess zu St. Gallen; fol. 158r Der von Sachsendorf; fol. 160v Wachsmut von Künzingen; fol. 162v Herr Wilhelm von Heinzenburg; fol. 164v Herr Leuthold von Seven; fol. 166v Herr Walther von Metze; fol. 169v Herr Rubin; fol. 178r Herr Bernger von Horheim; fol. 179v Der von Johansdorf; fol. 181v Engelhart von Adelnburg; fol. 182v Herr Bligger von Steinach; fol. 183v Herr Wachsmut von Mühlhausen; fol. 184v Herr Hartmann von Aue; fol. 188r Herr Reinmar von Brennenberg; fol. 190v Johann von Ringgenberg; fol. 192v Albrecht Marschall von Rapperswil; fol. 194r Herr Otto vom Turne; fol. 196r namenlos259; fol. 197v Herr Goesli von Ehenheim; fol. 201r Der von Wildonie; fol. 202v Von Suonegge; fol. 204r Von Scharpfenberg; fol. 205r Herr Konrad, der Schenk von Landeck; fol. 213r Der Winsbeke; fol. 217r Die Winsbekin; fol. 219v Klingsor von Ungarland; fol. 226v Kristan von Luppin, ein Thüring; fol. 228r Herr Heinrich Hetzbold von Weissensee; fol. 229v Der Düring; fol. 231r Winli; fol. 237r Herr Ulrich von Lichtenstein; fol. 247v Von Mu259
Skizzierte, unvollendete Miniatur.
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negiur; fol. 248v Von Raute; fol. 249v Herr Konrad von Altstetten; fol. 251r Herr Bruno von Hornberg; fol. 252r Herr Hug von Werbenwag; fol. 253v Der Püller; fol. 255r Von Trostberg; fol. 256v Hartmann von Starkenberg; fol. 257v Von Stadegge; fol. 258v Herr Brunwart von Augheim; fol. 261r Von Stamheim; fol. 262v Herr Goeli; fol. 264r Der Tannhäuser; fol. 271r Von Buchheim; fol. 273r Herr Neidhart; fol. 281v Meister Heinrich Teschler; fol. 285r Rost, Kirchherr zu Sarnen; fol. 290r Der Hardegger; fol. 292v Der Schulmeister von Esslingen; fol. 299r Von Wissenlo; fol. 300r Von Wengen; fol. 302r Herr Pfeffel; fol. 303r Der Taler; fol. 305r Der tugendhafte Schreiber; fol. 308v Steinmar; fol. 311r Herr Alram von Gresten; fol. 312r Herr Reinmar der Fiedler; fol. 313r Herr Hawart; fol. 314v Herr Günther von dem Vorste; fol. 316v Herr Friedrich der Knecht; fol. 318r Der Burggraf von Regensburg; fol. 319r Herr Niune; fol. 320v Herr Geltar; fol. 321v Herr Dietmar der Setzer; fol. 323r Herr Reinmar von Zweter; fol. 339r Der junge Meissner; fol. 342v Von Obernburg; fol. 344v Bruder Wernher; fol. 349r Der Marner; fol. 355r Süsskind, der Jude vom Trimberg; fol. 359r Von Buwenburg; fol. 361r Heinrich von Tettingen; fol. 362r Rudolf der Schreiber; fol. 364r Meister Gottfried von Strassburg; fol. 371r Meister Johannes Hadlaub; fol. 381r Regenbogen; fol. 383r Meister Konrad von Würzburg; fol. 394r Kunz von Rosenheim; fol. 395r Rubin von Rüdeger; fol. 396r Der Kol von Nüssen; fol. 397v Der Dürner; fol. 399r Meister Heinrich Frauenlob; fol. 407r Meister Friedrich von Sonnenburg; fol. 410r Meister Sigeher; fol. 412r Der wilde Alexander; fol. 413v Meister Rumslant; fol. 415v Spervogel; fol. 418r Boppe; fol. 422r Der Litschauer; fol. 423v Der Kanzler. Von den über 5’000 Fleuronnée-Initialen leiten die grösseren das Werk eines jeden Dichters ein und die kleineren markieren den Beginn der einzelnen Liedstrophen. Sie sind in der Regel in den Farben Rot und Blau gehalten, in Ausnahmefällen tritt Violett hinzu.260 Provenienz Vom bereits ausführlich beschriebenen, wechselvollen Schicksal der Handschrift sollen hier lediglich die wichtigsten Etappen erwähnt werden:261 Auf Grund einer um 1580 angefertigten Wappenkopie ist anzunehmen, dass sich der Codex Manesse zu dieser Zeit in Frankreich oder in den angrenzenden belgischen Niederlanden befunden hatte. Er tauchte dann im Nachlass des 1596 verstorbenen Johann Philipp Freiherr von Hohensax auf. Wie verschiedene Erwähnungen belegen, wurde die Handschrift in den folgenden Jahren von Gelehrten wie dem St. Galler Bartholomäus Schobinger, Melchior Goldast oder vom Zürcher Chorherrn Wilhelm Stucki einge260 261
Illuminator J5, S. Salowsky 1988, S. 437. Werner 1988, S. 1–21. – Mittler 1988, S. 22–67.
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sehen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts befand sie sich im Besitz der Kurfürsten in Heidelberg. Von dort gelangte sie, möglicherweise über Rom, wo noch heute der Rest der Bibliotheca Palatina aufbewahrt wird, auf ungeklärten Wegen nach Paris in den Besitz von Jacques Dupuy, Kustos der Bibliothek Ludwigs XIV. Dessen Büchersammlung ging im Jahre 1656 als Legat in die königliche Bibliothek, die spätere Bibliothèque nationale, ein. Die Rückführung der Handschrift nach Heidelberg im Jahre 1888 kam dank eines von Karl Ignaz Trübner, Buchhändler und Verleger, geschickt arrangierten Tauschhandels zwischen Lord Ashburnham, der Bibliothèque nationale in Paris und Deutschland zustande. Forschungsstand und Kommentar Die «Manessische Liederhandschrift»262, nach ihrem Standort auch «Grosse Heidelberger Liederhandschrift»263 genannt, stellt die wichtigste Quelle mittelhochdeutscher Sangeskunst dar, umfasst sie doch Lieder, Leiche und Sprüche von den Anfängen um 1150 bis etwa 1330. Sie wurde in der Spätzeit des mittelhochdeutschen Minnesangs als repräsentative und möglichst vollständige Kompilation der Minnelyrik – ohne Melodieüberlieferung – als «offene Sammlung» angelegt und entstand in mehreren Etappen. Ein Grossteil der insgesamt 140 verschiedenen Textkorpora und der 137 Miniaturen wurde kurz nach 1300 vom Schreiber As und dem Grundstockmeister geschaffen.264 Die restlichen 30 Sängerkorpora und 27 Miniaturen sind in vier Phasen bis ca. 1330/40 von neun resp. elf Schreibern265 und drei Nachtragsmalern angefertigt worden. Beim reichhaltigen Schmuck mit Fleuronnée-Initialen werden sechs Floratoren unterschieden. Die Texte sind nach ihren Autoren geordnet, diese wiederum nach dem ständischen Ordnungsprinzip. Die Handschrift mit ihrer wechselvollen Geschichte weist jedoch Textverluste auf und trägt Spuren nachträglicher Umordnungen. Die Texte der einzelnen Autoren werden jeweils mit einer ganzseitigen Miniatur, einem Autorenporträt, eingeleitet. Bei der Motivwahl liessen sich die Auftraggeber und Maler vom Beruf, Stand oder Namen des Dichters, vom Inhalt des Liedes und von historischen Ereignissen inspirieren.
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Diesen Namen erhielt sie von Johann Jakob Bodmer, der 1748 Teile der Handschrift unter dem Titel «Proben der alten schwäbischen Poesie des dreyzehnten Jahrhunderts» edierte. 263 Im Unterschied zur «Kleinen Heidelberger Liederhandschrift», Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 357, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts im Elsass entstanden ist. Sie trägt in der Minnesangforschung die Sigle «A». 264 In der ersten Phase war noch der Schreiber Ms mitbeteiligt. Er hat die Texte Hadlaubs geschrieben. 265 Die Anzahl der unterschiedenen Schreiberhände differieren: Salowsky 1988, S. 423–427 nennt 9 Hände, während Werner 1981, S. 18–20, 11 – bereits in der älteren Forschung genannte Hände – einer kritischen Diskussion unterzieht.
280
Als Vorlage für die künstlerische Umsetzung haben den Malern Elfenbeinreliefs, Minnekästchen, Randillustrationen in zeitgenössischen niederländischen und nordfranzösischen Handschriften sowie deutsche Lyrik- und Epenhandschriften gedient. Die Kompilationstechnik bezüglich der Motive ist auch bei der Formensprache zur Anwendung gekommen. Sie weist neben ihrem zitierenden Charakter aktuellste Stilelemente auf und erlangt in dieser Synthese eine einmalige Wirkung. Die bei Zürcher Wandmalereien aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhunderts zu beobachtende Rezeption des Stils des Grundstockmeisters stellt ein Argument für die Lokalisierung nach Zürich dar. Dafür sprechen weiter die Nennung von Rüdiger und Johannes Manesse im Gedicht von Johannes Hadlaub, die besondere künstlerische Ausstattung der Hadlaubschen Texte, die Sonderbehandlung von Zürcher Sängern und Dichtern, paläographische und orthographische Besonderheiten sowie die Stilverwandtschaft der Fleuronnée-Initialen mit solchen der «Zürcher Gruppe» (s. Kapitel 3). Das letzte Argument soll näher betrachtet werden. In diesem Zusammenhang ist die Ursammlung (foll. 4–41, Tafel 10)) von Interesse.266 Sie umfasste zunächst die ersten zwei Lagen, zu einem späteren Zeitpunkt wurde eine weitere hinzugefügt und alle drei wurden neu geordnet. Sie beinhaltet acht Liedkorpora. Jeder ist eine Miniatur von der Hand des Grundstockmeisters vorangestellt. Den Beginn der Liedkorpora zieren jeweils grosse Fleuronnée-Initialen, die vom Florator J1 gezeichnet worden sind. Viele kleine Fleuronnée-Initialen schmücken die Liedstrophenanfänge. In der Diskussion über den Entstehungsort der Manessischen Liederhandschrift wurde bereits früher auf die Stilverwandtschaft der Fleuronnée-Initialen mit anderen Handschriften zürcherischer Provenienz hingewiesen.267 In ihrer Dissertation «Der Manessekreis, seine Dichter und die Manessische Handschrift» teilt H.-E. Renk die Fleuronnée-Initialen des Codex Manesse in vier Gruppen (Stil I–IV) ein und bringt die Fleuronnée-Initialen der Brevierfragmente (Kat.-Nr. 12) als weitgehend mit dem Stil I übereinstimmende Vergleichsbeispiele.268 Im Gegensatz zu H.-E. Renk unterscheidet H. Salowsky in seiner Untersuchung über «Initialschmuck und Schreiberhände» des Codex Manesse sechs Kalligraphen (J1–J6) und vergleicht bei der Charakterisierung des Kalligraphen J1 dessen Fleuronnée-Initialen mit denjenigen der Zürcher Brevierfragmente und des Psalmenkommentars in Fulda (Kat.-Nr. 6) und kommentiert den Vergleich wie folgt: «[Letztere, c.k.] weisen in der Tat eine so weitgehende Übereinstimmung fast jeden Details mit dem J1Fleuronnée im Manessecodex auf, dass die Annahme einer Entstehung beider Hand-
266
Kornrumpf 1988. – Salowsky 1993. Renk 1974, S. 111, Anm. 11, S. 133–134. – Im Ausstellungskatalog «edele frouwen – schoene man», S. 37, hat M. Schiendorfer diese Thesen erneut aufgegriffen und diskutiert. 268 Renk 1974, S. 111, Anm. 11, S. 133–134. 267
281
schriften aus gleicher Werkstatt-Tradition sich geradezu aufdrängt.»269 Aus dieser Werkstattnähe schliesst er, J1 sei wohl in einem geistlichen Skriptorium ausgebildet worden. Seine Mitarbeit beschränke sich auf Teile der Lagen II und III. Die dazugehörigen Texte stammten vom Schreiber As. Dieser sei jedoch nicht identisch mit demjenigen des Breviers oder des Psalmenkommentars.270 Dank der Zuordnung der Fleuronnée-Initialen der Ursammlung des Codex Manesse zum Denkmälerbestand des zürcherischen Kunstkreises, namentlich zur «Zürcher Gruppe», konnte ein weiteres überzeugendes Argument für dessen Lokalisierung nach Zürich gewonnen werden. Somit gelingt es, den Buchschmuck des Codex Manesse – in Ergänzung zu den Arbeiten von L. E. Saurma-Jeltsch und H. Salowsky – in einen erweiterten stilistischen und historischen Kontext zu stellen.271 literatur Codex Manesse. Die Grosse Heidelberger Liederhandschrift. Vollfaksimile des Codex Palatinus Germanicus 848 der Universitätsbibliothek Heidelberg. Frankfurt am Main 1975–1978. – Codex Manesse. Die Grosse Heidelberger Liederhandschrift. Kommentarband zum Faksimile des Codex Palatinus Germanicus 848 der Universitätsbibliothek Heidelberg. Koschorreck, Walter u. a. (Hrsg.). Frankfurt am Main 1981 (mit älterer Literatur). – Codex Manesse: die Miniaturen der grossen Liederhandschrift. Walther, Ingo F. (Hrsg.), unter Mitarbeit von Seibert, G., Frankfurt a. M. 1988. – Kat. Codex Manesse (mit älterer Literatur). – Kornrumpf 1988. – Kat. edele frouwen – schoene man. – Salowsky, Helmut: Codex Manesse. Beobachtungen zur zeitlichen Abfolge der Niederschrift des Grundstocks. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 122, Heft 3, 1993, S. 251– 270. – Schiendorfer 1993. – Gamper 1993. – Kessler 1997, KE 16, S. 234. – Kessler/Sauer 2002, S. 148, 149.
269
Salowsky 1988, S. 429. Salowsky 1988, S. 428–430. 271 Saurma-Jeltsch 1988. – Salowsky 1988.
270
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Abb. 38: Kat.-Nr. 25, fol. 70v, Dichter Heinrich von Stretelingen
Abb. 39: Kat.-Nr. 26, Dichter Heinrich von Stretelingen
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Kat.- nr. 26
Abb. 39
Krakau, Biblioteka Jagiellonska; ehemals Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. oct. 125 naglersches Fragment einer liederhandschrift Zürich, um 1300 Pergament, 2 Blätter, 171–174 x 107–119 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textualis Mittelhochdeutsch Text Auf der Rückseite der ganzseitigen Miniatur ist ein lateinischer Text aus dem 15. Jahrhundert über die böhmische Ketzerei erhalten. Das zweite Blatt enthält Textbruchstücke aus dem Werk des Grafen Kraft von Toggenburg. Bildthema Die ganzseitige Miniatur zeigt den Dichter Heinrich von Stretelingen im Gespräch mit seiner Dame. Seine auffordernden Worte «unterstreicht» er mit ausdrucksvollen Gebärden (Hände/Beinstellung). Sie reagiert mit entschiedener Ablehnung, was sie mit ihrer Körperhaltung und Geste zum Ausdruck bringt.272 Provenienz Die zwei Einzelblätter tragen den Namen ihres Vorbesitzers, des preussischen Staatsministers und Generalpostmeisters Karl Ferdinand von Nagler (1770–1846). Als Bestandteile seiner Bibliothek gingen sie in den 1830er-Jahren in den Besitz der königlichen Bibliothek in Berlin über. Lange nach dem zweiten Weltkrieg tauchte das verschollen geglaubte Fragment in Krakau auf. Forschungsstand und Kommentar Die beiden stark beschnittenen Blätter sind die einzigen Überreste einer weiteren bebilderten Liederhandschrift. Das eine überliefert eine ganzseitige Miniatur, die Heinrich von Stretelingen darstellt. Das andere Blatt enthält Textbruchstücke aus dem Werk des Grafen Kraft von Toggenburg. Sowohl der Text als auch die Miniatur weisen eine enge Verwandtschaft mit dem Codex Manesse (Kat.-Nr. 25) auf. Die 272
Saurma-Jeltsch 1988, S. 341.
284
bei einem Vergleich der beiden Darstellungen offensichtlichen Unterschiede erklärt sich die jüngere Forschung folgendermassen: Beide Darstellungen gehen auf die gleiche Vorlage zurück, wobei das Naglersche Fragment dieser getreuer folgt.273 Im Gegensatz dazu sah K. Martin in der Naglerschen Miniatur eine sich von derjenigen im Codex Manesse ableitende, also jüngere und auch provinziellere Darstellung. Bezüglich des Textverhältnisses scheint lediglich festzustehen, dass die Manessische Liederhandschrift als Vorlage für das Fragment nicht in Frage kommt (nicht nachgetragene Strophe C10, Orthographie und ältere Form der Texteinrichtung). literatur Martin, K.: Minnesänger. Vierundzwanzig farbige Wiedergaben aus der Manessischen Liederhandschrift, II. Baden-Baden 1964, S. 6–7. – Vetter 1981, S. 62– 63. – Beer 1987 bis, S. 74, 78. – Saurma-Jeltsch 1988, Nr. J 14, S. 340–341. – Voetz 1988, Nr. G 9, S. 249–250. – Kat. edele frouwen – schoene man, Nr. 114, S. 252. – Kessler 1997, KE 17, S. 235.
Kat.- nr. 27
Abb. 40
Stuttgart, Württembergische landesbibliothek, HB xIV 23 Jacobus de Voragine, legenda aurea Zürich, Anfang 14. Jahrhundert Buchkörper Pergament, 580 Blätter, 190 x 135 mm. Lagen: I, 35 VI, VI-4 (die letzten vier Blätter der Lage wurden weggeschnitten), 12 VI, VI-5 (die letzten 5 Blätter der Lage fehlen). Foliierung: fehlerhafte Bleistiftfoliierung. Reklamanten: Wortreklamanten jeweils am Lagenende, in der Regel weggeschnitten. Doppelblattsignaturen: in Bleistift, jeweils rechts unten, Kleinbuchstaben (a–f). Text: 2 Spalten à 36 bis 38 Zeilen, Gotica, braune bis schwarze Tinte. Rubrizierung: Randnotizen für den Rubrikator in brauner Tinte oftmals erhalten, Seitentitel wurden nur teilweise ausgeführt. 273
Vetter 1981, S. 63.
285
Einband: rotes Leder, stark beschädigt, Weingartner Signaturschild bruchstückhaft erhalten. Zustand: recht gut erhalten, bei den foll. 557–578 rechteckige Ausschnitte; bei den foll. 563–578 wurden die Ausschnitte teilweise mit Pergament geflickt und der fehlende Text ergänzt. Inhalt foll. 2r–578r Jacobus de Voragine, Legenda aurea, auf jede Legende folgt ein Sermo oder eine Gruppe von Sermones.274 Ausstattung Zwei deutlich unterscheidbare Gruppen von Fleuronnée-Initialen in Rot und Blau. 1. Gruppe foll. 2r bis 348v (= Lagenende): Zeichnet sich durch ein sehr feines Fleuronnée aus, das gekonnt und mit sicherem Duktus ausgeführt wurde. 2. Gruppe foll. 349r (= Lagenbeginn) bis 578v: Charakteristisch ist die gröbere Ausführung und das einfachere Formenrepertoire des Knospenfleuronnée. Auf foll. 87v–109v fehlen die Fleuronnée-Initialen, Raum ausgespart. Provenienz Die Handschrift ist 1630 beim Verkauf der Konstanzer Dombibliothek nach Weingarten gelangt, wie der Eintrag auf fol. 1v oben: «Monasterii Weingartensis Anno 1630» bezeugt.275 Die Handschrift gehörte zu jenem Teil der Weingartner Klosterbibliothek, der 1810 als Gründungsgut in die Hofbibliothek Stuttgart einging.276 Forschungsstand und Kommentar Die gepflegte Handschrift zeichnet sich durch die Verwendung von auffallend hellem und sehr feinem Pergament aus. Ihr ausschliesslich aus Fleuronnée-Initialen bestehender Buchschmuck lässt sich in zwei Gruppen aufteilen: Die erste Gruppe stimmt in ihrer Charakteristik mit dem Fleuronnée einer weiteren Legenda aurea (Karlsruhe BLB, Cod. U.H. 14, Kat.-Nr. 28) und der Ursammlung des Codex Manesse (Florator J 1, S. Kapitel 3) überein. Die zweite Gruppe hingegen vertritt dieselbe Stilstufe wie die Fleuronnée-Initialen des Florators J 4 des Codex Manesse.277 Die Stuttgarter Legenda aurea dürfte – wie HB VI 64 (Kat.-Nr. 3) – in Zürich entstanden, auf unbekanntem Weg nach Konstanz gekommen sein, in der dortigen 274
FLEITH, Barbara: Studien zur Überlieferungsgeschichte der lateinischen Legenda aurea. (Studia hagiographica 72) Brüssel 1991, S. 283, LA 851. 275 Sauer 1996, S. 41. 276 Sauer 1996, S. 40. 277 Ausführlich dazu Sauer 1996, S. 70.
286
Dombibliothek und nach deren Verkauf im Jahre 1630 in der Weingartner Klosterbibliothek gelegen haben.278 literatur Löffler, Karl: Die Handschriften des Klosters Weingarten. In: Zentralblatt für Bibliothekswesen, Leipzig 1912, Beiheft 41, S. 107, Nr. G45. – Buhl, Maria Sophia/Kurras, Lotte: Codices physici, medicii, mathematici etc. (HB XI 1–56). Poetae (HB XII 1–23). Poetae Germanici (HB XIII 1–11). Vitae sanctorum (HB XIV 1–28) (Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, Reihe 2: Die Handschriften der ehemaligen königlichen Hofbibliothek 4,2) Wiesbaden 1969, S. 115. – Sauer 1996, S. 30–32, Kat.-Nr. 11. – Sauer 1996 bis, S. 48– 49. – Kessler/Sauer 2002, S. 149.
Kat.- nr. 28
Abb. 41
Karlsruhe, Badische landesbibliothek, Cod. U.H. 14 legenda aurea, August bis oktober Zürich, Anfang 14. Jahrhundert (nach 1298) Buchkörper Pergament, 160 Blätter, 155 x 110 mm. Lagen: VIII+1 (fol. 1 wurde später angefügt), 8 VIII, VIII-1 (von fol. 160 ist nur die innere Hälfte erhalten, das letzte Blatt der Lage fehlt). Lagennummerierungen: jeweils am Anfang und am Ende der Lage, in roter zuweilen auch in brauner Tinte, mit römischen Ziffern, in der Regel beschnitten oder sogar weggeschnitten. Foliierung: modern, mit Bleistift oben rechts in arabischen Ziffern. Schrift: Gotica in schwarzer Tinte. Einband: roter Ledereinband, weitgehend original, jedoch Buchrücken und Schliesse erneuert.
278
Sauer 1996, S. 37.
287
Inhalt foll. 3ra–160vb Legenda aurea des Jakobus de Voragine, die Monate August bis Oktober enthaltend, durch das Einfügen zahlreicher weiterer Legenden stark erweitert. Darunter befinden sich bemerkenswert viele Legenden von Heiligen der Diözese Konstanz: Oswald, Afra, Gebhard von Konstanz, Verena, Felix und Regula, Fides. Die ebenfalls eingefügte Legende des hl. Wenzels liefert einen Datierungshinweis, da dessen Fest vom Dominikanerorden 1298 in das Kalendarium aufgenommen wurde. Ausstattung Der Buchschmuck besteht aus vielen kleinen Fleuronnée-Initialen (Buchstabenkörper = blau, Fleuronnée = rot) und roten Lombarden, die sich jeweils abwechseln (2–4 Zeilen hoch). Hinzu kommen 6 grössere Fleuronnée-Initialen (4–5 Zeilen hoch). Die Art des Fleuronnée wechselt in der Mitte der Handschrift am Ende der 5. Lage, zwischen fol. 81 und 82, im Text zum Fest der Enthauptung Johannes des Täufers. Während die erste Gruppe sich durch Palmettenfleuronnée auszeichnet, sind für die zweite Knospenfleuronnée und gespaltene Buchstabenkörper charakteristisch. 1. Gruppe: fol. 11v Dominikus, 5-zeilig fol. 40r Mariae Himmelfahrt, 5-zeilig fol. 68v Augustinus, 5-zeilig 2. Gruppe: fol. 93v Geburt Mariae, 5-zeilig, gespaltener Buchstabenkörper, Zierstab mit Besatz fol. 131v Michael, 5-zeilig, gespaltener Buchstabenkörper, Zierstab mit Besatz fol. 158v Dyonisius, 4-zeilig, gespaltener Buchstabenkörper Provenienz Wie bei der Psalterhandschrift U.H. 12 (Kat.-Nr. 11) ist auch bei U.H. 14 unbekannt, auf welchen Wegen die Handschrift in die Hofbibliothek Karlsruhe, die Vorgängerin der heutigen Badischen Landesbibliothek, gelangt ist. Die Signatur «Unbestimmte Herkunft» verweist lediglich darauf, dass es sich um einen Zugang der Säkularisationszeit handelt. Forschungsstand und Kommentar Die Handschrift stellt ein Teilstück einer ehemals 4-bändigen Legenda aurea dar. Von den vielen dem Korpus hinzugefügten Legenden dürften insbesondere diejenigen der hl. Gebhard und Pelagius für eine Bestimmung in der Diözese Konstanz sprechen. Der Buchschmuck dürfte in einer Zürcher Werkstatt gefertigt worden sein. 288
Zusammen mit einem weiteren Exemplar einer Legenda aurea (Stuttgart, WLB, Cod. HB XIV 23, Kat.-Nr. 27) gehört der ausschliesslich aus Fleuronnée-Initialen bestehende Buchschmuck derselben Stilstufe an wie derjenige der Ursammlung des Codex Manesse (s. Kapitel 3). Die Felix-und-Regula-Legende mit den umfangreichen zeitgenössischen Nachträgen spricht ebenfalls für Zürich als Entstehungsort. Die durch ihre Grösse hervorgehobenen Initialen zu den Legenden des hl. Dominikus in der vorliegenden Legenda aurea und im Stuttgarter Exemplar (nachfolgende Kat.-Nr.) sowie zur Legende des hl. Petrus Martyr (Stuttgart) weisen auf eine Bestimmung der Handschriften zu dominikanischem Gebrauch hin. literatur Sauer 1996, S. 30–32, Kat.-Nr. 11. – Schlechter/Stamm 2000, S. 458–460. – Kessler/Sauer 2002, S. 149.
289
Abb. 40: Kat.-Nr. 27, fol. 136, FleuronnéeInitialen der Spätphase
Abb. 42: Kat.-Nr. 31
290
Abb. 41: Kat.-Nr. 28, fol. 11v, FleuronnéeInitialen der Spätphase
Kat.- nr. 29
Abb. 12a
St. gallen, Vadianische Sammlung, Codex 302279 rudolf von ems: Weltchronik; Der Stricker: Karl der grosse Zürich(?), nach 1300 Buchkörper Pergament, 291 Blätter, 305 x 210 mm Lagen: Weltchronik: 1. Lage fehlt, VI-3 (vor fol. 1 fehlen 3 Blätter), VI-1 (zwischen den foll. 19 und 20 fehlt ein Blatt), 2 VI, VI-1 (zwischen den foll. 44 und 45 fehlt ein Blatt), VI-1 (zwischen den foll. 56 und 57 fehlt ein Blatt), 3 VI, VI-1 (zwischen den foll. 110 und 111 fehlt ein Blatt), 2 VI, VI-1 (zwischen den foll. 144 und 145 fehlt ein Blatt), VI-1 (zwischen den foll. 153 und 154 fehlt ein Blatt), 2 VI, VI-2 (zwischen den foll. 189 und 190 sowie zwischen 190 und 191 fehlt je ein Blatt), VI, VI-2 (das äusserste Doppelblatt fehlt). ‹Karl der Grosse›: VI, VI+1 (fol. 25 ist beigebunden), VI (das innerste Doppelblatt ist jünger), VI-3 (zwischen den foll. 40 und 41 resp. 47 und 48 fehlt ein Doppelblatt, zwischen den foll. 45 und 46 fehlt ein Blatt), VI, VI-1+3 (nach fol. 74 fehlt ein Blatt, bei den foll. 61, 66 und 71 handelt es sich um Einzelblätter), II-2 (das innere Doppelblatt fehlt). Lagenzählung: Weltchronik: römische Ziffern II–XIX, jeweils auf der Versoseite des letzten Lagenblattes, zeitgenössisch oder bald nach 1300. ‹Karl der Grosse›: in römischen Ziffern I–VI, jeweils auf der Rectoseite des ersten Lagenblattes, frühestens um 1400, wahrscheinlich erst beim Neubinden der Handschrift im 15. Jahrhundert. Moderne Foliierung: Weltchronik mit Bleistift foll. 1–214280, ‹Karl der Grosse› mit Tinte foll. 1–76. Mittelhochdeutscher Text; zwei Spalten à 40 Zeilen; gotische Textura in schwarzer Tinte von 4 Schreibern. Drei Schreiber arbeiteten gleichzeitig an der Handschrift, der vierte, etwas jüngere, schrieb nur die Nachtragsblätter 32–33 im Karlsepos. Einband: Die Handschrift hat im 15. Jahrhundert einen neuen Einband erhalten. Dieser wurde im Jahre 1935 durch den St. Galler Buchbinder Louis Rietmann restauriert.
279
Dieser Text basiert weitgehend auf den Beiträgen des zur Faksimileausgabe erschienenen Kommentarbandes (s. unter Literatur) und auf den Untersuchungen am Original im Mai 2003. 280 Folio 95 wurde doppelt gezählt.
291
Inhalt foll. 1–214 Rudolf von Ems: Weltchronik. foll. 1–76 Der Stricker: Karl der Grosse. Ausstattung Rudolf von Ems: Weltchronik: 47 Deckfarbenminiaturen mit 83 Einzelszenen.281 fol. 15v Gottes Bund mit Abraham. fol. 16v Sara verstösst Hagar und Ismael / Ein Engel führt Hagar und Ismael zu der Quelle in der Wüste. fol. 21v Jakobs Betrug / Esau auf der Jagd, Isaak segnet Esau. fol. 25v Jakobs Traum / Jakob weiht Bethel. fol. 32v Joseph und Potiphars Weib / Potiphars Weib verleumdet Joseph. fol. 39r Jakobs Zug nach Ägypten / Joseph empfängt seinen Vater. fol. 45v Moses vor dem brennenden Dornbusch. fol. 50r Aarons Stabwunder / Aarons Schlange frisst die Schlangen des Zauberers des Pharao. fol. 54v Auszug aus Ägypten / Die Juden werden von der Feuersäule geführt. fol. 61r Gott in der Regenwolke vor dem Volk Israel. fol. 65r Moses schaut Gottes Hinterhaupt / Moses mit den neuen Gesetzestafeln vor dem Volk. fol. 73v Die Kundschafter mit der Traube / Versuchte Steinigung Moses durch die zornigen Juden, Moses im Gebet in der Stiftshütte. fol. 76v Die Juden murren gegen Moses und Aaron / Aarons grünender Stab. fol. 78v Moses bittet vor der Bundeslade für das Volk / Die eherne Schlange. fol. 81r Bileams Eselswunder / Bileam trifft Balak. fol. 88v Moses letzte Weissagungen / Moses auf dem Berg Abarim, Gott begräbt Moses. fol. 91r Die Juden durchqueren mit der Bundeslade den Jordan / Eroberung Jerichos. fol. 95r Josua gebietet der Sonne stillzustehen / Gibeoniterschlacht, die fünf Kanaaniterkönige in der Höhle. fol. 97v Josuas Fluch / Die Ältesten beraten sich nach dem Fluch. fol. 105v Gideons Vlies (Tau) / Gideons Vlies (Trockenheit). fol. 107v Gideons Krieger blasen in ihre Hörner / Midianiterschlacht. fol. 109r Gideon zerstört Penuel / Sebah und Zalmunna werden geschleift. fol. 112r Abimelech legt Feuer an Thebez / Abimelechs tödliche Verletzung durch den Steinwurf der Frau aus Thebez, er lässt sich durch seinen Hauptmann töten. fol. 113v Jephtas Tochter / Jephta opfert seine Tochter. fol. 120v Simson zerreisst den Löwen / Simson findet den Honig im Löwenkadaver. 281
Die Miniaturen sind in der Regel zwei Spalten breit und zweizonig aufgebaut.
292
fol. 122v Simson und die Füchse / Simson erschlägt die Philister mit der Eselskinnbacke, er trinkt aus der Eselskinnbacke. fol. 124v Götzendienst der Philister / Simson umfasst die beiden Säulen des Palastes. fol. 126v Scheinflucht der Juden vor den Benjaminiten / Zerstörung von Gibea. fol. 132v Die Philister erbeuten die Bundeslade / Elis Tod. fol. 135v Aufgrund von Samuels Brandopfer werden die Philister durch ein Unwetter erschlagen / Samuel errichtet einen Gedenkstein. fol. 140v Jonathans Heldentat / Philisterschlacht. fol. 143r Saul zerreisst Samuels Gewand / Samuel tötet Agag. fol. 150r Saul und seine Getreuen / Saul lässt die Priester von Nobe töten. Tafel 11a. fol. 152v David schneidet ein Stück vom Gewand Sauls ab / David kniet vor Saul. fol. 159v Saul wird verfolgt / Sauls Tod. fol. 163v Der Bote vor David / David lässt den Boten erschlagen. fol. 167v David schliesst Frieden mit Abner / Joab tötet Abner. Tafel 11a. fol. 169v Eroberung Jerusalems. fol. 172v David musiziert vor der Bundeslade / Michols Spott. fol. 177r Der Tod des Uria / Ein Bote überbringt David die Nachricht. fol. 178v Nathan an Davids Tafel / David kniet vor Nathan. fol. 186v Absaloms Tod am Baum / Absaloms Begräbnis unter einem Steinhaufen. fol. 192v Der Gottesschlag wegen der Volkszählung / Der Racheengel vor David. fol. 195r Salomos Krönung / Salomo auf Davids Thron. fol. 197r Davids Tod / Davids Begräbnis. fol. 200v Salomos Urteil. fol. 203v Tempelweihe Salomos. Der zweite Teil mit ‹Karl der Grosse› vom Stricker ist mit elf zweizonigen, zwei Spalten breiten Miniaturen282 ausgeschmückt: fol. 3v Der Engel überreicht Karl Schwert und Horn / Karl legt beides in Rolands Hände. fol. 6v Roland treibt die Heiden in die Flucht / Roland erobert Tortosa. fol. 25r Warnträume Karls vor seiner Rückkehr nach Frankreich. fol. 26v Karl ernennt Roland zum Statthalter von Spanien. fol. 35v Schlacht Rolands und Turpins gegen die Heiden bei Roncevalles / Roland tötet den heidnischen Heerführer Alderot. fol. 50v Kampf Turpins und Rolands, dritter Hornruf / Abschied Rolands von Turpin / Roland erschlägt einen Heiden mit dem Horn.
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Sie enthalten 23 Einzelszenen.
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fol. 52v Roland versucht das Schwert Dundart zu zerbrechen / Er reicht einem Engel den Handschuh / Die Hand des toten Roland gibt Karl das Schwert zurück / Ein Engel tröstet Karl. fol. 55r Der sterbende König Marsilies in Saragossa und Königin Pregmundas Übertritt zum Christentum / Zerstörung der Götzenbilder. fol. 62r Der Heidenkönig Palligan lässt seine Truppen vor der Schlacht ein Götzenbild anbeten / Karl und Palligan im Zweikampf. fol. 66r Karl und Palligan kämpfen zu Fuss weiter / Karl tötet Palligan, die Heiden wenden sich zur Flucht. fol. 71r Das Wunder von Roncevalles / Zweite Bestattung der Gefallenen und Wunderheilungen am Grab. Provenienz Die Handschrift liegt nachweislich seit 1740 in der Vadianischen Sammlung in St. Gallen. Wahrscheinlich stammt sie aus der Sammlung des Säckelmeisters Tobias Schobinger (1624–1700), der sie von seinem Onkel, dem Bürgermeister Sebastian Schobinger (1579–1652), geerbt hatte. Forschungsstand und Kommentar In der Prachthandschrift 302 der Vadianischen Sammlung sind uns zwei mittelhochdeutsche Dichtungen des 13. Jahrhunderts vereint überliefert: Die Weltchronik des Rudolf von Ems, dessen zweispaltig angelegter Text mit 47 Miniaturen illustriert ist, und die vom Umfang her kleinere, auf dem französischen Rolandslied basierende Vita Karls des Grossen mit ebenfalls zweispaltigem Text, der lediglich mit elf Miniaturen ausgestattet ist. Die beiden Werke ergänzen sich inhaltlich insofern, als die biblisch-christliche Weltchronik mit ihrem heilsgeschichtlichen Anspruch in der karolingischen Reichsgeschichte eine Fortsetzung erfährt. Anlässlich ihrer Faksimilierung wurde sie interdisziplinär untersucht, und die dabei gewonnenen neuen Erkenntnisse wurden in einem Kommentarband veröffentlicht. Laut K. Schneiders paläographischer Studie sind vier Schreiber an ihrer Abfassung beteiligt. Zwei der Schreiber konnte die Autorin in anderen Handschriften nachweisen und den Hauptschreiber als Konrad von St. Gallen identifizieren. Mit grosser Wahrscheinlichkeit ist er identisch mit dem gleichnamigen Weltpriester, der zwischen 1298 und 1320 am Zürcher Fraumünster zuerst als Priester, dann als Chorherr und Kaplan urkundlich belegt ist.283
283
Schneider 1987 bis, S. 22, 39–41. Die Haupthand der Weltchronik hat mit Sicherheit auch die Handschrift B VIII 27 der Universitätsbibliothek Basel geschrieben, wo sich der Schreiber im Kolophon als Konrad von St. Gallen zu erkennen gibt. Die Basler Handschrift enthält die
294
Die zwölf grossen Fleuronnée-Initialen und die 58 meist zweizonigen Miniaturen vor Goldgrund lassen einen Auftraggeber mit höchstem Anspruchsniveau vermuten. Dies im Gegensatz zu den Frankfurter Fragmenten (Kat.-Nr. 31), die mit ihrer weniger kostbaren Ausstattung aus derselben Werkstatt kommen. Von einer weiteren Schwesterhandschrift zeugen zwei in Schweizer Privatbesitz befindliche Fragmente (Kat.-Nr. 30). Bezüglich der Ikonographie zeichnen sich die Miniaturen der St. Galler Handschrift durch eine besondere Textnähe und durch vielfältige typologische Motive aus. Während der Karlszyklus eine herausragende Einzelleistung darstellt, waren für die Ikonographie der St. Galler Weltchronik frühchristliche und französisch-flandrische Werke bestimmend. Die Auseinandersetzung mit letzteren hat sich auch stilprägend ausgewirkt. Als weitere stilistische Quellen des am Übergang zum «dolce stil nuovo» stehenden Werkes sind der sogenannte Honoré-Stil sowie der Lichtentaler Codex (Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Codex Lichtental 26) zu nennen. Meiner Meinung nach ist die vom Autorenteam J. Raeber/A. Bräm aufgestellte Hypothese, der Codex sei in der Gegend von Freiburg i. Br. fertig geschrieben und in derselben – wohl in Freiburg i. Br. beheimateten – Werkstatt ausgemalt worden, wie das Brevier P4.4º der Zentralbibliothek in Luzern, abzulehnen.284 literatur Rudolf von Ems: Weltchronik. Der Stricker: Karl der Grosse. Faksimile der Handschrift 302 der Kantonsbibliothek (Vadiana) St. Gallen. Luzern 1982. – Beer 1983, S. 194, 202, 203ff., 213, 215. – Rudolf von Ems: Weltchronik. Der Stricker: Karl der Grosse. Kommentar zu Ms 302 Vad. Hrsg. von der Kantonsbibliothek (Vadiana) St. Gallen und der Editionskommission: Beer, Ellen J. u. a. mit Beiträgen von Beer, Ellen J., Duft, Johannes, Herkommer, Hubert, Schneider, Karin, Sonderegger, Stefan und Wegelin, Peter. Luzern 1987. – Saurma-Jeltsch 1988, S. 313f., 315, 339–340. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 245. – Martin, Roland: Illustrierte Weltchroniken bis in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts. Phil. Diss. Wien 1991, insbesondere S. 194–196. – Ott, Norbert H. Rezension Rudolf von Ems: Weltchronik. Der Stricker: Karl der Grosse. Kommentar zu Ms. 302 Vad. Hrsg. Beer, E. J. u. a. Luzern 1987. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 122, Heft 3, 1993, S. 328–333. – Günther 1993, S. 323–328 (mit umfassender Bibliographie). – Jaurant 1995, S. 6, 50, 52–55, 63, 87, 128, 131, 150, 176, 177, 180, 184, 185, 209–212. – Kessler 1997, KE 18, S. 235–236. – Raeber/Bräm 1997. – Raeber 2003, S. 117, 121–126, 133–134. vom Deutschherren Hugo von Langenstein 1293 im Bodenseeraum verfasste Verslegende «Martina» und eine deutsche Naturlehre in Prosa. 284 Die Hypothese wird im Textteil (Kapitel 6) eingehender diskutiert.
295
Kat.- nr. 30
Tafel 11b
Schweiz, Privatbesitz 2 Fragmente aus der Weltchronik des rudolf von ems Zürich(?), nach 1300 Pergament, Verrat des Doeg: 155 x 132 mm, Begegnung Joabs und Abners: 210 x 161 mm Deckfarben auf Gold Textura Mittelhochdeutsch Text Die Fragmente überliefern die folgenden Verse der Emsschen Weltchronik: fol. 1r 24863–24894, fol. 1v 24903–24934, fol. 2r 27399–27478 und fol. 2v 27479–27494 (nach Ehrismann 1915). Bildthema Die ausserordentlich gut erhaltenen Miniaturen sind zweizonig aufgebaut, mit Goldgrund ausgestattet und gerahmt. Das erste Blatt illustriert 1. Könige 22,9–19. Das obere Kompartiment zeigt Doeg vor dem thronenden König Saul, Verrat an David und den Priestern von Nobe ausübend. Unten erschlägt Doeg Abimelech und seine Priester. Im Codex 302 der Vadianischen Sammlung (Kat.-Nr. 29, fol. 150r285) ist noch der entfliehende Abiathar dargestellt. Auch die Miniaturen des zweiten Einzelblattes stellen Illustrationen zu den Königsbüchern dar (2 Könige, 2,12–15; 3, 27). Im oberen Bildteil treffen Abner und Joab am Bach in Gabaon die Vereinbarung, je zwölf Männer gegeneinander antreten zu lassen. Im unteren ersticht Joab Abner, den er überlistet hat. Das entsprechende Bild befindet sich im St. Galler Codex auf fol. 167v.286 Provenienz Die beiden Blätter stammen aus Schweizer Privatbesitz.287
285
Beer 1987, S. 72–73. Beer 1987, S. 73. 287 Weigele 1997, S. 187.
286
296
Forschungsstand und Kommentar Die zwei hochbedeutenden Einzelblätter aus der Weltchronik des Rudolf von Ems sind Ende des 20. Jahrhunderts bekannt geworden. Sie müssen einer Schwesterhandschrift des Codex 302 in St. Gallen (Kat.-Nr. 29) entnommen worden sein, denn sie sind so verblüffend gleichartig, dass man meint, Blätter aus der St. Galler Handschrift vor sich zu haben. Es handelt sich jedoch nicht um verloren gegangene Seiten, da die bildinhaltlich parallelen Miniaturen in dieser erhalten sind. An ihrer Illuminierung dürften dieselben Hände beteiligt gewesen sein wie am St. Galler Codex, wo die entsprechenden Miniaturen (foll. 150r, 167v) von der Hand 1 hergestellt wurden.288 Die sich in Schweizer Privatbesitz befindlichen Blätter hingegen sind das Werk zweier verschiedener Maler. Die grössten Unterschiede sind bei der Farbpalette zu beobachten: z. B. gelbgrün – kühles grün, helles gelb – orangegelb. Während fol. 1 von Hand 2 stammen dürfte289, wurde fol. 2 wohl vom Hauptmaler der St. Galler Handschrift (Hand 1) gemalt.290 Bezüglich der Relativchronologie nehmen wir hypothetisch an, dass das Einzelblatt nach der Miniatur des St. Galler Codex entstanden ist. So weist das Einzelblatt einige wichtige Veränderungen auf, die eine Steigerung der künstlerischen Qualität zur Folge haben. Mit der Hinzufügung des blauen Bildstreifens verklammerte der Maler die beiden Einzelszenen zu einem Bildganzen. Die Farbgebung wurde wirkungsvoller eingesetzt: Rot und Grün resp. Blau für die beiden Hauptakteure. Die obere Szene wirkt durch die Überschneidung des Bildrahmens ausdruckstärker. Fol. 2 weist als weiteres wichtiges, mit dem St. Galler Codex (Kat.-Nr. 29) und mit dem Graduale Vat. lat. 10769 (Kat.-Nr. 15) gemeinsames Merkmal die roten Doppelkreise seitlich der Miniaturen auf. Es ist anzunehmen, dass sie im Zusammenhang mit einem möglichst reibungslosen Arbeitsablauf bei der Buchproduktion eine Rolle gespielt haben.291 Mit der Handschrift 302 der Vadianischen Sammlung verbindet die Einzelblätter das hohe Anspruchsniveau des Auftraggebers, dies im Gegensatz zum materiell weniger aufwändig ausgeführten Frankfurter Fragment (Kat.-Nr. 31), dem Torso einer dritten Schwesterhandschrift. Nicht zuletzt sind die drei äusserst qualitätvollen Handschriften resp. Torsi ein Indiz auf ein leistungsfähiges Skriptorium, das wohl in Zürich beheimatet gewesen ist. Die Bedeutung der Einzelblätter liegt darin, dass sie einen Beleg für einen weiteren Prachtcodex darstellen und dass man folglich die Einzigartigkeit der St. Galler 288
Beer 1987, S. 107. Vgl. Beer 1987, S. 108: Beschreibung der Hand 2. 290 Vgl. Beer 1987, S. 108: Beschreibung der Hand 1. 291 Beer 1987, S. 62, meint, dass sie in Beziehung zu den einzelnen Buchmalern stehen und bringt noch einen weiteren Deutungsvorschlag: Lesezeichen mit Tituli. – S. auch Kapitel 7.4. 289
297
Handschrift in Frage stellen und mit einer stärkeren als bisher angenommenen Verbreitung des Werkes rechnen muss. literatur Kat. Antiquariat Günther, S. 123–127. – Weigele 1997, S. 187. – Kessler 1997, KE 19, S. 236–237.
Kat.- nr. 31
Abb. 42
Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. germ. oct. 13 Fragment aus der Weltchronik des rudolf von ems Zürich(?), nach 1300 Pergament, ca. 280 x 200 mm (beschnitten) Deckfarben Textura Mittelhochdeutsch Text Das Doppelblatt überliefert den Schluss der Geschichte Josephs und den Beginn des Vierten Weltalters (fol. 1r: Verse 7982–8061; fol. 1v: 8064–8077; fol. 2r: 8736– 8815; fol. 2v: 8816–8894, nach Ehrismann 1915). Bildthema Auf fol. 1v ist eine unvollendete Miniatur erhalten geblieben. Sie zeigt in der oberen Zone den Auszug Jakobs und in der unteren das Wiedersehen des tot geglaubten Joseph mit seinem Vater. Provenienz Das Fragment gelangte als Geschenk des Frankfurter Arztes und Bibliophilen Georg Kloss (1787–1854) in die Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt.292 292
Weimann 1980, S. XIII, S. 95.
298
Forschungsstand und Kommentar K. Schneider konnte Hand 3 der Handschrift 302 der Vadianischen Sammlung (Kat.Nr. 29) als Schreiber identifizieren. Demzufolge müssen das Frankfurter Fragment und die St. Galler Weltchronik in derselben, höchstwahrscheinlich in Zürich domizilierten Werkstatt geschaffen worden sein und können als Schwesterhandschriften bezeichnet werden. Der Bildvergleich legt nahe, dass für beide Werke dieselbe Vorlage zur Verfügung stand, an die man sich jedoch nicht strikt hielt und die Details frei gestaltete. Im Unterschied zur St. Galler (Kat.-Nr. 29, fol. 39r) weist die Frankfurter Miniatur keinen goldenen, sondern einen blauen Bildgrund auf, was zu den folgenden Schlüssen geführt hat: Erstens hat sich die Ausführung der Handschriften nach den Wünschen der Besteller gerichtet oder Handschriften wurden mit unterschiedlichem Ausstattungsaufwand auf Vorrat hergesellt. Zweitens muss das Atelier über eine gewisse Kapazität verfügt haben, die es erlaubt hat, mehrere Handschriften gleichzeitig zu produzieren. Dies scheint sich angesichts der zwei Fragmente einer weiteren Weltchronikhandschrift zu bestätigen (Kat.-Nr. 30). literatur Weimann, Birgitt: Mittelalterliche Handschriften der Gruppe Ms. germ. log der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt a. M. Frankfurt a. M. S. 94–95. – Beer 1987, S. 93–95. – Herkommer 1987, S. 129. – Schneider S. 29. – Günther 1993, S. 147–149. – Jaurant 1995, S. 54, 209. – Kessler KE 20, S. 237.
Kata1980, 1987, 1997,
299
Kat.- nr. 32
Abb. 43
Überlingen, Stadtarchiv Einzelblatt, Initiale S mit Pfingsten Bodenseeraum, um 1310 Pergament, 440 x 294 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Die erste Textzeile stammt aus dem Offertorium zur Vigil des Pfingstfestes: «[Emitte spiritum tuum et creabuntur et renovabis faciem terre sit gloria] domini in secula alleluya.» Dann folgt der Text der Communio zum selben Fest: «communio ultimo festivitatis die dicebat/ihesus qui in me credit flumina de/ventre eius fluenta que vive hoc/autem dixit de spiritu quem accepturi/erant credentes in eum alle/ luya alleluya.» Unten schliesst der Beginn des Introitus zum Pfingstfest: «In festo penthecostes officium» mit der historisierten Initiale an: «Spiritus domini/replevit orbem terrarum...». Bildthema Die Initialminiatur S[piritus] zeigt zum Pfingstoffizium die aus einer Wolke herabfliegende, nimbierte Taube, die den Hl. Geist auf die versammelten Apostel mit Maria in deren Mitte ausgiesst.293 Provenienz Laut brieflicher Auskunft vom Überlinger Stadtarchivar Liehner ist es nicht möglich, Angaben über die Herkunft des Einzelblattes zu machen. Er äussert die Vermutung, dass es zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Kunsthandel für das Überlinger Stadtmuseum angekauft wurde.294
293
Vgl. St. Katharinentaler Graduale fol. 123r: Maria thront ebenfalls frontal in der Mitte der versammelten Apostel. Dazu: Beer 1983, S. 123–124. 294 Brief vom 22.9.1994.
300
Kommentar und Forschungsstand Das vorliegende Einzelblatt wurde einem Graduale (ev. einem dominikanischen, vgl. Text) entnommen, von dem bisher keine weiteren Fragmente bekannt geworden sind. Der Vergleich mit den entsprechenden Darstellungen in den Gradualia von Nürnberg und St. Katharinental295 (Kat.-Nr. 18 und 34) zeigt, dass die Ausgestaltung des Buchstabenkörpers und des abgetreppten Bildfeldes mit dem Nürnberger Beispiel verwandt ist, während der bereits weiche Figurenstil weiterentwickelt ist und demjenigen der St. Katharinentaler Handschrift und der Fragmente in Schweizer Privatbesitz (Kat. Nrn. 33 a und b) näher kommt. literatur von Gleichenstein, Elisabeth: Ein Einzelblatt im Stadtarchiv Überlingen. In: Südkurier, Pfingstbeilage 1979. – Kessler 1991, S. 65. – Kessler 1997, KE 21, S. 238.
295
Fol. 114r resp. 123r.
301
Abb. 43: Kat.-Nr. 32, Pfingstdarstellung
Abb. 45: Kat.-Nr. 33 b, Pfingstdarstellung
302
Abb. 44: Kat.-Nr. 33 a, Himmelfahrt Christi
Kat.- nr. 33 a
Abb. 44
Schweiz, Privatbesitz einzelblatt, historisierte Initialminiatur P mit der Himmelfahrt Christi Bodenseeraum, um 1310 Pergament, ca. 427 x 317 mm Tinte, Deckfarben und Gold Text Die Initialminiatur schmückt das gängige Responsorium: «Post passionem suam...» mit dem nachfolgenden Vers: «Et convescens...»296 Bildthema Die streng axial konzipierte Darstellung zeigt Christus in frontaler Haltung, erhöht mit Segensgestus und Kreuzesfahne. Der bevorstehenden Himmelfahrt wohnen Maria (rechts von ihm) und einige Apostel (links) bei. Provenienz Sammlung Vidal (Auktionskatalog, Frankreich 1868). Forschungsstand und Kommentar Wie der Text nahelegt, wurde das Einzelblatt zusammen mit Katalog Nr. 33 b einem Antiphonar entnommen. Der Schriftspiegel mit 9 Text- sowie 9 Notenlinien entspricht einem gängigen Schema. Der lateinische Text in gotischer Textura mit brauner Tinte sowie die Notenliniierung in Rot zeugen von einer Skriptoriumsleistung durchschnittlicher Qualität. Die Miniatur vor Goldgrund vereint zwei stilistische Tendenzen: Während der aus Flechtwerk gebildete Buchstabenkörper mit den spiralig eingerollten Enden noch im Romanischen verhaftet ist, sind die Figuren bereits dem «dolce stil nuovo» verpflichtet. Der Figurenstil ist nächstverwandt mit demjenigen des Überlinger Fragmentes (Kat.-Nr. 32). literatur Kat. Antiquariat Günther 5, Nr. 9, S. 80–83. 296
Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 350, Nr. 7403.
303
Kat.- nr. 33 b
Abb. 45
Schweiz, Privatbesitz Einzelblatt, historisierte Initialminiatur D mit Pfingstdarstellung Bodenseeraum, um 1310 Pergament, ca. 404–416 x 315 mm Tinte, Deckfarben und Gold Text Die Initialminiatur illustriert das Responsorium: «Dum conplerentur [sic!] dies pentecostes...» mit dem nachfolgenden Vers: «Repleti sunt...».297 Es folgt das Responsorium: «Repleti sunt omnes...» mit dem Vers: «Loquebantur...»298 auf der Rückseite. Der Text wird fortgesetzt mit dem Responsorium: «Jam non dicam...» und dem Vers: «Quorum...».299 Den Abschluss bildet der Anfang des Responsoriums: «Ultimo festivitas die...».300 Bildthema Die Initialminiatur «D[um complerentur]» zeigt zum Pfingstfest die aus einer Wolke herabfliegende, nimbierte Taube, die den Hl. Geist auf die versammelten Apostel mit Maria in deren Mitte ausgiesst. Provenienz Sammlung Vidal (Auktionskatalog, Frankreich 1868). Forschungsstand und Kommentar S. Kat.-nr. 33 a. literatur Kat. Antiquariat Günther 5, Nr. 9, S. 80–83.
297
Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 136, Nr. 6536. Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 380/381, Nr. 7531. 299 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 258, Nr. 7030. 300 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 443, Nr. 7805.
298
304
Abb. 46: Kat.-Nr. 34, Innenseite des Vorderdeckels
Abb. 47: Kat.-Nr. 34, fol. 18v, Geburt Christi und Verkündigung an die Hirten
Abb. 49: Kat.-Nr. 34, fol. 161r, Christus-Johannes-Gruppe
Abb. 48: Kat.-Nr. 34, fol. 158 a v, Christus-Johannes-Gruppe, Maria-Ecclesia in Gestalt des apokalyptischen Weibes und Johannes der Evangelist
305
Abb. 50: Kat.-Nr. 34, fol. 161r, Schwester Katharina von Radegge kniet vor Johannes
Abb. 51: Kat.-Nr. 34, fol. 264v, Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben
Abb. 52: Kat.-Nr. 34, fol. 231v, Maria auf dem Thron Salomonis
306
Kat.- nr. 34
Abb. 46–53
Zürich, Schweizerisches landesmuseum/Frauenfeld, Museum des Kantons Thurgau, lM 26117301 graduale Hochrhein, um 1310 Buchkörper302 Pergament, 314 Blätter, 470 x 345 mm. -3 Lagen: I (A [auf Vorderdeckel geklebt]) + 1, 7 VI, VI (Blatt zwischen foll. 87/88 herausgeschnitten), 4 VI, V+1 (fol. 155 Nachtrag), VI-4 (Blatt zwischen foll. 158/159 herausgeschnitten), 10 VI, V, die 27. Lage besteht aus 3 Doppelblättern, einem losen Blatt und einem beigefügten Doppelblatt. Reklamanten: fol. 96v am unteren Rand [lente], am unteren Rand der foll. 239r und 263r Reste sichtbar. Moderne Foliierung oben rechts mit Bleistift in arabischen Ziffern von 1–314; die foll. 4r–155v, d. h. bis zum Ende des Temporaleteils, besitzen eine originale Foliierung mit römischen Ziffern in Rot (I–CXLII). Dabei handelt es sich nicht eigentlich um eine alte Blattzählung, sondern um einen Verweis auf die Vorlage des Graduale von St. Katharinental, nämlich das Graduale im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (Kat. Nr. 18). Mit dem Beginn des Sequentiars, auf fol. 248r, setzt noch einmal eine römische Foliierung ein, die bis zum Ende der Handschrift durchgezogen wurde (I–LXVIII). Dabei wurde die Ziffer XXXVIII übersprungen. Schriftspiegel: 315 x 205 mm, 9 Noten-Text-Corpora mit Choralnotation auf rotem Vierlinienschema; lateinischer Text in gotischer Textura von einer einzigen Hand (ausser Einschübe und Nachträge). Einband: wohl aus dem späten 15. Jh., Holzdeckel mit Schweinsleder überzogen, je 5 Eisenbeschläge mit Buckeln, unten je 2 Einsteckhaften für das Chorpult, von den ursprünglich 4 Schliessen ist nur noch die untere intakt, am Schnitt Reste einer gelblichen Einfärbung, am Vorderschnitt zweierlei Signakel: 1. einzelne farbige Hanfschnüre, 2. Pergamentstreifen, nummeriert von 1 bis 43, um die Stellen mit Miniaturen zu bezeichnen.
301
Dieser Katalogtext beruht auf den verschiedenen Beiträgen im Kommentarband zur Faksimileausgabe des Graduale von St. Katharinental, insbesondere auf den Beiträgen von P. Ladner (Buchkörper, Inhalt) und E. J. Beer (künstlerische Ausstattung). 302 Zur Restaurierung des Buchblocks 1986/1987: Knoepfli 1989, S. 172.
307
Inhalt Foll. 1r–1v zwei Kalendertafeln; foll. 2r–3r Tonar; fol. 3r–3v Aspersionsantiphonen; foll. 3v–151v Proprium de Tempore; foll. 151v–153v Kirchweihoffizium; foll. 153v–155r Sequenz De sanctis Apostoli; fol. 155r–155v Nachträge; foll. 156r–198r Proprium de Sanctis; foll. 198r–231r Commune Sanctorum; foll. 231r–235r Missae votivae; foll. 235r–248r Kyriale; foll. 248r–310v Sequentiar; foll. 299r–302r div. Einschübe und Nachträge von anderen Händen; hinterer Spiegel: als Anhang Proprium de Sanctis aus dem 15. Jh. Ausstattung fol. 3v A[d te levavi animam meam], Dominica prima in adventu Domini; Introitus, Adventsbild303, 114 x 134 mm. fol. 13v M[emento nostri domine], Dominica IV in adventu Domini, Introitus, Priester und Leviten befragen Johannes den Täufer304, 115 x 130 mm. fol. 16v [D]ominus dixit, In Galli cantu ad matutinam, Introitus, Bileams Vision des Jakobssternes305, 120 x 109 mm. fol. 18v P[uer natus est], In die nativitatis Domini, Introitus, Geburt Christi und Verkündigung an die Hirten, 130 x 120 x 325 mm. Abb.47. fol. 21r E[cce advenit dominator], In epiphania Domini, Introitus, Taufe Christi306, 115 x 102 mm. fol. 47r I[ntret oratio mea], Sabbato secundo in quadragesima, Introitus, Fleuronnée-Initiale, 60 x 90 mm. fol. 87a I[n nomine Jesu], Feria IV (Mittwoch in der Karwoche), Introitus, 7 der ehemals 9 oder 10 Szenen zur Passio Christi in Medaillons sind als Fragmente bisher bekannt geworden und werden an verschiedenen Standorten aufbewahrt307, 453 x ca. 90 mm. fol. 91r D[ominus iesu postquam cenavit], In cena Domini, Communio, Fleuronnée-Initiale, 70 x 90 mm. 303
Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 254–255, sie deutet die obere Szene als Darstellung der Göttlichkeit Christi und die untere als Fleischwerdung des Wortes und stützt sich dabei auf die Interpretation des Johannesevangeliums nach Albert dem Grossen und Thomas von Aquin. 304 Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 255. 305 Wehrli-Johns 1995, S. 256, deutet den Seher, im Gegensatz zu Beer 1983, S. 106, nicht als Bileam, sondern als Johannes. 306 Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 256–257. 307 Abendmahl: Privatbesitz Schweiz; Gefangennahme: Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Inv. Mm 23 kl. F.; Christus vor Pilatus: Zürich, SLM, Inv. LM 55087; Dornenkröung: Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut, Inv. 15932; Kreuztragung: Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut, Inv. 14312; Kreuzigung: Zürich, SLM, Inv. LM 45751; Grablegung: Frankfurt a. M., Städelsches Kunstinstitut, Inv. 15933.
308
fol. 98r D[um fabricator], In parasceve, Antiphon, Fleuronnée-Initiale, 70 x 90 mm. fol. 101v C[um rex glorie], In sabbato S. paschae, Magnificat, Fleuronnée-Initiale, 72 x 80 mm. fol. 102r R[esurrexi], In die S. paschae, Introitus, oben: Auferstehung Christi, unten: Petrus und Johannes kommen zum leeren Grab des Herrn, 109 x 125 x 192 mm. fol. 119v V[iri galylei], In die ascensionis, Introitus, Himmelfahrt Christi, 98 x 90 mm. fol. 123r S[piritus domini], In die pentecostes, Introitus, Pfingsten, 110 x 107 mm. fol. 129r B[enedicta sit], In festo S. trinitatis, Introitus, Fleuronnée-Initiale, ca. 75 x 90 mm. fol. 153v P[salle Christi], De sanctis apostolis, Sequenz, Jüngstes Gericht, 151 x 100 mm. fol. 154r J[ohannes virgo beatus], De sanctis apostolis, Sequenz, FleuronnéeInitiale mit nachträglich eingefügter Miniatur: Johannes und kniende Dominikanerin308, 37 x 27 mm. fol. 156r D[ominus secus mare Galylee], In vigilia S. Andreae apostoli, Introitus, Fleuronnée-Initiale, 108 x 130 mm. fol. 157r S[tatuit ei dominus], S. Nicolai episcopi, Introitus, Der hl. Nikolaus von Myra und Bari ruht im Grabe, 120 x 117 mm. fol. 157v E[t enim sederunt], S. Stephani protomartyris, Introitus, Fleuronnée-Initiale, 85 x 90 mm. fol. 158v I[n medio ecclesie], S. Iohannis evangelistae, Introitus, Szenen aus dem Leben des Evangelisten Johannes309; Johannes und der Jüngling mit dem Bogen; Verklärung Christi; Jesus erscheint nach der Auferstehung den Jüngern am See Tiberias; Johannes bringt durch sein Gebet einen Tempel zum Einsturz; Johannes erweckt Drusiana in Ephesos; Johannes wird vom Bischof von Ephesos eingeholt, in dessen Händen ein Schriftband verkündet «Benedictus qui venit in no[m]i[n]e d[omi]ni»; Johannes betet vor der Niederschrift des Evangeliums; Vision von den 7 Leuchtern; Niederfall des Johannes vor einem der 7 Engel; Verkündigung des Todes an Johannes310; 464 x 65 mm. fol. 158v J[ocunditatem], S. Iohannis evangelistae, Vers, Stehender Johannes Evangelist, 70 x 45 mm. fol. 158a v A[lleluia], S. Iohannis evangelistae, 2 Szenen: Christus-JohannesGruppe311; Maria-Ecclesia in Gestalt des apokalyptischen Weibes und Johannes der 308
Im Cod. Vat. lat. 10773, fol. 190v, hat es an derselben Stelle eine Randzeichnung, die Johannes zeigt. – Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 259. 309 Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 259–260. 310 Wehrli-Johns 1995, S. 260, sie interpretiert in Abweichung zu Beer 1983, S. 129, die Szene als Abschiedsgebet Jesu vor den Jüngern. 311 Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 260ff.
309
Evangelist, 140 x 166 mm (Grösse des Gesamtfragmentes). Die beiden Fragmente werden im Schweizerischen Landesmuseum aufbewahrt (Inv. LM 29329). Abb. 48. fol. 158a v V[erbum Dei Deo natum], S. Iohannis evangelistae, Johannessequenz, Apokalyptische Vision, 208 x 171 mm (Grösse des Gesamtfragmentes). Das Fragment befindet sich in der Albertina in Wien (Inv. Nr. 32434). fol. 159r 6 kleine, historisierte Initialen zur Johannessequenz: «Verbum dei deo natum» 1. H[oc vidit], Johannes betet am Altar, 48 x 35 mm; 2. I[nter illos], Johannes kniet vor Christus, 40 x 34 mm; 3. T[oti mundo], Johannes und der Jüngling, der zum Räuber wurde, 42 x 32 mm; 4. C[elum transit], Johannes und der Prophet Ezechiel, 43 x 33 mm; 5. S[peculator spiritalis], Johannes spricht mit einer nimbierten Frau312, 42 x 33 mm; 6. A[udit in gyro sedis], Johannes und der Engel der Apokalypse, 51 x 38 mm. fol. 159v 4 kleine, historisierte Initialen zur Johannessequenz: «Verbum dei deo natum» 1. D[e sigillo trinitatis], Johannes spricht zu seinen Jüngern in Ephesos, 45 x 42 m; 2. C[eli cui sacrarium], Johannes und Katharina de Radegge313, 43 x 41 mm 3. I[ste custos virginis], Johannes am Schreibpult, 42 x 33 mm; 4. H[aurit], Johannes trinkt, ohne Schaden zu nehmen, den Giftbecher des Aristodemus, 42 x 31 mm. fol. 160r 6 kleine, historisierte Initialen zur Johannessequenz: «Verbum dei deo natum» 1. P[ena stupet], Johannes erleidet in Rom das Ölmartyrium, 42 x 31 mm; 2. H[inc naturis], Johannes verwandelt Kiesel in Edelsteine, 38 x 32 mm; 3. Q[uo iubente], Johannes verwandelt Zweige in Gold, 42 x 37 mm; 4. H[ic infernum], Erweckung der Verbrecher, 42 x 42 mm; 5. O[bstruit], Johannes im Gespräch mit Häretikern, 41 x 40 mm; 6. V[olat avis], Johannes thront auf einem Regenbogen314, 45 x 38 mm; fol. 160v 5 kleine, historisierte Initialen zur Johannessequenz: «Verbum dei deo natum» 1. T[am implenda], Christus spricht zu Johannes, 45 x 32 mm; 2. S[ponsus rubra veste tectus], Johannes und ein Engel der Apokalypse, 40 x 37 mm; 312
Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 263. Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 264. 314 Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 263.
313
310
3. A[qulia ezechielis sponse misit], Botschaft an Smyrna, 39 x 37 mm; 4. D[ic dilecte], Johannes spricht zu einer Frau (Ecclesia), 40 x 33 mm; 5. D[ic quis cibus], Johannes sitzt neben einer Frau und spricht mit ihr, 42 x 33 mm. fol. 161r 2 kleine, historisierte Initialen zu Johannessequenz: «Verbum dei deo natum» 1. V[eri panem], Christus-Johannes-Gruppe315, 46 x 37 mm; Abb. 49; 2. U[t cantemus], Schwester Katharina von Radegge kniet vor Johannes316, 40 x 36 mm. Abb. 50. fol. 161r H[ic est discipulus ille], S. Iohannis evangelistae, Versus, Christus ist im Gespräch mit Johannes und Petrus, 106 x 104 mm. fol. 161v I[ustus ut palma florebit], S. Iohannis evangelistae, Offertorium, 4 Szenen in Medaillons zu Tod und Verklärung des Johannes Evangelist, 235 x 135 mm: 1. Johannes erwartet seinen Tod (?); 2. Christus ruft Johannes aus dem Grabe zu sich; 3. Verehrung des Johannes-Grabes; 4. Johannis Verklärung zwischen Christus und Maria; fol. 161v E[xiit sermo], S. Iohannis evangelistae, Communio, unten: Verkündigung des Todes an Johannes, oben: letzte Predigt des Johannes in Ephesos, 124 x 123 mm. fol. 163v M[e expectaverunt], S. Agnetis virginis et martyris, Introitus, Die hl. Agnes erscheint ihren Freunden, 213 x 139 mm. fol. 164v L[etemur omnes], In conversione S. Pauli apostoli, Introitus, Enthauptung und Aufbahrung des hl. Paulus, 111 x 119 mm. fol. S[uscepimus deus], In purificatione S. Marie virginis, Introitus, Darbringung Christi im Tempel, 122 x 120 mm. fol. 168v G[audeamus omnes], S. Agathe virginis et martyris, Introitus, Die hl. Lucia betet am Grab der hl. Agathe, 105 x 118 mm. fol. 170v R[orate coeli], In annuntiatione S. Marie virginis, Introitus, Verkündigung an Maria, 304 x 15–30 mm. fol. 173r P[rotexisti me deus], In festo S. Petri martyris, Introitus, Ermordung des Petrus von Verona, 372 x 18–25 mm. fol. 175v G[audeamus omnes in domino], In festo Coronae Domini, Introitus, Dornenkrönung Christi, 362 x 22–39 mm. fol. 177v N[e timeas Zacharia], In vigilia S. Iohannis baptistae, Introitus, Verkündigung der Geburt des Johannes an Zacharias, 265 x 115 mm.
315 316
Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 261ff. Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 264.
311
fol. 178r F[uit homo missus], In vigilia S. Iohannis baptistae, Graudualresponsorium, oben: Johannes der Täufer verkündet das Erscheinen Christi, unten: Johannes der Evangelist schreibt im Evangelium Kap. 1, 6–9317, 76 x 74 mm. fol. 178v D[e ventre matris], S. Iohannis baptistae, Introitus, Geburt Johannes des Täufers, 286 x 135 mm. fol. 179v T[u puer propheta], S. Iohannis baptiste, Communio, Namengebung vor der Beschneidung Johannes des Täufers; auf dem Aussensteg, unterhalb der Miniatur: Mutter mit Kind, 124 x 112 mm. fol. 181v N[unc scio vere], Ap. Petri et Pauli, Introitus, Der gekreuzigte Apostel Petrus von Jüngern umgeben, 119 x 120 mm. fol. 182r S[cio cui credidi], In commemoratione S. Pauli, Introitus, Bekehrung des Apostels Paulus, 152 x 100–120 mm. fol. 183r G[audeamus omnes], S. Maria Magdalene, Introitus, Fleuronnée-Initiale, ca. 80 x 90 mm. fol. 183v M[ichi autem nimis], S. Iacobi apostoli, Introitus, Enthauptung des Apostels Jakobus des Älteren, 108 x 124 mm. fol. 184v I[n medio ecclesie], In festo sanctissimi patronis nostri Dominici de ordine fratrum praedicatorum, Introitus, Der hl. Dominikus mit Angehörigen seines Ordens, 435 x 57–60 mm. fol. 185r P[ie pater Dominice], In festo sanctissimi patronis nostri Dominici de ordine fratrum praedicatorum, Versus, Christus sendet den Predigerorden in die Welt, 240 x 114 mm. fol. 188r G[audeamus omnes in domino], In assumptione S. Marie virginis, Christus und Maria krönen eine gekrönte und nimbierte kleine Frauengestalt, 110 x 112 mm. fol. 188v H[odie Maria virgo], In assumptionis S. Marie virginis, Introitus, Tod Marias, 108–215 x 125 mm. fol. 189v O[s iusti meditabitur], S. Bernhardi abbatis, Introitus, Der hl. Bernhard von Clairvaux, Maria(?), Dominikus(?), 69 x 69 mm. fol. 190r J[ustus ut palma], In decollatione S. Iohannis baptistae, Introitus, 6 Darstellungen aus dem Leben Johannes des Täufers, 446 x 92 mm:318 1. Maria besucht Elisabeth; 2. Johannes der Täufer in der Wüste; 3. Johannes predigt dem Volke Busse; 4. Johannes mit «Agnus dei»-Scheibe weist auf Christus und spricht zu seinen Jüngern «sehet das Lamm Gottes»; 5. Der Auferstandene führt Johannes d. Täufer und die Heiligen des Herrn aus der Vorhölle; 317 318
Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 259. Dazu Wehrli-Johns 1995, S. 259.
312
6. Jüngstes Gericht. fol. 190v M[isso herodes], In decollatione S. Iohannis baptistae, Introitus, Enthauptung Johannes des Täufers, 120 x 132 mm. fol. 190v G[audeamus omnes in domino], In nativitate S. Marie virginis, Introitus, Geburt Mariae, 105 x 116 mm. fol. 194r G[audeamus omnes], In die omnium sanctorum, Introitus, FleuronnéeInitiale, 108 x 118 mm. Abb. 53. fol. 196v S[tatuit ei dominus], S. Martini episcopi et confessoris, Introitus, Der hl. Martin teilt seinen Mantel mit dem Bettler, 140 x 127 mm. fol. 197v G[audeamus omnes], S. Catharinae virginis et martyris, Introitus, Engel bestatten die hl. Katharina auf dem Sinai, 135 x 140 mm. fol. 198r M[ichi autem nimis], In communi unius vel plurimorum apostolorum, Introitus, Jesus unterweist seine Jünger, 110 x 110 mm. fol. 217v O[s iusti meditabitur], In communi unius confessoris, Introitus, Fleuronnée-Initiale, 42 x 50 mm. fol. 231v S[alve sancta parens], In commemoratione b. virginis, A nativitate domini usque ad purificationem, Introitus, Maria auf dem Thron Salomons319, 155 x 162 mm. Abb. 52. fol. 258v A[ve Maria gratia plena], In annuntiatione S. Marie virginis, Sequenz, Maria-Ecclesia und Johannes der Evangelist, 125 x 120 mm. fol. 260r A[dest dies], S. Petri martyris, Sequenz, Fleuronnée-Initiale, 70 x 70 mm. fol. 261v I[n celesti yerarchya], S. Dominici confessoris, Sequenz, Die Entrückung des hl. Dominikus, 415 x 44 mm. fol. 263r L[audes ergo], S. Dominici confessoris, Sequenz, Der hl. Dominikus krönt Schwester Katharina Hernazzen, 63 x 32 mm. fol. 264v G[abrielis vox iocunda], In nativitate S. Iohannis baptistae, Sequenz, Johannes der Täufer huldigt dem Jesusknaben, 123 x 123 mm. Abb. 51. fol. 266v D[e profundis tenebrarum], S. Augustini episcopi et confessoris, Sequenz, Fleuronnée-Initiale, 77 x 85 mm. fol. 291r C[lari duces nostre spei], Ap. Petri et Pauli, Sequenz, Petrus und Paulus, 113 x 102 mm. fol. 293r L[statt N->Nicolaum armonye trine laudant ierachie], S. Nicolai episcopi, Sequenz, der hl. Nikolaus befreit Adeodatus, 134 x 116 mm. 319
Beer 1983, S. 163f. vermutet, dass die Dominikaner an der Verbreitung des Themas mitgewirkt haben und verweist auf das Strassburger Münster, wo möglicherweise der Einfluss Albert des Grossen bestimmend war. – Becksmann 1992, S. 63ff. bespricht eine Nachzeichnung auf Pergament mit derselben Darstellung und kommt zum Schluss, dass sie wohl in Paris oder in Nordfrankreich Ende des 13. Jahrhundert entstanden sei. – Wehrli-Johns 1995, S. 265, zum Einfluss Albert des Grossen auf die Ikonographie des St. Katharinentaler Graduale.
313
fol. 299r L[auda syon salvatorem], In festo Corporis Christi, Sequenz, teilausgeführte Fleuronnée-Initiale, 84 x 58 mm. Provenienz Die Handschrift befand sich 1821 im Besitz des Konstanzer Goldschmiedes und Antiquars Franz Joseph Aloys Castell (1796–1844), (Eintrag fol. 307v: «Castell zu Constantz am Bodensee. 1821»). Nach 1860 gehörte sie zur Sammlung von Sir William Amherst of Hackney. Im Sammlungskatalog von 1906, der von Seymour de Ricci verfasst wurde, ist das St. Katharinentaler Graduale unter Ms. 13 aufgeführt und wird «um 1200» datiert (S. 99). 1908 gelangte das Manuskript bei Sothey’s in London zur Versteigerung mit der Datierungsangabe «vor 1251». Dort erwarb es Sir C. W. Dyson Perrins, Davenham bei Malveren. Nach dessen Tod wurde ein Teil seiner Sammlung, u. a. auch das Graduale, im Dezember 1958 bei Sotheby’s in London versteigert. Für 33’000 englische Pfund konnten die heutigen Besitzer die Cimelie erwerben.320 Forschungsstand und Kommentar Als erstes Indiz für die Heimweisung nach St. Katharinental und für die Datierung um 1312 gilt gemeinhin ein chronikalischer Eintrag auf der Innenseite des Vorderdeckels. (Abb. 46) Er bezieht sich allerdings auf ein Ereignis der Klostergeschichte und nicht auf die Entstehung der Handschrift.321 Deutlichere Hinweise liefern die vielen mit Namen versehenen Darstellungen von Dominikanerinnen, die mit Hilfe des Totenrodels von St. Katharinental als Mitglieder dieses Konvents identifiziert werden konnten. Seit der interdisziplinären Untersuchung anlässlich der Faksimilierung konnten die Thesen über die zeitliche Einordnung und den Bestimmungsort erhärtet werden (Schrift um 1300, Kostüm um 1300, Proprium de Sanctis, buchkünstlerische Ausstattung). Ein möglicher konkreter Anlass für die Schaffung der Handschrift könnte die Weihe des neuen Chores und vierer Altäre im Jahre 1305 gewesen sein.322 Das Manuskript stellt hinsichtlich des Ausstattungsprozesses insofern einen Spezialfall dar, als es in einem ersten Durchgang mit Fleuronnée-Initialen und erst nach320
Ausführlich dazu: Wüthrich 1983, S. 79–91. Zitiert nach Ladner 1983, S. 295: «an der Trinitas abent do warn ains und / und sehzech iar daz dise convent in dis / kloster gie do man zalt von unsers heren / gepurt drozehen hundert iar und / zwelf iar». Er qualifiziert die Schrift wie folgt: «...von einer ungelenken Hand des 15. Jahrhunderts in einer von Bastarda-Elementen durchsetzten Textura». Schneider 1987, S. 251, Anm. 191, kommentiert diese Qualifizierung wie folgt: «... was wir nicht nachvollziehen können.» Sie vergleicht die Schrift mit Dokumenten, die von der Hand einer Katharinentaler Schwester im 1. Viertel des 14. Jahrhunderts stammen sollen. 322 Eugster/Baumer-Müller 1999, S. 784. 321
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träglich mit Miniaturen prachtvoll ausgestattet wurde. Von den 16 grossen, reich ornamentierten Fleuronnée-Initialen sind zwei nachträglich mit Deckfarbenminiaturen übermalt worden. Der bedeutende kalligraphische Buchschmuck ist der oberrheinischen Initialornamentik um 1300 verpflichtet. Man begegnet ihm in einer Reihe von Handschriften, so etwa in der Engelberger «Bibly» (Stiftsbibliothek, Cod. 6) oder dem dieser Gruppe zugeordneten Antiphonar in der Vaticana (Cod. Vat. lat. 10770, vgl. Kat.-Nr. 35). Die insgesamt 72 (bzw. ursprünglich 76) Bildinitialen mit Goldgrund verteilen sich auf einen christologisch-mariologischen Zyklus, je einen Bildkreis zu Johannes dem Täufer und zum Evangelisten Johannes, fünf illustrieren die Gesangstexte zu den Festen der Hauptheiligen des Dominikanerordens und die restlichen entfallen auf ebenfalls in St. Katharinental verehrte Heilige. Die oftmals singuläre, theologisch verdichtete Ikonographie ist stark vom mystischen Gedankengut inspiriert. In einigen Fällen handelt es sich um eigenständig entwickelte Bildschöpfungen, für viele konnte indessen das Nürnberger Graduale als ikonographische Quelle bestimmt werden. Es ist dieselbe Handschrift, die auch bezüglich des Textes Vorlagefunktion inne gehabt hat (vgl. Kat.-Nr. 18). Trotz der Beteiligung von sieben Miniatoren wirken die Deckfarbenbilder in ihrer stilistischen Grundhaltung homogen. Sie werden überzeugend dem konstanzischen Stilkreis zugeordnet und repräsentieren eine bereits ausgereifte Stilstufe des «süssen neuen Stils» (s. Kapitel 4, 5 und 6). Das von E. J. Beer und P. Ladner entworfene Szenario einer auf zwei Werkstätten aufgeteilten Anfertigung des Prachtcodex, geschrieben von den Dominikanerinnen in St. Katharinental, ausgemalt in Konstanz, sei es von den dortigen Dominikanern oder von weltlichen Malern, wird in Frage gestellt, weil die Argumente für ein ausreichend leistungsfähiges Klosterskriptorium entfallen. Mehrere Indizien sprechen für eine Fertigung der gesamten Handschrift in einer weltlichen Werkstatt (Abschreibfehler, stilistische Verwandtschaft mit einer jüdischen Handschrift) – allerdings mit einer engagierten Beteiligung der St. Katharinentaler Dominikanerinnen, ihren Seelsorgern und den Wohltätern des Klosters. (Zur ausführlichen Diskusssion über den Entstehungsort des Graduale S. Kapitel 4.8.2.). literatur Beer 1959, Nr. 30, S. 111–124. – Schmid, Alfred A.: Graduale von St. Katharinental. In: Berichte der Gottfried-Keller-Stiftung 1958–59, S. 20–45. – Kat. Konstanz ein Mittelpunkt der Kunst um 1300, Nrn. 5–8, S. 32–35. – Kat. Die Zeit der frühen Habsburger, Nr. 218, S. 425. – Das Graduale von St. Katharinental um 1312. Handschrift im gemeinsamen Besitz der Eidgenossenschaft und des Kantons Thurgau. Faksimile-Verlag Luzern 1980. – Das Graduale von St. Katharinental. Kommentar zur Faksimile-Ausgabe des Graduale von St. Katharinental, Schmid, Alfred A. 315
(Hrsg.). Luzern 1983 (mit ausführlichen Literaturangaben). – Ladner 1983. – Beer 1983. – Knoepfli 1989, S. 170–178. – Heck, Christian: Rapprochement, antagonisme, ou confusion dans le culte des saints: art et dévotion à Katharinenthal au quatorzième siècle. In: Viator 21, 1990, S. 229–238. – Kat. edele frouwen – schoene man, S. 249. – Kessler 1991. – Bräm 1992, S. 103–113. – Kat. Himmel, Hölle, Fegefeuer, S. 63 u. 337. – Wehrli-Johns 1995. – Kessler 1997, KE 22, S. 238. – Kat. Krone und Schleier, Kat.-Nr. 306 a–f, S. 406–408.
316
Abb. 53: Kat.-Nr. 34, fol. 194r, Fleuronnée-Initiale
Abb. 54: Abb. 4: Kat.-Nr. 35, fol. 131v, Fleuronnée-Initiale
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Kat.- nr. 35
Abb. 54
rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10770 Antiphonar Hochrhein, erstes Viertel 14. Jahrhundert Buchkörper Pergament, 260 Blätter (inkl. vorderes Schmutzblatt), 472 x 345 mm. Lagen: VII-2 (das erste und das letzte Blatt der Lage fehlen), 3 VI, VI (foll. 52–54 sind im Falz angeschnitten, fol. 55 wurde sogar ganz herausgeschnitten und lose eingelegt), 3 VI, IV, 12 VI, VI-1 (das letzte Blatt der Lage fehlt). Foliierung: modern, in arabischen Ziffern (1–259) gestempelt, jeweils in der rechten unteren Ecke der Recto-Seiten. Schriftspiegel: 319 x 210 mm; Zusammensetzung des Schriftspiegels: foll. 1r bis 259 enthalten jeweils 9 Text- und 9 Notenzeilen; lateinischer Text in gotischer Textura mit schwarzer Tinte, Quadratnotation in schwarzer Tinte, rotes Vierlinienschema. Rasuren: auf fol. 136r. Pergamentrisse oder -löcher, teilweise mit écrufarbenem Faden geschlossen. Einband: Holzdeckel, abgerundete Ecken, mit hellem Leder überzogen; auf der Vorder- wie auf der Rückseite sind fünf Buckelbeschläge aus Kupfer montiert, sie sind aus filigranen Blattranken gestaltet und mit rotem Leder unterlegt (diejenigen der unteren Ecken beim Buchrücken mit hellbraunem), der Buckel in der linken unteren Ecke auf der Vorderseite fehlt; Eckbeschläge fassen die Kanten des Buchdeckels ein; drei Lederschliessen, zwei davon sind an der seitlichen und eine an der oberen Kante festgemacht; an allen drei Kanten des vorderen Buchdeckels ist zum Schutz des Buchschnitts je ein Stück Leder angenagelt, wobei das untere nur noch fragmentarisch erhalten ist. Auf dem vorderen Buchdeckel klebt ein Zettel (99 x 70 mm) mit der Aufschrift «121» in brauner Tinte. Auf der Innenseite des vorderen Deckels trägt ein Zettel die Signatur der Vatikanischen Bibliothek, zudem sind zwei Nummern in Bleistift eingetragen: «409» und «N° 121 Ter». Als feste Buchzeichen dienen die am Vorderschnitt angeknüpften Seidenfäden (foll. 50, 168, 221, 257). Äussere Masse: 475 x 343 mm.
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Inhalt Dominikanisches Antiphonar mit dem Sommerteil: foll. 1r–96r Proprium de Tempore; foll. 96r–104v Kirchweihoffizium; foll. 105r–108v In Annuntiatione b. Maria Virg. tempore paschali; foll. 108v–113r Commune Sanctorum; foll. 113r–256 Proprium Sanctorum; foll. 257r–259v Antiphone zu verschiedenen Festen. Ausstattung Die Handschrift zieren Fleuronnée-Initialen erster, zweiter und dritter Ordnung sowie Randzeichnungen in der Technik der kolorierten Federzeichnung: fol. 1v A[ngelus domini descendit de celo], In die paschae, erstes Responsorium der ersten Nokturn, mit Fleuronnée-Stab beim Aussensteg, 150 x 92 mm. fol. 28v A[scendens Christus], In vigilia ascensionis, Antiphon zur Vesper, Fleuronnée-Stab beim Aussen-, Kopf- und Fusssteg. fol. 28v Randzeichnung: Ein Hirsch und zwei Hunde. fol. 37v D[um complerentur dies pentecostes], In die pentecostes, erstes Matutinresponsorium, 75 x 73 mm. fol. 47v O [beate et benedica], In vigilia S. trinitatis, Antiphon zur Vesper, Fleuronnée-Stab beim Aussensteg, 71 x 63 mm. fol. 48v B[enedicat nos deus noster], In festo S. trinitatis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Fleuronnée-Stab beim Aussen-, Fuss- und Kopfsteg, 72 x 69 mm. fol. 68r S[i bona suscepimus], Dominica prima septembris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Fleuronnée-Stab beim Bund- und Fusssteg, 76 x 67 mm. fol. 76v A[daperit dominus], Dominica prima octobris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Fleuronnée-Stab beim Aussen- und Fusssteg, 82 x 66 mm. fol. 81r V[idi dominum sedente], Dominica prima novembris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, 85 x 73 mm. fol. 98r I[n dedicatione templi decantabant], In dedicatione ecclesiae, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Fleuronnée-Stab beim Aussen- und Fusssteg, 106 x 13 mm. fol. 105v M[issus est Gabriel angelus], In annuntiatione S. Mariae virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, ganzer Schriftblock mit Fleuronnée-Stäben gerahmt, 70 x 90 mm. fol. 114v O [Petre sydus aureum], S. Petri martyris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, gesamter Schriftblock ist mit Fleuronnée-Stäben gerahmt, 73 x 77 mm. fol. 127r A[d est dies leticie], In vigilia translatione Dominici, Vesper, Aussen-, Fuss- und Kopfsteg mit Fleuronnée-Stäben, 111 x 73 mm. fol. 131r I[ngresso Zacharia templum], In vigilia S. Joannis baptiste, Vesper, der ganze Schriftblock ist mit Zierstäben gerahmt. fol. 131v F[uit homo missus], S. Joannis baptiste, erstes Responsorium der ersten Nokturn, beim Aussen- und Fusssteg je ein Fleuronnée-Stab, 135 x 101 mm. Abb.54. 319
fol. 157v L[etetur omne seculum], S. Mariae Magdalenae, erstes Responsorium der ersten Nokturn, beim Aussen- und Fusssteg Fleuronnée-Stäbe, 99 x 72 mm. fol. 167v G[aude felix parens hyspania], In vigilia S. Dominici, Vesper; im Binnenfeld der Initiale ist die Vision der Patin von Dominikus dargestellt; beim Aussenund Fusssteg Fleuronnée-Stäbe, 74 x 60 mm. fol. 169r M[undum vocans ad agni], S. Dominici, erstes Responsorium der ersten Nokturn, beim Aussen- und Fusssteg Zierstäbe, darin ein Hündchen, das auf seinen Hinterläufen sitzt, 75 x 68 mm. fol. 183r T[ota pulchra es amica mea], In vigilia assumptionis S. Mariae virginis, Antiphon zur Vesper, beim Aussen- und Fusssteg Fleuronnée-Stäbe, 102 x 85 mm. fol. 185v V[idi speciosam sicut columbam], In assumptionis S. Mariae, erstes Responsorium der ersten Nokturn, beim Fuss- und Aussensteg Fleuronnée-Stäbe, 103 x 74 mm. fol. 201r M[isit Herodes rex], In decollatione S. Joannis baptiste, drittes Responsorium zur Matutin, Bund-, Kopf- und Fusssteg mit Fleuronnée-Stäben, 75 x 69 mm. fol. 204r H[odie nata est beata virgo maria], In nativitate S. Mariae virginis, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Bund- und Fusssteg mit Fleuronnée-Stäben, 99 x 79 mm. fol. 217r F[actum est silentium in celo], S. Michaelis archangeli, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Bund- und Kopfsteg mit Fleuronnée-Stäben, 100 x 77 mm. fol. 224v S[umme trinitati simplici], In die omnium sanctorum, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Aussen- und Fusssteg mit Fleuronnée-Stäben, 79 x 63 mm. fol. 226r Randzeichnung: Figur, die auf die Initiale Q weist. fol. 232r H[ic est martinus electus], S. Martini episcopi, erstes Responsorium der ersten Nokturn, beim Bund- und Fusssteg Fleuronnée-Stäbe, 116 x 80 mm. fol. 232r Randzeichnung auf dem Bundsteg: Hirsch. fol. 232r Randzeichnung: Tier und Mensch (Akrobat?) mit Sonne. fol. 239v C[antantibus organis Cecilia], S. Ceciliae virginis et martyris, erstes Responsorium der ersten Nokturn, Aussen- und Fusssteg mit Fleuronnée-Stäben, 77 x 65 mm. fol. 247v V[irginis eximie Katherine], In vigilia S. Catharinae virginis et martyris, Vesper, Aussen- und Fusssteg mit Fleuronnée-Stäben, 76 x 74 mm. fol. 255v A[ve virgo speciosa clarior], S. Catharinae, Antiphon zum Magnificat, Fuss-, Kopf- und Aussensteg mit Fleuronnée-Stäben, 76 x 69 mm. Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. Vat. lat. 10769, 10771–10775, Kat.-Nr. 1, 15, 19, 20, 42, 43), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktion, die im März 1851 320
in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Pariser Nuntius Pietro Antonio Garibaldi davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultobjekte, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). Forschungsstand und Kommentar Die gut erhaltene Antiphonarhandschrift enthält den Sommerteil, beginnend mit Ostern und endend mit dem Fest der hl. Katharina, und ist für den dominikanischen Ritus eingerichtet. Sie steht bezüglich des Textes zu den Antiphonarien Codd. Vat. lat. 10771 und 10772 (Kat. Nrn. 19, 20), insbesondere zum zweitgenannten, in einem engen Abhängigkeitsverhältnis. Die künstlerische Ausstattung besteht nebst vier Randzeichnungen ausschliesslich aus prächtigen Fleuronnée-Initialen, die einen autonomen Buchschmuck darstellen und im Vergleich zu Deckfarbeninitialen einen äquivalenten künstlerischen Wert besitzen. Sie illustrieren neben den wichtigsten Festen des Sommerteils des Proprium de Tempore die folgenden Heiligenfeste: Verkündigung an Maria, Petrus Martyr, Translation des Dominikus, Johannes der Täufer (2x), Maria Magdalena, Dominikus (2x), Himmelfahrt Mariae (2x), Enthauptung Johannes des Täufers, Geburt Mariae, Michael, Allerheiligen, Martin, Cecilia und Katharina (2x). Der Steg der gespaltenen Buchstabenkörper nimmt entweder abstrakt-geometrische, florale oder zoomorphe Formen auf. Bei den Initialen setzen oft Fleuronnée-Stäbe an, die den Text rahmen. Medaillons dienen als Verbindungselemente bei den Gelenkstellen, aber auch als Füllornamente. Weitere wichtige Zierelemente sind Knospenfiligrane, Rosetten und Fadenschnörkel. Nebst den kanonischen Farben Blau und Rot hat der Kalligraph auch grüne, gelbe und braun-rote Tinten für die Federzeichnungen verwendet. Dieses Repertoire an Gestaltungselementen, Formen und Farben, sowie der klare Duktus, der von einer sicheren Hand zeugt, zeigen, dass diese qualitätvollen Initialen zur Gruppe der Engelberger «Bibly» (Stiftsbibliothek, Cod. 6) und des Katharinentaler Graduale (Kat.-Nr. 34) gehören. Innerhalb dieser Gruppe sind sie den älteren Beispielen, der Bibel in Karlsruhe (Cod. Aug. perg. 154), dem Brevier aus Oetenbach (Aarau, Aargauische Kantonsbibliothek, Ms. Muri 95) und dem Ms. B. III. 1 in der Universität Basel am nächsten verwandt.323 Die hohe künstlerische Qualität weist auf besonders enge Beziehungen zu den Exponenten der Gruppe, der «Bibly» und dem Graduale, hin. Deshalb liegt eine Datierung ins erste Viertel des 14. Jahrhunderts sowie eine Entstehung im selben Atelier nahe.
323
Beer 1959, S. 13f., 64ff, mit zahlreichen Abb.
321
literatur Bannister 1913. – Borino 1947, S.223–224. – Salmon 1968/1969, Bd. 1, S.133. – Ladner 1983, S. 297, Anm. 18. – Knoepfli 1989, S. 179–182. – Kessler 1991, vor allem S. 87–91. – Kessler 1997, KE 23, S. 239–240.
Kat.- nr. 36
Tafel 12
Schaffhausen, Ministerialbibliothek, Cod. Min. 6 Bibel Bodenseeraum, erstes Viertel 14. Jahrhundert Buchkörper Pergament, 399 Blätter, 340 x 255 mm. Lagen: I, 48 IV, 2 III. Reklamanten: weitgehend weggeschnitten. Foliierung: 1–399. Zweispaltiger, lateinischer Text zu 52 Zeilen in Textualis. Einband: weisser Ledereinband des 15.Jh.s, je 5 Buckel, ursprünglich 2 Schliessen. Inhalt foll. 2–272 Altes Testament; foll. 272–347 Neues Testament; foll. 347–364 Psalmen; foll. 364–398 Stephanus Langton: Nomina Hebraica. Ausstattung Bildseiten mit lavierten Federzeichnungen: fol. 1v 6 Medaillons mit der Erschaffung der Welt. fol. 2r 6 Medaillons vom Sündenfall bis zur Opferung Isaaks. Tafel 12 Miniatur: fol. 2v Sitzender Jeremia, mit Spruchband: «O vos...» (Lam 1, 12), 109 x 82 mm. Tafel 12 79 historisierte, gerahmte Initialminiaturen und 42 ornamentale oder zoomorphe Initialminiaturen: fol. 2v D[esiderii mei], Incipit Prologus Hieronymi in Pentateucho, stehende, nach unten weisende, menschliche Gestalt, 30 x 30 mm. 322
fol. 18v H[aec sunt nomina filiorum], Incipit Liber Exodi, Moses als Kind ausgesetzt im Korb, 70 x 33 mm (inkl. Ausläufer). fol. 31r V[ocavit autem Mosen], Incipit Liber Levitici, Gott erscheint Moses im brennenden Dornbusch, 60 x 35 mm (inkl. Ausläufer). fol. 39r L[ocutusque est Dominus], Incipit Liber Numerorum, Gott übergibt Mose die Gesetzestafeln, 61 x 37 mm (inkl. Ausläufer). fol. 50r H[aec sunt verba], Incipit Liber Deuteronomii, Moses spricht zu den Israeliten, 54 x 29 (inkl. Ausläufer). fol. 60v T[andem finito], Incipit Prologus Hieronymi in Libro Iosue, thronender Hieronymus(?) mit unbeschriftetem Schriftband, 20 x 20 mm. fol. 60v E[t factum est], Incipit Liber Iosue, Josua stehend, mit der Rechten nach oben weisend, 29 x 23 mm. fol. 67v P[ost mortem Iosue], Incipit Liber Iudicum, im Binnenfeld bärtige Halbfigur, lehrend, 24 x 25 mm. fol. 76r V[iginti duas], Incipit Prologus Hieronymi in Libros Regum, thronender Hieronymus(?) mit unbeschriftetem Schriftband, 25 x 28 mm. fol. 76v F[uit vir unus], Incipit Liber Samuhelis, Eli, der Prophet (?), 29 x 30 mm. fol. 87r F[actum est autem], Incipit Liber Samuhelis II, König David, 31 x 33 mm. fol. 95r E[t rex David senuerat], Incipit Liber Malachim, der alte König David sitzend, in nachdenklicher Pose, 33 x 40 mm. fol. 105v F[actum est autem], IV Reg 2,1, der Prophet Elias, 40 x 33 mm. fol. 114r S[i septuaginta interpretum], Incipit Prologus Hieronymi in Libro Paralipomenon, im oberen S-Bogen bärtige Halbfigur lehrend, 32 x 35 mm. fol. 114v A[dam Seth Enos], Incipit Liber Paralipomenon I, drei Juden mit den charakteristischen Spitzhüten als Halbfiguren, 29 x 32 mm. fol. 123r C[onfortatus est ergo], Incipit Liber Paralipomenon II, König Salomon, 32 x 37 mm. fol. 134r N[emo cum Prophetas], Incipit Prologus Hieronymi in Isaia, Martyrium des Isaias (der zusammengekauerte Isaias wird von zwei Schergen mit der Säge misshandelt), 30 x 33 mm. fol. 134r V[isi Isaiae], incipit Liber Isaiae, im Binnenfeld des Buchstabenkörpers Isaias mit Schriftband, in den Zwickeln je ein Fabeltier, 35 x 34 mm. fol. 147v H[ieremias propheta], Incipit Prologus Hieronymi in Libro Hieremiae, 15 x 15 mm. fol. 148r V[erba Hieremiae], Incipit Liber Hieremiae, der Prophet Jeremias (Schriftband) wird gefangengenommen, 28 x 27 mm. fol. 164r E[t haec verba], Incipit Liber Baruch, Baruch, 32 x 33 mm. fol. 166r Q[uomodo sedit], Incipit Lamentationes, Jeremias auf einer Thronbank, die Hände gefaltet, 23 x 27 mm. 323
fol. 167v H[iezechiel propheta], Incipit Prologus Hiezechielis Prophetae, bärtige Halbfigur (Ezechiel?) mit Schriftband lehrend, 34 x 31 mm. fol. 167v E[t factum est], Incipit Liber Hiezechielis, Ezechiel als bärtige Halbfigur lehrend, 39 x 38 mm. fol. 182v D[anihelem prophetam], Incipit Prologus Hieronymi in Danihele, der Prophet Daniel, 31 x 30 mm. fol. 183r A[nno tertio regni], Incipit Liber Danihelis, Daniel in der Löwengrube, 31 x 36 mm. fol. 189v N[on idem ordo est], Incipit Prologus Hieronymi duodecim Prophetarum, Osee predigt vor dem Volk, 28 x 33 mm. fol. 189v D[uplex apud Hebreos], Incipit Praefatio in Osee, Osee lehrend, 28 x 31 mm. fol. 189v V[erbum Domini], Incipit Osee, Osee sitzend, in der Linken ein Schriftband, 34 x 34 mm. fol. 191v S[anctus Iohel apud Hebreos], Incipit Prologus Hieronymi in Iohel, Fabeltier, 47 x 45 mm (inkl. Ausläufer). fol. 191v V[erbum Domini], Incipit Iohel, der Prophet Joel lehrend, 34 x 31 mm. fol. 192v O[rias rex], Incipit Prologus Hieronymi in Amos, der Prophet Amos mit Szepter, 29 x 29 mm. fol. 192v V[erba Amos qui fuit], Incipit Amos, Amos sitzend mit Schriftband, in den Zwickeln je ein Fabeltier, 33 x 34 mm. fol. 194v V[isio Abdiae], Incipit Abdias, Abdias sitzend, die Rechte erhoben, mit der Linken nach unten weisend, 29 x 31 mm. fol. 194v E[t factum est verbum], Incipit Iona, der Prophet Jonas mit Schriftband, 32 x 32 mm. fol. 195v T[emporibus Ioatham], Incipit Prologus Hieronymi in Micha, 28 x 27 mm. fol. 195v V[erbum Domini], Incipit Micha, Micha sitzend, mit der Rechten nach unten weisend, in den Zwickeln je ein Fabeltier, 33 x 33 mm. fol. 196v N[aum prophetam], Incipit Prologus Hieronymi in Naum, Naum mit der Rechten nach unten weisend, 27 x 26 mm. fol. 196v O[nus Nineve], Incipit Naum, Naum sitzend mit lehrender Gestik, 28 x 30 mm. fol. 197v A[bacuc propheta], Incipit Prologus Hieronymi in Abacuc, im oberen Binnenfeld des Buchstabenkörpers Habakuk als Halbfigur, 27 x 28 mm. fol. 197v O[nus quod vidit], Incipit Abacuc, Habakuk mit Schriftrolle, sitzend, 33 x 33 mm. fol. 198r T[radunt Hebrei], Incipit Prologus Hieronymi in Sofoniam, 26 x 27 mm. fol. 198r V[erbum Domini], Incipit Sofonias, Sofonias sitzend, 33 x 33 mm. fol. 199r H[ieremias propheta], Incipit Prologus Hieronymi in Aggeus, 24 x 25 mm. 324
fol. 199r I[n anno secundo Darii], Incipit Aggeus, der stehende Haggai mit Schriftband bildet den Buchstabenkörper, 33 x 29 mm. fol. 199v S[ecundo anno Darii], Incipit Prologus Hieronymi in Zacchariam, 28 x 26 mm. fol. 200r I[n mense octavo], Incipit Zaccharias, der Prophet Zacharias, 27 x 26 mm. fol. 202r D[ominus per Moysen], Incipit Prologus in Malachiam, Malachias als Halbfigur auf Wolkenband, 29 x 30 mm. fol. 202v O[nus verbi], Incipit Malachias, Malachias, 29 x 32 mm. fol. 203r C[ogor per singulos], Incipit Prologus Hieronymi in Libro Iob, Hieronymus(?), 23 x 24 mm. fol. 203v V[ir in terra], Incipit Liber Iob, Hiob bedeckt von Aussatz, 32 x 32 mm. fol. 210v T[ribus nominibus], Incipit Prologus Hieronymi in Libros Salomonis, König Salomon auf Thronbank, 33 x 32 mm. fol. 211r T[res libros], Incipit Prologus Hieronymi in Libros Salomonis, 11 x 10 mm. fol. 211r C[romatio et Heliodoro], Incipit Prologus Hieronymi in Libros Salomonis, 13 x 14 mm. fol. 211v P[arabolae Salomonis], Incipit Liber Proverbiorum Salomonis, der lehrende Salomon als Halbfigur, 27 x 30 mm. fol. 216r G[loria dei celare], Prv 25,2, 15 x 15 mm. fol. 217v Q[uid dilecte], Prv 31,2, 20 x 20 mm. fol. 217v M[ulierem fortem], Prv 31,10, 18 x 20 mm. fol. 217v V[erba Ecclesiastes], Incipit Liber Ecclesiastes, der sitzende Salomon mit lehrender Gestik, in den Zwickeln je ein Fabeltier, 33 x 34 mm. fol. 220r O[scultetur me osculo], Incipit Liber Canticum Canticorum, Christus krönt seine Braut, 35 x 37 mm. fol. 221r L[iber Sapientiae], Incipit Prologus in Libro Sapientiae Salomonis, 22 x 25 mm. fol. 221r D[iligite iustitiam], Incipit Liber Sapientiae Salomonis, Salomon, 38 x 36 mm. fol. 225v M[ultarum nobis], Incipit Prologus in Libro Iesu Filii Sirach, 17 x 20 mm. fol. 225v O[mnis sapientia], Incipit Liber Iesu Filii Sirach, König Salomon(?) mit Lilienzepter, 38 x 38 mm. fol. 237v C[romatio et Heliodoro], Incipit Prologus Tobiae, 19 x 19 mm. fol. 237v T[obias ex tribu], Incipit Liber Tobiae, der liegende Tobias erblindet durch den Kot einer Schwalbe, 33 x 36 mm. fol. 240v A[pud Hebraeos], Incipit Prologus Iudith, 25 x 24 mm. fol. 240v A[rfaxat itaque], Incipit Liber Iudith, König Arphaxad lehrend, 31 x 33 mm. fol. 244v L[ibrum Hester], Incipit Prologus Hester, 20 x 18 mm. 325
fol. 244v [I]ndia usque, Incipit Liber Hester324, König Ahasveros und Königin Esther, 33 x 38 mm. fol. 247r D[ixitque Mardocheus], Est 10,4, Mardochäus, am Galgen hängend, 20 x 19 mm. fol. 247v A[nno secundo], Est 11,2, 10 x 10 mm. fol. 247v E[pistole autem], Est 12,6, 14 x 12 mm. fol. 247v M[ardocheus autem], Est 13,8, 14 x 14 mm. fol. 248r E[t mandavit ei], Est 15,1, 10 x 10 mm. fol. 248r D[ie autem], Est 15,4, 14 x 13 mm. fol. 248r R[ex magnus Artarxerses], Est 16,1, 14 x 12 mm. fol. 249r I[n anno primo Cyri], Incipit Liber Ezrae, Esra auf Bank sitzend, mit Schriftband «scriba+», 32 x 30 mm. fol. 253v N[on nulli autem de princibus familiarum], II Esr 7,70, 15 x 14 mm. fol. 256r Alexander der Grosse erschlägt seine Gegner. fol. 256r M[acchabeorum libri], Incipit Prologus Librum macchabeorum, 20 x 20 mm. fol. 256r E[t factum est postquam], Incipit Liber primus macchabeorum, Alexander der Grosse erschlägt seine Feinde mit dem Schwert, 36 x 36 mm. fol. 265v F[ratribus qui sunt], Incipit Liber secundus macchabeorum, stehende menschliche Gestalt, 37 x 39 mm. fol. 272v E[t inclinavit], Sir 52,1, 12 x 12 mm. fol. 272v P[lures fuisse], Incipit Prologus Hieronymi in Evangelio, 24 x 23 mm. fol. 273r A[mmonius quidem Alexandrinus], Incipit Prologus in Evangelio secundum Mattheum325, 15 x 15 mm. fol. 273v N[ovum opus facere], Incipit Prologus Hieronymi in Evangelio, 15 x 15 mm. fol. 274r M[attheus], Incipit Prologus in Evangelio secundum Mattheum326, Ecclesia mit Kelch und Kreuzesfahne auf dem Tetramorph reitend, 34 x 39 mm. fol. 274r L[iber generationis], Incipit Evangelium secundum Mattheum, Matthaeus mit Schriftband «Ioseph fili...» (Mt 1,20), 35 x 36 mm. fol. 274r O[mnes ergo generationis], Mt 1,17, 15 x 14 mm. fol. 274r C[um esset desponsata], Mt 1,18, 29 x 30 mm. fol. 283v M[arcum evangelista], Incipit Prologus in Evangelio secundum Marcum327, Löwe mit Schriftband: «Ecce mitto...» (Mc 1,2), 39 x 42 mm.
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Der Text beginnt mit: «India usque...» statt mit «In diebus Asueri qui regnavit ab India usque...». 325 RB 581. 326 RB 590. 327 RB 607.
326
fol. 283v D[e Johanne Baptista et habitu eius], Incipit Breviarium secundum Marcum328, 10 x 10 mm. fol. 284r I[nitium evangelii], Incipit Evangelium secundum Marcum, 45 x 12 mm. fol. 288v L[ucas syrus], Incipit Prologus in Evangelio secundum Lucam329, 14 x 16 mm. fol. 288v Z[acharias, qui non credidit, obmutuit], Incipit Breviarium secundum Lucam330, 14 x 16 mm. fol. 290r Q[uoniam quidem], Incipit Evangelium secundum Lucam, geflügelter Stier mit Schriftband: «Ave gratia...» (Lc 1,28), 40 x 44 mm. fol. 299v H[ic est Iohannes], Incipit Prologus in Evangelio secundum Iohannem331, 15 x 14 mm. fol. 299v P[harisaeorum levitae interrogant Iohannem], Incipit Breviarium secundum Iohannem332, 10 x 10 mm. fol. 300r I[n principio erat], Incipit Evanglium secundum Iohannem, Adler mit Schriftband: «In principio...» (Io 1,1), 40 x 38 mm. fol. 306v L[ucas natione syrus], Incipit Prologus Actuum Apostolorum, predigender Apostel, 22 x 25 mm. fol. 306v P[rimus quidem], Incipit Liber Actuus Apostolorum, Lukas am Schreibpult sitzend mit Buch: «Gracia dei...», 38 x 39 mm. fol. 316v N[on idem ordo est], Incipit Prologus in Epistula Iacobi333, Thronender mit Lilienzepter, 23 x 21 mm. fol. 317r I[acobus Dei et Domini], Incipit Epistula Iacobi, Jacobus sitzend mit Schriftband: «Omne datum...» (Iac 1,17), 32 x 34 mm. fol. 318r P[etrus apostolus], Incipit Epistula Petri I, Petrus sitzend mit Schriftband: «Christus passus est pro nobis...» (I Pt 2,21), 36 x 39 mm. fol. 319r P[etrus servus], Incipit Epistula Petri II, Petrus stehend mit Schriftband: «Omnes timete...», 32 x 37 mm. fol. 319v Q[uod fuit], Incipit Epistula Iohannis I, Johannes sitzend, 38 x 38 mm. fol. 320v S[enior electae], Incipit Epistula Iohannis II, 80 x 56 mm (inkl. Ausläufer). fol. 320v S[enior gaio], Incipit Epistula Iohannis III, Johannes stehend, 34 x 35 mm. fol. 320v I[udas], Incipit Epistula Iudae, Judas stehend, 41 x 35 mm. fol. 321r A[pocalypsis], Incipit Apocalypsis Iohannis Apostoli, ein Engel verkündet Johannes die Offenbarung, 36 x 36 mm. 328
RB 11016. RB 620. 330 RB 11016. 331 RB 624. 332 RB 11016. 333 RB 809.
329
327
fol. 326v P[aulus servus], Incipit Epistula ad Romanos, Paulus sitzend mit Brief an die Römer, 41 x 35 mm. fol. 330r P[aulus], Incipit Epistula ad Corinthios I, Paulus stehend, 28 x 29 mm. fol. 333v P[aulus], Incipit Epistula ad Corinthios II, Paulus sitzend, 23 x 26 mm. fol. 338v P[aulus et Timotheus], Incipit Epistula ad Philippenses, 53 x 40 mm. fol. 343v P[aulus], Incipit Epistula ad Philemonem, 22 x 20 mm. fol. 343v M[ultifariam], Incipit Epistula ad Hebraeos, 30 x 28 mm. fol. 348r B[eatus vir], Incipit Liber Psalmorum iuxta Hebraicum, König David mit Harfe, 36 x 35 mm. fol. 353v D[ixit insipiens in corde suo], Psalm 52, Musiker mit Flöte und Trommel, 22 x 21 mm. fol. 359r C[antate Domini canticum novum], Psalm 97, drei singende Mönche, 19 x 20 mm. fol. 359r D[omine exaudi orationem meam], Psalm 101, 19 x 19 mm. Provenienz Laut einem Besitzervermerk auf fol. 1r lag die Bibel seit dem 17. Jahrhundert in der Bibliothek Allerheiligen in Schaffhausen: «Bibliothecae Eccles. Scaphus. ad. D. Johan.».334 Bei einem weiteren Eintrag auf dem Vorderdeckel handelt es sich nicht um einen Vorbesitzervermerk, wie die ältere Forschung meinte, sondern um einen Schuldeintrag in einer Kursive des 15. Jahrhunderts. Darin wird Heinrich Turner, Kaplan zu St. Johann in Schaffhausen, genannt. Urkundlich ist er um die Mitte des 15. Jahrhunderts u. a. auch als Darlehensgeber bezeugt. Folglich befand sich die Handschrift bestimmt seit dem 15. Jahrhundert in Schaffhausen. Forschungsstand und Kommentar Den Auftakt der Handschrift bilden zwei Blätter mit lavierten Federzeichnungen (foll. 1v und 2r). Sie zeigen in je sechs aus Baumästen gebildeten Medaillons die Erschaffung der Welt (fol. 1v) und den Sündenfall bis zur Opferung Isaaks (fol. 2r). Die erste Folge endet mit der Maiestas Domini, deren Hände mit Kreuzen versehen sind und die von zwei Engeln begleitet wird. Mit den Personifikationen von Tag und Nacht ist sie durch Ketten verbunden. Als Interpretation wurde vorgeschlagen, dass es sich hierbei um eine Darstellung Gottes oder des «Annus» entsprechend der kosmologischen Bedeutung der Genesisbilder handelt.335 Bezüglich des Aufbaus sowie in formaler Hinsicht erinnern die Zeichnungen an Glasmalereien. Auch stilistisch finden sich die nächsten Parallelen bei Glasmalereien dieser Zeit aus dem Konstanzer Kunstkreis (Heiligkreuzthal, Kappel a. Albis). 334 335
Dazu Gamper/Knoch-Mund/Stähli 1994, S. 53. Beer 1965 bis, S. 145.
328
Die Bibelillustration besteht aus 122 nahezu quadratischen oder hochrechteckigen Miniaturen resp. Initialminiaturen, die 2–8 Zeilen hoch sind. Ikonographisch bemerkenswert ist die Darstellung der auf einem Tetramorph reitenden Ecclesia (fol. 274r). Diesem seltenen Thema begegnen wir im Hortus Deliciarum der Herrad von Landsberg (Elsass, Ende 12. Jh.) und am Südportal der Kathedrale von Worms. Nach der älteren Forschung sind die Initialminiaturen gegen 1300 entstanden und vertreten ein zwar gutes, aber durchschnittliches Stilniveau. Als stilistisch vergleichbare Werke wurden die jüngere Weingartner Liederhandschrift und die Glasmalereien in Wimpfen am Berg (Stadtkirche, Ritterstiftskirche) sowie in Stetten (Burg Hohenzollern) genannt. Als wesentlich qualitätvoller wurden die Federzeichnungen beurteilt und ins 2. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts datiert. Dabei ging man davon aus, dass die ersten beiden Blätter dem Codex nachträglich vorgebunden wurden. L. E. Stamm meldete als erste Zweifel an dieser Sicht an: «Uns scheint die Frühdatierung der Deckfarbenminiaturen nicht überzeugend. Es scheint sich hier um den ‹verblockten› Stil des zweiten Jahrzehnts des 14. Jahrhunderts zu handeln, der ähnlich im Uttwiler Kästchen vorkommt.»336 Bei der Untersuchung des Originals konnten folgende Beobachtungen gemacht werden: Das Manuskript zeichnet sich durch ein sehr einheitliches, gepflegtes Layout und eine klar organisierte, heute noch intakte Buchanlage aus. Es ist weiter festzustellen, dass der Bibeltext bereits auf fol. 2v beginnt, d. h. auf der Rückseite der zweiten Federzeichnung. Der Textanfang befindet sich also innerhalb der Zweierlage, auf deren Blätter auch die Federzeichnungen angelegt wurden. Auch die Ausstattung mit Deckfarbenmalereien setzt auf fol. 2v mit einer kleinformatigen Initialminiatur und der äusserst qualitätvollen Darstellung des Jeremias ein. Ferner erstrecken sich die Federzeichnungen innerhalb des Schriftspiegels. Die Miniaturen sind z. T. technisch aufwändig ausgeführt (mehrere Malschichten) und zeichnen sich durch ein gutes Stilniveau aus. Besonders auffällig ist das in der Regel sehr kleine Format. Dieser Umstand müsste bei der Beurteilung des Stils unbedingt berücksichtigt werden.337 Aufgrund der beschriebenen Beobachtungen ist davon auszugehen, dass die Kombination von Federzeichnungen und Deckfarbenmalereien bereits im Konzept der Handschrift beabsichtigt war und dass zwischen der Fertigung der Malereien und der Zeichnungen kaum eine so grosse zeitliche Distanz liegen dürfte, wie dies bis anhin angenommen wurde. Die Malereien sind folglich ebenso ins 2. Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts zu datieren. Als Vertreter des «süssen
336 337
Stamm 1981, S. 338, Anm. 11. Die Stilvergleiche basieren oftmals auf dreifach vergrösserten Aufnahmen. z. B. Stamm 1981, S. 264, Abb. 187: Die Abbildung misst 93 x 94 mm, das Original hingegen 33 x 36 mm.
329
neuen Stils» sind insbesondere die Federzeichnungen vergleichbar mit den Fragmenten in Paris und Frauenfeld (Kat. Nrn. 39 a–c, 40 a–b). literatur Boos, Heinrich: Die Handschriften der Ministerialbibliothek zu Schaffhausen. Schaffhausen 1877, S. 2. – Frauenfelder, Reinhard: Die Kunstdenkmäler des Kantons Schaffhausen. Bd. 1. Die Stadt Schaffhausen. (Die Kunstdenkmäler der Schweiz). Basel 1951, S. 150. – Beer 1965 bis, S. 145. – Beer 1965 ter, S. 25f. – Kat. L’Europe gothique, Nr. 245, S. 150–151 (mit älterer Literatur). – Beer 1976, S. 260. – Kat. Mystik am Oberrhein, Nr. 45, S. 138, Abb. S. 139. – Stamm, Lieselotte E.: Die Rüdiger Schopf-Handschriften. Die Meister einer Freiburger Werkstatt des späten 14. Jahrhunderts und ihre Arbeitsweise. Aarau, Frankfurt a. M., Salzburg 1981, S. 258, 338, Anm. 11. – Michler, Jürgen: Die gotische Wandmalerei in Graubünden und die Kunst des Bodenseeraumes. In: Deutsche Kunst und Denkmalpflege 1984, S. 76– 78. – Gamper, Rudolf/Knoch-Mund, Gaby/Stähli, Marlis: Katalog der mittelalterlichen Handschriften der Ministerialbibliothek Schaffhausen. Zürich 1994, S. 83– 85. – Kessler 1997, KE 24, S. 240.
330
Abb. 55: Kat.-Nr. 37, p. 51, Maister Hainrich von Veldeg
331
Kat.- nr. 37
Abb. 55
Stuttgart, Württembergische landesbibliothek, HB xIII 1338 Weingartner liederhandschrift Wohl Konstanz, zweites Jahrzehnt 14. Jahrhundert Buchkörper Pergament, 156 Blätter, 150 x 115 mm. Lagen: 5 VI, 3 V, 5 VI, III. In Folge der Neubindung wurde die ursprüngliche Anordnung der Blätter in Sexternionen teilweise gestört. Kustoden: S. 24 I, S. 48 II, S. 72 III, S. 96 IV, S. 120 V, S. 138 VI, ab hier fehlen sie. Paginierung: 1–312. Der einspaltige, mittelhochdeutsche Text zu 28 Zeilen wurde von fünf Schreibern in gotischen Minuskeln (Textualis) ausgeführt. Einband: um 1820, damals wurde die Handschrift beschnitten und mit einem Goldschnitt ausgestattet. Auf dem Buchrücken erhielt sie die Aufschrift «Altteutsches Liederbuch». Inhalt S. 1–170 Kernbestand der Handschrift: die Gedichte der ersten 25 Sänger umfassend; sie beginnen in der Regel mit einer ganzseitigen Miniatur, die mit dem Dichternamen überschrieben ist (s. unter Ausstattung); S. 171–177 leer; S. 178–238 weitere geschlossene Werkkomplexe, jedoch ohne Miniaturen und Überschriften: Wolfram von Eschenbach, Neidhart von Reuental, Winsbecke, Winsbeckin, anonymer Marienpreis; S. 239 leer; S. 240–251 Frauenlob-Sammlung339; S. 252 leer; S. 253–304 Minnelehre des Johann von Konstanz; S. 304–305 Minneklage. Ausstattung 25 ganz- resp. halbseitige Miniaturen mit Autoren-«porträts»: S. 1 Kaiser Heinrich S. 4 Grave Ruodolf von Fenis S. 9 Her Friderich von Husen S. 18 Burgrave von Rietenberg, halbseitig S. 20 Her Meinlo von Sewelingen S. 23 Grave Otto von Bottenlouben, halbseitig 338 339
Trägt in der Minnesangforschung die Sigle «B». Nach Voetz 1988, S. 235: junger Meissner.
332
S. 26 Her Bliger von Stainach S. 28 Her Dietmar von Aste S. 33 Her Hartmann von Owe S. 40 Her Albrecht von Jausdorf S. 45 Her Hainrich von Ruche S. 51 Maister Hainrich von Veldeg, Abb.55 S. 60 Herre Reinmar S. 73 Her Uolrich von Guotenburg S. 76 Her Bernger von Horneim S. 80 Her Heinrich von Morungen S. 109 Her Uolrich von Munegur S. 112 Her Hartwig Raute S. 115 Der Truchsaeze von Singenberg S. 118 Der Wahsmuot von Kunzich S. 121 Her Hiltebolt von Swanegou S. 125 Her Willehalm von Heinzinburch S. 128 Her Liutolt von Savene S. 131 Herre Rubin S. 139 Her Walther von der Vogelwaide Provenienz Die Geschichte der Handschrift wird erst Jahrhunderte nach ihrer Entstehung durch eine Reihe von Besitzervermerken fassbar. Ihnen zufolge hat sie sich um 1600 im Besitz des Konstanzer Bürgermeisters Marx Schulthais befunden und kam im Jahre 1613 als Geschenk ins Benediktinerkloster Weingarten. Nach der Aufhebung des Klosters zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelangte die Handschrift nach Stuttgart in die königliche Hofbibliothek. Forschungsstand und Kommentar Die Weingartner Liederhandschrift gehört zusammen mit dem Codex Manesse (Kat.-Nr. 25) und der kleinen Heidelberger Liederhandschrift (Heidelberg, Universitätsbibliothek, cpg. 357) zu den drei Haupthandschriften des mittelhochdeutschen Minnesangs. Die Handschrift umfasst insgesamt 33 Textkorpora, davon gehören 25 zum Kernbestand. Diese 25 ersten Abteilungen sind jeweils mit dem Dichternamen und zumeist mit einer ganzseitigen Miniatur ausgezeichnet. Die Handschrift vereinigt schwerpunktmässig Texte des frühen und hohen Minnesangs aus der Zeit vor und um 1200. Die 25 ganzseitigen (mit zwei Ausnahmen) Miniaturen lassen sich ihrem Inhalt nach in drei Kategorien unterteilen: sitzender Dichter, Gespräch mit 333
der Dame, Reiter.340 Sie setzen den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Darstellung der Dichter und erweisen sich hierin als weniger variantenreich als diejenigen des Codex Manesse. Die motivisch oft eng mit den Paralleldarstellungen des Codex Manesse verwandten Illustrationen unterscheiden sich von letzteren durch eine völlig andersartige Bildkonzeption.341 Kräftige Farbtöne, statische Komposition, eine gewisse Flächigkeit und einfache Grundformen charakterisieren die Miniaturen, die als Höhepunkte des konstanzischen Stils gelten. Als verwandte Werke sind die Weberfresken im Haus zur Kunkel in Konstanz sowie die Glasmalereien von Heiligkreuztal und Frauenfeld-Oberkirch zu nennen. Nach R. Kroos sind die Miniaturen gegen Ende des zweiten Jahrzehnts des 14. Jahrhunderts in einem auf profane Handschriften spezialisierten Atelier mit Sitz in Konstanz geschaffen worden. literatur Die Weingartner Liederhandschrift, I. Vollfaksimile, II. Textband, Irtenkauf, Wolfgang/Halbach, Kurt Herbert/Kroos, Renate (Hrsg.). Stuttgart 1969. – Kat. Konstanz um 1300, Nr. 9, S. 36–39. – Frühmorgen-Voss 1975, S. 100–105. – Vetter 1981, S. 59–62. – Voetz 1988, Nr. G 3, S. 234–236 (mit ausführlichen Literaturangaben). – Saurma-Jeltsch 1988, Nr. J 15, S. 341–343. – Irtenkauf, Wolfgang: Einige Beobachtungen zur «Weingartner Liederhandschrift». In: Borgolte, Michael/Spilling, Herrad (Hrsg.): Litterae Medii Aevi. Festschrift für Johanne Autenrieth zu ihrem 65. Geburtstag. Sigmaringen 1988, S. 203–208. – Kat. edele frouwen – schoene man, Nr. 113, S. 252. – Sauer 1996, Nr. 3, S. 59–62. – Kessler 1997, KE 25, S. 240–241.
340 341
Kroos 1969, S. 139. Saurma-Jeltsch 1988, S. 342.
334
Kat.-nrn. 38 a–c In der Folge werden drei Fragmente aus einer Antiphonarhandschrift beschrieben, die vom Autorenteam M. Voelkle/R. Wieck 1993 erstmals als Gruppe vorgestellt wurden.342 Während das heute in einer Schweizer Privatsammlung aufbewahrte Fragment mit der Christus-Johannes-Gruppe der Forschung schon länger bekannt ist, sind die beiden anderen erst durch die genannte Publikation öffentlich geworden. Bei den letztgenannten konnte der liturgische Kontext ermittelt werden. Sie müssen dem Winterteil eines Antiphonars entnommen worden sein. Beide entfallen auf das Proprium de Tempore. Beim Fragment mit der Christus-Johannes-Gruppe hingegen können die Textbruchstücke noch nicht schlüssig eingeordnet werden. Die hochrechteckigen Formate bewegen sich in den Massen 156/200 mm auf 116/137 mm und stehen in einem Höhe-Breite-Verhältnis von 1:1,2 bis 1:1,5. Das Bildfeld wird von einem mit Edelsteinen resp. Weissranken besetzten Rahmen mit goldenen Eckstücken umschlossen. Die Szenen scheinen vor dem plombierten Goldgrund zu schweben. Letzerer ist lediglich beim Fragment in Cleveland berieben und hat dadurch seinen ursprünglichen Glanz eingebüsst. Die erstarrt wirkenden Initialen sind vor allem mit floralen Motiven ausgestaltet und umfassen die Figurenszenen. Diese werden durch entkörperlichte Figuren bestimmt, die in weich modellierte Gewänder gehüllt sind und ein weisses Inkarnat mit feiner schwarzer Binnenzeichnung aufweisen. Die eigenartige Wirkung der Miniaturen wird von der Diskrepanz zwischen den weichen Gewändern und der linear grafischen Gestaltung der Haartracht und/oder der Thronbänke geprägt. Trotzdem können die qualitativ hochstehenden Illustrationen als Vertreter des «süssen neuen Stils» betrachtet und als solche in die Nähe des St. Katharinentaler Graduale resp. der Fragmente aus zwei Zisterzienser Antiphonarien und einem Bibeltorso (Kat. Nrn. 39 a–c, 40 a–b, 41) gerückt werden. Insofern würde die bisher vertretene Datierung «Ende 13. Jahrhundert» oder «um 1300» modifiziert und eine Entstehung um 1320 vorgeschlagen. Die vom Autorenteam M. Voelkle/R. Wieck vorgenommene Gruppierung der drei Fragmente lässt beim fremd wirkenden Fragment mit dem Propheten Isaias Zweifel aufkommen. Eine abschliessende Beurteilung könnte jedoch erst nach Einsichtnahme des Originals abgegeben werden.
342
Voelkle/Wieck 1993, S. 128–129.
335
Abb. 56: Kat.-Nr. 38 a, Prophet Isaias
Abb. 57: Kat.-Nr. 38 b, Geburt Christi
336
Kat.- nr. 38 a
Abb. 56
Cleveland, Cleveland Museum of Art, otto F. ege deposit.: Tr 12828/15343 Fragment, historisierte Initiale A mit dem Propheten Isaias Bodenseeraum, um 1320 Pergament, 162 x 137 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textura Latein Text Die Initiale «A[spiciens a longe ecce video dei...]» illustriert das erste Responsorium der ersten Nokturn des ersten Adventsonntages, dessen Ende auf der Rückseite überliefert ist: «[... es in populo isra]hel». Darauf folgt der Vers: «Quique [terrigenae et filii] hominum simul in unum [dives et pau]per. Ite. Qui regis [israel intende q]ui deducis velut ovem [joseph qui sedes super cherubim.]»344 Bildthema Das Fragment leitete ursprünglich den Winterteil einer Antiphonarhandschrift ein. Die Miniatur zeigt einen thronenden Propheten, der mit der Linken auf die mit dem Kreuznimbus umgebene und aus einer Wolke aufsteigende Hand Gottes weist. Wahrscheinlich handelt es sich um den Propheten Isaias, der die Geburt Christi prophezeite (Is 7,14; Is 9,5). Provenienz Das Fragment befindet sich seit 30 Jahren als Leihgabe der Erben Otto F. Ege im Cleveland Museum of Art. Die weitere Provenienz ist unbekannt. Forschungsstand und Kommentar S. Einleitung zu den Kat. Nrn. 38 a–c.
343
Das vorliegende Fragment konnte mit Hilfe von Fotos und Auskünften von Herrn Stephen Fliegel, Konservator am Cleveland Museum of Art, bearbeitet werden. 344 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 32, Nr. 6129.
337
literatur Voelkle/Wieck 1993, S. 128. – Kat. Antiquariat Günther, S. 257. – Kessler 1997, KE 26 a, S. 241.
Kat.- nr. 38 b
Abb. 57
new York, Sammlung Bernard H. Breslauer345 Fragment, historisierte Initiale H mit der geburt Christi Bodenseeraum, um 1320 Pergament, 156 x 116 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textura Latein Text Auf der Rückseite haben sich Textfragmente der zweiten Nokturn der Weihnachtsmatutin erhalten: «Suscepimus [Deus misericordia]m tuam in medio tem[pli tui.346 Ps. Magnus] D[ominus] a[ntiphona] Orietur [in] diebus...»347 Daraus lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Die unziale Initialminiatur H mit der Geburt Christi illustrierte wohl die erste Nokturn.348 Sie befindet sich folglich auf einer recto-Seite, die dem Winterteil einer Antiphonarhandschrift entnommen wurde. Bildthema Im Binnenfeld der Unziale H ist die Geburt Christi dargestellt: Maria, aufrecht auf ihrer Lagerstatt ruhend, umfasst das Kind. Im Mittelgrund stützt sich Josef auf seinen Stock, dahinter ist die Krippe mit Ochs und Esel dargestellt.
345
Das Fragment konnte mit Hilfe der zitierten Katalogbeiträge und aufgrund von Fotos bearbeitet werden. 346 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 498, Nr. 5084. 347 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 390, Nr. 4194. 348 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 216, bringt mehrere Responsorien, die mit «H[odie...]» beginnen.
338
Provenienz Das Blatt wurde 1978 von den Erben Dr. Silvain S. Brunschwig erworben. Forschungsstand und Kommentar S. Einleitung zu den Kat. Nrn. 38 a–c. literatur Voelkle/Wieck 1993, Nr. 38, S. 128–129. – Kat. Antiquariat Günther, S. 257. – Kessler 1997, KE 26 b, S. 242.
Kat.- nr. 38 c
Tafel 13c
Schweiz, Privatbesitz Fragment, Initiale Q, Christus-Johannes-gruppe Bodenseeraum, um 1320 Pergament, 200 x 129 mm Tinte, Deckfarben und Gold Textura Latein Text Die Textbruchstücke auf der Rückseite lassen sich nicht befriedigend einordnen. Am Ende der ersten Zeile beginnt eine Antiphon: «Verbo [domini coeli firm]ati sunt et spiritu oris [ejus omnis virtus eorum.]»349 Es folgt ein Psalm. Dann die Antiphon: «Clama[verunt justi et] Dominus exaudivit eos.»350 Bildthema Die gerahmte Miniatur zeigt vor Goldgrund, umfasst von der Initiale Q, Christus und Johannes auf einer Thronbank. Dabei ruht der schlafende Apostel an der Brust 349
Bei Hesbert 1963–1979 ist keine Antiphon mit diesem Wortlaut verzeichnet, jedoch im Bd. IV, S. 502 unter der Nr. 8237 ein Vers und ein nachfolgendes Responsorium. 350 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 100, Nr. 1823.
339
Christi und wird von dessen Armen zärtlich umfasst. Das Thema der ChristusJohannes-Gruppe stellt eine Bildformel dar, die verschiedene theologische Bezüge in sich vereint, nämlich Abendmahl und Brautmystik. Solche Darstellungen sind im Sinne eines Autorenbildes in der westlichen Buchmalerei seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar und treten als zentrales Bildthema der Frauenmystik in den verschiedenen Kunstgattungen auf. Provenienz Als A. Stange 1934 das Fragment in seiner Darstellung über die Deutsche Malerei der Gotik aufführte, befand es sich in der Sammlung Victor Goldschmidt, Heidelberg.351 In seiner Publikation über die Christus-Johannes-Gruppen aus dem Jahre 1960 gibt H. Wentzel die Sammlung Robert von Hirsch, Basel, als Standort an.352 Kommentar und Forschungsstand Wie die Notencorpora auf der Rückseite nahelegen, muss das Fragment einer Choralhandschrift entnommen worden sein. Aufgrund der Masse und Proportionen der Miniatur, der Rahmen-Ornamentik sowie des Figurenstils kann der Blattausschnitt zweien Membra disiecta aus einer Antiphonarhandschrift zugeordnet werden (s. Einleitung Kat. Nrn. 38 a–c). A. Stange ordnete das Blatt dem ausgehenden 13. Jahrhundert zu und dachte mit Blick auf die ältesten plastischen Christus-Johannes-Gruppen an eine Entstehung im Bodenseegebiet, i. e. Konstanz. H. Wentzels Datierung «um 1300» und Lokalisierung «aus der Bodenseegegend» wurde von J. de Coo übernommen. E. J. Beer besprach die Miniatur im Hinblick auf die beiden Christus-Johannes-Gruppen im Graduale von St. Katharinental und deren stilistische wie formale Entwicklung. Sie äusserte leise Zweifel an der Datierung H. Wentzels, weil sie sie als etwas zu spät betrachtete. J. Günther nahm dies auf, setzte sie vor 1300 an und bezeichnete sie als oberrheinisch oder schwäbisch. Nachdem das Blatt nicht nur – wie bis anhin – aufgrund von Schwarzweissaufnahmen beurteilt werden kann, betrachte ich die drei Miniaturen als Vertreter des «süssen neuen Stils» und schlage eine Datierung um 1320 vor. literatur Stange 1934, S. 58, Abb. 61. – Wentzel 1960, Nr. 34, Abb. 12. – de Coo, Jozef: Museum Meyer van den Bergh, Catalogus, Bd. 2. Antwerpen, 1969, S. 96, Nr. 18. – de Coo, Jozef: Eine niederländische Jesus-Johannes-Gruppe. In: Pantheon 28, 1970, S. 102, Abb. 4. – Beer 1983, S. 137. – Knoepfli 1989, S. 166, Nr. 4b. –Voelkle/Wieck 351 352
Stange 1934, S. 58. Wentzel 1960, Abb. 12.
340
1993, Nr. 38, S. 128–129. – Kat. Antiquariat Günther, S. 257. – Kessler 1991, S. 43, 66. – Kessler 1994, S. 214, Abb. 2. – Kessler 1997, KE 26 c, S. 242.
Kat.- nr. 39 a
Abb. 58
Paris, Biblothèque nationale, estampes, Ad 152g, pl. 843 Fragment aus einem Zisterzienser-Antiphonar, Initiale Q, ChristusJohannes-gruppe Bodenseeraum, gegen 1320 Pergament, 440 x 250 mm (unten wenig beschnitten), Initialminiatur 140 x 140 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Auf dem Blatt ist zuerst das Invitatorium «Adoremus regem...» zum Fest Johannes des Evangelisten überliefert.353 Nach einem Psalm folgt die erste Antiphon zur ersten Nokturn «In omnem terram...».354 Dann schliesst das mit der Initialminiatur beginnende Responsorium «Qui vicerit faciam illum...»355 an. Bildthema Die Initialminiatur «Q[ui vicerit faciam illum]» mit einer Christus-Johannes-Gruppe schmückt die Festgesänge des Evangelisten Johannes (27. Dezember). Eine Darstellung mit vielfältigen theologischen Bezügen wie Abendmahl und Brautmystik, die im Sinne eines Autorenbildes seit dem 13. Jahrhundert in der westlichen Buchmalerei nachweisbar ist und dann als Bildthema der Frauenmystik in den verschiedenen Kunstgattungen eine zentrale Rolle spielte.
353
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 2, Nr. 1013. Dieser Text ist bei Hesbert nur als Invitatorium aufgeführt. 354 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 276, Nr. 3262. 355 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 370, Nr. 7486.
341
Provenienz Das Einzelblatt stammt zusammen mit zwei weiteren (Ad 150h, pl. 51 und Ad 152q, pl. 842; Kat. Nrn. 39 b und 39 c) der Bibliothèque nationale in Paris aus der Sammlung de Bastard d’Estang. Wie aus den Vorbesitzerhinweisen auf den Einzelblättern hervorgeht, sind sie aus einem Antiphonar ausgeschnitten, 1848 im Besitz eines Pariser Goldschmieds gewesen (Bemerkung auf dem Fusssteg: «tiré d’un Antiphonier appartenant en Xbre 1848 à M. Buisson, /batteur d’or, Impasse Guémené, No 3.») und in der Folge in die Sammlung de Bastard d’Estangs übergegangen. Zum Zeitpunkt des Besitzerwechsels müssen noch weitere Teile der Handschrift erhalten gewesen sein, denn de Bastard d’Estang hat eine Randbemerkung von einem anderen, heute nicht mehr bekannten Blatt auf das Fragment Ad 152g, pl. 843 übertragen. Ihre Abfassung in deutscher Sprache hat de Bastard d’Estang wohl veranlasst, die Einzelblätter mit «Allemagne, XIVème siècle (commencement)» zu bezeichnen und einzuordnen. Forschungsstand und Kommentar Die Pariser Einzelblätter sind von E. J. Beer zusammen mit zwei weiteren Fragmenten im Historischen Museum des Kantons Thurgau (Kat. Nrn. 40 a und b) und einem Bibelfragment in Karlsruhe (Kat.-Nr. 41) als demselben Kunstkreis zugehörig und aus derselben Werkstatt stammend erkannt worden. Stilistisch lassen sich diese Buchmalereifragmente eindeutig der Kunst des Bodenseeraumes um 1320 zuordnen. literatur Beer 1976, S. 252, Abb. 3. – Beer 1983, S. 220. – Kat. Les Enluminures, S. 93–95. Kessler 1997, KE 29 a, S. 244.
342
Abb. 58: Kat.-Nr. 39 a, Christus-Johannes-Gruppe
Abb. 59: Kat.-Nr. 39 b, Steinigung des Stephanus
343
Kat.- nr. 39 b
Abb. 59
Paris, Bibliothèque nationale, estampes, Ad 150h, pl. 51 Fragment aus einem Zisterzienser-Antiphonar, Initiale H, Steinigung des hl. Stephanus Bodenseeraum, gegen 1320 Pergament, 440 x 250 mm, Initialminiatur 140 x 140 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Das Blatt überliefert zuerst die Antiphon: «Stephanus autem...»356 Dann folgt das Invitatorium: «Christum natum...»357 Nach einer weiteren Antiphon: «Beatus vir...»358schliesst dann zuunterst das illustrierte Responsorium: «Hesterna die...»359 an. Bildthema Das heute in der Bibliothèque nationale in Paris aufbewahrte Blatt zeigt zum Fest des Erzmärtyrers Stephanus (2. Januar) die Initialminiatur «H[esterna die]» mit der Steinigung des Heiligen im Binnenfeld der Unziale. Der noch erhaltene und den Textblock rahmende Schaft einer Fleuronnée-Initiale weist auf eine nachträgliche Anbringung der Deckfarbeninitiale hin. Provenienz s. Kat.-Nr. 39 a Forschungsstand und Kommentar Einzelblatt aus der ehemaligen Sammlung de Bastard d’Estang, das wie die beiden anderen (Kat. Nrn. 39 a und c) aus einem um 1320 im Bodenseeraum entstandenen Zisterzienser-Antiphonar stammt. Bezüglich Herkunft, Parallelstücke und stilistischer Einordnung konsultiere man Kat.-Nr. 39 a. 356
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 491, Nr. 5025. Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 5, Nr. 1048. 358 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 83, Nr. 1674. 359 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 203, Nr. 6810. 357
344
literatur Beer 1976, S. 252, Abb. 3. – Beer 1983, S. 220. – Kat. Les Enluminures, S. 93–95. Kessler 1997, KE 29 b, S. 245.
Kat.- nr. 39 c
Abb. 60
Paris, Bibliothèque nationale, estampes, Ad 152q, pl. 842 Fragment aus einem Zisterzienser-Antiphonar, Initiale Q, heiliger Petrus Bodenseeraum, gegen 1320 Pergament, 460 x 330 mm (unten wenig beschnitten), Initialminiatur (ohne Cauda) 138 x 138 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Der erste Teil des auf dem Blatt überlieferten Textes konnte bisher nicht identifiziert werden. Der Vers: «In omnem terram...»360 ist u. a. für das Fest des hl. Petrus überliefert. Der Text mit der Initialminiatur ist, soweit er hier überliefert ist, sowohl als Antiphon361 als auch als Responsorium362 gesungen worden, und zwar für die beiden Feste Cathedra S. Petri (22. Februar) und S. Petri (28. Juni). Bildthema Die quadratische Miniatur zeigt Petrus, mit dem charakteristischen Attribut des Schlüssels, auf dem ihn umrahmenden Q stehend. Die Cauda bildet eine männliche Gestalt, die mit der einen Hand ein Untier festhält.
360
Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 490, Nr. 8097. Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 423, Nr. 4454. 362 Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 364, Nr. 7467.
361
345
Provenienz Kat.-Nr. 39 a. Forschungsstand und Kommentar Beim hier vorliegenden Fragment handelt es sich um eines der drei Einzelblätter aus der ehemaligen Sammlung de Bastard d’Estang (Kat. Nrn. 39 a und b). Es wurde einem Antiphonar, das für den zisterziensischen Ritus eingerichtet und um 1320 geschaffen worden ist, entnommen. Für Angaben zur Herkunft, zu Parallelstücken und zur stilistischen Einordnung sei auf Kat.-Nr. 39 a verwiesen. literatur Beer 1976, S. 252, Abb. 4. – Beer 1983, S. 220. – Kat. Les Enluminures, S. 93–95. Kessler 1997, KE 29 c, S. 245.
346
Abb. 60: Kat.-Nr. 39 c, hl. Petrus
Abb. 61: Kat.-Nr. 41, fol. 58v, Johannes mit dem Adler
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Kat.- nr. 40 a
Tafel 14
Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T9393 Fragment aus einem Zisterzienser-Antiphonar, Initiale M, Verkündigung an Maria Bodenseeraum, gegen 1320 Pergament, 225 x 185 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Beim Text auf der Rückseite handelt es sich um den zweiten Teil des Responsoriums «Missus est Gabriel». So ist anzunehmen, dass der Initialminiatur M der erste Teil folgte: «M[issus est Gabriel angelus ad Mariam virginem desponsatam Joseph, nuntians ei verbum; et expavescit virgo de lumine: ne timeas, Maria, invenisti gratiam apud Dom]inum ecce concipies [et paries] et vocabitur al[tissimi] filius alleluia.» Dann folgt der Vers: «[Ave Ma]ria gratia plena, Domi[nus te]cum. Ecce.»363 Schliesslich sind noch 2 Wörter des Responsoriums «Ave Ma[ria...]» überliefert.364 Bildthema Die Haste der unzial geformten Initiale trennt den Erzengel Gabriel, der die frohe Botschaft übermittelt, von Maria, die mit erhobener Hand die Worte Gottes empfängt. Provenienz Das Bruchstück befand sich zusammen mit Kat.-Nr. 40 b in Schweizer Privatbesitz. Beide gelangten über den Pariser Kunsthandel im Jahre 1994 in den Besitz des Historischen Museums des Kantons Thurgau.365 Forschungsstand und Kommentar Das Fragment bebilderte zusammen mit Kat.-Nr. 40 b ein grossformatiges, prachtvolles Zisterzienser-Antiphonar, wie E. J. Beer dargelegt hat. Nachdem die beiden 363
Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 292, Nr. 7170. Hesbert 1963–1979, Bd. IV, S. 40, Nr. 6157. 365 Kat. Les Enluminures, S. 94, Nr. 38.
364
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Blätter anlässlich der Ausstellung «L’Europe Gothique» 1968 in Paris zum ersten Mal zu sehen waren, wurde E. J. Beer auf drei Membra disiecta aus der ehemaligen Sammlung de Bastard d’Estang in der Bibliothèque nationale in Paris (Kat. Nrn. 39 a–c) aufmerksam gemacht. Sie erkannte, dass diese fünf Fragmente Zeugen zweier Zisterzienser-Antiphonarien darstellen, die zusammen mit einem Bibelfragment in Karlsruhe (Kat.-Nr. 41) demselben Kunstkreis angehören und wohl in derselben Werkstatt entstanden sind. An stilistisch verwandten Werken sind etwa die Glasmalereien in der Klosterkirche von Heiligkreuztal oder die Genesisbilder, die der Bibel Cod. 6 der Ministerialbibliothek von Schaffhausen vorgebunden sind (Kat.-Nr. 36), zu nennen. literatur Kat. L’Europe Gothique, Nr. 272, S. 168–169. – Beer 1976, S. 250. – Gutscher 1979, S. 168–169. – Beer 1983, S. 220. – Kat. Les Enluminures, S. 93–95, Nr. 38. Kessler 1997, S. 28 a, S. 244.
Kat.- nr. 40 b
Abb. 16
Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau Fragment aus einem Zisterzienser-Antiphonar, Initiale V, Tod Mariae Bodenseeraum, gegen 1320 Pergament, 225 x 176 mm Deckfarbe und Gold Textura Latein Text Die Textbruchstücke auf der Rückseite überliefern drei Antiphonen: «[Sicut li]lyum inter spinas, sic amica mea [inter fili]ae.366 Favus destillans labia [tua sponsa et odo]r 366
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 481, Nr. 4937. Dieser Text ist bei Hesbert nur als Antiphon aufgeführt.
349
vestimentorum sicut odor [thuris.]»367 und «Emissiones tue paradysus [malorum punicorum cum pumorum fructibus]»368, die sowohl zum Fest der Geburt Mariae wie zu Mariae Himmelfahrt vom 15. August gesungen wurden. Die Darstellung des Todes Mariae passt eher zur Himmelfahrt als zur Geburt Mariae. Da sich die Initialminiatur V mit dem Tod Mariae wohl auf einer Versoseite befindet, was die Punktierung, Liniierung und Benützungsspuren nahelegen, dürfte die Miniatur die erste Antiphon der 3. Nokturn: «Veni in ortum meum, soror mea sponsa, messui myrrham meam cum aromatibus meis]»369, illustriert haben. Bildthema Die Initialminiatur zeigt vor Goldgrund den Tod Mariae. Die Verstorbene liegt ausgestreckt auf ihrem Lager, an dessen Enden drei Apostel als Halbfiguren auftreten. Der im Mittelgrund dargestellte Christus hält bereits die Seele Mariens in Gestalt einer zierlichen Frau auf seinen Armen. Provenienz Das Bruchstück befand sich zusammen mit Kat.-Nr. 40 a lange in Schweizer Privatbesitz. Beide gelangten über den Pariser Kunsthandel im Jahr 1994 in den Besitz des Historischen Museums des Kantons Thurgau.370 Forschungsstand und Kommentar Das Einzelblatt mit dem Tod Mariae stellt das Schwesterfragment zu Kat.-Nr. 40 a dar, deshalb sei hinsichtlich Herkunft, Parallelstücken und stilistischer Einordnung darauf verwiesen. Ein zeitlich und ikonographisch verwandtes Vergleichsbeispiel stellt die Skulptur Christi mit der Seele Mariens aus dem Felixenhof bei Weingarten, die im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart aufbewahrt wird und aus dem ersten Viertel des 14. Jahrhundert stammt, dar.371 literatur Kat. L’Europe Gothique, Nr. 272, S. 168–169. – Beer 1976, S. 250. – Beer 1983, S. 220. – Kat. Les Enluminures, S. 93–95. – Kessler 1997, KE 28 b, S. 244.
367
Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 225, Nr. 2855. Dieser Text ist als Antiphon bezeichnet. Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 201, Nr. 2641. Dieser Text ist bei Hesbert nur als Antiphon aufgeführt. 369 Hesbert 1963–1979, Bd. III, S. 528, Nr. 5325. 370 Kat. Les Enluminures, S. 94, Nr. 38. 371 Beer 1976, S. 250. 368
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Kat.- nr. 41
Abb. 61
Karlsruhe, Badische landesbibliothek, Cod. Aug. perg. 90 Bibelfragment Bodenseeraum, gegen 1320 Buchkörper Pergament, 206 Blätter, 312 x 230 mm. Lagen: 19 V, VI, V, II. Schriftspiegel: 2 Kolumnen à 38/39 Zeilen, ab fol. 193 à 48 Zeilen. Lateinischer Text in gotischer Textura, Glossar in Latein und Mittelhochdeutsch. Einband: Buchdeckel mit Leder überzogen, Metallspangen. Inhalt foll. 1v–75r die vier Evangelien; foll. 75v–119v Paulusbriefe; foll. 120r–128v Apokalypse des Johannes; foll. 129r–160r Actus apostolorum, Canonicae epistolae, foll. 160r–192v Libri Machabeorum I und II; foll. 193r–206v Alphabetisches Glossar mit lateinischen und mittelhochdeutschen Erklärungen. Ausstattung Acht historisierte Initialminiaturen: fol. 1v N[ovum opus], Incipit Praefatio Sancti Hieronymi Prespyteri in Evangelio, der schreibende Hieronymus. fol. 4v L[iber generationis], Incipit Evangelium secundum Mattheum, thronende Madonna mit dem Jesuskind. fol. 38r Q[uoniam quidem], Incipit Evangelium secundum Lucam, Verkündigung der Geburt des Johannes an Zacharias. fol. 58v J[ohannes evangelista], Incipit Argumentum, der thronende Johannes mit dem Adler.372 372
Beer 1976, S. 256, interpretiert die Darstellung als thronender Christus mit der Taube des Hl. Geistes. Im Kommentarband zum Graduale von St. Katharinental (Beer 1983, S. 134) vergleicht sie die Darstellung mit dem auf dem Regenbogen thronenden Johannes im Graduale von St. Katharinental (fol. 160r) und zieht in Erwägung, dass es sich beim vorliegenden Fall auch um eine «Johannesmajestas» handeln könnte. Mit der Kenntnis des Fragmentes im Musée Marmottan in Paris (Kat.-Nr. 22 d) und im Hinblick auf die Tatsache, dass im vorliegenden Fall das Argumentum zum Johannesevanglium illustriert wird, dürfte es sich um eine Johannesmajestas handeln.
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fol. 59r I[n principio erat verbum], Incipit Evangelium secundum Iohannem, Johannes Ev. mit betender Zisterziensernonne. fol. 75v P[aulus servus Jesu Christi], Incipit Epistula ad Romanos, Saulus stürzt vom Pferd. fol. 83v P[aulus vocatus], Incipit Epistula ad Corinthos I, die Apostel Petrus und Paulus. fol. 120r A[pocalypsis Iesu Christi], Incipit Apocalypsis Iohannis Apostoli, schreibender Johannes. Provenienz Laut einem Eintrag auf fol. 1 (s. unten) der fragmentarisch erhalten gebliebenen Bibelhandschrift gelangte diese am 19. März 1624 als Geschenk des Frauenfelder Priesters Johannes Albert auf die Reichenau. Ursprünglich war die wohl zweibändige Vollbibel für ein Zisterzienserinnenkloster des Bodenseeraumes bestimmt, wie die Darstellung einer vor Johannes knienden Zisterzienserin (fol. 59r) nahelegt. Eintrag auf fol. 1: «In usum M. Ioan. Alberti Parochi Menngensis. Decani R. Cap. Wurmlingensis. Ad honorem DEI et S. Marci Evangelistae Commemorationen piam Augiae Maiori me liberentissime donavit M. Joan. Albertus Parochus Frawenfeldensis An 1624, 19 Martij». Forschungsstand und Kommentar Acht Initialminiaturen vor Goldgrund bilden den qualitativ und stilistisch uneinheitlichen Schmuck des Bibelfragmentes. Im Katalog zur Ausstellung «L’Europe Gothique» des Europarates in Paris 1968 wurde die Bibel demselben Atelier – vermutlich mit Sitz in Konstanz – zugeschrieben, in dem die zwei Frauenfelder Antiphonarfragmente (Kat. Nrn. 39 a und b) entstanden sind. Wie E. J. Beer dann 1976 ausführlich und überzeugend gezeigt hat, sind die Miniaturen vor allem bezüglich ihrer Ornamentik, aber auch ihrer Bildkonzeption und ihres Figurenstils, nicht nur nächstverwandt mit den obengenannten Fragmenten, sondern auch mit drei Einzelblättern aus einem weiteren Antiphonar (Kat. Nrn. 39 a–c, 40 a und b).373 literatur Holder, Alfred: Die Handschriften der badischen Landesbibliothek in Karlsruhe. V. Die Reichenauer Handschriften. Bd. 1 Die Pergamenthandschriften. Erstausgabe Leipzig 1906. Neudruck Wiesbaden 1970, S. 238–241. – Kat. L’Europe Gothique, Nr. 272, S. 169. – Beer 1976, S. 255–267, Abb. 6–9. – Beer 1983, S. 134. – Kat. Les Enluminures, S. 94. – Kessler 1997, KE 30, S. 246. 373
Beer 1976.
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Kat.- nr. 42
Abb. 62
rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10774 Psalterium und Hymnar, zweite Hälfte 15. Jahrhundert Buchkörper Pergament, 184 Blätter, 6 Papierblätter (foll. 7–12) Masse der Pergamentblätter: 380 x 280 mm Masse der Papierblätter: 327 x 222 mm, mit Wasserzeichen (Bär) Briquet Nr. 12274(?) Foliierung: modern, in arabischen Ziffern 1–190, jeweils auf Recto-Seiten in der rechten unteren Ecke, gestempelt. Lagen: V-3 (das erste Blatt der Lage, nicht foliiert, klebt am vorderen Buchdeckel; die letzten drei Blätter der Lage zwischen foll. 6 und 7 fehlen), III, 6 V, V-1 (Blatt zwischen foll. 76 und 77 fehlt), 11 V (das letzte Blatt der Lage, nicht foliiert, klebt am hinteren Buchdeckel). Reklamanten: foll. 22v: Auxi, 32v: m, 42v: nite, 52v: et spe, 62v: ascen, 72v: meo, 81v: ns, 91v: meam, 101v: re re, 111v: lau, 121v: et, 131v: et, 141v: non, 151v: trino, 161v: parte, 181v: hoie; die Tatsache, dass es auf fol. 81v statt 82v eine Reklamante hat, belegt, dass die neunte Lage von Anfang an unvollständig war. Schriftspiegel: foll. 1–6 Kalendar 33 Zeilen; foll. 7–12 Papierblätter: 224 x 148 mm, entweder 6 Text- und 6 Notenzeilen oder 22 bis 23 Textzeilen oder Text- und Notenzeilen; foll. 13–190: 260 x 189 mm, entweder 9 Text- und 9 Notenzeilen oder 20 Textzeilen oder Text- und Notenzeilen, Ausnahme: fol. 132v Mitte bis fol. 135r Allerheiligenlitanei, zwei Kolumnen à 20 Zeilen. Lateinischer Text in äusserst einheitlicher und sehr gepflegter gotischer Textura, wohl von einer Hand, ausser foll. 7–12 (spätere Hand), Text und Noten in braunschwarzer, Titel und Notenlinien in roter Tinte, Auszeichnungsinitialen blau und rot. Leere Seiten: foll. 7, 12, 171v. Rasuren: foll. 152r und 128r, beide Male Korrekturen. Einband: Holzdeckel mit hellem, glänzendem Leder eingefasst, das beidseitig geprägt ist. Vorne wie hinten sind je fünf Beschläge mit Buckeln montiert, diejenigen an den Rändern mit Tiermotiven, die mittleren mit geometrischen Ornamenten, die Eckbeschläge fassen auch die Deckelkanten ein. Die noch funktionstüchtige, aber geflickte Schliesse ist am hinteren Deckel befestigt, etwas unterhalb von dieser hatte es ursprünglich eine zweite gehabt. Der untere Buchschnitt wird von zwei Lederstreifen geschützt, die an den Kanten angenagelt sind. Auf der Vorderseite 353
Zettel mit Nummer «122» in brauner Tinte, hingegen auf dem Spiegel innen steht «N° 121 quater» und «426», beide Eintragungen mit Bleistift. Signakeln: zehn gezöpfelte Schnüre, die durch einen kunstvollen Knoten zusammengehalten werden; am Buchschnitt sind zudem braune Wildlederstücke angebracht, sie sind 14 mm breit und kragen ca. 28 mm über den Seitenrand vor (foll. 27, 36, 46, 56, 69, 81, 93, 107, 117, 140, 142, 153, 159, 163, 167); bei den ersten sieben Buchzeichen hat es gleichzeitig eine Initiale. Äussere Masse: 400 x 290 mm. Inhalt Dominikanisches Psalterium und Hymnar: foll. 1r–6v dominikanisches Kalendar; fol. 7 leer; foll. 8r–122r Psalterium; foll. 122r–132v Cantica und gängige Zusätze; foll. 132v–135r Allerheiligenlitanei; foll. 135r–136v Te deum; foll. 136v–139v Marienofficium; foll. 139v–171r Hymnar (Proprium de tempore, Kirchweihfest, Proprium de Sanctis, Commune Sanctorum); foll. 172r–177r Intonaciones secundum octo tonos; fol. 177v Ordo responsorium et versiculorum ad horas. Ausstattung Sieben Fleuronnée-Initialen bei Psalmanfängen, die alle nach demselben Prinzip gestaltet sind: Die Buchstabenkörper sind rot und blau, das Binnen- und das Aussenfeld sind mit Ranken- und Blattwerk sowie Masken und geometrischen Ornamenten in brauner Tinte geschmückt. Eine Ausnahme bildet das rote Blattwerk in den Zwickeln der Initiale auf fol. 93v. Manchmal wird der Text rahmenartig von Ausläufern begleitet. fol. 27r D[ominus illuminacio mea et salus mea], Psalm 26, mit Ranke auf dem Binnensteg, 80 x 72 mm. Abb. 62. fol. 36v D[ixi custodiam vias meas], Psalm 38, mit Ranke auf dem Aussenstg, 85 x 82 mm. fol. 46v D[ixit insipiens in corde suo], Psalm 52, 88 x 84 mm. fol. 56v S[alvum me fac deus quoniam intraverunt], Psalm 68, mit Ranke auf dem Aussensteg, 87 x 82 mm. fol. 69v E[xultate deo adiuatori nostro], Psalm 80, mit Ranke auf dem Aussen- und Kopfsteg, 88 x 84 mm. fol. 81v C[antate domino canticum novum], Psalm 97, mit Ranke auf dem Aussensteg, 93 x 81 mm. fol. 93v D[ixit dominus domino meo sede a dextris meis], Psalm 109, mit Ranke auf dem Aussensteg, 79 x 71 mm.
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Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. 10769–10773, 10775, Kat.-Nrn. 1, 15, 19, 20, 35, 43), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktion, die im März 1851 in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Nuntius Pietro Antonio Garibaldi in Paris davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultobjekte, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). Forschungsstand und Kommentar Das Kalendar ist für den Gebrauch in einem Dominikaner- resp. Dominikanerinnenkloster eingerichtet [Petrus M. (29.4.), Translation des Dominikus (24.5.), Dominikus (5.8.), Dominikus-Oktav (12.8.), «Anniversarium familiarum et benefactorum ordinis nostri» (5.9.), «Anniversarium omnium fratrum et sororum ordinis nostri» (10.10.)]. Darauf weist auch die Litanei hin, denn bei Dominikus wurde vermerkt: «bis». In die Diözesen Konstanz und Strassburg(?) weisen die folgenden Heiligen: Udalricus (4.7.), Gallus (16.10.) und Otilie (13.12.). In der Litanei wird Udalricus auch genannt, zudem ist die Nennung von Leonhard, Conrad, Katharina sowie Ursula mit ihren Kameradinnen aufschlussreich. Das Proprium sanctorum des Hymnars enthält einen Hymnus zum Fest der hl. Katharina von Siena, die 1461 heiliggesprochen wurde374, was einen Terminus post quem für das Manuskript liefert. Die Handschrift zeichnet sich durch eine bemerkenswert sorgfältige Buchanlage, einheitliche und gepflegte Schrift sowie durch qualitätvolle Fleuronnée-Initialen aus. J. Borino gab bei allen Handschriften dieser Gruppe die Herkunftsbezeichnung «conventus S. Catharinae Divodurensis (Diessenhofen), dioec. Constantiensis(?)» an.375 P. Ladner, der aus diesem Grund auf die Gruppe aufmerksam wurde, erwähnte sie im Zusammenhang mit dem St. Katharinentaler Graduale.376 A. Knoepfli brachte eine erste Einordnung der Handschrift im Kunstdenkmälerband über das Kloster St. Katharinthal.377 Die Vorstellung Knoepflis, ein Teil der Ausstattung (Blattranken) stelle eine spätere Zutat dar, scheint wenig wahrscheinlich, denn Brüche sind keine zu vermerken. literatur Borino 1947, S. 232–236. – Salmon 1968/1969, Bd. 1, Nr. 83. – Ladner 1983, S. 297, Anm. 18. – Knoepfli 1989, S. 181–182. – Kessler 1991, vor allem S. 127–129. 374
LCI, Bd. 7, Sp. 301. Borino 1947, S. 232. 376 Ladner 1983, S. 297, Anm. 18. 377 Knoepfli 1989, S. 181–182. 375
355
Abb. 62: Kat.-Nr. 42, fol. 27r
Abb. 63: Kat.-Nr. 43, fol. 65r
356
Kat.- nr. 43
Abb. 63
rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10775 Antiphonar, 14. bis 16. Jahrhundert Buchkörper Beschreibstoff und Anzahl Blätter: - Teil 1: foll. 1–71 Pergamentblätter, 465 x 339 mm - Teil 2: foll. 72–106 Papierblätter, 443 x 289 mm Lagen: V-1 (das letzte Blatt der Lage zwischen foll. 9 und 10 fehlt), V-1 (das erste Blatt der Lage zwischen foll. 9 und 10 fehlt), IV, VI-2 (zwei Blätter zwischen foll. 26 und 27 fehlen), V, IV, II-1 (das letzte Blatt der Lage zwischen foll. 57 und 58 fehlt), III, V-2, (die letzten zwei Blätter der Lage zwischen foll. 71 und 72 fehlen); hier Wechsel zu Papierblättern: VI, IV, III, IV. Foliierung: modern, in arabischen Ziffern (1–106) gestempelt, jeweils in der rechten, unteren Ecke der Recto-Seiten. Masse des Schriftspiegels: im ersten Teil lagenweiser Wechsel, erste Lage: 320 x 206 mm, zweite Lage: 320 x 206 mm, dritte Lage: ungefähr gleich wie die zweite Lage, vierte Lage: 365 x 227 mm, fünfte Lage: 340 x 222 mm, sechste Lage: 378 x 255 mm, siebte Lage: 406 x 235–240 mm, achte Lage: 430 x 250 mm, neunte Lage: 338 x 247 mm, die zehnte: 354 x 228 mm; im zweiten Teil einheitlicher: 292 x 200 mm. Zusammensetzung des Schriftspiegels: Die Heterogenität des ersten Teils zeichnet sich auch hier ab; lagenweiser Wechsel zwischen acht oder neun Text- und acht oder neun Notenzeilen, die Notenzeilen sind manchmal durch Textzeilen ersetzt; im zweiten Teil jeweils sieben Text- und sieben Notenzeilen. Schreiber: im ersten Teil lagenweiser Wechsel, zweiter Teil einheitlich. Tinten: Text und Noten braun, braun-schwarz, schwarz; Notenlinien rot. Leere Seiten: foll. 34v, 36v, 46v, 54v, 64v, 84v, 96–98, 106. Einband: an den Ecken abgerundete Holzdeckel; nur der Buchrücken ist mit geprägtem Leder überzogen; eine Schliesse ist noch intakt, von der zweiten ist das Kupferplättchen auf der Vorderseite etwas unterhalb der ersten übrig, der Stift zur oberen Schliesse ist auf der Rückseite erhalten; in der Mitte des Vorderdeckels klebt ein Zettel mit der Nummer «122» in brauner Tinte; an den unteren Buchkanten ist je ein Stück Leder angenagelt. Auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels klebt die linke Hälfte eines Doppelblattes aus Pergament, von dessen rechter Hälfte existiert nur noch ein Stummel; es folgt ein Doppelblatt aus Papier als Schmutzblätter (Wasserzeichen: Bär, Briquet Nr. 357
12282?); Auf der Buchdeckelinnenseite wurde die heutige Signatur und die Bleistifteintragung «Nº 121» angebracht. Signakeln: 4 Schnüre an Holzstäbchen befestigt. Äussere Masse: ca. 490 x 360 mm. Inhalt Unvollständiges dominikanisches Antiphonar, das den Sommerteil des Proprium Sanctorum enthält. Ausstattung Die einfache Ausstattung besteht aus vielen kleinen Auszeichnungsinitialen und einigen grösseren Fleuronnée-Initialen (foll. 1r, 10r, 11v, 55r, 65r [Abb. 63], 72r, 99r). Fol. 10r ist mit einer Prachtinitiale von der Art ausgestattet, wie sie im Vatikanischen Cod. 10770 zu beobachten ist, d. h. sie gehört zur Gruppe um das St. Katharinentaler Graduale (Kat.-Nr. 34) und die Engelberger «Bibly».378 In der Initiale «P[redicatori]» auf fol. 72r ist der hl. Hyacintus dargestellt, der 1594 kanonisiert wurde.379 Provenienz Die Handschrift verliess das Kloster St. Katharinental wohl im 2. Viertel des 19. Jh.s zusammen mit sechs weiteren Handschriften (Codd. 10769–10774, Kat. Nrn. 1, 15, 19, 20, 35, 42), die heute ebenfalls in der Vatikanischen Bibliothek aufbewahrt werden. Dorthin gelangten sie über eine Auktion, die im März 1851 in Paris stattfand. Bevor es zur Versteigerung gekommen war, erfuhr der damalige Nuntius Pietro Antonio Garibaldi in Paris davon und setzte sich in Verbindung mit Kardinal Antonelli, Prosegretario di Stato. In Rom entschloss man sich zum Kauf sämtlicher Kultobjekte, die in der Folge dorthin überführt wurden (s. Kapitel 2). Forschungsstand und Kommentar Im ersten Teil wechseln Hände, Ausstattung und Blattanlage lagenweise. Die zweite Lage enthält das Fest von Vinzenz Ferrer, der 1458 kanonisiert wurde.380 Dieses Jahr stellt den Terminus post quem für diese Lage dar. Die dritte Lage ist mit Fleuronnée-Initialen ausgestattet, die um 1300 zu datieren sind. Das Fest der hl. Catharina von Siena (kanonisiert 1461381) bildet den Terminus post quem für die neunte Lage. Zwischen dem ersten und dem zweiten Teil klafft eine Lücke. Die Stummel der herausgeschnittenen Blätter werden durch einen Streifen Papier verdeckt, der 378
Beer 1959, S. 15ff. und S. 22ff. LCI, Bd. 6, Sp. 557. 380 LCI, Bd. 8, Sp. 561. 381 LCI, Bd. 7, Sp. 301. 379
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an den foll. 71v und 72r klebt. Der zweite, recht einheitliche Teil besteht aus sehr grobkörnigem Papier, deshalb ist die Tinte verschwommen, was ungepflegt wirkt. Hier kann das Fest des hl. Hyacinthus (kanonisiert 1594382) als Datierungshilfe herangezogen werden. literatur Bannister 1913. – Borino 1947, S. 236–238. – Salmon 1968/1969, Bd. 1, S. 68. – Ladner 1983, S. 297, Anm. 18. – Knoepfli 1989, S. 181. – Kessler 1991, bes. S. 130–131.
382
LCI, Bd. 6, Sp. 557.
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Anhang Anhang 1 gutachten von J. B. lassus: einleitung1 fol. 90: Mars 1851 / Collection de Mr. Strauss / Estimation de Mr. Lassus fol. 91: Procès-verbal de l‘expertise faite par Mr. / Lassus, architecte du Gouvernement, membre de la / commission instituée pour proceder au rachât des / objets provenant des Etablissements religieux de la / Suisse, supprimées à la suite de la guerre du / Sunderbond, et aquis depuis par Mr. Strauss / Nous soussigné, chargé par la commission, / de faire l‘évaluation des objets ci dessus mentionnées, / avant d‘entree dans le détail estimatif de chacune des / pièces, regardons comme nécessaire de faire connaître / les bases qui ont été adoptées pour l‘établissement / des prix de la présente estimation. / D‘abord, nous avons divisés les objets dont se / compose cette collection, en deux classes distinctes, la / première comprenant tous ceux qui par leur exécution, / leur age, ou par les souvenirs historiques qui s‘y / rattachent, présentent un interèt d‘art ou de curiosité; / Et nous en sommes très certain, dans le but d‘éviter toute / discussion, nous avons admis dans cette catégorie nombre / d‘objets d‘époque moderne, et dont la valeur d‘art, serait / très contestable. La seconde qui comprend tous les autres / objets d‘éxécution moderne, ne presantant que peu ou point / d‘interèt sous le rapport de l‘art. / Pour les objets de la 1ere classe, adoptant comme bases, les prix des différentes ventes recentes, et appliquant en outre, la connaissance que nous pouvons avoir de la / valeur des objets de curiosité, nous avons parté le prix de / chacune des pièces taux le plus élevé qu‘il fut / raisonnablement possible de fixer. / Quant à l‘évaluation des autres objets, compris dans la 2ème classe, il existait des bases commerciales / constamment suivies pour l‘acquisition des objets / de cette espèce, et ces bases consistent simplement / dans l‘établissement du prix de la matière, auquel / on ajoute [...] pour la main d‘oeuvre; encore ceci / n‘a-t-il lieu que dans le cas d‘une éxécution réellement / belle. / Cependant, et malgré le mauvais goût que l‘on / remarque dans l‘éxécution, d‘ailleurs très mediocre, de tous les objets qui composent cette 2ème classe; considerant / qu‘ils peuvent encore presque tous être employés / à l‘usage du culte, nous en avons fixé la valeur en / déterminant d‘abord le prix du métal, puis celui / de la façon, que nous avons diminué de moitié; / L‘Equité de cette reduction ne pouvant être contestée, / toutes les fois qu‘ils s‘agit d‘objets d‘occasion, sans / 1
Archivio Segreto Vaticano, S.S. 1856, Rubrica 248, Fasc. 3.
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valeur artistique. / Toutefois cette façon a-t-elle encore été comptée par nous, / non au prix actuel, il eut été trop faible, mais au prix / primitif. En un mot, dans la fixation de la prime pour l‘éxécution, nous avons eu égard au goût particulier qui / fait préferer souvent, un objet sans interêt comme art, / mais qui date déja d‘une centaine d‘année. / Pour le poids des objets, les déclarations de Mr. Strauss, nous paraissant vraisemblables, nous les avons acceptées, et comptées d‘après sans dire, sans operer / aucune réduction pour le poids des montures en fer, du / vis et du goupilles. / Enfin, quant à la nature du métal tous les objets / étant de fabrication Suisse, l‘argent employé dans / le pays, est d‘un titre peu elevé, très connu dans le commerce; Il vaut au prix le plus haut, 170,00 Fr. le kilogr. / Quant au vermeil, malgré l‘usure le la dorure, / nous en avons porté la valeur à 185,00 Fr. le kilogramme. / on le voit, operant de la sorte, nous ne pouvions / courir le risque de rester au dessous de la valeur vénale, / aussi sommes nous très positivement convaincus que / tous nos prix sont supérieures à ceux qu‘il eut été / possible d‘obtenir, soit par la vente publique, soit autrement. / Maintenant, c‘est à la commission qu‘il / appartiendra de fixer le chiffre de l‘indemnité relative / à l‘abandon des chances qui auraient pu resulter/de la vente publique, mais cependant, il importe encore de remarquer, que ces chances ne pouvant / évidemment s‘appliquer qu‘ aux objets dont se / compose la 1ere classe; l‘élevation des prix portés / par nous, pour chacun de ces objets, rendrait ces / chances à peu près nulles.»
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Anhang 2 Versteigerungsanzeige der Klosterzentralverwaltung des Kantons Thurgau2 Versteigerungs-Anzeige/Die Klostercentralverwaltung des Kantons Thurgau bringt/ Mittwoch den 26. Juni im Rathhause zu Frauenfeld die/nachbezeichneten Kunstund Werthgegenstände auf öffentliche/Versteigerung./Die Zu- oder Absage erfolgt am Tage der Versteigerung,/es wird am die Zusage die Bedingung der sofortigen baaren Bezahlung der Kaufsumme geknüpft./Die Versteigerung beginnt Vormittags um 9 Uhr. A. Kirchensachen 1 silbernes 12 „ 10 „ 2 „ 1 „ 1 „ 3 „ 2 „ 1 „ 1 „ 3 „ 3 „ 1 „ 3 „ 1 „ 1 goldenes 1 goldenes 1 silberner 1 „ 1 „ 8 Abbatialstäbe
Kruxifix Altarleuchter Handleuchter Kirchenlampen Kirchenpokal mit Platte Messkelch Skts. = Glocken Heiligenbilder Marienbild Monstranz Reliquienkästchen Lavoirs mit Platten Lavoir = becker Conviviumstafeln Pektoralkreuz mit Stein u. Agraffe dto. mit Kettte dto. Kreuzpartikel Buchanzeiger Anzünder wovon 4 mit [?]
Gewicht Loth 560 ½ „ 2658 ½ „ 172 ½ „ 289 ,, 143 „ 28 ½ „ 87 ½ „ 988 „ 531 ½ „ 175 ,, 472 ,, 261 ½ „ 26 „ „ 87 Uz. 3,8 D. „ 2,5 D. Loth 277 „ 5 ½ „ 8 ½ „ 313 ½
(Es folgt unter B. die Auflistung des Tafelgeschirrs.)
2
NZZ, 5. Juni 1850, S. 704. – Amtsblatt des Kantons Thurgau, I. Jg., Nr. 15, 8. Juni 1850.
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Anhang 3 Transkription der dem Cod. Vat. lat. 10772 beigebundenen mittelhochdeutschen Fassungen zweier St. Katharinentaler Urkunden Fett = Sägeblattinitiale Kursiv = Rot im Codex unterstrichenes u = u mit o darüber 1. Urkunde fol. 1v linke Spalte Ich swest[er] M Dú p[ri]orin von sant / Katherinun tal daz bi Diezenhovin / lit. un[d] mit mir allir der Convent / túgen kunt allen dien die disen brief / ane sehint: daz unser vatt[er] herr / Burchart von Tanhein un[d] sin wir- / tinne vro Lúgart hant uns giko- / fet ein gut umbe XXX marche dur / got un dur iro selon willen. un[d] sol / man iro baed iargezit bigan mornon / nah sant Gallin dult mit allim vlize / un staeten twon. un[d] sol man dez selben / tages von dem selbin gute. dem Conven- / te ein dienest gebin. gute villhe un[d] / elaeser un[d] gutes brot sol man vollecli- / che gebin ane gibresten. ist ab[er] daz ez / von ungewid[er] od[er] von dehenir ehaftig[er] / not. dez tages niht gisehin mag so / sol man ez doh inront. zehin tagen / bigan. ist ab[er] daz dez niht bishihit in / den X tagen so sol dú p[ri]orin dez gibun / den sin un[d] mit ir allir d[er] Convent daz / selbe almusin armen luten ze gebinne / zeiner spende dur iro selon willen / Daz erste gut daz ze disem iargezite ho- / ret. daz dú Haesin hat daz lit ze willer / dison túre un[d] giltet VII shefel kern / un[d] VII k. ph. un[d] ein halp C eig / un III húnrr Daz ander gut daz och ze / dem selben will[er] lit. daz die villherhat / daz giltet. VI shefel kern. un[d] ein svwin / daz VIII ahte k giltet un[d] IIII hunrr / un L eig. Daz drite gut daz och zede[n] / selbin iargezite horet daz ze ob‘ willer / lit. daz giltet III shefel kern un[d] ein / fol. 1v rechte Spalte malt habern un[d] IX k phennige / un[d] ein halbin shefel erwesson. un[d] / ein halbin shefil g[er]stun un[d] I kloben / werchs groze od[er]. II klene un(d) IIII / hunre un[d] L eig. dise lúte sizent / alle nah d[er] lant lute rehte. un[d] daz / disú gelibúde state si. dez geben wir / unsirn brief mit dez p[ri]ors in sigel vo[n] / Constant un[d] dez Conventes un[d] d[er] / p[ri]orin un[d] unsers vatt[er]./
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2. Urkunde In nomine dm ihu am[en] / Du p[ri]orin un[d] der Convent d[er] swest[er]n / von sant Katherinun bi Diezenhovin / tun kunt allen den die disen brief ane / sehint. Daz herre Burchart von Tan- / hein ein burg[er] von vilingin. un[d] sin / wirtinne vro Lúgart. Dur got un[d] / dur iro selon willin sich irbarmet hant / ub[er] die notdurfte un[d] den bresten unsre / siechon. un[d] hant unserm klost[er] gi- / gevoset ein eigen daz heizit groz holz / umbe LXXXIIII Marche silbers. un[d] nah / iro baeider girde un[d] bette hat sich dú / p[ri]orin un[d] all[er] Convent mit guten twon / willicliche un[d] ewicliche darzu gibun- / dent. daz man von dem gelte dez selben / eigens gebe IIII Marche all[e] iaergelich / in daz siechus. un swelú swest[er]. denne siech- / meist[erin] ist. ind[ie] hant sol man diz gut ent- / wrtin. d[as] si nah gottes willin. un[d] nah / ir bishedinheit den siechon etewaz mit / te giwinne daz in all[er] notdurfttgost si / emest od[er] zúwiront od[er] dristunt ind[er] / wlhun alde tegeclich. alse ez si núze dun- / che diz sol man gebin ub‘ die gemenún / [...] Schluss fehlt)
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Anhang 4 Skizze zur lage der mittelhochdeutschen Dokumente im Cod. Vat. lat. 10772
Buchdeckel
fol. 1v: mittelhochdeutsche Dokumente
1. Blatt der Lage, unnummeriert, klebt auf dem Buchdeckel
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Anhang 5 Abkürzungsverzeichnis und literaturnachweis Abkürzungsverzeichnis AH Analecta hymnica medii aevi. DREVES, Guido Maria/BLUME, Clemens (Hrsg.) 55 Bde. Leipzig 1886–1922. HBlS Historisch-biographisches Lexikon der Schweiz. Hrsg. mit der Empfehlung der allgemeinen geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz unter der Leitung von TÜRLER, Heinrich/ GODET, Marcel/ATTINGER, Victor u. a. 8 Bde. Neuenburg 1921–1934. Humbertus de Romanis 1888/1889 Humbertus de Romanis: Opera de vita regularis, Vol. I–II. Ed. von BERTHIER, Joachim Joseph. Rom 1888/1889. larousse xIxème siècle LAROUSSE, Pierre: Grand Dictionnaire Universel du XIXème siècle. 17 Bde. Neudruck der Auflage Paris 1866–1879. Genf, Paris 1982. lCI Lexikon der christlichen Ikonographie. KIRSCHBAUM, Engelbrecht (Hrsg.). 8 Bde. Paperback. Freiburg i. Br. 1990. lexMA Lexikon des Mittelalters. 10 Bde. München, Zürich 1980–1999 MBK Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz. Hrsg. von der Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Bd. 1. LEHMANN, Paul: Bistümer Konstanz und Chur. München 1918. Monumenta oP Monumenta Ordinis Fratrum Praedicatorum Historica, Tom. III. Ed. von REICHERT, Benedictus Maria (= Acta Capitulorum Generalium Ordinis Praedicatorum, Vol. I.) Rom, Stuttgart 1898. nZZ Neue Zürcher Zeitung. rB STEGMÜLLER, Friedrich: Repertorium biblicum medii aevi. 11 Bde. Madrid 1950–1980. rDK Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte. Bd. 1–6. SCHMITT, Otto (Hrsg.) u. a. Ab Bd. 6, 1973, hrsg. vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München.
367
rH CHEVALIER, Ulysse: Repertorium hymnologicum. 6 Bde. Louvain-Bruxelles 1892–1921. StA Tg Staatsarchiv des Kantons Thurgau in Frauenfeld. Thieme-Becker THIEME, Ulrich/BECKER, Felix: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. 37 Bde. Leipzig 1907–1950 TUB Thurgauisches Urkundenbuch. Hrsg. vom Thurgauischen Historischen Verein. Bearbeitet von SCHALTENEGGER, Friedrich/LEISI, Ernst. 8 Bde. Frauenfeld 1924–1967. UBZ Urkundenbuch der Stadt und Landschaft Zürich. Hrsg. von der Commission der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich. Bearbeitet von ESCHER, J./SCHWEIZER, Paul u. a. Bde. I–XIII. Zürich 1888–1957. Vl2 Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, begründet von STAMMLER Wolfgang, fortgeführt von LANGOSCH, Karl, hrsg. von RUH, Kurt u. a. Zweite, völlig neu bearbeitete Auflage. Berlin, New York 1977ff. Wörterbuch der Mystik Wörterbuch der Mystik. Unter Mitarbeit zahlreicher Fachwissenschaftler. DINZELBACHER, Peter (Hrsg.). (Kröners Taschenausgabe, Bd. 456) Stuttgart 1989. ZAK Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte.
368
literaturnachweis3 Alexander 1990 ALEXANDER, Jonathan J. G.: Preliminary Marginal Drawings in Medieval Manuscripts. In: BARRAL I ALTET, Xavier: Artistes, artisans et production aritistique au Moyen Age. Bd. 3, Fabrication et consommation de l’oeuvre. Paris 1990, S. 307–319. Alexander 1992 ALEXANDER, Jonathan J. G.: Medieval Illuminators and Their Methods of Work. New Haven, London 1992. Andrey 1986 ANDREY, Georges: Auf der Suche nach dem neuen Staat (1798–1848). In: Geschichte der Schweiz und der Schweizer. Studienausgabe. Basel, Frankfurt a. M. 1986, S. 527–637. Augustyn/Jacobi-Mirwald/Sauer/roland 1996/1997 AUGUSTYN, Wolfgang, JACOBI-MIRWALD, Christine, SAUER, Christine, ROLAND, Martin: «Fleuronné», in: RDK, Bd. 9, München 1996/1997, Sp. 1113–1196. Autenrieth 1963 AUTENRIETH, Johanne: Die Handschriften der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart, 2. Reihe: Die Handschriften der ehemaligen Königlichen Hofbibliothek, Bd. 3: Codices iuridici et politici; patres. Wiesbaden 1963. Avril 1975 AVRIL, François: Un manuscrit d’auteurs classiques et ses illustrations. In: The Year 1200, A Symposium. New York 1975, S. 261–282. Bannister 1913 BANNISTER, E.: Monumenti Vaticani di Paleografia Musicale Latina. 2 Bde. Leipzig 1913. Bär 1911 BÄR, Emil: Das Frauenkloster St. Verena in Zürich. In: Nova Turicensia. Beiträge zur schweizerischen und zürcherischen Geschichte (1911), S. 102–120. Barth 1932 BARTH, Médard: Die Rolle des Dominikanerordens St. Marx zu Strassburg in der Frühgeschichte des Ordens 1225–1242. In: Archiv für elsässische Kirchengeschichte 7 (1932), S. 101–112. Barth 1960 BARTH, Médard: Handbuch der elsässischen Kirchen im Mittelalter. (Forschungen zur Kirchengeschichte des Elsass). Strasbourg 1960.
3
Literatur bis 2005 berücksichtigt.
369
Baumer-Müller 1994 BAUMER-MÜLLER, Verena: Der letzte Konvent der Dominikanerinnen zu St. Katharinental. In: Thurgauer Beiträge zur Geschichte 131 (1994), S. 5–140. Baur 1901 BAUR, Ludwig: Die Ausbreitung der Bettelorden in der Diözese Konstanz. In: Freiburger Diözesan-Archiv, N.F. 2 (1901), S. 1–86. Becksmann 1967 BECKSMANN, Rüdiger: Die architektonische Rahmung des hochgotischen Bildfensters. Untersuchungen zur oberrheinischen Glasmalerei von 1250 bis 1350. Berlin 1967. Becksmann 1992 BECKSMANN, Rüdiger: Die Bettelorden an Rhein, Main und Neckar und der höfische Stil der Pariser Kunst um 1300. In: BECKSMANN, Rüdiger (Hrsg.) Deutsche Glasmalerei des Mittelaltes. II. Bildprogramme, Auftraggeber, Werkstätten. Berlin 1992, S. 53–75. Beer 1956 BEER, Ellen Judith: Die Glasmalereien der Schweiz vom 12. bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts. (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Schweiz Bd. I). Basel 1956. Beer 1959 BEER, Ellen Judith: Beiträge zur oberrheinischen Buchmalerei in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Initialornamentik. Basel 1959. Beer 1962 BEER, Ellen Judith: Gotische Buchmalerei. Literatur von 1945–1961. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 25 (1962), S. 153–165. Beer 1964 BEER, Ellen Judith: Gotische Buchmalerei. Literatur von 1945–1961 (Fortsetzung). In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 27 (1964), S. 163–172. Beer 1965 BEER, Ellen Judith: Initial und Miniatur. Buchmalerei aus neun Jahrhunderten in Handschriften der Badischen Landesbibliothek. Katalog zur Jubiläumsausstellung der Badischen Landesbibliothek. Basel 1965. Beer 1965 bis BEER, Ellen Judith: Gotische Buchmalerei. Literatur von 1945 bis 1961 (Fortsetzung und Schluss). In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 28 (1965), S. 134–158. Beer 1965 ter BEER, Ellen Judith: Die Glasmalereien der Schweiz aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Basel 1965. (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Schweiz Bd. III). Beer 1967 BEER, Ellen Judith: Gotische Buchmalerei. Literatur von 1962–1965. Mit Nachträgen für die Jahre 1957–1961. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 30 (1967), S. 77–95.
370
Beer 1968 BEER, Ellen Judith: Gotische Buchmalerei. Literatur von 1962–1965, (Fortsetzung). In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 31 (1968), S. 322–323. Beer 1969 BEER, Ellen Judtih: Das Scriptorium des Johannes Philomena und seine Iluminatoren. Zur Buchmalerei in der Region Arras – Cambrai, 1250–1274. In: Scriptorium 23 (1969), S. 24–38. Beer 1972 BEER, Ellen Judith: Liller Bibelcodices, Tournai und die Scriptorien der Stadt Arras. In: Aachener Kunstblätter 43 (1972), S. 190–226. Beer 1976 BEER, Ellen Judith: Ein Beitrag zur Buchmalerei des Bodenseeraumes. In: ZAK 33 (1976), S. 250–267. Beer 1983 BEER, Ellen Judith: Die Buchkunst des Graduale von St. Katharinenthal. In: SCHMID,Alfred A. (Hrsg.): Das Graduale von St. Katharinenthal. Kommentarband zur Faksimile-Ausgabe. Luzern 1983, S. 103–224. Beer 1983 bis BEER, Ellen Judith: Marginalien zum Thema Goldgrund. In: Zeitschrift für Kunstgeschichte 46 (1983), S. 271–286. Beer 1987 BEER, Ellen Judith: Die Buchkunst der Handschrift 302 der Vadiana. In: Rudolf von Ems: Weltchronik. Der Stricker: Karl der Grosse. Kommentar zu Ms. 302 Vad. Hrsg. von der Kantonsbibliothek (Vadiana) St. Gallen und der Editionskommission: BEER, Ellen Judith u. a. Luzern 1987, S. 61–125. Beer 1987 bis BEER, Ellen Judith: Die Bilderzyklen mittelhochdeutscher Handschriften aus Regensburg und seinem Umkreis. In: DACHS, Karl/MÜTHERICH, Florentine (Hrsg.) Regensburger Buchmalerei. Von frühkarolingischer Zeit bis zum Ausgang des Mittelalters. (Bayerische Staatsbibliothek, Ausstellungskataloge 39) München 1987, S. 69–78. Beer 1989 BEER, Ellen Judith: Zur Buchmalerei der Zisterzienser im oberdeutschen Gebiet im 12. und 13. Jahrhundert. In: Bau- und Bildkunst im Spiegel internationaler Forschung. Festschrift zum 80. Geburtstag von Edgar Lehmann.. Hrsg. vom Institut für Denkmalpflege der Deutschen Demokratischen Republik. Berlin 1989, S. 72–87. Beissel 1909 BEISSEL, Stephan: Geschichte der Verehrung Marias in Deutschland während des Mittelalters. Freiburg i.Br. 1909.
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Anhang 6 register der katalogisierten Handschriften Aarau, Aargauische Kantonsbibliothek, Ms Wett F1 und Ms Wett F2, Bibel, Kat.-Nr. 21 Cleveland, Cleveland Museum of Art, Otto F. Ege depost.: TR 12828/10, Antiphonarfragment, Kat.-Nr. 38 aBerlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz, Ms. theol. lat. qu. 199, Martyrologium, Kat.-Nr. 16Deutschland, Privatsammlung, Antiphonarfragment (schreibender Evangelist und Christus als Guten Hirten), Kat.-Nr. 22 j engelberg, Stiftsbibliothek, Cod. 98, Psalterium, Kat.-Nr. 9 Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek, Ms. germ. oct. 13, Fragment aus der Weltchronik des Rudolf von Ems, Kat.-Nr. 31 Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T5441, Antiphonarfragment (Darbringung Christi im Tempel), Kat.-Nr. 22 g Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T9393, Antiphonarfragment (Verkündigung an Maria), Kat.-Nr. 40 a Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, Inv. T9394, Antiphonarfragment (Tod Mariä), Kat.-Nr. 40 b Frauenfeld, Staatsarchiv des Kantons Thurgau, Mappe St. KatharinentalerFragmente, Nr. 13a und 13 b, Fragmente aus einem Psalterium, Kat.-Nr. 10 Fulda, Hessische Landesbibliothek, Aa 74, Psalmenkommentar, Kat.-Nr. 6 Hamburg, Antiquariat Dr. J. Günther, 2 Fragmente aus der Weltchronik des Rudolf von Ems, Kat.-Nr. 30 Hamburg, Antiquariat Dr. J. Günther, Fragment Christus-Johannes-Gruppe, Kat.-Nr. 38 c Hamburg, Antiquariat Dr. J. Günther, Einzelblatt aus einem Antiphonar (Himmelfahrt Christi), Kat.-Nr. 33 a Hamburg, Antiquariat Dr. J. Günther, Einzelblatt aus einem Antiphonar (Pfingsten), Kat.-Nr. 33 b Heidelberg, Universitätsbibliothek, Cod. Pal. germ. 848, Manessische Liederhandschrift, Kat.-Nr. 25 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. Aug. perg. 90, Bibel, Kat.-Nr. 35 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. U.H. 12, Psalterium, Kat.-Nr. 11 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Cod. U.H. 14, Legenda aurea des Jakobus de Voragine, Kat.-Nr. 28 Krakau, Biblioteka Jagiellonska; ehemals Berlin, Staatsbibliothek, Ms. germ. oct. 125, Kat.-Nr. 26 396
Malibu, J. P. Getty Museum, Ms. 8, Fragment aus dem Nürnberger Graduale, Kat.-Nr. 18 b München, Bayerische Staatsbibliothek, Cgm 63, Rudolf von Ems: Wilhelm von Orlens, Kat.-Nr. 17 München, Bayerische Staatsbibliothek, Clm 23121, Psalterium, Kat.-Nr. 8 München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv. Nr. 40230, Einzelblatt aus einem Antiphonar (Judaskuss), Kat.-Nr. 22 b München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv. Nr. 40250, Antiphonarfragment (Zwei Medaillons mit schreibenden Evangelisten), Kat.-Nr. 22 k new York, Metropolitan Museum of Art, MMA 1982.175, Fragment aus dem Nürnberger Graduale, Kat.-Nr. 18 a new York, Sammlung Bernard H. Breslauer, Antiphonarfragment (Geburt Christi), Kat.-Nr. 38 b new York, Sammlung Bernard H. Breslauer, Antiphonarfragment (Höllenfahrt Christi), Kat.-Nr. 22 c nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Hs. 21897, Graduale, Kat.-Nr. 18 Österreich, Privatsammlung, Antiphonarfragment (Letztes Abendmahl), Kat.-Nr. 22 e Österreich, Privatsammlung, Antiphonarfragment (Tempelvision und Berufung des Isaias; Lukas porträtiert Maria), Kat.-Nr. 22 h Paris, Bibliothèque nationale, Estampes, Ad 150h, pl. 51, Antiphonarfragment (Steinigung des hl. Stephanus), Kat.-Nr. 39 b Paris, Bibliothèque nationale, Estampes, Ad 152g, pl. 842, Antiphonarfragment (Hl. Petrus), Kat.-Nr. 39 c Paris, Bibliothèque nationale, Estampes, Ad 152g, pl. 843, Antiphonarfragment (Christus-Johannes-Gruppe), Kat.-Nr. 39 a Paris, Museé Marmottan, ehemals Sammlung Wildenstein, Antiphonarfragment (Szenenfolge zu Johannes d. Evangelisten), Kat.-Nr. 22 d rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10769, Graduale, Kat.-Nr. 15 rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10770, Antiphonar, Kat.-Nr. 35 rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10771, Antiphonar, Kat.-Nr. 19 rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10772, Anitphonar, Kat.-Nr. 20 rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10773, Graduale, Kat.-Nr. 1 rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10774, Psalterium und Hymnar, Kat.-Nr. 42 rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Cod. Vat. lat. 10775, Anitphonar, Kat.-Nr. 43 397
Schaffhausen, Ministerialbibliothek, Cod. Min. 6, Bibel, Kat.-Nr. 36 Schweiz, Privatsammlung, Antiphonarfragment (Taufe Christi), Kat.-Nr. 22 a Schweiz, Privatsammlung, Antiphonarfragment (Gefangennahme des Einhorns), Kat.-Nr. 24 Schweiz, Privatsammlung, Antiphonarfragment (Gensiszyklus), Kat.-Nr. 23 St. gallen, Kantonsbibliothek, Vadianische Sammlung, Codex 302, Rudolf von ems: Weltchronik; Stricker: Karl der Grosse, Kat.-Nr. 29 Standort unbekannt, Antiphonarfragment (zwei Szenen aus der Vita der hl. Agnes), Kat.-Nr. 22 f Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB I 65, Missalefragment, Kat.-Nr. 14 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB I 166, Brevier, Kat.-Nr. 13 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB VI 64, Godefridus de Trano, summa super rubricas decretialium; Johannes de Deo, Liber Dispensationum, Kat.-Nr. 3 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB XIII 1, Weingartner Liederhandschrift, Kat.-Nr. 37 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, HB XIV 23, Legenda aurea des Jakobus de Voragine, Kat.-Nr. 27 Überlingen, Stadtarchiv, Einzelblatt aus einem Graduale (Pfingsten), Kat.-Nr. 32 Washington, National Gallery of Art, Lessing J. Rosenwald Collection, 1959.16.1 (B-22127), Antiphonarfragment (Himmlisches Jerusalem mit MariaEcclesia und Christus), Kat.-Nr. 22 i Zürich, Schweizerisches Landesmuseum / Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau, LM 26117, St. Katharinentaler Graduale, Kat.-Nr. 34 Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 140, Psalterium, Kat.-Nr. 7 Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Car. C 2, Bibelfragment, Kat.-Nr. 4 Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Car. C 33, Chronik Ottos von Freising und ihre Fortsetzung durch Otto von St. Blasien, Kat.-Nr. 2 Zürich, Zentralbibliothek, Ms. Z XIV 30, Nr. 4, Fragmente aus einem Brevier, Kat.-Nr. 12
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Anhang 7 Abbildungsnachweis Aarau, Aargauische Kantonsbibliothek: Kat.-Nr. 21 Cleveland, Cleveland Museum of Art: Kat.-Nr. 38a Basel, Universitätsbibliothek: Tafel Nr. 14a Berlin, Staatsbibliothek Preussischer Kulturbesitz: Kat.-Nr. 16 Deutschland, Privatsammlung: Kat.-Nr. 22j Engelberg, Stiftsbibliothek: Kat.-Nr. 9 Frankfurt, Stadt- und Universitätsbibliothek: Kat.-Nr. 31 Frauenfeld, Historisches Museum des Kantons Thurgau: Kat.-Nr. 22 g, 40 a, 40 b Fulda, Hessische Landesbibliothek: Kat.-Nr. 6 Hamburg, Antiquariat Dr. J. Günther: Kat.-Nr. 30, 33 a, 33 b, 38 c Heidelberg, Universitätsbibliothek: Kat.-Nr. 25 Karlsruhe, Badische Landesbibliothek, Kat.-Nr. 11, 28, 41 Krakau, Biblioteka Jagiellonska: Kat.-Nr. 26 Malibu, J. P. Getty Museum: Kat.-Nr. 18 b München, Bayerische Staatsbibliothek: Kat.-Nr. 8, 17 München, Graphische Sammlung: Kat.-Nr. 22 b, 22 k New York, Metropolitan Museum of Art: Kat.-Nr. 18 a New York, Sammlung Bernard H. Breslauer: Kat.-Nr. 22 c, 38 b Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum: Kat.-Nr. 18 Österreich, Privatsammlung: Kat.-Nr. 22 e, 22 h Paris, Bibliothèque nationale: Kat.-Nr. 39 a-c Paris, Museé Marmottan: Kat.-Nr. 22 d Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana: Kat.-Nr. 1, 15, 19, 20, 35, 42, 43 Schweiz, Privatsammlung: Kat.-Nr. 22 a, 23 St. Gallen, Stiftsbibliothek: Tafel Nr. 14b, Fotograf: C. Seltrecht, St. Gallen St. Gallen, Vadianische Sammlung: Kat.-Nr. 29 Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek: Kat.-Nr. 3, 13, 14, 27, 37 Überlingen, Stadtarchiv: Kat.-Nr. 32 Washington, National Gallery of Art: Kat.-Nr. 22 i Zürich, Schweizerisches Landesmuseum: Kat.-Nr. 34 Zürich, Zentralbibliothek: Kat.-Nr. 2, 4, 5, 7, 12 Der Literatur entnommen: Kat.-Nr. 22 aus Rosenthal 1976, S. 63, reproduziert. Die Abbildungen zu Kat.-Nr. 10 und 36 wurden von der Autorin angefertigt. Die Autorin hat sich nach bestem Wissen bemüht, die Inhaber von Bildrechten ausfindig zu machen. Sollte ihr etwas entgangen sein, bittet sie um Kontaktnahme. 399