Globalisierung ohne Grenzen?: Die regionale Struktur des Welthandels [1 ed.] 9783428502349, 9783428102341

"Globalisierung" ist ein beliebtes Schlagwort in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Diskussionen. Der B

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German Pages 355 Year 2001

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Globalisierung ohne Grenzen?: Die regionale Struktur des Welthandels [1 ed.]
 9783428502349, 9783428102341

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Holger Flörkemeier

· Globalisierung ohne Grenzen?

Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen Band 31

Globalisierung ohne Grenzen? Die regionale Struktur des Welthandels

Von Holger Flörkemeier

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Flörkemeier, Holger: Globalisierung ohne Grenzen? : die regionale Struktur des Welthandels / von Holger Flörkemeier. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen ; Bd. 31) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1999/2000 ISBN 3-428-10234-7

D 25 Alle Rechte vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6984 ISBN 3-428-10234-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ

Vorwort Es geschieht selten, daß die in einer Dissertation behandelte Thematik während der langjährigen Entstehungszeit einer solchen Arbeit laufend an Aktualität gewinnt. Das Phänomen der Globalisierung ist in aller Munde und bietet reichlich Anlaß zu kontroversen Diskussionen. Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Vielzahl der Publikationen zu diesem Thema, die den verschiedensten Fachgebieten und ideologischen Denkrichtungen entstammen. Die hier vorliegende Arbeit wurde i m Wintersemester 1999 / 2000 von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg als Dissertation angenommen. Sie wurde unter dem unmittelbaren Eindruck der Geschehnisse rund um die WTO-Konferenz in Seattle i m Dezember 1999 fertiggestellt. Mittlerweile wiederholten sich entsprechende Ereignisse in Davos, Melbourne und Prag. Demonstrationen gegen die tatsächlichen oder vermeintlichen Folgen der Globalisierung sind zu einer festen Begleiterscheinung von Weltwirtschaftsforen und der Tagungen internationaler Organisationen geworden. U m so wichtiger erscheint in diesem Kontext eine empirische Bestandsaufnahme des Globalisierungsprozesses, wie sie in dieser Studie vorgenommen wurde. Uber die Jahre der Entstehung dieser Dissertation habe ich bedeutende Unterstützung von vielen Personen erfahren, für die ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte: Meinem Doktorvater, Professor Dr. Siegfried Hauser, danke ich für viele hilfreiche Anregungen und die weitreichenden Freiheiten, die er mir bei der Konzeption und Entwicklung der Arbeit gewährt hat. Herrn Professor Dr. Gerold Blümle danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens. Meinen Kollegen und lieben Freunden Dr. Daniel Hoch, Dr. Bernhard Pfaff, T i l l Bunse, Sylvia Heuchemer, Roland Füss, Christoph Vanberg und Frank Wischermann möchte ich für viele fachliche Ratschläge, konstruktive Kritik und unschätzbare Hilfe bei der Überarbeitung des Manuskripts meinen Dank aussprechen. Ihnen allen danke ich für die herzliche und freundschaftliche Arbeitsatmosphäre und moralische Unterstützung, die wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern, die es verstanden, in mir Neugierde und Wissensdurst zu wecken. Sie haben mich in jeder Phase meiner Ausbildung sowie bei der Verwirklichung einer Vielzahl von Vorhaben und Ideen vorbehaltlos und mit Freude unterstützt. Ohne ihre langjährige ideelle und finanzielle Förderung wären mir Studium und Promotion nicht möglich gewesen. Freiburg, i m Oktober 2000

Holger Flörkemeier

Inhaltsübersicht

Einleitung

21

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

25

I. Globalisierung

25

II. Regionalismus

38

III. Regionalisierung

54

IV. Zusammenhänge zwischen Globalisierung, Regionalismus, Regionalisierung

67

B. Transaktionskosten und Regionen als Determinanten der Regionalisierung I. Transaktionskosten II. Regionen III. Zur Rolle von Regionen und Transaktionskosten in der Außenhandelstheorie IV. Formale Modellierung der Regionalisierung C. Methoden zur Analyse internationaler Handelsverflechtungen I. Überblick II. Anzahl und Volumen bilateraler Handelsströme

72 72 83 89 101 120 120 122

III. Volumen und Anteile intraregionaler Handelsströme

123

IV. Kennziffern zur Beurteilung der räumlichen Struktur des Welthandels

124

V. Clusteranalyse auf der Basis von Handelsintensitäten

130

8

Inhaltsübersicht VI. Faktorenanalyse auf der Basis von Handelsintensitäten VII. Multidimensionale Skalierung auf der Basis von Handelsintensitäten VIII. Gravitationsmodelle

D. Empirische Analyse der regionalen Struktur des Welthandels I. Grundlagen der Untersuchung II. Identifikation von Welthandelsregionen

132 133 133 143 143 147

III. Alternative Konzepte zur Identifikation von Regionen

174

IV. Empirische Modelle zur Erklärung der Regionalisierung des Welthandels

194

V. Fallbeispiel: Die räumliche Exportstruktur Großbritanniens

225

Zusammenfassung der Ergebnisse

247

Anhang

251

Literaturverzeichnis

324

Personen- und Sachwortverzeichnis

349

nsverzeichnis

Einleitung

21

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

25

I. Globalisierung

25

1. Das Phänomen der Globalisierung

25

2. Ursachen der Globalisierung

29

3. Folgen der Globalisierung

32

4. Entwicklung und Strukturen der Globalisierung

34

II. Regionalismus

38

1. Der „Neue Regionalismus"

39

2. Ursachen des Regionalismus

42

a) Weltwirtschaftliche Entwicklungen

42

b) Motive zur Bildung regionaler Integrationsabkommen

44

3. Folgen des „Neuen Regionalismus"

45

4. Zum heutigen Stand des Regionalismus

50

III. Regionalisierung

54

1. Das Phänomen der Regionalisierung

54

2. Ursachen der Regionalisierung

58

3. Folgen der Regionalisierung

62

4. Strukturen der Regionalisierung

65

10

nsverzeichnis IV. Zusammenhänge zwischen Globalisierung, Regionalismus und Regionalisierung

67

1. Globalisierung vs. Regionalismus

67

2. Regionalismus vs. Regionalisierung

67

3. Regionalisierung vs. Globalisierung

68

B. Transaktionskosten und Regionen als Determinanten der Regionalisierung I. Transaktionskosten

72 72

1. Grundlagen des Transaktionskostenansatzes

72

2. Transaktionskosten im Außenhandel

73

3. Arten von Transaktionskosten

74

a) Ex ante-Vertragskosten

74

b) Ex post-Vertragskosten

78

4. Transaktionskostenänderungen und Globalisierung II. Regionen

81 83

1. Kriterien zur Bestimmung von Regionen

83

2. Größenordnungen und Abgrenzung von Regionen

86

3. Internationale Regionen und Globalisierung

88

III. Zur Rolle von Regionen und Transaktionskosten in der Außenhandelstheorie

89

1. Heckscher-Ohlin Außenhandelstheorie

89

2. Die Linder-Hypothese

91

3. Grotewolds „Regionale Theorie des Welthandels"

96

4. Hierarchische Märkte und zentralörtliche Systeme

98

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

101

1. Krugman (1980)

101

2. Stein und Frankel (1994)

105

3. Economides (1984)

108

nsverzeichnis 4. Hanink(1991) 5. Zusammenfassung der Modelle C. Methoden zur Analyse internationaler Handelsverflechtungen I. Überblick II. Anzahl und Volumen bilateraler Handelsströme

Ill 119 120 120 122

III. Volumen und Anteile intraregionaler Handelsströme

123

IV. Kennziffern zur Beurteilung der räumlichen Struktur des Welthandels

124

1. Räumliche Konzentration der Exporte eines Landes

125

2. Intensität der Außenhandelsbeziehungen zwischen Ländern und Regionen 127 V. Clusteranalyse auf der Basis von Handelsintensitäten

130

VI. Faktorenanalyse auf der Basis von Handelsintensitäten

132

VII. Multidimensionale Skalierung auf der Basis von Handelsintensitäten VIII. Gravitationsmodelle

133 133

1. Modellgrundlagen

133

2. Die Variablen des Modells

135

a) Potentielles Angebot

135

b) Potentielle Nachfrage

136

c) Distanzeinflüsse

137

d) Politische Einflüsse

140

e) Sonstige Einflüsse

142

D. Empirische Analyse der regionalen Struktur des Welthandels I. Grundlagen der Untersuchung

143 143

1. Länderauswahl

143

2. Untersuchungszeitraum

145

12

nsverzeichnis II. Identifikation von Welthandelsregionen

147

1. Bilaterale Handelsströme

147

2. Bilaterale Handelsintensitäten

151

3. Clusteranalytische Identifikation von Welthandelsregionen

155

a) Abgrenzung der Welthandelsregionen

156

b) Zeitliche Entwicklung der Welthandelsregionen

157

c) Charakterisierung der Welthandelsregionen

165

4. Faktorenanalytische Identifikation von Welthandelsregionen III. Alternative Konzepte zur Identifikation von Regionen

171 174

1. Politisch interdependente Regionen

174

2. Ökonomisch homogene Regionen

179

3. Kulturell homogene Regionen

185

IV. Empirische Modelle zur Erklärung der Regionalisierung des Welthandels

194

1. Überblick

194

2. Grundmodell zur Erklärung regionaler Welthandelsstrukturen

195

3. Gravitationsmodelle unter Berücksichtigung politischer Affinitäten

200

4. Einfluß regionaler Charakteristika auf den Außenhandel einzelner Länder 203 a) Vorüberlegungen

203

b) Geographische Distanzen

204

c) Politische Affinitäten

208

d) Ökonomische Distanzen

212

e) Kulturelle und sprachliche Distanzen

218

V. Fallbeispiel: Die räumliche Exportstruktur Großbritanniens

225

1. Entwicklung der Exportstruktur Großbritanniens

225

2. Entwicklung der Distanzeinflüsse im britischen Außenhandel

235

nsverzeichnis Zusammenfassung der Ergebnisse

247

Anhang

251

Literaturverzeichnis

324

Personen- und Sachwortverzeichnis

349

blnverzeichnis Tabelle 1:

Zusammenfassung der Modelle

119

Tabelle 2:

Zeitliche Entwicklung verschiedener Außenhandelscluster

166

Tabelle 3:

Bevorzugte Zielländer für Exporte der Länder aus den drei Großregionen des amerikanischen Kontinents mit Angabe der t- und F- Werte

168

Tabelle 4:

Vergleich der in den verschiedenen Untersuchungsperioden über Hauptkomponentenanalysen ermittelten Regionen 172

Tabelle 5:

In den Clusteranalysen berücksichtigte internationale Organisationen

178

Tabelle 6:

Zusammensetzung des Entwicklungsindexes (1996)

183

Tabelle 7:

Basisgleichungen der Gravitationsmodelle (40 Länder)

197

Tabelle 8:

Erweiterte Gleichungen der Gravitationsmodelle (40 Länder)

199

Tabelle 9:

Um politische Affinitäten erweiterte Gravitationsmodelle

202

Tabelle 10: Einzelländerregression, Modell „Geographische Distanzen" 1996

205

Tabelle 11: Einzelländerregression, Modell „Politische Affinitäten"

209

1996

Tabelle 12: Einzelländerregression, Modell „Ökonomische Distanzen" gleichzeitiger Berücksichtigung geographischer Distanzen

1996 bei 214

Tabelle 13: Allgemeines Gravitationsmodell unter Berücksichtigung ökonomischer Distanzen (reduzierte Länderauswahl) 217 Tabelle 14: Einzelländerregression, Modell „Kulturelle

Distanzen" 1996

219

Tabelle 15: Allgemeines Gravitationsmodell unter Berücksichtigung kultureller Distanzen 221 Tabelle 16: Einzelländerregression, Modell „Sprachliche Affinitäten" zeitiger Berücksichtigung geographischer Distanzen

1996 bei gleich223

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 :

Inhaltlicher Aufbau der Arbeit

24

Abbildung 2:

Wachstum internationaler Transaktionen auf verschiedenen Märkten ...

27

Abbildung 3:

Entwicklung von Transport- und Kommunikationskosten 1920-1990 ..

29

Abbildung 4:

Bedeutende regionale Integrationsabkommen (Stand: 1999)

51

Abbildung 5:

Territorialisierung der Produktion und Internationalisierung ökonomischer Beziehungen

69

Abbildung 6:

Transaktionskosten im Außenhandel

75

Abbildung 7:

Potentieller Handel im Linder-Modell

95

Abbildung 8:

Handelsvolumina in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit der Konsumpräferenzen zweier Länder

112

Potentieller Außenhandel im Modell hierarchischer Märkte

116

Abbildung 9:

Abbildung 10: Distanzabhängige Transaktionskosten, Ähnlichkeit der Nachfragestrukturen und bilaterales Handelsvolumen

118

Abbildung 11: Fragestellungen bei der empirischen Analyse internationaler Handelsverflechtungen 120 Abbildung 12: Extremfälle unterschiedlicher Marktnähe: Neuseeland und Belgien

139

Abbildung 13: Identifikation weltwirtschaftlicher Kerngebiete im Jahr 1966 anhand der 100 größten bilateralen Handelsströme 149 Abbildung 14: Identifikation weltwirtschaftlicher Kerngebiete im Jahr 1996 anhand der 100 größten bilateralen Handelsströme 150 Abbildung 15: Identifikation von funktionalen Welthandelsregionen im Jahr 1966 anhand bilateraler Handelsintensitäten 153 Abbildung 16: Identifikation von funktionalen Welthandelsregionen im Jahr 1996 anhand bilateraler Handelsintensitäten

154

Abbildung 17: Welthandelsregionen 1966

158

Abbildung 18: Welthandelsregionen 1976

159

16

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 19: Welthandelsregionen 1986

160

Abbildung 20: Welthandelsregionen 1996

161

Abbildung 21: Entwicklung politisch interdependenter Regionen 1966-1996

176

Abbildung 22: Kriterien zur Variablenauswahl zur Bildung eines Entwicklungsindex .. 181 Abbildung 23: Positionierung verschiedener Länder nach Entwicklungsindex und Durchschnittseinkommen 1976 184 Abbildung 24: Positionierung und Klassifizierung der Länder nach Entwicklungsindex und Durchschnittseinkommen

186

Abbildung 25: Positionierung der Länder nach kulturellen Dimensionen

191

Abbildung 26: Clusterung unter Berücksichtigung fünf kultureller Dimensionen

194

Abbildung 27: Koeffizienten der geographischen Distanzen (GEOy) in Abhängigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen 207 Abbildung 28: Koeffizienten der geographischen Distanzen (GEO φ in Abhängigkeit von der „Entlegenheit" der Exportländer 208 Abbildung 29: Signifikante Koeffizienten der ökonomischen Distanzen (ECOij) in Abhängigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen 1996 216 Abbildung 30: Signifikante Koeffizienten der ökonomischen Distanzen (.ECOφ in Abhängigkeit vom Pro-Kopf-Einkommen unter Berücksichtigung des Einflusses geographischer Distanzen 1996 216 Abbildung 31 : Entwicklung der Welthandelsanteile Großbritanniens, Japans und Deutschlands von 1938 bis 1996 226 Abbildung 32: Entwicklung der regionalen Anteile britischer Exporte 1938-1996

227

Abbildung 33: Entwicklung der Intensität britischer Exporte in Länder des Commonwealth 1948 bis 1996 229 Abbildung 34: Entwicklung der Intensität britischer Exporte in ,EG '-Länder 1948 bis 1996 (Stand EG 1973) 230 Abbildung 35: Entwicklung der Intensität britischer Exporte in ,EFTA'~Länder bis 1996 (Stand EFTA 1973)

1948 232

Abbildung 36: Entwicklung der Intensität britischer Exporte nach Irland 1948 bis 1996 233 Abbildung 37: Entwicklung der durchschnittlichen Exportintensitäten britischer Ausfuhren nach einzelnen Ländergruppen 1948 bis 1996 234

Abbildungsverzeichnis Abbildung 38: Zeitliche Entwicklung der Distanzkoeffizienten ECOukj

u

GEOu^j,

POL ukj,

° d CUL Ukj für die Schätzung der Exporte Großbritanniens

236

Abbildung 39: Partielle Streudiagramme der Exporte Großbritanniens 1966 bis 1996 für das Modell „ Geographische Distanzen "

239

Abbildung 40: Partielle Streudiagramme der Exporte Großbritanniens 1966 bis 1996 für das Modell „ Kulturelle Distanzen "

241

Abbildung 41: Partielle Streudiagramme der Exporte Großbritanniens 1966 bis 1996 für das Modell „ Politische Affinitäten "

243

Abbildung 42: Partielle Streudiagramme der Exporte Großbritanniens 1966 bis 1996 für das Modell „ Ökonomische Distanzen "

245

Abbildung 43: Transaktionskosten beeinflussende regionale Charakteristika und die Entstehung funktionaler Welthandelsregionen 249

2 Flörkemeier

Angsverzeichnis Anhang 1 :

Verwendete Datenquellen

251

Anhang 2:

Übersicht „Gravitatonsmodelle in der Literatur"

252

Anhang 3:

Länderauswahl

254

Anhang 4:

Die 100 größten Handelsströme 1966 bis 1997

256

Anhang 5:

Außenhandelscluster - Dendrogramm 1996 (Sample A)

266

Anhang 6:

Außenhandelscluster - Dendrogramm 1986 (Sample A)

270

Anhang 7:

Faktorladungen der Welthandelsmatrix 1966 bis 1996

270

Anhang 8:

Politisch interdependente Regionen 1996 (191 Länder)

275

Anhang 9:

Indikatorenkatalog für Entwicklungsindex

279

Anhang 10: Entwicklungsindex 1966 bis 1996 (Sample C)

280

Anhang 11 : Sprachliche Affinitäten (Sample C)

282

Anhang 12: Gravitationsmodelle (Maximale Anzahl Beobachtungen)

283

Anhang 13: Relative Distanzen (Marktnähe bzw. Entlegenheit)

284

Anhang 14: Modelle „Geographische Distanzen" 1966- 1986

286

Anhang 15: Modelle „Politische Affinitäten"

292

1966-1986

Anhang 16: Modelle „ Ökonomische Distanzen " 1966-1996

298

Anhang 17: Modelle „Kulturelle

306

Distanzen" 1966- 1986

Anhang 18: Modell „Sprachliche Affinitäten" gung geographischer Distanzen

1966 bei gleichzeitiger Berücksichti312

Anhang 19: Zeitliche Entwicklung der Distanzkoeffizienten bei einzelnen Ländern, 1966 bis 1996 314

Abkürzungsverzeichnis AFTA

ASEAN Free Trade Area

AG

Andengemeinschaft

ΑΚΡ

Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten

ALADI

Latin American Integration Association (LAIA)

ANZCERTA

Australia-New Zealand Closer Economic Relations

APEC

Asia Pacific Economic Cooperation

ASEAN BIP

Association of South East Asian Nations Bruttoinlandsprodukt

CACM

Central American Common Market

CEFTA

Central European Free Trade Agreement

c.i.f.

cost-insurance-freight

CR

Konzentrationsrate

CUSTA

Canada-US Trade Agreement Direction of Trade Statistics

DOTS EAI

Enterprise for the Americas Initiative

ECO

Economic Cooperation Organization

EFTA

European Free Trade Agreement

EG

Europäische Gemeinschaft

EU EuroMed

Europa-Mittelmeer-Freihandelsabkommen

EWR

Europäischer Wirtschaftsraum

EX

Export

Europäische Union

FDI

Foreign Direct Investment

F&E

Forschung und Entwicklung

f.o.b. FTAA

free-on-board Free Trade Agreement for the Americas

GATS

General Agreement on Trade in Services

GATT

General Agreement on Tariffs and Trade Intergouvernementale Organisation

IGO IM

Import

IMF

International Monetary Fund

ITT

Intra Industry Trade

KKP

Kaufkraftparität

LAFTA

Latin American Free Trade Agreement

Mercosur

Mercado Comun del Cono Sur

MOE

Mittel- und Osteuropäische Staaten

2*

20

Abkürzungsverzeichnis

NAFTA

North American Free Trade Agreement

OECD

Organization for Economic Cooperation and Development

PBTL

Product Based Technological Learning

SADC

South African Development Community

SELA

Sistema Economico Latinoamericano

SITC ToT

Terms-of-Trade

TRIMS

Trade Related Investment Measures

TRIPS UNCTAD

Trade Related Intellectual Property Rights

Standard International Trade Classification

United Nations Conference on Trade and Development

UNDP

United Nations Development Programme

UNO

United Nations Organization

VER

Voluntary Export Restraint

WTO

World Trade Organization

„It may well be that international economics may become obsolete and replaced by a focus on either the regional economy or the global economy. There are some good reasons that that day is probably some ways off, not the least of which are strong natural limits to globalization posed by politics, culture, language and distance."1

Einleitung Globalisierung ist das Modewort der Gegenwart. Ursprünglich als Strategiekonzept auf dem Gebiet des Internationalen Marketing entstanden, hat die Bezeichnung seit einigen Jahren Eingang in sämtliche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft gefunden. M i t dem Begriff Globalisierung werden einige Hoffnungen, vor allem jedoch viele Ängste in Verbindung gebracht. Gerade letztere haben in jüngster Zeit die öffentliche Diskussion um die zunehmende internationale Verflechtung von Politik und Wirtschaftsleben bestimmt. Eindrucksvoll zeigen dies die Demonstrationen und Ausschreitungen anläßlich der Konferenz der Welthandelsorganisation (WTO) Anfang Dezember 1999 in Seattle. Dieser Protest stellt wahrscheinlich nur den vorläufigen Höhepunkt des wachsenden gesellschaftlichen Widerstands gegen die Globalisierung und seine „ undemokratische und nicht berechenbare" 2 Institution, die WTO, dar. Das Phänomen der Globalisierung ist zum Sinnbild für den Verlust nationaler Souveränität, für die Ausbeutung der Entwicklungsländer, für den Sozialabbau in den Industrieländern und für den Raubbau an der Umwelt geworden. 3 Das Ziel der vorliegenden Arbeit besteht darin, einen tieferen Einblick über das Ausmaß der Globalisierung des Welthandels zu vermitteln. Die derzeitige Dämonisierung der W T O fordert geradezu die Frage heraus, ob sich der Welthandel in den vergangenen Jahren tatsächlich so grundlegend gewandelt hat, wie dies aufgrund des offenbar allgegenwärtigen und übermächtigen Einflusses der Globalisierung zu vermuten ist. Denn die Widerstände gegen die steigende Internationalisierung politischer und ökonomischer Zusammenhänge sind i m Grunde genommen kein wirklich neues Phänomen: Vor knapp elf Jahren war es bei der gemeinsamen Jahrestagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Berlin zu ähnlichen Ausschreitungen wie vor kurzem beim „Battle of Seattle" gekommen. 4 Viele der mit der Globalisierung in Verbindung gebrachten Probleme und

ι Harris, R. G. (1993), S. 773. So die gemeinsame Deklaration von 1200 Nichtregierungsorganisationen aus 87 Ländern zur WTO-Konferenz in Seattle. Vgl. Sievers, M. (1999), S. 3. 3 Vgl. UNDP (1999), S. 1 ff.; Mrusek, K. (1999a), S. 2; ο. V (1999e), S. 23. 4 Vgl. Kaps, C. (1999), S. 6. 2

22

Einleitung

Befürchtungen (bspw. die Machtfülle multinationaler Unternehmen) wurden sogar schon in den 60er Jahren thematisiert. 5 Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel. Den Gegenstand von Kapitel A. bilden Globalisierung, Regionalismus und Regionalisierung als Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen. Das Phänomen der Globalisierung wird auf seine Erscheinungsformen, Ursachen und Folgen hin untersucht und anschließend zwei alternativen Szenarien - Regionalismus und Regionalisierung gegenübergestellt. Es wird gezeigt, daß sich die verschiedenen Konzepte keineswegs gegenseitig ausschließen. Sie sind teilweise in den gleichen weltwirtschaftlichen Entwicklungen begründet und sind parallel zueinander zu beobachten. Vieles spricht jedoch dafür, daß das in der Literatur bisher auffallend wenig thematisierte Phänomen der Regionalisierung eine besondere Relevanz für die Entwicklung der Welthandelsstrukturen hat. In Kapitel B. werden daher die Bestimmungsgründe der Regionalisierung genauer hinterfragt. Der Schwerpunkt liegt hier auf der theoretischen Analyse der Bedeutung von Transaktionskosten und Regionen i m internationalen Handel. Transaktionskosten sind i m allgemeinen distanzabhängig und führen auch dann zu einer räumlichen Verdichtung internationaler Handelsverflechtungen, wenn keine institutionellen Integrationsabkommen existieren. Es bilden sich funktionale Regionen, die durch besonders intensive intraregionale Austauschbeziehungen gekennzeichnet sind. Einen Einfluß auf die Transaktionskosten des internationalen Handels haben neben geographischen Entfernungen auch ökonomische und kulturelle Unterschiede sowie politische Interdependenzen zwischen Ländern und Regionen. In der wirtschaftswissenschaftlichen Theorie hat bisher jedoch allein das Konzept der ökonomisch homogenen Region - definiert entweder über die Faktorausstattung (Ohlin) oder über die Nachfragestrukturen (Linder) - einige Aufmerksamkeit erlangt. Zum Abschluß von Kapitel B. werden einige aus der Literatur bekannte Modelle vorgestellt, die geeignet erscheinen, die räumliche Struktur des Welthandels zu erklären. In Kapitel C. werden verschiedene Methoden zur empirischen Analyse der räumlichen Struktur des Welthandels vorgestellt und hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit beurteilt. Das Instrumentarium reicht von einfachen Kennzahlen zur Charakterisierung der Bedeutung, Konzentration oder Intensität einzelner Außenhandelsverflechtungen bis hin zu verschiedenen multivariaten Verfahren, mittels derer die Gesamtheit aller Außenhandelsströme (die Welthandelsmatrix) simultan analysiert werden kann. Zwei Anwendungsbereiche sind bei der empirischen Analyse zu unterscheiden: (1) die Identifikation von Welthandelsregionen und (2) die Erklärung der räumlichen Struktur des Welthandels. Der erste Punkt wird in der Literatur bisher weitgehend vernachlässigt. Regionen werden häufig a priori nach rein institutionellen oder geographischen Kriterien abgegrenzt (bspw. Freihandelsabkommen

5 Vgl. Mrusek, Κ (1999b), S. 16.

Einleitung oder Kontinente). Der Fokus bisheriger Studien liegt vielmehr auf dem zweiten Anwendungsbereich. Hier haben seit einiger Zeit Gravitationsmodelle eine erstaunliche Renaissance erlebt, nachdem sie in der Außenwirtschaftstheorie jahrzehntelang ein Schattendasein gefristet hatten: „ The gravity model of international trade has been the workhorse for empirical studies of [the pattern of trade] to the virtual exclusion of other approaches" .6 Ein besonderer Schwerpunkt der empirischen Analyse wird in Kapitel D. zunächst auf die bislang vernachlässigten Bereiche der Identifikation von Welthandelsregionen sowie der Untersuchung der zeitlichen Entwicklung der regionalen Struktur des Welthandels gelegt. Die Resultate dieser deskriptiven Analysen haben bedeutende Implikationen für die Interpretation von Gravitationsmodellen. Erstens wird deutlich, daß die Verwendung von Dummy-Variablen zur Abschätzung handelsschaffender bzw. handelsablenkender Effekte regionaler Integrationsabkommen äußerst problematisch ist. Zweitens zeigt die deskriptive Analyse, daß sich die Bestimmungsgründe der räumlichen Verflechtungsmuster für einzelne Länder unterscheiden können. Beide Einwände werden bei der Formulierung der Erklärungsmodelle der regionalen Struktur des Welthandels berücksichtigt: (1) In den hier verwendeten Gravitationsmodellen wird auf den Gebrauch regionaler Dummy· Variablen verzichtet. Anstatt dessen werden verschiedene Indikatoren entwikkelt, mittels derer politische, ökonomische und kulturelle Distanzen zwischen Handelspartnern auf Verhältnisskalenniveau gemessen werden können. (2) Zusätzlich zu den allgemeinen Gravitationsgleichungen werden die Distanzvariablen auch für einzelne Länder getrennt auf ihren Einfluß hin untersucht. Ein Fallbeispiel schließt den empirischen Teil der Arbeit ab (siehe Abbildung 1 auf S. 24). Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung lassen darauf schließen, daß die Globalisierung des Welthandels noch nicht so weit fortgeschritten ist, wie dies gemeinhin vermutet wird. Der internationale Handel ist nach wie vor sehr stark regional geprägt und auf wenige Staaten konzentriert. Geographische, ökonomische und kulturelle Distanzen werden auch in Zukunft einen Einfluß auf die räumliche Struktur des Welthandels haben. Daneben gewinnen politische Affinitäten (bspw. i m Rahmen regionaler Integrationspolitik) zunehmend an Bedeutung. Methodisch werden in der vorliegenden Arbeit gegenüber früheren empirischen Studien in den folgenden Punkten neue Wege beschritten: • Es wird auf eine a priori Abgrenzung von Regionen verzichtet. Die Identifikation von Welthandelsregionen ist vielmehr ein Schwerpunkt der Analyse. • Die Clusteranalysen auf der Basis der Handelsintensitätenmatrix werden gegenüber früheren Studien vertieft, indem Koeffizienten zur inhaltlichen Charakterisierung der Cluster in die Untersuchung mit aufgenommen werden. • Die Faktorenanalyse auf der Basis der Handelsintensitätenmatrix wird erstmals als Instrument zur Identifikation von Welthandelsregionen vorgestellt. 6 Eichengreen, B. und D. A. Irwin (1998), S. 33.

24

Einleitung

• Der Gravitationsansatz wird um komplexe Distanzvariablen erweitert, die als Indikatoren für politische, ökonomische und kulturelle Unterschiede zwischen den Handelspartnern dienen. • Mittels Einzelländerregressionen werden länderspezifische Distanzeinflüssen berücksichtigt und inhaltlich analysiert.

Abbildung 1 : Inhaltlicher Aufbau der Arbeit

Unterschiede in den

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen I. Globalisierung Phänomen • Weltweiter Abbau von Marktsegmentierungen auf Güter- und Faktormärkten aufgrund steigender internationaler Verflechtung und Homogenisierung der Märkte. Ursachen • Fortschritte in Informations-, Kommunikations- und Tran Sporttechnologien. • Liberalisierung und Deregulierung der Märkte. • Politische Umbrüche und neue Wettbewerber. • Gesellschaftliche Entwicklungen. Folgen • Einschränkung staatlicher Interventionsmöglichkeiten und Wettbewerb um mobile Ressourcen. • Intensivierter internationaler Wettbewerbsdruck und Deterritorialisierung der Produktion. • Nationale und internationale Umverteilungswirkungen und wirtschaftlicher Strukturwandel. Entwicklung • Hoher Grad weltwirtschaftlicher Integration kein neues Phänomen; Prozeß der Reglobalisierung? • Weitgehende Unvollständigkeit in räumlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht. • Zunehmende Asynchronität verschiedener Globalisierungsprozesse.

1. Das Phänomen der Globalisierung Schon seit mehreren Jahrzehnten steigen Welthandel, Direktinvestitionen und internationale Finanztransaktionen schneller als die Weltproduktion. Der Internationalisierungsprozess hat jedoch nach allgemeiner Auffassung in den letzten Jahren stark an Dynamik gewonnen. Güter und Dienstleistungen, die noch vor kurzem als nicht handelbar galten, sind heute alltäglicher Gegenstand internationaler Austauschbeziehungen. Gleichzeitig werden in einer zunehmend liberalisierten Weltwirtschaft Handelsbeziehungen zwischen einer immer größeren Anzahl von Ländern aufgenommen. Neue Moden, Trends und Produkte verbreiten sich mit steigender Geschwindigkeit in andere Länder. Sport- und Musikveranstaltungen werden weltweit übertragen. Einzelne Sportstars, Filmhelden und Popidole sind rund

26

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

um den Globus bekannt. Internationale Organisationen erlangen zunehmend Bedeutung in den weltweiten wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen Staaten. Den Vereinten Nationen und anderen internationalen Organisationen werden immer neue Aufgaben der internationalen Konfliktlösung und des internationalen Krisenmanagements übertragen. Daneben haben auch Nichtregierungsorganisationen steigenden internationalen Einfluß und weltweit wachsende Mitgliederzahlen. Dies sind nur einige der vielen Anzeichen einer Intensivierung der weltweiten wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Beziehungen, die zusammen als Ausdruck des Globalisierungsprozesses interpretiert werden. Der Begriff „Globalisierung" hat sich seit etwa fünfzehn Jahren zu einem der meistverwendeten Schlagwörter in den verschiedenartigsten wirtschaftlichen und politischen Diskussionen entwickelt. Dabei gehen die Auffassungen, was unter dem Begriff letztendlich zu verstehen ist, sehr weit auseinander. Zum einen mag dies auf eine Instrumentalisierung des Konzeptes i m Sinne unterschiedlicher Ideologien zurückzuführen sein. 7 Zum anderen erschwert vor allem die außerordentliche Vielschichtigkeit der mit der Globalisierung in Verbindung gebrachten Phänomene wie auch die Tragweite ihrer Auswirkungen eine griffige Definition des Begriffs. Dementsprechend wird dem Terminus global eine allumfassende Bedeutung zugemessen: Globalisierung wird als weltumfassender und in alle gesellschaftlichen Bereiche wirkender Prozeß zunehmender internationaler Interdependenz verstanden. 8 Beschränkt man sich auf die außenwirtschaftlich relevanten Dimensionen der Globalisierung, so läßt sich das Phänomen als ein weltweiter Abbau von Marktsegmentierungen aufgrund einer immer stärkeren internationalen Verflechtung und gleichzeitigen Homogenisierung der Märkte verstehen. 9 Betroffen sind sowohl Güter- als auch Faktormärkte, wobei seit Mitte der 80er Jahre vor allem die Internationalisierung der Finanzmärkte, die Direktinvestitionstätigkeit multinationaler Unternehmen sowie der internationale Technologietransfer besondere Dynamik entwickelt und dementsprechende Aufmerksamkeit erlangt haben (Abb. 2). Noch immer hat allerdings der internationale Handel mit Waren und Dienstleistungen mit knapp 90 Prozent der weltweiten grenzüberschreitenden Zahlungsvorgänge die größte Bedeutung an der Globalisierung. 1 0 7 Vgl. zur Globalisierung als Ideologie u. a. Buendia, Η. (1995), S. 21 f.; Cox, R. W. (1998), S. 23 ff. « Vgl. Machlup, F. (1977), S. 32; Cox, R. W. (1998), S. 30 FN 1. Für umfassendere Definitionen der Globalisierung und ihre Abgrenzung zu den Konzepten der „Internationalisierung" und „Multilateralisierung" vgl. Hirst, P. und G. Thompson (1996) oder Petrella, R. (1996), S. 63 ff.; Conen, H. (1998), S. 376 ff.; Cox, R. W. (1998), S. 22. 9 Vgl. Siebert, H. (1997), S. 13; Schäfer, W. (1999), S. 9. 10

Vgl. Beyfuß, J. et al. (1997), S. 5 - 7 . Auf internationale Transaktionen von Portfoliokapital entfallen demnach etwa 9 Prozent und auf Direktinvestitionen „kaum mehr als 3 Prozent". Siehe auch Siebert, H./H. Klodt (1998), S. 2. Nach allgemeiner Auffassung ist die Globalisierung der Finanzmärkte am weitesten fortgeschritten, gefolgt von der internationa-

I. Globalisierung

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Indexstand 1972 = 100; Produktion und Exporte von Gütern u. Dienstleistungen in Marktpreisen; FDI = Foreign Direct Investment; Finanzmärkte = International Bonds. Quelle: Immerfall,

S. (1998), S. 3.

Abbildung 2: Wachstum internationaler Transaktionen auf verschiedenen Märkten

Die meisten Autoren datieren den Beginn der Globalisierung in die Zeit zwischen Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre. Sowohl der Welthandel als auch der internationale Kapitalverkehr wuchsen allerdings schon seit den 50er Jahren stets schneller als die Weltproduktion. Neben der quantitativ steigenden Bedeutung grenzüberschreitender Transaktionen bzw. der steigenden Verflechtung und Interdependenz der Märkte wird daher auch ein qualitativer

Wandel in den internationa-

len ökonomischen Beziehungen mit dem Prozeß der Globalisierung in Verbindung gebracht. Der Begriff selbst wurde von Levitt 1983 in Verbindung mit der These von der zunehmenden Homogenisierung internationaler Produktmärkte eingelen Integration der Gütermärkte. Am dynamischsten entwickeln sich der Dienstleistungshandel und der internationale Technologietransfer. Letzterer vollzieht sich v. a. über FDI {Foreign Direct Investment) und (meist firmeninternen) Handel mit Rechten und Patenten. Steigende Bedeutung erlangen allerdings auch transnationale Kooperationen und strategische Allianzen. Die Arbeitsmärkte sind dagegen weltwirtschaftlich bisher kaum integriert. Vgl. zur Beurteilung der Entwicklung von Globalisierungstendenzen einzelner Güter- und Faktormärkte auch Baker, D. et al. (1998), S. 5 - 1 7 ; Conert, H. (1998), S. 377; Dunning, J. H. (1993), S. 3 ff.; Germann, H. et al. (1996), S. 26 ff.; Harris, R. (1993), S. 755; Knorr, A. (1998), S. 238; Koch, E. (1992), S. 180; Schmidt, N. (1996), S. 37; Zürn, M. (1996), S. 127 sowie Abschnitt 4 in diesem Kapitel.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

führt. 1 1 Nach dieser These ist eine weltweite Angleichung der Konsumentenpräferenzen und -geschmäcker zu beobachten, die zukünftig eine weitgehende Standardisierung von Gütern und Dienstleistungen ermöglicht. 1 2 Dieser Trend zu „globalen Produkten" macht nationale Differenzierungen weitestgehend obsolet. 1 3 Markt- und Produktdifferenzierung werden sich zukünftig nicht mehr an national verschiedenen, sondern ausschließlich an vom Alter, Einkommensniveau o. ä. abhängigen unterschiedlichen Lebensstilen einzelner Konsumentengruppen orientieren. 1 4 Grundlage für diese Argumentation ist die sog. Konvergenztheorie, nach der aufgrund des technischen Fortschritts und steigendem allgemeinen Wohlstand eine „ Annäherung unterschiedlicher Sozialisierungen " stattfindet in deren Folge kulturelle Unterschiede und Eigenarten weitgehend an Bedeutung verlieren. 1 5 A n deren Stelle tritt eine „globale Kulturdie ihren Ausdruck in einer Verwestlichung („Amerikanisierung") und Säkularisierung vieler Lebensbereiche findet, wie beispielsweise i n : 1 6 • einer Reihe von allgemein akzeptierten ethischen, rechtlichen und politischen Werten (Menschenrechte, Gerechtigkeitsvorstellungen, Demokratisierung), • der Ausbildung von berufsbezogenen globalen Subkulturen (Intellektuelle, Wissenschaftler, Diplomaten, Geschäftsleute, Künstler, Yuppies) und „kosmopolitischen" Bevölkerungsgruppen („Symbolanalytiker", 17 Gastarbeiter, Expatriates , Touristen), • der englischen Sprache als „lingua franca"

des „globalen Dorfs",

• der Entwicklung globaler Medien (Satelliten-TV, international erscheinende Zeitschriften, weltweite Dominanz der amerikanischen Filmindustrie 1 8 ), π Vgl. Levitt, Τ. (1983), S. 92 ff.; Germann , Η. et al (1996), S. 20 ff. 12 Vgl. Bea, X., (1997), S. 420; Krulis-Randa, J. S. (1990), S. 74; Mine , Α., (1998), S. 42 f.; Mittelman, J. H. (1996a), S. 8; Siebert, H./H. Klodt (1998), S. 2. ι 3 Zu denken ist hier beispielsweise an die Einführung sog. „Weltautos" (Ford). Vgl. Storper, M. (1995), S. 270. Andererseits muß häufig zwischen globalen Marken und globalen Produkten unterschieden werden. So ist die Rezeptur von Coca Cola - des Inbegriffs der globalen Marke schlechthin - nicht auf allen Märkte identisch, sondern wurde jeweils den regionalen Geschmäckern und Eigenarten angepaßt (vgl. hierzu ζ. B. Martin, Η. P. und H. Schumann (1997), S. 32). Mittlerweile sind entsprechend auch bei Ford Erwartungen bzgl. der „Weltauto"-Strategie weitgehend revidiert worden, vgl. Morales , R. (1994). 14 Vgl. Flecker, J(1993), S. 4; Germann, H. et al (1996), S. 29. ι 5 Vgl. Germann, H. et al, (1996), S. 23. Petrella dagegen spricht von „the transformation of consumption patterns into cultural products with worldwide consumer markets " Petrella, R. (1996); S. 64. 16 Vgl. zur folgenden Aufzählung Buendia, Η. G. (1995), S. 11 ff. 17 Vgl. Reich, R. (1993), S. 198 ff. 18 „The single largest export industry for the United States is not aircraft or automobiles, it is entertainment - Hollywood films grossed more than $ 30 billion worldwide in 1997" UNDP (1999a), S. 4.

29

I. Globalisierung

• weltweit bekannten, verfügbaren und nachgefragten Markennamen und Produkten. Die oben genannten Entwicklungen in Verbindung mit den über global orientierte Marketingstrategien und Konzentration der Produktion erzielbaren Skaleneffekten haben nach Levitt und anderen eine Abkehr der Unternehmen von Strategien der länderspezifischen Marktbearbeitung und regionalen Güterversorgung zur Folge. Die Märkte werden danach zukünftig weltweit nur noch von den günstigsten Produktionsstandorten aus bedient. Strategien regionaler Marktversorgung mit der Folge regionaler Verdichtungen in Produktion und Außenhandel verlieren dagegen an Bedeutung.

2. Ursachen der Globalisierung Das Phänomen der Globalisierung wird vor allem mit dem rasanten technologischen Fortschritt, mit bedeutenden politischen Entwicklungen und weltweit zu beobachtenden gesellschaftlichen Veränderungen sowie mit dem Auftreten neuer Wettbewerber begründet.

*

υ Ό fi 'S Ο

-1

1920

1930

1940

1950

1960

1970

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1980

• Durchschnittliche Schiffsfracht- und Hafengebühren • Durchschnittliche Lufttransport erlöse pro Meile und Passagier •Kosten eines dreiminütigen Telefongesprächs von New York nach London - Satelliten-Nutzungsgebühren

Quelle: Weltbank,

1990 Jahr

Weltentwicklungsbericht 1995, S. 62.

Abbildung 3: Entwicklung von Transport- und Kommunikationskosten 1920- 1990

Hinsichtlich der technologischen Entwicklung sind vor allem der Fortschritt in den Informations- und Kommunikationstechnologien, aber auch i m Transportwesen zu nennen (Abb. 3). Die zunehmende weltweite Vernetzung über Telefon, Tele-

30

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

fax, Internet, Kommunikationssatelliten und transnationale Medien hat in Verbindung mit der rapide gesteigerten Informationsverarbeitungskapazität und -geschwindigkeit moderner Computersysteme die verfügbaren Informationsmengen explosionsartig ansteigen lassen. 19 Gleichzeitig sind die Kosten der Informationsbeschaffung und Informationsverbreitung stark gesunken. Auch haben sich internationale Datenbankunternehmen und Auskunfteien mit elektronisch abrufbarem und stets aktuellem Informationsangebot als neue Dienstleistungsbranche etablieren können. Die Verfügbarkeit schnellen und sicheren Personenverkehrs ermöglicht darüber hinaus häufige persönliche Kontakte zwischen Geschäftsleuten, Wissenschaftlern und Politikern weltweit. Insgesamt steigt neben der übermittelten und verarbeiteten Informationsmenge auch deren Wirkung und Reichweite. Eine intensivierte „Reaktionsverbundenheit der Märkte und politischen Systeme" ist die Folge dieser Entwicklungen. 2 0 Durch Containerisierung, Lufttransport und den Ausbau der Verkehrsnetze konnten in den vergangenen Jahrzehnten die Raumüberwindungskosten und Transportzeiten im Welthandel nachhaltig gesenkt werden. Aufgrund der günstigen Mobilität von Gütern sind heute verschiedenste Produkte jeglicher Herkunft an fast jedem beliebigen Ort lokal verfügbar. Auch verschiebt sich hinsichtlich der Güterproduktion der trade off zwischen Agglomeration und Standortvorteilen auf der einen Seite und Transportkosten auf der anderen Seite. Dadurch scheinen Standortverschiebungen, Produktionskonzentration oder eine räumliche Trennung unterschiedlicher Unternehmensaufgaben (wie Forschung & Entwicklung (F&E), Fertigung, Verwaltung) profitabler zu werden. 2 1 Dies gilt insbesondere angesichts der durch die oben genannten Entwicklungen i m Informations- und Kommunikationstechnologiebereich gestiegenen organisatorischen Fähigkeiten, einzelne Unternehmensprozesse an den unterschiedlichsten Standorten der Welt zu steuern und zu koordinieren. Das Ergebnis ist nach allgemein populärer Darstellung die zunehmende Deter ritorialisierung der Unternehmenstätigkeit, vor allem der Produkti22

on. Zu den politischen Ursachen der Globalisierung lassen sich der multilaterale Abbau von Handelshemmnissen (Liberalisierung) im Rahmen von GATT und W T O , 2 3 das Entstehen einer Vielzahl von supranationalen politischen Organisatio19 Vgl. zu den technologischen Ursachen der Globalisierung bspw. Harris, R. (1993), S. 757 und 766 f.; Buendia, Η (1995), S. 10 f.; Mittelman, J. H. (1996), S. 16; Siebert, Η und H. Klodt (1998), S. 6 f.; Zürn, M. (1996), S. 127; Schäfer, W. (1999), S. 9. 20 Steger, U. (1996), S. 4.

21 Vgl. Levy, Β. (1997), S. 61 f.; Reich, R. (1993); Harris, R. (1993), S. 770. 22 Vgl. zum Begriff und zu einer umfassenden Analyse der Deterritorialisierung Storper, M. (1995), insbesondere S. 275 ff. Siehe auch Kap. A.I.3 dieser Arbeit. 23 Vgl. u. a. Harris, R. (1993), S. 757 und 763 ff.; Buendia, H. (1995), S. 33; Siebert, Η und Η Klodt (1998), S. 6; Schäfer, W. (1999), S. 9. Daneben wird jedoch auch der seit Mitte der 70er Jahre verstärkt zu beobachtende „Neue Protektionismus" mit dem verstärkten Einsatz nichttarifärer Handelshemmnisse diskutiert.

I. Globalisierung

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nen, 2 4 die neue Popularität regionaler Integrationsbestrebungen 25 sowie eine Reihe folgenreicher politischer Umbrüche 2 6 in der jüngeren Vergangenheit zählen. Zu letzteren gehört vor allem das Ende des „kalten Krieges" in Verbindung mit dem Zerfall der Sowjetunion und der Reintegration Osteuropas in die Weltwirtschaft. Daneben sind beispielsweise aber auch die Demokratisierungsprozesse in Lateinamerika, die wirtschaftliche Öffnung der Volksrepublik China, das Ende der Apartheidspolitik in Südafrika und die Hoffnung auf einen Friedensprozeß i m Nahen Osten zu nennen. Vor allem hat aber seit Anfang der 80er Jahre auch die Deregulierung vieler nationaler Faktor- und Gütermärkte - insbesondere des Finanzsektors - einen großen Einfluß auf die Entstehung „grenzenloser Weltmärkte " und die Intensivierung des internationalen institutionellen Wettbewerbs gehabt. 2 7 Von politisch „links" orientierten Autoren wird die Globalisierung folglich auch als immanente Folge der heute allgemein vorherrschenden kapitalistischen Ideologie (mit ihrer Betonung der Arbeitsteilung und des freien Marktes) angesehen. 28 Des weiteren werden einige gesellschaftliche Veränderungen als Ursachen der Globalisierung verantwortlich gemacht: 2 9 Wiederum von technologischer Seite beeinflußt wird hier der sozioökonomische Strukturwandel von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft genannt. In Verbindung damit ist auch die wachsende Bedeutung global orientierter, gut ausgebildeter Spezialisten („Symbolanalytiker") zu sehen. Daneben wird über ein allgemein steigendes Ausbildungsniveau und die Durchdringung der Gesellschaft mit internationalen Medien ein allgemeiner Wertewandel begünstigt, der traditionelle Institutionen und soziale Bindungen verdrängt und die „ geographische, mentale und emotionale Mobilität der Menschen [steigert]". 30 24 Vgl. bspw. Steger, U. (1996), S. 4; Zürn, M. (1996), S. 129. Hierzu gezählt werden können sowohl intergouvernementale Organisationen, wie bspw. die verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen, Weltbank, IWF, OECD, G7 oder internationale Verkehrsabkommen etc. als auch die unterschiedlichsten Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. gewerkschaftliche, kirchliche, entwicklungspolitische oder UmWeltorganisationen. 25

Zu den bedeutenderen neueren oder wiederbelebten regionalen Integrationsabkommen neben der EU gehören insbesondere NAFTA, Mercosur, ASEAN, ANZCERTA, AC, CACM oder ECO. Die Bewertung der regionalen Integrationsbestrebungen hinsichtlich der Globalisierung ist in der Literatur jedoch sehr umstritten. Während die einen den neuen Regionalismus zu den Ursachen der Globalisierung zählen, betrachten ihn andere eher als Gegenreaktion oder Hemmnis. Vgl. hierzu die vielfältige Literatur zum Regionalismus („Building Blocs vs. Stumbling Blocs") und Kap. A.I.2 dieser Arbeit. 26 Vgl. u. a. Harris, R. (1993), S. 758; Buendia, H. (1995), S. 2; Siebert, H./H Klodt (1998), S. 6. 27 Vgl. Levy, Β. (1997), S. 61; Siebert, H. /H. Klodt (1998), S. 6; Bea, X. (1997), S. 419; Zürn, M. (1996), S. 129. 28 Vgl. u. a. Baker, D. et al. (1998), S. 20; Conert, H. (1998), S. 375 f. 29 Vgl. hierzu vor allem Buendia, Η (1995), S. 8 ff. sowie 21 ff., aber auch Steger, U. (1996), S. 5 oder Cox, R. W. (1996), S. 23 ff. 30 Bea, X. (1997), S. 419.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

Als letzte bedeutende Ursache der Globalisierung wird schließlich das Auftreten neuer Wettbewerber auf den Weltmärkten, insbesondere aus Südostasien und Osteuropa, angesehen. Bestimmten bisher die westlichen Industrieländer (OECD) weitgehend die Entwicklung der Weltwirtschaft, so werden Wachstum und Industrialisierung in einigen Entwicklungsländer die Schwerpunkte der Weltproduktion und des Welthandels in Zukunft stark verschieben. Dafür ist nicht zuletzt auch die Abkehr dieser Länder von importsubstituierenden hin zu exportgeleiteten Entwicklungsstrategien von Bedeutung. 31

3. Folgen der Globalisierung Genauso vielschichtig und kontrovers, wie schon die unterschiedlichen Auffassungen über den Prozeß der,, Globalisierung " sind, wird auch die Diskussion über die Folgen dieses Phänomens geführt. Sowohl die Ergebnisse wie auch die thematische Ausrichtung der verschiedenen Analysen unterscheiden sich je nach ideologischem Hintergrund der Autoren sehr stark voneinander. 32 Weitgehende Einigkeit besteht allerdings hinsichtlich der Beurteilung des Einflusses der Globalisierung auf die Handlungsfähigkeit des Staates, auf die Strategiewahl multinationaler Unternehmen und auf die Arbeitswelt in den Industrieländern. Allgemein akzeptiert ist die Feststellung, daß die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft in Kombination mit der Deterritorialisierung 33 der Produktion zu einer drastischen Einschränkung staatlicher Interventionsmöglichkeiten führt. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Fiskal-, Wechselkurs- und Verteilungspolitik. Territorial gebundene Staaten scheinen deterritorialisierten transnationalen Konzernen ausgeliefert zu sein und werden von diesen gegeneinander ausgespielt. 34 Der institutionelle Wettbewerb von Staaten und Regionen um mobile Ressourcen i m Rahmen des globalen Standortwettbewerbs führt nach dieser Auffassung zu einer Konvergenz unterschiedlicher nationaler Politiken und einer generellen Bevorzugung des Faktors Kapital gegenüber dem Faktor Arbeit. 3 5 Als wichtigste, die staatlichen Handlungsmöglichkeiten einschränkende Faktoren werden ( 1 ) die extreme interna31 Vgl. Harris, R. (1993), S. 757 und 765 f. 32 Dabei haben insbesondere die Analysen politisch links orientierter Autoren große öffentliche Beachtung gefunden. Vgl. hierzu bspw. Martin, H. R und H. Schumann (1997), Altvater, E. und B. Mahnkopf (1999), Narr, W.-D. und A. Schubert (1994), Menzel, U. (1998), Greider, W. (1998), Forrester, V. (1997) oder Galtung, J. (1998). Zu ähnlichen Ergebnissen in den folgenden Punkten kommen jedoch auch die Bestseller grundsätzlich marktwirtschaftlich orientierter Ökonomen und Politiker. Genannt seien hier bspw. Reich, R. (1993), Ohmae, K. (1995), Mine, A. (1998) oder Schmidt, H. (1999). 33 Vgl. davon abweichend Hollingsworth, R. J. (1998) oder Storper, M. (1992); ders. (1995). 34 Vgl. Reich, R. (1993). S. 125 ff.; Narr, W.-D. und A. Schubert (1994), S. 63 ff. und S. 156 ff.. 35 Vgl. bspw. Steger, U. (1996), S. 2; Zürn, M. (1996), S. 129; Schäfer, W. (1999), S. 11.

I. Globalisierung

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tionale Mobilität des Finanzkapitals, (2) das Volumen des Vermögens und Handels unter der Kontrolle von transnationalen Konzernen, (3) die wachsende Bedeutung internationaler Organisationen und schließlich (4) der steigende Einfluß globaler Medien genannt. 3 6 Doch auch die Unternehmen stehen i m intensiveren internationalen Wettbewerb verstärkt unter Anpassungsdruck. Das Auftreten neuer Konkurrenten aus Schwellenländern und der durch den Abbau internationaler Marktsegmentierungen bedingte Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten vergrößert auf der einen Seite den Zwang zu effizienter Produktion und verringert auf der anderen Seite die Spielräume in der Preispolitik. Nischenstrategien über horizontale und vertikale Produktdifferenzierung gewinnen an Bedeutung. Produktionsseitig kommt es aufgrund sinkender internationaler Transaktionskosten einerseits zu einer Aufspaltung der Produktionsprozesse in Verbindung mit der Lokalisierung der einzelnen Prozesse an den weltweit jeweils günstigsten Standorten. Andererseits sinken die unternehmensinternen Wertschöpfungsanteile. 37 Produktionsnetzwerke und Transaktionen über den Markt gewinnen gegenüber hierarchischen Produktionsstrukturen an Bedeutung. 3 8 Die Folgen der Globalisierung für die Arbeitswelt gehören zusammen mit der Verteilungs- und Umweltproblematik zu den gesellschaftlich brisantesten gesellschaftlichen Themen in den westlichen Industrieländern. Der allgemein postulierte „ Wandel von der Industrie- über die Informationszur Wissensgesellschaft" 39 bedingt enorme Veränderungen in der Arbeitsnachfrage und erhöht Vergütungsunterschiede zugunsten bildungs- und trainingsintensiver Berufsgruppen. 4 0 Die Verlierer bei dieser Entwicklung sind dagegen gering qualifizierte Arbeitskräfte i m verarbeitenden Gewerbe, die mit arbeitssparendem technischen Fortschritt, sinkenden Reallöhnen und internationalen Standortverlagerungen konfrontiert werden. 4 1

36 Vgl. Buendia, Η (1995), S. 26 f.; Weidenbaum, M. (1993), S. 113 ff. Interessant ist allerdings, daß dem Nationalstaat von verschiedener Seite schon lange vor dem Beginn der „Ära der Globalisierung" ökonomische Handlungsfähigkeit abgesprochen wurde, vgl. Kindleberger, C. P. (1969), S. 207. 37 „Outsourcing", „Verschlankung" und die „Reorientierung auf Kernkompetenzen" gehören zu den populärsten Modebegriffen der jüngeren Managementliteratur. 38 Vgl. Schäfer, W (1999), S. 10. 39 Vgl. Hoch, D. (1999), S. 1; siehe auch Freiburger Wirtschaftswissenschaftler (2000): „Wissenswert - Ökonomische Perspektiven der Wissensgesellschaft" Tagungsband zum 3. Freiburger Wirtschaftssymposium: 21.-23. 10. 1999. 40 Vgl. Harris, D. (1993), S. 760 und 768; Rodrik, D. (1998), S. 5; Reich, R. (1993), S. 191 ff. 41 Vgl. Siebert, H. und Η. Klodt (1998), S. 14 f.; Beyfuß, J. et al (1997), S. 11 ff.; zu einer umfassenden, allerdings nicht unumstrittenen Analyse vgl. Reich, R. (1996), Teil III (S. 189 ff.). 3 Flörkemeier

34

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

Neben diesen drei Entwicklungen lassen sich die verschiedenen in der Literatur diskutierten Folgen der Globalisierung zu optimistischen und pessimistischen Szenarien zusammenfassen: 42 Aus neoklassisch-liberaler Sicht werden die durch globale Konkurrenz und intensivere Verflechtung ermöglichten Effizienzgewinne (über Markterweiterungseffekte und verbesserte Allokation) und erweiterten Konsummöglichkeiten (über größere Produktauswahl und sinkende Preise) betont. Weiterhin werden über ausländische Direktinvestitionen (FDI) und Technologietransfers Entwicklungsimpulse und damit verbunden eine Nivellierung der globalen Wohlfahrt erwartet und die Entwicklung einer friedlichen Weltgesellschaft für möglich gehalten. 43 Neomarxistische, interventionistische oder isolationistische Autoren dagegen zeichnen ein B i l d national und international steigender gesellschaftlicher wie auch ökonomischer Fragmentierung und Desintegration. Aufgrund von Mobilitätsunterschieden zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital kommt es zu verstärkter Ungleichheit und Ausbeutung, was beispielsweise in Schlagwörtern wie dem „Ende der Arbeit" 44, der „Aushöhlung des Mittelstandes" 45 oder dem „Wettlauf nach unten " 46 zum Ausdruck kommt. Gleichzeitig wird von einer Entdemokratisierung und Entleerung der Politik wie auch von der sinkenden Integrationsfähigkeit des Nationalstaates gesprochen. Separatismus, Nationalismus oder Fundamentalismus lassen sich dieser Argumentation entsprechend als Gegenreaktionen auf den Globalisierungsprozeß interpretieren. 47 Schließlich steigen aufgrund der zunehmenden Volatilität internationaler Kapitalströme (verbunden mit Kapitalflucht und Währungskrisen) und immer häufiger auftretender Handelskonflikte die internationalen ökonomischen Risiken 4 8

4. Entwicklung

und Strukturen

der Globalisierung

Folgt man der obigen Definition der Globalisierung als weltweitem Abbau von Marktsegmentierungen aufgrund steigender internationaler Verflechtung und Homogenisierung der Märkte, so liegen zwei unterschiedliche Ansatzpunkte zur Messung des Phänomens nahe. Einerseits lassen sich sowohl auf einzel- als auch auf gesamtwirtschaftlicher Ebene Indikatoren zur Erfassung des Internationalisierungsgrades und der räumlichen Verflechtungsmuster bilden. 4 9 Andererseits kann 42 Vgl. Beyfuß, J. et al. (1997), S. 15 ff.; Kirchgässner, G. (1998), S. 29 ff. 43 Vgl. Zürn, M. (1996), S. 129 f.; Siebert, H. und H. Klodt (1998), S. 5; Mine, A. (1998), S. 19 ff. 44 Martin, H. P. und H. Schumann (1997), S. 12. 45 Harris, R. (1993), S. 760 (original: „hollowing out of the middle class"). 46 Vgl. Schäfer, W. (1999), S. 14 (original: „race to the bottom"). 47 Vgl. Zürn, Μ. (1996), S. 130; Steger, U. (1996), S. 8; Buendia, Η (1995), S. 34. 48 Vgl. Falk,R.( 1995), S. 157.

I. Globalisierung

35

man versuchen, mit Hilfe geeigneter Maßzahlen (bspw. Kaufkraftparitäten) die internationale Preiskonvergenz auf den Güter- und Faktormärkten zu messen. 50 Als einzelwirtschaftliche Indikatoren können je nach Untersuchungsobjekt bspw. Internationalisierungsgrade der Aktionäre (als Anteil der Aktien in ausländischem Besitz), der Beteiligungen (Anteil der ausländischen Beteiligungen am gesamten Eigenkapital), der Produktion (Anteil der Auslandsproduktion) oder des Umsatzes (Anteil des Auslandsumsatzes) usw. gebildet werden. Gesamtwirtschaftlich wird meist das Wachstum der Weltproduktion mit der Entwicklung des Welthandels verglichen. 5 1 Als Indikator für den Internationalisierungsgrad einer Volkswirtschaft kann schließlich die Exportquote, die Außenhandelsquote oder aber der Offenheitsgrad herangezogen werden. 5 2 Globalisierung ist als Prozeß, nicht als Zustand zu verstehen. Es ist daher weder möglich noch sinnvoll, Schwellenwerte der oben vorgestellten Indikatoren festzulegen, ab denen von Internationalisierung oder Globalisierung gesprochen werden kann. 5 3 Aufschlußreich ist dagegen der zeitliche Vergleich verschiedener Perioden über die Identifikation unterschiedlicher Entwicklungsphasen der weltwirtschaftlichen Beziehungen. Häufig wird darauf hingewiesen, daß in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg auf vielen Märkten eine gleich starke oder sogar intensivere internationale Verflechtung bestand als in der heutigen „globalisierten " Weltwirtschaft. 5 4 Als wesentliche Unterschiede zu der Vorkriegsphase werden allerdings die heute sehr viel wichtigere ökonomische Rolle des Staates in den meisten Volkswirtschaften, die sinkenden Wachstumsraten der Weltproduktion seit etwa 1970, eine veränderte regionale Verteilung der Investitionen sowie die intensivere Arbeitsteilung innerhalb der trans49 Germann, H. et al. (1996), S. 38 ff. und S. 51 ff. stellen eine ganze Reihe von Indikatoren zur Messung verschiedener Globalisierungsaspekte vor, von denen hier nur einige wenige herausgegriffen werden. Vgl. auch Schmidt, R. (1981), (1989), Sp. 964; Knorr, A. (1998), S. 240; Siebert, H. und H. Klodt (1998), S. 9 ff. Zur Messung räumlicher Verflechtungsmuster vgl. auch Kap. C. 50 Vgl. Baker, D. (1998), S. 13 f.; Neben den Güterpreisen können bspw. über Zinsparität oder Lohnkonvergenz auch Faktorpreise untersucht werden. In empirischen Studien zu diesem Thema konnte in dieser Hinsicht keine allgemeine Konvergenz festgestellt werden. Siehe bspw. die Studie von Engel, C. und J. H. Rogers (1998). 51 Baker, D. et al. (1998), S. 6 f. weisen darauf hin, daß bei der üblichen Verwendung konstanter (anstatt laufender) Preise die Bedeutungszunahme der Weltexporte gegenüber der Weltproduktion überschätzt wird. Dies ist darauf zurückzuführen, daß aufgrund der i. d. R. größeren Produktivitätsfortschritte in Exportbranchen die Exportpreise systematisch langsamer steigen als die Preise für die Gesamtproduktion. Vgl. hierzu auch Glyn, A. (1998) im selben Band. 52 Exportquote = EX/BIP; Außenhandelsquote = (EX + IM) * 100/2 * BIP; Offenheitsgrad = (EX + IM) * 100/BIP. Vgl. bspw. Germann, H. et al. (1996), S. 53. 53 Vgl. auch Germann, H. et al. (1996), S. 45. 54 Vgl. bspw. Henderson, P. (1993), S. 549; Falk, R. (1995), S. 160; Krugman, P. 1996, S. 208; Rodrik, D. 1998, S. 4; Knorr, A. 1998, S. 243; Baker, D. et al. (1998), S. 6 und 15. Kirchgässner, G. (1998), S. 30.

3*

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

nationalen Konzerne angesehen. 55 Die Jahre zwischen 1914 und 1945 mit erstem Weltkrieg, Ende des Goldstandards, Weltwirtschaftskrise und zweitem Weltkrieg führten zu Protektionismus, Regionalisierung und einer Fragmentierung der Weltwirtschaft. Zwischen 1950 und etwa 1973 konnte man dagegen eine sehr dynamische Erholungs- und Wachstumsphase der Weltwirtschaft beobachten. Vor dem Hintergrund des fast völligen Zusammenbruchs des weltwirtschaftlichen Beziehungsgeflechts in den 30er und 40er Jahren erscheint die Bezeichnung „ Golden Age of Capitalism "56 für diese Periode plausibel. Die Zeit nach dem Ende des Weltwährungssystems von Bretton Woods bis etwa 1982 war dagegen durch zwei Ölkrisen und das Auftreten des Stagflationsproblems gekennzeichnet. Erst seit Mitte der 80er Jahre gewinnt die Intensivierung der internationalen ökonomischen Beziehungen wieder zunehmend an Dynamik. Globalisierung ist - wenn man die jüngeren weltwirtschaftlichen Entwicklungen i m geschichtlichen Zusammenhang sieht - kein vollkommen neues Phänomen mehr. Zumindest in bezug auf den Außenhandel oder die Direktinvestitionstätigkeit könnte man eher von einer „neuen Globalisierung " oder „Reglobalisierung" sprechen. 57 Betrachtet man die Strukturen der Globalisierung auf einzelnen Märkten, so sind zwischen einzelnen Güter- und Faktormärkten große Unterschiede i m Grad der internationalen Verflechtungen zu erkennen. Bei der Globalisierung der Faktormärkte sind die Finanzmärkte führend, gefolgt von den Märkten für industrielle Vor- und Zwischenprodukte ( „ Global Sourcing"). Die Globalisierung der Technologiemärkte, v. a. i m Zusammenhang mit strategischen Allianzen, findet in letzter Zeit immer mehr Beachtung, während die Arbeitsmärkte noch weitgehend national geprägt sind. 5 8 Auch i m Bereich der Endproduktmärkte sind große Unterschiede in der Homogenisierung und Verflechtung zu beobachten. Während in einigen Branchen die Strategie „globaler Produkte " verfolgt wird, werden andere Branchen für nicht globalisierungsfähig gehalten. 59 Porter unterscheidet demnach auch verschie55

Gleichzeitig ist der Anteil der industriellen Fertig- und Zwischenerzeugnisse am internationalen Handel gegenüber dem Anteil der Rohprodukte stark gestiegen. Daher ist dieser Teil des Welthandels gemessen an der gesamten industriellen Produktion heutzutage sehr viel höher als in der Zeit vor 1914. 56 Vgl. Buendia, H. (1995), S. 5. 57 Vgl. z. B. Falk, R. (1995), S. 159 ff.; Knorr, A. (1998), S. 243. Auch die Globalisierung der Finanzmärkte ist noch unvollständig. Vgl. Feldstein, M. und C. Horioka (1980), oder Feenstra und M. Obstfeld (1998). Selbst der vergleichsweise stark integrierte europäische Kapitalmarkt kann noch lange nicht als „perfekter Markt" angesehen werden (vgl. ο. V. S. 31 f.). Feenstra und Obstfeld argumentieren, daß die Finanztransaktionen heute lediglich brutto sehr groß seien. Die Nettoströme dagegen (gemessen als Kapitalbilanzungleichgewichte in Relation zum BIP) seien dagegen sogar geringer als zur Zeit des Goldstandards. 58 Vgl. Germann, H. et al. (1996), S. 26 ff.; Bea, X. (1997), S. 420; zum Global Sourcing Bea, X. und Haas (1997), S. 525 und zum internationalen Technologietransfer bspw. Krubasik, E. G. und J. Schräder ( 1990), S. 17 ff. oder Bretschger, L. (1997), S. 237 ff.

I. Globalisierung

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dene „länderspezifische" und „globale" Branchen. 6 0 Insgesamt sind bei intensiverem internationalen Wettbewerb vermehrt Strategien der horizontalen wie auch vertikalen Produktdifferenzierung zu beobachten (in deren Folge intraindustrieller Handel entsteht). Hierbei gewinnt gerade auch die Strategie der bewußt nationalen bzw. geographischen Produktdifferenzierung an Bedeutung. 61 Die Tatsache, daß die Globalisierungsfähigkeit verschiedener Märkte bislang sehr unterschiedlich zu sein scheint, legt die Vermutung nahe, daß der Globalisierungsprozeß asymmetrisch verläuft und vielerorts an natürliche Grenzen stößt. Auch einzelne Gesellschaftsbereiche entwickeln sich zunehmend asynchron: während die Globalisierung einiger Märkte weit fortgeschritten ist und damit auch deren bestimmende Akteure zu weitgehend global orientierten wirtschaftlichen und politischen Eliten „ erzogen " wurden, sind die meisten Menschen mehrheitlich noch am Nationalstaat orientiert. 6 2 Dies führt immer wieder zu gesellschaftlichen Spannungen und politischen Gegenreaktionen auf den Prozeß der Globalisierung, unabhängig davon, wie sehr der Globalisierungsprozeß überhaupt schon objektiv Einfluß auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereiche genommen hat. Wie groß die Bedenken vieler Menschen gegenüber der Globalisierung sind, zeigte sich in aller Deutlichkeit bei den Demonstrationen anläßlich der WTO-Tagung in Seattle Anfang Dezember 1999. Bei der Diskussion über die Strukturen der Globalisierung muß auch auf die regionale Unvollständigkeit der Entwicklung hingewiesen werden. Der Globalisierungsprozeß beschränkt sich weitestgehend auf die industriellen Kernregionen des „Nordenswährend ein großer Teil der Menschen in den Entwicklungsländern von diesem Prozeß vollkommen abgekoppelt ist. Mögen in einigen Schwellenländern Südostasiens oder Transformationsländern Osteuropas noch breitere Bevölkerungsgruppen von den beschriebenen Phänomenen betroffen sein, so scheint dies für die Mehrheit der Bevölkerung Zentral- und Südasiens wie auch Afrikas und Südamerikas kaum zuzutreffen. 63 In diesem Zusammenhang wird der Begriff der 59

Vgl. z. B. die kontrovers diskutierte „ Weltauto "-Strategie von Ford als Beispiel für den Versuch der Entwicklung globaler Produktmärkte. Andere Märkte werden demgegenüber nicht als globalisierungsfähig betrachtet; vgl. ο. V (1999b), S. 27. 60 Vgl. Porter, M. E. (1989), S. 20. 61 Noch immer differenzieren Verbraucher Produkte schon allein nach ihrem Herkunftsland (dieses Phänomen ist auch unter der Bezeichnung Armington-Hypothese bekannt). Dies könnte ein möglicher Ansatz zur Erklärung des sog. „home bias" sein, nach dem heimische Produkte gegenüber ausländischen Produkten bevorzugt werden. Daneben lassen sich aber auch positive Länderimages auf Exportprodukte übertragen (vgl. ο. V. (1999c) S. 29). Schließlich werden auch positive Images einzelner Produkte eines Landes auf die gesamte Exportpalette übertragen (bspw. „Made in Germany " als Qualitätszeichen). Vgl. im Gegensatz dazu Weidenbaum, M. (1993), S. 117; zu kulturspezifischen Handelsgütern siehe schließlich Ritter, W (1994), S. 76. 62 Vgl. Steger, U. (1996), S. 5 und 9; Buendia, H. (1995), S. 4. 63 Vgl. Vgl. Buendia, H. (1995), S. 44 f.; Ritter, W. (1998), S. 313 ff. In Volkswirtschaften wie Indien oder der VR China sind außerdem extreme interne Entwicklungsunterschiede mit

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

„Globalisierung" zuweilen auch als überzogene Bezeichnung für „Triadisierung" 64 oder „Trilateralismus" 65 betrachtet. A n verschiedener Stelle wird darauf hingewiesen, daß der Internationalisierungsgrad der Wirtschaft auch in weltwirtschaftlich integrierten Staaten wie bspw. der Bundesrepublik Deutschland erstaunlich gering i s t . 6 6 Auch wahrhaftig global basierte Unternehmen i m Sinne von Ohmae sind bisher nur selten anzutreffen, während die Zahl regional basierter multinationaler Unternehmen sich deutlich erhöht hat. 6 7 Es ist anzunehmen, daß die hier beschriebenen, von Unvollständigkeit und Asynchronität gekennzeichneten Strukturen in den nächsten Jahrzehnten weiter Bestand haben werden. Einerseits ist das Welthandelssystem in verschiedenen Bereichen noch weit entfernt von der Realisierung eines multilateralen Freihandels. Andererseits scheinen der Globalisierung durch ökonomische Entwicklungsunterschiede, politische und gesellschaftliche Widerstände wie auch unterschiedliche Kulturen und Sprachen starke Widerstände entgegenzustehen. Diese Hindernisse dürften der Globalisierung der weltwirtschaftlichen Beziehungen auch zukünftig gewisse Grenzen setzen.

II. Regionalismus Phänomen • Internationale ökonomische Integration von Staaten mittels institutioneller Arrangements. Ursachen • Strategiewechsel der USA, Intensivierung des Europäischen Integrationsprozesses, Globalisierung. • Motive: Effizienzsteigerung, Wachstumsimpulse, innenpolitische Ziele, außenpolitische Ziele. Folgen • Mitgliedsländer vs. Drittländer. • Interaktionseffekte bei Gleichzeitigkeit verschiedener Integrationsprozesse. • Statisch (Handelsschaffung vs. Handelsablenkung), dynamisch (building blocks vs. stumbling blocks). Entwicklung • Stark steigende Anzahl regionaler Integrationsabkommen.

dem Nebeneinander von modernen „Entwicklungsinseln" und weitgehender Unterentwicklung alltäglich. Diese Länder sind also nur „punktuell" am Globalisierungsprozeß beteiligt. 64 Petrella, R. (1996), S. 77. 65 Buendia, H. (1995), S. 48; Koopmann, G. (1990), S. 35. 66 Vgl. Knorr, A. (1998), S. 239; Buendia, H. (1995), S. 33; Trefler, D. (1995), S. 1033. 67 Vgl. Ohmae, K. (1985, 1995); Harris, R. G. (1993), S. 759.

II. Regionalismus

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• Abkommen zeichnen sich allerdings fast ausnahmslos durch eine geringe Integrationstiefe aus. • Shallow vs. Deep Integration, Nord-Nord vs. Nord-Süd-Integration.

I. Der „Neue Regionalismus " Etwa seit Mitte der 80er Jahre ist ein weltweiter Trend zur Bildung regionaler Integrationsabkommen zwischen den unterschiedlichsten Ländergruppen zu erkennen. Ahnliche Wellen regionaler Zusammenschlüsse konnten i m 20. Jahrhundert schon mehrfach beobachtet werden: in den 30er Jahren als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise, vor allem aber in den 60er Jahren nach der Gründung der Europäischen Gemeinschaften 1957. 6 8 I m ersten Fall endete die Entwicklung in einer weitgehenden Fragmentierung des Welthandels bis hin zum völligen Kollaps des Welthandelssystems. I m zweiten Fall waren die Bemühungen um eine stärkere regionale Kooperation und Marktintegration außerhalb Europas aus verschiedenen Gründen wenig erfolgreich und wurden nach wenigen Jahren fast ausnahmslos wieder aufgegeben. 69 I m Unterschied zu den beiden ersten - weitgehend gescheiterten - Wellen regionaler Integration sind die meisten Beobachter des derzeitigen Trends davon überzeugt, daß der „Neue Regionalismus " von Dauer ist und daß er einen großen Einfluß auf die zukünftige Entwicklung und Struktur weltwirtschaftlicher Beziehungen haben w i r d . 7 0 Unter Regionalismus wird i m folgenden ein politisch forcierter Prozeß der internationalen ökonomischen Integration einer Gruppe von Staaten mittels institutio68 Für einen geschichtlichen Überblick mit längerem Zeithorizont vgl. Irwin, D. A. (1993), S. 119 ff. (1790-1930); Anderson, K. und H. Norheim (1993), S. 19 ff. (1830 bzw. 19281990) sowie Eichengreen, B. und D. A. Irwin (1998), S. 33 ff. (1913 bzw. 1928-1964). 69 Zwar kann die Bildung der Europäischen Gemeinschaften als Vorbild bzw. Auslöser der Vielzahl von Integrationsabkommen v. a. in Afrika und Südamerika angesehen werden. Die ökonomische Motivation dieser Vorhaben war jedoch weniger die Schaffung eines großen Binnenmarktes nach Konkurrenz- und Effizienzgesichtspunkten oder gar mit dem Ziel einer stärkeren politischen Integration. Vielmehr stand die Verfolgung einer Politik importsubstituierender Industrialisierung im Vordergrund. Die ökonomische Rechtfertigung für die Bildung von Zollunionen zwischen Entwicklungsländern wurde in den Beiträgen von Cooper, C. A und B. F. Massel (1965a, 1965b), Johnson, H. G. (1965) sowie Bhagwati, J. N. (1968) geliefert. In der Praxis scheiterten die Integrationsversuche allerdings (1) an der überwiegend planwirtschaftlichen Ausrichtung der meisten Mitgliedsländer, was Marktlösungen und effiziente Standortentscheidungen verhinderte (ein großes politisches Problem bestand bspw. in der Verteilung der Industrien unter den Mitgliedsländern), (2) an der unzureichenden Marktgröße der wenig entwickelten Integrationsräume, (3) an den fehlgeleiteten importsubstituierenden Entwicklungsstrategien und nicht zuletzt (4) am fehlenden Interesse der USA regionale Lösungen zu unterstützen. Vgl. Bhagwati, J. N. (1992), S. 359 f., (1993), S. 28 f.; de Melo, J. und A. Panagariya (1992), S. 1 ff.; Heinemann, H. J. (1995), S. 342. 70 Vgl. Blank, J. E. et al (1998), S. 31; Bhagwati, J. N. (1992) S. 540, (1993), S. 29; Bowles, R und B. MacLean (1996), S. 167; Brand, D. (1992), S. 274 f.; Henderson, D. (1993), S. 541 f.; Srinivasan, T. N. et al. (1993), S. 73 ff.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

neiler Arrangements verstanden. 71 Regionale Integrationsabkommen beschränken sich häufig nicht nur auf die Förderung der bilateralen Handelsbeziehungen zwischen den beteiligten Ländern. Die Vereinbarungen erstrecken sich ζ. T. auch auf Investitionen, Wechselkurse, Kapitalverkehr oder Freizügigkeit. Der Begriff „regional" ist in diesem Zusammenhang nicht geographisch zu verstehen, auch wenn regionale Integrationsabkommen in den meisten Fällen zwischen benachbarten Staaten ausgehandelt werden. 7 2 Vielmehr soll mit der Bezeichnung die begrenzte Anzahl der teilnehmenden Länder i m Unterschied zu dem multilateralen Abbau von Handelshemmnissen im Rahmen der GATT / WTO-Verhandlungen zum Ausdruck gebracht werden. Neben der Globalisierung bestimmte das Phänomen des „Neuen Regionalismus" weitgehend die außenwirtschaftspolitische Diskussion der letzten Jahre. Über die Frage der traditionell als problematisch angesehenen Effekte regionaler Integration auf nicht beteiligte Länder hinaus rückte nun vor allem eine äußerst kontrovers geführte Debatte um die dynamischen Auswirkungen des regionalistischen Trends auf die Entwicklung der multilateralen Liberalisierung des Welthandels in den Vordergrund. 73 Dazu trug zum einen die enorm steigende Anzahl regionaler Abkommen und der damit wachsende Anteil des Präferenzhandels am gesamten Welthandel bei. Andererseits erscheinen gegenüber früheren Phasen regionaler Integrationsbestrebungen drei distinktive Charakteristika des „neuen Regionalismus" eine Erweiterung des traditionellen Analyserahmens der Integrationstheorie notwendig zu machen: 7 4 (1) deeper integration , (2) Nord-Süd-Integration und (3) Offener Regionalismus. Insbesondere die auch in dieser Arbeit behandelten raumwirtschaftlichen Aspekte mit den Konzepten „economic proximity " und „natürliche Integration " wie auch politökonomische Überlegungen haben in diesem Zusammenhang große Beachtung gefunden. 75 Vgl. auch Bhagwati, J. N. (1992), S. 535; Borrmann, A. und G. Koopmann (1994), S. 163 FN 2; Schott, J. J. (1991a), S. 1 f. 72 Ausnahmen sind bspw. die Freihandelsabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Israel (1985) oder zwischen Mexiko und Chile (1992). 73 Bhagwati und Panagariya gehören zu den heftigsten Kritikern des „Neuen Regionalismus". Vgl. Bhagwati, J. N. (1991), (1992); Bhagwati, J. N. und A. Panagariya (1996); Panagariya, A. (1997). Dem Trend gegenüber eher positiv eingestellt sind dagegen bspw. Lawrence, Henderson oder die Vertreter der von Bhagwati nach der Adresse des MIT als „Memorial Drive School " bezeichneten Gruppe von Wissenschaftlern, wie bspw. Thurow oder Dornbusch. Vgl. Lawrence, R. Ζ (1991), (1996); Dornbusch, R. (1989, 1990); Thurow, L. (1992). Vgl. Winters, L A. (1996). 74

Speyer hält sogar „eine Erweiterung des Analyserahmens über den rein ökonomischen Ansatz hinaus" für notwendig. Speyer, B. (1997), S. 2 f f ; vgl. aber auch Lawrence, R. Ζ (1996), S. 7. 75 Die Begriffe „natürliche Handelspartner" bzw. „natürliche Integration" wurden eingeführt von Jaquemin, A. und A. Sapir (1991) und Summers, L. A. (1991). Der hinter diesen Begriffen stehende Gedanke ist jedoch schon sehr viel älter: vgl. Predöhl, A. (1971); Wonnacott, P. und M. Lutz (1989). Zur weiteren Diskussion und zum Begriff der „economic proximity " vgl. u. a. Lorenz, D. (1992), (1993), (1995); Speyer, B. (1997), S. 63 ff.; Frankel, J. A.

II. Regionalismus

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Nach Tinbergen kann zwischen negativer und positiver Integration unterschieden werden. 7 6 Während negative Integration die reziproke Beseitigung von Handelsbeschränkungen umfaßt, versteht Tinbergen unter positiver Integration eine weitergehende zwischenstaatliche Kooperation mit dem Ziel, über die Schaffung neuer Institutionen die Funktionsfähigkeit und den Integrationsgrad des gemeinsamen Binnenmarktes zu erhöhen. Als Weiterentwicklung dieses Gedankens kann das heute diskutierte Konzept der „deeper integration " angesehen werden. 7 7 Hierbei geht es um politische Bemühungen zur Harmonisierung der Steuer- und Wettbewerbspolitik, von Verbraucherschutzgesetzen, Produktstandards und Umweltschutzmaßnahmen oder aber auch der Bereitstellung öffentlicher Güter. Diese Maßnahmen sind in erster Linie nicht handelspolitisch motiviert, können aber einen u. U. erheblichen Einfluß auf die Austauschbeziehungen i m Integrationsgebiet haben. 7 8 Das Hinausgehen über den Abbau tarifärer und nichttarifärer Handelsbarrieren ist eines der Hauptcharakteristika des „Neuen Regionalismus". 7 9 Als zweite wichtige Dimension des „Neuen Regionalismus" wird die ökonomische Integration zwischen Staaten mit sehr unterschiedlichem Entwicklungs- bzw. Einkommensniveau gesehen. 80 Insbesondere ist in diesem Zusammenhang der Abschluß des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) zwischen den Vereinigten Staaten, Kanada und Mexiko 1994 zu nennen. Weitere Beispiele für eine (in der Zukunft mögliche) Nord-Süd-Integration sind die Beitrittsverhandlunet al. (1995a, b). Zur scharfen Kritik an diesen Konzepten vgl. Bhagwati, J. N. (1993) oder Panagariya, A. (1997). 76 Vgl. Tinbergen (1965a); Houwelling, H. W. (1987) unterscheidet drei Typen zwischenstaatliche politischer Kooperation: (1) Negative Kooperation gründet in der Notwendigkeit, einer gemeinsamen Gefahr (Umwelt, Sicherheit, Protektionismus) zu begegnen und diese zu kontrollieren. (2) Hegemoniale Kooperation wird von einem mächtigen Staat in dessen politischer Einflußsphäre initiiert oder erzwungen ( bspw. bipolare Weltordnung des kalten Krieges). (3) Positive Kooperation schließlich wird von allen beteiligten Staaten gefördert, um bestimmte gemeinsame Ziele zu erreichen. Nierop, T. (1994), S. 188, fügt diesem Schema einen vierten Idealtyp hinzu: (4) positive Kooperation in einem hegemonialen Kontext. Darunter versteht er die Entwicklung des liberalen Welthandelssystems in der Nachkriegszeit (GATT, IWF) unter der hegemonialen Führung der USA. Die Motivation hinter dieser multilateralen Kooperation war danach „positiv" im Sinne eines freieren und faireren Handels und der Förderung wirtschaftlichen Wachstums. 77 Vgl. Lawrence, R. Z. (1991a, 1996); Speyer, B. (1997), S. 128 ff. 78 Vgl. Berthold, N. und M. Dönges (1997), S. 507. 79 Vgl. de Melo, J. und A. Panagariya (1993), S. 17: „In any event, the second wave of regionalism has an added focus on coordination at the institutional level, as it is increasingly recognised that regional integration goes beyond trade in goods, services, and factors 80 Auch bei früheren Erweiterungen der EG bestanden zwischen den bisherigen Mitgliedern und den neu aufgenommenen Staaten (Irland (1973), Griechenland (1981), Portugal und Spanien (1986) große Einkommensunterschiede. Die südlichen Beitrittsländer galten bis in die 80er Jahre hinein als Entwicklungs- bzw. Schwellenländer. Die Unterschiede in der ökonomischen Entwicklung sind zwischen den NAFTA-Mitgliedern (USA und Kanada gegenüber Mexiko) jedoch ungleich höher. Für eine empirische Studie vgl. Spilimbergo, A. und E. Stein (1998), S. 121 ff.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

gen zur Ost- und Südosterweiterung der EU, der Vorschlag des ehemaligen USPräsidenten Bush zur Schaffung einer panamerikanische Freihandelszone (FTAA) bis 2005, 8 1 die Aussicht auf eine pazifische Freihandelszone (APEC) bis 2020 oder die auf den Mittelmeerkonferenzen 1995 und 1999 diskutierte Idee für ein den gesamten Mittelmeerraum und die E U umfassendes Freihandelsabkommen (EuroMed). Der dritte Aspekt des „Neuen Regionalismus " ist die Hoffnung auf einen offenen Regionalismus, der den Weg zu einer zukünftigen multilateralen ökonomischen Integration ebnet. Ziel ist es hierbei, jedem interessierten und zum regionalen Abbau von Handelsbarrieren gewillten Land den Beitritt in das jeweils bevorzugte Präferenzabkommen zu ermöglichen. Dieses Vorgehen entspricht i m Grunde genommen der Substitution der unbedingten Meistbegünstigung durch eine bedingte Meistbegünstigung für den Integrationsraum. 82 Diese Form eines offenen Regionalismus könnte insbesondere durch den Wechsel vieler Schwellenländer hin zu exportorientierten Entwicklungsstrategien gefördert werden. I m scharfen Gegensatz zu dem Konzept steht allerdings die häufig geäußerte Befürchtung der Fragmentierung der Weltwirtschaft in geschlossene Handelsblöcke (bspw. „Festung Europa").

2. Ursachen des Regionalismus a) Weltwirtschaftliche Entwicklungen Nach Bhagwati ist die Abkehr der Vereinigten Staaten von einer Strategie ausschließlich multilateraler Handelsliberalisierung die mit Abstand wichtigste Ursache des „Neuen Regionalismus" Ρ Den Freihandelsabkommen mit Israel (1985) und Kanada 8 4 (1989) folgte 1994 die Gründung der NAFTA. M i t der 1989 gegründeten APEC und der Anfang der 90er Jahre ins Gespräch gebrachten F T A A gehen von den Vereinigten Staaten zwei weitere Initiativen von enormer Größe aus. Daneben bewirkten aber auch der seit 1986 wieder intensivierte Integrationsprozeß in Europa und die bevorstehende Integration Mittel- und Osteuropas in die E U einen ausgeprägten Demonstrationseffekt für bisher regionalistisch nicht engagierte Länder. Die Gleichzeitigkeit von C U S T A / N A F T A und Europa 1992/EWR hat in vie81

Von Bush selbst angestoßen wurde die Enterprise for the Americas Initiative (EAI), in deren Folge eine Reihe von bilateralen Handelsabkommen verhandelt wurden. Dieses Vorhaben mündete im Dezember 1994 in den Plänen für eine allgemeine panamerikanische Freihandelszone (FTAA). Die Verhandlungen zu diesem Abkommen sollen erst im Jahr 2005 abgeschlossen werden. 82 Vgl. de Melo , J. und A Panagariya (1992), S. 10. 83 Vgl. Bhagwati, J. N. (1992), S. 540. 84 Zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada bestand mit dem Canada-United States Automotive Agreement allerdings schon seit 1965 ein auf die Automobilbranche beschränktes Abkommen.

II. Regionalismus

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len bisher unbeteiligten Ländern die Überzeugung gefördert, daß Regionalismus der Trend der Zeit sei. 8 5 Mexiko beispielsweise fühlt sich schon seit jeher eher dem nördlichen Teil der westlichen Hemisphäre zugehörig. So waren es auch starke nichtökonomische politische und kulturelle Faktoren, die das Land Anschluß an die CUSTA suchen ließen. Außerdem wurde befürchtet, daß nach dem Zusammenbruch des Ostblocks europäische Direktinvestitionen nach Mittel- und Osteuropa abgelenkt würden. 8 6 Als Grund für den Strategiewechsel der Vereinigten Staaten seit Mitte der 80er Jahre läßt sich vor allem die Unzufriedenheit mit den unverhältnismäßig zähen Verhandlungen in der Uruguay-Runde des GATT anführen 87 . Die Nachfrage nach „schnellen Lösungen" stieg durch das anhaltende Handelsbilanzdefizit der USA spürbar an. Daneben wuchs die Sorge vor einem zunehmend protektionistischen Europa, zu dem ein amerikanischer Block als politisches Gegengewicht geschaffen werden sollte. Insgesamt verlagerte sich die ökonomische Orientierung der USA vom atlantischen Raum zunehmend in die wachstumsstarken Regionen Ost- und Südostasiens. Die Anregung einer panamerikanischen Freihandelszone war nicht zuletzt als Reaktion auf die Schuldenkrisen in Lateinamerika zu verstehen. 88 Gleichzeitig wurde unter einigen einflußreichen Ökonomen eine allgemein positivere Sichtweise der regionalistischen Alternative populär. Glaubten die einen, über den Abschluß regionaler Handelsabkommen auch die multilaterale Handelsliberalisierung beschleunigen zu können, wurde der Regionalismus von anderen sogar als Alternative zu multilateralem Freihandel angesehen. 89 Als Ursache des „Neuen Regionalismus " wurde nicht zuletzt auch die Globalisierung ausgemacht. 90 Der Wettbewerbsdruck in den einzelnen Ländern erhöht 85 Vgl. Bhagwati, J. N. (1992), S. 541. 86 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 7. 87 Die achte Gatt-Verhandlungsrunde („ Uruguay-Runde") begann 1986 und zog sich bis 1993 hin. Der Hauptgrund für den langsamen Verhandlungsfortschritt ist der geänderte Charakter der Protektion: Tarifäre Handelshemmnisse wurden mehr und mehr durch (z. T. schwieriger quantifizierbare) nichttarifäre Barrieren (vor allem Antidumpingmaßnahmen, freiwillige Exportbeschränkungen etc.) ersetzt. Die „strategische Handelspolitik" gewann seit den 70er Jahren immer mehr an Bedeutung. Neben dem Abbau von Hemmnissen im Güterhandel wurde in der Uruguay-Runde außerdem erstmals auch der Dienstleistungshandel, der Agrarbereich und der Schutz geistigen Eigentums mit in die Verhandlungen aufgenommen. Daneben wirkten sich verhandlungstechnisch (1) die gestiegene Anzahl der verhandelnden Parteien, (2) der sinkende Einfluß der Vereinigten Staaten als treibende Führungskraft und (3) institutionelle und kulturelle Unterschiede zwischen einigen der wichtigsten Verhandlungspartner (bspw. die informellen Regelungen und Kartelle in Japan oder die traditionell merkantilistische Grundhaltung in Frankreich) negativ aus. Vgl. de Melo, J. und A. Panagariya (1993), S. 6. 88 Vgl. Schott, J. J. (1991a), S. 1 ff.; Bhagwati, J. N. (1992), S. 540 f.; Srinivasan, T. N. et al. (1993), S. 73; Heinemann, H. J. (1995), S. 342 f. 89 Zu der ersten Gruppe gehören bspw. Lawrence, mit Einschränkung Frankel oder Krugman, zu letzeren vor allem Thurow und eventuell auch Dornbusch. 90 Vgl. Levy, Β. (1997).

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sich zunehmend, so daß auch die Nachfrage nach Protektion in zahlreichen nicht mehr bzw. noch nicht wettbewerbsfähigen Branchen steigt (sog. „sunset " bzw. „sunrise industries ")· Die zunehmende wirtschaftliche Verflechtung über Direktinvestitionen und die wachsende Rolle multinationaler Unternehmen verstärken zusätzlich den Druck zu regionaler politischer Koordination. 9 1 Der „Neue Regionalismus" wird in diesem Zusammenhang jedoch weniger als Gegenbewegung zum Prozeß der Globalisierung, denn vielmehr als Anpassungsstrategie an die veränderten Rahmenbedingungen angesehen. 92

b) Motive zur Bildung regionaler Integrationsabkommen Von der Bildung regionaler Zusammenschlüsse versprechen sich die teilnehmenden Volkswirtschaften hauptsächlich Wohlfahrtsgewinne durch Effizienzsteigerungen und Wachstumseffekte. Vor allem für kleine Länder ist der Markterweiterungseffekt von größter Bedeutung, da dadurch in verschiedenen Branchen erst kritische Marktgrößen für eine wettbewerbsfähige Produktion überschritten werden können. 9 3 Spezialisierungsvorteile, Skalenerträge, der verstärkte regionale Wettbewerb und die Reallokation von Produktionsfaktoren im Integrationsgebiet versprechen Effizienzsteigerungen. Die Senkung der intraregionalen Transaktionskosten erhöht ferner die Produktivität des internen Handels. Daneben erhofft man sich auch über sinkende Produktpreise einen Einkommenseffekt: durch das steigende Angebot wächst der Wettbewerbsdruck, Monopolrenten inländischer Anbieter werden abgebaut und die Preise sinken. Gleichzeitig wächst die verfügbare Produktauswahl bei horizontaler Produktdifferenzierung i m größeren Markt. Die Produktionsausweitung i m Integrationsraum führt gegebenenfalls zu sinkenden Importen aus Drittländern, was in Verbindung mit dem vergrößerten weltwirtschaftlichen Gewicht des Integrationsgebietes eine Verbesserung der Terms-ofTrade ermöglicht. Schließlich zielen möglicherweise verstärkte protektionistische Maßnahmen gegenüber Nichtmitgliedern auf den Schutz nicht mehr wettbewerbsfähiger Industrien und die regionale Abfederung der Folgen des durch technischen Fortschritt und Globalisierung ausgelösten Strukturwandels. Mittelfristig wird eine Steigerung des regionalen Wachstums über zunehmende grenzüberschreitende Investitionen und veränderte Rahmenbedingungen und Marktstrukturen angestrebt. Einerseits wird eine steigende intraregionale Verflechtung erwartet, andererseits werden auch Unternehmen aus Drittländern i m Integrationsgebiet investieren, um sich den Marktzugang zu sichern. Zusätzliche Entwicklungsimpulse können von einem erleichterten intraregionalen Technologietransfer ausgehen. 9 4 91 Vgl. Kirkpatrick, C (1994), S. 198; Heinemann, Η J. (1995), S. 345. 92 Vgl. Lawrence, R. Ζ (1996), S. 7. 93

Kleine Länder erfahren von regionaler Integration insgesamt überproportionale Wohlfahrtsgewinne. Vgl. Casella, Α. (1996), S. 389 ff.

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Neben diesen ökonomischen Motiven werden mit der regionalen Integration auch politische Ziele verfolgt. Die innenpolitische Stabilität könnte mit dem Eintreten der oben genannten Vorteile gefestigt werden. Außerdem kann die Verantwortung für unpopuläre Strukturanpassungen und Liberalisierung auf „ internationale Zwänge" abgeschoben werden. 9 5 Außenpolitisch soll die Förderung der regionalen politischen Koordination innerhalb des Integrationsgebietes zu der Verringerung von Unsicherheiten und der Erhöhung des Vertrauens zwischen den Mitgliedsstaaten (Völkerverständigung, Friedenssicherung etc.) sowie zur Bewältigung grenzüberschreitender Probleme bspw. i m Umweltbereich beitragen. Außerhalb des Integrationsgebietes erhofft man sich durch eine gemeinsame Vertretung der Interessen nach außen eine verbesserte Verhandlungsposition in multilateralen Verhandlungen sowie eine erhöhte internationale Reputation. Besondere Motive bestehen i m Fall der beim „Neuen Regionalismus 4 ' zu beobachtenden Nord-Süd-Integration. Verbanden Entwicklungsländer mit der Gewährung einseitiger Präferenzen seitens der Industrieländer (wie bei den AKP-Staaten meist durch ehemalige koloniale Beziehungen begründet) bisher die Hoffnung auf Entwicklungsimpulse durch finanzielle Hilfen und den Zugang zu großen Märkten, so besteht die Motivation der jetzigen Nord-Süd-Integration vor allem in der innenpolitischen Absicherung marktwirtschaftlicher Reformen. Uber diesen „Stabilitätsimport" glaubt man darüber hinaus das Investitionsklima für ausländische Investoren verbessern zu können. Intensivierter Wettbewerb und verstärkte Technologiediffusion sollen weitere Wachstumsanreize schaffen. Die Motive der reicheren Partnerländer sind dagegen weitgehend nichtökonomischer Art: Eindämmung von Migration, Erweiterung des politischen Einflusses und die Einführung von Umwelt- und Sozialstandards in den ärmeren Partnerländern. 96

3. Folgen des „ Neuen Regionalismus " A u f der einen Seite stellt der Abbau von Handelshemmnissen i m Zuge regionaler Integration für die beteiligten Volkswirtschaften einen Schritt zum Freihandel dar. A u f der anderen Seite sind regionale Integrationsabkommen diskriminierend gegenüber Drittländern, die nicht vom erleichterten Zugang zu den Märkten des Integrationsraums profitieren können. Bei der Beurteilung der Folgen des Regionalismus ist erstens räumlich zwischen den Folgen für Mitgliedsländer auf der einen 94 Vgl. zu den hier behandelten Argumenten Borrmann, A. et al. (1995), S. 39 ff.; Blank, J. et al. (1998), S. 35 ff.; Schott, J. J. (1991a), S. 2. Daneben sind jedoch auch negative Konsequenzen integrativer Prozesse (wie bspw. Anpassungsprobleme, regionale Disparitäten, Behinderung des Strukturwandels etc.) zu beachten. Siehe hierzu Blank, J. E. et al. (1998), S. 39. 95 Zur politischen Ökonomie der Protektion vgl. Speyer, B. (1997), S. 37 ff., insbesondere die Diskussion von Putnams „two-level games". Vgl. Putnam, R. (1988), S. 427 ff. 9 6 Vgl. De Melo, J. und A. Panagariya (1992), S. 13 f. und (1993), S. 18.

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und für Drittländer auf der anderen Seite zu unterscheiden. Entstehen - wie beim „Neuen Regionalismus " zu beobachten - mehrere Integrationsabkommen mehr oder weniger gleichzeitig, so ist außerdem nach möglichen Interaktionseffekten zu fragen. Zweitens muß auch zeitlich zwischen statischen und dynamischen Effekten der regionalen Integration differenziert werden. Standen in der Zollunionstheorie traditionell die statischen Konsum- und Produktionsejfekte i m Vordergrund der Analyse, so erfahren heute (vor allem angesichts möglicher Interaktionseffekte) zunehmend die dynamischen Folgen des „Neuen Regionalismus " Beachtung. M i t der Theorie der Zollunion wurde nachgewiesen, daß nicht jeder Abbau von Handelshemmnissen effizienzsteigernd ist, wenn gleichzeitig andere Beschränkungen bestehen bleiben (Theorie des Zweitbesten). 9 7 I m Falle eines Integrationsabkommens kommt es einerseits zu Handelsschaffung, indem teure Inlandsproduktion durch günstigere Importe aus den Partnerländern substituiert wird. Werden dagegen aufgrund der Zolldiskriminierung effizientere Importe aus Drittländern von Importen aus Partnerländern verdrängt, so kommt es zu Handelsablenkung, 98 Welcher dieser statischen Effekte der regionalen Integration überwiegt, ist von den Angebots- und Nachfrageelastizitäten der betroffenen Länder sowie von der Zollhöhe vor der Integration abhängig. Je höher die Zollsätze vor der Integration und je höher die bilateralen Handelsanteile der späteren Partnerländer sind, desto eher werden die handelsschaffenden Effekte dominieren. Das gleiche gilt, je größer die Angebots- und Nachfrageelastizitäten i m Importland, je größer die Kostenunterschiede zwischen Partnerland und Importland einerseits und je kleiner diese Unterschiede zwischen Partnerland und dem Rest der Welt andererseits sind. Kemp und Wan wiesen theoretisch die Möglichkeit der Schaffung einer Zollunion nach, bei der die Wohlfahrt der Mitgliedsländer gesteigert wird, ohne daß Drittländer negativ betroffen werden. 9 9 In der Realität kann hingegen davon ausgegangen werden, daß es durch regionale Integrationsabkommen i. d. R. auch zu handelsablenkenden Effekten k o m m t . 1 0 0 Während bei industriellen Produkten aufgrund hoher Angebots- und Nachfrageelastizitäten und geringer internationaler Kostenunterschiede von höherer Handelsschaffung auszugehen ist, kann i m Agrarbereich mit ζ. T. erheblicher Handelsablenkung gerechnet werden. 1 0 1 In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Maßnahmen und Regeln zur Vermeidung handelsablenkender und damit die weltwirtschaftliche Wohlfahrt min97 Vgl. zur Theorie der Zollunion Viner, J. (1950) und die darauf folgenden Ansätze von Lipsey, R. G. und Κ J. Lancaster (1957); Lipsey, R. G. (1957); Meade , J. E. (1956); Johnson, Η G. (1958). 98 Vgl. zu den unterschiedlichen Folgen von Präferenzzonen, Freihandelszonen, Zollunionen und gemeinsamen Märkten die übersichtliche Darstellung von Blank, J. E. et al. (1998). 99 Vgl. Kemp, M.C. und Η. Wan (1976), S. 95 ff. 100 Grossmann, G. und E. Helpman (1995) zeigen in einem Lobbying-Modell sogar, daß der Abschluß eines Freihandelsabkommens gerade dann am wahrscheinlichsten ist, wenn die zu erwartende Handelsablenkung größer ist als die entsprechende Handelsschaffung. ιοί Vgl. Balassa, B. (1975); Borchert, M. (1984), S. 463; Sapir, Α. (1993), S. 429.

II. Regionalismus

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dernder Integrationsabkommen vorgeschlagen. Die Diskussion kreiste dabei vor allem um eine Stärkung des GATT-Regelwerks (insbesondere Art. X X I V , V I und X I X ) und eine strengere Anwendung desselben. 102 Darüber hinausgehend wurde gefordert nur solche Integrationsabkommen zuzulassen, bei denen auch die Außenzölle gegenüber Drittländern gesenkt würden. 1 0 3 Ein anderer Weg wurde mit der Forderung eingeschlagen, Integrationsabkommen nur zwischen geographisch benachbarten Ländern zuzulassen. Dahinter steht die Überlegung, daß aufgrund der geographischen Nähe nur geringe distanzabhängige Transport- und Kommunikationskosten anfallen und somit die Wahrscheinlichkeit für hohe bilaterale Handelsanteile steigt. Beim Abbau von künstlichen Handelsbarrieren zwischen diesen Ländern, sogenannten „ natürlichen Handelspartnern", seien die Chancen zur Realisierung handelsschaffender Effekte am größten. 1 0 4 Ein drittes Argument schließlich ist die Forderung nach einem offenen Regionalismus, durch den eine institutionalisierte „Beggar-my-neighbour"-Politik gegenüber ausgeschlossenen Drittländern verhindert werden s o l l . 1 0 5 Gegenüber den statischen Effekten regionaler Integration, deren quantitative Bedeutung empirischen Studien zufolge meist nicht besonders hoch ist, wird den dynamischen Auswirkungen des „Neuen Regionalismus' 4 zunehmend mehr Beachtung geschenkt. I m Zentrum der Debatte steht dabei die Frage, ob der Trend der letzten Jahre zu einer Fragmentierung der Weltwirtschaft ( „ stumbling blocks ") oder aber zur Förderung multilateraler Integration ( „ building blocks") führen w i r d . 1 0 6 102 Art. XXIV befaßt sich mit der Zulässigkeit von Präferenzabkommen, die Artikel V I und XIX mit Antidumpingmaßnahmen bzw. mit „Freiwilligen Exportbeschränkungen". Zur Diskussion der verschiedenen Unzulänglichkeiten und Verbesserungsvorschläge des GATTRegelwerks vgl. Hoekman, B. M. und M. P. Leidy (1992), S. 325 ff.; Bhagwati, J. N. (1992), S. 536 ff.; Jackson, J. (1993), S. 130; Finger, M. (1993), S. 128 ff.; Borrmann, A. und G. Koopmann ( 1993), S. 119. 103 Vgl. Borrmann, A. und G. Koopmann (1994), S. 170. Bhagwati dagegen empfiehlt als Minimalforderung, die Außenzölle auf das jeweils niedrigste Niveau in einem der Mitgliedsländer zu senken. Art. XXIV verlangt schließlich lediglich, daß die gemeinsamen Handelsschranken in einer Zollunion sich im Durchschnitt nicht erhöhen („shall not on the whole be higher or more restrictive than the general incidence of the duties and regulations of commerce applicable ... prior to the formation of such a union") Bhagwati, J. N. (1992), S. 546.

104 Vgl. Balassa, B. (1987); Summers , L. A. (1991a); Jaquemin, A. und A. Sapir (1991); Sapir, Α. (1993). Diese Position wurde jedoch von verschiedener Seite kritisiert (Bhagwati, J. N. (1992, 1993), Panagariya (1997)) bzw. eingeschränkt (Frankel, J. A. et al. (1995a,b)). 105 Vgl. Borrmann, A. und G. Koopmann, (1994) S. 163, 166 f. ι 0 6 Dies ist die Verwendung der Terminologie im Zusammenhang mit dem „Neuen Regionalismus" nach Bhagwati, J. N. (1991), S. 77 und Lawrence, R. Z. (1991a). Die entsprechenden Begriffe sind in der Diskussion um regionale Integration als Alternative oder als Baustein zu weltweiter politischer Integration jedoch schon viel länger in Gebrauch; vgl. Russett, B. M. (1967), S. 12 und die dort zitierten Quellen aus den 40er und 50er Jahren. Einen übersichtlichen und recht aktuellen Überblick über den heutigen Stand der Diskussion gibt Frankel, J. A. (1997), S. 209 ff. Weitere wichtige Beiträge zum Thema sind auch Baldwin, R. A. (1996), Rodrik, D. (1995) und Helpman, E. (1995). Im folgenden sollen nur kurz die wichtigsten bei Frankel diskutierten Argumente zur Sprache kommen.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

Für eine zunehmende Blockbildung sprechen vor allem politökonomische Argumente: (1) Ein Anreiz zur Protektion könnte dadurch entstehen, daß bei steigender Größe eines Integrationsgebietes auch die gemeinschaftliche Marktmacht der Mitgliedsländer wächst und sich damit der optimale Außenzoll des Handelsblocks erh ö h t . 1 0 7 (2) Interessengruppen werden versuchen gefährdete Industrien von einer Liberalisierung auszunehmen, um sie vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Dies sind i. d. R. aber gerade jene Branchen, bei denen ein größeres Potential für Handelsschaffung besteht: ineffiziente Inlandsproduktion wird durch kostengünstigere Importe aus dem Integrationsgebiet ersetzt. Die Public-Choice- Theorie zeigt auf, daß Konsumenteninteressen diffus und unorganisiert sind, während Produzenteninteressen i. d. R. gut organisiert werden können und durch ihre Interessengruppen machtvoll vertreten werden, was eine protektionistische Lösung i m oben genannten Sinne wahrscheinlich m a c h t . 1 0 8 (3) Verhandlung und Implementierung regionaler Integrationsabkommen sind genauso wie multilaterale Verhandlungen sehr aufwendig. Wenn personelle und finanzielle Ressourcen aufgrund regionaler Verhandlungen gebunden sind, könnten die Anstrengungen zu weltweiter Liberalisierung vernachlässigt werden. (4) Regionale Integration könnte sich als Sackgasse erweisen. Existiert erst einmal ein großer regionaler Handelsblock, so sind die Anreize zu weiteren multilateralen Verhandlungen vielleicht nicht mehr groß genug. A u f der einen Seite sind für Produzenten i m Integrationsgebiet zusätzlich zu erwartende Liberalisierungsgewinne gegenüber möglichen Verlusten recht klein. A u f der anderen Seite ist gerade zu erwarten, daß sich die Länder des Handelsblocks gemäß ihrer auf KoMarktmacht über eine institutionalisierte „ beggar-my -neighbour"- Politik sten von Drittländern besserstellen (Optimalzollargument, Terms-of-Trade Effekt e ) . 1 0 9 (5) Eine ungleiche Machtverteilung innerhalb eines Handelsblocks kann dazu führen, daß schwache Mitgliedsstaaten Konzessionen gegenüber den stärkeren Partnerländern machen, welche die Effizienz des Welthandelssystems beeinträchtigen könnten und u. U. auch Einfluß auf multilaterale Verhandlungen haben. 1 1 0 107 Einen entsprechenden Vorgang modelliert bspw. Krugman (Krugman, P. (1991b), Kap. 1). In diesem Modell kommt es zu einer Entwicklung, an deren Ende sich drei große Handelsblöcke gegenüberstehen. Dies ist gleichzeitig diejenige Lösung, bei der das weltwirtschaftliche Wohlfahrtsniveau minimal ist. Krugman nimmt dieses Modell in Krugman, Ρ (1993), S. 60 ff. noch einmal auf, wird jedoch von Srinivasan aufgrund der starken Symmetrieannahmen des Modells scharf kritisiert („theory without relevance "), Srinivasan, Τ. Ν. (1993), S. 85. Weitere Modellansätze zum Marktmachtargument stellt Frankel, J. A. (1997), S. 210 ff. vor. •ο» Vgl. Bhagwati, J. N. (1992), S. 551. Die Staaten der ASEAN bspw. schlossen bei ihren Verhandlungen zur Liberalisierung des regionalen Handels bisher nahezu alle wichtigen Industrien aus (Frankel, J. A. (1997), S. 212. •09 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 215 f. beschreibt dazu zwei Modelle von Krishna (1995) und Levy (1995). Siehe zu diesem Argument auch Bhagwati, J. N. (1992), S. 551 f., (1993b), S. 162.

no Bhagwati, J. N. (1992), S. 552 f., (1993a), S. 44 nennt als Beispiel Regelungen zum Schutz geistiger Eigentumsrechte, die zunächst in den NAFTA-Verhandlungen seitens der Vereinigten Staaten von Mexiko eingefordert wurden und später auch in die Uruguay-Runde

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Befürworter regionaler Integrationsabkommen sehen dagegen verschiedene Vorteile der regionalistischen Strategie für eine zukünftige multilaterale Liberalisierung und bezüglich der Absicherung in der Vergangenheit erreichter Fortschritte der Liberalisierung. 1 1 1 (1) Durch die aus der regionalen Integration erwachsenden vertraglichen Verpflichtungen zwischen den Mitgliedsländern können marktwirtschaftliche Reformen auch bei wechselnden Regierungen dauerhaft abgesichert werden. Dies galt als ein wichtiges Argument für die Einbeziehung Mexikos in die NAFTA. (2) Die „Mobilisierung regionaler Solidarität" könnte eine Handelsliberalisierung, wenn zunächst auch nur i m regionalen Rahmen, politisch erst durchsetzungsfähig machen. Auch kann politische Verantwortung auf internationale Verpflichtungen abgeschoben werden. 1 1 2 (3) Multilaterale Verhandlungen könnten beschleunigt und effizienter gestaltet werden, wenn nur wenige Handelsblöcke mit gebündelten Interessen anstatt viele Einzelstaaten unkoordiniert miteinander verhandelten. 1 1 3 (4) U m Handelsliberalisierung politisch durchsetzen zu können, muß sie von einer Mehrheit der Produzenteninteressen vertreten werden. Milner folgend sind Branchen, in denen Skalenerträge eine Rolle spielen, eher für eine regionale Liberalisierung zu gewinnen als andere Branchen. Nach dieser „bicycle theory " genannten Hypothese läßt sich der Abbau von Handelshemmnissen auch multilateral fortsetzen, wenn erst einmal „Schwung" in den Liberalisierungsprozeß gekommen i s t . 1 1 4 (5) Das Argument der „ wettbewerblichen Liberalisierung " besagt, daß einzelne Länder gegeneinander um einen schnelleren Abbau von Handelshemmnissen konkurrieren, um möglichst viel internationales Kapital anzuziehen. 1 1 5 Wenn Länder, die von einer importsubstituierenden zu einer exportgeleiteten Entwicklungsstrategie übergehen, einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben, könnte außerdem ein regionaler Nachahmungseffekt den Liberalisierungsprozeß in Gang setzen. 1 1 6 (6) Die Androhung auf eine regionale Strategie auszuweichen, könnte widerwillige Länder in multilateralen Verhandlungen zu Konzessionen bewegen. Viele Kommentatoren sehen den Strategiewechsel der Vereinigten Staaten und die Gründung von N A F T A und APEC vor allem i m Zusammenhang mit den schleppenden Verhandlungen in der Uruguay-Runde des GATT (1986 bis 1993). 1 1 7 (7) In des GATT einflössen (TRIPS). Für den geforderten Schutz geistigen Eigentums gebe es allerdings kaum eine theoretische Rechtfertigung. Auch gebe es keine empirische Stützung der These, daß „unzureichender" Schutz den technischen Fortschritt hemme. in Vgl. zu dieser Diskussion auch Hoekman, B. M. und M. R Leidy, (1992), S. 325 ff.; Bhagwati, J. N. (1993), S. 31 f. und 38 ff.; Frankel, J. A. (1997), S. 216 ff. 112 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 217; de Melo, J., A. Panagariya und D. Rodrik (1993), S. 176 ff. 113 Vgl. Summers, L. A. (1991); Deardorff, A. und R. Stern (1994), Borrmann, A. und G. Koopmann (1994), S. 170. 114 Vgl. Milner, Η (1997); Destier, /. M. (1995), S. 17 f.; Bergsten, C. F. (1996), S. 108. us Vgl. Bergsten, C. F. (1995). 116 Vgl. Garnaut, R. (1994), S. 273 ff. 117 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 221 \ Destier, /. M. (1995), S. 228; Bergsten, C. F. (1997), S. 18 ff. 4 Flörkemeier

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Baldwins „Domino-Theorie" des Regionalismus wird der Prozeß einer stetigen Erweiterung eines Integrationsgebietes modelliert. Aufgrund der sich für Außenseiter sukzessive immer weiter verschlechternden ToT werden die Anreize, sich um eine Aufnahme in einen Handelsblock zu bemühen um so stärker, je größer der Handelsblock w i r d . 1 1 8 Fraglich ist jedoch, wie lange die Mitglieder des bestehenden Blocks bzw. der verschiedenen existierenden Blöcke bereit sind, weitere Länder in das Integrationsgebiet aufzunehmen. Die bisher existierenden theoretischen Modelle kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. 119 Empirisch ist bisher eine langsame, aber doch stetige Erweiterung bereits existierender Integrationsgebiete zu beobachten.

4. Zum heutigen Stand des Regionalismus Zur Zeit existieren weltweit rund 35 sich gegenseitig ζ. T. überschneidende regionale Integrationsabkommen. Ihre Anzahl hat sich in den vergangenen 40 Jahren vervielfacht: existierten 1960 erst 5 regionale Handelsabkommen, waren es 1970 bereits 13. Seit 1980 (16) hat sich ihre Zahl nochmals mehr als verdoppelt. 1 2 0 Daneben bestehen eine ganze Reihe bilateraler Handelsabkommen. Fast alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) haben auch mindestens ein weiteres regionales oder bilaterales Integrationsabkommen unterzeichnet. Allein die Anzahl der regionalen Gruppierungen sagt jedoch noch nichts über die mit ihrer Hilfe jeweils erreichte Integrationstiefe aus. Die meisten Abkommen sind lediglich als Freihandelsabkommen konzipiert. 1 2 1 Eine Vielzahl von ihnen kommt indes nicht einmal über eingeschränkte Präferenzen in ausgesuchten Branchen hinaus. Einige der Integrationsgebiete (insbesondere in Afrika) existieren lediglich auf dem Papier, etliche andere (bspw. ASEAN) stagnierten jahrzehntelang. Es hat sich gezeigt, daß die Vereinbarung und Implementierung von Handelserleichterungen auch i m regionalen Rahmen nicht problemlos vonstatten gehen. So bemerken Hoekman und Leidy: „ The political economic forces that block far-reaching liberalization in the

us Vgl. Baldwin, R. Α. (1996), S. 36 ff. Π9 Einige Modelle beschreiben einen Prozeß, an dessen Ende weltweiter Freihandel erreicht wird, andere Modelle sehen als Ergebnis die Fragmentierung der Weltwirtschaft in wenige Blocks (üblicherweise eher asymmetrische Blocks). Vgl. die bei Frankel, J. A. (1997), S. 224 f. diskutierten Modelle von Krugman, P. (1991b), Deardorjf, A. und E. Stern (1994), Haveman, J. (1996), Saxonhouse, G. (1993), Stein, E. (1994), Bond, E. und C. Syropoulos (1995), Hamada, Κ und J. Goto (1996) sowie Yi, S.-S. (1994). 120 Vgl. Yearbook of International Organizations (verschiedene Ausgaben), Nierop, T. (1989), S. 48; Frankel, J. A. (1997), S. 246 ff. 121

Allgemein werden Präferenzzonen (Zollvergünstigungen), Freihandelszonen (Zollbefreiung), Zollunionen (zusätzlich gemeinsamer Außenzoll), Gemeinsame Märkte (zusätzlich freie Faktormobilität) und Wirtschaftsunionen (zusätzlich gemeinsame bzw. harmonisierte Wirtschaftspolitiken) unterschieden. Vgl. bspw. Blank, J. E. et al. (1998), S. 31 ff. Die Einteilung geht zurück auf Balassa, B. (1961).

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

multilateral context also remain robust and largely decisive in sculpting RTAs [Regional Trade Agreements]". 122 Das GATT entwickelte sich dagegen von einem mehr oder weniger regionalen Zusammenschluß von 23 Staaten im Jahre 1947 bis heute zu einer wirklich multilateralen Verhandlungsplattform: mit der Gründung der W T O 1995 wurde endlich eine eigenständige Organisation geschaffen, die mittlerweile 135 Mitgliedsstaaten zählt. In den vergangenen acht GATT-Verhandlungsrunden konnten neben beträchtlichen Zollsenkungen auch Vereinbarungen über nichttarifäre Handelshemmnisse, Dienstleistungen (GATS), Investitionen (TRIMS) und geistiges Eigentum (TRIPS) erreicht werden. 1 2 3 Das einzige Integrationsgebiet, welches realiter bisher über den Status einer reinen Freihandelszone oder Zollunion hinaus gekommen ist, ist die Europäische Union, 124 Doch auch hier dauert der Integrationsprozeß nach nunmehr über 40 Jahren weiter an, nachdem er mehrfach - insbesondere in den 70er bis Mitte der 80er Jahre („Eurosklerose") - fast zum Stillstand gekommen war. In den Römischen Verträgen von 1957 wurde als Ziel der europäischen Integration ein gemeinsamer Markt angestrebt. 125 Allerdings wurde erst 1968 eine Zollunion verwirklicht. Den Erweiterungen der 70er und 80er Jahre folgte mit der Einheitlichen Europäischen Akte von 1986/87 (gemeinsamer Markt bis 1992), den Verträgen von Maastricht 1992 und Amsterdam 1997 (Wirtschafts- und Währungsunion) wieder Schritte zur Realisierung einer tiefergehenden europäischen Integration. M i t der Entwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion haben sich viele wirtschaftliche Kennzahlen, wie bspw. Zinshöhe und Zinsstruktur oder Inflationsraten innerhalb der E U angenähert. Dennoch bestehen weiterhin national segmentierte Märkte, was sich bspw. anhand erheblicher Preisunterschiede bei sachlich identischen Produkten zeigen läßt.126

122 Hoekman, Β. Μ. und Μ. D. Leidy (1992), S. 325 f. 123

In den Industriestaaten liegt die durchschnittliche Zollhöhe mittlerweile bei unter 4 Prozent. Vgl. Berthold, N. und M. Dönges (1997), S. 506. Siehe zu den Ergebnissen des GATT auch Blank, J. E., et al. (1998), S. 23 ff. 124 EFTA und EWR haben spätestens seit dem EU-Beitritt von Schweden, Finnland und Osterreich ihre Bedeutung weitgehend verloren und sollen hier nicht weiter betrachtet werden. Der jüngste regionale Zusammenschluß in Europa, die CEFTA, kann als Vorstufe der derzeitigen Mitglieder zum EU-Beitritt angesehen werden (Assoziationsabkommen mit der EU sind Voraussetzung für einen CEFTA-Beitritt). Freihandel innerhalb dieser Gruppe (beschränkt auf Fertigerzeugnisse und Rohstoffe) soll bis 2000 erreicht werden. !25 Ziel war die Gewährung der „vier großen Freiheiten": „free movement of persons, of goods, of services, and of capital" EC Commission (1987), S. 18. 126

Vgl. zu einer empirischen Studie bspw. Tichy, G. (1992), der den Stand der Integration mit Daten aus dem Jahr 1988 untersucht. Zwei am Institut für Allgemeine Wirtschaftsforschung der Universität Freiburg 1998 von Studenten mit aktuellem Datenmaterial durchgeführte Untersuchungen ergaben ähnliche Cluster wie bei Tichy. Die weiterhin bestehenden Preisunterschiede sind natürlich auch auf die teilweise nicht legalen Bemühungen einiger Produzenten, eine Aufhebung der Segmentierung zu verhindern, zurückzuführen. Siehe bspw.

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Als echtes Gegengewicht zur E U kann allein die Nordamerikanische Freihandelszone CNAFTA ) angesehen werden, bei der allerdings eine weit geringere Integrationstiefe angestrebt wird als in Europa. Das Abkommen beinhaltet eine Liberalisierung bezüglich Investitionen, Finanzdienstleistungen, geistigen Eigentumsrechten, agrarwirtschaftlichen Produkten und - eingeschränkt - beim Handel mit Textilien und Automobilen. 1 2 7 In Südamerika wurde mit dem Mercosur 1991 ein potentiell bedeutendes regionales Integrationsabkommen vereinbart. Ziel ist die Schaffung eines gemeinsamen Marktes. Bis Ende 1994 wurde eine Freihandelszone realisiert und eine gemeinsame Zollpolitik vereinbart. Bis zum Ende des Jahrtausends sollte auch eine gegenseitige Öffnung mit der zweiten größeren südamerikanischen Gruppe, der Andengemeinschaft, erreicht werden. Diese war, obwohl schon 1969 als Andenpakt gegründet, bislang weit weniger erfolgreich und ist über beschränkte Liberalisierungsmaßnahmen und eine Reihe bilateraler Abkommen der Mitgliedsländer untereinander nicht hinausgekommen. 1 2 8 Präferenzabkommen in Asien sind eine Rarität. Insoweit sie existieren, sind sie mit ihren Liberalisierungsbemühungen nicht sehr weit vorangekommen. Die M i t glieder der 1967 gegründeten ASEAN vereinbarten 1978 ein sehr eingeschränktes Präferenzabkommen, das noch Ende der 80er Jahre kaum drei Prozent ihres Außenhandels berührte. 1 2 9 I m Zuge der Wiederbelebung des Regionalismus wurde 1992 die Gründung einer Freihandelszone (AFTA) beschlossen, die bis 2003 verwirklicht werden soll. Vielfach wird eine Fragmentierung der Weltwirtschaft in drei sich voneinander abschottende Wirtschafts- und Handelsblöcke befürchtet. M i t der Gründung der N A F T A ist neben der E U tatsächlich ein weiteres bedeutendes Integrationsgebiet geschaffen worden. Eine sukzessive Erweiterung der E U nach Osten und Süden (MOE, EuroMed) und der N A F T A nach Süden und Westen (FTAA, APEC) könnte in Zukunft zu der Bildung zweier großer Handelsblöcke führen. Das Entstehen eines dritten, asiatischen Blocks mit Japan als Führungsmacht ist entgegen vieler Behauptungen nicht zu erkennen. 1 3 0 Vielmehr wirken besonders in dieser Region nedie Anstrengungen zur Verhinderung von Grau- und Reimporten von Pkws oder die von deutschen Herstellern erlassenen Verbote für ausländische Händler, Pkws an deutsche Kunden zu veräußern. 127 Hier konterkarieren strenge Herkunftsregeln die offiziell erreichte Liberalisierung. Siehe Frankel, J. A. (1997), S. 258. 128 Vgl. hierzu und zu den anderen südamerikanischen Integrationsabkommen bspw. Nogués, J. J. und R. Quintanilla (1993), S. 278 ff.; Frankel, J. A. (1997), S. 259 ff.; Blank, J. E. et al (1998), S. 47 ff. 129 Es wurden Zollvergünstigungen von 10 bis 15 Prozent für 71 Warengruppen vereinbart. Sämtliche wichtigen Handelsgüter wurden jedoch ausgeschlossen. Originellerweise beseitigte Indonesien jedoch Handelshemmnisse zur Einfuhr von Schneeräumgeräten! Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 267. 130 V g l . a u c h Henderson, D. (1993) o d e r Bowles, P. u n d Β. MacLean (1996).

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

ben und unabhängig von den (bescheidenen) politischen Integrationsbestrebungen auch ökonomische Kräfte, die eine Regionalisierung des Welthandels zur Folge haben.

I I I . Regionalisierung Phänomen • Durch Marktkräfte hervorgerufene Verdichtung des wirtschaftlichen Beziehungsgeflechts zwischen einzelnen Ländern und Ländergruppen. Ursachen • Dauerhafte Existenz verschiedener Transaktionskosten verursachender geographischer, kultureller und ökonomischer Faktoren. • Dekolonisierung und Auflösung der bipolaren Weltordnung. • Multilateraler Abbau von Handelshemmnissen. • Internationale politische Kooperation und „deep integration" . Folgen • Konservierung der Handlungsfähigkeit territorial gebundener Staaten. • Regionale Internationalisierungsstrategien multinationaler Unternehmen. • Bildung regionaler Produktionsnetzwerke, Industriedistrikte und subregionaler Zonen. • Möglicherweise Verursachung oder Vergrößerung regionaler Disparitäten. Entwicklung • Langfristige Stabilität der regionalen Struktur internationaler Austauschbeziehungen. • Regionale Verflechtungsmuster: Integration vs. Dependenz. • Abgrenzung funktionaler Regionen: Differenzierung vs. Segmentierung.

1. Das Phänomen der Regionalisierung Die steigende internationale Verflechtung der Güter- und Faktormärkte wird häufig als Zeichen eines fortschreitenden Globalisierungsprozesses angesehen. Dabei wird jedoch nicht selten übersehen, daß die internationalen wirtschaftlichen Transaktionen nach wie vor stark regionale Züge aufweisen. Sautter untersuchte die Entwicklung der weltwirtschaftlichen Außenhandelsbeziehungen für die Zeit von 1928 bis 1976. 1 3 1 Er stellte fest, daß über den gesamten Zeitraum hinweg eine tripolare Welthandels struktur bestand, deren Gravitationszentren den weltwirtschaftlichen Kernregionen nach Predöhl ähneln. 1 3 2 Der Welthandel konzentriert sich auf den intraregionalen Handel in Nordamerika, Westeuropa und Ostasien. Die Befunde Sautters wurden durch Ergebnisse neuerer Studien weitgehend bestä131 Vgl. Sautter, Η. (1983). 132 Vgl. Predöhl, A. (1971).

III. Regionalisierung

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t i g t . 1 3 3 Die empirisch ermittelte Verdichtung der Handelsverflechtungen innerhalb der drei Großregionen der „ Triade" und mehr noch innerhalb einer Reihe kleinerer „Außenhandelscluster" geht dabei über ein durch Transportkosten oder diskriminierende Zölle erklärbares Maß hinaus. Dementsprechend kommt Sautter in seiner Studie zu dem Ergebnis, daß „[die] Regionalisierung des Welthandels (...) in erster Linie das Ergebnis vergleichsweise dauerhaft wirksamer geographischer, kultureller und ökonomischer Determinanten und erst in zweiter Hinsicht das Ergebnis neuerer, regional begrenzter Maßnahmen der Integrationspolitik [ist]". 134 Geographische Faktoren (Distanz, physische Barrieren), kulturelle Unterschiede (Sprachen, Lebensgewohnheiten, Umgangsformen, Religion, Werte) oder ökonomische Entwicklungsunterschiede (Nachfragestrukturen, Verfügbarkeit, Qualität, Preis) führen auch ohne die Existenz künstlicher Handelshemmnisse zu einer Erhöhung der Transaktionskosten i m interregionalen Handel gegenüber dem intrareHandelshemmnisse i. d. R. gionalen Handel. 1 3 5 Da die genannten „natürlichen" überhaupt nicht oder nur langsam verringert werden können, ist auch bei anhaltender multilateraler Liberalisierung mit einer langfristigen Persistenz der regionalen Konzentration internationaler Transaktionen zu rechnen. Nur „ wenn mit der Liberalisierung auch eine vollständige Angleichung der politischen, kulturellen und historischen Eigenschaften der Länder einherginge, würden die Staaten zu einem einheitlichen Wirtschafts räum zusammenwachsen" P 6 Verschiedene ökonomische Entwicklungen sprechen aber vielmehr dafür, daß die Regionalisierung neue Dynamik entwickelt: mit dem explosionsartigen Anstieg der Direktinvestitionstätigkeit multinationaler Unternehmen seit Mitte der 80er Jahre scheint sich die geographische Konzentration der weltwirtschaftlichen Verflechtungen sogar weiter zu verstärken. Denn die Direktinvestitionscluster und die Außenhandelscluster sind in etwa kongruent. 1 3 7 Gleiches gilt für andere ökonomische Beziehungen, wie bspw. für strategische Allianzen oder regionale Produktionsnetzwerke. Die Entwicklung einer unabhängig von institutionellen Integrationsbestrebungen zwischen Staaten allein durch Marktkräfte hervorgerufenen Verdichtung des wirtschaftlichen Beziehungsgeflechts zwischen einzelnen Ländern und Ländergruppen soll i m folgenden als funktionale Integration bezeichnet werden. 1 3 8 Damit wird

»33 Vgl. de Jong, Ν. und R. Vos (1995); Borrmann, A. et al. (1995); Nierop, T. und S. de Vos (1988). 134 Vgl. Sautter, Η. (1983), S. 280. Zu dem gleichen Ergebnis kommen Nierop, T. und S. de Vos (1988), S. 343, Nierop, T. (1994), S. 28 und 199; de Jong, Ν. und R. Vos (1995), S. 758 ff., Borrmann, A. et al. (1995), S. 20 ff. und 241 ff.. 135 Sautter, h. (1983) bezeichnet diese verschiedenen Faktoren - Beckerman, W. (1956), S. 38 folgend - als „psychische Distanzen" (S. 234). Linnemann, H. (1966), S. 28, verwendete den Begriff „ökonomischer HorizontSpeyer, Β. (1997) dagegen faßt die verschiedenen Transaktionskosten steigernden Faktoren unter dem Konzept der „economic proximity " zusammen (S. 63 ff.). Die drei Ansätze sind weitgehend kongruent. 136 Speyer, B. (1997), S. 67. 137 Vgl. de Jong, Ν. und R. Vos (1995) S. 755 ff., Speyer, B. (1997), S. 64.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

Regionalisierung inhaltlich vom Begriff des Regionalismus als institutioneller Integration abgegrenzt. Wie schon vorher ist auch hier der Begriff „regional" nicht ausschließlich geographisch zu verstehen. Gleichwohl werden sich funktionale Regionen normalerweise aus benachbarten Ländern zusammensetzen, da geographische Distanzen ihre Ausdehnung auf dreierlei Weise begrenzen. Erstens behindern Distanzen über Transport- und Kommunikationskosten enge überregionale Transaktionsnetzwerke. Zweitens entsteht ein indirekter Einfluß dadurch, daß kulturelle und sprachliche Affinitäten i. d. R. negativ mit der geographischen Distanz zwischen Ländern korrelieren. Drittens bestehen aufgrund der räumlichen Nähe häufig ähnliche Probleme, Bedürfnisse und Interessenlagen (Umwelt, Klima, Infrastruktur, Migration oder Sicherheit), wodurch intensive zwischenstaatliche Beziehungen gefördert werden. 1 3 9 Der Regionalisierungsthese zufolge gewinnen internationale funktionale Regionen als Rahmen für politische und ökonomische Interaktion zunehmend an Bedeut u n g . 1 4 0 Flexible Produktionssysteme erfordern häufig eine gewisse räumliche Nähe von Fertigungsprozessen, betriebsexternen Dienstleistungen und Zulieferbetrieben („,just-in-time" Anlieferung). Gerade in innovativen und dynamischen Hochtechnologieindustrien ist eine räumliche Aufspaltung der Produktionsprozesse oder die Trennung einzelner Unternehmensfunktionen (F&E, Produktion, Marketing) aufgrund der Notwendigkeit intensiven persönlichen Informations- und Erfahrungsaustauschs („face-to-face" Kontakte) häufig nicht sinnvoll. 1 4 1 Soweit eine Auslagerung einzelner Produktionsteile möglich ist, geschieht dies meist innerhalb von Regionen. Über den dadurch zunehmenden Handel mit Zwischenprodukten wird der intraregionale Austausch von Gütern zusätzlich intensiviert. 1 4 2 Insofern kann Regionalisierung weder als Alternative, noch als Vorstufe oder Hemmnis eines globalisierten Welthandels angesehen werden, sondern vielmehr als dessen dauerhaft bleibendes M e r k m a l . 1 4 3 138 Vgl. Sautter, Η. (1983), S. 7; Lorenz, D. (1992), S. 84; Lorenz, D. (1993), S. 256. 139 Vgl. Nierop, T. (1994), S. 193. 140

Funktionale Regionen können dabei durch die verdichteten Strukturen wirtschaftlicher Transaktionen und Interdependenzen innerhalb der durch sie verbundenen Räume charakterisiert werden. Vgl. Bogue, D. B. (1957), S. 378 ff., S. 344; Hanink, D. M. (1991), S. 149. In der traditionellen Außenwirtschaftstheorie stehen dagegen durch gemeinsame Charakteristika (Faktorausstattung) definierte homogene Regionen im Vordergrund (Ohlin, B. (1967)) Siehe auch Kap. BAI dieser Arbeit. Neben dem hier verwendeten Begriff der „funktionalen Region" hat sich auch der Begriff „natürliche Region" durchgesetzt. So bezeichnen bspw. Krugman, R und L. Summers (1991), S. 55, eine Region mit mehr als 50% intraregionalem Handelsanteil als „natural bloc". 141

„Die Vorstellung, daß es zu einer globalen Standortspezialisierung kommt, bei der sich die Kernregionen der Weltwirtschaft auf Forschung und Entwicklung („Blaupausenproduktion ") spezialisieren und die Fertigung Zulieferbetriebe und „ verlängerte Werkbänke " in peripheren Standorten übernehmen, entspricht bei Produkten mit einem hohen Technik- und Dienstleistungsanteil nicht der ökonomischen Realität Schätzl, L. (1996), S. 208. μ Vgl. Grotewold, A. (1993), S. 45 f. 143 Vgl. Sautter, Η. (1983), S. 286; Lorenz, D. (1990), S. 27; Nierop, T. (1994), S. 199.

III. Regionalisierung

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Storper schließlich weist darauf hin, daß die traditionell zur Analyse der Globalisierung herangezogenen Kategorien (wie bspw. FDI, Wachstum multinationaler Unternehmen oder Expansion des internationalen Handels) für ein umfassendes Verständnis dieses Phänomens nicht hinreichend sind: „It is, indeed , quite curious that a fundamentally geographical process labeled with a geographical term „ globalization " is analyzed as a set of resource flows largely without considering their interactions with the territoriality of economic development" ,144 Neben den verschiedenen grenzüberschreitenden Transaktionen müsse vielmehr auch der Grad der Territorialisierung (Standortgebundenheit) ökonomischer Aktivität mit in die Analyse einbezogen werden. Verschiedene Industrien sind - zumindest mittelfristig - aufgrund ihrer Abhängigkeit von lokal spezifischen Faktoren an bestimmte Standorte gebunden. In einigen Fällen gehören zu diesen Faktoren seltene natürliche Ressourcen. Wichtiger ist meistens jedoch die Verfügbarkeit hoch produktspezifischer und damit nicht substituierbarer Technologien und Fertigkeiten, deren Angebot i. d. R. räumlich wie auch zeitlich sehr unelastisch i s t . 1 4 5 Zur Erklärung solcher spezifischer (immobiler) Produktionsfaktoren können wiederum Transaktionskosten und Regionen in die Analyse mit einbezogen werden. Zwar scheint der Fall, daß das Angebot bestimmter Technologien oder Fertigkeiten vollständig an einzelne Standorte gebunden ist (bspw. aufgrund ihrer Abhängigkeit von bestimmten Rohstoffen oder klimatischen Bedingungen), heutzutage nicht mehr relevant. Doch gerade bei Hochtechnologieindustrien hat es sich gezeigt, daß sich die erforderlichen Fertigkeiten nur in einem kreativen, flexiblen und von intensiven Beziehungen zwischen verschiedenen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und ihren Beschaffungs- und Absatzmärkten geprägten Umfeld entwikkeln können. Aufbau, Effizienz und Erhalt dieser Beziehungen erfordern aufgrund des Einflusses von Transaktionskosten ein gewisses Maß an geographischer und kultureller Nähe. Geographische Nähe erleichtert bspw. die persönliche Kommunikation, ermöglicht Spillover-Eifekte oder senkt die Kosten des Arbeitsplatzwechsels von Spezialisten. 1 4 6 Über die intensiven Interaktionsbeziehungen innerhalb der Industrie entstehen mit der Zeit branchenspezifische Konventionen, Institutionen und Fertigkeiten. Es können sich eigene, zunehmend standortgebundene Organisationskulturen entwickeln. 1 4 7 Storper (1997) spricht in diesem Zusammenhang von Regionen als „relationalen Vermögenswerten", 148 Regionale Produktions144 Storper, M. (1995), S. 275. 145 Storper, M. (1995), S. 277. Vgl. auch S. 267: „An activity is fully territorialized when its economic viability is rooted in assets ( including practices and relations) which are not available in many other places and cannot easily or rapidly be created or imitated in places that lack them. Locational substitutability is not possible, and feasible locations are small in number, making locational „markets " highly imperfect". 146 Auffällig sind die Parallelen zu den externen Effekten von Marshall. Die räumliche Konzentration von Industrien wird dort auf regionale Pools qualifizierter Arbeitskräfte, die Existenz spezialisierter Zulieferindustrien und die Möglichkeit von Wissens-Spillovern zurückgeführt. Vgl. Marshall, A. (1920), Kap. 10, S. 225 ff.. 147 Vgl.Asanuma, B. (1989); Saxenian, A. (1994).

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

netzwerke oder Industriedistrikte können als Beispiele für „moderne" Standortgebundenheit oder zumindest Standortspezifität angesehen werden.

2. Ursachen der Regionalisierung Als maßgebliche Ursache der regionalen Konzentration ökonomischer Interaktion wurden verschiedene geographische, kulturelle und ökonomische Faktoren identifiziert, die die Transaktionskosten i m Außenhandel gegenüber dem Binnenhandel dauerhaft erhöhen. 1 4 9 Diese Argumentation steht in Widerspruch zur Globalisierungsthese, die eine sinkende Bedeutung internationaler Transaktionskosten und eine weitgehende Substituierbarkeit alternativer Standorte voraussagt. Ungeachtet der aufgrund des technologischen Fortschritts sinkenden Transport- und Kommunikationskosten 1 5 0 wird die geographische Distanz zwischen Ländern und Regionen indes auch weiterhin ein wichtiger Erklärungsfaktor für die Intensität internationaler Transaktionen bzw. die Bildung funktionaler Regionen bleiben - und ihr Einfluß scheint sich in der Vergangenheit sogar vergrößert zu haben. Zwei Ansatzpunkte zur Erklärung dieser Entwicklung sind denkbar: Einerseits könnte es sein, daß die Transaktionskosten des interregionalen Handels in den letzten Jahren weniger stark gesunken sind als jene des intraregionalen Handels. Dies würde letzteren relativ profitabler machen und demnach eine zunehmende regionale Verdichtung der Handels Verflechtungen begünstigen. Andererseits kann festgestellt werden, daß einige bisher existierende Hemmnisse für die Entwicklung intensiverer regionaler Handelsmuster allmählich an Bedeutung verlieren. 1 5 1 Ein solches Regionalisierungshemmnis stellte bis in die 50er und 60er Jahre hinein die Kolonialpolitik verschiedener europäischer Länder dar. Die weitgehende Dekolonisierung in der Nachkriegszeit entzog vielen intensiven interregionalen Austauschbeziehungen die politische Grundlage. Es entstand eine Vielzahl neuer, unabhängiger Staaten, die sich schrittweise von den extremen ökonomischen Abhängigkeitsverhältnissen zu ihren ehemaligen Mutterländern lösten und Wirtschaftsbeziehungen mit anderen - z.T. regionalen - Handelspartnern aufnahmen. 14 8 Vgl. Storper, M. (1997), Kap. 2. „Heterodox regional economics, like economics in general, continues to be controlled by the metaphor of economic systems as machines, with hard inputs and outputs, where the physics and geometry of those inputs and outputs can be understood in a complete and determinate way. This focus on the mechanics of economic development must now be complemented by another focus, where the guiding metaphor is the economy as relations, the economic process as conversation and coordination, the subjects of the process not as factors but as reflexive human actors, both individual and collective, and the nature of economic accumulation as not only material assets, but as relational assets" (S. 28). Siehe auch Storper, Μ. (1996), S. 655 ff. 149

Arten, Entwicklung und Einfluß der Transaktionskosten im Welthandel sollen eingehender in Kap. Β diskutiert werden 150 Vgl. Janelle, D. G. (1991), Dosi, G. et al. (1990), Ritter, W. (1981), Abler, R. (1975). 151 Vgl. Nierop, T. und S. de Vos (1988), S. 361.

III. Regionalisierung

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Auch die bis heute existierenden interregionalen Folgeorganisationen der Kolonialzeit, allen voran das Commonwealth, haben zunehmend ihre wirtschaftliche und politische Bedeutung verloren. 1 5 2 In jüngerer Zeit hat daneben auch die Auflösung der bipolaren Weltordnung mit den USA und der UdSSR als dominierenden Supermächten zu einer Bedeutungszunahme funktionaler Regionen geführt. Während die Sowjetunion heute nicht mehr existiert, haben auch die Vereinigten Staaten seit den 50er Jahren einen relativen wirtschaftlichen BedeutungsVerlust hinnehmen müssen. 1 5 3 Neue oder wieder erstarkte ökonomische Machtzentren (Japan, Europa) haben dagegen Welthandelsanteile hinzugewonnen. Zusätzlich haben mit den südostasiatischen Schwellenländern und neuerdings auch den mittel- und osteuropäischen Staaten weitere Länder größere Bedeutung erlangt. Die Folge ist eine Abnahme der Konzentration der Welthandelsbeziehungen auf die USA als wichtigstem Handelspartner und eine insgesamt weniger vertikale Welthandelsstruktur. 154 Beispielhaft zu letzterem sei das ostasiatische „Modell der Fluggänse" genannt. Hier zeigt sich der Wandel weltwirtschaftlicher Strukturen in besonderer Deutlichkeit in der Form „des Übergangs von der alten komplementären Spezialisierung des Kolonialzeittyps zur neuen substitutiven Arbeitsteilung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Wege der intensiven Eingliederung der jeweiligen Schwellenländer via Verdrängungswettbewerb", 155 Bedeutsamer erscheint allerdings, daß spätestens mit dem Ende des kalten Krieges geopolitische bzw. geostrategische Erwägungen von „geoökonomischen" Kräften als bestimmende Einflußgröße für weltwirtschaftliche und weltpolitische Beziehungen zunehmend verdrängt w u r d e n . 1 5 6 Dekolonisierung und die Auflösung der weltpolitischen Bipolarität sind primär als nichtökonomische Entwicklungen anzusehen. Gleichwohl hatten diese Entwicklungen beträchtliche Auswirkungen auf die Entwicklung regionalisierter Welthandelsstrukturen. Zusätzlich hat i m gleichen Zeitraum auch der multilaterale Abbau von Handelshemmnissen i m Rahmen der GATT-Verhandlungen einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Entwicklung der regionalen Struktur des Welthandels ausgeübt. M i t dem Wegfall künstlicher Handelsschranken macht sich der Einfluß natürlicher Handelshemmnisse deutlicher bemerkbar. „Es entbehrt (...) nicht einer gewissen Ironie, daß ausgerechnet der multilaterale Liberalisierungsprozeß vor allem regionale und vergleichsweise wenig globale Wirkung entfaltet"^ 51 Dies kann neben den bereits erwähnten natürlichen Handelshemmnissen 152 Vgl. Nierop, T. (1989), S. 44. 1 53 Fraglich ist natürlich, ob diese Entwicklung nicht lediglich als eine graduelle Rückkehr zur „Normalität" angesichts der schwerwiegenden Folgen des Zweiten Weltkrieges anzusehen ist. Vgl. Nau, H. (1990); Strange, S (1987); Huntington, S. Ρ (1988); Kennedy, Ρ (1987), Fukuyama, F. (1992). 154 Vgl. Nierop, T. (1994), S. 3 f. 155 Lorenz, D. (1990), S. 25. 156 Vgl. Fukukawa, S (1988), S. 1209; Narr, W. D. und A. Schubert (1994), S. 147 ff. und 169 ff.; Nierop, T. (1994), S. 184 f.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

auch mit der Existenz von Agglomerationskräften und Spillover-Effekten erklärt werden, die sich nach dem Abbau künstlicher Barrieren verstärken und die regionale Wachstumsrate erhöhen. 1 5 8 Über regionales Wachstum wird wiederum der intraregionale Handel weiter intensiviert. Als klassisches Beispiel für eine fast ausschließlich durch Wachstumskräfte induzierte Regionalisierung kann abermals die südostasiatische Region angesehen werden. 1 5 9 I m Gegensatz zur Europäischen Union haben weder die ASEAN-Länder noch andere Staaten der Region bisher ernsthafte Anstrengungen bezüglich einer institutionellen ökonomischen Integration unternommen. 1 6 0 Steigende intraregionale Handelsanteile lassen sich hier vielmehr durch regionales Wachstum und funktionale Integration erklären. 1 6 1 Akteure des Welthandels sind - wenigstens in marktwirtschaftlich orientierten Systemen - in erster Linie Unternehmen, nicht Regierungen. Enge politische Kontakte können aber zweifelsohne zwischenstaatliche Handelsbeziehungen fördern. Dies kann einmal direkt durch die Vergabepraxis bei öffentlichen Aufträgen oder auch indirekt mittels Informationsbereitstellung und der Vermittlung privater wirtschaftlicher Kontakte über internationale Organisationen, Botschaften sowie Außenhandelskammern geschehen. Der institutionelle Rahmen internationaler Organisationen stellt dabei nicht nur regelmäßige Treffen auf offizieller Ebene sicher, sondern erleichtert überdies informelle persönliche Kontakte zwischen Diplomaten und anderen hier beschäftigten Beamten der beteiligten Mitgliedsländer. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstand eine ganze Reihe neuer intergouvernementaler Organisationen (IGO) mit den unterschiedlichsten Zielsetzung e n . 1 6 2 Während bei den meisten Freihandels- und Verkehrsabkommen eine regionale Ausrichtung nicht verwunderlich erscheint, ist die zunehmende regionale 157 Speyer, B. (1997), S. 3. 158 Vgl. Rivera-Batiz, L. A. und Ρ. M. Romer {1991). 159 Ob in Südostasien tatsächlich Regionalisierungstendenzen festgestellt werden können, hängt jedoch nicht zuletzt vom verwendeten Meßinstrumentarium sowie von der Abgrenzung der Region ab. Einerseits sind in Südostasien die intraregionalen Handelsanteile in den letzten 20 Jahren stark gestiegen. Berücksichtigt man jedoch auch das aufgrund des enormen wirtschaftlichen Wachstums gestiegene Gewicht der Region an der gesamten Weltwirtschaft, so relativiert sich der Eindruck wieder. Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 32; siehe auch Kap. C dieser Arbeit. 1 60 ASEAN wurde 1967 vielmehr als politische Organisation zur Abwehr kommunistischer Einflüsse in der Region gegründet. 161 „Regionalization (...) is focused on the rising intra-regional interdependence ( clusters) of trade and other economic activities such as direct investments etc. as the natural outcome of the regional development processes Lorenz, D. (1993), S. 256. 162

Die meisten IGOs wurden zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung und Kooperation gegründet. Daneben existiert eine ganze Reihe von Abkommen mit der Zielsetzung militärischer, politischer, kultureller oder wissenschaftlicher Zusammenarbeit. Schließlich sind Handels- und Verkehrsabkommen sowie Erzeugerorganisationen für spezielle Produkte zu nennen. Für eine übersichtliche Zusammenstellung internationaler Organisationen vgl. Altmann, J. (1998), Rittberger, V. (1995) oder Andersen, U. und W. Woyke (1995); siehe auch CIA (1999), Appendix C.

III. Regionalisierung

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Verdichtung auch der meisten anderen internationalen Organisationen bemerkenswert.'63 Neben der bereits angeführten Wirkung von Agglomerationskräften und regional begrenzten Spillover-Effekten bei multilateraler Liberalisierung läßt sich mit dem Konzept der „deep integration " ein weiteres Argument dafür anführen, daß die Transaktionskosten des Welthandels in der Vergangenheit wahrscheinlich stärker intraregional als interregional gesunken sind. Unter „deep integration " versteht man die Berücksichtigung bisher rein nationaler Politikbereiche im Prozeß der internationalen ökonomischen Integration als Reaktion auf die Folgen steigender weltwirtschaftliche Verflechtungen. 1 6 4 Es ist in diesem Zusammenhang zunächst ohne Bedeutung, ob sich die Internationalisierung dieser Bereiche auf multilateraler, regionaler oder bilateraler Ebene v o l l z i e h t . 1 6 5 Verbindet man aber die empirisch zu beobachtende regionale Konzentration zwischenstaatlicher Kooperation i m Rahmen von IGOs mit dem Phänomen der „deep integration so sind doch eher regionale oder bilaterale Lösungen zu erwarten. 1 6 6 Intensive Kooperation zwischen einzelnen Staaten bzw. innerhalb von Regionen bewirkt größere Vertrautheit, sinkende Unsicherheit und homogenere Präferenzen innerhalb der betroffenen Gebiete. Dies erhöht auf der einen Seite die Chancen für eine beschleunigte funktionale Integration der betreffenden Märkte und vergrößert auf der anderen Seite wiederum den Spielraum für eine weitergehende positive regionale Integration. Diese läßt sich nach Cooper theoretisch über unterschiedliche Präferenzen der Konsumenten nach der Versorgung mit öffentlichen Gütern begründen. 1 6 7 A u f der einen Seite lassen Skaleneffekte, externe Effekte und die Notwendigkeit einer effizienten Koordination der Stabilisierungspolitik tendenziell eine globale Kooperation als effizient erscheinen. Allein aufgrund steigender organisatorischer und informatorischer Kosten wird ein optimales Integrationsgebiet („optimal area of jurisdiction ") jedoch nicht auf der globalen Ebene, sondern auf einer niedrigeren re-

163 Nierop, T. (1989) und (1994) untersuchte die internationale politische Interaktion von Staaten anhand der Mitgliedschaft von Ländern in IGOs sowie die Repräsentation von Staaten durch diplomatisches Personal in Botschaften für den Zeitraum 1950 bis 1991. Er stellte in beiden Fällen deutliche Regionalisierungstendenzen fest. 164 Zu diesen Bereichen zählen bspw. die Ordnungs-, Wettbewerbs- und Steuerpolitik oder auch die Festlegung von Gesundheits- oder Sicherheitsstandards. 165 Vgl. Speyer, B. (1997), S. 128. 166 Speyer (1997) argumentiert, daß eine kooperative Lösung von „deeper integration issues" im regionalen Rahmen wahrscheinlicher als im multilateralen Rahmen sei, weil vor der Einigung eine größere Ähnlichkeit der politischen und wirtschaftlichen Systeme zu erwarten ist und damit (1) eine notwendige Anpassung geringer ausfalle und (2) die Wahrscheinlichkeit von Konflikten im Rahmen der kooperativen Lösung kleiner sei; außerdem (3) vergrößere eine bestehende intensive wirtschaftliche Verflechtung das Wissen über die Partner, so daß die potentielle Vertragstreue besser eingeschätzt und die Wahrnehmung und Sanktion von Fehlverhalten erleichtert würde; schließlich bestehe (4) potentiell eine größere Übereinstimmung bezüglich der moralischen Grundlagen staatlichen Handelns ( S. 132 ff.). 167 Vgl. im folgenden Cooper, R. N. (1976), S. 44 ff.

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

gionalen Ebene anzusiedeln sein. Hinzu kommt, daß - abhängig vom soziokulturellen Hintergrund und dem durchschnittlichen Einkommensniveau - Konsumenten verschiedener Gesellschaften sehr unterschiedliche Präferenzen für öffentliche Güter aufweisen. Dies gilt sowohl für grundsätzliche Entscheidungen in Hinblick auf das bevorzugte Wirtschaftssystem, als auch allgemein für das Angebot an staatlich bereitgestellten Gütern. 1 6 8 Schließlich wird bei steigender Zentralisierung der wirtschaftlichen und politischen Koordination aufgrund sinkender staatlicher Souveränität und steigender psychologischer Distanz zwischen Bürgern und öffentlichen Entscheidungsträgern die Nachfrage nach zunehmender Dezentralisation politischer Entscheidungsfindung steigen. Da sich - je nach der Art des betrefunterfenden öffentlichen Gutes - die Größe der „optimal area of jurisdiction" scheidet, bietet sich ein „funktionaler Föderalismus" als Kompromiß an. Hier kann für jedes öffentliche Gut getrennt zwischen Skalenerträgen und Produktvielfalt abgewogen werden, so daß eine Vielzahl sich gegenseitig überlappender und spezialisierter Institutionen entsteht. In diesem Sinne ist nach Cooper auch die Entwicklung des Systems spezialisierter IGOs mit variierenden Zusammensetzungen und Kompetenzen zu verstehen. 1 6 9

3. Folgen der Regionalisierung Die Territorialisierung ökonomischer Aktivitäten sowohl auf der Nachfrageseite (regional spezifische Nachfragestrukturen) als auch auf der Angebotsseite (Standortgebundenheit von Industrien) führen zu der Hypothese, daß die Handlungsfähigkeit territorial gebundener Staaten bzw. ihre Verhandlungsposition gegenüber multinationalen Unternehmen nicht in dem Maße eingeschränkt werden, wie dies die Globalisierungsthese nahelegt. 1 7 0 So kontrollieren viele globale Hochtechnologieunternehmen zwar einen Großteil ihrer internationalen Transaktionen über firmeninternen Handel. Gleichzeitig sind ihre Produktionssysteme jedoch in ein oder mehrere regionale Branchennetzwerke eingebettet und an diese Standorte gebund e n . 1 7 1 In verschiedenen anderen Industrien sind Unternehmen über die Nachfra-

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Cooper, R. N. (1976), S. 49, führt bspw. die Präferenzen für Hochwasserschutz, öffentliche Parks und öffentliche Forschung an. Herauszuheben ist in der derzeitigen Diskussion vor allem die regional unterschiedliche Nachfrage nach Deregulierung, Einkommensumverteilung, sozialer Sicherheit (Alter, Krankheit, Kündigungsschutz) oder kostenlosen Bildungseinrichtungen. Lorenz, D. (1990), S. 24 nennt in diesem Zusammenhang auch die internationale Kooperation zur Abfederung des ökonomischen Strukturwandels. Konsens sei hier auf regionaler Ebene eher zu erreichen als auf globaler Ebene. 169 Cooper, R. N. (1976), S. 50. Folgerichtig schließt Cooper aus seiner Analyse, daß es „optimale Regionendie sämtliche ökonomischen und politischen Bereiche umfassen, nicht gibt (S. 53). •70 Vgl. Storper, M. (1995), S. 266, S. 284 ff. (für die folgenden Beispiele). 171

Man könnte in diesem Zusammenhang bspw. die Computerindustrie im „Silicon Valley" nennen. Vgl. Saxenian, A. (1994).

III. Regionalisierung

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geseite oder über ihre Beschaffungsmärkte an ihre nationalen Standorte gebunden und von den dort herrschenden Bedingungen abhängig: eine starke Position auf dem nationalen Markt kann über Skalenvorteile, Mobilisierung finanzieller Reserven oder gut funktionierende regionale Lieferantennetzwerke häufig erst die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Teilnahme am internationalen Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten schaffen. Schließlich können Staaten in einer regionalisierten Weltwirtschaft die internationale Wettbewerbsfähigkeit von Industriedistrikten und regionalen Produktionsnetzwerken u. U. industriepolitisch beeinflussen. 1 7 2 Für Unternehmen ergeben sich mit der Regionalisierung scheinbar gegensätzliche Implikationen: Kosten- und Agglomerations vorteile können durch eine Internationali sierung der Produktion zunehmend genutzt werden. Diese Möglichkeiten werden jedoch - je nach Grad der Territorialisierung der Industrie - durch dauerhaft vorhandene Transaktionskosten räumlich begrenzt. 1 7 3 I m Zuge der Handelsliberalisierung und sinkender Transportkosten ist es zunehmend möglich, einzelne Teile des Wertschöpfungsprozesses an die jeweils kostengünstigsten Standorte zu verlagern. Offensichtlich liegen diese Standorte meist innerhalb der Grenzen funktionaler Regionen, denn noch immer sind die Produktionssysteme multinationaler Konzerne weitgehend regional geprägt. 1 7 4 Andere Unternehmensfunktionen werden in diesen Unternehmen dagegen bereits global (Finanzierung) oder aber sogar nur lokal organisiert (einige Beschaffungsmarktbeziehungen 1 7 5 ). 1 7 6 Als interessante strategische Lösungen mit weiter zunehmender Bedeutung haben sich in der Vergangenheit regionale Produktionsnetzwerke und subregionale Zonen herausgeb i l d e t . 1 7 7 Gerade hier zeigen sich wiederum die Potentiale und Beschränkungen multilateraler Handelsliberalisierung: Einerseits hat der Abbau tarifärer Handelshemmnisse die Internationalisierung der Produktion erst ermöglicht, andererseits wird nun immer mehr die verzerrende Wirkung nichttarifärer Hemmnisse und national unterschiedlicher Regelungen (Standards, Regulierungen etc.) deutlich. 1 7 8 Dies wiederum läßt geographisch kompakte und sich durch große ökonomische, politische und kulturelle Homogenität auszeichnende funktionale Regionen als 172 Vgl. Bianchi , P. (1993), S. 16 ff. 173 In diesem Zusammenhang sind weniger Transportkosten als vielmehr höhere Koordinations-, Kommunikations- und Überwachungskosten einer internationalisierten Produktion - d. h. also Kosten des Managementprozesses gemeint. Vgl. auch Pausenberger, E. und M. Glaum( 1994), S. 91 ff. 174 Vgl. UNCTAD (1993), S. 131. 175 Man denke hier an lokale Arbeitsmärkte oder an „just-in-time" Produktion i. V. mit dem Aufbau einer lokalen, häufig direkt an die eigenen Produktionsanlagen angegliederten Lieferantenbasis. 176 Vgl. Wells, L. Τ (1993), S. 90. 177 Vgl. für einen Überblick Speyer, B. (1997), S. 91 ff.; Pomfret, R. (1996), S. 209 ff.; Yann, W. S (1994), S. 11 ff. Zu der Johor-Singapur-Riau-Region siehe Kumar, S. (1994), S. 217 ff. 178 Vgl. Speyer, B. (1997) S. 92

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Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

Rahmen für international integrierte Produktionssysteme attraktiv erscheinen. Entsprechend werden gerade multinationale Unternehmen auch ein gesteigertes Interesse an Maßnahmen einer tieferen regionalen Integration („deep integration ") haben.179 Eine Folge zunehmender Regionalisierung besteht möglicherweise in der Verursachung oder Vergrößerung regionaler Disparitäten. Diese lassen sich mit dem Zusammenwirken von Skalenerträgen, Transaktionskosten, Agglomerationseffekten und räumlich differenzierter Faktormobilität erklären. Schon Myrdal hatte mit seinem „ Prinzip der zirkulären und kumulativen Verursachung " auf die gegenseitige Verstärkung ungleichgewichtiger Kräfte in der wirtschaftlichen Entwicklung von Industrie- und Entwicklungsländern hingewiesen. 1 8 0 In neuerer Zeit hat in diesem Zusammenhang vor allem ein Modell von Krugman Aufmerksamkeit erlangt, das einen Divergenzprozeß zwischen Regionen über Lohndifferentiale erklärt. Danach werden bei der Existenz von Transportkosten und Skalenerträgen in der verarbeitenden Industrie bereits durch kleine Lohndifferentiale interregionale Faktorwanderungen ausgelöst, die eine weitgehende Konzentration der Produktion in einem oder wenigen Standorten zur Folge haben. 1 8 1 Können die von der verarbeitenden Industrie hergestellten Produkte nicht nur zu Konsumzwecken verwendet werden, sondern dienen sie auch als Zwischengüter für den weiteren Produktionsprozeß, so werden die Konzentrationskräfte zusätzlich durch über Skaleneffekte in der Produktion ausgelöste Kosteneffekte erhöht. 1 8 2 Neben den zu regionaler Divergenz führenden Agglomerationskräften wirken bei interregionalem Handel gleichzeitig allerdings auch ausgleichende Kräfte, die eine ökonomische Konvergenz der Regionen fördern. Diese lassen sich bspw. über das Faktorpreisausgleichstheorem oder über Technologietransfer begründen. 1 8 3 Die Stärke der beiden gegenläufigen Tendenzen ist nun abhängig von der Höhe des Transaktionskostenniveaus zwischen den Handelspartnern. Ausgehend von einem hohen Niveau kann gezeigt •79 Vgl. Ostry, S. (1995), S. 27; siehe auch UNCTAD (1993): „Indeed, policies to promote a regional production system may extend to the harmonization of fiscal, monetary and industrial policies among member countries and the adoption of common standards in a variety of fields, such as labor, health and safety. (... ) However, many regional integration programs fail to reach this stage of deep integration, that is a regionalized production system governed by a regional policy framework, and therefore, do not last " (S. 35). •so Vgl. Myrdal, G. (1959), S. 10 ff.; für einen Überblick siehe auch Külp, B. (1978), S. 152 ff.. •si Vgl. Krugman, P. (1991b) für zwei Regionen; Krugman, P. (1995), S. 105 ff. für den Fall mehrerer Regionen. •82 Vgl. Venables, A. (1995), S. 298 f.; Krugman, P. und A Venables (1995); Venables, A. (1996). Außerdem können mit diesem Ansatz Konzentrationsprozesse auch dann erklärt werden, wenn keine interregionale Arbeitskräftemobilität besteht. •83 Die Gültigkeit des Faktorpreisausgleichstheorems kann allerdings u. a. nur bei Abwesenheit bzw. geringer Bedeutung von Skalenerträgen und Transaktionskosten angenommen werden. Vgl. Rose, K. und K. Sauernheimer (1992), S. 394 f. und 412 f. Die Existenz dieser Faktoren wurde hier andererseits bislang vorausgesetzt. Vgl. auch die Diskussion bei Hemmer, H.-R. (1988), S. 205 ff.

III. Regionalisierung

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werden, daß sinkende Transaktionskosten zunächst eine divergierende, ab dem Unterschreiten eines bestimmten Niveaus jedoch eine konvergierende Entwicklung zur Folge haben. 1 8 4 Hallet (1995) bezeichnet diesen Zusammenhang als U-These und kann ihn auch am Beispiel der Integration Portugals in die Europäische Gemeinschaft empirisch nachvollziehen. 1 8 5

4. Strukturen

der Regionalisierung

Der Einfluß von Regionen auf die Strukturen internationaler ökonomischer und politischer Interaktion konnte in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen werden. Viele Analysen kranken konzeptionell jedoch daran, daß Regionen nicht aufgrund der Intensität intraregionaler Beziehungen gebildet, sondern anhand einzelner politischer Institutionen (Freihandelszonen etc.) von vornherein festgelegt werden. 1 8 6 Sinnvoller erscheint es, zunächst funktionale Regionen anhand der zwischen einzelnen Staaten bestehenden politischen und ökonomischen Interaktionen zu identifizieren und dann nach den verschiedenen Bestimmungsgründen der Regionalisierung zu fragen. 1 8 7 Als Resultat einer solchen Vorgehensweise ist zu erkennen, daß sich regionale Strukturen größtenteils entlang geographischer Linien entwickeln und Regionen darüber hinaus sowohl kulturell als auch ökonomisch zunehmend homogene Regionen umfassen. Innerhalb größerer Gruppierungen existieren au-

•84 Vgl. Krugman, P. und A. Venables (1990), S. 58 ff.; Siehe auch Asilis, M. und L. A. Rivera-Batiz. (1994), S. 4 ff. und Krugman, Ρ und A. Venables (1996), S. 959 ff.. Benarroch, M. und J. Gaisford (1997), S. 412 ff. zeigen in einem Modell mit externen Skalenerträgen, internationaler Kapitalmobilität und technologischem Fortschritt dagegen die Möglichkeit zunehmender ToT-Verschlechterung, eines FDI-Rückgangs und zunehmender Nord-Süd-Disparität. 185 Vgl. Hallet, M. (1995), S. 127 ff. 186 Vgl. beispielsweise die Auswahl der Studien in Anh. 2. (1) Häufig werden unter Verwendung von Dummy-Variablen institutionelle Integrationsgebiete untersucht, in denen bisher noch überhaupt keine Integrationsschritte unternommen wurden oder die zum Untersuchungszeitpunkt noch nicht existierten. (2) Höhe und Signifikanz der Koeffizienten dieser Dummies hängen stark von der (a priori festgelegten) Abgrenzung der Regionen ab. Besonders deutlich wird diese Problematik bei verschiedenen Untersuchungen zur Bedeutung der APEC: hier wird eine mittlerweile 21 Nationen in vier Kontinenten umfassende „Region" unterstellt, welche zusammen mehr als 50% des Weltsozialproduktes erwirtschaften. Zu den Mitgliedsstaaten gehören mit den USA und Japan die beiden größten Volkswirtschaften der Welt. Hinzu kommen u. a. einige äußerst peripher gelegene Industrie- und Schwellenländer (Australien, Neuseeland, Chile) sowie die exportorientierten südostasiatischen Schwellenlänanmutende „hub-and-spoke" Außenhandelsstruktur der. Eine ausgeprägte „regionalisiert" mit den Kernen USA und Japan ist bei dieser Konstellation nicht verwunderlich - vor allem wenn man bedenkt, daß als „Rest der Welt" nur Europa (eine wirtschaftlich relativ stark integrierte und sehr viel kompaktere Region als APEC) übrigbleibt. Vgl. als Beispiel Frankel, J. A.. S.-J. Wei, E. Stein (1995) und Frankel, J. A. (1997), S. 98 ff.. Zur Kritik bspw. Polak, J. J. (1996), S. 533 ff. 187 Dieser Methode folgt auch die hier vorliegende Arbeit, vgl. Kap. D. 5 Flörkemeier

66

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

ßerdem verschiedene „subregionale" Cluster mit besonders engen politischen bzw. wirtschaftlichen Beziehungen. 1 8 8 Verschiedene Querschnittsanalysen deuten schließlich darauf hin, daß sich der Prozeß der Regionalisierung internationaler Beziehungen in der Vergangenheit verstärkt hat (vgl. Kap. D . / / / . 7 ) . 1 8 9 Ergänzend bzw. einschränkend muß jedoch erwähnt werden, daß erstens nicht immer eine allgemeine Integration verschiedener Staaten einer Region - gekennzeichnet durch intensive gegenseitige Verflechtung, geringe Zentralisierung und ökonomische Homogenität - zu beobachten ist. Vielmehr bilden sich funktionale Cluster auch als nodale Regionen mit einem auf eine dominierende Volkswirtschaft polarisierten Interaktionsmuster und recht geringer gegenseitiger Verflechtung der übrigen der Region zugehörigen Staaten untereinander. 190 Dieses Phänomen wird häufig auch als „hub-and-spoke" Regionalisierung bezeichnet. 1 9 1 Zweitens sind die Abgrenzungen funktionaler Regionen je nach der Art der jeweils untersuchten Interaktionsbeziehungen nicht immer kongruent. Nierop unterscheidet in diesem Zusammenhang Segmentierung und Differenzierung als zwei mögliche Ausprägungen der Regionalisierung. 1 9 2 Während sich bei Segmentierung zwischen verschiedenen Nationen besonders intensive Beziehungen in verschiedenen Politik- und Wirtschaftsbereichen gleichzeitig entwickeln, verlaufen die Grenzen der Regionen bei Differenzierung je nach dem jeweiligen Gegenstand der internationalen Zusammenarbeit bzw. der außenwirtschaftlichen Beziehungen unterschiedlich. Dadurch entsteht ein System sich gegenseitig überlappender zwischenstaatlicher Netzwerke - wobei es auch auf dieser Ebene wiederum zu regionalen Verdichtungen multipler Kooperation kommen kann. Als klassisches Beispiel für Segmentierung sei die fast sämtliche politischen und wirtschaftlichen Bereiche umfassende europäische Integration genannt. Von einer Differenzierung könnte dagegen im Falle der arabischen Welt gesprochen werden. Hier steht eine intensive politische (auch wirtschaftspolitische) Kooperation einer relativ geringen regionalen Verflechtung der Gütermärkte gegenüber.

188 Vgl. zu subregionalen Handelsverflechtungen Tichy, G. (1992), S. 116; zu institutionellen Verflechtungen innerhalb kleinerer Regionen Nierop, T. (1989), S. 61. '89 Vgl. Borrmann, A. et al (1995), S. 24 ff.; Nierop, T. und S. de Vos (1988), S. 755 ff.; Nierop, T. (1989), S. 346 ff. 190 Vgl. Nierop, T. und 5. de Vos (1988), S. 344. 191

Vgl. Baldwin, R. (1994), S. 130 ff. zu institutioneller „hub-and-spoke" Integration am Beispiel Osteuropas; Nierop, T. und S. de Vos, S. (1988), S. 349 ff. zu funktionellen und historischen „hub-and-spoke" Integrationsmustern; Stein, E. und J. A. Frankel (1994), S. 9 ff. oder Frankel, J. A. (1997), S. 157 ff. für ein formales Modell kontinentaler „hub-and-spoke" Netzwerke (vgl. Kap. B.IV.2). 192 Vgl. Nierop, T. (1994), S. 7 f., wobei dort die Unterscheidung von vier Idealtypen zwischenstaatlicher Kooperation vorgenommen wird und sich die Argumentation auf die politische Ebene beschränkt. Die Idealtypen sind neben Differenzierung und Segmentierung (hier: Regionalisierung) Fragmentierung (hier: Regionalismus i. S. von „stumbling blocs") und Universalisie rung (hier i. S. von Multilateralismus bzw. Globalisierung).

IV. Zusammenhänge

67

IV. Zusammenhänge zwischen Globalisierung, Regionalismus und Regionalisierung 7. Globalisierung

vs. Regionalismus

Der „Neue Regionalismus 4 ' wird häufig als eine Reaktion auf die Herausforderungen der Globalisierung angesehen. Danach steigen durch die Globalisierung der Güter- und Faktormärkte der internationale Wettbewerbsdruck und die Geschwindigkeit des wirtschaftlichen Strukturwandels. Zahlreiche Industrien stehen unter sich ständig erhöhendem Zwang zur quantitativen, qualitativen 1 9 3 und räumlichen Anpassung an die sich ändernden Bedingungen. Mancherorts wird Regionalismus in dieser Situation als Abwehrmechanismus gegen den globalen Wettbewerb angesehen. 1 9 4 Andere Beobachter erkennen i m Regionalismus ein Instrument zur zeitweiligen Abfederung der notwendigen und unausweichlichen strukturellen Anpassung. Das Verhältnis zwischen Globalisierung und Regionalismus läuft somit letztendlich auf die Frage hinaus, ob Regionalismus als Alternative („stumbling block") oder aber als Komplement („building block") zur multilateralen Liberalisierung im Rahmen der W T O anzusehen i s t . 1 9 5 Empirisch läßt sich bislang eine Fragmentierung des Welthandelssystem in sich gegenseitig abschottende Blöcke nicht nachweisen. 1 9 6 Es ist andererseits dennoch möglich, daß die Gefahr eskalierender Handelskriege durch die zu beobachtende institutionelle Integration wächst, und daß die potentiell daraus zu erwartenden Schäden ebenfalls steigen.

2. Regionalismus vs. Regionalisierung Unbestreitbar ist, daß regional diskriminierende Handelspolitik zu einer Verdichtung der ökonomischen Austauschbeziehungen innerhalb eines Integrationsraums führt. Wie jedoch gezeigt wurde, haben sich auch unabhängig von institutionellen Integrationsbemühungen regionale Außenhandelscluster entwickeln können. Solche - auf das Zusammenwirken von Transaktionskosten und Regionen zurückzuführende - intensive wirtschaftliche Beziehungen beeinflussen wiederum auch die politischen Beziehungen zwischen Staaten. Regional konzentrierte Handelsbeziehungen schaffen einerseits gemeinsame ökonomische Interessen und Probleme. Andererseits können politische Konflikte und damit verbundene Störungen der Handelsbeziehungen zwischen wirtschaftlich eng verflochtenen Ländern zu besonders großen Wohlfahrtseinbußen führen. Ein hohes Maß an wirtschaftlicher In-

193 Qualitative Anpassung sowohl im Hinblick auf Produkte (kurzlebigerer Produktlebenszyklen) als auch bezüglich der Produktionsprozesse (beschleunigter technologischer Fortschritt). •94 Vgl. Lévy, Β. (1997), S. 59. 195

Vgl. hierzu die entsprechende Diskussion in Kap. A.II.3, S. 22 ff. 196 Vgl. Siebert, H. (1997), S. 206; Schott, J. (1991b), S. 49. 5*

68

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

terdependenz wird daher in der Regel langfristig auch eine politisch institutionalisierte Zusammenarbeit nach sich ziehen. 1 9 7 Erstens ist es wahrscheinlich, daß auf diese Weise politische Spannungen und Konflikte eher kooperativ gelöst bzw. beigelegt werden können. Zweitens vermag die politische Kooperation wiederum den Weg zu einer weiter fortschreitenden ökonomisch-funktionalen Integration ebnen. Politische Kooperation kann sich in diesen Fällen jedoch nicht auf eine traditionelle Liberalisierungspolitik i m Sinne „negativer Integration" beschränken. Sie muß zum einen eine Strategie positiver bzw. „ tiefer" Integration verfolgen 1 9 8 und sollte sich zum anderen i m Sinne eines „offenen Regionalismus" anderen Staaten und Regionen nicht verschließen. 1 9 9

3. Regionalisierung

vs. Globalisierung

Die Beziehung zwischen Globalisierung und Regionalisierung hat bislang erstaunlich wenig Beachtung gefunden. 2 0 0 Das ist um so verwunderlicher, als zwischen diesen beiden Phänomenen ein besonders interessantes Spannungsverhältnis besteht. Denn einerseits sind beide Prozesse größtenteils in denselben weltwirtschaftlichen Entwicklungen begründet: die multilaterale Liberalisierung des Welthandels und des internationalen Kapitalverkehrs, das Ende der durch den kalten Krieg determinierten weltpolitischen Bipolarität und schließlich das Heranwachsen neuer Wettbewerber und neuer Absatzmärkte vor allem in Südostasien (aber auch in Südamerika und Osteuropa) wurden als Ursachen sowohl der Globalisierung als auch der Regionalisierung identifiziert. Andererseits werden die Unterschiede zwischen den beiden Prozessen deutlich, wenn man die Entwicklung und Bedeutung verschiedener bei internationalen Austauschbeziehungen entstehenden Transaktionskosten und das Wesen weltwirtschaftlicher Regionen analysiert. A u f der einen Seite werden sinkende Transport- und Kommunikationskosten sowie eine weitgehende Homogenisierung der Präferenzen als Zeichen eines globalen Abbaus von Marktsegmentierungen gedeutet. A u f der anderen Seite wird die Dauerhaftigkeit natürlicher Handelsbarrieren und regionaler Unterschiede in den Nachfragestrukturen, die Distanzabhängigkeit von Diffusionsprozessen und schließlich die Standortgebundenheit vieler Industrien als Argumente für die bleibende oder sogar zunehmende Bedeutung funktionaler Regionen angeführt. Als sehr aufschlußreich für das Verständnis der Beziehungen zwischen Globalisierung und Regionalisierung erweist sich die Unterscheidung zweier Dimensio197 Vgl. Nierop, T. und S. de Vos (1988), S. 344. 198 Vgl. Speyer, B. (1997), S. 2. 199 Vgl. Kirkpatrick, C. (1994), Lorenz, D. (1991). 200

In der Literatur werden die Begriffe Regionalisierung und Regionalismus häufig synonym verwendet. Hier sei noch einmal die in dieser Arbeit elementare Unterscheidung der Begriffsinhalte betont: Regionalisierung im hier verwendeten Sinne bedeutet funktionale Integration, während unter Regionalismus institutionelle Integration verstanden wird.

IV. Zusammenhänge

69

nen weltwirtschaftlicher ökonomischer Aktivität: (1) Territorialisierung der Produktion auf der einen Seite und (2) der Internationalisie rung ökonomischer Beziehungen auf der anderen Seite. 2 0 1 Durch die Gegenüberstellung dieser Dimensionen ergeben sich vier Idealtypen, die sich jeweils durch charakteristische Formen weltwirtschaftlicher Interaktionen auszeichnen {Abb. 5).

Territorialization of Production

ε& Μ (Λ g;

1. Intra-firm trade w/asset specificities 1. International divisions of labour - intermediate outputs of FDI - international markets served from territorial cores

Ο

ω s Ό

Ο Ix aN O 5Λ É Ο

LOW

HIGH

Χ Ο

2.

Industrial districts

3.

Interfirm + interindustrial trade

Χ

E

eg in routinized manufacturing 2.

International markets eg in consumer services

3.

Interfirm and interindustry trade without territorial core

1 2

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Locally-serving production to specialized tastes with low international competition



Local commerce in basic services not delivered via big-firm hierarchies

Quelle: Storper, M. (1995), S. 280; derselbe (1997), S. 182.

Abbildung 5: Territorialisierung der Produktion und Internationalisierung ökonomischer Beziehungen Die herkömmliche Version der Globalisierung läßt sich als Wandel von Produktionssystemen des Typs 3 hin zu solchen des Typs 2 charakterisieren. Treibende Kraft der Globalisierung sind in diesem Fall sinkende Transaktionskosten des internationalen Handels. Die beträchtliche Abnahme der Transportkosten, eine vergrößerte internationale Produktvielfalt bei gleichzeitig weitgehend standardisierter Massenproduktion sowie die multilaterale Liberalisierung des Welthandels führen zu einer solchen Entwicklung. Ein zweiter Fall der Globalisierung wird durch die Entwicklung von lokalen Produktionssystemen vom Typ 4 zu den globalen Systemen des Typs 2 ausgedrückt. Allgemein steigender Wohlstand, die Ausbildung breiter Mittelschichten in vielen Ländern sowie eine globale Medienpräsenz führen zu einer Angleichung der Lebensstile und Präferenzen. Althergebrachte lokale Vorlieben bzw. traditionelle Besonderheiten regionaler Nachfragestrukturen verlieren an Bedeutung - und 201 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Storper, M. (1995), S. 279 ff., (1997), S. 181 ff.

70

Α. Szenarien zur Entwicklung der weltwirtschaftlichen Beziehungen

damit auch der Grund für spezifische regionale Produktcharakteristika. Außerdem führt die zunehmende Vertrautheit mit anderen Gegenden und Kulturen zu einer Übernahme bisher fremder Konsumgewohnheiten und Moden. Hinter dem durch diese Entwicklungen beschriebenen Globalisierungstyp steht also die Homogenisierung der Präferenzen und damit letztendlich ein weitgehender Abbau regionaler Marktsegmentierungen. Eine dritte Form der Globalisierung kann durch den Übergang der Produktionssysteme des Typs I zu jenen des Typ 2 charakterisiert werden. In diesem Fall manifestiert sich die Deterritorialisierung der Produktionsprozesse, d. h. der Wandel von der Internationalisierung der Produktion zu ihrer wirklichen Globalisierung. Industrien werden mobil, untereinander konkurrierende Standorte substituierbar. Standortspezifische Faktoren verlieren für die Realisierung einer wettbewerbsfähigen Produktion zunehmend an Bedeutung. Während die beiden letzten Versionen der Globalisierung eine abnehmende Bedeutung von Regionen implizieren, lassen sich aus dem obigen Schema auch zwei mögliche Entwicklungen ableiten, bei denen trotz zunehmender Internationalisierung der ökonomischen Beziehungen der Einfluß von Regionen erhalten bleibt. Traditionell aufgrund spezifischer regionaler Nachfrage territoriali sierte und auf nationale Märkte ausgerichtete Branchen können die Fähigkeit entwickeln, ihre Produkte international zu vermarkten (Wandel von Systemen des Typ 4 zu Typ / ) . 2 0 2 Ihre Standortgebundenheit bleibt jedoch erhalten, da die Produktherkunft zu den spezifischen Charakteristika der in diesen Branchen hergestellten Güter gezählt werden kann. Beispiele für die Entstehung derartiger internationalisierter, gleichzeitig aber stark territorialisierter Industrien finden sich häufig (bspw. „Industriedistrikte ")· 203 Eine Entwicklung von Produktionssystemen des Typ 3 zu solchen des Typ 1 liegt entsprechend vor, wenn regionale Eigenschaften erst im Zuge der Internationalisierung Bestandteil der entsprechenden Produkte werden. In solchen Fällen entstehen herkunftspezifische Produktimages i m Sinne der Armington-Hypothese. 2 0 4 Eine dritte - in der Debatte um Globalisierung und Regionalisierung natürlich besonders wichtige - Variante der Regionalisierung liegt dann vor, wenn bei bislang als globalisiert geltenden Produktionssystemen des Typ 2 Territorialisierung zunehmende Bedeutung erlangt. Diese Entwicklung hin zu Typ 1 ist bei einigen bislang von Massenproduktion und Standardisierung gekennzeichneten Großindustrien ohne besondere Standortbindungen zu beobachten. Die steigende Bedeutung 202 Dies gilt bspw. für sogenannte „kulturspezifische Handelsgütervgl. Ritter, W. (1994), S. 76 f. Auch die Internationalisierung bisher rein regionaler Produkte verschiedener Entwicklungsländer im Zuge von „Ethnotrends " könnte man in diesem Zusammenhang nennen. 2 03 Vgl. zu einigen aufschlußreichen Beispielen Storper, M. (1992), S. 68 ff. und S. 89 ff., (1997), S. 210 ff.; Bianchi, Ρ (1993); Scott, A. J. und Μ. Storper (1987).

Vgl. Armington, P. S. (1969), S. 159 ff.

IV. Zusammenhänge

71

von Produktdifferenzierung und produktbasiertem technologischen Fortschritt 2 0 5 (welcher ein hohes Maß an Flexibilität, vernetzte Produktionsstrukturen, eine hohe Kontaktdichte und damit geographische Nähe voraussetzt) haben regionale Produktionsnetzwerke, Industriedistrikte und allgemein Regionen als Rahmen für standortgebundene Beziehungsgeflechte wichtiger werden lassen. Als Fazit läßt sich festhalten, daß sowohl die Entwicklung globalisierter Produktionssysteme des Typs 2 als auch regionalisierter Produktionssysteme des Typs 1 beobachtet werden kann. Dabei sind die Triebkräfte der Globalisierung sinkende Transportkosten, Angleichung von Konsumpräferenzen sowie Massenproduktion und Standardisierung. Regionalisierung dagegen erfolgt über zunehmende (auch geographische) Produktdifferenzierung, beschleunigten technologischen Fortschritt in Verbindung mit regional begrenzt wirkenden Wissens-Spillovers 206 und schließlich über die wachsende Bedeutung von Beziehungen als Produktionsfaktor e n . 2 0 7 Produktdifferenzierung bewirkt eine Segmentierung der Absatzmärkte, während Wissenstransfer und Beziehungsnetzwerke die Bedeutung spezifischer Regionen als Produktionsstandorte technologieintensiver Güter erhöhen. 2 0 8

205 Storper, M. (1995), S. 283, im Original: „product based technological learning " (PBTL). Vgl. hierzu insbesondere Storper, Μ. (1992), S. 61: .. the leading edges of economic activity are highly identified with production systems that are flexible in the specific, narrow sense of being organized to carry out continuous product innovation. Production systems engaged in such ,product based technological learning ' (...) account for important and increasing percentages of world exports; they are an essential element in the globalization of economic relations. Yet the key parts of such PBTL industries tend to be highly concentrated in distinctive subnational regions, in what I call .technology districts' 206 Zu regional begrenzten Spillo ver- Effekten siehe bspw. Griliches, Ζ (1992), S. 529 ff.; Joffe, A. (1986), S. 984 ff.; Audretsch, D. und M. Feldman (1996), S. 630 ff.; Feldman, M. und D. Audretsch { 1995). 207 Vgl. Storper, M. (1995), S. 283, (1997), S. 184 spricht wiederum von „relational assets 208 „ To summarize, four principal territorial-organizational dynamics can be isolated from these complex, intersecting forces. In some cases, the opening up of interterritorial relations places previously exiting locationally specific assets into a new position of global dominance. In a second set of cases, those assets are devalued via substitution by other products, which now penetrate local markets; this is not a straightforward economic process, however ; it is culturally intermediated. In a third set of cases, territorial integration permits the fabled attainment of massive economies of scale and organization, devalues locationally specific assets and leads to deterritorialization and widespread market penetration. In a fourth set of cases, territorial integration is met by differentiation and de standardization of at least some crucial elements of the commodity chain, necessitating the reinvention of territory-specific relational assets. " Storper, Μ. (1995), S. 284.

Β. Transaktionskosten und Regionen als Determinanten der Regionalisierung I. Transaktionskosten 1. Grundlagen des Transaktionskostenansatzes Gegenstand der Theorie der Transaktionskosten ist die Gestaltung effizienter Koordinationsmechanismen für ökonomische Austauschbeziehungen. Unter einer Transaktion wird dabei allgemein die Übertragung von Eigentumsrechten zwischen zwei Parteien verstanden. 2 0 9 Die neoklassische Theorie unterstellt die Existenz vollkommener Märkte und schließt damit implizit jeglichen Koordinationsaufwand bei der Anbahnung und Durchsetzung von Verträgen aus. Der Transaktionskostenansatz dagegen setzt sich explizit mit dem trade-ojf zwischen den über verstärkte Arbeitsteilung und Spezialisierung erzielbaren Effizienzgewinnen („gains from trade") und den dabei gleichzeitig steigenden Koordinationskosten („costs oftrade") auseinander. 210 Denn in der Realität sind mit dem Zustandekommen von Transaktionen vielfältige Aufwendungen für Such-, Informations- und Verhandlungsprozesse verbunden (ex arcie-Transaktionskosten). Nach Vertragsschluß fallen weitere Kosten zur Erfüllung, Durchsetzung bzw. Absicherung des Vertrages an (ex posi-Transaktionskosten). 211 Der in dieser Arbeit verwendete Transaktionskostenbegriff ist umfassender bzw. allgemeiner gefaßt als der ursprüngliche, in der neuen Institutionenökonomik gebräuchliche Terminus. I m folgenden sollen darunter jegliche i m Zusammenhang mit internationalen Transaktionen anfallende, als Handelshemmnisse wirkende Kosten zusammengefaßt werden. 2 1 2 Speziell Transportkosten, künstliche Handelsbarrieren und die Absicherung verhaltensunabhängiger Risiken (Transportversicherung, Wechselkursabsicherung etc.) werden hier ebenfalls als Transaktionskosten des internationalen Handels angesehen. 213 209 Vgl. Williamson, 210

Ο. (1990), S. 1; Fischer, M. (1994), S. 582.

Vgl. North, D. C. (1984), S. 7. Ursprünglich befaßt sich der Transaktionskostenansatz mit der Begründung der Existenz von Unternehmen und der Frage, ob die Koordination bestimmter Transaktionen effizienter über Märkte (Nutzung des Preismechanismus) oder aber firmenintern (Nutzung von Hierarchien) erfolgt. Coase, R. (1936) bezeichnete Transaktionskosten dementsprechend als „costs of using the price system ", während Arrow, K. J. (1969), S. 48, von „costs of running the economic system" spricht. 2 11 Vgl. Williamson, O. (1990), S. 21; Pausenberger, E. (1994), S. 58. 2 2 1 Vgl. Caves, R. E. (1982); Borrmann, A. et ai (1995), S. 35 ff.; Frankel, J. A. (1997), S. 158.

I. Transaktionskosten

73

Die jeweilige Höhe der Kosten hängt positiv von Spezifität und Unsicherheit der Transaktionen, negativ hingegen von deren Häufigkeit a b . 2 1 4 Spezifität resultiert aus der Notwendigkeit, zur Durchführung von Transaktionen besondere Investitionen zu tätigen, die für andere Tätigkeiten nicht oder nur eingeschränkt verwertbar s i n d . 2 1 5 Die mit Transaktionen verbundene Unsicherheit wirkt sich vor allem in erhöhten Such- und Informationskosten sowie in der Unvollkommenheit von Verträgen aus. M i t steigender Häufigkeit gleichartiger Transaktionen (gleiche Vertragspartner, ähnlicher Vertragsinhalt etc.) können die durchschnittlichen Kosten dagegen aufgrund von Fixkostendegression, Lerneffekten und Skalenerträgen sinken. 2 1 6 Eine direkte Messung von Transaktionskosten i m Außenhandel ist nicht möglich, da sie „nicht nur als pagatorische Kosten, sondern ganz allgemein als ,costs as disadvantages' aufzufassen [sind]. Transaktionskosten hängen vom Entscheidungsfeld des jeweiligen Akteurs ab, umfassen auch Zeit, Mühe und verpaßte Gelegenheiten"? X 1 Ein weiteres Meßproblem ergibt sich daraus, daß Transaktionskosten firmenspezifisch, wenn nicht gar transaktionsspezifisch erfaßt werden müßten. Für eine Schätzung der Transaktionskosten i m Außenhandel muß dementsprechend auf den Gebrauch von Indikatoren ausgewichen werden.

2. Transaktionskosten

im Außenhandel

Transaktionskosten entstehen grundsätzlich bei jedem Handelsgeschäft. In der Regel ist der internationale Handel jedoch mit höheren Transaktionskosten verbunden als der Handel innerhalb eines Landes. 2 1 8 Dafür sprechen sowohl institutionelle, als auch geographische und kulturelle Besonderheiten, die speziell beim grenzüberschreitenden Handel zu berücksichtigen sind. Der Export von Waren und Dienstleistungen wird beispielsweise durch eine Vielzahl künstlicher Handelshemmnisse (Zölle, Kontingente), aber auch durch nationale Produktstandards, Normen oder Sicherheitsvorschriften behindert. Schon allein die Zollabfertigung beim Grenzübertritt stellt aufgrund des Zeitaufwands sowie der Kapital- und Ressour2,3 Bspw. gehören Transportkosten nach allgemein üblicher Auffassung nicht zu den Transaktionskosten. Sie sind vielmehr von der jeweiligen Produktionstechnologie abhängig und somit als Produktionskosten aufzufassen (dieses Kriterium zur Abgrenzung von Transaktionskosten und Produktionskosten erscheint angesichts der Diskussion um die Spezifität von Investitionen allerdings nicht ganz trennscharf bzw. vollständig). Das Risiko der Nichterfüllung von Verträgen ist bei Williamson (1990) auf opportunistisches Verhalten, nicht aber auf externe Risiken zurückzuführen. 2 14 Vgl. Bössmann, E. (1982), S. 673; Klau, A. (1995), S. 58 ff. 215 Es können bspw. Standortspezifität, Sachkapitalspezifität, zweckgebundene Sachwerte, Humankapitalspezifität sowie markenspezifisches Kapital unterschieden werden. Vgl. Fischer, M. (1994), S. 583. 2 '6 Vgl. Picot, A. (1981), S. 284; Fischer, M. (1994), S. 583\Amelung, T. (1991), S. 720. 2 17 Fischer, M. (1994), S. 582. 2

18 Vgl. Ruppert, E. H. (1998), S. 7; Amelung, T. (1990b), S. 4.

74

Β. Determinanten der Regionalisierung

cenbindung eine nicht zu unterschätzende Benachteiligung des internationalen gegenüber dem intranationalen Handel d a r . 2 1 9 Neben diesen Kosten des Grenzübertritts sind aufgrund verschiedener Währungen und unterschiedlicher Rechtssysteme höhere Transaktionskosten für die Absicherung von Wechselkursrisiken oder für die Rechts Verfolgung bei Nichteinhaltung von Verträgen zu erwarten. 2 2 0 I m internationalen Handel ist daneben ebenso mit überdurchschnittlichen Transportkosten zu rechnen. Dies läßt sich einerseits mit den i m Durchschnitt größeren Distanzen, andererseits mit der häufig national ausgerichteten, international nicht immer aufeinander abgestimmten Verkehrsinfrastruktur der einzelnen Staaten begründen. 2 2 1 Schließlich sind, insbesondere soweit kulturelle, ethnische und sprachliche Einheiten mit den Staatsgrenzen zusammenfallen, mit dem internationalen Handel auch höhere Informations- und Kommunikationskosten verbunden. Neben der in Hinblick auf diese Kostenarten Transaktionskosten senkend wirkenden gemeinsamen kulturellen und gesellschaftlichen Basis innerhalb eines Staates stehen den Unternehmen national außerdem eine große Anzahl kostenlos verfügbarer öffentlicher Informationsquellen über Märkte, Wirtschaftslage etc. zur Verfügung. 2 2 2 Handelsgeschäfte sind stets mit Güter-, Kapital- und Informationsströmen verbunden. Für jeden dieser Ströme lassen sich spezifische Transaktionskosten identifizieren. 2 2 3 Die Besonderheiten dieser Transaktionskosten in Verbindung mit internationalen Handelsgeschäften, wie auch ihre Abhängigkeit von geographischen und sozioökonomischen Distanzen zwischen unterschiedlichen Staaten und Regionen, sollen i m folgenden herausgearbeitet werden. Einen Uberblick dazu gibt Abb. 6.

3. Arten von Transaktionskosten a) Ex ante-Vertragskosten Schon zur Vorbereitung des Markteintritts in einem Auslandsmarkt benötigen Unternehmen eine Vielzahl von Informationen über Sachverhalte, die, wenn auch im Inland allgemein als bekannt und selbstverständlich vorausgesetzt, i m Ausland erst beschafft werden müssen. 2 2 4 Insbesondere werden Unternehmen Informatio-

219 Vgl. Krugman, P. und M. Obstfeld (1997), S. 176. 220 Vgl.Amelung, T. (1991), S. 718 f. 221 Zu diesen Faktoren sind sowohl besondere geographische Strukturen der Verkehrsnetze, bspw. „hub-and-spoke " Architektur mit der Landeshauptstadt als Zentrum, als auch technische Inkompatibilitäten, bspw. unterschiedliche Spurweiten, zu zählen. Vgl. Letzner, V. (1997), S. 23. 222 Vgl. Amelung, T. (1990b), S. 4. 223 Vgl. Vahlne, J. E./F. Wiedersheim-Paul (1977); Amelung, T. (1990b), S. 5. 224 Vgl. in bezug auf Informations- und Kommunikationskosten im folgenden insbesondere Herrmann, Η et al (1982), S. 11 ff.

Kommunikationsinfrastruktur

produktbezogene Information

I

Produktgestaltung

Γ

Adaptionskosten I

Sanktions-

Kommunikationskanal

ι

Übermittlungskosten

1

Verhandlungskosten

ι

1

i

1 Τ

Transport- Kosten der Künstliche kosten RisikoabHandelsI Sicherung hemmnisse

Kosten des Gütertransfers

ι Ϊ

mechanismen

Hemmnisse

Abbildung 6: Transaktionskosten im Außenhandel

Konverti-

Transfer- Kosten der Kapitalkosten Risiko ab- verkehrsI Sicherung schranken

Kosten des Kapitaltransfers

I

1 Ex post-Transaktionskosten

Kontakt UmschlagTransportZölle KapitalVertragskosten Versicherung bindung formen bilität eindeutige Kontingente ProduktKommuniVereinbarung FrachtEnteignungs- UmtauschLieferBesteuerung name kationsinfrakosten risiko Quoten kosten modalitäten struktur eindeutige Verbot MarketingLeistung Sonstige Standards TransferAbsicherungsmix Informations. , Risiken gebühren Instrumente umfang Absicherung Sonstige

S, ^ualltat

Informationskomplexität

Informationsbedeutung

Informationsumfang

ι

Interpretationskosten

Kommunikationskosten

ι

1

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Amelung, T. (1990b), S. 6 und Herrmann, Η. et al. (1982), S. 11.

informationsumfang

Kommunikationskanal

ι

Übermittlungskosten

Rahmenbedingungen

I

Erhebungskosten !

Informationskosten

ι

I Ex ante-Transaktionskosten

Transaktionskosten

76

Β. Determinanten der Regionalisierung

nen über ihre Zielgruppen i m Auslandsmarkt, deren Eigenschaften, Verhaltensweisen und Präferenzen nachfragen. Darüber hinaus werden natürlich auch Informationen über die Konkurrenzverhältnisse, über das Verhalten und das Angebot der Wettbewerber, sowie über staatliche Regulierungen benötigt. A u f der anderen Seite müssen potentielle ausländische Nachfrager über das in den Markt eintretende Unternehmen, insbesondere natürlich über dessen Produkte, informiert und durch diese Informationen zu einem Kauf veranlaßt werden. 2 2 5 Ex ante-Vertragskosten als Informations- und Kommunikationskosten fallen also in Verbindung mit der Beschaffung von Informationen über Auslandsmärkte, der Versorgung dieser Märkte mit Firmen- und Produktinformationen und der Durchführung von Geschäftsverhandlungen und -abschliissen a n . 2 2 6 Bei den Kosten der Information über Auslandsmärkte lassen sich Erhebungskosten, Übermittlungskosten und Interpretationskosten (Informationsverarbeitungskosten) unterscheiden. 227 (1) In bezug auf die Erhebungskosten gilt allgemein, daß gesamtwirtschaftliche Größen wie auch Informationen über die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (bspw. Marktform, staatliche Regulierungen, gesellschaftliche, kulturelle oder klimatische Besonderheiten) in größerem Umfang verfügbar sind als direkt produktbezogene Informationen. Überdies können Erstere meist mit Hilfe von sekundärstatistischem Datenmaterial ermittelt werden. Neben der i m allgemeinen schlechteren Informationslage i m Auslandsmarkt besteht eine besondere Schwierigkeit der Erhebung darin, daß sich Unterschiede zum Inland häufig nur qualitativ beschreiben lassen. Dies ist insbesondere bei der Bewertung von Informationen über die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie Geschäftsgepflogenheiten, kulturelle Normen, Konsumpräferenzen oder Lebensgewohnheiten der Fall. „ Während den inländischen Anbietern diese Bedingungen durch Erfahrung , durch Integration in den Komplex sozio-kultureller Selbstverständlichkeiten und die Verwurzelung persönlicher Wertesysteme , Normen und Vorstellungen in einem gemeinsamen kulturellen Bezugssystem vertraut sein können, ist ein derartiger Wissensstand bei ausländischen Anbietern nicht oder nur teilweise vorhanden. Die Berücksichtigung dieser Gegebenheiten ist jedoch vielfach unerläßlich, weil viele quantitative Aussagen, z. B. über volkswirtschaftliche Basisdaten wie Bruttosozialprodukt pro Kopf, Inlandsverbrauch pro Kopf, ohne das entsprechende Hintergrundwissen zu Fehlinterpretationen hinsichtlich der tatsächlichen Marktverhältnisse verleiten können". 228 (2) Die Kosten der Informationsübermittlung lassen sich als Funktion der geographischen Distanz zwischen Inlands- und Auslandsmarkt, des verwendeten Kommunikationskanals, der verfügbaren Kommunikationsinfrastruktur sowie des benötigten Informationsumfangs darstellen. Die Infrastruktur (Post, Telefon, Fax, Internet, Messen und Ausstellungen

225 226 227 228

Vgl. Herrmann, H. et al. (1982), S. 9. Vgl. Borrmann, A. et al. (1995), S. 36; Amelung, T. (1990b), S. 5. Vgl. Herrmann, Η et. al. (1982), S. 11 - 14. Herrmann, H. et al. (1982), S. 12- 13.

I. Transaktionskosten

77

etc.) hängt wiederum insbesondere vom ökonomischen Entwicklungsstand des betreffenden Landes ab. (3) Die Interpretationskosten schließlich werden in Abhängigkeit von Bedeutung, Umfang, Qualität und Komplexität der zu verarbeitenden Informationen variieren. Unter Kommunikationskosten werden i m folgenden alle i m Zusammenhang mit der Gestaltung und Übermittlung des vom Unternehmen an seine potentiellen Kunden gerichteten Informationsstroms entstehenden Kosten verstanden. Aufgrund länderspezifischer Besonderheiten und unterschiedlicher Präferenzen und Verhaltensweisen der Zielgruppen in fremden Märkten müssen sämtliche Marketingaktivitäten überprüft und entsprechend angepaßt werden. Insbesondere ist „die Kompatibilität mit gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Werten und Normen, den Lebensgewohnheiten, mit der Mentalität, den Erwartungen und erlernten Verhaltensweisen der Ausländer" 229 sicherzustellen. Die Kommunikationskosten lassen sich wiederum in Adaptionskosten und Ubermittlungskosten unterteilen. Sie entstehen, wenn Veränderungen in der Produktgestaltung oder i m Produktnamen sowie Anpassungen der Vermarktungsstrategien, -mittel und -maßnahmen notwendig werden oder Verkaufspersonal im Auslandsmarkt rekrutiert werden muß. Alle Komponenten der Informations- und Kommunikationskosten hängen neben der Marktbearbeitungsintensität und der Form des gewählten Markteintritts insbesondere von den kulturellen und sprachlichen Affinitäten zwischen In- und Ausland a b . 2 3 0 Unter „kulturellen Affinitäten " sind dabei historische, religiöse, ethnische und gesellschaftliche Bindungen und Gemeinsamkeiten zu verstehen, die allgemein stimulierend auf die gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Beziehungen w i r k e n . 2 3 1 Dies hat eine höhere Anzahl und größere Dichte der internationalen Kommunikationskanäle zur Folge. In Verbindung mit engeren Beziehungen zwischen benachbarten oder ähnlichen Ländern vergrößern sich auch Wissen und Verständnis über bzw. für länderspezifische Besonderheiten und nationalen Eigenarten, Präferenzen und Verhaltensweisen, wodurch eine Erhöhung der allgemeinen Markttransparenz bewirkt wird. Kulturelle und sprachliche Affinitäten mindern überdies Schwellen- und Kontaktprobleme zwischen potentiellen Geschäftspartnern, erleichtern das gegenseitige Verständnis sowie die persönliche Kommunikation und mindern vor allem auch das Risiko von Mißverständnissen

229 Herrmann, H. et. al. (1982), S. 18. 230 Beckerman, W. (1956) wie auch Vahlne, J. E. und F. Wiedersheim-Paul (1977) sprechen in diesem Zusammenhang von „psychic distance Linnemann, Η. (1966) von „economic horizon " und Drysdale, P. und R. Garnaut (1982) von „subjective resistance to trade". 231 Amelung, Τ. (1990b, S. 5 ff.) hebt die Bedeutung staatlicher Informationspolitik hervor. Danach sehen viele Regierungen Information als öffentliches Gut an und bieten öffentliche Dienste über Auskunfteien, statistische Ämter usw. an. Darüber hinaus helfen sie Unternehmen bei der Kontaktaufnahme mit ausländischen (privaten und öffentlichen) Kunden. Die geographische Struktur des Handels wird nach Amelung nun dadurch beeinflußt, daß Regierungsstellen ihre Dienstleistungen auf bestimmte ausländische Handelspartner oder auch auf bestimmte Produkte konzentrieren.

78

Β. Determinanten der Regionalisierung

und Fehlinterpretationen bei Geschäftsverhandlungen. 232 Kulturelle und sprachliche Affinitäten bestimmen darüber hinaus insbesondere auch die Adaptionskosten aufgrund ihres Einflusses auf die Standardisierungsmöglichkeiten der Marketingmaßnahmen. 2 3 3 Da kulturelle Affinitäten zwischen benachbarten Staaten häufig besonders stark ausgeprägt sind und insgesamt womöglich negativ mit der geographischen Distanz zwischen Märkten korrelieren, ist es aufgrund der bisher verfolgten Argumentation wahrscheinlich, daß Unternehmen ihre Auslandsaktivitäten in Nachbarländern beginnen werden bzw. dort die Schwerpunkte ihrer Auslandstätigkeit setzen werden. 2 3 4

b) Ex post-Vertragskosten Neben den Informations- und Kommunikationskosten als Kosten der Vertragsschließung müssen vom Unternehmen auch Kosten der Vertragserfüllung berücksichtigt werden. Dazu gehören insbesondere die im Zusammenhang mit der Lieferung der Vertragsleistungen einerseits und der Kapital- und Finanzierungsseite andererseits anfallenden Transaktionskosten. 235 Im folgenden soll weniger auf die staatlichen Behinderungen des internationalen Güter- und Kapitalverkehrs, 2 3 6 als vielmehr auf die sog. „ natürlichen Handelswiderstände " eingegangen werden. Transportkosten und ihre Wirkung auf die relativen Preise prinzipiell handelbarer Güter sind die am meisten beachtete Komponente der Transaktionskosten i m Außenhandel. 2 3 7 Sie „bestimmen die maximale , wirtschaftlich zu vertretende Transportweite und beeinflussen damit die Intensität bilateraler Handelsbeziehungen und somit auch ihre räumliche Struktur" Sie lassen sich in Umschlagkosten als fixe und Frachtkosten als distanzabhängige Kostenkomponente aufteilen. Beide Kostenkomponenten hängen dabei vor allem von der Art des verwendeten Transportmittels sowie von dem zu transportierenden Gut a b . 2 3 9 Mengenmäßig hat im Welthandel nach wie vor der Transport per Schiff die größte Bedeutung. 2 4 0 Da232 Vgl. Frankel , J. A. (1997), S. 45 f.; Borrmann , A. et al. (1995), S. 36. 233 Vgl. Herrmann, H. et al. (1982), S. 28. 234 Vgl. Amelung, T. (1990b), S. 7. 235 Zu berücksichtigen sind auch die womöglich anschließend anfallenden Aufwendungen für Wartung, Reparatur, Service usw. auftretenden Transaktionskosten. 236 Die außenwirtschaftliche Literatur zu diesen künstlichen Handelsbeschränkungen ist nahezu unerschöpflich. Eine übersichtliche Zusammenstellung der verschiedenen Instrumente der Handels- und Kapitalmarktpolitik gibt beispielsweise Külp, B. (1978), S. 80 ff. und S. 119 ff. 237 Vgl. beispielsweise Sohns, R. (1976), S. 293 ff.. 238 Borrmann, A. et al. (1995), S. 36. 239 Tendenziell ist der Anteil der Frachtkosten an den Stückkosten eines Gutes um so niedriger, je höher die Wertschöpfung und je niedriger Größe und Gewicht einer Produkteinheit sind. Dies gilt beispielsweise für langlebige Konsumgüter und Investitionsgüter. Vgl. Langhammer, R. (1987).

I. Transaktionskosten

79

zu kommen i m intrakontinentalen Frachtverkehr L K W - , Eisenbahn- und Binnenschifftransport mit je nach Region unterschiedlicher Bedeutung. 2 4 1 Außerdem ist hier der Transport von flüssigen und gasförmigen Gütern (insbesondere Ol und Erdgas) per Pipeline zu nennen. Wertmäßig hat in der jüngeren Vergangenheit jedoch gerade der Luftfrachtverkehr stark an Bedeutung gewonnen. 2 4 2 Viele Produkte sind erst durch die Möglichkeit des schnellen Lufttransports zu Welthandelsgütern geworden. 2 4 3 Zwar läßt sich allgemein sagen, daß Frachtkosten unabhängig von der Wahl des Transportmittels positiv von der Transportdistanz abhängen. Diese (triviale) Aussage gilt jedoch nur mit vielfältigen Einschränkungen: 2 4 4 Geographische Hindernisse (bspw. Gebirge), Tarifzonen, Rückfrachtrabatte, Rabatte zur Vermeidung von Leerkapazitäten, unterschiedliche Tarife für Hauptverkehrsstrecken und Nebenrouten, 2 4 5 internationale und nationale Verkehrsinfrastruktur 246 usw. bewirken vielfältige Abweichungen der ökonomisch relevanten Distanzen von den direkt meßbaren erdräumlichen Distanzen. A u f aggregierter Ebene können Transportkosten daher nur in unbefriedigender Weise quantitativ erfaßt werden, bspw. über Frachtfaktoren (Verhältnis der c.i.f.-Exportwerte zu den entsprechenden f. o.b.-Werten). 2 4 7 Neben den reinen Transportkosten sind als Transaktionskosten außerdem Transportversicherungen oder andere Maßnahmen zur Risikoabsicherung der Lieferung 24ü Schiffstransport ist im allgemeinen durch vergleichsweise hohe Umschlags- und niedrige Frachtkosten gekennzeichnet. 241 So hat im Handel innerhalb der EU der LKW-Frachtverkehr überragende Bedeutung, während bspw. 95% der Exporte Bulgariens nach Westeuropa per Binnenschiff über die Donau transportiert werden. 242 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 69: Danach wurden 1995 wertmäßig bereits 31,1% der US-Exporte und 23,4% der US-Importe per Luftfracht transportiert, während es 1970 erst 14,1% bzw. 8,5% waren. Gewichtsmäßig ist der Anteil natürlich sehr viel geringer (jeweils 2,3%). Siehe auch Ritter, W. (1994), S. 147. 24

3 Bspw. Schnittblumen aus Kolumbien oder Simbabwe.

244

„Distanzen [sind] durch die Handelsströme bedingte, relative ökonomische Bewertungen. Sie bedeuten nicht primär die meßbare, erdräumliche, also kilometrische Distanz und auch nicht abmeßbare Wegstrecken, sondern einen komplexen, nach Richtung, Zielpunkt, Ausgangsort und einsetzbaren Techniken zu bewertenden Begriff, bei dem Zeit, Risiko und andere Momente hineinspielen, was sich alles letztlich als Kosten berechnen läßt". Ritter, W. (1994), S. 31. 245

Man beachte hier vor allem die in den letzten Jahren entstandenen „Rund-um-die-WeltContainerlinien", durch die das Rückfrachtproblem vermieden wird. Vgl. Ritter, W. (1994), S. 147. Ein weiterer wichtiger Effekt ist die Verringerung der „ökonomischen Distanzen" zwischen den wirtschaftlichen Zentren der Welt im Vergleich zu den tatsächlichen geographischen Distanzen und im gleichen Zuge die relativ vergrößerten Distanzen zu Wirtschaftsstandorten in der weltwirtschaftlichen Peripherie. 24 6 Unzureichende Verkehrsinfrastruktur führt zu „ Umwegen" im Außenhandel vieler Entwicklungsländer („roundabout trade"). Ein Transferland {„entrepot trader ") übernimmt als Zwischenhändler Marketing- und Distributionsfunktionen, wie bspw. Hongkong für die VR China oder Singapur für Malaysia. Vgl. Amelung, T. (1990a), S. 9. 24

? Vgl. Ruppert, E. H. (1998), S. 13 und Frankel, J. A. (1997), S. 40 ff.

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Β. Determinanten der Regionalisierung

zu berücksichtigen. 2 4 8 Zu diesen Vorkehrungen gehört bspw. der Gebrauch spezieller Vertragsformen (Factoring), Liefermodalitäten (Dokumenteninkasso, Dokumentenakkreditiv) oder besonderer Absicherungsinstrumente (Swaps, HermesBürgschaften). 2 4 9 Wie schon an anderer Stelle ausgeführt, haben Risiken i m internationalen Handel einen sehr viel größeren Stellenwert als auf nationaler Ebene. In den meisten Fällen werden aus diesem Grunde auch die Logistik- bzw. Handelsketten im internationalen Handel länger und damit entsprechend aufwendiger gestaltet s e i n . 2 5 0 Eine andere Möglichkeit, den Risiken internationaler Transaktionen zu begegnen, ist die Internalisierung des Außenhandels innerhalb multinationaler Unternehmen. 2 5 1 Der firmeninterne Handel hat eine entsprechend große Bedeutung am gesamten Welthandel erlangt. Aufgrund unterschiedlicher Rechtssysteme, bilateraler und multilateraler Abkommen sowie diskriminierender Absicherung durch staatliche Institutionen (bspw. Hermes) ist darüber hinaus davon auszugehen, daß die Risiken und damit auch die entsprechenden Transaktionskosten hinsichtlich potentieller Zielländer variieren. Aufgrund des technologischen Fortschritts i m internationalen Bankgeschäft ist zwar nicht davon auszugehen, daß die Kosten des Kapitaltransfers im internationalen Handel distanzabhängig sind. Eine solche Abhängigkeit dürfte lediglich für die Kapitalkosten aufgrund der Kapitalbindung während des Gütertransports gelten. 2 5 2 In der Vergangenheit wurden jedoch - in Verbindung mit der Einführung der Europäischen Währungsunion - internationale Transaktionskosten aufgrund unterschiedlicher Währungen (Umtausch, Devisenreserven, Wechselkursrisiken und deren mit Kosten verbundene Absicherung etc.) ausführlich diskutiert. Insbesondere hinsichtlich der Wechselkursrisiken kann für einzelne Länder mit variierendem Wechselkursrisiko gerechnet werden, so daß auch ein Einfluß der Wechselkurs Volatilität auf die räumliche Struktur des Außenhandels denkbar ist. Empirische Untersuchungen zu diesem Sachverhalt kamen bisher jedoch nicht zu eindeutigen Ergebnissen. 253

248

Neben dem Verlust der Ware durch Havarie oder Verderb ist an die Risiken der Enteignung, der Veralterung, des Rücktritts, der Zahlungsunfähigkeit oder des Betrugs zu denken. Vgl. zur Problematik negativer Anreize zum Vertragsbruch aufgrund fehlender Durchsetzbarkeit von Eigentumsrechten bspw. North, D. C. (1987 und 1989); Schmidtchen, D. und H.-J. Schmidt-Trenz (1989), S. 23. 249 Vgl.Amelung, T. (1991), S. 718 f.; Ritter, W (1994), S. 61 ff. 250 Vgl. Ritter, W. (1994), S. 47 ff. 251 Vgl. Klau, A. (1995), S. 29 und die dort angegebene Literatur; siehe auch Casson, M. C. (1982). 252 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 44. 253 Vgl. Thursby, J. und M. Thursby (1987); De Grauwe, P. (1988); Brada, J. und J. Mendez (1988); Frankel, J. A. und J.-S. Wei (1997).

I. Transaktionskosten 4. Transaktionskostenänderungen

81

und Globalisierung

Die These von der Globalisierung der Weltwirtschaft wird von ihren Verfechtern vor allem damit begründet, daß i m Zuge des technischen Fortschritts und der Liberalisierung der Märkte Transaktionskosten bei internationalen Austauschbeziehungen an Bedeutung verlieren. Besonders hervorgehoben werden die stetige Verringerung künstlicher Hemmnisse im weltweiten Güter- und Kapitalverkehr, Innovationen in der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie sinkende Kosten beim internationalen Transport von Gütern und Personen. Diese exogenen Einflüsse auf die Transaktionskosten i m internationalen Handel, wie auch einige zusätzliche endogene Ursachen von Transaktionskostenänderungen sollen im folgenden auf ihren „ globalisierenden " Einfluß hin untersucht werden. In den letzten Jahrzehnten wurden die durchschnittlichen Zölle v. a. i m Zuge der GATT-Verhandlungen weltweit erheblich gesenkt. Demgegenüber wuchs jedoch die Bedeutung nichttarifärer Handelshemmnisse (Quoten, freiwillige Exportbeschränkungen etc.) erheblich. Außerdem wurden aufgrund institutioneller Integrationsprozesse seit Ende der 80er Jahre Handelshemmnisse innerhalb der einzelnen Kernregionen, vor allem in Westeuropa und Nordamerika, sehr viel stärker abgebaut als i m globalen Maßstab. Die Bedeutung der Transaktionskosten i m Handel zwischen den einzelnen Regionen, sowie zwischen den Regionen und den Peripherien der Weltwirtschaft haben daher relativ eher an Bedeutung gewonnen. Der Ausbau der globalen Kommunikationsnetze hat sicherlich zu schnelleren Reaktionszeiten und kürzeren Anpassungsverzögerungen vor allem auf den internationalen Finanzmärkten geführt. Von gewisser Bedeutung für den Güterhandel sind verkürzte Laufzeiten i m Zahlungsverkehr, die eine geringere Kapitalbindungsdauer ermöglichen. Auch ist anzunehmen, daß die Entwicklung der Instrumente zur Absicherung von Währungs- und Zahlungsausfallrisiken von den Innovationen i m Informations- und Kommunikationsbereich profitiert bzw. die Kosten dieser Instrumente gesenkt werden k ö n n e n . 2 5 4 Auch das Konsumentenverhalten wird durch moderne Kommunikationsinfrastrukturen beeinflußt. Das internationale Angebot an Filmen und Musik in den Medien, tägliche Nachrichten von Ereignissen rund um die Welt, die nahezu globale Reichweite von Fernsehsendern via Satellit, die wachsende Bedeutung von Fernreisen i m Tourismus, die Verfügbarkeit exotischer Produkte und Spezialitäten etc. erhöhen die Vertrautheit mit fremden Ländern und Kulturen und führen u. U. zu veränderten Konsummustern oder einer Angleichung der Konsumentenpräferenz e n . 2 5 5 Eine internationale Homogenisierung der Konsumpräferenzen wiederum

254 Beispielsweise über verbesserte Frühwarn- und Monitoringsysteme. 255 Dabei ist international - abgesehen von modeabhängigen „Ethnotrends " - eine Dominanz westlicher, speziell amerikanischer Einflüsse zu erkennen Ohmae spricht in diesem Zusammenhang von einer „ Kalifornisie rung" des Konsums; vgl. Ohmae, Κ (1995), S. 15 und 28 ff. Andererseits entstanden in den letzten Jahren in vielen Ländern politisch, religiös oder 6 Flörkemeier

82

Β. Determinanten der Regionalisierung

senkt die Informations- und Übermittlungs- und Adaptionskosten der exportierenden Unternehmen. Neben dem technologischen Fortschritt i m Kommunikationsbereich werden die als Ursache des gevielfältigen Verbesserungen der globalen Verkehrsinfrastruktur genüber der Produktion überproportional steigenden Welthandels genannt. 2 5 6 In diesem Zusammenhang sind vor allem die Containerisierung in der Seeschiffahrt, die wachsende Bedeutung des Luftfrachtverkehrs, der Bau von Pipelines und der Ausbau der Straßennetze zu nennen. 2 5 7 Außerdem haben auch die Verbesserung der Organisation von Logistikketten und die Liberalisierung der häufig national ausgerichteten und hoch regulierten Verkehrsmärkte einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Effizienz des internationalen Transportwesens gehabt. 2 5 8 Ein Einfluß sinkender Transportkosten auf die räumliche Struktur des Welthandels ist allerdings nur dann zu erwarten, wenn die marginalen Kosten einer zusätzlichen Entfernungseinheit sinken, d. h. wenn sich der Gütertransport über weite Distanzen relativ jenem auf kurzen Strecken verbilligt. Es reicht dagegen nicht aus, wenn lediglich die durchschnittlichen Transportkosten pro Tonnenkilometer fallen: Wenn der technologische Fortschritt den Gütertransport auf kurzen wie auf langen Distanzen gleichermaßen verbilligt wird, wird davon der Fernhandel gegenüber dem Nahhandel nicht begünstigt. 2 5 9 Bisher wurde der Frage nachgegangen, ob Transaktionskostenänderungen im Sinne der Globalisierungsthese zu einer Auflösung überkommener geographischer Handelsmuster führen können. Ebenso kann jedoch die Hypothese aufgestellt werden, daß es aufgrund endogener Transaktionskostenänderungen zu einer Verstärkung der Persistenz geographischer Handelsstrukturen kommt. Es ist bspw. damit zu rechnen, daß Unternehmen mit zunehmender Anzahl internationaler Transaktio-

auch ökonomisch motivierte Strömungen, die eine Rückbesinnung auf ethnische, kulturelle und traditionelle Eigenarten fordern, kulturelle Eigenständigkeit und Werte betonen und westliche Einflüsse zurückzudrängen suchen; vgl. Huntington, S. (1993). 256 Das Sinken der hier diskutierten Transaktionskosten ist natürlich nur eine der möglichen Ursachen für den gegenüber der Weltproduktion überproportional steigenden Welthandel. Zentrales Argument in Barker, J. (1977) ist beispielsweise die wachsende Bedeutung der Nachfrage nach - nur durch Importe zu befriedigender - Produktvielfalt. 2 57 Vgl. zum Containerverkehr bspw. Asteris, M. (1992), S. 6; Ritter, W. (1981), Hayut, Y. (1981) oder Franz, J. C./C. Siemsglüss (1981); zum Luftfrachtverkehr Asteris, M. (1992); Frankel, J. A. (1997), S. 69 bzw. den vorigen Abschnitt. 2 58 Vgl. Dicken, R/P. E. Lloyd (1990), S. 144 f. zum Fortschritt in der Logistik; Ewers, H.-J. (1994), S. 185 zur Deregulierung im europäischen Verkehrswesen. 259 Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 74. Nach Frankel könnte gerade das Gegenteil der Fall sein, wenn aus irgendwelchen Gründen der technologische Fortschritt den Gütertransport auf kurzer Distanz stärker verbilligen würde als den Ferntransport. Dies sei beispielsweise möglich bei Innovationen im Schwerlastverkehr auf der Straße (z. B. über Kapazitätserhöhung der Frachteinheiten, größere Energieeffizienz, Verkehrsleitsysteme), die tendenziell den Fernhandel unberührt lassen würden. Nur wenn die Transportkosten im Fernhandel stärker sinken als im Nahhandel, ist mit einer Verringerung des Distanzkoeffizienten zu rechnen.

II. Regionen

83

nen Erfahrungen und spezifisches Wissen über bisher bediente Auslandsmärkte und Handelspartner ansammeln. Gleichzeitig gewinnt das Unternehmen bei andauernder erfolgreicher Geschäftstätigkeit Reputation und Vertrauen bei ihren Geschäftspartnern. Verhandlung und Abwicklung neuer Verträge werden zunehmend erleichtert und verursachen sukzessiv weniger Transaktionskosten (Grenzkosten). 2 6 0 Schließlich ist auch bei der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen mit neuen Handelspartnern in bereits vertrauten Märkten aufgrund des besseren Informationsstandes auf der einen Seite und der Bekanntheit des Unternehmens auf der anderen Seite mit geringeren Transaktionskosten zu rechnen, als wenn erst weitere Auslandsmärkte ganz neu erschlossen werden müßten. 2 6 1 Beim Eintritt in neue Märkte fallen vielmehr neben höheren variablen Kosten (Information, Kommunikation, Transfer) zusätzlich fixe (versunkene) Kosten der Markterschließung an (Markterkundung, Aufbau eines Distributionsnetzes, Adaptionskosten etc.). Endogene Transaktionskostenänderungen führen insgesamt also dazu, daß die Intensivierung der Aktivitäten auf bereits bekannten Märkten gegenüber einem Markteintritt in fremden Märkten attraktiver wird. Endogene Transaktionskostenänderungen erhöhen auch unternehmensextern die Attraktivität der Auslandsmärkte, die von anderen Unternehmen eines Landes bereits beliefert werden: Der Eintritt von Unternehmen in für sie neue Auslandsmärkte wird erleichtert, wenn dort bereits andere Unternehmen aus dem Inland aktiv sind. Beispielsweise sind Wissens-Spillover denkbar, wenn ein Unternehmen Schlüsse aus dem Verhalten anderer Unternehmen ziehen kann, wenn ein offizieller Informationsaustausch (Verbände, Messen, Kooperation etc.) stattfindet oder wenn Wissen über informelle Quellen oder über die Abwerbung qualifizierter M i t arbeiter aus anderen Unternehmen beschafft werden kann. Darüber hinaus bauen bereits i m Auslandsmarkt tätige Unternehmen über Handelskammern, Konsulate, „Communities " und gesellschaftliche Kontakte i. d. R. mit der Zeit eine für den Markteintritt neuer Unternehmen des gleichen Landes förderliche Infrastruktur a u f . 2 6 2 Schließlich können u.U. Leerkapazitäten von anderen Unternehmen verwendeter Transportmittel günstig belegt werden oder Rückfrachtrabatte ausgenutzt werden. 2 6 3

II. Regionen 1. Kriterien

zur Bestimmung von Regionen

In empirischen Studien zur räumlichen Struktur des Welthandels wird der Begriff „Region" entweder als Synonym für ein institutionelles Integrationsgebiet 260 261 262 263 6*

Vgl. auch die anschaulichen Fallbeispiele bei Hofstede, G. (1991). Vgl. Herrmann, H. et al. (1982), S. 14 ff., 25 ff., 43; Amelung, T. (1990b), S. 8. Vgl. Ruppert, E. H. (1998), S. 18 f.; Ritter, W. (1994), S. 94 ff. Vgl. Dicke, H. (1994), S. 12; Ritter, W. (1994), S. 32; Mainwaring, L. (1986), S. 119.

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Β. Determinanten der Regionalisierung

oder aber i m Sinne kontinentaler bzw. geopolitischer Regionen verwendet. 2 6 4 M i t einer solchen Vorgehensweise sind zwei Probleme verbunden. Einerseits erfolgt die Abgrenzung der Regionen einseitig unter institutionellen oder geographischen Gesichtspunkten unter Vernachlässigung funktionaler Aspekte. Andererseits werden Regionen a priori abgegrenzt und als gegebene Tatsache hingenommen. Fragen nach der Größe „ optimaler " Integrationsgebiete oder nach der Effizienz bestehender institutioneller Grenzen lassen sich bei einer solchen Vorgehensweise nicht mehr beantworten. Außerdem ergeben sich methodische Probleme beim zeitlichen Vergleich von Integrationsprozessen: Erstens ändert sich die staatliche Zusammensetzung institutioneller Integrationsgebiete i. d. R. i m Zeitablauf. 2 6 5 Zweitens existieren die meisten heute relevanten Integrationsabkommen erst seit relativ kurzer Zeit, so daß sie für die Abgrenzung von Regionen in früheren Perioden nicht herangezogen werden können. 2 6 6 U m diese Probleme zu vermeiden, sollen unter Regionen i m folgenden weniger institutionelle Integrationsräume (bspw. „free trade areas") oder geographisch zusammenhängende und natürlich abgegrenzte Gebiete („natural areas") verstanden werden als vielmehr Einheiten, die aufgrund bestimmter sozioökonomisch relevanter Charakteristika, intensiver wirtschaftlicher und politischer Verflechtungen sowie kultureller und historischer Bindungen als zusammengehörig angesehen werden können („human use areas"). 267 Diese Sichtweise eröffnet mit den Kriterien der Homogenität und der Interdependenz zwei alternative Konzepte zur Identifikation und Abgrenzung von Regio268 nen. Eine Gruppe von Volkswirtschaften bildet eine homogene Region , wenn zwischen den betreffenden Staaten große Ähnlichkeiten bezüglich Pro-Kopf-Einkommen, Faktorausstattung oder auch Nachfragestrukturen bestehen und darüber hinaus historische, politische sowie kulturelle Affinitäten vorliegen. Die Abgrenzung homogener Regionen ist allerdings mit gewissen Problemen behaftet, da Größe

264 Der Begriff „Region " bezieht sich - wie im Kontext der Außenwirtschaftstheorie üblich - auf Gruppierungen mehrerer Staaten, nicht auf Teilgebiete einzelner Staaten (wie im Bereich der Regionalökonomik). Vgl. zur Unterscheidung dieser Ebenen Krugman, P. und M. Obstfeld (1997), Kap. 8. 265

Man denke in diesem Zusammenhang bspw. an den europäischen Integrationsprozeß. In verschiedenen Studien, die Regionen nach der Mitgliedschaft in institutionellen Integrationsabkommen abgrenzen, wurde diesen Integrationsabkommen i. d. R. ein starker Einfluß auf die Struktur des Welthandels zugeschrieben, bevor entsprechende Verträge oder Vorhaben überhaupt existierten. Vgl. Frankel, J. A. et al. (1995); Frankel, J. A. (1997); Maurel, M. und G. Cheikbossian (1998). Zur Kritik siehe bspw. Polak, J. J. (1996). 2 67 Vgl. Hawley, A. (1950), S. 86 f.; Russen, B. M. (1967), S. 2 ff.; Thompson, W. R. (1973), S. 92 f. 2 68 Vgl. Hawley, A. (1950), S. 260 ff.; Russen, B. M. (1967), S. 10; Thierstein, A. und T. Langenegger (1994), S. 505 f. Für einen Überblick über unterschiedliche Studien zur empirischen Identifikation von Regionen siehe Thompson, W. R. (1973), S. 92 ff., Terlouw, C. P. (1992a), S. 30 ff. sowie Nierop, T. (1994), S. 16 ff.; Russett und Thompson behandeln darüber hinaus auch weitere theoretische Möglichkeiten der Abgrenzung von Regionen. 266

II. Regionen

85

wie auch Zusammensetzung der so gebildeten Regionen stark von der Art und der Anzahl der verwendeten Indikatoren abhängen. 2 6 9 Homogenität innerhalb einer Gruppe von Ländern läßt sich meist nur für eine kleine Anzahl der vielen alternativ möglichen Indikatoren feststellen. Dies hat zur Folge, daß bei kleiner Variablenauswahl das Ausmaß der tatsächlich feststellbaren Homogenität zwischen den zu einer Region zusammengefaßten Staaten leicht überschätzt wird und daß bei großer Variablenauswahl die Regionen u. U. sehr klein ausfallen. 2 7 0 Die Abgrenzung homogener Regionen ist daher stets vom interessierenden Kontext bzw. vom zu behandelnden Problem abhängig und muß im Zusammenhang mit den jeweils relevanten Bezugsgrößen immer wieder neu bestimmt werden. Eine alternative Möglichkeit zur Abgrenzung unterschiedlicher Regionen ist die Erfassung der zwischen einzelnen Volkswirtschaften bestehenden ökonomischen und politischen Interdependenzen. Es wird davon ausgegangen, daß verschiedene Länder dann durch besondere gegenseitige Abhängigkeit gekennzeichnet sind, wenn sie über außergewöhnlich intensive ökonomische Interaktionen miteinander verbunden sind. Funktionale Regionen liegen demzufolge vor, wenn die intraregionalen Austauschbeziehungen bedeutender und zahlreicher als die entsprechenden interregionalen Beziehungen sind. 2 7 1 Als wichtige Indikatoren der zwischenstaatlichen Interdependenz werden die Intensität der Handels-, Direktinvestitions-, Informations- und Verkehrsströme sowie die Intensität der politischen Austauschbeziehungen angesehen. Funktionale Welthandelsregionen können nach Nierop und de Vos zwei Formen annehmen. 2 7 2 Eine Situation, in der alle Länder der Region intensive Austauschbeziehungen unterhalten, wird als Integration bezeichnet (starke Verflechtung, niedrige Zentralisierung). Eine solche Situation hat sich bspw. in Westeuropa entwickelt. 2 7 3 Werden dagegen die Länder einer Region von einer oder wenigen Volkswirtschaften dominiert und stehen sie vor allem mit ihrem dominanten Partner, nicht aber mit den anderen Ländern der Region in einem engen Austauschverhältnis, so handelt es sich um eine nodale Region bzw. um die Form der Dominanz (geringe Verflechtung, hohe Zentralisierung). 2 7 4 Nodale Regionen verschiedener Größenordnungen finden sich bspw. in Ost- und Südostasien. Das Regionenkonzept von Integration und Dependenz läßt sich leicht mit dem aus sy-

269 Vgl. Hawley, A. (1950), S. 87; Amelung, T. (1990a), S. 3. 270 Heterogene Strukturen innerhalb einzelner Staaten werden dabei - meist aus Gründen mangelnder Datenverfügbarkeit - natürlich häufig von vornherein aus der Analyse ausgeschlossen. 271 Vgl. Amelung, T. (1990a), S. 3; Nierop, T. (1994), S. 28; Ruppert, E. H. (1998), S. 21; siehe auch Kap. A.III. 1 dieser Arbeit. 272 Vgl. Nierop, T. und S. de Vos (1988), S. 345. Siehe auch Nierop, T. (1994), S. 24. 273 Vgl. hierzu jedoch auch Tichy, G. (1992), S. 115, der für 1988 innerhalb Westeuropas einen Skandinavischen Block, ein zentraleuropäisches und ein südeuropäisches Dreieck, sowie eine westeuropäische Schlange als unterschiedliche Einzelregionen identifiziert. Siehe auch Kap. D. 274 Vgl. auch die bereits eingeführte Bezeichnung „hub-and-spoke"-System.

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Β. Determinanten der Regionalisierung

stemtheoretischen Ansätzen bekannten Kern-Peripherie-Schema verbinden. 2 7 5 Die Austauschbeziehungen innerhalb der Kerne der Weltwirtschaft sind i. d. R. durch die Form der Integration gekennzeichnet. Gleiches gilt für die Beziehungen innerhalb der Semiperipherien bzw. zwischen den Kernen und den ihnen zugehörigen Semiperipherien. Die Einteilung einzelner Länder in die Kategorien „Kern" und „Semiperipherie" erfolgt nach dem Ausmaß Ihrer überregionalen Austauschbeziehungen. Kernländer weisen auch mit anderen Regionen der Weltwirtschaft stärkere Verbindungen auf. Die Austauschbeziehungen von Ländern der Semiperipherie konzentrieren sich dagegen auf die eigene Region. Periphere Länder schließlich bilden zusammen mit ihren jeweiligen Kernen nodale Regionen. 2 7 6

2. Größenordnungen und Abgrenzung von Regionen Bisher wurde unterstellt, daß Staaten als Untereinheiten von Regionen der Weltwirtschaft anzusehen s i n d . 2 7 7 A n dieser Annahme soll aus verschiedenen Gründen auch i m folgenden festgehalten werden. (1) Die ökonomischen Austauschbeziehungen zwischen Staaten sind das Untersuchungsobjekt der Außenwirtschaftstheorie.278 (2) Statistisches Datenmaterial liegt in den meisten Fällen nur für den internationalen Handel vor, nicht aber für den Handel zwischen Provinzen oder ähnlichen Gebieten auf subnationaler Ebene. (3) Allein schon die Existenz von Staaten hat einen großen Einfluß auf die räumliche Struktur von Handels-, Geld- und Verkehrsströmen. So zeigten bspw. Studien zu den Handelsströmen zwischen kanadischen Provinzen und US-Staaten, daß eine kanadische Provinz etwa 20 mal so viel mit einer anderen kanadischen Provinz handelt als mit einem in Größe, Einkommen und Entfernung vergleichbaren US-Staat - obwohl hier Sprache, kulturelle Unterschiede und explizite Handelshemmnisse nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle spielen können. 2 7 9 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß historisch bedingte Staatsgrenzen zuweilen ökonomisch homogene oder funktional zusammengehörige Areale willkürlich in unterschiedliche Hoheitsgebiete trennen, während sich ebenso heterogene und durch nur geringe Austauschintensität verbundene Gebiete innerhalb einzelner Staaten f i n d e n . 2 8 0 Dieser Aspekt zeigt sich auch daran, daß der Bestand von Staa275 Vgl. Wallerstein, /. (1980); Braudel, F. (1986); Terlouw, C. P. (1992b). 276 Vgl. Breiger, R. (1981), S. 364; Terlouw, C. P. (1992a), S. 30. 277 Vgl. zu einer möglichen Klassifizierung der Größenordnungen funktionaler Regionalsysteme Ritter, W. (1998), Kap . IV. 3. 278 Vgl. zu den Unterschieden zwischen Außenwirtschaftstheorie und Regionalökonomik bspw. Krugman, P. und M. Obstfeld (1997), Kap. 8. 279 Vgl. McCallum, J. (1992, 1995); Helliwell, J. (1995); Helliwell, J. und J. McCallum (1995). In gleicher Weise lassen sich auch die Ergebnisse von Trefler, D. (1995) interpretieren, der einen ausgeprägten „ home bias " im Konsum feststellt. Danach ist der internationale Handel sehr viel geringer, als es das Heckscher-Ohlin-Theorem vermuten ließe. 280 Vgl. zu einigen Beispielen Ritter, W. (1998), S. (184 f.).

II. Regionen

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ten und Staatsgrenzen nicht immer stabil i s t . 2 8 1 In den 90er Jahren zerfielen die Staatsgebilde der Sowjetunion, Jugoslawiens und der Tschechoslowakei. A u f der anderen Seite kam es zur Vereinigung der deutschen Teilstaaten und mit der Realisierung des Binnenmarktes und der Währungsunion zu einem großen Fortschritt i m europäischen Integrationsprozeß. 282 Daneben führt auch die wachsende Bedeutung „subregionaler Zonen" 283 dazu, daß die Austauschbeziehungen zwischen Staaten als Untersuchungsobjekt zukünftig an Aussagekraft verlieren werden. 2 8 4 Ebenso problematisch wie die Bestimmung geeigneter Untersuchungseinheiten (Staaten, Provinzen etc.) und damit der Größenordnung von Regionen (Großregionen, subregionale Zonen) scheint die eindeutige Abgrenzung einzelner Regionen voneinander zu sein. Dies zeigt sich einerseits in der oben gezeigten Unbestimmtheit homogener Regionen. Auch wenn zwei Länder in mancher Hinsicht sehr ähnlich sind, lassen sich immer Kriterien finden, nach denen sie sich stark unterscheiden. So ist das Durchschnittseinkommen in Japan, der Schweiz und den Vereinigten Arabischen Emiraten vergleichbar, während Kultur und Wirtschaftsstruktur höchst unterschiedlich sind. Das kulturelle und historische Erbe verbindet viele lateinamerikanische Staaten mit Spanien, während in Hinblick auf wirtschaftliche Entwicklung und geopolitische Orientierung heute nur noch wenige Gemeinsamkeiten zu finden sind. Andererseits zeigt sich auch bei der Ermittlung funktionaler Regionen, daß die Grenzen zwischen einzelnen Regionen nicht immer eindeutig bestimmbar sind. Zwar finden sich die Grenzen funktionaler Systeme grundsätzlich dort, wo Häufigkeit und Intensität der Austauschbeziehungen sich stark abschwächen, nicht mehr regelmäßig sind oder ganz abbrechen. 285 Doch lassen sich in empirischen Untersuchungen häufig Überlappungen einzelner Regionen oder auch die Bildung „kettenartiger" Regionen feststellen, bei denen jeweils nur benachbarte Staaten über intensive gegenseitige Austauschbeziehungen miteinander verbunden s i n d . 2 8 6

281 Vgl. Bolton, P. et al. (1996), S. 697 f.; Krugman, P. und M. Obstfeld (1997), S. 173. 282 Es lassen sich viele weitere aktuelle oder historische Beispiele für Desintegrationsund Integrationsprozesse von Staaten finden: mit Indonesien / Ost-Timor (Referendum 1999), Eritrea/Äthiopien (1993), Pakistan/Bangladesh (1971); Malaysia/Singapur (1965) oder dem Zerfall der Österreich-ungarischen Doppelmonarchie (1918) und des osmanischen Reiches (1918-23) Desintegration auf der einen Seite; mit der Vereinigung Vietnams (1976), der Gründung Malaysias (1963), Jugoslawiens (1918), des Deutschen Reiches (1871) oder Italiens (1861) Integration auf der anderen Seite. 283 Subregionale Zonen können als funktionale Zusammenschlüsse einzelner benachbarter Gebiete aus unterschiedlichen Ländern angesehen werden. 284 Siehe auch Kap. A.III.3 dieser Arbeit. 285 Vgl. Deutsch, K. W. (1969), S. 97; Russen, Β. M. (1967), S. 6 f.; Ritter, W. (1998), S. (184). 286 Vgl. Tichy, G. (1992), S. 116 und Kap. D dieser Arbeit.

88

Β. Determinanten der Regionalisierung 3. Internationale

Regionen und Globalisierung

Die Kriterien zur Identifikation von Regionen - Homogenität und Interdependenz - eignen sich in vorzüglicher Weise als Indikatoren zur Überprüfung der Gültigkeit der Globalisierungsthese. Im Kern prognostiziert diese These den globalen Abbau von Marktsegmentierungen aufgrund zunehmender Homogenisierung und steigender internationaler Interdependenz sowohl auf der Nachfrage- als auch auf der Angebotsseite der Güter- und Faktormärkte. 2 8 7 Der Homogenisierungsaspekt bezieht sich dabei zum einen auf den Stand der wirtschaftlichen Entwicklung (über die vollständige Mobilität und Deterritoriali sierung der Produktionsfaktoren) und zum anderen auf die Ausbildung globaler Kulturen und Präferenzen. Ein solches ökonomisches Umfeld läßt in Verbindung mit sinkenden Transaktionskosten letztendlich auch regionale Verdichtungen des weltwirtschaftlichen Beziehungsgeflechts obsolet erscheinen. Aus der Existenz von Regionen kann nun allerdings geschlossen werden, daß diese Umstände der Globalisierung (noch) nicht in hinreichendem Maße gegeben sind. A u f der einen Seite setzt die Möglichkeit zur Unterscheidung homogener Regionen eine im Ganzen heterogene Weltwirtschaft voraus. A u f der anderen Seite sind funktionale Regionen definitionsgemäß untrennbar mit dem Vorliegen regionaler Verdichtungen i m internationalen Beziehungsgeflecht der Weltwirtschaft verbunden. Im Idealfall einer vollständig globalisierten Weltwirtschaft wäre die Identifikation beider regionaler Typen folglich nicht mehr möglich. Ein Eintreten dieses Zustands ist freilich weder realistisch noch notwendig, da Globalisierung nach allgemeinem Verständnis mehr als Prozeß denn als Zustand zu verstehen ist. Eine empirische Uberprüfung der Globalisierungsthese erfordert daher nicht nur die Identifikation von Regionen. Ausschlaggebend ist vielmehr die Analyse der zeitlichen Entwicklung von Regionen hinsichtlich ( 1 ) der Stabilität ihrer Zusammensetzung, (2) des Grads ihrer internen Homogenität i m Verhältnis zur Heterogenität zwischen den Regionen und vor allem (3) der Stärke der regionalen Einflüsse auf die Struktur des weltwirtschaftlichen Beziehungsgeflechts. Die Analyse dieser Sachverhalte wird erschwert durch die nicht immer eindeutigen Beziehungen und Wirkungszusammenhänge zwischen verschiedenen Arten von Regionen auf der einen und der Intensität internationaler Transaktionen auf der anderen Seite. Unterschiedliche Außenhandelstheorien führen bei der Analyse der Frage, zwischen welchen Ländern intensive Außenhandelsbeziehungen zu erwarten sind, offenbar zu widersprüchlichen Ergebnissen. Diese Widersprüche können jedoch weitgehend damit erklärt werden, daß sich die unterschiedlichen theoretischen Ansätze mit verschiedenartigen Typen des Außenhandels auseinandersetzen und jeweils ein spezielles Verständnis von Regionen zugrunde legen. M i t den Theorien von Ricardo und Heckscher-Ohlin läßt sich interindustrieller Handel zwischen heterogenen Ländern (Heterogenität bezüglich Produktionstechnologie bzw. 28V Vgl. Kap. A.LI dieser Arbeit.

III. Zur Rolle in der Außenhandelstheorie

89

Faktorausstattung) erklären. 2 8 8 Der Ansatz Linders oder die „Neue Außenhandelstheorie" prognostizieren dagegen intensiven intraindustriellen Handel zwischen homogenen Ländern (Nachfragestrukturen bzw. Produktions- und Nutzenfunktionen). 2 8 9 Intraindustrieller Handel ist vornehmlich ein Phänomen des Handels zwischen Ländern mit hohem Einkommen. Die Theorie zentralörtlicher Systeme läßt sich wiederum zur Beschreibung nodaler Welthandelsregionen mit Ländern unterschiedlichen ökonomischen Entwicklungsstands heranziehen (Heterogenität, Dependenz, interindustrieller H a n d e l ) . 2 9 0 Einige wichtige theoretische Ansätze werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Dabei ist zu beachten, daß die meisten außenhandelstheoretischen Modelle sich mit der Frage beschäftigen, welche Güter international gehandelt werden. M i t der Ausrichtung auf die sachliche Zusammensetzung des Handels konzentrieren sich diese Modelle auf die Angebots- bzw. Produktionsseite, während die Nachfrageseite über die Bildung bestimmter Annahmen (bspw. identische Präferenzen) ausgeklammert w i r d . 2 9 1 Interessiert man sich jedoch für die Frage, „ wer mit wem " Handel treibt, so kann die Betrachtung der Nachfrageseite interessante Erkenntnisse liefern. Ein Schwerpunkt der folgenden Ausführungen wird daher auf die sich mit dem Einfluß der Nachfrage auf den Außenhandel befassenden Theorien von Linder und Grotewold gelegt. 2 9 2

III. Zur Rolle von Regionen und Transaktionskosten in der Außenhandelstheorie 1. Heckscher-Ohlin

Außenhandelstheorie

In Heckschers originärem Ansatz zur neoklassischen Außenhandelstheorie spielen Regionen noch keine Rolle. Als natürliche Untersuchungseinheiten zur Analyse des Außenhandels dienen allein Staaten. Das Ausgangsmodell übernimmt aus dem klassischen Ricardo-Modell die Annahme internationaler Immobilität der Produktionsfaktoren. 2 9 3 Diese Annahme wird jedoch später aufgegeben und durch die Annahme vollständiger Faktormobilität ersetzt. 2 9 4 Faktorwanderungen können in diesem Fall insofern als Substitut zum Freihandel angesehen werden, als daß über beide internationalen Austauschbeziehungen ein absoluter Ausgleich der Faktorpreise erreicht werden k a n n . 2 9 5 Das gleichzeitige Vorliegen vollständiger Faktor288 Vgl. Ricardo, D. (1971); Heckscher, E. F. und B. Ohlin (1991). 289 Vgl. Linder, S B. (1961); Krugman, R (1980); Lancaster, Κ (1980). 290 Vgl. Christaller, W (1933); Lösch, A. (1944); Sohns, R. (1976). 291 Vgl. Learner, E. und J. Levinsohn (1995), S. 1382; Hanink, D. M. (1988), S. 322 u. (1994), S. 256. 292 Vgl. Linder, S B. (1961); Grotewold, A. (1979). 293 Vgl. Heckscher, E. (1991), S. 45. 294 Vgl. Heckscher, E. (1991), S. 61 ff..

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Β. Determinanten der Regionalisierung

mobilität und des Freihandels führt darüber hinaus auch zu international identischen Faktorproportionen. Diese Konstellation entspräche einer hinsichtlich Einkommen und Faktorausstattung homogenen Weltwirtschaftsregion und wäre dementsprechend einem Zustand vollständiger Globalisierung der Weltwirtschaft („naive Globalisierungsthese ") gleichzusetzen - eine von Heckscher selbst indessen als unmöglich angesehene Situation. Die Unterscheidung von Staaten und Regionen wurde später von Ohlin in die neoklassische Außenhandelstheorie eingeführt. „It is convenient, therefore , to think of the world as consisting of a number of large regions , each of which consists of smaller regions (subregions), the latter containing a great number of very small districts. How this regional division can best be effected obviously depends upon the kind of problem under analysis" ?96 Als Identifikationskriterium für Regionen verwendet Ohlin die Homogenität der Faktorausstattung in räumlich zusammenhängenden Gebieten. 2 9 7 Die Unterschiede in der Faktorausstattung zwischen Regionen sind auf die Immobilität der Produktionsfaktoren zurückzuführen: Interregionale Faktormobilität wird bei Ohlin i m Grundmodell ausgeschlossen, während intraregional vollständige Faktormobilität vorliegt. Unter „großen Regionen" versteht er - i m Gegensatz zu dem hier bisher verwendeten Regionenbegriff - jedoch nicht ganze Ländergruppen, sondern zumeist einzelne Staaten - die wie bei Heckscher meist als grundlegende Untersuchungseinheit dienen. Die Möglichkeit interner Heterogenität dieser „großen Regionen" wird jedoch explizit angesprochen: „ Only if the large regions, such as countries, are made up of similar subregions or „cells" can interior location be disregarded in a study of the division of production and trade between regions. In most cases such similarity does not exist, and an analysis (... ) which fails to consider interior location, ignores essential parts of the problem " . 2 9 8 Diese Ausführungen machen deutlich, daß die Anwendung des Faktorproportionentheorems nicht auf Länder als Untersuchungseinheiten beschränkt bleibt, sondern zur Analyse des Handels zwischen Regionen unterschiedlichster Größenordnung herangezogen werden kann. Dabei wird der Handel zwischen Regionen um so intensiver sein, je größer die Unterschiede in der Faktorausstattung s i n d . 2 9 9 Innerhalb der Regionen - zwischen den Subregionen - besteht aufgrund vollständiger intraregionaler Faktormobilität dagegen kein Grund für Handel.300

295 Vgl. Heckscher, E. (1991), S. 63; Ohlin, B. (1991), S. 115; ders. (1967), S. 28 f.; 115 ff. oder 214 f. 296 Ohlin, B. (1967), S. 160. 297 Vgl. Ohlin, B. (1967), S. 5; ders. (1991), S. 83; Hanink, D. M. (1991), S. 149. 298 Ohlin, B. (1967), S. 161. 299 Vgl. zur empirischen Analyse bspw. Evenett, S. J. und W. Keller (1998); Markusen, J. und R. Wigle (1990); Bergstrand, J. H. (1990). 300 Die Annahme vollständiger intraregionaler Faktormobilität wird jedoch später gelokkert. Vgl. Ohlin, B. (1991), S. 114 ff. und ders. (1967), S. 115 ff.

III. Zur Rolle in der Außenhandelstheorie

91

Transaktionskosten haben i m Heckscher-Ohlin Modellrahmen eher einen Einfluß auf die sachliche Zusammensetzung als auf die räumliche Struktur des Außenhandels 3 0 1 . Unter „ Transferkosten " des Außenhandels werden von Ohlin vor allem Transportkosten und Zölle, aber auch landestypische Geschäftsgepflogenheiten, differierende Gesetze und Sprachunterschiede verstanden. 3 0 2 Diese Kosten bewirken eine Verminderung des Außenhandelsvolumens. Übersteigen sie bei einzelnen Gütern die Preisdifferenz zwischen zwei Regionen, so wird der interregionale Handel mit diesen Produkten vollständig unterbunden. 3 0 3 Die lokalen Preise der nicht handelbaren Güter werden entsprechend über die örtlichen Angebots- und Nachfragebedingungen unabhängig von internationalen Einflüssen bestimmt. 3 0 4 Doch auch bei handelbaren Gütern wird durch die Existenz von Transferkosten eine vollständige Angleichung der Güterpreise verhindert. Indirekt wird davon entsprechend auch der interregionale Faktorpreisausgleich betroffen. 3 0 5 Die aufgrund dessen bewahrte Segmentierung des Weltmarkts in regionale Märkte hat überdies einen Einfluß auf die Spezialisierung innerhalb einzelner Regionen und auf die Art des Handels zwischen den Regionen. Denn distanzabhängige Transaktionskosten beschränken auf der einen Seite die absolute Größe der regionalen Märkte. Große Regionen werden sich entsprechend auf die Herstellung der Güter spezialisieren, in denen Massenproduktionsvorteile realisiert werden können, für deren Verwirklichung kleinere Regionen die notwendige Marktgröße nicht aufweisen. 3 0 6 A u f der anderen Seite werden sich die Exportbündel zweier identischer Länder, die sich lediglich in unterschiedlicher Entfernung zu einem dritten Markt liegen, unterscheiden. Während das näher zum Drittmarkt gelegene Land sich auf den Export transferkostenintensiver Güter spezialisiert, wird das weiter entfernte Land auf Produkte mit geringerem Transferkostenanteil ausweichen müssen. 3 0 7 Die Berücksichtigung intraregionaler Transferkosten schließlich ermöglicht die Modellierung intraindustriellen Handels mit homogenen Gütern. 3 0 8

2. Die Linder-Hypothese Der Einfluß der Nachfrage auf die räumliche Struktur des Außenhandels wurde eingehend erstmals von Linder untersucht. Zentrales Element in dessen Theorie ist 301 Diese Feststellung erscheint im Rahmen des 2x2x2-Modells trivial. Ohlin befaßt sich jedoch auch ausführlich mit dem Mehrländerfall. 302 Vgl. ohlin, B. (1967), S. 98 und 100; ders. (1991), S. 103.

303 Ohlin verwendet anstatt der heute üblichen Termini „ handelbare " bzw. „nicht handelbare" Güter die Begriffe „Inlandsmarktgüter" bzw. „interregionale" Güter; vgl. Ohlin, B. (1967), S. 98. 304 Vgl. Caves, R. et al. (1999), S. 146. 305 Vgl. Heckscher, E. (1991), S. 55; Ohlin, B. (1967), S. 100; ders. (1991), S. 104. 306 Vgl. Ohlin, B. (1967), S. 100 307 Vgl. Ohlin, B. (1967), S. 101. 308 Vgl. Rose, K. und K. Sauernheimer (1992), S. 353.

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Β. Determinanten der Regionalisierung

die Unterschiedlichkeit der Produktionsfunktionen zwischen Regionen infolge regionaler Nachfrageunterschiede nach handelbaren Gütern. 3 0 9 Ausgehend von der Beobachtung, daß gerade zwischen Ländern mit hohem Entwicklungsstand und vergleichbarer Faktorausstattung - also innerhalb homogener Regionen nach Ohlins Verständnis - intensive Handelsbeziehungen bestehen, entwickelte er einen Erklärungsansatz speziell für den Handel mit Industriegütern. 31° Dabei betont er die Unterscheidung zwischen inter- bzw. intraregionalem gegenüber internationalem Handel. Folgt man der Definition einer Region von Ohlin (Faktorhomogenität i m kontinuierlichen Raum), ist der Außenhandel zwischen benachbarten Industrieländern nichts anderes als intraregionaler Handel. Zwischen intraregionalem Handel und Binnenhandel wiederum besteht nach Linder keinerlei Unterschied. 3 1 1 Der Handel mit Primärgütern , bzw. allgemein mit ressourcenintensiven Gütern, kann dagegen weiterhin aufgrund von unterschiedlichen Faktorausstattungen (Faktorproportionentheorem) erklärt werden (interregionaler Handel). Ausgangspunkt der Theorie ist die Bestimmung des potentiellen Außenhandels. 312 In jedem Land werden - abgesehen von Primärgütern - eine Reihe potentiell handelbarer Fertigerzeugnisse hergestellt. Welche Güter hergestellt werden, wird von der Inlandsnachfrage bestimmt. Die zentrale These Linders lautet wie folgt: Nur solche Produkte , für die im Inland eine gewisse Nachfrage besteht („ representative demand"), können potentiell exportiert werden, 313 Dies ist eine notwendige (wenn auch nicht hinreichende) Bedingung, die Linder auf die Unvertrautheit heimischer Produzenten mit fremden Märkten i m Vergleich zum Inlandsmarkt zurückführt: 3 1 4 (1) Unternehmer werden nur dann ein Gut herstellen, wenn sie dieses Gut auch verkaufen können, d. h. wenn ein Bedarf hierfür erkennbar ist. Dabei werden diese Unternehmer natürlich nur auf Profitmöglichkeiten reagieren, derer sie gewahr werden. In einer Welt unvollkommenen Wissens und heterogener Bedürfnisse ist davon auszugehen, daß Unternehmer eher in der Lage sind inländischen als ausländischen Bedarf zu erkennen und abzuschätzen. (2) Geht man davon aus, daß Erfindungen eine Folge bewußter Problemlösungsprozesse sind, so werden neue Produkte aller Wahrscheinlichkeit nach zunächst als Reaktion auf im Inland vertraute bzw. erkannte Bedürfnisse entwikkelt werden. (3) Für eine optimal an die Bedürfnisse der Abnehmer angepaßte Produktentwicklung und Produktgestaltung ist ein enger Kontakt mit den Absatzmärkten not-

309 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 7. 310 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 17; Hanink, D. M. (1988), S. 327. 311 312 313 314

Vgl. Linder, S. Vgl. Linder, S. Vgl. Linder, S. Vgl. Gandolfo,

B. (1961), S. 17 und S. 102. B. (1961), S. 87 ff. B. (1961), S. 87. G. (1998), S. 237.

III. Zur Rolle in der Außenhandelstheorie

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wendig. Auch hier ist wieder davon auszugehen, daß die Kenntnis inländischer Normen, Verhältnisse und Verbrauchermentalitäten größer ist als die entsprechenden Kenntnisse der Gegebenheiten auf fremden Märkten. Linder schließt daraus, daß ein Land aufgrund von Anpassungs- und Lernprozessen komparative Vorteile in der Produktion der i m Inland nachgefragten Güter erlangt: „In all, what our arguments amount to is the proposition that production functions are not identical in all countries , but that the production functions of goods demanded at home are the relatively most advantageous ones ", 315 Aus dieser Argumentation folgt neben der Ausrichtung des Angebots an der Inlandsnachfrage auf internationaler Ebene auch die geographische Differenzierung der Produktion, da die Produkteigenschaften der hergestellten Güter an die Besonderheiten inländischer Präferenzen angepaßt werden. 3 1 6 Die i m Inland hergestellten Güter werden von den Produzenten auf den hier vorherrschenden Geschmack abgestimmt. Aufgrund der Präferenz für Abwechslung (Produktdifferenzierung vom Typ „love for variety "317) oder wegen individuell abweichender Präferenzen verschiedener Konsumentengruppen (Produktdifferenzierung vom Typ „ideal variety "318) bestehen in jedem Land jedoch bedeutende Marktsegmente, die vom Mehrheitsgeschmack abweichende Produkte nachfragen. Diese Nachfrage bestimmt die potentiellen Importe. Da es gleichzeitig auch in Auslandsmärkten zu einer Diversifikation der Nachfrage kommt, können sich die i m Inland angebotenen und auf die inländische Mehrheit ausgerichteten Produkte auch mit den Präferenzen von Minderheiten in anderen Ländern decken. Diese Produkte sind entsprechend als potentielle Exporte anzusehen. 319 Die Marktform der monopolistischen Konkurrenz mit den „fast unbegrenzten Möglichkeiten der Produktdifferenzierung" 32° wird von Linder als die entscheidende handelsschaffende Kraft angesehen. Sie ermöglicht es den Unternehmen, ihren „Handelshorizont" über die Landesgrenzen hinaus zu erweitern und mit ausländischen Anbietern auf internationalen Märkten mit ähnlichen, aber nicht identischen Produkten in Wettbewerb zu treten. Internationaler Handel wird daraus folgernd als Funktion sich international teilweise deckender Nachfragestrukturen verstanden. Je ähnlicher die Nachfragestrukturen zweier Länder sind, desto größer wird das Potential für den Außenhandel

315 Linder, S.B. (1961), S. 90. 316 Dieser Punkt wurde später von Armington aufgegriffen. Vgl. Armington, P. S. (1969), S. 159 ff. 317 Vgl. Dixit, A./J. Stiglitz (1977); Krugman, P. (1979), (1980); Markusen, J. (1981). 318 Vgl .Lancaster, Κ (1979). 319 Vgl. Hanink, D. M. (1988), S. 324; ders. (1991), S. 148; ders. (1994), S. 259. 320 Linder, S. B. (1961), S. 102 (eigene Übersetzung); im Original: „The almost unlimited scope for product differentiation - real or advertised - could, in combination with the seemingly unrestricted buyer idiosyncrasies, make possible flourishing trade in what is virtually the same commodity. "

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Β. Determinanten der Regionalisierung

zwischen diesen beiden Ländern sein. 3 2 1 Als Index für den Grad der Ähnlichkeit internationaler Märkte verwendet Linder die Ähnlichkeit der Pro-Kopf-Einkommen. Er begründet dies in bezug auf Konsumgüter mit der engen Beziehung zwischen Durchschnittseinkommen und Art der nachgefragten Güter, die u. a. i m Engel-Schwabeschen Gesetz zum Ausdruck k o m m t : 3 2 2 M i t steigendem Einkommen werden einerseits zur Befriedigung bestehender Bedürfnisse qualitativ geringwertige Güter durch höherwertige Güter ersetzt, andererseits werden bisher nicht nachgefragte Güter zur Befriedigung neuer bzw. „höherer" Bedürfnisse konsumiert. Schon geringe Einkommensunterschiede führen bezüglich einzelner Güter zu bedeutenden Änderungen der Nachfrageelastizitäten. Da die Einkommen in einem Land jedoch ungleich verteilt sind, werden auch Länder mit unterschiedlichem Durchschnittseinkommen teilweise überlappende Nachfragestrukturen aufweisen. Einkommensdisparitäten innerhalb einzelner Länder vergrößern somit das Spektrum potentieller Importe und Exporte zwischen Ländern mit unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen. 3 2 3 Auch in Hinblick auf Kapitalgüter stellt Linder eine Beziehung zwischen Nachfrage und Einkommenshöhe fest: das Pro-Kopf-Einkommen wird größtenteils durch den Kapitalstock bestimmt. Ein relativ kapitalreiches Land wird technologisch anspruchsvollere Kapitalgüter nachfragen als weniger entwickelte, kapitalarme Länder. Aufgrund unterschiedlicher Arten der Kapazitätsnutzung werden jedoch auch innerhalb einzelner Länder unterschiedliche Qualitäten von Kapitalgütern nachgefragt werden, so daß sich wiederum der Spielraum für potentiellen Handel vergrößert. 3 2 4 In Abb. 7 wird der Zusammenhang zwischen Durchschnittseinkommen und potentiellem Handel graphisch verdeutlicht: I m Diagramm ist auf der Abszisse das Einkommen (y) und auf der Ordinate ein Index für die „durchschnittliche Qualität der Nachfrage " abgetragen. Die Linie OP beschreibt die positive Beziehung zwischen diesen beiden Größen. Je höher das Pro-Kopf-Einkommen eines Landes (I bzw. II) ist, desto „qualitätsbewußter" wird die Nachfrage struktur des Landes insgesamt sein. Aufgrund von Einkommensdisparitäten wird die tatsächliche Qualitätsstruktur der Nachfrage (a-e bzw. c-g) jedoch um den durchschnittlich nachgefragten Qualitätsgrad (b bzw. f) streuen. I m Bereich c-e, in dem sich die Nachfragestrukturen der beiden dargestellten Länder decken, ergibt sich der Spielraum für potentiellen Außenhandel. Dabei wird Land I wahrscheinlich eher Güter des Bereichs c-d in Land I I und Land I I Güter i m Bereich e-d in Land I exportieren. 3 2 5

321 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 94; Gandolfo, G. (1998), S. 238. 322 Vgl. zum Engel-Schwabeschen Gesetz: Brandt, K. (1975), S. 129. 323 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 95 f. 324 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 96 und 99. Linder selbst räumt allerdings ein, daß keine direkte kausale Beziehung zwischen Einkommenshöhe und Kapitalgüternachfragestruktur besteht. Die Begründung ist rein intuitiv. 325 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 99 ff.

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III. Zur Rolle in der Außenhandelstheorie *

q

Ρ g f e d c b a

0

I

II

+

y

Quelle: Linder, S. B. (1961), S. 100, Fig. 5.

Abbildung 7: Potentieller Handel im Linder-Modell Welche der potentiellen Exportgüter zwischen zwei Ländern mit ähnlichen Nachfragestrukturen tatsächlich gehandelt werden, ist nach Linder zunächst unbestimmt. Haben sich jedoch erst einmal bestimmte Handelsmuster herausgebildet, so ist es wahrscheinlich, daß sie i m Laufe der Zeit relativ stabil bleiben. Uber Anpassungs- und Lernprozesse werden sich besondere Fertigungskenntnisse herausbilden, die sich mit wachsender Erfahrung kontinuierlich weiter erhöhen. Durch die Ausnutzung von Skalenerträgen in der Produktion können die Stückkosten gesenkt werden. Die Unternehmen versuchen außerdem, über Werbung und Imagebildung das Konsumverhalten zu beeinflussen und die Markentreue zu festigen. Diese Kräfte führen schließlich dazu, daß aus ursprünglich fast identischen Produktionsbedingungen substantielle komparative Vorteile und dauerhaft stabile Handelsstrukturen entstehen. Die Nachfrage- und Produktionsbedingungen werden sich jedoch bei im Wachstumsprozeß steigenden Durchschnittseinkommen weiterentwickeln, so daß sich - etwa i m Sinne von Vernons Produktlebenszyklushypothese 3 2 6 - sowohl die Produktionsstandorte als auch die Richtung der Handelsströme i m Laufe der Zeit allmählich und auf mehr oder weniger vorhersagbare Weise verändern. 3 2 7 In der Realität wird sich der bisher beschriebene potentielle Handel nicht vollständig realisieren lassen. Die Existenz distanzabhängiger Transaktionskosten wirkt sich handelsmindernd aus. Linder versteht unter solchen Transaktionskosten {„trade braking forces ") neben den reinen Transportkosten und künstlichen Han326 Vgl. Vernon, R. (1966), S. 190 ff. 327 Vgl. Linder, S. B. (1961), S. 106; Gandolfo, G. (1998), S. 238.

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Β. Determinanten der Regionalisierung

delshindernissen (bspw. Zölle) vor allem das unvollkommene Wissen der Marktakteure. Inländischen Produzenten stehen weniger Informationen über fremde Märkte zur Verfügung, so daß Sie ihre Aktivitäten auf wenige Märkte beschränken müssen. 3 2 8 Gleichermaßen wird auch das Wissen der Konsumenten durch Distanzen beschränkt. Es liegt nahe, daß Präferenzen auch durch Erfahrungen beeinflußt werden, so daß die dominierenden inländischen Konsumpräferenzen sich i m Zeitablauf selbst verstärken bzw. erhalten. Von heimischen Firmen hergestellte Produkte haben wegen des fehlenden Bewußtseins oder der voreingenommenen Geringschätzung gegenüber ausländischen Varianten seitens der Konsumenten Vorteile im Wettbewerb um inländische Marktanteile. 3 2 9 Neben diesen den Außenhandel mindernden Kräften wirken schließlich historische, kulturelle und politische Affinitäten als weitere Störfaktoren, die das vom Konzept des potentiellen Handels prognostizierte Handelsmuster verzerren.

3. Grotewolds „ Regionale Theorie des Welthandels " Aufbauend auf den Theorien von Linder und Predöhl formulierte Grotewold einen außenwirtschafts- und standorttheoretische Aspekte verbindenden Erklärungsansatz des Welthandels. 3 3 0 Seine Theorie gründet sich auf die interregionale Verteilung und Agglomeration bestimmter Industrien. Während die Argumente Linders vor allem in bezug auf die Nachfragestrukturen des Haushaltssektors überzeugen, zeigt Grotewold die überragende Rolle der Nachfrage des industriellen Sektors für den Welthandel a u f . 3 3 1 Grundlegend für Volumen und Art des Handels ist die Unterscheidung zwischen Kerngebieten und Peripherien aufgrund der industriellen Struktur von Regionen. 3 3 2 Kerngebiete sind die Zentren industrieller Innovationen und wirtschaftlichen Wachstums. Sie sind gekennzeichnet durch Agglomerationen vertikal integrierter Komplexe verarbeitender Industrien. Verbunden mit diesen Industriekomplexen ist die Nutzung einer Vielzahl unternehmensbezogener Dienstleistungen und eines großen Angebots hochqualifizierter A r b e i t . 3 3 3 In peripheren Gebieten finden sich ebenfalls verschiedene Fertigungsindustrien, doch sind diese kaum durch vor- oder nachgelagerte Beziehungen miteinander verbun328 „ The most important trade-braking force might well be what we shall call the „ distance factor Entrepreneurs in the various corners of the world have not all lifted their trade horizons high enough to include all countries. Indeed, only a few of them might have advanced so far in the process of expansion that they have been able to lift their trade horizons above the home market. The distance factor will thus make actual trade decline with distance from what is potentially possible. " Linder, S. B. (1961), S. 107. 329 Vgl. Hanink, D. M. (1988), S. 332; Armington, P. S. (1969), S. 159 ff.; Trefler, D. (1995), S. 1041 f. 33

° Vgl. Grotewold, Α. (1979); Linder, S. Β. (1961); Predöhl, Α. (1971). 1 Vgl. Hanink, D. M. (1994), S. 260. 332 Vgl. Grotewold, A. (1993), S. 50. 333 Vgl. Grotewold, A. (1979), S. 10- 11 ; Ruppert, E. H. (1998), S. 28. 33

III. Zur Rolle in der Außenhandelstheorie

97

den. Die Unterscheidung von Kerngebieten und Peripherien basiert also auf der Differenzierung zwischen Kernindustrien und peripheren Industrien. 334 Erstere sind von der Nähe anderer, vor- oder nachgelagerter Industrien (Zulieferer und Abnehmer) sowie von der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeit abhängig und bilden daher Standortagglomerationen in hochentwickelten, dicht besiedelten Gebieten. Periphere Industrien sind dagegen sowohl in Kerngebieten als auch in der Peripherie zu finden. Ihr Standort wird durch die Nähe zu Rohstoff- oder Energiequellen, zu wichtigen Absatzmärkten oder durch das Angebot an billigen Arbeitskräften bestimmt. Ihre Existenz ist nicht von der Präsenz anderer Industrien abhängig. Auch sind periphere Industrien sehr mobil in dem Sinne, als daß es bei einer Verschlechterung der bestimmenden Standortfaktoren oder der Erschließung anderer Regionen leicht zu Standortverlagerungen und damit zu einer Verringerung der lokalen Wertschöpfung kommen k a n n . 3 3 5 Grotewold identifiziert verschiedene Kerngebiete, 3 3 6 während er innerhalb der Peripherie keine Differenzierung einzelner Regionen vornimmt. Die Abgrenzung von Kerngebieten und Peripherie ist nicht unproblematisch, da sie zum einen nur selten mit politischen Grenzen zusammenfallen und zum anderen nur graduelle Unterscheidungen zwischen entwickelten Kerngebieten und sich zu Kerngebieten entwickelnden peripheren Regionen möglich s i n d . 3 3 7 Ausgehend von der Unterscheidung der Regionen in Kerngebiete und Peripherie werden vier Typen des Welthandels unterschieden: M i t Abstand am intensivsten ist der Handel innerhalb der einzelnen Kerngebiete (Intrakernhandel). Der Handel zwischen den Kerngebieten (Interkernhandel) ist bedeutend, aber geringer, da er durch verschiedene Handels widerstände behindert wird. Bei beiden Typen des Welthandels überwiegt intraindustrieller Handel in Produkten der verarbeitenden Industrie. Der Großteil dieses Handels läßt sich nicht durch Unterschiede in den Faktorproportionen, sondern über Produktdifferenzierung, steigende Skalenerträgen in der Produktion, technologische Überlegenheit in einzelnen Industrien sowie 334 Vgl. Grotewold, A. (1993), S. 34. 335 Periphere Industrien sind also im Sinne Storpers deterritorialisiert, während Kernindustrien aufgrund ihrer Abhängigkeit von Netzwerkstrukturen als hoch territorialisiert angesehen werden können. Vgl. auch Porter, M. E. (1991), S. 100 ff.; Storper, M. (1995), S. 279 ff.; Kap. A.IV.3 dieser Arbeit. 336 Grotewold unterscheidet das europäische, nordamerikanische und japanische Kerngebiet. Ein weiteres Kerngebiet, dessen Einfluß sich jedoch weitgehend auf die damaligen Ostblockländer beschränkt, identifiziert er innerhalb des Staatsgebietes der ehemaligen Sowjetunion. Vgl. Grotewold, A. (1979), S. 19-21. Die Kerngebiete Grotewolds decken sich somit weitgehend mit dem populären Konzept der Triade von Ohmae. Vgl. Ohmae, K. (1985); Ritter, W. (1994), S. 150 ff. 337 Zukünftige bzw. sich bereits entwickelnde Kerngebiete sieht Grotewold bspw. im südöstlichen Brasilien (Rio de Janeiro - Sao Paulo - Belo Horizonte), in Indien (Bengal - Bihar - Orissa), im Nordosten und Süden Chinas (inkl. Hongkong), sowie vielleicht in Südkorea, Australien, Südafrika, den ASEAN-Staaten und im östlichen Mittelmeerraum. Vgl. Grotewold, A. (1993), S. 63 ff. 7 Flörkemeier

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Β. Determinanten der Regionalisierung

aufgrund von Innovationen erklären. 3 3 8 Einen ebenfalls geringeren Anteil am Welthandel hat der Kern-Peripherie-Handel , auch wenn Peripherieländer typischerweise den größten Teil ihres Außenhandels mit Kernländern unterhalten. In diesem Falle werden i. d. R. Primärgüter sowie verschiedenartige industriell hergestellte Güter gehandelt: einerseits sind die Kernländer Lieferanten neuer Produkte und Produktionstechnologien; andererseits befinden sich die größten Abnehmermärkte in den Kernländern. Der Intraperipheriehandel schließlich ist nach Grotewold vergleichsweise unbedeutend und besteht vor allem aus regionalen Spezialgütern, die sowohl Primärgüter, als auch industrielle Güter sein k ö n n e n . 3 3 9 Internationale Handelsstatistiken geben die Handelsstrukturen innerhalb wie auch zwischen Kernen und Peripherie nur unzureichend wieder, da sich die Abgrenzungen der Kerne nicht mit Staatsgrenzen decken. 3 4 0 Grotewolds „ regionale Theorie des Welthandels " bleibt weitgehend beschreibender Natur. Die fehlende Formalisierung der Theorie und unzureichendes statistisches Material erschweren ihre abschließende Beurteilung. Als wichtiger Beitrag muß aber die explizite Berücksichtigung der industriellen Nachfrage, der industriellen Strukturen von Regionen und der Bedeutung von Zwischenprodukten im Welthandel angesehen werden. Diese Sachverhalte wurden gerade in jüngerer Zeit mit der Renaissance der „ economic geography " in einer Reihe von Modellen wieder aufgegriffen. 341

4. Hierarchische

Märkte und zentralörtliche

Systeme

Die theoretischen Ansätze sowohl von Ohlin als auch von Linder beruhen auf dem Konzept homogener Regionen. Ohlin geht von hinsichtlich ihrer Faktorausstattung homogenen Regionen aus und erklärt über das Faktorproportionentheorem den Handel zwischen Regionen. Je unterschiedlicher diese Regionen sind, desto intensiver werden sie miteinander Handel treiben. 3 4 2 Linder dagegen zeigt auf, daß gerade innerhalb homogener Regionen besonders intensiv Handel getrieben wird. Grundlage für seine Analyse sind hinsichtlich ihrer Nachfragestruktur (bzw. ProKopf-Einkommen) homogene Regionen. Integriert man die von Christaller und Lösch begründete Theorie zentralörtlicher Systeme in den Rahmen der Außenhandelstheorie, lassen sich als dritte Variante des Welthandels die Handelsbeziehungen innerhalb nodaler Wirtschaftsregionen erklären. 3 4 3 338 Vgl. Grotewold, A. (1979), S. 41. 339 Vgl. Grotewold, A. (1979), S. 39 f.; ders . (1993), S. 45 ff. 340 Lediglich Interkernhandel wird immer als internationaler Handel erfaßt. Dagegen wird ein großer Teil des nordamerikanischen Intrakernhandels nicht als Welthandel erfaßt. Der Außenhandel zwischen Belgien und Italien kann schließlich sowohl Intrakernhandel als auch Kern-Peripherie-Handel sein. 341 Vgl. bspw. Krugman, P. (1991a); Krugman, Ρ und A. Venables (1995, 1996). 342 Vgl. Sohns, R. (1976), S. 356.

III. Zur Rolle in der Außenhandelstheorie

99

Ausgangspunkt der Theorie zentraler Orte ist ein hinsichtlich Produktions-, Absatz- und Transportbedingungen homogener R a u m . 3 4 4 Angenommen werden außerdem ( 1 ) zur Entfernung proportionale Transportkosten, (2) Nutzenmaximierung seitens der Konsumenten und Gewinnmaximierung seitens der Produzenten, (3) Einprodukt-Unternehmen und (4) polypolistisches Verhalten (Preisnehmer). Unter Voraussetzung dieser Prämissen führen ökonomische Aktivitäten zu räumlichen Differenzierungsprozessen, deren Ergebnis ein dem Konzept der nodalen Region entsprechendes System hierarchischer Märkte ist. In der Region können η potentielle Güter hergestellt werden, die sich durch unterschiedliche „Grenzen der Reichweite" unterscheiden. Die „ Grenze der Reichweite" eines Gutes wird über eine gewisse zu erreichende Mindestgröße des Absatzmarktes („demand threshold ") definiert. 3 4 5 Je größer die für ein rentables Angebot notwendige Marktgröße ist, desto höher ist die „ Zentralität" des entsprechenden Gutes und desto weniger Produktionsorte gibt es für dieses Gut. Nach einer entsprechenden hierarchischen Ordnung der Güter (G } > G2 > ... > Gn) wird das Gut höchster Zentralität (GO nur am Ort der größten Ordnung hergestellt, während die Produktion des Guts niedrigster Zentralität (G n) an allen Orten zu finden ist. I m Modell von Christaller werden dementsprechend an zentralen Orten einer bestimmten Ordnung nicht nur die ihrem Zentralitätsgrad entsprechenden „hierarchischen Grenzgüter" hergestellt, sondern auch alle Güter niedrigerer Ordnung. Die Theorie zentraler Orte Christaliers wird als einer der wichtigsten Beiträge zur Erklärung der räumlichen Struktur der Wirtschaft angesehen und hat eine Vielzahl von Erweiterungen und Anwendungen erfahren. 3 4 6 Doch auch zahlreiche Kritikpunkte wurden geäußert: ins Gewicht fallen neben der Kritik an den restriktiven Annahmen vor allem die Vernachlässigung dynamischer Einflüsse und der Möglichkeit differenzierten Wachstums aufgrund von Agglomerationseffekten. 347 Bezüglich der Restriktionen des Modells konnte jedoch gezeigt werden, daß auch bei der Aufhebung einiger Annahmen (insbesondere Zulassung räumlich ungleich verteilter Kaufkraft) die hierarchischen Strukturen zentralörtlicher Systeme grundsätzlich erhalten bleiben. 3 4 8 Außenhandel läßt sich i m System zentraler Orte einfach erklären, wenn Landesgrenzen die hierarchische Wirtschaftsregion durchschneiden oder wenn Absatzge343 Vgl. Christaller, W. (1933); Lösch, A. (1944); Hanink, D. M. (1991), S. 149 f.; Sohns, R. (1976), S. 325 ff.; Amelung, T. (1990a), S. 3. Vgl. auch die Theorie von Thünen, J. H. v. (1875). 344 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Schätzt, L. (1996), S. 69 ff.; Ritter, W. (1998), S. 210 ff. 345 Als Maßstab für die Marktgröße wird die Bevölkerungszahl verwendet. 346 Vgl. Lösch, A. (1944); Isard, W. (1956); Böventer, E. ν. (1962, 1968); Lange, S (1972); vgl. für einen Überblick bspw. Schätzl, L. (1996), S. 79 f.; Ritter, W. (1998), S. 212 f. 347 Vgl. zu den jüngeren Beiträgen Beguin, H. (1992), S. 209 ff.; Schätzl, L. (1996), S. 77. 348 Vgl. Berry, Β. J. L. und W. L. Garrison (1958); Berry, Β. J. et al. (1962). 7*

100

Β. Determinanten der Regionalisierung

biete über regionale bzw. politische Grenzen hinauswachsen. Intraregionaler und internationaler Handel unterliegen somit den gleichen Bestimmungsgründen. 3 4 9 Grundlegend für die Übertragung des Konzepts Christaliers in die Außenhandelstheorie ist eine Modifikation des ursprünglichen Systems zentraler Orte und der damit verbundenen hierarchischen Marktstruktur. Güter werden an Orten bzw. in Ländern hergestellt, die eine für jedes Gut zu bestimmende untere Marktgröße bzw. Mindestnachfrage aufweisen. Die ursprüngliche Theorie Christallers geht von einem vollkommen homogenen Raum aus, über den sich lediglich die Bevölkerung diskontinuierlich verteilt, so daß ein hierarchisches System zentraler Orte entsteht. I m Falle nodaler bzw. heterogener Regionen müssen dagegen Länder unterschiedlichen Entwicklungsstands (differierende Pro-Kopf-Einkommen, Technologien, Nachfragestrukturen) berücksichtigt werden. Die hierarchische Struktur der räumlichen Ordnung einer nodalen Wirtschaftsregion könnte somit anstatt über die Bevölkerungszahl über das Pro-Kopf-Einkommen - oder allgemein über die Kaufkraft innerhalb der Teilgebiete - definiert werden. Ob ein bestimmtes Gut in einem Land hergestellt wird, hängt in diesem Falle davon ab, ob dort ein entsprechendes Mindesteinkommen überschritten w i r d . 3 5 0 I m Zentrum der nodalen Region steht als Ort höchster Ordnung die Volkswirtschaft mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen. 3 5 1 Entlang der Hierarchie nimmt die Anzahl der produzierbaren Güter und damit die am Ort erhältliche Produktvielfalt ab. Einem Ort höchster Ordnung ist es damit grundsätzlich möglich, sämtliche denkbaren Produkte zu exportieren, während einem Ort niedrigster Ordnung letztlich nur ein potentielles Exportgut bleibt, welches überdies an allen anderen Orten ebenfalls hergestellt wird. Es ist daher zu beachten, daß i m traditionellen System von Christaller lediglich einseitige Austauschbeziehungen bestehen können. Diese laufen von Orten höherer Ordnung entlang der Hierarchie zu solchen niedriger Ordnung. 3 5 2 In der Literatur wurden verschiedene Lösungsansätze für das aus diesem System resultierende Problem eines strukturellen Zahlungsbilanzungleichgewichts angeboten. Die potentiellen Exporte eines Ortes bestimmter Zentralität könnten nach Tinbergen beispielsweise auf das Gut der jeweils höchsten Ordnung, das an diesem Ort noch hergestellt werden kann, beschränkt werden. 3 5 3 Bei der Theorie der Marktnetze von Lösch ist das Zahlungsbilanzproblem aufgrund einer anderen Modellspezifikation weniger gravierend. 3 5 4 Während i m System von Chri349 Vgl. Sohns, R. (1976), S. 356 ff. und 367; Linder, S. Β. (1961), S. 88 und 102. 350 Vgl. die Güterhierarchie („ladder of development") nach Ohmae, Κ. (1995), S. 21 ff. 351 Am Ort höchster Zentralität werden Güter aller Ordnung hergestellt (vgl. oben). 352 Christaller beschäftigt sich allerdings auch mit der Bereitstellung von Dienstleistungen, die an Orten unterschiedlicher Zentralität bereitgestellt werden. Nichtsdestotrotz besteht auch hier ein Zahlungsbilanzproblem, daß im Christallerschen System nur über Transferzahlungen gelöst werden kann. 353 Vgl. Tinbergen, J. (1965b), S. 65 ff. 354 Lösch verwendet bspw. variable „Zuordnungsfaktoren". Darunter versteht man den Berechnungsfaktor für die Anzahl der Orte niederer Ordnung, deren Marktgebiete von einem

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

101

staller jeder Ort sämtliche Güter von der niedrigsten bis zu der jeweiligen Zentralität des Ortes entsprechenden Ordnung herstellt, ist bei Lösch eine Spezialisierung der Orte auf die Produktion nur einiger weniger Güter möglich. Orte höherer Zentralität müssen also nicht mehr alle Güter niedriger Zentralität selbst herstellen. Entsprechend kommt es i m System Löschs auch zu Exporten in Orte höherer Ordn u n g . 3 5 5 Ähnliche Ergebnisse können erzielt werden, wenn man von der Existenz spezialisierter Güter ausgeht. In diesem Fall ist es nicht nur möglich, Handelsströme in beide Richtungen der Hierarchie, sondern darüber hinaus auch Handelsbeziehungen innerhalb der gleichen Hierarchiestufe zu erklären. 3 5 6 Handelsströme außerhalb der hierarchischen Struktur können darüber hinaus auch mit horizontaler Produktdifferenzierung begründet werden. 3 5 7

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung L Krugman (1980) M i t einer einfachen Erweiterung seines weithin bekannten auf horizontaler Produktdiversifikation und steigenden Skalenerträgen aufbauenden Außenhandelsmodells entwickelte Krugman eine formale Basis für die von Linder formulierte Hypothese, daß Länder gerade jene Produkte exportieren werden, für die auch eine große inländische Nachfrage besteht. 3 5 8 Er bezeichnet dieses Resultat als „home market effect Das Grundmodell 3 5 9 wird durch die Berücksichtigung von internationalen Transportkosten und der Existenz von zwei unterschiedlichen Industrien pro Land modifiziert. Beide Industrien stellen potentiell jeweils eine große Anzahl Produktvarianten (c\ ,..., cn und c\,..., cn) her. In jedem Land existieren zwei Bevölkerungsgruppen (L, L), die jeweils nur die Produkte einer der beiden Industrien konsumieren. 3 6 0 Entsprechend dem Grundmodell lauten die Nutzenfunktionen der beiden Gruppen (1)

=

und

=

mit

0< θ< 1 .

Ort höherer Ordnung mit einem Gut entsprechender Zentralität versorgt werden. Vgl. Lösch, A. (1944), S. 83 ff. 355 Vgl. Schätzt , L. (1996), S. 85. 356 Vgl. Parr, J. (1987); Ahn, J. und H. Nourse (1988). 357 Vgl. Hanink, D. M. (1991), S. 150. Siehe auch das Modell in Kap. B.IV.3 dieser Arbeit. 358 Vgl. zu den folgenden Ausführungen Krugman, P. (1980), S. 955 ff. Zu der ursprünglichen Hypothese siehe Linder, S.B. (1961), S. 87; zu intraindustriellem Handel vgl. Grübet, H.G. (1967), S. 374 ff. 359 Vgl. Darstellung in Krugman, P. (1980), S. 950 ff., und ähnlich bei Krugman, P. (1979), S. 469 ff. 360 Ein identisches Ergebnis erhält man, wenn alle Konsumenten beide Produkte konsumieren und dafür jeweils identische und konstante Anteile ihres Budgets ausgeben.

102

Β. Determinanten der Regionalisierung

Die Form der Nutzenfunktion und die Vorliebe der Konsumenten für Vielfalt (ausgedrückt durch θ) wird also für beide Bevölkerungsgruppen als identisch angenommen. Auch die Kostenfunktionen der beiden Industrien stimmen überein: (2)

Ii = a + ßxi

i = 1,..., η;

und

/,· = a + ßxj

j =

1

,

wobei l i j j den Arbeitsinput (als einzigen Produktionsfaktor) und x ^ x j den Output der jeweiligen Industrie darstellen. Die relative Höhe der Nachfrage nach den Produkten der zwei Industrien hängt nun allein von den Anteilen der Konsumentengruppen an der Gesamtbevölkerung ab. Da sich langfristig Produktion und Nachfrage angleichen, kann der Output als Produkt des individuellen Konsums und der Anzahl der entsprechenden Konsumenten geschrieben werden: (3)

χi = Lei

i = 1 , . . . n\

und

xj = Lcj

7 = 1,..., η .

In der Volkswirtschaft insgesamt wird Vollbeschäftigung angenommen; folglich gilt

(4)

= L + L. »•=1

j= 1

In beiden Industrien herrscht freier Marktzutritt, so daß wie auch i m Grundmodell die Unternehmen i m Gleichgewicht keine Gewinne erzielen. 3 6 1 Die einzige Modifikation gegenüber dem Ergebnis des Grundmodells besteht letztendlich darin, daß sich die Gesamtproduktion auf zwei unterschiedliche Industrien verteilt. Der Umsatz jeder Industrie entspricht den Einkommen der einzelnen Bevölkerungsgruppen: (5)

npx = wL

und

hpx = wL .

Da die Löhne w, w beider Gruppen wie auch die Preise p , p und Mengen χ, χ in beiden Industrien identisch sein müssen, kann als Ergebnis festgehalten werden, daß die Anteile der Industrien an der Gesamtproduktion den Anteilen der beiden Β e völkerungsgruppen übereinstimmen :

Für die Erklärung der Außenhandelsstruktur werden nun zwei Länder angenommen, die in nahezu jeder Hinsicht gleich s i n d . 3 6 2 Der einzige Unterschied besteht 361

Vgl. zur Herleitung dieses Ergebnisses Krugman, P. (1980), S. 951 f. Die Symmetrie gilt bspw. für Größe, Technologie, Produktgruppen etc. Größen des Auslandes werden im folgenden mit einem Stern (*) gekennzeichnet. 362

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

103

in unterschiedlichen Anteilen der einzelnen Industrien an der Gesamtproduktion der Länder. Es wird vereinfachend angenommen, daß sich diese Produktionsanteile in den beiden Ländern gerade spiegelbildlich verteilen. I m Inland wird ein Anteil / der Bevölkerung die erste Produktgruppe konsumieren, i m anderen Land beträgt der Anteil demnach (1 — / ) . W e n n / e i n e n Wert von 0,5 übersteigt (unterschreitet), wird das Inland den größeren (kleineren) Heimatmarkt für die erste Produktgruppe besitzen. Die von Krugman formulierte „home market " Hypothese besagt nun, daß das Inland per Saldo mehr Produkte der ersten Gruppe exportieren wird, wenn der Anteil / dieser Produkte an der Inlandsnachfrage größer als 0,5 i s t . 3 6 3 Aus den weitreichenden Symmetrieannahmen folgt, daß die Relationen σ, σ* der Nachfrage nach importierten Produkten zu der Nachfrage nach inländischen Produkten in beiden Ländern identisch sein muß. Unter der Berücksichtigung von Transportkosten vom Eisberg-Typ 364 (g) ergibt sich (7)

σ

=

Der Umsatz einer Industrie setzt sich aus den Ausgaben der Inländer und den Ausgaben der Ausländer für die Produkte dieser Industrie zusammen, dementsprechend gilt (bei Gleichheit der Preise ρ und Mengen χ in den beiden Ländern) /ON (8)

n

ηρχ =

η + ση*

τ wL -\

G n

τ* wL

, * und η ρχ =

σηη*

η τ * r* wL Η wL . η + ση* ση + η*

^

Unter der Annahme, daß einige Produkte beider Industrien sowohl i m Inland als auch i m Ausland hergestellt werden (η > 0, η* > 0) können die Gleichungen (8) durch η bzw. η* geteilt, gleichgesetzt und zu

V ;

n_ = L/L* - σ η* 1 - σΖ,/L*

umgeformt werden. Daraus folgt eine identische Produktionsstruktur für beide Länder, wenn in beiden Länder auch die Nachfragestrukturen übereinstimmen. Steigt (sinkt) die relative Größe des inländischen Marktes für die erste Industrie dagegen, so wird auch die Produktion solange relativ größer (kleiner) ausfallen, wie der Bereich σ < L/L* < \/σ nicht verlassen wird. Außerhalb dieses Bereichs ergeben sich „ absurde " Ergebnisse, die jedoch durch die Annahme ausgeschlossen wurden, daß beide Industrien in beiden Ländern existieren. Dementsprechend kann das Resultat dahingehend interpretiert werden, daß sich das Inland i m Bereich kleiner σ vollkommen auf die Produktion von Gütern der zweiten Industrie und i m Bereich größer 1 / σ vollkommen auf die Produktion von Gütern der ersten Industrie 363 Vgl. Krugman, P. (1980), S. 956. 364 Transportkosten von Samuelsons Eisberg-Typ sind analytisch besonders einfach zu behandeln. Es wird schlicht angenommen, daß von der versendeten Menge nur ein Teil (1 - g) am Bestimmungsort ankommt. Der Rest (g) geht auf dem Transportweg verloren.

104

Β. Determinanten der Regionalisierung

spezialisiert. Krugman zeigt überdies, daß diese Lösung ein Gleichgewicht darstellt. Als erstes Ergebnis läßt sich ableiten, daß sich die beiden Länder vollkommen auf das jeweils bevorzugt nachgefragte Gut spezialisieren werden, wenn die Nachfragestrukturen sehr unterschiedlich sind. Folglich werden die Länder die entsprechenden Güter auch exportieren, wenn es zu Außenhandel kommt. I m bereits definierten Bereich σ < L/L* < l / σ werden beide Industrien sowohl i m Inland als auch i m Ausland existieren, so daß es zu intraindustriellem Handel zwischen den beiden Ländern kommt. Da nach Gleichung (7) σ = gilt, wobei g die Transportkosten und der Term 0 / ( 1 — 0) ein Maß für die Bedeutung der Skalenerträge der Produktion darstellt, 3 6 5 kann als zweites Ergebnis festgehalten werden, daß die Wahrscheinlichkeit unvollständiger Spezialisierung um so größer ist, desto höher die Transportkosten und desto unbedeutender Skalenerträge in der Produktion s i n d . 3 6 6 Ein letztes Ergebnis des Modells - und in Bezug zur Hypothese von Linder der entscheidende Punkt - betrifft die Außenhandelsstruktur zwischen beiden Ländern im Fall der unvollständigen Spezialisierung. In dieser Situation kommt es wie bereits festgestellt zu intraindustriellem Handel, d. h. Varianten aus beiden Industrien werden sowohl importiert als auch exportiert. Dabei bleibt jedoch die Aussage erhalten, daß jedes Land per Saldo das Gut in größerem Umfang exportiert, für welches eine besonders hohe Binnennachfrage besteht. Gezeigt werden kann dies an der Handelsbilanz des Inlandes für Produkte der ersten Industrie:

(10) Bi =

ση - wL* — -ση - wL = wL* ση ση + η* ση + η* η + ση*

ση η + ση* L*

crwL*

Das Vorzeichen der Handelsbilanz für Güter der ersten Industrie hängt davon ab, ob im Inland mehr oder weniger Produkte dieser Industrie hergestellt wurd e n . 3 6 7 Da bereits gezeigt wurde, daß n/n* i m relevanten Bereich eine steigende Funktion von L/L* ist, hat das anfangs von Linder gemachte Argument weiter Gültigkeit: das Land mit dem größeren Binnenmarkt für das entsprechende Produkt wird auch bei unvollständiger Spezialisierung mehr davon exportieren als importieren. Das Modell von Krugman kann allerdings den eigentlichen Kern der Linder-Hypothese, nämlich daß gerade Länder mit sehr ähnlichen Nachfragestrukturen intensiv miteinander Handel treiben, nicht erklären - auch wenn dieser Schluß der bisherigen Argumentation folgend naheliegt.

365 Der Term stellt die Relation von variablen zu fixen Kosten dar. Man erhält ihn, wenn man aus Krugmans Grundmodell die Gleichung für das Produktionsniveau einer repräsentativen Firma, jq = αθ/β(1 — θ), entsprechend zu ßx/a = 0/(1 - 0) umformt. 366 Dieses Resultat weist im übrigen erstaunliche Parallelen zu den Schlußfolgerungen der älteren Standorttheorien (Weber, A. (1922), Lösch, A. (1944)) und der modernen economic geography (Krugman, P. (1991), Rivera-Batiz, L. A. (1994), Venables, A. (1997) etc.) auf. 367 Der erste Term der rechten Seite der Handelsbilanzgleichung ist in jedem Fall positiv. Das Vorzeichen der Handelsbilanz für die erste Industrie hängt somit allein vom Vorzeichen des zweiten Term, also der Differenz zwischen η und n*, ab.

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

105

2. Stein und Frankel (1994) Ausgehend von Krugmans Grundmodell zur Erklärung des Außenhandels mit unvollständigen Substituten 3 6 8 zeigen Stein und Frankel, welchen Einfluß nach Handelspartnern differenzierte Transaktionskosten auf die Struktur bilateraler Handelsströme haben. 3 6 9 Dazu wird eine Welt angenommen, die aus einer Anzahl von symmetrischen Kontinenten (C) mit jeweils einer identischen Anzahl von symmetrischen Ländern (TV) besteht. Der Begriff „Kontinent " kann hier synonym zum bisher verwendeten Konzept der „Region " verstanden werden. Das globale Transportnetzwerk sei als „hub-and-spoke " System gestaltet: die Ν Länder einer Region sind durch jeweils gleich lange über das Zentrum („Nabe") der Region verlaufende Strecken („Speichen") miteinander verbunden. Alle Handelsströme werden also über das Zentrum geleitet. Auch der Handel zwischen zwei Regionen erfolgt stets über die jeweiligen regionalen Zentren. Die beim Handel zwischen den Ländern anfallenden Transaktionskosten sind vom „ E i s b e r g - T y p d . h. nur ein Teil der in einem Land versendeten Menge wird am Bestimmungsort ankommen. 3 7 0 Die anteiligen Transaktionskosten für den intraregionalen Handel (spoke-hub-spoke) betragen a, während bei Transaktionen zwischen zwei regionalen Zentren (hub-hub) ein zusätzlicher Anteil in Höhe von b verloren geht. 3 7 1 Beim intraregionalen Handel erreicht also ein Anteil von (1 — a) das Importland, während bei interregionalem Handel lediglich ein Anteil von (1 — a) ( 1 - b) am Bestimmungsort ankommt. Zusätzlich werden alle Exporte (in c.i.f.-Weiten) mit einem Wertzoll in Höhe von t belegt. Die gesamten Zolleinnahmen werden von den Regierungen als Pauschaltransfer Τ (lump-sum transfer) wieder an die Konsumenten ausgezahlt. Die Zollhöhe ist exogen und im Sinne des Meistbegünstigungsprinzips für alle Länder identisch. Durch die Symmetrieannahmen 3 7 2 wird sichergestellt, daß in jedem Land eine identische Anzahl von Produkt Varianten zu identischen Herstellerpreisen ρ hergestellt werden. Zu berücksichtigen ist nun jedoch, daß sich die Verbraucherpreise inländischer und ausländischer Produkte aufgrund der Transaktionskosten und der Zölle voneinander unterscheiden. Während Hersteller- und Verbraucherpreise für inländische Produkte identisch sind, gilt für ausländische Fabrikate

368 Vgl. Krugman, P. (1980), S. 950 ff. 369 Vgl. Stein, E. und J. A. Frankel (1994). Das eigentliche Ansinnen der Autoren ist es, die Wohlfahrtswirkungen kontinentaler bzw. interkontinentaler Handelsblöcke zu untersuchen. Hier wird daher nur ein Teilaspekt ihres Modells betrachtet. 370 Unter diese Transaktionskosten fassen Stein und Frankel sowohl Transportkosten, als auch Kommunikationskosten, Kosten unvollständiger Information bzgl. fremder Märkte und deren Institutionen. Vgl. Frankel, J. A. (1997), S. 158. 371 Die Werte sowohl für a als auch für b liegen dabei zwischen 0 und 1. 372 Alle Länder sind gleich groß, verwenden dieselbe Technologie mit Arbeit als einzigem Produktionsfaktor, und die Konsumenten haben überall identische Präferenzen.

106 i 1U

Β. Determinanten der Regionalisierung

Pc,t = -j

Pnc,t = -

wobei der Index c Importe aus der eigenen Region bezeichnet und nc für Güter aus einer anderen Region steht. Aufgrund der Preisunterschiede werden inländische Konsumenten entsprechend unterschiedliche Mengen inländischer und ausländischer Fabrikate erwerben. Unter Hinzunahme der Nutzenfunktion 3 7 3 läßt sich nun der Konsum regionaler und nicht-regionaler Güter in Relation zu inländischen Gütern ermitteln. Für die Produzenten ist die Nachfrageelastizität für Exporte mit £ x = 1 / ( 1 — Θ) identisch mit der inländischen Nachfrageelastizität. Durch die Gleichheit der Elastizitäten wird sichergestellt, daß sich gegenüber der Situation ohne Außenhandel weder die Preise (p) noch die Anzahl oder Mengen der in einem Land hergestellten Varianten (η) verändern. Aus den Bedingungen erster Ordnung des Nutzenmaximierungsproblems ergibt sich der relative Konsum ausländischer Produkte i m Verhältnis zu inländischen Fabrikaten:

wobei cf, tf und für den inländischen Konsum heimischer, regionaler bzw. nicht-regionaler Produktvarianten stehen. Die Nachfrage nach ausländischen Varianten ist allerdings höher als deren Konsum, da in der Nachfrage auch jene Mengen enthalten sind, die während des Gütertransports verlorengehen. U m eine Einheit eines Gutes aus der Region konsumieren zu können, muß ein inländischer Konsument 1 / ( 1 — a) Einheiten dieses Gutes nachfragen. Bei Gütern aus anderen Regionen steigt die entsprechend notwendige Nachfrage auf 1 / ( 1 — a)( 1 — b) Einheiten an. Fügt man diese Ausdrücke zusammen mit den Preisen aus den Gleichungen (1) in die Gleichungen (3) ein, so erhält man die Nachfrage für die jeweiligen ausländischen Güter relativ zur Nachfrage nach inländischen Produkt Varianten:

(13)

(1 - a f ' - "

[1

(l-aXl-frf'-'

'

^

[1

Die relative Nachfrage ( a C i t bzw. a n C i t ) hängt erwartungsgemäß negativ von der Höhe der Zölle und der Transaktionskosten ab. Ausgehend von den Gleichungen (3) läßt sich die anteilsmäßige Verteilung der Gesamtnachfrage inländischer Konsumenten auf die drei Typen der Produktvarianten bei gegebener Anzahl von Regionen (C) und Ländern (N) ermitteln. Wenn die Nachfrage für jede inländische Variante auf 1 normiert wird, entspricht der Anteil inländischer Güter an der gesamten inländischen Nachfrage (S h ) 373 Vgl. Kap . B.IV1, (1) dieser Arbeit.

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

(14)

Sh

n + naCi t(N - 1) + mT„c,,(C - l)N

107

1 + aCJt{N - 1) + a„ c > / (C - 1 )N '

Die Anteile aus der eigenen Region (S c ) bzw. aus anderen Regionen (S n c ) importierter Güter betragen dagegen s

_ C _

υ), damit über den gesamten Güterraum eine nicht-negative Dichte/(·) von Konsumenten sichergestellt werden kann.

110

Β. Determinanten der Regionalisierung

Es kann nachgewiesen werden, daß für beliebige x\,... ,x n ein Nash-Gleichgewicht in Preisen existiert, wenn der Parameter b groß genug i s t 3 8 0 . Sind die verschiedenen Varianten überdies symmetrisch über den Einheitskreis - jeweils an den Stellen der Nachfragemaxima - verteilt (xj = j/n-J = 1 , . . . , n), so existiert ein symmetrisches Nash-Gleichgewicht mit identischen Preisen für alle Unternehmen, pj = b/[(b - v)n 2} + c, für alle j. 3Sl Zur Analyse der Außenhandelsstruktur werden zwei Länder angenommen, die in allen Belangen mit Ausnahme der Verteilung der Konsumpräferenzen identisch sind. Die Verteilung der Konsumenten i m ersten Land sei fx (w) = b + υ cos(2nnw) und i m zweiten Land fi(w) = b + ν cos(27mw + π). Durch die Phasenverschiebung um π i m Cosinus-Term treffen die Dichtemaxima des ersten Landes gerade mit den Dichteminima des zweiten Landes zusammen. Je größer der Wert von υ ist, desto mehr unterscheiden sich die Verteilungen voneinander, so daß der Parameter ν als Maß für die Unähnlichkeit der Nachfragestrukturen beider Länder angesehen werden kann. Die aggregierte Nachfrage beider Länder ist dagegen unabhängig von υ und w:f(w) =f\ (w) +fz(w) = 2b. Jede einzelne Firma j sieht sich einer gleichmäßigen Verteilung der Konsumenten gegen= 2b(zj — Zj-1) gilt. Aus obiger über, so daß für ihre Nachfrage Dj = f^ {f(w)dw Gewinnfunktion (5) folgt dann als Bedingung erster Ordnung für j:

(23) p° = fo+i -*/)(*/--*/·-1) ; 2 {xj+i-xj-i)

Pj+ 1 ι Pj~ 1 ι r „ ι cfc+x-Xj-j) 1 rXj+\ - Xj- 1 +7 TT r X M - Xj Xj - Xj- X - Xj) (Xj - Xj-\ )

Die gemeinsame Lösung der Bedingung erster Ordnung definiert ein NashGleichgewicht in Preisen. Insgesamt existieren In symmetrische Firmen mit

(24)

x j + x

x j =

L·'

2

i±l Zj =- An

(25)

(26)

~

Pj-x = pj = pj+x,

so daß p] = c +

4n2

für alle j?

380 Dies folgt aus der Quasi-Konkavität der Gewinnfunktion: im Ausdruck der zweiten Ableitung ist der Koeffizient von b negativ, da dzj/dpj < 0 und dzj — 1 /dpj > 0. Wenn b groß genug gewählt wird, ist Π 7 konkav in Abhängigkeit zu pj und die gemeinsame Lösung für STlj/Öpj = 0, (j = 1 , . . . , n) definiert ein Nash-Gleichgewicht (p\,... ,p°). Vgl. Economides, N. (1984), S. 377; für den entsprechenden Beweis wird auf Friedman, J. (1977) verwiesen. 381 Wenn alle Varianten an den Orten maximaler Nachfrage lokalisiert sind, bspw. Xj =j/n, dann gilt Zj = (2j + l)/2n,zj - Zj-x = \/n, dzj/dpj = -dzj-x/dpj = -n/2, sin(kzj) = sm(kzj~x) = 0,cos(kzj) = cos(kzj~\) = cos(n) = - 1 . Daraus folgt STlj/Öpj = (1 /n)[b— (pj - c)n2(b - υ)] und p] = b/[n 2{b - v)} + c.

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

111

Unter der (realistischen) Annahme, daß der Wechsel der Produktion von einer Variante zu einer anderen mit Kosten verbunden ist, werden bei der Einführung von Außenhandel alle Firmen ihr bisheriges, bei Autarkie gewähltes Produktionsprogramm aufrechterhalten. In diesem Fall ist die Außenhandelsstruktur determiniert. Das Exportvolumen (Ej ) eines typischen Unternehmens j = 2i (i integer) des Landes 1, welches bei x^i — ijn lokalisiert ist [bei zu = i/n + l / ( 4 n ) , zn-x = i/n - 1/(4n)] beträgt (27) v '

EjJ =

2n

ηπ

.383

Das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern wird um so größer ausfallen, j e ähnlicher die Nachfragestrukturen in den zwei Ländern sind. Denn Ej fällt bei steigendem ν , dem Grad der Verschiedenheit der Nachfragestrukturen, für alle ν i m Intervall [0, b]. Da die Gleichgewichtspreise unabhängig von υ sind, werden die Exporte in diesem Fall auch wertmäßig sinken. Das Handelsvolumen zwischen zwei Ländern ist dagegen maximal, wenn ν = 0, d. h. wenn die Nachfragestrukturen der beiden Länder identisch sind (Abb. 8). Erklärbar wird dieses Ergebnis wiederum, wenn man wie Linder argumentiert, daß ein Land diejenigen Produkte exportieren wird, für die auch i m Inland eine große Nachfrage besteht. Aus unterschiedlicheren Präferenzen zwischen zwei Ländern folgt dann zwangsläufig eine geringere Nachfrage nach den Produkten des jeweils anderen Landes und damit auch ein geringerer Außenhandel zwischen diesen beiden Ländern.

4. Hanink (1991) Als letzter theoretischer Ansatz zur Modellierung regionalisierter Welthandelsstrukturen soll i m folgenden das von Hanink entwickelte Modell internationalen

382

Economides begründet die Verwendung der Symmetrieannahmen damit, daß das „Preisspiel " als Teilspiel in einem nicht-kooperativen „ Variantenspiel " enthalten sei. Das Spiel hat demnach zwei Stufen, nämlich ein langfristiges „ Variantenspiel " und ein kurzfristiges „PreisspielIn der zweiten (kurzfristigen) Spielstufe wählen die Firmen die Preise bei bereits gegebenen Varianten unabhängig voneinander. In der ersten (langfristigen) Stufe wählen die Firmen die zu produzierenden Varianten unabhängig voneinander in der Erwartung, die Nash-Gleichgewichtsgewinne des späteren Preisspiels (bei gegebenen Varianten) zu erhalten. Die Annahme einer symmetrischen Variantenstruktur kann nun gerechtfertigt werden, wenn dieses Muster ein perfektes Gleichgewicht im langfristigen Variantenspiel darstellt, was in der Tat zutrifft: unter den bisher gemachten Annahmen existieren (perfekte) NashGleichgewichte in Varianten, in denen xj - jc;_i = d für alle j gilt. Diese Gleichgewichte entsprechen den Gleichgewichten des Teilspiels in Preisen, bei Preisen p°- = d 2 + c, für alle j. 383 Ej = En = f [b + t>cos(2nnw + n)]dw = b(zu - zn-\ ) + ^ [sin(2wz2/-i7r + π] = Τη + £ Μ 2 π γ + ψ ) ~ sin(2nr + f)] = £ - % .

112

Β. Determinanten der Regionalisierung

Die Ähnlichkeit nimmt mit v(v\ < νι) ab. Die dunkel schraffierte Fläche repräsentiert die Exporte der zweiten Firma (des Landes 2). Die hell schraffierte Fläche kennzeichnet die zusätzlichen Exporte der Firma, wenn die Präferenzen zwischen den beiden Ländern ähnlicher werden. Quelle: Economides, N. (1984), S. 379, Fig. 1.

Abbildung 8: Handelsvolumina in Abhängigkeit von der Ähnlichkeit der Konsumpräferenzen zweier Länder Handels mit differenzierten Gütern in hierarchischen Märkten vorgestellt werd e n . 3 8 4 Dieses Modell verbindet die nachfrageorientierten Außenhandelstheorien Linders und Grotewolds mit der Theorie der zentralen O r t e . 3 8 5 Die Welt bestehe aus L Ländern, die hinsichtlich Faktorausstattung und Bevölkerungsgröße vollkommen symmetrisch sind. Aufgrund von Produktivitätsunterschieden kommt es zwischen den Ländern jedoch zu unterschiedlichen Durchschnittseinkommen iyi = 1,2, · · · , £ ) . Die unterschiedlichen Pro-Kopf-Einkommen in den verschiedenen Ländern können beispielsweise durch unterschiedliche Produktionsfunktionen (Technologieunterschiede) zustande kommen. Innerhalb jeden Landes sind die Einkommen der Individuen ungleich verteilt, d. h. die Varianz des Einkommens ist streng positiv (VAR(y) > 0). Es existiert eine große Zahl (K) von potentiell herstellbaren, differenzierten Gütern G (mit potentiell Ν Varianten). Der Gesamtnutzen U eines Konsumenten ist

384 Vgl. Hanink, D. (1991), S. 150 ff.; ders. (1994), S. 264 ff. 385 Vgl. Linder, S. B. (1961); Grotewold,

(1944). Vgl. auch Kap. B.III dieser Arbeit.

A. (1979); Christaller,

W. (1933); Lösch, A.

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung

113

eine Funktion der durch den Konsum der k verschiedenen Güter realisierten Teilnutzen uk: (28)

u = U[u\ , W2, ..., uk] ·

Im Falle horizontaler Produktdifferenzierung erhält man eine Dixit-Stiglitz-Nutzenfunktion („love for variety"): Die Konsumenten schätzen Abwechslung bzw. die Wahl zwischen unterschiedlichen Varianten eines Produktes. 386 Die verschiedenen Güter gehen in diesem Fall - bei gegebenem Einkommen - symmetrisch in die Nachfrage ein. Nicht alle potentiellen Produkte müssen tatsächlich produziert und konsumiert werden, aber die Anzahl der konsumierten Produkte ist groß. 387 Alle Individuen haben identische Nutzenfunktionen. Die Teilnutzenfunktion für die Produktgruppe i nimmt dabei folgende Form an: 3 8 8

(29)

,O 0 im Importland y m die Nachfrage keineswegs auf die Güter 1, 2, ... m beschränkt. Eine Einkommensvarianz von größer Null stellt vielmehr sicher, daß im entsprechenden Land auch eine gewisse Nachfrage nach höherwertigen Gütern (Rang > m) existiert, die jedoch nicht durch Inlandsproduktion befriedigt werden kann. Neben dem durch die Ähnlichkeit der Nachfragestrukturen bedingten intraindustriellen Handel kommt es daher auch zu interindustriellem Handel entlang der Hierarchie der Länder. Der Term r stellt wiederum eine Zufallsgröße dar. Da die Konsumenten gemäß obiger Nutzenfunktion Abwechslung schätzen, werden auch ausländische Varianten der im Inland hergestellten Güter nachgefragt. Dabei nimmt die maximal mögliche Variantenvielfalt in höheren Hierarchiestufen ab, da höherwertige Güter (Güter mit hoher Marktschwelle) nur in wohlhabenderen Ländern hergestellt werden können, während die Produktion der Güter niedriger Hierarchiestufe in (fast) allen Ländern möglich ist. Für die Variantenanzahl potentieller Exporte der Güter n(G k ) gilt in diesem hierarchischen System also folgende Regel: (32)

n(G l)>n(G 2)>

- - - > n(G K) ·

Unter der oben gemachten Annahme der Homogenität der Faktorausstattung in allen Ländern kann es in dem Markt für ein bestimmtes Gut k nur dann zu intraindustriellem Handel zwischen zwei Ländern kommen, wenn die Durchschnittseinkommen beider Länder größer als das für die Marktschwelle des entsprechenden Gutes relevante Durchschnittseinkommen % sind, da andernfalls das Gut nicht in beiden Ländern kostendeckend hergestellt werden kann. Verfügt lediglich eines der beiden Länder über ein entsprechend hohes Pro-Kopf-Einkommen, so ist lediglich interindustrieller Handel möglich. Erreicht keines der Länder das für die Produktion benötigte Einkommen, bleibt entweder die (wegen VAR(y) > 0) potentiell bestehende Nachfrage unwirksam, oder aber sie muß durch Importe aus einem Drittland befriedigt werden. Dies bedeutet, daß die Anzahl der potentiellen Partner für intraindustriellen Handel T k entlang der Hierarchie (mit sinkendem Pro-KopfEinkommen) abnimmt:

IV. Formale Modellierung der Regionalisierung (33)

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