Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen: Tagungsbericht der Jahrestagung 1990 der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerika-Forschung (ADLAF) vom 18. bis 20. Oktober 1990 in Berlin 9783964567086

Die Beiträge dieses Bandes machen interdisziplinär die vielfältigen Spannungsfelder zwischen globalen Herausforderungen

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German Pages 258 Year 2019

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen
Wirtschaftskrise und Entschuldungsmechanismen: Lokale Entwicklungen - Globale Lehren
Vorwort
Amazonien - Lokales Wissen und globale Zerstörung
A Discussâo Brasileira sobre a "Internacionalizaçâo da Amazônia "
Debt-for-nature Remarks for Berlin Conference
Chancen für den Abbau von Auslandsschulden durch Leistungen zum Umweltschutz (Debt-nature-swaps )
Der Drogenkomplex als integrierendes und desintegrierendes Element in Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas
Der Tourismuskomplex zwischen Wirtschaftssystem und Alltagswelt in der Ostkaribik: Eine Übersicht und die Übersehenen - am Beispiel von St. Lucia
Informeller Sektor und gesellschaftliche Entwicklung
Vorwort
Zur "Informalisierung" von Wirtschaft und Gesellschaft in Venezuela
Von Marginalität zur Informalität
Die informelle Ökonomie in Bolivien und deren negative Auswirkungen auf die politisch-kulturelle Sphäre
Suche nach Sicherheit und eigenständigen Formen der Selbstbehauptung
Informalisierung bäuerlichen Wirtschaftens im Andenraum
Informelle wirtschaftliche Aktivitäten in kollektiven Ejidos in Mexiko
Informalität: Eine systemtheoretische Annäherung am Beispiel Brasiliens
Geschlechterverhältnis und Geschlechterpolitik am Beispiel von Arbeitsstrukturen
Vorwort
Mujeres y hogares en la Ciudad de México
Gender, skill and new technology in the Caribbean
The Exploitation of Family Morality: Labor Systems and Family Structure on Sâo Paulo Coffee Plantations, 1850-1979
Subsistenzproduktion und Geschlechterverhältnis: Umrisse einer entwicklungspolitischen Debatte
Brechungen der Moderne in der Literatur
Vorwort
El pensamiento "histórico" en algunos cantos y relatos quechuas
La Metafísica del Arrabal. "El Tamaño de mi Esperanza": Un libro desconocido de Jorge Luis Borges
O pensamento utópico e o Brasil
Die frühe Verarbeitung von Nachrichten über die "Neue Welt"
Variationen einer unendlichen Geschichte: Die Legende vom Sudaca
Lateinamerika im Zeitalter der Globalisierung
América Latina en la Era de la Globalización
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Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen: Tagungsbericht der Jahrestagung 1990 der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerika-Forschung (ADLAF) vom 18. bis 20. Oktober 1990 in Berlin
 9783964567086

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Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen

BERLINER LATEINAMERIKA- FORSCHUNGEN Herausgegeben von Dietrich Briesemeister, Reinhard Liehr und Carlos Rincón Band 1

BERLINER LATEIN AMERIKA-FORSCHUNGEN

Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen Tagungsbericht der Jahrestagung 1990 der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerika-Forschung (ADLAF) vom 18. bis 20. Oktober 1990 in Berlin.

Herausgegeben von Volkmar Blum, Volker Lühr, Urs Müller-PIantenberg, Manfred Nitsch, Carlos Rincón und Renate Rott

VERVUERT VERLAG FRANKFURT AM MAIN 1992

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen: vom 18. bis 20. Oktober 1990 in Berlin / hrsg. von Volkmar Blum ... - Frankfurt am Main : Vervuert, 1992 (Berliner Lateinamerika-Forschungen; Bd. 1) (Tagungsbericht der Jahrestagung ... der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerika-Forschung (ADLAF) ; 1990) ISBN 3-89354-151-9 NE: Blum, Volkmar [Hrsg.]; 1. GT; Arbeitsgemeinschaft Deutsche LateinamerikaForschung: Tagungsbericht der Jahrestagung... © Vervuert Verlag, Frankfurt am Main 1992 Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany

Inhaltsverzeichnis

Seite

Volkmar Blum/Urs Müller-Plantenberg Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen

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Wirtschaftskrise und Entschuldungsmechanismen: Lokale Entwicklungen - Globale Lehren Manfred Nitsch: Vorwort

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Ciarita Müller-Plantenberg Amazonien - Lokales Wissen und globale Zerstörung Francisco de Assis Costa A Discussäo Brasileira sobre a "Intemacionalizafäo da Amazönia" World Wide Fund for Nature Debt-for-nature Remarks for Berlin Conference Dieter W. Benecke Chancen für den Abbau von Auslandsschulden durch Leistungen zum Umweltschutz (Debt-nature-swaps ) Beate Ratter Der Drogenkomplex als integrierendes und desintegrierendes Element in Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas Wolf-Dietrich Sahr Der Tourismuskomplex zwischen Wirtschaftssystem und Alltagswelt in der Ostkaribik: Eine Übersicht und die Übersehenen - am Beispiel von St. Lucia

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Informeller Sektor und gesellschaftliche Entwicklung Volker Lühr: Vorwort Heinz R. Sonntag Zur "Informalisierung" von Wirtschaft und Gesellschaft in Venezuela Detlev Ullrich Von Marginalität zur Informalität H.C.F. Mansilla Die informelle Ökonomie in Bolivien und deren negative Auswirkungen auf die politisch-kulturelle Sphäre Juliana Ströbele-Gregor Suche nach Sicherheit und eigenständigen Formen der Selbstbehauptung

88

93 103 106 114

Volkmar Blum Informalisierung bäuerlichen Wirtschaftens im Andenraum Jürgen Queitsch Informelle wirtschaftliche Aktivitäten in kollektiven Ejidos in Mexiko Achim Schräder Informalität: Eine systemtheoretische Annäherung am Beispiel Brasiliens

120 130 134

Geschlechterverhältnis und Geschlechterpolitik am Beispiel von Arbeitsstrukturen Renate Rott: Vorwort Teresita de Barbieri Mujeres y hogares en la Ciudad de México Ruth Pearson Gender, skill and new technology in the Caribbean Verena Stolcke The Exploitation of Family Morality: Labor Systems and Family Structure on Sâo Paulo Coffee Plantations, 1850-1979 Ilse Lenz Subsistenzproduktion und Geschlechterverhältnis: Umrisse einer entwicklungspolitischen Debatte

142 150 160

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Brechungen der Moderne in der Literatur Carlos Rincón: Vorwort Martin Lienhard El pensamiento "histórico" en algunos cantos y relatos quechuas Víctor Farías La Metafísica del Arrabal. "El Tamaño de mi Esperanza": Un libro desconocido de Jorge Luis Borges Luiz Costa Lima O pensamento utópico e o Brasil Dietrich Briesemeister Petra Schümm Variationen einer unendlichen Geschichte: Die Legende vom Sudaca

194

199 208 217 227 238

Lateinamerika im Zeitalter der Globalisierung Carlos Monsiváis América Latina en la Era de la Globalización

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Volkmar Blum/Urs Müller-Plantenberg

Globale Vergesellschaftung und lokale Kulturen Einleitung Die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Deutsche Lateinamerika-Forschung (ADLAF) 1990 wurde vom Lateinamerika-Institut der FU Berlin vom 18. bis 20. Oktober 1990 in den Räumen des des Ibero-Amerikanischen Instituts der Stiftung Preußischer Kulturbesitz durchgeführt. Es war die Zielsetzung der Tagung, interdisziplinär die Defizite der neueren Lateinamerika-Forschung anzugehen und an Beispielen zu konkretisieren. Weder enzyklopädische Vollständigkeit noch die Beschränkung auf die Betrachtung eines (geographischen oder einzeldisziplinären) Raumes hätten es erlaubt, die zentrale These der Tagung zu prüfen, daß die realen Entwicklungen nur durch die Bipolarität von global und lokal zu erfassen seien. Diese Bipolarität stellt hierbei wesentlich mehr dar als nur einen Rahmen für beliebige Beispiele. Sie bildet ein Testfeld für den Vergleich scheinbar völlig unterschiedlicher Entwicklungen und für die Erklärung von Unterschieden scheinbar ähnlicher Prozesse der Vergesellschaftung.

Zur Fragestellung Die weltweit drohenden ökologischen Gefahren, das angehäufte Vernichtungspotential und die natürliche Begrenzung der Rohstoffe machen heute stärker noch als die internationalen Kapitalverflechtungen deutlich, daß die Weltbevölkerung in einer einzigen Welt lebt und auf die Dauer nur miteinander und nicht gegeneinander überleben kann. Die sich aus diesen Begrenzungen ergebenden Lasten werden jedoch sehr ungleich auf die eine Weltbevölkerung verteilt, wobei die Unterschiede zwischen den Nationen nur noch einen Teil dieser Ungleichheit ausmachen. Globale Vergesellschaftung ist in diesem Sinn als die allmähliche Herausbildung einer Weltgesellschaft zu verstehen, in der Bevölkerungsgruppen und Regionen unterschiedliche Positionen, verstanden als soziale Plätze und als Haltungen, einnehmen1. 1

Vergesellschaftung wird hier also nicht in erster Linie im Sinn von Weber oder Tönnies verstanden als "soziale Beziehung (..., in der) die Einstellung des sozialen Handelns auf rational (...) motiviertem Interessenausgleich oder ebenso motivierter Interessenverbindung beruht." (Weber 1985:21) In zweiter Linie allerdings schwingen die Definitionen Webers durchaus mit, auch wenn der Gegenpol zur Vergesellschaftung bewußt nicht als Vergemeinschaftung, sondern als lokale Kulturen bezeichnet wird.

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Auf sehr vielen verschiedenen Ebenen werden Tendenzen sichtbar, die den Prozeß globaler Vergesellschaftung in Lateinamerika vorantreiben. Global wirkende Probleme und sogenannte Krisen - wie die Verschuldungskrise, die ökologische Krise, die Rohstoffkrise oder die Bevölkerungskrise - bewirken schon wegen des gemeinsamen Hintergrundes einer gesteigerten Weltmarktintegration der lateinamerikanischen Länder, daß diese sich wegen ihrer gemeinsamen Betroffenheit untereinander annähern. Weltweit agierende Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die Weltbank, die internationalen Zusammenschlösse von Gewerkschaften und politischen Parteien und schließlich die Kirchen tragen zu diesem Prozeß bei, indem sie übergreifende Antworten entwickeln. In den achtziger Jahren haben die beschriebenen Prozesse in den meisten Ländern Lateinamerikas auf der formellpolitischen Ebene zu einer Wiederbelebung demokratischer Organisationsformen geführt, während gleichzeitig die Interventionsmöglichkeiten der demokratisch gewählten Autoritäten durch die finanziellen und außenwirtschaftlichen "Sachzwänge" drastisch reduziert wurden. Die Folge war eine "Entideologisierung" der politischen Auseinandersetzungen hin zum "Pragmatismus", zum Versuch, auf die externen Anforderungen zu reagieren. Selbst von "Entwicklung" als Programm wird kaum noch gesprochen. Was sich entwickelt und ausbreitet, ist der sogenannte informelle Sektor, der im Unterschied zur Subsistenzproduktion auf Märkte hin orientiert und somit tragender Bestandteil der Vergesellschaftung ist2, andererseits aber nur über unvollkommene Zugänge zur Infrastruktur und zum Kreislauf der formellen Ökonomie verfügt. Er bietet vollkommen ungeplant - für immer größere Teile der armen Bevölkerung allein prekäre Chancen zum Überleben. Der informelle Sektor ist aber in seiner Vielfalt auch ein Zeichen dafür, daß die Prozesse globaler Vergesellschaftung keineswegs zu einer Homogenisierung in den lateinamerikanischen Ländern oder zwischen ihnen führen müssen. Im Gegenteil ist er ein Teil der Antwort auf die globalisierenden Prozesse, einer Antwort, die hier mit dem Stichwort "lokale Kulturen" bezeichnet werden soll. Diese lokalen Kulturen vielfältigster Art hängen von den historischen Bedingungen vor Ort ab, werden vom Prozeß globaler Vergesellschaftung erfaßt und mitgeprägt und beeinflussen ihrerseits diesen Prozeß. Ein auf diese Weise dynamisch gefaßter Begriff von Kultur verzichtet auf jede Art von Idealisierung lokaler Kultur als traditionell oder antikapitalistisch, betont aber doch das Widerstandspotential lokaler Kulturen, die häufig das einzige Mittel sind, sich gegen die einseitige Verteilung der Lasten der Prozesse globaler Vergesellschaftung zur Wehr zu setzen. An der sich wandelnden Rolle der Geschlechter in den lokalen Kulturen kann dieser dynamisch gefaßte Kulturbegriff beispielhaft klargemacht werden. 2

Ohne die Verallgemeinerung zweckrationaler Tauschbeziehungen kann weder im marxistischen noch im Weberschen Sinn von Vergesellschaftung gesprochen werden.

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Andererseits ist zu beobachten, daß die lateinamerikanische Literatur in zunehmendem Maße Weltgeltung gewonnen hat. Sie ist von der Peripherie, in die sie im Laufe des 19. Jahrhunderts gedrängt wurde, ins Zentrum gerückt. Wie auf keinem anderen Gebiet wurden in der Literatur die Grenzen zwischen Zentrum und Peripherie verwischt. Dies liegt sicherlich auch daran, daß die lateinamerikanische Literatur einerseits lokale Phänomene und Probleme als Paradigmen universaler Prozesse zu deuten versucht und gleichzeitig ein Kaleidoskop der Vielfalt lokaler Kulturen und Geschichten zu entfalten versteht, das nicht mehr am europäischen Entwicklungsstand gemessen wird. Dies weist auf das scheinbare Paradox hin, daß trotz des Prozesses globaler Vergesellschaftung keine universellen Parameter sozialer Entwicklung per se existieren3, sondern Realia und Metaebene, faktische Entwicklung und ihre Theoretisierung aus konkreten Erfahrungen in ein neues Verhältnis zueinander gebracht werden müssen.

Zum Forschungsstand Die hier notwendigerweise nur in Umrissen skizzierte Problematik hat sich bislang nicht in umfassenden Studien zur sozialen Entwicklung Lateinamerikas niedergeschlagen. Sie ergibt sich vielmehr aus einem interdisziplinären Prozeß des Nachdenkens über allgemeine theoretische Konstrukte und konkrete Entwicklungen an spezifischen historischen Orten. Diese konkreten Entwicklungen verlangen theoretische Erklärungen, deren Versuche bislang jedoch nur für Einzelfälle oder als grobe allgemeine Raster greifen. Schon auf der Ebene gesamtgesellschaftlicher Entwicklung vollzog sich weder innerhalb der Gesellschaften Lateinamerikas noch im Verhältnis zu Europa der Homogenisierungsprozeß, wie er von den Modernisierungstheoretikern prognostiziert wurde. Es war gerade das Verdienst der dependenztheoretischen Ansätze, die internen Heterogenitäten als Resultat und nicht als Residualgröße der abhängigen Entwicklung zu erkennen und eine fortschreitende Differenzierung zwischen Metropole und Peripherie zu konstatieren. In der Erklärung allerdings beanspruchten die jeweiligen Ansätze nun ihrerseits Gültigkeit für alle Gesellschaften der Dritten Welt. Doch läßt sich heute zeigen, daß die Differenzierungen zwischen den Ländern der Dritten Welt zu wichtig, die Unterschiede der regionalen und lokalen

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Der neu aufgebrochene Streit zwischen dem Universalismus der Aufklärung und dem Kulturrelativismus ist Ausdruck dieser Entwicklung. Diese Problematik zu erkennen, bedeutet jedoch nicht, den Anspruch auf universelle Gültigkeit bestimmter Werte aufzugeben und in postmoderne Beliebigkeit zu verfallen. Die Durchsetzung der Menschenrechte, zu denen auch Demokratie, Recht auf Frieden und soziale Entwicklung gehören, ist zweifelsfrei eine universelle Aufgabe, die jedoch nicht unilateral aus den Metropolen, und schon gar nicht mit Gewalt angegangen werden darf.

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Entwicklungen innerhalb eines jeden Landes zu bedeutend sind, als daß sie sich in Metropolen-Satelliten-Modelle pressen ließen4. In den achtziger Jahren wurden zahlreiche Fallstudien veröffentlicht, die belegen, daß die konkreten Entwicklungen in bestimmten Lokalitäten sich in Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Auswirkungen globaler Vergesellschaftungsprozesse vollziehen, nicht jedoch in einer mechanischen Abhängigkeit von exogenen Faktoren. Die Entwicklung Amazoniens ist demnach nur zu verstehen, wenn man sie im Zusammenhang intendierter weltmarktabhängiger Planung, Investition und Extraktion und im Wechselspiel zwischen Realisierung, unbeabsichtigten Folgen und Widerstand aufgrund historisch gewachsener sozialer Organisationsformen der Produktion zu begreifen versucht. Gleichzeitig unterscheiden sich die lokalen Entwicklungen aufgrund unterschiedlicher ökologischer und sozialer Bedingungen (Altvater 1987, Bunker 1985, Kohlhepp 1987, Nitsch 1989). Dennoch führen durch äußere Zwänge provozierte Reaktionen nationaler Regierungen zu ständigen Neugliederungen sozialer und geographischer Räume. Hierin lassen sich so unterschiedliche Prozesse wie die Rohstoffextraktion in Amazonien und die Tourismusförderung in der Karibik mit ihren jeweiligen Auswirkungen durchaus vergleichen (Bunker 1986 zu Amazonien, Sandner/Ratter 1988 zur Karibik). Aber auch ähnliche ökologische Voraussetzungen und vergleichbare Außenanforderungen müssen nicht zu gleichen Entwicklungen führen, wie sich an Beispielen zeigen läßt, in denen unterschiedliche Organisationsformen bäuerlichen Wirtschaftens bei sonst gleichen Bedingungen vorherrschen (Faust 1989). Andererseits sind die konkreten Entwicklungen ländlicher Regionen wesentlich durch kulturelle Bedingungen geprägt, so daß ähnliche Wirtschaftsformen bei unterschiedlichen lokalen Bedingungen durchaus sehr verschiedenartige soziale Prozesse bewirken können (vgl. Werlhof 1985, Costa 1989, Blum 1989). Studien zum sogenannten informellen Sektor vermitteln j e nach dem theoretischen Ansatz der Autoren völlig unterschiedliche Eindrücke über die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen und die innere Dynamik dieses Sektors. Informelles Wirtschaften in Lima wird beispielsweise einerseits als Chance der Überlebenssicherung, j a als Chance für die Zukunft des ganzen Landes gesehen (de Soto 1987), andererseits als Eroberung der "modernen" Welt durch Prinzipen der andinen Organisation (Gölte/Adams 1987). Eine Hinterfragung der entwicklungspolitischen Euphorie hinter manchen Theoriekonstrukten zum informellen Sektor ist daher ebenso notwendig wie der empirische Vergleich zwischen unterschiedlichen Städten (Lühr 1987, zu Caracas vgl. Ullrich 1984 und Sonntag, Variela u.a. 1986, zu La Paz Bieber u.a. 1988 und Ströbele-Gregor 1989).

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vgl. Hurtienne 1987, Nitsch 1986, Mansilla 1986, Sonntag 1988. Wir weisen in diesem Überblick über den Forschungsstand vorrangig auf die Literatur im deutschsprachigen Raum hin.

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Aber auch Industrialisierungsprozesse und die Entwicklung formeller Arbeitsmärkte führen keineswegs zu einer Angleichung oder breiten Verbesserung der Lebensverhältnisse der Betroffenen. Erst die in den letzten Jahren vorangetriebenen Untersuchungen geschlechtsspezifischer Veränderungen der Arbeitsverhältnisse unter Einbeziehung der reproduktiven Arbeiten haben es möglich gemacht, die Durchsetzung von globalen Organisationsmuster geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung bei allen historischen und lokalen Besonderheiten besser zu verstehen (vgl. Rott 1988, Braig 1989, Stolcke 1987, Frieben 1984). Das Verhältnis von Lokalität und Globalität ist im Bereich der kulturell prägenden Wert- und Normensysteme durch gegenläufige Prozesse gekennzeichnet. Identitätsverbürgende und kulturelle Energien freisetzende Lokalität wird durch den Zwang zur Migration und den allgegenwärtigen Einfluß der Massenmedien aufgebrochen. An ihre Stelle tritt der Ort X, der allenfalls Raum zum Vegetieren läßt. Andererseits erschafft die künstlerische und zumal literarische Produktion vermittels der Imagination ein kollektives Gedächtnis, das auf verschüttete historische Optionen - auch für das europäische Projekt der Moderne - verweist (Morse 1982). Alle ernsthaften Arbeiten der 80er Jahre verweisen darauf, daß man von einem unifokalen Entwicklungsbegriff Abschied nehmen muß, daß sich die soziale Entwicklung nicht nur Lateinamerikas im Spannungsfeld zwischen Integration in den Weltmarkt und seine Zwänge einerseits und auf lokalen, kulturellen Zusammenhängen aufbauenden Wegen der Selbstbestimmung andererseits vollzieht5. Um diese Problematik zu konkretisieren und an Fallbeispielen interdisziplinär zu diskutieren, wurden vier Arbeitsgruppen eingerichtet, deren Ausgangspunkte und Aufgabenstellungen hier kurz zusammengefaßt werden sollen.

Arbeitsgruppe 1: Wirtschaftskrise und Entschuldungsmechanismen: Lokale Entwicklungen - Globale Lehren Die internationale Verschuldung der lateinamerikanischen Länder hat überall zu einer Krise der Versorgung mit importierten Gütern, zu einer Fiskalkrise und zu einer massiven Exportförderung geführt. Da die Märkte der Industrieländer für höherwertige Agrarprodukte und für Standard-Fertigwaren durch protektionistische Barrieren weitgehend versperrt sind, richtet sich der von dort ausgehende Importsog einerseits auf Rohstoffe und andererseits auf Dienstleistungen (wenn man von dem kleinen Marktsegment absieht, das Lateinamerika sich auf den internationalen Märkten für höher technologisierte Fertigwaren erkämpft hat). Auf der lokalen Ebene trifft dadurch ein Boom bei der Rohstoffextraktion und beim Tourismus mit einer Krise der importabhängigen Wirtschaftsaktivitäten, also 5

Als Problem der Entwicklungstheorie wurde dies u.a. von Kößler 1988 herausgearbeitet.

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generell des "formellen" Sektors, und einer Fiskalkrise, also einem Vakuum bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben und bei der staatlichen Planungs- und Regulierungsfähigkeit, zusammen. In dieses Vakuum treffen die politischen und wirtschaftlichen Entschuldungsmechanismen, - von der Bezahlung (via Export) über den Tausch von mehr oder weniger reduzierten Schuldtiteln gegen wirtschaftlich nutzbare Ressourcen (z.B. Hotels und Badestrände) bis zu Maßnahmen des Umweltschutzes (Einrichtung von Bioreservaten oder nur schonend extraktiv zu nutzenden Waldflächen, Indianer-Schutzparks, Umweltforschung u.a.). Die Arbeitsgruppe stellt die Erfahrungen in zwei besonders betroffenen Lokalitäten gegenüber: Amazonien mit seiner Raubbauwirtschaft an den natürlichen Ressourcen im tropischen Regenwald (bzw. dessen Resten) und die kleininsulare Karibik mit ihrem forcierten Tourismus und anderen Exportanstrengungen in einem besonders von den Bodenverhältnissen, aber auch von der Umweltverschmutzung her gesehen besonders fragilen natürlichem Milieu. Aus dem Kontrast dieser beiden, überdies durch eine hochgradig polarisierte Gesellschaftsstruktur gekennzeichneten Regionen wird versucht, den konkreten Auswirkungen von forciertem Export, reduzierter Importkapazität, Fiskalkrise und von im weiten Sinne verstandenen Debt-Equity- und Debt-Nature-Swaps auf die Spur zu kommen, um ggfs. gemeinsame Muster und Differenzierungskriterien zu entdecken.

Arbeitsgruppe 2: Informeller Sektor und gesellschaftliche Entwicklung Ausgangsproblem ist das Wachstum des seit jeher bestehenden informellen Sektors in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Es verbindet sich mit Fragen nach den Ursprüngen des Wachstums, seinen Ausprägungen und Auswirkungen sowie nach der Bedeutung des informellen Sektors für die Entwicklung der lateinamerikanischen Gesellschaften. Während bei letzterem gerade wegen der bereits angesprochen Schwierigkeiten für theoretische, konzeptionelle Ansätze die Einschätzungen der verschiedenen Autoren stark divergieren, herscht weitgehende Einigkeit hinsichtlich der Ursachen, die zum Anwachsen des informellen Sektors geführt haben. Es handelt sich im wesentlichen um die folgenden: - die enttäuschende Performanz der bisherigen Modernisierungs- und Industrialierungsmodelle in Lateinamerika - die restriktive Beschäftigungspolitik vieler lateinamerikanischer Länder im Anschluß an rezessive Anpassungsauflagen der internationalen Finanzagenturen

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- die kombinierte Auswirkung von Bevölkerungswachstum, Landflucht, chaotischer Verstädterung und stagnierendem Arbeitsmarkt bei zunehmenden Einkommensdisparitäten - die allgemeine Krise der achtziger Jahre. Die zuletzt genannten Faktoren wirken verstärkt auf die Informalisierung der städtischen Wirtschaft, weil der Agrarbereich in den achtziger Jahren seine Schwammfunktion weitgehend verloren hat. Nur in wenigen Ländern nimmt die kleinbäuerliche Bevölkerung weiterhin zu. Dennoch ist kleinbäuerliches Wirtschaften von den gesellschaftlichen Entwicklungen betroffen. Der hierdurch hervorgerufene Veränderungsprozeß fuhrt in einigen Gebieten zur Herausbildung monetarisierter und kapitalisierter Mittelbetriebe, die häufig weltmarktorientiert wirtschaften; mehrheitlich setzen sich jedoch Marginalisierung und Informalisierung der kleinbäuerlichen Wirtschaft durch. Auch wenn die Diskussion dieser These für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung nicht unwichtig ist, so richtet sich das zentrale Augenmerk der Arbeitsgruppe doch auf die Entwicklungen im städtischen Bereich, wobei gerade die Fragen nach den lokal, ggf. kulturell bedingten Unterschieden einen wichtigen Raum einnimmt. Ziel der Arbeitsgruppe ist die Formulierung empirisch belegter und theoretisch begründeter Analysen in dem skizzierten Problemfeld.

Arbeitsgruppe 3: Geschlechterverhältnis und Geschlechterpolitik am Beispiel von Arbeitsstrukturen Seit Beginn der siebziger Jahre ist auch in Lateinamerika eine breite Diskussion über die Geschlechterrollen und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern entstanden. Diese Diskussion ist sicherlich von der internationalen Frauenbewegung beeinflußt worden, sie führte jedoch auch zur Wiederentdeckung der eigenen Geschichte und der eigenen Traditionen sowie zu neuen Ansätzen. Frauen aller Schichten und Klassen begannen verstärkt, ihre Rolle, ihre zugeschriebenen sozialen Funktionen in allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens zu hinterfragen. Aus den bisherigen Befunden der Forschung ist abzulesen, daß sich im Industrialisierungsprozeß weltweit - trotz der unterschiedlichen Ausgangsbedingungen - ein Grundmuster der Verwertung von Frauenarbeit in den modernen Wirtschaftssektoren durchgesetzt hat und daß trotz unterschiedlicher historischer, ökonomischer und kultureller Traditionen eine "Globalisierung" der Subordination zu verzeichnen ist, die es aufzubrechen gilt. Die Formen der Kritik, des Aufbegehrens und des Widerstands sind jedoch wiederum von konkreten "lokalen" Bedingungen bestimmt.

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Zu den globalen Tendenzen zählt die geschlechtsspezifische Segmentierung des Arbeitsmarktes. Die Formen der Arbeitsteilung im modernen Erwerbsbereich, z.B. im industriellen Sektor, folgen fast ausschließlich dem Beispiel der westlichen Industrieländer; Frauen bleiben in die Niedriglohngruppen ohne Aufstiegsmöglicheiten mit zumeist repetitiven Arbeitsverrichtungen verbannt. Eine gewerkschaftliche Vertretung hingegen ist für Frauen in Lateinamerika fast nie wirksam geworden. Die moderne Arbeitsgesetzgebung (Mutterschutz u.a.), die einmal von dem europäischen Vorbild beeinflußt wurde, hat sich in der Realität sehr oft als zusätzliches Hindernis erwiesen. Der Anteil der weiblichen Haushaltsvorstände wächst in den Großstädten überproportional an, weil zunehmend Frauen für die Versorgung und das Überleben der Kinder, Kranken und Alten verantwortlich gemacht werden. Der wichtigste Arbeitsmarkt wurde der tertiäre Sektor. Der "informelle Sektor" setzt sich im städtischen Bereich zu einem hohen Anteil aus erwerbssuchenden Frauen zusammen, die in den ungeschützten und am niedrigsten entlohnten Arbeitsverhältnissen verbleiben oder dahin abgedrängt werden. In der Arbeitsgruppe wird auf verschiedenen Untersuchungsebenen der Globalität wie der Besonderheit regionaler oder lokaler Entwicklungen anhand von sozialanthropologischen und arbeitssoziologischen Fallstudien exemplarisch nachgegangen werden. Es stehen Ansätze wie Ergebnisse vor allem empirisch ausgerichteter Forschungsarbeiten im Mittelpunkt, die die Gleichzeitigkeiten wie Ungleichzeitigkeiten von Entwicklungen beschreiben. Nicht das gesamte Spektrum der Geschlechterbeziehungen kann aufgegriffen werden, vielmehr erfolgt eine Konzentration auf die Bereiche Arbeit/Erwerbsstrukturen/Familie und Überlebensstrategien.

Arbeitsgruppe 4: Brechungen der Moderne in der Literatur Mit dem Eintritt in die Weltgesellschaft der 'modernen' Nationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts wird die lokale Problemstellung Lateinamerikas als dynamischer Faktor auf global-kontinentaler Ebene erfaßt. Aufgrund der damals existierenden weitgehenden Unkenntnis der lokalen Begebenheiten funktionierte diese Perspektive zunächst als visionäre Utopie, in deren Rahmen verschiedene politische und ökonomische Strategien reflektiert werden konnten. Die damit betonte dialektische Heterogenität des Kontinentalen im internationalen Dialog wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf den aufkommenden Imperialismus erneut aufgegriffen und als ästhetische, erzieherische und politische Gegenstrategie formuliert. Dieser historische Hintergrund einer kontinentalen Globalisierung lokaler Begebenheiten ist die Grundlage für die Internationalisierung der Literatur seit den 20er Jahren, die sich durch Widerstand gegen die Entfremdung hinsichtlich der eigenen

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geographischen, historischen und geistigen Umwelt auszeichnet und damit die Partikularität des Eigenen aus einer universellen Perspektive erschließt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wird diese lateinamerikanische Variante des Widerstandspotentials gegen moderne Homogenisierung im politisch-sozialen Denken z.B. der kubanischen Revolution, der Guerilla eines Che Guevara oder der sogenannten Dependencia-Debatte mit einer weltweiten Kampfansage gegen die Folgen einer weiter bestehenden kolonialen Wirtschaftspolitik verbunden. Dieser Diskurs geht direkt in die Werke verschiedener Erzählautoren des 'Booms' ein und in der heutigen Debatte über die Postmoderne Modernität werden mehrere von deren Werken als exemplarisch für diesen 'Zeitgeist' gefeiert, ohne daß jedoch die Referenz am eigenen globalen historischen Projekt mitberücksichtigt wird. Auf lokaler Ebene findet die Auseinandersetzung mit dem Projekt der Moderne im 20. Jahrhundert zunehmend ihre räumliche Konkretisierung im informellen städtischen Sektor, wo sie sich im Rahmen des rasanten Urbanisierungsprozesses auf kultureller, geschlechtlicher, ethnischer, religiöser und sozialer Ebene in Widerstandspotential gegen Vereinnahmung und Homogenisierung umsetzt. Diese Entwicklung wird von den Kulturträgern zunehmend verarbeitet und im Hinblick auf kulturelle Lebensmuster im informellen Sektor auf globaler Ebene thematisiert. Zur Darstellung des Spannungsfelds zwischen dem wachsenden Einfluß der Massenmedien und der Konsumgesellschaft und den lokalen historischen Interpretationen und Ritualen im Überlebenskampf nehmen die Schriftsteller zunehmend auch anthropologische und soziologische Feldstudien sowie publizistische Analysen zur Kenntnis. Der lateinamerikanische Diskurs wird hiermit erneut mit einer Reaktion auf die Moderne aufgegriffen. Die wichtigsten Beiträge der vier Arbeitsgruppen sind in den vier Kapiteln dieses Bandes wiedergegeben, von denen jedes von einem Vorwort der Arbeitsgruppenleiter bzw. -leiterin eingeleitet wird, die auch die Beiträge zusammengestellt haben6. Die Endredaktion lag bei Volkmar Blum; Layout und Druckvorlage wurden von Urs Müller-Plantenberg erstellt. Der die Tagung einleitende Vortrag von Carlos Monsiväis ist am Ende wiedergegeben. Danken möchten wir an dieser Stelle der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die die Durchführung der Tagung finanziell unterstützte. Herrn Briesemeister und dem Iberoamerikanischen Institut der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gebührt Dank für die großzügige Bereitstellung ihrer Räumlichkeiten. Den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Lateinamerika-Instituts möchten wir für ihren engagierten organisatorischen Einsatz und ihre umfangreiche Schreibtätigkeit danken, ohne die weder 6

Die Arbeitsgruppenleiter(in) stellten uns auch ihre Texte zu den Arbeitsgruppen für diese Einleitung dankenswerterweise zur Verfügung. Durch die notwendigen Kürzungen möglicherweise entstandene inhaltliche Veränderungen liegen allerdings in unserer Verantwortung.

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die Tagung noch dieser Band zustande gekommen wären. Besonderer Dank gebührt Herrn Carlos Rincón und Herrn Dieter Briesemeister, die neben ihrem inhaltlichen Engagement auch finanzielle Mittel zur Veröffentlichung dieses Tagungsberichts einbrachten. Literatur: (Zitierte Literatur und die wichtigsten Veröffentlichungen der Tagungsteilnehmer) Altvater, Elmar (1987), Sachzwang Weltmarkt. Verschuldungskrise, blockierte Industrialisierung und ökologische Gefährdung. Der Fall Brasilien, Hamburg Baibieri, M. Teresita De (1984a), Incoporación de la mujer a la economía de América Latina. In: Memorias del congreso latinoamericano de población y desarrollo, Vol.l, México, S.355389. Barbieri, M. Teresita De (1984b), Mujeres y vida cotidiana. Estudio exploratorio en sectores medios y obreros de la Ciudad de México. México (SEP80) Barbieri, M. Teresita De/Oliveira, Orlandina de (1987), La presencia de las mujeres en América Latina en una década de crisis. Santo Domingo Bieber, León; Castedo Franco, Eliana; Mansilla, H.C.F. (1988), Informelle Wirtschaft und soziopolitische Entwicklung in Bolivien. Umwandlung der Machtelite, Wertewandel und Erosionsprozeß staatlicher Legitimität: 1980-1990. Förderungsantrag zur Vorlage bei der Stiftung Volkswagenwerk (unter Mitarbeit von Volker Lühr) Berlin Blum,

Volkmar (1989), Zur Organisation kleinbäuerlichen Wirtschaftens. Entwicklungstendenzen, Erklärungsansätze und Fallstudien aus den östlichen Anden Südperus, Saarbrücken/Fort Lauderdale

Braig, Marianne (1984), Frauenarbeit im Entwicklungsprozeß: eine leise Revolution? In: Lenz, Ilse/Rott, Renate 1984, S.51-85. Braig, Marianne (1989), Gesellschaftliche Transformationen und Wechselwirkungen von Erwerbssystem, Privathaushalten und Familien. Historische Betrachtungen über städtische Arbeitsmärkte und Familienformen. Empirische Untersuchungen zum feminisierten formellen Dienstleistungssektor. Fallstudie über Guadalajara/Mexiko. Diss. Fachbereich für Philosophie und Sozialwissenschaften I der FU Berlin Briesemeister, Dietrich (1983), Die Rezeption der brasilianischen Literatur in den deutschsprachigen Ländern. In: Lateinamerika-Studien, Bd. 13, T. 1, München, S. 165-192. Briesemeister, Dietrich (1984), La Recepción de la literatura española en Alemania en el siglo XVIII. In: Nueva Revista de filología hispánica, Nr. 1, T. 33, Mexico, S. 285-310. Bunker, Stephen (1985), Underdeveloping the Amazon. Extraction, unequal exchange and Che failure of the modern State. Urbana and Chicago

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Wirtschaftskrise und Entschuldungsmechanismen: Lokale Entwicklungen - Globale Lehren Manfred Nitsch

Vorwort Auftrag an die Arbeitsgruppe

Laut Gesamtkonzept der Tagung hatten die Arbeitsgruppen den Auftrag, über "allgemeine theoretische Konstrukte" neu nachzudenken, denn "konkrete Entwicklungen in bestimmten Lokalitäten vollziehen sich in Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Auswirkungen globaler Vergesellschaftungsprozesse", häufig ohne daß - so ist hinzuzufügen - der Nationalstaat als Mittler und Identitätsstifter auf wirksame Weise zwischen lokal und global eingeschaltet wäre. Die implizite Orientierung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften auch in Lateinamerika an einer stets nationalstaatlich verfaßten "Gesellschaft", "Wirtschaft" oder "Politik" sollte in Frage gestellt werden. Die generelle Arbeitshypothese der Tagung lautete, daß der Staat und die nationalen Regierungen in Lateinamerika (und vielleicht darüber hinaus) schwach seien, wenn auch zuweilen der Staatsapparat wegen seines Umfangs als "schwacher Riese" zu charakterisieren wäre, daß also lokale und globale Prozesse zunehmend direkt miteinander zusammenhingen und der nationale Staat bei der Bewältigung der Probleme häufig nicht sonderlich nützlich wäre. Auf der Suche nach solchen Zusammenhängen im wirtschaftlichen Bereich und nach neuen theoretischen Konstrukten hatte sich die Arbeitsgruppe zwei Regionen zugewandt - Amazonien und der Karibik. Anhand von Amazonien wurden sowohl die "Inwertsetzung" seiner Ressourcen im Rahmen des allgemein herrschenden Modells der globalen Zivilisation als auch die neue Interessenparallelität zwischen den Völkern des Waldes und der internationalen Öffentlichkeit im Hinblick auf den Schutz des tropischen Regenwaldes thematisiert. Bei der Karibik ging es um das Drogenproblem und den Massentourismus im Lichte des von der Verschuldungskrise erzwungenen Exportdrucks.

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Amazonien: Debt for (and against) Nature In ihrem einführenden Referat stellte Ciarita MUller-Plantenberg auf die unterschiedlichen "Rationalitäten" von lokalen, insbesondere indianischen Kulturen und dem globalen Zivilisationsmodell ab und referierte auch im einzelnen die Forderungen der indianischen Organisationen gegenüber nationalen und internationalen Stellen. Eine ganzheitliche "Wissen"-schaft und eine Unterstützung der Forderungen nach Zueignung von Nutzungsrechten für große Waldgebiete sowie nach Gestaltung des Kontakts mit den modernen nationalen Gesellschaften gemäß den eigenen Prioritäten der lokalen Gruppen von Indianern, Caboclos und Kleinbauern würde auch den globalen Interessen entgegenkommen. Diesem Appell setzte Francisco de Assis Costa eine eher pessimistische Analyse der "Brasilianisierung", also der internen Verarbeitung des internationalen Sogs auf die Ressourcen Amazoniens und ihre Nutzung ebenso wie des kürzlich aufgetretenen Engagements und Drucks auf die Erhaltung des tropischen Regenwaldes, entgegen. Die unter dem Stichwort "Internationalisierung Amazoniens" geführte Diskussion in Brasilien bewirkte, daß zwar mit José Lutzenberger ein führender Umweltschützer Staatssekretär geworden sei, daß jedoch die Umweltbehörde IBAMA sich bei der praktischen Durchführung als sehr problematischer "Filter" erweise: Beispielsweise würden im Namen des Schutzes von Wildtieren Kleinbauern und Caboclos entwaffnet, - mit der Konsequenz, daß sie sich bei Landkonflikten gegen die Pistoleiros der großen Holz- und Viehfirmen nicht mehr wehren könnten; die Bindung von Krediten an Genehmigungen des IBAMA führe zu Korruption und Benachteiligung kleiner Siedler, etc. Der "Filter" ist also keineswegs ein "Kaffeefilter", welcher die reine Essenz des von außen Hineingegebenen nach innen weitergibt, sondern eher ein Lichtfilter oder Prisma, welches die Gegenstände in ganz anderem Licht erscheinen läßt als von außen intendiert. Costa hat uns auf das "Stille-Post-Problem" aufmerksam gemacht, welches darin besteht, daß die mehrfache Übersetzung von einer Ebene auf die andere und von einem Teilsystem der (Welt)Gesellschaft in ein anderes die Botschaft bis ins Absurde oder Gegenteilige verzerren kann. Damit werden die Analyse der "Schnittstellen" bei der Übersetzung eines "Codes" in einen anderen (vgl. Luhmann 1988b) und die Einrichtung von "Übersetzer-Werkstätten" wichtige Forschungsdesiderata. An der anschließenden Podiumsdiskussion über die Frage der Verbindung von Entschuldung und Schutz tropischer Wälder nahmen teil: Prof. Dieter Oberndorfer (Arnold-Bergsträsser-Institut und Universität Freiburg), der in seinem Gutachten für das Bundeskanzleramt (1989a) für eine Verbindung der beiden Problemkomplexe plädiert und sich sehr kritisch mit dem Konzept der "nachhaltigen Nutzung" tropischer Regenwälder ("Holzweg"; vgl. 1989b, S. 103) auseinandergesetzt hat;

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Prof. Elmar Altvater (Otto-Suhr-Institut/FB Politische Wissenschaft der FU Berlin), der seit mehreren Semestern das interdisziplinäre Amazonien-Seminar am LAI mit organisiert hat, Gastprofessor in Bel6m war und sowohl über die Verschuldungsprobleme (Altvater et al. 1987) als auch über Brasilien und speziell Amazonien gearbeitet hat (1987, 1991) und ebenfalls für eine Verbindung der Themen in einem Konferenzzusammenhang plädierte; sowie Dr. Dieter W. Benecke (Vorstandsmitglied von Inter Nationes, Bonn), der sich eher skeptisch über die Verbindung der beiden Themen aussprach. Der eingeladene Vertreter des World Wide Fund for Nature (WWF) hatte in letzter Minute abgesagt, aber ich habe als Diskussionsleiter versucht, die WWF-Position (siehe unten sowie European Conference 1990) mit einzubringen. Es bestand Einigkeit, daß "Debt-Nature Swaps" im Umfang von wenigen Millionen US$, wie sie von Nichtregierungsorganisationen wie dem WWF durchgeführt worden sind, quantitativ weder eine fühlbare Schuldenentlastung, noch eine Rettung des Regenwaldes bringen können, daß sie aber öffentlichkeitswirksam sind und den Weg für Lösungen im großen Stil eröffnen könnten. Es blieb jedoch offen, wie umfangreich eigentlich die Tagesordnung einer entsprechenden Konferenz bzw. Konferenz-Serie sein müßte. Einvernehmen bestand dagegen wieder darüber, daß der Regenwaldschutz keinen Aufschub dulde und jeder auch nur halbwegs taugliche Ansatz weiterverfolgt werden sollte. Was man jetzt schon wisse und tun könne, solle man tun, auch ohne Einigkeit über eine "optimale" Lösung (nachhaltige Nutzung, vollständige Tagesordnung o.ä.) vorauszusetzen. - Das fuhrt hin zum theoretischen Konstrukt einer Entscheidungstheorie, die nicht von einer "First-best-Lösung", vollkommener Information, Entscheidung unter Sicherheit, etc. her operiert und davon allenfalls "Second-best"-Abstriche macht, sondern eine solche, die von vornherein auf das Hinwegbewegen von offensichtlichen Gefahren und unerwünschten Situationen orientiert ist, die also in erster Linie den GAU (Größten Angenommenen Unfall) vermeidet, das pragmatische Risikomanagement in den Vordergrund stellt und so komplexen Entscheidungsprozessen besser gerecht wird.

Karibik: Das Geschäft mit dem Rausch An die Referate von Beate Ratter und Wolf-Dietrich Sahr über Drogenhandel und Tourismus schloß sich eine Diskussion an, die die Bedeutung gerade des Rauschgifts für die karibischen (und die andinen) Länder unterstrich und - über Rausch, Traum, Eskapismus und Exotik - eine gewisse Parallele zwischen beiden Themen zog. Dabei wurde der Begriff "Komplex", der von der Referentin und dem Referenten ausdrücklich eingeführt worden war, hin und her gewendet, ob er wohl eines

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der von uns erwarteten "neuen theoretischen Konstrukte" abgeben könnte. Wie nicht anders zu erwarten, gab es angesichts der kurzen Zeit dazu keine erschöpfende Antwort, aber mein eigener Schluß ist, daß es für die Analyse sehr nützlich sein kann, gedanklich zusammenhängende "Komplexe" aus den unterschiedlichsten Ebenen und Bereichen herauszupräparieren, auch wenn für ihre Modellierung keine einheitliche Theorie zur Verfügung steht. In Ergänzung dazu könnte gerade die Luhmann'sche Theorie selbstreferentieller sozialer Teilsysteme (1988a), die auf die jeweils eigenen Codes der Wirtschaft, des Rechts, des Erziehungssystems, der Wissenschaft, etc. der modernen Gesellschaft abstellt, den Blick dafür schärfen, daß Menschen sich eben in "komplexeren" Zusammenhängen als nur in den jeweiligen Teilsystemen bewegen. Wie oben schon bei den ökologischen Fragen angesprochen, bedarf es der bewußten, kritischen Übersetzung zwischen den Codes, wenn die in der Realität erfolgende "Filterung", beispielsweise Geldwäsche bei Drogen, erkannt und aufgedeckt werden soll. Die Diskussion über Drogen und Rausch leitete über zur Formulierung der eingangs aufgestellten Arbeitshypothese über die Schwäche des nationalen Staates als "Ich-Schwäche" (Deutsch/Senghaas 1972: 150). Das zugrunde liegende theoretische Konstrukt geht von folgender Analogie aus: "Wie beim Individuum das Ich die dreifache Aufgabe der Vermittlung zwischen Es, Über-Ich und Realität zu erfüllen hat, so muß auf nationalstaatlicher Ebene die Regierung vermitteln zwischen den Tagesforderungen der Interessengruppen, den verinnerlichten Ansprüchen der nationalen und supranationalen Kultur sowie den Realitätszwängen der Außenwelt und den konkurrierenden Akteuren im internationalen System." (ibid.) Insgesamt erwies sich die These von der direkter werdenden Interaktion zwischen globalen und lokalen Phänomenen bei den gewählten Beispielen aus Amazonien und der Karibik als eine interessante Herausforderung an die Teilnehmer der Arbeitsgruppe. Die in die Debatte eingebrachten theoretischen Konstrukte - von dem an der indigenen Rationalität orientierten ganzheitlichen Wissenschaftsbegriff über den "Filter" und die Übersetzung von einem Code in den anderen, die Entscheidungstheorie "Weg-vom-GAU" statt "Hin-zum-Optimum", den "Komplex" und die "Ich-Schwäche" - können vielleicht dazu beitragen, der generellen Fragestellung der Tagung über das Arbeitsgruppenthema "Wirtschaftskrise und Entschuldungsmechanismen" hinaus analytisch näherzukommen.

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Ciarita Müller-Plantenberg

Amazonien - Lokales Wissen und globale Zerstörung Global definierte Entschuldungsmechanismen: Wirtschaft und staatliche Behörden in den Regionen Amazoniens zwischen "Ökonomie der verbrannten Erde" und Nachhaltigkeit Die staatliche Durchsetzung der Exportpolitik ohne Röcksicht auf die dadurch verursachte, oftmals irreversible Zerstörung in den Amazonasländern drängt den Beobachtern die Frage auf, wer die langfristigen Wirtschaftsinteressen im Auge hat. Warum sind die Staatsmacht und ihre regionalen Vertretungen nicht entschiedener bereit und in der Lage, eine nachhaltige Bewirtschaftung durchzusetzen? Warum werden vorhandene nachhaltige Wirtschaftsweisen nicht effektiver geschützt? Sehen wir uns drei Beispiele an, die diese Frage verdeutlichen und die Aufstellung von Hypothesen für ihre Beantwortung ermöglichen:

(1) Staat - indianisches Recht auf Territorien In Brasilien, einem Staat, der qua Verfassung von 1988 das Recht indianischer Völker auf ihre Gebiete verankert hat, ist die Realität sehr weit von dem Gesetz entfernt. Extremfälle, die jedoch keine völligen Ausnahmen sind, machen deutlich, daß regionale staatliche Institutionen nicht nur nicht sorgsam über die Verhinderung von Invasionen in indianisches Land wachen, sondern in einzelnen Regionen sogar selbst die Beeinträchtigung dieses Landes organisieren. Im Norden Brasiliens schauten die staatlichen Behörden untätig zu, wie Goldsucher illegal in das Gebiet der Yanomami-Indianer einflogen. Die brasilianischen Militärs erklärten im Widerspruch zur Verfassung Gebiete Amazoniens zu ihrem Einflußgebiet, in dem sie u.a. eine gesonderte Politik gegenüber den regionalen Indianerkulturen durchführen. In Rondönia, einem brasilianischen Bundesstaat, verkaufte der Chef der staatlichen Indianerschutzbehörde offiziell Holz von Indianerland. Zwar wurde der damalige Chef der Indianerschutzbehörde Juca Filho vor ein Gericht gestellt, nicht jedoch staatlich gerügt, im Gegenteil, er erfuhr eine politische Beförderung zum Gouverneur des nördlichen Territoriums Roraima.

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Dieses sind Beispiele für die de-facto-Nichtachtung der territorialen Rechte lokaler Kulturen entgegen existierenden staatlichen Normen. In allen Fällen ist Rohstoffgewinnung für den Export im Spiel, der von staatlicher Seite der Vorrang gegeben wird und der ganz offensichtlich in diesen Fällen - unabhängig vom herrschenden Recht - eine Handlungsmotivation nicht nur für die privaten Akteure, sondern auch für die staatlichen Stellen darstellt. Die Nichtachtung nachhaltiger Wirtschaftsweisen, die von jenen in Anlehnung an indianische Tätigkeiten entwickelt wurden, die vor Generationen in den Wald gezogen sind und ihn bewirtschaften, ohne ihn zu zerstören, wie zum Beispiel der Kautschukzapfer, wurde in Brasilien inzwischen bis zu einem gewissen Grade auf gesetzgeberischer Ebene überwunden. Bereits fünf Sammelreservate von Kautschukzapfern sind rechtlich anerkannt, nachdem der Nationale Rat der Kautschukzapfer seit 1985 um diese Gebiete gekämpft hat. Andererseits jedoch sind die regionalen staatlichen Behörden in den offiziell eingerichteten Sammelreservaten immer noch nicht in der Lage, Leben und Wirtschaften der Kautschukzapfer zu garantieren. Der Polizeischutz bedrohter Kautschukzapfer stellt keine Garantie für Leib und Leben der nachhaltigen Produzenten dar, und die Fähigkeit der Rechtsanwälte und Richter, die in ihnen begangenen Verbrechen zu ahnden, ist gesellschaftlich so gut wie gar nicht vorhanden. Rechtlich aufgeklärte und geahndete Mordfälle sind selten und stellen die Ausnahme dar. Die nachhaltigen Produzenten werden jedoch nicht überall in derartig eklatanter Weise verkannt. In Kolumbien mußten Generationen von Indianern für ihre Recht kämpfen, bis die Regierung einsah, daß die Indianer die besten nachhaltigen Schützer der Wälder Amazoniens sind. 18 Millionen Hektar wurden ihnen bisher zurückgegeben - mit ausdrücklicher Würdigung ihrer überlegenen Fähigkeiten, eine langfristige Garantie für den Wald darzustellen, solange ihre Autonomie und Landrechte gesichert seien.

(2) Staat - indianische Autonomie und Selbstbestimmung Die Nichtachtung indianischer Wirtschaftsweisen ist so alt wie der Kolonisationsprozeß. Getrieben von Rohstoffgier und beflügelt vom Sendungsbewußtsein der vermeintlich überlegenen Religion bzw. Wissenschaft waren die meisten Eroberer, Priester und Wissenschaftler blind für das Wissen der anderen Kulturen. Die auf einer breiten Kenntnis des komplexen Ökosystems basierende Anpassung und Bewirtschaftung durch entsprechend vielfältige Tätigkeiten wurden als unzulängliche Ausbeutung der Natur gewertet. Als Beispiel kann hier die Situation der Waimiri-Atroari-Indianervölker nördlich des Amazonas genannt werden. Sie wurden seit Ende des letzten Jahrhunderts von

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Paranußsammlern bedrängt, in ein nördlicheres Gebiet vertrieben und dann nacheinander von einem Straßenbau durch ihr Gebiet, der Ansiedlung eines Bergbauuntemehmens an einem ihrer Flüsse und dem Bau eines Wasserkraftwerkes an einem weiteren Fluß eingeengt, worüber ihre Bevölkerungszahl auf etwa ein Zwanzigstel von über 6.000 auf 350 Personen zusammenschmolz. Die Indianerschutzbehörde bot ihnen Unterstützung bei der Einrichtung von Rinderweidewirtschaft an in völliger Verkennung ihrer vielfältigen Bewirtschaftungsweise des labilen, vielfältigen Ökosystems. Für die Waimiri-Atroari war der Sinn dieser neuen Wirtschaftsweise nicht im entferntesten zu begreifen. So standen sie bewundernd vor den Tieren, gaben ihnen, was sie hatten, und dachten gar nicht daran, die Tiere als Fleisch auf dem Markt zu verkaufen. Kulturen mit unterschiedlichen Rationalitätskriterien prallen aufeinander. Bewertungsmaßstäbe dessen, was als rational betrachtet wird, klaffen auseinander.

Indianische Rationalität

" Fortschritts" -Rationalität

Erhaltung der Vielfalt zur Befriedung vielfältiger Bedürfnisse; Tausch bzw. Vermarktung nur von Überschüssen

Maximierung der Marktproduktion und damit des monetären Gewinns, daher oft monokultureller Anbau bzw. einseitige Rinderweidewirtschaft Fehlen einer umfassenden Kenntnis des Ökosystems (der Arten und ihrer Beziehungen untereinander), daher weitgehende Unkenntnis der Bedingungen für die Erhaltung der Regeneration von Flora und Fauna

Erhaltung der Regeneration von Flora und Fauna auf der Basis eines umfassenden Wissens von dem Ökosystem

Optimierung der Nutzung jahreszeitlicher Rhythmen (Wasserstandsschwankungen, etc.)

Ungenügende Kenntnis der jahreszeitlichen Rhythmen und ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Relevanz

Erfahrungswissen aufgrund der Mensch-Natur-Beziehung zentral für Schutz und Nutzung des Ökosystems

Unabhängig vom Ökosystem und der spezifischen Mensch-NaturBeziehung gewonnenes Wissen wird zur Maximierung der Rohstoffgewinnung eingesetzt.

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(3) Staatliche "Schutzpolitik" - Verdrängung der Schützer Die staatliche Schutzpolitik für die Wälder sieht in den meisten Amazonasländern eine Stillegung von Waldgebieten als Naturschutzgebiete - mit gewissen Ausnahmen zur gezielten Ressourcenausbeute - vor. Schutz wird also - mit Ausnahme Kolumbiens und einzelner staatlicher Behörden in anderen Amazonasländern - überwiegend nicht nur nicht mit den Indianern realisiert, sondern gegen sie. Mit der Einrichtung von Schutzgebieten geht oft genug eine Beschneidung der Rechte lokaler Kulturen einher. Betrachtet man das Ergebnis, so ist man versucht zu sagen, daß die Unter-Schutz-Stellung durch staatliche Behörden oftmals das genaue Gegenteil erreicht: Indem sie die indianischen Gesellschaften schwächt, vernichtet sie die Möglichkeit des langfristigen Schutzes durch indianische Völker, die das Schicksal ihrer zukünftigen Generationen an die Weiterexistenz der umsichtig und ehrfurchtsvoll bewirtschafteten Wälder und Flüsse knüpfen. Beispiele hierfür sind der Yasuni-Park in Ekuador, in dem die Huaorani-Indianer die Folgen einer Ressourcenausbeute und die Nichtachtung ihrer Rechte erleiden, aber auch das Gebiet der Chimanes-Indianer, das unlängst ohne ihr Wissen gegen Schulden getauscht wurde und wo nun ebenfalls bereits umfangreiche Bewirtschaftungspläne unter Vernachlässigung und Nichtachtung indianischer Rechte von außen konzipiert wurden. 1.500 Indianer haben sich im August 1990 aus diesem Gebiet auf einen Marsch zur Hauptstadt begeben, um auf diese Mißstände aufmerksam zu machen, die den Schutz des Waldes und damit ihres Lebens in dem Gebiet ernsthaft gefährden.

(4) Staatsapparat in den Regionen und Implementierung der Entschuldungsmechanismen: Weg zur globalen Zerstörung versus Schutzstrategie zur Stärkung langfristiger Ökonomien Die oben dargelegten Beispiele für die Beziehungen zwischen regionalen staatlichen Behörden und lokalen Kulturen in verschiedenen Amazonasländern legen die Aufstellung von Hypothesen zum Verhältnis von globaler Vergesellschaftung und lokalen Kulturen dar: (a) Die de-facto-Mißachtung von de jure anerkannten Rechten lokaler Kulturen in diesem Falle der Indianer - durch regionale staatliche Behörden spiegeln die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft auf Tätigkeiten, die eine kurzfristige betriebswirtschaftliche Gewinnmaximierung ermöglichen, wider. Durch diese versprechen sich die Staatsangestellten eher einen "Fortschritt". Die Förderung der Exportproduktion zur Zahlung der Schuldendienste ("Entschuldungsmechanismus") scheint so ebenfalls eher gewährleistet.

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(b) Indem staatliche Stellen dem "Entschuldungsmechanismus" Vorrang vor dem Schutz der lokalen Kulturen lassen, verpassen sie es, die Grundlage für langfristig ökonomische Nutzungsweisen zu sichern.

Lokale Entwicklungen und lokales Wissen: Die Voraussetzungen für ihre Erhaltung als Garanten einer langfristigen, nachhaltigen Ökonomie in der Region Die Wahrnehmung der Krise unserer eigenen Kultur eröffnet die Chance, die Wurzeln anderer Kulturen und ihre Andersartigkeit umfassend zu begreifen. Diese Andersartigkeit macht sich in den Kulturen der Völker des Waldes gerade auch in der Art des Wissens und seiner Tradierung fest ( D . A . Posey 1983, 1990; N . Meyers 1988).

(1) Charakter der global herrschenden Wissenschaften und des lokalen Wissens - Gefahrdung und Neuverankerung W i r leben in einer Gesellschaft, in der die Wissenschaften direkt als Instrumente und als Legitimation für die Eroberung und die wirtschaftliche und politische Unterjochung anderer Gesellschaften gedient haben. Im

nunmehr

fast

500

Jahre

währenden

Prozeß

der

Unterwerfung

des

lateinamerikanischen Kontinents hatte gewiß zunächst die Religion die Rolle der legitimierenden Instanz inne, sie verlieh den Eroberern das Sendungsbewußtsein. Bald darauf wurde sie in dieser Funktion ersetzt durch die Wissenschaft, aus der die Eroberer ihre vermeintliche Überlegenheit in der Naturbeherrschung ableiteten. Dieses

Selbstverständnis

wurde

und

wird

immer

heftiger

in

den

Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften und Technikwissenschaften hinterfragt. Die Stoßrichtung der Kritik war zunächst politisch, in wessen Interesse denn geforscht und wessen Interessen in der Thematik und durch die Methode der Forschung ausgegrenzt bleiben (Orlando Fals Borda 1970, Gerardo Budovski 1972, C. Müller-Plantenberg

1979, Robin Wright 1988, Rainer Buchwald/Robert Dilger

1989 u.a.). Dann zielte die Kritik auf die falsche Grenzziehung und Definition einer Wissenschaft, der Ökonomie, die - mit der Ausnahme weniger Autoren - die Natur und damit die eigentliche Grundlage allen Wirtschaftens ausgeblendet hatte (Juan Martinez Alier 1987, Hans Immler 1989 u.a.). Schließlich galt die Kritik dem Erkenntnisinteresse bei der Erforschung von Naturgesetzen (Iring Fetscher 1980 u.a.). Werden diese Forschungsergebnisse nicht in eine an ethischen Werten orientierte gesellschaftliche Planung einbezogen, die die Grenzen der Regeneration der

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Natur wahrt, so werden die Ergebnisse dieser Naturwissenschaft zu wegbereitenden Elementen einer Technik zur Vernichtung der Zukunft. Nicht alle Kulturen nutzen die Fortschritte in der Naturerkenntnis zu einer Steigerung der Naturbeherrschung und schränken damit die Vernunft auf die instrumentelle Vernunft ein. Für jene, die Wissen zur Maximierung der Naturbeherrschung einsetzen, war und ist das Ziel des Wirtschaftens immer stärker mit dem Streben nach und der Behauptung von Machtpositionen verbunden. Weiterhin existieren jedoch Gesellschaften - so z.B. in den tropischen Regenwaldgebieten -, in denen die Kenntnis der Naturgesetze gesellschaftlich verankert ist und so eine optimale Anpassung an die natürlichen Lebensgrundlagen erreicht. Hier gewinnen jene gesellschaftliche Macht, die diesem gesellschaftlichen Ziel am meisten zur Durchsetzung verhelfen (vgl. Sabine Peter und Markus Hildebrand 1989, Fetscher 1980). Mit dem Desinteresse an der Beziehung zwischen Gesellschaften - mit all ihren Bedürfnissen - und ihrem je spezifischen, begrenzten Ökosystem ging der Blick auf das Ganze verloren; die Erforschung der Naturgesetzlichkeiten wurde vielmehr Partikularinteressen unterstellt. Die Wissenschaften wurden in einer Weise in Teilbereiche aufgeteilt, daß der Blick auf die Beziehung der Menschen zu ihren natürlichen Lebensgrundlagen regelrecht verstellt wurde. Damit wurde auch der Kommunikation über die übergeordneten ethischen Fragen weitgehend die Plattform entzogen. Alle Auseinandersetzungen jenseits der strengen fachwissenschaftlichen Grenzen wurden als unwissenschaftlich abgetan. Einzelne Vertreter, ja ganze Wissenschaftszweige haben inzwischen die Absurdität eingesehen, wagen sich durch die Einbeziehung gesellschaftspolitischer Fragen hervor und setzen sich bewußt dem Vorurteil aus, durch die Postulierung von Werturteilen den Boden der Wissenschaft zu verlassen. Ein anderes Wissenschaftsverständnis als das bei uns vorherrschende ist möglich. Die Sicht auf die Gesamtheit ist noch möglich oder wird zurückerobert. In anderen Kulturen, die an ethischen Werten orientiert sind, ist sie noch vorhanden. Das Lernen von diesen anderen Kulturen (Müller-Plantenberg 1989, a, b, c) ist daher gleichbedeutend mit der Beteiligung an einer Kultur des Lebens. Zum Studium der ursprünglichen Kulturen möchte ich u.a. auf die Arbeiten von Reichel-Dolmatoff, Norman E. Whitten, Darrell Posey, Roberto Carneiro, W.E. Kerr, Berta Ribeiro u.a. verweisen. Darrell A. Posey, ein nordamerikanischer Ethnobiologe, der lange in Brasilien die Kenntnisse der Kayapó-Indianer über ihr Ökosystem untersucht hat, bezeichnet das indianische Wissen und seine Entwicklung als eine ideologische Brücke in die Zukunft. "... Das Verständnis der Indianer von ökologischen Zonen, Pflanzen, Mensch-Tier-Beziehungen und der Bewahrung natürlicher Ressourcen hat sich

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durch zahllose Generationen des Experimentierens entwickejt ..." (Posey 1983, S. 877 u. 879). Das Wissen ist eng mit den Glaubensvorstellungen verbunden. Nach Posey basiert das Glaubenssystem der Kayapö, ähnlich dem der Desäna-Indianer, auf einem umfassenden Glauben an einen Energieausgleich. Alle lebenden Wesen sind mit der universellen Energie ausgestattet, und daher muß alles Leben geschützt werden. Der kolumbianische Anthropologe Gerardo Reichel-Dolmatoff schreibt über die Desäna-Indianer am Oberlauf des Rio Negro: Sie seien langfristig denkende Praktiker. Ihre Philosophie zeige, daß hinter den alltäglichen Handlungen eine Ethik des Lebens bestehe. Anders als die Christen nähmen sie an, daß der Schöpfungsprozeß nicht beendet sei, sondern stets noch andauere. Ihre Religion ginge davon aus, daß die vorhandenen Ressourcen endlich seien. Alle Energie, die beim Ernten, Jagen und Fischen aufgewendet würde, müsse daher wiederhergestellt werden, sei es durch Essensaufnahme oder durch Pflanzen und Züchten. Die Aufgabe der Menschen sei es, innerhalb eines bedrohten, degradierenden Ökosystems für Kontinuität und Gleichgewicht zu sorgen. Dafür sei ein bestimmtes Wissen über die Gesamtheit von Pflanzen und Tieren und deren genetische Vielfalt notwendig. Sie gehen davon aus, daß ökologisches Planen eine vollständige Erhebung des Bestandes erfordere. Also wird das Fischen und das Jagen gemäß ihrer Kenntnisse über Vorkommen und Vielzahl der Arten reglementiert. Weiterhin sei für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur das Wissen über Zusammenhänge in der Natur eine notwendige Voraussetzung (Gerardo Reichel-Dolmatoff, 1976). Der nordamerikanische Anthropologe Norman Whitten, der im ecuadorianischen Amazonasgebiet lebte, gibt zu bedenken, daß " ... die kosmologischen Systeme der amazonensischen Völker in Bezug zu dem tatsächlich existierenden komplexen Gewebe der natürlichen und der kulturellen Beziehungen - der Ökologie - zu verstehen sind, die einen lebendigen Bezugsrahmen für menschliches Denken, Reflektion und religiöse Erfahrung ... liefern. Hier gibt es keinen dieses verdeckenden Überbau ... Dagegen finden wir eine enthüllende kosmologische Logik, die den Impetus für die Ausübung von Kontrolle und Macht liefert und über die der soziale Protest kanalisiert und in die Wege geleitet wird. Das heißt nicht, daß auf diese Weise durch ökologische Vorstellungen geistig motivierte und so kognitiv durch ökologische Kenntnisse angeleitete eingeborene Völker unfähig sind, innerhalb der Grenzen moderner Bürokratien zu arbeiten ... Genau das Gegenteil ist gemeint ... Die Lehre sollte nun klar sein: um ökologisch, sozial und ideologisch mehr über amazonensische Systeme zu verstehen, müssen wir den eingeborenen Völkern Amazoniens zuhören. Ihre Stimmen dürfen nicht weiterhin ohne Aufmerksam-

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keit angehört, mißachtet, zurückgewiesen und lächerlich gemacht werden, was im allgemeinen der Fall war - mit der Ausnahme der technischen Berichte einiger Anthropologen. Diesen Stimmen aufmerksam zuzuhören, schließt ein tiefes philosophisches, erkenntnistheoretisches und wissenschaftliches Anliegen und eine Verpflichtung gegenüber einer anderen Kosmologie mit ein." Norman Whitten fährt fort, die bisher eher advokatorisch übernommene Rolle bei der Verteidigung der Völker und des Waldes in ihr genaues Gegenteil zu verkehren, indem er zu Recht deren Bedeutung für unsere - als sozio-kulturelle Sackgasse zu charakterisierende - Situation hervorhebt: "Ebenso wie die buddhistische und die Hindi-Religion einen starken Eindruck auf einige der wichtigsten Denkerinnen, Philosophinnen, Studentinnen, Wissenschaftlerinnen und Staatsmänner/-frauen gemacht haben, denen selbst die südoder südostasiatischen Lebensweisen fremd waren, so könnten die amazonensischen Religionen und ihre eingeborenen amerikanischen Sprecher dort und in anderen Religionen die soziale Bosheit, die zur Zeit über dieses große Ökosystem der Welt hereinbricht, abändern. Boshaftigkeit kann die gesundesten biologischen Systeme überkommen und - wie man bisher gesehen haben mag - hat soziale Boshaftigkeit dieselbe Neigung. Das Heilmittel dagegen kann - um bei der gleichen Metapher zu bleiben - nicht gefunden werden, ohne daß dem jetzigen System, in dem es existiert, eine dauerhafte Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Dieses System besitzt, wie wir oben beschrieben haben, nicht nur eine natürliche Ordnung, sondern auch eine zutiefst menschliche, die eine tief verwurzelte Ordnung hervorbringt, welche auf der Kontrolle der beobachteten und erfahrenen Prozesse gegründet ist" (Norman Whitten, 1978, S. 64/65). Bildung, Ökologie, Ökonomie, Glaube und Land sind in den indianischen Kulturen engstens aufeinander bezogen. Nicht zu verwundern ist es daher, daß das Land als Leben indianischer Völker begriffen wird und ihre entwicklungspolitischen Vorstellungen auf die Verteidigung ihrer Landrechte ausgerichtet sind. Ihre Zukunft ist vor allem von der Anerkennung ihres Landes abhängig. Andernfalls werden die wahren Experten zu Opfern todbringender Entwicklung, was in Amazonien bedeuten würde, daß die übrige Welt, insbesondere die weltweit mächtigsten Nationen, nicht noch einmal davonkommen werden. Unter Beibehaltung und Sicherung der zentralen ethischen Werte durch die Betonung der Charakteristika eines eigenen Weges arbeiten die Indianerorganisationen, die in der "Koordination der indianischen Organisationen des Amazonensischen Beckens" zusammengeschlossen sind; sie haben der internationalen Öffentlichkeit gemeinsam verfaßte Papiere zur Zukunft Amazoniens und zu den indianischen Alternativen vorgelegt (COICA 1989, 1990), auf die sich unsere Aufmerksamkeit richten sollte.

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Einer Neuverankerung ihres Wissens kommt eine Schlüsselfunktion für die Erhaltung der Ökosysteme, für die Ernährung und für die Kontinuität der kulturellen Tradierung zu. Dem tragen indianische Programme zur Anlage von integralen Familiengärten auf kommunaler Ebene ebenso wie indianische Forschungszentren Rechnung. Die Koordination der Indianischen Organisationen des Amazonasbeckens formuliert die indianischen Alternativen heute folgendermaßen ( C O I C A , 1990): (a) Die beste Verteidigung der Amazonensischen Biosphäre ist die Verteidigung der Territorien, die als angestammtes Land von Indianischen Völkern betrachtet werden und die Förderung unserer Lebensweisen innerhalb dieser Biosphäre sowie unserer Bewirtschaftung ihrer Ressourcen. Dies schließt ein: (b) Die Verteidigung der Amazonensischen Biosphäre/Indianischer Territorien muß Hand in Hand gehen mit der Anerkennung und dem Respekt für die territorialen, politischen, kulturellen, ökonomischen und Menschenrechte der Indianischen Völker. Dies schließt ein: ( c ) Das Recht auf Selbstbestimmung für Indianische Völker innerhalb ihrer Umgebung/ihrem Territorium ist grundlegend für eine Garantie für das Wohlergehen der Indianischen Völker und der Amazonensischen Biosphäre. Dies schließt ein: (d) Konkrete Vorschläge für internationale Kooperation: - Programme für Demarkierung und Verteidigung des Territoriums; - Programme für Ressourcen-Management; - Programme zur Stärkung der materiellen Selbstversorgung; - Programme für die wirtschaftliche Entwicklung; - Programme zur Aufrechterhaltung einer gesunden Gemeinschaft; - Programme für zweisprachige und interkulturelle Erziehung; - Programme zur Verteidigung unserer Rechte als Völker; - Programme für Forschung und Dokumentation; - Programme für die Stärkung und für die Mitteilung unserer Stimme. Es geht den Organisationen der Indianischen Völker also zunächst um die Anerkennung ihres Landes und ihrer Autonomie sowie um die Zusammenarbeit unter indianischen Organisationen. Entwicklung ist für die Völker des Waldes keine technische Frage; - zuallererst ist es eine Frage der Autonomie und Selbstbestimmung. Dafür ist das Land das Unterpfand. In eben diesem Sinn fordert auch die soziale Gruppe der Kautschukzapfer in Brasilien die Garantie des Landes. Chico Mendes, ihr Führer, der im vorletzten Jahr ermordet wurde, formulierte in einer Rede zwei Monate vor seinem Tod folgendermaßen:

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"Die Organisation (der 1985 gegründete Nationale Rat der Kautschukzapfer) übernahm eine Idee - die sofortige Schaffung von Sammelreservaten - die seither all seine Aktivitäten bestimmt hat. Dieser Vorschlag, der später im Detail ausgearbeitet wurde, ist darauf ausgerichtet, die Rechte der Kautschukzapfer zu schützen, so daß sie weiterhin dafür arbeiten können, dazu beizutragen, den Amazonensischen Wald zu erhalten. Nach diesem Plan sollen Sammelreservate Regierungseigentum sein, deren Bewohnern das Nutzungsrecht garantiert wird, wodurch territoriale Integrität erhalten und Umweltdegradation vermieden wird. Sammelreservate werden auch die Rechte der Kautschukzapfer auf Erziehung, Gesundheit und Muße sichern; sie werden ihr Recht, die Produkte zu vermarkten, verfolgen; das Recht auf die Diversifizierung der Produktion durch die bessere Nutzung des Potentials des Waldes auf dem Gebiet der medizinischen Pflanzen, pflanzlichen Öle etc. Das wichtigste ist jetzt, den Wald vor der zerstörerischen Ausbeute durch große Firmen zu schützen, insbesondere vor den Holzfirmen, die in dem letzten Jahrzehnt 25% des Gebietes des Staates Rondônia verwüstet haben" (Francisco Mendes). Diese rechtliche und politische Forderung nach Landsicherung ist auch wissenschaftlich fundiert. Ohne Landsicherung ist die integrale Zusammengehörigkeit der Lebens- und Wirtschaftsbereiche verloren, die allein eine Garantie für die Aufrechterhaltung bzw. für die weitere Entfaltung der Kultur und Religion ist.

Globale Lehren für eine Schutzpolitik durch nachhaltige Nutzung Daß sich die dortigen Lebens- und Wirtschaftsweisen verändern werden, aber dabei den nachhaltigen Charakter beibehalten können, hat sich gezeigt. Es ist von großer Bedeutung, nicht nach einem vergangenen Idealzustand zu suchen. Die Wiederherstellung naturverbundener Lebens- und Wirtschaftsweisen kann sich auf sehr unterschiedlichen Wegen vollziehen. Dabei ist es wesentlich, daß die Charakteristika der Völker bestehen bleiben bzw. neu verankert werden können. Die kontinuierliche Weitergabe und Anwendung des tradierten Wissens über das Ökosystem und über die Art seiner nachhaltigen Nutzung ist ein grundlegendes Charakteristikum der Tieflandindianervölker (Müller-Plantenberg 1989). Es ist die Vorbedingung für seine nicht-zerstörerische Entwicklung auf dem Weg der Optimierung der Nutzung der Vielfalt von Flora und Fauna in den Grenzen ihrer Regeneration im jährlichen Rhythmus.

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Angesichts des Kulturaufpralls ist dieses Wissen gefährdet. Daher sind neue Formen der Verankerung im eigenen Ökosystem und im eigenen System des Wissens und der Kultur von strategischer Bedeutung. Amazonensische Völker verschiedener Länder haben in ihren Organisationen derartige strategische Pläne zur Erlernung und Praktizierung des Wissens über das eigene Ökosystem geplant und umgesetzt. Der kontinuierliche Lernprozeß ist in anderer Form bei ihnen neu verankert. Über die folgenden "Drei Gebote der Erhaltung des tropischen Regenwaldes" gibt es weitgehendes Einverständnis unter Wissenschaftlern und Planern (vgl. bspsw. Brose 1989): (1) Tropischer Regenwald darf nicht großflächig vernichtet werden, da sonst die nährstoffarme dünne Humusschicht vom Regen abgespült wird und der Boden unter den Sonnenstrahlen verbrennt und in der Folge verkarstet. Diese Flächen sind dann in der Zukunft einer sinnvollen regenerativen Nutzung unwiederbringlich entzogen. Daher können sich nur kleine, mit Mischkulturen bepflanzte Flächen regenerieren, wo der Sonnen- und Regenschutz sowie die natürliche Aussaat des umliegenden Waldes die Wiederentstehung eines Primärwaldes begünstigt. (2) Die Erhaltung der Tragfähigkeit der Böden erfordert lange Brachezeiten. Jedes Feld liefert von Jahr zu Jahr abnehmende Erträge; zu häufige erneute Nutzung

würde

eine

Regeneration

des

Ökosystems

verhindern

und

keine

befriedigenden Ergebnisse zeitigen. (3) Die Vielfalt von Flora und Fauna stabilisiert die Erhaltung der einzelnen Arten. Monokulturen hingegen erfordern Insektizide und Pestizide. Ihre langfristige Einführung ist in Amazonien in der Vergangenheit immer wieder gescheitert. Neben der Frage der Erhaltung und der nachhaltigen Nutzung des Regenwaldes ist es auch erforderlich, die Frage der Autonomie der Völker des Waldes zu klären. Inwieweit schließt die Beibehaltung der Autonomie der Völker und Gruppen ihre Unabhängigkeit vom Markt mit ein, und worin besteht die Besonderheit ihres Wirtschaftens. Zweifellos geht die Bedrohung durch die herrschende Wirtschaftsweise nicht nur über den W e g der Übernutzung und Erosion, sondern auch über den W e g der ökonomischen Abhängigkeit.

Diese Abhängigkeit kann eintreten von

auswärtigen

Geldgebern, von Marktbeziehungen und folglich einseitiger Produktion. In der Regel, so bestätigen Anthropologen und die Organisationen selbst, ist es ratsam, die Marktbeziehungen in Grenzen zu halten, so daß die Selbstversorgung und die überkommene Reziprozität der Wirtschaftsweise nicht aufs Spiel gesetzt werden. Auswärtige Kredite - meist für monokulturelle (einschließlich viehwirtschaftliche) Nutzung angeboten - werden von Kleinbauern immer skeptischer gesehen und sind für Kautschukzapfer und Indianer eh meist außer Reichweite.

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Die globalen - und hiesigen - Konsequenzen für die Erhaltung lokaler Entwicklungsprozesse Lokale Entwicklungen sind im Falle des tropischen Regenwaldes lebenswichtig, da Einwirkungen von außen in der Vergangenheit oft zu irreversibler Zerstörung geführt haben. So erscheint eine Entkolonialisierung der Beziehung zu den Völkern der Wälder als Möglichkeit, die zukünftigen Lebensbedingungen auf dieser Welt zu erhalten. Die Minderung der Einwirkung von außen verlangt aber auch eine Umstellung hiesiger Lebens- und Wirtschaftsstrukturen, angefangen mit einer Aufhebung der Schuldenrückzahlungsforderung, die zu zerstörerischem Exportzwang auch aus den Wäldern führt. Die dauerhafte Entwicklung der Länder erfordert gleichzeitig in Zukunft die Berechnung gerechter Preise, die die sozialen und ökologischen Folgen der Produktion mit einbeziehen. Dies wird für die aus dem Wald gelieferten Erze und die aus entsprechenden Metallen erarbeiteten Produkte zu so großen Preissteigerungen fuhren müssen, daß eine Zurückschraubung der Produktion und des Konsums bei uns im Norden nicht ausbleiben kann. In diesem Sinne sind die Außenbeziehungen unserer Länder daraufhin zu überprüfen, ob sie nicht im Sinne der langfristigen Erhaltung der Lebensbedingungen auf der ganzen Welt grundlegend zu verändern sind, um der ökologischen Überforderung der Natur Einhalt zu gebieten und um weder den Wald noch seine lokalen Kulturen durch koloniale Rohstoffausbeute irreversibel zu schädigen. Literatur: Adams, W.M. (1989): Green Development, Environment and Sustainability in the Third World, The Natural Environment: Problems and Management Series, London Martinez-Alier, Juan (1987): Ecological Economics, Oxford Binswanger, Hans P. (1989): Brazilian Policies That Encourage Deforestation in the Amazon, World Bank, Environment Department Working Paper No. 16, Washington Buchwald, Rainer/Dilger, Robert (1989): Wissenschaftliche Ausbeute und Ausbeutung der Welt, Manuskript Budovski, Gerardo (1972): Imperialismo científico, Instituto Mexicano de Recursos Naturales Renovables, A.C., Mexico, D.F. Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA) (1989): An die Internationale Gemeinschaft. Die COICA für die Zukunft Amazoniens, Lima Coordinadora de las Organizaciones Indígenas de la Cuenca Amazónica (COICA) (1990): Indianische Alternativen, Lima

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Fals Borda, Orlando (1970): Ciencia propia y colonialismo intelectual, Bogotá Fetscher, Iring (1980): Überlebensbedingungen der Menschheit, München Hildebrand, Markus/Peter, Sabine (1989): Weder erobert noch entdeckt, ladok, Kassel Immler, Hans (1989): Vom Wert der Natur. Zur ökologischen Reform von Wirtschaft und Gesellschaft, Opladen Kerr, Warwick E./Clement, Charles R. (1980): Práticas agrícolas e consecuencias genéticas que possibilitaram oas indios da Amazónia urna melhor adaptado äs condifóes ecológicas da regiäo, in: Acta Amazónica 10 Mendes, Francisco (Chico) (1988): Amazon: Rubber Tapper's Last Testament, in: IDOC Intemazionale, Rom 4/89 Müller-Plantenberg, Ciarita (1979): Ein Stadtteil von Bogota. Versuch einer Festlegung der soziokulturellen und politischen Rolle in der empirischen Sozialforschung, L A I , Berlin Müller-Plantenberg, Ciarita (Hrsg.) (1988). Indianergebiete und Großprojekte in Brasilien, Kassel Müller-Plantenberg, Ciarita, (1989a): Es geht auch anders - das Projekt Amazonien, in: Die Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Strategien für eine ökologisch und sozial verträgliche Entwicklungshilfe, Bericht zur Tagung vom 29./30.4.88 Müller-Plantenberg, Ciarita (1989b): Eine andere Ökonomie: Nachhaltiges Wirtschaften in Amazonien. Nachhaltiges Wirtschaften oder Naturschutz gegen die Ökonomie der verbrannten Erde, in: Lateinamerika, Analysen und Berichte, Bd. 13, Hamburg Myers, Norman (1988): Natural Resource Systems and Human Exploitation Systems: Physiobiotic and Ecological Linkages, The World Bank, Environment Department Working Paper No. 12, Washington Posey, Darrell A . (1983): Indigenous Knowledge and Development: An Ideological Bridge to the Future, in: Ciencia y Cultura (35), 7, Julio Posey, Darrell A . (1990): Intellectual Property Rights and Just Compensation for Indigenous Knowledge: A Great Challenge to the Future of Anthropology, Munich Reichel-Dolmatoff, Gerardo (1976): Cosmology as Ecological Analyses: A View from the Rain Forest, in: Man, 11 Whitten Jr., Norman E. (1978): Amazonian Ecuador: An Ethnic Interface in Ecological, Social and Ideological Perspectives, IWGIA Document 34, Copenhagen Wright, Robin M . (1988): Anthropological Presuppositions of Indigenous Advocacy, in: Annual Review of Anthropology, No. 17

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Francisco de Assis Costa

A Discussâo Brasileira sobre a "Internacionalizaçâo da Amazônia " Desde o segundo semestre de 1988, preocupares ecológicas em relagáo ao que se passa na Amazónia deixam de ser assunto de partidos e organizares ambientalistas e passam a ser objeto de manifestares e a?6es, diplomáticas ou náo, de governantes e políticos de diversos países. Em outubro daquele ano, o governo francés, através de Rocard, propóe a Sarney, presidente do Brasil, a renuncia de parte dos créditos franceses em troca da preservado da Amazónia. O acordo devena se consolidar por contrato que seria supervisionado por urna comissáo internacional. O mesmo assunto é retomado por Mitterrand, em fevereiro do ano seguinte, quando, em Tóquio, propós, por entender que o problema da destruido da floresta amazónica estaría a demandar urna "solu?áo global", o tratamento conjunto dos temas da divida externa dos países do terceiro mundo e dos problemas de meio ambiente na pauta da reuniáo dos sete grandes, a se realizar em julho próximo em París1. Nessa mesma ocasi&o, o presidente americano George Bush "advertiu" o primeiro ministro japonés, Noburu Takeshita, para os danos que poderiam ser provocados ao meio ambiente amazónico pelos projetos financiados pelo Japáo. Também mencionou a Sarney a disposifáo de seu governo de vincular aspectos da divida externa á questáo da preservado ambiental. Sarney, antecipando-se ao alariado que se formaría em seguida, defende-se, alegando intervengo indevida em assuntos internos do Brasil e quebra de sua suberania. A partir daí, evolui um debate, internamente ao Brasil, sobre o que passou a se designar "internacionalizado da Amazónia", onde participaram representantes de todas as matizes ideológicas: os conservadores e comunistas - relembrando outras tentativas2, no caso dos primeiros, ou vendo um novo momento de execugáo de plano do imperialismo internacional3, no caso dos segundos - esgrimiram seus fantasmas e parlamentares regionais apontaram para um compló internacional contra o desenvolvimento da Amazónia4, se indignaram com as indas e vindas de parlamentares estrangeiros em visita a lugares remotos como o Xapuri, no Acre, para conversar com seres estranhos como seringueiros e se assustaram com a possibili1 2 3 4

Ver Folha de Sáo Paulo de 26.02.89. Ver os comentónos do General Meira Matos em Jornal do Brasil de 4.03.89. Ver comentónos de Joto Amazonas, Secretório Geral do PCdoB, na Folha de S. Paulo de 02.03.89 Ver discurso de Gerson Peres, do PDS do Parí, na Cámara de Deputados, em 01.03.89. Publicado na Folha de S. Paulo de 02.03.89.

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dade dos povos indígenas se reunir, para o mundo, contra os planos e agóes do Estado Nacional para a Amazónia5. Passado o susto dos primeiros momentos, criado o IBAMA6 e anunciado o programa "Nossa Natureza"7, acontecida a eleicáo, empossado um presidente que pretende-se arauto da modernidade pelo liberalismo burgués, que até agora náo apresentou um programa para a Amazónia, nem estabeleceu rupturas com estratégias passadas, mas que nomeou um renomado ecologista como seu secretario de meio ambiente e faz chegar a imprensa, a ritmo certo, noticias de meia dúzia de empresas multadas por danos a natureza, tudo parece ter voltado ao normal. Internamente, a questáo da internacionalizado da Amazónia parece estar morta. O Presidente convida o mundo, ñas Na?óes Unidas, para, em 1992, na conferéncia da instituido sobre o meio ambiente e desenvolvimento, a se realizar no Rio de Janeiro, ver os progressos do Brasil no campo ecológico8. E o IBAMA se esfor^a por agilizar o processo de conversáo de alguns milhóes da divida de 120 bilhóes de dólares em projetos de preservado ambiental9. Isso parece ter sido suficiente para a opiniáo pública internacional. Pois a pressáo internacional arrefeceu e parece ter refluido ás suas fontes oríginárias: os movimentos e partidos ecológicos. De modo que, para indignado de ISO grupos ambientalistas reunidos na "Cúpula Ambiental" paralela á reuniáo dos sete grandes em julho passado, em Houston - E.U.A., os líderes dos maiores pafses industrializados do planeta só se engajaram com urna tímida proposta de negociar, até 1992, urna convendo internacional para salvar as florestas do planeta, em especial a amazónica10; e, ñas atuais negociares em andamento entre as autoridades monetárias brasileiras e os credores da divida externa, o verde que está em jogo é o do trivial e mundano dolar dos juros. O que se esconde por traz da calmaría? Mudou, de fato, a qualidade das rela?óes entre poder central brasileiro e a Amazónia? Ou mudou a qualidade das preocupar e s do mundo com a Amazónia? Para ajudar no encaminhamento destas questóes este trabalho procurará demonstrar a hipótese de que, do lado brasileiro, náo há mudanza substantiva no conteúdo da atua?áo do Estado na Amazónia - apesar de existir mudanzas na forma dessa atuagáo. Está em andamento urna nova fase de um processo que chamaremos adiante de "brasilianiza?áo da Amazónia" com dupla finalidade eurística: de um 5 6

7 8 9 10

Passarinho, Jaibas - A Amazónia e seu desafío. Folha de S. Paulo. 22.01.89. Opiniáo A.3. O autor é senador peto PDS do Parí. O Instiuto Brasileiro do Meio Ambiente foi criado pela Medida Piovisória No. 34, de 24.01.89, incorporando funfdes do IBDF, extinto em 15.01.89, da SEMA, da SUDHEVEA e da SUDEPE. Ver Gazeta Mercantil de 25.01.89. Ver Gazeta Mercantil de 07.04.89. Ver discurso do Pres. Collor ñas Na^óes Unidas, Folha de S. Paulo de 25.09.90. Ver Folha de S. Paulo de 22.08.90. Folha de S. Paulo de 12.07.90.

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lado, distinguir o significado da "internacionalizaçâo" como elemento de um discurso ideológico do sentido da internacionalizaçâo como fato real - ambos referidos à "brasilianizaçâo"; e, de outro, marcar as distinçôes e unidade entre sujeito e objeto dos processos de "valorizaçâo" da Amazônia e suas relaçôes mediatas e ¡mediatas. No caso internacional, encaminharemos a perspectiva de que as formas de pressâo teriam atingido certos limites. Nâo apenas porque haja se deslocado o eixo dos intéressés da opiniâo pública - pela importância que, já a partir do segundo semestre do ano passado, a precipitaçâo dos acontecimentos no leste europeu e, recentemente, as ameaças de guerra no Golfo Pérsico vem assumido na plano das preocupaçôes de europeus e americanos -, como querem alguns. Mas, sim, fundamentalmente, por contradiçôes das suas bases e fundamentos.

A Brasilianizaçâo da Amazônia: fundamentos históricos A conquista da Amazônia para o mercado mundial se fez ao longo do Sec. XVII. Em 1616, após consolidar dominio militar, político e económico sobre as regiôes do nordeste do Brasil e do Maranháo, estabeleceram-se os portugueses em Santa Maria de Belém do Grâo Pará, iniciando processo de expulsâo de conquistadores de outras naçôes européias, em particular de ingleses, franceses e holandeses, que pretenderam estabelecer-se em diferentes pontos do vale dominado pelo grande Rio das Amazonas. As singularidades do ecosistema amazónico impuseram, já desde o inicio, revezes importantes às pretensóes das diversas forças coloniais. Os capitâes da conquista pretendiam tornar a regiâo urna extensâo do sistema de plantation baseado no traballio escravo africano implantado no nordeste brasileiro. Por sua vez, as ordens religiosas, em particular os jesuítas, buscavam ampliar seu bem sucedido modelo autárquico das missôes guaranis no Paraguai, no Paraná e no Prata. Já em meados do século estava demonstrada a baixa produtividade do solo da regiâo para produtos como açùcar e cacau e, a isso associada, a baixa rentabilidade da agricultura colonial. Estabeleceu-se, pois, a partir dai, urna economia baseada na coleta das entâo chamadas "drogas do sertâo", isto é, na obtençâo de produtos extrativos. Essa reorientaçâo requereu, como condiçâo indispensável, a utilizaçâo da força de trabalho daqueles que conheciam a natureza originària amazónica, dos indios. Na segunda metade do século XVII formaram-se os aldeamentos indígenas administrados pelos religiosos, os quais destinguiam-se das missôes em outras partes porque obrigados, pela lei do repartimento, a dividir a força de trabalho sob seu contrôle com os colonos leigos e com o estado11. 11

Ver Costa, sem data

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O caráter extrativo da economia amazónica vai permanecer por todo período colonial, conjuntamente corn a dependência do traballio indio e dos seus descendentes culturáis, os caboclos - camponeses extrativos que se gestam pela decomposiçâo dos aldeamentos ao longo da segunda metade do sec. XVIII. Essa especificidade, os vínculos diretos de dependência praticamente total de sua economia relativamente aos mercados externos e a grande distância para a sede administrativa da colònia do Brasil constituiram fatores determinantes para a manutençâo da administraçâo da regiâo como urna colònia distinta que, somente com vinda da familia real para o Brasil, em 1808, passou a ser administrada pelo Rio de Janeiro. A Provincia do Grâo Pará e Rio Negro adere quase um ano atrasada, em agosto de 1823, à independência do que veio a ser o Impèrio do Brasil. A partir dai iniciase um processo de brasilianizaçâo da Amazdnia que, com força variada em diferentes fases, aprofunda-se no sentido de afirmar sobre eia a hegemonía do poder central do estado brasileiro e de torná-la um reflexo de condiçôes estruturais de outras regiôes do país. Com as campanhas de combate e exterminio da revoluç&o cabana (1835-1839) é marcada, pela presença militar massiva, a consolidaçâo do poder do Impèrio do Brasil na regiâo. No chamado período áureo da borracha (1870-1912) destaca-se a ampliaçâo da presença institucional e fiscal - favorecida e estimulada pela prosperidade reinante - além da atuaçâo diplomática que permitiu a anexaçâo ao territòrio brasileiro do atual estado do Acre. Com a crise da borracha, arrefece a presença do poder central na regiâo e entram em crise as relaçôes entre governos locáis e poder central. Que voltam a se estreitar, apaziguadas, com a revoluçâo de 30 e o Estado Novo (1937-1945). A Constituiçâo de 1946, com a criaçâo de um fundo de valorizaçâo da Amazònia, vai dar os primeiros instrumentos para urna intervençâo mais drástica do governo federal que, já em 1953, vai se fazer presente institucionalmente por um orgâo de desenvolvimemto regional, a Superintendência do Plano de Valorizaçâo Econòmica da Amazònia - SPVEA. Com a ditadura militar iniciada em 1964, toda urna nova estratégia de desenvolvimento industriai, agràrio e minero-metalúrgico vai ser perseguida pelo Estado Nacional, com urna fùria sem precedentes, através de urna política de terras e de incentivos fiscais, bem como pela montagem de infraestrutura.

Brasilianizaçâo e a "Cobiça Internacional" Cada surto de brasilianizaçâo correspondeu a um "susto" de internacionalizaçâo da Amazònia - nâo importando, aquí, o grau de concretude da ameaça, sequer se eia existiu de fato ou nâo, mas sim o seu efeito mobilizador no sentido de garantir anuência para medidas concretas de política econòmica contrarestante. Já a violenta repressâo à cabanagem pelo Impèrio apresentava como justificativa urna pretensa intençâo separatista do movimento (conf. Rego Reis 1965). Duas décadas depois, as pressòes diplomáticas americanas no sentido da abertura da

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navegaçâo do Rio Amazonas para a navegaçâo internacional e a parola publicitária do Tenente Mathew Fontaine Maury, que parece ter pretendido colonizar a Amazônia com negros americanos e, a partir dai, conquistá-la para os Estados Unidos12, vâo desencadear açôes no sentido de fortalecer a presença brasileira na regiâo. Destaca-se, ai, a concessâo ao Barâo de Mauá do monopólio da navegaçâo a vapor - para o que fundou, no ano de 18S3, a Companhia de Navegaçâo e Comércio do Amazonas. Essa Companhia é destacada com acertó por Roberto Santos (1980) como um dos fundamentos do desenvolvimento da economia da borracha em seus novos momentos. Como resposta à proposta de fundaçâo de um orgâo internacional de pesquisa, com certo poder normativo sobre o uso da Amazônia, o "Instituto Nacional da Hiléia Amazónica", cria-se em 1952 o Instituto Nacional de Pesquisa da Amazônia - INPA, inicialmente inoperante, mas totalmente sob contrôle nacional, que deveria gerar os conhecimentos científicos a partir dos quais se processariam as técnicas que fundamentariam a ocupaçâo racional da Amazônia, a ser conduzida pelas indicaçôes da SPVEA, criada um ano depois. Ao plano, gestado em 1964 pelo Hudson Institute (Kahn e Panero 1968), que pretendía eliminar toda a superficie abaixo de 10 e até 30 metros acima do nivel do mar na Amazônia (e com isso a supressâo do fundamental de seu ecosistema e do seu espaço para migraçâo13) pela formaçâo de lagos gigantes que permitiriam o acesso fácil aos pontos altos, onde se fazem as principáis ocorrências minerais, e a produçâo barata de energia, o estado brasileiro, em momento ditatorial, responde com a "operaçâo amazônia" - estratégia na quai as terras firmes, ao lado das provincias minerais, desempenhariam um papel como espaço economicamente explorável.

Brasilianizaçâo, dependência e internacionalizaçâo Por outra parte, ñas fases mais recentes, cada surto de brasilianizaçâo correspondeu a uma projeçâo sobre a Amazônia, dos problemas derivados da dependência externa que se aprofunda a nivel dos setores e áreas economicamente hegemônicas a nivel nacional. Assim, cada surto de brasilianizaçâo correspondeu a um processo de internacionalizaçâo das estruturas que se montam na Amazônia. Por duas vias: ou porque sâo estruturas para gerar meios de pagamento intemacionais ou porque refletem os graus de desnacionalizaçâo que a pròpria economia nacional atingiu perseguindo estratégias de desenvolvimento industrial dependente. Sâo os problemas relativos ao financiamento das políticas de sustentaçâo do setor cafeeiro, ao atingir, nos anos vinte deste século, a sua fase de "valorizaçâo permanente", que levam as oligarquías agrárias brasileiras dos anos 20 a concordar, de 12 13

Conf. Bandeira (1987 e 1978), Bandeira e Feneira Reís 196S. A esse respeito ver a análise de Otávio Velho (1974) sobre as diferentes estratégias que se colocaram a disp o s i l o do "capitalismo autoritàrio" brasileiro para incorporaçio da regiâo amazónica.

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forma resoluta, com as elites regionais amazónicas. Estas se apressavam em tornar realidade a possibilidade de uso intensivo da regiào pelo grande capital estrangeiro, que a crise do mercado da borracha, provocada pelo "Plano Stevenson" imposto pela Inglaterra em fins 1922, colocava. Dai nào resultou, naquele momento, mais do que a experiència Ford. Ficou, todavía, o modélo, a estratégio entáo discutida para o desenvolvimento da regiào com base na empresa capitalista gigante, com inesgotáveis recursos financeiros e técnicos para vencer os desafíos impostos desde sempre pela singularidade ecológica da regiào (Costa, no prelo). Modélo que vai ser retomado, com toda energia, a partir de 1966. Sào sobejamente conhecidas as condicionantes estruturais que permitiram o putsch de 1964 e as políticas seguidas depois deste evento. Como negado da reforma agrària se propunha a transformado do latifundio improdutivo em empresa moderna associada a urna setor industrial de insumos orgánicos e mecánicos a ser montado no país. No que tange ao agràrio, esta seria a "modernizado conservadora" a que se refere Graziano (1981, 1982) - a partir da qual modernizase as rela?6es técnicas sem alterar as rela?óes de propriedade reinantes no campo brasileiro. A tendencia de urna industrializado pela montagem e dinamiza?ào de setores com elevado grau de monopólio e desnacionalizado, já manifesta na segunda metade dos anos cinquenta, no govèrno Kubitschek, vai ser reforjada pelas a?óes de um estado ditatorial que se gesta, em parte, como seu resultado (ver Dreyffus 1981). Lapidar, nesse sentido, é a sua estratégia de ocupado da Amazdnia a partir de urna política de térras favorecedora das grandes apropria?6es e dos incentivos físcais para a agropecuária. O resultado foi a proje?áo, para o agràrio na Amazónia, dos níveis de concentrado e desnacionalizado dos setores urbanos fundamentáis. 628 empresas gigantes, dispondo em mèdia 20.448 ha (eu estimo a propriedade conjunta dessa empresas em 12.000.000 ha), se fundaram, na Amazdnia, de 1966 a 1985, para explorado agropecuária e agroindustrial, recebendo no conjunto em torno de US$ 847,5 milhóes de dólares de incentivo (Costa 1989). Entre elas encontra-se um sem número de empresas estrangeiras, as maiores empresas do País de capital nacional, estrangeiro ou misto e as principáis familias latifundiárias do centro-sul do País (Fonseca 1983). A estratégia de desenvolvimento industrial da ditadura trouxe como urna de seus corolários o endividamento externo, o qual, associado ao pròprio esgotamento da estratégia de expansáo de mercado pela via da concentrado da renda, vai estar por trás da crise que já se estabelece de forma inequívoca no final dos anos 70. Desde entào, mostra-se com clareza urna nova linha de atuado na Amazdnia (que se soma às anteriores) onde verdadeiras peripécias económicas e físcais sáo levadas a cabo para que os chamados "grandes projetos" gerem, a qualquer custo social e ecoló-

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gico, as divisas necessárias ao cumprimento das obrigaçôes geradas pela divida externa14.

Brasilianizaçâo e reordenamento regional Finalmente, a cada surto de brasilianizaçâo da Amazônia efetivam-se processos de re-regionalizaçâo, seja porque velhos elementos regionais sâo destruidos, cooptados ou funcionalizados, seja porque novas estruturas de corte regional sâo criadas. No plano das elites, a furia modernizadora da "operaçâo amazônia" vai deixar de lado as velhas oligarquías do Tocantins (associada a castanha-do-pará15 e do Marajó (associada à pecuária). Vai criar, entretanto, o "empresário da Amazônia", associado aos grandes projetos agro-pecuários, com atuaçâo multi-regional e multisetorial. Ao mesmo tempo, forma um enorme aparelho burocrático e político de gestâo das intervençôes federáis e fortalece os setores urbanos, em particular os mercantfs, resultantes do inchamento da maioria das cidades amazónicas, em particular de Belém e Manaus. Por outra parte, solapou-se as estruturas extrativas caboclas pelo processo de privatizaçâo das terras e de intensificaçâo do seu desmatamento e pôs-se em perigo mortal a sobrevivência dos povos indígenas.

A nova fase da Brasilianizaçâo da Amazônia O que chamamos de brasilianizaçâo da Amazônia é, destarte, um processo de subordinaçâo da regiâo aos interesses de urna correlaçâo de forças hegemônicas a nivel de Brasil, onde sejam as elites sejam as classes trabalhadoras regionais tém papel ativo, porém secundário ou subalterno. A formulaçâo ideológica da identidade desses interesses hegemônicos com os interesses da naçâo é um dos componentes, mas nâo o próprio processo - que se efetiva por dinámicas políticas, económicas e demográficas. A brasilianizaçâo nâo é a nacionalizaçâo da Amazônia, podendo, todavia, se fazer em seu nome. Por outra parte, a brasilianizaçâo da Amazônia nâo é uma negaçâo da sua inserçâo nos circuitos internacionais das mercadorias, do dinheiro e do capital. Nâo é uma negaçâo, portanto, da internacionalizaçâo como fato estrutural - mas sim a reivindicaçâo de que essa internacionalizaçâo se faça através do "brasil". Que, enquanto pobre e dependente, fundado sobre relaçôes profundamente perversas e arcaicas no que tange a propriedade da terra e exploraçâo do trabalho, nâo faz mais, ñas suas relaçôes com a regiâo, que aprofundar tal internacionalizaçâo à sua imagem e semelhança, isto é, projetando 14 15

Ver Nitsch 1989. Uma traduçâo deste trabalho em portugês prepara-se para ser publicada em número dos Cademos do NAEA em preparaçâo. Ver também Altvater 1987. Emmi 1988, Bentes no prelo.

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com eia todas as suas deforma?óes. Essa internacionalizado que é urna componente da brasilianizagào da Amazònia carrega consigo urna forte necessidade homogeneizadora náo apenas das retardes sociais e de propriedade mas também técnicas, no sentido de estabelecer para o ecosistema amazónico procedimentos derivados das relagóes do homem com outras manifestares particulares da natureza (Costa 1990).

O novo momento da Amazonia como fato internacional: os fundamentos do mais recente "susto" de internacionalizagáo A Amazònia tem vivido diferentes momentos, onde a produco extrativa de caboclos e indios, fundada na diversidade e especificidade do seu ecosistema e se reproduzindo com eia, tem sido sistematicamente negada por urna ideologia agrària, homogeneizante (associada a um sistema econòmico mundial que tem difículdade de valorizar - no sentido literal - o diverso) que invariavelmente se materializa numa pràtica política com efeitos estruturais sempre significativos, onde, se de um lado a homogeneiza?ào tal como se propòe tem sido negada, de outro, alterares sociais, técnicas e ecológicas profundas tém tido lugar. Ao longo dos anos oitenta, vários desenvolvimentos se processaram dando à questào amazónica urna nova dimensáo. A mais visível dessas evolu£Óes passou-se na opiniáo pública mundial, que náo só tomou conhecimento da Amazònia, como incorporou-a como uma de suas preocupares cotidianas. Esse processo operou-se associado à evolu?áo recente da consciéncia ecológica formada a partir da crise ecológica geral no mundo capitalista. A inserto da Amazònia nessa consciéncia resultou das rela?óes que em diversos momentos e de formas variadas (desde a hipótese da "Amazónica-pulmào-do-mundo" até a teoria do "efeito estufa") se estabeleceu entre a ocupagào recente da regiào e o agravamento das j á preocupantes condigóes do meio ambiente nos países industrializados. A Amazònia se estabelece, ai, como um fato internacional no quadro da crise ecológica e seus desenvolvimentos particulares sáo articulados e percebidos no plano dos efeitos globais. Paralelo a esse fato evolui, com os anos setenta, internamente à regiào, manifestares políticas de nega?ào à dinàmica homogeneizadora embutida nos processos recentes de brasilianizagào. Em particular, ressalta-se a elevado da unidade política dos povos indígenas e os novos níveis de organizado e luta dos seringueiros do Acre e de outros camponeses caboclos como os do baixo amazonas, por exemplo. Na segunda metade da década acontece a aproximado, convergencia e intersec?ào entre a nova consciéncia ecológica do primeiro mundo com as necessidades políticas do movimento dos povos da floresta, o qual unia as reivindicares de

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caboclos e indios contra a expansâo da privatizaçâo das terras da Amazônia pelo latifundio e sua utilizaçâo destrutiva pela pecuária e pela plantaçâo extensiva. Ai acontecem duas coisas realmente novas: a) A internacionalizaçâo de bandeiras de urna luta interna de fraçâo de classe trabalhadora e de minorías étnicas e b) a criaçâo de urna ideologia extrativa, que valoriza a diversidade do ecosistema, que nega a homogeneidade agrària na Amazônia. Evoluçôes positivas nessa direçâo nâo se fizeram somente no plano da política e da ideologia. Há desenvolvimentos, tanto no plano mundial como local, de tecnologías que valorizam (isto é, dâo um sentido económico) a diversidade das florestas trapicáis. Exemplos disso sâo os assombrosos avanços recentes da bio-tecnologia, da farmacéutica e, mesmo, da bio-genética colocando possibilidades novas de exploraçâo do ecosistema amazónico. Curiosamente, grandes avanços das forças produtivas no plano mundial podem vir a redimensionar o extrativismo na Amazônia, na medida em que redefinem, na materialidade da reproduçâo da humanidade, o papel do ecosistema originàrio, lhes dando um novo valor de uso. Por outra parte, os métodos de manejo do ecosistema pelos povos da floresta (dos indios e das formas camponesas caboclas - desde as mais antigas até as mais recentes) vem sendo estudados e conhecidos de forma mais sistemática, grangeando reconhecimento e respeito cada vez mais definitivos da comunidade científica internacional e encontrando caminhos de divulgaçâo (Müller-Plantenberg 1991). Para alguns, tudo leva a crer ñas possibilidades de um modêlo extrativista radical (conservacionista absoluto) na medida em que tem-se, agora, urna ideologia extrativista e, aparentemente, seus fundamentos materiais e os sujeitos históricos de sua afirmaçâo: pressâo (da consciência ecológica) internacional e Iuta interna de caboclos e indios. Há problemas, todavia, que reduzem sobremaneira essa possibilidade.

Dos problemas do conservacionismo como pràtica económica Alguns deles estâo associados à fragilidade económica da maioria das formas de produçâo extrativistas. No caso mais típico, o dos seringueiros, a concorrência com os seringais de plantio de Sâo Paulo, Bahia e mesmo de outras áreas da Amazônia se apresenta como fato inquestionável em futuro próximo. Ao mesmo tempo, o grau de privatizaçâo e concentraçâo das terras na regiâo produz um verdadeiro cerco a todas as demais formas de organizaçâo camponesas, mesmo quando superada com sucesso a fase de luta pela terra. O resultado tem sido a reduçâo das dimensôes das terras disponíveis para as formas camponesas de produçâo. A sobrevivência camponesa hoje na Amazônia passa, assim, urgente e necessariamente pelo seu

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fortalecimento económico que, inversamente aos termos das alianzas construidas, requerem mudanzas técnicas, na dire?áo de um adaptacionismo agrícola (as experiéncias atuais indicam evolugóes no sentido de urna silvi-agricultura, no caso dos caboclos, e de urna agro-silvicultura, no caso dos camponeses agrícolas) ao lado de rupturas das rela?6es tradicionais com o capital mercantil.

Da funcionalizaçâo do verde, da sua inserçâo estratégica na nova fase de Brasilianizaçâo da Amazônia A nova fase de brasilianizaçâo da Amazônia parece se caracterizar precisamente por, em nome da ecología, do conservacionismo, bloquear a consolidaçâo das experiéncias e desmobilizar económica e políticamente os camponeses de diversas matizes. Legitimadas pela ecología vém se fazendo as crescentes exigéncias burocráticas do EBAMA para abertura de roças, a vinculaçâo da burocracia do IBAMA com a dos bancos para concessâo de empréstimos agrícolas, a intervençâo policial acionada frequentemente por este instituto para desarmar camponeses, principalmente quando em conflito com latifundiários, sob a alegaçâo de contrôle da caça16, etc. Também com alegaçâo de proteçâo ambiental nâo se incluiu a regiâo amazónica na política de preços mínimos a vigorar nesta safra. O IBAMA parece ter se tornado na peça principal do filtro, através do quai a pressâo internacional está sendo absorvida e funcionalizada pela brasilianizaçâo que se faz no sentido de preservar, com a novidade ecológica, velhas relaçôes. E, fortalecido mais ainda o latifundio, nenhum povo da floresta está seguro.

Consideraçôes fináis A perspectiva conservacionista, na conformaçâo da nova consciéncia ecológica internacional, tem duas componentes, (nâo necessariamente) correspondentes a grupos distintos no quadro das sociedades civís dos países industrializados. Urna perspectiva humanista, que tira seu ecologismo da crítica ao capitalismo como poténcia destruidora do homem e da natureza: o homem tem que encontrar formas sociais novas que permitam o convivio harmónico com a natureza - sem o que nâo há salvaçâo. Por essa perspectiva, a importância das florestas trapicáis passa também pela noçâo de que nâo se pode destruir as florestas que sustentam os últimos 16

Conf. entrevistes com os líderes camponeses Orlando Canuto, Diretor do Sindicato de Trabalhadoies Rurais Rio Maria-Pa, e Os marino Amâncio, sec retino do Conselho Nacional de Seringueiros e Presidente do STR de Brasiléia-Acre e observaçoes do autor durante o mes de julho passado em Paragominas e na comunidade de Uraim.

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povos que nos podem ensinar a ética necessària para tal convivio. Preserve-se a floresta para preservar os povos a eia associados, na esperanza de que eles nos ajudem a mudar nossas próprias sociedade. A outra perspectiva, imediatista, um tanto paranòica, referenda a postura de pessoas cuja preocupado é com a conservado física das suas sociedades. Caboclos e indios só ganham espago, ai, enquanto preservadores da floresta - esta a razáo em sí mesma de sua "luta". Pois sem eia, floresta, inundaremos sob as águas do degelo polar. Náo creio estar cometendo erro grave em supor que a primeira perspectiva consubstancia os movimentos ecológicos mais tradicionais, no sentido de mais maduros, críticos e politizados - a exemplo de parte do movimento verde alemào. A segunda, creio fundamentar as motivagòes de urna classe mèdia conservadora e, por essa via, os arroubos ecológicos do dominante dos políticos. Para os segundos, o jogo de cena ou mesmo as atitudes concretas do Governo Collor parece vir correspondendo seus anseios. Náo estaría ai a razáo da atual desmobilizado da consciéncia ecológica internacional em relado a Amazónia? Aos primeiros, entretanto, competirá a recolocado crítica dos problemas da internacionalizado das questòes amazónicas frente as estruturas locáis. Pois somente de uma perspectiva eco-antropológica em sentido ampio, poder-se-á encarar os desafíos que a salvado do homem, dentro e fora da Amazónia requer. Nesse sentido, para finalizar, uma pauta de elementos para discussáo: A salvado da Amazónia requer quebrar a espinha dorsal do latifundio. Também para reter fluxos migratórios na diredo da Amazónia, a principal bandeira ecológica para o Brasil, hoje, é a reforma agrària ñas áreas antigas do País. A pressáo internacional, aqui, seria de valia. A atual alianza preservadora, entre caboclos e indios, é insuficiente para evitar a pressáo da privatizagáo digamos latifundiária da terra. Essa alianza terá que ser ampliada com a inclusáo da massa mais numerosa, no momento, em confronto com o monopólio da propriedade fondiària: os camponeses agrícolas na Amazónia. A autosustentado do economia cabocla (extrativa) requer consolidado da propriedade (na forma de reservas extrativistas, p. ex.). Requer, todavía, náo menos, mudanzas técnicas no sentido de um mixto de agricultura e silvicultura. Areas amazónicas com economías camponesas agrícolas consolidadas tem mostrado a possibilidade da formado de base produtiva com essa característica. Também para esses, a diversidade é o caminho. As experiéncia concretas apontam, pois, náo para o conservacionismo imóvel, ou para a depredado irresponsável, mas sim para um adaptacionismo, onde ecosistemas controlados reproduzem grau de diversidade equilibrado com os ecosistemas originários. Isso mostra, também, que as necessidades dos camponeses caboclos com os camponeses agrícolas convergem. O movimento internacional pode ajudar à formado e consolidado de experiéncias

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nessa direçâo e buscar fazer a ligaçâo entre os desenvolvimentos da bio-genética, da farmacologia e da bio-tecnologia e as necessidades económicas dos camponeses. Também precisam, as formas camponesas, romper com o capital mercantil pela formaçâo de estruturas cooperativas de relaçâo com o mercado. Também aqui há que se valorizar experiências camponesas em andamento na regiâo, considerando, todavia, as experiências internacionais. Se ajudará sobremaneira os camponeses se se retirar todo e qualquer subsidio a grande empresa capitalista. Também se se lutar pela desapropriaçâo das áreas das empresas incentivadas falidas para a implementaçâo de ampio programa de pesquisa e recuperaçâo de áreas devastadas. A pressâo internacional será tanto mais eficiente quanto mais se fizer objetivando pontos acima enumerados. Eia nâo pode se fazer por objetivos genéricos - como por exemplo a preservaçâo da floresta em sí. Essa generalidade facilita a sua funcionalizaçâo conservadora por parte das forças hegemônicas internas ao Brasil, à regiâo ou às localidades. Literatur: Altvater, Elmar (1987), Sachzwang Weltmarkt, Hamburg Bandeira, L. A. Moniz (1978), A Presença dos Estados Unidos no Brasil. Rio de Janeiro Bandeira, L. A. Moniz (1987), Estratégia de Planejamento e de Desenvolvimento Regional a Nivel Internacional: o Pacto Amazónico. In: Hörnern e Natureza na Amazônia. Tübinger Geographische Studien No. 95, ADLAF, Tübingen, 1987 Bandeira, L. A. Moniz e Ferreira Reis, A. C. (1965), A Amazônia e a Cobiça Internacional, Rio de Janeiro Bentes, R. (no prelo), Perfil da Ocupaçâo do Solo e Subsolo Paraense - Os Castanhais. In: Revista Pará Agràrio Especial Costa, Francisco de Assis (sem data), Crise e Mudanças Estruturais nos Sec. XVII e XVIII na Amazônia. NAEA/UFPa, mimeografado. Costa, Franciso de Assis (1989), A Grande Empresa Capitalista no Contexto das Políticas de Estado para a Amazônia, NAEA/UFPA, Relatório de Pesquisa Costa, Franscisco de Assis (1990), Amazônia: Modelos Económicos, Ideologia e Història. Apresentado no Tribunal Permanent des Peuples - Session sur l'Amazonie brésilienne. Paris, 12 a 16 de outubro Costa, Francisco de Assis (no prelo), Grande Capital e Agricultura na Amazônia: a experiência da Ford Motors Co. em Fordlândia e Belterra, Belém, CEJUP Dreyffus, R. A. (1981), 1964: A Conquista do Estado (Açâo Política, Poder e Golpe de Classe), Petrópolis

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Emmi M. (1988) A Oligarquía do Tocantins, Belém, Fonséca, M. da Grasa D. (1983), Os Aventureiros da Terra e a Aventura do Grande Capital na Fronteira Amazónica Oriental. Diss. de Mestrado - CPDA/UFRRJ, Itaguai-RJ Graziano da Silva, José (1981), Progresso Técnico e Rela^óes de Traballio na Agricultura, S. Paulo, Graziano da Silva, José (1982), A Modernizado Dolorosa: Estrutura Agrària, Fronteira Agricola e Trabalhadores Rurais no Brasil, R. de Janeiro Kahn, Hermann e Panero, Roberto (1968), Novo Enfoque sobre a Amazönia, In: RBPI 41/42 Müller-Plantenberg, Ciarita (1991), Amazonien: - lokales Wissen und globale Zerstörung. Nesse volume. Nitsch, Manfred (1989), Die Rolle der internen politisch-administrativen Strukturen und der externen Geldgeber bei der Zerstörung tropischer Wálder. Der Fall des brasilianischen Amazoniens, Diskussionspapiere des LAI, Berlin (Urna traduco em portugés prepara-se para ser publicada em número dos Cadernos do NAEA em preparadlo) Regó Reis, Gustavo de Maraes (1965), A Cabanagem: um episòdio histérico de guerra insurreicional na Amazönia (1835-1839), Edifóes Governo do Estado do Amazonas Santos, Roberto A. de Oliveira (1980), História Económica da Amazönia: 1800-1920, S. Paulo Velho, Otávio (1974), Capitalismo Autoritàrio e Campesinato, S. Paulo e R. de Janeiro

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World Wide Fund for Nature

Debt-for-nature Remarks for Berlin Conference Debt-for-nature swaps, although their purpose is to leverage conservation dollars in countries where conservation programs are being executed, have potentially many policy ramifications depending upon how the swap initiative is executed. Thus it is vital that all swap initiatives: - are at the invitation from local groups and the local government; - that any international non-governmental organization (NGO) fully collaborates with local groups, both governmental and non-governmental, in designing a wellbalanced spending program for conservation. It is, of course, much preferred to fund conservation programs that are already in place and have demonstrated proven absorptive capacity. Debt-for-nature programs should be driven by programmatic considerations; - that debt swapping should never be considered as the sole mechanism for funding conservation projects in a country. Hard currency funding should always be available to complement a local currency debt swap program. Given these considerations, the steps in executing a debt-for-nature swap are: (1) at the request of and in conjunction with local groups within a country, design a conservation spending program in full collaboration with the appropriate Ministry which has true absorptive capacity. The spending program should be administered and implemented by local groups; (2) establish a system of reporting on the management of the swap proceeds and of the implementation of the actual conservation activities and incorporate the guidelines within the program proposal; (3) approach local monetary authorities together with the local constituency supporting the swap. The proposed debt swap should be characterized as a local initiative to guarantee the proposal's approval and to secure the most advantageous terms and conditions; (4) once the program proposal has been approved, negotiate financial terms and conditions. These would include determining what type of debt is eligible for conversion, what redemption rate will be applied to the conversion, and the setting of the foreign exchange rate. The local currency mechanism, that is the form of local currency to be issued, must also be negotiated. Alternatives include either cash proceeds of long term instruments such as bonds;

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(5) when all the relevant terms and conditions have been agreed upon, an agreement is signed which should include the Ministry, the local NGO(s), the Central Bank, and the international NGO; (6) after the agreement is signed, the international NGO will acquire an amount of eligible debt on the secondary market, and in coordination with the financial institution involved, present the debt for conversion. (7) The last stage of the swap is that of implementation, which should be ongoing through the life of the conservation program. NOTE: These seven steps outlined above are a general guideline. Each debt-for-nature swap will vary significantly as unique host country concerns are taken into consideration. The swaps that have been executed to date have been modest in size, but have had significant impact on financing conservation projects. Looking toward the future, larger and larger amounts of funds are becoming availabe for debt-fornature programs. This potential increase in debt swap funding intensifies many of the issues and possible problems surrounding even the smaller debt swaps. They are: - An increase in inflationary impact of debt swaps proceeds entering into the local economy. Large debt swap programs are probably not viable unless those local currency proceeds are structured into long term instruments (e.g. bonds), perhaps amortizing over 10-30 years. As debt-for-nature programs increase in size, they will be viewed increasingly as setting precedents for debt/equity programs instead of being treated as exceptions on the sidelines of the official programs. - Unless structured as a long term endowment the absorptive capacity of the conservation program may not be large enough to handle a huge inflow of cash. This is especially true of many of the countries of Africa, which lack the presence or a strong NGO community comparable to those in many Latin American countries. - Debt swap proceeds which most likely flow into the private sector of the country may be much larger than the official budget the government allocates to the Ministry which is responsible for protected areas, creating an imbalance in conservation spending in the country. A clear way to avoid this is including the relevant Ministry in the initiative, and making sure they have an appropriate role in the implementation of the program, addressing some of their needs like training for park guards and the establishment of management systems for protected areas. - Funnelling significant debt swap proceeds to one NGO will also create an imbalance in the private conservation community, empowering one organization above others in the field of conservation. This program can be avoided by the local conservation community forming consortia in order to channel debt swap funds to a

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broad array of groups and to a broad array of conservation programs. Also, these consortia, which are usually comprised of the larger, stronger NGOs in a country, should set aside funds for grassroots organizations and their initiatives. - Large debt swaps will invariably require the involvement of bilateral aid agencies. They will most likely require certain parameters before they will fund any debt swap initiatives. They will want a distinct legal entity in place, whether it be in the form of a trust, a foundation, etc. They usually have reporting requirements that are rather detailed and which need strong administrative capacity to manage. To date, debt-for-nature swaps have utilized debt owed to commercial banks. This debt is available in the secondary market at discounted prices. Now there is a great potential to apply the framework of debt-for-nature swaps to official debt (i.e., debt owed to governments). For example, two recent developments highlight this opportunity: - During this past summer U.S. government officials have suggested that certain debts of Latin American countries owed to the U.S. government could be available for conversion into local currency funds for the benefits of conservation efforts. Currently, the U.S. Congress is in the process of passing the necessary legislation. - Recent "Paris Club" debt restructurings in September included language, for the first time, permitting debt-for-nature swaps. In other words, a creditor country government may sell or exchange certain official debts in the framework of debtfor-nature swaps. As governments permit the use of "official" debt in debt-for-nature swaps, it is critical to involve NGOs in the structuring and implementation of these swaps. While many details need to be worked out, both of those recent developments present great opportunities to extend the application of current experiences with debt-for-nature swaps. In sum, debt-for-nature swaps are a creative (and complex) mechanism to increase financial resources available for conservation efforts. However, each one must be executed carefully and also reflect the unique circumstances of the particular host country.

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Dieter W. Benecke

Chancen für den Abbau von Auslandsschulden durch Leistungen zum Umweltschutz (Debt-nature-swaps) Tiefe des jeweiligen Problembewußtseins und Globalisierung der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit Die Idee, einem Land einen Teil der Auslandsschulden dann zu erlassen, wenn es dafür Investitionen zum Umweltschutz tätigt, entspricht der Notwendigkeit, den globalen Problemen bei der Entwicklungspolitik mehr Beachtung zu schenken. Dies gilt auch für Lateinamerika, wenngleich es dort natürlich nach wie vor auch um basisnahe Ansätze geht. Verschuldung und Umweltschutz haben ursächlich miteinander kaum etwas zu tun. Bisher dürfte sich wohl kein Land deshalb verschuldet haben, weil es Kredite für Umweltprojekte aufgenommen hat. Eine theoretisch oder sachlich eindeutige Verbindung zwischen den Problemen Auslandsverschuldung und Umweltschutz ist daher nicht gegeben. Sie wirkt deshalb gesucht. Die Brücke zwischen beiden Problemen läßt sich aber leicht durch den Dialog, den viel geschmähten Politikdialog, schlagen, weil beide Themen von hoher politischer Brisanz sind. Dieser Politikdialog ist freilich erfahrungsgemäß nur dann erfolgreich, wenn beide Seiten das zu behandelnde Problem als hinreichend brisant empfinden. Ob die Industriestaaten, ob deren Politiker, die Verschuldung Lateinamerikas zur Zeit als besonders gravierendes Problem empfinden, darf ebenso bezweifelt werden wie die Annahme, die lateinamerikanischen Staaten bzw. deren Politiker würden die Umweltgefährdung als eines der prioritären Probleme betrachten. Auch objektiv gesehen, hat sich die Verschuldungskrise in Lateinamerika entschärft, seitdem einige Regierungen - zum Beispiel die Mexikos, Chiles, Uruguays und Boliviens, zur Zeit auch die Argentiniens und Brasiliens - drastische Strukturveränderungen durch Deregulierung, marktwirtschaftliche Regeln, und Inflationsbekämpfung vorgenommen haben. Was die Umweltproblematik angeht, braucht man sich in den Industriestaaten nicht aufs hohe Roß zu setzen, ist doch viele Jahrzehnte lang gesündigt worden. Auch heute ist man sich dieses Problems oder des Zwangs, es zu lösen, durchaus nicht überall hinreichend bewußt. Deutschland

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macht wegen des relativ hohen Bewußtseins eine gewisse Ausnahme. Es darf daher nicht verwundern, wenn die meisten lateinamerikanischen Politiker die Lösung anderer Probleme für vorrangig halten. Solange diese unterschiedliche Interessenlage bestehen bleibt, scheint es mir wenig wahrscheinlich zu sein, daß es zu einem fühlbaren Austausch von Schuldenanteilen gegen Umweltinvestitionen kommt. Dennoch sollte man daran weiterarbeiten.

Reparativer und präventiver Umweltschutz Wenn es trotz einer nicht sehr hohen Wahrscheinlichkeit gelingt, einen "DebtNature-Swap" zu erreichen, so dürfte dies entscheidend davon abhängen, ob bereits vorhandene Umweltschäden abgebaut oder mögliche künftige verhindert werden sollen.

Reparativer Ansatz Der reparative Ansatz bezieht sich auf die Beseitigung von schon entstandenen Schäden. Hierbei geht es vorrangig um die Elemente Wasser und Luft. - Neben der in Lateinamerika allgemein üblichen Verschmutzung der Flüsse durch die Abwässer der Haushalte sind gravierende Schäden durch entwicklungspolitisch lange Zeit als positiv betrachtete Wirtschaftsaktivitäten festzustellen. Als Beispiel hierfür kann überall die Einleitung von Industrieabwässern betrachtet werden. Besondere Situationen ergeben sich etwa in Chile durch die Einleitung von Zelluloserückständen und die Veralgung der Seen im Süden durch eine forcierte und unüberlegte Lachszucht, in Brasilien durch Quecksilber- und andere Belastungen im Zusammenhang mit dem Bergbau, im Amazonasgebiet generell durch Öleinlauf aus neuen Bohrungen. - Die Luftverschmutzung resultiert im wesentlichen aus Industrie-und Autoabgasen, wobei die Busse und Lastkraftwagen als besondere Luftverpester wegen ihrer Rolle im Wirtschaftsgeschehen, aber auch wegen der politischen Bedeutung ihrer Besitzer eine besondere Rolle spielen. Diese Tätigkeiten zu untersagen, ist entwicklungspolitisch, wirtschaftlich und politisch wohl in absehbarer Zeit kaum möglich. Auflagen zur Reinigung der Abwässer und Abgase sind wohl nur dann zu erreichen, wenn dafür entsprechende Mittel bereitgestellt werden, die die bisherigen Verursacher kaum belasten. Hier

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bietet sich ein Austausch von Verschuldungsanteilen gegen reparative Umweltschutzmaßnahmen in der Tat an. Aufgrund der relativ geringen Priorität, die die lateinamerikanischen Politiker diesem Aspekt zuerkennen, muß hier allerdings seitens der europäischen Staatenein die Entschuldung fühlbar übersteigender Beitrag geleistet werden, damit die lateinamerikanischen Staaten auf einen solchen Austausch eingehen. Dies mag aber dann erreichbar sein, wenn die Regierungen auch schon seitens der Bevölkerung Druck bekommen, eine Änderung durchzufuhren. Die Chancen für diesen "Druck von unten" sind in Lateinamerika zweifellos gestiegen, seitdem die Demokratie wiedergewonnen wurde.

Präventiver Ansatz Der präventive Ansatz bezieht sich auf die Vermeidung künftiger Umweltschäden. Dies ist aus zwei Gründen ein besonders schwieriges Problem. Zum einen ist nicht immer bekannt, welche Umweltbelastungen aus bestimmten Aktivitäten resultieren und wie schädlich für wen bzw. für was die heute meßbaren Belastungswerte sind. Zum anderen ist es wichtig, in Erinnerung zu rufen, daß die Umweltschäden nicht beabsichtigt, sondern eine Konsequenz anderer Probleme sind, und zwar vorrangig - des Bevölkerungswachstums, - einer die Umweltschäden nicht bedenkenden Industriepolitik, - des geringen Ausbildungsniveaus und damit der geringen Problemerkenntniskapazität. Für diesen präventiven Bereich sind die Möglichkeiten eines Austauschs von Schuldenanteilen gegen Investitionen zur Vermeidung von Umweltschäden folglich wohl noch geringer als bei den reparativen Maßnahmen. Als Symptom mag man die Tatsache nehmen, daß das BMZ die für die Rettung des tropischen Regenwaldes in Brasilien vorgesehenen DM 2 Mio. fast ein Jahr lang nicht plazieren konnte. Die lateinamerikanischen Regierungen befurchten zu Recht erheblich mehr Ärger mit der Bevölkerung, wenn sie harte umweltpolitische Auflagen machen, zum Beispiel bei der Siedlungs-oder Industriepolitik, als wenn potentielle Entwicklungshilfegeber verprellt werden. Während ich also beim reparativen Bereich "Debt-Nature-Swaps" nicht für ausgeschlossen halte, erachte ich sie im präventiven Bereich für wenig wahrscheinlich. Zur Vermeidung künftiger Umweltschäden bedarf es großer zusätzlicher Eigenanstrengungen sowie erheblicher Leistungen der entwicklungshilfegebenden Staaten und nicht vorrangig eines Austauschs von Schuldenanteilen gegen Eigenleistungen.

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Bisherige "Debt-Nature-Swaps" der Bundesrepublik Die Bundesrepublik Deutschland hat seit 1978 insgesamt 35 Ländern Schulden aus Krediten der Finanziellen Zusammenarbeit in Höhe von insgesamt DM 8,8 Milliarden erlassen bzw. die Streichung in Aussicht gestellt. Lediglich in vier Fällen Kenia, Zaire, Äthiopien und Laos - wurde der Schuldenerlaß an die Bedingung geknüpft, die freiwerdenden Mittel in Landeswährung für konkrete Maßnahmen des Umweltschutzes einzusetzen. Für Kenia und Zaire sind die Regierungsabkommen bereits unterzeichnet, bei Äthiopien und Laos steht die Unterzeichnung noch aus. Neben den oben dargestellten Schwierigkeiten erweist es sich als zusätzliches Problem, daß sich die betroffenen Länder schwer tun, entsprechende Projektlisten vorzulegen. Die Anregung von Bundeskanzler Kohl beim Weltwirtschaftsgipfel in Toronto, Schuldenstreichungen in stärkerem Maße mit Umweltschutzmaßnahmen in Zusammenhang zu bringen, hat eine gewisse Auswirkung auf den Pariser Club gemacht. Am 10. September 1990 hat der Pariser Club unter maßgeblicher Mitwirkung der Bundesregierung für hoch verschuldete Entwicklungsländer u.a. die Möglichkeit beschlossen, die Rückzahlungszeiten für Umschuldungen auf 15 Jahre bei 8 Freijahren für Handelsforderungen und auf 20 Jahre bei 10 Freijahren für Entwicklungshilfeforderungen zu verlängern. Betroffen waren hiervon bereits vier Länder, aus Lateinamerika Honduras und El Salvador. Man steht also seitens der deutschen offiziellen Institutionen hier erst am Anfang, hat aber deutlich werden lassen, daß bei künftigen Schuldenerlassen das Umweltschutzkriterium eine wesentliche Rolle spielen wird.

Zusammenfassung Theoretische Schlüssigkeit, politische Priorität und konkrete praktische Schwierigkeiten lassen es insgesamt unwahrscheinlich erscheinen, daß im Umweltschutz fühlbare Fortschritte gemacht werden, weil man damit die Auslandsverschuldung abbauen kann. Es scheint auch nicht sehr vernünftig zu sein, darauf zu warten, daß sich diese Situation ändert. Eine isolierte Behandlung des Verschuldungsproblems wie auch der Umweltprobleme ist aus der heutigen Sicht der Dinge erfolgversprechender als der Versuch, beide Komplexe miteinander zu verbinden. Dennoch sollte man auch die relativ geringen Chancen nutzen, wann immer sie sich bieten. Beide Probleme, die Auslandsverschuldung und die Umweltbelastung, sind zu bedeutsam, als daß man nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen sollte.

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Beate Ratter

Der Drogenkomplex als integrierendes und desintegrierendes Element in Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas Skandale um den lateinamerikanischen Kokainmarkt beherrschen neben zahlreichen Meldungen über Drogentote in Ländern der westlichen Welt imitier wieder die Schlagzeilen der Massenmedien. Schreckensmeldungen über den Bombenterror aus Kolumbien und Erfolgsmeldungen von immer größeren Rauschgiftfunden in Miami, Frankfurt oder Madrid verdeutlichen seit Jahren die Wichtigkeit dieses "Geschäfts mit dem Tod". Eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Drogenthema läßt eine Vielzahl unterschiedlicher Perspektiven zu: Von der Landwirtschaft über die Betriebswirtschaft, die Vermarktungslehre und die Wirtschafts-, Verkehrs- und Stadtgeographie (vgl. Sagawe 1989), die Militärstrategie und Geopolitik bis zur Psychologie und Soziologie. Aus jeder einzelnen dieser Perspektiven - und sicherlich existieren noch weitere - läßt sich das Phänomen Drogenhandel aufgreifen und durch eine spezifische Fragestellung wissenschaftlich untersuchen. Für mich steht die Komplexität des Drogenproblems im Vordergrund, das sich verschachtelt von der globalen bis zur lokalen Ebene erstreckt. Der Drogenkomplex ist kein geschlossenes System, in dem sich verschiedene Komponenten systematisch ineinander verschränken, sondern es handelt sich um ein offenes Ineinanderwirken und um die gegenseitige Beeinflussung von Teilsystemen, die man bislang in der Wissenschaft immer vergeblich getrennt voneinander verstehen wollte. Der Begriff des "Komplexes" ist somit nicht willkürlich gewählt, sondern steht fiir das Zusammenspiel von Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik, das nicht nur die staatliche Organisation, sondern auch das Alltagsleben der Menschen beeinflußt (vgl. Sahr 1991).

Die Rohstoffe im Kokaingeschäft Bereits zu Beginn der 70er Jahre war Kolumbien in die Produktion und den Handel mit Rauschgift verstrickt. Während der US-amerikanischen Flower-Power-Bewegung herrschte eine enorme Nachfrage nach dem "Stoff, aus dem die Träume sind": Marihuana. Das berühmte "Santa Marta Golden" aus der gleichnamigen Region

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Kolumbiens wurde vor allem für den US-amerikanischen Markt angebaut und mit Flugzeugen oder Schiffen in die USA gebracht. Neben Marihuana galten zur damaligen Zeit das asiatische Heroin und das synthetisch hergestellte LSD als wichtige Rauschmittel der Szene. Erst allmählich wurde Kokain zur Modedroge für die Schickeria und später dann zum weitverbreiteten Rauschgift für alle Gesellschaftsschichten. Die Kombination von Qualitätsverlust des "Santa Marta Golden" und zunehmender Eigenproduktion von Marihuana sowie die viel größere Effizienz des Kokainhandels führten zur Produktionsverlagerung hin zum Kokain. "Muchos traficantes de marihuana se pasaron al negocio de la cocaína - más rentable y menos voluminosa" (Castillo 1987, S. 35). Der Anbau von Coca, dem Ausgangsprodukt für die Herstellung von Kokain, ist in den Andenländern Südamerikas traditionell verbreitet. Bereits in vorkolumbischer Zeit waren die Coca-Blätter wichtiger Bestandteil der andinen Kultur und wurden bei religiösen Anlässen eingesetzt. Unter der Oberherrschaft der Spanier wurde an die in den Bergminen arbeitenden Indios Coca verteilt, weil die beruhigende Wirkung des Kokains den Hunger eindämmte und die Durchhaltekraft vergrößerte. Das traditionell nur in kleinen Mengen konsumierte Coca wurde somit durch die Spanier zum Massenprodukt in der andinen Gesellschaft. Die Coca-Pflanze (Erythroxylum coca) ist ein Strauchgewächs, das zwischen 1 und 4 Meter hoch wächst und besonders gut an den Berghängen von Bolivien, Peru und Java gedeiht. Die Blätter der Pflanze enthalten das Alkaloid Kokain. Bereits 10 Monate nach dem Anbau einer Coca-Pflanze kann zum ersten Mal geerntet werden. Alle 90 Tage lassen sich dann die Blätter des Strauches abpflücken, wobei auf einem Hektar rund 800 kg Coca geerntet werden können. Für 1 kg reines Kokain werden rund 500 kg Coca-Blätter benötigt. Daraus ergibt sich eine Jahresproduktivität von rund 5 kg reinem Kokain auf 1 ha Anbaufläche (vgl. Castillo 1987, S. 36). Die Hauptanbaugebiete des Coca liegen in den Andenstaaten Bolivien und Peru in ganz bestimmten Bergregionen, die das für den Anbau der Coca nötige tropische Bergklima aufweisen. Auch in Kolumbien wird in bestimmten Regionen Coca angebaut, und nach der Einführung der neuen Art "Epadü" 1 lassen sich inzwischen auch in den tropischen Tiefebenen Brasiliens, Venezuelas und Ecuadors die Rohstoffe für die Kokainproduktion herstellen.

I

Das Epadü enthält zwar nur 40% des AlkaloiJanteils der üblichen Coca-Arten (Erythroxylum coca und Erythroxylum novogranatensis), doch kann es durch seine Robustheil viel leichter gezogen werden und gedeiht vor allem besser tambar zwischen anderen Pflanzen auch im tropischen Regenwald (lyer 1985, S. 12).

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Am Beispiel Boliviens zeigt sich, daß der Anbau der Coca vor allem in kleinen Familienbetrieben von bis zu 6 ha erfolgt. 1981 waren in Bolivien 15.000 Familien, also rund 80.000 Personen, mit der Coca-Produktion beschäftigt, die damals einen ungefähr zehnprozentigen Anteil an der gesamten Agrarproduktionsmenge hielt. 1988 sind bei einer Gesamtbevölkerung von rund 6 Mio. Menschen bereits zwischen 70.000 und 80.000 Familien, also ungefähr 400.000 Personen, in den CocaAnbau verstrickt (vgl. Blanes Jimenez 1989, S. 136). Obwohl die Preise für Grundnahrungsmittel weiter steigen, lohnt es sich für den Bauern bei weitem mehr, Coca anzubauen. So wird auch weiterhin in den Anbaugebieten der Bergregionen eher Coca als Reis, Bananen oder Yuca angepflanzt2. Bei der Herstellung der CocaPaste kann ein "pisador" in Bolivien, der zur Zerkleinerung und zum Zertreten der Coca-Blätter angestellt wird, in zwei Nächten mehr verdienen, als ein Bauarbeiter in Cochabamba im ganzen Jahr. Da verwundert es nicht, daß viele Bauern in Bolivien unter dem zunehmenden Druck der Wirtschaftskrise zum Wechsel ihrer Anbauprodukte animiert werden. Hinzu kommt, daß nach bolivianischem Gesetz der bloße Anbau von Coca nicht verboten ist, sondern nur die Vermarktung staatlich gelenkt ablaufen muß. Vor dem internationalen Drogenboom wurde die Coca-Produktion ausschließlich für den heimischen Markt betrieben. Gerne wird auf die Kuriosität verwiesen, daß offizielle Staatsgäste in Bolivien vom Präsidenten einen Coca-Tee als besondere Spezialität des Landes offeriert bekommen. Während die Gesamtproduktion von Coca in Bolivien im Jahr 1981 noch auf 60.000 t geschätzt wurde, ging man 1985 bereits von rund 125.0001 aus. Etwa 100 Millionen US-$ umfaßt der gesamte Schwarzmarkt in Bolivien, auf dem Nahrungsmittel, Elektrogeräte, Ersatzteile und andere Luxusgüter im Austausch mit Coca ins Land gebracht werden. Der illegale Handel gilt inzwischen als bedeutender als der offizielle Wirtschaftskreislauf. Die Abhängigkeit vom Weltmarkt durch die traditionellen Ausfuhrprodukte Zinn, Erdgas und Kaffee, deren Preise immer weiter sinken, verstärkt die Hinwendung zum parallelen Drogen- und Schmuggelmarkt. Die "Dollarisierung" der bolivianischen Wirtschaft und der immer größere Einfluß des informellen Sektors verdeutlichen den Wandel vom offiziellen Im- und Export zum inoffiziellen Drogenhandel und Contrabandismo. Großzügige Schätzungen gehen davon aus, daß 80% der bolivianischen Gesellschaft direkt oder indirekt in die Parallelwirtschaft integriert sind. Dies wäre ohne eine aktive Beteiligung des Staatsapparates nicht denkbar. Gerade für Bolivien gilt deshalb, daß Regierung und Militär in besonderem Maße am Schwarzmarkt und Drogenhandel beteiligt sind und mitverdienen (vgl. Blanes Jimenez 1989). "Die bolivianische Bevölkerung ist 2

Verkaufswert verschiedener Anbaufrüchte in Prozent, jeweils bezogen auf die Ernte pro 1 ha: Coca 1000%; Apfelsinen 65%; Bananen 30%; Reis 13%; Yuca 3%; Mais 2% (vgl. Mahnte 1987, S. 152).

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gespalten: in die Coca-Privilegierten und den verarmten Rest" (Hafner; Taylan 1988, S. 86). Neben Bolivien ist Peru eines der Hauptproduzentenländer der Coca-BIätter. Schätzungen gehen davon aus, daß im Huallaga-Tal rund 45.000 acres für CocaPflanzungen genutzt werden (vgl. Iyer 1985, S. 12). Als "New-Entry", besonders nach den Verfolgungsaktionen der US-Amerikaner in Bolivien und Peru, gelten Ecuador und Brasilien. 1985 wurden bereits 15.000 t Coca-Blätter in Ecuador geerntet. Kolumbien, das sich inzwischen vom Marihuana-Anbaugebiet zum Kokainproduzenten gewandelt hat, liefert jährlich 80% des US- Kokainbedarfs. Nach dem Zusammenbruch des Kaffeeabkommens im Juli 1989, an dem die U S A maßgeblich beteiligt waren, entstanden für Kolumbien Exportverluste in Höhe von 1 Mrd. US-$ pro Jahr. Dabei kann es nicht verwundern, wenn auch in Kolumbien mehr Bauern zum Anbau von Coca übergehen. "Kokain ist zur Zeit der einzige lateinamerikanische Rohstoff, für den es auf dem Weltmarkt noch gute Preise gibt" (Germund 1989). Der Anbau von Coca ist in Kolumbien jedoch zweitrangig, das Schwergewicht liegt vielmehr auf der Verarbeitung der eingeschmuggelten Coca-Paste aus anderen Ländern.

Organisatorische

Zentrale des Kokainhandels

ist die

Industriestadt

Medellfn. Von hier aus wird der Import der Kokain-Paste aus den anderen Staaten, die Verarbeitung zum Kokain in den versteckten, übers Land verteilten Labors und der Transport zu den Konsumenten organisiert und überwacht. Erfahren im Handel und der Wirtschaftsorganisation sind die Menschen aus dieser Gegend bereits seit Jahrhunderten. Erklärend zieht DER SPIEGEL die kulturhistorische Verbindung zwischen den Kokainbossen und den hier lebenden Nachfahren spanischer Sepharden und Basken, die "...schon immer wegen ihres Fleißes gerühmt worden (sind)... (Sie) schufen einst die großen Industriekapitale des Landes" (DER SPIEGEL 1988). Die zu verarbeitende Coca-Paste wird hergestellt, indem die Coca-Blätter in speziellen "Zerhackern" zerkleinert und unter Zufuhr von Wasser, Kerosin und Benzin gestampft werden. Nach der Trennung der braunen Flüssigkeit von den harten Bestandteilen wird das Ganze zur Coca-Paste getrocknet. Dieser erste Arbeitsschritt bei der Kokainherstellung kann teilweise direkt bei den Coca-Feldern erledigt werden, so daß erst die Paste in die Drogenlabors der Kolumbianer weitertransportiert wird, die ein kristallines weißes Pulver herstellen: die Kokainbasis. Diese wasserunlösliche Basis muß dann noch unter Zufuhr von Salzsäure zum wasserlöslichen Kokain verarbeitet werden. Die benötigten chemischen Substanzen, Äther, Azeton und Salzsäure, werden vor allem in den USA und in Deutschland produziert und in

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großen Mengen ins Land geschmuggelt. Teilweise werden sie offiziell, teilweise auch unter Korrumpierung der zuständigen Behörden eingeführt. Abb. 1:

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Die Veredelung des Ausgangsprodukts zum heißbegehrten Rauschmittel beinhaltet eine enorme Gewinnspanne. Bereits zwischen dem Einkommen eines Coca-Bauem und dem Marktwert eines Kilos Kokainbasis in Kolumbien liegen rund 1.500% Wertanstieg (vgl. Abb. 1). Unterschiedliche Quellen und vor allem die ständig schwankenden Preise machen es nicht einfach, die wahren Relationen anzugeben. So gelten die hier genannten Preise nur als ungefähre Näherungswerte, die einem täglichen Wechsel von Angebot und Nachfrage unterliegen. Durch die immer größer werdende Zahl an Kokainproduzenten und Händlern kam es in den letzten Jahren zu einer Überproduktion, die neben einer größeren Reinheit des angebotenen Kokains auf der Straße einen enormen Preisverfall nach sich zog. Während 1982 ein Kilo Kokain in den USA noch mit 47.000 bis 60.000 US-$ veranschlagt wurde, ließ sich 1987 nur noch ein Preis von 9.000 bis 14.000 US-$ erzielen.

Die Logistik des Kokainhandels Die entscheidenden Gewinne erzielen - wie so oft - die Händler, die wegen der Illegalität des Handels das größte Risiko tragen. Der Weg von Kolumbien in die USA ist dabei der entscheidende und auch riskanteste Teil des Drogengeschäfts. Ist das Kokain erst einmal im Bestimmungsland, läßt sich der Weg zum Endverbraucher nur noch schwer verhindern. Die logistische Organisation des Kokainhandels erreichte Ende der 70er Jahre ein Ausmaß an Perfektion, dem die US-amerikanischen Drogenbekämpfer beinahe hilflos gegenüberstehen. Der inzwischen verhaftete Carlos Lehder, einer der führenden Kokainbosse Kolumbiens, war für den Kokainhandel das, was Henry Ford einst für die Autoproduktion war. Er organisierte den Drogenhandel mit neuester Funk- und Navigationstechnik und schaffte damit ein großangelegtes lukratives Exportgeschäft. Nachdem in den Anfängen des Kokainbooms die Mehrzahl der Kokaintransporte noch von sogenannten "Mulas" übernommen wurde, wird heutzutage kiloweise Kokain in die USA geschmuggelt. Zu diesem Zweck ist im Karibischen Raum ein dichtgeschlossenes Vertriebsnetz entwickelt worden, das die Staaten der Region in einem Maße zusammenbindet, wie es seit der Zeit der Piraten und Freibeuter nicht mehr der Fall war. Das System aus Start- und Landepisten, Anlande- und Liegeplätzen, kleineren Handlangern für die Be- und Entladung und Kontaktpersonen bei Zoll und Polizei, die in den entscheidenden Augenblicken nicht anwesend sind oder teilweise sogar selbst zur Hand gehen, umfaßt ausnahmslos alle karibischen Inseln und jeden zentralamerikanischen Festlandsstaat (vgl. Abb. 2).

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Abb. 2:

OJ^

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Unterschiedliche Routen bedingen unterschiedliche Transportfahrzeuge. Während der Weg über die Inselstaaten der Kleinen Antillen mit kleinen ein- oder zweimotorigen Pipers oder Cessnas geflogen wird, kann die westliche Route über Zentralamerika mit größeren DC-3, DC-6 oder DC-8 Maschinen, die mehr Ladekapazität und längere Flugreichweiten haben, geflogen werden. Die Zentralroute übers Meer wird wahlweise mit Transportmaschinen oder Frachtern bewältigt, die in Ko-lumbien starten und von dort aus den Stoff in US küstennahe Stützpunkte bringen. Von hier aus werden die Drogen "feederline-artig" mit kleineren Flugzeugen oder Schnellbooten in die USA gebracht. Damit bekommen, verkehrsgeographisch betrachtet, die Länder des karibischen Raumes eine besondere Wichtigkeit im Transport der Drogen von den Produzenten in Kolumbien zu den Konsumenten in den USA. Einer Zusammenstellung aller Drogenskandale zufolge ist von Antigua, Barbados und Cuba, über die Dominikanische Republik, Haiti und Honduras, bis hin zu den Türks and Caicos, Trinidad und Virgin Islands jeder der Staaten mehr oder weniger stark in den Drogenhandel integriert. Auch die Versorgung Europas mit Kokain wird über diese verschlungenen Pfade geregelt. Besonders die französischen Überseedepartment sowie die britischen und niederländischen Kolonien dienen dabei als Brückenköpfe. Die Rolle der Bahamas als letztem Brückenkopf vor den Vereinigten Staaten war lange Zeit unangefochten. Berühmt geworden ist die kleine Insel Normans-Cay, die 1978 von Carlos Lehder übernommen wurde und zu einem regelrechten Drogenumschlagplatz, mit Lande-piste, Lagerhallen, Funksystemen und einem Hangar für die Flug-zeugreparatur, ausgebaut worden war. Die Bahamas liegen dicht genug an den USA, um in einer Nacht mit einem Schnellboot eine Fuhre Kokain nach Florida zu bringen und vor dem Morgengrauen wieder zurück am Anleger zu sein. Auch die Flugdistanz für klei-nere Flugzeuge ist so gelagert, daß die Maschinen unter Umständen unverrichteter Dinge zurückkehren könnten, sollte die Landepiste in den USA vorübergehend "verseucht" sein. Die Gewinne, die von der bahamesischen Wirtschaft, insbesondere im OffshoreBanking-Bereich, direkt aus dem Drogenhandel absorbiert werden konnten, sind beträchtlich. Hinzu kommen noch die umfangreichen Korruptionsgelder, die bis hinauf in die Regierungsetage bezahlt wurden. Lynden O. Pindling, Premierminister der Bahamas, geriet durch seine undurchsichtigen Machenschaften so sehr unter internationalen und später auch nationalen Druck, daß Ende der 80er Jahre auf den Bahamas Schritte gegen den überhandnehmenden Drogentransfer unternommen werden mußten. Nachdem der US-amerikanischen Drogenbekämpfungsbehörde DEA (Drug Enforcement Agency) zumindest vordergründig von offizieller

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Seite die Zusammenarbeit versprochen wurde, verloren die Bahamas ihre Vormachtstellung als letzter Umschlagplatz vor den USA. Puerto Rico nimmt durch seinen assoziierten Status an die USA eine besondere Rolle ein. Flüge von hier, wie auch von den US-Virgin Islands, sind juristisch und zollrechtlich Inlandsflüge innerhalb der USA. Die Drogentransporte - sind sie erst bis San Juan oder St. John gelungen - können von hier aus weniger aufwendig getarnt in die USA weitergeleitet werden. Puerto Rico hat für Flugzeuge 66 bekannte Landepisten und unzählige kleine unbewachte und vor allem unkontrollierbare Buchten und Anlegeplätze für Boote. "There is so much vessel traffic at night between the two islands U.S.'s St. John and British Tórtola, that crashes occur due to the smugglers' riding along with no lights to avoid detection" (DE LA TORRE 1988). Was nicht durch selbstorganisierte Transporte erledigt wird, läßt sich als Beifracht in normalen Containern auf Frachtern, mit Kreuzfahrtschiffen oder in öffentlichen Fluglinien befördern. Die Verstrickungen in das Kokaingeschäft haben für die Länder der gesamten Region und für ihre Bevölkerung schwerwiegende Nachteile. Zwar wird sicherlich einigen Menschen im Drogenhandel Arbeit und Einkommen verschafft, jedoch nimmmt auch der Konsum von Kokain in den Transitstaaten stetig zu. Steigende Kriminalitätsraten und die nahezu vollständige Korrumpierung der Ordnungskräfte und der Politiker zerstören die Integrität der Staaten und beeinflussen die Lebenswelt des Einzelnen beträchtlich.

Die Spread-Effects des Drogenhandels Der weltweite Drogenhandel ist inzwischen durch die überdimensionale Akkumulation an Kapital und durch seine offiziellen und inoffiziellen Verknüpfungen in den globalen Wirtschaftskreisläufen nicht mehr zu negieren. Nach Angaben von Gomez Jara umfaßt der Drogenhandel inzwischen 9% des gesamten internationalen Handels. "El narcopoder resula de la conjunción de fuerzas económicas, políticas y sociales tanto de grupos mañosos como de estrategias estatales (de acumulación de capital, para competir con otros estados y controlar poblaciones), con un creciente peso en la vida internacional" (Gomez Jara 1988, S. 8). Die Zusammenarbeit von Drogenproduzenten, Chemielieferanten, Geldwäschern und Banken zeigt die globale Verknüpfung unterschiedlicher Wirtschaftskreisläufe. Genauso wie die Chemiekonzerne darauf hinweisen, daß harmlose chemische Grundstoffe nicht bis zu ihrer Bestimmung überwacht werden können, erklärt die internationale Bankengemeinschaft, daß Drogengelder nicht von anderen Geldern unterschieden werden können und deshalb eine sogenannte "Geldwäsche" nicht ver-

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hindert werden kann. Sicherlich sind die Gewinne für Chemiekonzerne und Banken so lukrativ, daß staatliche Stellen zur Förderung des Wirtschaftswachstums auf eine nähere Untersuchung und Bekämpfung der Probleme verzichten. Wo bleibt hier die Moral, von der man spricht, wenn die kolumbianische oder bolivianische Regierung vor dem Angebot steht, die kompletten Auslandsschulden gegen eine bloße Amnestie von den Drogenbaronen bezahlen zu lassen? Die Drogenmafia läßt sich nicht anders als die Mafia in Süditalien als eine Organisationsform des Kapitals unter den Bedingungen der Unterentwicklung verstehen. "... es gibt kein Ober- oder Untergrundkapital, es gibt nur ein Kapital, das sich bei seiner Vermehrung unterschiedlicher Methoden bedient, immer schwankend zwischen Legalität und Illegalität" (Amendt 1990, S. 67). Dementsprechend muß der Begriff des "informellen", "parallelen", "marginalen" oder "unterirdischen" Drogenmarktes abgelehnt werden. Ohne die Zusammenarbeit mit Chemiefirmen ließe sich kein Kokain aus Coca-Blättern herstellen; ohne die korrumpierten Teile der US-Polizei und Küstenwache ließen sich Rauschmittel in diesen Mengen nicht in die USA bringen; ohne die Waffen, den Sprengstoff, die Flugzeuge und andere benötigte Technik renommierter Konzerne ließe sich kein Staat im Staate mit eigener Armee und eigenen Transportverbindungen aufbauen; und ohne die Möglichkeit der Geldwäsche nach Erledigung des Geschäfts würden die Drogenbarone nur wenig mit ihren erwirtschafteten Milliarden anfangen können. "Die Drogenmafia hat die besten Waffen und die besten Politiker, die man sich in Kolumbien (und nicht nur dort [Anm. d. Verf.]) kaufen kann" (Hebbel 1990). Die kolumbianische Gesellschaft ist zu einer Gesellschaft unter Einfluß und in Abhängigkeit vom Drogenhandel geworden; 90% der kolumbianischen Exportgewinne und 11 % des Bruttosozialprodukts werden vom Drogenhandel erwirtschaftet; 18% der Bevölkerung leben direkt vom Rauschgifthandel und der US-Dollar ist die letzte Stütze der einheimischen Währung (vgl. Germund 1990). Der am 7. August 1990 vereidigte Präsident Gaviria erklärte zu Beginn seiner Amtszeit, daß Drogenterrorismus vom reinen Drogenhandel getrennt werden sollte. "There should be no concessions or pardons for terrorists, but traffickers who offer to surrender and dismantle their business can expect more lenient treatment" ( K E N D A L L 1990). Die Frage bleibt, wer die Kategorisierung in Drogenhändler und Drogenterroristen vornimmt, in einem Land, in dem klare Fronten längst nicht mehr zu ziehen sind. Kämpfe zwischen alter Oligarchie der Kaffeebauern und Viehzüchter, die zu Beginn noch gegen die Drogenmafia mobil machte, dem Militär und dem Verwaltungsapparat, dessen Korruption außer Frage steht, und der Kartelle von Medellfn und Cali, die angefangen haben, gegeneinander zu kämpfen, zeigen wechselnde Verbündete und Kontrahenten.

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Mitentscheidend zur Aufrechterhaltung des Drogenkomplexes aber ist die tiefgreifende Unterstützung der Drogenbosse durch die Bevölkerung. Die kolumbianischen Drogenbarone bewirkten eben nicht nur negative Effekte durch ihren Handel mit Kokain. Über die reine Beschäftigung einer Vielzahl von Handlangern hinaus, helfen sie gerade in Kolumbien mit Sozialbauten in den Armenvierteln ihrer Heimatstädte. In der Dominikanischen Republik finanzierten Drogenhändler ein staatliches Pestizid-Programm, um dafür die inoffizielle Erlaubnis zur Errichtung von Zwischenlandepisten auf der Insel zu erhalten. Auch international sind die Multiplikatoreffekte der Drogengelder an der Börse, beim Gold- und Diamantenhandel, beim Waffenhandel, bei Investitionen in Tourismus, Sport, Immobilien und Finanzanlagen vielfältig. Die in Kolumbien eingeführte "ventanilla siniestra" der Zentralbank macht es möglich, daß US-Dollars in Pesos gewechselt werden können, ohne daß jemand nach ihrer Herkunft fragt. Auf diese Weise werden pro Jahr rund eine Milliarde US-Dollar getauscht. Kolumbiens Landeswährung ist eine der stabilsten in Lateinamerika, das Wirtschaftswachstum liegt mit 5% an vorderster Front in Lateinamerika, und die Handelsbilanz zeigt sich durch die rückfließenden Drogendollars in einem positiven Licht. Das gutorganisierte Drogengeschäft beweist die ökonomischen Fähigkeiten lateinamerikanischer Geschäftsleute. "These guys don't rob banks, they buy them" (Iyer 1985, S. 9). Die Erklärung der Unterentwicklung durch fehlende Kenntnisse von Ökonomie und Organisation in den Ländern der sogenannten Dritten Welt ist nicht länger haltbar. Ohne profunde Kenntnisse liberaler Wirtschaftskreisläufe hätte sich ein derartig lukrativer Wirtschaftszweig wie der Drogenhandel, der unabhängig vom offiziellen Rohstoffweltmarkt funktioniert, nicht entwickeln können. Durch einen weiter ausgebauten Drogenmarkt ließen sich eine Vielzahl von Finanzproblemen in diesen Ländern lösen. Moralische Bedenken halten bislang die Staatsleute davon ab, auf die zahlreichen Möglichkeiten zu reagieren, obwohl sie selbst durch Bestechungsgelder vom Drogenhandel indirekt profitieren. Hat sich nach den Umwälzungen in Osteuropa und der Hinwendung der Industrienationen zu den Ländern des Ostblocks, vor allem in finanzieller Hinsicht, der wirtschaftliche Druck auf die Staaten der sogenannten Dritten Welt in einem solchen Maße erhöht, daß für viele die einzige Überlebenschance in der Akzeptanz des Drogenhandels liegt. "Nur die Länder, die Koka und Mohn anbauen, haben eine reelle Chance, den Kapitalausfall zu kompensieren, indem sie die Anbauflächen ausdehnen und die Produktion erhöhen" (Amendt 1990, S. 67). Doch die USA wollen dafür sorgen, daß es dazu nicht kommen wird. Die Kampfansage an den Drogenhandel hat mit der Amtsübernahme von Präsident Bush neue Brisanz bekommen. Bereits unter Reagan wurden peruanische Coca-Felder

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mit chemischen Mitteln zerstört und bolivianische wie kolumbianische Kokainlabors mit US-Militärhilfe ausgehoben. Der Terminus "Drogen-Krieg" zeugt in diesem Zusammenhang von einer militanten Perspektive im Geschäft mit den Drogen. Denn die geostrategischen Verknüpfungen und vor allem die Rolle der U S A lassen sich aus dem Drogen-Komplex nicht ausgrenzen. Für die Vereinigten Staaten ist der Kampf gegen den Drogenhandel zum Krieg geworden, der nicht erst durch den Einmarsch in Panama seine heiße Phase erreicht hat. Ganze Waffenlager, Hubschrauber und Militärberater wurden für den Kampf gegen die Drogenkartelle nach Kolumbien

geschickt.

Für

die

Drogenkonsumenten

in

den

USA

gibt

es

Aufklärungsvideos und Strafandrohung, für die Staaten Lateinamerikas dagegen Waffen und Militärberatung. Der Drogen-Krieg der Regierung der U S A ist jedoch genauer betrachtet auch eine willkommene Tarnung für deren sogenanntes "second target", die Bekämpfung der Guerilla in den Ländern Lateinamerikas. "Anschuldigungen gegen ein Land, in den Drogenhandel verwickelt zu sein - ob beweisbar oder nicht, spielt dabei keine Rolle - werden wohldosiert nach den jeweiligen außenpolitischen Erfordernissen vom State Department in die Öffentlichkeit lanciert und mit Sanktionsdrohungen verbunden" (Amendt 1990, S. 64). Interventionen der USA, die einen Einbruch in die Souveränität der lateinamerikanischen Staaten darstellen, lassen sich nur zu gut unter dem Deckmantel der Drogenfahndung verstecken. Installierte US-Radaranlagen in Bolivien, Peru, der Dominikanischen Republik, Honduras und Kolumbien, eine komplette Luftüberwachung der Bahamas, bis hin zur Androhung einer Seeblockade Kolumbiens, sind nur weniger auffällige Mosaiksteine der US-amerikanischen Geostrategie im Kampf gegen linksgerichtete Guerillas. Der umstrittene Auslieferungsvertrag

von Drogenhändlern zwischen Kolumbien und den Ver-

einigten Staaten kommt einer Selbstaufgabe der kolumbianischen Gerichtsbarkeit gleich, die wohl nur in den Staaten Lateinamerikas möglich erscheint. Gerade im Zusammenhang mit dem Widerstand des kolumbianischen Drogenkartells gegen diese Auslieferungsanträge nahm das Ausmaß der Gewalt in Kolumbien entscheidend zu. Die Zweigleisigkeit der Argumentationen der US-Regierung wird nicht erst seit der Iran-Contra-Affaire offensichtlich. Der unter dem Banner der Moral und Gesellschaftshygiene gefochtene Kampf gegen Drogen wird genauso rücksichtslos betrieben, wie er bei Bedarf rücksichtslos unterlassen wird. Sollte es vorübergehend politisch opportun sein, so unterstützt man in den US-amerikanischen Sicherheitskreisen auch nicaraguanische Contra-Rebellen beim Drogenhandel zur Beschaffung wichtiger Waffen. Wen wundert in diesem Zusammenhang die Aussage eines Lateinamerikaners: "Vielleicht geht es den Amerikanern gar nicht so sehr um das

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moralische Problem des Drogenkonsums, es schmerzt sie vielmehr, daß ihnen ein Geschäft entgeht" (Amendt 1990, S. 66).

Der Kokainhandel in Wirtschaft und Gesellschaft Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verbindungen im Drogenkomplex sind vielfältig und mehrschichtig. Korrupte Staatsapparate stehen neben abhängigen Kleinbauern, deren letzte Erfolgschancen mit Lebensmittelhilfen aus der EG oder den USA noch zerstört werden. Die strategische Allianz des Militärs und der Mafia gegen linksgerichtete Guerilla steht neben penetranter Interventionspolitik, die durch ein "Lex Noriega" sogar zur sanktionierten Ermordung von unliebsamen Personen bereit ist. Die globale Gesellschaft vereinheitlicht sich zunehmend, auch über den sich immer mehr verbreitenden Konsum von Drogen. Solange wir eine suchtbetonte Gesellschaft bleiben, wird die zügellose Nachfrage nach Rauschmitteln nicht gebremst werden können und damit auch deren Produktion aufrechterhalten bleiben. "21 Millionen (US Bürger) haben in ihrem Leben schon einmal Kokain geschnupft; eine Million braucht täglich Crack, eine rauchbare Koksform,... Sieben Millionen US-Bürger rauchen mindestens einmal die Woche Marihuana, eine Million ist heroinsüchtig. 57 Millionen Amerikaner rauchen, 18 Millionen sind alkoholabhängig. Zehn Millionen bevorzugen Beruhigungsmittel und psychotherapeutische Drogen; und eine Million nimmt Halluzinogene wie LSD, PCP und Ice, eine rauchbare Form von Speed, die nach ihrem 'Erfolg' auf Hawaii zur neuen Modedroge der 90er Jahre avancieren könnte" (Paasch 1990). Die Unterschiede sind nicht mehr im Abhängigkeitsgrad zu finden, sondern nur noch in der Art der Rauschmittel, deren Spannbreite von legalen Drogen wie Tabak, Alkohol und Tranquilizern über Fernsehen, Arbeit oder Spielsucht bis hin zu illegalen Drogen wie Marihuana, Haschisch, Heroin oder Kokain reicht. Die klassischen Trennungen sind nicht länger haltbar. Nicht alles ist recht oder unrecht, legal oder illegal, formell oder informell. Die Gründe für die wachsende Bedeutung des Drogenkomplexes sind eng mit unseren eigenen Aktivitäten verflochten. Entscheidend ist die steigende Nachfrage nach Drogen in unserer Gesellschaft, die trotz härtester Schutzmaßnahmen immer Wege finden wird, ihren kaufkräftigen Bedarf zu decken. Genauso wichtig aber sind die international wirksamen Wirtschaftsspielregeln. Unter dem Diktat des IWF und der Weltbank hat der Druck auf die sogenannte Dritte Welt zugenommen, ist die Verschuldung der Staaten und die Verelendung der Menschen fortgeschritten, so daß, provozierend gesagt, ein Ausweg gegenwärtig nur im Anbau und Handel

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mit Drogen zu liegen scheint. Besonders nach dem Fall der Mauer und der Hinwendung der westlichen Industrienationen zu den Ländern des Ostblocks scheint sich die Situation noch zu verschärfen. Literatur Amendt, Günter (1990), The war goes on. In: Konkret. 1990, Nr. 2, S. 64-68. Blanes Jimenez, José (1989), Cocaine, Informality, and the Urban Economy in La Paz, Bolivia. In: PORTES, Alejandro u.a. (Hrsg.): The Informal Economy. Baltimore, S. 135-149. Camacho Guizado, Alvaro (1988), Droga y sociedad en Colombia - El poder y el estigma. Bogotá Castillo, Fabio (1987), Los Jinetes de la Cocaina. Bogotá DER SPIEGEL (1983), "Ein Flugzeugträger voll mit Rauschgift" - Die Bahamas, Kokain und Korruption im Touristenparadies, Nr. 39, S. 149-162. DER SPIEGEL (1988), Weltmacht Droge (Serie), Nr.45-52. Doemer, William R. (1989), The Chemical Connection. In: Time, 20.2.1989, S. 10-11. Eddy, Paul; Sabogal, Hugo und Waiden, Sara (1989), Der Kokainkrieg - Die Kolumbien-MiamiConnection. Wien Germund, Willi; Knabe, Ricarda und Schiller, Ulrich (1989), Blüte auf dem Schnee. In: Die Zeit 1989, Nr. 36. Gomez Jara, Francisco A. und Mora Hernandez, Gerardo (1988), Narco Poder: Cuatro Hipótesis Sociológicas. (Vortragspaper vom VIII Congreso Centroamericano de Sociología). Guatemala Hafner, Georg M. und Taylan, Kamil (1988), Zum Beispiel Cocain. (Reihe: Süd-Nord 16). Göttingen Iyer, Pico (1985), Fighting the Cocaine Wars. In: Time, 25.2.1985, S. 6-14. Kendall, Sarita (1990): Medellin Barons Offer Way Out. In: Financial Times, 15.2.1990 Mahnke, Lothar (1987), Das Coca-Problem in Bolivien (Anbau, Vermarktung und Bedeutung eines illegalen Exportproduktes). In: Ahnert, F. u.a. (Hrsg.): Beiträge zur Landeskunde Boliviens (Aachener Geographische Arbeiten, H. 19). Aachen, S. 137-164. Meschkat, Klaus (1981), Drogen, Korruption und Macht - Die "parallele" Ökonomie in Kolumbien. In: Journal für Geschichte. 1981, Nr.5, S. 14-19. Mina, Nima (1990) Der CIA und die "Narco Guerilla". In: links 1990, Nr. 2, S. 32-34.

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Wolf-Dietrich Sahr

Der Tourismuskomplex zwischen Wirtschaftssystem und Alltagswelt in der Ostkaribik: Eine •• >> Ubersicht und die Übersehenen - am Beispiel von St. Lucia Der tropische Ferntourismus hat die Freizeitkultur Europas und das Leben in tropischen Ländern in diesem Jahrzehnt entscheidend verändert. Menschen aus hochtechnisierten Gesellschaften kommen mit Menschen aus Ländern der sogenannten "Dritten Welt" in Kontakt und erfahren aus unmittelbarer Anschauung, wenn auch nicht sehr verständnisvoll, die Probleme der Entwicklungsländer. Fehleinschätzungen, wie die, die Arbeitslosigkeit mit Faulheit verwechseln oder unbekannte Denkstrukturen als Dummheit bezeichnen, werden als Bestätigung der Unterentwicklung angesehen. Dennoch wird die "tropische Idylle", ein Produkt dieser "Unterentwicklung", mit großem Genuß goutiert. Auch die Wissenschaft arbeitet weiterhin am Mythos der Unterentwicklung. Die global gültigen Parameter dazu sind fehlende Produktivkraft und Verschuldung, soziale Disparitäten und Ausbeutung, geringe Partizipation der Bevölkerung am politischen Leben und unterentwickelte Eigeninitiative. Angesichts eines boomenden informellen Sektors, erstaunlicher Mobilität und geistiger Flexibilität der verarmten Menschen und der Fähigkeit, über "illegale" Ökonomien (Schmuggel, Drogenhandel, Prostitution etc.) teilweise Wohlstand und Einfluß zu erreichen, trifft die These von einer unterentwickelten Bevölkerung auf lokalem Niveau in der tropischen Welt nicht mehr zu.

Der Tourismuskomplex in der Wirtschaft St. Lucias Am Beispiel des Tourismuskomplexes im ostkaribischen Inselstaat St. Lucia, der 1979 von Großbritannien in die volle Unabhängigkeit entlassen wurde, soll im folgenden aufgezeigt werden, wie vermeintliche Unterentwicklung und ein hohes Entwicklungsniveau menschlicher Fähigkeiten zusammenspielen. Der Begriff "Komplex" wurde gewählt, um einen neutralen Ausdruck zur Verfügung zu haben, der über den wirtschaftssektoralen Aspekt hinausreicht und die

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Interdependenzen zwischen formellen und informellen ökonomischen Kreisläufen, den sozialen Strukturen und dem kulturellen Umfeld gemeinsam umschließt (vgl. Ratter 1991). In ihm vernetzen sich die unterschiedlichsten Lebenswelten im Sinne von Schütz/Luckmann (1979). Als Resultat vielfältiger Aktivitäten ist er eine wirtschaftssoziale "black box". Daran wirken Touristen mit ihren Vorstellungen ebenso mit wie internationale Hotelketten und ihre Manager, Straßenverkäufer ebenso wie Prostituierte. Die Vielfalt der Lebenswelten durchdringt sich in ihm und führt über teilweise heftige soziale Brüche und Widersprüche zum Zusammenspiel verschiedener Sinnsysteme und Realitätskonstellationen (Welsch 1988, S. 205). Damit wird allen Ansätzen eine Absage erteilt, die sich in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Analyse auf Mechanismen zur Kapitalakkumulation und Ausbeutung der Arbeitskraft beschränken, wie auch jenen, die glauben, den Zustand der Entwicklung eines Landes an der Handelsbilanz ablesen zu können. Auf St. Lucia leben und arbeiten 145.327 Einwohner auf einer Landesfläche von 660 qkm (Statistical Department 1988). Ihre stark außenabhängige Ökonomie beruht vor allem auf dem Export von Bananen und dem Tourismus. 1987 waren 2.486 Menschen im Hotelgewerbe tätig (Statistical Department 1988), eine vergleichsweise niedrige Zahl, wenn man bedenkt, daß der Agrarzensus (Ministry of Agriculture 1987) allein 7.178 Vollerwerbslandwirte mit ihren Familien und 4.326 Nebenerwerbslandwirte aufführt. Doch die statistischen Angaben täuschen, da sie die Verflechtungsbeziehungen der Wirtschaftssektoren nicht berücksichtigen. Der Tourismussektor erfordert eine Einbindung weitreichender anderer Dienstleistungen. Dazu gehört das Transportwesen ebenso wie der Handel, die Bauindustrie und staatliche Dienstleistungen (Zoll, Polizei usw.). Weiterhin verlangt der Tourismus eine Reihe von Voraussetzungen, wie die schulische Ausbildung des Personals und hinreichende Verkehrs r- und Freizeitinfrastruktur, für die in der Regel staatliche Gelder notwendig sind. Der Tourismuskomplex faßt alle diese Verflechtungen zusammen. Erst seit Mitte der sechziger Jahre spielt der Tourismus in St. Lucia eine größere Rolle. Die Statistik weist für 1988 79.500 Kreuzfahrtpassagiere und 114.424 Ferientouristen mit Übernachtungen aus, saisonal bedingt sind die Zahlen zwischen November und April monatlich um ein Drittel höher. 1987 kamen die Ferntouristen aus den Vereinigten Staaten und Kanada (41,5%), aus Großbritannien (21,0%), der Bundesrepublik (5,8%), Frankreich (2,3%), der Schweiz (1,8%) und Italien (1,5%) (Statistical Department 1988). Die Struktur des Hotelgewerbes ist bipolar. Neben großen Hotel-Resorts internationaler, manchmal auch nationaler Betreiber gibt es eine ganze Reihe kleinerer lokaler Hotels und "Guest Houses". Die gesamte Bettenkapazität auf der Insel

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beträgt 4.240 (Ministry of Finance 1988). Besonders auffällig und fur den Ferntourismus bedeutsam sind die großen Hotelenklaven um die Hauptstadt Castries (ca. 70.000 Einwohner) und den nördlichen Fischerort Gros-Ilet (vgl. Abb. 1). Weitere Resorts befinden sich bei Vieux-Fort im Süden der Insel und in kleinerem Maßstab bei Soufrière. Die Resort-Hotels umfassen ein relativ großes Gelände in Strandnähe, und ihre Gebäude sind in zwei- bis dreistöckigen Reihenhäusern oder villenartigen Siedlungen über das Grundstück verteilt. Dadurch, daß sie meist eingezäunt und von privaten Wachmannschaften bewacht werden, werden sie zu Enklaven der Ausländer (Friedmann 1983). Die Aussichten für den Tourismus in St. Lucia scheinen positiv zu sein. Die ganzen achtziger Jahre über expandierte der Sektor mit jährlichen Steigerungsraten um die S %. In jüngster Zeit kam es in fast allen Hotels zu erheblichen Verbesserungen der Infrastruktur und Kapazitätsausweitungen (Ministry of Finance 1988). Der Tourismus "boomt" in St. Lucia und beginnt den traditionellen Bananenanbau als Außenwirtschaftsfaktor zu überflügeln.

Die Verflechtungen karibischer Familien mit dem Tourismuskomplex In den Tourismuskomplex sind die Menschen St. Lucias vielfältig eingebunden. Ihre Haushaltsökonomien greifen rhizomatisch in die einzelnen Wirtschaftssektoren ein und gehören teils zum statistisch erfaßten formellen und teils zum informellen, deshalb oft übersehenen Sektor (vgl. Evers 1987). Der auf der Basis von Familienund Freundschaftsbeziehungen operierende Haushalt gleicht einem diversifizierten Großkonzern, der sich in verschiedenen Branchen bzw. Komplexen gleichzeitig engagiert. Seine Operationsweise kann nicht quantifiziert werden, da über soziale Austauschbeziehungen wirtschaftliche Tauschhandlungen ersetzt werden (Freundschaftsdienste, Sympathien, sexuelle Beziehungen usw.). In Anlehnung an Waldenfels (1987) sollen diese Beziehungen als Netze oder Netzwerke dargestellt werden. Die Analyse bleibt dabei strukturell und wendet sich absichtlich nicht der faktoriellen Netzwerk-Analyse der Soziologie (vgl. Keupp/Röhrle 1987) zu, um nicht ungerechtfertigterweise nicht-mathematische Daten in mathematische zu verzerren. Menschen in der Karibik sind bekannt für ihre Flexibilität. Selten üben sie nur einen einzigen Beruf aus (Comitas 1964). Ihre hohe Mobilität beweisen sie durch intensive Auslandstätigkeit (Conway 1989). Darüber hinaus pflegen sie sich in weitreichenden Familiennetzen zu organisieren (Benoit 1972; Carnegie 1982). Interessanterweise sind die Phänomene von Flexibilität, Mobilität und Familienver-

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flechtung nicht nur auf soziale Unterschichten beschränkt, sondern lassen sich über Jahrhunderte auch in der Oberschicht nachweisen (Tarrade 1972; Barrow/Greene 1979). Das Spektrum der Betätigung im Tourismuskomplex ist weit. Es reicht von der unternehmerischen Organisation eines Hotels oder "Guest Houses" über die Anstellung in einem Restaurant oder Hotel, dem Betrieb eines Taxis, der Produktion und dem Straßenverkauf von Souvenirs, der Tätigkeit als "tour guide" bis hin zu Prostitution und Drogenhandel. Sogar Diebe leben vom Tourismus. Es gibt jedoch kaum Haushalte, die ausschließlich vom Tourismus abhängig sind. An zwei Beispielen aus St. Lucia soll deutlich gemacht werden, wie sich Menschen im Tourismuskomplex einbinden. Ihre Tätigkeiten tauchen selten in den Statistiken auf, ihr Beitrag zum Wohlbefinden der Touristen wird selten gewürdigt. Die Familie St. Luc (Name geändert) lebt in einem der Mittelklasse-Wohngebiete vor Castries an der Ausfallstraße nach Gros-Ilet. In einem steingebauten Haus mit 4 Zimmern wohnen Mom (66 Jahre) und ihre Tochter Olivette (38 Jahre). Diese hat zwei uneheliche Kinder, Belle (15) und John (18). Während Belle noch die Schule besucht, hat John gerade vor einem Jahr eine Ausbildung als Apotheker begonnen. Olivette lebt von Schneiderarbeiten, die sie zu Hause selbst anfertigt. Mom arbeitet als Haushaltshilfe bei einem reichen Grundbesitzer und Kaufmann. Neben diesen 4 Personen wohnt noch Clarke (34 Jahre) unregelmäßig im Haus. Er ist Seemann und arbeitet zur Zeit auf einer kleinen Yacht, die Touristencharters durchführt. Sein Bruder Jim (27), verheiratet, dessen Frau gerade für ein Jahr in Kanada arbeitet, übernachtet mit seiner fünfjährigen Tochter gelegentlich ebenfalls im Haus. Geht man einige Häuser die Straße hinauf, so trifft man auf das Haus von Julie (36), Olivettes Schwester. Es ist ähnlich ausgestattet wie das oben beschriebene. Sie lebt dort, getrennt von ihrem Mann, mit ihren drei Kindern von 14, 12 und 9 Jahren. Julies Mann (40) kommt aus einer bedeutenden Familie aus Soufrière und hat eine solide Ausbildung als Lebensmittelmanager und Koch bekommen. Gegenwärtig unterrichtet er diese Fächer an der Hotelfachschule (20 Schüler im Jahr) von St. Lucia. Obwohl Julie ihn schon lange wegen anderer Frauengeschichten vor die Tür gesetzt hat, schaut er immer wieder vorbei und unterstützt die Kinder sporadisch finanziell. Julie selbst hatte ursprünglich als Hotelsekretärin (mit Ausbildung) in einem der Großhotels gearbeitet, mußte diesen Job jedoch aufgeben, als der Hotelbesitzer sie sexuell zu belästigen begann. Dann machte sie mit ihrem Mann ein Restaurant im Zentrum von Castries auf, das beide jedoch wegen zu hoher Mieten 1983 aufgeben mußten. Sie schlug sich daraufhin mit Gelegenheitsarbeiten durch und fand 1987, nicht zuletzt durch Fürsprache ihres Mannes, eine Anstellung an einem der größten Hotels der Insel als Lebensmittel-Managerin.

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In der Statistik würden Olivettes und Julies Haushalt getrennt aufgeführt werden. Sie bilden jedoch einen intensiv verflochtenen Verbund. Geld für Mieten, allgemeine Unterhaltskosten und Essen wird von denjenigen gezahlt, die es zur Verfügung haben. Die Haushaltskasse ist ein Pool, der von allen Familienmitgliedern bezuschußt wird.

Dazu gehören natürlich auch die Beiträge von Julie, die

gegenwärtig vermutlich die Einzige ist, die formell im Tourismussektor arbeitet. Sie bezahlt zuerst ihre eigenen Unterhaltskosten und übernimmt aufgrund ihres hohen Gehalts (ca. 1.000 DM/Monat) weitere Kosten im Haus ihrer Mutter und Schwester. Dafür erhält sie von Olivette häufig das Essen zubereitet, ihre Kinder (wie auch Jims Tochter) machen in Olivettes Haus ihre Schularbeiten, und ihre Kleider werden kostenlos gewaschen. Clarke, als Seemann ebenfalls für Touristen tätig, statistisch - wenn überhaupt - jedoch im Transportsektor geführt, bezuschußt die Familie j e nach Saison. Das Familienleben läuft in finanzieller Hinsicht rhythmisch ab. Die regelmäßigen Verdienste von Julie und Mom machen etwa die Hälfte der Beiträge aus. Clarkes Anteil ist abhängig von der Tourismussaison, Olivette hat besonders viele Aufträge vor Weihnachten und zu Schulbeginn im August (Schuluniformen). Viele ihrer Kunden sind bei ihr auf längere Zeit verschuldet. Die finanziellen Schwankungen des "cash-flows" (Zitat von Olivette: "money cannot stay") werden von der Familie St. Luc geschickt genutzt. Sollte es trotzdem einmal zum Verebben des Geldflusses kommen, helfen der Freund von Olivette oder Julies getrennt lebender Mann aus. Das hier vorgestellte Beispiel ist zwar einzigartig in seiner Struktur, jedoch in seiner Gesamtheit symptomatisch für die Karibik. Es zeigt, daß der Geldfluß des Tourismuskomplexes in der Familie auf schwer zu erfassenden Wegen versickert bzw. das Überleben sichert. Dabei vermischen sich informelle und formelle Ökonomie. Das flexibel gestaltete Familiennetz erlaubt weitgehende Allianzen, die die Haushaltsgrenze bei Bedarf überschreiten. Die Familie St. Luc ist so in den Tourismuskomplex über ein partielles Abhängigkeitsverhältnis eingebunden. Die Familien McGregor und Rambally stehen dagegen für selbständige bzw. informelle Tätigkeit im Tourismuskomplex. Die Familie McGregor wohnt außerhalb von Castries in einer kleinen Siedlung von 60 Einwohnern (19 Haushalte). Dieser Ort entstand nach 1980 und umfaßt hauptsächlich Kernfamilien mit ihren Kindern, deren Eltern "whitecollar jobs" in Castries nachgehen. Die Familie McGregor besteht aus einem Ehepaar im Alter von etwa 70 Jahren sowie deren Tochter (40) mit ihrem unehelichen Sohn (15). Sie besitzt in der Nähe des Hafens ein Panorama-Hotel mit etwa 20 Zimmern. Jeden Morgen fahren die drei Erwachsenen ins Hotel zur Arbeit. Sie übernehmen dabei von der Rezeptionstätigkeit

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Abb. 1: Übersichtskarte über die wichtigsten touristischen Einrichtungen St. Lucias

55H

Siedlung

~~

Straße

H

Großhotel

h

potentieller Hotelstandort

M

Marina/Yachthafen

HHM Gros

Flughafen

Karibisches Anse-Ia-Raye

h 13-SS -

Meer

Dennery Canaries

H Soufriere

Micoud

Atlantischer Choiseul

13'«1 -

H

Ozean

Vieux

Kartographie: W SAHR

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über die Zubereitung der Mahlzeiten bis hin zum Einkauf der Waren alle Tätigkeiten selbst. Als Lohnarbeitskräfte auf Zeit (jederzeit kündbar) arbeitet für sie die Familie Rambally. In seinem kleinen Holzhaus lebt das Ehepaar Rambally (40 und 43 Jahre alt) mit seinen beiden Söhnen (12 und 15) und der Tochter (18) in direkter Nachbarschaft zu den McGregors. Die Familie hat indische Vorfahren und stammt aus dem Dorf Forestière. In jenem Dorf wohnen noch heute viele ihrer Verwandten. Allein die Geschwistergeneration der beiden Eltern umfaßt mit ihren Kindern 177 Personen; mit der Mehrzahl von ihnen pflegen sie einen intensiven Kontakt. In die Siedlung kam Herr Rambally durch einen Pachtvertrag. Er bearbeitet dort ein Gelände von etwa 1,5 ha Bananenland. Im Laufe der Jahre übernahmen die Ramballys fast jede Tagelöhnerarbeit in der Siedlung. Das reichte von Unkrautjäten, Pflanztätigkeiten, Straßenbauarbeiten bis hin zu temporären Anstellungen als Haushaltshilfe u.ä. Zwischen Juni 1988 und Januar 1989 waren sie für insgesamt 5 Haushalte (vier davon aus der Siedlung) tätig (vgl. Abb. 2). Daneben leisteten sie noch ihre eigene landwirtschaftliche Tätigkeit. Für Herrn McGregor hatte Herr Rambally mit seinen zwei Söhnen eine Zufahrt zu seinem Haus angelegt. Außerdem pflegten sie dessen Gartengrundstück. Frau Rambally wurde bei starker Auslastung des Hotels gebeten, auf Stundenbasis als Zimmermädchen und Küchenhilfe tätig zu werden. Herr Rambally übernahm wenig später die Arbeit als Nachtwächter im Hotel. Dadurch mußten in anderen Haushalten der Siedlung die Arbeiten der Familie Rambally eingeschränkt werden. Das Beispiel der Familie Rambally zeigt die Diversifizierung des Einkommens, die wir schon von der Familie St. Luc kennen. Während dort jedoch Diversifizierung auch Spezialisierung der beruflichen Tätigkeit bei jeder einzelnen Person bedeutet, werden in der Familie Rambally verschiedene Tätigkeiten von einer Person parallel bei verschiedenen Arbeitgebern ausgeübt. Es ist interessant, daß die McGregors für ihr Kleinhotel auf diese Art der nicht-spezialisierten Arbeitskräfte zurückgreifen, während die großen Hotels spezialisierte Kräfte bevorzugen. Beide Formen jedoch zeigen, daß ganze Familien am Tourismuskomplex partizipieren, ohne voll in ihn eingebunden zu sein. Die Familie St. Luc ist von Mittelklasse-Vorstellungen geprägt, bei der man einer ordentlichen Lohnarbeit nachgeht, während die Land-Stadt-Migranten Rambally noch ganz im Zeichen improvisierter "multi-occupational flexibility" (COMITAS 1964) stehen. Sie haben dabei ein umfangreiches Repertoire anzubieten und sind saisonalen Krisen weniger ausgesetzt als die St. Lucs. Mangelnde Formalisierung im Berufs- und Arbeitsspektrum ist so das Ergebnis einer intelligenten familiären Diversifizierungspolitik.

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Die Rolle des Staates für den Tourismus Während die Menschen mit ihrer Improvisationsfähigkeit beweisen, daß sie flexibel auf neue Situationen im Tourismuskomplex reagieren, hat es der Staat hier wesentlich schwieriger. St. Lucia bemüht sich seit Jahren mit Steuerbefreiungen auf 10 Jahre um das Interesse neuer Hotelinvestoren. Dies bedeutet de facto einen Verzicht auf direkten Profit für die Regierung. Investoren verlangen jedoch günstige infrastrukturelle Voraussetzungen wie gute Verkehrserschließung, Straßenbau, Wasserversorgung, Elektrizität. Gleichzeitig erwarten sie eine effiziente Bürokratie und ein gewisses Ausbildungsniveau ihrer Arbeitskräfte. All dies muß vom Staat finanziert werden und hat f ü r St. Lucia einen Schuldenberg von 93,1 Mio. US-$ (Ministry of Finance 1988) entstehen lassen. Gegenwärtig verschlingen die Wasserversorgung, der Flughafenausbau und die Überholung der Westcoast-Road zwischen Castries und Soufrière die größten Beträge. Die gegenwärtige Situation der Überschuldung hat für viele karibische Staaten ihre Ursache nicht in einer zu hohen Ausgabenpolitik der Regierungen, sondern in dem fehlenden Rückfluß der vorinvestierten Gelder. Diese verschwinden entweder in den ausländischen Betrieben oder versickern konsumptiv im Netzwerk der Bevölkerung. Verschuldung ist so eine Folge der unzureichenden Struktur der staatlichen Verwaltung und ihrer finanzpolitischen Instrumente. Die Regierung versucht, zu Lasten der sozialen Kultur der Bevölkerung neue Investoren zu gewinnen. Ein heftig diskutiertes Beispiel dafür ist die Zulassung eines Hotelkomplexes mit Casino-Einrichtung auf der Insel. Geldspiele sind auf St. Lucia verboten. Der Vorschlag des Premierministers Compton, Hotels mit Casino-Einrichtungen wie auf Antigua zuzulassen, erregte 1985 heftige Kritik und belebt bis heute die Diskussion um den Einfluß des Tourismus. Das Projekt eines Hotel-Casinos ist auf St. Lucia sehr alt. Bereits 1964 scheiterte ein Versuch der damaligen Labour-Regierung in dieser Richtung am heftigen Widerstand der katholischen Kirche (etwa 80 % der St. Lucianer sind katholisch) und der damaligen Opposition unter dem heutigen Premierminister John W. Compton (St. LUCIA STAR vom 5.12.1987, S. 12). 1985 jedoch schlug Compton selbst vor, Hotelinvestoren die Einrichtung eines Casinos zu gestatten. Dies stieß wieder auf den Widerspruch der Kirchen und der jetzt in der Opposition stehenden Labour Party. Compton verteidigte die Einrichtung eines CasinoHotels mit Hinweis auf die Notwendigkeit neuer Arbeitsplätze und veränderter Marktstrukturen (THE VOICE vom 24.6.1987). Große Teile der Kirchen, der Presse und der Bevölkerung kritisierten die Zulassung, da sie die Zunahme von

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Prostitution, Drogenhandel und die Zerstörung der Arbeitsmoral der lokalen Bevölkerung befürchteten (EC-NEWS vom 4.9.1987). Der Konflikt polarisierte die lokale politische Landschaft. Die konservative Regierung wirkte wie ein Anwalt internationaler Interessen (wie einst die Labourregierung), und die Bevölkerung artikulierte sich über die Opposition. Sie verstand die Regierung vor allem deshalb nicht, da sie selbst von den Casinos ausgeschlossen bleiben sollte und so zum Fremden im eigenen Land erklärt wurde (ST. LUCIA STAR vom 28.11.1987). Schließlich kam es sogar innerhalb der Regierung zu heftigen Auseinandersetzungen über die Casino-Frage (THE VOICE vom 13.2.1988, S. 11). Am 7. April 1988 verurteilten 78 katholische Priester und Nonnen aus verschiedenen karibischen Staaten die Einführung eines Casinos (EC-NEWS vom 15.4.1988, S. 17) und gaben dem Konflikt so auch eine regionale Relevanz. Daraufhin bekundete nach langem Schweigen auch das Hotelgewerbe in der VOICE vom 11. Juni 1988 seine grundsätzliche Zustimmung für die Einrichtung von Casinos. Wenig später wurde es ruhig um dieses Thema.

Abb. 2: Einkommensquellen eines Haushalts zwischen Juni 1988 und Januar 1989, Babonneau Area St. Lucia (eigene Erhebungen) Landwirtschaft!. Tätigkeit auf Pachtland X-Hill

i i i i i i

Feldarbeit I

Haushalt X-Hill

- k — i . Mann (40)



I

-

Frau (43)

4—

Haushallshilfe i

i.

Sohn (12)

r~~-

Haushalt X-Hill

Sojapresse X-Hill

Haushalt In X-HIII —

Sohn (15)

Hotel Castries

i

41

Tochter (18)

"TT

Küchenhilfe

Sojajire

Restaurant Castries

Bedienung

Bananenland Babonneau

I Putzhilfe

Haushalt X-Hill

Haushalt X-Hill Haushalt Babonneau

Arbeitsplatz

festes Einkommen

' - sporadisches Einkommen

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Um so mehr waren die Kritiker überrascht, als Compton im August 1989 im Parlament erklärte, er habe mit der amerikanischen Carnival Cruise Lines Ltd. einen Vertrag abgeschlossen, der auf dem Pigeon-Island-Damm den Betrieb eines Casinos in einem Kongreßhotel für 15 Jahre erlaube (EC-NEWS vom 22.9.1989). Trotz erneuten Protestes der Kirche und der Opposition scheint es, als habe sich der Premierminister letztendlich durchgesetzt. Das hier vorgestellte Beispiel zeigt, wie der Tourismus in das labile kulturelle und politische System St. Lucias eingreift. Mit erstaunlicher Offenheit werden von der Bevölkerung die Probleme des Tourismus artikuliert. Dies zeigt sich an der Dissonanz zwischen moralisch-ethischen Forderungen (vertreten durch die traditionalistische Kirche) und ökonomischen "Notwendigkeiten". Trotz großer traditioneller Spielleidenschaft der St. Lucianer bei Hahnenkämpfen, im Domino- und Dame-Spiel lehnen sie die Veränderung ihrer Kultur durch eine kapitalistische Variante des Spielens ab. Sie haben die vielfältigen sozialen und ökonomischen Verflechtungen des Casino-Spiels und dessen Negativ-Effekte auf ihre Lebenswelt deutlich erkannt. Auch in Fragen des Umweltschutzes läßt sich ein erweitertes Bewußtsein in der Bevölkerung beobachten. Das zeigt sich in der Reaktion auf das Ansinnen der Regierung, zwischen den beiden Pitons, einem landschaftlich einzigartigen Gebiet bei Soufrière, einen Hotelkomplex zu errichten. 1988 trat das Schweizerisch-Iranische Konsortium der M-Group an die Regierung St. Lucias heran, um auf dem Gelände des Jalousie-Estates zwischen den beiden Pitons eine Kondominium-Anlage mit ISO Einzelhäusern zu bauen. Der St. Lucia National Trust hatte das Gelände bereits für einen Naturpark ausersehen, da hier, für die Ostkaribik einmalig, auf kleinem Raum die verschiedensten Vegetationsformationen zu finden sind (EC-NEWS vom 13.1.1989, S. 14). Die Idee des Trust wurde u.a. von Prinz Philip als Vorsitzendem des World Wildlife Funds (der zugleich Ehemann des Staatsoberhauptes von St. Lucia ist) begrüßt. Die Regierung jedoch favorisierte das Ansinnender M-Group. Daraufhin formierte sich der "St. Lucia Environmental and Development Action Council" als Bürgerinitiative, dem eine Reihe von karibischen Intellektuellen angehören, darunter der Präsident der Caribbean Conservation Association, Y . Renard, Möns. Anthony von der katholischen Kirche, der auch in der Casino-Frage sehr aktiv ist, sowie der bekannte St. Lucianische Schriftsteller D. Walcott. Das Komitee findet in der Bevölkerung breite Unterstützung (CARIBBEAN C O N T A C T Vol. 18, 1990, No. 1, S.20).

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Die Diskussion um Ökonomie und Natur ist noch voll im Gange, doch steht auch hier zu befürchten, daß sich mit Compton erneut rein ökonomische Interessen durchsetzen. Bei beiden Beispielen verlaufen die Konfliktlinien ähnlich. Störungen der persönlichen Lebenswelt-Situation werden in der Bevölkerung nicht nur kritisiert, sondern auch aktiv bekämpft. Dabei tritt oft die Situation ein, daß sich die Regierung (übrigens unabhängig von der ideologischen Ausrichtung) den kulturellen und ökologischen Interessen der Bevölkerung gegenübersieht und zum Anwalt ökonomischer Erfordernisse verkommt.

Der Tourismuskomplex zwischen Lebenswelt und politischer Szene St. Lucia, seine Bevölkerung und seine Regierung sind in einer mißlichen Lage. Die Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Situation der Bevölkerung scheint nur durch wirtschaftliche Opfer der Regierung (Verschuldung) erbracht werden zu können. Die dadurch entstandenen Störungen des sozio-kulturellen Umfeldes und der natürlichen Grundlagen werden von der Regierung in Kauf genommen, entfremdet diese von ihrer eigenen Bevölkerung und bindet sie als strategische Gruppe (Evers/Schiel 1988) in den Weltmarkt ein. Strukturell bedingt kann sie kaum anders handeln. Die Übersicht über den Tourismuskomplex in St. Lucia hat die wirtschaftliche Bedeutung und die politischen Vorgaben, die sich daraus entwickeln, verdeutlicht. Damit muß die Bevölkerung, deren umfangreiche Verflechtungen schwer zu erfassen und deshalb leicht übersehbar sind, fertig werden. Ihre Strategie ist zweigleisig. Die wirtschaftliche Einbindung wird über informelle Netzwerke betrieben (Deformalisierung), während kulturelle und soziale Negativeffekte über etablierte sozio-politische Strukturen (Kirche, Oppositionspartei) abgewehrt werden (Instrumentalisierung). Die informellen Netzwerke ermöglichen den Menschen, sich den unzureichenden formalen Rahmenbedingungen zu entziehen und so ihr innovatives Potential voll zur Entfaltung zu bringen, während die Instrumentalisierung traditioneller Institutionen der Absicherung des sozio-kulturellen Umfeldes gilt. Deformalisierung und Instrumentalisierung sind so die Antworten der lokalen Bevölkerung auf die internationale Verschuldungspolitik. Literatur: Barrow, Christine and J. Edward Greene (1979), Small Business in Barbados. A Case Study of Surviva]. Cave Hill, Barbados.

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Benoit, J. (1972), L'étude anthropologique des Antilles. In: J. Benoit (Hrsg.), L'archipel inachevé. Culture et Société aux Antilles Françaises. Montreal, S. 17-55. Carnegie, Charles V. (1982), Strategie Flexibility in the West Indies: A Social Psychology of Caribbean Migrations. In: Caribbean Review 11, 1, S. 10-13 & 54. Comitas, Lameros (1964), Occupational Multiplicity in Rural Jamaica. In: J.J. Garfield and E. Friedl (Hrsg.): Proceedings of the American Ethnological Society. Seattle, S. 41-50. Conway, Dennis (1989), Caribbean International Mobility Traditions. In: Boletín de Estudios Latinoamericanos y del Caribe 46, S. 17-47. Evers, Hans-Dieter (1987), Subsistenzproduktion, Markt und Staat. Der sogenannte Bielefelder Verflechtungsansatz. In: Geographische Rundschau 39, 3, S. 136-140. Even, Hans-Dieter und Tilman Schiel (1988), Strategische Gruppen. Vergleichende Studien zu Staat, Bürokratie und Klassenbildung in der Dritten Welt. Berlin. Friedmann, J.A.(1983), From Plantation to Resort: Tourism and Dependency in a West Indian Island (St. Lucia). Diss. New Brunswick. Keupp, Heiner und B. Rohrle (Hrsg.) (1987), Soziale Netzwerke. Frankfurt/M. Ministry of Agriculture, Lands, Fisheries and Co-operatives (1987), Final Report on the 1986 Census of Agriculture in St. Lucia. Castries. Ministry of Finance, Statistics and Negotiating of St. Lucia (1989), Economic and Social Review 1988. Castries. Ratter, Beate (1991), Der Drogenkomplex als integrierendes und desintegrierendes Element in Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas. In diesem Band. Schütz, Alfred und Thomas Luckmann (1979), Strukturen der Lebenswelt. Frankfurt/M., 2 Bde. Statistical Department - Government of St. Lucia (1988), Annual Statistical Digest 1988. Castries. Tarrade, Jean (1972), Le commerce colonial de la France à la fin de l'ancien régime de L'Exclusif des 1763-1789. Paris, 2 Bde. Waidenfels, Bernhard (1985), In den Netzen der Lebenswelt. Frankfurt/M. Welsch, Wolfgang (1988), Unsere postmoderne Moderne. Weinheim. Verschiedene Nummem folgender ostkaribischer Zeitungen wurden verwendet: CARIBBEAN CONTACT (Bridgetown, Barbados), EC-NEWS (Bridgetown, Barbados), ST. LUCIA STAR (Castries, St. Lucia) THE VOICE (Castries, St. Lucia).

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Informeller Sektor und gesellschaftliche Entwicklung Volker Lühr Vorwort "Informeller Sektor", sofern der Begriff eine soziale Kategorie meint, ist eine Metapher. Sie verdankt sich theoretischer Verlegenheit, zumindest in Lateinamerika. Dort haben die Sozialwissenschaften seit jeher Mühe gehabt, in der Vielfalt sozialer Bewegungen kollektive Subjekte zu erkennen, die den Lehrbüchern des sozialen Wandels, der wirtschaftlichen Entwicklung oder der politischen Revolution entsprächen. Die historisch handelnden Subjekte der Bourgeoisie und des Proletariats, idealtypische Begriffe aus dem Europa des 18. und 19. Jahrhunderts, lassen sich der lateinamerikanischen Geschichte nicht ohne weiteres abgewinnen. Was bleibt, sind statistische Klassifikationen, denen Hilfsbegriffe beigegeben werden: Gruppe, Schicht, "Pol", "Volk". Hilfsbegriff soll heißen: die Ergänzung der statistischen Klassifikation durch die Erwartung, sie bezeichne zugleich den Träger einer sozialen Bewegung. Auch der Begriff des Sektors wird seit langem in diesem Sinne verwandt - nicht selten im Plural und mit den Epitheta "humildes" und "populäres". Ähnliches gilt für den Begriff der "clase social", auch wenn er neben der Bedeutung von "Klasse" im marxistischen Sinn die von "Schicht" nach nordamerikanischem Muster hat. Der "informelle Sektor" teilt das Schicksal der erwähnten Hilfsbegriffe. Das macht seine theoretische Bestimmung schwierig. Gleichwohl wird, der Konvention halber, der Begriff im folgenden beibehalten. Es empfiehlt sich jedoch, darunter eher einen Wirtschaftsstil - auch: Überlebensstil - zu begreifen, der sich in Lateinamerika immer mehr verbreitet und unterschiedliche "Sektoren" der Bevölkerung erfaßt hat: auch ethnische Gruppen, Bewohner der Landgebiete, Angehörige der Mittelschichten. Das Phänomen verbindet sich mit Fragen nach seinen Ursprüngen, Ausprägungen und Auswirkungen sowie nach den Reaktionen nationaler und internationaler Instanzen, die direkt oder indirekt darauf Einfluß nehmen. Die im Tagungsthema genannte Polarität von globaler Vergesellschaftung und lokalen Kulturen läßt die genannten Fragen in Hypothesen münden, welche die gesellschaftliche Relevanz des informellen Sektors, vor allem seine (relative) Autonomie oder Heteronomie, unterschiedlich interpretieren. Die Hypothesen ordnen

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sich theoretischen Ansätzen zu, die einander z.T. ausschließen. Die wichtigsten Ansätze sind: - der marktwirtschaftlich orientierte Integrationsansatz, der den informellen Sektor als komplementäre Quelle des Wirtschaftswachstums und folglich als funktional für die Minderung von Engpässen und Schwächen des formalen Sektors sieht - der klassenkämpferische Ansatz, der im informellen Sektor, weil als Reservearmee für die kapitalistische Wirtschaft funktional, die Chance revolutionären Wandels erkennt - der Ansatz zur Überwindung von Marginalisierung, der den informellen Sektor als dysfunktional in einer dem Weltmarkt ausgesetzten Wirtschaft sieht und der daher für ein räumlich und sozialstrukturell autozentriertes Wirtschaften plädiert - der Alternativenansatz, wonach der informelle Sektor eine neuartige und kulturell kreative Enklave in der als dual bezeichneten Zukunftswirtschaft (und -gesellschaft) bildet - der Subsistenzansatz, demzufolge der informelle Sektor, auch vor dem Hintergrund weltweiter Gefährdungen, als Basis einer gesamtgesellschaftlichen Neuorientierung gelten soll.1 Einen gemeinsamen Nenner finden diese Ansätze allenfalls im Hinblick auf die Ursachen, die zum Anwachsen des informellen Sektors geführt haben. Es handelt sich die Globalisierung eines wirtschaftlichen Regulationsmodells, das in Lateinamerika nur teilweise wirksam ist und daher der "bändigenden" Mechanismen enträt, die es in seiner europäischen Variante kennzeichnen. Ohne diese Mechanismen verstärkt das Modell die kombinierte Auswirkung von Bevölkerungsexplosion, Landflucht, chaotischer Verstädterung und stagnierendem Arbeitsmarkt bei zunehmenden Einkommensdisparitäten. Die folgenden sieben Beiträge entstammen überwiegend empirischen Arbeiten. Der Beitrag von Heinz Rudolf Sonntag (Zur "Informalisierung" von Wirtschaft und Gesellschaft in Venezuela) ist die von der Redaktion gekürzte Fassung eines Aufsatzes mit dem Titel "Theoretische Entwürfe zur 'Informalisierung' von Wirtschaft und Gesellschaft in Lateinamerika: der Fall Venezuela". Der Aufsatz beruht auf einem Forschungsprojekt mit dem Thema "Informelle Aktivitäten und Überlebensstrategien der Bewohner von Elendsvierteln in Großstädten von Venezuela", das von 1985 bis 1987 am Centro de Estudios del Desarrollo (CENDES) in Caracas durchgeführt wurde. Das Projekt entsprang dem Unbehagen an der bis dahin vorherrschenden Zweigleisigkeit theoretischer und empirischer Arbeit. Sie hatte zur Folge, daß, etwa aus dem Gesichtspunkt von Werttransfertheorien, der informelle 1

Märke, Erika: Ein Weg aus der Abhängigkeit? Die Ungewisse Zukunft des informellen Sektors in Entwicklungsländern. Heidelberg: Forschungsstätte der evangelischen Studiengemeinschaft, 1986, passim.

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Sektor als durchgängig homogen erschien (Abwälzung von Reproduktionskosten der Arbeitskraft durch den formellen Sektor), während er nach Befunden empirischer Untersuchungen höchst heterogen ist (soziale Differenzierung, Ausbeutungsund andere Herrschaftsverhältnisse, soziale Konflikte, endogen und exogen induzierte Selbsthilfeansätze). Das Projekt beansprucht, beide Ansätze zu kombinieren, indem es "die breite Spanne von Subsistenzmöglichkeiten (...), die man als 'Überlebensstrategien' der Familien bezeichnen kann", einem flexiblen Repertoire von Anpassungsstrategien an jeweils neue Umstände gleichsetzt - seien es solche, die im informellen Sektor aufgrund interner Differenzierung selbst entstehen, oder aber ökonomische und politische Einwirkungen des formellen Sektors und des Staates. Detlev Ullrich (Von Marginalität zur Informalität) nimmt unmittelbar auf Sonntag Bezug, indem er die theoretisch-analytischen und praktisch-politischen Konnotationen des Begriffswechsels hervorhebt. Es geht um die Armut in Lateinamerika und die Ernüchterung, die ihre Verallgemeinerung unter Wissenschaftlern und Politikern bei der Suche nach historisch handelnden Subjekten hervorgerufen hat. Ullrich bleibt indessen skeptisch in bezug auf den Grad der Ernüchterung: anders als Sonntag, der im informellen Sektor die Bedingungen einer gesellschaftlichen Transformation heranreifen sehe, und anders als Hernando de Soto2, der ihn zur Keimzelle einer funktionierenden Marktwirtschaft hochstilisiere, sieht Ullrich in diesen Versuchen eine Überschätzung des informellen Sektors in seinen Perspektiven. Der Beitrag von Volkmar Blum (Informalisierung bäuerlichen Wirtschaften im Andenraum) verweist kritisch auf begriffliche Verengungen, die sich aus Vorstellungen von Informalität als einem typisch städtischen Phänomen ergeben. Die Beobachtung zweier Konflikte in einem Dorf des Departements Cusco läßt Informalisierungsschübe erkennen, welche die Dorfgemeinschaft und die in sie eingelagerte empresa comunal in ihrer Funktion als Puffer zwischen Subsistenz- und Marktproduktion bedrohen. Kern der Konflikte ist die Verknappung kommunalen Ackerlandes aufgrund massiver Rückwanderung aus den Städten. Die Konfliktlinie verläuft zwischen den Älteren, Etablierten, und den jugendlichen Migranten. Sie zeigt sich auch im intuitiven Erfassen ihres kulturellen Ausdrucks, etwa bei der Aufstörung des Rituals von Dorffesten durch die Jüngeren. In allgemeinerer Hinsicht handelt es sich um das Auseinanderscheren zweier notwendiger und aufeinander bezogener Interessen: des kurzfristigen individuellen am Überleben und des langfristigen kollektiven an der Reproduktion. 2

Soto, Hernando de: El otro sendero. La revolución informal. Buenos Aires: Editorial Sudamericana, 1987, passim.

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Gemäß dem Korreferat von Jürgen Queitsch (Informelle wirtschaftliche Aktivitäten in kollektiven Ejidos in Mexiko) schlägt auch in Mexiko seit Beginn der 80er Jahre die Beschäftigungskrise der Städte auf das Land zurück. Anhand dreier Ejidos zeigt der Autor den Widerspruch zwischen dem Streben der Ejidobauera, den Fortbestand der kollektiven Produktionseinheiten zu sichern, und ihrer Aufgabe, die nachwachsende Generation durch neue Arbeitsplätze auf dem Land zu halten. Im geschilderten Fall bestand der Lösungsversuch in der Angliederung einer Landmaschinenwerkstatt. Der Versuch ist weitgehend gescheitert, weil die externe Beratung - hier durch Ingenieurstudenten der Universität Guanajuato - in Unkenntnis der bäuerlichen Probleme moderne Formen der Betriebsführung nicht wirksam vermitteln konnte. Die Ejidobauern stehen vor den Folgekosten des Projekts. Die Probleme sind jedoch nicht dem Ejido selbst anzulasten, sondern den Bedingungen in seinem wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Umfeld. Der Beitrag von H.C.F. Mansilla (Die informelle Ökonomie in Bolivien und deren negative Auswirkungen auf die politisch-kulturelle Sphäre) entstammt wie der von Sonntag einem größeren Forschungsprojekt. Anders als in den eingangs aufgelisteten Deutungsansätzen - die dem informellen Sektor allesamt unterschiedliche, aber positive politische Funktionen zuerkennen gelangt der Autor zu einer überwiegend pessimistischen Einschätzung. Die Informellen - so die Hauptthese sind den Imperativen der dominanten formellen Wirtschaft und ihren Werten ausgesetzt, ohne sie nachvollziehen oder gar erfüllen zu können. Der informelle Sektor, obwohl im Wachsen begriffen, ist ein prämodernes Element in einer modernen und sich modernisierenden Gesellschaft. Gleichwohl sind dem informellen Sektor wertvolle Elemente einer staatsferaen Haltung, die auf die eigene Kraft vertraut, nicht abzusprechen. Konterkariert wird dieser Vorzug in Bolivien durch den um sich greifenden delektiv-illegalen Charakter des informellen Wirtschaftens; er findet seine Parallele in der Erosion integrativer Normen und Werte im staatlichen Bereich. Auf institutioneller Ebene hat die Ausdehnung des informellen Sektors zum Zusammenbruch des Gewerkschaftswesens sowie zur Entstehung neuer sozialer und politischer Bewegungen geführt, in denen ethnische und regionale Forderungen zur Geltung kommen. Ihr Einfluß auf die gesellschaftliche Integration und Desintegration steht dahin - auch deshalb, weil in den Bewegungen autoritäre Strukturen vorherrschend sind. Das Korreferat von Juliana Ströbele-Gregor (Suche nach Sicherheit und eigenständigen Formen der Selbstbehauptung) befaßt sich ebenfalls mit dem informellen Sektor in Bolivien, gelangt indessen zu Folgerungen, die denen Mansillas widersprechen. Das Entstehen neuer populistischer Bewegungen, die von andinen Migranten getragen werden, verweist auf deren eigenständige politische Kultur und

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ein gewachsenes Selbstbewußtsein gegenüber den dominanten kreolisch-mestizischen Schichten. Verständlich wird dieses Phänomen erstens aus dem Versagen einer seit 1952 sich revolutionär gebenden Politik, zweitens aus der Stigmatisierung der Migranten durch die "Kreolen" der Mittel- und Oberschicht, drittens - und vor allem - aus der Lebenswelt der städtischen Aymara-Subkultur, die durch Migranten vom Land als eigenständiges materielles und ideelles Beziehungsgeflecht fortwährend gestärkt wird. Grundlage ist eine städtische Familienwirtschafit, in der Prinzipien des andinen bäuerlichen Wirtschaftens Geltung behalten. In ihnen seien anders als von Mansilla behauptet - positive Tugenden (Vertrauen auf Reziprozität, gegenseitige Hilfe, Solidarität) vorherrschend; Schlauheit, List und Opportunismus als negative Tugenden fänden sich in Auseinandersetzung mit der kreolischen Welt. Aus demselben Grund könnten auch die neuen politischen Organisations- und Aktionsformen der Aymara nicht als Rückkehr zur Vormodernität gedeutet werden. Autoritätsfixierte, populistische Formen seien eine Übergangserscheinung. Der Beitrag von Achim Schräder (Informalität: Eine systemtheoretische Annäherung am Beispiel Brasiliens) verweist zunächst auf vertane Chancen der sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Theoriebildung, Informalität anhand bekannter und bewährter Begriffe deskriptiv und analytisch zu erfassen; als Beispiele nennt er Kontrolle und Knappheit, die den partiellen Ausschluß der Armen aus gesellschaftlichen Systemzusammenhängen prägen. Der Ausschluß besteht darin, daß die Armen zwar wirtschaftlich handeln, aber keinen Zugang zu etablierten wirtschaftlichen Organisationen haben, und er ist partiell, weil sie anderen gesellschaftlichen Systemen durchaus angehören oder ihnen ausgesetzt sind. Schräder wählt als Leitbegriff seiner Analyse indessen den des Geldes, dessen wirtschaftswissenschaftlich bedeutsame Funktionen (Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel, Wertmaßstab) systemtheoretisch um die des Mediums erweitert werden. Geld als Medium kann Kommunikation stiften, Gewalt ersetzen und bei partiellem Ausschluß aus übergreifenden Systemzusammenhängen den Anstoß zu alternativen Formen der Organisation geben, die zu vertrauensvoller Zusammenarbeit nötigen. Die teilweise kontroversen Beiträge behandeln das Thema "Informeller Sektor und gesellschaftliche Entwicklung" in verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen theoretischen Ansätzen und Fragestellungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zeigen sie aktuelle Interpretationsmöglichkeiten des Informalisierungsprozesses, der für die zukünftige Entwicklung Lateinamerikas immer bedeutsamer wird, trotz seiner lokal sehr unterschiedlichen Ausformungen.

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Heinz R. Sonntag

Zur "Informalisierung" von Wirtschaft und Gesellschaft in Venezuela1 (...) Die Ziele des Forschungsprojekts (...) waren auf den Prozeß der gesellschaftlichen Reproduktion der städtischen Volksschichten im Rahmen der Krise abgestellt. Deshalb ist der Akzent auf die Veränderungen der Überlebensstrategien gesetzt worden. Das gilt sowohl für die wirtschaftliche als auch für die Alltagsdimension, für den Haushalt und die gesamte Gruppe und für die Rolle, welche in diesem Geflecht jenen Strategien zukommt. Die komplexe Problematik der gesellschaftlichen Reproduktion der städtischen Volksschichten ist in der Forschung unter verschiedenen Gesichtspunkten angegangen worden. Zuweilen wird die wirtschaftliche Seite im Sinne des Fehlens von Arbeitsplätzen und niedriger Einkommensniveaus hervorgehoben. Manchmal wird der soziale Aspekt betont, und man definiert ihn als den Mangel an ausreichendem Konsum. Gelegentlich wird auch die politische Seite herausgestellt und in Begriffen der Mobilisierung zur Forderung von Dienstleistungen und Wohnraum untersucht. Überlebensstrategien als Forschungsansatz Diese Dimensionen sind die eines einzigen Prozesses. Deshalb ist auf einen integrativen Ansatz zurückzugreifen. Der wird über den Begriff der Überlebensstrategie operationalisiert. Sie umfaßt die biologische, materielle und gesellschaftliche Reproduktion, innerhalb derer die Haushaltsebene mit der kollektiven Ebene artikuliert ist. Der Begriff bekommt eine spezifisch gesellschaftliche Note, insofern er auf die städtischen Volksschichten angewandt wird. Sie sind untergeordnete Sektoren in konkreten Gesellschaften wie der unseren. Dies ist keine Leerformel, denn damit werden die besonderen

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Kurzfassung eines Aufsatzes, der zum Teil auf den Ergebnissen der Untersuchung 'Informelle Aktivitäten und Überlebensstrategien der Bewohner von Elendsvierteln in Großstädten von Venezuela* beruht, das, von der VOLKSWAGEN-STIFTUNG gefördert und von 1985 bis 1987 durchgeführt, unter meiner Gesamtleitung stand und von Cecilia Cariola und Miguel Lacabana koordiniert wurde. Ihnen und den übrigen Mitgliedern des Forschungsteams gebührt mein Dank. Fehler und Schwächen der Interpretation gehen natürlich ausschließlich auf meine Kappe.

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Existenzbedingungen benannt, die ihnen von ihrer Klassenzugehörigkeit auferlegt werden 2 . Die Überlebensstrategie ist die Verknüpfung von Mechanismen, Verhaltensweisen und Beziehungen, die entfaltet werden, um ein einziges Ziel zu erreichen: die integrale Reproduktion der Haushaltseinheit unter bestmöglichen Bedingungen oder, um es anders zu sagen, ein bestimmtes Niveau der Befriedigung der Grundbedürfnisse. Die Definition der Überlebensstrategie geht also davon aus, die Familie insofern Haushalt - als Grundeinheit der Reproduktion zu begreifen. Er wird als Organisation einer Reihe von Personen bestimmt, die in demselben Wohnraum auf der Basis von Verwandtschafts- oder anderen Affinitätsbeziehungen 3 zusammenleben. Sie realisieren gemeinsam die täglichen Aktivitäten der Produktion und der Reproduktion aller ihrer Mitglieder. Das geschieht über eine Arbeitsteilung, eine Verteilung der Verantwortung und ein hierarchisches Autoritätsschema. In diesem Sinn hat der Haushalt eine affektive Funktion als emotionaler Schutz- und Sozialisierungsraum, stellt aber ebenfalls eine Einheit von Ressourcen und Entscheidungen dazu dar, die erweiterte Reproduktion der Familiengruppe zu gewährleisten. Deshalb müssen die Haushaltsorganisation und die Eigenschaften besonders genau untersucht werden, die für Veränderungen in den wirtschaftlichen Strategien sorgen, aber auch die Rollen der verschiedenen Haushaltsmitglieder bei den organisationellen Umwandlungen, besonders die der Frau und mehr noch die der alleinstehenden Frau QM Haushaltsvorstand. Diese sind Schlüssel für das Verständnis der Reproduktionsbedingungen. Dieser konzeptuelle Ansatz wird von den Ergebnissen der Untersuchung bestätigt und erweist sich als Fortschritt bei dem Versuch, die Analyse mikro- und makrosozialer Prozesse zu verknüpfen. Er erlaubt es, den Bezug zwischen den globalen Vorgängen, vornehmlich den ökonomischen, aber auch den soziopolitischen, und der täglichen Reproduktion auf Haushalts- und kollektiver Ebene her- und herauszustellen. Er ist ebenfalls deshalb besonders wichtig, weil die Grundeinheit der Reproduktion der Volksschichten, wie gesagt, die Familie-Haushaltseinheit ist, die

2

3

Mit zahlreichen Kollegen (Pérez Sáinz, Portes, Quijano u.a.) bin ich darin einig, daß die Analyse der Informalität unbedingt und dringend mit der Klassenanalyse verknüpft werden muß, so es d a m der kritischen Sozialwissenschaft wirklich um kollektive Subjekte geht und nicht bloß um die Beschreibung der sie hervorbringenden Strukturen. Eine der wichtigsten ist die auf dem "compadrazgo* beruhende Affinitätsbeziehung. Eine "comadre" oder eine "compadre" sind Paten der mindeijährigen Kinder des (weiblichen oder männlichen) Haushaltsvorstandes oder auch die Eltern der Kinder, denen er Pate ist. Es handelt sich um eine nicht notwendig auf Blutsverwandtschaft beruhende Beziehung, die in den lateinamerikanischen und einigen karibischen Ländern höchst bedeutsam ist.

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in den "barrios"4 angesiedelt ist, und weil er erlaubt, die ausschließlich auf die Reproduktion der Arbeitskraft abstellenden Ansätze zu überwinden. Dennoch ist die Analyse des Arbeitsmarktes grundlegend für das Verständnis der Armut, in welche die untersuchten Sektoren verbannt sind. Unabhängig von dem operativen Rekurs auf die Unterscheidung zwischen seinen formellem und informellen Sektoren, muß die zentrale Eigenschaft des Marktes verstanden werden. Es handelt sich um ein Kontinuum von Beschäftigungsunsicherheit, ob der jeweiligen Arbeitsplatz nun im formellen oder im informellen Segment gefunden wird. Zudem sind die Tätigkeiten im informellen Sektor höchst heterogen, beginnen mit dem, was volkstümlich als "rebusque"5 bezeichnet wird, setzen sich in den informellen /4rfr«'/jeinheiten fort und enden mit den informellen Wirtschaftstinheitea. Dieser Rekurs auf den Arbeitsmarkt läßt Schlußfolgerungen darüber zu, ob die in der Krise angewandten wirtschaftlichen Überlebensstrategien tragfahig sind und wie das Bild sozialer Unsicherheit über die Ausweitung und Vertiefung der Armut zu kennzeichnen ist. (...)

Veränderungen von Überlebensstrategien in der Wirtschaftskrise Die anfängliche Arbeitshypothese ist im Laufe der empirischen Studie bestätigt und zugleich komplexer gemacht worden. Ihr zufolge geschieht (...) in der gegenwärtigen Konjunktur eine Veränderung ( = Anpassung) der Überlebensstrategien. Diese ist dadurch gekennzeichnet, daß bestimmte Prozesse und Mechanismen der Reproduktion intensiviert werden. Damit erhöht sich das Niveau ihrer Ausbeutung und verschlechtern sich ihre Lebensbedingungen noch mehr. Die Analyse der Daten bezeugt zweierlei. Erstens ist die komplexe Anpassung durch den Wechsel von festen Arbeitsplätzen im formellen zu bestimmten selbsthervorgebrachten Beschäftigungen im informellen Sektor charakterisiert. Zweitens hat sich die Arbeit der verschiedenen Mitglieder der Haushalte dadurch intensiviert, daß die Frau und die heranwachsenden Kinder in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden sind und die Dauer des Arbeitstages ausgedehnt worden ist. Auf diese Weise sind die Zusammensetzung und die Organisation des Haushaltes so verändert worden, daß jene Eingliederung möglich wird und daß alle dem Überleben gemeinsam Front machen können. Solidaritätsmechanismen sind über die familiären und

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5

Dieses Wort ist für die Elendsviertel besondere in Venezuela gebräuchlich, wenn es auch, wie im übrigen Lateinamerika, generell für Stadtviertel ingewandt wird. Im folgenden werden wir es und das Wort Elendsviertel unterschiedslos benutzen. Man verwendet übrigens ebenfalls 'rancho* und macht dabei aus dem Namen der einzelnen Wohneinheit einen Gattungsnahiren. Dabei handelt es sich um die Wahrnehmung verschiedener - formeller und/oder informeller - Tätigkeiten zur gleichen Zeit.

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Nachbarschaftsnetze aktiviert und gleichzeitig die Konsummuster "nach unten" abgewandelt und die Konsumniveaus gesenkt worden. Die Suche nach höheren Einkünften und danach, sie regulär zu machen, stützt sich auf eine Hauptstrategie. Sie besteht darin, die größtmögliche Zahl von Mitgliedern jedes Haushaltes in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Parallel und komplementär dazu werden andere Arten der Arbeit intensiviert, etwa durch die Ausdehnung der Dauer des Arbeitstages, Nebenbeschäftigungen des Haushaltsvorstands und die Erschließung anderer Einkommen, die nicht aus Arbeit stammen. Die Strategie der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, besonders der Frau-Mutter und der heranwachsenden Kinder, zeigt sich deutlich in den Ergebnissen der Untersuchung. Sie bezeugen eine hohe Rate der Teilhabe an der Arbeitskraft, die bei den Frauen 20 % und bei den Jugendlichen zwischen IS und 19 Jahren 25 % über dem städtischen Durchschnitt liegt. Die Eingliederung in den Arbeitsmarkt ist jedoch ein komplexer und widersprüchlicher Prozeß. Er definiert sich zwischen seinen Optionen und Restriktionen, was Angebot und Nachfrage angeht, aber auch im Hinblick auf die Alternative und Einschränkungen der Haushalte, d.h. ihre Zusammensetzung und ihre Lebenszyklen sowie das Wertsystem, das die Verteilung der Rollen in ihrem Inneren bestimmt. Der städtische Arbeitsmarkt ist durch eine unzureichende Beschäftigungskapazität in seinem formellen Segment gekennzeichnet, aber gleichzeitig dadurch, daß sein informeller Sektor zunehmend saturiert ist, weil die Durchschnittseinkommen aus den selbsthervorgebrachten Tätigkeiten dauernd fallen. Er funktioniert exklusiv, da er auf Voraussetzungen für die Eingliederung in formeller Beschäftigung beruht, welche von wichtigen Teilen der analysierten Bevölkerung nicht erfüllt werden: den Jugendlichen, die zum ersten Mal Arbeit suchen, und den erwachsenen Frauen mit einem geringen Ausbildungsniveau. Ein Indiz für dieses exklusive Funktionieren ist der hohe Grad an Arbeitslosigkeit in den untersuchten Elendsvierteln, welcher die regionalen und nationalen Durchschnitte bis zu 9 % übertrifft. Auf der Seite der Haushalte sind die Zusammensetzung und der familiäre Lebenszyklus die objektiven Faktoren, die darüber bestimmen, ob sich Mitglieder in den Arbeitsprozeß eingliedern können oder nicht. Die Wertungen über die Anwesenheit der Frau-Mutter daheim, um für die kleinen Kinder zu sorgen und auf die Ausbildung der Heranwachsenden aufzupassen (sie wäre ja ein Kanal sozialen Aufstiegs für die ganze Familie), sind ideologische Begrenzungen jenes Prozesses. Will sagen: die Eingliederung in den Arbeitsmarkt hängt nicht allein von den Bedingungen der Produktivsphäre ab und ist deshalb auch nicht bloß eine Funktion des Angebots an Arbeit und des Geschlechts, des Alters und der Qualifikation der nachfragenden Arbeitskraft. Sie wird ebenfalls durch Faktoren der Reproduktionssphäre bedingt, besonders die Optionen und Restriktionen für die Beschäftigung von Frauen und heranwachsenden Kindern.

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Um die aus der Arbeit stammenden Einkünfte zu ergänzen, greifen die Angehörigen der städtischen Volksschichten auf Einkommensquellen zurück, die nichts mit Arbeit zu tun haben. Familien- und Nachbarschaftshilfen sind dabei besonders wichtig, ebenso die institutionelle Unterstützung durch staatliche Behörden. Auch bestimmte Subsistenzproduktions-Tätigkeiten spielen eine Rolle, besonders die Eigenkonstruktion des Wohnraums. Diese Art Ressourcen sind entscheidend bei der Reproduktion jener Haushalte, die sich in der prekärsten Lage befinden, die keine regulären Einkommen aus Arbeit haben oder in denen sie so unzureichend sind, daß sie in kritischer Armut leben. Unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Rolle sind die Familien- und Nachbarschaftshilfen sowie die Tätigkeiten der Eigenproduktion an kulturelle und affektive Dimensionen der Reproduktion dieser gesellschaftlichen Schichten gebunden. Dies gilt ebenso für die unterschiedlichen Anpassungsformen der Zusammensetzung und der Organisation der Haushalte, von der Reduzierung oder Ausweitung der Familien durch Mitglieder, die gehen oder kommen, bis die Haushalte komplex werden dadurch, daß zwei oder mehr Familien sich vereinen, um das Überleben gemeinsam anzugehen.

Verarmung trotz Intensivierung der Arbeit und Kombination unterschiedlicher Wirtschaftsstrategien Wenn die Überlebensstrategien in ihren wirtschaftlichen oder alltäglichen Aspekten verändert werden, verschärft sich gleichzeitig die Ausbeutung der städtischen Volksschichten. Zur Verschlechterung des Einkommens gesellen sich die hohen Kosten, sobald Strategien eingesetzt werden, die auf die Intensivierung der Arbeit hinauslaufen. Dann geht die Zeit für die Erholung und das familiäre Zusammenleben verloren. Dies hat negative Folgen für die physische und geistige Gesundheit der Arbeiter, die sich überdies gezwungen sehen, tief verwurzelte Erwartungen wie die auf das Recht auf Fortbildung oder die auf Zeit für die Kinder hintanzustellen. Zusätzlich sind die Strategien, welche die Reorganisierung des Haushalts nach sich ziehen, von interpersonellen Konflikten durchwirkt, die sich aus dem aufgezwungenen Zusammenleben von mehr als einer Familie auf reduziertem Wohnraum oder durch die affektiven Verluste ergeben, die für die Mutter durch die Trennung von ihren Kindern entstehen. Auch wenn die Arbeit intensiviert, wenn nach neuen, nicht aus fester Arbeit stammenden Einkünften gesucht und der Haushalt reorganisiert wird, ist es (...) den meisten der untersuchten Haushalte nicht möglich, die Gesamtheit ihrer materiellen Bedürfnisse zu befriedigen. Nahe 20 % der Haushalte in Caracas und mehr als 45 % in den Städten im Landesinneren leben in kritischer Armut, die nicht einmal die Ernährungsbedürfnisse zu befriedigen erlaubt. Die Situation ist in Haushalten von

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alleinstehenden Frauen mit kleinen Kindern noch schwieriger. Die Entbehrungen summieren sich mit der Zeit, und schließlich bildet sich eine Situation heraus, die, bei relativer Heterogenität, generell durch miserable materielle Lebensbedingungen der Elendsviertel-Bewohner gekennzeichnet ist und vom strukturellen Charakter ihrer Armut Zeugnis ablegt. Daß die Einkünfte der Haushalte unzureichend sind, verweist darauf, daß die versuchten Überlebensstrategien nicht tragfahig sind. Deshalb müssen die städtischen Volksschichten zunehmend den Konsum einschränken. Diese Lage wird noch durch die Veränderungen in den (sozialpolitischen Maßnahmen des Staates erschwert. Sie laufen ja darauf hinaus, auf diese Sektoren sogenannte "Kosten" abzuwälzen, die er vorher auf mannigfache Weise (direkte Subsidien, Kleinkredite für Wohnungsbau usw.) trug. Da die Überlebensstrategien durch die Logik der täglichen Subsistenz geleitet werden, zielen sie immer kürzer, wobei sie den Konsum von Lebensmitteln dem von allen anderen Gütern vorziehen müssen, und es werden Lebensprojekte von längerer Dauer, wie die Erziehung der Kinder oder die Ausstattung des Wohnraums, auf die lange Bank geschoben. Die Tendenz, solche Projekte hintanzustellen, geht Hand in Hand mit einer zunehmenden Krise der Erwartungen dieser gesellschaftlichen Schichten. Fortschreitend und zu hohen objektiven und subjektiven Kosten sehen sie ihre Hoffnungen auf soziale Mobilität über die Erziehung ihrer Kinder oder auf Verbesserung ihrer Lebensqualität über die Verschönerung ihres Wohnraums frustriert. Zu den von der Krise verwundbarsten Gruppen gehören die Frauen, besonders die alleinstehend einen Haushalt unterhalten müssen. Ihre zentrale Rolle als die Personen, die das Überleben organisieren, wird in dieser Konjunktur wieder einmal besonders deutlich. Sie manifestiert sich in der Verantwortung, die sie beim täglichen Unterhalt und bei der Sozialisierung übernehmen, aber noch mehr und zunehmend darin, daß sie materielle Mittel zum Haushaltseinkommen beisteuern müssen. Ihre Eingliederung in den Arbeitsmarkt bringt es mit sich, daß sie gewisse häusliche Aufgaben delegieren müssen. Solche Arrangements sind konfliktreich und in jeder Hinsicht teuer, insofern sie die Hausarbeit auf die kleinen Kinder abwälzen müssen. Sie behalten zudem im allgemeinen die gesamte Verantwortung, und das dehnt ihren Arbeitstag noch weiter aus. Diese Lage wird in der Krise noch komplizierter, denn sie müssen zusätzliche Anstrengungen unternehmen, um die knappen Ressourcen zu verwalten und sie mit Mehrarbeit "zu strecken". Tätigkeiten des "rebusque", häusliche Eigenproduktion einiger Güter, die Suche nach preiswerten Konsummöglichkeiten sind einige der Wege, welche die Bewohnerinnen der "barrios" heute gehen müssen, wenn sie dem schnellen Verfall der Kaufkraft ihres Einkommens entgegenzuwirken versuchen.

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Im Rahmen der Krise und im Zusammenhang mit dem hohen Anteil an der Arbeitskraft potenzieren sich die informellen Aktivitäten6. Das gilt hauptsächlich für solche der unstabilsten Art und mit der niedrigsten Produktivität im heterogenen Gesamt des informellen Sektors. Ihre Entfaltung beruht auf der Notwendigkeit, Optionen angesichts von Arbeitslosigkeit und flexible Alternativbeschäftigungen zur Eingliederung der Frau-Mutter zu schaffen. In dieser Perspektive ist daran festzuhalten, daß die informellen Tätigkeiten mit der Überlebens- und nicht mit der Akkumulationslogik zu tun haben7. Unter den informellen Tätigkeiten, die von den Elendsviertel-Bewohnern entwickelt werden, sind die hervorzuheben, die sich auf Besitz und Betrieb einer informellen Wirtschaftseinheit gründen, d.h. die ein geringes Kapital aufgebaut haben und über einen relativ stabilen Markt verfügen. Sie erzeugen das Grundeinkommen der Haushalte, die um eine solche Einheit herum ihre wirtschaftlichen Überlebensstrategien strukturieren. Die weitaus meisten Wirtschaftseinheiten beruhen jedoch auf selbsthervorgebrachten Tätigkeiten und münden schließlich in informelle Arbeitseinheiten, unstabil und mit niedriger Produktivität. Sie ergänzen das Haushaltseinkommen dort, wo das Grundeinkommen aus der Eingliederung in den formellen Wirtschaftssektor stammt. Eine wichtige Gruppe dieser Art Eigenbeschäftigung erzeugt ein Grundeinkommen, das in jedem Fall höchst unzureichend ist in Haushalten, in denen wirtschaftliche Überlebensstrategien auf der gelegentlichen informellen Arbeit oder auf der Kombination von selbsterzeugten Tätigkeiten mit Formen des "rebusque" beruhen. Die Wirtschaftseinheiten sind deshalb im Rahmen der Überlebens- und nicht der Akkumulationslogik anzusiedeln. Im Hinblick auf das "barrio" als wirtschaftlichen Raum muß auf seine Bedeutung als lokalisierter Arbeitsmarkt hingewiesen werden. Dort gliedern sich vornehmlich die Frauen und sekundär andere Familienmitglieder ein. Ungefähr ein Drittel der informellen Beschäftigung wird im Elendsviertel realisiert. Die familiären Arbeitsund bestimmte Wirtschaftseinheiten haben eine doppelte Verbindung mit dem "barrio": Es ist der Markt für die Güter und Dienstleistungen, und es stellt die einzige Möglichkeit dar, daß sich die Frau und die kleineren Kinder in die Arbeit eingliedern, denn die räumliche Nähe erlaubt der Frau, daheim zu bleiben, die Kinder unter ihrer Aufsicht zu halten und gleichzeitig die Hausarbeit sowie eine Tätigkeit auszuüben, die Einkommen erzeugt. Hier verschmelzen die beiden Dimensionen 6 7

Es wird geschätzt, daß der Anteil der informellen Beschäftigungen am gesamten Arbeitsmarkt heute mehr als ein Drittel ausmacht. Die Tendenz ist seit etlichen Jahren steigend. Bekanntlich gibt es (...) unter neoliberalen Theoretikern die These, das Wachstum des informellen Sektors in Lateinamerika beruhe darauf, daß immer mehr früher abhängig Arbeitende die Wohltaten des "freien Unternehmertums* außerhalb der staatlichen Regulieningen für sich entdeckten. Wenn dies richtig wäre, wären die informellen Tätigkeiten irgendwie an die Logik der Akkumulation von Kapital (wenn auch in kleinem Maßstab) gekoppelt. Dafür sind in der Untersuchung jedoch keine Hinweise gefunden worden, und mir sind auch keine empirischen Studien bekannt, die jene These stützten.

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der Informalität in einer einzigen, das ist: ihr Charakter als Arbeitsmarkt und ihre Eigenschaft als Überlebensraum. Unabhängig von den Segmentierungen des Arbeitsmarkts, die Beschäftigungen im formellen und im informellen Wirtschaftssektor zu unterscheiden erlaubt, ist ein Kontinuum der Arbeitsunsicherheit auszumachen, die quer durch alle Beschäftigungsarten verläuft. Es bezieht sich auf Situationen in Zeiten, in denen die Merkmale der Fragmentierung, der Unstabilität der Arbeitsbeziehung, der niedrigen Einkommen usw. gleichzeitig auftreten oder zumindest nicht exklusiv für den formellen Sektor sind. Im Gegenteil, sie bestehen intensiver im informellen Segment und beziehen sich auf rund 75 % seiner Beschäftigten. Die unterschiedlichen Situationen erlauben, die Heterogenität als Hauptmerkmal des informellen Sektors und der "barrios" herauszustellen. Sie manifestiert sich bei den Tätigkeiten und den Beschäftigungen, in den Produktionszweigen und den Städten. Immer sind die Merkmale der niedrigen Einkommen, der langen Arbeitstage und der hohen Unstabilität vorhanden. Daraus ergibt sich ein Panorama der Arbeitsunsicherheit, das für die große Mehrheit dieser Arbeiter gilt. Dieses Kontinuum markiert ebenfalls die Bedingungen dafür, wirtschaftliche Überlebensstrategien herauszubilden und zu realisieren. Um gegen die unzureichenden und unstabilen Einkommen anzugehen, suchen die Haushalte über neue Beschäftigungseingliederungen einen Ausgleich. Das Resultat besteht in kombinierten wirtschaftlichen Strategien. Die erfolgreichsten, wenn Einkommensstabilität und -höhe die Maßstäbe sind, sind jene, die verschiedene Einkünfte aus Arbeit im formellen Segment des Arbeitsmarktes oder in konsolidierten informellen Wirtschaftseinheiten mit informellen Tätigkeiten kombinieren. Die größte Unsicherheit finden wir in den Haushalten, die nicht mit regulären Einkünften aus Arbeit wegen der Arbeitslosigkeit ihrer Mitglieder rechnen dürfen oder in denen der einzige oder wichtigste Einkommensempfänger eine unstabile Beschäftigung mit niedrigem Einkommen hat, sei es in einer informellen Wirtschafts- oder Arbeitseinheit oder im immer unsicher werdenden formellen Bereich des Arbeitsmarktes. Die Merkmale der niedrigen Einkommen, der Unstabilität in der Arbeit und andere liegen dem unzureichenden Haushaltseinkommen, der Unstabilität der wirtschaftlichen Überlebensstrategien und den Konflikten zugrunde, welche die Reorganisation des Haushalts begleiten. Mit anderen Worten: die konstitutiven Elemente der Arbeitsunsicherheit manifestieren sich im Reproduktionsprozeß des Haushalts der Gesamtfamilie und verdichten sich zu einer Form der gesellschaftlichen Unsicherheit. Nicht nur die Arbeitslosen, auch die Lohnabhängigen mit Arbeit im modernen Sektor der Wirtschaft sind arm. Die von den städtischen Volksschichten in Gang gesetzten Überlebensstrategien legen von dieser Lage Zeugnis ab, gerade wegen der dauernden Suche nach zusätzlichen Einkommen.

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Schlußfolgerungen Auf theoretischer Ebene ist den Schlußfolgerungen anderer Forscher und Forschergruppen darin zuzustimmen, daß die Analyse aus der Perspektive der Reproduktion große Fähigkeit zur Erklärung aufweist. Sie erlaubt, die Konstitution des städtischen Arbeitsmarkts als komplexen Prozeß zu begreifen, innerhalb dessen die Arbeitsheterogenität das Aufeinandertreffen von (mehr) Überlebens- und (weniger) Akkumulationslogik repräsentiert8 (Pérez Sáinz 1988). Die Arbeitsheterogenität drückt sich darin aus, wie die Haushaltseinkommen zusammengesetzt sind. Die Komplementarität der unterschiedlichen Eingliederungen in den Arbeitsmarkt favorisiert die Klassenidentität verschiedener Gruppen von Arbeitern unter einem selben Regime niedriger Löhne. Das heißt: von der Reproduktionssphäre her kann die materielle Basis der gesellschaftlichen Identifizierung der städtischen Volksschichten wiederhergestellt werden. Damit wird die ökonomizistische Tendenz überwunden, die Familien nach der Eingliederung ihrer Vorstände in der Produktivsphäre bestimmten Schichten sozial zuzuordnen9. Trotz (oder gerade wegen?) der Beschränkungen, welche die Antworten der Volksschichten auf die Herausforderung des Überlebens kennzeichnen, konzentrieren sich die Resistenzmechanismen auf der Haushaltsebene. Auf der kollektiven Ebene artikulieren sich organisierte autonome Antworten kaum, und wenn, bleiben sie an traditionelle Forderungen (und die entsprechenden Organisationen) zur Verteidigung des Lebens- und Wohnraums und zur Beschaffung von Dienstleistungen gebunden. Diese Entwicklung ist strukturell durch den bürokratischen, pyramidalen und abhängigen Charakter der bestehenden Organisationen bedingt, leidet aber auch unter deren Beziehung mit dem Staat, das ist: unter Klientelismus und Paternalismus. Ihre "Kosmovision" über die wirklichen kollektiven Bedürfnisse grenzt sie überdies ein auf Wohnraum und Dienstleistungen. Zusätzlich fordert die Krise, um als Familie zu überleben, eine stärkere Hinwendung zum Haushalt, und das bedeutet weitere Hemmnisse: es fehlt an Zeit, und es fehlen Ressourcen, um die Organisationsarbeit voranzutreiben. Indem die strukturellen Grenzen sich einengen, werden die demobilisierende Dynamik und die individualisierende Atomisierung noch gefördert. Zusammenfassend: sowohl auf der Ebene des Haushalts als auch auf kollektivem Niveau haben die Antworten der städtischen Volksschichten weitgehend Anpassungs- und Widerstandscharakter, selten werden hohe Grade an Konfliktivität erreicht. Dadurch wird die Exklusion verstärkt, der sie von einem Regime niedriger 8 9

Pérez Sáinz, Juan Pablo: Respuestas silenciosas: Ptoletarización urbana y reproducción de la fuerza de trabajo en América Latina. Caracas 1989 ebd.

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Löhne unterworfen werden, das sie von den "Segnungen der Entwicklung" marginalisiert und eine demobilisierende politische Praxis institutionalisiert. (...)

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Detlev Ullrich

Von Marginalitat zur Informalität Lange Zeit, etwa von Mitte der 60er bis Ende der 70er Jahre, war der Begriff der Marginalität so dominant, daß man als Soziologe ihm bei der Auseinandersetzung mit der sozialen Realität Lateinamerikas kaum ausweichen konnte. Dabei war es völlig gleichgültig, ob man sich zum Marxismus, Strukturalismus, Funktionalismus oder welcher Denkrichtung auch immer hingezogen fühlte. Das Eindringen in das Begriffsgebäude der Soziologie und seine Langlebigkeit verdankt der Marginalitätsbegriff freilich der Dependencia-Theorie. Nur so ist zu erklären, warum in dem Moment, als sich die Sozialwissenschaftler von diesem Theorieansatz abwandten, ebenfalls das Interesse an der "Marginalität" erlosch. Selbstverständlich verschwand damit nicht auch zugleich das Interesse an den gesellschaftlichen Phänomenen, die man bis dahin als "Marginalität" bzw. "Marginalisierung" zu bezeichnen gewohnt war - zumal diese ja weiterhin Bestand hatten und sich im Laufe der 80er Jahre sogar noch ausbreiteten und verschärften. Es ist fast überflüssig zu sagen, daß ich hiermit die Ausbreitung und Verschärfung der städtischen Armut meine. Also galt es, einen neuen Begriff an die Stelle des alten zu setzen. Das Resultat ist allgemein bekannt: Heute sprechen die Soziologen vom "informellen Sektor", von "Informalität" und "Informalisierung", wo vor einigen Jahren an gleicher Stelle noch von Marginalität die Rede war. Angesichts dieser Entwicklung drängen sich folgende Fragen auf. Handelt es sich bei dem Begriffswechsel lediglich um eine terminologische Verschiebung oder leiten sich daraus für die Sozialforschung neuartige Fragestellungen und Einsichten ab? Wird durch die neuen Begrifflichkeit der ungeschminkte und unverfälschte Blick auf die Realität erleichtert, indem etwa bestimmte ideologische Konnotationen, die dem Marginalitätsbe-griff anhafteten, nicht mehr evoziert werden? Vermag die sozialwissenschaftliche Forschung unter den neuen begrifflichen Vorzeichen eine "bessere", d.h. angemessenere gesellschaftliche und entwicklungspolitische Praxis anzuleiten? Hierzu im folgenden einige thesenartig zusammengefaßte Antworten. 1. Folgt man der Argumentation von Heinz Rudolf Sonntag, so reflektiert die Begriffsverschiebung (von der "Marginalität" zur "Informalität") eine qualitative Differenz der heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber den Bedingungen,

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wie sie noch in den 60er und 70er Jahren geherrscht haben 1 . Unstrittig ist sicher, daß der informelle Wirtschaftssektor in allen lateinamerikanischen Gesellschaften seit Beginn der 80er Jahre wesentlich schneller gewachsen ist als der formale (moderne) Sektor - dies nicht zuletzt auch in Venezuela2. Wie Hernando de Soto für Peru gezeigt hat^, stellt er in einigen Wirtschaftsbranchen wie Handel, Transport und Wohnungsbau den formalen Sektor ökonomisch sogar schon weit in den Schatten, weswegen der Terminus "Schattenwirtschaft" übrigens in diesem Zusammenhang auch völlig fehl am Platze ist. Weiterhin als "marginal" zu bezeichnen, was inzwischen "kardinal" geworden ist, will in der Tat nicht einleuchten. Dies reicht zur Erklärung indes nicht aus; hinzu kommt noch etwas anderes. Sowohl bei den "Desarrollistas" wie auch bei den Anhängern des DependenciaAnsatzes ließ und läßt sich die Tendenz beobachten, mit dem Begriff der Marginalität die Notwendigkeit und Möglichkeit ihrer Überwindung immer gleich mitzudenken. Hierin ist vermutlich auch eine der Hauptursachen für die methodologischen Probleme zu sehen, die viele sozialempirische Studien der Vergangenheit charakterisieren. Der Begriff des informellen Sektors ist in dieser Hinsicht dagegen sehr viel anspruchsloser. Zumindest assoziiert er nicht notwendig und schon gar nicht aus Gewohnheit den Gedanken an dessen Überwindung. Seine heutige weitverbreitete Verwendung ist daher nicht zuletzt wohl auch Ausdruck der großen Ernüchterung und Desillusionierung, die die lateinamerikanischen Sozialwissenschaftler und in ihrem Gefolge die Lateinamerika-Forscher in den 80er Jahren erfaßt hat. 2. Das bedeutet allerdings nicht, daß der "informelle Sektor" gegen die Entstehung von ideologischen Konnotationen vollkommen immun wäre. Mag der Begriff in seiner ursprünglichen, ausschließlich ökonomischen Bedeutung auch von solchen Konnotationen weitgehend frei gewesen sein - im Unterschied zu dem der Marginalität, der diese allen Bemühungen um Verwissenschaftlichung zum Trotz nie ablegen konnte -, so zeigt sich nun, daß in dem Maße, wie "Informalität" zu einer neuen Schlüsselkategorie der Sozialforschung avanciert, die neben der ökonomischen auch die soziale und politische Dimension umfaßt, erneut Vorstellungen aller möglichen Couleurs das Strickmuster durchwirken. Sei es, daß man im informellen Sektor die Bedingungen für eine gesellschaftliche Transformation heranreifen sieht (Sonntag), oder sei es, daß der informelle Sektor zum Vorbild und zur Avantgarde einer funktionierenden Marktwirtschaft hochstilisiert wird (Soto). Ich fürchte, in beiden Fällen werden die Bedeutung und die Möglichkeiten des informellen Sektors überschätzt. Vor allem aber muß man bezweifeln, ob den Armen mit einem Wirt1 2 3)

Vgl. C. Carióla et al.: Crisis, Sobrevivencia y Sector Informal; Caracas 1989 (Vorwort von H.R. Sonntag). Vgl.N.E.Yusti: El Sector Informal en Venezuela (1976-1986), Caracas 1988 (Schriftenreihe des ILDIS). Vgl. H. de Soto: El Otro Sendero; Bogotá 1987.

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schaftsliberalismus in Reinkultur und einem radikalen Rückbau der Staatsfunktionen tatsächlich gedient wäre. Davon abgesehen, scheint mit der neuen Begrifflichkeit gleichwohl ein "Fortschritt" - im Sinne eines Perspektivenwechsels - verbunden zu sein. Während sich die Sozialwissenschaften nämlich auf die "Marginalität" ausschließlich negativ bezogen, stellte sie doch aus ihrer Sicht ein gesellschaftliches Problem dar, das es zu überwinden galt, so verschafft ihnen der Begriff des informellen Sektors die Möglichkeit eines positiven, stärker empirisch ausgerichteten und letztlich pragmatischen Realitätsbezugs. Vereinfacht ausgedrückt: Der informelle Sektor muß nicht negiert werden, vielmehr lädt er zu Überlegungen ein, wie er gestärkt und das in ihm steckende Entwicklungspotential besser zur Entfaltung gebracht werden kann. 3. Ob dieser Perspektivenwechsel auch einen Fortschritt für die sozialwissenschaftliche Theoriebildung bedeutet, wie es Heinz Rudolf Sonntag suggeriert, vermag ich nicht zu beurteilen. Zweifel erscheinen mir aber angebracht. Auf jeden Fall führt er zu einer größeren Praxisnähe der Sozialforschung, was die entwicklungspolitische Diskussion der kommenden Jahre sicher bereichern wird. Eine der entwicklungspolitischen Prämissen lautet, daß der Kampf gegen die Armut so lange aussichtslos bleibt, wie ihn die Armen nicht zu ihrer eigenen Sache machen und die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen sie behindern und entmutigen, statt ihre Selbsthilfeanstrengungen zu unterstützen. Unter den gegebenen Verhältnissen einer gleichzeitigen chronischen Schwäche und strukturellen Dominanz des formalen Sektors stellen sich einer entwicklungspolitisch orientierten Sozialforschung somit folgende Forschungsfragen: auf der ökonomischen Ebene: Welche Möglichkeiten und strategischen Ansätze gibt es, den Werttransfer vom informellen in den formalen Sektor der Ökonomie zu verringern? auf der sozialen Ebene: Durch welche Maßnahmen lassen sich die Reproduktionssicherheit und der Erfolg der Überlebensstrategien der im informellen Sektor lebenden und tätigen Menschen erhöhen? auf der politischen Ebene: Wie muß das institutionelle und organisatorische Umfeld beschaffen sein, damit der informelle Sektor aus der externen Unterstützung einen maximalen Nutzen ziehen kann? Indem Heinz Rudolf Sonntag an Fragestellungen und Methoden der Urbanen Sozialanthropologie anknüpft, versucht er eine Synthese zwischen Forschungstraditionen älteren und neueren Ursprungs herzustellen. Die bisher bekannt gewordenen Ergebnisse scheinen diesen Versuch zu rechtfertigen.

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H.C.F. Mansilla

Die informelle Ökonomie in Bolivien und deren negative Auswirkungen auf die politischkulturelle Sphäre Entgegen den liberalen Vorstellungen, die die informelle Ökonomie als vielversprechende Ergänzung der noch anfänglichen und prekären Marktwirtschaft betrachten, muß man auf diverse mit ihr einhergehende Aspekte aufmerksam machen, die zumindest in Bolivien - einer vernünftigen Gesamtevolution des Landes dysfunktional wirken. Und auch wenn man annimmt, daß sie die Fortsetzung einer althergebrachten Lebensstrategie verkörpert, der man durchaus originelle Elemente nicht absprechen dürfe, sollte man nicht vergessen, daß sie in einem Kontext stattfindet, in dem die auf Industrialisierung, Verstädterung und moderner Technologie basierende Entwicklungsdynamik bei weitem führend ist. Dieser gegenüber erweist sich die informelle Ökonomie - trotz aller Eigenständigkeit und Distanz - als eine subordinierte Größe: es kann als gesichert gelten, daß im bolivianischen Fall ein ständiger und beträchtlicher Ressourcenabfluß finanzieller Natur aus dem informellen Sektor zugunsten der formellen Ökonomie erfolgt 1 . Auch wenn die informell Wirtschaftenden sich selbst nicht als Informelle wahrnehmen und vielmehr ihre Tätigkeit als die selbstverständliche Fortsetzung einer traditionellen Arbeitsweise begreifen, so sind sie doch, vor allem im Urbanen Bereich, den Demonstrationseffekten der weltweiten Modernität ausgesetzt, deren Orientierungswerte inzwischen ein höheres Ansehen genießen als diejenigen der traditionellen Lebenswelt. Die Informellen streben dann eine allmähliche Eingliederung in die Formalität als Vorstufe der Modernität an, vor allem für die nachfolgende Generation. Verschiedenen Studien gemäß sind die langfristigen Perspektiven der informellen Ökonomie als düster zu bezeichnen, weil deren untergeordnete Stellung gegenüber dem modernen Sektor strukturell bedingt und somit kaum zu beheben ist. Die Konzeption, daß die informelle Wirtschaft den Zug des technologischen Fortschritts verpassen wird, gründet auf einigen Argumenten, die nicht ohne weiteres zurückzuweisen sind. Innerhalb der schweren Wirtschaftskrise, die Bolivien seit 1979 heimsucht, läßt sich eine generalisierte Senkung des durchschnittlichen Einkommens konstatieren, aber zugleich ein noch stärkerer Rückgang der Einkünfte der 1

Doria Medina 1986, p. 134. Ähnlich ist die Lage Perus. Laut de Soto begünstigt dieser Transfer ebenfalls den peruanischen Staat; rund 10% des peruanischen Bruttoinlandsprodukts seien auf diese unfreiwilligen Übertragungen des informellen zugunsten des formellen Sektors zurückzuführen, de Soto 1987, p. 200.

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informell Wirtschaftenden. Die bescheidenen technologischen Verbesserungen und Effizienzsteigerungen im formellen Bereich - die hauptsächlich in der Privatwirtschaft zu verzeichnen sind - konnten von den Informellen keineswegs nachvollzogen werden2. Auch wenn die Informellen eine erstaunliche Flexibilität in der Verwendung knapper Ressourcen an den Tag legen und sich als relativ erfinderisch in der Gestaltung ihrer Produktionsverhältnisse erweisen, stellt sich dennoch ihre durchschnittliche Produktivität als betont niedrig heraus3. Der ausgesprochen arbeitsintensive Charakter dieser Wirtschaftsform, ihre immer prekäre Existenz, ihr geringer Zugang zu den Kreditquellen und ihre niedrige Investitionsfahigkeit tragen zusätzlich dazu bei, sie auf einem längst überwundenen technologischen Niveau zu verankern. Die der informellen Ökonomie zugrunde liegende rechtliche Unsicherheit ruft mehrere Effekte hervor, die diesen Zustand festzuschreiben drohen. Das Fehlen legaler Eigentumstitel und die Nichteintragung bei den amtlichen Registern machen den Zugang zu Bankkrediten beinahe unmöglich, drücken den Marktpreis der Besitztümer der Informellen kräftig nach unten, erschweren die Nutzung bestehender Programme zur Verbesserung von Ausbildung, Verwaltung und Produktionsstruktur, beeinträchtigen jegliche Kontaktaufhahme mit Agenturen der Entwicklungshilfe und liefern die Informellen der Willkür der Behörden aus. Einen ansehnlichen Teil ihrer Einkünfte müssen die Informellen nämlich dafür ausgeben, um von Polizisten und anderen Vertretern des Staates in Ruhe gelassen zu werden4. Die breite Streuung der Produktionseinheiten, ihr notwendig verborgener Charakter, ihre beschränkte Dimension und die hohe Fluktuation ihrer rechtlich nicht geschützten Arbeitskräfte verhindern eine Kapitalisierung der Betriebe, ihr kontinuierliches Wachstum und eine dem Zeitalter adäquate Übernahme der maßgeblichen technologischen Standards. Die informelle Ökonomie tradiert insofern eine negative Eigenschaft der prämodernen Ordnung, als sie zwei bewährte Systeme der Risikominderung, nämlich das Versicherungswesen und die Schaffung von Kapitalgesellschaften, nicht übernehmen kann5. Überdies ist das Bildungsniveau der informell Wirtschaftenden Boliviens niedriger als der ohnehin dürftige Durchschnitt der

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In einer Studie, die den Anden-Raum für die Periode 1980-1990 betrifft, kommt Daniel Carbonetto zu der Schlußfolgerung, daß die Kluft zwischen dem formellen und dem informellen Sektor in bezug auf Einkommenshöhe, Kapitalausstattung und Produktivität zuungunsten des letzteren größer wird. Carbonetto 1987, p. 22. Hemando de Soto und sein Team kamen aufgrund empirischer Daten zu der Erkenntnis, daß die durchschnittliche Produktivität eines informell Arbeitenden in Peru nur ein Drittel der Produktivität eines 'Formellen* ausmacht. Die Lage in Bolivien dürfte sehr ähnlich sein. - Cf. de Soto 1987, p. 221. Uber die Nachteile, die ihre extralegale Lage den informell Wirtschaftenden in Bolivien bereitet, cf. Casanovas Sainz, 1989, p. 119 sq.; Escdbar de Pabön 1989, p. 129 sq., 170 sqq.- Die von den Informellen ständig entrichteten Bestechungsgelder gleichen einer prämodemen Steuerart und entbehren zugleich der Rationalität des jetzigen Steuerwesens. Cf. de Soto 1987, p. 230; Reye 1990, p. 20 sqq.

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Gesamtbevölkerung; bei ihnen weist die (sehr hohe) Analphabetenrate eine steigende Tendenz auf 5 . Gemäß seiner Verfaßtheit ist es dem informellen Sektor unmöglich, sich selbst mit einer ständigen institutionellen Organisation auszustatten, die seine Interessen korporativ, öffentlich und wirksam artikulieren und vertreten würde7. Diesem Sektor entspricht eher das Bild einer atomisierten Gesellschaft, deren Individuen starke Rivalitäts- und Neidgefühle entfalten, welche eine vernünftige Solidarität vereiteln. Es ist bezeichnend, daß in diesem Bereich vor allem Hilfsorganisationen der katholischen Kirche und der protestantischen Konfessionen Fuß fassen konnten, wodurch das passive und obrigkeitsfromme Verhalten der betroffenen Menschen, die vieles einfach vom paternalistischen Staat erwarten, verfestigt wird8. In dieser Hinsicht reproduziert die informelle Ökonomie ebenfalls einige bedenkliche Aspekte der traditionellen Ordnung. Wie Hernando de Soto selber zugibt, ist die informelle Wirtschaft nicht "die beste der Welt"9: sie führt zu einer gewaltigen Ressourcenverschwendung, schließt ein immenses Leiden ein und mündet unvermeidlich in Hoffnungslosigkeit. Die unüberbrückbare Distanz zum modernisierenden Staat, die Bewältigung eines alltäglichen Chaos und der Aufbau eines immer brüchig bleibenden Netzes persönlicher Kontakte und Bande (in einer oft neuen wie feindseligen Umgebung) bedeuten eigentlich sehr hohe Kosten, die die Frage nach dem Sinn dieses angeblich alternativen Modells aufkommen lassen. Das ist um so nötiger, als weder die erhoffte neoliberale Ausdehnung der Marktwirtschaft noch die angenommene Fortführung einer althergebrachten Lebensstrategie in einem Freiraum stattfinden, der etwa einen fruchtbaren Boden für abweichende sozioökonomische Versuche besäße. Man muß im Gegenteil davon ausgehen, daß die bolivianische Wirklichkeit bereits so krisenhaft und zugleich so verwickelt ist, daß die informelle Ökonomie eigentlich eine verzweifelte Überlebensstrategie darstellt. Es wäre allerdings verfehlt, der informellen Wirtschaft und dem staatlichen Handeln jedwede Funktionalität abzusprechen; die Rede ist hier von Tendenzen in krisenhafter Zuspitzung. Der informellen Wirtschaft, wie überhaupt dem informellen Lebensvollzug, sind wertvolle Elemente einer anti-etatistischen, auf die eigene Kraft vertrauenden Haltung nicht abzusprechen; ferner hat die Entfaltung der staatlichen Aktivität in unternehmerischer und bürokratischer Hinsicht auch zu einem seit der spanischen Kolonialzeit tradierten und keineswegs völlig erfolglosen politischen und administrativen System geführt, das den Ausgleich der divergierendsten Interessen beabsichtigt und verschiedenen sozialen Gruppen Beschäftigung gewährt. 6 7 8 9

Casanovas Sainz/Escöbar de Pabön 1988, p. 80. Escöbar de Pabön 1989, p. 153 sq.; Casanovas Sainz/Silvia Escöbar de Pabön 1988, p. 40. Eine hiervon abweichende Meinung in: Kliksberg 1989, passim. de Soto 1987, p. 195.

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Es entstünde die Gefahr eines sozioökonomischen Chaos, wenn man diese staatlichen Strukturen ohne einen vollwertigen Ersatz zurückdrängen würde. Es ist anzunehmen, daß die informelle Wirtschaft in Bolivien keinen wesentlichen Wertewandel hervorgerufen hat. Sie begünstigt jedoch einige Verhaltensmuster und entmutigt andere, was aufgrund der bevölkerungsmäßigen Größe dieses Sektors eine beträchtliche gesellschaftliche Relevanz erlangt hat 10 . Wenn diese Evolution weiterginge, bestünde die Gefahr, daß die informelle Ökonomie von einem soziokulturellem Regressionsprozeß nicht getrennt werden könnte. Trotz positiver Wertorientierungen, die man zurecht den informell Wirtschaftenden zuschreiben kann, leistet dennoch ihr Verhalten einer langfristigen Entwicklung Vorschub, die sich schon jetzt als eine düstere Sackgasse abzeichnet. Im bolivianischen Fall geht die informelle Ökonomie mit einer kollektiven Wahrnehmung ihrer eigenen deliktivillegalen Aspekte einher, die das Unrechtmäßige und Strafwürdige an ihnen effektiv kaschiert und somit einer bedenklich laxen Ethik das Wort redet. Das Gleiche gilt für den Verkehr mit den staatlichen Instanzen, wo Bestechungspraktiken, Unregelmäßigkeiten und Korruptionsphänomene als etwas Unvermeidliches und sogar Notwendiges angesehen werden. Da Unvorhersehbarkeit und Willkür zentrale Kennzeichen des informellen Handelns sind, kann sich eine dauerhafte Motivation hinsichtlich einer sinnvollen Arbeitsweise kaum entfalten; die Arbeitsmoral wird dann von augenblicklichen Opportunitätskriterien geprägt. Es ist überflüssig zu betonen, daß Handlungsleitlinien wie Selbstvertrauen, Effizienz, Durchsetzungsvermögen, Gewissenhaftigkeit und Sparsamkeit von anderen Verhaltensmustern wie Konsumption kurzlebiger Güter, soziopolitischer Apathie, generalisierter Anomie, kurzfristigem Opportunismus und alltäglicher Rücksichtslosigkeit verdrängt werden. Diese Evolution wird den Verfall jeglichen Schulsystems, insbesondere der für die Zukunft des Landes unerläßlichen beruflichen Ausbildung Jugendlicher, mit sich bringen. In bezug auf eine von Wissenschaft und Technologie mit geprägte Entwicklung Boliviens kann man alle Spielarten der informellen Ökonomie als nicht zukunftsträchtig bezeichnen." Der informelle Sektor hat im politisch-institutionellen Bereich keine Veränderungen hervorgerufen, die seiner inzwischen erreichten Größe entsprechen würde. Der relativ geringe Umfang der diesbezüglichen Umwandlungen läßt die Vermutung aufkommen, daß die informelle Ökonomie in vielfacher Hinsicht eine fest verwurzelte Tradition fortführt und zumindest in dieser Sphäre keiner liberal-demokratischen Tendenz forderlich ist. Während die liberale Wende seit 1985 das Werk formaler Instanzen (Unternehmer, Parteien und Regierungsinstitutionen) darstellt, hat die informelle Ökonomie der politischen Kultur von Autoritarismus, Patrimonialismus und Kollektivismus das Wort geredet, der anhaltenden Erosion staatlicher 10 11

Cf. Toranzo Roca 1989, pp. 219-247. Cf. Ciaig 1988, pp. 105-140.

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Legitimität Vorschub geleistet und zur Wiederbelebung populistischer Parteien kräftig beigetragen. Obwohl genaue Kenntnisse darüber noch fehlen, kann man davon ausgehen, daß die bolivianische Macht- und Regierungselite12 durch Vertreter der am meisten erfolgreichen Fraktionen der informellen Ökonomie ergänzt worden ist. Deren illegal-deliktiver Sektor gehört selbstredend dazu. Sein Einfluß läßt sich vor allem in den Streitkräften, der Polizei und der Judikatur spüren. Unternehmer mit dubiosem Hintergrund spielen eine nicht unwichtige Rolle im Verband der Privatindustrie; das politische Geschehen und sogar die Gesetzgebung werden ebenfalls durch die Interessen der Führung der neuen populistischen Parteien beeinflußt. Es ist jedoch symptomatisch, daß diese neuen Mitglieder der Elite keineswegs der indianischen Bauernwelt entstammen; sie kommen aus dem dunklen Reservoir der mestizischen Mittelschichten und tradieren dadurch das herkömmliche bolivianische Verfahren der Elitenrekrutierung, das rationalen Leistungskriterien nicht gänzlich genügt. Die wichtigste Umstrukturierung des Machtgefüges, die mit der Ausdehnung der informellen Ökonomie zusammenfällt, ist im Zusammenbruch des Gewerkschaftswesens und im gleichzeitigen Aufblühen neuer sozialer Bewegungen und populistischer Parteien zu erblicken. Damit ist eine bemerkenswerte Transformation des Wählerpotentials eingetragen, die Licht- und Schattenseiten gleichermaßen kennt. Diesem Vorgang ist es zum Beispiel zu verdanken, daß ethnische Minderheiten, neuartige gesellschaftliche Bewegungen und regionalistische Bestrebungen ein wenn auch fragliches Organ zur Aggregation und Artikulation eigener Interessen erhalten haben. Der einst mächtige Gewerkschaftsverband Boliviens, dessen Rückgrat die Minenarbeiter bildeten, konnte sich vom Verfall des Bergbaus (ab 1985) nicht retten13 und ist inzwischen zu einer zwar gemäßigteren, aber dafür erheblich kleineren und politisch einflußloseren Organisation geworden. Nach der Schließung zahlreicher staatlicher und privater Bergbaubetriebe ist es den meisten Minenarbeitern gelungen, ein recht prekäres Auskommen im informellen Sektor zu finden, wodurch eine soziale Explosion vermieden worden ist. Dieser Prozeß geht jedoch mit einer Fragmentierung der soziopolitischen Kraft der ehemals organisierten Arbeiter und einer dementsprechenden politischen Apathie ausgedehnter Bevölkerungssektoren einher: das Ausbleiben einer Radikalisierung der von der Wirtschaftskrise Geschädigten und die relative Stabilität der politischen Szene sind durch eine gleichzeitige Wiederbelebung der gewohnten politischen Kultur, durch die

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Cf. Calla Ortega 1990, pp. 93-103; McFarren 1989, Declaraciones de Robert Sudrei, in: IPE (La Paz) vom 11. Juli 1983, vol. XXI, Nr. 1008, p. 105 sq. Über die radikale Umwandlung der Gewerkschaftsbewegung cf. Toranzo Roca 1987; Laseraa 1985; Mayorga 1986; Lazarte 1989.

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"Entproletarisierung" der unteren Schichten14, durch eine Verstärkung der bäuerlichen Merkmale der bolivianischen Gesellschaft ("recampesinizaciön") und durch das Auftreten nicht-ideologischer Bewegungen erkauft worden. Anstelle der ehemals politisch radikalen Gewerkschaften haben jetzt Bestrebungen an Bedeutung gewonnen, die eng begrenzte Zielsetzungen auf regionaler oder nur städtischer Ebene verfolgen15. Dieser Informalisierung der Politik liegen gewiß positive Elemente und Tendenzen zugrunde: durch die Hinwendung zur Basisdimension erfolgt eine genuine Demokratisierung des politischen Geschehens, die sich in der Bildung kleiner Gegenmachtzentren, in der Aufwertung des vorstaatlichen Raums und in der Förderung der Selbsthilfe-Initiative äußert. Es handelt sich um eine Abkehr vom Staat, von den herkömmlichen Machtmitteln und von der in Bolivien als unerläßlich empfundenen Anstrengung, einen Anteil an der Macht zu ergattern, um überhaupt dem eigenen Ziel etwas näherzukommen. In der ökonomisch-organisatorischen Sphäre gründet diese Evolution auf einer Wiederbelebimg gewisser Prinzipien der andinen bäuerlichen Kultur, die Faktoren wie Reziprozität, Verwandtschaft und arbeitsintensive Techniken stark begünstigt. Im Zentrum des ehemaligen Bergbaugebietes16 haben die informell Wirtschaftenden mittels der Auffrischimg agrarischer Überlieferungen und der Verwendung angepaßter Technologien ökonomische Strukturen geschaffen, denen man einen beachtenswerten Erfolg nicht absprechen darf. Aber sie haben ein soziopolitisches Modell auf die Beine gestellt, das ein direktes, persönliches und streng hierarchisches System der sozialen Kontrolle einschließt, das kein Verfahren zur Kontrolle irrationaler Herrschaft kennt und vielmehr die prämoderne Form des Zwangskonsensus bekräftigt. Es ist deshalb kein Wunder, daß die Informellen dazu neigen, populistischen Parteien Gehör zu schenken. Letztere leiten ihre Beliebtheit von der Tatsache ab, daß sie überhaupt keine Programmatik haben, außer einigen theatralischen Bekenntnissen zum Wohle des gesamten Volkes; ihre Stärke scheint gerade in ihrer theoretischen und ideologischen Anspruchslosigkeit sowie in der charismatischen Fähigkeit ihrer Führer zu liegen17. Diese Entwicklung ist umso bedenklicher, als die populistischen Parteien fast ausschließlich Stimmen aus den indianischen Ethnien zu binden vermögen; dadurch läuft die bolivianische Gesellschaft mittelfristig Gefahr, in einem halbwegs traditionellen, staatsfernen, veraltet-patriarchalischen und indianisch geprägten Teil

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Zur 'Abfedeningsfunktion* der informellen Wirtschaft in Bezug auf soziopolitische Auseinandersetzungen cf. Toranzo Roca 1987, p. 233 sqq.; Escóbar de Pabön 1989, p. 1S3 sq.; Toranzo Roca 1989, pp. 115-145; M. Arríete Abdalla 1989, pp. 147-179. Allgemein zu diesem Prozeß cf. Camacho 1990, pp. 36-49; Barrera 1987, pp. 126-133; Tironi 1987, pp. 147-154. Cf. Blanes/Gutiérrez 1990; Investigación sobre el cooperativismo en Siglo XX, Siglo XX/Llallagua: Centro de Comunicación y Educación Popular Pfo XII1990. Cf. Arríete Abdalla 1989, p. 166 sqq.; Toranzo Roca 1989, passim.

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einerseits und in einen partiell modernisierten, staatsnahen, bedingt demokratischen sowie von den Weißen und Mestizen beherrschten Teil zu verfallen. Gegenüber diesen Problemen läßt sich eine generalisierte Ratlosigkeit seitens der Regierung, der politischen Parteien und der etablierten pressure groups feststellen. Sehr spät, aber dann intensiv, haben linksgerichtete Parteien die Progressivität der Koka kultivierenden Bauern entdeckt und sich ihrer Forderungen angenommen. Sie sprechen sich nun für die Beibehaltung des jetzigen status quo der Duldung des illegal-deliktiven Sektors der informellen Ökonomie aus, bekämpfen jegliche Militarisierung der betroffenen Gebiete, leisten eine wahre Apologie des Koka-Anbaus als einer volksnahen, ehrwürdigen und anti-imperialistischen Aktivität18 und schweigen sich diskret über die beträchtlichen ökologischen Schäden aus, die von der KokaMonokultur verursacht werden. Alle Regierungen Boliviens verfolgen eine sehr ähnliche Strategie seit 1982 in bezug auf die rechtswidrigen Aspekte der informellen Wirtschaft, nämlich die der öffentlichen Ächtung der tatsächlichen Tolerierung19. Literatur: Arrieta Abdalla, Mario (1989), Utopía andina, desproletarización y recampesinización, in: Carlos F. Toranzo Roca/Mario Arrieta Abdalla, Nueva derecha y desproletarización en Bolivia, La Paz: UNITAS/ILDIS Barrera, Manuel (1987), El movimiento de los excluidos. Desempleo y la nueva informalización, in: NUEVA SOCIEDAD, Nr. 90, Juli/August 1987, pp. 126-133; Blanes, José / Mario Gutiérrez (1990), Complejo urbano minero del Norte de Potosí: tendencias y alternativas en la crisis del estaño, La Paz: CEBEM Calla Ortega, Ricardo (1990), Nueva derecha/vieja casta. Algunas hipótesis sobre la modernización política en Bolivia, in: ESTADO Y SOCIEDAD. REVISTA BOLIVIANA DE CIENCIAS SOCIALES, vol. 6, Nr. 7, Januar/Juni 1990, pp. 93-103; Camacho, Alvaro (1990), Informalidad política. Movimientos sociales y violencia, in: NUEVA SOCIEDAD, Nr. 106, März/April 1990, pp. 36-49; Carbonetto, Daniel (1987), Notas sobre la heterogeneidad y el crecimiento económico de la región, in: ders. et al.. El sector informal urbano en los países andinos, Guayaquil: ILDIS Casanovas Sainz, Roberto (1989), Informalidad e ilegalidad: una falsa identidad, in: Antonio Peres Velasco et al., Informalidad e ilegalidad: una falsa identidad, La Paz: CEDLA

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Cf. die Zeugnisse: Pasan hambre campesinos que cambian café por coca, in: AQUI (La Paz) vom 30. Juni 1990, p. 1; COB/CSUTCB/CSCB 1990. pp. 89-92. Cf. Jordán Pando 1990. pp. 11-35.

113 Casanovas Sainz, Roberto / Silvia Escóbar de Pabón, Los trabajadores por cuenta propia en La Paz. Funcionamiento de las unidades económicas, situación laboral e ingresos, La Paz: CEDLA 1988 COB/CSUTCB/CSCB, ¡Militarización no, desarrollo sí!, in: ESTADO Y SOCIEDAD. REVISTA BOLIVIANA DE CIENCIAS SOCIALES, vol. 6, Nr. 7, Januar/Juni 1990, pp. 89-92. Craig, Richard B. (1988), El tráfico ilícito de droga: implicaciones para los países sudamericanos donde se origina, in: REVISTA OCCIDENTAL, vol. 5, Nr. 2 ( = 1 5 ) Doria Medina, Samuel (1986), La economía informal en Bolivia, La Paz: Edobol Escóbar de Pabón, Silvia (1989), Los establecimientos informales ante la ley, in: Antonio Peres Velasco et al., Informalidad e ilegalidad: una falsa identidad, La Paz: CEDLA Jordán Pando, Roberto (1990), Coca, cocaína, interdicción y narcotráfico, in: ESTADO Y SOCIEDAD, vol. 6, Nr. 7, Januar/Juni 1990, pp. 11-35. Kliksberg, Bernardo, Hrsg., (1989), ¿Comó enfrentar la pobreza? Estrategias y experiencias organizacionales innovadoras, Buenos Aires: CLAD/PNUD Laserna, Roberto Hrsg. (1985), Crisis, democracia y conflicto social, Cochabamba: CERES Lazarte, Jorge (1989), Movimiento obrero y procesos políticos en Bolivia. Historia de la COB 1952-1987, La Paz: ILDIS Mayorga, René Antonio (1986), La Central Obrera Boliviana (COB): paradoja del sistema democrático, La Paz: CERES McFarren, Peter (1989), Economía informal gana poder político y atrae ayuda externa en Bolivia, in: PRESENCIA (La Paz), vom 8. November 1989, Reye, Ulrich (1990), Sector informal y problemática del empleo urbano en Santa Cruz, in: Carlos F. Toranzo Roca (Hrsg.), Sector informal y empleo urbano en Santa Cruz, La Paz: ILDIS Soto, Hernando de (1987) El otro sendero. La revolución informal, Bogotá: Oveja negra Tironi, Eugenio (1987), ¿Ruptura o participación? La protesta de los marginales, in: NUEVA SOCIEDAD, Nr. 90, pp. 147-154. Toranzo Roca, Carlos F. (1989) Desproletarización e "informalización" de la sociedad boliviana, in: ders. (Hrsg.), Bolivia hacia el 2000. Desafíos y opciones, Caracas: Nueva Sociedad/Amigos del libro Toranzo Roca, Carlos F. (1989), La desproletarización e "informalización" y sus efectos sobre el movimiento popular, in: Carlos F. Toranzo Roca/Mario Arrieta Abdalla, Nueva derecha y desproletarización en Bolivia, La Paz: UNITAS/ILDIS Toranzo Roca, Carlos F. FLACSO/CERES

Hrsg. (1987), Crisis del sindicalismo en Bolivia, La Paz:

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Juliana Ströbele-Gregor

Suche nach Sicherheit und eigenständigen Formen der Selbstbehauptung Seit sich die "informales" aktiv in nationale Politik einmischen - in Bolivien u.a. mit der massenhaften Wahl der neugegründeten Partei CONDEPA (Conciencia de Patria) - wird auch der kreolisch-mestizischen Mittel- und Oberschicht bewußt, daß sich a) die ethnische Polarisierung zwischen "Kreolen" und andinen Migranten in den Städten verstärkt; b) daß eine eigenständige politische Kultur dieser Migranten der Residentes - existiert. Deren gesellschaftsbezogene Aktivitäten bezeugen ein neues Selbstbewußtsein. Die Ursachen des Wahlerfolges von CONDEPA erfordern die eingehende Betrachtung der Lebenswelt der Residentes von La Paz. Um die Politikformen der in der Informalität wirtschaftenden Aymara-Migranten einschätzen zu können, verdienen folgende Aspekte besondere Berücksichtigung: 1. die Erfahrungen der Residentes mit der dominanten Gesellschaft. 2. Ihre wirtschaftlichen Strategien und sehr eigenen soziopolitischen und kulturellen Ausdrucksformen.

CONDEPA Der Wahlerfolg dieser populistischen Partei ohne Programmatik läßt sich nicht auf das verschwommene Wahlprogramm oder das Charisma des Parteigründers zurückführen. Ursächlich sind vielmehr zwei andere Umstände: Der Parteigründer hat sich seit Jahren in den Medien als Fürsprecher von sozial Benachteiligten dargestellt. Indem er sich bei der Organisation seiner Hilfsaktionen der eigenständigen kulturellen Ausdrucksformen der Residentes bediente, wertete er ihre kulturelle Identität auf: gegenseitige Hilfe, kommunitäre Arbeit und andine Vorstellungen von Reziprozität. Sein Erfolg ist zu begreifen als Indiz für: 1. Eine tiefsitzende soziale und politische Enttäuschung der Urbanen Aymara Bevölkerung. Wesentliche mit der Nationalen Revolution von 1952 geweckte und von den unterschiedlichsten Parteien genährte Hoffnungen blieben unerfüllt. 2. Ein gesteigertes Selbstbewußtsein der Migranten. Das Wahlverhalten muß als Ausdruck einer aus der Enttäuschung entstandenen ethnische Polarisierung gedeutet werden.

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Lebenswelt der Residentes Da sich Bewußtsein im Alltag bildet, wird der Blick des Betrachters auf die Lebenswelt der Residentes gelenkt und damit auf die Urbane Aymara-Subkultur (Albö). Diese Lebenswelt wird von der Reproduktion innerhalb des "informellen Sektors" und der daraus resultierenden Unsicherheit bestimmt. Die Residentes lassen sich in Anlehnung an Elwert/Evers/Wilkens (1983) als "Schicht der Ungesicherten" charakterisieren, denn es handelt sich bei ihnen um jenen großen Teil städtischer Bevölkerung, der durch Ausnutzung ökonomischer Nischen, große Mobilität bei der Suche nach Erwerbsquellen und durch Kombination verschiedener Reproduktions- und Einkommensquellen sein Überleben und seine Reproduktion sichert (Evers 1987:357). Diese Formen des Wirtschaftens und die damit verbundenen sehr eigenen Strategien sowie sozio-politischen und kulturellen Organisationen von Residentes sind stark von den kulturell eigenen Lebensformen geprägt, die die AymaraMigranten vom Land mit in die Stadt bringen. Dennoch bilden die Residentes eine heterogene Bevölkerung. Dies schlägt sich u.a. in sozialer Abgrenzung nieder: Sie differenzieren sich entsprechend ihrer unterschiedlichen sozialen Herkunft als Kleinstädter oder Kleinbauern, ihrer Zeit der Ansässigkeit, ihres Bildungsstand, ihrer ökonomischen Situation. Die Aymara-Subkultur in La Paz läßt sich bis in die Kolonialzeit verfolgen. Bis zur Revolution 1952 entwickelten sich nebeneinander die spezifischen Lebenswelten von Kreolen und Residentes, wobei letztere immer, aber in unterschiedlichem Maße, von der dominanten Kultur beeinflußt wurde. Diese Urbane Aymara-Kultur hat kleinstädtische Lebensmuster und Elemente der andinen bäuerlichen Kultur in sich aufgesogen und unter dem Einfluß der dominanten westlich orientierten kreolischen Kultur transformiert. Die Einbindung der Migranten in die Aymara-Subkultur wird auf der individuellen Ebene zumeist als Übergang verstanden, da sie nach Integration in die kreolische Lebenswelt streben. Die Übernahme herrschender westlich orientierter Normen wird dabei mit Aufstieg identifiziert (Albö/Greaves/Sandoval 1983:7 ff). Eine Integration unter der Bedingung sozialer Gleichberechtigung und kultureller Anerkennung bleibt jedoch weitgehend versagt. Trotz populistischer bzw. indigenistischer Diskurse von Regierungen und traditionellen Parteien herrschen tiefgreifende Ressentiments gegenüber den ehemaligen "indios", rassistische Diskriminierung und soziale Benachteiligung.Die Selbstverachtung von Residentes durch Verinnerlichung der Stigmatisierung und herrschender Werte sowie daraus resultierende Selbstdiskriminierung erleichterten lange Zeit der sich als "Kreolen"

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begreifenden Mittel- und Oberschicht, die "indianische" Bevölkerung als Bürger 2. Klasse zu behandeln. Da die soziale Integration in die kreolische Welt meist nicht gelingt, bleibt den Residentes nur die Verankerung in der Aymara-Subkultur. Sie bietet die Voraussetzungen für überlebenswichtige soziale Beziehungsgeflechte, für identitätsstiftende kulturelle Praxis und für soziale Anerkennung.

Eigenständige Wirtschaftsformen Die eigenständigen sozialen Formen gründen auf einer Überlebenswirtschaft, die in der Familie verankert ist. Häufig leben mehrere miteinander verwandte Familien unter einem Dach zusammen und organisieren Produktion und Reproduktion gemeinsam. Dies hat jedoch keine Kollektivierung der Haushaltsführung oder Aufhebung des individuellen Besitzes zur Folge. Das Funktionieren dieser Form von Familienwirtschaft basiert wesentlich auf der Anwendung von Prinzipien des andinen bäuerlichen Wirtschaftens (Gölte 1980): 1. der Kombination unterschiedlicher Arbeiten zum Zwecke der optimalen Ausnutzung der Arbeitskraft und der Risikoverteilung; dazu zählen auch zeitliche Optimierung und örtliche Diversifizierung; 2. der Kombination unterschiedlicher sozialer Formen der Arbeitsorganisation; 3. dem Austausch von Arbeit gegen Güter. 4. dem Aufbau und der Sicherung eines sozialen Netzwerkes, insbesondere des Compadrazgo-Systems, zur Sicherung vielfältiger reziproker Austauschbeziehungen. Die im bäuerlichen Kontext erworbenen Fähigkeiten des Bedürfinisaufschubes, der harten Arbeit, der Planung in lange Zeiträumen sowie der Anpassung von Strategien an vorgefundene Bedingungen unter Ausnutzung aller erkennbaren Vorteile, kommen der Familienwirtschaft in der Stadt sehr zugute. Zu den wirtschaftlichen Strategien der Migranten gehört ebenfalls die enge Verbindung zum Land. Sie garantiert stabile Handelsbeziehung und diverse Formen des Austausches jenseits der Geldwirtschaft einschließlich einer Kooperation in der Landwirtschaft. Zugleich sind diese Beziehungen bedeutsam für die soziale und kulturelle Einbindung der Migranten; darüber hinaus bieten sie Möglichkeiten, Prestige zu gewinnen und damit die in der Stadt verletzte Selbstachtung wieder aufzubauen. Ein wesentlicher Teil des "informellen" Urbanen Wirtschaftens wird in derartigen Beziehungsgeflechten abgewickelt. Dabei sind keineswegs jene von Mansilla hervorgehobenen "negativen Tugenden" bestimmend. Ohne Verläßlichkeit, d.h ohne Vertrauen auf das Funktionieren reziproker Verpflichtungen, gegenseitige Hilfe und Solidarität ist solches Wirtschaften undenkbar. Schlauheit, List und Opportu-

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nismus sind verbreitete Verhaltensweisen vor allem gegenüber der kreolischen Welt und resultieren aus individuellen und kollektiven Erfahrungen im Überlebenskampf in Situationen kolonialer und postkolonialer Unterdrückung und Ausbeutung.

Sozio-politische Organisationen Weitere Stützen der Selbstbehauptung sind die zahlreichen und verschiedenartigen sozio-politischen und kulturellen Vereinigungen von Residentes. Sie schaffen und stabilisieren die für diese Wirtschaftsform notwendigen Solidarbeziehungen und erlauben zugleich innere Differenzierung. Ihre hervorragende Bedeutung für das eigenständige kulturelle Leben der Residentes liegt darin, daß sie die Entwicklung eigener Ausdrucksformen ermöglichen. Im intensiven Gemeinschaftslebens werden Gruppenkohäsion und Selbstwert erfahren und gegenüber der kreolischen Gesellschaft kann Abgrenzung dokumentiert werden. Viele Vereinigungen übernehmen in Selbstverantwortung und Selbstorganisation Aufgaben der defizienten öffentlichen Verwaltung, bilden Organisationen der gegenseitigen Hilfe und der Interessenvertretung gegenüber staatlicher Administration. Zwar verfolgen diese Vereinigungen nicht-ideologische Zielsetzungen, dennoch enthalten sie eine politische Dimension, wenn sie sich bei der Bewältigung munizipaler oder sozialer Probleme direkt oder indirekt in eine Auseinandersetzung mit dem Staat begeben. Im Kampf um die Verbesserung ihrer Lebensumstände entwickeln die Residentes somit über alle sozialen und kulturellen Unterschiede hinweg gemeinsame Organisations- und Aktionsformen, die neue politische Erfahrungen vermitteln. Ich teile nicht die Auffassung, daß die hier gewachsenen Formen politischen Handelns eine "Rückkehr zu vormodernen Formen der politischen Tätigkeit bedeuten"(Mansilla). Vielmehr handelt es sich um neue Formen, gerade auch deshalb entstanden, weil traditionelle Parteien als Interessenvertreter dieser Teile der Bevölkerung versagt haben. Weil demokratische Partizipation Grundvoraussetzung für die Stärke dieser Organisationen ist, kann hier - anders als in traditionellen Parteien oder Gewerkschaften Boliviens - Demokratie gelernt und praktiziert werden. Der große Verbreitungsgrad dieser Basisorganisationen und auch die veränderte Aktivität von Frauen ist ein Indiz dafür, wie intensiv sich dieser Lernprozeß vollzieht. Daß die Mehrheit der Residentes dennoch der populistischen und autoritätsfixierten Partei CONDEPA ihre Stimme gaben, sollte daher verstanden werden als Protest gegenüber der kreolischen Gesellschaft und des Mißtrauens gegenüber allen traditionellen Parteien. CONDEPA ist eine Übergangserscheinung, eine Etappe auf dem Weg zur Herausbildung identitätsverbürgender und folglich aussichtsreicher

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neuer Politikformen. Diese werden ihre Basis in den sehr eigenen neuen Organisations- und Widerstandsformen der Residentes haben. Um es pointiert auszudrücken: Jene politische Praxis, organisiert in Parteien, die gemeinhin als "moderne Form politischer Tätigkeit" bezeichnet wird, erscheint insbesondere in Ländern wie Bolivien - als die eigentlich traditionelle, wenn nicht gar anachronistische Form. Mit ihren aus dem Europa des 19. Jahrhunderts importierten Ideen und Organisationsmodellen haben diese Parteien letztlich vor allem der Herrschaftssicherung kreolischer Eliten gedient. Bei der Bewältigung von Problemen, die aus der bolivianischen Realität erwachsen, haben sie eindeutig versagt. Diese Erkenntnis verbreitet sich zunehmend unter Residentes und ihr Bewußtsein von Marginalisierung und Diskriminierung schärft sich ebenso wie ihr Wille zur Selbstbehauptung. Da die Ungesicherten bei der Organisierung ihrer Wirtschaft wie auch ihrer Lebenswelt die Erfahrung machen, daß sich zumeist nur dort etwas zum Guten ändert, wo sie selbst aus eigener Kraft es zustandebringen, vertrauen sie zunehmend mehr ihrer eigenen Organisationskraft. Indem sie - anknüpfend an eigene traditionelle Organisationsformen ihr Überleben sichern und Lebensumstände zu verbessern versuchen, entstehen Voraussetzungen für neuen Formen politischen Handelns. Diese entsprechen den Interessen und Bedürfnissen jener Bürger in ganz anderer Weise als traditionelle Parteien: So entstehen Bürgerorganisationen, die pragmatisch auf Problemlösung gerichtet sind. Allerdings, die Frage bleibt offen, ob und wie Strukturen entstehen, die die lokale oder regionale Begrenztheit überwinden. Noch ist ungewiß, wohin sich diese Bürgerbewegungen entwickeln. Literatur: Albó, Javier, Greaves, Thomas y Sandoval, Godofredo (1981 - 1987), Chukiyawu - La cara aymara de La Paz. Tomo 1 - 4. La Paz. Elwert, Georg, Evers, Hans-Dieter, Wilkens, Werner (1983), Die Suche nach Sicherheit: Kombinierte Produktionsformen im sogenannten Informellen Sektor. In: Zeitschrift für Soziologie Jg. 12, Nr. 4. Evers, Hans-Dieter (1987), Schattenwirtschaft, Subsistenzproduktion und informeller Sektor. Wirtschaftliches Handeln jenseits von Markt und Staat. In: Heinemann, K.(Hrsg.): Soziologie wirtschaftlichen Handelns. Sonderheft der KZfSS, Köln. Goffman, Erving (1967), Stigma - Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt. Gölte, Jürgen (1980), La racionalidad de la organización andina. Lima. Hofmann, Renata (1989), Apuntes sobre la democracia desde una óptica cotidiana. La Paz.

119 Hofmann-Kiesekamp, Renata (1990), Bolivien: Pervertierung der Demokratie. In: Dirmoser, D., u.a. (Hrsg.): Lateinamerika - Analysen und Berichte 14. Hamburg. Sandoval, Godofredo y Sostres, F. (1989), La ciudad prometida. La Paz. Ströbele-Gregor, Juliana (1990), El Alto - Stadt der Zukunft. In: Dirmoser, D.; u.a. (Hrsg.): Lateinamerika - Analysen und Berichte 14. Hamburg.

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Volkmar Blum

Informalisierung bäuerlichen Wirtschaftens im Andenraum Die Diskussion zum "informellen Sektor" legt die Vermutung nahe, das starke Wachstum ungeschützter und staatlich kaum regulierter Wirtschaftsformen sei ein ausschließliches Phänomen der städtischen Entwicklung. Für den ländlichen Raum wird der Begriff Informalität kaum verwandt. Der Agrarbereich erscheint nur als Quelle, die Menschen in den städtischen informellen Sektor ausstößt. Die Agrarentwicklung gilt in diesem Ansatz als Ursache, nicht jedoch als Bestandteil der Informalität (de Soto 1986:7-9). Andererseits wird bäuerliches Wirtschaften oft als per se informell verstanden. Kleinbauern seien noch nie in die formelle Wirtschaft eingebunden gewesen und die Frage nach ihrer Informalisierung sei deshalb unsinnig. Drittens scheint der sogenannte städtische informelle Sektor zumindest deskriptiv faßbar zu sein. Er bezeichnet jene "Schicht der Ungesicherten", die "in kleinen Einheiten marktorientiert produziert bzw. Dienstleistungen anbietet" (Evers 1987:357 und 353). Im kleinbäuerlich-ländlichen Bereich ist diese Unterscheidung unmöglich, zumindest auf den ersten Blick. Alle drei Thesen sind jedoch zu kurz gegriffen und in sich unvollständig. Migration erscheint nur auf der Grundlage von Globaldaten als Einbahnstraße vom Land in die Stadt. Schon seit Ende der 70er Jahre gibt es sichtbare Remigration, wie Aramburü 1981 belegt hat. Darüber hinaus halten Migranten meist kontinuierliche Beziehungen zu ihren Heimatdörfern aufrecht. Sie investieren nicht nur in deren Infrastruktur, was bereits Adams 1959 belegte, sondern fluktuieren oft zwischen einem städtischen und einem dörflichen Haushalt. Sie bauen zwischen Land und Stadt informelle Vermarktungsnetze auf und verbinden durch haushaltsübergreifende face-to-face-Beziehungen die kleinbäuerliche Landwirtschaft direkt mit der städtischen Wirtschaft (vgl. Albö 1988, Alber 1990). Selbst wenn man - so die zweite These - kleinbäuerliches Wirtschaften als "schon immer informell" bezeichnet, weil der Staat kaum regulierend in die Ausbeutungsbeziehungen der Hazienda eingreifen konnte, Kleinbauern steuerlich nicht erfaßte und sie aus allen Formen sozialstaatlicher Sicherung ausgrenzte, so haben doch die fluktuierende Migration, die Einbeziehung in kompetitive Märkte und das Aufbrechen unfreier Arbeitsbeziehungen die Organisation bäuerlicher Arbeit wesentlich

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verändert. Erst diese Faktoren machen den Weg frei zu einer Informalisierung der ländlichen Wirtschaft. Die dritte These dagegen erscheint weiterhin plausibel. Ihrzufolge gibt es im Agrarbereich keine informellen Betriebe neben formellen, keine Unterschiede zwischen gesicherten und ungesicherten sozialen Schichten. Allerdings drängt sich bei einer genaueren Betrachtung der städtischen Informalität die Vermutung auf, daß auch hier keine Trennschärfe zwischen gesichert und ungesichert, zwischen formellem und informellem Sektor gegeben ist. Statt von Sektoren sollten wir von sozialen Prozessen sprechen. Einer der wichtigsten für die Entwicklungen lateinamerikanischer Gesellschaften ist die Informalisierung, die keineswegs auf den städtischen Bereich beschränkt ist. Und eben das Prozeßhafte möchte ich anhand von zwei Beispielen aus den Hochanden Südperus veranschaulichen.

Konflikte: Fallstudien aus Südperu Ich stütze mich auf Erfahrungen aus einem Dorf und einer Dorfgemeinschaft im Heiligen Tal der Inkas im Departement Cusco1. Das Dorf mit einer Bevölkerung von weniger als 1000 Personen ist Sitz der Distriktverwaltung und Hauptort für sieben Dorfgemeinschaften2. Im vergangenen Jahr wurde ich dort Zeuge folgender Zwischenfälle: Etwa SO Bauern, vornehmlich junge Männer, waren auf einem Feld in der fruchtbaren Talsohle versammelt. Unter Anwesenheit der gewählten Amtsträger der Dorfgemeinschaft schritten sie das Feld ab, zählten die Ackerfurchen und begannen heftig zu diskutieren. Dann schlugen sie, mal einvernehmlich, mal unter Streit, Holzpflöcke in die Erde, und manchmal rissen sie sie wieder aus. Als gar ein älterer Mann versuchte, Demarkationspflöcke mit seiner Spitzhacke zu verteidigen, drängten die Anderen ihn unter hartem körperlichen Einsatz ab. Bei einem anderen Zwischenfall war fast das gesamte Dorf beteiligt, und er trug sich während des zentralen Dorffestes zu. Dieses Fest wird traditionell mit einem Tanzturnier beendet. Während die jüngeren Leute das Turnier auf dem Kirchplatz durchführen wollten, drängten vor allem ältere Bauern und die mestizische dörfliche "Oberschicht" zur Aufführung auf dem Dorfplatz. Nachdem sie sich trotz lautstarker Auseinandersetzungen nicht einigen konnten, begannen Rangeleien, bis schließlich eine Gruppe auf dem Kirchplatz und eine andere auf dem Dorfplatz zu tanzen begann. Damit war das Turnier gesprengt.

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Ich beziehe mich auf Feldforschungen, die ich mit Hilfe eines Stipendiums des DAAD von November 1982 bis April 1984 und einer Reisekostenbeihilfe der DFG für August bis Oktober 1989 durchführte. Zu genaueren Angaben vgl. Blum 1989:171.

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Während dieser Konflikt auch Andinologen nur schwer erklärbar ist, scheint der erste Fall klar zu sein: es handelt sich um einen Landkonflikt. Doch was hat dies alles mit Informalisierung bäuerlichen Wirtschaftens zu tun? Schließlich sind doch Landkonflikte so alt wie die bäuerlichen Gesellschaften selbst, und was sollen dörfliche Streitereien um ein Tanzturnier mit Informalisierung zu tun haben?

Remigration und ländliche Wirtschaftsbedingungen Beide Fälle haben einen gemeinsamen sozialen Akteur: Jugendliche zwischen 18 und 28 Jahren, die fast alle in "klassischen" informellen Beschäftigungsverhältnissen außerhalb des Dorfes gearbeitet haben oder noch arbeiten: die Jungs als Kassierer in Kleinbussen, als Botenjungen oder Hilfskräfte in städtischen Kleinbetrieben, als Kakao- oder Kaffeepflücker in den subtropischen Tälern, als Holzfäller oder Goldwäscher im Amazonasgebiet, die Mädchen als Dienstmägde oder Köchinnen, als Obst- oder Cocapflückerinnen, als Kleinhändlerinnen oder Chichaverkäuferinnen. Während bis Anfang der achtziger Jahre diese Beschäftigungsmöglichkeiten vielen jungen Leuten längerfristige Arbeitsperspektiven boten, verschlechterte die vehemente Krise Ende der achtziger Jahre auch die Einkommensmöglichkeiten in diesen außerdörflichen Aktivitäten. Die Jugendlichen drängen deshalb verstärkt auf das Land zurück und versuchen verzweifelt, sich Reproduktionsmöglichkeiten im Dorf aufzubauen3. Dies mag überraschen, da die Lebensbedingungen auf dem Land nicht zu Unrecht als sehr schlecht betrachtet werden. Selbst während hoher Agrarpreise 1986 lag das Jahreseinkommen eines bäuerlichen Haushalts, monetär berechnet, nur zwischen 200 und 600 US$ (González 1987:83, 109-111, 123). Obwohl ab 1987 die wirtschaftliche Krise und die Hyperinflation auch die Landbevölkerung erfaßten, verstärkte sich die Remigration in allen Gebieten, die nicht vom Krieg zwischen Sendero Luminoso und dem Militär erfaßt wurden. Die Jugendlichen nutzten hierbei vor allem jene Fähigkeiten und Beziehungen, die sie in der Stadt erworben hatten: Durch die Gewöhnung an die Hyperinflation konnten sie mit explodierenden Preisen umgehen, und sie hatten breite Beziehungsnetze geflochten, über die sie knappe Waren, die auf dem Land gebraucht werden, organisieren können. In dem Dorf verdoppelte sich folglich die Zahl der Läden zwischen 1984 und '89, und die Vorherrschaft der alten Händlerfamilien wurde eingeschränkt, eine Entwicklung, die auch in anderen Dörfern beobachtet wurde4.

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Ähnliche Bevölkerungsentwicklungen wurden mir aus der Pampa von Anta berichtet (Information von PRODERM, Hugo Boada), und auch der erhebliche Rückgang der Studentenzahlen in Cusco weist darauf hin, daß es sich um allgemeinere Entwicklungen handelt (Information Jorge Flores Ochoa). Mitteilung von Epifanio Baca, Centro de Estudios Rurales Bartolomé de las Casas.

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Doch selbst diese Fähigkeiten reichen nur selten für eine solide Reproduktionsgrundlage. Die Attraktivität des Landes ist das Ackerland. Auch wenn die Kleinbauern im Durchschnitt nur etwas mehr als einen Hektar bestellter Fläche besitzen, so decken die Erträge doch einen Großteil ihres Ernährungsbedarfs - in Krisenzeiten ein großer Vorteil gegenüber den städtischen Informellen. Da sie außerdem einen Teil ihrer Produkte verkaufen, können sie von höheren Preisen bei Verknappung des Nahrungsmittelangebots profitieren. Ferner können sie durch Vorratshaltung und Tauschbeziehungen die Auswirkungen der Hyperinflation abschwächen. Die Krise der nationalen Wirtschaft erfaßt sie weniger stark als die städtischen Armen. Die Jugendlichen bäuerlicher Herkunft drängen deshalb auf das Land. Dies ist die Grundlage beider Konflikte. Betrachten wir zunächst den Landkonflikt.

Eine informelle Dorfgemeinschaftskooperative Um die bäuerlichen Abfederungsfaktoren zu nutzen, muß man Ackerland besitzen. Kaum ein kleinbäuerlicher Haushalt kontrolliert jedoch genug Land, um all seinen Kindern eine ausreichende Reproduktionsgrundlage zu verschaffen. Die jungen, landlosen Haushalte wenden sich deshalb an die Dorfgemeinschaft. Allerdings kann die Dorfgemeinschaft ihren Eigentumsanspruch auf Land faktisch kaum mehr gegen die Haushalte, die juristisch nur Nutzer sind, durchsetzen. Die bebaubaren Hanglagen werden heute individuell kontrolliert. Dennoch bewirtschaftet die Dorfgemeinschaft auch Land kollektiv, und zwar als empresa comunal. Und dort spielte sich der Landkonflikt ab. Eine empresa comunal ist ein in Peru weit verbreitetes informelles, kooperatives Unternehmen einer Dorfgemeinschaft. Aufgrund ihres verdeckten Charakters - sie funktioniert nur auf der Grundlage von Absprachen zwischen den beteiligten Bauern - war ihre Existenz lange Zeit verborgen (zu ihrer Bedeutung vgl. Comunidad Campesina 1986). Obwohl im Raum Cusco fast jede Dorfgemeinschaft einen informellen Gemeinschaftsbetrieb besitzt, mußte ich noch 1985 erleben, daß ein geladener Vertreter der Agrarbank, die um einen Kredit gebeten worden war, nicht wußte, was eine empresa comunal ist. Den Erklärungen der Bauern hielt er entgegen, daß ein derartiges "Phänomen" juristisch nicht existiere, im besten Fall eine Fiktion sei und im schlimmsten Fall eine illegale Vereinigung. Wie funktioniert nun diese empresa comunal, und warum haben die Bauern sie "erfunden"? Nachdem die Bauern 1976 die Ländereien der Talsohle, die bis dahin als letzte bei der Hazienda verblieben waren, besetzt hatten, beschloß man, das besetzte Land in Form einer empresa comunal zu bestellen. Die Nutzungsformen sind sehr komplex, aber für ein Verständnis der Entwicklungen wichtig. 1984 wurde die Hälfte der Anbaufläche, die die Bauern ihrer empresa comunal zugesprochen hatten, gemeinschaftlich bewirtschaftet. Die andere Hälfte wurde zu Teilen an Amtsträger

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zur individuellen Nutzung und zu Teilen an drei Komitees vergeben, die das Land teilparzelliert für ihre Mitglieder bestellen. Die Mitglieder müssen dafür jeweils 15 Arbeitstage im Jahr für die kollektiv bestellte Hälfte des Landes aufbringen. Obwohl diese Aufteilungen sehr konfliktiv sind, haben sie mehrere Probleme gleichzeitig gelöst: Alle Mitglieder haben über die Komitees Zugang zu Anbauflächen in der fruchtbaren Talsohle, und die empresa comunal hat sich die Arbeitskraft zur Bestellung ihrer kommunalen Felder gesichert. Deren Ertrag dient zur Deckung der laufenden Kosten des Unternehmens und eines Teils der Ausgaben der Dorfgemeinschaft. Darüber hinaus stellt die empresa comunal ihren Mitgliedern Traktor und Düngemittel zur Verfügung. Für die Frage einer Informalisierung bäuerlichen Wirtschaftens ist die empresa comunal in doppelter Hinsicht interessant. Während Kooperative oder Dorfgemeinschaft staatlich anerkannte Organisationsformen sind, strukturiert nach den gesetzlichen Vorgaben und staatlich kontrolliert, liegt die Organisation der empresa comunal ausschließlich in den Händen der Bauern. Sie wird weder statistisch noch steuerlich erfaßt, noch hat sie Zugang zum formellen Kapitalmarkt. Darüberhinaus stellt die empresa comunal ein Zwischenglied dar, über das die Bauern an kompetitiven Märkten teilnehmen. Die Produkte der kommunal bewirtschafteten Flächen werden frei verkauft, und moderne Produktionsmittel werden monetär erworben. Ohne diese Einbindung in kompetitive Märkte wäre es m.E. schwierig, von Informalisierung zu sprechen. Andererseits erhalten die Bauern mittels der internen Regelungen Zugang zu Land, Futtermitteln und modernen Produktionsmitteln, indem sie für das Gemeinschaftsunternehmen arbeiten. Sie brauchen nicht ein Gramm ihrer Produktion zusätzlich zu verkaufen, um durch den Traktor die Arbeitsproduktivität und durch Kunstdünger die Bodenproduktivität zu steigern. Die Einbindung in die marktorientierte informelle Kooperative ermöglicht also neben der breiten individuellen Subsistenzproduktion das selektive Marktverhalten der Kleinbauern. Und gerade diese Möglichkeit zu selektivem Marktverhalten unterscheidet sie von den städtischen Informellen, die auf die kompetitiven Märkte angewiesen sind.

Kollektives vs. individuelles Wirtschaften Wie wichtig die Zugehörigkeit zur empresa comunal ist, zeigen die neueren Entwicklungen. Nur Mitglieder der Dorfgemeinschaft können Mitglieder der Kooperative werden, und fast alle jungen Haushalte wollen dies. So stieg von 1984 bis 1989 die Zahl der Dorfgemeinschaftsmitglieder von 81 auf 120. Vielen Landlosen ermöglicht dies erst, sich ein eigenes Haus zu bauen, indem die Gemeinschaft ihnen kleine Parzellen zur Besiedlung freigibt. Auf diese Weise entsteht am Rande des Dorfes eine neue Siedlung, die in vielen Bereichen an städtische Elendsviertel erin-

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nert. Die Haushalte legen selbst eine Trinkwasserleitung, haben jedoch kein Abwasser. Die Innenhöfe dienen als Pferch für Hühner, Schweine, und - falls vorhanden - Rinder, als Speicherraum, Spielplatz der Kinder und nächtliche Toilette. Die gesundheitliche Situation der Bewohner, insbesondere der Kinder, bedarf keiner weiteren Beschreibung. Eine solche Hütte ist weit davon entfernt, ein gesunder Hof zu werden, und dennoch stellt sie den ersten und für viele einzig möglichen Schritt dar, Bauern zu werden. Mit der Zuteilung eines kleinen Baugrundstücks haben die jungen Haushalte aber noch kein Ackerland. Nutzungsrechte an kommunalem Ackerland erhält man nur über ein Komitee: Das Komitee regelt die Arbeitsverpflichtung seiner Mitglieder gegenüber der empresa comunal und erhält als Gegenleistung Gemeinschaftsland, das es wiederum an seine Mitglieder zu deren individuellem Nutzen freigibt. Aufgrund des starken Bevölkerungsdrucks weisen die Komitees inzwischen aber alle Anträge auf Mitgliedschaft ab, weil sich durch die Aufnahme neuer Mitglieder die Fläche, die jedem Haushalt zusteht, verringert5. Die jungen Leute beantworteten den Aufnahmestop mit der Gründung eines eigenen comité de jóvenes. In der Vollversammlung konnten sie die Zuteilung von Gemeinschaftsland an ihr Komitee durchsetzen. Dieses Land parzellierten sie sofort, und um diese Parzellierung entwickelten sich die beschriebenen Konflikte. Aufgrund der Landvergaben wurde innerhalb der letzten 5 Jahre die kooperative Anbaufläche halbiert. Dies ist mehr als eine häufig zu beobachtende Individualisierung und Erschöpfung kommunalen Engagements während sozialer Krisensituationen, und es handelt sich auch um mehr als "nur" einen Generationskonflikt (cf. Streiffeier 1990). Es ist ein Konflikt zwischen den individuellen Reproduktionsinteressen der einzelnen Haushalte und dem Erhalt der gemeinschaftlichen Reproduktionsgrundlage. Reicht das gemeinschaftlich bestellte Land nicht mehr, um den Traktor zu halten und Düngemitteln und Saatgut zu kaufen, so platzt zugleich das Polster, das die Bauern zwischen Haushalt und Markt geschoben haben. Nur solange eine gemeinschaftliche Produktionsgrundlage vorhanden ist, können die Bauern der individuellen Marktabhängigkeit entgehen. Wie prekär diese Reduzierung kommunaler Ressourcen werden kann, zeigt sich schon heute. Die empresa comunal hatte zeitweise nicht genug Geld, um Setzkartoffeln oder Pestizide zu erstehen. Sie ließ sich deshalb auf eine Form der Ernteteilung ein, die es bislang nicht gegeben hat: Ingenieure einer nationalen Entwicklungsorganisation, die Saatgut an Bauern gegen Rückerstattung in gleicher Menge verleihen sollten, nutzten die schlechte Situation der Kooperative für ihren eigenen Profit. Sie verliehen das Saatgut, stellten die Pestizide und berieten den Anbau. Als "Gegenleistung" forderten sie die Hälfte des Ertrags. Je weniger die Bauern also 5

In einer Dorfgemeinschaft mit einer empresa comunal von über 400 ha nutzten jugendliche Remigranten die Dorfgemeinschaft, um sich einen eigenen Machinenpark aufzubauen (Mesclier 1990).

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über die Gemeinschaft den monetären Erwerb von Produktionsmitteln sichern können, umso stärker nähern sie sich der Situation städtischer informeller Verlagsproduzenten. Auch wenn paradoxerweise das Funktionieren eines informellen Unternehmens die Umwandlung der Kleinbauern in Informelle verhindert, so muß man doch von einem breiten Informalisierungsschub bäuerlichen Wirtschaftens sprechen. Die Informalisierung greift auch auf politische und sozio-kulturelle Bereiche über. Dies äußerte sich - und nun zum zweiten Beispiel - bei dem Konflikt während des Dorffestes.

Informalisierung der sozialen Ordnung Die jugendlichen Remigranten, die auch diesen Konflikt auslösten, hatten 1987 einen Folkloreclub gegründet, der mit zwei Tanzgruppen am Fest teilnahm. Beide Tanzgruppen gehen auf die Mazurka zurück. Diese ist ein polnischer Nationaltanz bäuerlicher Herkunft, der im 17. Jh. von der Aristokratie aufgenommen und über die deutsche adlige Gesellschaft an den französischen Hof gelangte. Daraufhin wurde sie vom spanischen Adel kopiert und später von der kreolischen Oberschicht Limas übernommen. Während der frühen republikanischen Zeit fand sie dann Eingang in die andine mestizische Kultur und wurde daraufhin von den "indianischen" Bauern adaptiert. Nachdem die Mazurka einmal um den Globus und durch fast alle sozialen Schichten wanderte, gilt sie nun als Ausdruck "traditioneller" bäuerlicher Lokalkultur (vgl. Villasante s/f: 114-117). Auch wenn diese Geschichte den Interpreten nicht bekannt sein dürfte, so ist es doch kein Zufall, daß sie ausgerechnet diese Tänze auswählten: Sie drücken die Freude junger Leute über ihre ersten Erfolge im Ackerbau aus. Die älteren Bauern äußerten sich anfänglich mit einem gewissen Stolz über die Jugendlichen, die in kurzer Zeit die komplizierten Schrittfolgen gelernt und die teueren Kostüme erworben hatten. Je näher jedoch der Termin des Tanzturniers rückte, umso deutlicher wurde es, daß beide Tanzgruppen nach den offiziellen Kriterien der Jury, nämlich Tanztechnik, Musik, Choreographie und Interpretation, erste Anwärter auf den Sieg sein mußten. Dies wollten die älteren jedoch nicht. Das Tanzturnier hat nur oberflächlich gesehen einen sportlich-folkloristische Charakter; hinter ihm verbergen sich in Anklängen an alte rituelle Kämpfe religiöse und soziale Fragen. Viele ältere Bauern betonten die Notwendigkeit, daß eine alte, im Dorf sozial verankerte Gruppe gewinnen müsse. Vertreter der alten mestizischen Oberschicht, für die die Jugendlichen Konkurrenten im Handel sind, unterstützten die Argumente der Bauern und griffen die Distriktverwaltung scharf an, weil diese unfähig war, sich ordnend durchzusetzen. Die Jugendlichen waren ihrerseits nicht bereit, die traditionellen Regelungen zu akzeptieren. So zogen es of-

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fensichtlich alle Beteiligten vor, das Turnier platzen zu lassen, als den Ordnungsvorstellungen der einen oder anderen Gruppe nachzugeben. Auch wenn diese Interpretation etwas spekulativ ist, so erklärt sie doch als einzige die Heftigkeit und Kompromißlosigkeit, mit der die Auseinandersetzungen um den Tanzplatz geführt wurden.

Schlußbemerkungen Zum Abschluß einige Thesen, auch in Rückgriff auf die eingangs geäußerte Kritik an der Diskussion um den "informellen Sektor": 1) Die Wirtschaftskrisen der letzten Jahre führten besonders zu Reproduktionskrisen der städtischen Bevölkerung. Dies verstärkt die Remigration. Remigration ist nicht als einmaliger Akt der Rückverlegung des Wohnorts ins Dorf zu verstehen, sondern als verzweifelter Versuch, eine bäuerliche Existenz aufzubauen und sich in die ländliche Gesellschaft zu integrieren. Hierbei werden außerdörfliche Beschäftigungen in "klassischen" informellen Aktivitäten beibehalten und ins Dorf getragen. Die Remigration fordert dadurch die Informalisierung ländlichen Wirtschaftens. 2) Da Kleinbauern in kompetitive Märkte integriert sind, sind sie wie städtische Informelle als Produzenten und Konsumenten von Marktentwicklungen abhängig. Eine breite individuelle Subsistenzproduktion sowie die Kontrolle über kollektive Ressourcen bremst zwar die atomisierende Wirkung des Marktes und verhindert ihre Umwandlung in informelle Produzenten, aber der Druck auf das Land gefährdet die kollektiven Ressourcen und fördert die Individualisierung der Haushalte. Ihre wirtschaftliche Situation nähert sich der von städtischen Informellen, und im Wohnbereich sind manche Dörfer schon kaum mehr von Elendsvierteln zu unterscheiden. 3) Da die staatlich regulierten Kooperativen und Dorfgemeinschaften wie auch die Gliederungsinstanzen der politischen Verwaltung nicht in der Lage sind, die Veränderungen zu kontrollieren, verlieren sie an Einfluß, und wie im städtischen Bereich gewinnen informelle Zusammenschlüsse, wie Komitees und Clubs oder gar informelle kooperative Produktionsformen, zunehmend an Bedeutung. Die informellen Zusammenschlüsse sind jedoch nicht in der Lage, über ihren unmittelbaren Bereich hinaus die ländliche Gesellschaft insgesamt (neu) zu ordnen. Auch dies teilen sie mit vergleichbaren Organisationsformen städtischer Informeller. 4) Die Folge ist ein Informalisierungsschub, der von heftigen sozialen Konflikten begleitet ist. Diese Konflikte verlaufen nicht mehr, wie noch vor 10 oder 20 Jahren, zwischen klar definierbaren sozialen Gruppen, wie Grundherren, Bauern, Händlern. Sie nehmen häufig die Form von Generationskonflikten an, hinter denen

128 jedoch der Konflikt zwischen kurzfristigen individuellen Überlebensinteressen und langfristigen kollektiven Reproduktionsinteressen steht. 5 ) Dieser Konflikt nimmt an Heftigkeit zu, er ist jedoch noch nicht entschieden. Aufgrund der komplexen Verflechtungen von subsistenz- und marktorientiertem Wirtschaften, von individuellen und kollektiven Interessen sowie von alten und neuen sozialen Organisationsformen vollzieht sich die Entwicklung im ländlichen andinen Raum auf anderen Wegen als in der Stadt. Es handelt sich dennoch um Informalisierungsprozesse, und sie werden die gesamte ländliche Wirtschaft und Gesellschaft radikal ändern. Ich möchte diesen Vortrag auch als Plädoyer verstanden wissen, bei der Diskussion um Informalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas den Agrarbereich nicht weiterhin auszuklammern. Literatur: Adams, Richard (19S9), A Community in the Andes. Problems and Progress in Muquiyauyo, Seattle Alber, Erdmute (1990), Und wer zieht nach Huayopampa? Saarbrücken / Fort Lauderdale Albó, Javier (1988), Chukiyawu, la Cara Aymara de la Paz IV, La Paz Arambuní, Carlos (1981), Migraciones Internas en el Perú. Perspectivas teóricas y metodológicas, Lima Blum,

Volkmar (1989), Zur Organisation kleinbäuerlichen Wirtschaftens. Entwicklungstendenzen, Erklärungsansätze und Fallstudien aus den östlichen Anden Südperus, Saarbrücken/Fort Lauderdale 1989

ders. (1990), Spaten, Traktor, Keyboard. Bauern und Technologie in den Anden, in: PERIPHERIE 38:51-73 Comunidad campesina (1986), Comunidad campesina y empresa comunal, C. Barrios N. y M. Padros C. (eds.), Lima Evers, Hans-Dieter (1987), Schattenwirtschaft, Subsistenzproduktion und informeller Sektor. Wirtschaftliches Handeln jenseits von Markt und Staat, in: Klaus Heinemann (Hg.), Soziologie wirtschaftlichen Handelns, Opladen Mesclier, Evelyne (1990), Strategies Paysannes face a la crise: Quelques cas d'evolution de l'utilisation du sol dans la sierra peruvienne, paper, Congreso Agriculturas y Campesinados en América Latina, Toulouse, 13.-14.12.1990 González O., Efraín (1987), Inflación y campesinado. Comunidades y microregiones frente a la crisis, Lima de Soto, Hernando (1986), El Otro Sendero. La Revolución Informal, Bogota

129 Streiffeier, Friedhelm (1990), Aufgabe alter Fischfangtechniken, Generationenkonflikt und Ressourcenerschöpfung - Eine Studie bei den Wagenia in Zaire, Berliner Beiträge zur Agrarentwicklung 5, Berlin Villasante O., Segundo s/f (sin fecha), Paucartambo: Provincia Folclòrica mamacha Carmen n , Cusco

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Jürgen Queitsch

Informelle wirtschaftliche Aktivitäten in kollektiven Ejidos in Mexiko Der Beitrag ist als Ergänzung zu den Ausführungen Volkmar Blums über Informalisierungsprozesse in Dorfgemeinschaften Südperus zu verstehen, deren theoretische Grundaussagen im Wesen geteilt werden. Die Auswahl eines Beispiels aus der landwirtschaftlichen Gemeinschaftsproduktion Mexikos ist dadurch begründet, daß gegenwärtig unter Wissenschaftlern und Politikern in Mexiko ihr weiteres Schicksal kontrovers diskutiert wird (Foro National 1990), und der Autor, bestärkt durch langjährige Studien in über 200 Ejidos (Queitsch, Feldstudien), für die Gemeinschaftsproduktion als mögliche Alternative zur kleinbäuerlichen Wirtschaft plädieren möchte, ohne andere Produktionsformen auf dem Lande in Frage zu stellen. Ein Spezifikum der mexikanischen Landwirtschaft gegenüber anderen lateinamerikanischen Ländern ist das staatliche Bodeneigentum auf 49,8% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche, das als Folge der mexikanischen Revolution von 1910-17 durch Enteignung einheimischen und ausländischen Großgrundbesitzes entstand und Bauern in kommunalen Organisationen, Ejidos genannt, sowie in Indianergemeinden zur Nutzung übergeben wurde. Im Jahre 1988 hatte Mexiko 28 058 Ejidos, von denen 5 365 (19,1%) die Produktion gemeinsam vornahmen (NAFINSA 1990:12). Die Arbeitsteilung, das Produktionsniveau und die Form der Einbeziehung der Ejidobauern in die Gemeinschaftsproduktion sind sehr unterschiedlich, deshalb sind auch die Probleme in der Produktion, der Verteilung sowie der Organisation des sozialen Lebens vielfaltig. Zu Beginn der 80er Jahre suchten einige kollektive Ejidos Möglichkeiten zur Erweiterung von Arbeitsplätzen, denn es kehrten immer mehr Familienangehörige aus anderen Wirtschaftsbereichen, wo sie infolge der Krise ihre Beschäftigung verloren hatten, in die Dörfer zurück. Wie in Peru vollzog sich auch in einigen Regionen Mexikos die Remigration aufs Land. Es ging den Ejidobauern aber auch darum, den Fortbestand ihrer Produktionseinheiten zu sichern. Die meisten Ejidos hatten sich nach großen Entbehrungen in den Anfangsjahren eine würdige Existenz geschaffen. Ihre Kinder waren inzwischen herangewachsen, und es galt jetzt, sie durch neue Arbeitsplätze auf dem Lande zu halten und sie für die Gemeinschaftsproduktion zu begeistern. In den folgenden Ausführungen soll dargestellt werden, welche Formen dazu die Ejidounion "General Felipe Angeles" in der

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Laguna (Coahuila) wählte, welche Widersprüche dabei auftraten und welche Schlußfolgerungen daraus für die weitere Kooperation abzuleiten sind. Die Ejidos Batiopilas (425 ha AL, 62 Mitglieder), Yucatán (150 ha AL, 21 Mitglieder) und San Isidro (140 ha AL, 18 Mitglieder) entschlossen sich 1983, gemeinsam eine Landmaschinenwerkstatt einzurichten und zu betreiben (Pat 1985). Ihr lag die Idee der Ejidobauern und ihrer politischen Berater zugrunde, daß im Umkreis von 30km der Ejidos 750 Traktoren im Einsatz waren, die in privaten Werkstätten zu hohen Kosten repariert werden mußten. Mit der Gemeinschaftseinrichtung war deshalb beabsichtigt, Ejidos und Bauern Pflege- und Reparaturarbeiten wesentlich billiger anzubieten. Als Personal waren Lehrlinge aus umliegenden Ejidos vorgesehen, die unter Anleitung von Lehrausbildern die Arbeiten ausführen und dabei zugleich eine Fachausbildung im Reparaturwesen erhalten sollten. Der Ejido Batopilas stellte die Gebäude zur Verfügung, und mit finanziellen Mitteln von Stiftungen erfolgte die Erstausstattung der Werkstatt. Beim Zustandekommen des Projektes engagierten sich besonders Studenten des Ingenieurwesens der Universität von Guanajuato. Für sie konkretisierte sich ein langersehnter Wunsch vom "sozialen Dienst" auf dem Lande, und die Studenten nahmen begeistert die Tätigkeit als Lehrausbilder auf. Staatliche Institutionen hielten sich vom Vorhaben der Ejidos zurück, denn sie befürchteten dadurch den weiteren Rückgang der Auslastung der landwirtschaftlichen Reparaturkapazitäten in der Region. 1985 begann schließlich der Reparatur- und Ausbildungsbetrieb mit 20 Lehrlingen. Ein Leitungskomitee, zusammengesetzt aus delegierten Ejidomitgliedern, Studenten, Lehrlingen und dem Werkstattleiter, nahm die Arbeit auf und wachte über die Belange der Werkstatt. Nach einigen Wochen traten aber erste Konflikte zwischen Lehrlingen und Ausbildern, aber auch zwischen Ausbildern, Werkstattleitern und Ejidobauern auf. Den Studenten fehlten praktische Erfahrungen im Reparaturwesen und in der Ausbildung. Im theoretischen Unterricht gingen sie von Hochschullehrplänen aus, was die Lehrlinge überforderte. Beschwerden der Lehrlinge darüber verärgerten die Studenten. Die Studenten ihrerseits verstanden es nicht immer, die Mitglieder der Leitungskomitees, vor allem Ejidobauern, adäquat in das Werkstattgeschehen einzubeziehen. Ihre Weisungen behinderten manchmal sogar den Arbeitsablauf. Die Studenten werteten das dann als Bevormundung durch Inkompetente. Der Werkstattleiter mußte sich wiederholt die unzulängliche Werkstattausstattung und die mangelnde Ersatzteilbeschaffung vorwerfen lassen. Die Widersprüche spitzen sich soweit zu, daß sich die Angehörigen der Universität Guanajuato im Herbst 1986 aus dem Gemeinschaftsprojekt zurückzogen und die Werkstatt ohne Ausbilder blieb. Die Ejidos mußten jetzt private Lehrmeister einstellen, die sie sehr viel Geld kosteten und die geringen Finanzmittel bald aufbrauchten. Als weiteres Problem erwies sich entgegen allen Erwartungen die geringe Nachfrage nach Reparaturleistungen. Das lag daran, daß die Landwirt-

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schaftsbetriebe aus wirtschaftlichen Gründen dazu nicht in der Lage waren, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, und Reparaturkredite durch die Landwirtschaftsbank blieben in der Regel aus. Die Folge waren Stockungen im Reparaturablauf und sinkende Arbeitsmoral der Lehrlinge (Queitsch/Pat 1986). Den Ejidos gelang es zwar noch, die Werkstatt durch vereinzelte Finanzbeihilfen von außen und den Einsatz der fähigsten Lehrlinge als Mechaniker und Ausbilder 2 Jahre weiterzuführen, doch mußten sie Anfang 1989 schließen. Die Ejidobauern von Batopilas haben aber das Projekt an sich noch nicht aufgegeben. Sie wollen jetzt die Ursachen des Scheiterns gründlich und ohne Vorurteile analysieren. Ihre Vorstellungen sind, die Werkstatt in Verantwortung des Ejidos von Batopilas unter Beachtung aller technischen und ökonomischen Erfordernisse wieder ihrer Funktion zuzuführen. Dazu bemühen sie sich auch um Kooperationspartner außerhalb der Landwirtschaft. Inzwischen haben die Bauern von Batopilas die Werkstatt dem "Nationalen Weiterbildungsinstitut für Landwirtschaft" für Mechanikerkurse zur Verfügung gestellt, wovon sie letztlich durch ausgebildete Mechaniker profitieren werden. Wird jetzt wieder die Gedankenverbindung zu den theoretischen Ausführungen Volkmar Blums zum informellen Sektor in der Landwirtschaft geknüpft, so verdeutlicht einerseits das Beispiel aus Mexiko die Problemhaftigkeit informellen Wirtschaftens. Andererseits resultiert daraus aber auch das Bedürfnis, zu Lösungsansätzen beizutragen. In diesem Zusammenhang verdienen die nachfolgenden Gedanken aus der Entwicklung der Ejidounion "General Felipe Angeles" besondere Aufmerksamkeit, wobei sich der Autor darüber im klaren ist, daß die Ableitungen weiter gefaßt sind, als sie sich im sehr gestrafften Inhalt widerspiegeln. 1. Die Gemeinschaftsproduktion in der mexikanischen Landwirtschaft hat sich als eine Produktionsform erwiesen, durch die vorhandene produktive Ressourcen rationell genutzt werden können, sich solidarische Beziehungen zwischen Bauern herausbilden und organisatorische Voraussetzungen zur Mitbestimmung von bäuerlichen Gruppen an gesellschaftlichen Entscheidungen gegeben sind. 2. Angesichts der nicht mehr ausreichenden Bodenressourcen und der Unterbeschäftigung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte sind alternative wirtschaftliche Aktivitäten in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte, im landwirtschaftlichen Dienstleistungswesen oder in auf dem Lande zu etablierenden Gewerben erforderlich. Die landwirtschaftliche Gemeinschaftsproduktion und Kooperation kann dafür erforderliche Rahmenbedingungen schaffen. 3.

Der Übergang von Gemeinschaftsbetrieben zu höheren Kooperationsformen setzt bei allen Partnern solide wirtschaftliche Grundlagen, die gründliche ökonomische, technische sowie soziale Analyse der Vorhaben, geeignete Organisationsformen sowie die fachliche Qualifizierung der Beteiligten für

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die neuen Aufgaben voraus. Eigene Finanzmittel sind entscheidend für die Funktion und die Selbstverwaltung gemeinschaftlicher Einrichtungen. Höhere Formen der Arbeitsteilung erfordern moderne Formen der Betriebsführung und Spezialisten in Produktion und Leistung. Gemeinschaftsprojekte müssen überschaubar sowie finanziell und organisatorisch realisierbar sein. Kleinere Vorhaben fuhren schneller zum Erfolg, und die Partner können wichtige Erfahrungen sammeln und Mittel für Erweiterungen erwirtschaften. Aus gemeinschaftlicher Betätigung muß der soziale Vorteil für alle Beteiligten spürbar sein, um das Interesse aufrecht zu erhalten. Soziale Kräfte, die sich als Berater von Bauern in Produktionsvorhaben verstehen, haben ihnen gegenüber eine hohe Verantwortung. Politische Ambitionen und utopische Vorstellungen führen letztlich zu Komplikationen und fordern unnötige Opfer. Kooperationvorhaben sollten vorrangig von ökonomischen und sozialen Zielen getragen sein, denn nur solide wirtschaftliche Verhältnisse ermöglichen eine wirksame Solidarität unter der Bauernschaft.

Literatur: Foro Nacional (1990), "El Ejido en el presente y futuro de la economía mexicana, Universidad Autónoma Chapingo, 27 al 29 de agosto de 1990, Memoria. NAFINSA (1990), El mercado de valores, Nr. 15, Mexico Queitsch, Jürgen, Feldstudien in der mexikanischen Landwirtschaft 1978, 1980, 1982-87 und 1990, unveröffentlicht. Queitsch, Jürgen und Pat F., Juan Manuel (1986), La producción colectiva contemporánea en la Comarca Lagunera: el caso de la Union de Ejidos Colectivos "Grl. Felipe Angeles" Coahuila, Memoria !50 años de Reforma Agraria en la Comarca Lagunera", Torreón Pat F., Juan Manuel (198S), Antecedentes de cooperación y formas de organización de la producción agropecuaria en el ejido colectivo Batopilas, Chapingo

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Achim Schräder 1

Informalität: Eine systemtheoretische Annäherung am Beispiel Brasiliens? Seit Keith Hart 1973 erstmals vom "informellen Sektor" sprach, hat dieser Begriff eine erstaunliche Karriere hinter sich gebracht. Dem wissenschaftlich anspruchslosesten Ziel, nämlich: die große Masse der Armen, Beschäftigungs- und Machtlosen nach Umfang und interner Struktur auf den Begriff zu bringen, ist man allerdings nicht sehr viel näher gekommen. So variieren die Zählungen und Schätzungen über den Umfang des Phänomens in Brasilien zwischen vier und fünfzig Prozent3 bei unterschiedlichen Basen. Der gemeinsame Nenner der gebräuchlichen Definitionen scheint in der Feststellung eines Ausschlusses von Personen oder deren Handlungen von gesellschaftlichen Organisationen zu bestehen. Wie weit dieser Ausschluß geht, ist dagegen umstritten. Erstaunlicherweise ist der in der Semantik des Begriffs enthaltene Hinweis auf die Abwesenheit von Kontrollen im soziologischen Diskurs nur vergleichsweise selten aufgenommen worden. Die große Untersuchung von Soto (1986) hat in den Sozialwissenschaften nicht die Anerkennung gewonnen, die sie wegen des empirischen Nachweises der (Dys)funktionalität von Organisationen verdient hätte. Merkwürdigerweise sind auch Analysevorschläge aus der "Soziale Kontrolle"Schule (Albrecht, 1989) nicht wieder aufgenommen worden, obwohl damit einerseits wiederum die "bedeutsame Brücke" zur institutionellen Wirtschaftstheorie und zur Verwaltungspsychologie (Janowitz, 1973: 507) betreten worden wäre und andererseits Strategien der Anomie-Vermeidung plausibel hätten untersucht werden können (wie seinerzeit z.B. Cohen, 1950). Vermutlich hat auch die Beliebtheit von Galtungs "struktureller Gewalt" (1975) die Aufmerksamkeit der Soziologie für die Funktionalität sozialer Kontrollen geschwächt. Schließlich sind Hinweise von Ökonomen nicht beachtet worden, daß Informalität in verschiedenen Wirtschaftsordnungen auf dieselbe Basis zurückgeführt werden kann: auf die Bewältigung der Knappheit (Gramatzki, 1983). Der soziologischen Betrachtung hätte dieser Aspekt gut getan, denn: "Mit Knappheit ist ... eine soziale Wahrnehmung von Beschrän1 2

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Institut für Soziologie/Sozia)pädagogik und Lateinamerika-Zentrum der Universität Münster. Stark gekürzte Fassung des Tagungsreferats "Informelles Brasilien. Das Unterlaufen der organisierten sozialen Kontrolle in Wirtschaft und Gesellschaft." Ungekürzt veröffentlicht in "Arbeitshefte des Lateinamerika-Zentrums der Universität Münster" (Münster) 3(1991). Jatobi, 1986: 236; Inter-American Development Bank, 1987: 124, 126; VEJA (Sâo Paulo) 22(1989)27: 99; Latin American Weekly Review 25.1.8S: 3; Flores, 1985; zit. nach VEJA (Sâo Paulo) 22(1987)27: 100.

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kungen gemeint, an die soziale Regulierungen anknüpfen können" (Luhmann, 1988: 177; vgl. auch 223), und diese Feststellung gilt zweifellos für alle Etappen gesellschaftlicher Entwicklung. Schon die Wahrnehmung von Knappheit ist anschlußfähig. Wenn wirtschaftlich Handelnde in der großen Menge der Armen von den wirtschaftlichen Organisationen ausgeschlossen werden, unter welchen Bedingungen werden sie dann versuchen, die wahrgenommene Knappheit zu bewältigen, welche Regulierungen werden sie finden oder sich selbst schaffen?

Systemtheoretischer Ansatz Um die Exklusion der Informellen zugleich umfassend und differenziert betrachten und komplexe Phänomene analysieren zu können, empfiehlt es sich, eine ihrerseits hinreichend komplexe Theorie zu verwenden, wie sie in Form der soziologischen Systemtheorie inzwischen vorliegt. Mit diesem Ansatz läßt sich zeigen, daß Informalität eine Exklusion aus den Organisationen des Wirtschaftssystems, nicht aber aus dem System als solchem darstellt. So gesehen ist informelles wirtschaftliches Handeln geeignet, das Überleben zu sichern und nicht selten den Erwerb höherer Einkommen zu ermöglichen, aber es ist ein ungleich riskanteres Handeln als bei jenen, die den Zugang zu den Organisationen des Wirtschaftssystems besitzen. Die Abgrenzung des informellen vom formellen Bereich der Wirtschaft kann systemtheoretisch als Differenz der Inklusion in das betreffende soziale Teilsystem gedeutet werden. Geht man davon aus, daß eine nach Funktionssystemen ausdifferenzierte Gesellschaft alle Personen wenigstens in die Komplementärrollen eines Funktionssystems inkluiere (Luhmann/Schorr, 1979: 31), dann ist festzustellen, daß großen Bevölkerungsteilen Brasiliens der Zugang schon zu den anspruchslosen Rollen des Konsumenten und des Kleinverdieners erschwert wird. Man könnte einwenden, daß diese These nur für funktional differenzierte Gesellschaften gelte und daß Brasilien eine solche nicht sei. Betrachtet man die von Luhmann angeführten Kriterien4, dann wird man in Brasilien und nicht nur in Ländern mit großem indianischen Bevölkerungsanteil in der Tat noch Aspekte der Stratifikation vorfinden. Noch gelingt es der brasilianischen Elite, den untersten sozialen Schichten ihren Platz zuzuweisen und dafür auch noch Konformität zu erzeugen, wie der Wahlerfolg Collors gerade erneut zeigte. Andererseits haben sich die mittleren sozialen Schichten in den letzten Jahrzehnten, zumal im Südosten des Landes derartige Versuche nie sehr lange gefallen lassen. Insofern wird man wohl Brasilien nicht als in diesem Sinne ausschließlich "stratifizierte" Gesellschaft ansprechen können.

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The higher strata have to fuse their own identity with a hierarchical conception for the whole society, defining the places for others. Whether lower strata accept, or are even aware of, this definition is an empirical question. They conform to it because they have no alternatives (Luhmann, 1977: 34).

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Freilich sind die Merkmale der funktional differenzierten Gesellschaft auch noch nicht durchgängig ausgeprägt: Vor allem fehlt eine relative Autonomie sozialer Subsysteme, die für ihren Bereich Entscheidungen treffen, an welche alle anderen gebunden sind. Dieser Charakterisierung entsprechen allerdings auch Industrieländer-Gesellschaften nur unvollkommen. Andererseits hat der Zugang zu Komplementärrollen gerade im Wandel von der stratifizierten zur funktional differenzierten eine hervorragende Bedeutung erlangt. Hier beantwortet sich nämlich die Frage nach Gleichheit durch die Beteiligung als Wähler in Wahlen, Patient im Gesundheitswesen, Lernender in Schulen sowie als Konsument und Erwerbstätiger im Wirtschaftssystem. Während der Zutritt zu den meisten anderen Sozialsystemen kunstvoll und wirksam erschwert werden kann (z.B. durch nicht validierbare Alphabetisierungstests beim Wahlrecht oder Verknappung der Ressourcen im Gesundheitswesen) kann der Ausschluß vom Wirtschaftssystem in Ländern wie Brasilien nicht vollständig durchgesetzt werden, wenn schon Betteln oder Kleinkriminalität Zugang zu Zahlungsmittel verschafft, mit denen Zahlungen auch alsbald getätigt werden können. Das ist in der Tat Teilhabe am Funktionssystem Wirtschaft, wenngleich als "wirtschaftliche Marginalisierung großer Teile der Bevölkerung, die einer Exklusion sehr nahe kommt" (Luhmann, 1988: 317); sie ist aber eben keine vollständige Exklusion. Wenn "ein gesellschaftliches Funktionssystem jeweils nur ein einziges Medium benutzen kann, aber immer eine Mehrzahl von Organisationen aufweist" (Luhmann, 1988: 315), ist eine Teilhabe am Medium weniger exklusiv, als die Inanspruchnahme der Organisationen des Wirtschaftssystems, "in die man durch Entscheidung eintreten und aus denen man durch Entscheidung wieder austreten kann" (Luhmann, 1987: 41) bzw. zu denen der Eintritt verwehrt und aus denen der Austritt erzwungen werden kann. Handeln im System ist möglich ohne die Teilhabe an seinen Organisationen, aber es ist risikoreicher. Gerade den wirtschaftlich Schwächsten stehen diejenigen Vorteile sozialer Organisationen nicht zur Verfügung, die es ihnen ermöglichen würden, ihre Entscheidungen auf der Grundlage umfangreicher Informationen mit größerer Sicherheit fallen zu können. Organisationen dienen der Verbreiterung der Informationsbasis und damit der Senkung des Risikos. Sie schränken überhaupt und zumal bei straffer Hierarchisierung und hoher Selektivität des Zutritts und Verbleibs die Varietät des Handelns ein und schaffen Redundanz. Letztere bedeutet in diesem Zusammenhang, daß man "in Kenntnis eines Elements andere erraten kann und nicht auf weitere angewiesen ist" (Luhmann, 1987: 42). Wird Personen der Zugang zu den Organisationen aus welchen Gründen und in welcher Form auch immer verweigert, wird ihnen die Orientierung im Wirtschaftssystem ganz erheblich erschwert. Es verwundert, daß wirtschaftliche Organisationen vom politischen System zu dessen Machtgewinn und

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-erhalt instrumentalisiert werden: Sie dienen zwar einerseits auch der Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung, der Abwehr gesamtwirtschaftlicher Risiken oder der Kontrolle der außenwirtschaftlichen Beziehungen, einschließlich der Auslandsverschuldung, und sie sind deswegen legitimierbar; sie sorgen aber andererseits auch dafür, daß die oberen sozialen Schichten bei ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten ein deutlich niedrigeres Risiko tragen und geringere Opportunitätskosten zu zahlen brauchen als die großen Bevölkerungsmassen. Daß Handeln im Wirtschaftssystem auch ohne Teilhabe an Organisationen möglich ist, liegt in der Eigenart des Kommunikationsmediums begründet, das hier benutzt wird: im Geld. Die Masse der brasilianischen Bevölkerung wird darauf verwiesen, sich zur wirtschaftlichen Orientierung des Mediums des Funktionssystems Wirtschaft des Geldes zu bedienen, ohne die hilfreiche Wirkung geeigneter Wirtschaftsorganisationen in Anspruch nehmen zu können bzw. sich der Wirkung unzugänglicher Organisationen erwehren zu können. Das Spannungsverhältnis Geld/Organisation bzw. Medium/Form, das die Gesellschaft prägt, wiederholt sich für diese Personengruppe in bedrängender Weise.

Zur Funktion des Geldes für informelle Tätigkeiten Geld hat bekanntlich mehrere Funktionen (Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel und Wertmaßstab). Um sie erfüllen zu können, sind bestimmte Organisationen erforderlich, die bis zu einem gewissen Grade eine Geldwertstabilität herstellen. Die wiederholt auftretenden Hyperinflationen deuten zwar auf das völlige Versagen der zuständigen Organisationen hin. Genaugenommen wurden aber nicht alle Funktionen gleichmäßig betroffen. Zwar ist die Funktion der Wertaufbewahrung gerade von der Collor-Regierung in Frage gestellt worden, aber als Zahlungsmittel steht das Geld auch unter dem Plan Brasil Novo noch zur Verfügung, und die Funktion des Wertmaßstabs ist auch unter Inflation nicht grundsätzlich, sondern nur hinsichtlich der Dauer der Bewertbarkeit reduziert. Mit den drei genannten Funktionen ist die soziale Bedeutung des Geldes freilich noch nicht vollständig beschrieben; denn "im Normalzustand ist es investiertes Geld, das heißt, in Sachanlagen, Zahlungsverpflichtungen, Arbeitsverträgen etc. programmatisch fixiertes Geld - oder wenn man will: organisiertes Geld" (Luhmann, 1988: 312). Das gilt selbst in der Perspektive des Armen, der tagtäglich um das Überleben kämpfen muß; denn Zukunftsvorsorge - und sei es auch nur über eine kurze Zeitspanne hinweg - läßt sich kaum noch mit Vorratswirtschaft und Nachbarschaftshilfe, sondern wirksam nur in Geld konzipieren: "Von seiner Funktion her gesehen dient das Geld, wie Wirtschaft schlechthin, der Zukunftsvorsorge" (Luhmann, 1988: 268). Mag es als Zahlungsmittel knapp, als Wertaufbewahrungs-

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mittel unsicher, als Investition nicht aktivierbar sein, als Kommunikationsmittel kann und muß Geld für die Zukunftsvorsorge (die nächsten Tage ohne Einnahmen, der nächste Winter oder die nächste Regenzeit, Krankheit und Alter, das Überleben und Wohlergehen der Kinder) genutzt werden, ohne daß man sich dessen bewußt zu sein braucht. Die Alltagserfahrung einer brasilianischen Mutter, sich Geld leihen zu müssen, um mit dem schwerkranken Kind einen Arzt aufzusuchen, aber die Rückzahlung so zu bemessen, daß noch Geld übrigbleibt, um das hoffentlich genesende Kind und sich selbst noch ernähren zu können, heißt: "Geld ermöglicht es, Entscheidungen zu vertagen im Hinblick auf andere Situationen, andere Partner, andere Bedingungen, andere Bedürfnisse" (Luhmann, 1988: 253). Sicherlich gibt es im Familien- und Nachbarschaftsverband nicht-monetäre Austauschverhältnisse, aber sie dürften gerade in städtischen Elendsquartieren eine eher komplementäre Bedeutung haben und letztlich auch in Geld bewertet werden. Geld hat seine Funktion auch für die Sicherung der Einnahmequellen: Selbst Verkäufer von Schmuggelwaren, Hehler und Hinterhof-Unternehmer wissen, daß man sich durch "Vergrößerung der eigenen Geldknappheit" (Luhmann, 1988: 253) den Zugriff auf knappe Ressourcen besser sichern kann als durch Anwendung unmittelbarer Gewalt. Auch weitere soziale Regulierungen beruhen auf dem Umgang mit den vielfältigen Funktionen von Geld: Gerade dort, wo Konfliktlösungen mangels öffentlicher Kontrolle in unmittelbarer Gewaltanwendung ausgetragen werden, kann man Geld benutzen, um sich Freiräume zu verschaffen. Damit wird nach "nördlichen" Vorstellungen zwar nur eine illegitime Machtbasis (Körperkraft oder Waffenbesitz) gegen eine andere ausgetauscht; aber für viele besteht allein hierin die Chance des physischen Überlebens: "Geld wendet für den Bereich, den es ordnen kann, Gewalt ab" (Luhmann, 1988: 253). Eine stabilere Lage kann letztlich nur durch Herrschaft, d.h. durch organisiertes Geld hergestellt werden.

Eigene Organisationen der Informellen Das Medium Geld wird durch Organisationen des politischen Systems so stark manipuliert, daß es an die Grenze seiner Funktionsfähigkeit gerät. Sie beeinträchtigen die Kommunikation durch Fehlinformationen und damit die Selektionskraft des Mediums. Den Zugang zu den höheren Geldformen und damit den Anschluß an den vollen Umfang des Mediums können die Armen nur erlangen, wenn sie sich eigene Organisationen schaffen, den Zugang, der ihnen verwehrt werden soll, erzwingen oder die Wirkung vorhandener Organisationen konterkarieren. Daher finden sie Formen der wirtschaftlichen Aktivität, die ihnen ein Minimum an organisatorischer Abstützung versprechen. Wegen des Fehlens justiziabler Verträge und in Situationen, deren doppelte Kontingenz als riskant empfunden wird, spielt Vertrauen (Luhmann, 1984: 180) eine große Rolle. Um Vertrauen zu steigern, werden Opera-

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tionen aus anderen Sozialsystemen verwendet - was übrigens ein beliebtes Verhaltensmuster auch oberhalb der Armutsgrenze zu sein scheint. Man kauft nicht beim preiswertesten Anbieter, sondern dort, wo Vertrauen gegeben und empfangen werden kann. Kontraktuelle und gesetzliche Rechte würde man im Konfliktfall nicht durchsetzen können. Das zwingt die Informellen, besondere Vorsicht walten zu lassen. Mit großer Wahrscheinlichkeit existieren Kommunikationsstrukturen, in denen Informationen über vertrauenswürdige Arbeitgeber und andere Geschäftspartner und über erfolgversprechendes Handeln ausgetauscht werden. Kapitalbeteiligungen der Beschäftigten und fehlende, weil nicht erzwungene, Buchführung nötigen zu vertrauensvoller Zusammenarbeit. Durch Selbstregulierung der informell Tätigen haben sich alternative Organisationsformen entwickelt, die alles andere als spontan, vorübergehend oder ineffizient sind, wenngleich sie den Umfang an Varietätsreduzierung, welche die formalen Organisationen des Wirtschaftssystems bieten, nicht annähernd erreichen. Sie sind zwar prekär, weil anfällig für die Anwendung unmittelbarer Gewalt durch wirtschaftlich und politisch Stärkere, nicht allein auf das Wirtschaftssystem bezogen und daher wirtschaftlich weniger leistungsfähig, aber sie bilden den Ausweg für jene, denen der Zugang zu formalen Organisationen verschlossen bleibt. Die bisherigen Überlegungen legen es nahe, daß man nicht erst den Begriff des jeito bemühen muß, um zu zeigen, daß die formale Wirtschaftstätigkeit eher die Ausnahme als die Regel darstellt, solange das politische System den Anspruch auf öffentliche soziale Kontrolle und Abgabenerhebung erhebt, aber keine entsprechende Leistung anbietet; eine grundlegende Änderung ist auch von Collor (vgl. Wöhlcke, 1990: 50ff.) nicht zu erwarten. Die Strategie der eigenen, abweichenden Regulierungen in Form devianten Handelns und der Errichtung eigener Wirtschaftsorganisationen ist historisch gesehen keine Premiere. Sie ist geradezu typisch für das Verhalten von Einwanderern, Parias und "Gastvölkern" (Mühlmann) und kann daher auch in der deutschen Gegenwartsgesellschaft studiert werden (vgl. Schrader/Nikles/Griese, 1979: 22 et passim). Sie stellen sich for allem dann ein, wenn Migrationen oder der Umsturz des politischen Systems nicht in Frage kommen, was in Brasilien der Fall zu sein scheint.

Schluß Politische Abhilfe wird man angesichts der Komplexität des Phänomens und der Abwesenheit von anderen Möglichkeiten der Anomievermeidung (z.B. Wanderung oder politischer Wandel) nur durch ihrerseits differenzierte Lösungen anstreben können. Die gelegentlich erhobene Forderung, die Informalität dadurch zu beseiti-

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gen, daß man sie legalisiert, kann nur in sehr begrenzten Teilbereichen angewendet werden, wenn nicht größere Folgeprobleme entstehen sollen, zum Beispiel, daß die Steuerhinterziehung der Reichen zusätzlich gefördert wird. Das gleiche gilt für eine Verschärfung der öffentlichen sozialen Kontrolle, deren Kosten die zusätzlichen Einnahmen übersteigen, sich also schon deswegen als wirkungslos oder gar kontraproduktiv erweisen könnte. Neben unbeabsichtigten Nebenfolgen und Vollzugsdefiziten wären mit Renate Mayntz (1987: 93ff.) "seif defeating prophecies" zu besorgen, wie sie bei der Durchführung der zahlreichen "Pläne" zu bemerken waren. Es wird darauf ankommen, die aufgetretenen Differenzen als Differenzen zu bearbeiten. Dabei sind drei Aspekte zu beachten. 1.

Steuerung wird nur dann erfolgreich sein, wenn sie als Selbststeuerung konzipiert wird. Was unter Informalität subsumiert wird, sollte als Herausbildung von Alternativen wirtschaftlichen Handelns aus der Eigenperspektive der Handelnden gesehen werden. Erst dann kann man durch das Setzen neuer oder das Entfernen alter Rahmenbedingungen die Varietät der Entscheidungen begrenzen und damit das Handeln inkremental in die gewünschte Richtung lenken.

2.

Die aufgetretenen Differenzen müßten gemindert werden. Dieser Vorgang kann auch nicht direkt von außen, vom politischen System induziert werden, aber eine elastische Wirtschaftspolitik könnte dafür sorgen, "daß auch Unterlassen im System als Variante von Handeln beobachtet" (Luhmann, 1988: 333) werden kann und daß die Wirtschaftenden daraus erfolgreiche Schlußfolgerungen ziehen. So könnte zum Beispiel das Risiko jener Handlungsweisen, die besonders stark die Umwelt oder die körperliche Unversehrtheit der Arbeitenden und Konsumenten gefährden, riskanter gemacht, die Umsatzsteuerhinterziehung dagegen weiterhin erleichtert bleiben.

3.

Die Differenzen müssen asymmetriert werden, soll heißen: das politische System muß die Richtung der Minderung der Differenzen markieren. Hier muß man zwischen dem erreichbaren Ziel und der Legitimierung der Maßnahmen unterscheiden. Man kann Erwerbsmöglichkeiten nicht umverteilen. Wie man "die Angleichung der Bildungschancen ... nicht durch Minderung, sondern durch Erhöhung der Bildung aller" (Luhmann, 1988: 335) bewirken kann, wird man auch die Erwerbschancen der Armen nicht dadurch bessern können, daß man sie den Reichen nimmt, sondern daß man sie für alle erhöht. Die Legitimierung solcher Maßnahmen kann gleichwohl über die Leitdifferenz Gleichheit/Ungleichheit erreicht werden, denn die ignorante Elite Brasiliens (Wöhlcke, 1988: 13) wird anders nicht gezwungen werden können, einzusehen, daß die Überwindung der Massenarmut letztlich auch ihr selbst nützen würde.

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Geschlechterverhältnis und Geschlechterpolitik am Beispiel von Arbeitsstrukturen Renate Rott

Vorwort Ein portugiesisches Sprichwort besagt: "Mulher na casa, hörnern na pra?a", eine Aussage, die eine traditionelle Umschreibung der geschlechtsdeterminierten Arbeits- und Lebenswelten zu beinhalten scheint, der "naturgegebenen" Trennung zwischen der öffentlichen und privaten Sphäre, von "Public man, private woman" (Elshtain, 1981). Die alte wie die neue Frauenbewegung bezog und bezieht sich in den westlichen Industrieländern wie in Lateinamerika vor allem auf die Diskrepanz zwischen einem postulierten Gleichheitsanspruch und der realen Ungleichheit der Chancen. Das im neuzeitlichen Naturrecht begründete Gleichheitspostulat baut auf einer Denkkonfiguration des autonomen, vernunftbegabten Individuums auf, das seine politische Sprengkraft für die Zeit der Unabhängigkeitsbewegungen und die im 19. Jahrhundert beginnenden liberalen Reformen bewies. Obwohl es abstrakt für alle gesellschaftlichen Gruppen galt, war die Mehrheit von diesem Versprechen der Moderne ausgeschlossen: die indianische Bevölkerung, die Schwarzen, die einstigen Sklavinnen und Sklaven - und eben auch die Frauen, sui generis; sie blieben, in den Worten der Argentinierin Victoria Ocampo, "die letzte Kolonie". Frauen galten per Definition nicht als vernunftbegabte und potentiell mündige Individuen und wurden dementsprechend bis in das 20. Jahrhundert hinein von staatsbürgerlichen Rechten ausgeschlossen. Wenn das Geschlechterverhältnis nicht als naturgegeben und unveränderlich, sondern als strukturelles Machtverhältnis begriffen und Geschlecht als eine soziale Kategorie in die Ansätze historischer und gegenwärtiger Analysen miteinbezogen wird, können zumindest einige Ebenen der Fragestellungen bzw. der Unterordnung benannt werden: - der Ausschluß aus dem Bereich der Öffentlichkeit, insbes. der Sphäre der politischen Macht und des öffentlichen Diskurses; - die Zuschreibungen der Verantwortung für den reproduktiven Arbeitsbereich, d.h. das Innen- versus Außenmodell (Haus = Frau; Außenbezug = Mann);

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- die daraus folgende Abhängigkeit vom männlichen Familienoberhaupt oder Partner, die sich auf den verschiedenen Ebenen, in ihren juristischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Aspekten, nachweisen lassen; - die Fortschreibungen dieser Eingrenzungen oder Diskriminierungen auch im Erwerbsleben; - die Dualisierung in der Zuschreibung von Weiblichkeit versus Männlichkeit, wobei Frauen zumeist auf biologische Grundkonstanten (Familien- und Mütterlichkeitssyndrom)'oder Stereotype (Jungfrau/Hure) reduziert wurden, während dem männlichen Geschlecht eine Vielfalt sozialer Rollen wie auch Eigenschaften zugesprochen wird. Um es noch einmal festzuhalten: die Geschlechterbeziehungen sind keine statischen Beziehungen, sondern - in einer historischen Perspektive betrachtet - einem stetigen Wandlungsprozeß ausgesetzt; der Wandel des Geschlechterverhältnisses ist also als Teil gesellschaftlicher Prozesse zu verorten. Anthropologische und ethnohistorische Studien zeigen uns eine große Variationsbreite von Formen der Arbeits- und Machtverteilung zwischen den Geschlechtern auf, die als komplementär für das Überleben begriffen werden, ohne zu einer diskriminierenden Asymmetrie zu fuhren (vgl. Moore, 1988; Lenz in diesem Band). Ein wichtiger Ausgangspunkt der Forschung zum Thema Frauenarbeit wurde die Debatte um die Hausarbeit, die weltweit rezipiert wurde. Diese "Hausarbeitsdebatte" löste gleichermaßen eine harsche Kritik an liberalen wie marxistisch bestimmten Ökonomischen und soziologischen Lehrsätzen aus, führte zu neuen Fragestellungen und Denkansätzen. Verkürzt dargestellt besagt die feministische Kritik, daß in vorkapitalistischen und vorindustriellen Verhältnissen die Arbeitsbereiche fließend sein konnten, die Reziprozität der Arbeitsleistungen beider Geschlechter für das Überleben der Familie und der Gemeinschaft anerkannt wurde. Die Umwandlung in marktvermittelte Lohnarbeitsverhältnisse entwertete die "Hausfrauenarbeit" als eine nicht monetär entlohnte "naturgegebene" Arbeit, leitete die Stigmatisierung der für das menschliche Überleben unerläßlichen Frauenarbeit, den Verlust an sozialem Status, an Rechten und an Würde ein'. In den neueren Untersuchungen zum Thema Frauenarbeit wurde der Versuch unternommen, eine zweifache Perspektive einzubeziehen, die von den traditionellen Fragestellungen abweicht: Frauen und Frauenarbeit sollten nicht nur als Objekt des Handelns anderer gesehen werden, sondern durch die Analyse der familialen Arbeitsverhältnisse wie der Erwerbsarbeit sollten auch die gesellschaftlichen Zusammenhänge, die

1

Zur Begriffserklärung bzw. Sprachregelung: Wenn hier von Frauenarbeit die Rede ist, so beinhaltet dies Hausarbeit und Erwerbsarbeit; Hausarbeit schließt familiale Arbeit, Subsistenz- und Reproduktionsarbeit und ähnliches mehr ein, während Lohn-, Berufs-, Industriearbeit oder Angestelltenberufe u.a. als Erwerbsarbeit definiert werden.

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Vernetzung von Haus- und Erwerbsarbeit begriffen werden, welche ein Spezificum der weiblichen Arbeits- und Lebenszusammenhänge bilden (Schmink, 1984). Die Weltfrauendekade der Vereinten Nationen (1976-1985) bot erstmals eine Plattform für die "Frauen aller Welten" an. Vor allem auf dem Forum der Schlußkonferenz in Nairobi wurden wesentliche Forderungen formuliert, über Gleichheit und Differenz in den Geschlechterbeziehungen wie auch die aufgetretenen Spannungen, divergierende Optionen, Strategien und Ziele zwischen den "Frauen aller Welten" diskutiert (DAWN, 1985; Tinker/Jaquette, 1987). Zu den vielbeachteten Verlautbarungen im Rahmen der Weltfrauendekade gehört die Feststellung, daß im Weltmaßstab gesehen zwei Drittel aller Arbeitsstunden von Frauen verrichtet werden, die dafür jedoch nur ein Zehntel der Einkommen erhalten und nur 1 % der produktiven Ressourcen besitzen. Die nationalen Entwicklungsbürokratien der westlichen Länder wie internationale Organisationen sahen sich zunehmend genötigt, Frauenforderung in Projektkonzeption einzubeziehen. Caroline Moser konstatiert bereits eine Art von Paradigmawechsel, der allerdings bislang wenig folgenreich für die Praxis blieb: "While the important role that women play in Third World Development processes is now widely recognized, conceptual awareness of the issues of 'gender and development' has not resulted in its translation into practice" (Moser, 1989:1799).

Entwicklungstendenzen der Erwerbsarbeit: Eine Modernisierung der Ungleichheit? In ihrer berühmt gewordenen Studie hat Boserup (1970) darauf verwiesen, daß die Beteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt einer ständigen sektoralen Fluktuation unterliegt. Die statistisch gemessene Erwerbsrate der Frauen war, wie am Beispiel der heutigen lateinamerikanischen Schwellenländer zu verfolgen ist, relativ hoch in der ersten Phase der Industrialisierung am Ende des 19. Jahrhunderts in den damals führenden Sektoren der Textil- und Nahrungsmittelindustrie. Mit der Diversifizierung der industriellen Produktion nahm der Anteil der Frauen ab, um dann in der Dekade der importsubstituierenden Industrialisierung ab den fünfziger Jahren wieder leicht anzusteigen. Auch in der westlichen wie südostasiatischen Industrie haben wir eine pointiert geschlechtsspezifische Segmentation der Arbeitsbereiche zu verzeichnen: Frauen finden sich überproportional in den Niedriglohngruppen mit keinen oder geringen Aufstiegsmöglichkeiten oder Weiterqualifikationsangeboten, sie arbeiten primär in kleineren und strukturanfälligen Betrieben und sind eher von Arbeitslosigkeit betroffen.

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In dem Schwellenland Brasilien waren Mitte der siebziger Jahre ca. 61% der Arbeitsplätze für Frauen in den drei Produktionsbereichen Textil, Nahrungsmittel und Konfektion angesiedelt (Humphrey, 1987:31). Seit den fünfziger Jahren ist die Erwerbsrate für Frauen in allen lateinamerikanischen Ländern angestiegen; sie betrug z.B. in Brasilien 1950 ca. 13%, und 30 Jahre später war sie auf knapp über 30% angestiegen. Hinter diesen statistischen Größen stehen umfassende strukturelle Transformationsprozesse: In der kleinbäuerlichen Agrarwirtschaft waren Frauen immer in Mischformen produktiver und reproduktiver Arbeiten eingebunden; ohne sie wäre das Überleben der Familie wie der Gesellschaft nicht möglich, nur wurde ihre Arbeitsleistung statistisch nicht erfaßt (Deere, 1985; Frieben, 1990). Die Migration in die Städte, der Zwang, Einkommen zu erwirtschaften, hat diese Mischformen, sofern es sich um monetäre Einkünfte handelt, nur etwas sichtbarer gemacht (Lenz/Rott, 1984). Der wichtigste Arbeitsmarkt wie Auffangbecken der Arbeitssuchenden wurde der tertiäre Sektor, - und hier sind vor allem in den sog. Schwellenländern seit den sechziger Jahren die höchsten Zuwachsraten auch in den formalisierten Bereichen zu verzeichnen, d.h. in den staatlich vermittelten Berufen wie dem Bildungsbereich, der Gesundheitsversorgung und dem Heer der weiblichen Büroangestellten im Staatsbereich wie im privaten Sektor. Die verbesserten Bildungsmöglichkeiten haben hier in der Tat jungen Frauen in der Zeitspanne zwischen 1960-1980 neue Berufsfelder eröffnet, die allerdings aufgrund der ökonomischen Krise der achtziger Jahre wieder eine Einschränkung erfahren haben (vgl. Braig, 1988; 1990). Diese Krise der achtziger Jahre hat nach einer Zeitspanne der Absorption von weiblichen Arbeitskräften in formalisierte Berufsfelder zu einem weiteren hohen Anstieg der informellen Arbeitsverhältnisse - vor allem für Frauen - geführt. Nach wie vor ist in fast allen lateinamerikanischen Ländern die Sparte der "persönlichen Dienstleistungen", d.h. dem rechtlich fast ungeschützten Beruf der Dienstmädchen, der Zugehfrauen, Wäscherinnen u.a., die wichtigste Berufsgruppe geblieben. Die Modernisierung traditioneller Formen der Verlagsarbeit läßt sich in vielen lateinamerikanischen Ländern verfolgen (Bendria/Roldän, 1987). Die im Vergleich mit den männlichen Arbeitnehmern weitaus niedrigeren Arbeitslöhne wurden und werden entweder mit einer geringeren Qualifikation, mit biologistischen Argumenten, d.h. der Nichteignung der Frauen für bestimmte Tätigkeiten, einem spezifischen "weiblichen Arbeitsvermögen" - oder eben auch Unvermögen (Pena, 1981) begründet. Hinter diesem Diskurs verbirgt sich die alte Argumentationskette, daß Frauen aufgrund ihrer familialen Rolle und Absicherung nur ein Zubrot zu verdienen hätten. In der Einführung zu dem brasilianischen Census von 1920 ist zu lesen: "Sie (die brasilianische Frau - Anm. R.R.) profitiert zusätzlich von dem Privileg, zumeist unter dem Schutz des Familienvorstandes zu leben, der die fast

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ausschließliche Verantwortung für den Unterhalt des Haushalts trägt" (Brasil, 1923:19). Wenn das Gros der Frauen in so unglaublicher Weise beschützt und versorgt war, scheint es fast unverständlich, daß diesem Census zufolge bereits 1,4 Mio. Frauen erwerbstätig waren, - um so mehr noch in einem Land, in dem die Sklaverei erst im Jahre 1888 formal aufgehoben wurde. Und es gehörte nicht zu den Meriten der Sklavenhaltung, die schwarze Familie zu ehren und zu schützen, in der schwarzen Frau eine Nora im Puppenheim zu sehen. Auch heute noch stehen schwarze Frauen und Mulattinnen in Brasilien am untersten Ende der Lohn- und Bildungsskala (Silva, 1990). Frauen der Mittel- und Oberklassen können andere Strategien als die Angehörigen der Unterschichten verfolgen, die um das bloße Überleben ihrer Familien kämpfen: " Die städtischen Unterschichten sind auf die Mobilisierung aller familiären und familiennahen Arbeitskräfte angewiesen, ihr rationeller Einsatz je nach ihrer Stellung im Familienzyklus ist Teil der Überlebensstrategie. Meist leben sie in Haushaltsformationen, die nicht durch "kleinfamiliäre Intimität", sondern durch weitläufige und offenere, sich rasch verändernde Verwandtschaftsstrukturen und Nachbarschaftsbeziehungen charakterisiert sind (vgl. Lomnitz, 1975) und deren Funktionieren für alle Individuen existenznotwendig ist" (Braig, 1990a:6). Gewerkschaften, die die Vertretung der Arbeitnehmer/innen wahrnehmen sollen, waren und sind nur sehr bedingt fähig, die Interessen von arbeitenden Frauen zu vertreten. Arbeitsrechtliche Regelungen (Mutterschaftsschutz u.a.), die in allen lateinamerikanischen Ländern seit den dreißiger Jahren - zumeist im Angleich an die ILO-Konventionen - übernommen wurden, erweisen sich gerade für die Frauen, die des besonderen Schutzes bedürftig wären, als Hindernis: Auf dem formalisierten Arbeitsmarkt ist die Familie, sind die daraus resultierenden Verpflichtungen ein Risikofaktor (Rott, 1984; 1990). Trotz aller Einschränkungen hat jedoch - auch im Weltmaßstab gesehen - die Arbeit von Frauen in marktvermittelten Formen zugenommen, die zumindest ein kleines Mehr an materiellen Freiheitsgraden eröffnen können (ILO/Nuss u.a., 1989). Im Rahmen der Arbeitsgruppe wurde der Versuch unternommen, anhand von ausgewählten Beispielen den Verbindungen zwischen den Mikro- und Makrostrukturen, den Formen der Verflechtungen zwischen den Lebens- und Arbeitswelten sowie den sozioökonomischen Veränderungen nachzugehen2. Verena Stolcke zeichnet a.B. der für die brasilianische Ökonomie und den Export so wichtigen Kaffeewirtschaft Formen der Arbeitsorganisation und Ausnutzung der familialen Organisation nach, die in der Form des Colonato-Systems eine Verbindung zwischen 2

Die Korreferate von Ellen Frieben (1990), Marianne Braig (1990a) und Renate Rott (1990a) konnten aus Platzgründen nicht abgedruckt werden.

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älteren Formen der Arbeitsorganisation (Sklaverei) und freier marktvermittelter Lohnarbeit wurde. Ihr Beitrag ist Teil einer größeren Untersuchung, in der die Entwicklung der Kaffeewirtschaft verbunden wird mit den Fragen nach der Arbeitsorganisation, der Geschlechterfrage und -politik (Stolcke, 1986). Den Beziehungen zwischen Familie und Haushaltsstrukturen in der Stadt México geht Teresita De Barbieri nach. Neben einer Übersicht zu dem Forschungsstand weist sie vor allem auf die Auswirkungen der makroökonomischen Veränderungen und auf die alltägliche Lebens- und Arbeitswelt von Frauen hin, über die in der Zwischenzeit zahlreiche empirische Studien aus vielen lateinamerikanischen Ländern vorliegen. Die Untersuchung von Familien- und Haushaltsformen kann ein wichtiger Beitrag zur Analyse von Entwicklungsverläufen sein und neue Einsichten zur Arbeitsteilung zwischen Geschlechtern und Generationen, über die gegenseitigen Verpflichtungen, die Hierarchien und Machtstrukturen innerhalb der Familie erbringen. In der Diskussion wurde darauf verwiesen, daß die traditionelle Rollenzuweisung einer männlichen und weiblichen "Normalbiographie" langsam aufbricht, nicht zuletzt auch dadurch, daß Männer ihre zugeschriebene Rolle aufgrund von struktureller Arbeitslosigkeit in den Urbanen Zentren nicht mehr erfüllen können. Jedoch bringen auch die neuen Konfigurationen im Geschlechter- wie Generationenverhältnis Konflikte mit sich. Die - insbes. auch durch Massenmedien wie das Fernsehen - vermittelten "schönen neuen Welten" können Individualisierungsschübe und Loslösungen bewirken, die aufgrund der materiellen Umstände kaum lebbar und verwirklichbar sind. Mögliche Auswirkungen und Veränderungen des Einsatzes von Computern in der Arbeitswelt bilden seit langem einen umstrittenen Topos in arbeitssoziologischen Diskussionen in den Industrieländern. In ihrem Beitrag "Gender, Skill and New Technology in the Caribbean" geht Ruth Pearson den neuesten Entwicklungen nach, die sich aus der Telekommunikation und den computerbeherrschten Veränderungen in der Organisation der Büroarbeit ergeben. Die Karibik wurde eine wichtige Freihandelszone vor allem für die industrielle Produktion von Konsumgütern für den nordamerikanischen Markt. Im Gegensatz zu anderen Autoren bzw. Autorinnen, die die Arbeitsbedingungen in der Industrie untersuchten, schätzt Ruth Pearson die neuen Beschäftigungsmöglichkeiten im Bereich der Bürotechnologie für Frauen weniger negativ ein, weil sie zumindest kleine Freiheitsgrade und Schulungsmöglichkeiten eröffnen, die über das bisherige Angebot von "dead-end jobs" hinausgehen. Im Mittelpunkt der abschließenden Studie von Ilse Lenz stehen Überlegungen zu dem Thema: "Subsistenzproduktion und Geschlechterverhältnis: Umrisse einer entwicklungspolitischen Debatte". Dieser Beitrag ist als kritische Selbstreflektion gedacht, soll der "Überprüfung der eigenen Diskurse unter der Fragestellung, inwieweit sie nicht gegen ihre Intention für neue Geschlechtsstereotypisierungen

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oder Instrumentalisierung von Frauen herangezogen werden konnten", dienen. Problematisiert wird das Verhältnis einer neuen, kollektiven weiblichen Utopie zu der Herausforderung durch die Selbstbestimmung, dem Eigenanspruch des Individuums, den möglichen Visionen eines Freiheitsbegriffes, der nicht auf Ausgrenzung beruht und Frauen und Männer meint. Literatur: Benería, Lourdes/Roldán, Martha (1987), The Crossroads of Class and Gender. Industrial Homework, Subcontracting and Household Dynamics. Chicago u.a. Boserup, Ester (1970), Women's Role in Economic Development. London (dt. Publ. 1982). Braig,

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Teresita De Barbierí

Mujeres y Hogares en la Ciudad de México Hasta la década de los setenta predominó en América Latina una imagen de la familia como entidad homogénea, conformada por un padre proveedor, una madre dedicada al hogar y un número indefinido de hijos e hijas en edades variables, de infantes a adolescentes. Lugar de solidaridades, afectos y en menor medida de conflictos que se trataban de minimizar. Espacio de no trabajo, fue considerado igualitario internament en el consumo y con una jerarquía de autoridad en razón del sexo y la edad. El padre jefe de familia ordenaba, los restantes integrantes obedecían. Esta representación de la familia y los hogares se basaba en la imputación de realidad de las prescripciones de la moral católica y del derecho de familia. El tamaño variaba, según los datos aportados por las encuestas de ingresos y gastos de los hogares que cada cierto tiempo realizaban las oficinas de estadísticas. Desde principios de los años setenta la familia se tornó objeto de estudio de distintas disciplinas sociales, ante la emergencia de nuevos movimientos sociales y de nuevas preocupaciones académicas. Un hito en este cambio de rumbo fue la aparición en 1973 del informe de investigación de Joaquín Duque y Ernesto Pastrana: Las estrategias de supervivencia económica de las unidades familiares del sector popular urbano. Estos autores observaron que en la ciudad de Santiago de Chile, las unidades domésticas desarrollaban patrones de utilización de los recursos internos y externos, de acuerdo con la inserción laboral de los jefes. Tres años más tarde, Larissa Lomnitz publica ¿Cómo sobreviven los marginados?, un estudio antropológico en una colonia popular de la ciudad de México, que da cuenta del papel que cumplen en estos sectores los intercambios de favores y otras formas de solidaridad entere parientes en condiciones de ingresos escasos e inestables. Desde distintas disciplinas, la familia y los hogares1 comenzaron a ser cuestionados. La Comisión de Población y Desarrollo de CLACSO nucleó a demógrafos/as y sociodemógrafos/as de la región alrededor del tema; promovió proyectos de investigación y la confrontación teórico-metodológica. Los estudios sobre economía campesina y agrícola, la psicología, el psicoanálisis y la terapia familiar, han hecho aportes sustantivos al conocimiento.

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Distingo entre familia - que hace referencia a las relaciones de conyugalidad, parentesco y herencia normados por la ley y la costumbre -, del hogar, conjunto de persona que habitan una misma vivienda y comparten un patrimonio, ingresos, trabajos comunes y es la trama de relaciones preferenciales de la vida cotidiana.

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Paralelamente, los análisis sobre la condición de las mujeres no podfa eludir el contexto doméstico y las relaciones parentales en las que se desenvuelve la vida de las mujeres. Veinte años de investigación permiten comprender mejor los procesos sociales que ocurren en la esfera doméstica y describirlos con mayor precisión, a partir de categorías más adecuadas para la observación y el análisis. En esta ponencia trataré de presentar alguna información sobre el trabajo, el consumo y ciertos juegos de poder que se han observado en los hogares de sectores populares2 de la ciudad de México, para concluir con algunas hipótesis sobre las distancias sociales de género y generación.

Las familias y los hogares en México En México es extraordinaria la preferencia de las personas por organizar la convivencia entre parientes. Sólo el 5 por ciento de los hogares son unipersonales, y pese a los procesos de modernización por los que ha pasado la sociedad, este porcentaje no ha sufrido variaciones a lo largo de tres décadas. Los hogares plurípersonales muestran un predominio de los arreglos parentales. Aunque predominan los nucleares, las formas extensas son significativas. Y puesto que estos últimos son de mayor tamaño promedio, puede pensarse que más de un tercio de la población convive con una gama amplia de personas relacionadas entre sf en segundo y tercer grado de parentesco (García et. al., 1982, Rabell y Mier y Terán, 1986). Una segunda característica es la labilidad de las formas de los hogares a lo largo de la vida de los mismos y de sus integrantes. Estos cambios están relacionadas por una parte con el patrón de patrivirilocalidad, vigente en amplias regiones de México rural pero que también se presenta en las ciudades. Según esta norma, una pareja al casarse o unirse, pasa a residir en el hogar de los padres del novio. Allí conviven hasta que logran formar un patrimonio (muebles, manaje, vivienda si es posible) y un trabajo o alguna modalidad de obtención de ingresos más o menos consolidada. El periodo es variable; puede durar unos meses hasta más de diez años o sólo extinguirse con la muerte del padre y de la madre. Mientras, nacen algunos hijos. Cuando es posible la vida independiente, la pareja y sus hijos salen a conformar un hogar nuclear. En éste es probable que nazcan otros niños/as. Ya los hijos jóvenes, en el momento que uno de los varones mayores se casa o une, el hogar se transforma en extenso y se reanuda de este modo el ciclo. Esto hace que en un momento dado, en una misma vivienda habiten varios núcleos conyugales y sus 2

Por sectores populares se entiende en este trabajo a grupos muy heterogéneos en su adscripción laboral: obreros/as de la industria y los servicios, trabajadoras/es por cuenta propia, trabajadores/as intermitentes que generan ingresos de muy diversas modalidades. En comlín, y pese a su diversidad, los ingresos son insuficientes para adquirir los satisfactores necesarios y la sobrevivencia se realiza en condiciones precarias.

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respectivas descendencias. La patrivirilocalidad también existe, pero tiene menos fuerza porque el patrón normativo obliga al varón a "ponerle casa a la esposa" (González Montes, 1988, De Barbieri et. al., 1983, Charles y Ricquer, 1989). Por otro lado, la viudez del padre o la madre de alguno de los cónyuges, la orfandad de hermanos/as, sobrinas/os, la migración del campo a la ciudad de algún pariente, la inestabilidad y el deterioro de los ingresos que impiden el pago de la renta, se solucionan mediante la extensión de los hogares. En la literatura académica y no académica la familia es conceptualizada como un espacio de amplias y fecundas solidaridades, de convivencia muy cercana a de apoyo permanente entre sus miembros. Estos apoyos persisten aún cuando no se compartan vivienda, mobiliario, ingresos y gastos. Las relaciones entre hogares vinculados por parentesco entre sus miembros son frecuentes, estrechas y están alimentadas por intercambios de información y favores (Lomnitz, 1975; Lomnitz y Pérez Lizaur, 1983). Desde el punto de vista psicológico, se señala que esta fuerte solidaridad y cercanía entre parientes es un apoyo importante en los momentos de depresión de las personas. Pero también impiden o dificultan el proceso de individuación (Maldonado, 1990). Asimismo se ha observado que en la dinámica interna de los hogares, la figura dominante es la de la esposa-madre-ama de casa quien, rodeada de otras mujeres, organiza la vida familiar. La ñgura paterna, en cambio, está ausente, aunque la madre "trata de inculcar un respeto temeroso hacia ese padre que el hijo rara vez ve" (ibid).

Las mujeres y los hogares en la ciudad de México Desde la perspectiva de las mujeres, traspasar la puerta de la casa o el tugurio ha permitido conocer las consecuencias de las determinaciones sociales, económicas y culturales que hacen al sistema de distancias sociales en relación con los géneros. Me centraré aquí en algunos aspectos y en la medida de lo posible, indicaré algunos cambios que se vislumbran.

a) El hogar, un lugar de trabajo Pese a que las investigaciones realizadas hasta ahora sobre el trabajo de las mujeres en los hogares tienen limitaciones en las coberturas3, se ha observado sistemáticamente que éste es un espacio de algo más que la vida. Son lugares de trabajo socialmente necesario para la sobrevivencia de las personas que los integran. 3

Véase: Blanco (1986); De Baibieri (1984); Hidalgo (1986); Sánchez y Martini (1987); Sánchez (1989).

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De cubrir estas necesidades son responsables las mujeres: las adultas, amas de casa-esposas-madres lo organizan. En los hogares nucleares jóvenes lo realizan, puesto que son la única fuerza de trabajo adulta dedicada a él. Las niñas, adolescentes y jóvenes, se incorporan en jornadas parciales, mientras estudian o trabajan. En los hogares extensos (y los ampliados) se comparte entre varias mujeres, por lo general adultas, ancianas y no se descartan a las adolescentes y jóvenes solteras. La presencia de varias mujeres adultas que comparten las tareas domésticas tiene una ventaja: algunas de ellas - aún con hijos/as pequeños - pueden salir a trabajar fuera del hogar sin grandes tensiones ni menoscabo para la vida de los niños/as. Siempre habrá una persona adulta que vele por ellos/as4. Las horas semanales que exige el trabajo doméstico varían según la composición, el tamaño y el ciclo de vida de los hogares, la actividad remunerada o no de las amas de casa y el sector social de pertenencia. En 1976 registré una enorme gama de variación: entre dos horas y 102. Sistemáticamente se ha observado que las amas de' casa que desempeñan actividades generadoras de ingresos, emplean menos tiempo en el trabajo doméstico que las que no lo hacen. Así, por ejemplo, encontré los suguientes promedios: 26 horas para las obreras, 33 para las empleadas, 59 horas para las amas de casa de los sectores medios y 71 para las esposas de obreros (De Barbieri, 1984). En una investigación en una colonia popular Sánchez y Martini (1987) calcularon por separado los tiempos de trabajo doméstico de amas de casa sin y con actividad remunerada en hogares nucleares jóvenes, es decir, donde ellas son las únicas responsables del quehacer. Encontraron que ambos tipos de mujeres realizan jornadas domésticas similares; las que trabajan dentro y fuera del hogar despliegan a la semana 2.7 jornadas de trabajo de 48 horas. En otras palabras, las mujeres que generan ingresos aparecen realizando menos horas de trabajo doméstico porque tienen en el hogar algún tipo de ayuda. A lo largo de la semana el tiempo de trabajo también es diferente entre amas de casa, según que tengan o no trabajos extradomésticos. Estas últimas realizan los días laborales jornadas más intensas, las que descienden los sábados, domingos y feriados. Las generadoras de ingresos concentran el trabajo doméstico los días que no trabajan por remuneración. El ritmo y la cadencia de las tareas domésticas, que se ha visto como de gran libertad, están determinados en gran medida por los horarios que rigen para las actividades comerciales y de servicios; entradas y salidas de los lugares de trabajo y las escuelas; hasta por la hora en que pasan los camiones de la basura y del gas. De este modo, los márgenes de disponibilidad de tiempo se reducen considerablemente. 4

Welti (1989) ha calculado que en el área metropolitana de la Ciudad de México mis del SO por ciento de tas mujeres trabajadoras con hijos pequeños los dejaban al cuidado de algún familiar.

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Asimismo hay que tomar en cuenta que los servicios que el Estado de bienestar socializó, en gran medida descansan en la familia, los hogares y las mujeres; en particular, en la presencia de una ama de casa que, interesada en el bienestar de los integrantes de la familia, tiene que estar dispuesta a concurrir cuando se le cite, esperar en fila por horas hasta que la atiendan, hacerse cargo de tareas dirigidas a la salud y la educación de hijas/os y parientes y ... recibir los regaños si no cumple las instrucciones; es decir, si los beneficiarios no son lo suficientemente disciplinados que se espera que sean. La actividad masculina en todas estas actividades es sólo marginal. En los hogares en que las madres son generadoras de ingresos descansa principalmente en los hijos adolescentes o jóvenes estudiantes y desocupados. En años recientes, sin embargo, es probable que en ciertos sectores pueda estar cambiando. El acceso de las mujeres casadas madres a la actividad económica generadora de ingresos5 parece estar exigiendo una mayor participación doméstica masculina. Pero el hogar, la vivienda es también lugar de trabajo generador de ingresos. Resulta difícil estimar el porcentaje de mujeres que realizan actividades remuneradas en su domicilios, ya sea como trabajadoras independientes, como comerciantes y prestadoras de servicios o como maquiladoras. A partir de 1983 el traslado del trabajo al hogar se ha incrementado para las mujeres y ha arrastrado también a los varones. Los procesos de reconversión industrial han significado que las empresas prefieran cerrar sus locales de trabajo, liquidar a sus trabajadores con la maquinaría como pago y contratarlos para la realización de partes en los domicilios. De esta manera los empresarios reducen sus costos y riesgos y aprovechan la extensión de la jornada de trabajo y las ayudas familiares al trabajo remunerado (INCO, 1988). Si los hogares eran lugares de convivencia estrecha, estas nuevas modalidades que llevan el trabajo al domicilio, la vuelve más compacta.

b) Ahí adentro no todos son iguales Otro de los supuestos de los que se partió en el comienzo de los estudios sobre la familia y los hogares, era que las desigualdades sociales estaban fuera, pero adentro todos compartían el mismo destino. Se imputaba a los hogares una democracia interna mediante la cual cada integrante accedía a los recursos - siempre escasos en forma equitativa. Al fin de cuentas, el pastel - más grande o más pequeño - se dividía en porciones equitativas. Esto no parece ser tan cierto. Las investigaciones dan cuenta reiteradamente de la imposibilidad de los sectores populares de sobrevivir con el aporte de uno solo de S

Entre 1982 y 1987 la tasa de acitividad femenina entre 15 y 49 años en el país pasó de 29 a 35 por ciento. Este aumento se explica por la incorporación de las mujeres de 25 a 49 años, quienes masivamente han accedido a la generación de ingresos. Véase: García y Oliveira (1989).

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sus integrantes. La familia pequeña en los sectores populares es la que vive peor y es más vulnerable, porque tiene menos probabilidades de diversificar sus perceptores de ingresos. Internamente, dos tipos principales aparecen como formas de organización el ingreso doméstico: el "fondo común" y la "asignación de gasto" (Beneria y Roldán, 1987). Por la primera, cada perceptor entrega todo o casi todo su ingreso al ama de casa; de este fondo común, se pagan las erogaciones colectivas y cada persona retira de acuerdo con sus necesidades. Por el segundo, se entrega un monto fijo para determinados gastos. La evidencia empírica muestra que en tanto los varones (esposo, hijos) aportan una parte y retienen para sf un porcentaje importantes, las mujeres vierten la casi totalidad de sus ingresos en los gastos domésticos. Es decir, los ingresos generados por las mujeres - principalmente las adultas madres-amas de casa-esposas se afecta directamente al consumo doméstico. En años recientes, en que el empleo de las mujeres de más de 25 años ha crecido, la sobrevivencia doméstica y la contención del deterioro de la calidad de vida se logra en aquellos hogares que han seguido dicha estrategia (INCO op. cit.). En el consumo, en cambio, los patrones diñeren. El consumo de alimentos privilegia en primer lugar a los varones adultos y a los jóvenes, en segundo lugar a niñas y niños y a las mujeres jóvenes. Las últimas en servirse son las amas de casa. Embarazo, parto y puerperio no las exime del último lugar. En educación primaria y secundaria las mujeres han demostrado una mayor permanencia en el sistema escolarizado6. Sin embargo, el pasaje de la primaria a la secundaria observa una menor matrícula femenina. Esta tendencia es más clara en los ciclos preuniversitario y superior, pese a los incrementos en las matrículas femeninas. Pero es frecuente encontrar que los jóvenes solteras con sus trabajos de obreras, secretarias y trabajadoras del comercio costean los estudios universitarios de sus hermanos varones. Asimismo es posible observar que las jóvenes hijas de los jefes de familia tienen niveles educativos mayores en promedio que los logrados por jóvenes que guardan otra relación de parentesco con el jefe del hogar (De Barbieri y Guzmán, 1986).

c) El hogar, un espacio de poder de algunas mujeres Dos líneas discursivas se enfrentan en relación con el poder de las mujeres en el ámbito doméstico. Por un lado, la que sustenta la imagen de la mujer abnegada y 6

La retención del nivel primario en lodo el país pasó de 33.3 por ciento en la generación 1964-1970 a 55.6 entre 1981-1986. Las mujeres pasaron de 32.2 por ciento a 57.0 por ciento, en tanto que los varones de 34.2 por ciento a 54.3 por ciento. En el Distrito Federal estos porcentajes son mayores. Para la generación que ingresó en 1981 en el nivel primario, 80.9 se inscribieron en 1984 en el cuarto grado. De éstos, 79.4 eran mujeres y 82.3 varones. En todo el país la retención de esa generación en el 4to. grado fue de 67.5; 68.4 por ciento para las mujeres y 67.0 para los varones (elaboración propia a partir de la información, las estadísticas anuales de la matrícula escolar publicadas por la Secretaría de Educación Pública).

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sumisa. Por el otro, quienes sostienen que dentro del ámbito familiar las mujeres son reinas y soberanas de todo cuanto sucede en su interior. Las apoyaturas empíricas no faltan en uno y otro discurso. Los trabajos llevados a cabo en años recientes desde la perspectiva de las mujeres y los géneros han cuestionado esta representación contrapuesta, porque se refiere a categorías diferentes del género femenino. Para su comprensión es necesario recordar el patrón de patrivirilocalidad expuesto anteriormente, y la convivencia en las unidades domésticas de mujeres de distintas categorías y estatus. En las unidades de tipo extenso, quien organiza la vida familiar es la esposamadre-ama de casa principal. La nueva joven debe ponerse bajo su mando. La suegra le enseña a trabajar, controla el uso del dinero y los gastos, controla sus pasos, las salidas y entradas a la vivienda, sus relaciones, el trato que mantiene con sus nietos/as-hijos/as y el hijo-esposo. Las modalidades dependen en mucho del caracter de las actoras, pero en general se percibe esta relación como extremadamente difícil y conflictiva. A veces las nueras hacen alianzas entre sí, con las cuñadas y hasta con el suegro. La salida del núcleo conyugal para conformar un hogar independiente es vista por la nueras como un paso en la conquista de autonomía y en el proceso de logro de la adultez. En su propia casa empezarán ellas a hacerse de un espacio propio y a jugar el papel de ejes del hogar. No hay que perder de vista sin embargo, que el hogar es un espacio privilegiado de la violencia masculina sobre las mujeres. Cuando el esposo-padre se hace presente en la vivienda son frecuentes los golpes y malos tratos entre los cónyuges principalmente cuando media el consumo de alcohol. Pero además de la violencia física, el contrato matrimonial asegura o permite el ejercicio de la violencia sexual. Finalmente hay que tomar en cuenta las manifestaciones de violencia sexual de los adultos varones con las niñas y las jóvenes, que en una proporción nada despreciable ocurren en el interior de los hogares.

Conclusiones En esta ponencia he tratado de argumentar que el hogar en los sectores populares de la ciudad de México es un espacio social a la vez solidario y conflictivo. Pese a los acelerados procesos de modernización, salarización, de migraciones campociudad, los lazos de parentesco prevalecen en la convivencia de las personas y los hogares se estructuran sobre su base. Lo doméstico es un espacio social dominado por las relaciones de conyugalidad, filiación y parentesco más amplio. Estos entramados de parientes han permitido resistir los embates desde el exterior, llámense explotación de clase, autoritarismo estatal o de particulares. En el nivel psicológico, la fuerte presencia de apoyos familiares impide que la adversidad

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y las frustraciones erosionen a las personas y son barrera eficaz ante los estados depresivos. Pero al mismo tiempo, los hogares son espacios de trabajo y donde se expresan desigualdades en el consumo y conflictos de poder. Son unidades que comparten situaciones de clase similares, pero internamente están estructuradas en función de otras dimensiones de la diferenciación, la desigualdad y las jerarquías sociales. Entre los integrantes de los hogares se expresan y transmiten las distancias generacionales y de género. Estas pueden presentarse aisladas. Es el caso de los/as adultos/as sobre los miembros jóvenes bajo la forma de proceso de socialización. La de los varones sobre las mujeres, se expresa a través de la violencia y en particular la violencia y el abuso sexuales. Pero también se presentan articuladas y tienen distintas manifestaciones a lo largo del ciclo de vida individual y doméstico. Nacer mujer es ser socializada para el servicio a los demás. Durante la infancia, la adolescencia y la juventud, en los papeles de hijas, nietas, sobrinas y nueras deberán trabajar y ceder su consumo en beneficio de los varones padres, hermanos, primos, esposos. Pero al llegar a la adultez, el cambio de categoría generacional les da a las mujeres el poder de dominar la esfera doméstica y con él ejercer autoridad y autoritarismo. En un juego complejo de entrega de trabajo y sus productos, que incluye el deterioro de las condiciones de vida propias y de manipulaciones muy variadas, las madres-esposasamas de casa obtienen reconocimiento y lealtades. (Cabe señalar que la cesión de trabajos, ingresos y consumos de las hermanas a favor tle los hermanos no parecen tener efectos posteriores con el cambio de ciclo de vida. Es difícil que los varones en la adultez, restituyan económica y afectivamente a sus hermanas.) Esto significa que un sector del género dominado se vuelve denominadorO transmisor(a) de la propia dominación de género. Son algo asf como los capataces y supervisores en la industria. Salvo que aquí la materia prima son seres humanos a las órdenes están cargadas de sentimientos, remordimientos, temores y expectativas. Internamente el género subordinado aparece dividido por las diferencias generacionales, en relaciones de parentesco específicas. Las jerarquías, estatus y los poderes contrapuestos nacen de la articulación de dos líneas de diferenciación social, por otra parte construidas a partir de las diferencias corporales. ¿Cómo traspasar estas barreras tan sólidamente arraigadas? ¿Cómo superarlas, cuando en medio se juegan la sobrevivencia tan precaria y las expectativas de reconocimiento aunque sea al final de la vida? Una hipótesis posible: las rupturas podrían surgir a partir de los procesos que se establecen en ámbitos laborales fuera a la unidad doméstica. En esos espacios, las mujeres se abren a otras tramas de

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interacciones que posibilitarían miradas críticas al mundo doméstico. Pero no son procesos lineales. Hay que analizar entonces sus mediaciones. Bibliografía: Barbieri, Teresita De (1984), Mujeres y vida cotidiana. SEP80 - Fondo de Cultura Económica, México Barbieri, Teresita De et. al. (1983), Las unidades agrícolas industríales para la mujer campesina en México, OIT, Ginebra Barbieri, Teresita De y Carlota Guzmán (1986), "Las damnificadas y el empleo" en: Revista Mexicana de Sociología, Vol. XLVni, No. 2, abril-junio de 1986, pp. 59-101 Benería, Lourdes y Martha Roldán (1987), The Crossroads of Class and Gender, The University of Chicago Press, Chicago Blanco, Mercedes (1986), Condiciones de trabajo doméstico y asalariado en dos grupos de mujeres pertenecientes a sectoers medios de la Ciudad de México. Tesis de maestría, Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales, sede México Charles, Pilar y Ma. Florinda Ricquer (1989), Las mujeres del movimiento popular de Pueblos y Colonias del Sur. Discurso sobre sí mismas. Tesis de maestría, Universidad Iberoamericana, noviembre Duque, Joaquín y Ernesto Pastrana (1973), Las estrategias de supervivencia económica de las unidades familiares del sector popular urbano, FLACSO - ELAS, Santiago de Chile, (mimeo) García, Brígida y Orlandina de Oliveira (1989), El trabajo femenino en México a fines de los ochenta. El Colegio de México, (multicopiado) García, Brígida, Humberto Muñoz y Orlandina de Oliveira (1982), Hogares y trabajadores en la ciudad de México, IISUNAM - El Colegio de México González Montes, Soledad (1988), "La reproducción de la desigualdad entre los sexos: prácticas e ideología de la herencia en una comunidad campesina (Xalatlaxo, Estado de México, 1920-1960)" en: Josefina Aranda Bezaury: Las mujeres en el campo, Instituto de Investigaciones Sociológicas, Universidad Autónoma Benito Juárez de Oaxaca, pp. 65-82 Hidalgo, Teresa (1989), Vida cotidiana y trabajo asalariado de la mujer. Tesis de maestría, Facultad Latinoamericana de Ciencias Sociales, sede México, 1986. Instituto Nacional de Consumidor (INCO): "El gasto alimentario de la población de escasos recursos en la ciudad de México", en: Comercio Exterior, No. 1, enero Lomnitz, Larissa (1975), ¿Cómo sobreviven los marginados?, siglo XXI editores Lomnitz, Larissa y Marisol Pérez Lizaur (1982), "Significados culturales y expresión física de la familia en México", en: Investigación demográfica en México - 1980. Consejo Nacional de Ciencia y Tecnología, pp. 593-600

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Ruth Pearson

Gender, Skill and New Technology in the Caribbean New telecommunication technology and the computerisation of office work has promoted the development of a new kind of employment for women in the Third World. Thousands of women in the Caribbean and elsewhere are employed as data entry operators, converting paper copy to machine readable form for utilisation in the computerised office systems in industrialised countries. However, it is unlikely that this new form of technology related employment will offer genuine opportunities for women in terms of training and skills development unless there are substantial changes in policy and planning within these economies.

New Information Technology and the Changing International Division of Labour The Caribbean has for a long period been the site of internationalisation of production in the manufacturing sector, commencing with Operation Bootstrap in Puerto Rico and Intel's investment in an electronics components plant in Barbados. In Jamaica and the Dominican Republic the export processing carried out in the Free Trade Zones is an important source of employment and foreign exchange earnings for these economies and there is similar foreign investment in manufacturing in several other smaller Caribbean economies. One of the objectives of the Caribbean Basin Initiative in 1984 was to encourage production in the Caribbean for export to North American markets, apparently favouring the diversification of products from the traditional textiles/clothing base of previous years (Griffith 1990). In terms of the international division of labour, developments in sectors other than manufacturing have received less attention. One of the most significant developments has been the innovations in computers and office equipment, changes in telecommunication technology and the ways in which intranational and international telecommunications services are organised and regulated; and lastly the fusion between the office machinery, computers and telecommunications sectors (Pearson 1988). During the early 1970's there was a significant trend towards the decentralisation and suburbanisation of what were then called "back-office" services (Nelson 1986). This meant that companies were able to utilise the increasing flexibility offe-

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red by the hybrid of technologies referred to above to remove the physical location of labour and space intensive operations such as invoicing, payrolling, stock control, progress chasing, sales records and analysis accounting - from the headquarters of the company to a location where the cost of appropriate labour and office accommodation was considerably lower than the capital city centre locations of their company headquarters or operational divisions. New technologies have not only made possible the physical separation of data recording and handling processes from their location of generation and utilisation; they have also created a demand for new types of data based services. The sophistication of computer and office machinery technology has allowed the corporate sector to utilise data in different ways. A good example of this phenomenon is the procedure adopted by airline companies. An airline ticket contains in its entirety a series of potential data which is not actualised until the ticket has been used. Thus at the point of sale the ticket issuing agency can record part of the data range: the price of the ticket, its category (return, round trip), departure and destination locations, the name of the passenger, the class of travel, the currency in which it is paid for and the mode of payment. However, in the course of using that ticket the passenger generates a series of additional data - the seat number, smoking or non-smoking, location and duration of stop-overs, date on which destination is reached, date and mode of return journey, alterations in original booking etc. In order to reassemble this information and use it to analyse sales and travel trends, consumer preferences, currency movements and exchange, the airline needs to centralise all the data and convert it into a machine readable form. New technology allows this to be done at a specified location by collecting all the now separated layers of the tickets endorsed with various pieces of information about dates, times and flight numbers, as well as boarding cards and sales receipts for in-flight transactions. This information can then be entered by a data entry operator according to a pre-designed structured programme. Data entry of airline information was one of the first large-scale data entry operations located in the Caribbean. American Airlines set up a data entry operation in Barbados in 1984 to service its data needs, and has extended this by the formation of a wholly owned subsidiary company, Caribbean Data Services, with operations in at least three Caribbean islands, whose function is to process AA and other customer data needs on an off-shore basis. Another important source of demand for these kinds of services is the retailing and promotion sector. In the increasingly fragmented and 'customised' world of retailing promotion and competition, sellers require detailed information about the location and nature and accessibilities of their targeted market segment. Thus, any kind of retail promotion - discount coupons, children's competitions linked to product promotion, customer enquiries from magazine features or advertisements -

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generates additional potential data sets which have to be made machine readable and operational. Many of the data entry bureaux in the Caribbean are involved in compiling sales information - recording address lists of customers, location of transactions involving discount coupons etc. - to be used for their own marketing strategy, much of which has commercial resale value as customer data bases for other enterprises. The public sector has also generated a growing demand for the services of the data entry sector. Large record-keeping departments such as Health and Social Security have increasingly required the computerisation of their existing records and the establishment of systems for on-going and future records. Specialised companies tender for these services, frequently utilising cheap off-shore locations to carry out at least the routine data entry operations. The range of data entry and handling data amenable to relocation internationally is wider than that suggested in the examples above. Data entered and processed offshore include: (a) internal company data, (b) inter-firm transactions, (c) consumerfirm transactions, (d) dedicated information services and data bases, (e) existing large-scale data sets such as historical and library archives and (f) customised services such as authors' manuscripts. The utilisation of cheap Third World labour to perform the routine data entry processes associated with these services in fact pre-dates the fusion of telecommunications and office technology. In Jamaica for instance there is at least one firm which has been in business since the mid 1960's when it sub-contracted card-punching data storage operations for US clients. But, at least in theory, telecommunications opens up a new kind of possibility. Advances in both data transmission through the international telecommunications systems and the transmission of optical (visual) imagery via the systems make it technically possible to transmit the original hard copy, have it entered into machine readable form and retransmit it to the client without the necessity of physically transporting either the hard copy or the magnetic tapes or discettes onto which the data has been transformed. Two-way interactive on-line data transmission offers the possibility of accessing cheap labour in Third World countries to carry out time sensitive data recording functions such as credit card transactions, opening up yet more of this growing and changing market to Caribbean and other locations.

Women's Employment in Off-Shore Production and Services Although initially ignored, it is now widely acknowledged that women comprise the largest part of the labour force in export processing industries within the manufacturing sector; indeed, the more labour-intensive the production process has been,

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the higher the proportion of women to be found in the labour force. It is therefore wholly consistent and unremarkable to record that up to 98% of those employed as data entry clerks in the Caribbean and elsewhere are women (Posthuma 1987). At one level this has been explained in terms of the lower wages women command in the labour market; on the other in terms of the nature of gender relations which construct women as 'cheap' labour by requiring of them skills, speed and accuracy in a variety of labour processes for which the employers offer no formal training, and thus command no premiums within the labour market. This analysis has been applied both to women workers in Third World export processing (Elson and Pearson 1984) and in the data entry sector (Posthuma 1987). But the question I wish to address in this paper is the extent to which we can apply the same analysis to women employed in the data entry and data processing operations which has taken place since the mid 1980's in the Caribbean. And, although many of the issues raised are common to other Caribbean countries and other Third World countries where data entry and data processing is an important economic activity, I shall confine my discussion to the situation in Jamaica, This is not only because my empirical research has been largely limited to the Jamaican case but also because the specific nature of the historical, political and economic circumstances of the Jamaican industry raises alternative possibilities which could become the basis for policy intervention in the area of women's skills and career development in new technology employment.

The Jamaican Data Entry/Data Processing Sector In Jamaica, data entry activities expanded rapidly, particularly in the mid 1980's. By June 1989, when I carried out a preliminary survey which forms the basis for the empirical data in this article, there were some 25 firms operating in Jamaica employing between them about 2,500 people (a not inconsiderable number out of a total workforce of about one million). Of these, about 90 are classified as keyboard operators of whom some 98% are women. The companies tend to operate two (sometimes three) shifts and have between 25 to over 100 terminals or keyboard stations each; thus operator employment ranges from 50 to 300. In addition a typical company might employ 10 to 30 administrative and technical personnel and a range of other workers including couriers, dispatch clerks and general manual workers for cleaning and maintenance. The size of the Jamaican operations is thus considerably smaller than those reported for the Dominican Republic or the Philippines, but probably similar to the range of firms operating in Barbados (Freeman n.d.).

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The ownership of the companies also differs from that reported elsewhere in the Caribbean. Of the 25 firms operating, only 5 are US-owned subsidiaries or US/Jamaican joint ventures; the rest are Jamaican-owned, unlike the situation in the Dominican Republic, Barbados, Santa Lucia, or the Philippines where most data entry operations are foreign-owned. Most of the Jamaican-owned companies are owned and managed by a new generation of black entrepreneurs. These are in the main professionally trained people who previously had been employees in the public sector or in private industry during the later part of the 1970's or the early part of the 1980's when computerisation (in the form of main frames) had begun to be introduced at their workplace. They had often received training in the new technology, most frequently acquired out-of-house and supplied by American computer trainers either within the Caribbean or in the USA or Canada. Their work experience had given them initial training in the fast-changing sphere of new office technology and they had acquired some understanding of the growing market for data entry services and the possibility of the growth of off-shore sourcing for this kind of service. In other words these entrepreneurs do not come from the traditional landowning oligarchy nor from the concentrated capital-owning elite of Jamaican society. They are literally products of the post-independence growth in technical and professional education amongst the black middle classes, mainly educated at UWI either in Jamaica or elsewhere. The location of the operations is also worthy of note. Five companies, of which 4 are not fully-owned Jamaican companies, operate in the Montego Bay area on the NW coast of the island; the remainder operate within the Kingston area, mostly concentrated in and around the central business district. Of the Montego Bay companies three (in mid 1989) were operating from within the Montego Bay Free Zone; none of the companies in the rest of the island operated from within any of the other free zones in the country. Indeed, in spite of the fact that the Kingston Free Zone is the largest and oldest established free trade zone, no data entry operations were located there. In contrast it is believed that the majority of the Barbadian and Dominican Republic's data entry facilities are foreign-owned companies which operate from within the free trade zones. One explanation for this lies in the ways in which government incentives for this sector have been included in incentive packages for foreign investment, or have been specifically targeted at the sector itself. In Jamaica only companies which are wholly or mainly foreign-owned are licensed to operate within the Free Zones, and to receive the incentive package available, including remission of import taxes on capital equipment, tax-free holidays, access to subsidised services and - ironically access to the Jamaican Digiport, a high-speed data transmission facility which is located within the Montego Bay Free Zone itself. However, access to the Digiport has not been a critical factor in the Jamaican industry up to now, and therefore has

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not acted as a major disincentive or obstacle for the operations of Jamaican-owned firms without access to this facility (EXIS 1989). More significant, especially in the judgement of the entrepreneurs themselves, is the position on tax incentives, particulary concessions on import duty for capital equipment. Because the bulk of these companies are Jamaican-owned and cannot operate from within the Free Zones, they are excluded from what is regarded as a key promotional benefit, namely exemption from import duty on imported capital equipment. This in part explains the fact that local entrepreneurs rather than foreign investors have been responsible for the high rate of growth in this sector during the 1980's, a growth from 2 to 28 companies since 1984, according to industry sources (EXIS 1989: 11). The industry has evolved by taking up a range of different market opportunities across quite a wide spectrum of data entry operations. Indeed, the range of activities found within the data entry sector is much wider than those found in the larger-scale operations in the Dominican Republic and elsewhere, and owes much to the nature of its ownership and management. In addition to a number of firms specialising in the high speed/high volume coupon/record activities (known in Jamaica as the commodity end of the business), a range of other more highly skilled and specialised activities are also carried out. These include the preparation of technical and engineering documents, transciptions of court records, microfiching of technical journals, the creation of a Jamaican legal data base, autodrafting of architectural and engineering plans, computerisation of the social security system of a smaller Caribbean state and high quality lithographic illustrations for up-market art books. Until the late 1980's the Jamaican industry expanded on a two-fold basis; firstly, the growth in the commodity end of the market, as more clients in North America sought to locate their data entry requirements offshore in order to counter rising labour costs and falling labour discipline, particularly within the metropolitan urban centres where the traditional sources of cheap clerical labour had been found. And secondly, different firms would find their own market niche by establishing a specialised service for a contractor or group of contractors with whom they had an ongoing relationship. Until this time these Jamaican operations were not competing for time sensitive jobs which required access to high- speed dedicated data transmission systems which operated on-line data transmission. Indeed, in spite of considerable media hype in both Jamaica and the United States, the norm of transmission to date has been entirely physical. Typically, each firm has a Service Bureau in the area of North America where its client base has been established - mainly in Florida or the North East. Hard copy has been assembled at a port of exit in the States and flown out by air to Kingston (or Montego Bay). This has been processed through Jamaican customs and couriered to the data entry facility. It is then transferred, generally according to some pre-organised programme or system onto magnetic

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tape or discette. When the job is completed it is reassembled by the dispatch department, taken back to the airport and sent again by courier to its destination. Neither the outward transmission of the hard copy nor, until very recently, the return transmission of the computer-readable data has utilised the telecommunication system. However, this had become an issue by 1989 when the organised voice of the sector was demanding access to the Digiport facilities on the same basis as foreign companies operating within the Free Zone. Jamaican companies had to rely on the JAMINTEL international telecommunication system for fax and other data transmission which was more costly, slower, and less reliable than that offered via the Digiport. Many of the contracts carried out by the industry in the 1980's had required only a 5 to 10 day turnaround period, with rushed jobs completed and delivered within a 72 hour turnaround deadline. However, with increasing competition from other locations within and outside the region and rising interest from foreign capital which had access to the Digiport transmission facilities, the industry was claiming that future growth depended on competing for time sensitive operations. With on-line transmission, Jamaica could compete with national operators within the United States for time sensitive operations involving financial and other sensitive data. The industry argued that it had reached a plateau at which it was poised to recoup the investment in learning and expanding and to extend its operations into a new phase of growth and accumulation (EXIS 1989).

Women Workers in Jamaica's Data Entry Industry: Just Another "Cheap" Labour Force? The previous discussion of the growth of data entry operations in Jamaica to a large extent confirms the view that this industry is in fact dependent on market trends generated by the adoption of new technology in the advanced economies. Jamaican firms compete on the basis of competitive pricing, which inevitably means that it is necessary to keep unit labour costs low through a combination of low wages and high productivity. And, as has been the proven case in off-shore manufacturing, women workers have been the preferred labour force both because they generally command lower wages than male workers and because they can work to higher degrees of productivity. Rather than representing the new high-tech skilled workers of the future, women employed in this sector would seem to comprise a variation on a very old theme - women being employed in low-skilled, low-paid, dead-end jobs with no prospects of moving up any promotion or training ladder. For most women in the industry this is indeed an accurate reflection of their position. Data entry operators are recruited generally directly from high school,

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with no previous work experience (though some come through mainly private commercial colleges, largely because neither government training centres such as HEART nor commercial teaching within secondary schools are sufficiently well resourced in equipment or teaching-capacity to provide even minimal typing training). At the point of recruitment, companies usually require a minimum typing speed of 35-45 words a minute. Would-be employees are subjected to a series of aptitude tests which measure not only their potential for high-speed keyboard operations, but also work attitudes, and facility for dealing with the standard but unfamiliar technology of VDU's and pressurised working environments. Those selected are put through a training programme lasting anything from two weeks to three months during which time they are paid a training allowance to cover travelling and subsistence expenses. Once recruited, they are usually made permanent employees which entitles them to a varying range of benefits, ranging from health insurance, subsidised meals and transportation, pensions schemes (and in one case, childcare facilities were being planned). It is believed that foreign-owned firms operating within the Free Zone offer superior workers' benefits (Barnes 1989). But this may be more related to the kind of work undertaken, given that there are also US-owned firms in down-town Kingston that appear to offer no employee benefits whatsoever. Although most workers are recruited at the age of 17 or 18, in some of the longer established firms age ranges of up to 30 or 35 exist where the wastage of original employees has been relatively low. Most operators achieve a speed of over 10,000 key strokes per data, though 'star' operators have recorded speeds in excess of 90,000. Keyboard operators can progress up a very limited promotion structure, moving from Grade One to Grade Three operators with minimal increments in pay. Further promotion is usually to the job of 'verifyer' which involves responsibility for the accuracy of the output of other operators which can be monitored through the system. Depending on the size of the enterprise, some women are promoted to line or department supervisor, which is the most significant avenue of promotion involving more substantial increases in pay. Payment systems are generally based on a minimum hourly rate, plus productivity related incentives (which vary with the nature and difficulty of the particular job in hand). Basic keyboard operators earn J$2.00 - 3.00 per hour whilst supervisors can earn J$700 - 1400 per month, with US firms paying at the high end of the range (1989 figures when US$1 = J$6 to 7). Although this compares reasonably well with the minimum weekly industrial wage of J$52, the weekly wage of a basic keyboard operator after deductions for travel expenses and meals at work is likely to be much lower. Most keyboard operators tend not to stay in the job for more than two or three years, largely because of the absence of promotion opportunities for all but a very

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small minority. Although there is no documented evidence in Jamaica, it is believed that eye-strain, back injuries and repetitive strain syndrome is a major health hazard for women working under the relentless pace and conditions required of keyboard operators in Jamaica as in other countries (Barnes 1989), so it is not possible to estimate the number of women who leave the industry because of occupationally related health problems. So - in terms of opportunities for promotion, security and longevity of employment, this sector does not perform any better than the garment factories in Kingston's Free Zone although it should be stated that the average weekly wage is substantially higher than the net earnings reported for women workers in clothing factories in 1988 (Anderson 1989). The preceeding discussion would tend to confirm Posthuma's conclusion that women workers in off-shore offices are being "used" only as a low-wage labour force, acquiring little valuable training or skills and with no opportunity for job advancement in these industries" (Posthuma 1987: 45). But, at the risk of sounding unduly optimistic, or of failing to accept the findings of my own research, I would like to argue that this conclusion, though likely, is not inevitable. To do this, I need to open up the whole question of 'skill' which is fundamental both to the aspirations of small economies like Jamaica to bypass generations of industrial development and compete in the world market on the basis of new technologies and the skills associated with it, and to the pessimistic conclusions of other commentators who relentlessly paint data entry as a no-hope occupation for the women employed. Firstly, I think that the specific historical circumstances under which Jamaica's industry has developed - particularly the dominance of a new professional, progressive and educated bourgeoisie - opens up possibilities which are not available in the very different circumstances prevailing in other Caribbean sites of data entry - particularly the Dominican Republic and Barbados. The nature of its development has allowed a diversity of operations to develop within the Jamaican industry some of which are beyond the scope of what is usually meant by data entry and more properly should be described as software design, professional services and information services. Expansion in other Caribbean countries has predominantly consisted of large-scale foreign investment such as CDS's investment of US$ 8 million in a data entry plant that employs 1500 people (Watson 1990 :22).This scale of investment massively dwarfs the Jamaican operations and is equivalent to 60% of Jamaica's total employment and 10% of Jamaica's total investment in the 1984-89 period (EXIS 1989). But, given that Jamaica's wage rates are still some 25% below those of Barbados, and that the political possibilities exist for maintaining a Jamaican industry, it is not inconceivable that the industry could start to compete on the basis of professional skills and services rather than just low operating costs, cheap labour and swift turnover.

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But paradoxically this is unlikely to happen unless significant changes are engineered in the ways in which women's skills are evaluated and rewarded in the labour market. There is a good deal of evidence that women who are employed within the industry are attracted to the possibilities offered by working with new technology and, if given the opportunity would seek to obtain more training and experience, such as the VDU operator quoted below: "What I like most is the opportunity to get to know the computer. You can try and experiment with the machine and get to know it better" (Karen Street, Quality Control Operator, Punchline Ltd, Kingston 5, writing in the companies April 1989 newsletter). Although I did come across several women who had been promoted from keyboard operator to supervisory posts, and in one case to technical manager, Karen Street's situation is much more representative. In spite of being nominated as "Operator of the Quarter" she is pursuing a secretarial course at the Jamaica school of business. Many of the women who leave the industry either through fatigue, frustration or desire for betterment take up secretarial posts. This must be an extraordinary waste of potential skills and technical ability. For in spite of the fact that keyboard operation is low paid and often repetitive, it is an experience with an evolving technology which is quite unique within the Jamaican workforce. Although there is a lot of rhetoric about the new information technology age, few commercial operations such as banks or public sector offices have been computerised. The University of the West Indies (Mona) campus in Kingston has invested in a large number of dedicated word processors which are operated mainly by secretaries, as is the case in most academic institutions, but apparently did not have the in-house capacity to produce an ex-alumnae data base. In addition to the 2,000 plus women currently employed as keyboard operators, there are an additional 2000 who have previously worked and been trained within the industry, whose experience is similarly lost to the economy. The experience and potential for further technical training of these women must be considered in the context of an economy which has a recognised shortage of trained computer technicians. It is indeed a damning reflection on the evaluation of women's skills that workers who have adapted to a highly pressurised work situation, who have shown flexibility in responding to frequently changing job specifications and contents, who have often had to re-write programmes on an ad-hoc basis, who have organised high-speed through-put of data entry jobs at a guaranteed level of accuracy and quality should be considered no more skilled than school leavers with basic typing skills. Instead of being channelled towards managerial or information technology training courses and employment, both the women themselves and their past and potential employers are content to allow them to proceed to secretarial training and employment, where their actual skills and potential talents will remain unrecognised, unrewarded and underutilised.

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This seems to me to pose an important challenge to the universal and fatalistic analyses which cast women's employment experience in this sector as typical and parallel to employment in the garment and electronic assembly factories of the Free Trade Zones in the Caribbean and elsewhere. For all the reasons cited as to why this sector is not located within such zones and is not dominated by foreign capital, a possibility exists for policies to support the development of a high-skilled flexible and innovatory information services sector which could have a role not just within the island but as a centre of technological innovation and development within the Caribbean region as a whole. But in order to make this a possibility, the continuing tendency to write off all women's employment experience as unskilled and unimportant, to afford that experience no currency within the professional labour market must be reversed. Policies which recognise their informal "on-the-job" training, and which construct channels to access formal training for women data entry workers are necessary if this new high technology employment is not to remain another lowskilled dead-end ghetto within the labour market. Bibliography: Anderson, Patricia (1988), "Free Zone Workers in the St. Peter Cleaver Community" Mimeo. Barnes, C. (1989), "Data Entry Demands", Sistren Magazine, Vol 11, No. 3 Elson, Diana and Ruth Pearson (1984), "The Subordination of Women and the Internationalisation of Factory Production" in: Kate Young et al (eds): Of Marriage and the Market, London EXIS (Exporters of Information Services; Subgroup of the Jamaican Exporters' Association) (1989), Going for the Iceberg: A Blueprint from Growth and Development in the Export of Information Services Freeman, C. (no date), "High Tech and High Heels: Barbadian Women in the Off-Shone Information Industry", paper presented to the Fifteenth Annual Conference of the Caribbean Studies Association, Trinidad and Tobago, May Griffith, Winston H. (1990), "CARICOM Countries and the Caribbean Basin Initiative", Latin American Perspective, Vol 17, No.l, Issue 64, p. 33-54 Nelson, K. (1986), "Labor Demand, Labour Supply and the Suburbanisation of Low-Wage Office Work", in: Allen Scott and M. Storper (eds): Work, Production and Territory, Boston Pearson, Ruth (1988), "Telecommunications Technology: The Basis for a New International Division of Labour", Research Paper, Development Policy and Planning Unit, Technology Faculty, Open University Posthuma, A. (1987) "The Internationalisation of Clerical Work: A Study of Off-Shore Services in the Caribbean"; SPRU Occasional Paper Series No.24, University of Sussex. Watson, Hilbourne A. (1990) "Recent Attempts at Industrial Restructuring in Barbados", in: Latin American Perspective, Vol 17, No. 1, Issue 64, p. 10-32

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Verena Stolcke

The Exploitation of Family Morality: Labor Systems and Family Structure on Sao Paulo Coffee Plantations, 1850-1979 "Coffee growing demands not the contribution of casual labour but, indeed, that of "well constituted" families, of at least three hoes". (Boletim do Departamento do Trabalho Agrícola, Sáo Paulo, ano II, no. 72 (1932): # II) A recent exchange over the political meaning of the working-class family's persistence under capitalism has made explicit the contradiction embodied in an institution that both constitutes a source of women's subordination and is able to offer support and solidarity to family members in the face of economic hardship (Humphries 1977; Hartmann and Markusen 1980; Sen 1980). This new perspective challenges the idea that the family is a collectivity of reciprocal interests, a pooling of efforts for the benefit of all members (Harris 1981; Whitehead 1981), and suggests that it is as important to detect the effect that economic change has upon power relations within the household as it is to trace historical linkages between economic process and familiy structure. Assessing the effect of socioeconomic change on the condition of women is a central concern of the historical analysis of the family and gender hierarchy. However, research on the subordination of women during the expansion of capitalism in Latin America has displayed an underlying tension (for example, Young 1982; Deere and León 1982; Roldán 1982). At the core of this tension is a persistent uncertainty about the degree to which capitalist development, understood as the mercantilization of social relations, will undermine traditional links of personal dependence and subordination based on gender and enable women to enjoy the formal freedom that men are supposed to enjoy. This lecture has two related aims: to trace the transformation of the social relations of production on Sáo Paulo coffee plantations from the introduction of free labor in the 1850s to the present, and to detect specific links and interactions among family ideology, gender hierarchy, the sexual division of labor, and the labor systems chosen by the planters. Central to this analysis is the idea that socioeconomic change does not occur in an ideological vacuum. On the contrary, the objective processes of material change are shaped decisively by the preexisting family ideology and gender hierarchy, from which the new conditions derive their meaning.

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Whereas much research into the subordination of women aims to measure women's relative access to once exclusively male privileges, I argue here that we can understand the effect of capitalist development on the condition of women only if we realize that subordination is a social and political relation, historically determined by the circumstances of men in relation to women in society. In this sense I am not making just another attempt to rescue women from their historical invisibility: I am endeavoring to write an anthropological history of which women are an active part.

Educating Labor for Intensive Work The introduction of free labor into Sdo Paulo agriculture is exceptional in that it rested, from the very beginning, on the preference of the planters for contracting labor in family units. The immigrant laborers were recruited by agents in Europe under a sharecropping contract. According to this contract, the planter financed the immigrants' transportation from their country of origin to the port of Santos, advanced the cost of transport from Santos to the plantation, and provided foodstuffs and tools until the laborers could obtain them with their own labor. He assigned them enough coffee trees to tend and harvest and granted a piece of land to produce food crops. The laborers were obliged to refund these expenses with at least half of their yearly returns from coffee cultivation. There was no time limit in the contract, but the amount of the debt incurred for transportation and other advances was clearly stated. Until that debt had been redeemed the immigrants could not move off the plantation (see Stolcke and Hall 1983 for successive changes in the contracts). Upon their arrival on the plantation the immigrant families were settled in often very poor individual houses, built, however, especially for them, separate from the slave quarters. Why did Sio Paulo planters opt for the sharecropping system rather than recruiting individual wage labor, why did they prefer whole families, and what effects did this labor system have on the immigrants' families? These are related questions. Sharecropping in a situation of scarce labor is more efficient than wage labor; it is similar to a carefully negotiated piecework system. Both are forms of the incentive wage system, ways of securing extra effort from labor, of making laborers word harder and better for only a small increase in total remuneration over that of wage labor. Also, sharecroppers are typically recruited in family units, for one or more agricultural cycles. S3o Paulo planters usually explained their preference for family labor by arguing that immigrants accompanied by their families were less prone to abandon the plantations. This is, at most, a partial truth, for it hides the ideological notion of the family as an inherently solidary unit, a notion cherished by the planters themselves. To the planters it was inconceivable that a person would run away and abandon his family.

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This notion of the family had material consequences for the planters because, in fact, the immigrants' families constituted a cheap labor reserve. A sharecropper would usually accept a division of the product that would not fully cover the potential market price of family labor, for if he did not, family labor would remain under- and unemployed; planters at times even prohibited immigrants and their families from working outside the plantation (Davatz 1941). The planter obtained this additional labor at a cost below that which he would have had to pay were he to contract it as wage labor. Coffee is a labor-intensive crop, requiring varying amounts of labor throughout the agricultural year; harvest requires a fifth more labor than cultivation (Ramos 1923, p. 358). The laborers' wives and children could make up this increased demand during the harvest. The food plot assigned to the immigrant families was a way of reducing unit labor costs further. Crops were produced, primarily by women and children, when labor demands for coffee were low. The sharecropping family was expected to produce its own subsistence, without, however, neglecting the coffee groves, which were the planters' main concern. Foodstuffs were intercropped with coffee, planted in low-lying areas not suitable for coffee, or grown on virgin land that would later be planted in coffee. The ideology of solidarity and cooperation within the family, as distinct from non-kin, was an important element favoring the planters' aim to exploit the whole immigrant family to the fullest. As one observer lucidly commented in 1877: "The colonization that has really been useful for us has been that of Germans and Portuguese; the German colono [immigrant laborer] is always hardworking and honest, and when he has a numerous family he offers an incalculable advantage. The head of the family attempts to demonstrate in practice the English proverb - that time is money - and with his family they turn time into their property in such a way that even when they are working in the coffee grove for the planter, they make use of the weeds that grow there to feed their pig and chicken, and when they return home, the children start to work; all of them go to school and when they rest they remove the maize kernels from the cob, build fences, cultivate the food plot, raise chickens and pigs and calves which are the source of subsistence. The wife and the daughters prepare the famous maize bread which is the basis of their food". (Domingos Jaguaribe Filho 1877, p. 19; my translation). This ideology was shared by the workers themselves. One example is their reaction to the clause in the contract requiring all members of a family to be collectively responsible for the family's debt. This clause was especially resented because the Swiss communities of origin often forced families to take along non-kin - "people with whom they had nothing to do" - in order to rid the communities of burdens on their finances (Karrer 1886, p. 69; Natsch 1966, p. 176; Heusser 1857, p. 14).

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Still, in the fifties and sixties, the majority of the planters were dissatisfied with the immigrants' assiduity in work. The initial debt, by reducing the laborers' expected share of the profit, discouraged effort in coffee cultivation. The immigrants systematically diverted labor to food production, where the product belonged to them directly. Productivity in coffee was low, and the planters lacked the means to impose the necessary labor discipline. Only after the 1880s' when the government assumed the full subsidization of the mass immigration that brought one million Italian immigrants into S£o Paulo agriculture over a twenty-year period, did labor productivity in coffee reach a satisfactory level. Subsidized immigration eliminated the initial debt, encouraged significant contract changes, and created the conditions for the constitution of a labor market. Initially one laborer tended no more than seven hundred trees throughout the year. In the eighties the average number was between two thousand and twenty-five hundred trees. The sharecropping system, the labor-leasing contract that succeeded it, and the colonato - a mixed task and piece-rate arrangement that was to predominate in coffee cultivation in S&o Paulo until the 1950s - all presupposed the recruitment of labor in family units. Although the planters' choice was in part inspired by a specific family ideology, the labor system had an equal effect upon the laborers' family structure, morality, intrahousehold relations, and reproductive behavior, and on the sexual division of labor. The family presupposed in the contracts was the nuclear family as a separate residential unit. The contract defined explicitly the functions of this nuclear household: joint labor in coffee cultivation and the growing of the food strictly necessary for the consumption of the family. Retrospectively, it is difficult to assess the quality of intrahousehold relations. The colonato as a wage-incentive system put a premium on work commitment by, and cooperation among, family members and reinforced their interdependence. It strengthened the commonality of interests of the household. The allocation of family labor was decided by the husband or father, as household head, and followed a division of labor by sex and age (see Table 1). The contract was always signed with the head of the family, who also received the family earnings. Children of either sex were expected to contribute their share in looking after small animals and participating in the harvest. The wife was primarily responsible for domestic tasks and the cultivation of the food plot, with the aid of the adult men when they had time left from their main task of tending coffee trees, which required several weedings. Men, women, and children worked together in the harvest.

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Table 1 : Allocation of Family Labor under the Colonato Contract during the Annual Agricultural Cycle Crops/tasks

Family members

Period

Coffee: weeding

Men

Sept. to Apr./May

Coffee: harvest

Men, women, and children

May to Aug.

Food crops: cultivation and harvest

Women and children1

Oct./Jan. to Apr./May

Occasional wage work for plantation

Men

Occasional days throughout the year

Childbearing, child rearing, and domestic tasks

Women

All throughout the year

Significantly, the number of coffee trees assigned to women was usually about half that assigned to men. The husband or father's preeminence and authority over family members derived in part from his relative autonomy to organize the labor process and allocate the family's labor. More difficult to assess are the material benefits he may have derived from this preeminence. There is no information on allocation of income and resources within the household or on decision making beyond the organization of work. As regards work effort, though the tasks differed by sex all household members worked from dawn to dusk in response to the incentives. The income the family received was family income and expressed not individual effort but that of all household members. At times food surpluses were sold, and men would work at odd jobs on the plantations for a day wage. There is no indication that these additional earnings were individually attributed. l

When com or beans were intercropped with coffee, men weeded the crops simultaneously.

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At the level of meaning, however, there is a significant difference between tasks carried out predominantly by men and those carried out by women. Both the weeding of coffee and the cultivation of food crops were regarded as servigo da gente (that is, "our own job") by contrast with daywage labor, which was regarded explicitly as work for the plantation. The coffee harvest paid at the piece rate was part of "our own job," but the product was for "the boss." In the category of "our own job" a further distinction was made between coffee weeding and food growing. Coffee weeding was paid at a task rate per thousand coffee trees per year - that is, a kind of incentive wage. The number of coffee trees tended by a family depended as much on its work capacity, as determined by household composition, as on its labor intensity. The allocation of family labor was left to the husband or father, but labor intensity depended largely on family members' own will to work. Coffee weeding was, in fact, regarded as trabalhar por conta (to work of one's own accord); one stopped when one wanted, and there were no set times. Weeding was done mainly by men. A significant characteristic of this task was the degree of autonomy it allowed the worker. The workers perceived the fact that this relative autonomy was the precondition for high labor intensity but appreciated it as an opportunity to increase their income. Food growing, predominantly done by women, was seen by contrast as trabalhar para a genie or plantar para a gente (to work or grow food for ourselves). Within the general category of "our own job," the task carried out by men was defined by the workers' autonomy it implied. Although women also worked of their own accord, their tasks were conceived to be work for the collectivity. Analysts frequently have regarded the food plot given the workers under combined cash-crop and self-provisioning systems as a form of payment in kind (Palacios 1980; Kageyama et al. 1982; but cf. Sallum 1982). This is a double mystification. It obscures the labor input required to produce foodstuff and the fact that self-provisioning reduced not only the money wage; the labor invested by workers in growing their own food also diminished the cost of reproduction of labor in absolute terms. The workers themselves, in this case predominantly women, invested part of their labor power in producing food for the family, a practice that allowed the planters to pay work in coffee at a lower price. Self-provisioning was thus an additional source of exploitation, specifically of the women. But the definition of food growing as "work for ourselves" indicates that this mystification was shared by workers themselves, both men and women. Only one women among my informants pointed out that when she was weeding corn she was not earning anything. Planters not only preferred families to single workers; they favored large families. The greater the proportion of workers to consumers in a family, the greater its productive capacity. Under the sharecropping system, the laborers' income depended directly on the intensity of their work in coffee. Under the colonato system,

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however, coffee cultivation was paid at a fixed task rate per thousand trees per year. Income thus depended not only on the number of trees taken by the family but also on the task rate set by the planters. Planters calculated the task rate by taking as a basis a family containing at least three adult workers. Thus, under the colonato, small families were even worse off than under the preceding system (Maistrello 1923). As one experienced planter rejoiced in 1877: "These families are truly patriarchal both because of their size and their morality, solidarity and love of work.... The families from the Tyrol are still the most advantageous ones for the planter because of their size. This advantage is considerable: the greater number of workers, beyond accelerating emancipation of the colono, which is an edifying example, offers the planter a better guarantee, because the collective responsibility of all warrants the whole payment of the debt even if some family members are forgetful of their obligations" (Visconde de Indaiatuba, 1952, p. 245; my translation). The planters' interest in the size and composition of immigrant families influenced demographic behaviour by placing a premium on high fertility. This emphasis, in turn, affected the sexual division of labor. Having a large number of children, although it might initially have meant a considerable burden on the mother and father, implied that after the first years the family's productive capacity would increase year after year. By contrast, a family with few children was disadvantaged throughout the family life cycle (Heusser 1857; Ozorio de Almeida 1977). A mother with a large number of children would be fully occupied with childbearing and rearing during a considerable period of her life and would have less time left for extradomestic activities. Domestic tasks were, however, recognized as essential and duly valued. As a French observer noted in 1879: "The conclusion to be drawn is that... the more numerous a family is the greater the help it can offer its head to redeem himself of the initial debt.... The help and arms of his children constitute a natural aid, the more precious the more numerous they are, and the woman while she minds her own business, is also productive in the home, without her presence being indispensable in the fields, a thing that will become necessary if the family is composed of few members" (Turenne 1879, p. 451; my translation). By allowing only those families with good productive capacity to redeem their debts and accumulate, the colonato had consequences for the wider social structure as well. The degree of exploitation to which the immigrants were subjected and the opportunities for upward mobility offered by the colonato are much-debated issues (Holloway 1980; Dean 1976; Stolcke and Hall 1983; Sallum 1982). With the beginning of mass immigration in the eighties, living and working conditions became particularly harsh. Restriction of output in coffee at an individual family level had been one form of resistance to the sharecropping arrangement. With increasing

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control over the labor process, strike action became more frequent. The largest strike occurred in 1913 and mobilized ten to fifteen thousand workers. "Politically, the family labor system was also relevant: the laborers did not adopt the system of head or leaders because this would have meant reducing to misery and persecution some of the most valuable members of this union. They acted in groups of four to five families in accordance with the friendship within these groups, having not one leader for this group but rather one family in charge of transmitting the thoughts of the secret collective leadership which was the one that solved all problems" ("Um Socialista," in Pinheiro and Hall 1979, p. 117; my translation). Even so, there was a measure of upward mobility and social differentiation between the workers. Combined with other factors, such as movement to the newer coffee areas where planting rights were more favorable or marriage into a better-off family, family size and composition were decisive in enabling immigrants to move out of the plantations and establish themselves on their own (for a similar process see Deere and de Janvry 1981). As the division of labor on the plantations increased, planters chose labor more consciously according to the laborers' family status and the specific requirements of the job. Single men were usually employed as avulsos, laborers recruited exclusively for the harvest or for special tasks, or as camaradas, workers in coffee processing and transport. Camaradas - a category that also often included young families were resident wage laborers paid on a monthly basis. Large families were employed as colonos (Carvalho de Moraes 1870, p. 66; Bollettino UCICA 1903, p. 73; Domingos Jaguaribe Filho 1877, pp. 19, 32). Gangs of men contracted for specific tasks were called, significantly, turmas de solteiros (gangs of bachelors) (Ramos 1923, p. 120). Having a family was an advantage for employability. In addition, camaradas were less secure in their jobs (Dean 1976, pp. 170-71). This factor must have made marriage all the more attractive. The labor system had already affected marriage, in that the initial indebtedness, and the planters' efforts to recoup their investment, curtailed marriage choices. Women usually followed their husbands in marriage, and parents, fathers in particular, tended to intervene in their daughters' marriage preferences. A child left the family upon marriage to set up a separate household. In order not to forgo their investment, planters would prohibit marriage with a girl from another plantation unless the employer of the bridegroom was willing to pay off her debt (Heusser 1857, p. 48; see also Domingos Jaguaribe Filho 1877, p. 32). The extraordinary coffee boom at the turn of the century is proof that subsidized mass immigration and the colonato system, resting in part on the capitalist exploitation of the family, was most successful in solving the labor problem that had been posed by the abolition of slavery. A Prussian agronomist observed at the time that

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the colonato was "the most perfect possible labor system," the product of Sáo Paulo planters' "untiring effort and intelligence" (Kaerger 1892, pp. 333, 335). Subsidized immigration continued until 1927, but planters recruited more and more national labor, generally from among those driven out of the Northeast by economic misery. At first national labor was contracted temporarily for specific tasks, but eventually whole families were employed as colonos. This change required some revision of the planters' traditional prejudiced view of the caboclos as idle, undisciplined, and immoral. As one contemporary observed: "I still have to say what I have heard about the morality of the national laborer. It is good, very good. Well constituted families, mutual respect among the spouses, deference on the part of the children toward their parents.... Isn't it remarkable that in the wild sertdes (backlands) and distant lands, where civilization arrives only rarely, an institution such as monogamous marriage should have been preserved.... Isn't it extraordinary that an institution which is justly regarded as the flower of Christian civilization should have persisted in the nature of such a race despite the wildness of the environment in which they live?" (Papaterra Limongi 1916, pp. 365-66; my translation)

The Transition from Family Labor to Individual Wage Labor The ordinate expansion of coffee growing generated the first overproduction crisis at the beginning of the century. By the late twenties, government intervention and the recovery of the international market after the First World War produced a new coffee boom. The economic crisis of 1929 found coffee planters with the largest coffee harvest ever. Cattle, sugar cane, and cotton for the expanding textile industry were only gradually substituted for coffee, and large numbers of colono families were left out of work. An indication of the comparative profitability of the colonato system over straight wage labor is the fact that the remaining coffee continued to be cultivated under this labor system. Only in the late 1950s did the planters increasingly recruit casual labor for work in coffee. Coffee enjoyed a new, though brief, recovery in the 1950s when it expanded into the neighboring state of Paraná and returned to the older coffee regions in Sáo Paulo. New, more productive coffee varieties were introduced, and contour farming was used to prevent erosion. To increase the productivity of soil, coffee trees were planted closer together and organic fertilizer was applied to exhausted soils. Intercropping of foodstuffs became less frequent as coffee trees were planted closer together; intercropping was frowned upon also because it reduced yields on poorer soils, especially undesirable at a time of rising coffee prices. At the same time planters were increasingly reluctant to grant separate food plots - because they

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wanted to put those lands to other use but also because they hoped to increase the productivity of labor in coffee cultivation. Mechanization of coffee weeding, however, continued to be regarded as incompatible with the colonato system (Agriculture em Sao Paulo 1952). Even the limited innovations listed above altered the traditional annual labor demand cycle, accentuating demand peaks during the coffee harvest. By this time planters recruited colonos mainly to meet the labor demand for coffee weeding, using additional casual labor for the harvest. The colonos themselves, deprived of planting rights and without compensation in wages, abandoned the plantations for better opportunities either in other regions or in industry. The new system made labor supply more flexible and freed planters from any of the obligations stipulated in the labor statute in 1963. By 1970, of a total agricultural labor force of eighteen million in Brazil as a whole, over six million were casual laborers. In Sao Paulo in 1971 about 25 percent of the agricultural labor force worked as casual wage laborers, the so-called volantes (flying workers) or boias-fries (cold food). Note, however, that about 50 percent of the agricultural labor force consisted of smallholders and their unpaid family labor. The laborers formerly resident on the plantations moved to the periphery of small towns in the interior of the state. In many of these towns homogeneous neighborhoods of little self-built houses or huts sprang up during the 1960s. These workers no longer have land or the time to produce their own subsistence. The volantes recall the colonato as the "time of abundance." With the exodus from the plantations, the "time of money" set in. Now it is only through the market that they can have access to use value, and they are entirely dependent on market forces. Because they are contracted individually on a temporary basis, economic uncertainty has increased. The end of the colonato produced the turmeiro, who recruits, transports, and oversees the laborers and serves as mediator between them and the estate. Laborers are typically recruited on a weekly basis, though they may work in the same gang and on the same estate for longer periods of time. Women and children from the age of about twelve, as well as men, have become casual laborers working in gangs. Roughly 25 percent of the casual laborers are women, though women's participation rate varies regionally, depending on the supply of men and on the alternative work opportunities for men.

Conclusion The transition from the colonato to wage labor was not a passage from an idyllic life of abundance, personal gratification, and happiness to one of misery and demoralization. Such an impression would be inaccurate. The colonato was a labor system based on the extreme exploitation of family labor, and as such it reinforced

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the nuclear family as a set of social relations and moral values. The colonos were aware of their exploitation and resisted it when they could. Under the present system of temporary wage labor, because of declining real wages, cooperation between family members is as vital as ever. On the other hand, the new relations of production, by individualizing labor and depriving the men of important attributes, have had a disintegrating effect on personal relations within the household and between households. These contradictory pressures are particularly felt against the background of the colonato. The transition from the colonato system to temporary wage labor on Sáo Paulo coffee plantations is only one instance of the more general operation in economic processes of detectable extraeconomic, ideological and cultural forces. In this case, planters organized production on the premise of a specific family model and in so doing created material constraints that reinforced this family form as a set of social relations and values. The laborers' reaction to economic change is, in turn, mediated by their belonging to a family and by the social roles assigned to them within it. The contradictions that mark this process are the compounded result of economic pressures as they are experienced in the light of social values and expectations. It has been shown that wage labor has affected women and men in different ways because the transformation in the relations of production was mediated by former cultural values regarding sex roles and the sexual division of labor. Women also perceive the roots of their present situation differently than men. They share men's general interpretation of their exploitation but also blame their husbands for the increased burden they have to bear. Women are keenly aware of their greater exploitation in comparison to the men. On the other hand, however, by demanding that their husbands fulfill the traditional role of provider, these women are endorsing those institutions - marriage, the family, and the sexual division of labor within in - that are the root of their exploitation and subordination as women. References: Agricultura em Sáo Paulo (1952-present), Sáo Paulo: Boletím da Divisáo de Economía Rural, Secretaria de Agricultura. Bollettino Ufficiale della Camara Italiana di Commercio ed Arti in Sáo Paulo, February 1903. Carvalho de Moraes, J.P. (1870), Relatório apresentado ao Ministério da Agricultura. Rio de Janeiro: Ministério da Agricultura. Davatz, Thomas (1941), Memória de um colono no Brasil (1850). Sáo Paulo: Livraria Martins. Dean, Warren (1976) Rio Claro: A Brazilian Plantation System, 1820-1920. Stanford: Stanford University Press.

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Ilse Lenz

Subsistenzproduktion und Geschlechterverhältnis: Umrisse einer entwicklungspolitischen Debatte

In der Frauenforschung findet gegenwärtig eine kritische Selbstreflexion grundlegender Ansätze, Begriffe und Perspektiven statt. Es geht um eine Überprüfung der eigenen Diskurse unter der Fragestellung, inwieweit sie nicht gegen ihre Intention für neue Geschlechtsstereotypisierungen oder Instrumentalisierung von Frauen herangezogen werden konnten. So wurde der instrumenteile Charakter kritisiert, mit dem unter der Parole "Integration der Frauen in die Entwicklung" Frauen für einkommenschaffende Projekte angeworben wurden (Wichterich 1987). Die Frauenförderung wurde - z.B. in der Bevölkerungspolitik - zum Bestandteil der Entwicklungsideologien der großen internationalen Institutionen wie der Weltbank (Mertens 1989; Rott 1989). Frauenforschung gerät hier an die Grenze zum Herrschafts wissen. Jedoch können auch Theorieansätze, die explizit Frauenunterdrückung durch patriarchalische Herrschaft aufdecken wollen, problematische Prämissen über die Geschlechter übernehmen. Sie gehen von bestimmten Annahmen über Frauen und Männer aus, die sich zu Geschlechtscharakteren mit neuen Weiblichkeitsnormen jenseits der angesprochenen Frauen verdichten können. Ich will eine solche Selbstreflexion anhand der Debatte zur Subsistenzproduktion vesuchen, die wichtige feministische Ansätze in die Soziologie einbrachte, aber einen erneuten Geschlechtsdualismus und starre Zuschreibungen nicht immer vermieden hat.

Subsistenzproduktion und Lohnarbeit - Trennlinien geschlechtlicher Arbeitsteilung im Kapitalismus? Auf die Subsistenzproduktion im Zusammenhang zu Frauenarbeit und -Unterdrückung hat uns Ester Boserup mit ihrer klassischen Studie Women's Role in Economic Development (London 1970) gestoßen. Sie zeigte, daß Frauen in der Subsistenzproduktion verharrten, d.h. Eigenanbau für die Versorgung ihres Haushalts, vor allem ihrer Kinder betrieben. Männer wurden dagegen in den Markt integriert und dadurch und durch den westlichen Kolonialismus mit seiner Geschlechterideologie relativ privilegiert.

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Vor allem die Arbeitsgruppe Bielefelder Entwicklungssoziologinnen hat in der Folge das Spannungsfeld von Subsistenzproduktion und Geschlecht im Kapitalismus umrissen. Ich bringe eine sehr knappe Zusammenfassung, die sich auf ihre frühen Arbeiten stützt, und illustriere sie an dem Bericht von Domitilia Chungara, einer Hausfrau in einer bolivianischen Bergarbeitersiedlung: "Mein Tagewerk beginnt um vier Uhr morgens, besonders wenn mein Mann in der ersten Schicht arbeitet. Dann mache ich ihm das Frühstück. Dann müssen die Saltenas (Pasteten, I.L.) gemacht werden, denn ich mache einige 100 jeden Tag und verkaufe sie auf der Straße. Ich mache diese Arbeit, um zu ergänzen, was am Gehalt meines Mannes fehlt, um den Haushalt zu unterhalten... Dann muß ich die Kinder fertigmachen, die morgens zur Schule gehen, dann die Wäsche waschen, die ich am Vorabend eingeweicht habe...Die Kleider kosten noch mehr. Also versuche ich alles, was ich kann, selber zu machen. Kleidung, um uns zu wärmen, kaufen wir nicht fertig. Wir kaufen Wolle und weben...Im allgemeinen lege ich mich um 12 Uhr nachts schlafen. Wir sind schon daran gewöhnt. Gut, ich glaube all das zeigt sehr gut, wie man den Minero doppelt ausbeutet, nicht wahr? Weil die Frau zu Haus viel mehr arbeiten muß, da er so wenig Geld bekommt. Letzten Endes ist es eine Gratisarbeit, die wir für den Eigentümer machen, nicht wahr? (Viezzer 1979:36-7) Hier finden wir bereits die wesentlichen Elemente des Begriffs der Subsistenzproduktion: ihre Gegenüberstellung zur Marktproduktion, ihre materiellen und psychischen Bestandteile und die Subsumtion (Unterordnung) unter das Kapitalverhältnis. Domitilia bereitet Lebensmittel für den Straßenverkauf zu (Marktproduktion), webt selbst Tuch und näht Kleider daraus, wäscht die Wäsche und versorgt ihre Kinder (Subsistenzproduktion). Wir können also Subsistenzproduktion definieren als jede Form von Arbeit, die auf die Herstellung von Gebrauchswerten für den unmittelbaren Konsum der Haushaltsmitglieder gerichtet ist, also direkt in die Wiederherstellung (Reproduktion) dieser Menschen eingeht. Sie besteht auch im Kapitalismus noch fort und ist ein wesentlicher Bestandteil der Versorgung der Menschen und damit der Reproduktion der gesellschaftlichen Arbeitskraft. Schließlich sind beide Tätigkeitsfelder, Markt- und Subsistenzproduktion funktional für die kapitalistische Akkumulation. Da die Subsistenzproduktion nicht entlohnt wird, kann das Kapital sie sich "gratis" aneignen und so einen großen Teil der Reproduktionskosten auf sie "externalisieren". Diese Definition bezieht sich auf die Subsistenzproduktion im Kapitalismus. Ich denke, daß sie inzwischen zu den Grundlagen der neuen Frauenforschung gehört als ein Suchbegriff, eine heuristische Kategorie, mit der die menschliche Arbeit in ihrer Breite und Vielfältigkeit, sowie ihrer Teilung und Kombination zwischen den Geschlechtern aufgespürt werden kann.

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Das Mißverständnis liegt nahe, Subsistenzproduktion und Gebrauchswertproduktion gleichzusetzen und anzunehmen, daß beide in kapitalistischen Gesellschaften einen Gegensatz zur Lohnarbeit darstellen. Den logischen Gegenpol der Subsistenzproduktion bildet jedoch der Markt; während Subsistenzproduktion und Marktproduktion beide Gebrauchswerte für den menschlichen Konsum herstellen, liegt ihr Unterschied in der gesellschaftlichen Vermittlung: Gebrauchswerte aus der Subsistenzproduktion werden unmittelbar durch den Haushalt konsumiert und gehen so in die Reproduktion der Arbeitskräfte ein. Gebrauchswerte, die in Marktproduktion hergestellt werden, müssen zunächst den "Salto mortale" der Ware vollziehen, d.h. sie müssen auf Bedürfnisse auf dem Markt treffen und dort eingetauscht werden. So kennzeichnet der Begriff Subsistenzproduktion eine Form der Produktion, die ähnlich abstrakt und epochenübergreifend wie die Marktproduktion ist, aber sie konstituiert in sich nicht schon ein festes Produktionsverhältnis, schon gar nicht mit klaren Trennlinien zwischen den Geschlechtern. Männliche Gartenbauern bei den Trobriandern, die Yams für ihre Schwestern anbauten, Lumpensammlerinnen im brasilianischen Slum, die Brennstoff, Kleider und Nahrungsmittel suchen, und westliche Hausfrauen betreiben alle Subsistenzproduktion. Grund genug, die Frage nach den jeweiligen sozialen Verhältnissen in Haushalt und Gesellschaft, die die Stellung von Frauen und Männern mit prägen, immer wieder zu betonen. Ich will dies Verhältnis von Markt und Subsistenzproduktion kurz noch etwas weiter beleuchten und dann auf die Stellung der Geschlechter eingehen. Die absolute Gegenüberstellung einer autarken Eigenproduktion mit entwickeltem Markt ist ein uraltes Thema der europäischen Staatsphilospohie und politischen Ökonomie seit Aristoteles. Wir sehen den Markt als ausschließenden Gegensatz zur Subsistenzproduktion, und die Modernisierungstheorie hat ihn auch zum vorrangigen Motor der Entwicklung erhoben. In dieser Konfrontation gehen zwei Aspekte unter. Einerseits haben Märkte und Subsistenzproduktion in vielen Regionen jahrhundertelang parallel existiert und aufeinander Bezug genommen. Andererseits müssen die Märkte in sich unterschieden werden: grundlegende Typen etwa sind Subsistenzmärkte für den täglichen Austausch, übergreifende Handelsnetze, in denen Geld akkumuliert wird, und der Markt als Regelungsfaktor kapitalistischer Wirtschaft auf der Makroebene. In der Debatte um die Subsistenzproduktion gilt es besonders, zwischen diesen Typen von Märkten zu trennen. Bei den Überlebensstrategien der Armen treffen wir vor allem auf Subsistenzmärkte, d.h. auf einen einfachen Austausch von Waren für den täglichen Bedarf und ggfs. die verschiedenen Fonds des Haushalts. Auch der Verkauf der eigenen Arbeitskraft oder ihr Einsatz ließe sich in dieser Suche nach Subsistenz verorten. Die Nutzung von Märkten wird aufgenommen in Strategien zur Reproduktion der Arbeitskräfte, und mit sich ausweitender Geldwirtschaft wird sie deren unerläßlicher Anteil.

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Der Markt als makroökonomischer Steuerungsfaktor in Industriegesellschaften oder im kapitalistischen Weltsystem hat völlig andere Funktionen. Diese können sich z.B. auf die Verwertung von Kapital und den Ausgleich zwischen den verschiedenen Branchen und Industrien richten. Es besteht also ein Unterschied zwischen dem "Marktsystem", das die Gesamtökonomie regelt und steuert, und zwischen den Aktivitäten, die auf die Reproduktion der Menschen und Arbeitskräfte bezogen sind. Einige Autorinnen, vor allem Veronika Bennholdt-Thomsen, haben nun diesen Unterschied auf eine Art Trennlinie zugespitzt und Frauen- und Männerarbeit auf ihren beiden Seiten verortet. Die Subsistenzproduktion sei weiblich, die Markt- und Geldwirtschaft sexistisch (1987). In der Gegenwart lassen sich relativ übergreifend Tendenzen zur Feminisierung der kleinbäuerlichen Subsistenzproduktion und zu priviliegiertem Zugang von Männern zu Marktmöglichkeiten feststellen (vgl. u.a. Moore 1988:74-97). Dementsprechend entzündete sich eine Kontroverse über Frauen in der Entwicklung daran, ob sie eher Chancen in der Subsistenzproduktion oder in der Lohnarbeit haben. Veronika Bennholdt-Thomsen hat eine sehr klare Stellung bezogen: Die Subsistenzproduktion soll weiblich bleiben (vgl. 1987:32). Diese Gleichsetzung von Subsistenzproduktion mit der Frau, Markt- und Geldwirtschaft mit einem sexistischen Herrschaftsinstrument orientiert sich für mich an zugeschriebenen, dualistischen Geschlechtscharakteren; aufgrund der realen Variationen der geschlechtlichen Arbeitsteilung zwischen Subsistenz und Markt ist sie empirisch nicht haltbar. Als ein Beispiel aus der vorkolonialen Zeit möchte ich auf die Großregion Südostasien verweisen, die einen Knotenpunkt des Welthandels zwischen China und dem Nahen Osten darstellte. Seit Jahrhunderten verliefen überregionaler Handel, lokaler Handel und Subsistenzproduktion parallel in aufeinander abgestuften Netzwerken: Überschüsse aus Subsistenzproduktion oder Marktfrüchte liefen in den Handel ein. Eine Geschlechtsgrenze läßt sich zwischen Fernhandel und lokalem Handel vermuten, nicht aber zwischen Subsistenzproduktion und Markt. Gegenwärtig lassen sich heute in Afrika, Asien und Lateinamerika mindestens die folgenden wichtigsten Formen von Einkommenserwerb feststellen, die die armen Haushalte bei der Suche nach dem Überleben häufig koppeln: -Subsistenzproduktion -Subsistenzmärkte -Lohnarbeit in personengebundenen Dienstleistungen, teils mit hoher Abhängigkeit (Dienstboten, Waschen usw.) -Zwangsarbeit u.a. von Kindern oder von Prostituierten •Lohnarbeit auf Basis von spezifischen Arbeitsverträgen. Alle Formen außer der Subsistenzproduktion beziehen sich auch auf Marktproduktion und sie umschreiben unterschiedliche Produktionsverhältnisse von der for-

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mell eigenständigen Subsistenz-Vermarktung bis zur halbwegs freien Lohnarbeit. Sie sind ferner nicht einfach sektoral zuzuordnen: So findet sich Subsistenzproduktion nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der Überlebensproduktion der städtischen Armen und kennzeichnet die Versorgungsarbeit der Hausfrauen in den Industrieländern. Daran schließt sich meine erste einfache These an: Es gibt auch in der kapitalistischen Entwicklung keine eindeutigen Polarisierungen zwischen weiblicher Subsistenzproduktion und männlich dominierter Lohnarbeit, sondern widersprüchliche Entwicklungen in der geschlechtlichen Arbeitsteilung. Denn diese umfaßt die ganze Breite der oben angesprochenen Erwerbsformen, die meist in Koppelung mit der Subsistenzproduktion ausgeübt und oft mit Kinderversorgung kombiniert werden können. Deswegen stehen sie häufig auch Frauen neben den Männern offen. Erst mit der betrieblichen industriellen Lohnarbeit ergibt sich ein systematischer Zwang zur Trennung zwischen Heim und Betrieb; Er drückt sich aber nicht in einem völligen Ausschluß der Frauen aus der Lohnarbeit aus, sondern er wird in einen zentralen Faktor für die Spaltung der geschlechtlichen Arbeitsmärkte umgewandelt. Da Frauen potentiell Kinder versorgen und Hausfrauen sind, also potentielle Gratis-Subsistenzproduzentinnen, werden sie auf niedere Ränge verwiesen. Meine zweite These lautet: Die geschlechtliche Arbeitsteilung muß im Kontext der lokalen, regionalen oder nationalen ökonomischen, kulturellen und sozialen Konstellationen betrachtet werden, so daß globalisierende Strategien nicht sinnvoll sind. Die landwirtschaftliche Produktion der "Dritten Welt", in der laut einer Schätzung etwa die Hälfte der Frauen der Welt beschäftigt sind, ist in weiten Teilen durch eine Feminisierung und eine parallele Verschlechterung der Bedingungen der Subsistenzproduktion gekennzeichnet. Als wichtigste Ursachen wurden die Konzentration der Männer auf cash crops, sowie ihre Migration in städtischen Zentren und die Lohnarbeit genannt. Abgestützt werden diese Entwicklungen jedoch durch die Besitz-, Erb- und Kooperationsregeln in den patriarchalischen Haushalten; denn sie ermöglichen, daß die Arbeitskraft der Frauen als Produzentinnen und Gebärerinnen unter männlicher Autorität genutzt wird. Wir kennen aber Gegenbeispiele, bei denen Frauen gesicherte Positionen in der cash crop Produktion oder auf dem Markt erhalten oder ausbauen. Veronika Bennholdt-Thomsen nimmt in ihrer Untersuchung über die Marktfrauen von Juchitan an, daß die soziale Stärke der Frauen aus einer moralischen Ökonomie herrührt, in der die Würde der Frau und die Achtung vor dem Überlebenswert der Subsistenzproduktion nicht verlorengegangen sind (vgl. 1988:142ff). In Westsumatra konnten die Frauen sich eine starke Position in Subsistenzproduktion und regionalen Märkten, sowie hohe soziale Anerkennung erhalten. Ihre Stärke leitet sich nicht nur aus Leitwerten der Gemeinschaft wie die Subsistenzorientierung und der Würde der

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Frau her, sondern stützt sich auch auf die Besitzrechte, die eigenständige, aber komplementäre Arbeitsteilung, die soziale Organisation der Haushalte und der Gemeinschaft, sowie eine symbolische Ordnung, in der die Frauen hohen Wert haben (Lenz 1990; Lenz/Luig 1990). Soziale, ökonomische und kulturelle Elemente beeinflussen das Ausmaß, in dem Frauen ökonomische Chancen nutzen können und selbst daraus eine langfristige Sicherung beziehen. Als wesentliche Faktoren für die konkrete Konstellation der geschlechtlichen Arbeitsteilung wurden aufgeführt: - die wirtschaftlichen Strukturen, etwa Exportorientierung der Landwirtschaft oder Konsumgüterindustrien mit relativ hoher Frauenbeschäftigung im Gegensatz zu eher männlich besetzten Schwerindustrien, - die kulturellen Geschlechtsnormen, - die Nutzung und Ausbeutung der Frauen in den haushaltlichen, den gemeinschaftlichen und ggfs. den betrieblichen Formen der Kooperation, des Besitzes und der Entscheidung, - "Geschlechterpolitik im Alltag", d.h. Forderungen und Widerstand vonseiten der Frauen und - die staatliche und politische Normierung der Geschlechtsverhältnisse (vgl. Moore 1988) Es ist einsichtig, daß diese Faktoren schon lokal, erst recht national sehr unterschiedlich zusammenwirken. Die Emanzipation der Frauen aus der materiellen und persönlichen Unterdrückung kann nicht allein durch den Rekurs auf die Subsistenzproduktion als eine sehr vielfältige Form der Produktion geschehen. Wir brauchen vielmehr in mehrfacher Hinsicht integrierte Strategien, die die Subsistenzproduktion als eine Grundlage des Überlebens in einem breiten Spektrum an regionalen Erwerbsformen neben Subsistenzmärkten und Lohnarbeiten wahrnehmen. Meine dritte These lautet: Es ist nicht sinnvoll, Frauenpolitik global in einem vermeintlichen Gegensatz zwischen Subsistenzproduktion oder Lohnarbeit zu verorten. Vielmehr muß die Vielseitigkeit der weiblichen Lebenszusammenhänge zwischen Subsistenzproduktion, Kleinhandel, Dienstbotenarbeit oder Lohnarbeit - die oft schon in einer Biographie umschlossen sind - beachtet werden. Keine Person kann heute ohne Subsistenzproduktion oder ohne eigenes Einkommen mit gewisser Eigenständigkeit überleben. Die Beispiele für ein erfolgreiches Festhalten der Frauen an der Subsistenzproduktion umfassen meist auch einen eigenständigen Zugang zum Markt und Verfügung über ihr Geldeinkommen - oder das des Haushaltes, wie etwa bei den Minangkabau. Ebenso bewegen sich auch Lohnarbeiterinnen in den Neu Industrialisierten Ländern (NIL) wie etwa Südkorea und Malaysia zwischen Lohnarbeit und Subsistenzproduktion als Hausfrau oder im städtischen Slum (vgl. Lenz 1988a).

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Der Variationsbreite von Lebensläufen sollte eine Vielfältigkeit von fraueipolitischen Strategien entsprechen, und ein Rückfall in das herkömmliche dualilische Denken "Emanzipation durch Lohnarbeit oder im Haushalt" vermieden wtrden. Zudem sollten die Strategien sich nicht auf die Arbeit beschränken; Es wäre ledauerlich, wollten die Frauen zur Zeit des Zusammenbruchs der bisherigen Enwicklungsstrategien nun ihrerseits eine neue ökonomisch verkürzte Variante dei Subsistenzproduktion vorschlagen. Gerade die "Frauenfrage" erinnert dauernl und penetrant an die Notwendigkeit einer integrierten soziokulturellen und ökaiomischen Entwicklung.

Feministische Entwicklungsutopien und Subsistenzproduktioi Jenseits der gegenwartsbezogenen Strategien wurden umfassende feminirtische Entwicklungsutopien auf dem Konzept der Subsistenzproduktion aufgebau. Die Nähe der Subsistenzproduktion zu den Grundbedürfhissen im weiten Sinne leß sie als sinnvollen Ausgangspunkt feministischer Utopien für die Gesamtentwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft erscheinen. Eine umfassende Zukunftsutopie entwickelt Maria Mies auf der Grundlag: verallgemeinerter Subsistenzproduktion und regionaler Autarkie. Sie sieht darb eine Annäherung von Produktion und Konsum, die zusammen mit einigen aideren Grundprinzipien zum Tragpfeiler einer neuen moralischen Ökonomie werdei soll, um ein Wirtschaften nach Bedürfnissen entsprechend der Subsistenzprodukton zu ermöglichen. Diese Grundprinzipien enthalten die Aufhebung aller Spaltungen und Ausbeutungsverhältnisse, die Anerkennung der natürlichen Begrenzungen uiserer Umwelt und der weiblichen Autonomie über Körper und Leben. Der Ken des Ansatzes liegt in einem "feministischen neuen ArbeitsbegrifT, der Last und Lust in der Arbeit sieht, sie nicht mehr von der Freizeit und Lebenszeit scheidet und sinnliche Interaktion mit dem Leben und natürlichen Kreisläufen darstellt. Mies verweist hier auf das Leitbild der Mutterarbeit anstelle des Lohnarbeiters (1986:215), ist aber auch von Erfahrungen der kleinbäuerlichen Produktion beeinflußt. Sie kritisiert mit diesem Arbeitsbegriff das "linke Verständnis der Arbeit", von der man sich durch Reduzierung und Abschaffung der Arbeit mittels technischer Rationaliserung emanzipieren müsse. Von Freiheit spricht sie im ökonomischen Konteit der Befreiung von Ausbeutung, Individualismus erscheint eher als Hindernis für diese Utopie, und die klassisch demokratischen und linken Fragen der politischen und sozialen Entscheidung über die Produktion sind ausgeklammert. Kritisch weitergeführt wurde dieser Ansatz durch Erika Märke: Sie nirnnt an, daß eine Rückkehr zur Subsistenzproduktion in der heutigen Weltwirtschat nicht

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durchsetzbar ist, sieht aber ihren positiven Gehalt in dem alten Sinn der Selbstversorgung, mit dem sich drei wesentliche Merkmale verbinden: Eigenständigkeit im Sinne einer Nicht-Abhängigkeit/Autonomie, ... Selbstgenügsamkeit im Sinne eines Nicht-Expansionismus, sowie... ein "Aus-sich-selbstheraus-Bestand-haben" im Sinne der Bewahrung kultureller Identität (Märke 1988:167). Eine solche Selbstversorgungswirtschaft wäre eine ökologische "Bedarfswertökonomie", in der die "reproduktiven Tätigkeiten" und damit heutige Frauenarbeiten eine hohe Bewertung erführen. Ihre Grundkriterien richten sich auf Bedarfsgerechtigkeit, Minimierung des Ressourcenverbrauchs, Menschen- und Umweltfreundlichkeit der Produktionsmethoden. Dazu bedarf sie einer Auswahl von modernen Produktionsmethoden und Techniken, die die Subsistenzproduktion diversifiziert und aufwertet, sowie regionale Marktsysteme, die Geldwirtschaft und Gütertausch kombinieren. Schließlich entspricht der ökonomischen Selbstversorgung und Eigenständigkeit in dieser Utopie auf politischer und soziokultureller Ebene eine dezentralisierte Gesellschaft mit egalitären und partizipativen Einheiten. Ihre Grundzüge sollten sich schon gegenwärtig in einem Netzwerk verwirklichen, das Frauen und Männer in Organisationen, Institutionen und autonomen Gruppen verbindet (Märke 1988). Ich habe u.a. zwei Kritikpunkte an der ersten Utopie: der ungebrochene Geschlechtsdualismus, der die Gleichsetzung von Frauen als Kollektivgruppe mit der Subsistenzproduktion noch einmal radikalisiert, und die Ausblendung des Demokratieproblems. Ich denke, daß die Negativsicht auf den Individualismus der modernen Gesellschaft den Zusammenhang zwischen beiden neuralgischen Punkten bildet. Eine Sicht des Geschlechtsdualismus oder der "Zweigeschlechtlichkeit" (vgl. Lenz 1991) faßt Frauen essentialistisch als wesenhaft gleiche Gruppe; so unterläuft sie die Problemlagen des Individualismus und der "Fröste der Freiheit", die aber untrennbar zu den Persönlichkeitsrechten der Frauen in modernen Gesellschaften zählen. Die Demokratiefrage im Zusammenhang mit der Subsistenzproduktion ist noch völlig ungeklärt. Es lassen sich zwar bestimmte Prinzipien wünschen, doch haben wir für die Entscheidungsstrukturen in der Subsistenzproduktion nur Aussagen über meist patriarchalische Haushalte und staatliche Subsistenzwirtschaft in "sozialistischen" Ländern, während Angaben über Mitbestimmung oder gar Demokratisierung noch ausgeblieben sind. Während der Markt als Steuerungsfaktor der Makroebene vielfaltige Institutionen entwickelt hat, um regelmäßige Abstimmungen und Konsensfindungen festzuschreiben, fehlen solche Überlegungen für die Utopie einer Subsistenzproduktion noch weitgehend. Der Rückgriff auf eine moralische Ökonomie mit bestimmten Prinzipien reicht mir nicht. Denn in der Regel herrschen auch in der Ökonomie nicht Prinzipien, sondern Interessengruppen, die ihre Chan-

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cen zur Aneignung von Gütern und Vorrechten durchsetzen und erhalten wollen. Davor sind Frauen nicht gefeit. Dabei will ich nicht unter der Hand den Markt als alleinigen makroökonomischen Regelungsfaktor ausgeben, aber die Herrschaft von Prinzipien verkehrte sich schon zu oft in die Diktatur über die Bedürfnisse der vielen. Das Konzept der Subsistenzproduktion als potentiell selbstbestimmte Form des Überlebens kann Entwürfe für feministische Utopien anregen: Wie sind die Befriedigung der Bedürfnisse, die ökologische Revitalisierung der Umwelt, in der wir alle leben, und Freiheit zu verbinden. Im Gegensatz zur deutschen Diskussion rückt z.B. Baruch in einer globalen Darstellung die Freiheit in den Brennpunkt der feministischen Utopie und deutet zugleich die Rolle weiblicher Bindungen an: "For men, Utopia has often involved imposing control over the individual who is seen as a threat to the group. For women, on the contrary, Utopia is a way of arriving at freedom. Perhaps because they have been allowed so little individuation, women do not see the individual as a threat to society... For man, Utopia is the ideal state; for most women, Utopia is statelessness and the overcoming of hierarchy and the traditional splits between human beings and nature, subject and other, man and woman, parent and child...Perhaps women are better able than men to reconcile the individual and the group because women have traditionally subordinated their needs to those of others." (1984:xii) Die Subsistenzproduktion kann mit ihrem unzerstörbaren Kern zwischenmenschlicher Beziehungen, unmittelbarer Befriedigung und Selbstgenügsamkeit (Märke 1988) zum Ausgangspunkt von Utopien werden. Doch können diese der Herausforderung durch die Selbstbestimmung der Individuen und die politische Demokratie nicht ausweichen; dabei könnten sie einen neuen Freiheitsbegriff jenseits des Marktes befördern, der Frauen und Männer meint. Literatur: Arbeitsgruppe Bielefelder Entwicklungssoziologen (1979), Subsistenzproduktion und Akkumulation. Saarbrücken, Fort Lauderdale. Bennholdt-Thomsen, Veronika (1987), Die Ökologiefrage ist eine Frauenfrage. Zum Zusammenhang von Umweltzerstörung, Kapitalakkumulation und Frauenverachtung. In: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis. 10. Jg Nr. 19 S. 29-42 - (1988), Überleben in der Wirtschaftskrise und die Würde der Menschen. Zwei Beispiele aus Mexiko. In: Peripherie 30/31 S. 132-156 Boserup, Ester (1970), Women's Role in Economic Development. London. DAWN (1986), Morgenrot für die Feminisierung der Entwicklung. In: Peripherie 25/6 S.143165.

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Brechungen der Moderne in der Literatur Carlos Rincón

Vorwort Dentro de los trabajos del grupo sobre literatura y cultura, el encargo de repensar "dispositivos teóricos generales", dada la tendencial eliminación del Estado nacional como mediador o como fuente de interpelación para la constitución de identidades, dentro de procesos propios del circuito desarrollo global-culturas locales, recibió impulsos de dos series de fenómenos y procesos contemporáneos que han contribuido a poner de presente esa necesidad. En primer lugar, la existencia de un gran número de textos de gran calidad en donde se pone en cuestión o se desconstruye la legitimidad basada en el concepto de nación, debidos a narradores como Gabriel García Márquez, Carlos Funtes, Juan Carlos Onetti, Augusto Roa Bastos, Ignacio de Loyola Brandáo, o de promociones más recientes como Edgardo Rodríguez Juliá y Juan José Saer. Al mismo tiempo, su tematización de la identificación nación-dictador, de los fenómenos de represión a nombre de la autonomía nacional o la disolución misma de la idea de nación, no son reductibles a conceptos como el de "alegoría nacional", propuesto por Fredric Jameson para la generalidad del llamado Tercer mundo. 1 La segunda serie de fenómenos y procesos toca tanto con la concepción general de las literaturas del subcontinente y la interpretación de sus desarrollos recientes como con el proceso de recepción internacional de ellas desde mediados de los setenta. La doble caracterización de las letras latinoamericanas como literaturas a la vez "dependientes y heterogeneas", se ha podido relacionar con la adaptación del concepto de lo moderno y las teorías de la modernización unidas al pensamiento de Max Weber y a la primera fase de los intentos de su superación. Las dos principales teorizaciones generales sobre el proceso que venían cumpliendo las literaturas, y más en particular la narrativa en el subcontinente desde mitad del siglo, resultan claramente selladas por esas formas de pensar lo moderno. Tanto la elaborada por Angel Rama sobre la base de la noción de "transculturación", tomada de Fernando Ortiz y del culturalismo antropológico, como la de Emir Rodríguez Monegal sobre la puesta al día de la narrativa del subcontinente a través de la transferencia tecnológica de los clásicos modernos, ante todo de Joyce, hasta acceder a la adopción de 1

Frederic Jameson, Third World Literature in the Era of Multinational Capitalism, in: Social Text, 15/1966, p. 65 ss.

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un nuevo paradigma que estaría constituido por la llamada "novela del lenguaje", son teorías de la modernización literaria. Es de subrayarse que ya a finales de los setenta, fue precisamente dentro del campo de los estudios literarios, aupados por la teoría de la dependencia estructural, en donde primero cristalizó un concepto alternativo de lo moderno literario y cultural: el de "modernidad periférica". Lo específico de las letras - y más ampliamente de la producción cultural - latinoamericanas se fijó en productos híbridos y sincréticos propios de específicas heterogeneidades, tales como el realismo mágico, el neobarroco, la literatura de testimonio, la teología y la pedagogía de la liberación. Tomados en forma aislada o vistos en su conjunto, a esa clase de productos se les asignó un papel diferenciador como específicos de la "modernidad periférica latinoamericana". De aquella modernidad propia de esa realización particular de la historia de Occidente que constituiría la historia del subcontinente, lo inédito de su experiencia de lo moderno. La discusión sobre la concepción de lo moderno en Weber condujo, como primer resultado, al establecimiento de un catálogo de carencias, en donde el tema de la diferenciación tuvo un papel regulador. En ese catálogo se incluyeron, con signo positivo o negativo, como propios del subcontinente y codeterminantes de los procesos literarios, la no institucionalización de la diferenciación entre los tres sistemas funcionales autónomos, la no institucionalización de normas de comportamiento económico-administrativo propias de la racionalidad instrumental, la no existencia de barreras morales como valores personalmente incorporados en el ejercicio económico, la no colonización contemporánea del mundo de la vida por el Estado y la economía, la no conformación de identidades abstractas del yo y de formas de individualización sobre la base de modelos de socialización propiamente modernos. A través de la crítica del normativismo de la versión de lo moderno que tomaba entonces como modelo absolutizado los procesos europeos y norteamericanos y de la discusión de las posiciones frente a esa versión de figuras como Octavio Paz, Leopoldo Zea y de críticos de la modernidad venidos de sectores vinculados a la Iglesia católica, se perfiló ese concepto de "modernidad periférica". Como señaló Karsten Garscha (Frankfurt a.M.) en la sesión plenaria final, el proceso literario contemporáneo está sellado por el descentramiento a través del cual las literaturas de la periferia están en el centro. A la vez que tipos de narración y ficción que hasta los setenta se consideraban excluyentes por la crítica latinoamericana, como los representados por Jorge Luis Borges - la llamada "literatura fantástica" - y Gabriel García Márquez - el "realismo mágico" -, fueron colocados en su recepción internacional más reciente bajo la denominación única de "magic realism", el realismo mágico se convirtió en un tipo de ficción susceptible de escribirse en todas las latitudes. En sus metaficciones, escritores como Italo Calvino, Thomas Pynchon, Günter Grass, Umberto Eco acogen ante todo, en su recepción

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de Borges y García Márquez, estrategias de escritura para imaginar otras formas de historia. En cambio, la recepción de esos mismo autores, sobre todo la de García Márquez, en las más diversas literaturas del Asia, del Africa y de los países de la Unión Soviética - de modo que el paradigma dejó de ser proporcionado por textos "metropolitanos" -, lo mismo en Salman Rushdie que en Sony Labu Tansi, en el Japón por parte de Inove Hisashi o en China por parte de quienes, como los escritores agrupados dentro del movimiento "Xungen wenxue", se interrogan a través de la ficción acerca de una identidad cultural, pone de presente otra línea de intercambios. Son problemas del encuentro con lo moderno y de la constitución de un propio mundo moderno a través del acoplamiento de diferentes y dispares elementos desde lo regional y lo local, lo que se consigue narrativizar con su decisiva ayuda. Macondo, lo local por excelencia, es así el modelo del Buranny de Aitmatov y el Vineland de Pynchon. Esta situación se complica, como lo señalaba en un comentario Karl Kohut (Eichstätt), con la aparición de nuevos dispositivos teorizadores generales tales como las teorías de lo postmoderno en literatura. A partir de los años 1979-1981, la cuestión de las relaciones entre la literatura y lo postmoderao pasó a convertirse internacionalmente en uno de los núcleos del debate en torno al Postmodernism. Si bien algunos críticos continuaron tratando de fijar una forma particular de New Fiction como lo postmoderno (Cecilia Tichi y su idea de que la ficción postmoderna es video-fiction), el horizonte de interrogaciones se redimensionó. ¿Cuáles son las consecuencias literarias de la condición postmoderna? ¿ Hasta qué punto obras o textos particulares pueden ser manifestaciones del cambio macroestructural, de paradigma o de dominante cultural que se intenta designar como Postmodernism? Lo que en este punto sobre todo interesó: dentro de ese marco de nuevos interrogantes, ficciones de Borges, García Márquez, Carlos Fuentes, Julio Cortázar, pasaron a tener un triple papel protagonístico para teóricos (Hans Robert Jauß, Umberto Eco), críticos (Brian McHale, Gerhard Hoffmann, Gerald Graff, HannsJosef Orthel, James Mellard), y novelistas (en primer término, John Barth con sus dos manifiestos sobre la ficción postmoderna), que abordaron la cuestión. Según escribe el comparativista Douwe W. Fokkema: "It can be argued that Postmodernism is the first literary code that originated in America and influenced European literature, with the possibility that the writer who contributed more than anyone eise to the invention and acceptance of the new code is Jorge Luis Borges, active as a writer of fiction since the 1930s."2

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Douwe W. Fokkema: Literary History, Modernism, and Postmodernism. Amsterdam/Philadelphia, 1984, S. 38

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En una gufa general sobre la ficción postmoderna Larray McCaffery sostiene: "If a single work may be said to have provided a model for the direction of postmodern fiction of the 1970s and 1980s, it is probably García Márquez's One Hundred Years of Solitude, a work that admirably and brilliantly combines experimental impulses with a powerful sense of political and social reality. (...) It thus becomes an emblem of what postmodernism can be, being self-conscious about its literary heritage and about the limits of mimesis, developing its own organic form of experimentalism, yet managing to reconnect its readers with the world around them".3 McCaffery encuentra "a similar synthesis at work" en novelas que van desde Midnight's Children de Rushdies hasta LETTERS de Barth. Bajo el término de "magical realism" o como los polos o la encarnación de un variable paradigma, y sin referencia ninguna a una historia o un proceso literario propios, esas ficciones pasaron a: 1. definir canon y periodización de lo postmoderno literario; 2. ilustrar las convenciones mayores en materia de composición, sintaxis del texto y de la frase, campos semánticos, transformaciones y características propias del discurso narrativo postmoderno; 3. ser manifestaciones de la visión postmoderna o del teorem de la posthistoria. El grupo de trabajo se concentró en dos momentos, a los que intentó abordar desde nuevas perspectivas metodológicas. En primer lugar, en los inicios del Proyecto de lo moderno, como aquel que partió del Renacimiento y fue extendido con gesto imperial por encima del Atlántico, proyecto de hacer dominable y darle forma al mundo en el espacio y en el tiempo, bajo las premisas de la universalización y la infinitud de ese propósito, de acuerdo a los criterios de la razón instrumental. Con la gran división entre mundo de la escritura alfabética y mundo de la voz, las sociedades indígenas y más específicamente las sociedades tribales del subcontinente fueron colocadas al margen de la historia. Mientras la historia y el cambio histórico fueron pensados con ayuda exclusiva de criterios temporales y cronológicos, la historia tenía que ser obligatoriamente una - o para ser más precisos: la historia universal era la historia europea. Con ayuda de la nocion de diferenciación se podían pensar retrazos, discronías o la simultaneidad de lo no simultáneo, cuando más. A partir del momento en que la transformación histórica fue determinada también con ayuda de categorías especiales y relaciónales, cuando geografía, clima, etnia, formación social, región, localidad, nación, y sus relaciones variables, con 3

Larry McMafTery (Hrsg.): Postmodern Fiction. A Bio-Bibliographical Guide, New York-Westport, Connecticut-London. 1986, S. XXV-XXVI

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diversas contrapartes - alteridades - se incluyeron en esa determinación, la historia se convirtió en historias. Con el relativismo cultural las sociedades tribales americanas también entraron a incorporarse en un repertorio cultural y en octubre del 74, en el I Congreso indio de Sudamérica, como lo precisa Michel de Certeau, se reconoció la necesidad de que los mismos indígenas debían ser sus propios historiadores. En el contexto de los primeros contactos entre el Proyecto de lo moderno tal como se desarrollaba en Europa y el Nuevo Mundo, la consideración de la cuestión de la alteridad, de las fronteras del sujeto y del Otro cultural han dado lugar a diversas teorizaciones, a partir de distintas concepciones del discurso y la textualidad. En el caso de las comunicaciones de Dietrich Briesemeister (Berlín) y Martín Lienhard (Berna) debe destacarse el recurso a la investigación de estereotipos, en donde son reelaborados problemas de semiótica de la imagen y del concepto de signo, y de una noción ampliada de conciencia histórica, para constituir nuevos objetos de investigación. Luiz Costa Lima (Rio de Janeiro) consiguió presentar modificaciones históricas básicas con respecto a la confrontación entre Razón política y Razón utópica, que tuvo lugar inicialmente en la Europa del Renacimiento, sobre el horizonte de la constitución de nuevos Estados. La época contemporánea ofreció el segundo campo de trabajo. Las contribuciónes de Petra Schumm (Berlin) y Víctor Farías (Berlin) se centraron sobre la actualidad. El examen de la constitución de las imágenes de Latinoamérica bajo las condiciones de los medios electrónicos, a partir del estudio del estereotipo del "sudaca", sirvió para proponer una practica interdisciplinaria en torno al problema de la función de las imágenes de si mismo y las imágenes del Otro. La comunicación sobre El tamaño de mi esperanza, de Jorge Luis Borges, pertenece a la más reciente actualidad en la medida en que Borges intentó impedir cualquier recepción de ese libro y de sus tesis, al coartar su circulación y prohibir cualquier nueva impresión. Gracias a este descubrimiento de Víctor Farías, las relaciones de ese libro con la transformación de la "Gran aldea" de 1879 al "París de Latinoamérica" de 1912 y de allí a la "ciudad sin esperanza" de Le Corbusier en 1929, el carácter de respuesta a la modernización unida a la corriente migratoria que tiene el criollismo particular de Borges, aparecen como determinantes de su propio proyecto literario.

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Martín Lienhard

El pensamiento "histórico" en algunos cantos y relatos quechuas Es probable que la heterogeneidad, más que la referencia a la cultura andina prehispánica, sea lo que caracteriza, en el momento actual, la situación cultural global del área de los Andes centrales (Ecuador, Perú, Bolivia). Heterogeneidad en movimiento constante que no remite sólo a la oposición entre una cultura hegemónica de ascendencia europea y las culturas marginadas de origen prehispánico, hispanoandino, chino o - remotamente - africano. Las proprias culturas marginadas en su conjunto y cada una de por sf, en efecto, ostentan un grado a veces alto de diferenciación "interna". Así, por ejemplo, la llamada "cultura quechua" corresponde, en rigor, a un conglomerado multiforme cuyos portadores son unos sectores socioculturales y unas poblaciones regionales de características muy variadas. En vez de plantear las pautas de una hipotética visión histórica andina o quechua me limitaré aquí, pues, a comentar algunos núcleos de pensamiento histórico semi-tradicional que aparecen en dos discursos convencionales - canto y narración mítica (o semimítica) - de algunas comunidades campesinas quechuahablantes de la sierra central o meridional del Perú. Aún así, no se debe olvidar que estos núcleos, en medio de los complejos y contradictorios procesos culturales que van experimentando estos sectores, coexisten con otros más "modernos".

El pensamiento histórico quechua en el momento de la conquista y en los decenios inaugurales de la Colonia Antes de rastrear el pensamiento histórico que subyace a algunos cantos y relatos del campesinado quechua moderno (sur andino del Perú), conviene recordar brevemente lo que singularizó las concepciones históricas de la población quechua "incaica". Las fuentes verbales, para este tipo de investigación, son notoriamente indirectas. Se trata, por un lado, de los fragmentos de discurso indígena que se hallan, bajo formas más o menos reconocibles, en algunas crónicas españolas de la primera época colonial, y por otro, de los escritos que algunos letrados indígenas redactaron a más de medio siglo de la conquista. El concepto quechua fundamental para evocar el tiempo y sus efectos sobre la sociedad es el de 'pacha', vocablo que se podría traducir por 'mundo' y que remite,

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en términos nuestros, tanto al tiempo como al espacio. En todas las sistematizaciones quechuas del pasado social, las rupturas mayores aparecen como un cambio de pacha, que afecta la sociedad de los hombres y su relación con el cosmos natural. Estas rupturas reciben el nombre de pachakuti, "volteamiento del mundo", término que significa una "revolución" cósmico-social. La diferencia entre un mundo y el siguiente o el anterior parece estribar en el predominio de uno u otro de dos principios, hanan y urin, "arriba" y "abajo". Sin que se pueda determinar con seguridad el punto de arranque de estos principios, es probable que se originan en la división por clanes de una hipotética undidad social mínima. Las aglomeraciones andinas ofrecen, efectivamente, una división oficial en dos mitades o sayas, respectivamente "de arriba" y "de abajo". Si hartan se asocia con el sol, el día, el sexo masculino, el poder político etc., urin aparece vinculado a la luna, la noche, el sexo femenino, el poder religioso, etc. Hanan y urin mantienen relaciones de competición, de complementaridad, de reciprocidad. Todos los niveles de la cosmología quechua se hallan divididos en mitades de arriba y mitades de abajo. Como lo muestra la representación incaica del espacio andino, cada mitad se puede subdividir, a su vez, en una mitad de arriba y otra de abajo. Esto significa que la mitad hanan no se puede considerar como exclusivamente hanan, puesto que contiene una mitad urin, y que la mitad dominada por urin se ve cuestionada, de algún modo, por la presión de hanan. Si proyectamos esta relación sobre un horizonte "temporal", aparece que cada pacha, si bien predomina hanan y urin, se halla en una contienda permanente con el principio opuesto. La ruptura se produce cuando éste, finalmente, logra imponerse sobre el primero. Todo esto significa, también, que el pasado sigue activo en el presente en tanto "embrión" de un futuro que volverá a actualizar, aunque no de manera estricta, el pasado. La historia aparece, pues, como una especie de alternancia de mundos dominados respectivamente por hanan y urin. Por otro lado, la historia propiamente incaica ponía de relieve la subdivisión del "presente" en períodos que corresponden a los reinados sucesivos de los doce Incas, ofreciendo así la imagen de una evolución lineal. Es altamente verosímil, sin embargo, que la visión incaica de la historia, novedad en las regiones recién conquistadas, no haya podido imponerse fuera del área central y las "sucursales" del Cusco en otras partes. En todo caso, una vez desaparecido el sistema incaico, no se halla rastro, salvo en los trabajos españoles o indígenas que intentan rescatar el pasado incaico, de un pensamiento histórico lineal. En cuanto a un pensamiento histórico basado en el cómputo de los años, tal como aparece en algunas crónicas tardías, sobran motivos para pensar que se trata de especulaciones de origen europeo.

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Es en los documentos que evocan el movimiento mesiánico del taki onqoy (Millones 1990), "descubierto" por les españoles hacia 1565, que se descubre la primera formulación explícita de un pensamiento histórico no incaico sino "quechua", es decir propio de la población indígena marginada de habla quechua. Según los danzantes-predicadores de este movimiento, se está acabando la mita o "turno" de mandar del dios cristiano, y las wakas, tradicionales divinidades tutelares de las comunidades quechuas, crearán "otro nuevo mundo y otros gentes". Si el empleo del concepto de mita, "turno", indica la vigencia de la concepción de la alternancia de mundos opuestos, la alusión a una humanidad y un mundo nuevos remite directamente al concepto antiguo de pachakuti. Los predicadores insisten en que el cambio, que ellos presentan como inminente, se dará gracias a la lucha que libraron las wakas. Si el dominio español no aparece sino como un "turno", el retorno a la vida antigua no parece implicar necesariamente un retorno al sistema incaico. Contrariamente a los Incas, cuyo dominio no duró, en fin de cuentas, sino según la región - de pocos decenios a poco más de un siglo, las wakas representan un elemento característico e imprescindible de la vida quechua. El impacto de la conquista en el pensamiento histórico autóctono significa, por lo menos en este caso, el abandono de las innovaciones incaicas (la sucesión lineal) y la consolidación de las concepciones más tradicionales, más adecuadas a la situación de gran dispersión que van experimentando las colectividades quechuas bajo el régimen colonial. La documentación - testimonios indígenas y mestizos - que existe acerca de un movimiento mesiánico que tuvo lugar, unos 250 años más tarde, en la provincia de Huancavelica (Lircay), tiende a confirmar, punto por punto, estas observaciones (Pease 1974).

El pensamiento histórico quechua en algunos textos actuales a) Relatos míticos En nuestro siglo, los géneros discursivos privilegiados para estudiar el pensamiento histórico quechua son, por un lado, las narraciones míticas, y por otro, las recitaciones o cantos que forman parte de ciertas prácticas o performances rituales. Entre los relatos quechuas que tematizan la historia andina, o parte de ella, los más conocidos - no necesariamente los más difundidos ni los más representativos son los que atribuyen un papel protagónico a Inkarrí y Qollarrí, en el área cusqueña, o únicamente a Inkarrí, en el área chanka: departamentos actuales de Huancavelica, Ayacucho, occidente de Apurímac (Ossio 1973, Müller 1984). Como la interpretación de este tipo de relatos ha sido el objetivo principal de numerosos

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trabajos científicos, me podré ceñir aquí a lo que más interesa para nuestro propósito. Compitiendo con Qollarí (Cusco) o solo (área chanka), Inkarrí funda una capital, Cusco, y una civilización basada en una agricultura de cierta sofísticación. Un adversario surgido no se sabe bien de dónde, llamado a veces Españarrí, ahuyenta o descabeza a Inkarrí. En las versiones chankas, el cuerpo de Inkarrí se va recomponiendo poco a poco a partir de su cabeza. Se espera, pero con ciertas dudas, que Inkarrí vuelva o resucite para reordenar un mundo que anda como de cabeza. En términos de pensamiento histórico, estos relatos ofrecen un parentesco evidente con el discurso de los danzantes-predicadores del taki onqoy: el mundo, puesto al revés por la irrupción de los españoles, tendrá que dar otra media vuelta para caer otra vez sobre sus pies. La diferencia mayor está en la sustitución de las wakas por Inkarrí, personaje que parece, si partimos de su nombre, representar a los Incas. Su actuación, sin embargo, recuerda más bien la de los héroes míticos los wiraqochas, Thonapa etc. - que figuran en los mitos de origen quechuas transcritos después de la conquista. Esta diferencia, notable, concierne ante todo la función del texto para la colectividad: si en 1565, la referencia a la poderosa realidad de las wakas traduce una actitud militante a favor de la transformación del mundo, la alusión al Rey Inca, en 1950 o 1990, tiene sin duda un sentido distinto: la afirmación, a través de una explicación del mundo propia, de una identidad distintiva. Si los relatos del área chanka se centran en la lenta recomposición de Inkarrí, los del área cusqueña privilegian más bien la fundación del Cusco, realizada a modo de competición con Qollarí. Su sistema temporal, más complejo, ambiguo y variable que el de los relatos chankas, subraya también tres mundos sucesivos, que coinciden parcialmente con los de aquéllos: el de los ñaupa o gentiles, el de los Incas y los españoles, y el del futuro, caracterizado a veces como el del retorno del Inca. Pero lo que más llama la atención en las narraciones cusqueñas es la superposición o la imbricación de edades de tradición indígena y cristiana medieval (Gioachino da Fiore). Así, la primera edad recibe también el nombre de época de Dios Padre, la segunda la de Dios Hijo, y la tercera, la de Dios Espíritu Santo. De este modo, el hipotético retorno del Inca llega a coincidir con el día del Juicio que inaugura el reino de los seres alados. El uso paralelo de categorías indígenas y cristianas no desemboca en una visión verdaderamente sincrética, sino que traduce más bien una falta de fé en las capacidades explicativas de uno y otro de los modelos disponibles, subrayada todavía por la forma dubitativa o interrogativa de muchas oraciones. Muchos relatos quechuas contemporáneos se centran, sin referirse explícitamente a la conquista y al proceso histórico que ella desencadenó, a una transformación cósmico-social presentada, según el caso, como necesaria, inminente o -

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utópicamente - realizada. En este tipo de relatos (cf. "Kutimanco" o "Amigo ratita" en Oregón 1984, o "El telar de los antiguos" en Szeminski 1982), los narradores se interesan en lo que provoca esta transformación: la ruptura de la reciprocidad que debe caracterizar, según las concepciones tradicionales, las relaciones entre los hombres o entre la sociedad humana y el cosmos natural.

b) Danzas Si los relatos míticos quechuas parecen, pese a su temática "mesiánica" o "milenarista", relativamente independientes o desvinculadas de la prática política efectiva de la colectividad, otros discursos "históricos" intervienen, como lo hizo en su momento el de los danzantes-predicadores del taki onqoy, en un proceso de toma de conciencia o de movilización. Los versos de escarnio de los campesinos de Rumitaqe: En el texto del enfrentamiento violento que opuso, en 1921, a los campesinos de Rumitaqe (Canas, Cusco) y un grupo de hacendados, los primeros dirigieron a los segundos los siguientes versos de escarnio [Valencia Espinosa s/f1]: Yau ladrun suwa sipisqaykin kunan karaqo Imamanmi hamuranki wasiykuta llaqtaykuta [...] Qankuna nirankichisraqchu karaqo kunantawanmi ñaupaq hiña qonqorachaspa sirviwanki nispa Kunan punchymanta chayqa karaqo tukukapun [...] kunan makiykipi wañunkichis Kunan manañan ñaupaq hinañachu kayku manañan muspaykuchu ni puñuykuchu 1

Traducción M.L.

Oye ladrón bandido hoy te mataré carajo Para qué has venido a nuestras casas a nuestros pueblos No decían ustedes carajo hoy como siempre como en el pasaso bien de rodillas me has de servir (diciendo) A partir de hoy ésto carajo se terminó [...] hoy de nuestras manos van a morir Hoy ya no somos como antes ya no soñamos ni dormimos

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Kunanqa allintanan rikchariyku karaqo

Hoy pues hemos despertado del todo carajo

Con su sarcasmo triunfalista (subrayado por la repetición rítmica de un carajo tomado en préstamo de los mistis), estos versos recuerdan los discursos de insultos que acompañan las actuales batallas rituales. Su función fue sin duda doblemente "incitativa" o, para adoptar el términio usado por el lingüista Jakobson, conativa: levantar el ánimo de los campesinos y provocar, al mismo tiempo, la ira de los hacendados. En cuanto a las concepciones históricas subyacentes, el texto de Rumitaqe establece implícitamente tres niveles temporales: un pasado anterior a la invasión de los mistis; un presente-pasado caracterizado por la pesadilla de la opresión misti; y un presente-futuro, tiempo en devenir, cuyo término no podrá ser sino el restablecimiento del pasado remoto. En la articulación de los niveles temporales (el futuro como restabecimiento del pasado), reconocemos inmediatamente el principio de la alternancia de dos mundos opuestos. Pero ahora, no parece ser el predominio de los principios cosmológicos harían o urin que los distingue, sino la dominación político-social de los mistis o su ausencia. Si en el sistema tradicional, la ruptura cósmico-social era o sería obra de las wakas, de Inkarrí o de otro héroe mítico, ahora se insiste en el papel protagónico del colectivo "nosotros", de los hombres, del campesinado. La "revolución" será el resultado de su toma de conciencia (manañan muspaykuchu, ya no deliramos).

La danza guerrera de Toqroyoq: En la comunidad campesina de Toqroyoq (prov. de Espinar, Cusco), una danza guerrera dedicada a Domingo Huarca Cruz se ha convertido, en los últimos años, en una "pieza" central del ciclo festivo (29 de junio). Domingo Huarca, líder, en las provincias de Espinar y Canas, de uno de los movimientos (mesiánicos) de insurrección que sacudieron la sierra peruana en los ños 20, fue ajusticiado cruelmente por las tropas represivas. Se lo acusó en ese tiempo de la muerte del hacendado Alencastre, "interlocutor" de los versos de escarnio que acabamos de presentar. Si los códigos musicales, coreográficos y rítmicos de la danza siguen pautas "tradicionales", el texto "histórico", producto de una investigación "oral", traduce las aspiraciones de una nueva generación campesina, arraigada en a tradición colectiva pero imbibida, a la vez, de una moderna cultura sindical y política. Como

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en los "versos" anteriores, la función del propio texto parece más "incitativa" que conmemorativa2: Domingo Huarcata presuta hapispa (bis) Cuando tomaron preso a Domingo Huarca Hasta Yaurikama chayarachisqaku [...] Hasta Yauri lo llevaron [...] Domingo Huarcaqa suyay nirapuni "Esperen" dijo Domingo Huarca Domingo Huarcaqa rimariranpuni a hablar se puso Domingo Huarca Qepa wiñaqkuna sayariychis nispa (bis) "Los que habéis de crecer levantáos" dijo (bis) Domingo Huarcata sipirapusqaku (bis) A Domingo Huarca lo mataron (bis) sonqonta aysaspa le sacaron el corazón qallunta aysanku la lengua le sacaron pampa pampaman en la tierra en la tierra chakatayarunku [..] lo crucificaron [...] Domingo Huarcaqa supay qaripunin Domingo Huarca fue un hombre endemoniado Llaqtanta munaspan wañuntapas tarín [...] por haber querido a su pueblo encontró la muerte [...] La voz del mártir campesino se dirige a los qepa wiflaq, a los-que-vienen-creciendo-atrás, a la posteridad: de hecho a los presentes que resultan, como siempre en el arte oral, espectadores a la vez que "actores" - posiblemente no sólo de la danza, sino de la historia. Domingo Huarca es un campesino más, pero también un hombre excepcional; su epíteto, supay (nombre que los misioneros impusieron al diablo cristiano), recupera su valor más antiguo de "espíritu visionario". La muerte de Domingo, lejos de aparecer como un punto final, anuncia, como la de Inkarrí o la de Tupac Amaru (otros heroes "míticos" despedazados que esperan su recomposición), como la de Jesucristo igualmente crucificado, la llegada de otros tiempos: su voz, pese a la lengua cortada, sigue vibrando en la de sus descendientes. 2 La grabación de esta danza me fue ofrecida gentilmente por Claudio Orós (Cusco). Transcripción por Nilo Tomaylla (Ginebra) y el autor de estas líneas.

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La danza de la muerte de Arriaga, Qotaña: En último ejemplo nos permitirá confirmar la existencia de una visión histórica quechua que no se limita a explicar el mundo, sino que participa entrañablemente en el proceso de su transformación. Una danza creada por los comuneros ce Qotaña (Tungasuca, Canas) evoca la ejecución del corregidor Arriaga por los mienbros del movimiento tupamarista. Se trata, por lo tanto, de la puesta en escena de un suceso histórico viejo de dos siglos. Pero como lo mostrará el fragmento siguiente, esta puesta en escena no es histórica o conmemorativa: Huk nisqalla puririsun, huk sonqolla qaparisun Wañuywanña tupaspapas, aman imata manchankichu Kay llaqta runa sayariyña, hoq sonqolla kapunapaq ñoqanchispas puririsun Sangararaq llaqtaman Chaypiñataq tupamusun, llaqtanchista defendespa Hakullaña kunanpacha, Sangararé llaqtaman. Andaremos como uno solo, gritaremos como un solo corazón Aún encontrándonos con la muerte, nada vamos a temer Gente de este pueblo, despierta ya, para volvernos un solo corazón Nosotros también caminaremos hacia el pueblo de Sangarará y allí pelearemos, defendiendo a nuestro pueblo Vamos nomás ya, ahora mismo, al pueblo de Sangarará 3 El canto asume una perspectiva que parece ser la del colectivo insurrecto de 1780. Cabe notar, sin embargo, que la enunciación narrativa no interpone ninguna distancia entre su tiempo y el tiempo de los sucesos evocados. Es pasado histórico se ofrece al auditorio como si fuera el presente, mientras que la propia insurrección se proyecta hacia el futuro. La voz del canto incita a los auditores a incorporarse a la guerra, a marchar sobre Sangarará: pueblo donde las fuerzas tuFamaristas alcanzaron, el 18 de noviembro de 1780, una clamorosa victoria sobre las tropas al mando de los corregidores adversos. Al enfocar el auge, y no el fin de la epopeya tupamarista, se "corrige", de algún modo, la historia o, para decirlo de otro modo, se invita a los auditores a retomar la iniciativa que el "pueblo quechua" perdió con la derrota del movimiento tupamarista. A partir de este rápido análisis de unos relatos míticos y cantos del canpesinado quechua actual, se podría formular la hipótesis de que el pensamiento histórico quechua adopta, según el género discursivo elegido, dos orientaciones distintas. En 3

William Rowe (Londres, King's College) tuvo la gentileza de remitirme el texto y la cinta correspondiente. La transcripción y la traducción file realizada por Janett Vengoa de Orós (Cusco).

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los relatos míticos, se trata de dar cuenta de la evolución del mundo mediante unas categórias que siguen siendo básicamente prehispánicas, aunque incorporen bien que mal ciertos aportes de la cultura cristiana. Si bien los textos expresen un gran apego no sólo a estas categorías, sino también a una identidad que se mantiene y reproduce frente al mundo criollo, no se indican los medios para alcanzar la utopía "quechua" que se esboza con mayor o menor claridad. Estos relatos, en efecto, no parecen sostener ninguna práctica política de transformación de la sociedad. La visión que se expresa en las recitaciones o los cantos, en cambio, aunque no desmienta la anterior, coloca el acento en el futuro y parece sugerir, además, los pasos que habrá que dar la colectividad para alcanzarlo. Es evidente que la danza, forma artística colectiva y pública por excenlencia, es un medio más adecuado para la movilización que la narración. No podrá sorprender, por lo tanto, que los cantos incorporados a este tipo de rito tiendan a un manejo más dinámico, más activo de la historia. Pero en el momento actual, hay otras circunstancias que contribuyen sin duda a explicar las actitudes históricas distintas que se manifiestan en los relatos míticos y en los cantos. Los relatos míticos, especialmente los más tradicionales como los que enfocan al personaje de Inkarrí, suelen ser hoy en día el patrimonio exclusivo de los ancianos, posiblemente un discurso en vías de extinción. Las dos danzas históricas mencionadas, en cambio, son creaciones recientes de sectores más jóvenes. Ellas representan, sin duda, una actitud nueva frente a la historia y la cultura, nutrida entre otros de modernos fermentos sindicales y políticos. Bibliografía: Millones, Luis (ed.) (1990), "Informaciones de Cristóbal de Albornoz", en Millones (comp.), El retorno de las huacas, Lima, IEP/SSP, 41-327. Müller, Thomas (ed.) (1984), "Mito de Inkarri-Qollari (cuatro narraciones), en Allpanchis (Cusco), no. 23, año XIV, vol. XX, 125-143. Oregón Morales, José (1984), Kutimanco y otros cuentos, Huancayo, Tuky. Ossio, Juan M. (ed.) (1973), Ideología mesiánica del mundo andino, Lima, Prado Pastor, 2a. ed. Pease, Franklin (1974), "Un movimiento mesiánico en Lircay, Hunacavelica (1811)", en Revista del Museo Nacional (Lima), t. XL, 221-225 [presentación de una seria de testimonios]. Szeminski, Jan/Ansión, Juán (1982), "Dioses y hombres de Huamanga", Allpanchis (Cusco), no. 19, 187-233. Valencia Espinosa, Abraham (s/f), "Las batallas de Rumitaqe" y "Movimientos campesinos de 1921 en Canas", en Jorge Flores Ochoa y A. Valencia E., Rebeliones indígenas quechuas y aymaras, Cusco, Centro de Estudios Andinos.

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Víctor Farías

La Metafísica del Arrabal "El Tamaño de mi Esperanza": un libro desconocido de Jorge Luis Borges El hecho que Jorge Luis Borges haya dado al libro precisamente el mismo título que lleva su artículo inicial, deja en claro la importancia teórica que él le concedía y convierte su contenido en una suerte de horizonte general para la comprensión del corpus de la obra. El constituye, en efecto, una declaración de principios criollista y asume el carácter de una apelación a sus lectores cuya forma trasluce un pathos propio a un llamado a una misión histórica trascendental. Citemos el inicio como una primera introducción: "A los criollos les quiero hablar: a los hombres que en esta tierra se sienten vivir y morir, no a los que creen que el sol y la luna están en Europa. Tierra de desterrados natos es ésta, de nostalgiosos de lo lejano y lo ajeno: ellos son los gringos de veras, autorícelo o no su sangre, y con ellos no habla mi pluma. Quiero conversar con los otros, con los muchachos querencieros y nuestros que no le achican la realidá a este país. Mi argumento de hoy es la patria: lo que hay en ella de presente, de pasado y de venidero. Y conste que lo venidero nunca se anima a ser presente del todo sin antes ensayarse y que ese ensayo es la esperanza. ¡Bendita seas, esperanza, memoria del futuro, olorcito de lo por venir, palote de Dios!" El que Jorge Luis Borges haya dispuesto que el lugar de su último reposo fuese un cementerio de Ginebra ha sido unánimemente interpretado como un hecho en plena armonía con el carácter general de su obra. Espiritualmente enraizado en el reservario ideológico universal, al buscar un lugar para su albergue irrebasable más allá de los márgenes de la cultura y la tierra argentina y latinoamericana, Borges habría querido subrayar con su disposición póstuma, un rasgo que recorrería su obra de punta a cabo. Pero si bien es verdad que entre su creación y su disposición final existe una plena armonía y consecuencia, resulta igualmente claro que se trata de un hecho que exige ser interpretado en toda la complejidad de su desarrollo. El fin que tiene el presente trabajo se articula, con todo lo provisorio e introductorio que lo caracteriza, en este intento explicativo. La importancia que pueda tener está, así, más allá de méritos sistemáticos, en el hecho de la importancia fundamental y creciente que tiene la obra del escritor argentino para el desarrollo de la literatura

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latinoamericana y europea posterior a él y, si así se quiere, en el hecho de que pretendo realizar mi aporte a partir de presupuestos nuevos. Mi tesis fundamental es la siguiente: la umversalmente aceptada superación borgiana del horizonte cultural argentino que se inscribe a su vez en la globalización o internacionalización radical de la literatura latinoamericana del presente siglo, me parece ser QQ el resultado de una internacionalización ya inicial y siempre en progresivo aumento, sino, por el contrarío, un proceso en el que Borges recorrió también toda una etapa en la cual afirmó con vehemencia un punto de partida ultranacionalista, criollista y radicalmente humanista, etapa que, recién al ser ulteriormente superada y negada, iba a abrir el paso a una internacionalización universalista extrema, sin por ello abandonar los supuestos reaccionarios genéricos que caracterizaron la opción criollista. Esta etapa, negada y estilizada, va a integrar también a su modo y manera, su posterior concepción del mundo y la literatura. La internacionalización, que en el caso de la literatura latinoamericana y borgiana implica fundamentalmente una universalización de los contenidos literarios, asume en Borges en esta primera etapa un tratamiento complejo del asunto. Porque en este "primer Borges" el motivo literario va a estar esencialmente vinculado al tema nacional, si bien tematizado en referencia a cuestiones universales. Pero a la vez, incluso en el aspecto estrictamente formal, la formulación del texto va a ser radicalmente asumida desde el horizonte nacionalista más extremo. En esta etapa criollista, Jorge Luis Borges llega incluso a adoptar la forma, esto es, el tipo de lenguaje en el que el "compadrito" habla, trasponiéndolo al lenguaje literario, logrando con ello una máxima (si bien amanerada) identificación con el habitante del arrabal bonaerense. Esta afirmación mfa general no se basa en una nueva interpretación del corpus de la obra que Borges publicó e hizo accesible a los lectores, sino en el redescubrimiento de un libro suyo, El Tamaño de mi Esperanza, incluido nominalmente en todas las bibliografías1, pero de facto inexistente en las bibliotecas de América y Europa. La voluntad expresa de Borges de no reeditar El Tama/lo de mi Esperanza, la conocida virulencia con que se negaba incluso a hablar del libro cuando se le tocaba el tema, ha dado origen a numerosas leyendas más o menos detectivescas que convirtieron a esa obra en una suerte de mito y que parecen ser más o menos fundadas: amigos, discípulos e incondicionales suyos se habrían dado, por disposición de Borges, a la minuciosa, ardua y curiosa tarea de hacer desaparecer el libro de todos los archivos y bibliotecas, relegándolo así a la forma más usual y efectiva de la nada: el olvido. Si ésta y otras leyendas corresponden a los hechos es algo que no se puede decidir aquí. Pero lo que sí es constatable es la ausencia del libro en los centros de investigación y estudio, y con ello la falta de un

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H.J. Becco: Jorge Luis Borges, Bibliografía total 1923-1973, Buenos Aires 1974, p. 47

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documento relevante para entender integralmente el desarrollo de la obra de Borges. Mi búsqueda del Tamaño de mi Esperanza es de larga data, pero ella se hizo urgente luego de una serie de seminarios en los cuales intenté analizar los supuestos teóricos más generales implícitos en la obra de Borges de acuerdo al desarrollo en que ellos se reflejan en el orden y ritmo de las obras publicadas. Dos de estos supuestos teóricos, la elaboración de una "estética de la agresión" y el culto al "héroe" nacional como sentido de la historia, me hicieron pensar en una compleja analogfa con las obras de un escritor alemán, que si bien dista en mucho del nivel artístico del poeta argentino, también entrega momentos de identidad e incluso de posible interacción con Borges. En su última visita a la República Federal de Alemania, Borges expresó sin ambages su deseo de entrevistarse con Ernst Jünger, "la única persona interesante en este país"2. Al saber de ello, me dirigí a Jünger con la solicitud de informarme si un tal encuentro había tenido lugar. Recibí entonces como respuesta incluso un acta, escrita por Jünger, en la que se relataban los pormenores del encuentro y en la que quedaba sorprendentemente confirmada mi sospecha inicial. Las conclusiones a las que llegué luego de analizar el acta en cuestión, fueron publicadas en mi estudio La Estética de la Agresión. Reflexiones en torno a un diálogo de Jorge Luis Borges con Ernst Jünger3. Allí creo haber dejado en claro ante todo la profunda y temprana influencia de Jünger sobre Borges y también el contexto institucional en que se dió la publicación de Bajo la Tormenta de Acero en la Argentina. Jünger escribió en sus notas: "Borges ha seguido mi evolución desde hace ya sesenta años. El primero de mis libros por él leido fue Bajo la Tormenta de Acero, traducido en 1922 por encargo del Ejército Argentino." Borges agregó: "Esto fue para mí una erupción volcánica."4. Una apología insuperable de la agresión guerrera, animada por el militarismo y el ultranacionalismo más extremo, esta obra, que constituyó y Jünger en uno de los antecesores más importantes del nazi-fascismo ulterior y reconocido como tal por las bibliografías nazis oficiales y por las historias de la literatura adictas al partido5, no puede ser desconocida como uno de los antecedentes importantes de la evolución ideológica y literaria de Borges. Pero sería, por otra parte, absolutamente incongruente, confundir, a partir de afinidades generales, y convertir tanto a Jünger como a Borges en escritores unívocamente semejantes. Tanto porque la relación de Jünger con el Nazismo, como la de Borges con Jünger y el nazi-fascismo constituyen fenómenos de una complejidad que supera los márgenes de este estudio. Valga, sin embargo, a 2 3 4 5

Marcel Reich-Ranicki: Borges, der blinde Seher, en: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28 de octubre de 1982, p. 25 Araucaria, Nr. 28, Madrid 1984, p. 83-98, también en: Diario 16, Madrid, números del 7 y 14 de julio de 1990 op. cit., p. 89 op. cit., loe. cit.

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modo de intento de disipar sospechas, el afirmar que mi estudio no tuvo en absoluto el propósito de convertir a ambos escritores en algo así como "nazis" ortodoxos, sino más bien el de llamar la atención sobre un aspecto de la obra borgiana sin el cual el corpus resulta incomprensible, tan incomprensible como momentos relevantes (en especial para los afectados) de su prontuario político y humano. El antinazismo de Borges, basado ante todo en su desprecio visceral por todo lo que tuviese que ver con las clases populares, adquirió ribetes curiosos y fue dirigido por él incluso a pensadores de relevancia como es el caso de Martin Heidegger: "Heidegger escribe un alemán abominable. Cuando supe que estaba con los nazis, me alegré ¿no? Muy bien, así es como debe ser ¿no?6) Pero también el aristocratismo que une a Borges y Jünger mostró en la entrevista aludida, sus caracteres diferentes. Al frusianismo aristocratizante y revolucionario proclive a la generación de Conductores espiritualmente superiores y articulados en un Estado de Trabajadores, Borges va a oponer radicalmente un violentismo que tiene por sujeto individuos heroicos, anárquicos y extraños a toda forma de Estado. Un patriotismo a ultranza que excluye a las verdaderas clases populares y sus intereses humanos como el de Jünger, pero centrado en la figura arcaica y mitológica del gaucho convertido en "compadre" e irreductible en su soledad no compartible. Esta concepción borgiana del ser humano a partir de un "ejemplar" superior y arquetfpico, deriva en una concepción correspondiente de la historia argentina. Esta heroicidad originaria y telúrica, habría quedado - olvidada - en el camino histórico posterior y habría dejado al país sin el referente histórico necesario. Resulta así que es la comprensión de la historia de su país como un proceso creciente de pérdida de la "argentinidad" pura, de su agresividad inicial y la constatación del presente como un algo híbrido (democratizante y pacifista), lo que está en la base de la opción ideológica reaccionaria de Borges y no una resolución más o menos oportunista. Esta configuración general de la obra posterior estuvo, sin embargo, antecedida por un proceso complejo y que debe haber alcanzado sus ribetes más decididos en el período que antecede a la publicación de El Tamaño de mi Esperanza. En efecto, y convertida por las circunstancias en una suerte de catedral sumergida, esta obra publicada en 1926, reúne el pensamiento borgiano anterior e incluye ciertamente las motivaciones posteriores, pero constituyendo a la vez sus antípodas en tanto que ella trata el problema crucial de la relación cultural de la Argentina con Europa y el acerbo universal desde un punto de vista criollo y "völkisch" que contradice antagónicamente al desarrollo posterior que articula lo argentino como un "caso" de lo global y universal. El estudio presente no pretende ofrecer parámetros generales para la comprensión del opus borgiano a partir de la significación de El Tamaño de mi Esperanza, 6

R. Burgin: Conversaciones con Borges, Salamanca 1968, p. 127

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ni siquiera tampoco un análisis detallado y definitivo de la misteriosa obra en cuestión. Sólo me orienta el deseo de aportar nuevos e importantes antecedentes para una discusión científica ulterior. Es precisamente en este sentido que me parece ante todo importante reconstruir la recepción que tuvo la obra en su época y el entorno institucional y cultural en que ella surgió, en especial a partir de la caracterización de las revistas en que Jorge Luis Borges colaboraba hacia los años veinte. El Tamaño de mi Esperanza fue publicado por Borges en 1926 y articula su reflexión de todo el período posterior a su retorno del viaje suyo a Europa en 1921 y en él se refleja su vinculación incondicional a la ideología criollista argentina por entonces ya plenamente consolidada. La obra constituye así entonces un documento muy importante para entender el hecho de que Borges precisamente tras su vivencia de la Europa de entonces, optara por unirse y sumarse al vanguardismo a su vuelta a Buenos Aires. Pero no es solamente de interés hacer resaltar el hecho de que Borges acentuara radicalmente su óptica anti-europeista, sino también una serie de motivaciones ideológicas extraordinariamente particulares y significativas en esta actitud general. Se trata de la forma y la intensidad con que Borges vive y busca resolver el problema de la identidad argentina y latinoamericana precisamente tras su experiencia europea. Porque la verdad es que en todo esto destaca aquí no sólo el momento nacionalista a ultranza que en esta época QQ compartían en modo alguno por cierto muchos de los grandes - entonces jóvenes - escritores latinoamericanos, sino también el hecho de que junto al sentimiento reaccionario de la vida, Borges pone de modo radical una concepción "positiva" de la existencia histórica. Su "héroe" compadrito se constituye en un sujeto histórico cabal cuya realización vital va unida a una afirmación plena de la vida, a la experiencia de la vida como algo que hace emerger la alegría y que es fuente de positividad y creatividad. La despolitización no va a estar fundada como en muchos de sus colegas, en el solipsismo romántico, trágico y escéptico, sino en la valoración de la vitalidad que el hombre del campo habría traido al asfalto de la ciudad. A la coherencia de esta oposición se suma el que Borges asume el criollismo precisamente al volver de Europa, mientras colegas ilustres suyos (como Vallejo o Huidobro) viven y sueñan en París, para escribir como franceses allá o desde la periferia (Neruda) o llegan incluso a cambiarse sus nombres autóctonos para adoptar los de escritores europeos (Neruda y Gabriela Mistral). También resulta notable comprobar que, a diferencia de sus más ilustres colegas, que llegaron tras un largo desarrollo a un populismo de izquierdas, Borges haya asumido las consecuencias de su populismo estilizado a partir de los supuestos contrarios. A la globalización unlversalizante humanista de sus colegas (entre los cuales también habría que incluir a los escritores del "boom") Borges opone la suya, aristocratizante y reaccionaria, fracasada en su aparente

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intencionalidad popular, pero tan paradójica como los relatos que lo convirtieron en el mejor escritor europeo que produjera la Argentina. Al volver de Europa, Jorge Luis Borges se sumó al grupo Martin Fierro, el grupo de la Calle Florida. Este grupo vanguardista contaba como sus miembros más relevantes a los escritores H. Carambat, Leónidas Campbell, L. Franco, Rojas Paz, Francisco L. Bernárdez, Leopoldo Marechal, Ernesto Palacio, Brandán Caraffa, Evar Méndez (más bien como mecenas), E. Bullrich, A. Prebisch, Nicolás Olivari y su mujer Nora Lange, Oliverio Girando, E. González Lanuza, Guillermo Juan, Francisco Piñero, Guillermo de Torre (cuñado de Borges), Eduardo Mallea, Conrado Nalé Roxlo, Córdova Iturburu, todos ellos agrupados en trono a la egregia figura que era Macedonio Fernández. El grupo Martín Fierro y su revista quincenal se entendía como una élite intelectual, pese a que su vanguardismo asumía formas de expresión literarias tomadas del vanguardismo ruso, particularmente el expresarse mediante revistas murales. Ya en ello cabe ver la diferencia suya para con otras tendencias latinoamericanas que convertían lo autóctono en un centro exclusivo y excluyente. Borges y su grupo se caracterizaban por combinar la fascinación ultrista por lo propio con las formas que entregaba por entonces la literatura europea. Adolfo Prieto, en el prólogo a su libro El periódico Martín Fierro caracteriza así la tendencia general del órgano del grupo: "Eduardo J. Bullrich empezó entonces a difundir la buena nueva del profeta Honegger y Alberto Prebisch a romper lanzas por Pettoruti, Curatella Manes y todo esfuerzo que rompiera con el aislamiento provinciano de los museos y las salas de exposición nacionales. Los escritores (...) hicieron eco del aire de experimentación que florecía en las literaturas europeas en la exaltante primavera de la posguerra, y sumaron sus propios ensayos a aquel intenso movimiento renovador.7" El grupo mismo, en el artículo "Martín Fierro 1926" definía por entonces su programa como "él de la formación de un ambiente fecundo para la creación artística, él de promover la renovación estética, en todas las artes, con un hondo designio de colaborar eficientemente en el progreso de la cultura nacional; muy argentinos de hoy, ante todo, que es decir, con la recia raíz gaucha y el acento genuino de la civilización occidental de que formamos parte, y dentro de la más pura tradición y las proyecciones que quisieron dar a nuestro pueblo los organizadores de la Nación. Somos su auténtico fruto, "s El grupo Martín Fierro surgió en oposición antagónica y en aguda polémica con el grupo Boedo. Este, a su vez, renegaba de las actitudes elitistas para asumir una postura abiertamente social. Inspirados en el naturalismo y el realismo en torno a Emile Zola, anárquicos y socialistas, los miembros del grupo Boedo no lograron producir obras literarias de categoría y debieron vérselas con una reacción muy negativa de la crítica. La crítica 7 8

A. Prieto, El periódico Martín Fierro, Buenos Aires, p. 8 op. cit., p. 41

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de Roberto Mariani, el director del grupo Boedo es muy dura respecto a las convicciones de los martinfierristas: "Hay un pecado capital en Martín Fierros el escandaloso respeto al maestro Leopoldo Lugones. Se le admira en todo, sin reservas; es decir, se le adora como prosista, como versificador, como filólogo, como fascista."9 El nacionalismo de los martinfierristas le parece incoherente: "Por qué los que hacen Martín Fierro - revista literaria -, se han puesto bajo la advocación de tal símbolo, si precisamente tienen todos una cultura europea, un lenguaje literario complicado y sutil, y una elegancia francesa (...)• Más cerca de Martín Fierro están aquellos que en literatura hacen labor llamada generalmente 'realista' y que yo denominaría 'humana'." 10 A estas objeciones, el grupo Martín Fierro respondía de modo tan característico como ilustrativo. A Lugones ellos no le hablaban del modo tosco en que exigía Mariani por la simple razón "de que hemos tenido una educación doméstica lo suficientemente esmerada para impedirnos perder hasta tal extremo nuestra compostura..."11. El grupo Martín Fierro acusaba virulentamente al grupo Boedo_át ser defensor de un cosmopolitismo que atentaba contra la substancia de una argentinidad entendida como condición y esencia del progreso y el rango espiritual nacional. Incluso una abierta xenofobia se hace visible en los ataques que el grupo de Borges dirigía casi en cada uno de sus números en contra de Mariani, director de Boedo, ridiculizándolo como un italiano incapaz de escribir el castellano. En el artículo "A propósito de ciertas críticas" en que respondían a las críticas de Mariani, los redactores martinfierristas escribían: "Podrá haber opiniones contradictorias sobre el valor de nuestra voz: es lógico. Pero el hecho es que se oye y produce ecos: el propio señor Mariani se nos antoja un eco, un eco indignado con una cierta deformidad de pronunciación (...). Sabemos de la existencia de una subliteratura, que alimenta la voracidad inescrupulosa de empresas comerciales creadas con el objeto de sastisfacer los bajos gustos de un público semianalfabeto (...). Cuando por curiosidad ha caido en nuestras manos una de esas ediciones, nos hemos encontrado con la consabida anécdota de conventillo, ya clásica, relatada en una jerga abominablemente ramplona, plagada de italianismos, cosa que provocaba en nosotros más risa que indignación pues la existencia de tales engendros se justifica de sobra por el público a que están destinados: no hay que echar margaritas a puercos (...). Nosotros somos todos argentinos sin esfuerzo, porque no tenemos que simular ninguna 'pronunzia' exótica."12 Para el grupo Martín Fierro los inmigrantes significaban el aniquilamiento de la tradición gaucha postulada como la auténtica substancia histórica argentina. Esta actitud xenófoba, antecesora de racismos posteriores, no era, con todo, nueva. Heredera de una larga tradición antihumanista, ella 9 10 11 12

op. op. op. op.

cit., cit., cit., cit.,

p. 47 p. 49-50 loe. cit. p. 71, 73

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puede encontrarse ya articulada hacia fines del siglo XIX, si bien ella alcanza su culminación en la "canonización" de Martín Fierro realizada por Leopoldo Lugones en 1912. La "canonización" de Martín Fierro tiene en Lugones un sentido más general y articula con la mística nacionalista que movía espiritual y políticamente al grupo de Jorge Luis Borges. En el prólogo a su obra clásica El Payador™, escribe Lugones de entrada: "Titulo este libro con el nombre de los antiguos cantores errantes que recorrían nuestras campañas trovando romances y endechas, porque fueron ellos los personajes más significativos en la formación de nuestra raza. Tal cual ha pasado en todas las otras del tronco greco-latino, aquel fenómeno inicióse también aquí con una obra de belleza. Y de este modo fue su agente primordial la poesía, que al inventar un nuevo lenguaje para la expresión de la nueva entidad espiritual constituida por el alma de la raza en formación, echó el fundamento inicial de la patria. Pues siendo la patria un ser animado, el alma o ánima es en ella lo principal. Por otra parte, la diferencia característica llamada personalidad, consiste para los seres animados, en la peculiaridad de su animación que es la síntesis activa de su vida completa: fenómeno que entre los seres humanos (y la patria es una entidad humana) tiene a la palabra por su más perfecta expresión (...). He ahí por qué nuestro Martín Fierro es el objeto capital de este libro (...), demostrar que nuestro Martín Fierro pertenece a la poesía épica, estudiarlo como tal, determinar simultáneamente, por la naturaleza de sus elementos, la formación de la raza, y con ello formular, por último, el secreto de su destino."14 Centrada en torno del segundo centenario de la independencia nacional y en medio de una situación económica floreciente, se extiende e impone la convicción de que es en el mundo y en la persona de los gauchos en donde cabe recuperar las raíces de la argentinidad perdida y destruida por una inmigración condenada como alienante. A ello va unida una doble antipatía: el rechazo radical y despreciativo de la significación histórica del indio y todo lo hispano y la afirmación ultrista del mestizo como realidad primaria y originaria. De cuño metafísico y mistificador, el grupo de la Calle Florida elude sistemáticamente la cuestión de la "guerra* de exterminio contra los indios y pasa, sin más, a glorificar la figura del gaucho como un héroe paria. El contexto histórico de tal actitud era el hecho de que con la inmigración se buscaba reemplazar la población de modo masivo, intentando abastecer con mano de obra suficiente las tareas que exigía el proyecto de transformar la Argentina ganadera, gaucha, en una nación agrícola. Esta transformación, que se lleva a cabo hacia 1879, año hasta el que Argentina sólo exportaba carne, comienza con la exportación masiva de grano. Ella implicó relegar la población gaucha a una situación de desheredados. La tierra que fue arrebatada a los indios, no fue traspasada a los gauchos. Estos, que habían sido incorporados más o menos forzosamente 13 14

L. Lugones: El Payador, lomo primero, 'Hijo de la Pampa*, Buenos Aires 1916 L. Lugones, op. cit., p. 5-6

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al Ejército, a menudo castigados por su vagancia y perseguidos como delincuentes, enviados a la frontera como punición a sus delitos, fueron quienes hicieron posible el exterminio de los araucanos. Pero, desligados del proceso en movimiento, los gauchos no se dejaron apeonar y la inmigración tuvo como consecuencia que el campo argentino se viese invadido por los trabajadores italianos inmigrados. Surgió así toda una literatura con sujetos campesinos y aparentemente escrita para ellos, pero escrita a la vez por autores urbanos entre los que destaca Leopoldo Lugones. El período que va desde 1880 hasta 1920 vió nacer incontables literaturas criollistas que magnificaban la figura del gaucho bandido, algo así como una edad de oro con su quiebre característico respecto a la cual se exige reverencia. Desde la ciudad se va a querer imponer el culto por lo campesino y su originareidad. Concebido el mundo rural como el origen verdadero, incluso se llegará a decir, como lo hace Borges en El Tamaño de mi Esperanza, que la política no es otra cosa que una intromisión de la ciudad en el campo. Sujeto violento, el gaucho sería con ello la respuesta heroica a una "agresión" extranjerizante y alienante. Desplazado por una inmigración masiva que, dirigida estatalmente, alcanzaba a las cien mil personas por año, reacio a incorporarse a las nuevos formas de producción, desocupado y ocioso, el gaucho se convierte en un paria que comienza, también masivamente, a emigrar a la ciudad. Esta situación general, que produjo un gran abaratamiento de la mano de obra, vino a afectar gravemente a la población gaucha allegada a la urbe originó la bizarra y nueva figura del gaucho en la ciudad: el "compadrito" y su arrabal. El compadrito, en agresiva competencia con el inmigrante italiano, traspasó a su mundo urbanizado los valores de su anarquismo, articulándolos ante todo en su aversión por el Estado y las formas sociales vigentes. Bibliografía: Araucaria (1984), Nr. 28, Madrid Becco, Hernán J. (1974), Jorge Luis Borges, Bibliografía total 1923-1973, Buenos Aires Burgin, René (1968), Conversaciones con Borges, Salamanca Diario 16 (1990), Madrid, números del 7 y 14 de julio de 1990 Lugones, Leopoldo (1916), El Payador, tomo primero, "Hijo de la Pampa", Buenos Aires 1916 Prieto, Adolfo (1968), El periódico Martín Fierro, Buenos Aires Reich-Ranicki, Marcel (1982), Borges, der blinde Seher, en: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28 de octubre

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Luiz Costa Lima

O pensamento utópico e o Brasil Costuma-se pensar a história da cultura dos países que foram colonizados por na?óes européias como sucursal da cultura européia. Fala-se assim em um barroco, em um romantismo ou em um realismo latino-americanos. A prática será válida apenas se forem notadas as diferengas necessárias entre as matrizes e os transplantes. Neste sentido, a análise da aclimata?áo do pensamento utópico nos países tropicais pode apresentar um interesse impar. Embora tal estudo ainda esteja por ser feito, náo se pode eliminar a sensagáo de que, a propósito de nenhum outro tópico, é mais flagrante a divergéncia entre os perfis europeu e brasileiro, para náo dizer, latino-americano. Vejamos o que, de modo preliminar, se pode apresentar a respeito. Se pensarmos ñas páginas iniciáis da Utopia, dois traeos sáo de imediato destacáveis. Em primeiro lugar, a abertura e o encerramento do poema introdutório estabelece a comutabilidade entre utopia e eutopia. Utopia was once my name, That is, a place where no one goes.

(

)

A place where every wise man goes: Eutopia is now my name (More, T.: 1516,27) O náo-lugar tem pois a propriedade de Tapidamente converter-se em harmónico lugar; a privagáo está a um passo da plenitude; o sitio desconhecido em paraíso cobijado. Podemos entáo dizer que a utopia náo se confunde com o sonho ou devaneio por sua vocagáo de realidade. É por ela que u-topos se distingue de atopos. Destaca-se em segundo lugar a localizado da própria ilha. Que é ela senáo um subproduto dos relatos de viagem? Enquanto tal, é situada em alguma parte do Novo Mundo - "whereabouts in the New World". Onde exatamente, náo o sabemos. "(...) It's quite possible that the ancients knew of the island under another name, or else that they never heard of it at all - for nowadays countries are always being discovered which were never mentioned in the old geography books" (idem, 34). A exata disposi?áo geográfica do ilha era afínal ociosa para a meta a que sua inven^áo obedecía. A fic?áo de More era urna arma de guerra contra a organizado

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politico-econòmica contemporànea, como o explicitaria Montaigne no capítulo "Des Cannibales". Antes pois de as na?óes descobridoras saberem em que as novas térras lhes poderiam servir, a América já indicava a alguns pensadores um seu possível interesse: servir de contraste e ponto de confronto alimentador de uma reflexáo crítico-transformadora. É neste sentido que a América se torna uma recorréncia no pensamento europeu, antes mesmo de ser sistematicamente percorrida, percorrida, cobijada e conquistada por seus colonizadores e mercadores de bens e de almas. Mas como essa geografía utópica veio a ser palmilhada, séculos depois, quando suas térras se tornaram países politicamente independentes? Pode-se alegar que a pergunta é nào só abrupta como arbitrària. Com efeito, como se pode passar de uma banal referéncia a pensadores dos séculos XVI e XVII para a sociedade de principios do século XIX? Seria legítimo esquecer-se que o processo de colonizarlo latino-americano, como qualquer outro, nada tem de um projeto utópico? Nào, por certo náo esquecemos nem menosprezamos que o propósito pragmático das na?óes ibéricas sepultara a dimensáo crítica que a América a principio despertara. Isso contudo náo abóle a questáo: que destino entre nós tena tido o pensamento utópico? Assinale-se de passagem: a melhor prova de que a pragmática colonizadora náo levara qo esquecimento a dimensáo utópica está em que os primeiros escritores pós-independència denunciam a barbàrie da colonizac&o em nome mesmo da civiliza?áo, i.é., de um valor europeu em que, no fundo, ressoava a antiga proposta utópica de uma sociedade liberta do arbitrio dos regimes favorecedores do privilègio. Mas, sem que aqui possamos nos perguntar pelas transformagóes que a semente utópica sofrera na pròpria idéia de civilizado, indaguemo-nos sobre as modificares que eia encontrara no pensamento latino-americano. A primeira cena a focalizar e em que mais nos demoraremos concerne à reflexáo romántica. Quatorze anos depois de proclamada a Independéncia, o introdutor do romantismo no Brasil censurava a poesia que fora escrita nos tempos de colònia e ressaltava o elemento em que a legítima expressáo de uma literatura nacional deveria fundar-se. A poesia brasileira nào é uma indígena civilizada; é uma Grega vestida à francesa e à portuguesa, e climatizada no Brasil; é uma virgem do Hélicon que, peregrinando pelo mundo, estragou seu manto, talhado pelas máos de Homero, e sentada à sombra das palmeiras da América, se apra ainda com as reminescéncias da pàtria, (...) e toma por um rouxinol o sabiá que gorjeia entre os galhos da laranjeira. Enfeiti?ados por esse nume sedutor, por essa bela estrangeira, os poetas brasileiros (...) olvidaram as simples imagens que

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urna natureza virgem com tanta profusào lhes oferecia (Magalhàes, G. de: 1836, 31-2). Tanto a critica quanto a proposta se baseiam no mesmo critéro: a apreciado da natureza tropical. A eia, já a primeira frase acrescenta um elemento que nào deve ser descurado: a apresenta?ào do indígena enquanto civilizado. Que um e outro indicam senào que, para Magalhàes, a expressào do locai, sob a forma de natureza e do homem autòctone, importava enquanto harmónico com o Erwartungshorizont europeu? No caso da natureza, essa concordància è imediata. Nosso ideário romàntico fora preparado, se nào que foijado, pelos estrangeiros que haviam escrito sobre nossa expressào literária. Ora, tanto Alexander von Humboldt para a América Hispánica, como Ferdinand Denis para o Brasil, haviam enfatizado a necessidade de o escritor latino-americano ter antes de tudo os olhos voltados para a sua pròpria terra. A partir do mesmo critèrio, outros, a exemplo do poeta portugués Almeida Garret, haviam criticado os poetas do século XVm brasileiro por demasiado comprometidos com a mitologia clàssica e a paisagem européis. Sobre a maneira como os indígenas deveriam chegar à página da literatura nào era menos claro o modelo europeu. Ele é af representado pela prosa de Chateaubriand, com seus selvagens nobres e cavalheirescos. Magalhàes portante se conduz como bom discípulo do olhar europeu: trata-se de criar uma literatura que se amolde ao que déla espera a Europa liberal. Nesse propósito nào estava entretanto isolado. Confirma-o a leitura do Facundo de Sarmiento: Si un destello de literatura nacional puede brillar momentáneamente en las nuevas sociedades americanas, es el que resultará de la descripción de las grandiosas escenas naturales, y sobre todo, de la lucha entre la civilización europea y la barbarie indígena, entre la inteligencia y la materia (Sarmiento, D.F.: 1845,47). Note-se que, na passagem, o indio - obviamente o nào civilizado - é convertido em sinónimo de matèria e barbàrie, condilo sob a qual se justifica a visualizado do combate, na verdade o exterminio, que lhe move a civilizado, ao passo que o louvor da natureza se faz de modo direto, sem outro acréscimo à sua nomeagào que o adjetivo 'grandioso' que a orna. Noutras palavras, entre nós, a natureza se fixa como a marca necessària de caracterizado de nosso escritor, enquanto a expressào do indigena supunha sua aculturagáo, seu pretenso enobrecimento à maneira de Cooper e Chateaubriand. Pode-se entretanto indagar: que isso tem a ver com o filào utópico? Na verdade, sua relagào é bastante mediatizada. Assim a valorizado extrema da cena da natureza pode ser associada ao apreso pelas línguas vulgares, em oposito ao privilègio do modelo e da lingua exemplar, o latim, ainda vigente durante o Renascimento. O

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que vale dizer, seu ascendente remoto é a posiçâo dos modernos na querela dos anciens e modernes. Seria a propósito útil conferir-se na famosa obra de Charles Perrault, Parallèle des anciens et des modernes, as posiçôes respectivas de uns e outros. A o passo que a postura dos anciens supôe a uniformidade da natureza e das oportunidades por ela oferecidas ao homem de todos os tempos - "Les Lions & les Tigres

qui

se promenent

constamment aussi fiers &

présentement dans les deserts de l'Afrique,

sont

aussi cruels que ceux du temps d'Alexandre ou

d'Auguste" (Perrault, C.: 1688-97,89) - a dos modernes, ao invés, implica a atençâo para a sua diversidade, ocultada "aux plus sages des Anciens" (idem, 96). Se essa via for considerada plausível, os criadores da noçâo moderna de utopia se dispôem antecipadamente entre os modernos, realçando sua conotaçâo política. Um e outro elemento, a insubmissâo ao exemplar e a ênfase política estâo presentes nos románticos latino-americanos. O ressalte da natureza local e das particularidades que ela engendra fazem parte do combate dos modernes; sua vertente política nâo é menos cabal. Essa derivaçâo genealógica deve contudo levar em conta que o louvor da natureza, ñas nascentes literaturas latino-americanas, apresentava urna motivaçâo bem divers da que se mostrava em seus antecedentes remotos. Essa motivaçâo se guiava por dois diferentes espelhos: (a) o espelho da expectativa européia, (b) o espelho dos Estados a constituir. O primeiro, como já dissemos, é oferecido pelos europeus que, no começo do século X I X , escreveram sobre nós. Para eles, o realce das particularidades naturais já nâo estava guiado por um padrâo crítico-transformador senâo pelo gosto do exótico. A América já nâo servia de contraponto à sua própria sociedade senâo que satisfazia à curiosidade do relativamente estranho. Assim, em 1826, no "Résumé de l'histoire littéraire du Brésil", escrevia F. Denis: A América, estuante de juventude, deve ter pensamentos pensamentos novos e enérgicos como ela mesma. ( . . . ) - Nessas bêlas paragens, tâo favorecidas pela natureza, o pensamento deve alargar-se como o espetáculo que se Ihe oferece; ( . . ) tal pensamento deve permanecer independente, nâo procurnado outro guia que a observaçâo (Denis, D.: 1826, 36). Encantada, a intelligentzia latino-americana aceita o caminho. Ele é de acatamento tanto mais seguro porque os Estados nascentes necessitavam de urna fonte para a constituiçâo de um imaginário legitimado, i.é., que favorecesse a sua tarefa. Onde pois encontrá-lo? N o passado pré-colombiano? Este, independente do grau diverso das sociedades indígenas que foram dizimadas, nâo deixava de ser perigoso para a legitimaçâo dos Estados nacionais. Afinal os promotores da Independência ou eram descendentes dos colonizadores ou pertenciam, como o primeiro imperador do Brasil, à própria casa real portuguesa. O passada pré-colombiano nâo podia ser

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acatado em bloco. O Estado a constituir tinha por parámetro o exemplo europeu e nâo o inca, maia ou asteca. Daí a necessidade de amoldar à natureza tropical um indio de acordo com o figurino de urna imaginário legitimado; de introduzir o indio civilizado. No caso brasileiro, essa será a funçâo desempenhada pela poesia americanista de Gonçalves Dias e pelos romances indigenistas de José de Álencar. Em suma, o filâo utópico, já esmaecido ñas transformaçôes operadas até a fixaçâo da natureza particularizada, se descaracteriza no padrâo romántico latino-americano. A serviço da centralizaçâo do Estado, visando a fornecer ao leitor a imagem legitimadora de seu país, a serviço, portanto, de um sentimento nacional, o padrâo romántico estimulava a retórica da frase de entendimento fácil, de ritmo melodioso e embalo sentimental, ao mesmo tempo que rejeitava o espirito crítico. A poesia brasileira do século XIX oferece um exemplo flagrante das forças que modelam esse padrâo. Ao passo que a lírica oficial, tendo à frente Gonçalves Dias, consagra os requisitos do "indio civilizado", da frase de ritmo regular e da dicçâo sentimental, o panteâo romántico expulsava a figura divergente. Seu nome só vida a circular a partir de fins da década de 1950, graças à pesquisa dos poetas concretos: Joaquim de Sousândrade. No canto segundo de sua maior obra, O Guesa, o poeta encena urna minipeça cómico-paródica. É o chamado episódio do "Tatuturema". Antecipando o experimentalismo pós-mallarmaico, no "Tatuturema" a melodiosidade fácil e o indio de opereta desaparecem em nome do experimentalismo lingüístico, um misto de portuguêes, tupi e latim, falado por figuras grotescas. Através dessa violência, Sousândrade simultáneamente instalava a ousadia da criaçâo, interditada pelo modelo oficializado, e a virulência da crítica. Colonizadores e colonizados, imperadores e escravos, missionários e indios se concentrant em um microcosmo onde impera o cinismo, a embriaguez e o deboche, a paródia, em suma, dos bons modos do retrato institucionalizado. O sincretismo de raças e culturas diversas dá lugar a urna Walpurgisnacht grotesca e macabra. Nâo por acaso Sousândrade se manteve no ostracismo. Tanto no plano poético, como no político, ele estabelecia outro modo de contato com a natureza, com o aborígene e com a sociedade que se criara nos trópicos. Demoramo-nos na apresentaçâo da cena romántica porque, do ponto de vista de nosso tema, ela tem um caráter paradigmático. Formulemo-lo entâo de modo sintético: se bem que genealógicamente a ênfase na natureza particularizada se vincule ao filâo utópico, essa articulaçâo se desfigura por completo no padrâo do romantismo oficializado. O realce da natureza passa a estar a serviço de dois senhores: o Erwartungshorizont europeu e a centralizaçâo do Estado. A comutabilidade entre utopia e eutopia, que notáramos a propósito da obra de Thomas More, se dissipa porque a gama de valores positivos, eutópicos, converte o u-topos em urna fantasia manipulável. O u-topos deixa de ser um nâo-lugar que entretanto marca a promessa paradisíaca para se tornar apontável, conñindindo-se com a potencialidade da

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pàtria. Em troca, a fungào crítico-reflexiva vem a ser exercida apenas pela figura marginalizada - Sousàndrade. Interesse particular teria o exame de um tema específico. Aqui apenas o esbogo. A literatura adequada ao padráo oficializado repugna seu caráter de ficaio. Eia prefere assegurar seu caráter de divertimento sèrio e útil, tomando-se e se apresentando corno cena histórica. Esse trago há de ser visto como homólogo à sua busca de entendimento rápido e fácil. Chamar a atengáo para sua linguagem seria destacar seu caráter nào natural, de construido. Ao contràrio a figura descrepante enfatiza o pròprio caráter ficcional e poiético de sua cena - a copresenga de personagens tà discrepantes como os que integram o "Tatuturema" eliminaría qualquer explicagào "natural", i.é., baseado no critèrio de verossimilhanga. A facilidade da literatura romàntica brasileira e latino-americana nào se explica, portanto, como se costuma afirmar, apenas pelo despreparo de seu leitor potencial; eia tem ainda a ver com o ilusionismo a que se procurava prender a literatura. Ilusionista, eia se justificava como retrato do que é, de como somos e devemos permanecer. Exposto o quadro paradigmático das relagòes do legado utópico com a expressáo literária brasileira, podemos agora adotar um ritmo mais rápido de exposigào. O segundo quadro exemplificativo corresponde às décadas fináis do século passado. A partir da chamada geragào de 1870, o padráo romàntico é substituido pela voga do cientificismo. Comte e Spencer, positivismo e evolucionismo, dividem as hostes intelectuais. A diferenga contudo do que sucederá com o romantismo, evolucionistas e positivistas nào contavam com os favores da monarquia, mesmo porque sào republicanos. Reformistas, consideram um atraso que, no continente, sejamos o único regime diserpante. Sua luta contra o sistema imperial se integra ao propósito mais ampio da transformagào do país, participando da primeira leva dos que propòem a sua modernizagáo ou, como logo se dirá, sua regeneragào. Sào eles, através de modificagóes forzosas, os representantes agora do antigo filào utópico. Defrontados com o atraso do país, com a falta de representagào popular, de que culpam o sistema político da monarquia, com urna economia movida a brago escravo, atinam com o que seria o nosso problema estrutural: a questáo das ragas que nos constituiram. Considerando negros e indios como estoques raciais inferiores, julgavam que se haveria de estimular a imigragào branca, que progressivamente provocasse a mistura para melhor das ragas. Considere-se, ademais, que sua oposigào ao governo logo passou, pois já em 1889 a república era proclamada. Se é certo que a lúa de mei destes intelectuais com o novo regime logo cessou - esta nào é a república de nossos sonhos, costumavam repetir - nào é menos certo que positivismo e evolucionismo se transformaram no novo padráo oficial. A bandeira republicana incorporará o dístico positivista "ordem e progresso". A divergencia dirá respeito à proporgào correta da mistura. De qualquer modo, a oficializagáo da utopia estava langada. O Estado representa a ordem e deverà ser o ponto de arran-

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cada para o progresso que já demorava. A descreída na república instaurada, náo impedirá que os maiores representantes desta geragáo, um Euclides da Cunha ou um Silvio Romero, persistissem com suas convicgóes evolucionistas. No caso do primeiro, sobretudo depois de testemunhar o massacre das hostes sertanejas em Canudos, a sociologia biológica evolucionista era o único ponto que o impedia de acatar o pessimismo trágico quanto ao futuro do pafs. Em troca, urna figura discreta, Machado de Assis, em seus romances da maturidade, parodiará a cren^a na evolugào e preludiará o ceticismo irónico que s'mais recentemente passaremos a ter ouviso para bem escutar. Oficializado, o evolucionismo, se bem que sob o guante da ordem resguardada pelos militares, servirá de semente para a propagado do ideal modernizante que agitará o entáo centro do pafs, o Rio de Janeiro, no infcio de nosso século. Sob os aplausos da imprensa e de seus cronistas, o Rio se moderniza. O que significará tanto o alargamento das rúas, a abertura da prímeira grande avenida, o incremento das vias férreas, as campanhas em prol do exterminio das epidemias que atemorizavam os estrangeiros como o desalojamento das carnadas pobres do centro da cidade. A modernizado do Rio, indiretamente preparada pelos intelectuais reformistas de 1870, significava simultaneamente tornar sua paisagem urbana próxima à de París como afastar da vista pública os pobres e suas manifesta?óes de cultura. É a respeito ilustrativa passagem de crónica publicada em 1908: Lembro-me sempre, por mais que queira esquecer, a amargura, o desespero com que pusemos os olhos reblilhantes de orgulho naquele carro fatal, atulhado de caboclos, que a mào da providéncia meteu em prèstito por ocasiáo das festas do Congresso Pan-Americano. A cabeleira da mata virgem daquela gente funesta ensombrou toda a nossa alegría. E náo era para menos. Abríamos a nossa casa para convidados da mais rara distinto e de todas as na^óes da América. Recebfamos até norte-americanos (apud Sevcenko, N.: 1983,35). A exigéncia do "indio civilizado" se torna mais estrita do que fora para os románticos. A "mata virgem" torna-se sinónimo de vergonha no momento em que a modernizado do país significa mostrar-se igual aos ilustres visitantes. Os intelectuais, de sua parte, ou sào cooptados ou, na linha de resistència, revigoram a piataforma evolucionista. (Aqui seria interessante verificar como seu principio permanecerá no marxismo nacional). Cooptados ou resistentes, porém, a simbiose positivista-evolucionista permanece como lastro retórico. Dentro dessa comunidade, estabelece-se um divisor de águas. De um lado, ñas decisóes do governo, eia sobrevive por inércia, como mero arrazoado de discurso comemorativo. De outro, com sua ènfase na idéia de progresso, germina nos projetos dos intelectuais náo

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oficializados. Considerar-se essa comunidade e, dentro déla, desse divisor é fundamental para compreender-se a problemática do modernismo brasileiro. Relativamente distantes do Rio, onde era mais fácil ao intelectual contar com a protegáo do governo federal, habitantes da cidade que mais se desenvolvía, a Sáo Paulo dos anos 20, os jovens modernistas acreditavam na potencialidade do pafs; mantinham da meta utópica, a imagem do Brasil como pafs do futuro. Tratava-se, como logo perceberào, de redescobri-lo, de renovar a plataforma de que os románticos bem ou mal haviam introduzido. Para mostrar-se a manutengo nos modernistas da cren?a no progresso e do conseqüente compromisso do homem de letras com o futuro do país dois fatos devem ser lembrados: (a) a maneira como Mário de Andrade considera o seu pròprio Macunafma (1928), (b) a interpretado da história do pafs na subsérie "História do Brasil" (in Pau Brasil, 1924), de Oswald de Andrade. Macunafma poderia ser tomado como alegoría da viagem de conhecimento da pròpria terra, caso a busca do herói na reconquista do muiraquità nào terminasse em fracasso. A paródia e a ironia terminaram vencendo a esperteza do herói. Ora, nào parece ocasional que o pròprio Mário entáo considerasse sua obra um fracasso. "Juro que (a) considero urna obra-prima ratada", diz em carta ao poeta Manuel Bandeira. A paródia, podemos de nossa parte pensar, exorbitara sua fun?ào e o fracasso e a morte do herói comprometiam a missào almejada pelo escritor. Pau Brasil contém entre suas pe?as urna subsérie de fragmentos que encenam a história do país. Sua análise é capaz de mostrar que eia é atravessada por quatro faixas: o passado remoto, o passado próximo, o presente ¡mediato e o presente possível. As faixas 2 e 3 sào submetidas a um tratamento critico e feroz, enquanto o passado remoto e o presente possível sáo investidos de um caráter utópico. A utopie projetada, i.é., capaz de assegurar a esperanza que banha o presente possível, depende da utilizalo do potencial energético de nossa natureza. Só um texto o anuncia, "metalúrgica". 40.000 toneladas de níquel amarelo Para sair do nivel das águas esponjosas E urna estrada de ferro nascendo do solo Os fornos entroncados Dáo o gusa e a escória A refinagáo planta barras E lá em baixo os operários Foijam as primeiras lascas de a?o. "Metalúrgica" prenuncia o que, nos anos 50, será conhecido como a ideologia do desenvolvimentismo. Visto durante tantas décadas como urna promessa, como o

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pafs do futuro, o Brasil parecía entâo encontrar seu caminho do progresso. Brasilia, entâo fundada, parecía a encarnaçâo do sonho de afîrmaçâo nacional. Nascida do nada, longe dos portos, no coraçâo do pafs, era ademais o símbolo concreto da vontade de auto-afirmaçâo nacional. Hoje, já distantes do entusiasmo desenvolvimentista, percebemos que seu projeto de industrializaçâo nâo ameaçou dissipar a imagem dos dois Brasis que tem convivido conosco, desde a Independência. Dois Brasil, um da misèria majoritária, onde domina o analfabetismo, os programas escassos e ruins de saúde e educaçâo públicas, os salários miseráveis. O outro é um pequeño Brasil de relativo ou suficiente bem-estar, resumido a uns poucos bolsôes, sobretudo ñas cidades metropolitanas. O Brasil compreende urna imensa India e urna pequeña Bélgica. Se o modernismo de 22 tornava letra concreta o sonho utópico de conhecimento da natureza nacional, a década de 1980 mostraría a extensâo do fracasso. Ainda próxima dos modernistas, a geraçâo de 1870 vira desmoronar a república de seus sonhos. A representaçâo popular, que sería assegurada por eleiçôes gérais, nâo se cumprira, as velhas oligarquías apenas foram substituidas por outras oligarquías, o reconhecimento do mérito intelectual nem sequer se iniciou. De qualquer modo, a chama da resistencia e da esperança sobrevivera. Eia entusiasmara os modernistas de Sâo Paulo que, em suas obras combinavam o esforço de conhecer as diversas regiôes do pafs com o de se manter em dia com os movimentos europeus de vanguarda. O pessimismo ante o estado atual de coisas era aceitável enquanto nâo se confondisse com o ceticismo e antes fosse um chamado para a renovaçâo. Mas essa disposiçâo hoje nâo mais se répété. Entre 1922 e os anos de 1980 tivemos duas ditaduras, a de Getúlio Vargas (1930-1945) e a que se iniciara em 1964. Em ambos os casos, porém, o espirito de resistência era animado por urna esperança utópica, guiado pela imagem do país do futuro. Os males do pafs, seu atraso, sua pasmosa desigualdade social eram explicadas como resultantes de urna elite polftico-econômica perversa, incompetente e vendida a interesses estrangeiros. Ao sacudi-la, o país encontraría sua vitalidade. Nos anos da ditadura que eu mesmo vivi, era essa a chama que nos movia. Desprezávamos os militares que nos oprimiam, torturavam, se nâo assassinavano os considerávamos estúpidos de que apenas a força das armas era capaz de mâtô-los no poder. Mas o fim da ditadura de 1964 encontrou o país impregnado doutro ánimo. Enquanto o utópico neutralizado pelos compromissos do poder fora contrabalançado por urna vertente crítica ou potencialmente crítica, que mantinha do utópico a sua base de questionamento, se manteve ativa a esperança de um pafs afinal pàtria para seus fílhos. Mas a falência do desenvolvimentismo, aliada, em plano internacional, à derrocada do socialismo existente, nos deixou cegos a qualquer centelha utópica. A expressâo "país do futuro" hoje se resume às declaraçôes oficiáis. A nossa frente se mostra a necessidade doutra aprendizagem: a do pensa-

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mento negativo. Tudo indica que necessitamos reconsiderar o ceticismo de Machado, durante tanto tempo visto como idiossincrático. O risco será nâo confundir o pensamento negativo com o derrotismo, com o absenteísmo, com a ausência de interesse em urna modificaçâo qualitativa. Neste sentido, temos de aprender nada menos que com Kafka, que anotava em 31 de janeiro, de 1922: Das Negative allein kann, wenn es noch so stark ist, nicht genügen, wie ich in meinen unglücklichsten Zeiten glaube (Kafka, F.: 1922, 416). A extinçâo da esperança utópica nâo implica a extinçâo da chama ética. Ao contràrio, o empenho em alimentá-la se torna apenas urgente. Mas como converter a dimensâo ética em dimensâo política? Como nâo confundir a dimensâo éticocrítica com a dimensâo da individualidade isolada, desarmada, sem meios de competir com a manipulaçâo eletrônica à disposiçâo dos poderosos? Nâo será o caso de voltar-se a pensar na força capaz de ser desempenhada pela solidariedade internacional? Referências bibliográficas Denis, Ferdinand (1826), "Résumé de l'histoire littéraire du Brésil", traduçâo incluida em Historiadores e críticos do romantismo. 1. A contribuito européia: critica e história Uterina, seleçâo e apresentaçâo de G. César, Sâo Paulo, EDUSP, 1978 Kafka, Franz (1922), Tagebücher. Aufzeichnungen aus dem Jahre 1922, in Tagebücher 19101923, M. Brod. (ed.), Fischer Verlag, Frankfurt/M. 1983 Magalhâes, Gonçalves de (1836), "Discurso sobre a história da literatura do Brasil", em Caminhos do pensamento brasileiro, vol. I, A. Coutìnho (ed.), Pallas, Rio 1980 More, Thomas (1516), Utopia, trad. de P. Tumer, Penguin Books, Harmondsworth, 1986 Perrault, Charles (1688-97), Parallèle des anciens et des modernes, ediçâo facsimilar Eidos Verlag, München 1964 Sarmiento, Domingo Faustino (1845), Facundo. Civilización o barbarie, ed. crítica. La Plata 1938 Sevcenko, N. (1983): Literatura como missâo, Brasiliense, Sâo Paulo

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Dietrich Briesemeister

Die frühe Verarbeitung von Nachrichten über die "Neue Welt". Übermittlung, Aufnahme, Deutung und Umformung der Nachrichten und Erkenntnisse über Amerika setzen einen folgenreichen und vielschichtigen Kommunikationsprozeß im frühmodernen Europa in Gang, in dessen Verlauf nicht nur Tatsachen und empirische Beobachtungen einverleibt werden, sondern von Anfang an kommt es beim Versuch, diese unerhört neuartigen Wahrnehmungen in die Koordinaten des Bekannten, Vorgewußten und Vorgestellten einzuordnen, zu Erschütterungen, die Information vielfach in Deformation der "neuen Welt" verkehren. Die nach Europa gelangende Kunde ruft Visionen des "real maravilloso" hervor, die vor allem durch das Medium des Buchdrucks, durch die massenhaft vervielfältigte Kombination von Text und Bild sofort Verbreitung finden. Dadurch entsteht ein Geflecht von Diskursen, eine ständige Kreuzung der Stimmen, Stimmungen und Texte, die auf Überlagerungen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, sowie auf den Zusammenstoß zwischen überliefertem Autoritätswissen, Vorurteilen, Projektionen und metaphysischen Deutungsmustern der Legenden und Mythen zurückgehen. Anhand einiger Beispiele soll der Prozeß der Textkonstitution und Fiktionalisierung früher Amerikainformation untersucht werden (Neuber 1991, Gewecke 1992, Vogel 1990, Vogel 1991). Der Vorgang bietet sich dar als eine lange Kette von Übertragungen. Durch Kolumbus wird eine wesentlich in mündlicher Überlieferung verfaßte Kultur in die europäische Schriftkultur und ihr spezifisches historisches Zeichensystem eingebracht. Schon in die Briefe und Aufzeichnungen des Kolumbus fließen jedoch wieder mündliche Elemente ein, das Hören-Sagen, die Erkundigungen von Spähern, die Meinungen, Mutmaßungen und Mißverständnisse der Mannschaft über das, was sie wahrnehmen und in gefühlsmäßig höchst belasteten Umständen erleben. Im Sendschreiben an Luis de Santangel (15.2.1493) bestätigt Kolumbus, daß ihm keine menschlichen Ungeheuer zu Gesicht gekommen seien, "como muchos pensauan", sondern Menschen von wohlgefälliger Gestalt, doch im Bordtagebuch, das nur in der von Las Casas hergestellten Fassung überliefert ist, wird unter dem 4.11.1492 das Gerücht vermerkt, in der Ferne hausten blutrünstige einäugige Ungeheuer mit Hundsköpfen. l

Redaktionell stark gekürzte Fassung. Größere Auslassungen sind mit (...) gekennzeichnet.

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Die Wahrnehmungen komplizieren sich sodann durch die Vermittlung von Dolmetschern (Haensch 1984). Hier geschieht die nächste, nicht minder folgenschwere Umsetzung aus autochthonen Sprachen in das Kastilische bzw. Lateinische und damit in den europäischen Denk- und Vorstellungskreis. Die Sammlung und Vermittlung mündlicher Informationen überwiegt im Verlauf der frühen Landnahme: sie bilden ein Mosaik von persönlichen Erfahrungen, Beobachtungen, die vom individuellen Bildungsstand, den Interessen, der Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit sowie dem Erlebnishorizont des Einzelnen bestimmt werden. Das Puzzle der mündlichen Berichte wird durch schriftliche Fixierung und Stilisierung abermals in andere Textzusammenhänge einverwoben. Europäische Verbreitung erlangen die mündlich-verschriftlichten Berichte durch eine Übersetzungsflut, die der Buchdruck ermöglicht (Hirsch 1976, Eisenstein 1979). Die Briefe des Kolumbus und Vespucci sowie die Relationen des Cortés erzielten international eine hohe Zahl von Auflagen. Zwischen 1493 und 1522 erschienen 22 Ausgaben mit den Berichten über die Fahrten des Kolumbus, darunter eine einzige deutsche Fassung. Die Hälfte aller bis 1522 in Italien, der Schweiz, Frankreich, Spanien und Deutschland verzeichneten Drucke sind noch in lateinischer Sprache abgefaßt. Vespucci dagegen brachte es zwischen 1502 und 1529 auf rund 60 Ausgaben, von denen nur noch 23 lateinisch sind. Allein im Zeitraum von fünf Jahren, zwischen 1505 und 1509, kamen fünfzehn deutsche sowie j e acht französische und italienische Drucke auf den Markt, jedoch keine einzige spanische Fassung. Die Briefe des Cortés erzielten im Zeitraum von zehn Jahren (1522-1532) achtzehn Ausgaben, darunter befinden sich lediglich drei lateinische Texte. Allein in Basel wurden in den ersten fünfzehn Jahren nach der Entdeckung mehr Bücher zum Thema der Neuen Welt verlegt als in Spanien und Portugal selbst. Die "Schwarze Kunst" steht gleich zu Beginn der Neuzeit im Dienst der Sensation und der Vermarktung der Neuigkeit, die ihre eigene Dynamik entwickelt und den Prozeß der Verschriftlichung beschleunigt. Der Buchdruck wirkt dabei als Vermittlungsinstrument und treibende Kraft in einem. Immer häufiger kommt es zur Übersetzung von Übersetzungen, die zwangsläufig zu Mitteilungsschwund, begrifflichen Verschiebungen, Mißverständnissen und Überlagerungen durch ideologische Zwänge oder religiös-moralische Deutungsansprüche führen. Gleichzeitig geht die Textrezeption weiter durch eklektische Übernahme von Versatzstücken, durch Exzerpierung und Kompilation von Einzelfakten. Diese sozusagen anthologische Verfügbarkeit und das unkritische Arrangement der Quellen wirken in die nächste Stufenform der Übertragung hinein, nämlich die Übernahme und Eingliederung von bestehenden Nachrichten und Erkenntnissen in den Rahmen der spätmittelalterlichen Wissenschaftsüberlieferung und christlich-theologischen Weltsicht. Das führt unvermeidlich zu Brüchen und Widersprüchen zwi-

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sehen Erfahrung, Überlieferung und Lehrautorität. Hier setzt ein weiterer Ausleseprozeß ein. Erfahrungszuwachs wird mit dem Maßstab des Gelesenen ausgewertet, Widersprüche, Zweifel, Abweichungen fallen zunächst aus der Betrachtung heraus. (...) Vespucci berichtet nach der Rückkehr von einer im Auftrag König Manuels I. 1S01/1S02 an die brasilianische Nordostküste durchgeführten Expedition im Spätjahr 1502 in einem Brief an Lorenzo di Pier Francesco de' Medici (Medici 1984, Vogel 1992), in dem er, was zum Verständnis der Funktion des Briefes wichtig ist, ausdrücklich auf sein "kleines Werk" (Mundus Novus) hinweist; darin werde er den wissenschaftlichen Ertrag der Reise zusammenstellen, sobald er Muße dazu habe, "um eine Erinnerung an mich nach meinem Tode zurückzulassen". Einen Auszug im Voraus zu übersenden, sei nicht möglich, da der portugiesische König diesen als geheime Verschlußsache verwahre. So schreibt Vespucci zum Ersatz seinen Brief als verkürzten Reisebericht mit absichtlich ungenauen oder übertriebenen Entfernungs- und Positionsangaben. Das Buch begründet für den humanistischen Autor den literarischen Ruhm nach den einem Humanisten vertrauten Regeln der Kunst des Briefeschreibens. Die Beschreibung des Landes, der Bewohner, der Tiere und Pflanzen und materiellen Zivilisation ist gleich eine rhetorische Musterprobe. In seiner Beschreibung kommen sogar Löwen, Hirsche und Kaninchen vor, die Vespucci in dem von ihm erkundeten Teil Brasiliens gar nicht gesehen haben kann. Die Beschreibung wird stilisiert auf die arkadische Friedlichkeit des locus amoenus: "ich dachte, in der Nähe des irdischen Paradieses zu sein" und "ich glaube, so viele Arten hätten kaum in der Arche Noahs Platz gefunden": eine völlig literarisierte, dem Widerstand der Wirklichkeit entzogene Naturerfahrung. Im Gegensatz zu dieser freundlichen Natur steht die Menschenwelt, befremdlich, gefährlich, anders als "wir" in Italien: Nacktheit, aber Schönheit, Fehlen von Gesetz, Recht, Glaube (an die Unsterblichkeit der Seele, nicht an göttliche Wesen) und Gesellschafts- bzw. Herrschaftsordnung, Lebensform auf der Stufe von Jägern und Sammlern, Anthropophagie, Polygamie, Krieg und Grausamkeit sind die hervorstechenden Merkmale dieser Menschen. Knapp vier Wochen verwendet Vespucci darauf, "ihr Leben und ihre Bräuche" (vita et mores) zu erforschen. Abgesehen von den Verständigungsschwierigkeiten, bleibt Vespuccis Wahrnehmung trotz trefflicher Einzelheiten im klassischen Beschreibungsmuster des zivilisatorischen Prozesses ex negativo befangen. Der Vergleich zwischen Urzustand und der italienischen Renaissanceerfahrung kann nur Abwertung bedeuten. Besondere Aufmerksamkeit erregen Abweichungen von europäischen Normen und Tabus (Bekleidung, Schamempfinden, Sexualverhalten, Geburt und Alter). Ausgerechnet bei der Beschreibung des kriegerischen Wesens der Indios und ihrer Fertigkeit im Bogenschießen greift Vespucci einerseits auf eine metaphorische Petrarca-Reminiszenz (Pfeil und Bogen als "commessi al vento") zurück und beschreibt andererseits

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die rituelle Tötung von Opfern als verbrecherischen Kannibalismus: er sieht "zum Räuchern aufgehängtes Menschenfleisch", löst zehn Opfer aus und schenkt der Aussage eines Eingeborenen Glauben, der sich brüstet, schon "über 200 Menschen" verspeist zu haben. Verwundert fragt er sich, warum sie miteinander Krieg führen, wo sie doch keinen Privatbesitz und folglich keine Erbschaft, keine Herrschaftsordnung und staatliche Verfassung kennen áls die üblichen Gründe für Streit und Unordnung. Grausamkeit, Rachsucht, Unmenschlichkeit stehen in zwiespältiger Spannung zur Schlußbemerkung, daß sich diese Menschen wie Adam und Eva im Paradies ihrer Nacktheit nicht schämen, "keine Krankheiten, keine Seuchen" kennen, steinalt werden (150 Jahre), ja nicht einmal eines natürlichen Todes sterben es sei denn "von der Hand eines anderen" oder eben "aus eigener Schuld". Angeblich findet sich nichts von Nutzen in jener Neuen Welt, und doch preist Vespucci die überquellende Gabenfülle der Natur, die wunderbare Beschaffenheit des Landes, die Fruchtbarkeit der Menschen mit so begeisterten Worten, daß die Aussage über die Nutzlosigkeit nur ironisch zu verstehen ist. "Wir fanden ...so viele Güter, daß sie die heute auf dem Meer fahrenden Schiffe füllen würden, und alle ohne die geringsten Kosten"! Der Hinweis spekuliert geradezu mit Luxusbedürfnissen und Warenwert, zumal erwähnt wird, wie wenig die Bewohner des Landes selbst Gold, Silber und andere Kostbarkeiten schätzten. "Die Menschen dieses Landes sprechen von Gold und anderen Metallen oder von den wunderbarsten Gewürzen, aber ich gehöre zu denen, die mit dem Hl. Thomas langsam sind im Glauben; die Zeit wird es lehren." Gespielte, kokette Skepsis des Gelehrten gegenüber den in der Zeit beliebten Anspielungen auf die frühe Mission des Apostels oder dissimulatio mit der Absicht, beredt auf die unermeßlichen Schätze anzuspielen? Ein Widerspruch jedenfalls zur voraufgehenden Feststellung, Eisen und andere Metalle seien unbekannt und ein rhetorisch geschickt ausgelegter Köder, unter Verbrämung der Dorado-Suche die Neugier anzustacheln. Vespucci steht jedenfalls für künftige Unternehmungen als Experte zur Verfügung. Der Brief ist in seiner rhetorischen Strategie nur verständlich im Blick auf den hohen Empfänger und Gönner, dessen wohlwollendes Interesse Vespucci zu erhalten versucht, ohne die durch seine Mission im Dienst der portugiesischen Krone gebotene Vertraulichkeit zu verletzen. Der Brief ist nicht für die Information einer breiten Öffentlichkeit bestimmt. Vespuccis Berichte haben im 16. Jahrhundert eine enorme Welle von Übersetzungen und Übersetzungen von Übersetzungen in ganz Europa ausgelöst. Sie werden zerlegt in Einzelbestandteile, exzerpiert und wieder zusammengebaut in neuen Texten. Die von Matthias Ringmann besorgte lateinische Ausgabe De ora antarctica per Regem Portugallie pridem inuenta (Straßburg 1505) wird am Schluß gleichsam amtlich beglaubigt durch den päpstlichen Notar. Dem Erkenntnisfortschritt sind Textmontagen über Jahrzehnte wenig dienlich. Mit der Übersetzung der Paesi novamente retrouati des Fracanzano da Montalboddo (Vicenza 1507) durch den

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Nürnberger Arzt Jobst Ruchamer (Newe unbekanthe Landte vnd ein newe weldte in kurtz verganger zeythe erfioiden, 1508) greift der Zug der Anthologisierung nach Deutschland über. Diese Übertragung macht in einer Sammelausgabe das frühe Textcorpus über Amerika mit den Werken aus der Feder der unmittelbar Beteiligten verfügbar: die Kolumbus-Reisen (1-3), die Berichte des Alonso Niño und Vicente Pinzón sowie Vespuccis Bericht über die Brasilienfahrt, eine Publikationsform, die später die Spezialität des Verlegers de Bry bilden wird und dann den Buchmarkt beherrscht. Wie Nachrichten aus der Neuen Welt zusammengestellt und weitergereicht wurden, läßt die Copia de Newen Zeytung ausz Pressilg Landt (1514/15?) erkennen (Franzbach 1970, Brasilien-Bibliothek 1983). Diese frühe Veröffentlichung über Brasilien beruht auf dem Protokoll eines Gesprächs, das der Faktor der Fugger auf Madeira mit dem Kapitän eines am 12. Oktober 1514 (?) von Brasilien zurückgekehrten Schiffes führte. Dieser Bericht gelangte an die Handelsvertretung in Antwerpen und schon von dort vielleicht in redigierter Form nach Augsburg. Nach einer sprachlich stark spanisch-italienisch gefärbten Vorlage ins Deutsche übertragen, erscheint er unverzüglich mit einem Titelholzschnitt im Druck. Der Berichterstatter beruft sich ausdrücklich auf einen bekannten portugiesischen "Piloto, das ist der schiffuerer, oder Schiflayter So mit dysem Schiff gefaren ist" (Blatt A ij r ) als seinen Gewährsmann und "fast guet frewndt". Dieser erfahrene Seemann schildert nicht nur die Route und Erkundungen (in der irrigen Meinung, auf dem Weg nach Malakka zu segeln), sondern vermittelt zugleich eine Landes und Handelskunde. In die Aussagen des Kapitäns flicht der Berichterstatter jedoch in der Ich-Form sowohl eigene Ausführungen ein als auch seine Beurteilung von Fragen des Fernhandels. Er schließt den Bericht mit der Beobachtung, daß das Deck des mit Brasilholz beladenen Schiffes "voller erkauffter Jungen knaben vnd maydlen" gewesen sei, die die Portugiesen billig eingekauft hätten. Sie seien von ihren Familien meist "mit freyem willen" abgegeben worden im Glauben, die Kinder führen ins Gelobte Land. Welch grausame Ironie der Umkehrung von Wunschvorstellungen: die Europäer suchen den Jungbrunnen in der Neuen Welt, und die Einheimischen ziehen in das Gelobte Land, das ihnen die Alte Welt verheißt! Was im sog. Bartolozzi-Brief Vespuccis nur als rhetorische Hypothese anklang, demonstriert der Rapport aus Madeira mit einem handfesten Beispiel. Auf dem Schiff befindet sich nämlich ein Eingeborener, der angeblich den König von Portugal sehen will. "Der sagt, er woell den konig von Portugal so vil golds vnd Sylber anzaygen - das im Landt sey, das seine Schiff nit füren moegen". Dem Indio als Trophäe wird in aller Unschuld die Beweisfunktion und Werbung in den Mund gelegt, daß sich die Schiffahrt nach Brasilien lohne. Der Bericht aus Madeira zeichnet ein durchaus positives Bild der Menschen "mit gueter weyß", "erbers wesens" und "von gueter freyer Condicion". Von der Menschenfresserei ist nicht die Rede, wohl aber von Spuren der Mission

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des Apostels Thomas und von Dorado-Vorstellungen. Die kaufmännischen Interessen, der Gesichtspunkt der Verwertbarkeit und des Nutzens (Vielfalt der Produkte, Früchte und Naturvorkommen) bestimmen den Bericht des Faktors, der die Aussagen des Kapitäns ordnet und möglicherweise anreichert durch bestätigenden Rückgriff auf Vespuccis wissenschaftliche Angaben: relata referuntur. So stellt sich die Copia dar als ein Gemisch aus bekannten testimonia, Gerüchten und Wunschbildern sowie praktisch brauchbarer, neuer Kenntnis. Für die frühe fíktionale Aufarbeitung der Entdeckerberichte ist der Augsburger Druck (Jörg Nadler 1520?) Die schiffung mitt dem Lanndtt der Gulden Insel gefimden durch Hern Johan von Angliara Hawptman des Cristenlichen Königs von Hispania gar hübsch Ding zu hören mit allen yren Leben vnd Sitten; es handelt sich hierbei um die Übersetzung eines 1520 (?) in Venedig erschienenen fingierten Expeditionsberichtes. Das Geschehen wird zwar ganz aktuell in das Jahr 1519 verlegt, doch bleiben die geographischen Bezüge völlig unscharf. Die Angaben treffen beliebig zu auf Ceylon oder Cuba. Zudem werden Bestandteile vorliegender Berichte verklittert. Der unbekannte Verfasser macht sich die Sensationslüsternheit und Wundergläubigkeit des Lesepublikums zunutze. Im Stil der aus Ritterromanen bekannten episodischen Erzählungen werden Abenteuer auf See, Irrfahrten, Schiffbrüche, Unbilden der Natur, Begegnungen mit fremdartigen Menschen, Ländern, Ungeheuern sowie Beschreibungen sagenhafter Goldinseln in unterhaltsamer Folge aneinandergereiht. Erfindung und Befunde verschmelzen unmerklich miteinander. Das Neue wird fiktional in die Dimension der eigenen vertrauten Lebenswelt eingebracht. So bietet die überseeische Expansion schon früh den Stoff für "science fiction" besonderer Art. In dem Schwankbuch Katzipori (1558) liefert Michael Lindener (Lichtenstein 1883) eine Parodie auf die Sensationsreportagen, nämlich eine Wahrhaffiige newe Zeytung von einem gar unerhörten grossen mann, auß Calabrien bracht und dem großmachtigen Könige von Franckreich newlich zugeschickt. Ein fiktiver Erzähler, der Weltreisende Raphael Hythlodaeus, angeblich ein Portugiese und Begleiter des Vespucci, berichtet übrigens im zweiten Teil der Utopia des Thomas Morus von den Gesetzen und Einrichtungen eines sagenhaften Inselreiches. Die erste deutsche Übersetzung Von der wunderbarlichen Insel Utopia erschien 1524 in Basel. Bis in jüngere Zeit hinein wurde noch behauptet, es handele sich hierbei um die verhüllte Beschreibung eines tatsächlichen Gemeinwesens. Der barocke Reise- und Staatsroman wird sich mit Florians von der Fleschen_Wunderbarliche, seltzame, abenthewrliche Schiffarten und Reysen, welche er kurtz verwichener Zeit, in die newe Welt gethan, was sich gedenckwürdiges under dessen begeben, vnd wie er vnnd die seinige alles volauff und genug bekommen (Straßburg 1625) des Amerika-Themas erstmals annehmen. Für Augsburg als Druckort und Drehscheibe im Nachrichtenaustausch (Walter 1987, Sporhand-Krempel 1968) zwischen Oberdeutschland, Spanien und der Neuen

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Welt ist ein weiteres Beispiel aufschlußreich: die Vermittlung von Informationen über die Eroberung von Mexiko. Kein anderes Geschehnis der Conquista hat so rasch in Deutschland Beachtung gefunden wie der Fall des Aztekenreiches. (...) Die Newe zeittung von dem lande das die Sponier funden haben ym 1521 yare genant Jucatan von 1522 zeigt im Titelholzschnitt als Sensationsbild neben der Landung ein Gemetzel von Kindern, die den teuflischen Göttern als Opfer dargebracht werden. Die "Zeitung" selbst gibt eine anschauliche materialreiche Reportage von der Eroberung Mexikos mit der großen "Stadt im Wasser" und ihrem König "Mathotzoma" oder "Madotzoma" (Thiemer-Sachse 1969). Diese wird mit Venedig verglichen und dem Leser auch in einer ganz europäisch anmutenden Standtansicht vorgestellt, obwohl die im Text gegebene Beschreibung der Menschen, ihres Handels und Wandels, ihrer Wohnhäuser, Tempel und Riten nach Petrus Martyr gerade die Andersartigkeit dieses Gemeinwesens hervorhebt. Auch hier schwankt die Darstellung zwischen Faszination und Abstoßung. Diese "neue Zeitung" enthält gerafft bereits alle jene Einzelheiten, die erst erheblich später Eingang in die gelehrten Kompendien der Geschichtsschreiber und Weltbeschreiber finden. So detailliert und genau übermittelt Informationen sein können, so beliebig wird andererseits in Flugschriften bei der Mischung von geographischen Räumen, geschichtlichen Bezügen und aktuellen Streitfragen verfahren. Die Botschaft des Großmechtigsten Königs David auß dem grossen und hohen Morenland den man gemeintlich nennet Priester Johan an Babst Clemens den Sibenden (Bonn 1533?) enthält, zum Schluß auf Bl. Eij v -Eijj v , den Brief des Franziskanerbischofs Juan de Zumárraga Ein Sendbrieff des Bischoffs der grossen Stadt Temixtitan in der Newen erftmdenen weit gen Tolosa in Franckreich geschriben (1532), der in der ursprünglich lateinischen Ausgabe der Botschaft nicht enthalten ist. Er bietet ein wichtiges Zeugnis aus der Frühzeit der conquista espiritual in Mexico. Der Mönch berichtet dem Ordenskapitel über den Fortschritt der Evangelisierung - mit 250.000 Taufspendungen, der Zerstörung von 500 "kirchen der Abgötter" und mehr als 20.000 Idolen - sowie den Schulbetrieb der Franziskaner für die "kinder der Indier". "Ein yeglich haus der brüder S. Francisci hat ein ander haus darneben gebawet mit einr Lesestuben mit eins schlaffhaus", Refektorium und Kapelle. Daß diese Form vermischter aktueller Berichterstattung nicht die Ausnahme darstellt, belegt der erst kürzlich bekanntgewordene Gelegenheitsdruck um 1519 eines Sendschreibens des Dominikaners Pedro de Córdoba (ca. 1482-1525) an seinen römischen Ordensoberen "Exemplum litterarum ex mundo novo ad Reverendissumum Patrem Venerabilem Thomam Caietanum...directarum" (Americana vetustissima 1990). Darin schildert der Provinzialvikar der Dominikaner, die 1510 nach Hispaniola kamen, den Versuch der Spanier, den Hafen von Chiberiche, östlich von Caracas, einzunehmen. Interessanter als die Einzelheiten dieser militärischen

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Aktion ist jedoch der Abriß der Landeskunde mit Angaben zur Topographie, Klima und Tierwelt, "Sprachproben" und ethnologischen Beobachtungen. Dieses einzigartige frühe Dokument ist mit dem Bericht über den Sieg des Türkensultans Selim I. über den Mameluckenherrscher und dessen Hinrichtung in Kairo 1517 zusammengedruckt. Die Drucke der Briefe der beiden Ordensleute sind nur zwei Beispiele IUS zahllosen anderen, die in der kirchlichen und weltlichen Verwaltung den Übergang zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit veranschaulichen. Es handelt sich um persönliche Vorlagen, interne Berichte, die eher zufällig zum Druck gelangen, da der vertrauliche Brief der klassischen Definition nach die Fortsetzung des Gesprächs mit einem räumlich entfernten Partner unter Zuhilfenahme der Schriftzeichen darstellt. Ursprünglich nicht zur Veröffentlichung bestimmt, kommt der persönliche Brief durch den massenhaften Druck vor eine anonyme Leserschaft und tritt damit in einen völlig anderen Funktionskreis ein. Das geschieht auch in bezeichnender Weise im Anhang der deutschen Übersetzung der Relationen zwei und drei des Hernán Cortés, einer Augsburger Prachtausgabe 1550 Von den Newen Hispanien. Zwo gantz lustige vrutd fruchtreiche Historien. Hier werden nämlich persönliche Zeugnisse aufgenommen - das v "Reisetagebuch" eines nassauischen "Canquisitorn" (für Conquistador, f. Lvn ) sowie, ohne Nennung des Verfassers, eine größere Anzahl der Briefe Philipps von Hutten aus Venezuela (1535/41) (Schmitt 1978), - so als wären es Bestandteile der Historia, die von "Expeditionen, Scharmützeln, Krankheiten, Unfällen" erzählen. Es handelt sich, wenngleich nur durch den Hinweis auf eine fast unverständliche Vorlage gekennzeichnet, um den ersten Druck von Texten eines Deutschen, der unmittelbar an den amerikanischen Unternehmungen beteiligt war. Im Kapitel III von Caro vnd jren Innwonern (f. LH1) klingen Einzelheiten und Formulierungen aus Pedro de Córdobas Bericht an ("Mangel an brot vnd wein", jedoch jetzt "Kunstreiche arbait", Mais). In seinem Weltbuch:_Spiegel vnd bildmiß des gantzen erdtbodens (Ulm 1533, Tübingen^ 1534, hier zitiert) unternimmt Sebastian Franck den ersten Versuch in Deutschland, die Nachrichten von den neuentdeckten Gegenden "in ein handtbuch", wie er selbst sagt, und mehr noch, in eine Weltgeschichte einzuordnen. Er ist mehr als nur Übersetzer und Herausgeber. Es kennzeichnet den Ansatz des ehemaligen katholischen Priesters, der lutherischer Prediger und schließlich ein eigenwilliger Spiritualist wurde, daß er sich auf die "glaubwürdigen erfarnen weltschreibern" (Kosmographen) stützt und nicht mehr auf Fabeln von Berosus bis Brandanus zurückgreift. Seine Auetores stellt er in einer "Bibliographie" dem Werk voran: es dürfte die erste Literaturübersicht zu Amerika sein, die sich in einem deutschen Buch befindet. (...) Aus einer radikalen spiritualistischen Sicht kommt Franck zu einer Art Amerika-Kritik, die aber Eroberer und Eroberte gleicherweise umfaßt.

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Die dargebotene Geschichte, ein Weltbuch im doppelten Sinn, bietet einen "hauffen Exempel" dafür, "das alle mensch untreüw falsch vnd lugenhafftig seind, das die weit des teufels Reich ist... vnd das der frommen kleyne anzal allenthalben ist" (f. CCXXXIIIj1"). Die Chronik wird zum Beweis für die Aussagen der Heiligen Schrift über die Verderbtheit der Menschen genommen. Franck, der zunächst ausgezogen war, das moderne Wissen von der Welt zu versammeln, schließt mit einer mystischen Begründung aller menschlichen Erkenntnis. Bücherlesen mache ebenso wenig fromm, gerecht und gläubig wie die Werke allein selig machen. Die Veröffentlichung der wenigen frühen Dokumente deutscher Expeditionsteilnehmer und Augenzeugen konzentriert sich merkwürdigerweise auf die fünfziger Jahre des 16. Jahrhunderts. Am Anfang stehen, noch anonym, Huttens Briefe, Hans Stadens Wahrhaffiig Historia vtuid Beschreibung einer Landtschaffi der wilden nacketen grimmigen Menschenfresser leuthen in der Newen Welt America gelegen folgt 1557 (Staden 1978, Rohdewold 1991, Menninger 1988) mit vielleicht sogar drei verschiedenen Ausgaben im gleichen Jahr wie Nikolaus Federmanns Indianische Historia (Hagenau 1557). Ulrich Schmidls Aufzeichnungen kommen 1567, einer Neuauflage von Sebastian Francks Weltbuch beigedruckt, heraus, seine Fahrt liegt zeitlich allerdings allen anderen voraus (1529-1532). Stadens Historia gilt als ethnographisches Quellenzeugnis ersten Ranges. Diese Hochschätzung kann jedoch nicht Zweifel entkräften, daß der von Beruf und Lebensumständen im Schreiben kaum sonderlich geübte Kanonier von mittelmäßiger Bildung als Naturtalent einen solchen in Komposition und dramatischer Erzähltechnik raffinierten Bericht allein geschrieben hat, zumal zwischen der Rückkehr aus der Gefangenschaft bei den Tupi-Indianern und der eiligen Drucklegung nur eine kurze Zeitspanne liegt. Die Schilderung der Gefangenschaftszeit unter Menschenfressern steht im Mittelpunkt des ersten Teils. Andere Erlebnisse aus mehreren Jahren (1548/49 und 1550/55) abenteuerlicher Fahrt zur See und Aufenthalt in Brasilien treten dagegen in den Hintergrund. Die pleonastische Titelfassung "wahrhafftig Historia" zeigt, wie sehr sich die Bedeutung von Historia bereits verschoben hat zu Fiktion bzw. Roman (Knape 1984). Der Titel spielt auf die Sensationslüsternheit des Publikums an und stellt sich ein auf den Zug zur verzeichnenden phantastischen Darstellung der Neuen Welt sub specie crudelitatis. Der autobiographische Bericht beginnt mit "Ich, Hans Staden von Homberg in Hessen". Das Deutungsmuster der göttlichen Vorsehung gibt den Rahmen für die Inszenierung ab. Auf Bitten Stadens übernahm der Marburger Professor Dryander sozusagen die Redaktion, die "Verbesserung" des Buches, was immer darunter zu verstehen sein mag. Zweifellos hat Dryander den zweiten Teil systematisiert, der auch ein eigenes Titelblatt trägt: Warhafftiger kurtzer bericht handel vnd sitten der Tuppin Inbas, deren gefangener ich(!) gewesen bin. Die Verbindung von Text und Bildern - die sicher aufgrund von Stadens Skizzen und Angaben gefertigt wurden, aber eben auch

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schon eine doppelte Übersetzung darstellen -, ist von großer Bedeutung, sie schafft den Bildsachbuchtyp. Stadens Bericht belegt die bis de Bry sich ständig verstärkende Kompilations-

und Kommerzialisierungstendenz

bei der

Darbietuig

der

Berichte, die durch andere vermarktet werden und das A m a l g a m der communis opinio transportieren. Je weiter das 16. Jahrhundert fortschreitet und die genauere Kenntnis der Neuen W e l t zunimmt, desto phantastischer wird das veröffentlichte Bild von ihr, etwa in den Verlagswerken von Hulsius und de Bry. D i e gelehrten Vorstellungen von A m e rika (Wuttke 1989) bleiben ziemlich einförmig und leiten sich hauptsächlich von Vespucci und Petrus Martyr her. Diese werden als maßgebliche Autoritäten ausgeschrieben, w i e die Humanisten auch mit testimonia aus dem antiken Schrifttum umzugehen pflegten. So entsteht ein centonenartiges Textcorpus über Amerika, in dem kaum Korrekturen, Ergänzungen, Erneuerungen Eingang finden. Nachricht und Lehrmeinung verfestigen sich zum Stereotyp. Literatur: Americana vetustissima (1990), Fifty books, manuscripts, & maps relating to America from the frist fifty years after its discovery (1493-1542). New York (Catalogue 185), S. 68-71. Brasilien-Bibliothek der Robert Bosch GmbH (1983), Katalog Bd. 1, 10-11, Stuttgart Eisenstein, Elizabeth L. (1979), The printing press as an agent of change. Communications and cultural transformations in early modem Europe, Cambridge Franzbach, Martin (1970), Brasiliana II. In: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas 7 (1970), S. 156-164. Gewecke, Frauke (1992), Von "guten Wilden" und "nacketen grimmigen menschenfresser leuthen": das Bild des Amerikaners als Fiktion. In: Katalog der Ausstellung Amerika '92, neue Welten - neue Wirklichkeiten, Berlin Haensch, Günther (1984), La comunicación entre españoles e indios en la conquista, in: Miscellánia Sanchis Guarner.t. 2, Valencia, S. 157-167. Hirsch, Rudolf (1976), Printed reports on the early discoveries and their reception. In: First Images of America. The impact of the New World on the Old. Ed. Fredi Chiappelli, Berkeley, Vol. 2, S. 537-562. Knape, Joachim (1984), "Historie" in Mittelalter und früher Neuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen, Baden-Baden Lichtenstein, Franz (Hrsg.) (1883), Warhafftige newe Zeytung, von einem gar unerhörten grossen mann, auß Calabrien bracht und dem großmächtigen Künige auß Franckreich newlich zugeschickt (=Bibliothek des Litterarischen Vereins, 163), Tübingen, S. 178-187.

237 Medici, Lorenzo di Pier Francesco de' (1984), Über die Bewohner der Neuen Welt. In: Die großen Entdeckungen. Dokumente zur Geschichte der europäischen Expansion. Hrsg. Eberhard Schmidt, Bd. 2, München, S. 174-181 Menninger, Annerose (1988), Die Vermarktung des Indio. In: Die Neuen Welten in alten Büchem. Entdeckung und Eroberung in frühen deutschen Schrift- und Bildzeugnissen, Bamberg, S. 92-117 Neuber, Wolfgang (1991), Fremde Welt im europäischen Horizont. Zur Topik der deutschen Amerika-Reiseberichte der Frühen Neuzeit, Berlin Quetsch, Cäcilie (1983), Die Entdeckung der Welt in der deutschen Graphik der beginnenden Neuzeit (Ende IS. bis Wende 16./17. Jahrhundert), Diss. Erlangen Rohdewold, Brigitta (1991), Zur Problematik der ethnohistorischen Auswertung des Reiseberichts von Hans Staden. In: Neue Romania 10, S. 115-133. Schmitt, Albert R. (1978), The elusive Philipp von Hutten colonizer in Venezuela, in: Journal of German American Studies 13, S. 63-71 Sporhand-Krempel, Lore (1968) Nürnberg als Nachrichtenzentrum zwischen 1400 und 1700, Nürnberg Staden, Hans (1978), Wahrhaftige Historia und Beschreibung einer Landschaft der wilden, nackten, grimmigen Menschenfresser, in der Neuen Welt Amerika gelegen. 1SS7 (Faks.druck), Hrsg. Günter E.Th. Bezzenberger, Kassel Thiemer-Sachse, Ursula (1969), Eine Flugschrift aus dem Jahre 1522 als zeitgenössischer Bericht über die Entdeckung und Eroberung von Mexiko. In: Ethnographisch-Archäologische Zeitschrift 10 Vogel, Klaus A. (1990), L'écho des découvertes dans la littérature géographique allemande de la première moitié de XVIe siècle, in: La Découverte, le Portugal el l'Europe. Paris, S 295308. Vogel, Klaus A. (1991) "America": Begriff, geographische Konzeption und frühe Entdeckungsgeschichte in der Perspektive der deutschen Humanisten, ungedrucktes Vortragsmanuskript. Wolfenbütteler Arbeitsgespräch Amerika im deutschen Humanismus und Barock, 2.-3. Dezember 1991 Vogel, Klaus A. (1992), Amerigo Vespucci und die Humanisten in Wien. Die Rezeption der geographischen Entdeckungen und der Streit zwischen Joachim Vadian und Johannes Camers über die Irrtümer der Klassiker, Unveröffentlichtes Manuskript Walter, Rolf (1987), Nürnberg, Augsburg und Lateinamerika im 16. Jahrhundert - Die Begegnung zweier Welten. In: Reiseberichte der frühen Neuzeit. Wirtschafts- und kulturhistorische Quellen, München Wuttke, Dieter (1989), Humanismus in den deutschsprachigen Ländern und Entdeckungsgeschichte 1493-1534, Bamberg

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Petra Schümm

Variationen einer unendlichen Geschichte: die Legende vom Sudaca Die europäische Reiseliteratur über die Entdeckung Amerikas ist heute eine ergiebige Quelle für die landesspezifische Stereotypenforschung. Unsere tradierten, fest etablierten Klischeevorstellungen von der Neuen Welt sind in dieser literarischen Gattung noch in der ganzen Vielfalt an intertextuellen Bezögen rekonstruierbar. Aus gebührender historischer Distanz können wir beobachten, wie die Eroberer Amerikas das Unbekannte bewältigten, indem sie es in den eigenen Erfahrungshorizont einfügten: Literarisch geprägte Erwartungen mischen sich unter das neu gewonnene Erfahrungswissen; utopische Wunschphantasien verbinden sich mit kruden materiellen Interessen. In diesen Widersprüchen der Fremdwahrnehmung meinen wir - die Erben der unwiderruflichen Aufklärung Aufschlüsse über das Zustandekommen von Vorurteilen zu erhalten. Denken wir nur an das Bordbuch des Kolumbus: Der Genuese trifft darin ja nicht nur ein "fehlerhaftes Urteil" (Jaucourt in Lenk 1971b, S.67), wenn er die Antillen mit Asien identifiziert. In seiner ambivalenten Beschreibung der ebenso "friedvollen" wie "störrigen" Menschen auf den karibischen Inseln knüpft er an die antike Tradition der Fremdwahrnehmung an, in der man zwischen tugendhaften Naturvölkern und verachtenswerten Barbaren unterschied. Die ganze Tragweite dieser frühen Berichterstattung aus der Neuen Welt wird jedoch erst deutlich, wenn wir bedenken, daß Aufzeichnungen wie die Briefe des Kolumbus zu den wichtigsten Informationsquellen der ersten "zeytungen" und Einblattdrucke zählten (Kohl 1982). Insbesondere die noch in den Anfängen befindlichen Printmedien trugen zur populären Verbreitung der Meldungen aus Amerika bei. Für ein noch leseunkundiges Publikum und zur mündlichen Weitergabe bestimmt, stellten diese ersten "Illustrierten" ein kurioses Zitatenmosaik aus Worten, Bildern und Schrift dar (Briesemeister 1991). Gerade aber der manuelle Charakter dieser Medien läßt uns den Herstellungsprozeß der Nachrichten noch durchschauen. Nachvollziehbar ist, wie in einem ständigen Übersetzungs- und Kopiervorgang (ebenda) Informationen ausgelassen oder hinzugefügt wurden bis sich die Meldungen Stereotypei bezeichnen. In der offiziellen wie populären 1

Zur Definition der Begriffe Stereotyp, Vorurteil und Klischee, die hier synonym gebraucht werden, vgl. Heckmann 1981

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Historiographie der europäischen Kolonisation ist somit auch die Vorgeschichte unserer multimedialen Kommunikationsgesellschaft nachzulesen. Wie aber werden die Bilder von Lateinamerika in der heutigen Zeit - Epoche der nahezu vollständigen Eroberung des Planeten und der elektro-imaginären Vernetzung seiner Kulturräume - konstituiert und medial verbreitet? Schließt die technische Entwicklung in der Darbietung des Fremden auch eine andere Qualität der Bilder ein? Zur Beantwortung dieser Fragen möchte ich das Stereotyp des 'Sudaca' herausgreifen. Von den Inszenierungen dieses Bildes in den Nachrichten, dem Film und Volkslied sowie der Literatur ausgehend, soll versucht werden, den multimedialen Verweiszusammenhang zu skizzieren, in dem sich Stereotype heute konstituieren. Beiläufig wird dabei auch die Legende vom 'Sudaca' nachzuzeichnen sein. Ein solches Anliegen einer kulturwissenschaftlichen Rekonstruktion von Stereotypen kann sich bislang kaum auf theoretische und methodologische Vorarbeiten stützen. Obwohl sich zur Zeit verschiedene wissenschaftliche Disziplinen mit dem Problem der Fremd- und Eigenbilder beschäftigen, ist es bisher zu keinem expliziten Austausch der Forschungsergebnisse gekommen. Während man in der Literaturwissenschaft die Bilder, die in den Reiseberichten von der Neuen Welt überliefert sind, im Hinblick auf die darin enthaltenen europäischen Denkmuster befragt (Scharlau 1990, Gewecke 1986), befassen sich die Soziologen und Psychologen vornehmlich mit den sozialen Voraussetzungen der Vorurteilsstrukturen. Im Vordergrund steht für sie die Frage nach der Funktion, die den Fremd- und Eigenbildern bei der Gruppenbildung und Abgrenzung zukommt (Heckmann 1981). Besonders innovative Ansätze zur Untersuchung des medialen Aspekts der Stereotypenbildung liegen neuerdings aus der Kommunikationswissenschaft vor. Auf einer vorerst theoretischen Ebene versucht man hier, eine Verbindung zwischen dem literaturtheoretischen Begriff des (Sprach-)Zeichens und dem sozialwissenschaftlich geprägten Terminus des Stereotyps herzustellen (Winkler 1990). Damit scheint sich erstmals die Möglichkeit eines interdisziplinären Gesprächs zu eröffnen. An dem Fallbeispiel des 'Sudaca', möchte ich versuchen, die unterschiedlichen gedanklichen Ansätze der drei Disziplinen zusammenzuführen. Fragen wir also zunächst nach den sozialen und historischen Bedingungen, welche die Entstehung der Legende begünstigten. Wer wurde wann und wo 'Sudaca' genannt? 1. Mit Hilfe der Etymologie läßt sich das Wort 'Sudaca' als Beinamen für die Angehörigen des "südamerikanisch" genannten Kulturkreises bestimmen. Diese Erklärung ist jedoch ungenügend, denn es handelt sich hier um eine Wortschöpfung des

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Volksmundes. Derart unverbürgte Redensart faßt in der Regel höchst verseliedene Bedeutungen zusammen und ist in ihrer historisch-sozialen Herkunft nur schwer zu rekonstruieren. Nachweislich kursierte das Wort zu Beginn der 80er Jahre vor allem in Spanien. Bedenken wir in diesem Zusammenhang, daß man sich dort zu jenem Zeitpunkt nicht nur in der Phase eines strukturellen Übergangs aus der 40jährigen Franco-Diktatur in die Demokratie befand. Das vormalige Aiswandererland Spanien war auch im Begriff, ein Einwandererland für Verfolgte aus Lateinamerika zu werden. 'Sudaca' ist Ausdruck der sozialen Konflikte dieser Emigrationssituation: den ungeregelten juristischen Aufenthaltsbestimmungen oder der verschärften Konkurrenz zwischen Spaniern und Lateinamerikanern auf dem Arbeitsmarkt. Schon allein der harte Klang des Wortes 'Sudaca' konnotiert Mißbilligung und Verachtung gegenüber dem Fremden. Eine solche gereizte Stimmung hat ihren Ursprung, wie gesagt, im alltäglichen Mit- und vor allem Gegeneinander von Spaniern und Lateinamerikanern und geht nicht direkt auf maliziöse Absichten übereifriger Medienproduzenten zurück. Die Journalisten beschränkten sich zu jenem Zeitpunkt noch auf die Recherche nüchterner Tatsachen.

2. In der zweiten Hälfte der 70er Jahre berichteten spanische Zeitungen hin und wieder, daß gewisse Individuen "con notòrio acento sudamericano" in Raubüberfälle, Rauschgifthandel oder Diamantenschmuggel verwickelt waren (El País 19.10.1979; La Vanguardia 5.9.1980). Die kurze Notiz entsprach dem Standard unserer Agenturmeldungen, das heißt, sie beschränkte sich auf die Wiedergabe der "Essenz" des Geschehens: die chronologische Darstellung des Tathergangs. Betrachteten wir die stilistischen Eigenarten dieser Meldungen genauer, so hätten wir von einer völligen "sprachlichen Merkmalslosigkeit" auszugehen (Scharlau in: Wiener Romanistische Arbeiten, Nr. 13, S.4642): Es gibt keine auffälligen Bewertungen, nichts, was auf eine grobe Stereotypenbildung hindeuten würde. Die Parteilichkeit dieser Nachrichten offenbart sich allenfalls in den Informationslücken, den verzerrenden Verallgemeinerungen. So fragt sich der aufmerksame Zeitungsleser natürlich, was man unter dem "bemerkenswerten südamerikanischen Akzent" zu verstehen hat. Ist er etwa so zu definieren, wie dies Mario Benedetti vorschlägt? "Che, no seas güevón y alcánzame esa vaina" (El País 20.6.1983). So ergäbe besagte Aussprache eine Art Mittelwert des Südamerikanischen, bestehend aus rioplatenser, chilenischen und kolumbianischen Varianten. Einen einheitlichen lateinamerikanischen Akzent gibt es nicht. Die Abstraktion von dem an sich komplexen Sachverhalt einer linguistischen Vielfalt verleitet den spanischen Zeitungsleser dazu, sein Mißtrauen 2

Zum Zusammenhang von Nachrichtenagenturen und Lateinamerikaberichterstattung, vgl. auch Scharlau 1986

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gegenüber den einzelnen Straftätern auf die gesamte Gruppe der im Land befindlichen Lateinamerikaner zu übertragen. Diese ansatzweisen Klischeebildungen können in manifeste Stereotypisierung umschlagen, wenn sie sich mit Elementen des nationalistischen Diskurses verbinden. Der Autor des Tageskommentars "La hospitalidad burlada" (La gazeta de la manrcsa 27.10.1979) schwört rhetorisch das Bild einer bedrohlichen Unterwanderung der nunmehr demokratischen "madre patria" durch "Exilanten und andere asoziale Elemente" herauf. Zugleich ist in der Kriminalisierung der Exilanten eine durchaus geläufige Strategie der Diffamierung unliebsamer politischer Gegner angezeigt. Die Grundlagen für die Legende vom gefährlichen Sudaca-Delinquenten waren damit geschaffen.

3. In den acht spanischen Filmen, die zwischen 1971 und 1983 entstanden, nahm die Gestalt des 'Sudaca' feste Konturen an. Wohl ließen sich Spaniens Cineasten bei den Dreharbeiten unmittelbar von den Meldungen der Tagespresse inspirieren. Im Kalkül mit den Erwartungen eines schaulustigen Publikums bauschten sie den Typus des Rauschgifthändlers und Terroristen weiter auf. Sie kreierten eine synthetische Sudaca-Sensation. In "El pico" von Eloy de la Iglesia (1983), um nur ein Beispiel für diesen willkürlichen Sudaca-Verschnitt zu nennen, weiht die heroinsüchtige Prostituierte aus Argentinien, Ana, eine Gruppe spanischer Jugendlicher in die Geheimnisse von Sex und Drogenkonsum ein. Während ihre Zöglinge allesamt mit dem Gesetz in Konflikt geraten und schließlich am Laster zugrunde gehen, gelingt es der mephistophelischen Verführerin, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Auch in "La mano negra" (1980) oder "Amor a la española" (1971) begnügt man sich mit der Reinszenierung eines in Spanien bewährten kinomatographischen Erfolgsrezepts: dem Spiel mit der Faszination des Fremden als Inbegriff des Irrationalen (Allegretti 1984). Die Betonung liegt auf jenen Merkmalen die eine kulturelle Distanz zu signalisieren scheinen: sexuelle Freizügigkeit, professionalisierte Erotik, korrupte Neigungena. Mit anderen Worten, "Sudaca" ist zu einer Art Hohlraum geworden, in den das europäische Publikum seine Sehnsüchte und Ängste hineinprojizieren kann. Aufmerksamkeit erregt dieses Klischee freilich nur, weil es bereits (hierin dem Sprachzeichen ähnlich) in einem Verweiszusammenhang mit anderen Stereotypen steht: dem guten und bösen Wilden aus dem Bordbuch des Kolumbus etwa, dem "Latinlover" der Hollywood-Filme oder dem Sujet des genuinen Fremden aus der 3

Filme wie ' L o s ojos vendados" (1978) von Carlos Saun oder "La muerte de Mikel" (1983) von Imanol Uribes bilden eine Ausnahme.

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spanischen Kinotradition. Folgt man den Überlegungen der neueren Medientheorie, so liegt in der Iteration der narrativen Schemata ein wesentliches Moment der medialen Bedeutungskonstitution. Erst indem sich bestimmte Strukturen im Textund Bildmaterial wiederholen, verhärten sie sich zu abstrakten Mustern, die ihrerseits, um (wieder-)erkannt zu werden, einen Erwartungshorizont des Zuschauers festschreiben (Winkler 1990). Dennoch wäre es verfehlt, würde man aus der kulturellen Vorausbestimmtheit der Klischees die Reproduktion identischer Bilder ableiten. Besteht der Reiz der Massenkultur nicht gerade in der Variation der Routine des Banalen? Die Konventionalisierung des Bildes zur abstrakten Invariante schließt nicht aus, daß die Stereotype mit vielschichtigen, konnotativen Bedeutungen beladen sind. Gerade weil es sich um Abstrakta handelt, können sie in einer Vielzahl von unterschiedlichen Kontexten realisiert werden, die ihnen jeweils andere Bedeutungsnuancen hinzufügen (Winkler 1990). An dieser Stelle deutet sich eine überraschende Übereinstimmung zwischen der poetischen und der filmischen Bildsprache an. Was bisher als besonderes Privileg des Poetischen gegolten hat - nämlich die durch (serielle) Wort-Verknüpfungen herbeigeführte Erweiterung von herkömmlichen Bedeutungen -, scheint somit auch an den Serienprodukten der Massenmedien nachweisbar zu sein: Wie das poetische Zeichen bedeutet das Stereotyp "mehr" als es eigentlich sagen kann, so daß die ikonographischen Zeichen immer nur einen Leerraum an Bedeutungen umspielen«. Gleichwohl wird es sich künftig nicht vermeiden lassen, genauer zwischen den Arten der poetischen und kulturindustriellen Serialität zu unterscheiden. Es wird zu hinterfragen sein, inwieweit die mediale Intertextualität - im Gegensatz zur poetischen - nicht doch nach regiden Erzählschablonen organisiert ist, die eben auf die Bestätigung von Publikumserwartungen, den trügerischen "döjä-vu"-Effekt, abzielen. Wie sonst ist die kulturindustrielle Poetizität noch mit dem sozialwissenschaftlichen Begriff des Stereotyps zu vereinbaren? Zwar zeichnen sich im modernen Klischee des 'Sudaca' ähnliche Mechanismen einer intertextuellen Vermittlung und gleiche inhaltliche Wertungen ab, wie wir sie bereits von den Bildern aus Kolumbus Zeiten her kennen, unterscheidend ist jedoch eine raffiniert vervollkommnete Bildqualität. In den bewegten Bildern des Kinos hat sich die Handwerklichkeit der Zeichnungen und Berichte aus den vergangenen Jahrhunderten verloren. An die Stelle eines Erzählers, der sich bei der Wahrnehmung der fremden Wirklichkeit noch explizit als erlebendes Subjekt auswies, ist eine (unsichtbar bleibende) Aufhahmeapparatur getreten. Durch sie erleben wir die inszenierte Wirklichkeit zwar unmittelbar, doch vergessen wir in dieser "Zerstreuung" (Benjamin) den medialen Herstellungsprozeß der Bilder. Die 4

Zum Einfluß der poststruVtural istischen Sprachtheorie auf die kommunikationstheoretische StereotypenDebatte, vgl. Winkler 1990, S.22

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Kamera mit ihren technischen Hilfsmitteln, dem Dehnen und Raffen des Ablaufs, den Vergrößerungen und Verkleinerungen der Aufnahmen, fuhrt uns in eine Wirklichkeit, die mit bloßem Auge gar nicht zu erfassen ist. Hier aber wäre zukünftig weiter zu untersuchen, wie es durch die besondere Grammatik des Films gelingt, daß uns das als banal Erkannte dennoch fasziniert. Laden die Gemälde und Graphiken den Betrachter noch zur kontemplativen Aneignung der auf ihnen dargestellten Welt ein, so entzieht sich ihm die Filmaufnahme bei jedem Versuch, sie zu fixieren. Die bewegten Bilder haben sich - verbittert bemerkte es schon Duhamel - "an die Stelle unserer Gedanken gesetzt" (nach Benjamin 1977, S.39). Für uns ist das Bild zum "Simulacrum" (Baudrillard 1982), zur Wirklichkeit geworden. Aber immerhin noch ein Wirklichkeitssurrogat, denn das unsichtbare Kameraauge bedeutet ja nicht, daß es keine Kamera mehr gibt. Vorstellbar ist hingegen, daß wir den Südamerikaner durch den Deutschen oder Dänen einfach ersetzten; wenig würde sich durch diesen Tausch an der Struktur der Drehbücher verändern. Dies nun aber legt nahe, im 'Sudaca' lediglich eine anders aufgemachte Verpackung zu vermuten. Sie wurde eigens dazu entworfen, die Ware Film durch geschickte Suggestion neuer Bedürfnisse "an den Mann" zu bringen. Doch genügt es, die Bilder als "falsche" Wirklichkeitsvorstellungen zu kritisieren? Sind wir in der Lage, sie durch Gegenüberstellung mit einer "richtigen" lateinamerikanischen Realität zu entmystifizieren? Der Tatbestand, daß sich Stereotype in einem eigenen konnotativen Bilduniversum installieren, über das sie selbst in einen Prozeß der Geschichte eintreten, widerlegt diese einfache Dichotomie von falscher und richtiger Realitäts. Die Referenz auf soziale Wirklichkeit erfolgt immer schon in kultureller und medialer Vermittlung. Derart geht das Stereotyp also weniger aus der bewußten Auseinandersetzung mit sozialen Konflikten hervor, sondern es wird in diesen Situationen lediglich als ein tradiertes kulturelles Vorwissen aktualisiert (Heckmann 1981, S.83). Die Kritik, die sich auf die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Bilder beschränkt, bleibt vor allem insofern unfruchtbar als sie das Massenmedium zu einem Apparat der Manipulation verabsolutiert. Sie verkennt die komplexen Funktions- und Wirkungsweisen der Medien, bei denen so unterschiedliche Faktoren wie die kulturelle Tradition, die Grammatik des jeweiligen Mediums und Marktmechanismen eine Rolle spielen. Die mediale Konstitution von Stereotypen erfolgt nicht automatisch, sondern in komplexen, zum Teil widersprüchlichen Formen: Kalkulierte Stilisierungen in sensationellen Bildern etwa kennzeichnen das kommerzielle Kino, Abstraktionen von aktuell nicht verwertbaren Informationen die Nachrichten. Statt also die Abschaffung der von jeher falschen Bilder zu fordern, scheint es angebrachter, nach dem spezifischen Umgang mit ihnen zu fragen. Sitzen die AutoS

Längst betont man ja auch in der Sozialpsychologie die 'produktive' Seite der Stereotypen, die, weil sie Wirklichkeit typisieren, zur Orientierung unserer Erfahrungen beitragen.

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ren den Klischeevorstellungen auf oder gelingt es ihnen, sich spielerisch davon zu distanzieren? Werfen wir an dieser Stelle einen Blick auf die lateinamerikanischen Interpretationen des 'Sudaca'. Damit wenden wir uns von den Inszenierungen der Kulturindustrie ab und den Darbietungen eines heute eher handwerklichen Mediums, der Volksmusik, zu.

4. 1983 unternahmen argentinische Exilmusiker den Versuch, den angeschlagenen Ruf des 'Sudaca' mit einer audiovisuellen Show zu rehabilitieren. Der Erfolg ihrer Bemühungen läßt sich unter anderem am Umstand ablesen, daß das Musical den öffentlichen Gebrauch des Schimpfworts enttabuisierte. Die Tatsache, daß sich Lateinamerikaner in die Diskussion um die Legende eingeschaltet hatten, veranlaßte nun auch die spanischen Journalisten, die im 'Sudaca' versinnbildlichte "crisis de lo sudamericano en España" (El País 25.11.1984, S.46) selbstironisch zu überdenken. Einmal mehr zeigt sich in dieser wechselseitigen Anerkennung der Klischeevorstellung die Relativität der Bestimmungen vom Fremden und Eigenen. Was vormals als eurozentrisches Fremdbild des Südamerikanischen galt, ist heute partiell zu einem lateinamerikanischen Selbstbild geworden. Und in diesem Hin und Her der Projektionen kann das Fremde zum Eigenen und umgekehrt werden. Welche Bewertung ließen die Argentinier 'Sudaca' nun zukommen? Zweifellos bauten die Musiker die Legende weiter aus, indem sie eine Gegenversion zum offiziellen Bild des verrufenen Querulanten erfanden. Allerdings erfolgte die Markierung des eigenen Standpunkts zunächst über die Konfrontation mit dem fremden europäischen Blick. In dem einleitenden Rezitativ des Musicals kreuzen sich - im Wechselgesang - zwei unterschiedliche Perspektiven: Die ästhetisierende Beschreibung der amerikanischen Natur durch Kolumbus (wörtlich dem Bordbuch entnommen) kontrastiert mit Evokationen der desolaten Wirklichkeit in den gegenwärtigen lateinamerikanischen Metropolen. Kaleidoskopartig aufgeblendet wird die 500jährige Kolonialgeschichte, in der Raub und Habgier die Diskriminierung des Fremden motivierten. Erst im Titelsong verkehrt sich das Bild des exotischen Ganoven in das eines idealisierten Exilmusikanten, der in der nunmehr zivilisierten Wildnis Spaniens seine Größe beweisen muß. In der Betonung kultureller Fähigkeiten, die sich hier natürlich im musikalischen Spiel eines "Cumbiambom" kundtun, widerfährt dem Antihelden eine Humanisierung. Gleichwohl liegt die Originalität der Darbietung nicht in dieser etwas naiven Stilisierung eines Volkshelden. Im Grunde entbehrt der Sudaca-Song einer herkömmlichen narrativen Struktur. Stattdessen setzt er sich aus gedanklichen und lautlichen Assoziationen zum Stichwort 'Sudaca' zusammen: "La calle se calla, la puerta ya está muerta. No hay nadie, no hay nada. Lanaca ...

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Sudaca, rodaca, curaca" (Sudaca 1983). Die Selbstinszenierung des Lateinamerikanischen erfolgt im Medium europäischer Fremdwahrnehmung. Mit großer Ausdruckskraft gelangt die affektive Bedeutung des Wortes 'Sudaca' zur Geltung: der Schimpf und Schmäh, die Verachtung des Fremden. Natürlich sind die Anspielungen auf den "notòrio acento" ebenfalls nicht zu überhören. Durch die musikalische Begleitung in hartsynkopierten Rockrythmen, die eine Verbindung zum KolumbusSong herstellen, lädt sich die Darbietung zusätzlich aggressiv auf. Nur bleibt diese Aggressivität ambivalent: Sie kann als Behauptung von Identität, aber auch als Zerrspiegel der europäischen Fremdwahrnehmung ausgelegt werden.

5. Wenn Mario Benedetti im Anschluß an das Musical enthusiastisch ausrief: "Sudacas del mundo, unfos" (El Pafs 20.6.1983), so brachte er damit auch ein spezifisch literarisches Selbstverständnis in Erinnerung. Tatsächlich gehört 'Caliban' ja schon seit langem zu den herausragenden Symbolen der lateinamerikanischen Erzählliteratur (Retamar 1979). 'Caliban' heißt die Signatur für ästhetische Entwürfe eines intellektuellen Aufbegehrens gegen überlieferte Denk- und Wahrnehmungsschablonen. Daher möchte ich meinen Beitrag mit einer literarischen Version der SudacaInszenierungen beschließen. Der Roman "Cuarto mundo" von Diamela Eltit (1988) ist freilich nicht mehr in dem Kontext des Exils in Spanien, sondern vor dem Hintergrund der chilenischen Militärdiktatur zu situieren. Mit dieser Erzählung sucht die Autorin nach einer Antwort auf die (auch medial ausgeübte) politische Repression. Welche Art der ästhetischen Wahrnehmung aber hält die Literatur den kulturindustriellen SudacaVorstellungen entgegen? Bemerkenswert an dem Roman ist zunächst, daß er sich einer eindeutigen Bestimmung des Begriffs 'Sudaca' entzieht. 'Sudaca' konnotiert sowohl negative als auch positive Eigenschaften: In dem Wort klingt die Verdammnis einer primitiven, kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft an, euphorisch wird darin aber auch eine neue zwischenmenschliche Kommunikation beschworen. Die Verknüpfung gegensätzlicher Bedeutungen im "sowohl als auch" bricht die Allgemeingültigkeit des Stereotyps auf. Derart ist im Begriff 'Sudaca' ein ganzes literarisches Manifest aufgehoben: "Destrozo mi secreto y digo: Quiero hacer una obra sudaca terrible y molesta" (Eltit 1988, S.88). Das Moment des Illegalen, das dem Motiv von Anbeginn zu Grunde lag, wird im Sinne einer literarischen Provokation in Anspruch genommen: In der Abgeschiedenheit des bürgerlichen Elternhauses, so die vordergründige Fabel, zelebriert ein heranwachsendes Zwillingspaar ein inzestuöses Liebesspiel. Noch einmal ist in dem archaischen Konflikt die Frage nach der väterli-

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chen Autorität aufgeworfen. Es handelt sich also doch nur um eine Modalität desselben Spektakels? Gewiß, auch der Gedanke einer im Inzest begründeten Subversion der patriarchalischen Ordnung ist nicht neu. Schon in García Márquez' "Cien años de soledad" (1967) koinzidiert die Aufhebung des sexuellen Tabus am Ende des Romans mit der Dechiffrierung der Manuskripte des Melquíades, welche die Erzählung rückwirkend als Reflexion ihrer literarischen Konstitution ausweist. In "Cuarto mundo" fungiert das Inzestmotiv ebenfalls als Metapher für die literarische Kreation6. Dabei ist der Autorin jedoch weniger an der Erkenntnis der patriarchalischen Symbolordnung gelegen als an einem "inzestuösen Gebrauch der Sprache" (Kristeva 1977), durch den es das "Gesetz des Vaters" zu unterwandern gilt. Illegalität ist gleichbedeutend mit Transgression der sprachlichen Gesetzesordnung. "Entre un 7 y 8 de abril diamela eltit, asistida por su hermano mellizo, dió a la luz una niña. La niña sudaca se irá a la venta" (Eltit 1988, S.128). Der Hinweis auf die Genese eines "Text-Körpers" deutet daraufhin, daß wir das Schreiben von Literatur als einen performativen Akt zu verstehen haben. In diesem Zusammenhang versinnbildlicht das Inzestmotiv auch eine Verklammerung von unterschiedlichen verbalen und non-verbalen Diskursformen7. Die Metaphorik ist dabei nicht mehr Mittel oder gar Telos des Textes. Vielmehr stellt dieser selbst einen "operativen Ereignisraum" (Voss 1986) dar, der von metaphorischen Diskursen durchdrungen eine je zum Bild gewordene Wirklichkeit ist. Mehr noch: Die literarisierte Mündlichkeit beinhaltet eine Reduktion der Romanfiguren auf ein triebhaft gebundenes Reden. Obsessionen, Traumata und äußere Ereignisse scheinen das Erzählen impulsartig voranzutreiben. Die diskursiven Sprachmaterialien verzahnen sich zu einer Kette von wandelbaren Bedeutungen, denen die Lektüre wiederum einen anderen Sinn zuschreiben wird. Während der "déjà vu" den kulturindustriellen Bildern noch suggestiv Bedeutungstiefe verleiht, ohne den linearen Erzählverlauf zu beeinträchtigen, stört das poetische Bild das sich linear konstituierende Textverständnis: "... emití la imagen de un peligroso bisturí, aluciné palqui" (ebenda S.89). Wie ist das bedrohliche Bild des "bisturí" mit der Halluzination des "palqui" in Beziehung zu setzen? Wohl sind die sich hier ergebenden Unterschiede zwischen literarischer und filmischer Bedeutungskonstitution nicht grundsätzlicher, sondern eher gradueller Art. Dies schließt jedoch nicht aus, daß der literarische Diskurs eine qualitativ andere Herausforderung an den Leser darstellen kann. Nicht das Wiedererkennen von Vertrautem ist nunmehr gefragt. Auf dem Wege der Rekomposition der abge6

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Das erklärt im übrigen auch die duale Struktur des Romans, der aus der Perspektive des Zwillingsbruders und der Sicht der -Schwester erzählt wird. In diesen komplementären literarischen Modellen das Bekenntnis zu einer adrogynen weiblichen Schreibweise angezeigt, vgl. Olea 1991 Noch deutlicher in Eltit 1986

247 griffenen Worthülsen wird ein Geflecht an semantischen Bezügen aufgebaut, in dem die einzelnen Sprachmomente unendlich aufeinander verweisen. Solcherart entsteht ein innerliterarischer Raum, der sich durch semantische Offenheit auszeichnet. Es wird also kein "neues" Bild vom Sudaca entworfen. Was wir am Ende vor Augen haben ist eine Textur, die - ihren Entstehungsprozeß unentwegt reflektierend - die Voraussetzung dafür schafft, daß Kommunikation sich ereignen kann. Literatur: Allegretti, Susana (1984), Sudamericanos, los malos de las películas, in: 4.11.1984, S.40

El País, Madrid

Baudrillard, Jean (1982, Der symbolische Tausch und der Tod, München Benedetti, Mario (1983), Sudacas del mundo, unios, in: El País 20.6.1983 Benjamin, Walter (1977), Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, Frankfurt/Main (4.Aufl.) Briesemeister, Dietrich (1991), La confección de noticias sobre el descubrimiento, in diesem Band Eltit, Díamela (1988), Cuarto mundo, Santiago de Chile Eltit, Díamela (1986), Por la patria, Santiago de Chile Gewecke, Frauke (1986)., Wie die neue Welt in die alte kam, Stuttgart Heckmann, Friedrich (1981), Die Bundesrepublik: Ein Einwandererland? Stuttgart Kohl, Karl-Heinz Hg. (1982), Mythen der Neuen Welt - Zur Entdeckungsgeschichte Lateinamerikas (Einleitung), Berlin Kristeva, Julia (1977), Polylogue, Paris Lenk, Kurt (1971), Ideologiekritik und Wissenssoziologie, Neuwied-Berlin Olea, Raquel (1991), La passión y producción del texto "Sudaca", in: Iberoamericana Jg.14, Nr.40/41, S.150 ff Retamar, Roberto F. (1979), Caliban y otros ensayos, La Habana Scharlau, Birgit (1986), Kritik? Kritik! Die metropolitanen Medien und ihre Produkte, in: Medienforschung Bd.3, D. Prokop (Hg), Frankfurt/Main 1986 Scharlau, Birgit, Pressesprache, in: Romanistik Integrativ - Festschrift für Wolfgang Pollak, So. Wiener Romanistische Arbeiten Nr. 13 Scharlau, Birgit, (1990), Investigación sobre Documentos del período colonial en la República Federal de Alemania, in: Revista de Crítica Literaria año 15, Lima 1990, Nr.31-32

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Sudaca, (1983) in Madrid aufgeführte audiovisuelle Show von Rafael Amor, A. y C. Gambino, O. Manzano und M. Picon, unveröffentl. Textmanuskript und Musikkassette bei der Verfasserin Winkler, Hartmut (1990), Bilder, Stereotypen und Zeichen, in: Akten des film- und femsehwissenschaftlichen Kolloquiums, Heller, H. (Hg), Marburg Voss, Dieter (1986), Metamorphosen des Imaginären, in: Postmoderne im Zeichen eines kulturellen Wandels, Andreas Huyssen und Klaus Scherpe (Hg), Hamburg Zeitungen: El Pais, Madrid 19.10.1979; 20.10.1979; 25.11.1984 La gazeta de la manresa, Barcelona 27.10.1979 La Vanguardia, Barcelona 5.9.1980

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Carlos Monsiváis

América Latina en la Era de la Globalización

La palabra ubicua, globalización, señala en primer lugar la nueva condición del mundo y la incorporación forzada de lo "periférico" a un solo ritmo internacional, lo que no significa su desaparición ni mucho menos, sino - tan sólo - la constancia: de que en cada país del Tercer Mundo un sector cada vez más pequeño se salvará del destino del resto de la población (El símbolo del Arca de Noé!), si acata los designios del mundo unipopular, y se somete a la evidencia: la globalización es, siempre, un proceso sectorial de consecuencias universales. Todo está ahora a debate, incluyendo los términos antes sacralizados: nacionalismo, soberanía, cultura nacional, identidad. Y las preguntas adquieren un carácter inexorable: ¿es "la globalización" el reemplazo de la conciencia universal? ¿Qué le sucede a quienes no se "globalizan" en cada pais? Por lo pronto, dos factores inequívocos: globalización es sinónimo de modernización, y en América Latina, por razones cada vez más culturales, sólo hay una propuesta de globalización: la norteamericana.

I. Donde el fin de la historia se confunde con el culto a Baal Es implacable el hábito latinoamericano de convertir en armas del determinismo social a expresiones que quieren ser descriptivas. Recuérdense algunos de los términos de tan costosos efectos en la psicología popular: el complejo de inferioridad de los pobres/ el subdesarrollo/ las sociedades marginales/ el Tercer Mundo y el tercermundismo/ los países periféricos. Estos "vocablos se pretenden descriptivos y científicos (formulaciones psicológicas, económicas, sociológicas y quieren dar cuenta de las limitaciones de naciones en vía de desarrollo" y pueblos que las acompañan, y terminan incorporándose, en plena autodenigración a las visiones donde la identidad es destino fatal: "Que le vamos hacer, si somos tercermundistas". De allí al autochoteo no hay sino un paso: "Hay que quitarnos esa actitud tercermundista". El fin de la Guerra Fría. La instalación financiera, comercial y militar del mundo unipolar, y los desastres sucesivos en los países del socialismo real, promueven

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otro cambio semántico: el mercado libre se ofrece como el sistema social a prueba de contingencias, el equivalente de lo eterno. En la operación tan de moda que hace de todo lo vivido la prehistoria del supercapitalismo trasnacional, el sentido de lo real se localiza en las relaciones entre producción y consumo, mientras se impone un triunvirato de ideales: productividad, privatización, eficacia. El neoliberalismo promueve, por si hiciese falta, la mala fama de las utopías (y del término mismo utopía, ya identificado en el mejor de los casos con la sciencefiction), y según la derecha la gloría del capitalismo persistirá siglos después del Juicio Final. Al amparo de los acontecimientos de 1989, los empresarios en América Latina consideran legitimada la desigualdad y hacen de su discurso envanecido el ensueño donde la suerte de la minoría privilegiada es el porvenir óptimo de las naciones. Si antes, en lo declarativo al menos, frenaba en algo a los empresarios la demanda de justicia social, ahora creen llegado el triunfo sin barreras y exaltan la concentración del privilegio, con un impulso cuyo fervor se asemeja al marxista de las etapas de "mística revolucionaria". Y los medios masivos, la tendencia favorece con mucho a la ideología del mercado libre e irrestricto. Así, donde se hablaba de equidad se menciona la caridad cristiana; donde se decía revolución se utiliza evolución selectiva; donde aparecía intereses del pueblo se alaba al capitalismo popular, y el verbo privatizar sustituye a nacionalizar. Las teorías apenas actualizadas del capitalismo decimonónico aspiran al status de culto religioso, que santifique la elevación económica de unos cuantos. Y los feligreses del libre mercado (el capitalismo salvaje sin limitación alguna), ejercen la intolerancia, el odio a la discrepancia y la rabia exterminadora con métodos y expresiones muy propias del stalinismo de los vencedores. A nombre de la caída del socialismo real, las campañas del neoliberalismo buscan eliminar tada disidencia y presentar lo que sucede (la barbarie de la gran concentración de la riqueza) como lo que debe suceder. Véase por ejemplo un texto del empresario mexicano Lorenzo Servitje intitulado "Desigualdad: un punto de vista incómodo" (Nexos, 153), donde reverencia a quienes tienen "una capacidad poco común de acrecentar los bienes disponibles". Afirma Servitje: La capacidad de dichas personas (los empresarios) de crear y acumular riquezas genera una desigualdad social y económica que es resentida por los demás. Hay una sensación de injusticia y con frecuencia los gobiernos tratan de corregirla quitándoles a los que tienen para darlo a los que no tienen. En el corto plazo este intento de redistribuición funciona. Sin embargo, transcurrido poco tiempo los grupos productivos, que hicieron posible el que existieran recursos excedentes, reducen o suspenden su aportación productiva. La sociedad en su conjunto sufre.

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Desde un punto de vista cristiano o humanista sería bueno y noble que estos grupos productivos, y aún ricos, dedicaran los frutos de su ahorro a ayudar a los demás o que vivieran modestamente. Esto en la vida real no es probable que ocurra. La experiencia histórica comprueba que la desigualdad económica resultante es un mal menor con el que tenemos que vivir y que por lo tanto hay que aceptar. Asf no lo digan, los empresarios se adhieren gozosamente a la teoría del "fin de la Historia". Según ellos, ha llegado el instante de privatizarlo todo, y de hacer del neoliberalismo el equivalente del "Arca de Noé", donde la minoría sobrevive al desastre de sociedad que no se prepararon para la era de la especialización y la postmodernidad. La miseria es el diluvio de América Latina.

"Aquí durmió el socialismo real" Al fracaso de la "vía armada al socialismo" y a su descrédito (no es posible olvidar el caso dramático de Sendero Luminoso), se añaden las consequencias inevitables, para la idea misma de socialismo, de la caída patética de los regímenes del Este. Abundan las preguntas: ¿es ya el socialismo una meta anacrónica, gracias a los resultados funestos de lo que usurpó su nombre? ¿Fue el socialismo real lo opuesto al socialismo, o su consecuencia natural e inevitable? ¿Salen sobrando los ideales socialistas? En América Latina, la mayoría de las repuestas emitidas sobre este tema, consolidan el determinismo del mercado libre. Bolívar Echeverría, en un ensayo penetrante, examina los procedimientos de "la razón cfnca", normados por la confianza básica: los ideales socialistas son irrealizables. Echeverría es preciso: En el mundo actual la voluntad de huir no es únicamente la que resulta del "socialismo real" y las frustraciones que ha deparado; hay también voluntad de huir del "capitalismo" y los infiernos que genera. Las poblaciones que huyen (literal o figuradamente) hacia el "capitalismo" lo hacen porque pueden; ellas sí disponen de un lugar tangible en donde intentar convertir en realidad la imagen invertida del "socialismo real", creada por su fantasía. Las poblaciones agobiadas por el "capitalismo", en cambio, las que se encuentran en las zonas "menos favorecidos" de éste - a las que podrían llegar, sin querer, "las que vienen de regreso del socialismo" - , no huyen porque no pueden hacerlo, porque sus fantasías resultan auténticamente utópicas: no hay un lugar ya existente hacia donde encauzar su vonluntad de huida. ¿Qué sentido tiene, tratándose de las clases marginadas económicamente, hablar de "fin de las utopías"? Para millones de personas, muy alejadas de la prédica revolu-

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cionaria, este "fin de las utopías" no es hecho que las afecte (Su diseño utópico suele situarse en los terrenos de la sobrevivencia de día a día). Pero sí agrede a sus escasos derechos la identificación, tan promovida por el sector empresarial y sus intelctuales y articulistas, entre búsqueda de la justicia social y anacronismo. A nombre de la ruina de un sistema totalitario, se quieren cancelar las esperanzas de mejoría de los países pobres y de los pobres en los países ricos.

De la globalización parroquial La sociedad integrada mundialmente o globalizada por el mercado capitalista, advierte el fracaso de los sistemas contendientes, y obtiene de paso la revelación complementaria: hay fracasos menos iguales que otros. El capitalismo ha multiplicado e institucionalizado la miseria, ha devastado los recurso naturales, ha legitimado el autoritarismo sin modificar sus mecanismos esenciales, ha convertido en un infierno la lucha por la sobrevivencia, pero tiene a su favor, entre otras cosas, zonas de prosperidad y libre expresión, el desastre fehaciente de los que han pretendido evadir las leyes del mercado, la fascinación ante la sociedas de consumo, y el impulso hipnótico de los medios electrónicos. ¿Qué se le opone al mercado libre? La izquierda lationamericana, uno de los grandes factores de avance cultural en el continente, vive ahora el retroceso o el arrinconamiento. Pagó de golpe su incapacidad crítica ante el socialismo real, su miedo a distanciarse públicamente del autoritarismo soviético o cubano, su apego mecánico al credo socialista. Y en esto, no sólo la izquierda ortodoxa y las organizaciones político-militares de Centroamérica, resultan afectadas, también los movimientos de tendencia socialdemócrata, y la Teología de la Liberación, combatida ferozmente por el papa Juan Pablo II, y minada por su noción fundadora: el encuentro político de marxistas y cristianos. Se esfuma el alborozo de quienes anhelaron la transformación de la totalidad, que no otra cosa es la utopía, y creyeron al alcance de la mano la construcción del hombre nuevo, la postulación dogmática de San Pablo que el Che Guevara tradujo son mayores variantes al idioma de la Revolución Cubana. Para la inmensa mayoría la revolución, la Diosa Reconstructora y Devastadora de tan vasto ascendente durante sesenta años, ya no es creíble, es, como Mao dijo del imperialismo, "un tigre de papel". El campo de los imaginarios colectivos está sojuzgado por la exaltación del consumo y quienes (casi todos) los que se asoman un tanto simbólicamente a este consumo, interiorizan en diversos grados el rechazo a las ideas revolucionarias, indeseables por imposibles, y nunca más definitivas, como se ha visto largamente con la Revolución Mexicana, hoy abandonada incluso en el discurso oficial, y más recientemente, y sin instituciones consolidadas, con la revolución sandinista. Por lo mismo, la

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Revolución Cubana, el gran ideal latinoamericano de los años sesentas, ha perdido por doquier su poderío estimulante, asf conserve defensores. De modo complementario, es notorio el marxismo, vulgar o refinado, se desploma en el "mercado teórico". Se eclipsan los manuales de materialismo histórico (categorizado), en donde dos o tres generaciones de estudiantes latinoamericanos aprehendieron su comprensión elemental del mundo, se ven sepultadas sus predicciones ("Los días del capitalismo están contados"), se evapora la fe en el sentido ascendente de la Historia y en la victoria de los humillados sobre los opresores, de la moral revolucionaria sobre la rapacidad capitalista. Siguen allí, y muy activados, los hechos que han constituido históricamente a la izquierda intelectual (la miseria de las masas, la estupidez y el afán omnívoro de las classes gobernantes, la desigualdad monstruosa), pero la idea del cambio revolucionario se califica, en el campo académico y en las organizaciones políticas con algún peso, de "ilusión voluntarista". En la izquierda y en el centro izquierda se vive las sensaciones de frustración. No se deslindaron a tiempo de las prácticas totalitarias y no hallaron alternativas convincentes. Este panorama se observa con pesimismo, aunque hay otra posibilidad interpretativa, que consigna Jorge B. Castañeda: Por primera vez desde la Segunda Guerra Mundial y el principio de la Guerra Fría ... en un continente donde tres cuartas partes de la población son pobres y se han empobrecido más en la década pasada, la izquierda puede competir por fin en sus propios términos, y con su plataforma propia: democracia, soberanía, crecimiento económico y justicia social, todas encaminadas a mejorar a los millones de latinoamericanos excluidos de los beneficios de las bonanzas previas y los experimentos actuales. La izquierda puede ganar y probar que vale, o mostrarse como algo obsoleto y sin remedio. Pero al menos se le juzgará por méritos propios y no a través de la sombras anticomunistas y antisoviéticas distorsionadas y proyectadas a distancia. Según Castañeda, el fin de la Guerra Fría puede contribuir a la "africanización" de Latinoamérica, relegándola todavía más y excluyéndola del curso principal de comercio, inversión y crédito internacionales. Pero también el final de la Guerra Fría quizás "latinoamercanice" a la izquierda y la arraigue en definitiva en la tierra todavía yerma del hemisferio.

II. La educación pública: el universo de los reprobados Un continente pasado de modaA A diario, diversos elementos que ratifican el filo devastador de la frase. Al filo de la globalización las economías nacionales en Amé-

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rica Latina están profundamente erosionadas, y no obstante los sueños y las promesas del neoliberalismo, persisten los efectos de le Década Perdida de América Latina. Sigue disminuyendo el ingreso per capita, en la mayoría de los países, el empleo se reduce en términos relativos y a veces absolutos. Y entre los atenuantes del desastre figuran de modo prominente las exportaciones de droga, la inmigración y la economía informal. Y esto ha traído consigo, irremisiblemente, la caída en el gasto real en educación, salud, vivienda y asistencia. El determinismo del mercado libre usa como argumento privado y público la zona catastrófica de la educación. Si vamos al caso de México, de ninguna manera el más dramático en América Latina, el 55 por ciento de los alumnos del ciclo elemental no lo termina en todo el país, crece la deserción en el ciclo de enseñanza secundaria, en las zonas rurales la deserción en la educación primaria asciende al 80 por ciento, y en las zonas indígenas al 90 por ciento. Y la estación terminal, en promedio, del estudiante mexicano, es el cuarto año de primaria. Entre los jóvenes de las universidades públicas (para ya no hablar de los que cortaron sus estudios) privan el desaliento, la desesperanza, la apatía. Desaparecido el espejismo de las oportunidades al alcance de la movilidad social que aún se vivía en los anos setentas. A cambio de la pérdida del sueño, la comprobación reiterada del ascenso que lo es y sin interrupciones: el de los jóvenes de las universidades privadas que, al interrumpirse casi del todo la movilidad social, son la élite garantizada de los gobiernos y las finanzas, el sentido mismo de la reproducción educativa, los beneficiados directos de la historia que dejó de serlo. La derrota de los egresados de universidades públicas tiene consecuencias de toda índole, y una muy notoria es el desencanto de quienes se sienten expulsados del "ritmo de la nación", y desconfían del camino tradicional del oportunismo. En la vida académica y la vida intelectual son drásticas las consecuencias del empobrecimiento. Salvo en Colombia, se han desplomado los niveles de la industria editorial, nunca muy satisfactorios, el libro se va convirtiendo en un objeto de lujo, la fotocopia sustituye al libro en la educación superior, las bibliotecas resultan insuficientes o simplemente no existen y la poplítica cultural de los gobiernos vuelve al punto de partida de principio de siglo, cuando se creía devotamente en la incapacidad orgánica del pueblo en materia de cultura, y todo el esfuerzo se dedicaba a la élite. A este desdén lo norman factores diversos. Entre ellos: -El autoritarismo de una sociedad formada por el anti-intelctualismo y recelosa de la moral de los artistas que, lo acepte o no, ve en el arte el espacio de resguardo para quienes, por tropeza constitutiva, no logran incorporarse a lo real. -El odio de la derecha a la libertad de expresión y a las tareas intelectuales. -La banalización inmensa promovida por la televisión.

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-El desplome en términos relativos o absolutos de la investigación científica y tecnológica. -La fe de la élite en la torpeza innata de las mayorías que, "por razones constitutivas" no son susceptibles de verdadero gusto artístico o de formación literaria e intelectual. -La separación, según criterios escolares, entre la educación y la cultura, con desastrosas consecuencias en la enseñanza.

"Si no viajas, tú el de los escasos recursos, es porque no quieres" Mensaje a los pobres de los gobiernos o la escritura en la pared: oh tú, pueblo si no lees a los clásicos, si no te apasionan los fauves y los expresionistas, si no estás al día en la materia de vanguardia estética, es porque así lo quieres, ya que tu ignorancia es fruto de la desidia y es indiferencia culpable ante las obras del espíritu ... . Otra vez, la responsabilidad es sólo de las víctimas. Pero la realidad no es tan unilateral, y mucho se avanza en estos años. En las ciudades las ofertas de la industria cultural y el auge de la ensenanza media y superior transforman la relación de la sociedad con el arte y las humanidades. Y se da lo inesperado: en las clases populares y en las clases medias ajenas al sector ilustrado, muchos requieren otros gustos y se esfuerzan al respecto por leer, oír música culta, revisar con otra intención la cultura popular. Para contrarrestar la monotonía y la circularidad de sus vidas ansian cultivar su sensibilidad, se aficionan al arte de múltiples maneras y quieren, sin saber muy bien cómo hacerlo, entretenerse y pensar de otra manera. Pero sus recursos son limitados y no disponen de apoyos sociales y estatales. Para llegar a las oportunidades de consumo cultural deben trascenderse la inercia, el encarecimiento del proceso informativo, las sensaciones inducidas de inferioridad ante el conocimiento. Luego del esfuerzo inicial, pocos persisten en la lectura (el analfabetismo recurrente), y muy pocos mudan de hábitos de consumo cultural. En ciudades medianas y en pueblos, las mayorías tienen en contra, de insistir en sus propósitos de cambio, la cerrazón social, la falta de posibilidades adquisitivas e informativas. ¿Cómo reaccionar debidamente ante la pintura clásica o contemporánea? ¿Cómo acercarse al ballet o a la ópera? ¿Cómo integrar, con o sin jerarquizaciones, la música culta, el rock, el bolero, la música oriental o la africana? ¿Cómo entrar sin inhibiciones a una librería? ¿Cómo enterarse de qué revistas leer, qué obras de teatro y películas ver? Si no se va al teatro es porque no se ha ido antes, y en materia artística, la tradición favorece la apatía. Si no me informo, ¿cómo puedo estar motivado? Con todo, algunos libros y algunos personajes corren la suerte de la poesía modernista a fines del siglo XIX y pricipios del siglo XX: su éxito trasciende

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ampliamente el ámbito de sus lectores específicos. En 1905 ó 1915, los analfabetas declaman a Rubén Darío y Manuel Gutiérrez Nájera, y en 1970 o en 1985, así lo ignoren los afectados, les conciernen en alguna medida concepciones artísticas que van de la literatura al cine, de la literatura a la literatura. Y si el panorama promueve el pesimismo, hay en la fuerza de la sociedad civil razones sobradas para una estrategia del optimismo crítico. El caso óptimo de escritor que hace suya una parcela de la realidad es Gabriel García Márquez, cuya saga de Macondo, incluso antes del éxito mundial de Cien años de soledad, define la actitud de cientos de miles de lectores ante la fantasía y el realismo. Y al derrumbarse las fronteras rígidas y clasistas entre alta cultura y cultura popular, son otros los criterios para distinguir entre civilización y barbarie.

III. La americanización: No hay más ruta que la nuestra Es demasiado pronto para pronosticar el rumbo que ha de tomar el anti-imperialismo, una de las constantes históricas del pensamiento latinoamericano y del sentimiento popular. Ciertamente, se ha ido limitando el anti-yanquismo, y auque nadie la aprobó, tampoco se dieron movilizaciones a raíz de la invasión de Panamá, un acto prepotente y cínico con un saldo de miles de muertos tras el bombardeo a la población civil. En el conjunto, la americanización antes tan estigmatizada por los gobiernos, la izquierda y parte de la élite, ha dejado de ser el problema o tema urgente. Y la resistencia ante ella resulta débil porque la seducción no es, en principio ideológica sino tecnológica: ¿Cómo decirle que no al confort? Y quien acepta la tecnología termina pactando con la ideología que ve en la moral a una variable de la comodidad. La acción se repite: los grupos tradicionales rechazan cualquier innovación venida según ellos de Norteamérica (por ejemplo, en el terreno de la moral (libertad de opción sexual en las mujeres, uso de anticonceptivos, trato más igualitario en la familia y en la escuela, desnudos frontales en cine y teatro, uso público del lenguaje "obsceno", ajustes en la ropa a la noción de libertades corporales, etcétera); las autoridades dudan o le tienen miedo a los poderes de la tradición, y por un tiempo se consiguen prohibiciones y vetos (En esto, teatro y cine tienen el carácter de laboratorios del cambio social). Luego ya sin problemas, la innovación se generaliza y a nadie le ocurre protestar. A esto se añaden fenómenos motivados por la pobreza de las mayorías, por ejemplo, la unión libre, práctica de decenas de miles de parejas, sin dinero para los gastos cuantiosos, en términos relativos o absolutos, del matrimonio civil y eclesiástico. Además de las razones políticas y económicas, el ascenso irresistible de la "americanización", que abarca a la burguesía y a las clases populares, se basa en un

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casi dogma de la psicología de la moral social. Al exacerbarse el "voyeurismo cultural", se quiere ser "tan liberal como los gringos", o se busca oponerse muy estruendosamente a "las costumbres disolutas". Y, casi por exepción, en este caso sí es cierto que las ideas dominantes son las de la clase dominante: la americanización, razonan los burgueses, es la única estrategia conocida que permite incorporarse a los que sucede y vale la pena. El mundo gira en torno de un gran estilo de vida, y Nueva York y Houston y Dalles y Los Angeles bien valen la certidumbre de que las hijas abandonan al mismo tiempo pubertad y virginidad, de que infidelidad matrimonial y no es unilateral, de que uno de los hijos puede no ser el gemelo psíquico de John Wayne o Pedro Armendáriz, de que la permisividad sexual ha llegado al hogar. A la americanización la diseminan dos fenómenos que, cuando aún tenía caso hacerlo, los sectores tradicionales debieron calificar de "caballo de Troya": Los medios electrónicos y las corrientes migratorias. La sociedad tradicional se dispuso a registrar la profanación ideológica (el protestantismo, el ateísmo, el marxismo), pero no previó la contaminación del cine y la televisión. Si el sentido de lo contemporáneo se decide en Estados Unidos, un latinoamericano que se pregunta "¿Qué tan contemporáneo soy?", en rigor está diciendo "¿Qué tan cerca o qué tan lejos estoy del modelo norteamericano?" Así de colonizado y así de inevitable. Y en el caso de México, esto se acrecienta con la frontera de tres mil kilómetros con Estados Unidos, las migraciones rituales de trabajadores a Texas y California (especialmente), y la vasta dependencia económica. Antes, si quería orientar su relación con la modernidad, la gente de provincia miraba a la capital del país; ahora, la atención se deposita en Estados Unidos y, más precisamente, en la ciudad de Los Angeles. A diario, y sea o no consciente tal actitud, el anacronismo se define de acuerdo a la lejanía con los modelos norteamericanos. Otras sociedades pueden ser más libres o menos represivas (las escandinavas, digamos), pero si en Estados Unidos se instrumentan los avances en la técnica, también se fijan los avances en el comportamiento, y de allí que la moda pregone a su manera los vuelcos ideológicos (la minifalda se impone, por ejemplo, cuando el criterio del orgullo corporal se impone sobre el miedo a la provocación). En todo interviene la americanización, en las formas más desenfadadas de relación familiar, en el sello "eficacia" o "ineficacia" que decide el porvenir de las tradiciones (del uso de las lenguas indígenas al adulterio), en el incremento de espacios de libertad para los niños, los adolescentes y las mujeres, en el desarrollo de la tolerancia. Al principio, la americanización es propia de la burguesía y la vanguardia de las clases medias; luego, al extenderse, se origina un debate, presentado como "batalla por la preservación de la Identidad Nacional", y en verdad, sólo un forcejeo por el dominio de las claves de lo inteligible.

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¿Existe algo semejante a un resumen? Obligada por el neoliberalismo, la economía de América Latina cambia con rapidez extraordinaria, sin que los cambios, previsiblemente, beneficien o lleguen a beneficiar sólidamente a las masas. Y

al tiempo que las transformaciones económicas, sujetas a un ritmo

igualmente veloz aunque nunca tan espectacular, las transformaciones culturales informan de la modernización superficial, de la creatividad de primer orden, de la internacionalización genuina, de las zonas de atraso en el marco de la alta tecnología.

El

panorama

no

permite

conclusiones.

Hoy

todavía,

exige

las

descripciones que permiten entender o vislumbrar su racionalidad, más allá del alborozo neoliberal o la desesperanza.