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German Pages [370] Year 2014
Schriften des Archivs der Universität Wien Fortsetzung der Schriftenreihe des Universitätsarchivs, Universität Wien
Band 18
Herausgegeben von Kurt Mühlberger, Thomas Maisel und Johannes Seidl
Roman Pfefferle / Hans Pfefferle
Glimpflich entnazifiziert Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren
Mit zahlreichen Professorenportraits
V& R unipress
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0275-5 ISBN 978-3-8470-0275-8 (E-Book) Veröffentlichungen der Vienna University Press erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Rektorats der Universität Wien und der Universitätsbibliothek Wien. Ó 2014, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Titelbild: Ó Hans Pfefferle Druck und Bindung: CPI buchbuecher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.
Inhalt
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1 Rechtliche Rahmenbedingungen, Organe und Akteure . . . . . . . . . 1.1 Allgemeine Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Verbotsgesetz und Kriegsverbrechergesetz . . . . . . . . . 1.1.2 Nationalsozialistengesetz 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Die Amnestien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Entnazifizierungsbestimmungen für den öffentlichen Dienst und die Universitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Otto Skrbensky – die Schlüsselfigur der Entnazifizierung . . . . . 1.3.1 Eine einschlägige Karriere mit Zwangspause . . . . . . . . 1.3.2 Exkurs: Der junge Kreisky bekommt es mit Skrbensky zu tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3 Der Sektionschef und die Minister . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Nach Tradition des Hauses . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.5 Immer wieder aufgenommene Aktionen . . . . . . . . . . 1.3.6 Ein Mann von Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.7 Die Schwäche der eigenen Leute . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.8 »Es wäre also vielleicht zu empfehlen, das Einschreiten in die Wege zu leiten« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.9 Man wollte unter sich sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.10 Dank und Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 31 31 34 36
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der neue Geist . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ein ungestörter Betrieb . . . . . . . . . . 3. Verortung und Aufbau vorliegender Arbeit
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Inhalt
2 Prozesse der Entnazifizierung an der Universität Wien aus der Perspektive des Akademischen Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Nach Kriegsende und das Studienjahr 1945/46 . . . . . . . . . . . 2.2 Das Studienjahr 1946/47 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Der Vorgang der Entnazifizierung der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät der Universität Wien . . . . . . . . . . . 3.1 Der Lehrkörper und die Nicht-Beanstandeten . . . . . . . . . 3.2 Ein Gesamteindruck und eine Liste von Ende 1945 . . . . . . 3.3 Die fehlenden Drei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Die »Reichsdeutschen« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Der Fall Lange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Entlassene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.7 Die Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren 3.8 Die Sonderkommission entscheidet negativ . . . . . . . . . . 3.9 Das Ministerkomitee im Bundeskanzleramt . . . . . . . . . . 3.10 Ablehnung und Zustimmung durch das Ministerkomitee . . . 3.11 Zur Situation nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 . . . . 3.12 Pensionierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.13 Wissenschaftliche Tätigkeit und Entnazifizierung . . . . . . .
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5 Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit von Professoren der Philosophischen Fakultät vor und nach 1945 in der Gegenüberstellung 5.1 Eine spezialisierende Bewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Arische Physik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.3 Ein Österreicher als Hymniker der Volkheit . . . . . . . . . . . . 5.4 Wege zur modernen Sozialgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Privatwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Von Carnuntum auf den Magdalensberg . . . . . . . . . . . . . .
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4 Der entnazifizierte Teil der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät in der Zeit der Amnestien und der Rehabilitierung . . . . 4.1 Eine zweite Karriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Karrieren im Ausland – die Österreicher . . . . . . . . . . . . 4.3 Karrieren im Ausland – die »reichsdeutschen« ordentlichen Professoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Die »reichsdeutschen« außerordentlichen Professoren . . . . 4.5 Karrieren im außeruniversitären Bereich . . . . . . . . . . . . 4.6 Die Professorenschaft und die Österreichische Akademie der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
5.7 Ausgewählte Einzelbiographien 5.7.1 Wilhelm Czermak . . . . 5.7.2 Hans Koch . . . . . . . . 5.7.3 Kurt Leuchs . . . . . . . 5.7.4 Gustav Ortner . . . . . . 5.7.5 Camillo Praschniker . . .
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6 Die Professoren der Medizinischen Fakultät . . . . . . . . . . . 6.1 1944: Berlin »entpflichtet« und ernennt neu . . . . . . . . 6.2 Die »reichsdeutschen« Professoren . . . . . . . . . . . . . 6.3 Mitglieder der NSDAP und von SA oder SS . . . . . . . . . 6.4 Der Stichtag: Dienstag, 10. April 1945 . . . . . . . . . . . . 6.5 Das erste Jahr der Entnazifizierung . . . . . . . . . . . . . 6.6 Das Ministerkomitee und die Medizinische Fakultät . . . . 6.7 »Lebensbedrohende Versuche am lebenden Leib« . . . . . 6.8 Karrierewege nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.1 Universitätsdienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.2 Ruhestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.8.3 Tätigkeiten in Arztpraxen und Kliniken . . . . . . . 6.9 Arnold Pillat – ein typischer Fall . . . . . . . . . . . . . . 6.9.1 Existenzangst und Bewunderung . . . . . . . . . . . 6.9.2 »Wir werden noch andere Zeiten erleben« . . . . . 6.9.3 Die dauernde Verwendung des zweimal Enthobenen 6.9.4 »Denazification« und »Ende gut, alles gut« . . . . .
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7 Die Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 7.1 Die »Unbelasteten« – ein »Reichsdeutscher« bleibt . . . . . . 7.2 Die Entnazifizierten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.1 Die drei »Erwünschten« und Wiederernannten . . . . . 7.2.2 Weitere Fälle vor der Sonderkommission . . . . . . . . 7.2.3 Versetzung in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.2.4 Die Nicht-Österreicher . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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207 207 209 211 219
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8 Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät . . . . . . . . 8.1 Ein wohlwollender Dekan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8.2 Keine Entnazifizierung und »graue Eminenzen« . . . . . . . . . .
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Inhalt
9 Die Professoren der Evangelisch-Theologische Fakultät . . . . . . . . 9.1 »Bis hin zur Gefährdung meiner sozialen sowie physischen Existenz« – der Eiferer Gustav Entz . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Zwei nationale Theologen und ein Mann des Friedens . . . . . . .
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Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse . . . . . . . . . . .
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Biogramme der Professoren . . . . . . . . . . . Philosophische Fakultät . . . . . . . . . . . . Ordentliche Professoren . . . . . . . . . Außerordentliche Professoren . . . . . . Medizinische Fakultät . . . . . . . . . . . . . Ordentliche Professoren . . . . . . . . . Außerordentliche Professoren . . . . . . Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Ordentliche Professoren . . . . . . . . . Außerordentliche Professoren . . . . . . Katholisch-Theologische Fakultät . . . . . . Ordentliche Professoren . . . . . . . . . Außerordentliche Professoren . . . . . . Evangelisch-Theologische Fakultät . . . . . . Ordentliche Professoren . . . . . . . . .
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Archivalien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Archiv der Universität Wien (UAW) . . . . . . . . . . . . . . . . Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik (ÖStA/AdR) Bundesarchiv Berlin (BA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) . . . . . . . . . . . .
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Gesetzestexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Verzeichnis der Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort
Als ich vor einigen Jahren Informationen über die Entnazifizierung an der Universität Wien suchte, stellte ich zu meiner Verblüffung fest, dass außer einzelner Artikel, die meist Institutsgeschichten zum Gegenstand haben, keine Gesamtschau zum Thema existiert. Die Universität Wien hatte sich 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus noch nicht mit einem der heikelsten Kapitel ihrer Geschichte auseinandergesetzt. Damit stand sie allerdings nicht alleine da. Ebenso wenig haben sich andere gesellschaftliche Eliten, wie etwa Ärzte oder Richter, mit diesem Thema beschäftigt. Der gesellschaftliche und wissenschaftliche Paradigmenwechsel von einer Opfer- hin zu einer Täterperspektive, der seit Mitte der 1980-er Jahre in Österreich stattfindet, war in puncto Entnazifizierung an der Universität Wien noch nicht vollzogen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Es war nicht zuletzt ein reaktionärer akademischer Korpsgeist, der eine kritische wissenschaftliche Analyse der Reintegration dieser Elite in die Universität Wien verhindert hat. Wie die Studie zeigt, zählte der Entnazifizierungsprozess an der Universität Wien nicht zu den rühmlichsten Abschnitten der Universitätsgeschichte. Grosso modo sind die Ergebnisse nicht völlig überraschend. Innerhalb des Universitätsbetriebs war es ein offenes Geheimnis, dass es ehemalige NSDAP-Mitglieder geschafft hatten, im Anschluss an eine kurze »Quarantänephase« nach 1945 wieder an ihre universitäre Laufbahn anzuknüpfen. Und das waren nicht wenige. Denn der Anteil ehemaliger NSDAP-Anwärter und -Mitglieder in der Professorenschaft der Universität Wien war überdurchschnittlich hoch: In der Philosophischen Fakultät betrug er 77 %, in der Medizinischen 83 %, in der Rechtsund Staatswissenschaftlichen 71 % und in der Evangelisch-Theologischen Fakultät 75 %. Nach Kriegsende wollten viele nichts davon gewusst haben. Sie stritten ihre NS-Aktivitäten ab, interpretierten sie um, marginalisierten sie oder logen schlichtweg, dass sich die Balken bogen. In vielen Fällen durften sie sich auf die akademische Kameradie ihrer Universitätskollegen verlassen. Ihre in eitler, elitärer akademischer Diktion vorgebrachten Eingaben und Rechtfertigungen lösen beim Lesenden Irritationen aus und verdeutlichen uns, dass diese
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Vorwort
universitäre Elite ebenso politisch und moralisch korrumpiert war wie andere Berufsgruppen. In diesem universitären Männerklub findet man Profiteure,1 Mitläufer und überzeugte Nationalsozialisten, die im Namen der Wissenschaft an ihrer universitären Karriere bastelten. Wie sich nach Kriegsende ihr weiterer beruflicher Lebensweg gestaltete, wird in dieser Studie beleuchtet. Als Universitätsangehörige ist für uns die Frage, von wem unsere Generationen von Studierenden bis in die 1980-er Jahre unterrichtet und ausgebildet wurden und an welche unausgesprochene und unreflektierte Tradition wir in Folge als Universitätslehrende anschlossen, von identifikatorischer Bedeutung. Und nicht zuletzt besteht nunmehr für hunderttausende Nachkriegsstudierende die Möglichkeit, mehr über den politischen Background zahlreicher Professoren zu erfahren, von denen sie an der Universität Wien unterrichtet wurden. Die kollektivbiographische Studie hat zum einen das Ziel, den komplexen Prozess der Entnazifizierung der gesamten Professorenschaft an der Universität Wien zu analysieren und zum anderen den Verlauf des Verfahrens jeder einzelnen Person zu rekonstruieren. Dieser Ansatz wird um ausführlichere Fallstudien zu ausgewählten Professoren ergänzt, die in der universitären oder gesellschaftlichen Hierarchie eine besondere Stellung inne hatten oder deren Entnazifizierungsverfahren besondere Auffälligkeiten aufweist. Der kollektivbiographische Zugang wurde von Elisabeth Kübler und Dario Brentin im Zuge des Projektantrags entwickelt. Ihre Vorrecherchen waren für den späteren Projektverlauf eine wertvolle Grundlage. Roman und Hans Pfefferle führten in weiterer Folge die konkrete Projektbearbeitung aus, wobei ich die Textentstehung gewichtend begleitete. Dass es sich bei den beiden um Vater (Hans) und Sohn (Roman) handelt, erwies sich als unerwarteter Glückstreffer. Sie wurden bei den Recherchen von Elisa Deutschmann unterstützt. Für das Lektorat zeichnen Katharina Kniefacz und Andreas Huber, für die Diagramme Heidelinde Mickal verantwortlich. Das Projekt wurde vom Zukunftsfonds der Republik Österreich und dem Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank finanziert; das Rektorat der Universität Wien unterstützte das Buchprojekt mit einer Lektorats- und Druckkostenförderung. Für Inputs, kritisches Feedback und gewissenhafte Korrekturen sind wir insbesondere ManÀs Weisskircher und Katharina Kniefacz, Andreas Huber und Herbert Posch vom Forum »Zeitgeschichte der Universität Wien« dankbar, das uns auch die Präsentation unserer ersten Teilergebnisse auf einer universitären Wissenschaftstagung ermöglichte. Insbesondere die Reaktionen bei weiteren 1 Die Universität Wien verlor nach dem »Anschluss« im März 1938 aus rassistischen und/oder politischen Gründen etwa 45 % ihrer Lehrenden.
Vorwort
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Konferenzpräsentationen und in Lehrveranstaltungen waren eine große Hilfe bei der Reflexion unseres Forschungsweges. Dass wir uns dabei nicht völlig verrannt haben, beweist die Verleihung des Theodor Körner-Preises (2010), des Preises der Bank Austria zur Förderung innovativer Forschungsprojekte an der Universität Wien (2012) und des Leopold Kunschak-Wissenschaftspreises (2013). Bedanken möchten wir uns nicht zuletzt bei unseren Gutachtern Jill Lewis (Swansea University) und Peter Goller (Universität Innsbruck) sowie den Herausgebern der Schriftenreihe des Archivs der Universität Wien, die unsere Forschungsergebnisse in ihrer Reihe publizieren. Ao. Univ. Prof. Dr. Walter Manoschek
Einleitung Die Geschichte ist, von außen betrachtet, Geschichte der Macht, von innen gesehen ist sie Geschichte des Gewissens. Egon Friedell
1.
Der neue Geist
Im Jänner 1946 erschien im Deuticke-Verlag in Wien eine schmale Broschüre mit dem Titel »Die Wehrlosen. Zum Problem der Nationalsozialistischen Hochschullehrer«, als deren Verfasser eine Vereinigung demokratischer Hochschullehrer Österreichs« zeichnete.2 Es waren also Stimmen von innen, die zu einem drängenden internen Anliegen der Hochschulen Stellung bezogen. Schon in den ersten Absätzen nennt die Broschüre Gebot der Stunde und Status quo: »Seit dem Ende des Krieges auf österreichischem Boden sind dreiviertel Jahre vergangen und zu Rückblenden mancherlei Art ist es gewiß nicht mehr zu früh, vor allem nicht dort, wo es nicht um materielle Dinge geht. Die Aufforderung zur Geduld, die Mahnung, doch nicht einige Monate nach dem größten Krieg der Geschichte schon eine wesentliche Wiederkehr normalen Lebens zu erwarten, wird noch für lange Zeit berechtigt sein. Sie darf aber wohl kaum für den Bereich des Geistigen gelten. Wenn der ›neue Geist‹ lange auf sich warten läßt, hilft kein entschuldigender Hinweis mehr auf die erst kurze Zeit, die seit den Erschütterungen der Katastrophe vergangen ist.«3
Die Wiener Hochschulen hatten nun seit Kriegsende schon wieder zwei Semester mit langen Ferien dazwischen hinter sich. »Ist nun, nach diesen Monaten, in der Festlegung des neuen Geistes an der Hochschule, in der Zusammensetzung ihres Lehrkörpers vor allem, alles so, wie man es erwarten durfte? Wahrscheinlich wird dies niemand bejahen wollen.«4 Der »neue Geist« wurde also beschworen, 2 Der Titel nimmt Bezug auf eine Äußerung eines »bekannten Professors der Wiener Universität« (Josef Nadler oder Heinz Kindermann), der sich, »von einer Zeitung als einer der erklärtesten ehemaligen Vertreter des Nationalsozialismus in der Wissenschaft gekennzeichnet« in einer Entgegnung als einen »auch heute noch Wehrlosen« bezeichnet und »an die Ritterlichkeit der Angreifer appelliert«, Vereinigung demokratischer Hochschullehrer Österreichs (Hrsg.), Die Wehrlosen. Zum Problem der nationalsozialistischen Hochschullehrer (Wien 1946), S. 4 – 5. 3 Ebd., S. 1. 4 Ebd., S. 3.
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Einleitung
der Neuanfang, Elemente einer Stunde Null, und als wesentliche Voraussetzung dafür die Zusammensetzung des Lehrköpers. Und: Der neue Geist durfte im Gegensatz zu materieller Erholung nicht lange auf sich warten lassen, es musste jetzt gehen, oder es ging gar nicht oder für lange Zeit nicht mehr. Und in jenen Monaten war die Stimmung der österreichischen Bevölkerung einer »Reinigung«, einer Entnazifizierung gegenüber positiv, Zeichen der Zeit wurden in diesem Text also richtig gedeutet. In einem der folgenden Sätze findet sich weiters das Wort vom »Neuaufbau einer zerschlagenen Welt«5, also »Neuaufbau«, nicht das bezeichnende Leitwort der folgenden Jahre vom »Wiederaufbau«. Wie sollte nun der Lehrkörper, der den »neuen Geist« bringen, den »Neuaufbau« der Hochschulen leisten soll, beschaffen sein, und vor allem auch, wer sollte ihm nicht mehr angehören? An die Lehrenden seien besondere Maßstäbe anzulegen: »Wir haben (…) von Intellektuellen zu reden, von den auf der sozialen Stufenleiter am höchsten stehenden Intellektuellen, den Hochschulprofessoren (…), sie haben (…) im Reich des Geistes zu leben und ihre Sünden liegen hier (…). Verrat am Geist und Prostitution der Wissenschaft, Lüge und Verfälschung durch Aussprechen und Verschweigen – dies ungefähr ist das grobe Schema des Sündenregisters, um das es sich hier handelt.«6
Die Vorbildwirkung des Professors sei bedeutend gewesen und sei es noch immer : »Vorher jedenfalls gehörte er zu der Berufsklasse, zu deren Vertreter der einfache Mann als Vorbild in politischen Urteilen und Entscheidungen aufblicken konnte: Wenn die Gebildeten, die ›Professoren‹ Anhänger dieses Systems sind, dann muß doch etwas daran sein! (…) Von der Schuld der Verführung kann die ganze Gattung der nationalsozialistischen Hochschullehrer auf keinerlei Weise freigesprochen werden. Sie wiegt durch die allgemeine Wirkung schon schwer genug, wird aber noch vergrößert, da es im besonderen ja auch noch um die Wirkung der Autorität des Lehrers auf die Studenten geht.«7
Nationalsozialismus sei Sünde wider den Geist und sei daher »nicht der Nationalsozialist der intellektuellen Gattung, der heute demokratische und menschliche Behandlung beansprucht, schon eben dadurch allein eine erbärmliche Figur?«8 Er sei es, und der angelegte Maßstab musste streng sein: »Der Universitätsprofessor, der Parteigenosse war, ist eben eo ipso schon belastet und von der Diffamierung kann ihn keine Entregistrierung, keine ›Durchschleusung‹ be5 6 7 8
Ebd. Ebd., S. 7. Ebd., S. 9. Ebd., S. 5.
Der neue Geist
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wahren (…). Die Unterscheidung von Führern und Geführten, Verführern und Verführten, aktiv Tätigen und sogenannten Mitläufern, die überall sonst geboten ist und, sofern Gerechtigkeit geübt werden soll und nicht Rache, gar nicht genug ernstgenommen werden kann – hier ist sie nicht am Platz.«9
Die Autoren – sie gingen von hohem Standesbewusstsein, scharfem Unterscheidungsvermögen und charakterlicher Standhaftigkeit eines Universitätsprofessors, der diesen Namen verdiente, aus – forderten die Entfernung aller Parteianwärter und -mitglieder dieser Gruppe aus dem Universitätsdienst: »Den rechten Weg zu finden, ist oft schwierig genug, hier aber darf die Berechtigung zur Generalisierung nicht bestritten werden. Hier handelt es sich ja um einen Berufsstand, dessen Träger als Gattung die höchste Verantwortlichkeit repräsentieren.«10 Die Gegenposition zur Schrift »Die Wehrlosen« nahm der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät von 1938 bis 1949, Gustav Entz, ein – also auch eine Stimme aus dem Professorenkollegium, eine Stimme von innen. In seiner »Denkschrift über das Problem der Entnazifizierung«, die er, der selbst als Anwärter der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) in dieses »Problem« verstrickt war, im Juli 1947 an den Alliierten Rat richtete, suchte er durch die gewünschte Beibehaltung des Lehrkörpers der nationalsozialistischen Periode praktisch bruchlos die Kontinuität des Hochschulprozesses zu gewährleisten. Entz war durchdrungen »von dem Gedanken, dass das in den Abgrund versunkene Unrechtssystem nur dann restlos überwunden wird, wenn ›die früheren Ungerechtigkeiten (nicht) mit neuen Ungerechtigkeiten übertrumpft‹ werden. Vor einem solchen Weg, der dazu führen könnte, ›dass den Gespenstern der Vergangenheit neues Leben eingeflößt wird‹ will er nachdrücklich warnen.«11
Vergleichbare Empfindungen äußerte er schon fast zeitgleich mit der Schrift »Die Wehrlosen« in einem Verteidigungsschreiben für seinen Fakultätskollegen Hans Wilhelm Schmidt, Parteigenosse seit 1934: »Wenn es gelingen soll, den spezifisch-nazistischen Geist von innen heraus zu überwinden«, so sei die Mitarbeit von Männern wie Schmidt notwendig, ihre Ausschaltung wäre »eine tatsächliche Ungerechtigkeit, die im Effekt auf eine Glorifizierung des über-
9 Ebd., S. 8 – 9. 10 Ebd., S. 8. 11 Rupert Klieber, Karl Schwarz, Gerüstet für eine »Neuordnung der gesellschaftlichen Verhältnisse«? Die beiden Theologischen Fakultäten der Universität Wien von 1945 – 1955 zwischen Rückbruch und Aufbruch. In: Margarete Grandner, Gernot Heiss, Oliver Rathkolb (Hrsg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955. (Innsbruck u. a. 2005), S. 89 – 120, hier 111 – 112.
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Einleitung
wundenen Systems hinauslaufen würde.«12 Wesentlich war also auch uneingeschränkte christliche Verzeihung, eingesetzt als Richtlinie politischen Vorgehens, verbunden mit der Erwartung, die Nationalsozialisten würden beeindruckt ihre Überzeugungen wechseln. Wie zu zeigen sein wird, setzte die Entnazifizierung13 der Professorenschaft der Universität Wien tatsächlich in einer den Grundsätzen der Schrift der »Vereinigung der demokratischen Hochschullehrer« vergleichbaren Schärfe ein, sah sich aber sogleich mit praktischen Hindernissen wie entstehenden bedeutenden Personallücken an den Instituten und Kliniken oder der »Unersetzbarkeit« von als Fachmännern geschätzten ehemaligen nationalsozialistischen Hochschullehrern konfrontiert. Hier trennen sich Programmschrift und tatsächliche Vorgangsweisen wieder. Es heißt etwa in der Schrift »Die Wehrlosen« zum Einwand der »Unersetzbarkeit«: »Im Fall der nationalsozialistischen Hochschullehrer handelt es sich um die Frage, ob ihre Entfernung rein fachlich einen größeren Schaden bedeutet als ihre weitere Tätigkeit als Lehrer, und allein davon ist hier die Rede. Glaubt wirklich jemand, darin keine Schädigung, keine schwere Gefährdung der Zukunft unseres Landes sehen zu können, wenn dort, wo es um die geistige Formung der akademischen Jugend geht, ein Hochschullehrer, der, zwar nicht mit niedrigen, brutalen Methoden, aber dafür mit einer feineren Klinge, während der letzten Jahre in Wort und Schrift wie durch sein Verhalten überhaupt für den Nationalsozialismus eingetreten ist, sein Lehramt weiter ausüben würde? Vor allem die Jugend würde eine derartige Maßnahme nicht verstehen oder mißdeuten, es müßte ihr scheinen, als sähe die Behörde, die unter dem Titel der Unersetzbarkeit einen nationalsozialistischen Hochschullehrer in seinem Amt beläßt, dessen frühere politische Einstellung als zu vernachlässigende Belanglosigkeit an.«14
In den tatsächlichen Vorgängen der Entnazifizierung der Professorenschaft der Universität Wien fanden solche Gedankengänge keinen Raum, Senat und Professorenkollegien agierten ganz grundlegend im Sinne von Vermeidung und Verkleinerung von Lücken des Vorlesungsbetriebes, im Sinne von Außerfragestellung von »unersetzbaren Professoren«15, die Behörden zeigten sich durch12 Schreiben Gustav Entz 06. 05. 1946, Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA)/Archiv der Republik (AdR), Bundeskanzleramt (BKA), Ministerkomitee (MK) Entnaz. Schmidt, o. Nr. 13 Entnazifizierung wird in vorliegender Publikation als jener Vorgang verstanden, der darauf abzielte, die politische Tätigkeit ehemaliger Nationalsozialisten (Parteianwärter oder -mitglieder) durch unterschiedliche Maßnahmen zu überprüfen und gegebenenfalls zu ahnden. Als entnazifizierte Professoren werden also jene bezeichnet, die auf NS-Belastung hin überprüft und bei Zutreffen belangt wurden. 14 Vereinigung demokratischer Hochschullehrer Österreichs, Die Wehrlosen, 1946, S. 13. 15 In dieser Linie agierte auch der 1945 wiederberufene zornige Antifaschist und Opfer der nationalsozialistischen »Säuberung«, Hans Leitmeier, wenn er in einem Brief an den Dekan der Philosophischen Fakultät vom Herbst 1957 rückblickend zwar seiner Abscheu vor den »Hitlerhorden« deutlich Ausdruck gab, aber dennoch ausführte: »Trotzdem habe ich nie in
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lässig, ließen Ausnahmen zu und diese zu häufig begangenen Wegen werden. Auch in der Schrift »Die Wehrlosen« ist von Nationalsozialisten die Rede, die zur Verringerung von Lücken im Betrieb »zunächst belassen werden sollen«. Doch wäre dies »unter dem Titel einer Wiedergutmachungsarbeit oder Bewährungsfrist durchzuführen. Diese Begriffe wären juristisch streng zu formulieren.«16 Hier denkt man an die Arbeit des »Ministerkomitees im Bundeskanzleramt zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen«, das einige Wochen nach Erscheinen des Textes »Die Wehrlosen« installiert wurde (siehe Kapitel 3.9 und 3.10). Dieses Komitee enthob Professoren oder bestätigte deren Enthebung, beließ dann aber den Großteil zur Erhaltung des Lehrbetriebes zuerst semesterweise, später für ein Studienjahr, durchgehend im Dienste. Kaum einer wurde außer Dienst gestellt, der Weg der zunächst ausnahmsweise vorgesehenen Weiterbelassung geriet nach und nach zur Formsache und spätere Ersetzungen durch einen neuernannten – »unbelasteten« – Hochschullehrer kamen nicht vor.
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Der Professor für Evangelische Praktische Theologie Gustav Entz forderte also in seiner Denkschrift eine Nichtbehelligung der zu drei Vierteln nationalsozialistischen Professorenschaft der Wiener Universität – ein frühes Beispiel der in wenigen Jahren im Großen gängigen Entschuldung und Umwerbung von Nationalsozialisten. Die Broschüre »Die Wehrlosen« beschwört hingegen das Bild einer demokratischen, ihres Standes und seiner Verantwortung würdigen, vom Ungeist der Nazizeit unbeeindruckt gebliebenen Professorenschaft, die den »neuen Geist« entfachen und den »Neuaufbau einer zerschlagenen Welt« gerechter Weise in Angriff nehmen konnte – unter weitgehendem und schließlich völligem Ausschluss von nationalsozialistisch »belasteten« Professoren. Es muss noch eine dritte, eine gewichtige interne Stimme der Hochschulder Zeit nach 1945 gegen irgend einen Nationalsozialisten etwas unternommen, sondern alle meine Kollegen wissen, wie sehr ich für anerkannte Forscher mich einsetzte und mithalf, dass sie trotz nationalsozialistischer Tätigkeit ihre Stellungen behielten, oder doch bald wieder die ihrer Leistung nach verdienten Stellungen zurückerhielten. Dies geschah nicht nur in den entsprechenden Kommissionen sondern auch in der Fakultät. Ich nenne nur Namen wie Leuchs, Köhler, Stetter, Geitler und Kindermann, bei denen es gelang, sie dem Lehrkörper unserer Fakultät wieder zu gewinnen.« Dieser Brief bietet einen wertvollen Einblick in die Haltung der Professorenschaft zum Thema Behandlung der nationalsozialistischen Kollegen. Brief von Hans Leitmeier an den Dekan der Philosophischen Fakultät, 14. 09. 1957, Archiv der Universität Wien (UAW) Philosphische Fakultät (PHIL) PA (Personalakt) 2548, fol. 125. 16 Vereinigung demokratischer Hochschullehrer Österreichs, Die Wehrlosen, 1946, S. 11.
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lehrerschaft gehört werden, vermögender und berufener, die Chance eines Neuaufbaus an der Universität zu ergreifen, den »neuen Geist« zu installieren und weiterhin zu stärken, es muss noch gehört werden die Stimme des Ende April 1945 gewählten neuen Rektors Ludwig Adamovich. Adamovich, Verfassungsrechtler und Justizminister in der Regierung Schuschnigg IV,17 1938-1945 in den Ruhestand versetzt, erstattete als Rektor der ersten Nachkriegsjahre einen »Bericht über den Studienbetrieb an der Wiener Universität vom Sommersemester 1945 bis zum Sommersemester 1947«.18 Er begann seine Ausführungen mit einer Gewichtung der historischen Katastrophe für die Wiener Universität: »Keine Epoche im Laufe (…) ihrer vielhundertjährigen Geschichte (…) hat sich für unser Institut so verhängnisvoll ausgewirkt wie die siebenjährige des Nat.soz. Regimes, die nunmehr als tieflastende Vergangenheit hinter uns liegen (sic).«19 Eine Gegenbewegung hätte sich bei Kriegsende sofort geregt: Schon ab 16. April 1945 seien »die aufbauwilligen Kräfte des Lehrkörpers« zu täglichen Beratungen zusammengetreten. Ein wichtiges Ergebnis sei die Bestellung einer neuen Leitung gewesen, »die unbelastet von den Irrungen der vergangenen Jahre, der Universität den Weg in eine bessere Zukunft weisen sollte.« »In eine bessere Zukunft« also, und »unbelastet« – Worte, die zu jenen von »neuem Geist« und »Neuaufbau« passen. Die Wahl des neuen Akademischen Senats erfolgte am 26. April, die einleitenden täglichen Beratungen dauerten also zehn Tage. Die zehntägigen Besprechungen dienten, um – als zweiten Schwerpunkt – »festzustellen, in welcher Art der Weg freigemacht werden könnte, um auf den Trümmern, die uns als Erbe hinterblieben, die neue, die österreichische Hochschule wiedererstehen zu lassen.«20 »Neu« und »wieder« bilden in diesem Satz einen bezeichnenden Widerspruch – und wie verhält es sich mit »österreichisch«? Die betonte Rede von der »österreichischen Eigenkultur« und ihrer Ausschließlichkeit – etwa durch die Österreichische Volkspartei (ÖVP), die mit Felix Hurdes in entscheidenden Jahren von Ende 1945 bis Anfang 1952 sowie anschließend mit Ernst Kolb und Heinrich Drimmel die Unterrichtsminister stellte –,21 bedeutete für die Universität Wien durch eine stark behindernde 17 16. 02. 1938 – 11. 03. 1938. 18 Ludwig Adamovich, Bericht über den Studienbetrieb an der Wiener Universität vom Sommersemester 1945 bis zum Sommersemester 1947 (Wien 1947). 19 Ebd., S. 1. 20 Ebd., S. 2. 21 Alfred Kasamas, Programm Österreich. Die Grundsätze und Ziele der Österreichischen Volksparteiartei (Wien 1949), S. 121 f.: »Wir haben es (…) in Österreich weder mit einer deutschen noch mit einer slawischen, romanischen oder sonst irgendeiner Kultur zu tun, sondern ausschließlich mit einer österreichischen. Diese kulturelle Eigenständigkeit wurde besonders während der sieben Jahre nationalsozialistischer Herrschaft klar, da wir reichlich Gelegenheit hatten festzustellen, daß die Österreicher eine ganz andere seelische Grundhaltung einnehmen und einen ganz anderen Lebensstil zu führen gewohnt sind als die
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Gesetzes- und Verordnungslage und durch restriktive Vorgangsmuster des von 1945 bis 1952 zuständigen Sektionschefs im Bundesministerium für Unterricht (BMU), Otto Skrbensky, dass es im Grunde fast unmöglich wurde, durch Neuund Wiederberufungen aus dem Ausland dem Phänomen verengender Provinzialisierung entgegenzuwirken. Der Bericht des Rektors Adamovich erweist es bei erster Durchsicht: Das ganz vordringliche Interesse im Frühjahr 1945 maßgeblicher Universitätskreise und mit ihnen das Adamovichs lag darin, das »Ziel einer möglichst baldigen Wiedereröffnung der Universität mit Zähigkeit (…) zu verfolgen«22 und als Signal einer Rückkehr zur »Normalität« und eines nahezu lückenlosen Studienbetriebes ein Sommersemester 1945 zu ermöglichen. Nach zwei Jahren konnte Adamovich rückblickend festhalten: »Dieses Sommersemester 1945 (wird) der Universität Wien stets zur besonderen Ehre gereichen, als ein Zeichen dafür, daß unsere hohe Schule auch unter den härtesten und schwierigsten Bedingungen bereit und gewillt war, ihre Pflicht den Studierenden und damit dem ganzen österreichischen Volk gegenüber voll und ganz zu erfüllen.«23
Die oberste Pflicht den Studierenden und dem ganzen Volk gegenüber bestand nun für die »Vereinigung demokratischer Hochschullehrer« laut ihrer Schrift in einer Entfernung nationalsozialistischer Professoren und in der Installierung eines »neuen Geistes« an der Universität, während Adamovich in einem deutlichen emotionalen Schwenk eine geöffnete Hochschule mit – äußerlich – normalem Studienbetrieb in den Mittelpunkt stellte. Wohl sprach auch er davon, dass »die personelle Seite des Betriebes (…) stärker ins Gewicht fiel« als etwa bauliche Mängel und solche der Lehrbehelfe und Bibliotheken,24 doch bleibt dies Formel angesichts der Konzentrierung der Kräfte auf Erreichung einer Normalität. Diese Sehnsucht nach geordneten, »normalen« Abläufen muss respektiert werden angesichts einer nahen »tieflastenden Vergangenheit« (Adamovich), angesichts einer »Art von Lähmung nach dem unmessbaren Grauen« (Vereinigung demokratischer Hochschullehrer),25 die es noch nicht gestatteten, ins Antlitz der Medusa zu blicken. Doch im Hinblick auf die Wichtigkeit der
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Deutschen aus dem Reich. (…) Träger dieser Kultur ist das österreichische Volk und es muß daher das H a u p t z i e l j e d e r K u l t u r p o l i t i k sein, Menschen herauszubilden, die in unseren Kulturkreis hineinpassen und so geartet sind, daß sie die ererbten Werte auch an kommende Generationen weitergeben können.« Adamovich, Studienbetrieb, 1947, S. 3. Ebd., S. 3. Ebd., S. 4. Dieser Ausdruck fällt zur möglichen Erklärung des Umstandes, dass das Gebaren nationalsozialistischer Hochschullehrer in der unmittelbaren Nachkriegszeit nicht seine »gänzlich angemessene Antwort« in kabarettistischer Darstellung, in einem »Hohngelächter satirischer Abfuhr« fand. Vereinigung demokratischer Hochschullehrer, Die Wehrlosen, 1946, S. 5.
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Weichenstellung und der Einmaligkeit der historischen Chance für die Wiener Universität ist die Frage nach Bemühungen um eine innere Erneuerung, nach Schritten zur »Festlegung des neuen Geistes« angebracht. Hinweise darauf finden sich im Bericht des Rektors nur indirekt und spärlich. Der gegebene Ort waren ja als erstes die zehntätigen Besprechungen (vom 16. bis zum 26. April 1945) vor der Wahl des Senats und dazu findet sich der Vermerk, dass diese »in ständiger Zusammenarbeit mit der österreichischen Widerstandsbewegung« stattfanden.26 Vielleicht von Mitgliedern der Widerstandsbewegung ausgehende Impulse finden im Rektorsbericht nur in ihrer Abwehr Erwähnung. »Und vor allem: unbedachte Experimente durften nicht gewagt werden, dazu ist unsere Wiener Universität ein viel zu kostbares und viel zu heikles Instrument!«27 Das zugegeben, aber auch bedachte Experimente sucht man vergebens. Das »Wagnis« für die Universität lag für Ludwig Adamovich ausschließlich darin, den Studienbetrieb »möglichst rasch wieder aufzunehmen,28 und für dessen Gelingen sprach er auch dem damaligen Staatssekretär für Unterricht, dem kommunistischen Politiker Ernst Fischer, seinen Dank aus. Auf Ernst Fischer ging ein der Situation Rechnung tragender Impuls zurück, der allerdings nach den Umständen nur oberflächlich und temporär sein konnte: »Als die Universität ihre Tätigkeit wieder aufnahm, gab das Staatsamt die Anregung, diese mit einer Reihe von Vorträgen zu eröffnen, die sich an die gesamte Studentenschaft und darüber hinaus noch an einen weiteren Hörerkreis wenden und die geistige Erneuerung Österreichs aus der Überlieferung seiner Geschichte und durch Wegweisung in die Zukunft zu ihrem Gegenstande nehmen sollten. Den äußeren Rahmen dazu boten die Volkstümlichen Universitätsvorträge.«29
Den Eröffnungsvortrag hielt der Staatssekretär am 22. Mai 1945 selbst zum Thema »Die Aufgaben der Universität im neuen Staat«. Es folgten Vortragsreihen zur Geschichte Österreichs, zur christlichen Weltanschauungslehre und zum dialektischen Materialismus.30 Doch schon nach dem kurzen Sommersemester 1945 wurde der Ansatz »geistige Erneuerung Österreichs« gänzlich aufgegeben, um einem Jubiläum Platz zu machen: »Das folgende Wintersemester 1945/46 sollte nach der vom Rektor gegebenen Anregung zur Gänze dem Jubiläum (des) 50jährigen Bestandes (der volkstümlichen Universitätsvorträge) 26 Adamovich, Studienbetrieb, 1947, S. 2. Besondere Verdienste um das Zustandekommen dieser Besprechungen werden von Adamovich dem Professor Josef Keil zugesprochen. Keil, ordentlicher Professor für griechische Geschichte, aus Reichenberg, Nordböhmen stammend war 1945 67 Jahre alt und wurde bei der Wahl am 26. April zum Senator der Philosophischen Fakultät gewählt. 27 Ebd., S. 34. 28 Ebd., S. 3. 29 Ebd., S. 25. 30 Genauer ebd., S. 26.
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gewidmet sein.«31 Eine große Reihe von Vorträgen widmete sich aus diesem Anlass nahezu ausschließlich der Geschichte Österreichs und medizinischen Themen. Für das dritte Nachkriegssemester stellte der Rektor – man kann sagen erleichtert – fest: »[I]m Sommersemester 1946 kehrten die volkstümlichen Universitätsvorträge zu ihrer früheren Form der Organisation zurück.«32 Eine echte geistige Erneuerung der Wiener Universität fiel und stand mit einer Erneuerung des Lehrkörpers unter Voraussetzung einer gelungenen Entnazifizierung der Professorenschaft. In dieser Frage nahm Ludwig Adamovich in seinem Bericht keine einheitliche Haltung ein, er spaltete sich praktisch in zwei Hälften: in die des Verfassungsrechtlers, für den es »vom staatspolitischen Standpunkte (…) eine Selbstverständlichkeit« bedeutete, »daß Lehrkräfte nicht mehr weiter an der Hochschule wirken durften, die im Hinblick auf ihr früher gezeigtes Verhalten für das wiedererstehende Österreich als politisch untragbar gelten mussten«33 und in jene des engagierten Leiters der Universität, für den die »empfindlichsten Lücken« durch die Entnazifizierung »in den Lehrkörper (…) gerissen« und der Hochschulbetrieb dadurch »bedrohlich gefährdet« worden waren.34 Es findet sich kaum eine Spur einer Vorstellung von einer Selbstreinigung der Universität – sie ist im Grunde passiver Partner gegenüber den »immer wieder von neuem aufgenommenen und bis Heute (Sommer 1947) noch nicht endgültig abgeschlossenen Aktionen zur ›Entnazifizierung‹ der Hochschulen«, denen sie im Interesse des ungestörten Hochschulbetriebes Widerstand entgegensetzen musste.
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Die österreichische Überblickshistorie der ersten Nachkriegsjahrzente beurteilt das Thema Entnazifizierung kritisch, so hält etwa Erich Zöllner in seiner populären »Österreichischen Geschichte«, 4. Auflage 1970, fest, jene habe sich besonders auf die Angestellten des öffentlichen Dienstes – und damit auch auf die Hochschulprofessoren – ausgewirkt: »So war also gerade jene Personengruppe am stärksten betroffen, deren Angehörige nicht selten erst unter einem mehr oder minder starken Druck den Beitritt zur NSDAP oder ihren Wehrverbänden vollzogen hatten.« Ihr formalistischer, generalisierender Charakter sei verfehlt gewesen:
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Ebd. Ebd., S. 27. Ebd., S. 5 – 6. Ebd.
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»Es ist klar, daß eine summarische Regelung für einen allzu großen Personenkreis, wie sie durch die Nationalsozialistengesetze versucht wurde, nicht befriedigen konnte; im Grunde war ja nicht die formale Zugehörigkeit zur NSDAP, sondern das tatsächliche Verhalten des einzelnen während der Zeit von 1938 bis 1945 von Belang gewesen.«35
Umfassender geht Anton Pelinka in einem gedrängten Aufsatz von 1981 mit dieser »summarischen Regelung« ins Gericht: Für ihn war »die Entnazifizierung in Österreich (…) politisch in jeder Hinsicht fehlgeschlagen«.36 Demnach litt »der gesamte Vorgang der Entnazifizierung (…) daran, daß er von Anfang an weniger als ein politischer, gesellschaftlicher, pädagogischer Prozess gesehen wurde, dass er vielmehr als administratives Verfahren gestaltet wurde«.37 Neben dieses Verfahren trat mit dem Näherrücken des Zeitpunktes, an dem eine halbe Million »Minderbelasteter« ihr Wahlrecht in der Zweiten Republik das erste Mal ausüben würde, »eine hektische Umwerbung« dieser Gruppe durch die Großparteien. Weiter heißt es: »[F]ür die ›Ehemaligen‹ war und ist (…) das HeißKalt-Bad von administrierter Entnazifizierung und wahltaktischer Anbiederung alles andere als ein überzeugender Grund, die eigene Vergangenheit wirklich kritisch aufzuarbeiten«.38 Und: »[D]iese Politik bewirkte (…) ein Weiterleben nationalsozialistischer Elemente in verschiedenen Sektoren der Zweiten Republik«. Pelinka bringt als Beispiel den Sektor Justiz: Angesichts des hohen Prozentsatzes von Nationalsozialisten unter den Juristen »schien zunächst die Justiz, aus der alle Nationalsozialisten tatsächlich entfernt waren, nicht arbeitsfähig. Angesichts des Dilemmas zwischen demokratischer Legitimität und bürokratischer Effizienz entschied man sich für letzteres«39. Diese Formulierungen haben auch für die Wiener Universität ihre Gültigkeit: Angesichts des Dilemmas zwischen demokratischer Legitimität und Effizienz des Studienbetriebes entschied sich die Universität – an ihrer Spitze Rektor Adamovich – für letzteres. Anton Pelinka konstatiert 1981: »Die österreichischen Wurzeln des Nationalsozialismus, die besonders tiefe Verstrickung Österreichs und zahlreicher Österreicher in den Nationalsozialismus hätten eine sehr tiefgehende, sehr kritische Befassung mit dem Phänomen Nationalsozialismus unbedingt erforderlich gemacht.« 35 Erich Zöllner, Geschichte Österreichs von den Anfängen bis zur Gegenwart (Wien, 4. Auflage, 1970), S. 533. Hier steht Zöllner in diametralem Gegensatz zur Haltung der Schrift »Die Wehrlosen«, in der – wie schon dargelegt – für die Hochschullehrer, allerdings nur für sie, eine Behandlung und Ächtung nach formaler Parteizugehörigkeit gefordert wird, in Ansehung von vorausgesetzter charakterlicher Reife und intellektueller Urteilsfähigkeit dieser Personengruppe. 36 Anton Pelinka, Entnazifizierung: Administration statt Auseinandersetzung. In: Aufrisse. Zeitschrift für politische Bildung 2/3 (1981), S. 42 – 45, hier 42. 37 Ebd., S. 43. 38 Ebd., S. 42. 39 Ebd., S. 44.
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Doch verführt durch die angebotene Opferrolle und noch mehr durch den Wettlauf um nationalsozialistische Wählerstimmen »hat die Zweite Republik (…) das Problem zunächst auf eine formale, dann auf überhaupt keine Weise zu lösen versucht.«40 Es galt vielmehr den Versuch des Verschweigens zu unternehmen – ja Erich Zöllner erklärt das Problem mit der »Belasteten«-Amnestie für »allmählich liquidiert«. Man merkt ihm den Widerwillen an, von diesem Thema überhaupt zu sprechen, wenn er etwa den Komplex der Kriegsverbrechen mit dem seltsamen Adjektiv »unerfreulich« belegt.41 Die entlarvendste Formulierung in der Wahrnehmung dieser Jahre durch betroffene Zeitgenossen fand wohl der Wortjongleur Heinz Kindermann, glühender Former und Verkünder nationalsozialistischer Literaturauffassung und zuletzt 1943 bis 1945 ordentlicher Professor für Theaterwissenschaft an der Universität Wien, der – bei gleichzeitigem Fehlen jeder Einsicht in den Stellenwert seiner Positionierungen – großes Interesse daran hatte, die Vergangenheit – seine Vergangenheit –vergessen, ungeschehen zu machen. Am 24. Juni 1948 schrieb er an den Unterrichtsminister Felix Hurdes: »Auch eine Reihe der jetzigen reichsdeutschen Kultusministerien hat bekannten Professoren, die sie im Augenblick noch nicht wieder einsetzen können, besoldete Forschungsaufträge verliehen, um ihre Arbeitskraft nutzbringend für den Staat zu sichern und diese Gelehrten nicht dem Elend preiszugeben. So ist beiden Teilen für diese peinliche Zwischenzeit geholfen.«42
Diese Darstellung kann kaum übertroffen werden: Die Charakterisierung der Jahre der Entnazifizierung als »peinliche Zwischenzeit« noch dazu für »beide Teile« – damit könnte man vorliegende Arbeit beinahe treffend überschreiben.43 Die tatsächlich gewählte Titelgebung »Glimpflich entnazifiziert« erhellt sich als Versuch einer überblickenden Charakterisierung dieser Vorgänge in der Rückschau nach überwiegend erfolgter Rehabilitierung, wonach die betroffenen 40 Ebd. 41 Zöllner, Geschichte Österreichs, 1970, S. 533. 42 Brief von Heinz Kindermann an den Unterrichtsminister Felix Hurdes 24. 06. 1948, zitiert nach: Veronika Zangl, »Ich empfinde diese Maßnahme persönlich als ungerecht.« Heinz Kindermanns Entlastungsstrategien 1945 – 1954. In: Peter/Payr, Wissenschaft, 2008, S. 172 – 206, hier 180. 43 Diese Zeilen weisen auf einen weiteren Zug im Weltbild eines Heinz Kindermann hin: Wissenschaft hat sich an den jeweiligen »Staat« anzuschmiegen: vgl. Roessler im Interview mit Birgit Peter vom 20. 12. 2007: »Kindermann (…) hat keine Wandlung durchgemacht, die Verhältnisse, denen er sich angepasst hat, haben sich gewandelt.« In: Peter/Payr, Wissenschaft, 2008, S. 224. Heinz Kindermanns Antrag »um Gewährung einer ständigen Unterstützung für Forschungsarbeiten« wird im Juni 1949 bewilligt. Zangl, Entlastungsstrategien, 2008, S. 180. Es gelang, ihn noch bis 1954 von der Universität fernzuhalten, im März dieses Jahres wurde er außerordentlicher, im Februar 1959 wieder ordentlicher Professor. Zu Kindermann siehe Kapitel 3.13 und 5.3.
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Professoren sich als »glimpflich«, das heißt »ohne größeren Schaden« davongekommen betrachten konnten. Es schwingt in dieser Formulierung auch der Aspekt des durchwegs fehlenden persönlichen Verantwortungsgefühls innerhalb dieser Personengruppe mit, die sich auf dem Wege des geringsten Gesichtsverlustes zuerst als verführt, bedrängt, genötigt, dann als von administrativen Maßnahmen überrollt, wehrlos und schließlich eben als glimpflich ausgestiegen erlebte. Für Pelinka ergab sich aus solchen Voraussetzungen »Vernachlässigung und Verspätung« bei der Aufarbeitung des Themas in der universitären Forschung sowie in der pädagogischen Aufbereitung in österreichischen Schulen. Als Gründe nennt er ferner »obrigkeitsstaatliche Neigung, (…) Konfliktscheu und Apathie, die erst allmählich zurückzugehen scheint«.44 Pelinka konnte in seinen Literaturangaben schon auf die Pionierarbeit Dieter Stiefels zur »Entnazifizierung in Österreich« hinweisen, die ebenfalls 1981 erschien.45 Schon ein Jahr zuvor hatte Erich Cermak in seiner Dissertation hilfreiche »Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers der philosophischen Fakultät der Universität Wien zwischen 1938 und 1945« mit Hinweisen auf die Folgezeit geliefert, aber erst die Waldheim-Affäre mit ihrer heißen Phase 1986 bis 1988 sensibilisierte und aktivierte Öffentlichkeit, Forschung und Lehre entscheidend. Bei den seither erschienenen Arbeiten lassen sich mehrere Herangehensweisen unterscheiden: Die Publikationen zur Entnazifizierung generell behandeln den universitären Bereich oft als eines unter mehreren gesellschaftlichen Segmenten, hier seien nach Stiefel sowie Sebastian Meissl, Klaus-Dieter Mulley und Oliver Rathkolb 1986 mit dem Abschnitt zur Entnazifizierung an Hochschulen von Willi Weinert46 drei Arbeiten von 2004 genannt: »Entnazifizierung im regionalen Vergleich« von Walter Schuster und Wolfgang Weber47 sowie die von Friedrich Stadler herausgegebenen Sammelbände »Kontinuität und Bruch« und »Österreichs Umgang mit dem Nationalsozialismus«.48 Zweitens wird die Entnazifizierung der Universität Wien durch Texte beleuchtet, die Strukturen und Tendenzen besprechen, dabei allerdings zum Teil ohne Primärquellenuntersuchung auskommen (müssen): Gernot Heiß 1989, Mitchell G. Ash 1995, 44 Pelinka, Entnazifizierung, 1981, S. 44. 45 Dieter Stiefel, Entnazifizierung in Österreich (Wien 1981). 46 Sebastian Meissl, Klaus-Dieter Mulley, Oliver Rathkolb (Hrsg.), Verdrängte Schuld – verfehlte Sühne. Entnazifizierung in Österreich 1945 – 1955 (Wien 1986); Willi Weinert, Entnazifizierung an den Hochschulen. In: ebd., S. 254 – 270. 47 Walter Schuster, Wolfgang Weber (Hrsg.), Entnazifizierung im regionalen Vergleich (Linz 2004). 48 Friedrich Stadler (Hrsg.), Kontinuität und Bruch 1938 – 1945 – 1955. Beiträge zur österreichischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte (Münster 2004); ders. (Hrsg.), Österreichs Umgang mit dem Nationalsozialismus. Die Folgen für die naturwissenschaftliche und humanistische Lehre (Wien/New York 2004).
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Christian Fleck 1996 und 2002, Albert Müller 1997, Brigitte Lichtenberger-Fenz 200049. Drittens ist das wachsende Korpus an disziplinhistorischen Arbeiten anzuführen, an deren Spitze der Sammelband von Margarete Grandner, Gernot Heiß und Oliver Rathkolb 200550 mit einem breiten Überblick über die Situation in einzelnen Fächern steht – hier sei exemplarisch auf die Beiträge zur Klassischen Philologie von Franz Römer, zur Evangelischen und Katholischen Theologie von Rupert Klieber und Karl Schwarz sowie zur Germanistik von Wendelin Schmidt-Dengler hingewiesen. Ferner sind als weitere Arbeiten für die Medizin Ingrid Arias 2004, für Philosophie Ilse Korotin 1994, für Psychologie Gerhard Benetka 1998, für Slawistik Juliane Besters-Dilger 1999, für Polonistik Katharina Weisswasser 2006, für Theaterwissenschaft Birgit Peter und Martina Payr 2008, für Zeitungswissenschaft Katharina Kniefacz 2011 und für die Staatsrechtler der juridischen Fakultät Irmgard Schartner 2011 zu nennen.51 49 Gernot Heiss u. a. (Hrsg.): Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938 – 1945 (Wien 1989); Mitchell Ash, Verordnete Umbrüche, konstruierte Kontinuitäten: Zur Entnazifizierung von Wissenschaftlern und Wissenschaften nach 1945. In: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 43 (1995), S. 903 – 923; Christian Fleck, Autochthone Provinzialisierung. Universität und Wissenschaftspolitik nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 7/1 (1996), S. 67 – 92; ders., Österreichs Universitäten am Beginn der Zweiten Republik: Entnazifizierung und Nicht-Rückkehr der Vertriebenen. In: Austrian Science in Exile: Traditions – Transformations (Graz 2002), abrufbar unter : http://www.uni-graz.at/~fleck/werke/artikel.htm (Zugriff: 30. 09. 2013); Albert Müller, Dynamische Anpassung und »Selbstbehauptung«. Die Universität Wien in der NS-Zeit. In: Geschichte und Gesellschaft 23/4 (1997), S. 592 – 617; Brigitte Lichtenberger-Fenz, »Es läuft alles in geordneten Bahnen«. Österreichs Hochschulen und Universitäten und das NS-Regime. In: Emmerich Tlos, Ernst Hanisch, Wolfgang Neugebauer, Reinhard Sieder (Hrsg.), NS-Herrschaft in Österreich. Ein Handbuch (Wien 2000), S. 549 – 569. 50 Margarete Grandner, Gernot Heiss, Oliver Rathkolb, (Hrsg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955 (Innsbruck u. a. 2005), insbesondere: Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005; Franz Römer, »Cum ira et studio«. Beobachtungen zur Entwicklung der Wiener Klassischen Philologie nach 1945. In: ebd., S. 222 – 235, sowie Wendelin Schmidt-Dengler, Germanistik in Wien 1945 bis 1960. In: ebd., S. 211 – 221. 51 Ingrid Arias, Entnazifizierung an der Wiener Medizinischen Fakultät: Bruch und Kontinuität? In: Zeitgeschichte 31/6 (2004), S. 339 – 368; Ilse Erika Korotin (Hrsg.), Die besten Geister der Nation. Philosophie und Nationalsozialismus (Wien 1994); Gerhard Benetka, Entnazifizierung und verhinderte Rückkehr. Zur personellen Situation der akademischen Psychologie in Österreich nach 1945. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 9/2 (1998), S. 188 – 217; Juliane Besters-Dilger (Hrsg.), Slawistik an der Universität Wien 1849 – 1999 (Wien 1999); Katharina Weisswasser, Die Geschichte der Polonistik an der Universität Wien von den Anfängen bis zur Gegenwart. Ein Beitrag zu Wissenschaftsgeschichte (ungedr. phil. Dissertation, Wien 2006); Birgit Peter, Martina Payr (Hrsg.), Wissenschaft nach der Mode. Die Gründung des Zentralinstitutes für Theaterwissenschaft an der Universität Wien 1943 (Wien 2008); Katharina Kniefacz, Wiener »Schule« der Zeitungswissenschaft? Das Institut für Zeitungswissenschaft in der NS-Zeit und seine DoktorandInnen. In: dies., Andreas Huber, Alexander Krysl, ManÀs Weisskircher, Universität und Disziplin. Angehörige der Universität Wien und der Nationalsozialismus (Wien
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Globaldarstellungen einzelner Universitäten, die auf gründlicher Quellenbehandlung fußen, liegen etwa für die Wirtschaftsuniversität Wien von Peter Berger 1999, für die Universität Innsbruck von Peter Goller und Gerhard Oberkofler 2003, für die Technische Universität Wien von Juliane Mikoletzky 2003, für die Universität für Bodenkultur Wien von Paulus Ebner 2001, dazu als Musterarbeit für die Universität Jena von Jan Jeskow 2005 vor.52 Eine auf eingehender Quellenanalyse fußende Globaldarstellung der Entnazifizierung und Rehabilitierung des Lehrkörpers der Universität Wien nach 1945 zählte bisher zu den Forschungsdesiteraten.53 Ziel der vorliegenden Publikation ist es, die Forschungslücke zu schließen und diese auf Primärquellen basierende Bestandsaufnahme für die Universität Wien zu liefern. Parallel liefen Forschungen für die Österreichische Akademie der Wissenschaften, die in breiter Form eine Untersuchung der NS-Zeit und der Folgejahre in ihren eigenen Reihen bietet (Johannes Feichtinger, Herbert Matis, Stefan Sienell, Heidemarie Uhl 2013), wie auch zu den im Nationalsozialismus aus »politischen« Gründen vertriebenen Lehrenden der Universität Wien (Andreas Huber und Herbert Posch 2011).54 Im Interesse stehen vorliegend die Karriereverläufe der 124 ordentlichen und planmäßig außerordentlichen Professoren des Jahres 1944 – alles Männer – in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Dabei handelt es sich um 69 Professoren der Philosophischen Fakultät (48 ordentliche, 21 außerordentliche), 29 der Medizinischen Fakultät (22 ordentliche und sieben außerordentliche), 17 der 2011), S. 59 – 156; Irmgard Schartner, Die Staatsrechtler der juridischen Fakultät der Universität Wien im ›Ansturm‹ des Nationalsozialismus. Umbrüche und Kontinuitäten (Frankfurt am Main 2011). 52 Peter Berger, Die Wiener Hochschule für Welthandel und ihre Professoren 1938 – 1945. In: Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften 10/1 (1999): Hochschulen im Nationalsozialismus, S. 9 – 49; Peter Goller, Gerhard Oberkofler, Universität Innsbruck. Entnazifizierung und Rehabilitation von Nazikadern (1945 – 1950) (Innsbruck 2003); Juliane Mikoletzky, »Von jeher ein Hort starker nationaler Gesinnung«. Die Technische Hochschule in Wien und der Nationalsozialismus (= Veröffentlichungen des Universitätsarchivs der TU Wien 8, Wien 2003); Paulus Ebner, Die Hochschule für Bodenkultur in Wien als Ort der Politik zwischen 1914 und 1955. Ein Beitrag zur österreichischne Universitätsgeschichte (ungedr. Dissertation, Wien 2001); Jan Jeskow, Die Entnazifizierung des Lehrkörpers an der Universität Jena von 1945 bis 1948 (ungedr. phil. Diplomarbeit, Jena 2005). 53 Zur Entnazifizierung der Studierenden der Universität Wien Andreas Huber, Studenten im Schatten der NS-Zeit. Entnazifizierung und politische Unruhen an der Universität Wien 1945 – 1950. (ungedr. Phil. Diplomarbeit, Wien 2009) und ders., Entnazifizierung und Rückbruch. Studierende 1945 – 1950. In: ders./Kniefacz/Krysl/Weisskircher, Universität und Disziplin, S. 157 – 309. 54 Johannes Feichtinger, Herbert Matis, Stefan Sienell, Heidemarie Uhl (Hrsg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Katalog zur Ausstellung (Wien 2013); Andreas Huber, Herbert Posch, Eliten/dis/kontinuitäten im Wissenschaftsbereich in der II. Republik. Zur Reintegration der im Nationalsozialismus aus »politischen« Gründen vertriebenen Lehrenden der Universität nach 1945 (unveröffentlichter Endbericht, Projekt P09 – 0563, Wien 2011).
Verortung und Aufbau vorliegender Arbeit
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Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (15 ordentliche, zwei außerordentliche), fünf an der Katholisch-Theologischen (vier ordentliche, ein außerordentlicher) sowie vier ordentliche Professoren der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Der primärquellenorientierten Herangehensweise folgend stand die Forschungsarbeit schwerpunktmäßig im Zeichen der Analyse von Archivalien in für unser Thema einschlägigen Archiven. Dabei lassen sich insbesondere anhand der im Archiv der Universität Wien aufbewahrten Personalakten der untersuchten Professoren jeweils Karriereverläufe sowie Art und Umfang erfolgter Entnazifizierungs- und Rehabilitierungsmaßnahmen rekonstruieren. Um den Umgang der Universitätsleitung mit der Entnazifizierung nachvollziehen zu können, wurden zudem die Protokolle der Sitzungen des Akademischen Senats der betreffenden Jahre, die als Sonderreihe im Archiv der Universität zugänglich sind, einer Analyse unterzogen. Zusätzlich ermöglichte die Auswertung unterschiedlicher Dekanatsakten weitere Aufschlüsse über den Entnazifizierungsprozess an der Universität. Oft entscheidende Ergänzungen zu den Personalakten des Universitätsarchivs boten die im Österreichischen Staatsarchiv (Archiv der Republik) lagernden Personalakten des Staatsamtes für Unterricht bzw. des späteren Unterrichtsministeriums: Hier fanden sich auch Beurteilungsbögen des »Ministerkomitees zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen«. Weitere Quellen für die Erhebungen bildeten Aktenrecherchen im Bundesarchiv in Berlin und die im Wiener Stadt- und Landesarchiv lagernden Gauakten. In der methodischen Herangehensweise kamen kollektivbiographische Ansätze zur Anwendung. Darunter verstehen wir die theoretisch und methodisch reflektierte empirische Erforschung eines historischen Personenkollektivs in seinem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext anhand einer vergleichenden Analyse der individuellen Lebensläufe der Kollektivmitglieder. Obwohl im Projektverlauf sechs knappe exemplarische Einzelbiographien von untersuchten Professoren verfasst wurden, war eine vollständige Zusammenstellung von detaillierten Einzelbiographien nicht Ziel der Arbeit. Die Kurzbiographien sind vielmehr zur Pointierung einiger bezeichnender Einzelaspekte gedacht und dementsprechend formuliert, wobei bei der etwas umfangreicheren Biographie Arnold Pillats noch Züge eines »typischen« Entnazifizierungs- und Rehabilitierungsverlaufs verdeutlicht werden. Grundsätzlich aber ging es darum, aufbauend auf Elementen individueller Lebensläufe Personengruppen herauszudestillieren, die ähnliche Abläufe im Prozess der Entnazifizierung und Rehabilitierung erlebten, und diese Gruppen schließlich vergleichend gegenüberzustellen. Dieses durchgehende Forschungsinteresse war zudem begleitet von der viel diskutierten Fragestellung, ob die weitreichenden Entnazifizierungs- und als Gegenbewegung einsetzenden Rehabilitierungsprozesse in ihrer grundle-
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Einleitung
genden Tendenz zu Kontinuität oder Austausch der obersten wissenschaftlichen Eliten an der Universität Wien geführt haben. Die Forschungsarbeit verfolgt im Hinblick auf die geschilderte Projektzielsetzung folgenden Aufbau: Nach der eröffnend erfolgten Analyse dreier zeitgenössischer, aus dem betroffenen Personenkreis stammender Texte zum Thema der Entnazifizierung der Professorenschaft der Universität Wien sowie Informationen zu Forschungsumfeld, Standort, Methodik und Aufbau der vorliegenden Arbeit, erläutert das erste Kapitel den allgemeinen gesetzlichen Rahmen der Entnazifizierungsmaßnahmen in Österreich wie auch das Verbotsgesetz 1945, das Nationalsozialistengesetz 1947 und in weiterer Folge die Amnestiegesetze. Die anschließenden Ausführungen unterziehen die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Entnazifizierung für den öffentlichen Dienst mit speziellem Fokus auf die Universitäten und Hochschulen einer näheren Betrachtung. Dabei geht es insbesondere darum, die im Prozess der Entnazifizierung der Universitäten eingerichteten Organe und Institutionen zu erheben. Die Schlüsselfigur der Entnazifizierung der Hochschulen Otto Skrbensky, Sektionschef im Bundesministerium für Unterricht, behandelt der letzte Abschnitt des ersten Kapitels (1.3.1 – 1.3.10) ausführlich, um Gesinnung, Funktionen, Entscheidungsgewalt und Macht dieses Mannes ausreichend zu erörtern. Das Folgekapitel (2) zeichnet die Auseinandersetzung der Universitätsleitung mit der praktischen Umsetzung der Entnazifizierung an der Universität Wien nach. Anhand der Senatsitzungsprotokolle vom Mai 1945 bis zum Herbst 1947 lässt sich nachvollziehen, wie der Akademische Senat mit den Anforderungen der Entnazifizierung umging und an der Bestellung der dafür eingerichteten Organe mitwirkte. Kapitel 3 schildert anschließend den eigentlichen Vorgang der Entnazifizierung der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät und stellt ihn ins Licht historischer Kritik. Gemäß der angewandten Methode werden unterschiedliche Personengruppen und die sie betreffenden Maßnahmen der Entnazifizierung herausgearbeitet (3.1 – 3.4 dazu 3.12 vorzeitige Pensionierungen als Mittel der Entnazifizierung). In weiterer Folge geht das Kapitel auf die Arbeit der im Zuge der Entnazifizierung eingerichteten Sonderkommissionen, mit deren Entscheidungen eine Gruppe der entnazifizierten Professoren konfrontiert war, ein (3.7 und 3.8). Der Einfluss des zur Beschleunigung der Entnazifizierung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen eingerichteten Ministerkomitees ist Thema der nächsten Abschnitte (3.9 und 3.10). Abschnitt 3.11 verweist schließlich auf die geänderte Kursrichtung der Prozesse auf Basis des Nationalsozialistengesetzes 1947 und ihre Auswirkung auf die Hochschullehrer. Besonders sei noch auf Abschnitt 3.13 hingewiesen, in dem die unverhältnismäßig geringe Rolle, die Schrifttum und Lehre bei der Beurteilung der hier relevanten
Verortung und Aufbau vorliegender Arbeit
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Gruppe im Rahmen des Entnazifizierungsprozesses spielten, kritisch betrachtet wird. Der Phase der Amnestien und Rehabilitierungen der entnazifizierten Professoren der Philosophischen Fakultät ab etwa 1948 widmet sich das vierte Kapitel. Die weiteren Karriereverläufe dieser Personengruppe werden verfolgt und dabei aufgegliedert, ob, wie und wann eine Rückkehr an die Universität Wien, an eine andere österreichische Universität bzw. an eine ausländische Universität erfolgte (4.1 – 4.4). Abschnitt 4.5 befasst sich mit der Mitgliedschaft der Professorenschaft der Universität Wien dieser Jahre bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Frage, ob und wie die Entnazifizierung sich darauf ausgewirkt hatte. Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt dabei bei der Philosophischen Fakultät, die 56 % der aller Universitätsprofessoren stellte und von denen wiederum mehr als zwei Drittel auch als Mitglieder der Akademie aktiv waren. Auch als ein Versuch von Richtungsweisung für weitergehende Forschung ist das 5. Kapitel zu sehen, das in einigen Teilbereichen in Form einer Gegenüberstellung der Frage nachgeht, inwieweit sich die Zäsur 1945 auf die wissenschaftliche Arbeit von Professoren auswirkte. Entsprechende Streiflichter werden auf die Disziplinen Physik, Geschichte, Literaturwissenschaft und Archäologie geworfen. Das Kapitel schließt mit fünf kurzen, pointierten Einzelbiographien von Professoren der Philosophischen Fakultät, die einige heterogene Einzelaspekte dieser Gruppe ansprechen. Unter denselben Gesichtspunkten behandeln die Folgekapitel die Medizinische (6.1 – 6.9), die Rechts- und Staatswissenschaftliche (7.1 – 7.3), die Katholisch-Theologische (8.1 – 8.2) und die Evangelisch-Theologische Fakultät (9.1 – 9.2). Im Einzelnen sei hier noch hingewiesen auf die Ausführungen zum Stichtag – Dienstag, der 10. April 1945 – (6.4), womit die in den Fragebögen aufgelistete Erkundigung nach dem Aufenthaltsort der Professoren an diesem Tag mitten in den Kämpfen um Wien in den Fokus rückt, und auf die Biographie Arnold Pillats (6.9.1 – 6.9.4), die einen exemplarischen Entnazifizierungs- und Rehabilitierungsverlauf schildert. Die Schlussbetrachtung, die zur Erhöhung der Anschaulichkeit durch einen graphisch-statistischen Teil ergänzt wird, dient schließlich der Rekapitulation der gesammelten Ergebnisse und der Formulierung einer Gesamteinschätzung der Prozesse der Entnazifizierung und Rehabilitierung der Professorenschaft an der Universität Wien. Den Abschluss des Buches bilden nach Fakultäten und alphabetisch sortierte, auf das Thema zugeschnittene Biogramme (wenn eruierbar mit Porträts) der behandelten 124 Professoren.
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Rechtliche Rahmenbedingungen, Organe und Akteure
1.1
Allgemeine Rechtslage
Die sogenannte Entnazifizierung, die Ausschaltung des Nationalsozialismus in allen Gesellschaftsbereichen sowie die Ahndung von NS-Verbrechen, war, nicht zuletzt auch angesichts der Forderungen der Alliierten in diesem Bereich, eines der ersten Anliegen der Provisorischen Staatsregierung. Dies geht auch aus ihrer ersten Regierungserklärung vom 28. April 1945 deutlich hervor: »[N]ur jene, welche aus Verachtung der Demokratie und der demokratischen Freiheiten ein Regime der Gewalttätigkeit, des Spitzeltums, der Verfolgung und Unterdrückung über unserem Volke aufgerichtet und erhalten (haben), welche das Land in diesen abenteuerlichen Krieg gestürzt und es der Verwüstung preisgegeben haben und noch weiter preisgeben wollen, (…)(werden) auf keine Milde rechnen können. Sie werden nach demselben Ausnahmsrecht behandelt werden, das sie selbst den anderen aufgezwungen haben und jetzt auch für sich selbst für gut befinden sollen.«55
Gleichzeitig wurden aber auch Personen jener Gruppe angesprochen, die als »Mitläufer« bezeichnet wurden und eine mildere Behandlung erfahren sollten: »Jene freilich, die nur aus Willensschwäche, infolge ihrer wirtschaftlichen Lage, aus zwingenden öffentlichen Rücksichten wider innere Überzeugung und ohne an den Verbrechen der Faschisten teilzuhaben, mitgegangen sind, sollen in die Gemeinschaft des Volkes zurückkehren und haben somit nichts zu befürchten.«56
1.1.1 Verbotsgesetz und Kriegsverbrechergesetz Gemäß dieser Grundhaltung erließ die Provisorische Staatsregierung kurze Zeit später zwei Gesetze, die die Leitlinien der Entnazifizierung vorgaben: Zum einen war dies das Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP 55 1. Staatsgesetzblatt für die Republik Österreich, ausgegeben am 1. Mai 1945. 56 Ebd.
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(Verbotsgesetz)57 und zum anderen das Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz)58. Neben dem Verbot der NSDAP legte das Verbotsgesetz (VBG) jenen Personenkreis fest, der von der Entnazifizierung erfasst werden sollte, und sah gleichzeitig die entsprechend aufzuerlegenden Sühnefolgen sowie eine ausnahmsweise Nachsicht von der Behandlung vor. Melde- und registrierungspflichtig waren »[a]lle Personen mit dem ordentlichen Wohnsitz oder dem dauernden Aufenthalt im Gebiet der Republik Österreich, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27. April 1945 der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) angehört haben, wenngleich diese Angehörigkeit nur eine zeitweise war, ferner alle Parteianwärter und Personen, die sich um die Aufnahme in die SS (Schutzstaffel) beworben haben (…).«59.
Ziel dieses ersten österreichischen Entnazifizierungsgesetzes war es demnach, Listen aller Parteimitglieder sowie Anwärter bei den Registrierungsbehörden anzulegen und diese auch öffentlich zugänglich zu machen. Neben der Parteimitgliedschaft sollten auch Mitgliedschaften in den nationalsozialistischen Wehrverbänden Schutzstaffel (SS), Sturmabteilung (SA), Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps (NSKK) oder Nationalsozialistisches Fliegerkorps (NSFK) erfasst werden. Die Registrierung war von den Betroffenen selbst durchzuführen, eine Unterlassung war mit Strafe bedroht. Besonders strenge Bestimmungen sah das VBG 1945 für jenen Personenkreis vor, der als harter Kern des Nationalsozialismus in Österreich betrachtet wurde.60 Gemeint waren jene NSDAP-Mitglieder, die schon in der »Verbotszeit« – also zwischen dem Verbot der Partei durch das austrofaschistische Regime im Juni 1933 und dem »Anschluss« 1938 – in die Partei eingetreten waren und somit als »Illegale« bezeichnet wurden. Durch ihre vorzeitige Parteimitgliedschaft galten sie als überzeugte Nationalsozialisten und Hochverräter am österreichischen Staat und waren nun einer besonderen Behandlung sowie Sühneleistung gemäß Artikel III des Verbotsgesetzes zu unterziehen: »Wer in der Zeit zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938, wenn er innerhalb dieser Zeit das 18. Lebensjahr erreicht hat, jemals der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) angehört hat (›Illegaler‹), hat sich des Verbrechens des Hochverrates im Sinne des § 58 österr. Strafgesetz schuldig gemacht und ist
57 Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), Staatsgesetzblatt (StGBl.) 1945/13 (VBG). 58 Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz), StBGl. 1945/32. 59 § 4, Art. II, VBG. 60 Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 84.
Allgemeine Rechtslage
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wegen dieses Verbrechens mit schwerem Kerker in der Dauer von fünf bis zehn Jahren zu bestrafen.«61
Das erste Entnazifizierungsgesetz der Zweiten Republik unterschied also zwischen »Mitläufern« und »Illegalen«. Weiters sah es besondere Bestimmungen für öffentlich Bedienstete vor, auf die an späterer Stelle näher eingegangen wird. Bei der Durchführung des Verbotsgesetzes 1945 erwiesen sich die dort vorgesehenen Ausnahmebestimmungen als zunehmend problematisch. Zum einen war es den Registrierten möglich, gemäß § 7 des VBG Einspruch gegen eine vermeintlich ungerechtfertigte Registrierung zu erheben, für dessen Entscheidung eine Beschwerdekommission beim Bundesministerium für Inneres (BMI) letztinstanzlich zuständig war. Zum anderen sah § 27 des Verbotsgesetzes eine ausnahmsweise Nachsicht von der Registrierung und Behandlung durch einen Gnadenakt der Provisorischen Staatsregierung (später des Bundespräsidenten) vor: »Ausnahmen von der Behandlung nach den Bestimmungen der Artikel II, III und IV sind im Einzelfalle zulässig, wenn der Betreffende seine Zugehörigkeit zur NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände (SS, SA, NSKK, NSFK) niemals mißbraucht hat und aus seinem Verhalten noch vor der Befreiung Österreichs auf eine positive Einstellung zur unabhängigen Republik Österreich mit Sicherheit geschlossen werden kann; darüber entscheidet die Provisorische Staatsregierung.«62
Die Installierung der höchsten staatlichen Organe (Provisorische Staatsregierung bzw. Bundespräsident) als Entscheidungsinstanz in solchen Ausnahmeansuchen lässt schließen, dass seitens der Gesetzgeber mit einem kleinen Kreis von Antragstellern, die etwa im Widerstand aktiv bzw. als Wehrmachtssoldaten desertiert waren, gerechnet wurde.63 In der praktischen Durchführung des Gesetzes erwies sich § 27 jedoch als deutlich zu weitgefasst formuliert, da 85 – 90 % der rund 536.000 registrierten Nationalsozialisten von der Möglichkeit dieses Ausnahmeansuchens Gebrauch machten und diesbezüglich in den Vordergrund stellten, ihre Parteimitgliedschaft »niemals missbraucht« zu haben. Diesen Umstand sowie ihre positive Einstellung zur Republik Österreich ließen sich die Ansuchenden zumeist durch Schreiben (sg. »Persilscheine«) Unbescholtener – nicht selten auch Opfer des Nationalsozialismus – bestätigen. Die Flut an Gnadenansuchen machte das Verbotsgesetz 1945 undurchführbar,64 was schließlich
61 § 10, Art. III, VBG. 62 § 27, Art. VI, VBG. . 63 Vgl. Winfried R. Garscha, Entnazifizierung und gerichtliche Ahndung von NS.Verbrechen, In: Emmerich Tlos, Ernst Hanisch, Wolfgang Neugebauer, Reinhard Sieder (Hrsg.), NSHerrschaft in Österreich. Ein Handbuch (Wien 2002), S. 884 – 901, hier 858. 64 vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 97.
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Rechtliche Rahmenbedingungen, Organe und Akteure
auch die Basis für die Notwendigkeit eines neuen Entnazifizierungsgesetzes schuf, auf das in der Folge eingegangen wird. Das Kriegsverbrechergesetz vom 26. Juni 1945 bildete die strafrechtliche Ergänzung zum VBG. Es definierte jeden als Kriegsverbrecher, der in der Zeit des Nationalsozialismus »gegen andere Personen eine Tat begangen oder veranlasst hat, die den natürlichen Anforderungen der Menschlichkeit widerspricht«.65
1.1.2 Nationalsozialistengesetz 1947 Aufgrund der beschriebenen Unzulänglichkeiten des Verbotsgesetzes 1945 und angesichts des Umstandes, dass nach der Anerkennung der Provisorischen Staatsregierung durch die Alliierten am 20. Oktober 1945 diese auf eine gesamtösterreichische Regelung zur Entnazifizierung drängte, kamen die drei Parteien (Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ), Sozialdemokratische Partei Österreichs (SPÖ) und Österreichische Volkspartei (ÖVP)) zusammen, um neue Richtlinien für ein Nationalsozialistengesetz auszuarbeiten. Die Ergebnisse dieser Gespräche wurden schließlich am 30. März 1946 als »Grundsätze der Entnazifizierung aufgrund der Parteienverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und KPÖ« veröffentlicht und auf Basis dessen der Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes über die »Behandlung von Nationalsozialisten« vorbereitet.66 Ziel war es, eine Dauerlösung für das Nationalsozialistenproblem zu schaffen und im Zuge dessen eine Rehabilitierung der nur nominellen oder »minderbelasteten« Nationalsozialisten einzuleiten.67 In diesem Sinn sollte in Hinkunft zwischen jenen Nationalsozialisten unterschieden werden, die einer Bestrafung unterlagen (Kriegsverbrecher und bedingt die »Illegalen«) und sühnepflichtigen Personen – diese wiederum differenziert in »Belastete« und »Minderbelastete«. Das Gesetz sollte demnach zwischen zu bestrafenden und sühnepflichtigen Personen unterscheiden und insbesondere dazu beitragen, die zweite Gruppe möglichst rasch wieder in die Gesellschaft einzugliedern. Sowohl für »Minderbelastete« als auch nach einem längeren Zeitraum für »Belastete« sollte dementsprechend die Möglichkeit bestehen, nach Ableistung entsprechender Sühnefolgen wie Einkommens- und Pensionskürzungen, Steuer- und Vermögensabgaben sowie im öffentlichen Dienst auch das Verbot bestimmter Berufe, sich 65 § 1 Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz), StGBl. 1945/32. 66 Vgl. Claudia Kuretsidis-Haider, Das Nationalsozialistengesetz 1947. Weiterentwicklung von Verbotsgesetz und Kriegsverbrechergesetz zum NSG 1947 (2001), abrufbar unter : http:// www.nachkriegsjustiz.at/service/gesetze/nsg1947.php (Zugriff: 01. 11. 2010). 67 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 101.
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ihrer Sühnepflicht zu entledigen. Dies brachte auch gleichzeitig ein Abgehen vom »Illegalitätsprinzip«: Es war nicht mehr entscheidend, ob jemand bereits vor März 1938 über eine Parteimitglied oder -anwärterschaft verfügte, sondern seine Funktion innerhalb der NSDAP stellte nun das ausschlaggebende Kriterium dar. Nach der Zustimmung im Ministerrat wurde der entsprechende Gesetzesentwurf für ein neues Nationalsozialistengesetz im Nationalrat als Regierungsvorlage eingebracht und nach einigen Änderungen im Hauptausschuss am 24. Juli 1946 als Verfassungsgesetz beschlossen. Nach der Zustimmung im Bundesrat musste der Gesetzesbeschluss mit Verfassungscharakter allerdings im August 1946 dem Alliierten Rat zur Genehmigung vorgelegt werden, welcher diese mit rund 50 Änderungen verknüpfte. Diese betrafen unter anderem die Erweiterung des Personenkreises der Registrierungspflichtigen sowie jener der »Belasteten« (Inklusion von Gestapo-Mitgliedern und solchen des Sicherheitsdienstes (SD) wie auch von Verfassern nationalsozialistischer Druckwerke sowie Wirtschaftskollaborateuren), die Erweiterung des Kreises gerichtlich verfolgter Nationalsozialisten, die Änderung der Gruppe der von Sühnefolgen befreiten Personen sowie die Erweiterung der Sühnefolgen für »belastete« und »minderbelastete« Personen. Nach erfolgter Einarbeitung der durch die Alliierten geforderten Änderungen wurde das Nationalsozialistengesetz (NSG)68 schließlich am 6. Februar 1947 vom Nationalrat nach heftigen Debatten beschlossen.69 Mit Inkrafttreten des NSG 1947 am 17. Februar 1947 änderte sich sodann der von der Entnazifizierung betroffene Personenkreis. Weiterhin registrierungspflichtig waren Parteimitglieder und -anwärter, Angehörige der SS, der SA und Führer des NSKK und des NSFKvom Untersturmführer aufwärts. Ergänzend neu hinzu kamen Angehörige des NS-Soldatenringes, des NS-Offiziersbundes, Angehörige der Gestapo und des SD sowie Verfasser von NS-Druckwerken und wirtschaftliche Kollaborateure. Nicht mehr der Registrierungspflicht unterlagen Personen, die sich um eine Aufnahme in die SS beworben hatten, einfache Angehörige des NSKK und des NSFK sowie Personen, die nach § 4 Abs. 5 Nationalsozialistengesetz ausdrücklich von der Registrierung befreit wurden. Diese Nicht-Registrierungspflichtigen teilte man in insgesamt sechs Kategorien, wobei man etwa jene Gruppe von Personen von der Registrierung befreite, die aus politischen Gründen nicht in die NSDAP aufgenommen worden war.70 Eine Möglichkeit der individuellen Befreiung von der Registrierung war allerdings im NSG 1947 nicht mehr gegeben. 68 Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947, über die Behandlung von Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz), Bundesgesetzblatt (BGBl.) Nr. 25/47 (NSG). 69 Vgl. Kuretsidis-Haider, Nationalsozialistengesetz 1947, 2001. 70 § 4, Abs. 5 a) NSG.
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Rechtliche Rahmenbedingungen, Organe und Akteure
Registrierungspflichtige wurden wie schon im VG in »Belastete« und »Minderbelastete« eingeteilt. Ausschlaggebend für die Kategorisierung, die die jeweilige Person der Gruppe der »Belasteten« bzw. »Minderbelasteten«71 unterstellte, war nun jedoch der Grad der Aktivität sowie die Stellung innerhalb der Partei oder ihrer Teilorganisationen, und nicht mehr, wie im Verbotsgesetz 1945, das Eintrittsdatum in die NSDAP. Beide Gruppen unterlagen der Sühnepflicht, wobei sich diese für »Minderbelastete« milder und zeitlich begrenzt äußerte.72 So erhielten sie beispielsweise das aktive Wahlrecht zurück, wobei sie vom passiven bis zum 30. April 1950 ausgeschlossen waren. Durch die neuen Kritierien der Kategorisierung brachte das Nationalsozialistengesetz 1947 insgesamt gesehen einen Rückgang der als Nationalsozialisten behandelten Personen um 25.520 oder um etwa 5 %. Dieser kam insbesondere aufgrund der nicht mehr registrierungspflichtigen einfachen Mitglieder des NSFK und des NSKK (16.433) und der Gruppe der Nicht-Registrierungspflichtigen (10.370) nach § 4 Abs. 5 NSG 1947 zustande. Weitaus deutlicher hatte sich die Zahl der »belasteten« Nationalsozialisten verringert, zu denen ja nach VBG 1945 die »Illegalen« zählten und nunmehr jene, die eine Funktion innerhalb der NSDAP innegehabt bzw. besondere Aktivitäten gesetzt hatten. Diese Neudefinition von »Belastung« reduzierte die Zahl der »Belasteten« innerhalb der insgesamt Registrierten von 18,3 % (VBG 1945) auf 8,2 % (NSG 1947).73
1.1.3 Die Amnestien Schon bald nach Inkrafttreten des Nationalsozialistengesetzes 1947 beriet die österreichische Regierung über erste Amnestien für ehemalige Nationalsozialisten. Da alle Bestrebungen in Richtung einer Generalamnestie zum damaligen Zeitpunkt kaum Chancen zur Genehmigung durch den Alliierten Rat hatten, versuchte man zunächst, besondere Härtefälle im NSG 1947 zu beseitigen. Schon am 3. Juli 1947 verabschiedete der Nationalrat dementsprechend eine Studierendenamnestie, die sowohl »belasteten« als auch »minderbelasteten« Studierenden die Rückkehr an die Universitäten ermöglichen sollte, die ihnen durch das Nationalsozialistengesetz bis zum 30. April 1950 untersagt worden war. Dieser Vorstoß fand beim Alliierten Rat allerdings keine Zustimmung. Auf eine erneute Behandlung der Studierendenamnestie im Nationalrat im Herbst 1947 wurde aus Rücksichtnahme auf die laufenden Staatsvertragsverhandlungen verzichtet. Im Februar 1948 griff der Nationalrat die Frage der Amnestien erneut 71 Vgl. § 17, NSG. 72 Vgl. § 19, NSG. 73 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 115 ff.
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auf, ging jetzt aber einen Schritt weiter und versuchte eine Jugendamnestie, also eine generellen Aufhebung der Sühnefolgen aller »minderbelasteten« Personen der Jahrgänge 1919 aufwärts, durchzusetzen.74 Der Entwurf der Jugendamnestie kam am 27. Februar 1948 vor den Alliierten Rat, von dem man zustimmendes Verhalten der Westalliierten, aber aufgrund bisheriger Erfahrungen Widerstände der russischen Vertreter befürchtete. Entgegen den Erwartungen brachten diese jedoch einen Vorschlag für ein viel weiter reichendes Amnestiegesetz ein, das alle »Minderbelasteten« von ihren Sühnepflichten rehabilitieren sollte. Die Einigung auf eine generelle Amnestie für die Gruppe der »Minderbelasteten« im Alliierten Rat war jedoch mit der Forderung verbunden, die Entnazifizierung der »Belasteten« mit aller Schärfe und Konsequenz rasch fortzusetzen und abzuschließen.75 Infolgedessen ging alles sehr schnell vor sich: Sowohl die Jugendamnestie als auch die »Minderbelastetenamnestie« wurden vom Nationalrat beschlossen und vom Alliierten Rat genehmigt. Das Bundesverfassungsgesetz vom 21. April 1948 über die vorzeitige Beendigung der im NSG vorgesehenen Sühnefolgen für »minderbelastete« Personen hatte weitreichende Auswirkungen: Für 90 % der registrierten Nationalsozialisten (»Minderbelastete«) brachte es die Beendigung der Sühnefolgen und stellte sie mit anderen Staatsbürgern politisch und wirtschaftlich gleich. Allerdings machte das Verfassungsgesetz bereits geleistete Sühnefolgen nicht rückgängig. Stiefel resümiert: »Die Entnazifizierung als Massenmaßnahme der politischen Säuberung war damit beendet«.76 Weiterhin sühnepflichtig blieben die »Belasteten«, wobei erste Versuche, diese Gruppe ebenfalls zu amnestieren, im Juli 1949 im Nationalrat scheiterten. Die Sozialdemokraten, die ein Belastetenamnestiegesetz zwar im Ministerrat unterstützt hatten, stimmten diesem im Nationalrat nicht mehr zu, da sie eine sich klar abzeichnende Ablehnung durch den Alliierten Rat vermeiden wollten. Die Unmöglichkeit einer Generalamnestie blieb auch in den Folgejahren bis zur Unabhängigkeit Österreichs eine Tatsache. Es folgte eine Befreiung der »Spätheimkehrer« von der Verzeichnungs- und Sühnepflicht sowie die Einstellung von Strafverfahren und die Nachsicht von Strafen gegen dieselben77 im Jahr 1951 und nach Erlangung der Unabhängigkeit das Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1956 die Vermögensverfallsamnestie.78 Den Abschluss der Amnestiege-
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vgl. ebd., S. 302. vgl. ebd., S. 304 ff. Ebd., S. 308. Bundesverfassungsgesetz vom 17. Dezember 1951 über die Befreiung der Spätheimkehrer von der Verzeichnungs- und Sühnepflicht, die Einstellung von Strafverfahren und die Nachsicht von Strafen gegen solche Personen, BGBl. 159/1953. 78 Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1956, womit Gruppen ehemaliger Nationalsozialisten
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Rechtliche Rahmenbedingungen, Organe und Akteure
setzgebungen bildete die Generalamnestie, die ebenfalls nach Unterzeichnung des Staatsvertrages in Angriff genommen und am 14. März 1957 vom Nationalrat verabschiedet wurde. Diese hob Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes 1947 wie die Registrierungspflicht und Sühnefolgen auf bzw. beendete sie und stellte gleichzeitig das Ende des rechtlichen Entnazifizierungsprozesses dar.79
1.2
Entnazifizierungsbestimmungen für den öffentlichen Dienst und die Universitäten
Bevor nach Darstellung der allgemeinen Entnazifizierungs- und Amnestiegesetzgebung im Detail auf die Prozesse der Entnazifizierung des Lehrkörpers der Universität Wien auf Professorenebene eingegangen wird, stehen an dieser Stelle die allgemeinen Rahmenbedingungen der »Säuberung« des öffentlichen Dienstes vom Nationalsozialismus im Mittelpunkt. In diesem Zusammenhang werden insbesondere die Rahmenbedingungen der Entnazifizierung an den Universitäten und hier vor allem an der Universität Wien erläutert und die zuständigen Organe bzw. Institutionen vorgestellt. Die Entnazifizierung des öffentlichen Sektors war schon im Verbotsgesetz 1945 verankert und beruhte auf zwei Prinzipien: Zum einen sollten alle Bediensteten, die schon vor März 1938 im öffentlichen Dienst standen, durch die Zweite Republik übernommen werden. Jene, die ihren Dienstposten erst nach dem »Anschluss« erhalten hatten, wurden aber so behandelt, also ob sie nie im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen wären – eine Vorgangsweise, die den Umstand widerspiegelte, dass die Republik Österreich keinerlei Rechtsnachfolge mit dem Deutschen Reich anerkannte. Andererseits sollten die zu übernehmenden Beamten gemäß Verbotsgesetz hinsichtlich ihrer Involvierung in die NSDAP überprüft werden. »Illegale« Parteigänger waren dementsprechend gemäß § 14 VBG ohne Ruhebezüge zu entlassen80, während sich die restlichen
in Ansehung der Strafe des Vermögensverfalls amnestiert werden (Vermögensverfallsamnestie), BGBl. 155/1956. 79 Bundesverfassungsgesetz vom 14. März 1957, womit Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes, BGBl. Nr. 25/1947, abgeändert oder aufgehoben werden (NS-Amnestie 1957). BGBl. 82/1957; vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 310 ff. 80 »Beamte, Angestellte, Bedienstete und Arbeiter des Staates, der Länder (Stadt Wien), der Gemeinden, öffentlich-rechtlicher Körperschaften, Stiftungen, Fonds und Anstalten, oder deren Betriebe und Unternehmungen, die unter § 10 fallen, sind entlassen. Sind sie bereits im Ruhestand, so wird der Ruhebezug eingestellt. Sind sie gestorben, so besteht für die Hinterbliebenen kein Anspruch auf Versorgungsgenüsse.« § 14 VBG.
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registrierten Nationalsozialisten einer politischen Überprüfung zu unterziehen hatten.81 Das wenige Monate nach dem Verbotsgesetz von der Provisorischen Staatsregierung erlassene Gesetz vom 22. August 1945 zur Wiederherstellung österreichischen Beamtentums (Beamten-Überleitungsgesetz)82 bekräftigte in seinen Bestimmungen die Ablehnung der Rechtsnachfolge der Republik Österreich gegenüber dem Deutschen Reich und sah eine völlige Neubildung der Personalstände des öffentlichen Dienstes vor. Außer jenem Personenkreis unter den Beamten, der vom NS-Regime entlassen oder zwangspensioniert worden war, hatte niemand Anspruch darauf, in den Beamtenapparat der Zweiten Republik übernommen zu werden. Bei der Neubildung der Personalstände stand laut Beamten-Überleitungsgesetz das zwingende Staatsinteresse im Vordergrund, »eine der Republik Österreich ergebene, nach Gesinnung und Haltung einwandfrei österreichische, demokratische Beamtenschaft zu schaffen«.83 In diesem Sinne sollte neben den Wiedereinstellungen der vom NS-Regime entlassenen Beamten zunächst jene Gruppe berücksichtigt werden, die mit der Waffe in der Hand für ein unabhängiges Österreich gekämpft, sowie jene, die während der ganzen Zeit der Terrorherrschaft standhaft ihre Treue zu Österreich bewiesen hatten.84 Da diese Personengruppen rein quantitativ nicht ausreichten, um eine neue Beamtenschaft zu bilden, sollte in weiterer Folge auf jene zurückgegriffen werden, die schon am 13. März 1938 sowie bis zur Befreiung durch die Allierten 1945 in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden hatten.85 Nur in besonderen Fällen sah das Beamten-Überleitungsgesetz vor, auch Personen in die neu zu bildenden Personalstände zu übernehmen, die erst nach dem 13. März 1938 in den öffentlichen Dienst eingetreten waren, allerdings nur, sofern sie davor die österreichische Bundesbürgerschaft besessen hatten.86 Dieser Passus schloss somit aus, dass während der NS-Zeit in Beamtendienstverhältnisse eingetretene »Reichsdeutsche« in die Personalstände der Zweiten Republik übernommen werden konnten. Die oben angesprochene politische Überprüfung dieser öffentlich Bediensteten wurde mit der Verbotsgesetznovelle vom 15. August 194587 eigenen Institutionen, den sogenannten Sonderkommissionen, übertragen. Diese hatten 81 Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 130. 82 Gesetz vom 22. August 1945 zur Wiederherstellung des österreichischen Beamtentums (Beamten-Überleitungsgesetz), StGBl. 1945/134. 83 Ebd., § 6, Abs. 1. 84 Vgl. ebd., § 6, Abs. 2. 85 Vgl. ebd., § 6, Abs. 3. 86 Vgl. ebd., § 6, Abs. 4. 87 Verfassungsgesetz vom 15. August 1945 über die Änderung und Ergänzung des Verbotsgesetzes vom 8. Mai 1945, St. G. BI.Nr. 13 (Verbotsgesetznovelle).
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gemäß § 21 VBG über die Entlassung bzw. Ruhestandsversetzung (mit bis zu einem Drittel Pensionskürzung) jener Personen zu entscheiden, die »nach ihrer bisherigen Betätigung keine Gewähr dafür bieten, daß sie jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werden«.88 Nähere Bestimmungen über Zusammensetzung und Arbeitsweise der Sonderkommissionen finden sich in der 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz vom 22. August 1945.89 Die Sonderkommissionen I. Instanz,90 die bei den unterschiedlichen öffentlichen Dienstgebern für deren Beschäftigte eingerichtet wurden91, hatten dahingehend in Form von Erkenntnissen entsprechende Gutachten über eine in Betracht kommende Weiterbeschäftigung, eine Ruhestandsversetzung (mit oder ohne Pensionskürzungen) bzw. über Entlassungen auszugeben. Allerdings garantierte ein positives Kommissionsgutachten keine Weiterbeschäftigung – über eine solche hatte letzten Endes die jeweilige Dienstbehörde selbst zu entscheiden.92 Gegen Erkenntnisse der Sonderkommissionen der I. Instanz konnte bei einer im Bundeskanzleramt angesiedelten Sonderoberkommission Berufung eingelegt werden.93 Die politische »Säuberung« des Beamtentums war ursprünglich mit einer Frist von sechs Monaten bemessen.94 Mit Schaffung der Sonderkommissionen durch die Verbotsgesetznovelle vom 15. August 1945 wurde diese bis zum 30. Juni 1946 erstreckt. Bis dahin sollten die Sonderkommissionen ihre Überprüfungstätigkeit beendet haben. Um die Entnazifizierungsprozesse zu beschleunigen, verkürzte der Alliierte Rat diese Frist allerdings auf 17. April 1946, worauf Bundeskanzler Figl diesen auf die kaum mögliche Einhaltung dieses neuen Zeitplans verwies und gleichzeitig die Sonderkommissionen zur Beschleunigung ihrer Arbeit aufrief. Nichtsdestotrotz verzögerte sich ihre Tätigkeit weiter und war daher andauernder Kritik der Alliierten ausgesetzt.95 88 Vgl. § 21 VBG. 89 Verordnung der Staatskanzlei im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 22. August 1945 zur Durchführung des Verbotsgesetzes und der Verbotsgesetznovelle (3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz), StGBl. 1945/131. 90 Die für Hochschulprofessoren zuständige Sonderkommission, die beim Staatsamt für Volksaufklärung (später beim Bundesministerium für Unterricht) eingerichtet wurde, trug die vollständige Bezeichnung »Sonderkommission I. Instanz beim Bundesministerium für Unterricht, Senat der Hochschulprofessoren«. 91 Sonderkommissionen I. Instanz wurden gebildet bei den Landeshauptmannschaften (in Wien beim Magistrat, den Oberlandesgerichten, den Hochschulen, den Landeschulräten, den Finanzlandesdirektionen, den Post- und Telegraphendirektionen, bei den Bundesbahnen, den Kammern und bei der Staatskanzlei sowie den Staatsämtern). Vgl. § 14 der 3. Durchführungsverordnung zum VBG. 92 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 132. 93 § 21 Abs. 2 der3. Durchführungsverordnung zum VBG. 94 Vgl. § 21 VBG. 95 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 132.
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Nicht zuletzt deshalb beschloss die Bundesregierung auf Initiative von Bundeskanzler Leopold Figl im Februar 1946 die Einrichtung eines Ministerkomitees zur Entnazifizierung der öffentlich Bediensteten der höchsten Dienstklassen (I. bis III. Rangklasse) sowie der höchsten Wirtschaftsstellen. Dieses »Ministerkomitee zur Entnazifizierung der leitenden Stellen von Beamtenschaft und Wirtschaft« – nach seinem Initiator auch als »Figlkomitee« bezeichnet – hatte keine gesetzliche Basis und kann als eine Art Motor im Prozess der Entnazifizierung verstanden werden, indem diese zur »Chefsache« erklärt wurde. Im Bundeskanzleramt angesiedelt gehörten ihm neben dem Bundes- und dem Vizekanzler die Minister für Auswärtige Angelegenheiten, für Inneres, für Energiewirtschaft und Elektrifizierung sowie der Staatssekretär für Inneres an. Es verfügte wohl aus arbeitstechnischen Gründen über ein Subkomitee sowie über eine Geschäftsführung. Seine Hauptaufgabe war es, dafür zu sorgen, dass die Entnazifizierungsgesetze zumindest auf höchster Ebene rasch und unbedingt exekutiert wurden, wobei es (außer bei »Illegalen«) keine Entlassungen aussprach, sondern die beurteilten Fälle an die zuständigen Sonderkommissionen weitergab.96 Das »Figlkomitee« »führte aber de facto die politische Säuberung in den leitenden Funktionen durch und überließ den Sonderkommissionen nur noch die Entscheidung, ob die betreffende Person mit oder ohne Pension vom Dienst entfernt werden sollte«.97 Es war in diesem Sinne auch eine Art Kontrollinstanz, welche die jeweiligen Dienstbehörden aufforderte, den Entnazifizierungsprozess voranzutreiben und abzuschließen und über getroffene Maßnahmen in Statistiken zu berichten.98 Auf diese Weise trug das Ministerkomitee von Februar bis Juli 1946 zur Entlassung von 703 Beamten der obersten Dienstklassen (I – III) und im Verlauf seines einjährigen Bestehens zur Entlassung von insgesamt 2.108 führenden Angestellten aus Staat und Wirtschaft bei und sprach Empfehlungen für 3.000 weitere Entlassungen durch die Landesregierungen aus.99 Die Sonderkommissionen unterbrachen ihre Tätigkeit während des Sommers 1946, da ihnen mit 30. Juni 1946 die gesetzliche Basis entzogen war. Da sich aber abzeichnete, dass sich ein neues Nationalsozialistengesetz nicht zuletzt aufgrund des Einspruchs der Alliierten verzögern würde, nahmen sie ihre Tätigkeit auf Basis des Verfassungsgesetzes vom 24. Juli 1946100 auf, das rückwirkend mit
96 Vgl. ebd., S. 95. 97 Vgl. ebd., S. 133. 98 Vgl. Rudolf Jerˇábek, Entnazifizierungsakten im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik, abrufbar unter : http://www.oesta.gv.at (Zugriff: 01. 11. 2010), S. 6. 99 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 133. 100 Bundesverfassungsgesetz vom 24. Juli 1946, womit die Verbotsgesetznovelle vom 15. August 1945, St.G.Bl. Nr. 127, abgeändert wird, BGBl. 177/1946.
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1. Juli 1946 in Kraft trat, wieder auf. Ihre Funktionsperiode war bis 30. Juli 1947 verlängert worden.101 Bis auf die Tätigkeit des Ministerkomitees kann der erste Entnazifizierungsschub bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 generell als »administrative Entnazifizierung« bezeichnet werden, da es insbesondere die Dienststellen selbst waren, die eindeutige Nationalsozialisten entließen bzw. nicht wieder einstellten. So kamen allgemein nur jene Fälle ehemaliger Nationalsozialisten vor die Sonderkommissionen, die in den einzelnen Dienststellen gehalten werden sollten. Wie schon angesprochen erfüllten die Sonderkommissionen ihre gesetzlich vorgeschriebene Tätigkeit nur unzureichend und konnten bis zum vorgeschriebenen Termin (30. Juni 1946) nur etwa die Hälfte der anhängigen Verfahren erledigen. Infolgedessen wurden sie von Bundeskanzler Figl aufgefordert, bis zur Verlängerung der gesetzlichen Frist mit ihren Untersuchungen fortzufahren. Mit dem Nationalsozialistengesetz 1947102 erfolgte auch die Entnazifizierung im öffentlichen Dienst unter neuen Voraussetzungen: In erster Linie brachte es eine Verfahrensvereinfachung, da die individuellen Verfahren vor den Sonderkommissionen I. Instanz durch generelle Regelungen ersetzt wurden. Anstelle der »Illegalen« waren es jetzt die aufgrund ihres Ranges in der NS-Bewegung »Belasteten«, die aus dem öffentlichen Dienst zu entlassen waren, den Anspruch auf Pensionen einbüßten und auch keine Möglichkeit erhielten, jemals wieder in den öffentlichen Sektor zurückkehren zu können.103 In der Entnazifizierungspraxis im öffentlichen Dienst änderten die neuen gesetzlichen Regelungen laut Stiefel allerdings wenig, da jedenfalls die »Belasteten« bereits von den Sonderkommissionen aus dem öffentlichen Dienst entlassen worden waren. »Die anderen Illegalen, die nicht belastet waren, konnten im Prinzip wieder im öffentlichen Dienst angestellt werden, denn sie fielen unter die Gruppe der Minderbelasteten.«104 Allerdings war das nur dann der Fall, wenn entsprechende Dienstposten zur Verfügung standen und das politische Verhalten der betreffenden Person vor dem 27. April 1945 eine Wiedereinstellung rechtfertigte. Diese Überprüfung wurde in diesem Fall vom Dienstgeber selbst durchgeführt und nicht mehr von Sonderkommissionen. Die Sühnefolgen für »Minderbelastete« im öffentlichen Dienst betrafen im Wesentlichen den vorübergehenden Ausschluss (bis 30. April 1950) von leitenden Positionen. »Minderbelastete« konnten dementsprechend zeitlich begrenzt nur auf niederrangigen Posten im öffentlichen Dienst angestellt und während 101 102 103 104
Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 135. NSG. Vgl. § 18, Ziff. B) NSG. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 135.
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dieser Zeit auch nicht befördert werden.105 Darüber hinaus mussten sie eine Kürzung ihrer etwaigen Ruhebezüge um ein Drittel bis zum 30. April 1955 hinnehmen.106 Absicht des Gesetzgebers war es also, auch »Minderbelastete« für eine bestimmte Zeit von Führungspositionen im öffentlichen Dienst auszuschließen. Neben den Entlassungen und den Rückstufungen war der Ausschluss ehemaliger Nationalsozialisten von bestimmten Berufen ein weiteres Mittel der Entnazifizierung nach dem Nationalsozialistengesetz 1947. Diese Verbote betrafen insbesondere jene Berufe, in denen die betreffenden Personen im politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Bereich über Gestaltungsmacht verfügten bzw. meinungsbildend tätig werden konnten. Im Konkreten beinhaltete das NSG eine taxative Aufzählung verbotener Berufe: Diese umfasste Berufe im Justizbereich, der Exekutive, in den Schulen und Hochschulen, im Medienwesen und im Kulturbereich sowie leitende Positionen in der Wirtschaft. Für »Belastete« galten diese Berufsverbote fast ausnahmslos absolut und ohne zeitliche Beschränkung.107 Für »Minderbelastete« war die Anzahl der Berufsverbote etwas kleiner und meist bis zum 30. April 1950 befristet.108 Sie konnten »im öffentlichen Dienst nur bei Bedarf und nur nach besonderer Prüfung ihres politischen Verhaltens vor dem 27. April 1945 verwendet werden.«109 Das Nationalsozialistengesetz schuf für »Minderbelastete« also die Möglichkeit, »nur auf besondere Entscheidung von besonders zu diesem Zweck gebildeten Kommissionen«110 die verbotenen Berufe doch wieder ausüben zu können. Diese Überprüfungskommissionen setzten sich aus dem zuständigen Bundesminister, einem weiteren Vertreter des Bundesministeriums, einem Angehörigen der Berufsvertretung des Betroffenen sowie aus je einem Vertreter der drei anerkannten politischen Parteien zusammen.111 Die Überprüfungskommissionen oder »besonderen Kommissionen« brachten somit die Möglichkeit der Einzelfallprüfung – die ja im Nationalsozialistengesetz 1947 eigentlich vermieden werden sollte – wieder zurück. An die Stelle der dezentral eingerichteten Sonderkommissionen nach Verbotsgesetz 1945 traten jetzt die bei den einzelnen Bundesministerien angesiedelten Überprüfungskommissionen, die über eine Zulassung von »Minderbelasteten« zu verbotenen Berufen bzw. über eine Verkürzung der Sperrfrist (meist bis 30. April 1950) zu entscheiden hatten. In diesem Zusammenhang sah das Nationalsozialistengesetz 1947 auch für 105 106 107 108 109 110 111
Vgl. § 19, Abs. 1, Ziff. b) dd) und ee) NSG. Vgl. § 19, Abs.1, Ziff. c) NSG. Vgl. § 18 NSG. Vgl. ebd., § 19. Ebd., § 19, Abs. 1, Ziff. b). Ebd., § 19, Abs. 2. Vgl. ebd., § 19, Abs. 3.
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die Entnazifizierung der Hochschulen neue Regelungen vor. »Belastete« waren, wie im restlichen öffentlichen Sektor auch, generell von Berufen an den Universitäten ausgeschlossen. »Minderbelastete« mussten für eine mögliche Wiedereinstellung von ihrer eigenen Dienststelle politisch überprüft werden.112 Dies galt allerdings nicht für »meinungsbildende« Berufe innerhalb der Universität, die mit dem oben beschriebenen Berufsverbot belegt waren und somit auch »Minderbelastete« generell ausschlossen. Gemeint waren im Konkreten die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer, für die »Minderbelastete« nur nach politischer Überprüfung einer beim Bundesministerium für Unterricht eingerichteten Kommission als Professoren zugelassen werden konnten. »Minderbelastete« »können eine Lehrkanzel für Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Geschichte, mittlere oder neuere deutsche Literaturgeschichte, Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesellschaftslehre, ein Rechtsfach oder für ein Teilgebiet dieser Fächer nur innehaben, wenn auf ihren Antrag die beim Bundesministerium für Unterricht zu errichtende Kommission diese Tätigkeit gestattet.«113
Die neuen Regelungen hatten im Hochschulbereich aber keine großen Auswirkungen mehr. Österreichweit kamen 37 Fälle vor die besondere Kommission im Bundesministerium für Unterricht. 21 davon wurden zugelassen, neun mit Berufsverbot belegt. Für die restlichen erklärte sich die Kommission als unzuständig.114 Die »Minderbelastetenamnestie« aus dem Jahr 1948 stellte auch für den Hochschulbereich eine weitere Zäsur dar, da diese Gruppe nun von den Sühnefolgen befreit war, und die Generalamnestie 1957 bedeutete das generelle Ende der Entnazifizierung. Nach der Erläuterung der Entnazifizierungsbestimmungen und der involvierten Organe für den öffentlichen Sektor sowie insbesondere für die Universitäten geht es zunächst darum, mit Otto Srkbensky die Schlüsselfigur der Entnazifizierung an den österreichischen Hochschulen genauer zu beleuchten, bevor die darauf folgenden Kapitel die konkreten Maßnahmen und Abläufe an der Universität Wien verfolgen. Dazu wird zunächst auf den Umgang der Universitätsführung mit dem Thema der Entnazifizierung des Lehrkörpers eingegangen. Anschließend erfolgt basierend auf konkretem Zahlenmaterial die Beschreibung der Prozesse der Entnazifizierung aus kollektivbiographischer Perspektive.
112 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 173. 113 Vgl. § 19, Abs. 1, Ziff. b) aa) NSG. 114 Vgl. Stiefel, Entnazifizierung, 1981, S. 173.
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Otto Skrbensky – die Schlüsselfigur der Entnazifizierung
1.3.1 Eine einschlägige Karriere mit Zwangspause Am Donnerstag, den 19. April 1945, begann der Ministerialrat in Ruhe, Dr. Otto Skrbensky, seine ehemaligen Kollegen zu sammeln, d. h. er übernahm zusammen mit Sektionsrat Josef Stur die »Angestelltensammelstelle des ehemaligen Bundesministeriums für Unterricht«.115 Der Ministerialrat war damals knapp 58 Jahre alt, wenige Tage davor waren die Kämpfe in und um Wien zu Ende gegangen, eine Woche später bildete der Sozialdemokrat Karl Renner eine provisorische Regierung, die am selben Tag die Wiederherstellung der Republik Österreich verkündete. Skrbensky, hoher Ministerialbeamter in der Ersten Republik und im austrofaschistischen Staat, von letzterem auch mit wichtigen Sonderaufgaben betraut, schickte sich an, an dieser Zweiten Republik mitzuarbeiten und Elemente seiner Weltanschauung wie auch profunde und einschlägige Verwaltungskenntnisse in diesen Dienst einzubringen. Die sieben Jahre der NS-Herrschaft hatte er relativ glimpflich überstanden: Nachdem er noch am 16. März 1938 den Diensteid auf den Führer abgelegt hatte – er werde ihm »treu und gehorsam sein« so wahr ihm Gott helfe116 – wurde er im Juni 1938 vom Dienst enthoben und von Reichstatthalter Seyß-Inquart mit Ende des Monats Dezember mit drei Vierteln des Ruhegenusses in den Ruhestand versetzt.117 Diese relative »Nachsicht« des NS-Regimes trotz seiner herausragenden administrierenden Stellung 1934 – 38 führt Oliver Rathkolb zu der Vermutung, dass hier »die eher milde politische Vorgangsweise (Skrbenkys) gegen exponierte nationalsozialistische Hochschullehrer vor 1938« vielleicht eine Rolle gespielt habe: »Immerhin wurde er im nationalsozialistischen Rechtswahrerbund als Mitglied akzeptiert.«118 Nach eigener Schilderung gelang es Skrbensky zwar im Zuge des »totalen Arbeitseinsatzes« gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst bis Ende Fe-
115 Lebenslauf Skrbenskys ohne Datum (angeschlossen an das Personenstandesblatt, Nr. 4 vom 14. 08. 1945), ÖStA/AdR, Bundesministerium für Unterricht und Kunst (BMU) PA Skrbensky, ohne Nummer. 116 Diensteid 16. 03. 1938, ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky, fol. 147. Auf diesem Papier findet sich die schönstgeschwungene und einzige ausgeschriebene und gut lesbare Unterschrift Skrbenskys mit vollständigen Titeln – gut zu verwenden, ihm von daher seine sonstigen Zeichen und Kürzel zuzuordnen. 117 Bescheid 29. 11. 1938, fol. 156 und Einlaufstück von Dezember 1938, o. Nr. ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky. An Dienstzeit wurden ihm »rund 31 Jahre« angerechnet. 118 Oliver Rathkolb, Die Universität Wien und die ,Hohe Politik‹ 1945 – 1955. In: ders./ Grandner/Heiss, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 38 – 53, hier 41.
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bruar 1944 »hievon freizukommen«,119 er beschrieb aber fast mit einer gewissen Genugtuung, jedenfalls aber mit pedantischer Genauigkeit, wohin ihn das Dritte Reich »zwangsweise zuwies«: »Mit erstem März hat mich das Arbeitsamt als Kanzleikraft bei der Union nationaler Journalistenverbände eingesetzt, wo ich als Einkäufer, Hausverwalter, Aufseher über die Diener und Kontrollor hinsichtlich Einhaltung der Arbeitszeit der Angestellten verwendet wurde.«120
Diese Tätigkeit übte er bis 31. März 1945 aus – weniger als drei Wochen, bevor er anfing, in der entstehenden Zweiten Republik Dienst zu tun. Zur Rubrik »Erlittene Nachteile 1938 bis 1945« in dem im August 1945 ausgefüllten Fragebogen wusste er sich sehr wohl zu äußern: »1) Pension mit 3/4 Ruhegenuss 2) Verlust der Dienstwohnung im Theresianum 3) Verlust der Funktionszulage 240 S monatl. als Bundeskommissär d. Theres. Akademie«.121 Es sind dies Nachteile im Hinblick auf die überragende Position, die Skrbensky in der Zeit des austrofaschistischen Staates erreicht hatte, als ihn dieses Regime sozusagen mit dem allerhöchsten Vertrauen ausstattete. Ende Juli 1933 hatte Skrbensky den Titel eines Hofrats verliehen bekommen, im Frühjahr 1934 wurde er – als Reaktion auf »nationalsozialistische Umtriebe an der Hochschule für Bodenkultur«– mit der Führung der Rektoratsgeschäfte an dieser Hochschule in der Eigenschaft eines Bundeskommissärs betraut. Im September des gleichen Jahres erfolgte seine Bestellung zum Kommissär für die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an allen Hochschulen, einen Monat darauf wurde er zum Ministerialrat ernannt und im März 1935 schließlich zum Bundeskommissär der Theresianischen Akademie – eine Stellung, die er drei Jahre – bis zum »Anschluss« – inne hatte.122 Eine einschlägige Beamtenkarriere in der Ersten Republik mit dem Schwerpunkt Hochschulen hatte diese »Kommissärs-Einsätze« vorbereitet: Der junge Jurist hatte im November 1913 seinen Diensteid auf den Kaiser geleistet, während des ersten Weltkrieges zum Teil militärische, zum Teil zivile Aufgaben erledigt und war im Februar 1919 in den österreichischen Staatsdienst übernommen worden. Schon in den folgenden Jahren hatte er zuerst am Staatsamt, dann am Bundesministerium für Unterricht Gelegenheit, Personal und Verhältnisse österreichischer Hochschulen gut kennen zu lernen: Ab Anfang 1921 und – mit einer Unterbrechung 1922 – wieder ab Anfang 1923 war er bis Ende 119 Lebenslauf Skrbenskys ohne Datum (angeschlossen an das Personenstandesblatt, Nr. 4 vom 14. 08. 1945), ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky. 120 Ebd. 121 Personenstandesblatt, Nr. 4 vom 14. 08. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky. 122 Lebenslauf Skrbenskys ohne Datum (angeschlossen an das Personenstandesblatt, Nr. 4 vom 14. 08. 1945), und Antrag ohne Datum, fol. 54, ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky.
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1931 der Abteilung für Medizinische und Philosophische Fakultäten zugewiesen.123
1.3.2 Exkurs: Der junge Kreisky bekommt es mit Skrbensky zu tun Wie agierte Otto Skrbenksy – damals in den 40-ern stehend – etwa als »Kommissär für die Aufrechterhaltung der Disziplin unter den Studierenden an den Hochschulen«, zu dem ihn die austrofaschistische Regierung ernannt hatte? Einen interessanten Hinweis verdanken wir Heimo Gruber, der uns auf eine »Begegnung« des Ministerialrats mit dem damals 25-jährigen Jusstudenten Bruno Kreisky aufmerksam machte.124 Dem »absolvierten« Hörer der juridischen Fakultät teilte der Kommissär am 28. August 1935 mit, dass er »von der Zulassung zu allen mit dem Hochschulstudium im Zusammenhang stehenden Prüfungen und der Verleihung akademischer Grade so wie von jeder Benützung der Hochschuleinrichtungen an allen österreichischen Hochschulen auf die Dauer der Studienjahre 1935/36 und 1936/ 37 ausgeschlossen« werde. Es folgt die Begründung: »Durch Ihr vom Bezirkspolizeikommissariate Innere Stadt mit einer Arreststrafe in der Dauer von 120 Tagen geahndetes Verhalten haben Sie Ziele einer mit Betätigungsverbot belegten Partei gefördert.«125 Gut 13 Monate später ersuchte Kreisky in einem Schreiben direkt an Skrbensky »um gnadenweisen Erlass der restlichen Frist« und begründete diesen Schritt einerseits mit dem Zeitfaktor und andererseits mit seiner persönlichen Notlage.126 Er sei schon am 30. Jänner 1935 verhaftet worden und habe daher bis zum Zeitpunkt seines Gesuchs schon nahezu vier Semester verloren, also die vom Kommissär vorgesehene Dauer der »Fernhaltung« von der Universität. Zu seiner persönlichen Situation hielt er fest: »Zur Unterstützung meines Ansuchens möchte ich mitteilen, dass ich vollkommen vermögenslos bin und von meinem über 60 Jahre alten Vater erhalten werden muss. Es ist mir gänzlich ausgeschlossen, irgendeinen Posten zu erlangen. Auch eine Reise ins Ausland, zwecks Erlangung eines Lebensunterhaltes ist vor allem deshalb unmöglich, weil ich von der Bundespolizeidirektion Wien keinen Reisepass bekomme und ich auch außerdem nur sehr schweren Herzens meine Angehörigen und meine Heimat verlassen könnte.« 123 Ebd. 124 Vgl. Oliver Rathkolb, Irene Etzersdorfer (Hrsg.), Der junge Kreisky. Schriften, Reden, Dokumente 1931 – 1945. Mit einem Vorwort von Willy Brandt (Wien/München 1986), S. 90 – 96. 125 Zitiert nach: ebd., S. 91. 126 Zitiert nach: ebd., S. 93.
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Kreisky führte abschließend aus, er fühle sich an seine bei der Enthaftung abgegebene Erklärung, »jede Tätigkeit im staatsfeindlichen Sinne zu unterlassen« gebunden, und bat, ihm wenigstens die Ablegung seiner letzten Prüfungen, zweier Rigorosen – wobei er sich verpflichte, die Hochschule ansonsten nicht zu betreten – zu gestatten. Zwei Wochen später, am 16. Oktober 1936, führte Kommissär Skrbensky zu diesem Gnadengesuch aus: »Kreisky hat wegen Hochverrat ein Jahr schweren Kerkers verbüßt. Da er vom 30. Jänner 1935 bis Juni 1936 in Haft war (Polizeistrafe und Gerichtsstrafe) und nunmehr bloß Prüfungen abzulegen hat, könnte meines Erachtens unbeschadet der Schwere der Verfehlung ein Gnadenakt platzgreifen, wofür der Herr Sicherheitsdirektor (Polizeidir.) sich über das nunmehrige Verhalten Kreiskys nicht ungünstig aussprechen sollte.«127
Die Bundespolizeidirektion Wien antwortete dem Bundesministerium für Unterricht am 2. Dezember 1936 und empfahl eine »willfahrende Erledigung« des Gnadengesuchs vor allem mit folgender Begründung nicht: »Bruno Kreisky war schon vor dem Betätigungsverbote der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei einer der Massgebendsten (sic) Führer der Sozialistischen Arbeiterjugend. Die obenangeführten Abstrafungen erfolgten wegen seiner führenden Betätigung an dem Aufbau einer illegalen sozialistischen Jugendorganisation. Eine Wiederzulassung des Kreisky (sic) zum Studium birgt ohne Zweifel die Gefahr einer Wiederaufnahme seiner staatsfeindlichen Betätigung gerade unter den Studierenden in sich. Abgesehen davon aber bietet auch die Kürze der Zeit, die seit seiner Haftentlassung verflossen ist, kaum die Gewähr dafür, dass bei Brunno (sic) Kreisky tatsächlich eine Umstellung im staatsbejahenden Sinne auch tatsächlich erfolgt ist.«128
Der bessernden Wirkung eines Jahres schweren Kerkers traute man also auch bei der Polizeidirektion nicht ganz und überhaupt sah man Kreisky, dessen »mosaische« Herkunft am Beginn des Schreibens durch Unterstreichung hervorgehoben wurde, eher wie »gegenwärtig als Vertreter in der Textilbranche tätig« denn als Doktor der Rechte.129 Dieser Einschätzung folgte ein in den letzten Tagen des Jahres 1936 abgesandter ablehnender Bescheid Skrbenskys. 50 Jahre später, im Juni 1985, bedankte sich Bruno Kreisky bei Heimo Gruber für das Bekanntmachen mit diesen Schriftsätzen, wobei er auch eine persönliche Vorsprache beim Kommissär für Disziplin im Rahmen des Gnadengesuchs erwähnte: »Von Dr. Oliver Rathkolb werden Sie erfahren haben, wie dankbar ich bin, daß Sie mir Material liefern, das mir bisher unbekannt gewesen ist und eine wertvolle Ergänzung 127 Zitiert nach: ebd., S. 94. 128 Zitiert nach: ebd., S. 94. 129 Zitiert nach: ebd., S. 95 f.
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dessen ist, was ich selbst über meine Relegierung weiß. Eine Ironie unserer Geschichte ist, daß ich seinerzeit als Mitarbeiter Bundespräsident Körners jenen Herrn Sektionschef Dr. Skrbensky wiedergesehen habe. Natürlich – beinahe glaubwürdig – versicherte er, mich nicht zu kennen, obwohl ich selbst bei ihm vorgesprochen habe. Er konnte sich auch nicht an meinen Fall erinnern.«130
1.3.3 Der Sektionschef und die Minister Rathkolb macht zur Situation im Staatsamt für Unterricht im Sommer 1945 deutlich: »Erst mit 3. Juli 1945 gab es eine formale Geschäftseinteilung, die sich an der Sektionsgliederung vor 1938 orientierte. Die Sektion III, Hochschulen und juridisch-administrative Angelegenheiten, lag ebenfalls im gesamtpolitischen Rahmen des ›Rückbruchs‹ in die Zeit vor 1938/33 und wurde von demselben Sektionsleiter, Ministerialrat Dr. Otto Skrbensky geleitet.«131
Es ist also die Tatsache festzuhalten, dass der gleiche Ministerialbeamte, der »nach 1934 die politischen Säuberungen gegen sozialdemokratische und nationalsozialistische Professoren geleitet hatte«,132 nun ab Frühjahr 1945 in mehrfacher Hinsicht maßgeblichen Einfluss auf die Entnazifizierung der Professorenschaft der Universität Wien und auf die Rehabilitierung eines Gutteils dieser Gruppe ab 1948 gewann. Die offizielle Ernennung zum Sektionschef der Sektion III erfolgte mit dem 1. September 1945, und zwar noch für das Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten. Staatssekretär in diesen Angelegenheiten war der am 12. April aus dem Moskauer Exil zurückgekehrte kommunistische Politiker Ernst Fischer. Am 20. Dezember 1945 folgte als Ressortchef des nunmehrigen Unterrichtsministeriums der ÖVP-Mann Felix Hurdes, der dieses Amt bis zum 23. Jänner 1953 inne hatte, ab diesem Zeitpunkt war Ernst Kolb – ebenfalls ÖVP – Unterrichtsminister. Die politischen Vorgesetzten Skrbenskys waren also für ein dreiviertel Jahr Fischer, für immerhin über sieben Jahre Hurdes, und wieder für ein dreiviertel Jahr – bis zum Tode Skrbenskys am 29. Oktober 1952, wenige Wochen vor seiner Pensionierung – Kolb. Über das Verhältnis der »unüberwindlichen mentalen Reserven« konservativer Spitzenbeamter zum »ministeriellen Selbstverständnis« jeweils vom Regierungschef Ernannter argumentiert diffizil Robert Stumpf133 und zitiert aus 130 Die Kopie eines Briefes von Bruno Kreisky an Heimo Gruber vom 13. Juni 1985 liegt den Autoren vor. 131 Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 40. 132 Ebd., S. 40 f. 133 Vgl. Robert Stumpf, Ernst Fischer als Staatssekretär für »Volksaufklärung, Unterricht,
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Franz Werfels Novelle »Eine blassblaue Frauenschrift«, die sich auf die Erste Republik und den Austrofaschismus bezieht, aber gerade deswegen auch für die Ära Skrbenskys als höchsten Hochschulbeamten in der Anfangsphase der Zweiten Republik Geltung beanspruchen darf. »Gleich den anderen höchsten Beamten des Staates hegte der Sektionschef keine besondere Hochachtung für die Herren Minister. Diese wechselten nämlich je nach Maßgabe des politischen Kräftespiels, er aber und seine Kollegen blieben. Die Minister wurden von den Parteien empor- und wieder davongespült, Luftschnappende Schwimmer zumeist, die sich verzweifelt an die Planken der Macht klammerten. Sie besaßen keinen rechten Einblick in die Labyrinthe des Geschäftsganges, keinen Feinsinn für die heiligen Spielregeln des bürokratischen Selbstzwecks. Sie waren nur allzuhäufig (sic) wohlfeile Simplisten, die nichts anderes gelernt hatten, als in Massenversammlungen ihre ordinären Stimmen anzustrengen und durch die Hintertüren der Ämter lästige Interventionen für ihre Parteigenossen und deren Familienanhang auszuüben. Leonidas134 aber und seinesgleichen hatten das Regieren gelernt wie Musiker den Kontrapunkt lernen in jahrelang unablässiger Übung. Sie besaßen ein nervöses Fingerspitzengefühl für die tausend Nuancen des Verwaltens und Entscheidens. Der Minister spielte (in ihren Augen) nur die Rolle politischer Hampelmänner, mochten sie dem Zeitstil gemäß auch noch so diktatorisch einhertreten. Sie aber, die Ressortchefs, warfen ihren unbeweglichen Schatten über diese Tyrannen. Welches Partei-Spülicht auch die Ämter überschwemmte, sie hielten die Fäden in der Hand. Man brauchte sie. Mit dem preziösen Hochmut von Mandarinen blieben sie bescheiden im Hintergrund.«135
Skrbensky hatte wirklich das Regieren gelernt »in jahrelang unablässiger Übung«. Seine Tätigkeiten einerseits in Erster Republik und Austrofaschismus und andererseits in der Zweiten Republik tragen zudem Züge eines gespiegelten symmetrischen Feldes. Aber – hier ein Unterschied zum Werfeltext – er blieb nicht »bescheiden im Hintergrund« und man ist versucht zu sagen: Das hatte er nicht mehr nötig. Er war nicht »die graue Eminenz«, als die er in der Literatur im Vorbeigehen öfters bezeichnet wird,136 sondern sehr wohl deutlich sichtbar, vernehmbar und im Vordergrund, wie noch aufzuzeigen sein wird.137 Von den drei Unterrichtsministern – bzw. ein Staatssekretär und zwei Mi-
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Erziehung und Kultusangelegenheiten (1945): Versuch einer politischen Biographie unter struktur- und institutionsgeschichtlichen Gesichtspunkten (ungedr. phil. Diplomarbeit, Wien 1997), S. 221. Name des Sektionschefs in der Novelle. Franz Werfel, Eine blaßblaue Frauenschrift (Frankfurt am Main 1941/1991), S. 327. Etwa: »Der wohl bedeutendste Mann im Hintergrund« (Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 304) bzw. »Der mächtigste Mann im Hintergrund« (Robert Stumpf, Wissensspeicher in Zeiten politischer Umbrüche: Bruchstücke zur Geschichte der Universitätsbibliothek Wien 1938 und 1945 (Innsbruck 2008), S. 23 f, Anmerkung 751). Ein bezeichnender Irrtum: in einem Unterstützungsschreiben für den Physiker Gustav Ortner an Skrbensky aus Innsbruck wird dieser als »Herr Unterstaatssekretär« betitelt (vom 05. 04. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Ortner, fol. 86)
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nister –, unter denen Skrbensky amtswaltete, waren zwei wirklich »je nach Maßgabe des politischen Kräftespiels« rasch vorüberziehende Persönlichkeiten. Wirklich geordnet arbeiten konnte Ernst Fischer etwa ein halbes Jahr, die bürokratische Seite seines Amtes interessierte ihn nicht sehr.138 Er fand eine »Schar alter Beamter aus der Ära vor Hitler (…) zumeist konservative Katholiken«139 vor und war nach eigenen Worten froh, dass er sich auf diese Gruppe stützen konnte – er hatte nicht die Wahl. Der als liberal geltende Ernst Kolb, zuständiger Minister in den letzten Arbeits- und Lebensmonaten Skrbenskys, war von Anfang an als Zwischenlösung gedacht und trat auch schon fünf Monate nach dem Ableben des Sektionschefs zurück.140
1.3.4 Nach Tradition des Hauses Es verbleibt Felix Hurdes. Der in Südtirol geborene Jurist und Politiker war im »Ständestaat« Mitglied der Kärntner Landesregierung, in der NS-Zeit zeitweise in Konzentrationslagern interniert und wurde mit 44 Jahren Unterrichtsminister in der ersten Regierung unter Leopold Figl. Sein Vorgänger Ernst Fischer überlieferte eine Bemerkung des neuen Ministers bei Amtsantritt, dass die Zeit des genialen Improvisierens zu Ende sei und nun wieder die ernste Arbeit anfange. Es lag ihm daran, »die ›Tradition‹ des Hauses am Minoritenplatz fortzuführen und alte Rangordnungen zu reetablieren.«141 Robert Stumpf zitiert aus einem Gespräch mit dem ehemaligen Ministerialbeamten Ludwig Stecevicz von 1992 dessen Aussage: »Bald nachdem Fischer weg war, kehrten fast wieder monarchische Zustände im Ministerium ein.«142 Allgemein ist noch zu sagen, dass die Hochschulpolitik im Programm des Felix Hurdes nur eine marginale Rolle spielte, sie wird etwa »im Erziehungs- und Bildungsprogramm der ÖVP (…) erst ganz am Schluss auf zwei Seiten abgehandelt«,143 sodass dem höchsten Hochschulbeamten Skrbensky viel Spielraum blieb. Skrbensky und Hurdes standen sich weltanschaulich nahe: Beide wurzelten in 138 Vielmehr waren ihm »die Regeln des bürokratischen Apparates (…) sowohl von seinem Wesen her als auch von seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit völlig fremd«. Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 223. 139 Ernst Fischer, Ende einer Illusion. Erinnerungen 1945 – 1955 (Frankfurt 1988), S. 119. 140 Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 50. Kolb amtierte vom 23. Jänner 1952 bis zum 2. April 1953. 141 Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 222. Dies stand im Rahmen von Hurdes’ Kampagne für das Bewusstsein von Österreichs »Eigenkultur«. Vgl. Gernot Heiss, Wendepunkt und Wiederaufbau. Die Arbeit des Senats der Universität Wien in den Jahren nach der Befreiung. In: ders., Grandner, Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 9 – 37, hier 16. 142 Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 222 f, Anmerkung 248. 143 Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 48 f.
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einem österreichisch katholischen Traditionalismus: Skrbensky, Adeliger und noch auf den Kaiser vereidigt, Hurdes als Südtiroler durch »historisches Unrecht« an seiner Heimat emotional stark an Österreich gebunden. Beide waren einflussreiche Mitglieder des Cartellverbandes, aus dem die ÖVP und ihr nahestehende Kreise ihren Nachwuchs rekrutierten, und im Austrofaschismus in wichtigen Funktionen tätig gewesen. Ein Schlaglicht vom 2. Dezember 1948: In einem US-amerikanischen Geheimpapier schrieb Martin F. Herz in seinem »Compendium of Austrian Politics« zu Hurdes, Skrbensky und Hans Pernter, mit Skrbensky gleichaltrig und ebenfalls Sektionschef im BMU,144 »Ministry of Education: This ministry is the bulwark of the Cartellverband since Minister Hurdes himself is an ›Alter Herr‹ (CV member). Actively cooperating with him is Dr. Hans Pernter, a former Minister of Education under Dollfuß and Schuschnigg, present member of Parliament and chief of ›cultral affairs‹ of the People’s Party. Perhaps the most powerful single official, however, is Sektionschef Dr. Otto Skrbensky, a CV member who controls university appointments. Part, at least, of the appalling decline of Austrian learning must be charged to the narrowly conservative orientation of these personalities.«145
Wer in diese »conservative orientation« passte, konnte der tatkräftigen Hilfe des Ministers sicher sein, wer nicht, wurde kalt und »still« abserviert, wie an einigen Einzelfällen, in denen die Hand von Felix Hurdes deutlicher sichtbar wird, kurz angeführt sei: Der Mediävist und Diplomatiker Leo Santifaller – wie Hurdes aus Südtirol stammend und dem katholisch-konservativen Lager angehörend – war, obwohl nie Mitglied oder Anwärter der NSDAP, Ende 1945/Anfang 1946 ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Eine Schrift des Historikers von 1938 zum »Anschluss« Österreichs war bekannt geworden, die antiösterreichische und betont nationalsozialistische Äußerungen enthielt. Santifaller wurde am 21. Jänner 1946 vom Lehramt an der Universität Wien enthoben,146 aber schon mit 27. Mai des gleichen Jahres verfügte der Minister mit persönlicher Zeichnung dessen »unverzügliche Wiederindienststellung«. Das entsprechende Schreiben enthält auf vier eng beschriebenen Seiten eine ausführliche Begründung mit eigenen Aussagen Santifallers, Zeugenaussagen und textkritischen Gutachten, die sachlich zutreffend die beanstandeten Stellen der Broschüre als fremde Ein144 Zu Pernter siehe Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 305, Anmerkung 753. 145 Zitiert nach: Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 201. Einen wichtigen Teilaspekt hebt Rudolf Haller hervor: »Es war (…) die Wissenschaftspolitik des Unterrichtsministeriums unter dessen Ministern Hurdes, Kolb und Drimmel, die (…) in Zusammenarbeit mit den im wesentlichen konservativ besetzten Philosophischen Fakultäten ein neo-klerikales Philosophenregime zu errichten trachtete, wie man es sonst vielleicht nur in Spanien kannte.« Rudolf Haller, Die philosophische Entwicklung in Österreich am Beginn der Zweiten Republik. In: Stadler, Kontinuität und Bruch, 2004, S. 157 – 180, hier 164. 146 Er erhielt aber weiterhin volle Bezüge.
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schübe nazistischer Propagandisten enttarnen.147 Es ist nun erstaunlich, wie sich dieser durch das Ministerium direkt betriebene Aufwand und Diensteifer148 von der Vorgangsweise in einem in dieser Hinsicht ganz ähnlich gelagerten Fall, dem des Staatsrechtlers Adolf Julius Merkl, unterscheidet, in dem das Ministerium – diesmal federführend Otto Skrbensky – beschämend, fast sadistisch agierte, wie unten noch gezeigt wird. Die kalte Schulter des Ministers selbst bekam der Neugermanist Eduard Castle149 zu spüren. Der vor März 1938 als Extraordinarius Lehrende war »einem enzyklopädischen Objektivismus verpflichtet« und hatte darauf geachtet, »dem Beitrag aller Parteien zum Kulturleben Gerechtigkeit widerfahren zu lassen«.150 Das war nicht, was den Nationalsozialisten, aber auch nicht, was Hurdes vorschwebte. 1938 wurde Castle unter dem Vorwurf des »Liberalismus« mit reduzierten Bezügen pensioniert – von anonymer Seite war er sogar als »Bolschewist« denunziert worden.151 Bereits im Sommersemester 1945 nun – also vor Hurdes – wurde Castle als Ordinarius geführt, zusätzlich vertrat er die vakante Lehrkanzel für Theaterwissenschaft – für die Erhaltung dieses 1943 gegründeten Instituts hatte er engagiert gekämpft. Felix Hurdes musste diese Situation vorerst hinnehmen, mit Beginn des Wintersemesters 1949/50 aber provozierte er eine personelle Krise: Die von der Universität rechtzeitig beantragte Verlängerung der Honorarprofessur Castles – er stand auch bereits im Vorlesungsverzeichnis – bewilligte das Ministerium nicht,152 und zwar unter Umständen, die »jedenfalls nicht auf einem Ruhmesblatt in der Geschichte der österreichischen Bürokratie« stehen: Castle »wurde persönlich nicht von seiner Pensionierung verständigt, für die Auszahlung der Pension war keine Vorsorge getroffen worden, von einem Dankeswort von Seiten des Ministeriums ganz zu schweigen.«153 147 Verfügung BMU 27. 05. 1946, UAW, PHIL PA 3118, fol. 28 – 31. 148 Also nicht durch die Sonderkommission I. Instanz wie Heiss vermutet (Gernot Heiss, Von der gesamtdeutschen zur europäischen Perspektive? Die mittlere, neuere österreichische Geschichte sowie Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien 1945 – 1955. In: ders., Grandner, Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 189 – 210, hier 189). Die Zentralkommission zur Bekämpfung der NS-Literatur wiederum wurde erst 1947 nach der 64. Verordnung über die Durchführung des NSG Abschnitt 5 § 45 gebildet. 149 Ausführlich zu Castle siehe Huber/Posch, Eliten/dis/kontinuitäten, 2011, S. 126 – 130. 150 Sebastian Meissl, Der »Fall Nadler« 1945 – 1950. In: ders., Klaus-Dieter Mulley, Oliver Rathkolb (Hrsg.), Verdrängte Schuld – verfehlte Sühne. Entnazifizierung in Österreich 1945 – 1955 (Wien 1986), S. 281 – 301. 151 Hilde Haider-Pregler, Die frühen Jahre der Theaterwissenschaft an der Universität Wien. In: Grandner/Heiss/Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 137 – 155, hier 141. Schmidt-Dengler bezeichnet ihn dem katholischen Lager angehörig, allerdings mit »guten Kontakten zu den liberalen Kreisen« (Schmidt-Dengler, Germanistik, 2005, S. 213). 152 Vgl. Haider-Pregler, Theaterwissenschaft, 2005, S. 147 f. 153 Schmidt-Dengler, Germanistik, 2005, S. 215. In seiner Abschiedsvorlesung im Auditorium Maximum brachte Castle zum Ausdruck, dass ihm ein »Parteiblatt« (der ÖVP)
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Für die Theaterwissenschaft hatte Hurdes schon damals den unsäglichen Wendehals Kindermann im Auge, der allerdings erst einige Jahre später wieder zum Zug kam, während Herbert Cysarz Castles Literaturwissenschaftliche Professur übernehmen sollte. Schließlich sei noch auf den Fall des Rechtshistorikers Ernst Schönbauer hingewiesen: Schönbauer, mit Kriegsende enthoben und von der Sonderkommission als »nicht tragbar« eingestuft, kämpfte vehement für seine Rehabilitierung. Ende 1947/Anfang 1948 konnte er sich – obwohl ehemaliger »Illegaler« und Dekan der Juridischen Fakultät bis 1943 nun eher der SPÖ nahestehend – auch berechtigte Hoffnungen machen. Der Innenminister Oskar Helmer habe positiv entschieden und das Wohlwollen von Hurdes sei ihm gewiss, wurde Schönbauer beschieden. »Im Februar 1948 muss Schönbauer zunächst feststellen, dass das Gesuch unauffindbar ist, später erfährt er, es liege bei Sektionschef Dr. Skrbensky, und Ministerialrat Dr. Drimmel lässt verlauten, dass Hurdes immer noch nicht entschieden habe.«154 Doch Hurdes hatte zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden, und zwar ablehnend, wobei er diese Entscheidung dem Juristen und Schriftsteller Hans Sperl gegenüber so begründete: »Prof. Ernst Schönbauer packelt mit den Roten.« Der Betroffene äußerte sich nicht unzutreffend: »Es ist mir nicht bekannt, dass für die Übernahme von Hochschulprofessoren, welche ehemals der NSDAP angehört haben, eine gesetzliche Vorschrift besteht, wonach denselben das Packeln mit ›den Roten‹ verboten, mit der anderen Mehrheitspartei aber zur Pflicht gemacht wird.«155
1.3.5 Immer wieder aufgenommene Aktionen Aus der Perspektive der Hochschulen, im Speziellen aus jener der Universität Wien, war Unterrichtsminister Felix Hurdes also zweifellos eine Kraft, mit der man rechnen musste, aber es war eigentlich Hurdes, der grundsätzlich mehr aus dem Hintergrund und durch allgemeine Vorgaben zur Wirkung kam, der Administrator, der Ausfertiger und Unterzeichner der Dekrete, der wichtige Ansprechpartner in Sachen Entnazifizierung und Rehabilitierung war der Chef der zuständigen Sektion III im Ministerium, war Ministerialrat und Titularhofrat Otto Skrbensky.156 Und die Entnazifizierung war ganz wesentlich ein bürokra»Mobilisierung der linken Presse« unterstellt habe. Haider-Pregler, Theaterwissenschaft, 2005, S. 148. 154 Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 291. 155 Zitiert nach: ebd., S. 292. 156 Außerdem ist zu bedenken, dass, als Hurdes antrat, Skrbensky schon sieben Monate Zeit gehabt hatte, sich im Ministerium zu verankern und ihm brauchbare Hebelwerke zu in-
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tischer, ein formaler Vorgang, wie Anton Pelinka bereits im Titel eines Textes von 1981 festhält: »Entnazifizierung: Administration statt Auseinandersetzung«.157 Sie habe die Universität Wien wie überfallsartig von außen immer wieder in Form staatspolitischer Aktionen getroffen, die die Universität als passiven Partner vor große Schwierigkeiten stellten. So empfand es der scheidende erste Nachkriegsrektor Ludwig Adamovich im Sommer 1947 nach fünf Semestern einschlägiger Erfahrungen: »Die empfindlichsten Lücken wurden aber in den Lehrkörper der Universität durch die immer wieder von neuem aufgenommenen und bis heute noch nicht endgültig abgeschlossenen Aktionen zur ›Entnazifizierung‹ der Hochschulen gerissen. (…) Der Hochschulbetrieb aber musste durch die sich unvermeidlich ergebenden zahlreichen Vakanzen bedrohlich gefährdet werden, da für manche Lehrkanzeln nicht einmal im Wege einer aushilfsweisen Supplierung vorgesorgt werden konnte.«158
Staatspolitische Aktionen auf administrativer Basis – genau darauf war Skrbensky wie kein Zweiter durch seine bisherige Laufbahn vorbereitet: Wie gezeigt wurde, hatte er schon »entnazifiziert«. Diese Maßnahmen im Austrofaschismus gingen allerdings einher mit der Entfernung sozialistischer Lehrkräfte. Nach April 1945 ging es nun – inoffiziell und unausgesprochen – auch darum, die Rückkehr solcher Professoren zu verhindern. Einen entlarvenden Blick auf Skrbenskys »Anti-Rot-Reflex« und sein farbenspezifisches Klassendenken wirft ein verbaler Ausrutscher des Sektionschefs vom Frühjahr 1946, wie er von Reinhold Knoll berichtet wird: »Ein soeben (Anm.: 1986) emeritierter Professor der Wiener Universität teilte mir vergangene Woche mit, dass er als habilitierter Angehöriger der Kommission159 einmal gegen eine Dienstverlängerung einer belasteten Person bei Skrbensky interveniert hatte. Seine Bedenken wurden am Minoritenplatz aber abgelehnt und Skrbensky bemerkte zu dem schon vor 1938 sozialistischen Naturwissenschaftler, dieser wäre eigentlich ein Klassenverräter, sodaß er gar nicht daran denke, seinen Beschluß zu revidieren.«160
1.3.6 Ein Mann von Adel Otto Freiherr von Skrbensky-Hrzistie war konservativer Katholik, er war »Alter Herr« des Cartellverbandes (CV) und er war Adeliger. Zu seinem Adel: Er ge-
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stallieren. Vgl. Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 304: »Skrbensky (…) arbeitete sich während der Amtszeit Fischers zum federführenden Mann in den Fragen der Hochschulpolitik vor.« Pelinka, Entnazifizierung, 1981. Adamovich, Studienbetrieb, 1947, S. 5 f. Vgl. Einleitung, Kapitel 2. Bezogen auf eine an der Universität Wien selbst gebildete Sonderkommission. Reinhold Knoll, Die Entnazifizierung der Universität Wien. In: Meissl/Mulley/Rathkolb, Verdrängte Schuld, 1986, S. 270 – 281, hier S. 271.
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hörte dem Bund katholischer Edelleute an und war Angehöriger eines deutschen mährischen Uradelsgeschlechts aus dem 14. Jahrhundert.161 Skrbensky wurde 1887 in Wien geboren, sein Vater war Anton von Skrbensky-Hrzistie, seine Mutter eine geborene Gräfin von Kuenberg, er heiratete Pauline, geborene Baltazzi aus Vöslau und hatte vier Kinder : Elisabeth, Otto, Anna und Desiree. Skrbensky war allerdings kein »typischer Vertreter der österreichischen Hocharistokratie«, wie Rathkolb, hier Stumpf folgend, angibt,162 sondern gehörte dem niederen Adel an. Das Führen von Adelstiteln war in Österreich seit Beginn der Ersten Republik verboten, trotzdem wurde der Sektionschef, um ihm zu schmeicheln, in Briefen und Eingaben häufig als Adeliger angesprochen, so in einem Brief des ÖVP-Abgeordneten Gustav Kapsreiter vom März 1947 als »Baron Freiherr von Skrbensky«,163 in einem »Persilschein« eines Ordenspriesters für Alois Hajek vom Mai 1946 als »Sektionschef Dr. Baron Otto Skrbensky« – der »Baron« ist da, das »von« war der Gleichheit geopfert (Skrbensky war übrigens nicht Baron, sondern Freiherr) –164 sowie in einem Brief des Eduard Uhlenhuth, Professor in Baltimore, in der Sache Ehrenberg als »Dr. Otto Freiherr von Skrbensky.«165 Im Zusammenhang mit seiner Herkunft als Adeliger wird Skrbensky »Unberechenbarkeit« und »Skurrilität« zugeschrieben,166 und zwar im Gefolge von Angaben der Chronik des Bundesministeriums für Unterricht von 1952 und 1953.167 Unberechenbarkeit? Vielleicht in Fällen, wo Skrbensky seine Machtfülle in einer Weise ausspielte, die für seinen Verhandlungspartner nicht mehr nachvollziehbar war, etwa in der höchst eigenartigen Berufungsverhandlung von Adolf Julius Merkl, wie unten noch zu zeigen ist, oder in der Frage der unterbliebenen Reduzierung auf Enthobenenbezüge bei Leo Santifaller.168 Diese – im Grunde genommen ungesetzliche – Vorgangsweise ließ Skrbensky durch eine Sekretärin mitteilen – die Verwaltungsstelle der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien brachte zu Protokoll: »Der o. Univ.Prof. Dr. Leo Santifaller erhält volle Bezüge. Auf Grund einer telef. Rücksprache mit dem Dekanat der philos. Fakultät (Wimmer) ist der Genannte lt. Minist. Erlass ZL. 2197/III/4b/1946 am 21. 01. 1946 vom Dienst enthoben worden. Da der genannte Erlass in der ho. Dienststelle nicht eingegangen ist, wurde in der Hochschulkanzlei des Bundesministeriums am 26. 04. 1946 fernmündlich erhoben, daß dieser von Herrn Sekt. Chef Skrbensky selbst konzipiert und zur Abfertigung gegeben Vgl. Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 41. Ebd. und Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 183. Ausführlich zitiert in der Biographie Arnold Pillats, siehe Kapitel 6.9. Brief 31. 05. 1946, UAW, PHIL PA 1858, fol. 095. Brief 29. 11. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Ehrenberg, o. Nr. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 307; Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 185, Anmerkung 106; Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 41. 167 Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 185. 168 Zu diesem Fall siehe Kapitel 1.3.4. 161 162 163 164 165 166
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wurde. Gleichzeitig wurde um Mitteilung gebeten, ob allenfalls die Verständigung der Verwaltungsstelle aus Versehen unterblieben ist (!). Am 27. 04. 1946 wurde von der Hochschulkanzlei (Frl. Böhm) mitgeteilt, dass nach Rücksprache mit Herrn Sekt. Chef Skrbensky derselbe die Auskunft erteilte, daß die Verständigung der ho. Dienststelle absichtlich unterblieb und es keinem Anstand unterliege, Prof. Dr. Santifaller auch weiterhin die vollen Bezüge anzuweisen. Im Übrigen sei mit noch vier anderen Fällen in Kürze eine Entscheidung zu erwarten, in denen keine Entlassung zu erwarten ist.«169
Skurrilität? Der Sektionschef versah das obige, seine Macht demonstrierende Protokoll offensichtlich zufrieden mit einem Namenskürzel mit dekorativem drei Zentimeter langen Abschwung, daneben malte er noch einen zweiten Schnörkel, eine fünf Zentimeter lange Schlangenlinie, die oben in eine Glockenblume ausläuft – dann ab mit dem Papier zum Personalakt Santifaller. Im ämterinternen Verkehr befleißigte sich der Ministerialrat einer altertümlichen Kanzleisprache mit Wörtern wie »dermalen« oder »anliegenden Beilagen«. Da war er nicht der einzige, bei ihm steigert sie sich aber manchmal in ein skurriles Beamtenbarock, so etwa als er von der Verwaltungsstelle der Wiener Hochschulen längst fällige Personaldaten über zehn Professoren der Medizinischen Fakultät einforderte:170 »In jedem einzelnen Falle wolle gesondert mit möglichster Beschleunigung unter Beilage der betreffenden Fragebogen, bzw. Anschluß einer Abschrift der auf die Parteizugehörigkeit bezüglichen von den Betreffenden selbst erstatteten Angaben anher berichtet werden.«171
1.3.7 Die Schwäche der eigenen Leute Skrbensky war weiter dem politischen Katholizismus verpflichtet, wobei ihn Reinhold Knoll daher jene konservative Position in der Säuberungsdebatte einnehmen und verwirklichen sieht, wie sie Lutz Niethammer 1972 für die Entnazifizierung in Bayern mit Begriffen wie Vergebung, Milde, begrenzte »Bestrafung«, leichte Buße und Bewährungsfrist für ehemalige Parteimitglieder oder -anwärter beschreibt:172 »Für den dem CV zugehörigen Ministerialrat gehörte es wohl dazu, reuige Sünder, denen zudem zugute gehalten wurde, daß sie unter Druck ausgeschert wären, wieder in 169 Protokoll 01. 05. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Santifaller, fol. 66. 170 Dienststück 17. 01. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Barrenscheen, o. Nr. 171 Dass er Humor besaß, darauf weist das immer wieder zitierte Bonmot hin, dass in Wien nicht nur schwarz geschlachtet, sondern auch schwarz gelesen werde – er soll es gegenüber Professor Gustav Entz geäußert haben. Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 110. 172 Knoll, Entnazifzierung, 1986, S. 271. Zu diesem Thema Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 304 ff.
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die Herde zu integrieren, wobei die Buße bescheiden bleiben sollte. Das Verständnis für die strukturelle Problematik dieses Vorgehens war kaum ausgeprägt, sieht man von der Erkenntnis der Möglichkeiten zur Klientelbildung ab.«173
Die Schwäche, zu fallen, der Verlockung des Nationalsozialismus zu erliegen, und die Chance, als anständiger Gesinnungsfreund – und diesmal Demokrat – wieder aufzustehen, gestand man aber nur »den eigenen Leuten« zu, gegenüber sozialistischen »Klassenverrätern« (Skrbensky) und Leuten, »die mit den Roten packeln« (Hurdes) war man unerbittlich, sie standen außerhalb der Erlösung. Diese Gesinnungslage des Sektionschefs kam weniger im normativen Bereich der Entnazifizierung zum Zug. Hier waren »Illegale« – Personen, die sich gegen das diesbezügliche 1933 erlassene Gesetz des katholischen Faschismus vergangen hatten –, und »Belastete« mit tieferer Verstrickung in den Nationalsozialismus zu entlassen. Die leichteren Fälle der »Legalen« waren unter Weiterzahlung reduzierter Bezüge zu entheben. Ein viel weiterer Spielraum tat sich Skrbensky mit seiner Ernennung zum Vorsitzenden der »Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren« am Staatsamt auf, die das weitere Schicksal einer ganzen Reihe von ehemaligen Parteimitgliedern und -anwärtern unter den Hochschulprofessoren entschied oder stark beeinflusste.174 In dieser Sonderkommission übte der Vorsitzende eine gleichsam richterlichwertende Funktion aus. Er konnte sein christlich-moralisches Empfinden ausleben und wie im Beichtstuhl die angemessene Buße aussprechen. Die Vorgeführten wiederum waren bestrebt, in ihrer Verteidigung die »Untat« der NSVerstrickung durch »gute Werke« aufzuwiegen: Sie hätten jüdische Mitbürger versteckt, oft über den Hitlerstaat geschimpft, Widerstandskämpfer zu Assistenten gemacht, oder sich – wie Arnold Pillat – gegen die Entfernung der Kreuze aus den Klinikstationen gewehrt. Zwar hat sich nur ein kleiner Teil der vollständigen Erkenntnisse der Sonderkommission I. Instanz mit fallweise ausführlichen Begründungen Skrbenskys erhalten, deren Sprache ist aber deutlich genug. Besonders bot sich bei den Medizinern die Argumentationskette »menschliches Verhalten im helfenden Beruf bewirkt Tragbarkeitsbescheinigung oder verminderte Buße« an. Der Histologe Viktor Patzelt erhielt diese Bescheinigung am 28. September 1945. Skrbensky und die Kommission hielten ihm unter anderem zugute, dass »sich seine Mitarbeit in der NSDAP auf rein hygienische oder fürsorgliche Tätigkeit beschränkte und er außerdem vom nationalsozialistischen Regime verfolgte Personen unterstützte.«175 173 Stumpf, Ernst Fischer, 1997, S. 305. 174 Sie befasste sich etwa insgesamt mit 16 Professoren der philosophischen Fakultät, also mit 30 % der dort entnazifizierten Professoren. Siehe Kapitel 3.7. Allgemeines zur Sonderkommission Kapitel 1.2. 175 Bescheinigung 28. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Patzelt, o. Nr.
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Beim besten Willen nicht für »tragbar« erklären – das heißt, ihm nach der gebräuchlichen Formel zubilligen, dass er »nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür biete, dass er jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werde« –, konnte der Vorsitzende der Sonderkommission den erklärten Nationalsozialisten Otto Pötzl, Professor für Psychiatrie und Neurologie. Pötzl habe vor 1945 eidesstattlich erklärt, der NSDAP bereits in der »Verbotszeit« angehört zu haben, außerdem habe er »besonders prononcierte Nationalsozialisten an Stelle der aus rassistischen Gründen zu entfernenden bisherigen Assistenten bestellt«. Aber : Der Klinikvorstand habe »einer ganz besonders hohen Anzahl (…) Verfolgter durch Belassung auf der Klinik und Begutachtung teils das Leben gerettet, teils (sie) vor dem Gefängnis bewahrt.«176 Daher sprach die Sonderkommission eine ganz besonders gelinde Sühneleistung aus: Der mit 69 Jahren ohnehin vor der Pensionierung Stehende wurde mit einer Kürzung der Pension um 1 Schilling pro Monat auf ein Jahr in den Ruhestand versetzt.177 Für Tassilo Antoine, Professor für Frauenheilkunde, laut Erkenntnis der Sonderkommission »tragbar«, nahm die Rechtfertigungsprosa Skrbenskys zeitweise Züge einer Heiligenlegende an, wenn er schrieb: »Für die Operation der Frau eines Konzentrationslagerhäftlings lehnte er jedes Honorar mit dem Bemerken ab, seine Handlungsweise möge als bescheidener Beitrag zur Linderung der seelischen und materiellen Not eines Kämpfers für die Freiheit und Selbständigkeit Österreichs gewertet werden.«178
Ein Übermaß an christlicher Verzeihung schließlich wurde auch dem Literaturhistoriker und Theaterwissenschaftler Hans Kindermann zuteil. Oder anders gesagt: Hier werden wir Zeugen einer eklatanten Fehlbeurteilung.179 Kindermann hatte sich während der gesamten NS-Zeit in rund 30 Publikationen in sich überschlagender Leidenschaftlichkeit als Blut-und-Boden-Hymniker gebärdet und das Österreich der Monarchie und der Ersten Republik in übelsten Pamphleten karikiert und beschimpft. Er hatte in seinen Fächern in der ersten Reihe der Ideologen und aktivsten Verbreiter nationalsozialistischen Gedankenguts gestanden.180 Die Sonderkommission gab in ihrer Erkenntnis vom 27. November 1945 an, sich dieser Tatsache – formuliert in an Ausmaß und Bedeutung stark abgemilderter Form – bewusst zu sein,181 drückte dann jedoch deutlich ihr Erkenntnis 25. 06. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Pötzl, fol. 36. Ebd. Erkenntnis 28. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Antoine, fol. 13. Zu Kindermann siehe Kapitel 5.3, zu mangelnder Informiertheit als signifikantes Defizit der Sonderkommission I. Instanz (am Beispiel Kindermann) siehe Kapitel 3.7. 180 Gutachten Oskar Bendas für die Zentralkommission zur Bekämpfung der NS-Literatur vom 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168 – 178, hier besonders fol. 169 und 177 f. 181 Ebd., fol. 169. Das Erkenntnis ist nur auszugsweise im Eingangsabschnitt des Gutachtens von Oskar Benda zum Fall Kindermann erhalten.
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»Verständnis« für den »heimzuholenden verlorenen Sohn« aus: Kindermann habe in der edlen Absicht, »österreichische Einrichtungen im Deutschen Reiche bekanntzumachen«, in seinen Schriften »die (von der Parteiamtlichen Prüfungskommission) angeordneten Änderungen in Kauf« genommen, »die seiner Überzeugung nicht entsprachen.«182 Darin muss der »Beichtvater« Skrbensky zwar »eine gewisse Schwäche erblicken« – »Schwäche«, ein Schlüsselwort des christlichen Menschenbildes –, aber das Wunder der Lossprechung trat ein: »Der Professor Dr. Heinz Kindermann bietet n a c h s e i n e m b i s h e r i g e n V e r h a l t e n Gewähr dafür (…).« Dieses positive Erkenntnis ebnete – man kann es nicht anders sagen – dem ehemaligen faschistischen Demagogen Kindermann einige Jahre später den Weg zur Rehabilitierung und setzte das Institut für Theaterwissenschaft durch Jahrzehnte dem lähmenden Einfluss seiner Machtdemonstrationen aus.
1.3.8 »Es wäre also vielleicht zu empfehlen, das Einschreiten in die Wege zu leiten« So devot formulierte Gustav Kapsreiter, Abgeordneter der ÖVP zum Nationalrat, in einem Brief an den »Baron Freiherr von Skrbensky« im März 1947 hinsichtlich der Rehabilitierung des Augenheilkundlers Arnold Pillat.183 Kapsreiter führte das Einvernehmen mit Minister Hurdes in diesem Brief zwar eingangs an, legte das Ob, Wann und Wie »des Einschreitens« aber ganz in die Hände des mächtigen Sektionschefs, ohne den offensichtlich keine Entscheidung fallen konnte.184 Dieser Auffassung war auch Kurt Ehrenberg, ordentlicher Professor für Paläontologie und Paläobiologie, der von der Sonderkommission I. Instanz für »nicht tragbar« erklärt und in den Ruhestand versetzt wurde. Es genügte ihm nicht, die Unterstützungsschreiben zu seiner Wiederindienststellung vom Dekanat »seinem Akt beigelegt« zu wissen, er schickte sie im Februar 1948 noch einmal an Skrbensky persönlich: »Da aus dieser Mitteilung (des Dekanats) nicht hervorgeht, ob sich der erwähnte Akt in der Universität oder im Ministerium befindet, und ich besonderen Wert darauf lege, dass die genannten Äußerungen auch in Ihre Hände gelangen, weil sie, Herr Sektionschef, für unsere Bestrebungen um die Um- und Ausgestaltung der Paläontologie 182 Ebd., fol. 168. 183 Ersuchen 18. 02. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 190. Das gesamte aufschlussreiche Schreiben siehe Einzelbiographie Pillat, Kapitel 6.9. 184 Ganz auf Ergebenheitsformeln aufgebaut ist auch ein Ersuchen des Dekans der Medizinischen Fakultät, Leopold Arzt an Skrbensky schon von Ende 1945: »wenn Herr Sektionschef die Güte haben würden«, »mit der Bitte, meine Belästigung nicht übelnehmen zu wollen« usw. (UAW, Medizinische Fakultät (MED) PA 109, fol. 051).
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und des Instituts in vergangenen Jahren stets so großes Verständnis bekundeten und Ihnen immer Ihre wohlwollende Unterstützung bzw. Förderung angedeihen ließen, hatte ich erwogen, Ihnen eine Abschrift derselben persönlich zu überreichen. Verschiedene Umstände – nicht zuletzt meine dermalige finanzielle Lage – zwangen mich jedoch, von einer Fahrt nach Wien einstweilen Abstand zu nehmen. Ich bitte daher gütigst entschuldigen zu wollen, wenn ich mir unter diesen Umständen die Freiheit nehme, Ihnen diese Abschrift hier als Beilage zu übermitteln.«185
Hier findet sich also auch der Hinweis auf Einfluss und einschlägige Tätigkeit Skrbenskys vor 1938, die ebenso wie seine Verankerung im katholisch-konservativen Lager sowie die Tatsache, dass er im April 1945 als »Mann der ersten Stunde« antreten konnte, seine Schlüsselposition untermauerten. Äußeren Ausdruck fand diese herausragende Stellung – um die Eckdaten festzuhalten – in der Ernennung zum Sektionschef der Sektion III (Hochschulen und juridischadministrative Angelegenheiten der übrigen Schulen) im Staatsamt für Volksaufklärung mit 1. September 1945, deren provisorische Leitung er bereits seit 1. Juli dieses Jahres innegehabt hatte.186 Weiters wurde er – für seine Machtstellung besonders wichtig – im Herbst 1945 zum Vorsitzenden der Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren187 und schließlich am 13. März 1947 zum Beauftragten des Liquidators der Einrichtungen des Deutschen Reiches im Hochschulbereich bestellt.188 Mit Inkrafttreten des NSG 1947 erfolgte die Auflösung der Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren. Am Bundesministerium für Unterricht wurde daraufhin gemäß § 19 (1) lit. b, aa VBG 47 eine Überprüfungskommission eingerichtet, die es nach dem neuen Gesetz als »minderbelastet« eingestuften Personen gestattete oder untersagte, in weltanschaulich relevanten Fächern189 eine Lehrkanzel inne zu haben. Als Vorsitzender fungierte wiederum Otto Skrbensky. So behandelten etwa beide Kommissionen den Fall des außerordentlichen Professors für Germanistik Hans Rupprich, nämlich am 10. November 1945 bzw. am 28. Juli 1947, und entschieden positiv, wobei sich die zweite Kommission auf die erste – also Skrbensky auf Skrbensky – berief: »Das politische Verhalten Professor Rupp185 Brief 20. 02. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Ehrenberg, o. Nr. Ehrenberg lebte ich Pichl am Mondsee, suchte aber dann bei einem Aufenthalt in Wien im Frühjahr 1949 Skrbensky im Ministerium auf. (Brief 14. 05. 1949, UAW, PHIL PA 1542, fol. 130). 186 »Laufbahn im Zivil-Bundes(Staats)dienstverhältnis« von Ende 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky, fol. 174. 187 Einführung dieser Sonderkommission durch die 3. Durchführungsverordnung zum »Verbotsgesetz« § 13 vom 22. August 1945, entsprechender Erlass des Staatssekretärs Fischer vom 14. Oktober 1945. 188 Schreiben des Liquidators der Einrichtungen des Deutschen Reiches in der Republik Österreich Ministerialrat Dr. Wolfgang Troll vom 13. 03. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky, fol. 75. 189 Vgl. Kapitel 1.2.
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richs wurde auch durch die seinerzeitige Sonderkommission I. Instanz (…) überprüft und einwandfrei befunden.«190 Persönlich eroberte Autorität und offiziell eingenommene administrative Schlüsselpositionen verschafften Otto Srkbensky den Nimbus der Unentbehrlichkeit und seinen Entscheidungsketten nahezu den Charakter der Unumstößlichkeit191 – und dies, obwohl sein Vorgehen und seine Argumentation in signifikanten Fällen anfechtbar waren und er mit verschiedenen Gewichten maß. Ebenso überzeugt wie einseitig und sachlich unangemessen war das Eintreten Skrbenskys für den Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Wien von 1940 bis 1971 und bekennenden Antisemiten Erich Schenk in der Kontroverse um die Arisierung der Bibliothek Guido Adlers 1941/42.192 Schenk, der eng mit dem Herausgeber des »Lexikons der Juden in der Musik«, Herbert Gerigh, zusammenarbeitet hatte und wegen Mitwirkung an Alfred Rosenbergs »Sonderstab Musik« vom Wehrdienst freigestellt worden war, hatte sich im Mai 1942 dem aus Innsbruck angereisten Rudolf von Ficker gegenüber gebrüstet, die »Beschlagnahme der Bibliothek bei der Gestapo bewirkt« zu haben,193 leugnete diesen Umstand aber in dem nach dem Krieg gegen ihn angestrengten Verfahren. In einem Schreiben an den von London aus in dieser Sache intervenierenden österreichischen Ökonomen Friedrich August von Hayek vom 4. Dezember 1946 verwies nun Sektionschef Skrbensky gleich eingangs darauf, »dass sich die Anschuldigungen gegen Schenk als haltlos erwiesen hätten.« Belastungszeugen wurde dabei pauschal unterstellt, sie würden gegen Schenk nur aufgrund persönlicher Animositäten aussagen.194 Den schriftlichen Äußerungen Melanie Adlers, der Tochter des verstorbenen jüdischen Musikwissenschaftlers, die Schenk in einem Brief an Rudolf von Ficker 1941 als Initiator der Beschlagnahmung belastet hatte, sprach Skrbensky die Beweiskraft ab, da diese zu jener 190 Aktenstück ohne Datum, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Karton 1: Rupprich, o. Nr. 191 Die Rückberufung des fachlich umstrittenen Felix Ehrenhaft setzte er praktisch im Alleingang durch, obwohl sich eine ganze Reihe von Physikerkollegen gegen diesen aussprach, aber nicht nur sie: »Trotz eines einstimmigen Beschlusses der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, die sich gegen seine Berufung aussprach, wurde Ehrenhaft vom Unterrichtsministerium als Ordinarius installiert (…). (Es) fand sich für ihn (…) ein sehr einflussreicher Befürworter in der Person des für die Hochschulen zuständigen Sektionschefs Otto Skrbensky.« Wolfgang Reiter, Reinhard Schurawitzky, Über Brüche hinweg Kontinuität. Physik und Chemie an der Universität Wien nach 1945 – eine erste Annäherung. In: Grandner/Heiss/Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 236 – 259, hier 246. 192 Zu Erich Schenk siehe Kapitel 3.1. Michael Staudinger widmet mehr als die Hälfte seines Beitrages »Musikwissenschaft an der Universität Wien 1945 – 1955« (Michael Staudinger, Musikwissenschaft an der Universität Wien 1945 – 1955. In: Grandner/Heiss/Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 156 – 173) der Person Schenks und dieser Angelegenheit. 193 Ebd., S. 164. 194 Ebd., S. 165.
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Zeit psychisch labil gewesen sei. Melanie Adler hatte ab Februar 1941 verzweifelt in Briefen versucht, die Bibliothek ihres Vaters gegen eine Ausreisemöglichkeit für ihre eigene Person einzutauschen. Schenk beschied Rudolf von Ficker bei der schon erwähnten Begegnung im Mai 1942, »Fräulein Adler habe sich ›saudumm‹ benommen, sie habe sich gegen das Gesetz vergangen, weil sie gegen die von ihm (Schenk) bei der Gestapo bewirkte Beschlagnahme der Bibliothek protestiert hätte. Sie sei jetzt flüchtig, werde jedoch von der Gestapo schon gefunden werden und dann heiße es, ›Marsch nach Polen‹.«195
Michael Staudinger resümiert seine Kritik an der Argumentation Skrbenskys in dieser Sache – neben der Anführung weiterer Ungereimtheiten – wie folgt: »Unabhängig vom Gang des Verfahrens selbst frappiert hier die erstaunliche Art der Beweiswürdigung. Einer von der der Deportation Bedrohten wird zur Last gelegt, dass sie unter psychischem Druck stand. Ein gutes Dutzend Briefe über einen längeren Zeitraum196 verliert an Bedeutung aufgrund eines einzelnen Schreibens – des Dankbriefes197 –, bei dessen Beurteilung der psychische Zustand der Verfasserin offensichtlich keine Rolle spielt.«198
Setzte Skrbensky in diesem Fall seinen erheblichen Einfluss ein, um mit Erich Schenk einen Gesinnungsfreund, den Salzburger Großbürgersohn und Erforscher der Wiener Klassik gegen schwerwiegende Anklagen zu »halten« – Schenk wurde 1950/51 Dekan, 1957/58 Rektor und lehnte es bis zu seiner Emeritierung ab, Dissertationswünsche seiner Studierenden über jüdische Komponisten zu erfüllen –, so machte sich dieser Mächtige andererseits dafür stark, wenig gewünschte Berufungen von Professoren aus dem Ausland zu behindern bzw. möglichst zu verhindern.
1.3.9 Man wollte unter sich sein Mit seltener Einmütigkeit entledigte sich die Republik Österreich nach dem Zusammenbruch Großdeutschlands im Zuge der »Liquidierung der Einrich195 Aus dem Nachlass von Egon Wellesz, zitiert nach: Staudinger, Musikwissenschaft, 2005, S. 164. Tatsächlich wurde Melanie Adler wenige Tage nach dieser Äußerung gefasst, nach Minsk deportiert und in Maly Trostinec ermordet. 196 Von Melanie Adler an Rudolf von Ficker, der einen Verkauf der Bibliothek nach München anbahnen wollte. 197 Melanie Adler hatte sich bei Erich Schenk für die Abfassung eines Gutachtens zugunsten Guido Adlers bedankt, das eine Delogierung des Sechsundachtzigjährigen verhindern sollte. Schenk leitete diesen Text mit den Worten ein: »Obwohl es mir widerstrebt, über einen Volljuden ein Gutachten abzugeben (…)« (Staudinger, Musikwissenschaft, 2005, S. 163). 198 Ebd., S. 165.
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tungen des Deutschen Reiches« durch Ausweisung jener Menschen, die 1938 bis 1945 aus dem »Altreich« in die Alpen- und Donaugaue gekommen waren und – so die Formulierung in einer von Sektionschef Skrbensky gezeichneten Aussendung des BMU vom April 1946 – zur »Durchsetzung des ganzen Verwaltungsapparates und aller Gebiete des kulturellen und öffentlichen Lebens mit landfremden reichsdeutschen Elementen« geführt hatten.199 Die Furcht vor einer neuerlichen Gefährdung der »Eigenkultur Österreichs« und die Zielsetzung einer »katholisch-konservativen Restauration«200 führten das Unterrichtsministerium im Universitätsbereich zu einer Politik der »Vermeidung von Auslandsberufungen«,201 was auch Rückberufungen durch die von den Nationalsozialisten entlassenen emigrierten Professoren miteinschloss. Für die letzteren, deren Verbindungen zu heimischer Förderung oft abgerissen waren, kam auch das Moment der Ressentiments von Daheimgebliebenen gegen Emigranten zum Tragen.202 »Generell war aber der bürokratische Aufwand enorm und die rechtlichen (auch verwaltungsrechtlichen) Rahmenbedingungen eher einer Rückkehr hinderlich.«203 Mitverantwortlicher, Vollstrecker und Administrator dieser Politik der Behinderung und Vermeidung sowie Jongleur des »enormen bürokratischen Aufwands« war Otto Skrbensky, der zudem etwa im Fall des Psychologen Karl Bühler die Grenze vom »fahrlässig zögernden Verhalten«204 zur Hintertreibung der Rückberufung überschritt: Hubert Rohracher, der Nachfolger Bühlers in Wien, informierte diesen im Frühjahr 1946 über sein Recht, an seine frühere Stelle zurückzukehren, machte ihn aber gleichzeitig auf »enorme Schwierigkeiten, vor allem hinsichtlich Wohnungen, Verkehrsver-
199 Aussendung 12. 04. 1946, UAW, MED Dekanat Gz. 421 aus 1945/46, o. Nr. In diesem bemerkenswerten Schreiben wird die Anweisung gegeben, zur Erstellung eines »Rotbuchs über den Naziterror« innerhalb von 11 Tagen, das »gesamte in den Bereich der (…) Dienststelle (Rektorat, Dekanat, Bibliotheksdirektion usw.) fallende Material« zur NS-Zeit in Österreich und die vorausgehende Verbotszeit» an das BMU zu übermitteln – also sachlich und terminlich eine Unmöglichkeit. Ein erster Abschnitt des «Rotbuchs» sollte «die zur Abwehr des Nationalsozialismus (1933 – 38) getroffenen Maßnahmen«, speziell »die im Zusammenhang damit erfolgten Maßregelungen von nationalsozialistischen Beamten und Angestellten« (also im Hochschulfach Skrbenskys Wirkungsfeld) enthalten. 200 Heiss, Wendepunkt, 2005, S. 37. 201 Ebd. 202 Der ÖVP-nahe Soziologe Ernst Karl Winter beklagte etwa gegenüber Viktor Matejka die Blockade seiner Habilitation: »Das Einzige, was ich gerne wissen möchte und aus verschiedensten Gründen bald wissen muss, ist, ob diese Abneigung derer, die daheim durchhielten, ohne jemals eingesperrt zu werden, gegen diejenigen, die rechtzeitig weggingen, so groß ist, dass ich auf keine Förderer rechnen kann (…) so würde es m. E. nur eines Briefes von Hurdes bedürfen, um die Fakultät (…) zur Aktion zu veranlassen.« (Zitiert nach: Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 47). 203 Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 46. 204 Heiss, Wendepunkt, 2005, S. 37.
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hältnisse und Lebensmitteln« in der Stadt aufmerksam205 – Umstände, die wirklich eine schwere Hürde für Rückkehrwillige darstellten. Der Angeschriebene zeigte sich in seiner umgehend erfolgten Antwort »definitely interested in claiming my position and my rights«,206 ersuchte aber unter anderem um eine Erstattung der Reise- bzw. Umzugskosten. Eine solche sei »praktisch unmöglich«, beschied Sektionschef Skrbensky Bühler in einem Schreiben vom 3. Juni 1946, wobei der Beamte drei Monate später auf Anfrage vom Finanzministerium die Auskunft erhielt, »daß sehr wohl Ansprüche auf Gebühren gemäß der Reisegebührenvorschrift bestünden.« Skrbensky gab diese geänderte Voraussetzung offenkundig nicht an den rückkehrwilligen Professor Karl Bühler weiter, da dieser noch 1953 an Richard Meister schrieb: »Daß ich nicht angenommen habe, lag an der ganzen Situation. Wenn man einmal alles verloren hat (…) und soll wieder alles aufgeben (…), dann fragt man zum Beispiel, ob man wenigstens einen Ersatz der Umzugskosten (Reisekosten) erwarten kann. Das Kultusministerium hat dies kurzerhand abgelehnt und ich hatte einfach nicht das Geld dazu.«207
Als nicht an einer Rückkehr interessiert bezeichnete das Unterrichtsministerium etwa den Ethnologen Heine-Geldern und den Chemiker Fritz Lieben208, »was im Fall Heine Geldern nachweislich nicht stimmte«.209 Dieser wollte schon bald nach Kriegsende aus den USA nach Österreich zurückkehren, »sein diesbezügliches Ansuchen von 1946 wurde über einige längere Verzögerungen hinweg 1949 schließlich doch noch bewilligt, und er trat zunächst eine Gastprofessur und danach wieder eine ›außerordentliche‹ Professur an.«210 Was bei Heine-Geldern »einige längere Verzögerungen« – immerhin drei Jahre – genannt wird, hieß beim Staatsrechtler Adolf Julius Merkl »äußere Schwierigkeiten«, die die Aufnahme seiner Tätigkeit an der Universität Wien nach seiner Ernennung durch den Bundespräsidenten im November 1946 bis zum Sommersemester 1950 hinausgeschoben hätten.211 Irmgard Schartner 205 Zitiert nach: Gerhard Benetka, Werner Kienreich, Der Einmarsch in die akademische Seelenlehre. In: Heiss u. a., Willfährige Wissenschaft, 1989, S. 115 – 132, hier 126. 206 Ebd. 207 Ebd. Zum öfters erhobenen Vorwurf, »man (!) sei, entgegen allen anders lautenden Beteuerungen, an einer Rückkehr Bühlers nicht wirklich interessiert gewesen« (ebd., Anm. 89 und 90). 208 Fritz Lieben bewarb sich hingegen »um die Lehrkanzel für Medizinische Chemie, die er trotz der Empfehlungen der Professoren Pick und Neuberg nicht erhielt, ein typisch österreichisches Remigranten-Schicksal«, zitiert nach: Rathkolb, Universität Wien, 2005, S. 46. 209 Ebd. 210 Andre Gingrich, Remigranten und Ehemalige: Zäsuren und Kontinuitäten in der universitären Völkerkunde Wiens nach 1945. In: Grandner/Heiss/Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 260 – 272, hier 264. 211 So steht es knapp und die wahren Umstände verschleiernd im Lebenslauf Merkls zu dessen
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widmet diesen »äußeren Schwierigkeiten«, die sie als »(bewusste) Verzögerungstaktik Hurdes’ und seines Sektionschefs Skrbensky« bezeichnet,212 mehr als die Hälfte ihrer Ausführungen über Adolf Merkl213 und nennt dieses Kapitel »Der Kampf des David’ …«. Die Rolle des Goliath fällt eindeutig Ministerialrat Skrbensky zu, der dem aus der »Emigration« agierenden Wissenschaftler wirklich manchmal wie ein Riese an Unbeweglichkeit, Unnachgiebigkeit und Uneinsichtigkeit erschienen sein muss. Zum besseren Verständnis des Charakters der Auseinandersetzung Merkl/ Skrbensky – der Sektionschef exponierte sich hierbei in auffälliger Weise – sind zur politischen Haltung Merkls drei wesentliche Anhaltspunkte vorauszuschicken: Der Staatsrechtler vollzog erstens von Anfang an eine selten saubere, konsequente und mutige Abgrenzung zum Nationalsozialismus,214 er war zweitens durchgehend von 1918 bis 1933 – und bedingt bis 1939 – ein überzeugter und beredter Anhänger eines »Anschlusses« Österreichs an Deutschland in einer beide Vertragspartner gleichberechtigt achtenden Form215 und er war drittens ein Gegner von Engelbert Dollfuß, Kurt Schuschnigg und ihres Regimes gewesen und daher dem Duo Hurdes-Skrbensky suspekt.216 Nachdem er sich noch vor Kriegsende mit Karl Renner getroffen hatte, gab Adolf Merkl im Juni 1945 sein dringendes Interesse an einer Rückberufung von Tübingen an die Universität Wien dem juridischen Dekanat kund. Nach verkehrsbedingten Verzögerungen und längeren formalen Divergenzen etwa über
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60. Geburtstag von Hans Schima vom März 1950. Zitiert nach: Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 232 und Anmerkung 594. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 232. Ebd., der Abschnitt über Merkl, S. 211 – 237, sowie das Kapitel zu den Schwierigkeiten bei der Berufung, S. 218 – 232. Information zum Rückberufungsantrag vom 17. 06. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61, Gz. 16223/46. Auch Skrbensky stellt diesen Sachverhalt nicht in Frage (ebd., Brief Skrbenskys vom 14. 03. 1947), ohne daraus eine aktive Unterstützung des Ministeriums für Merkl abzuleiten. Allgemeine Quellen und Literatur zu Merkl siehe Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 211, Anmerkung 542, weiters: Huber/Posch, Eliten/dis/kontinuitäten, 2011, Biographie Merkl, S. 288 – 295. Huber/Posch, Eliten/dis/kontinuitäten, 2011, S. 289 f. Merkl gab an, wegen seines ständigen Einsatzes für den »Anschluss« von der Wiener Presse »ironisiert« worden zu sein (etwa vom Neuen Wiener Journal 1928), (Mitteilung 23. 06. 1940, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61, o. Nr.). Aus einem Brief an Skrbensky vom 21. 01. 1947 allerdings (zitiert nach Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 221 f): »Aufmerksamen Lesern konnte nicht verborgen bleiben, dass meine Bekenntnisse zum Deutschen Reich mit dem Jahre 1933 abgebrochen haben (…) die Abwegigkeit des Anschlusses und der ganzen Anschlusspolitik ist mir erst im Jahr 1939 durch den Griff des Dritten Reiches auf Prag und die Provokation des Krieges in allen Konsequenzen bewusst geworden.« Dieser Umstand kam »natürlich« bei Skrbensky (oder auch Hurdes) nach 1945 nicht offen zur Sprache. Zu Merkl/»Ständestaat« zuletzt: Huber/Posch, Eliten/dis/kontinuitäten, 2011, S. 289; Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 213 f (längeres Zitat aus dem Gauakt, Erhebungsbericht vom 25. 10. 1938).
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die Form der Berufung unterzeichnete Renner am 30. November 1946 den Ernennungsbescheid.217 Genau zu diesem Zeitpunkt – wohl kein Zufall218 – wurde dem Unterrichtsministerium ein Artikel »Im Spiegel des Rechtes« aus der Neuen Freien Presse vom 21. April 1938 bekannt, der – mit Bezeichnung der Autorschaft Merkls – mit dem Satz beginnt: »Heute, da die Tatkraft des Staatsmannes Großdeutschland in kühnem Wurf geschaffen hat, darf wohl an das erinnert werden, was Männer der Wissenschaft an Vorarbeit geleistet haben (…).«219 Der Artikel behandelt dann die rechtlichen Voraussetzungen eines Anschlusses Österreichs ans Deutsche Reich und die lange Arbeit einer österreichischdeutschen Arbeitsgemeinschaft zu diesem Thema. Er endet mit der Aussage: »Die Staatsmänner, die die politische Tat des 13. März gesetzt haben, gaben diesem Kreise der Anschlußfreunde recht: indem sie die politische Einheit und Eigenheit des geschichtlich überkommenen Oesterreich erhalten haben, haben sich die Baumeister Großdeutschlands auch als treue Oesterreicher erwiesen.«
An diesem Schlusssatz sollte sich die Diskussion der Folgejahre besonders entzünden. Das in dieser Angelegenheit verfasste Dienststück vom 23. Dezember 1946, das auch den Text des sich darauf beziehenden Schreibens Skrbenskys an Merkl enthält,220 zeigt das Engagement des Sektionschefs, der Frage nachzugehen: Es trägt den eigenhändigen Vermerk »Heute urk. abfertigen!« und wurde von ihm selbst korrigiert. Nach dem angezeigten Zeitungsartikel sei in der Nationalbibliothek »gefahndet« worden, wo er am 21. Dezember »zutage gebracht« und dem Ministerium übergeben worden sei. Am gleichen Tag habe der Minister »entschieden, daß dieser Artikel dem Prof. Merkl vorzuhalten ist, damit er hierüber gehört werde. Eine Verfügung kann jedenfalls erst nach seiner Äußerung erfolgen. Erst dann wird zu entscheiden sein, ob die erfolgte Ernennung intimiert werden kann oder ob Merkl selbst eine Verschiebung seines Amtsantrittes wünschen oder auf denselben verzichten wird.«
Das Ministerium teilte Merkl mit: »Hinsichtlich Ihres Dienstantrittes ergibt sich jedoch folgende Schwierigkeit:« Und jetzt stellte Skrbensky mit Bezug auf den Zeitungsartikel den Verdacht auf »Hochverrat am österreichischen Volke« in den Raum, mit dem die Mitwirkung am »Anschlussgesetz« geahndet werde und der 217 Zum zeitlichen Ablauf Huber/Posch, Elitendiskontinuitäten, 2011, S. 291 f, und Information zum Rehabilitierungsantrag 17. 06. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 16223, fol. 205. 218 Huber/Posch, Eliten/dis/kontinuitäten, 2011, S. 292. 219 Der vollständige Text des Artikels: Zeitungsartikel 21. 04. 1938, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61, o. Nr. 220 Dientsstück 23. 12. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61. Das Dienststück trägt auch den Stempel der Präsidentschaftskanzlei und die Vidierung durch den Kabinettsdirektor Wilhelm Klastersky vom 09. 01. 1947.
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»mit der Todesstrafe bedroht« sei.221 Er ersuchte Merkl, sich zum Zustandekommen dieses Artikels zu äußern, und erteilte bereits gleichzeitig eine »Empfehlung«: »Sollten Sie, sehr geehrter Herr Professor, der Verfasser dieses Artikels sein, müsste ich Ihnen pflichtgemäß empfehlen, auf den Antritt Ihres Lehramtes in Wien zu verzichten.«222 Der Staatsrechtler antwortete der Unsicherheit des Postverkehrs wegen am 21. und 30. Jänner 1947: Er habe den betreffenden Zeitungsartikel verfasst, dieser sei aber im nationalsozialistischen Sinne verändert worden: »Der Aufsatz hatte in seiner u r s p r ü n g l i c h e n Gestalt die Tendenz, die Vereinigung der beiden Länder als eine vom Nationalsozialismus gepflückte Frucht langer geistiger Vorbereitungsarbeit von Österreichern und Reichsdeutschen a u s a l l e n p o l i t i s c h e n L a g e r n darzutun. Der Aufsatz hat sodann in einem m. Erinnerns von der Redaktion gänzlich gestrichenen Teil die Gutachten über Form und Inhalt der allfälligen Vereinigung der beiden Länder, die Österreich innerhalb eines demokratischen Deutschland die gebührende Stellung zugedacht hatten, gewürdigt und sie zur Danachachtung empfohlen.«223
Zusätzlich hatte sich Skrbensky nach einer »Rechtfertigungsschrift« Merkls aus dem Jahre 1940 erkundigt »die in stark nat.soz. Sinne gehalten gewesen sei.«224 Merkl gab als Begründung für diese Schrift, die lediglich privat an 20 bis 30 Personen versendet worden sei, Verleumdungen und Telefonterror durch Nationalsozialisten an und führte aus: »Ich bestreite jedoch aufs entschiedenste, dass diese Schrift im ns Geiste gehalten gewesen sei; sie enthält keinenfalls (sic) ein Bekenntnis zum ns Parteiprogramm oder zur ns Weltanschauung, kein Bekenntnis zum totalen Staat oder zum Antisemitismus (…) meine Aeusserungen (sind) nicht etwa (…) Bekenntnisse zum Deutschtum eines Hitlers, sondern zu dem Schillers und dem klassischen Idealismus namentlich also Kant’s.«225
Nun war der Zeitpunkt gekommen, an dem das Unterrichtsministerium bzw. Skrbensky wie im parallel liegenden Fall Santifaller zehn Monate früher226 zum Mittel der Beauftragung von Gutachten hätte greifen müssen, um die vermutliche, ja offensichtliche Verfälschung des beanstandeten Druckwerks festzustellen. 221 Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 219, kommentiert diese Stelle mit »nun folgt etwas Ungeheuerliches (…) Merkl (wird) kurzerhand zum Hochverräter.« 222 Zitiert nach ebd. 223 Brief vom 21. 01. 1947, zitiert nach Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 220. 224 Brief an Merkl vom 23. 12. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61, o. Nr.). Skrbensky führt aus: »Diese Schrift konnte ich zwar nicht erhalten, es ist jedoch vorgekommen, daß derartige Schriftsätze in Fällen von Berufungen neuerlich den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben und sich hieraus für die Betroffenen besondere Schwierigkeiten (Enthebungen und dgl.) ergeben haben.« Diese Schrift ist jedoch nie aufgetaucht. 225 Zitiert nach: Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 221. 226 Siehe Kapitel 1.3.3.
Otto Skrbensky – die Schlüsselfigur der Entnazifizierung
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Hier wie dort lag ein Text zum »Anschluss« Österreichs 1938 vor, den der jeweilige Autor als im nationalsozialistischen Sinne verändert bezeichnete. Santifallers Schrift war sogar in »bedenklicherer« Form gehalten als die Merkls.227 Hier wie dort war der Autor nie Parteimitglied oder -anwärter gewesen, sondern galt als distanziert zum Nationalsozialismus und in dieser Hinsicht mutig und konsequent. Doch hier zeigte sich zweierlei Maß in der Bewertung: Santifaller wurde nur während der vom BMU veranlassten Untersuchungen vier Monate – übrigens bei vollen Bezügen – enthoben, dann rehabilitiert, Merkl teilte der Sektionschef mit, es liege an ihm, »in einer jeder berechtigten Kritik standhaltenden Form zu beweisen, dass der erwähnte Schlussatz des Zeitungsartikels keinesfalls aus ihrer Feder stammt noch auch stammen kann.«228 Die Beweislast legte er also dem Professor auf, der – noch in Wien – mehrere Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen durch die Gestapo erlebt hatte und seit 1941 an einer auswärtigen Universität lehrte. Nach einem neuerlichen Hinweis auf das Kriegsverbrechergesetz vom Juli 1945 und dem Zusatz, dass nach dem neuen Nationalsozialistengesetz vom 6. Februar 1947 »Verfasser von Druckschriften jedweder Art, die wegen ihres nationalsozialistischen Inhaltes verboten wurden (als belastete) Personen im Sinne dieses Gesetzes mit einer Reihe schwerwiegendster Rechtsfolgen (betrachtet würden)«, legte Skrbensky Merkl – sollte er keine Beweise erbringen können – »pflichtgemäß neuerlich nahe, auf die Berufung nach Wien zu verzichten.«229 Skrbensky erhöhte den Druck Anfang Juni: »Da ich seither (Anm.: seit 14. März 1947) ohne Nachricht bin und im Falle ihres Verzichtes auf die Wiener Lehrkanzel eine anderweitige Besetzung dringend notwendig wäre, darf ich um ihre geschätzte Mitteilung bitten, ob damit gerechnet werden kann, dass Herr Professor die in meinem Schreiben erwähnten Beweise zu erbringen vermöchten oder ob Herr Professor unter den obwaltenden Umständen auf die Berufung nach Wien verzichten.«230
Merkl hielt in einem sich damit zeitlich überschneidenden Brief fest, der Originaltext des Artikels sei in den Wirren des Umbruchs vernichtet worden, der Schlusssatz habe aber seiner Erinnerung nach gelautet: »Wofern sie die politische Einheit und Eigenheit des geschichtlich überkommenen Oesterreich erhalten, werden sich die Baumeister Grossdeutschlands auch als treue Oesterreicher erwiesen haben.« Aus dem Bedingungssatz sei also in der publizierten Form ein Kausalsatz gemacht worden. Der Professor zeigte sich erbittert darüber, »dass ein einziger Satz, nicht aber seine vor und nach 1938 entstandenen 227 228 229 230
Vgl. Huber/Posch, Eliten/dis/kontinuitäten, 2011, S. 293. Dienststück vom 14. 03. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61, o. Nr. Ebd. Dienststück vom 07. 06. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Merkl 10/61, o. Nr.
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Rechtliche Rahmenbedingungen, Organe und Akteure
Arbeiten, der Beurteilung seiner antinazistischen Haltung dient«,231 und betonte: »Nach mir sind in der gleichgeschalteten Presse nicht einmal solche Vergleiche und Mahnungen zu finden gewesen, die für den Sachkundigen immerhin als leider nur schwächliche, zugleich aber als äußerst mögliche Kritik zu verstehen sind.«232 Auch Schartner kommt nach einer eingehenden Analyse des Artikels zu dem Schluss: »[E]igentlich ist es zu verwundern, dass dieser Aufsatz wenige Tage nach der Volksabstimmung noch veröffentlicht wird.«233 Am 18. und 20. Juni 1947 hielt Skrbensky den Verfahrensstand schriftlich fest: Merkl komme für die Lehrkanzel nicht in Betracht. Im Falle eines Lehrantrittes müsse er als »belastet« erklärt und sofort vom Dienste entlassen werden, weshalb ihm dringend anzuraten sei, auf Wien zu verzichten. Nach einem Briefentwurf vom 24. Juni teilte das Ministerium Merkl mit, dass die Berufungsangelegenheit »auf Eis liegt.«234 Am 27. Juni 1947 – wieder überschnitten sich die Briefe – wiederholte Merkl, die geforderten Beweise nicht erbringen zu können. Er schien allmählich an der – zur Schau getragenen – Uneinsichtigkeit Skrbenskys und der unterlassenen Hilfestellung durch das Ministerium zu verzweifeln: Seine »demokratische, bei allem Nationalbewußtsein kosmopolitische, insbesondere pazifistische Haltung« sei vielfach literarisch belegt, sodass sie »von einem vollsinnigen Menschen mit einem a tempo publizierten Zeitungsaufsatz unmöglich widerrufen« werden könne. Den stereotypen Verzichtsaufforderungen des Sektionschefs hielt er – noch – stand: »(…) bin ich nicht in der Lage, den mir bedingungsweise zugemuteten Verzicht auszusprechen.«235 Gleichzeitig begannen sich andere Kräfte zu regen: Das Rektorat der Universität Wien legte dem Ministerium eine Zuschrift Hans Kelsens über die demokratische Einstellung Merkls vor. Der Dekan der Juridischen Fakultät, Rudolf Köstler, verwunderte sich, dass Merkl niemals von Skrbensky aufgefordert worden war, eine eidesstattliche Erklärung, die Richtigkeit seiner Aussagen betreffend, abzugeben. Ganz am Ende des Jahres 1947 schließlich, genau ein Jahr nach Auftauchen des Presseartikels, sah sich Skrbensky doch veranlasst, ein Rechtsgutachten dazu bei Ministerialrat Hermann Zeissl einzuholen. Im Februar 1948 informierte die Abteilung 10 des BMU in einer Stellungnahme, die Entscheidung, ob der Verfasser einer Druckschrift als »belastete« Person zu gelten habe, falle in die Zuständigkeit der »Zentralkommission zur Bekämpfung der NS-Literatur«236 und es sei – eine Abfuhr für
231 232 233 234 235 236
Vgl. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 225. Zitiert nach: ebd. Ebd., S. 228. Ebd., S. 226. Ebd., S. 229 f. Zentralkommission zur Bekämpfung der Nationalsozialistischen Literatur im Bundesmi-
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Skrbensky – nicht zweckmäßig, den Ergebnissen des kommissionellen Verfahrens vorzugreifen.237 Doch dieser hielt Kurs: Am 16. März 1948 sprach Merkl persönlich bei Skrbensky vor – ein Besuch, den der Professor bereits im Juni 1947 angekündigt hatte. Danach schien Merkl gebrochen, und Skrbensky vermerkte im betreffenden Dienststück: Da Merkl die verlangten Beweise nicht erbringen könne, habe er erkannt, dass ihm »unter diesen Umständen nichts anderes übrigbleibe, als auf seine Rückberufung nach Wien zu verzichten.« Angesichts dieses »bedingten Verzichtes« beantragte Skrbensky, »der Herr Bundespräsident möge seine Entschließung vom 30. November 1946 außer Kraft setzen.«238 Die Umstände, unter denen dieser Verzicht herbeigeführt wurde, werfen ein bezeichnendes Licht auf Einstellung, Vorgangsweisen und Machtgefühl Otto Skrbenskys und legen die Vermutung nahe, dass hier ein verabredetes Ziel – die Verhinderung Merkls – erreicht werden sollte oder dass jedenfalls die Begeisterung über diesen »Liberalen« sich sehr in Grenzen hielt. Merkl tat sich unwissentlich sicher auch selbst keinen Gefallen, indem er sich als kosmopolitisch denkend darstellte. Nun fand aber der Fall Merkl doch einen anderen Ausgang als den von Skrbensky »herbeigeführten«: Das nächste Dokument im Personalakt des Professors – nach vorgelegten Publikationen des Juridischen Dekanats zugunsten Merkls – ist dessen Ernennung zum ordentlichen Professor durch Bundesminister Hurdes am 11. November 1948. Am 7. Dezember schrieb der Sektionschef, der Merkl gegenüber mit Todesstrafe, lebenslangem Kerker, Vermögensverlust gedroht hatte, in gemütlichem Ton und plötzlich einsichtig an seinen Freund, den Kabinettsdirektor der Präsidentschaftskanzlei Wilhelm Klastersky, schon wegen des Amnestiegesetzes »sei ein Einschreiten gegen Merkl (…) wegen des Schlußsatzes seines Zeitungsartikels, bei welchem es nicht einmal feststeht, ob er wortgetreu abgedruckt wurde, schon wegen der zweifellos stets antinazistischen Gesinnung Merkls nicht mehr zu befürchten.«239
1.3.10 Dank und Anerkennung Im September 1952 stellte sich die Frage, ob Sektionschef Skrbensky auf normalem Wege oder mit »Dank und Anerkennung des Bundespräsidenten« in Pension gehen sollte.240 Der zweiseitige entsprechende Antrag von Bundesmi-
237 238 239 240
nisterium für Unterricht nach § 45 der Bundesregierung vom 10. März 1947 zur Durchführung des Verbotsgesetzes 1947. § 47. Überprüfung nationalsozialistischer Literatur. Vgl. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 231. Zitiert nach: ebd., S. 231. Zitiert nach: ebd., S. 232. Skrbensky, der schon einen Monat später, am 29. Oktober 1952 starb, erlebte den Zeitpunkt seines Eintrittes in den Ruhestand, den 31. Dezember 1952, nicht mehr.
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nister Kolb241 schaffte es bei ausführlicher Darstellung der Karriere des Beamten, das Wort »Entnazifizierung« vollkommen auszusparen. Nicht fehlen durfte aber das Trendwort dieser Jahre – »Wiederaufbau«. Der Antrag schloss mit dem Absatz: »Während seiner fast 40-jährigen Staatsdienstzeit hat sich Sektionschef Dr. Skrbensky in den verschiedensten, oft sehr schwierigen und verantwortungsvollen Positionen, nicht zuletzt aber seit dem Jahre 1945 als verantwortlicher Leiter der Hochschulsektion bei dem Wiederaufbau der österreichischen Hochschulverwaltung durch hingebungsvolle, hervorragende und äußerst ersprießliche Beamtentätigkeit derartige Verdienste um die österreichische Staatsverwaltung erworben, daß es nunmehr aus Anlaß seines Übertrittes in den dauernden Ruhestand vom Standpunkte der Unterrichtsverwaltung aus nicht nur wünschenswert, sondern in jeder Beziehung gerechtfertigt erscheint, für ihn als wohlverdiente Anerkennung seiner Tätigkeit in verantwortungsvollster Beamtenstellung den Dank und die Anerkennung des Herrn Bundespräsidenten zu erwirken. Sektionschef Dr. Skrbensky, der der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen niemals als Mitglied oder Anwärter angehört hat, ist der beantragten Auszeichnung durch den Herrn Bundespräsidenten auch nach Charakter und Persönlichkeit in jeder Hinsicht würdig.«
241 Antrag 24. 09. 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Skrbensky, o. Nr.
2
Prozesse der Entnazifizierung an der Universität Wien aus der Perspektive des Akademischen Senats
Dieser Abschnitt setzt sich zum Ziel, die Prozesse der Entnazifizierung der Professorenschaft an der Universität in den Nachkriegsjahren aus der Perspektive der Universitätsleitung chronologisch zu beschreiben. Als roter Faden dienen dafür die Sitzungsprotokolle des Akademischen Senats an der Universität Wien, anhand derer sich die Beschäftigung der Universitätsführung mit der Aufgabe der »Reinigung des Lehrkörpers von nazistischen Elementen« anschaulich nachvollziehen lässt. Einerseits betrifft dies die Auseinandersetzungen des Senates mit den gesetzlichen Vorgaben der Entnazifizierung und seine entsprechenden Reaktionen darauf, andererseits aber auch die Involvierung der Alliierten in die Entnazifizierungsprozesse an der Universität Wien. Wie erwähnt galten für die Entnazifizierung der Universitäten 1945 keine besonderen Bestimmungen, sondern jene des allgemeinen öffentlichen Dienstes, nach denen ehemalige »reichsdeutsche« Staatsbürger nicht in den Beamtenstand der Zweiten Republik übernommen wurden.242 Die politische »Säuberung« des restlichen Lehrkörpers erfolgte auf Basis des Verbotsgesetzes und anhand der dafür eingerichteten Sonderkommissionen.
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Nach Kriegsende und das Studienjahr 1945/46
Als erste Maßnahme nach der Befreiung Wiens bekundete die Universität unverzüglich die Absicht, die von den Nationalsozialisten entfernten Professoren wieder zu berufen und somit eine Kontinuität zu den Verhältnissen vor dem »Anschluss« herzustellen. So berichtete Rektor Adamovich in der ersten Senatssitzung der sich neu konstituierenden Universität am 4. Mai 1945 von einer Besprechung mit Staatssekretär Ernst Fischer über die dafür vorgesehene Herangehensweise: Jene Universitätsangehörigen, die vor dem 13. März 1938 an der 242 Vgl. § 6, Abs. 4 Gesetz vom 22. August 1945 zur Wiederherstellung des österreichischen Beamtentums (Beamten-Überleitungsgesetz), StGBl. 1945/134.
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Prozesse der Entnazifizierung an der Universität Wien
Universität Wien beschäftigt waren und dann entlassen wurden, sollten »raschest« wieder eingesetzt werden, um das »ihnen zugefügte Unrecht ehestens wieder« gutzumachen. Jene, die vor dem 13. März 1938 an der Universität tätig und in der NS-Zeit geblieben waren, sollten an der Universität verbleiben – mit Ausnahme jener Lehrkräfte, »die illegal waren, eine Funktion in der NSDAP ausübten oder der SS oder SA angehörten«. Ernennungen von Lehrkräften, die nach dem 13. März 1938 »von auswärts« berufen worden waren und daher »keine österreichischen Staatsangestellten waren«, sollten aufgehoben werden. Weiters berichtete der Rektor, dass sich Staatssekretär Fischer jedoch vorbehielt, »besonders wertvolle und fachlich hervorragende Lehrkräfte, falls sie politisch nicht hervorgetreten sind, in ihrem Amte zu belassen, sofern nicht der seinerzeit aus politischen Gründen entfernte Vorgänger des Betreffenden an die Lehrkanzel zurückkehrt.« Diese Aussage deckte sich mit der allgemeinen Grundhaltung bei der Entnazifizierung nach Kriegsende, nämlich gegenüber »Mitläufern« Milde walten zu lassen.243 Nach Verabschiedung des Verbotsgesetzes am 8. Mai 1945 ersuchte der Rektor in der darauffolgenden Senatssitzung vom 12. Mai 1945 die Dekane, möglichst bald Anträge auf Wiedereinsetzung für die aus politischen Gründen entlassenen oder pensionierten Angehörigen der Fakultät einzubringen. Gleichzeitig betonte er die Notwendigkeit einer Überprüfung des Gesamtpersonals der jeweiligen Fakultät hinsichtlich der politischen Tragbarkeit jedes Einzelnen. Vor allem sei dies bei jenen Mitgliedern des Lehrkörpers wichtig, die nunmehr die Vorlesungstätigkeit wieder aufnehmen sollen.244 Der Senat war sich demnach von Beginn an bewusst, dass ein Vorlesungsbetrieb ohne die ins NSRegime involvierten Lehrkräfte nicht aufrechtzuerhalten wäre, was auch die Forderung nach einer Anhörung der Betroffenen unterstrich. Dementsprechend richtete Rektor Adamovich in der Begrüßungsansprache zum öffentlichen Vortrag von Staatssekretär Fischer am 22. Mai 1945 an diesen die Bitte, dass »bei der nunmehr notwendigen Reinigung des Lehrkörpers den Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden möge, gehört zu werden – im Gegensatz zu dem unrechtmäßigen Verfahren 1938«.245 Die Entschlossenheit des Akademischen Senates, die Entnazifizierung an der Universität Wien möglichst schleunig zu bewerkstelligen, zeigt sich auch in den Abläufen der nächsten Wochen und Monate. In der Senatssitzung vom 26. Mai 1945 »erinnert der Prorektor die Dekane nochmals daran, daß die Überprüfung der Lehrkräfte im Sinne des Vergeltungsgesetzes (sic) möglichst rasch durchgeführt werden 243 Senatssitzungsprotokoll (SSP) vom 04. 05. 1945, UAW, Akademischer Senat (AS). 244 SSP vom 12. 05. 1945, ebd. 245 SSP vom 19. 05. 1945, ebd.
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muß. Dort wo dies auf Schwierigkeiten stößt, wie bei den Privatdozenten infolge ihrer großen Anzahl, sollen dem Staatsamt über das Rektorat wenigstens Teilberichte vorgelegt werden. In Fällen, wo das Verfahren zwar noch nicht abgeschlossen erscheint, kann der Antrag auf provisorische Enthebung gestellt werden. Bei Dozenten wäre das Ruhen der venia legendi auszusprechen.«246
Der Begriff »Vergeltungsgesetz« als Synonym für das VBG 1945 hatte offensichtlich auch in den Sprachgebrauch des Akademischen Senats Einzug gehalten. Schon Ende Juni 1945 war dieses universitätsinterne Prüfverfahren des Lehrkörpers abgeschlossen und der Rektor stellte darauf hinweisend beim Staatsamt für Volksaufklärung den Antrag, dieses »durch Einberufung der nach dem Verbotsgesetz zu bildenden Kommissionen vorzubereiten.«247 Knapp zwei Monate später, am 18. August 1945, erging ein von Unterstaatssekretär Karl Lugmayer im Staatsamt für Volksaufklärung gezeichnetes Schreiben an die Rektorate aller wissenschaftlichen Hochschulen, das die Bildung der Sonderkommissionen veranlasste. Darin heißt es wörtlich: »Aufgrund §§ 13 ff 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz sind vom Staatsamt für VUE248 Sonderkommissionen zur Beurteilung des Verhaltens öffentlicher Bediensteter gemäß § 21 Verbotsgesetz zu bilden, und zwar beim Staatsamte für ordentliche und außerordentliche Professoren249 bei den einzelnen Hochschulen für die übrigen Lehrkräfte und Bediensteten nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.«250
Zudem verwies das Staatsamt darauf, dass »›Illegale‹ und ihnen Gleichgestellte (§ 14 VBG), die von der Dienststelle zu entlassen sind und Bedienstete, deren Anstellung gemäß § 20 Verbotsgesetz251 zu widerrufen ist, (…) nicht der Beurteilung durch die Sonderkommissionen« unterliegen würden.252 Die Sonderkommissionen waren also auf gesetzlicher Basis nur für jene Parteimitglieder unter den Universitätsangehörigen zuständig, die weder zur Gruppe der »Illegalen« noch zu jener der »Reichsdeutschen« gehörten. Was die Zusammensetzung der Sonderkommissionen betrifft, so war für den Vorsitz ein Professor der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zu bestellen, für den ersten Bei246 SSP vom 26. 05. 1945, ebd. 247 SSP vom 30. 06. 1945, ebd. 248 Gemeint ist das Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten. 249 Gemäß § 14, Abs. 2, 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz. (2) Bei der Staatskanzlei und den Staatsämtern werden Sonderkommissionen für die eigenen Bediensteten und für die Bediensteten der nachgeordneten Dienststellen auf Dienstposten der III. Dienstklasse im Sinne des Gehaltsgesetzes (in seiner letzten Fassung) oder gleichzuhaltenden oder höheren Dienstposten gebildet. 250 SSP vom 18. 08. 1945, UAW, AS. 251 Zwischen 13. 03. 1938 und 27. 04. 1945 als Beamte eingestellt. 252 SSP vom 18. 08. 1945, UAW, AS.
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sitz ein weiterer Hochschulprofessor und für den zweiten Beisitz »ein aus der Reihe des österreichischen Gewerkschaftsbundes vorgeschlagenes Kommissionsmitglied.«253 Weiters regte das Staatsamt in seiner Weisung an, »die Sonderkommissionen in Senate nach Berufsgruppen (Assistenten und wissenschaftliche Hilfskräfte einerseits, Angestellte und Arbeiter andererseits) zu teilen, um eine raschere Durchführung der Aktion zu ermöglichen«, wovon an der Universität auch Gebrauch gemacht wurde. Bezüglich der ebenfalls von Kommissionen zu beurteilenden »belasteten« Hochschulprofessoren teilte Lugmayer mit: »Hinsichtlich der nicht vor den Hochschulsonderkommissionen, sondern von der im hiesigen Staatsamte zu errichtenden Sonderkommission zu verhandelnden ordentlichen und ausserordentlichen Hochschulprofessoren haben die Rektorate (Dekanate) umgehend das gesamte vorhandene oder noch zu beschaffende belastende Material, insbesondere Fragebögen aus 1938, Anzeigen, Veröffentlichungen während der deutschen Okkupation u. ä. vorzubereiten. Zur Vorbereitung der Verhandlungen wollen womöglich auch allfällige Zeugen erhoben und stellig gemacht sowie der zu Beurteilende zur Beibringung seines gesamten Entlastungsmaterials (z. B. von Gleichschriften allfälliger Ansuchen um Ausnahme von der Registrierungspflicht) unter Setzung einer angemessenen Frist veranlasst werden. Dem Staatsamte ist ferner ehestens eine Liste der derzeit anwesenden einer Beurteilung nach § 21 VBG zu unterziehenden ordentlichen und ausserordentlichen Hochschulprofessoren vorzulegen.«254
Das Staatsamt nahm also hier die Dekanate in die Pflicht, an der Vorbereitung der dortigen Sonderkommission mitzuwirken und alle vorhandenen Dokumente rasch zu übermitteln. Am 6. September 1945 folgte schließlich ein weiteres von Staatssekretär Fischer gezeichnetes Schreiben des Staatsamtes an die Universität Wien, das die Installierung eines Gremiums für Hochschulprofessoren innerhalb der dortigen Sonderkommission und seine Zusammensetzung festlegte: »In der (…) beim Staatsamt für Volksaufklärung, für Unterricht und Erziehung und für Kultusangelegenheiten zu bildenden Sonderkommission zur Beurteilung des Verhaltens öffentlicher Bediensteter (…) wird für die Beurteilung der zu überprüfenden ordentlichen und ausserordentlichen Professoren der wissenschaftlichen Hochschulen ein Senat gebildet. Zum Vorsitzenden dieses Senats wird Sekt.Chef Dr. Otto S k r b e n s k y, zum Stellvertreter des Vorsitzenden Min.Rat Dr. Hans K e n d a bestellt.«255
Im Senat selbst erfolgte eine weitere dreigliedrige Unterteilung für die Fälle der Professoren der Katholisch-Theologischen, der Evangelisch-Theologischen und 253 Ebd. 254 Ebd. 255 Schreiben 06. 09. 1945, UAW, AS Gz. 603 1/3 aus 1944/45.
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der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, für jene der Medizinischen Fakultät und schließlich für jene der Philosophischen Fakultät. Als Beisitzer in den drei Subgruppen fungierten Professoren der jeweiligen Fakultäten. Für die Philosophische Fakultät wurden Wilhelm Havers (Ersatzmann: Josef Keil) und Franz Faltis (Ersatzmann: Ernst Späth) nominiert.256 Bereits zwei Tage später, am 8. September 1945, sandte der Vorsitzende der Sonderkommission, Sektionschef Skrbensky, die Einberufung zur ersten Sitzung an das Dekanat der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Die »(…) Sonderkommission tritt Mittwoch, den 12. September l. J. (…) um Punkt 9 Uhr Vormittag behufs Beratung (…) über die zu überprüfenden Fälle jener ordentlichen und außerordentlichen Professoren der evangelisch-theologischen Fakultät und der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zusammen, die in Wien anwesend sind.«257
In Verbindung mit der Übermittlung dieser Einladung an die Beisitzer ersuchte Skrbensky das Dekanat, jenen auch die an der Fakultät vorhandenen belastenden und entlastenden Dokumente (Personalblätter, Gutachten des Dozentenbundführers und dgl.) zur Vorbereitung zu übergeben.258 Am gleichen Tag gab Rektor Adamovich im Senat bekannt, »daß Listen bezüglich der von den Sonderkommissionen im Staatsamt zu behandelnden Lehrkräfte (nach Dringlichkeit eingestuft) vorzulegen sind.«259 Die Dekane wurden also aufgefordert, die »belastete« Professorenschaft an ihrer jeweiligen Fakultät zu sondieren und jene herauszufiltern, die an der Fakultät »gehalten« werden sollten. Des Weiteren wurde in dieser Sitzung mit Zustimmung des Akademischen Senats die Zusammensetzung jener Sonderkommissionen vorgeschlagen (Vorsitz: Rudolf Köstler, Stellvertreter : Hans Mayer), die an der Universität selbst zu bilden und für die Überprüfung des gesamten Personals mit Ausnahme der ordentlichen und außerordentlichen Professoren zuständig waren. Diesbezüglich entschied der Senat eine Untergliederung in drei Senate mit folgenden Zuständigkeiten: Senat I: Überprüfung der Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräfte der Medizinischen Fakultät Senat II: Überprüfung der Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräfte aller Fakultäten mit Ausnahme der Medizinischen Fakultät 256 257 258 259
Ebd. Einberufung 08. 09. 1945 UAW, AS Kurrentakten (Cur) 244. Ebd. SSP vom 08. 09. 1945, UAW, AS.
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Prozesse der Entnazifizierung an der Universität Wien
Senat III: Beurteilung aller Bediensteten der Universität Wien mit Ausnahme der Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräfte.260 Diese Einteilung der Sonderkommission an der Universität Wien in die genannten drei Senate akzeptierte das Staatsamt am 28. September 1945. Im selben Schreiben erfolgte auch die Bestätigung des Vorsitzes (Köstler) und aller stellvertretenen Vorsitzenden (Mayer, Planitz, Verdroß, Winkler, Karl Wolff, Schima) sowie der Beisitzer.261 In der Senatssitzung vom 13. Oktober 1945 berichtete Rektor Adamovich schließlich erneut »über die Sonderkommissionen und deren Einteilung in drei Senate und gab bekannt, dass die Dekrete an die Kommissionsmitglieder bereits ergangen sind.«262 Der Senat diskutierte auch das Thema der Wiedereinstellung der von den Nationalsozialisten entlassenen Mitglieder des Lehrkörpers. Der Dekan der Medizinischen Fakultät, Leopold Arzt, führte dazu aus, »dass diese seine (sic) Posten, die sie zur Zeit der Entlassung innegehabt haben, anzutreten hätten. Es gehe nicht an, dass sie an igend-einer (sic) anderen Universität in Oesterreich ihren Dienst versehen und sich nicht zu ihrer Stamm-Universität zurückmelden.«263 Man sah sich im Akademischen Senat also mit der Situation konfrontiert, dass einzelne ehemalige Lehrkräfte keine Schritte setzten, an die Universität zurückzukehren und an anderen österreichischen Universitäten ihre berufliche Zukunft suchten. Arzt definierte in diesem Zusammenhang sowohl eine Bringschuld der Universität Wien als auch eine Holschuld der betreffenden Lehrkräfte: »Die betreffende Fakultät unserer Universität müsse den Posten reserviert halten, der an Stelle des Entlassenen Angestellte (sic) sei nur Platzhalter. Der seinerzeit Entlassene müsse sich auf jeden Fall bei seiner Fakultät melden. Es müsse der Standpunkt vertreten werden, dass der Betreffende auf seinen alten Dienstposten zurückkehren müsse und sich dann erst auf einen anderen Posten berufen lassen dürfe.«264
Diese Angelegenheit müsse mit den Rektoren der anderen österreichischen Hochschulen besprochen werden, so Arzt weiter. Die sich in Grenzen haltende Rückkehrwilligkeit von den Nationalsozialisten entlassener Lehrkräfte nach 1945 hängt wohl unter anderem auch damit zusammen, dass das zerbombte Wien sowie der Einfluss der sowjetischen Besatzungsmacht in der Stadt die
260 261 262 263 264
Ebd. Schreiben 28. 09. 1945, UAW, AS Cur 244. SSP vom 13. 10. 1945, UAW, AS. Ebd. Ebd.
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Universität Wien zu keiner besonders attraktiven Lehr- und Forschungsstätte machte.265 Ebenfalls vom September 1945 ist ein Ereignis im Prozess der Entnazifizierung an der Universität Wien überliefert, das sich von der rein rechtlichen Ebene und den auf ihr beruhenden Maßnahmen unterschied – die Involvierung einer alliierten Besatzungsmacht. Wie im betreffenden Gedächtnisprotokoll zu lesen ist,266 fand am 26. September 1945 im Rektorat der Universität Wien ein Gespräch zwischen Rektor Adamovich und Major Leigh M. Lott vom US-Hauptquartier des General Mark Wayne Clark statt, bei dem auch Prorektor Richard Meister und Dengler, der ständige Verbindungsmann zu den österreichischen Behörden, anwesend waren und das unter anderem die Entnazifizierung der Universität zum Inhalt hatte. Im Rahmen dessen bat Lott den Rektor um eine Liste der Professoren aus dem Studienjahr 1937/38 sowie um eine aktuelle Professorenliste. Zur zweiten Liste wurde folgendes festgehalten: »In dieser sind die von der Kommission bereits überprüften und als positiv (sic) Beurteilten mit B, die noch zu Überprüfenden mit C bezeichnet. Der Rektor bittet um die Genehmigung, dass die mit B bezeichneten Professoren wieder ihre Vorlesungen abhalten dürfen. Er verweist darauf, dass es sich bei vielen Professoren nur um eine rein formale Zugehörigkeit zur NSDAP gehandelt habe und führt als Beispiel Prof. Schönbauer an. Major Lott erklärt, dass er von Prof. Schönbauer schon gehört habe, dieser habe sich ja bei der Verteidigung des Allgemeinen Krankenhauses gegenüber der SS große Verdienste erworben.«267
Diese Begegnung ist ein Beleg für die Versuche der Universitätsleitung, auch bei den Alliierten für die Weiterverwendung von »belasteten«, aber von der Sonderkommission positiv beurteilten Professoren zu werben und möglicherweise die endgültige Entscheidung vom Staatsamt dazu positiv zu beeinflussen. Weiters informierte Adamovich Lott über die Zusammensetzung und Tätigkeit der beim Staatsamt eingerichteten Sonderkommissionen. Im Senatssitzungsprotokoll heißt es dazu: »Major Lott äußert sich darüber befriedigend.«268 Drei Tage später berichtete Adamovich dem Senat vom Gespräch mit Lott und stützte sich dabei auf das zitierte Gedächtnisprotokoll. Davon abweichend wurde aber im Senatssitzungsprotokoll zur Frage der Genehmigung der Wiederverwendung der positiv beurteilten Professoren im Vorlesungsbetrieb folgendes vermerkt: »Major Lott habe sich zustimmend ausgesprochen.«269 Warum diese Zustimmung Lotts im Gesprächsprotokoll nicht erwähnt wurde, bleibt 265 266 267 268 269
Vgl. Heiss, Wendepunkt, 2005. Vgl. Gedächtnisprotokoll 26. 09. 1945, UAW, AS Gz. 455 aus 1944/45. Ebd. Ebd. SSP vom 29. 09. 1945, UAW, AS.
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Prozesse der Entnazifizierung an der Universität Wien
offen. Jedenfalls ist davon auszugehen, dass auch unter den Alliierten im Frühherbst 1945 noch einige Unklarheiten vorherrschten, wie die Entnazifizierungsabläufe im öffentlichen Bereich tatsächlich vonstatten gehen sollten. Dies unterstreicht auch der Bericht des Rektors im Akademischen Senat von einem weiteren Gespräch mit Lott im Oktober 1945: »Major Lott habe weiters erklärt, dass zwischen den vier alliierten Militärkommandos noch keine einheitliche Stellungnahme bezüglich der Reinigung der öffentlichen Dienststellen, daher auch der Hochschulen, von Nationalsozialisten vereinbart worden sei. Die amerikanischen Stellen stünden jedenfalls auf dem Standpunkt, dass die Universitäten selbst diese Säuberung der Universität von Nationalsozialisten durchführen sollten.«270
Zwischen diesen beiden Gesprächen wurde die Entnazifizierung jedenfalls auf administrativer Ebene fortgesetzt und seitens des Staatsamtes auf Basis der 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz 1945 gegenüber allen Sektionsleitern und Dienststellen in einem Schreiben vom 14. Oktober konkretisiert, wie mit Entlassungen bzw. Widerrufen von Anstellungen und Vorrückungen umzugehen sei.271 In einem ersten Punkt sind vom Staatsamt »(d)ie den »Illegalen« bereits mitgeteilten Entlassungen (…), da in der Regel weder der 6. Juni als Tag der Entlassung noch auch die Einstellung der Bezüge mit Ende Juni bekanntgegeben wurde, den Betroffenen (…) nochmals bekanntzugeben.«272 Zweitens wurde verordnet, die Pensionseinstellungen als Sühnefolge mit dem auf den Bescheid folgenden Monatsletzten in Kraft treten zu lassen. Der Widerruf der Anstellung nach § 20 Verbotsgesetz sowie die Einstellung der Bezüge habe ebenfalls mit dem Datum des 6. Juni 1945 zu erfolgen. »Bei Geflüchteten, bzw. bei jenen die sich bisher nicht zum Dienstantritt gemeldet haben, ist der Widerruf bereits mit dem Tage der letzten Dienstleistung auszusprechen, weil der Betreffende seither nicht zur Verfügung gestanden ist.« Als vierter Punkt erfolgte die Anweisung, dass das Ermittlungsverfahren in allen Fällen der Entlassung, der Pensionseinstellung und des Anstellungswiderrufs sorgfältigst durchzuführen sei. Sollte der Nachweis der »illegalen« NSDAP-Mitgliedschaft in diesem nicht erbracht werden können, war der Fall der Sonderkommission I. Instanz gemäß §21 des VBG vorzulegen.273 Währenddessen nahmen die Entnazifizierungsmaßnahmen an der Universität ihren weiteren Verlauf und Rektor Adamovich bekam erneut von Vertretern der Alliierten Besuch. Diesmal, am 23. Oktober 1945, war es eine »englische
270 271 272 273
SSP vom 20. 10. 1945, ebd. Schreiben 14. 10. 1945, UAW, AS Gz. 603 2/3 aus 1944/45. Ebd. Ebd.
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Abordnung« die »bei ihm vorgesprochen habe.«274 »Ein Vertreter dieser Abordnung«, so wird der Rektor im Protokoll wiedergegeben, »der bisher in Graz die Hochschulen zu kontrollieren hatte, habe sofort statistisches Material verlangt (…) da sein Vorgesetzter noch an demselben Tage nach London fliege und dieses dazu benötige. (…) Weiters habe er erklärt, dass sie in Graz 50 % der Professoren entweder entlassen oder pensionieren mussten. Die Durchführung sei aber nicht so geordnet vor sich gegangen wie an der Wiener Universität. Die illegalen oder aktiv tätigen Nationalsozialisten seien entlassen oder pensioniert worden, alle übrigen (einfache Parteimitglieder oder Parteianwärter) seien geblieben.«275
Er, Adamovich, habe daraufhin gegenüber den Engländern auf die Strenge hingewiesen, mit der die Entnazifizierung des Lehrkörpers an der Wiener Universität durchgeführt werde und erklärte, »dass dies eine Härte bedeute, da an der Wiener Universität alle Parteigenossen und Parteianwärter enthoben wurden. Es müsse unbedingt ein Ausgleich gefunden werden, vor allem sollten die Professoren, die nur formal der Partei angehört hatten und auf die die Universität Wien Wert lege, wieder zurückkommen können. Bis jetzt seien durch die Sonderkommission im Staatsamt für Unterricht 2 Juristen, 4 Philosophen und 5 Mediziner positiv beurteilt worden.«276
Weiters kam der Rektor auf die Universität Innsbruck zu sprechen, wo seiner Ansicht nach ebenfalls nicht derart streng entnazifiziert wurde und wo »ein Reichsdeutscher, der noch dazu Parteimitglied war, Professor für österreichisches Zivilprozessrecht geblieben sei (sic).«277 Aus diesen Ausführungen Rektor Adamovichs wird zweierlei offensichtlich: Erstens war es der Wiener Universitätsleitung nicht bewusst, dass an anderen Universitäten des Landes andere Maßstäbe für die Reinigung des Lehrkörpers angelegt wurden, was ein Gefühl der Benachteiligung hervorrief. Zweitens wird das starke Bestreben evident, in Zukunft den Grad der Belastung der einzelnen Personen nicht mehr am formalen Verhältnis zur NSDAP (»Illegale«, Mitglieder, Anwärter) festzumachen, sondern an ihrer tatsächlichen Tätigkeit und Stellung innerhalb der Partei. Diese Forderung fand später im Nationalsozialistengesetz 1947 ihren Niederschlag (vgl. Kapitel 1.1.2). Am 3. November 1945 gab der Rektor bekannt, dass »laut einer Zuschrift der Liquidatur des deutschen Reiches in Oesterreich, Beamte und Angestellte der Universität soferne sie dem Personenkreis des § 4 des Verbotsgesetzes (…) angehören und reichsdeutsche Staatsbürger sind, nicht mehr von der hierortigen 274 275 276 277
SSP vom 27. 10. 1945, UAW, AS. Ebd. Ebd. Ebd.
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Sonderkommission zu behandeln seien, sondern dieser Stelle zur Ueberprüfung gemeldet werden müssen.«278
Damit war unmissverständlich klargestellt, dass »reichsdeutsche« »Belastete« nicht von den Sonderkommissionen zu behandeln waren, sondern Fälle für den Liquidator darstellten. Die nächste Sitzung am 17. November nützte Adamovich dafür, seine Dekane um Überlassung der betreffenden Personalakten zu ersuchen, welche die Sonderkommission unbedingt benötige.279 Der Rektor befand sich also gewissermaßen an der Schnittstelle zwischen den Sonderkommissionen und den Dekanaten und verstand es als seine Aufgabe, den Überprüfungsvorgang möglichst schnell voranzutreiben. In der achten Senatssitzung des Studienjahres 1945/46 am 24. November zeigte sich abermals der Einfluss der Alliierten auf den Prozess der Entnazifizierung: »Der Rektor verweist nochmals darauf, daß die Französische (sic) Militärregierung eine Übersicht über den Lehrkörper, getrennt nach Professoren, Dozenten und Assistenten verlange, da der Vorsitz in der Alliierten Militärmission in Wien gegenwärtig an Frankreich übergegangen ist. Er bittet, ihm diese Daten möglichst bald zur Verfügung zu stellen.«280
Es war also immer wieder auch die Berichtseinforderung durch die Alliierten, die den Rektor dazu veranlasste, die Dekane in Fragen der Entnazifizierung zur Eile zu rufen. Auf die schon angesprochenen oftmaligen Anfragen der Alliierten nach diversen Übersichten und Listen den Lehrkörper betreffend, wurde seitens der Universitätsleitung schließlich Ende Jänner 1946 reagiert, indem der Rektor die Abfassung eines Personalstandsverzeichnisses anordnete.281 Zum letzten Mal im Jahr 1945 setze der Senat das Thema Entnazifizierung für die Sitzung vom 8. Dezember auf die Tagesordnung. Unter Punkt V gab der Rektor den Erlass betreffend die Behandlung der Privatdozenten nach dem VBG und seiner 3. Durchführungsverordnung bekannt und beantragte, »die zur Ueberprüfung in Frage kommenden Privatdozenten den bereits gebildeten Senaten der Sonderkommission zur Beurteilung zuzuweisen. Der Antrag wird angenommen.«282 Somit war nun die Möglichkeit geschaffen worden, nicht nur »belastete« fest angestellte Mitglieder des Lehrkörpers nach entsprechender Überprüfung an der Universität zu halten, sondern derart auch mit den Dozenten zu verfahren. 278 279 280 281 282
SSP vom 03. 11. 1945, UAW, AS. SSP vom 17. 11. 1945, ebd. SSP vom 24. 11. 1945, ebd. SSP vom 26. 01. 1946, ebd. SSP vom 08. 12. 1945, ebd.
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Als erstes relevantes Ereignis im neuen Jahr 1946 ist die Unterredung des Rektors mit dem am 20. Dezember angelobten neuen Bundesminister für Unterricht Felix Hurdes (ÖVP) zu werten. Wie Adamovich in der Senatssitzung am 5. Jänner berichtete, habe er beim Bundesminister »vor allem über die Frage der Zusammensetzung des Lehrkörpers und über studentische Angelegenheiten« vorgesprochen.283 Über die betreffende Reaktion von Hurdes berichtete er nicht. Das baldige Treffen des Rektors mit dem neuen Bundesminister und die Thematisierung der Lehrkörperzusammensetzung kann als weiterer Beleg dafür gelten, dass der Rektor bestrebt war, die Entnazifizierung an der Universität möglichst rasch durchzuführen. Die konkrete Überprüfungstätigkeit der Sonderkommissionen und ihre Entscheidungen wurden schließlich zwei Wochen später in der Sitzung vom 19. Jänner 1946 thematisiert: »Prodekan Prof. MAYER wirft die Frage auf, ob Lehrkräfte und Angestellte, deren Weiterbelassung trotz ihrer früheren Zugehörigkeit zur NSDAP das Unterrichtsamt bis zur Erledigung des Falles durch die zuständige Sonderkommission zugestanden hat, bei einem negativen Spruch der Kommission noch weiter im Dienst belassen werden dürfen, bis die Sache im Berufungswege durch die Oberkommission rechtskräftig entschieden wurde.«284
Hier wurde also im Senat die Frage erörtert, ob es bei einer negativen Beurteilung der Sonderkommission nicht doch Mittel und Wege gäbe, die betreffenden Personen bis zum Ausgang ihres möglichen Berufungsverfahrens an der Universität Wien zu halten. Dieses Ansinnen war wohl einerseits auf den grassierenden Lehrkräftemangel zurückzuführen. Andererseits liegt aber auch der Verdacht nahe, dass die Universität den Betreffenden mit einer der negativen Sonderkommissionsentscheidung zuwiderlaufenden Weiterbeschäftigung an der Universität Wien eine bessere Ausgangsposition für ihre Berufungsverfahren ermöglichen wollte. Der Rektor versprach jedenfalls »diesbezüglich eine generelle Weisung des Bundesministeriums für Unterricht ein(zu)holen.«285 In derselben Sitzung erörterte der Senat der Universität Wien auch einen konkreter Fall eines nicht beanstandeten Professors (siehe Tabelle 1) und die diesbezüglich im Raum stehenden Vorwürfe: »Dekan Prof. Czermak teilt mit, daß gegen Prof. Ebert vorgebracht werde, man habe ihn seinerzeit mit dem Parteiabzeichen gesehen, was Prof. Ebert bestreitet. Der Dekan wirft die Frage auf, was in diesem Fall zu geschehen habe. Dekan Prof. Arzt empfiehlt,
283 SSP vom 05. 01. 1946, ebd. 284 SSP vom 19. 01. 1946, ebd. 285 Ebd.
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zur Feststellung der Wahrheit an die Generaldirektion für öffentliche Sicherheit heranzutreten.«286
Derartige Einzelfallbesprechungen stellten im Rahmen der Senatssitzungen jedenfalls eine Ausnahme dar und können hier mit den erst im Nachhinein vorgetragenen Behauptungen über Ebert erklärt werden, der ja zur Gruppe der wiederernannten Professoren zählte. Die weitere Entwicklung dieses Falles ließ sich aus den Akten nicht rekonstruieren. Am 23. Februar 1946 versetzte eine Anfrage eines Journalisten den Senat in Aufregung. Der Rektor erzählte, »daß ein Redakteur der ›Volksstimme‹ kürzlich telephonisch bei ihm angefragt habe, wieso es komme, daß Prof. Spann im Vorlesungsverzeichnis angeführt werde.«287 Othmar Spann war Ende der 1920-er Jahre der NSDAP beigetreten und hatte eine nicht nummerierte Mitgliedskarte erhalten. Nach dem »Anschluss« und der »Säuberung« der Universität Wien durch die Nationalsozialisten war er in den zwangsweisen Ruhestand versetzt worden. Grund dafür war aber nicht seine antinationalsozialistische Einstellung, sondern seine unklare Abgrenzung zum Austrofaschismus und zur Sudetendeutschen Bewegung gewesen. Der Rektor habe dem Journalisten dementsprechend erklärt, »daß in dem von der Universität herausgegebenen Vorlesungsverzeichnis der Name des Prof. Spann nicht aufscheine. Im Zuge der sodann durchgeführten Erhebungen konnte festgestellt werden, daß es sich im gegenständlichen Fall um ein von der Hochschülerschaft herausgegebenes Vorlesungsverzeichnis handelt, das nur auf Grund eines von einer Angestellten des juristischen Dekanats einem Vertreter der Hochschülerschaft ausgefolgten Bürstenabzugs gedruckt worden sei; in diesem alten Bürstenabzug sei der Name des Prof. Spann, den man erst später eliminiert hat, noch aufgeschienen.«288
Die Frage, warum Othmar Spann seitens der Studierenden in deren Version des Vorlesungsverzeichnisses aufgenommen wurde, erörterte oder verfolgte der Senat nicht weiter. Das Dekanat der Philosopischen Fakultät hatte zwar schon am 06. 06. 1945 Spanns Wiederindienststellung beantragt, die nach der Phase einer Beurlaubung im Dezember 1945 auch erfolgte. In der Lehre kam er aber nicht zuletzt aufgrund des öffentlichen Drucks nicht mehr zum Einsatz. In ebendieser Sitzung legte der Rektor noch einen Antrag von Rudolf Köstler, dem Vorsitzenden der Sonderkommission an der Universität Wien, vor, »wonach den bei der politischen Überprüfung an der Universität als zuverlässig befundenen Universitätsmitgliedern eine entsprechende Bescheinigung ausgestellt werden möge. Mit Rücksicht auf die politischen Verhältnisse«, die nicht 286 Ebd. 287 SSP vom 23. 02. 1946, UAW, AS. 288 Ebd.
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weiter erörtert wurden, »sieht sich der Akademische Senat nicht in der Lage, dem Antrage stattzugeben.«289 In der Sitzung am 16. März 1946 diskutierte der Senat sodann praktische Vorgangsweisen, wie mit dem Zutritt »belasteter« ehemaliger Universitätsangehöriger zu den Universitätsgebäuden umzugehen sei. Der Anstoß dazu kam aber nicht von der Universitätsleitung selbst, sondern wurde von außen an diese herangetragen: »Der Rektor teilt mit, daß die Vertreter der Gewerkschaft in einer Vorsprache bei ihm die Forderung vorgebracht haben, daß die wegen Illegalität oder aus anderen politischen Gründen durch Erkenntnis einer Sonderkommission entlassenen oder in den Ruhestand versetzten ehemaligen Universitätsangehörigen verhalten werden, das betreffende Institut, bezw. die betreffende Dienststelle an der Universität Wien nicht mehr zu betreten. Auf das Ersuchen der Gewerkschaftsvertreter, eine Kundmachung in diesem Sinne zu erlassen, habe der Rektor ihnen erklärt, daß er gegen eine Kundmachung ist, die Angelegenheit aber dem Akademischen Senat zur Entscheidung vorlegen werde.«290
Nach einer Diskussion beschloss der Senat einstimmig, »zur Benützung der Universitätseinrichtungen jene Professoren, Privatdozenten, Assistenten und wissenschaftlichen Hilfskräfte, die im Zuge der politischen Überprüfung entlassen, bezw. pensioniert worden sind, nur auf Grund einer Bestätigung des Institutsvorstandes zuzulassen, die vom Dekan vidiert sein muß.«291
Alle übrigen nicht wissenschaftlichen ehemaligen und jetzt »belasteten« Universitätsangehörigen »dürfen die Universität nur dann betreten, wenn sie mit dem Rektor, Prorektor, Dekan oder Institutsvorstand in einer dienstlichen oder persönlichen Sache zu sprechen haben.«292 Dieses »Hausverbot mit Ausnahmen« ist als weitere, von der Universität selbst veranlasste Sanktionsmaßnahme gegenüber NS-belasteten ehemaligen Mitarbeitern zu werten. Eine Woche später kam in der Senatssitzung ein Aspekt der Entnazifizierung zur Sprache, der von der bisherigen, eher formell-prozessual geprägten Vorgangsweise abwich. So teilte Prorektor Meister den anwesenden Senatsmitgliedern mit, dass »aus Anlass eines durch einen Beamten des Bundesministeriums für Unterricht vertraulich mitgeteilten Vorkommnisses an der Universität, betreffend die Stellung eines Themas mit grossdeutschen gedanklichen Hintergrund bei einer Institutsübung« die Dekane in ihren jeweiligen Fakultätssitzungen untenstehende Mitteilung zu machen haben.293 Um welches konkrete 289 290 291 292 293
Ebd. SSP vom 16. 03. 1946, UAW, AS. Ebd. Ebd. SSP vom 23. 03. 1946, UAW, AS.
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Vorkommnis es sich handelte bzw. wo und wann es stattfand, erwähnte der Prorektor nicht bzw. scheinen diese Informationen zumindest im Protokoll nicht auf. Auch die betreffende Mitteilung enthält keinen Hinweis darauf: »Mit Rücksicht auf ein konkretes Vorkommnis werden die Mitglieder des Lehrkörpers nachdrücklich ersucht, in allen ihren Vorträgen, Uebungen, Stellung von Themen, jede Formulierung zu vermeiden, die das Ansehen eines grossdeutschen oder gar nationalsozialistischen gedanklichen Zusammenhangs erwecken könnte.«294
Durch einen konkreten Vorfall ausgelöst entschloss sich die Universitätsleitung also dazu, eine Pauschalwarnung gegen die Verwendung großdeutscher oder nationalsozialistisch gefärbter Sprache an allen Fakultäten auszusprechen. Ende des Monats waren es dann die von den politischen Parteien diskutierten angestrebten Veränderungen in der Entnazifizierungspolitik (vgl. Kapitel 1.1.2), die in der Senatssitzung zum Thema gemacht wurden: »Der Rektor bringt sodann die in der heutigen Tagespresse veröffentlichte Vereinbarung der drei Parteien zur Durchführung der Entnazifizierung zur Sprache und macht aufmerksam, daß in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Ministeriums in folgenden Punkten ehestens eingeholt werden müsse: 1. Sonderkommissionen – Weiterführung, bezw. vorläufige Einstellung ihrer Tätigkeit. 2. Anpassung der für die Hochschulen erlassenen Rechtsvorschriften an die Novellierung des Verbotsgesetzes. (…) 3. Änderungen bezüglich der Zulassung der Inskriptionswerber.«295
Die Universitätsleitung zeigte sich demnach bemüht, möglichst rasch die die Universitäten betreffenden Änderungen in der geplanten Novellierung des VBG vom Unterrichtsministerium zu erfahren, um gegebenenfalls noch darauf einwirken bzw. sich vorbereiten zu können. Das Thema der Verbotsgesetznovelle kam in der Sitzung vom 25. Mai 1946 mit einer konkreten Forderung einiger Senatsmitglieder erneut auf die Tagesordnung: »Schliesslich bittet Prorektor Prof. Meister den Rektor, er möge bei den zuständigen Stellen wegen der neuen Novellierung des Verbotsgesetzes betreffend den unbedingten Ausschluss jener Parteigenossen, die Geschichte oder Philosophie lesen, intervenieren. Er sei der Anschauung, dass dies individuell beurteilt werden müsse. Dieser Meinung schliessen sich auch Dekan Prof. Degenfeld und Prodekan Prof. Mayer an, wobei sie erklären, es gehe nicht an, auch für die Nationalökonomie eine derartige Bestimmung zu erlassen.«296
Diese Initiative stellte einen Versuch dar, das im novellierten Verbotsgesetz drohende Berufsverbot für ehemalige NSDAP-Mitglieder mit »gesinnungsbil294 Ebd. 295 SSP vom 30. 03. 1946, UAW, AS. Zur Entnazifizierung der Studierenden siehe Huber, Entnazifizierung und Rückbruch. Studierende 1945 – 1950. In: ders./Kniefacz/Krysl/Weisskircher, Universität und Disziplin, S. 157 – 309. 296 SSP vom 25. 05. 1946, ebd.
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denden« Fächern in der Gesetzesvorbereitungsphase frühzeitig abzuwenden. Das Ansinnen scheiterte, da die Berufsverbote schließlich in das Nationalsozialistengesetz aufgenommen wurden (vgl. Kapitel 1.1.2). In einer der vorhergehenden Sitzungen berichtete Adamovich auch über »die Verhandlungen bezüglich Wiedereinstellung der auf Grund des Ministerratsbeschlusses entfernten Professoren«.297 Nähere Informationen dazu sind dem Protokoll nicht zu entnehmen. Anschließend thematisierte der Rektor die Neubesetzung von Lehrstühlen und seine letzte Vorsprache bei Felix Hurdes »bezüglich der noch unerledigten Besetzungsvorschläge für freie Lehrkanzeln der Universität. Er werde die Vorschläge Minister Hurdes und Sektionschef Skrbensky nochmals vorlegen.«298 Des Weiteren brachte Professor Meister einen Tagesordnungspunkt ein, den der Stadtschulrat Wien an die Universitätsleitung herangetragen hatte. Dieser habe gemeldet, dass »verschiedene Lehrpersonen, die wegen ihrer Zugehörigkeit zur NSDAP enthoben wurden, nun an der Universität zu inskribieren versuchen, bezw. tatsächlich inskribiert sind. Ein solches Vorgehen müsse aber hintangehalten werden, da sich sonst der groteske Zustand ergeben würde, dass ein enthobener Angehöriger der NSDAP diese Zeit unfreiwilliger Musse dazu benützt, um sich durch zusätzliche Studien für später eine höhere berufliche Position zu erwerben.«299
Dass dies auch nicht im Sinne des Akademischen Senats sein konnte, ist evident, und der Prorektor rief dementsprechend zur erhöhten Aufmerksamkeit beim Inskriptionverfahren auf. Er schlug vor, »dass alle Dekanate ersucht werden, die mit der Vorbegutachtung der Studierenden befassten Kommissionen anzuweisen, jedem Inskriptionswerber die Frage vorzulegen, ob er bereits in einem Berufe steht, bejahrendenfalls (sic) ob er ihn ausübt oder ob er etwa aus Gründen der Parteizugehörigkeit derzeit enthoben sei. Letzterenfalls wäre die Zulassung seitens der Dekane zu verweigern.«300
Zusätzlich regte er an, dass ab dem Folgesemester alle Inskriptionswerber, die in einem öffentlichen Dienstverhältnis standen, eine Bescheinigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde einzuholen hatten, dass gegen ihr Studium keine Einwände bestünden. »Dies gelte insbesondere auch für Lehrpersonen aller Kategorien.«301 Der Ausschluss vom Studium als Sühnefolge für »Belastete«, der ja mit dem Nationalsozialistengesetz 1947 noch verschärft wurde (vgl. Kapitel 1.1.2), sollte also an der Universität Wien streng exekutiert werden, nicht 297 298 299 300 301
SSP vom 11. 05. 1946, ebd.. Ebd. Ebd. Ebd. Ebd.
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zuletzt vor dem Hintergrund, dass sich diese in ihrer »Zeit unfreiwilliger Muße« durch zusätzliche Studien Kenntnisse aneigneten, die sie nach ihrer Rehabilitierung in höhere berufliche Stellungen bringen konnten. Nachdem das Entnazifizierungsthema gut zwei Monate in den Senatsakten nicht auftauchte, war es in der Sitzung vom 13. Juli 1946 wieder ein Zeitungsbericht, der dieses auf die Tagesordnung brachte. Rektor Adamovich teilte in der Sitzung einleitend mit, »dass in der Tageszeitung ›Neues Österreich‹ verlautbart worden sei, dass die Denazifizierung nun seitens der Alliierten Behörden durchgeführt werde. Nähere Angaben über Durchführungsbestimmungen seien jedoch nicht enthalten gewesen.«302 Ein neues Nationalsozialistengesetz war im Juli 1946 noch nicht beschlossen worden, doch der Rektor verfolgte offensichtlich aufmerksam den Gesetzwerdungsprozess und berichtete, »dass er mit Professor Gschnitzer aus Innsbruck über das neue Nationalsozialisten Gesetz gesprochen habe.«303
2.2
Das Studienjahr 1946/47
Nach der Sommerpause 1946 widmete sich wieder der Senat der Frage der enthobenen Professoren und der Möglichkeit ihrer Wiedereinstellung. »Der Rektor bringt ferner die Enthebung von Professoren zur Sprache und berichtet, dass bezüglich Professor KRELLER vom Juridischen Dekanat ein Antrag auf Weiterbelassung eingereicht worden sei.«304 Auch an der Philosophischen Fakultät waren bereits Anträge auf Weiterbelassung eingelangt, wie Prorektor Meister ausführte.305 Im Bericht Meisters, der dem Sitzungsprotokoll beiliegt, finden sich dazu nähere Angaben: »Für die Professoren Wilke, Schmidt306 und Kreller307 wurden seitens ihrer Dekanate bereits erforderliche Schritte beim Ministerium eingeleitet, für Prof. Kreller eine Befürwortung durch mich gegeben, Anträge für Reaktivierung noch für das WS (Wintersemester, Anm.) werden seitens der philosophischen Fakultät gestellt werden für Kainz, Kralik, Praschniker, Jagoditsch, Leuchs.«308
Der Bericht endete sodann mit den Worten: »Es ist nicht aussichtslos, daß einige Fälle günstige Erledigung finden.«309 Des Weiteren gab der Rektor die Veröf302 303 304 305 306 307 308 309
SSP vom 13. 07. 1946, UAW, AS. Ebd. SSP vom 07. 09. 1946, UAW, AS. Vgl. ebd. beide Evangelisch-Theologische Fakultät. Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät. Bericht 07. 09. 1946, Anhang zu SSP vom 07. 09. 1946, UAW, AS. Ebd.
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fentlichung des Vorlesungsverzeichnisses für das Wintersemester 1946/47 am 23. September bekannt und Prorektor Meister bemerkte dazu, »dass die Vorlesungen der am 7. August enthobenen Professoren mit N.N. bezeichnet wurden.«310 Im folgenden zeitlichen Verlauf fand das Thema Entnazifizierung des Lehrkörpers immer seltener Eingang in die Senatssitzungen und insbesondere dann, wenn der Anstoß dazu von externer Seite kam. So war es Ende November 1946 wieder ein Zeitungsbericht, der die Thematik auf die Tagesordnung brachte: »Dekan Prof. KÖSTLER verweist darauf, daß in der Presse vom heutigen Tage davon die Rede sei, daß das Komitee der politisch Geschädigten bei der Entnazifizierung die Zuziehung von Vertretern der Gewerkschaft beantrage.«311 Senatsmitglied Verdroß entgegnete, »daß bei der Vorsprache des Gewerkschaftsbundes bei Nationalrat BÖHM hievon nichts erwähnt worden sei.«312 Das gesamte Gremium kam schließlich zur ablehnenden Haltung darüber, »daß nichtbeteiligte Kreise sich in die Frage der Entnazifizierung einmengen. Ausserdem sei die Verfügung hierüber Sache des Unterrichtsministeriums.«313 Nach zweieinhalbmonatiger Abwesenheit des Themas in den Senatssitzungen gab Rektor Adamovich in der Sitzung am 15. Februar 1947 das Inkrafttreten des neuen NSG mit 18. Februar bekannt und kam auf dessen Folgen für die Studierenden zu sprechen, die – ob »minderbelastet« oder »belastet« – bis zum 30. April 1950 vom Studium ausgeschlossen blieben.314 Auf die Folgen für die Professoren ging der Senat in dieser Sitzung nicht ein. Zwei Wochen später erreichte den Senat wieder ein Schreiben der Alliierten in Fragen der Entnazifizierung. Diese Anfrage bezog sich offensichtlich auf die übermittelte Personalstandsliste, von der weiter oben schon die Rede war. Die Alliierten hatten angefragt, »ob die in der bewußten Liste angeführten Mitglieder des Lehrkörpers und Angestellten noch im Dienst seien, bezw. unter welchem Datum sie ausgeschieden wurden. Er habe die betreffenden Herren Dekane daraufhin gebeten, einen Bericht zu erstatten, was auch geschehen sei. Die Beantwortung werde auf Grund dieser Berichte erfolgen.«315
Offensichtlich hinterließ die bisher übermittelte Liste bei den Alliierten Unklarheiten und musste seitens der Universität Wien nachgebessert werden. Jedenfalls schien das Thema allgemein wieder an Fahrt zu gewinnen, was 310 Ebd. Im Konkreten betrifft dies die Vorlesungen von Wilke, Schmidt, Kreller, Kainz, Praschniker, Kralik, Rupprich, Mewaldt, Jagoditsch, Kofler, Hofreiter, Leuchs und Höfler. 311 SSP vom 30. 11. 1946, UAW, AS. 312 Ebd. 313 Ebd. 314 SSP vom 15. 02. 1947, UAW, AS. 315 SSP vom 01. 03. 1947, ebd.
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nicht zuletzt auf das Inkrafttreten des neuen Nationalsozialistengesetzes zurückzuführen war. In der Sitzung vom 15. März 1947 berichtete der Rektor von einer Konferenz der Dekane über die Durchführung der Entnazifizierung vom 12. März und bat diese nun um Äußerungen zum Stand der Dinge. Nach einer Debatte über die Entnazifizierung der Studierenden kam der Senat auf die Professoren zu sprechen. Adamovich bemerkte, dass »nach dem neuen Verbotsgesetz 1947 (…) nun auch Mitglieder des Lehrkörpers, die bis vor kurzem hiezu überhaupt nicht in Betracht kamen, der Registrierungspflicht unterliegen (würden), und zwar wären dies diejenigen Herren, deren Bücher im Index stehen. Prof. VERDROSS bemerkt hiezu, daß er in einer Aussprache mit Min.Rat ZEISSL in Erfahrung gebracht habe, daß eine erst zu bildende Kommission festzustellen habe, welche Werke als verboten erklärt werden.«316
Im Anschluss daran thematisierte der Rektor die Auswirkungen des neuen Gesetzes auf jene »belasteten« Professoren, die von der Sonderkommission als tragbar eingestuft und unbefristet im Dienst belassen wurden. »Diese Herren könnten – so erklärt der Rektor – nach seiner Meinung weiter im Dienst verbleiben. Hofrat Prof. MEISTER gibt hiezu die Erklärung ab, das Ministerium habe die Weisung erteilt, daß nur die Professoren der Medizinischen Fakultät SCHÖNBAUER, ANTOINE und PATZELT im Vorlesungsverzeichnis für das Sommersemester 1947 namentlich angeführt werden dürfen. Die übrigen belasteten Professoren müßten mit N.N. bezeichnet werden. Der Rektor macht aufmerksam, daß die Angelegenheit unbedingt seitens der Dekanate im Ministerium zu klären wäre. Wenn nötig, müßte ein diesbezüglicher Antrag gestellt werden.«317
Auch für die nur temporär weiterbeschäftigten Professoren sollte eine endgültige Lösung gefunden werden: »Bei minderbelasteten Personen, die nicht unter die Ausschließung vom Dienste fallen und bisher nur für ein Semester belassen wurden, wäre unter Hinweis auf die positive Beurteilung durch die Sonderkommission ein Antrag auf Weiterbelassung zu stellen.«318 Anschließend besprachen die Senatsmitglieder das im Nationalsozialistengesetz verankerte Berufsverbot für »gesinnungsbildende« Fächer und seine Folgen für die dort tätigen Professoren: »Die nächste Gruppe der in Frage Kommenden seien die minderbelasteten Professoren, die auf Grund des § 19, Abs. 1, b, aa, auszuschließen wären. Bei diesen müßte dem Gesetz entsprechend bei der im Bundesministerium für Unterricht zu bildenden Kommission ein Antrag auf Weiterbelassung gestellt werden.«319 316 SSP vom 15. 03. 1947, ebd. Gemeint sind höchstwahrscheinlich jene, die von der Kommission zur Bekämpfung der NS-Literatur untersucht wurden (vgl. Kapitel 1.2). 317 Ebd. 318 Ebd. 319 Ebd.
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Dekan Köstler wies in diesem Zusammenhang noch auf einen Widerspruch zwischen dem NSG und der ihm vorliegenden Durchführungsverordnung hin und hielt fest, »daß in der Durchführungsverordnung Volkswirtschaftslehre und Sozialpolitik fehlen320. Prorektor Prof. ARZT bemerkt, daß er sich hierüber mit Sektionschef PULTA ins Einvernehmen setzen werde.«321 Auch die darauffolgende Senatssitzung vom 29. März 1947 war von den Folgen des neuen Gesetzes auf die Entnazifizierung des Lehrkörpers geprägt und brachte Klarheit. »In der Angelegenheit der belasteten und der minderbelasteten Professoren, Dozenten und Assistenten berichtet Rektor Prof. ADAMOVICH, daß nach dem Ergebnis der in Gegenwart des Sektionschef Dr. SKRBENSKY durchgeführten Beratung für das Vorgehen in diesen Fällen folgende Richtlinien dem Nationalsozialistengesetz entsprechend festgelegt wurden: Minderbelastete Professoren, die vom Ministerkomitee nicht bloß für das Wintersemester 1946/47, sondern bis auf weiteres zur akademischen Lehrtätigkeit zugelassen wurden, können weiter im Amte verbleiben. Bezüglich dieser Professoren ist ein neuerlicher Antrag nicht notwendig. Bezüglich minderbelasteter Professoren, die lediglich für das Wintersemester 1946/47 zur Lehrtätigkeit zugelassen waren, ist folgender Vorgang einzuhalten: soferne sie eine der in § 19. Abs. 1, lit.b, aa) bezeichneten Lehrkanzeln innehaben, haben sie selbst im Wege des zuständigen Professorenkollegiums an das Bundesministerium für Unterricht den Antrag auf weitere Lehrtätigkeit zu stellen. Über den Antrag hat die beim Bundesministerium zu errichtende Kommission zu entscheiden. Soferne sie nicht eine der in § 19. Abs. 1, lit.b, aa) bezeichneten Lehrkanzeln innehaben, kann der Antrag auf Weiterverwendung auch vom Professorenkollegium von Amts wegen gestellt werden. Über den Antrag entscheidet das Bundesministerium, nicht die Kommission.«322
Nachdem nun das Bundesministerium die Vorgangsweise auf Basis des Nationalsozialistengesetzes an die Universität Wien übermittelt hatte, war in den Folgemonaten die Überprüfungskommission zu bilden, die über die Wiederverwendung von »minderbelasteten« Hochschulprofessoren in den »gesinnungsbildenden« Fächern zu entscheiden hatte. Bei dieser Frage kam es zwischen Sektionschef Skrbensky und Adamovich zu einem Konflikt, wie im Protokoll der Senatssitzung vom 21. Juni 1947 festgehalten wurde. Der Rektor berichtete, »Sektionschef SKRBENSKY habe die Auffassung vertreten, daß er bezüglich der Berufung der Mitglieder in die Kommission freie Hand habe, nachdem im Gesetz keine Regelung erfolgt sei. Er (der Rektor) könne sich dieser Auffassung nicht anschließen. 320 Als »gesinnungsbildende« Fächer. 321 SSP vom 15. 03. 1947, UAW, AS. 322 SSP vom 29. 03. 1947, ebd.
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Prozesse der Entnazifizierung an der Universität Wien
Sektionschef SKRBENSKY habe dann Prof. SCHIMA gefragt, ob er bei dieser Kommission als Vertreter der Gewerkschaft mitwirken wolle. Dies habe Prof. SCHIMA bejaht. Der Sektionschef habe Prof. SCHIMA außerdem mitgeteilt, daß er beabsichtige auch Vertreter des Personalausschusses der Beamten und Angestellten heranzuziehen. Der Senat spricht sich gegen eine Heranziehung von Vertretern des Personalausschusses aus.«323
Drei Wochen später, am 12. Juli 01947, verlas der Rektor in der Senatssitzung schließlich den Erlass des Bundesministeriums für Unterricht vom 30. Juni 1947 zur Überprüfung der Professoren, Dozenten und Assistenten nach dem Nationalsozialistengesetz 1947. Der Senat beschloss die Mitglieder (Wilhelm Winkler, Richard Meister) bzw. Ersatzmitglieder (August Maria Knoll, Hugo Hantsch), die seitens der Universität Wien in die Überprüfungskommission entsandt wurden. »Ferner macht der Rektor darauf aufmerksam, daß auch die Berufsvertretung der Hochschullehrer aufzufordern sei, Angehörige der Berufsvertretung, von denen je einer womöglich einer der drei anerkannten politischen Parteien anzugehören habe, dem Bundesministerium namhaft zu machen.«324
Wie die Diskussionen im Akademischen Senat der Universität Wien von Kriegsende an bis zum Sommer 1947 zeigten, war das Thema der Entnazifizierung des Lehrkörpers eine immer wiederkehrende Materie – ein Thema, mit dem sich der Senat auseinandersetzen musste und zu dessen Bewältigung er etwa durch die Entsendung von Funktionären in die betreffenden Entnazifizierungsorgane auch aktiv beitrug.
323 SSP vom 21. 06. 1947, ebd. 324 SSP vom 12. 07. 1947, ebd.
3
Der Vorgang der Entnazifizierung der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät der Universität Wien
3.1
Der Lehrkörper und die Nicht-Beanstandeten
Von den im Verzeichnis des Lehrkörpers vom Sommersemester 1944 angeführten 70 Professoren (49 ordentliche und 21 planmäßig außerordentliche) der Philosophischen Fakultät – diese wurden in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt – verstarb der ordentliche Professor Alfred Lechner am 17. Juni 1944. Mit Beginn der Entnazifizierung bestand die Gruppe also aus 69 Männern, nämlich 48 ordentlichen und 21 planmäßig außerordentlichen Professoren. Von diesen wurden 16 (23 %) nicht beanstandet und 53 (77 %) nach dem Verbotsgesetz 1945 behandelt, sahen sich also im Visier der Entnazifizierung. Die Gruppe der Nicht-Entnazifizierten bestand zu drei Vierteln aus ordentlichen Professoren, wobei der Chemiker Ludwig Ebert (1894 im katholischen Würzburg geboren) – obwohl am 13. März 1938 deutscher Staatsbürger und 1940 ernannt, also nach Gesetzeslage vom Liquidator »außer Dienst zu stellen« – als Nicht-Nationalsozialist, beliebter Kollege und unverzichtbare wissenschaftliche Kraft an der Universität gehalten wurde. Heinrich Ficker, ordentlicher Professor für Physik seit 1937, musste noch um Entregistrierung wegen seiner Mitgliedschaft beim NSFK325 nachsuchen, konnte im Personenstandsblatt (ausgefüllt am 27. Oktober 1945) aber auch angeben, »Mitglied der Gruppe ›Peter‹ der ehem. Österr. Widerstandsbewegung (Kmdt. Willibald ZECHNER)« gewesen zu sein326 – ein Vorzug, der ihn vor allen anderen Professoren auszeichnete. Die umstrittenste Person dieser Gruppe war aber zweifellos der Salzburger Musikwissenschaftler Erich Schenk. Das Ausmaß seines stets unrevidierten Antisemitismus’ und seiner Verstrickung in den Faschismus war von 1945 an Gegenstand von Untersuchungen, Prozessen und Skandalen. So lehnte er bis zu seiner Emeritierung immer wieder Arbeiten über Komponisten wie Franz 325 Personalblatt 13. 09. 1945, UAW, PHIL PA 1606, fol. 14. 326 Personenstandesblatt 27. 10. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Ficker, o. Nr.
94
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Schreker oder Gustav Mahler wegen deren jüdischer Herkunft ab.327 Aber Erich Schenk war und ist Teil der österreichischen Wirklichkeit: 1950 wurde er Dekan der Philosophischen Fakultät, 1957 Rektor, 1970 erhielt er das österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, 2003 lobte die Mozartgemeinde Wien einen neuen Preis für NachwuchsmusikerInnen unter dem Namen »ErichSchenk-Preis« aus. Die Liste der nicht-beanstandeten außerordentlichen Professoren enthält nur vier Namen, was 19 % dieser Gruppe von 21 Personen entspricht. Als integere und kritische Persönlichkeit sei der aus Osttirol stammende Psychologe Hubert Rohracher genannt, der in widersprüchlichen Karriereschritten im April 1938 aus »politischen Gründen« an der Universität Innsbruck enthoben und 1940 von der Gestapo als Wehrmachtspsychologe entlassen wurde. Im Militärdienst 1942, um dem drohenden KZ zu entgehen, wurde Rohracher von Arnold Gehlen als planmäßiger außerordentlicher Professor für Wien vorgeschlagen, im Mai 1943 berufen,328 am 28. Juni 1947 zum ordentlichen Professor ernannt.329 Tabelle 1: Nicht von der Entnazifizierung betroffene Professoren der Philosophischen Fakultät Nicht beanstandet und wiederernannt (16) Ordentliche Professoren (12) Czermak (30. 09. 1947)330 Duda (20. 09. 1946) Ebert (24. 09. 1946) Faltis Ficker (30. 09. 1947) Hassinger (09/1947) Havers (18. 08. 1947) Keil (30. 09. 1947) Meister (23. 08. 1947) Schenk (06. 10. 1948) Sölch (30. 09. 1947) Späth (gestorben am 30. 09. 1946)
Außerordentliche Professoren (4) Haschek Marinelli (1948) Mayr Rohracher (28. 06. 1947 zum o. Prof. ernannt)
327 Vgl. Staudinger, Musikwissenschaft, 2005, S. 168 f. 328 Ernennung 08. 05. 1943, UAW, PHIL PA 3064, fol. 29. 329 Im Juli 1944 hatte Rohracher dem Vizepräsidenten der Akademie der Wissenschaften Meister in Gegenwart des Professors Heinrich Ficker einen versiegelten Bericht von Forschungsergebnissen übergeben, von denen er nicht wollte, dass sie Kriegszwecken zugeführt würden. Dieses Paket sollte im Archiv der Akademie verwahrt werden. Vgl. Benetka/ Kienreich, Seelenlehre, 1989, S. 124. 330 Datum der (Wieder–)Ernennung.
Ein Gesamteindruck und eine Liste von Ende 1945
3.2
95
Ein Gesamteindruck und eine Liste von Ende 1945
Wenn wir uns nun der großen Gruppe aller den Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogenen Professoren der Philosophischen Fakultät zuwenden, so sei eingangs festgehalten, dass sich in der Gesamtschau nach detaillierten Fallverläufen eine grundsätzliche Vorgangsweise generalisierend feststellen lässt. Im Laufe der hier relevanten etwa drei Jahre zeigten sich aber doch relativ differenzierte Versuche des Reagierens auf die individuelle politische Belastung der im obersten Lehrkörper der Philosophischen Fakultät Betroffenen seitens der durchführenden staatlichen Organe. Dabei ist die oft gestaltende, immer wieder auch zu erschließende Kraft des für die Hochschulen zuständigen Sektionschefs im Unterrichtsministerium, Otto Skrbensky, evident, dessen auf mehreren Gestaltungsebenen wirkender und mit weltanschaulicher Parteilichkeit gepaarter Einfluss im Kapitel 1.3 umrissen wurde. Ein entsprechend charakterisierbares Bild in gegenläufigem Sinne bot für die Mehrzahl der Betroffenen die Phase der Amnestien und Rehabilitierungen ab etwa 1947 mit »dauernden Weiterbelassungen«, »Wiederindienststellungen« und (Wieder-)Ernennungen, wobei die Wirkung Skrbenskys mit dessen Tod Ende 1952 abbicht. Eine im Archiv der Universität Wien aufgefundene Liste331 enthält auf den ersten sieben Seiten einen Großteil der uns interessierenden entnazifizierten Professoren – sie ist unbezeichnet und undatiert, wobei als Terminus post quem die Eintragung zu Heinz Kindermann »von der Sonderkommission überprüft und zur Lehrtätigkeit zugelassen« zu gelten hat. Diese Entscheidung fiel am 27. November 1945,332 weshalb davon auszugehen ist, dass die Liste Ende 1945 entstand. Wir finden hier die Maßnahmen gegen 50 ordentliche und planmäßig außerordentliche Professoren der Philosophischen Fakultät in zwei Spalten gegliedert: einerseits »vom Dekanat verfügt (im Sinne der Verordnung sowie vor der Sonderkommission)«, andererseits »von Staatsamt, Liquidator bzw. Sonderkommission verfügt«.333 Diese Gliederung ist Grundlage unserer Anordnung in Tabelle 2, wobei unserer Liste noch die schon im Jahr 1945 fallenden Entscheidungen der Sonderkommission I. Instanz enthält (siehe Tabelle 3, Spalte 1).
331 Liste Ende 1945, UAW, AS Gz. 603 – 603/4 aus 1944/45, o. Nr. 332 Gutachten 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168. 333 Der Vermerk »anw.« (anwesend) bei vier der Professoren (Huber Anton, Nadler, Sedlmayr, Wild) ist unklar, gegen alle vier wurde aber nur durch das Dekanat vorgegangen.
vom Dekanat verfügt Generelle Enthe- Enthaltung von der Lehrtätigkeit mit bung mit 04. 08. 1945 22. 05. 1945 (29) (20) Ordentliche Pro- Ordentliche Profesfessoren (15) soren (20) Bauer Bauer Baumann Baumann Brunner Brunner Egger Buddenbrock Gehlen Egger Höfler Ehrenberg Fues Huber Josef Gehlen Kralik Höfler Leuchs Mewaldt Huber Anton Nadler Huber Josef Praschniker Kindermannc) Sedlmayr Mayrhofer Adolfd) Thüring Mayrhofer Karl Moldenhauer Wild Nadler Schütte Sedlmayr Srbike) Weber Christian Egger (02. 07. 1946) Huber Anton (21. 01. 1946) Kirsch Knoll Marchet Mayrhofer Karl Stetter Wild (19. 07. 1946)
Ordentliche Professoren (9)
Ordentliche Professoren (9) Ehrenberg (31. 07. 1945) Höfler (31. 07. 1945) Koch (vor dem 21. 07. 1945) Mewaldt (1945) Moldenhauer Santifaller (21. 01. 1946)f) Schütte (31. 07. 1945) Srbik (1945) Weber (11. 06. 1945)
Ordentliche Professoren (4) Kindermann (31. 05. 1948) Menghin Mewaldt Srbik
Ordentliche Professoren (10) Baumann Buddenbrock Fues Gehlen Ipsen Liewehr Moldenhauer Schütte Thüring Weber
vom Staatsamt für Unterricht bzw. Liquidator verfügt vom Liquidator mit vom Liquidator mit vom Staatsamt mit 06. 06. 1945 vom Staatsamt 23. 08. 1945 außer 31. 10. 1945 bzw. bzw. mit Datum in Klammer enthoben enthoben (4) (11) entlassen (15) Dienst gestellt (14)
Behandlung nach Verbotsgesetz 1945 (53 Professoren,a) davon 36 ordentliche und 17 außerordentliche)b)
Tabelle 2: Nach Verbotsgesetz 1945 behandelte Professoren der Philosophischen Fakultät
96 Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Behandlung nach Verbotsgesetz 1945 (53 Professoren,a) davon 36 ordentliche und 17 außerordentliche)b)
vom Dekanat verfügt vom Staatsamt für Unterricht bzw. Liquidator verfügt Außerordentliche Professoren Außerordentliche Außerordentliche Außerordentliche ProAußerordentliche Außerordentliche Professoren (5) Professoren (9) (6) Professoren (2) Professoren (0) fessoren (4) Eiblh) Eibl Pfalz (11. 06. 1945) Gröbnerg) Kurth Frauwallner Wolfram (17. 05. Langej) Frauwallner Hofreiter i) Gröbner 1945) Hajek (28. 02. 1946) Kainz Rubin Ortner Kofler Wichmann Hajek Pfalz Rupprich Hofreiter Steinhauser Kofler Ortner Pfalz Streinhauser a) Lechner verstarb am 17. Juni 1944. b) Eine Reihe von Professoren wurde von Maßnahmen des Dekanats als auch des Staatsamts bzw. des Liquidators betroffen (daher Mehrfachnennungen). c) Vor dem 05. 07. 1945. d) Mit Zusatz »Krankmeldung«. e) Stand schon in den ersten Listen des Dekanats vom 16. 05. 1945 unter jenen, denen die Lehrbefugnis sofort zu entziehen war. f) Widerrufen am 27. 05. 1946. g) Kein »Parteigenosse«, erhielt schon im Februar 1946 die Aufforderung, zum Sommersemester 1946 nach Wien zurückzukehren, am 12. April 1947 zum ordentlichen Professor in Innsbruck ernannt. h) Widerrufen 17. 04. 1946 (da nie Mitglied der NSDAP). i) Als »Illegaler«. j) Gestorben am 21. Jänner 1946 (Suizid wegen drohender Hinrichtung).
(Fortsetzung)
Ein Gesamteindruck und eine Liste von Ende 1945
97
98
3.3
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Die fehlenden Drei
Auf der zitierten Liste fehlen drei Namen der 53 von der Entnazifizierung Betroffenen, nämlich Koch, Santifaller und Wolfram. Der Altösterreicher (geboren in Lemberg), lutherische Theologe und Osteuropaforscher Hans Koch (vgl. Kapitel 5.7.2) war im April 1940 zum ordentlichen Professor in Wien ernannt worden, aber hier wegen militärisch-nachrichtendienstlichen Tätigkeiten in den besetzten Ostgebieten an der Universität praktisch nicht zum Einsatz gekommen. Richard Meister bezeichnete ihn in einem Brief an Dekan Czermak vom 21. Juli 1945 bereits als enthoben.334 Eine so frühe Enthebung wäre allenfalls durch das Staatsamt möglich gewesen (siehe Tabelle 2, Spalte 4), wobei der Name Koch hier aber fehlt. Es waren bisher keine weiteren Hinweise zu entdecken: wie Aktenhinweise über ihn, so verschwand auch er selbst. Er tauchte im Frühjahr 1945 in einem Wiener Lazarett unter und lebte und wirkte in Folge sechs Jahre lang still in einem Dorf in der Steiermark als evangelischer Pastor,335 ehe er nach Deutschland ging und noch eine bemerkenswerte öffentliche Karriere machte. Dem bedeutenden Südtiroler Historiker und Diplomatiker Leo Santifaller würde eigentlich ein Platz in der Gruppe der Nicht-Beanstandeten gebühren. Der Wissenschaftler wurde allerdings mit 21. Jänner 1946,336 also nach Erstellung der Liste, mit Erlass des BMU seiner Tätigkeit enthoben, da ein mit nationalsozialistischer Propaganda und antiösterreichischen Aussagen gespicktes Buch über den »Anschluss« Österreichs unter seinem Namen vorlag. Tatsächlich war Santifaller, damals noch Professor in Breslau, unter Druck und unter anderem durch den jeder Grundlage entbehrenden Hinweis, er könne damit am »Anschluss« seiner Heimat Südtirol, der unmittelbar bevor stünde, mithelfen, trotz anfänglicher Weigerung veranlasst worden, eine Schrift über das Verhältnis Deutschland-Österreich und den »Anschluss« 1938 zu verfassen.337 Es war nun das Unterrichtsministerium selbst, das diesen Fall sehr rasch behandelte und den Historiker freisprach. In einem vierseitigen, vom Minister unterzeichneten Schreiben vom 27. Mai 1946 werden die beanstandeten Textteile als Fälschungen und spätere Einschübe durch verschiedene Parteistellen, wo das Manuskript fast ein halbes Jahr zurückbehalten wurde,338 enttarnt. Das Schreiben verweist ausführlich auf zwei Gutachten – darunter eines von Leopold Liegler von der RAVAG 334 Rechenschaftsbericht 21. 07. 1945, UAW, PHIL PA 2604, fol. 226. 335 Vgl. Oskar Wagner, Hans Koch. In: Neue Deutsche Biographie, Band 12 (München 1980), S. 263. 336 Bescheid vom 27. 05. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Santifaller, fol. 68. 337 Hier erleben wir den seltenen Fall, dass Schrifttum und wissenschaftliche Arbeit zur politischen Beurteilung eines Professors herangezogen wurde, darüber und über die ganz wenigen anderen Fälle mehr in Kapitel 3.13. 338 Bericht ohne Datum, UAW, PHIL PA 3118, fol. 35.
Die fehlenden Drei
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Wien – wie auch Aussagen des als verlässlichen Zeugen zu wertenden Professor Heinrich Appelt, Santifallers Nachfolger in Breslau, der zu den Zuständen an dieser Universität und der gefährdeten und bedrängten Stellung Santifallers befragt wurde.339 Auch die Äußerungen von Santifaller selbst zu dieser Schrift sprechen eine überaus deutliche und nachvollziehbare Sprache.340 Im gleichen Schreiben widerrief Minister Hurdes die Enthebung des ordentlichen Professors Leo Santifaller. Abschließend zu diesem Fall könnte man den Einwand erheben, warum Parteistellen sich die Mühe machen sollten, eine Schrift zu verfälschen, der als historischer Facharbeit nur geringe Öffentlichkeit beschieden sein würde. Eine genauere Prüfung der zum Teil angeführten Umstände oder etwa auch, dass man dem in Breslau isolierten und faschismusfernen Österreicher von Parteiseite eins auswischen wollte, lassen die Unschuldsversion plausibel erscheinen. Ebenso wenig auf der Liste findet sich noch der außerordentliche Professor für »germanische und deutsche Volkskunde« Richard Wolfram. Es liegt nur eine Bemerkung des Rektors vom 5. September 1945 vor, »dass Prof. Wolfram mit Dekret des Staatsamtes vom 17. Mai 1945, Zl. 11/H, enthoben wurde«,341 wobei der Dekan am 12. Oktober 1945 hinzufügte, dass dieser als »illegal« gelten müsse.342 Demnach handelte es sich um eine sehr frühe und untypische Entscheidung des Staatsamtes für Unterricht: Die anderen Enthebungen dieser Behörde setzten erst einen knappen Monat später ein, und für »Illegale« verfügte das Staatsamt nach Gesetz ansonsten keine Enthebung, sondern eine Entlassung. Von der Entnazifizierung erfasst wurden also 53 Professoren des Lehrkörpers der Philophischen Fakultät von 1944, das entspricht 77 %, wobei 36 ordentliche Professoren (75 %) und 17 außerordentliche Professoren (81 %) entnazifiziert wurden (siehe Tabelle 2).
339 340 341 342
Verfügung 27 – 05.1946, ÖStA/AdR, BMU PA Santifaller, fol. 68 – 71. »Eigenerklärung« ohne Datum, ebd. (5 Seiten). Schreiben 05. 09. 1945, UAW, PHIL PA 3769, fol. 202. Schreiben 12. 10. 1945, ebd., fol. 203.
100
3.4
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Die »Reichsdeutschen«
Eine relativ kompakte Gruppe war die der außer Dienst zu stellenden nach dem 13. März 1938 ernannten Ausländer – durchwegs sogenannte »Reichsdeutsche« – , derer sich die werdende Zweite Republik Österreich relativ entschlossen entledigte. Es handelt sich um die 14 »vom Liquidator mit 23. August 1945 außer Dienst gestellten« Professoren (siehe Tabelle 2, Spalte 6), also um nicht weniger als 20 % des gesamten untersuchten Lehrkörpers der Philosophischen Fakultät. Die Hälfte der 14 Namen findet sich schon unter den am 22. Mai 1945 vom Dekanat mit »Enthaltung von der Lehrtätigkeit« bedachten Professoren (siehe Tabelle 2, Spalte 2). Die Kennzeichnung »durchwegs sogenannte Reichsdeutsche« stimmt mit einer Ausnahme: Der Soziologe Gunther Ipsen – seit 1939 ordentlicher Professor für »Philosophie und Volkslehre« an der Universität Wien – war zwar Anfang 1938 deutscher Staatsbürger, da er seit 1933 in Königsberg lehrte, geboren wurde er aber 1899 in Innsbruck. Geborene Österreicher erhielten in entsprechenden Fällen die österreichische Staatsbürgerschaft zurück, wie etwa der Wiener Heinz Kindermann, 1937 – 43 in Münster lehrend. Warum es sich letztlich bei Ipsen anders verhielt, ist wegen der spärlichen Quellenlage schwer zu erhellen.343 Er ist jedenfalls auf der mit 23. August 1945 datierten Liste der außer Dienst gestellten Ausländer vermerkt. Der zuständige Dekan bescheinigte ihm im Februar 1946 die ordnungsgemäße Meldung in Dekanat, Rektorat und Ministerium. Dabei sehe Ipsen »seiner Überprüfung durch die Sonderkommission des Bundesministerium für Unterricht entgegen, welchem die Erledigung seines Falles zusteht.«344 Diese Überprüfung fand aber nie statt, vielmehr wurde der Tiroler aus Österreich ausgewiesen, was für eine weitere Behandlung als »Reichsdeutscher« spricht. Die beiden Bayern Ludwig Ebert und Kurt Leuchs (aus Würzburg bzw. Nürnberg stammend) waren die einzigen deutschen Staatsbürger, die vom Liquidator des Deutschen Reiches in der Republik Österreich – bzw. seinem Vertreter im Hochschulbereich, Sektionschef Skrbensky – im Spätsommer 1945 nicht außer Dienst gestellt wurden. Ebert gehört zur Gruppe der Nicht-Beanstandeten und ist im Kapitel 3.1 schon erwähnt. Der Fall Leuchs erstreckte sich über einen längeren Zeitraum und entbehrt nicht tragischer Elemente (siehe Kapitel 5.7.3).345 343 Ipsen war allerdings an der Universität Wien kaum verankert, nach 1940 und noch über Ende 1942 hinaus leistete er Militärdienst. Schreiben 15. 10. 1942, UAW, PHIL PA 2061, fol. 3 und Screiben 08. 11. 1942, ebd. fol. 4. 344 Bestätigung 04. 02. 1946, UAW, PHIL PA 2061, fol. 1. 345 Am Beginn steht die generelle Enthebung durch das Dekanat vom 04. 08. 1945, vgl. Tabelle 2, Spalte 1. Siehe auch die Einzelbiographie Leuchs, Kapitel 5.7.3.
Der Fall Lange
3.5
101
Der Fall Lange
Zu den außer Dienst gestellten »Reichsdeutschen« zählt auch der 1903 in Salzwedel geborene Ebert-Schüler Jörn Lange. Seit 1942 außerordentlicher Professor für physikalische Chemie, sorgte sein Verhalten in den letzten Tagen der nationalsozialistischen Herrschaft in Wien dafür, dass die Geschichte der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät in dieser Zeit auch eines hochdramatischen Aspekts nicht entbehrt. Das I. Chemische Laboratorium der Universität Wien verfügte damals über das einzige Elektronenmikroskop der »Ostmark«, dessen wichtige elektronische Teile vom Direktor des Instituts, Ludwig Ebert, bereits nach Strobl am Wolfgangsee ausgelagert worden waren. Ebert war auch selbst dorthin übersiedelt. In den Tiefkellern dieses Gebäudekomplexes (Währinger Straße 38 – 42) befand sich die Anlaufstelle für Verfolgte der Widerstandsgruppe »Tomsk«, die seit Oktober 1944 bestand und einigen Widerstandskämpfern, politisch Verfolgten, Deserteuren, »Wehrunwilligen« sowie Jüdinnen und Juden Zuflucht bot, darunter auch dem Chemietechniker und späteren Bestsellerautor Johannes Mario Simmel.346 Das Elektronenmikroskop der Universität Wien gehörte zu den kriegswichtigen Infrastrukturen, deren Zerstörung im Aktualfall durch den im Rundfunk verbreiteten »Werwolf-Befehl« (»Achtung, Achtung, Wien rechts der Donau!«) in die Tat umgesetzt werden sollte. Ohne diese Verlautbarung abzuwarten begab sich Professor Lange am 5. April in der Absicht in das Institut, das Mikroskop zu zerstören. Dabei stellten sich ihm der Kollege Kurt Horeischy und der desertierte Polizeiwachtmeister Max Slama (aus der Gruppe der Widerstandskämpfer) mit Pistolen bewaffnet entgegen. Lange, der ebenfalls bewaffnet war, willigte nach einer heftigen Auseinandersetzung ein, die Angelegenheit in seinem Arbeitszimmer weiter zu besprechen, dort angekommen schoss er aber auf Horeischy und traf ihn tödlich, während Slama einen Streifschuss erlitt. Langes Assistent Hans Vollmar, der unbewaffnet war, versuchte nun im Handgemenge, diesem die Pistole zu entwinden und wurde von ihm ebenfalls erschossen. Slama verständigte die Polizei, die Jörn Lange verhaftete und zum weiteren Verhör auf das Polizeirevier brachte. Noch während dieses Verhörs unterbrach 346 Dies alles geschah wohl unter stillschweigender Duldung des Institutsvorstandes Ebert. Auf Simmels Roman »Wir heißen euch hoffen« von 1980 als Quelle für diese Ereignisse berufen sich Wolfgang L. Reiter und Reinhard Schurawitzki (Reiter/Schurawitzki, Kontinuität, 2005, S. 236 – 259, speziell 252 f.). Weitere Quellen: Chemie, das österreichische Magazin für Wirtschaft und Wissenschaft (Mai 1994) und Neue Physikalische Blätter 1 (1946), S. 17 f (darauf beruft sich Erich Cermak, Beiträge zur Geschichte des Lehrkörpers der philosophischen Fakultät der Universität Wien zwischen 1938 und 1945 (ungedr. phil. Diss., Wien 1980), S. 180).
102
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
der Aufruf »Achtung, Achtung, Wien rechts der Donau!« die laufende Radiosendung. Der radikalisierte Wissenschaftler verwies auf die nun folgende Durchführung des »Werwolf-Befehls«, wurde entlassen, eilte ins Institut und zerstörte das Elektronenmikroskop mit Hammer und Meißel. Kurz nach dem Ende des Kampfes um Wien, am 13. April, wurde der Professor vom NKWD (Innenministerium der UdSSR) verhaftet, im September vom Volksgericht des doppelten Mordes und des versuchten Mordes für schuldig gesprochen und zum Tode durch den Strang verurteilt. Aufgrund von Gnadengesuchen mehrmals verschoben, wurde die Vollstreckung des Urteils auf den 22. Jänner 1946 festgesetzt. Lange entzog sich der drohenden Hinrichtung durch die Einnahme von Blausäure.
3.6
Entlassene
Die härteste Sanktion, die den für die Entnazifizierung zuständigen Organen zur Verfügung stand, war die durch das Staatsamt für Volksaufklärung ausgesprochene Entlassung, die ohne Fortzahlung von Bezügen und Pensionsanspruch erfolgte. Sie betraf die am entschiedensten dem Nationalsozialismus zugehörigen Professoren, wobei der Umstand der »Illegalität«, d. h. die Zugehörigkeit zur NSDAP oder Propagandatätigkeit für sie während der »Verbotszeit« im Austrofaschismus, besonders schwer gewichtet wurde.347 15 Professoren (22 %) wurden entlassen,348 sechs davon waren außerordentliche (das entspricht 29 % dieser Gruppe, siehe Tabelle 2, Spalte 3). Die Entlassung des außerordentlichen Professors der Philosophiegeschichte Hans Eibl wurde allerdings im April 1946 widerrufen, da er entgegen eigener Angaben im Fragebogen 1938349 nie Mitglied der NSDAP oder gar »Illegaler« gewesen war. Nur einen Monat später wurde er mit 31. Mai 1946 in den Ruhestand versetzt.350 Ein Kapitel für sich bildet der Südosteuropa-Historiker Alois Hajek. An ihm ließe sich die ganze Geschichte eines gedrückten Schicksals im philosophischen Professorenkollegium von Erster Republik, Austrofaschismus, Drittem Reich, Entnazifizierung und Rehabilitierung schreiben. Hier nur so viel: Seine aus347 Die starke Gewichtung der »Illegalität« 1945 kann man als Reaktion der beleidigten Eliten des Austrofaschismus, die selbst ein konkurrierendes faschistisches System errichtet hatten, sehen – diese Gruppen erfuhren gleich nach dem Umbruch eine überproportionale Aufwertung. Das Nationalsozialistengesetz 1947 relativierte die Betonung der »Illegalität«. 348 Die exponierteste Person war der Dozentenbundführer Arthur Marchet, ordentlicher Professor für Petrologie (vgl. Kapitel 5.5). Zum Altertumskundler Rudolf Egger, der sich wohl nicht ganz verdient in dieser Gruppe findet, siehe Kapitel 5.6. 349 Fragebogen 19. 09. 1938, UAW, PHIL PA 1539, fol. 108. 350 Schreiben 17. 06. 1946, ebd., fol. 166.
Die Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren
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führlichen Angaben über »illegale« Tätigkeiten an der Universität im Fragebogen 1938 waren erfunden – Ausgeburten seiner Angst, unter dem neuen Regime seine tatsächlich gefährdete Stellung zu verlieren. Nach Aufhebung der Entlassung wurde er im November 1947 als Assistent unter Kürzungen pensioniert. Ab März 1949 durfte er als Dozent wieder Vorlesungen halten, die er auch nach seiner zweiten Pensionierung 1954 bis zum Wintersemester 1956/57 fortsetzte. Abschließend ist zu sagen, dass auch oder sogar die Betroffenen dieser Gruppe von 1947/48 an – wenn auch meist um Jahre verzögert – in unterschiedlicher Weise Nutznießer von Amnestien, »Gnadenerweisen« und neuen Karrierechancen wurden, wie unten zur Sprache kommt.
3.7
Die Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren
Die im Archiv der Universität Wien aufgefundene Liste von Ende 1945 weist Namen von acht Professoren auf (fünf ordentliche, drei außerordentliche), die von dieser Sonderkommission unter persönlicher Vorladung daraufhin überprüft wurden, ob sie eine bestimmte charakterliche Eignung besäßen – und zwar nach den bisherigen Erfahrungen mit ihnen (in und vor der NS-Herrschaft in Österreich). Allen acht wurde diese charakterliche Eigenschaft bescheinigt, allerdings mit der irreführenden Formulierung »zur Lehrtätigkeit zugelassen«. Tatsächlich bedeutete die Entscheidung der Sonderkommission in der Regel aber nur eine Empfehlung, eine argumentative Hilfestellung für die Betroffenen in ihren Rechtfertigungen und Eingaben auf dem Wege zur erstrebten Wiederindienststellung. Insgesamt befasste sich die Sonderkommission I. Instanz bis zu ihrer Auflösung im Frühjahr 1947 mit 16 Professoren der Philosophischen Fakultät (siehe Tabelle 3, Spalten 1 und 2), also mit 23 % oder einem schwachen Viertel bzw. 30 % der von der Entnazifizierung erfassten Personen. Dabei wurde 12 Professoren aufgrund des Nicht-Zutreffens von § 21 des Verbotsgesetzes 1945 bescheinigt, sie böten »nach ihrer bisherigen Betätigung die Gewähr, daß sie jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werden«. Sie seien also – wie die Kurzformulierung in der behördlichen Verwendung lautete – »tragbar«. In einem Fall, dem des Pharmakologen Adolf Mayrhofer, erklärte sich die Sonderkommission als nicht zuständig.351 Dieser war schon mit 23. Jänner 1946 vorbehaltlich der kommenden Entscheidung der Kommission auf eigenes Ansuchen krankheitshalber in den Ruhestand versetzt worden. 351 Schreiben 02. 05. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Mayrhofer Adolf, o. Nr.
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Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
In drei Entscheidungen schließlich, betreffend die ordentlichen Professoren Bauer, Ehrenberg und Sedlmayr, gab dieses Organ der Entnazifizierung eine negative Beurteilung ab: Die genannten böten nicht die geforderte Gewähr und seien »nicht tragbar« (siehe Tabelle 3, Spalte 2). Wenn wir nun die Entschlüsse der Sonderkommission punktuell etwas genauer betrachten, so sticht unter den positiven Beurteilungen, die gegenüber den negativen im Verhältnis 4:1 überwiegen, der Fall des Theaterwissenschaftlers Heinz Kindermann hervor, da er eine signifikante Schwäche dieser Einrichtung offenlegt. Die Sache Kindermann wird in Kapitel 5.3 ausführlicher dargelegt. Speziell an diesem Fall ist abzulesen, dass die Sonderkommission in ihrer Aufgabenstellung einer charakterlichen Beurteilung von Grund auf überfordert war. Wie der spätere Gutachter Oskar Benda überzeugend darlegte, fiel die Kommission auf den geschickten Taktiker und gerade noch gewesenen völkischen Hymniker Heinz Kindermann deshalb herein, weil es außerhalb ihrer organisatorischen und terminlichen Möglichkeiten lag, den Fall einer »erheblich eingehenderen Beleuchtung« (Benda), hier im Hinblick auf das umfassende Schrifttum des Betreffenden, zu unterziehen.352 Überhaupt war die fast vollkommene Ausklammerung der wissenschaftlichen Arbeit der Professoren die große Schwäche der Entnazifizierung der Professorenschaft, insbesondere an der Philosophischen Fakultät. Sie fußte stattdessen auf rein formalen Tatsachen wie etwa der Mitgliedschaft in der NSDAP. Wo sollte jedoch die Gesinnung dieser Männer sprechender Ausdruck finden als in ihren publizierten – wissenschaftlichen und nicht-wissenschaftlichen – Äußerungen?353 Im Fall des bedeutenden Historikers Otto Brunner (siehe Kapitel 5.4) verband die Sonderkommission ihre positive Beurteilung mit der Empfehlung, seine wertvolle Arbeitskraft dem österreichischen Staate durch eine Beschäftigung im Archivdienst zu erhalten. Hier nahm sie also doch auf den wissenschaftlichen Rang eines Gelehrten Bezug.354 Die von der Sonderkommission angeregte und auch forcierte Anstellung kam aber schließlich doch nicht zustande: Brunner wurde pensioniert, machte durch innovative wissenschaftliche Arbeit weiter auf sich aufmerksam und wurde 1954 als ordentlicher Professor nach Hamburg berufen (siehe Tabelle 7). 352 Siehe Gutachten von Oskar Benda für die Zentralkommission zur Bekämpfung der NSLiteratur 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168 – 178. 353 Auch die »Zentralkommission zur Bekämpfung der Nationalsozialistischen Literatur« versagte in unserem Bereich, siehe Kapitel 3.13. 354 Bei der Rohfassung der Anfrage an das Staatsarchiv in dieser Angelegenheit wurde der Passus, dass Brunner »mit Rücksicht auf die Parteienvereinbarung« nicht Professor bleiben könne, von Skrbensky eigenhändig getilgt. Es wäre interessant, diese Ungereimtheit näher zu untersuchen, zumal Brunner Protestant war und nicht zum katholischen Netzwerk gehörte. Aktenstück 27. 06. 1946ÖStA/AdRPA Brunner, fol. 125.
Sonderkommission I. Instanz beim Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht und Erziehunga) (Beurteilung nach § 21 VBG 1945)b) (16) »bietet keine Gewähr…« »bietet Gewähr…« (tragbar) (Datum des Erkenntnisses) (13) (nicht tragbar) (Datum des Erkenntnisses) (3) Ordentliche Professoren (8) Ordentliche Professoren (3) Brunner (07. 05. 1946) Bauer (19. 06. 1946) Huber Josef (27. 09. 1946) Ehrenberg (08. 03. 1946)d) Kindermann (27. 11. 1945) Sedlmayr (10. 01. 1946)e) Kralik (05. 11. 1945) Leuchs (ohne Datum) Mayrhofer Adolfc) Mewaldt (21. 11. 1945) Praschniker
Huber Josef Enthebung bestätigt (27. 03. 1946), Weiterbelassung abgelehnt (21. 10. 1946)
Ordentliche Professoren (6) enthoben (27. 03. 1946), Wiederindienststellung Höfler zunächst zurückgestellt (29. 10. 1947), bis Ablauf des Studienjahres 1947/48 zugestimmt (27. 03. 1948), der dauernden Weiterverwendung zugestimmt (18. 11. 1948)
Ministerkomitee (»Figlkomitee«) im Bundeskanzleramt zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen (11)
Behandlung durch besondere Organe der Entnazifizierung
Tabelle 3: Durch besondere Organe der Entnazifizierung behandelte Professoren der Philosophischen Fakultät
Die Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren
105
(Fortsetzung)
enthoben (27. 03. 1946), Wiederindienststellung zurückgestellt (29. 10. 1947), befristeter Weiterverwendung für das Studienjahr 1948/49 zugestimmt, Enthebungsverfügung aufgehoben (04. 07. 1949), gegen die dauernde Weiterverwendung kein Einwand erhoben (04. 07. 1949) enthoben (27. 03. 1946)
Leuchs
Mewaldt
Praschniker zugelassen für das Sommersemester 1946 und enthoben (07. 08. 1946), Weiterbelassen bis zum Sommersemester 1947 (28. 04. 1947), Enthebungsverfügung aufgehoben (29. 10. 1947)
zugelassen für das Sommersemester 1946, enthoben (07. 08. 1946), Weiterbelassungsantrag abgelehnt (21. 10. 1946), Wiederindienststellungsantrag des BMU zurückgestellt (29. 10. 1947), als »Illegaler« vom Subkomitee nicht empfohlen (12. 03. 1948), nach neuen Beweisen der dauernden Weiterverwendung zugestimmt (18. 11. 1948)
Kralik
Behandlung durch besondere Organe der Entnazifizierung
106 Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Behandlung durch besondere Organe der Entnazifizierung
zugelassen für das Sommersemester 1946 und enthoben (07. 08. 1946), der Weiterverwendung semesterweise zugestimmt bis 28. 04. 1947, der Weiterverwendung bis Ende des Studienjahres 1947/48 zugestimmt (29. 10. 1947), dauernd zur Weiterverwendung zugelassen (18. 11. 1948) enthoben (27. 03. 1946), semesterweise zugelassen bis 21. 10. 1946, bis Ende des Studienjahres 1947/48 zugelassen (29. 10. 1947), dauernd zur Weiterverwendung zugelassen (18. 11. 1948)
Jagoditsch
Kainz
Außerordentliche Professoren (5) Außerordentliche Professoren (0) Außerordentliche Professoren (5) Hofreiter enthoben (27. 03. 1946), ab Wintersemester 1946/47 Hofreiter (24. 05. 1946) zur Lehrtätigkeit zugelassen, der dauernden WeiterJagoditsch (14. 09. 1945) Kainz (14. 09. 1945) verwendung zugestimmt (18. 11. 1948), kein Einwand Kofler gegen die Verleihung des Titels ordentlicher Professor Rupprich erhoben (15. 07. 1949)
(Fortsetzung)
Die Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren
107
Rupprich
Kofler
zugelassen für das Sommersemester 1946 und enthoben (07. 08. 1946), semesterweise und für das Studienjahr 1947/48 weiterbelassen, Enthebungsverfügung aufgehoben (31. 05. 1948)
enthoben (27. 03. 1946), Weiterbelassung semesterweise zugestimmt bis 28. 04. 1947, verstorben am 20. 03. 1947
Behandlung durch besondere Organe der Entnazifizierung
b)
Ab 20. Dezember 1945 Bundesministerium für Unterricht. Zu behandelnde Fragestellung: Bietet der Betreffende nach seinen bisherigen Betätigungen Gewähr, jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich einzutreten (vgl. § 21 VBG). c) Verfahren mit 2. Mai 1946 eingestellt, da § 21 keine Anwendung finden kann. d) Berufung an die Sonderoberkommission beim Bundeskanzleramt, welche jedoch bis zum Inkrafttreten des NSG und damit ihrer Auflösung keine Entscheidung trifft. e) Von der Sonderkommission in den Ruhestand versetzt mit einer Kürzung von 50 %.
a)
(Fortsetzung)
108 Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Die Sonderkommission entscheidet negativ
3.8
109
Die Sonderkommission entscheidet negativ
Für die drei Professoren, die nach Bescheid der Sonderkommission »keine Gewähr« boten, also als »nicht tragbar« galten, folgte auf diese Feststellung die Weisung »ist in den Ruhestand zu versetzen«. Dabei wurde die beigefügte Kürzung des Ruhegehaltes je nach Schwere des Falles abgestuft festgelegt: Am mildesten kam der Neuzeithistoriker Wilhelm Bauer davon, dessen Pension um 10 % gemindert wurde.355 Für den Paläoontologen Kurt Ehrenberg legte die Sonderkommission seine Pension auf 150 Schilling bis zum 60. Lebensjahr (1956) fest. Dieser berief als Einziger bei der Sonderoberkommission beim Bundeskanzleramt als zweiter Instanz, erhielt jedoch bis zur Auflösung dieses Organs keine Entscheidung. Ehrenberg leitete daraus ab, dass die Entscheidung der Sonderkommission I. Instanz daher nie in Rechtskraft erwachsen sei.356 Am schärfsten ging die Sonderkommission – in diesem Fall führte Skrbensky den Vorsitz, als Beisitzer fungierten die ordentlichen Professoren Franz Faltis und Wilhelm Havers – mit dem Kunsthistoriker Hans Sedlmayr – geboren 1896 in Hornstein, Burgenland – ins Gericht. In ihrem Erkenntnis vom 10. Jänner 1946357 verband sie ihre Feststellung »bietet keine Gewähr« mit dem Auftrag, ihn »unter Kürzung seines Ruhestandsgenusses um 50 von 100« in den Ruhestand zu versetzen. In den Entscheidungsgründen gibt sie ihrem Zweifel darüber Ausdruck, ob Sedlmayr nicht doch als »Illegaler« anzusehen sei. So sei er 1932 aus der »ersten NSDAP« mit der Bitte ausgetreten, ihn weiter als mit der Partei sympathisierend zu betrachten und habe 1938 bei der Vereidigung der Professoren als Schriftführer fungiert, was als besonders belastend in puncto »Illegalität« gewertet wurde. Das Erkenntnis berührte ein Problem, das tatsächlich bei der Entnazifizierung der Professorenschaft der Universität Wien immer wieder eine Rolle spielte – auch Hans Sedlmayr berief sich darauf –, und zwar die Festsetzung eines zweiten Parteieintritts mit 1. Jänner 1938. die eine Gefälligkeit des Dozentenbundführers Arthur Marchet gewesen sein soll. Die Sonderkommission im Wortlaut: »Es steht fest, daß an der Wr. Universität einige Professoren, welche sich nach dem 13. März 1938 bei der Partei angemeldet haben, von Dozentenbundführer Marchet ›vordatiert‹ wurden; das geht insbesondere aus der vorgefundenen politischen Beurteilung eines Professors hervor, in welcher es wörtlich heisst ›politisch vollkommen gleichgültig, Konjunkturparteimitglied mit rückdatierter Illegalität‹.«358 355 356 357 358
Mit ausführlicher Begründung: Erkenntnis 19. 06. 1946, UAW, PHIL PA 969:, fol. 4. Brief ohne Datum, UAW, PHIL PA 1542, fol. 131. Erkenntnis 10. 01. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Sedlmayr, fol. 96. Ebd.
110
3.9
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Das Ministerkomitee im Bundeskanzleramt
Das Ministerkomitee, installiert im Bundeskanzleramt zur Beschleunigung und wohl auch Belebung der Entnazifizierung im Februar 1946, begann seine Tätigkeit mit einem Paukenschlag, nämlich mit der Enthebung von acht Professoren am 27. März des gleichen Jahres (siehe Tabelle 3, Spalte 2 unter diesem Datum), worunter sich auch der Altertumskundler Josef Keil befand.359 Die Enthebung Keils, der vielleicht auf diese Liste gelangt war, weil er – obwohl nicht Parteimitglied oder Anwärter – im Sommersemester 1944 das Amt des Prodekans der Philosophischen Fakultät und des Studienberaters für Wehrmachtsurlauber bekleidet hatte, wurde »laut telephonischer Mitteilung« des BMU (Skrbensky) schon mit 1. April 1946 wieder zurückgezogen.360 Vier Professoren wurden »zur Aufrechterhaltung des Betriebes bis zum Ablauf des Sommersemesters 1946 im Dienste belassen« und am 7. August 1946 ebenfalls enthoben.361 Diese Enthebungen von März und August 1946 hatten vor allem finanzielle Auswirkungen bei einem Teil der Betroffenen, da ihre Vollbezüge auf die Bezüge für Enthobene (in der Höhe von 150 Schilling) reduziert wurden. Es fällt auf, dass die Liste der vom Ministerkomitee insgesamt behandelten 11 Fälle weitgehend mit der der von der Sonderkommission I. Instanz behandelten übereinstimmt. Bei den ordentlichen Professoren hatte sich mit fünf der sechs Überprüften auch die Sonderkommission befasst, während bei den außerordentlichen Professoren die Liste völlig identisch ist. Der einzige abweichende Fall bei den ordentlichen Professoren ist der des Wiener Botanikers Karl Höfler.362 Mit ihm beschäftigte sich das Ministerkomitee erst relativ spät – ab Herbst 1947, wobei der Antrag des Unterrichtsministeriums auf Wiederindienststellung wegen im Raum stehender »illegaler« Aktivitäten zuerst zurückgestellt wurde (29. Oktober 1947). Schließlich stimmt das Komitee aber seiner Weiterverwendung für das Studienjahr 1948/49 und letztendlich der dauernden Wiederindienststellung zu (18. November 1948), wobei der Stel-
359 Siehe Liste 29. 03. 1946, ÖStA/ AdR, BMU PA Leuchs, o. Nr. Da die Enthebung von Keil umgehend widerrufen wurde, wurde er nicht in die Tabelle 3 Spalte 2 aufgenommen. 360 Mitteilung 01. 04. 1946.ÖStA/AdR, BMU PA Keil, o. Nr. 361 Mitteilung 07. 08. 1946, UAW, PHIL PA 3101, fol. 022. Die Namen angeführt Tabelle 3, Spalte 2. 362 Zwar spricht er in seinem Rechtfertigungsschreiben an Captain Allen, CIC-Office, Wien G2, von Ende April 1947 vom »strengen Verfahren vor der Sonderkommission« und von der »österreichischen Sonderkommission« (Brief 28. 04. 1947, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Karton 1 Höfler, o. Nr.), doch ist ansonsten kein Hinweis auf eine Behandlung durch die Sonderkommission I. Instanz, vor allem auch nicht auf dem Doppelbogen Höfler des MK, zu finden.
Ablehnung und Zustimmung durch das Ministerkomitee
111
lungnahme des Subkomitees – wie stets bei den Entscheidungen des Ministerkomitees – gewichtige Bedeutung zukam.363
3.10 Ablehnung und Zustimmung durch das Ministerkomitee Ähnlich wie im Fall Höfler wandelte sich auch in den Fällen Kralik und Leuchs eine anfängliche Ablehnung oder Zurückstellung durch das Ministerkomitee in eine letztendliche Zustimmung zur dauernden Wiederindienststellung, wobei sich beim Altgermanisten Dietrich Kralik die Auffassung des Subkomitees »eindeutig illegal« erst durch das Auftauchen neuer Hinweise änderte. Der »vor kurzem aufgefundene Erfassungsantrag« (der NSDAP) bestätigte Kraliks Rechtfertigung, sein auf 1. Jänner 1938 datierter Parteibeitritt sei eine Gefälligkeitsdatierung gewesen.364 Überhaupt ist festzustellen, dass die Argumentationen des Ministerkomitees bzw. seines Subkomitees weit besser durch weitere Unterlagen wie Gauakten fundiert waren als die der Sonderkommission I. Instanz. Weiters konnte es sich auf Entscheide eben dieser Sonderkommission, in der Folge auf Einstufungen durch das Nationalsozialistengesetz 1947 (»minderbelastet«) und fallweise auf Erkenntnisse der Überprüfungskommission gemäß § 19 NSG 1947 stützen. Im Allgemeinen ebnete das Ministerkomitee im Lauf der Jahre 1946 – 48 den überprüften Professoren durch zuerst semesterweise, schließlich dauernde Zustimmung zur Wiederindienststellung den Weg zurück an die Universität, so auch in den Fällen aller fünf außerordentlichen Professoren (siehe Tabelle 3, Spalte 2). Lediglich die Weiterbelassung des ordentlichen Professors für Romanistik Josef Huber lehnte das Komitee am 21. Oktober 1946 ab und versetzte diesen schließlich mit Ende Mai 1948 in den Ruhestand (siehe Kapitel 5.1). Hier begegnen wir also nach dem anfänglichen Impetus einem kritisch zu beurteilenden schrittweisen Einschwenken auf den Pfad der Amnestierung und Rehabilitierung, wie er sich in den Auswirkungen des NSG 1947 und in den Amnestiegesetzen 1948 und der Folgejahre zeigte. Eine interessante, in dieser Formulierung fast erheiternde positive Begründung findet sich in den Ministerkomitee-Akten des renommierten Slawisten Rudolf Jagoditsch.365 Dieser Wissenschaftler galt als bester Kenner der russischen Literatur außerhalb Russlands und trat konsequent für gute und aufmerksame Beziehungen zu den östlichen Nachbarländern ein. Ausgerechnet sieben Tage vor dem Überfall des 363 Schriftsatz »Verhältnis zur NSDAP« und Doppelbogen (Stempel: 18. 11. 1948), ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Karton 1 Höfler, o. Nr. 364 Doppelbogen (Stempel: 18. 11. 1948), ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Karton 1 Kralik., o. Nr. 365 Doppelbogen ohne Datum, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Karton 1 Jagoditsch, o. Nr.
112
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
Deutschen Reiches auf Polen, am 24. August 1939, übernahm er eine außerordentliche Professur für Slawische Literatur- und Kulturkunde. Seit 1943 wurde er durch den damaligen Dekan Marchet als »zu slawenfreundlich« zur Führung des Seminars für slawische Philologie nicht mehr zugelassen. Im Abschlussakt des Ministerkomitees vom November 1948 findet sich nun der lakonische und für die österreichische Bewusstseinslage erhellende Hinweis »von den Russen anerkannt«. In der letzten die behandelte Gruppe betreffenden Entscheidung vom 15. Juli 1949 formulierte das Ministerkomitee dann um die Faschismusproblematik elegant herum: »[G]egen die Verleihung des Titels eines ordentlichen Professors an den außerordentlichen Professor Dr. Nikolaus Hofreiter bestehen vom Standpunkt des staatsbürgerlichen Verhaltens keine wie immer gearteten Bedenken.«366
3.11 Zur Situation nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 Der Großteil der nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 registrierten Professoren der Philosophischen Fakultät fiel in die Gruppe der »Minderbelasteten«, nur noch vier davon in die der »Belasteten«, also 14 % oder ein Siebtel (siehe Tabelle 4). Eine Voruntersuchung nach § 8 Kriegsverbrechergesetz 1947 erfolgte nur im Falle des Urgeschichtlers Oswald Menghin (1956 eingestellt), der sich aber seltsamerweise nicht unter den Entlassenen, sondern unter den durch den Liquidator Enthobenen befindet (siehe Tabelle 2, Spalte 5). Menghin, von März bis Mai 1938 Unterrichtsminister unter Arthur Seyß-Inquart, hatte die Entlassung von Lehrenden jüdischer Abstammung und politisch Andersdenkenden im Frühjahr 1938 in entscheidender Position mitzuverantworten. Er war 1938 an die Universität zurückgekommen, hielt sich 1945/46 in einem amerikanischen Internierungslager auf und ging 1948 nach Argentinien. Aus der Gruppe der vom Staatsamt mit 6. Juni 1945 oder in der ersten Hälfte des Jahres 1946 Entlassenen bestätigte der Liquidator etwa die Entlassung des sich in Kössen in Tirol aufhaltenden altsemitischen Philologen Viktor Christian am 27. September 1948. Nach Bescheinigung der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel als Registrierungsbehörde war der letzte – wenn auch nur wenige Tage amtierende – nationalsozialistische Rektor der Wiener Universität in den Listen 1947 als »belastet« verzeichnet.367 Christian befand sich im Sommer 1947 in Haft, da wegen § 10 und § 11 des neuen Nationalsozialistengesetzes Ermittlungen gegen ihn im Gang waren. Am 22. Juli 1947 forderte das Landesgericht Wien vom Dekanat 366 Doppelbogen 15. 07. 1949, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Karton 1 Hofreiter, o. Nr. 367 Brief 27. 09. 1948, UAW, PHIL PA 1034, fol. 1.
Zur Situation nach dem Nationalsozialistengesetz 1947
113
seinen Personalakt an, zudem sollte dieses im März 1948 einen Zeugen für dessen wissenschaftliche Tätigkeit benennen.368 Auch gegen den ebenfalls als »belastet« eingestuften Literaturhistoriker Anton Pfalz – in der NS-Zeit Pressereferent der Fakultät – ermittelte das Landesgericht nach den gleichen Paragraphen (Handlungen für die NSDAP »aus besonders verwerflicher Gesinnung, die den Gesetzen der Menschlichkeit gröblich widersprechen«) und forderte dessen Personalakt an. Der Empfang von 42 Akten wird einen Monat später bestätigt.369 Bei drei ehemaligen Professoren dieser Gruppe wandelte der zuständige Vertreter des Liquidators, Sektionschef Skrbensky, die Entlassung in eine Enthebung ohne weitere Rechtsansprüche um.370 Dabei argumentierte Skrbensky, dass allfällige Rechtsansprüche des Enthobenen gegenüber dem Deutschen Reiche gegenüber der Republik Österreich nicht erhoben werden könnten, die Lage der Betroffenen sich also (vorerst) nicht ändere.371
Tabelle 4: Nach Nationalsozialistengesetz 1947 behandelte Professoren der Philosophischen Fakultät Behandlung nach Nationalsozialistengesetz 1947 Ordentliche Professoren (20, davon drei »belastet«) Christian
»belastet«, Entlassung bleibt aufrecht (27. 09. 1948), Ausnahme durch den Bundespräsidenten bewilligt (03. 03. 1950), Kündigung gegenstandslos Egger »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben (24. 07. 1947) Ehrenberg »minderbelastet«, Bestätigung vom 22. 03. 1948 »minderbelastet« (06. 09. 1948), durch den Bundespräsidenten von der Höfler Sühnepflicht befreit (26. 05. 1948) Huber »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben, in Enthebung ohne PensiAnton onsanspruch umgewandelt (23. 07. 1947) Kindermann »minderbelastet«, behandelt von der Zentralkommission zur Bekämpfung der nationalsozialistischen Literatur, Gutachten von Oskar Benda (29. 06. 1948) Kirsch »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben, unter Kürzung in den Ruhestand versetzt (23. 07. 1947) Knoll »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben und in den Ruhestand versetzt (31. 10. 1947) Kralik »minderbelastet«, Überprüfungskommission nach NSG 1947 beim BMU gestattet ihm eine Lehrkanzel für deutsche Sprache und Literatur an einer österreichischen Hochschule inne zu haben (26. 07. 1947) 368 369 370 371
Anforderungen 22. 07. 1947, ebd., o. Nr. und 18. 03. 1948, ebd., fol. 1. Anforderung 27. 08. 1948, UAW, PHIL PA 2872, fol. 1 und Liste 01. 10. 1948, ebd., fol. 4. Es sind dies Anton Huber, Georg Stetter und Gustav Ortner (siehe Tabelle 4). Mitteilung 23. 07. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Anton Huber, o. Nr.
114
Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
(Fortsetzung) Behandlung nach Nationalsozialistengesetz 1947 Lechner Leuchs Marchet Mayrhofer Karl Menghin Mewaldt Nadler Praschniker Sedlmayr Stetter Wild
Frauwallner Hofreiter Jagoditsch Kainz
Kofler Ortner Pfalz
»minderbelastet«, Gesuch seiner Witwe Emma Lechner um Ausnahme von den Sühnefolgen (30. 04. 1948) »minderbelastet«, Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten (12. 06. 1948) keine Angaben, wohl »belastet« »minderbelastet«, in den Ruhestand versetzt (31. 07. 1947) »belastet«, behandelt nach § 8 Kriegsverbrechergesetz 1947, Voruntersuchung im Oktober 1956 eingestellt keine Registrierungspflicht (Wien 8) (10. 09. 1947) von der Registrierung ausgenommen, behandelt von der Zentralkommission zur Bekämpfung der nationalsozialistischen Literatur (Auskunftsansuchen vom 11. 01. 1949) von der Registrierung ausgenommen (03. 09. 1947), Erkenntnis der Beschwerdekommission beim BMI372 Minderbelastet »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben, aber keine Ansprüche, Streichung von der Registrierungsliste (18. 10. 1950) »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben, aber keine Ansprüche (18. 02. 1947), Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten (22. 05. 1948) außerordentliche Professoren (10, davon einer belastet) »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben »minderbelastet« »minderbelastet« »minderbelastet«, Ausnahme von der Registrierung durch die Beschwerdekommission beim BMI abgelehnt. Überprüfungskommission nach NSG 1947 beim BMU gestattet ihm eine Lehrkanzel für Philosophie an einer österreichischen Hochschule inne zu haben (28. 07. 1947) »minderbelastet«, Witwe Olga Kofler sucht um Ausnahme von den Sühnefolgen an »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben, keine Ansprüche (06. 04. 1948) »belastet«, Entlassung bleibt aufrecht (07. 07. 1948), Entlassung aufgehoben, Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten (28. 04. 1949)
372 Beschwerdekommission beim Bundesministerium für Inneres nach § 19, Verordnung der Bundesregierung vom 10. März 1947 zur Durchführung des Verbotsgesetzes 1947. Überprüfung der Einsprüche nach § 7 NSG wegen der Aufnahme vermeintlich nicht Registrierungspflichtiger oder der Nichtaufnahme vermeintlich Registrierungspflichtiger.
Zur Situation nach dem Nationalsozialistengesetz 1947
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(Fortsetzung) Behandlung nach Nationalsozialistengesetz 1947 Rupprich
Steinhauser Wolfram
»minderbelastet«, Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten (05. 03. 1948), Überprüfungskommission nach NSG 1947 beim BMU gestattet ihm eine Lehrkanzel für deutsche Sprache und Literatur an einer österreichischen Hochschule inne zu haben (28. 07. 1947). »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben (07. 07. 1947) »minderbelastet«
In nicht weniger als sieben Fällen der Gruppe schließlich hob das Unterrichtsministerium (also nicht der Liquidator, wie oben) die seinerzeitige Entlassung auf und versetzte die Betroffenen, sämtlich »Illegale«, unter Kürzungen ihres Ruhegenusses in den Ruhestand.373 Es handelt sich um die ordentlichen Professoren Rudolf Egger (zum Zeitpunkt der Pensionierung 65 Jahre alt), Gerhard Kirsch (57), Fritz Knoll (64) und Karl Mayrhofer (48) wie auch um die außerordentlichen Professoren Erich Frauwallner (50), Alois Hajek (58) und Walter Steinhauser (62). Bei vier »Minderbelasteten« (Höfler, Leuchs, Wild, Rupprich, siehe Tabelle 4) bewilligte der Bundespräsident zwischen März und Juni 1948 gemäß § 27 des Nationalsozialistengesetzes 1947 die Ausnahme von den Sühnefolgen,374 schließlich auch bei den »Belasteten« Anton Pfalz (April 1949) und Viktor Christian (April 1950).375 Die nach § 19 NSG 1947 eingerichtete Überprüfungskommission beim Unterrichtsministerium – den Vorsitz hatte wiederum Sektionschef Skrbensky inne, »im Beisein« von fünf Universitätsprofessoren376 – gestattete es mit Erkenntnissen vom 26. bzw. 28. Juli 1947 drei Professoren (Kralik, Kainz, Rupprich, siehe Tabelle 4), Lehrkanzeln für deutsche Sprache und Literatur bzw. Philosophie an einer österreichischen Hochschule innezuhaben.
373 Ein Beispiel für einen solchen Bescheid 23. 07. 1947, UAW, PHIL PA 2188, fol. 148. Dieser Bescheid an Gerhard Kirsch ging an seine Adresse Bischofshofen, wo er in den Mitterberghütten arbeitete. Die Pensionierung erfolgte als ordentlicher Assistent, der Diensposten, den er am 13. 03. 1938 innehatte. 374 Zum Beispiel Rupprich Bescheid 22. 03. 1948, UAW, PHIL PA 4723, fol. 072. 375 Übermittelt durch den Liquidator, vgl. Schreiben 11. 04. 1950, UAW, PHIL PA 1034, fol. 2. Dazu kommen noch zwei Fälle, in denen die Witwen verstorbener Professoren um diese Ausnahme ansuchen: bei Alfred Lechner, gestorben am 17. Juni 1944, und Johann Kofler, gestorben am 20. März 1947 (siehe Tabelle 4). 376 Erkenntis 28. 07. 1947, UAW, PHIL PA 3101, fol. 034.
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Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
3.12 Pensionierungen Während der Jahre der Pensionierungen im Zuge der Entnazifizierung gingen auch Professoren aus der Gruppe der Nicht-Beanstandeten regulär mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand, nämlich die ordentlichen Professoren Wilhelm Havers, indogermanische Sprachwissenschaft, mit 71 Jahren (30. September 1950), Josef Keil, griechische Altertumskunde, mit 72 (ebenfalls 30. September 1950) und der außerordentliche Professor Eduard Haschek, Experimentalphysik, mit 71 (7. Juni 1946, verstorben am 16. Jänner 1947). Diese Professoren sind in Tabelle 5 nicht angeführt, sie geben aber einen Hinweis auf die Altersstruktur der beobachteten Gruppe. Universitätsprofessoren sind in der Regel keine ganz jungen Männer mehr. Sie vorzeitig in den Ruhestand zu versetzen, dazu noch mit Abstrichen beim Ruhegenuss, stellte also eine brauchbare – vielleicht sogar »typisch österreichische« – Sanktion der Entnazifizierung dar, ohne die Betroffenen gänzlich ihrer Lebensgrundlage zu berauben. Das letztere Problem stellte sich – soweit erkennbar – nur für den Kunsthistoriker Hans Sedlmayr (Jahrgang 1896), der erstens von der Sonderkommission I. Instanz mit der rigorosen Kürzung von 50 % in den Ruhestand versetzt worden war (siehe Kapitel 3.8), zweitens aber mit einer Dienstzeit von nicht einmal achteinhalb Jahren keine Pensionsberechtigung besaß, da die Anrechnung ab dem 13. März 1938 infolge der politischen Belastung unterblieb. Da man aber »jenes Maß von gesichertem geringen Unterhalt für den Genannten« erreichen wollte, »wie es dem Sonderkommissionssenate bei Ausspruch des Erkenntnisses vorgeschwebt ist«, erwog man im Einsichtswege eine gerade ausreichende Aufstockung der Dienstjahre aus der Zeit 1938 – 45.377 Nur wenige Jahre auf das reguläre Pensionsalter fehlten den wegen politischer Belastung vorzeitig pensionierten ordentlichen Professoren Wilhelm Bauer (2 fehlende Jahre), Viktor Christian (6), Rudolf Egger (6), Adolf Mayrhofer (6), Oswald Menghin (2), Johannes Mewaldt (5) und Dietrich Srbik (1). Aus dieser Gruppe fühlte sich etwa der Römische Altertumskundler Rudolf Egger nicht pensionsreif: Er begann sein Hauptprojekt, die keltisch-römische Stadt am Magdalensberg in Kärnten auszugraben, war dort 20 Jahre lang Forschungsleiter und bis unmittelbar vor seinem Tod im 88. Lebensjahr wissenschaftlich tätig (siehe Kapitel 5.6).
377 undatiertes Aktenstück, vermutlich Ende 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Sedlmayr, o. Nr.
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Pensionierungen
Tabelle 5: Versetzungen in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung an der Philosophischen Fakultät (22 Personen) Versetzungen in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung (22) Ordentliche Professoren (17) Bauer (69)378 Brunner (50) Christian (65) Egger (65) Ehrenberg (51)
Kürzung um 10 % (19. 06. 1946), Kürzung um 1/3 bis zum 70. Lebensjahr (06. 08. 1948) ohne Abzüge (26. 08. 1948) ohne Abzüge (24. 03. 1950)
Außerordentliche Professoren (5) Eibl (64)
ohne Abzüge (31. 05. 1946)
Frauwallner (50) Hajek (58)
ohne Abzüge (31. 06. 1948)
Kürzung um 1/3 bis zum 70. Pfalz (64) Lebensjahr (29. 09. 1947) Reduktion auf 150 Schilling Steinhauser (62) bis zum 60. Lebensjahr (11. 06. 1947) ohne Abzüge (31. 05. 1948)
als Assistent Reduktion auf 150 Schilling bis zum 60. Lebensjahr und für weitere 6 Jahre um 1/3 (11. 11. 1947) Ohne Abzüge (22. 08. 1949) Kürzung um 1/3 bis zum 70. Lebensjahr (07. 07. 1947)
Huber Josef (64) Kirsch (57) als Assistent Reduktion auf 150 Schilling bis zum 60. und um 1/3 bis zum 65 Lebensjahr (23. 07. 1947) Knoll (64) Kürzung um 1/3 bis zum 70. Lebensjahr (31. 10. 1947) Marchet (04. 10. 1951) (59) Mayrhofer Pensionierung auf eigenes Adolf (65) Ansuchen (28. 01. 1946) Mayrhofer Reduktion auf 150 Schilling Karl (48) bis zum 60. und um 1/3 bis zum 65. Lebensjahr (31. 07. 1947) Menghin Pensionierung in Abwesen(69) heit (Mai 1957) Mewaldt Pensionierung mit Redukti(66) on (30. 11. 1946), keine Abzüge nach 14. 11. 1947, da nicht mehr registrierungspflichtig
378 Alter bei Pensionsantritt. Das reguläre Pensionsantrittsalter lag bei 71 Jahren.
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Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
(Fortsetzung) Versetzungen in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung (22) Ordentliche Professoren (17) Nadler Sedlmayr (50) Srbik (70) Wild (60)
Außerordentliche Professoren (5)
1960 als »in Ruhe« bezeichnet 50 % Kürzung (31. 03. 1946), Reduktion auf 150 Schilling bis 1955 (04. 07. 1947) Kürzung um 1/3 bis zum 70. Lebensjahr (März 1948) ohne Abzüge (31. 05. 1948)
Die größere Gruppe der Zwangspensionierten hätte bis zum regulären Erreichen der Altersgrenze noch sieben bis 23 Dienstjahre vor sich gehabt (14 ordentliche und außerordentliche Professoren, siehe Tabelle 5). Die jüngsten davon waren also um die 50 Jahre alt (Otto Brunner, Ehrenberg, Karl Mayrhofer, Hans Sedlmayr und Erich Frauwallner). Dass vor allem für die jüngeren Professoren die Formel vom »dauernden« Ruhestand nicht galt, stellte sich im Verlauf weniger Jahre heraus.379
3.13 Wissenschaftliche Tätigkeit und Entnazifizierung Der Blick auf den nationalsozialistischen Gehalt in Schrifttum und Lehre der Männer der hier relevanten Gruppe spielte im Vorgang der Entnazifizierung eine unverhältnismäßig geringe Rolle, ja wurde dieser im Hinblick auf die zentrale Evidenz dieses Gesichtspunktes in grotesker Weise weggeschoben und vernachlässigt.380 Zwar hatten die »belasteten« Professoren sowohl in den Jahren 1938 – 45 immer 379 Stichworte zur wissenschaftlichen Tätigkeit im vorzeitigen Ruhestand liefert Tabelle 10. 380 Österreich stand damit nicht alleine da. Der öffentliche Ankläger von Speyer fragte etwa zum Fall des abgeschobenen und später sehr bekannten Philosophieprofessors Arnold Gehlen beim Philosophischen Dekanat der Universität Wien an, um Auskunft »über die privatpolitische Betätigung« Gehlens zu erhalten, ausdrücklich »n i c h t über seine Gelehrtentätigkeit« (Ersuchen 02. 12. 1947, UAW, PHIL PA 1726, fol. 44). Gehlens mit einer Stellungnahme betrauter ehemaliger Kollege Friedrich Kainz konnte sich allerdings nur dergestalt äußern, dass er die wissenschaftliche Tätigkeit wieder einbegreift: »Seine Äußerungen verrieten in keiner Weise parteigebundenes (…) Denken, vielmehr waren sie insgesamt getragen vom Geist eines philosophischen Freisinns« (Miteilung 10. 01. 1948, UAW, PHIL PA 1726, fol. 46). Mensch und Wissenschaftler lassen sich nicht trennen.
Wissenschaftliche Tätigkeit und Entnazifizierung
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wieder ihre Nähe zu herrschenden Wissenschaftsdoktrinen bekundet381 als auch in ihren Rechtfertigungsschreiben nach 1945 betont, die Position des verschwundenen Österreich in der NS-Zeit gelobt, geschont und gestützt zu haben.382 Den mit der Entnazifizierung betrauten Organen ging es jedoch ganz überwiegend nur um die äußeren Fakten NSDAP-Anwärterschaft, -Mitgliedschaft, »Illegalität«, finanzielle Zuwendungen, Parteiämter usw. Die Akten des Ministerkomitees zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen (vgl. Kapitel 3.9 und 3.10) enthalten zwar in den letzten Spalten ihrer Beurteilungsbögen allgemeine Angaben zur wissenschaftlichen Qualifikation des Überprüften (wie »fachlich anerkannt«, »bedeutendster Vertreter seines Gebiets in Österreich«, »er gilt als ausgezeichneter Lehrer«). Das höchste der Gefühle bezüglich Tendenz von Schriften und Lehre ist etwa die Angabe »von den Russen anerkannt« beim Slawisten Rudolf Jagoditsch (vgl. Kapitel 3.10). Nun wenden wir uns den wenigen Fällen zu, in denen wissenschaftliche Veröffentlichungen der Überprüften im Prozess der Entnazifizierung eine Rolle spielten. Wie oben dargelegt rehabilitierte das Unterrichtsministerium im Falle eines von Parteistellen massiv verfälschten und dem unbescholtenen Mittelalterforscher Leo Santifaller unter Druck abgepressten »Anschlussbuches«383 selbst den Beschuldigten rasch und auf gründliche Weise (vgl. Kapitel 3.3). Ebenfalls das Unterrichtsministerium übersandte am 12. Mai 1947 das Manuskript »Das aufsteigende Weltbild« von Hans Eibl, seit Mai 1946 pensionierter außerordentlicher Professor für Geschichte der Philosophie (vgl. Kapitel 3.6), an die Philosophische Fakultät, und zwar »mit dem Ersuchen um Beurteilung, vor allem in Hinblick auf allfällig vorhandenes Ideengut, das geeignet wäre, sich politisch auszuwirken.«384 Es ging also um eine geplante Veröffentlichung. Der mit der Begutachtung betraute Professor Viktor Kraft fand in der Schrift zwar viel christliche Metaphysik, aber »zur Politik hat es keine Beziehung (höchstens dass auf der letzten Seite (97) die Theorie von Marx abgelehnt wird).«385 Einen vergleichbaren Vorgang bildete die Übersendung des Manuskripts 381 So schrieb der über seine jüdische Großmutter unglückliche klassische Archäologe Camillo Praschniker in seinem persönlichen Brief an Adolf Hitler, er habe »in seiner Wissenschaft« die Kunstübung eines Volkes als Funktion seiner Rasse und seines Blutes erklärt (Brief ohne Datum, UAW, PHIL PA 2933, fol. 117) – etwa die frühgriechische Kunst. Siehe Einzelbiographie Camillo Praschniker, Kapitel 5.7.5. 382 Etwa Rudolf Egger : »Überschaue ich mein ganzes Leben«, so glaube ich »kein Österreicher bloss des Bekenntnisses, sondern einer der Tat zu sein« (Curriculum Vitae ohne Datum, UAW, PHIL PA 1528, fol. 68) oder Richard Wolfram: »trotzdem ging ich nicht ins Ausland, sondern hielt in Österreich aus, denn hier liegen die Wurzeln meines Seins (Curriculum Vitae 09. 12. 1945, UAW, PHIL PA 3769, fol. 165, 166). 383 Der Fall wurde durch Presseberichte ins Rollen gebracht (siehe SSP vom 19. 01. 1946, UAW, AS). 384 Ersuchen 12. 05. 1947, UAW, PHIL PA 1539: fol. 168. 385 Antwortschreiben 03. 06. 1947, ebd., fol. 169.
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Entnazifizierung – Philosophische Fakultät
»Atome und Strahlen« des als »Illegaler« entlassenen außerordentlichen Professors Gustav Ortner (siehe Kapitel 5.7.4) an das Rektorat der Universität Wien. Der Springer-Verlag hatte in dieser Sache beim Unterrichtsministerium nachgefragt und dieses führte aus: »Die Druckgenehmigung für das Werk würde nur erteilt werden, wenn seiner Arbeit besondere fachwissenschaftliche Bedeutung zukäme.«386 Die Stellungnahme durch »in Betracht kommende Fachprofessoren« des Dekanats liegt nicht vor, fiel aber offensichtlich positiv aus, da die Arbeit in Druck erschien. Das Dekanat der Philosophischen Fakultät war auch Anlaufstelle im Ersuchen des Landesgerichtes Wien in der Strafsache gegen den schwer NS-belasteten Professor für altsemitische Philologie und orientalische Archäologie Viktor Christian. Dieses sollte nun einen Zeugen namhaft machen, »welcher Angaben über die wissenschaftliche Tätigkeit des Beschuldigten während der nationalsozialistischen Zeit machen kann.«387 In seiner Antwort nannte der Dekan Herbert Duda den Professor für Ägyptologie und Afrikanistik Wilhelm Czermak.388 Das NSG 1947 sah die Schaffung einer Zentralkommission zur Bekämpfung nationalsozialistischer Literatur vor. Hier war – wir horchen auf – ein wirksames Instrument in Sicht, die Verquickung der Wiener Professorenschaft mit dem Nationalsozialismus von der Seite ihres spezifischen und wesentlichsten Einflusses her zu beleuchten und zu gewichten. Die Achse Unterrichtsministerium – Philosophisches Dekanat, die wir bisher in diesem Kapitel beobachtet haben, blieb erhalten: Die Zentralkommission wurde im Unterrichtsministerium angesiedelt und rekrutierte ihre Gutachter immer wieder – wie im Fall Kindermann – aus den Reihen der Philosophischen Fakultät. Doch diese Zentralkommission blieb für die Entnazifizierung unserer Gruppe seltsamerweise eine Randerscheinung. Nur mit zwei der 53 Betroffenen – nicht einmal 4 % – befasste sie sich: mit dem Literatur- und Theaterwissenschaftler Heinz Kindermann und dem Literaturhistoriker Josef Nadler. Dabei scheiterte sie im ersten Fall, der nach Lage der Dinge eine dauernde Verhinderung Kindermanns an der Universität zur Folge haben hätte müssen, nach Anfangserfolgen sang- und klanglos. Wie in den Streiflichtern (Kapitel 5.3) und oben (Kapitel 3.7) ausführlicher dargestellt, legte der erste Gutachter der Zentralkommission, der ordentliche Professor Oskar Benda, wissenschaftlichen Wert, Art und Gesinnung der Schriften Kindermanns in entlarvender Weise bloß, wobei hier besonders darauf hinzuweisen ist, dass Benda die Betrachtung und Begutachtung sämtlicher Schriften des Beschuldigten aus der Zeit bis 1945 – sie sind zahlreich – forderte.389 386 387 388 389
Ersuchen 10. 05. 1946, UAW, PHIL PA 2789, fol. 103. Ersuchen 18. 03. 1948, UAW, PHIL PA 1034, fol.1. Antwortschreiben 06. 04. 1948, ebd., fol. 2. Gutachten 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168. Gerade weil sie nur wenige – von
Wissenschaftliche Tätigkeit und Entnazifizierung
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Die Zentralkommission verwies nun darauf, dass nur ein Werk Gegenstand der Überprüfung sein könne und zog einen zweiten Gutachter heran. In der Folge verlief die Überprüfung Kindermanns im Sande – oder wurde möglicherweise gezielt zum Stillstand gebracht. Im zweiten Fall ersuchte der Vorsitzende der Zentralkommission zur Bekämpfung der NS-Literatur Josef Bick das Philosophische Dekanat, ihm alle Aktenstücke, »die sich auf den Konflikt Nadlers mit der NSDAP beziehen« zur Verfügung zu stellen, da sich seine Kommission »seit einiger Zeit mit dem bekannten Fall Professor Nadler« befasse.390 Um einen »bekannten Fall« handelte es sich tatsächlich: waren Srbik und Nadler doch wiederholt als »Galionsfiguren« der NSGeschichts- und Literaturwissenschaft« präsentiert worden. Doch bestand auch ein tiefliegender Konflikt zwischen Nadler und der NSDAP-Ideologie: Adolf Hitler hatte sich vehement gegen eine Betonung stammlicher und landschaftlicher Verschiedenheiten im deutschen Volke ausgesprochen, wie sie Josef Nadler in seiner Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften unternommen hatte. Von Hitler ist hierzu folgendes Zitat überliefert: »Ich kenne keine deutschen Stämme mehr, ich kenne nur noch Deutsche.« Das ist die Wurzel dieses Konflikts, dass sich das Ähnliche als der größte Feind des Gleichen erweist. Übrigens kehrte der am 4. August 1945 vom Dekanat enthobene und in der Folge pensionierte Nadler nicht mehr an die Universität zurück. Wendelin SchmidtDengler schreibt: »Mit dem Frühjahr 1945 war die Ära Nadler zu Ende; das Vorlesungsverzeichnis vom Sommer 1945 führt seinen Namen nicht mehr und sollte ihn nie wieder führen, obwohl Nadler noch bis 1963 in Wien oder Baden bei Wien lebte und durch einige Publikationen hervortrat.«391
Kindermann ausgesuchte – Fragmente heranzog, sei die Sonderkommission I. Instanz in diesem Fall zu einer Fehlbeurteilung gelangt. 390 Ersuchen 11. 01. 1949, UAW, PHIL PA 2713, fol. 101. 391 Schmidt-Dengler, Germanistik, 2005, S. 212.
4
Der entnazifizierte Teil der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät in der Zeit der Amnestien und der Rehabilitierung
4.1
Eine zweite Karriere
Von den 53 entnazifizierten Professoren der Philosophischen Fakultät machten nicht weniger als 35, das sind zwei Drittel, eine zweite Karriere an einer in- oder ausländischen Universität oder Hochschule (siehe Tabelle 6 und Tabelle 7).392 18, ein gutes Drittel, taten dies an der Universität Wien. Das letzte Drittel verblieb entweder – aus Altersgründen – tatsächlich in der Pension, betätigte sich wissenschaftlich auf Dauer im außeruniversitären Bereich oder – es waren erstaunlich wenige – musste in die Privatwirtschaft gehen (siehe Tabelle 8 und Tabelle 9). Werfen wir zuerst einen Blick auf die Universität Wien, so erreichten bis Ende der 50-er Jahre 15 Wissenschaftler (28 % der Entnazifizierten) wieder den 1944 innegehabten Status als ordentlicher bzw. außerordentlicher Professor. Bei neun von ihnen kann man nur bedingt von einer »zweiten« Karriere sprechen. Es sind dies die schon 1948 und 1949 (wieder-)ernannten Professoren (siehe Tabelle 6). Hier beobachten wir eine nicht – oder nur kurz – unterbrochene Lehrtätigkeit,393 die nach günstiger Beurteilung durch die Sonderkommission I. Instanz (siehe Kapitel 3.7) und nach zuerst semesterweiser, schließlich dauernder Weiterbelassung durch das Ministerkomitee zur Säuberung von Nazielementen394 (siehe Tabelle 3, Spalte 2 und Kapitel 3.9 und 3.10) schließlich zur (Wieder-)Ernennung zum Professor führte. Bei dem am 7. September 1949 verstorbenen Kurt Leuchs stand der Akt der (Wieder-)Ernennung unmittelbar bevor, er wird daher bei den neun Personen mit zweiter Karriere mitgezählt (siehe Kapitel 6.3). Aber auch der 1939 zum außerordentlichen Professor ernannte Arabist Johann Kofler befand 392 Die Professoren Sedlmayr und Ortner lehrten sowohl im In-, als auch im Ausland. 393 Z. B. Jagoditsch und Kainz. 394 Zynisch ausgedrückt könnte man in unserem Bereich statt von einem »Ministerkomitee im Bundeskanzleramt zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen« eher von einem »Ministerkomitee zur Weiterbelassung von Nazielementen« sprechen.
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Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
sich auf dem Weg dorthin, als er im März 1947 im Alter von nur 51 Jahren starb (siehe Tabelle 6). Sechs Professoren des Lehrkörpers 1944 erfuhren – oder hier besser : erreichten – ihre (Wieder-)Ernennung erst mit zeitlichem Abstand in den Jahren zwischen 1953 und 1959. Fünf davon waren 1945/46 vom Staatsamt bzw. BMU als »Illegale« entlassen worden,395 der sechste, Heinz Kindermann, betrieb trotz erheblicher spezifischer Belastung seine Karriere mit erstaunlicher Unverfrorenheit (siehe Kapitel 3.7 und Kapitel 5.3). Es sei noch angemerkt, dass alle sechs (wieder-)ernannten außerordentlichen Professoren ihre »zweite« Karriere nach einigen Jahren mit der Ernennung zum ordentlichen Professor fortsetzen konnten.
Tabelle 6: Professoren der Philosophischen Fakultät, die ihre Karriere an der Universität Wien oder einer anderen österreichischen Universität oder Hochschule fortsetzen konnten (21 Personen) Ordentliche Professoren (11) Wiederverleihung der venia legendi (1953), Lehrauftrag für Höhlenkunde (1954), »Professor ad personam« (1959) Höfler (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. (30.04.1949), Emeritierung (1964) Kindermann Ernennung zum ao. (13. 03. 1954) und o. Prof. (11. 02. 1959), Emeritierung mit 30. 06. 1970 Kralik im Wintersemester 1948/49 im Vorlesungsverzeichnis wieder mit vollem Namen genannt, (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. (09. 06. 1949), Emeritierung mit Bestellung als Honorarprof. bis zur Ernennung eines Nachfolgers (30. 06. 1955) Leuchs Enthebung durch das Ministerkomitee aufgehoben, gegen die dauernde Weiterverwendung kein Einwand erhoben (04. 07. 1949), Überleitungsakt an das Finanzministerium (29. 07.1949) und das Bundeskanzleramt weitergeleitet (10.09. 1949), verstorben am 07. 09. 1949 Mayrhofer Wiederverleihung der venia legendi (1954), Ernennung zum Dozenten (20. Karl 12. 1954) bzw. zum o. Prof. (19.09.1957) Praschniker (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. (25.05.1948) Santifaller Wiederindienststellung (27. 05. 1946), (Wieder-)Ernennung zum o. Prof (06. 06. 1948), Emeritierung (1962) Sedlmayr Gastprof. an der Universität Salzburg, Honorarprof. ebd (1964) Stetter (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. (27.04.1953), Emeritierung (30. 09. 1967) Wild Lehrauftrag (1950), Ernennung zum Honorarprof. (14. 06. 1952), (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. (19. 03. 1955), Emeritierung (11. 06. 1959), Ehrenjahr (1959/60), Suppliertätigkeit (1960/61) Ehrenberg
395 Richard Wolfram mitgerechnet, der obwohl »Illegaler« am 17. Mai 1945 vom Staatsamt nur enthoben worden war (siehe Tabelle 2, Spalte 4).
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Eine zweite Karriere
(Fortsetzung) Außerordentliche Professoren (10) Frauwallner Gröbner Hajek Hofreiter Jagoditsch Kainz
Kofler Ortner Rupprich Wolfram
Wiederverleihung der venia legendi als Privatdozent (März 1952), (Wieder-) Ernennung zum ao. (14. 03.1955) bzw. zum o. Prof. (29. 02. 1960), Emeritierung (31. 12. 1963) o. Prof. an der Universität Innsbruck (12. 04. 1947), Dekan ebd. (1949/50), Emeritierung (1970) Hochschulassistent (01. 03. 1949), Wiederverleihung der venia legendi (30. 01. 1950), zweiter (dauernder) Ruhestand (31. 12. 1954), Vorlesungstätigkeit bis Wintersemester 1956/57 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit im Wintersemester 1946/47, (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. (01. 07. 1948) bzw. zum o. Prof. (16.02.1954), Dekan (1963/64), Rektor (1965/66), Emeritierung (1974) ohne jegliche Unterbrechung weiterhin gelehrt (trotz Enthebung, eigene Angabe), (Wieder-)Ernennung zum ao. (21. 01. 1949) bzw. zum o. Prof. (21. 01. 1952), Emeritierung (30. 09. 1963) in jedem Semester gelesen, mit Ausnahme eines Teiles des Sommersemesters 1946 (da als Anwärter enthoben, eigene Angabe), (Wieder-)Ernennung zum ao. Prof. für Allgemeine Kunstwissenschaft (19.05. 1949) bzw. zum o. Prof. für Philosophie (27. 04. 1950), Emeritierung (1968), Vorlesungstätigkeit bis Sommersemester 1970 durch das Ministerkomitee semesterweise zur Weiterverwendung zugelassen (bis 28.04.1947), verstorben am 20. 03. 1947 Wiederverleihung der venia legendi (März 1955), Ernennung zum o. Prof. an der Technischen Hochschule Wien (1960) (Wieder-)Ernennung zum ao. (11.01.1949) bzw. zum o. Prof. (01. 01. 1952), Emeritierung (30. 09.1970), Suppliertätigkeit bis zu seinem Tode (03. 01. 1972) Wiederverleihung der venia legendi als Dozent (17. 06. 1954), (Wieder-) Ernennung zum ao. (22. 11.1959) bzw. zum o. Prof. (13. 05. 1963)
Die Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren hatte als moralische Instanz in der ersten Hälfte des Jahres 1946 drei Professoren die geforderte Gewähr abgesprochen, »jederzeit rückhaltlos« für die Unabhängigkeit Österreichs einzutreten und sie pensioniert (siehe Kapitel 3.8). Von diesen verblieb der schon nahe der regulären Emeritierung stehende Historiker Wilhelm Bauer in der Pension und trat nur mehr mit einem Nachruf auf den ebenfalls zwangspensionierten und 1951 verstorbenen Starhistoriker Heinrich Srbik hervor. Von den beiden anderen, wesentlich jüngeren Professoren – beide Jahrgang 1896 – erhielt der Paläontologe Kurt Ehrenberg 1954 wieder einen stundenmäßig begrenzten Lehrauftrag für Höhlenkunde – auf diesem Spezialgebiet galt er als unersetzbar – an der Universität Wien, der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr – in der Nachkriegszeit als Kritiker der Moderne bekannt – erhielt nach seiner Emeritierung an der Universität München 1964 eine Honorarprofessur an der Universität Salzburg.
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4.2
Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
Karrieren im Ausland – die Österreicher
Sedlmayr – ab 1951 ordentlicher Professor in München – war nicht der einzige Österreicher mit politischer Belastung, der nach dem Krieg im Ausland seine akademische Karriere fortsetzen konnte. Der ebenfalls »frühpensionierte« Sozialhistoriker Otto Brunner wurde 1954, zu diesem Zeitpunkt 56 Jahre alt, als ordentlicher Professor nach Hamburg berufen während es zwei ehemalige Professoren der Philosophischen Fakultät österreichischer Herkunft an Universitäten anderer Kontinente verschlug. Nach Argentinien floh 1948 der schwer NS-belastete Kurzzeit-Erziehungsminister der Regierung Seyß-Inquart, der aus Meran stammende Oswald Menghin (siehe Kapitel 3.11), der dort seine wissenschaftliche Tätigkeit als Urgeschichtler wieder aufnahm und – nach einer Honorarprofessur an der Universität La Plata – 1968 ordentlicher Professor der Universität Buenos Aires wurde.396 Ebenfalls nach Argentinien, der Zuflucht zahlreicher Nationalsozialisten, ging übrigens auch Menghins Kollege in Wien, der »reichsdeutsche« romanistische Philologe Gerhard Moldenhauer, der 1957 ordentlicher Professor an der Universität Rosario wurde. Der zweite österreichische Professor auf einem anderen Kontinent, der 1900 in der Steiermark geborene Physiker Gustav Ortner, lehrte von 1950 bis 1954 als ordentlicher Professor an der Universität Kairo, ehe er wieder nach Österreich zurückkehrte und hier noch bemerkenswerte Karriereschritte setzte (siehe Kapitel 5.7.4). Hans Koch, Osteuropahistoriker altösterreichischer Herkunft, begab sich schließlich, nachdem er sieben Jahre lang als Landpastor in der Steiermark untergetaucht war und ukrainische Lyrik übersetzt hatte, nach München und wurde 1954 Direktor an der dortigen Hochschule für Politik (siehe Kapitel 3.3 und 5.7.2, Tabelle 7 und Tabelle 8). Als letzter dieser nationalsozialistisch »belasteten« österreichischen Professoren der Philosophischen Fakultät der Universität Wien, die im Ausland Karriere machten – sie umfasst immerhin sechs Namen und somit gut 11 % der von der Entnazifizierung erfassten Professoren – sei der Tiroler Gunther Ipsen genannt, von dem in Kapitel 5.4 ausführlicher die Rede ist (siehe auch Kapitel 3.4). Ipsen, vom Liquidator zu den Ausländern gezählt und mit 23. August 1945 außer Dienst gestellt (siehe Tabelle 2), kehrte zwar nach seiner Ausweisung aus Österreich noch für einige Jahre nach Tirol zurück, konnte aber im Inland nicht mehr Tritt fassen und blieb schließlich in der Bundesrepublik Deutschland (BRD), wo er von 1951 bis 1961 Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle an der Universität Münster in Dortmund war. Seine wissenschaftlichen Veröffentlichungen im Dritten Reich hatten 1933 396 Im gleichen Jahr brach sein ehemaliges Dekanat in Wien das Schweigen und gratulierte zum 80. Geburtstag, wobei bedauert wurde, »dass Sie durch besondere Umstände so ferne von uns weilen« (Glückwunschschreiben 10. 04. 1968, UAW, PHIL PA 2617, fol. 101).
Karrieren im Ausland – die Österreicher
127
mit dem Beitrag »Blut und Boden« begonnen und 1944 mit der »Naturgeschichte des deutschen Volkes« geendet – es bleibt der eigenen Beurteilung überlassen, wie sein Plädoyer »für Enthaltsamkeit allem Ideologischen gegenüber« bei der Gründung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 1957 zu werten ist.397 Der Tiroler Soziologe wurde in Westdeutschland zwar nicht mehr ordentlicher Professor, kam dem aber sehr nahe: Er konnte den Titel »emeritierter Professor zur Wiederverwendung« führen und erhielt als Emeritierter 1962 – 1965 einen Lehrauftrag an der Universität München (siehe Tabelle 7). Tabelle 7: Karriere entnazifizierter Professoren der Philosophischen Fakultät an ausländischen Universitäten und Hochschulen (16 Professoren) Ordentliche Professoren (13)
Österreicher (5) Brunner o. Prof. an der Universität Hamburg (1954 – 1968), Rektor (1959/60) Koch Direktor an der Hochschule für Politik in München (1954) Ipsen Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle der Universität Münster in Dortmund (1951 – 1961), emeritierter Prof. »zur Wiederverwendung« an der Universität Münster (1959), Lehrauftrag an der Universität München (1962 – 1965) Menghin Hon.-Prof. an der Universität La Plata (Argentinien) (1960), 1961 Titularprof. an der Universität Buenos Aires (1961), o. Prof. an der Universität Buenos Aires (Museo Etnografico) (1968) Sedlmayr 1951 o. Prof. an der Universität München, 1964 Emeritierung Deutsche (8) Baumann o. Prof. an der Universität München (1955 – 1972) Buddenbrock o. Prof. an der Universität Mainz (1946 – 1954) Fues o. Prof. an der Universität Stuttgart (1947 – 1960) Gehlen o. Prof. an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer (1947 – 1961), Rektor (1951 – 1953), o. Prof. an der Technischen Hochschule Aachen (1961 – 1969) Liewehr o. Prof. an der Universität Greifswald (1954), Dekan ebd. (1956), Emeritierung (1964) Moldenhauer Lehrauftrag an der Universität Buenos Aires (1949), Vertragsprof. an der Universität Rosario (Argentinien) (1950), o. Prof. an der Universität Rosario (1957), Emeritierung in Wien unmöglich, wahrscheinlich in der BRD 1960 emeritiert Schütte Dozent an der Universität München, tit. aplm. ao. Prof. an der Universität München (1951), Emeritierung (1970) Weber Lehrauftrag an der Universität Marburg (1954 – 1956) 397 vgl. Carsten Klingemann, Symbolische Verschmelzung: Volksgemeinschaft – Soziologie – Sozialgeschichte. In: Lutz Raphael (Hrsg.), Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte: Die Anfänge der westdeutschen Sozialgeschichte 1945 – 1968 (Leipzig 2002), S. 34 – 62, hier 54.
128
Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
(Fortsetzung) Außerordentliche Professoren (3)
Österreicher (1) Ortner o. Prof. an der Universität Kairo (1950 – 1954) Deutsche (2) Rubin Lehrauftrag an der Universität Erlangen (1957), o. Prof. an der Universität Köln (1960), wegen rechtspopulistischer Aktivitäten suspendiert (1968) Wichmann Lehrauftrag an der Universität Tübingen in den 1950-er Jahren, Pensionierung in Tübingen (1961)
4.3
Karrieren im Ausland – die »reichsdeutschen« ordentlichen Professoren
13 »echte reichsdeutsche« Professoren – wenn wir Ipsen hier weglassen – wurden im August 1945 außer Dienst gestellt und aus Österreich ausgewiesen, nämlich neun ordentliche und vier außerordentliche. Von den neun ordentlichen Professoren fassten nicht weniger als acht wieder an Universitäten Fuß (sieben an westdeutschen, einer an einer argentinischen) – das entspricht 89 % dieser Gruppe. Sechs (oder zwei Drittel) der Wissenschaftler wurden wieder ordentliche Professoren, nämlich der Zoologe Wolfgang Buddenbrock bereits 1946 in Mainz, der Physiker Erwin Fues und der Philosoph Arnold Gehlen 1947 in Stuttgart bzw. an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der Slawist Ferdinand Liewehr in Greifswald, der Völkerkundler Hermann Baumann 1955 in München, schließlich der Romanist Gerhard Moldenhauer im argentinischen Rosario. Liewehr brachte es an seiner Universität zum Dekan, Gehlen an seiner Hochschule zum Rektor. Kontrastreich verlief der Lebensweg des zweiten Ordinarius der Anglistik an der Wiener Universität, des im April 1940 vertretungsweise ernannten Georg Weber.398 Seit dem 1. Mai 1933 NSDAP-Mitglied, war er in Institut und Hörsaal als forscher Nationalsozialist aus dem »Altreich« aufgetreten und hatte die Gelegenheit nicht versäumt »Österreich und die Österreicher herabzusetzen«. Aufgrund dessen war es schon im Herbst 1940 in öffentlicher Vorlesung zu einem heftigen Zusammenstoß mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts, Oskar Bock, gekommen.399 Weber, der im Frühling 1945 in Wien blieb 398 Beauftragung 05. 04. 1940, UAW, PHIL PA 3671, fol. 3. 399 Rechtfertigungsschreiben ohne Datum, UAW, PHIL PA 3730, fol. 227. Bock, engagierter Antifaschist (schließlich nahm er im Herbst 1944 eine radikal-sozialistische Wider-
Karrieren im Ausland – die »reichsdeutschen« ordentlichen Professoren
129
und am 8. Mai den Fragebogen der Universität ausfüllte – nun, ohne umzuziehen, nicht mehr am Hermann-Göring-Platz, sondern am Freiheitsplatz wohnend400 – erfuhr die Behandlung der nach dem 13. März 1938 ernannten »reichsdeutschen« Professoren und erhielt damit das Ausweisungsdekret. Wir finden den nationalen Anglisten für die nächsten sieben Jahre aber nicht in Westdeutschland, sondern in einer Verwaltungstätigkeit bei der amerikanischen Besatzungsmacht in Österreich, ehe er – etwa zeitgleich mit Hans Koch – in die Bundesrepublik ging und von 1954 bis 1956 einen Lehrauftrag an der Universität Marburg an der Lahn erhielt. Am Rande bzw. außerhalb der Universität gestaltete sich nach 1945 das Fortkommen der beiden 1940 nach Wien berufenen Astronomen, des Holsteiners Karl Schütte und des aus der Nähe von Bayreuth stammenden und auch wissenschaftspolitisch regsamen Bruno Thüring. Beide waren während der Kriegsjahre an der Universität kaum präsent gewesen. So finden wir etwa Schütte im Sommer 1944 an der Marine-Peilhauptstelle der deutschen Seewarte in Neumünster. Thüring, 1930 im Alter von 25 Jahren der NSDAP beigetreten und 1949 glimpflich entnazifiziert,401 war wissenschaftlich zu kompromittiert, um noch an einer Universität seinen Dienst aufzunehmen402 und betrieb in Karlsruhe ein eigenwilliges privates Forschungsbüro, das zwischen Mathematik, Astronomie und Astronautik angesiedelt war. Noch einprägsamer mit Astronautik befasste sich in den 1950-er Jahren Karl Schütte. Er war von 1952 bis 1955 Vorsitzender der Bundesdeutschen Gesellschaft für Weltraumforschung und brachte 1958 das Taschenbuch »Die Weltraumfahrt hat begonnen« heraus, das dieses Thema erstmals im deutschen Sprachraum umfassend behandelte. Ebenso populärwissenschaftlich wirksam waren seine in der weit verbreiteten Kosmos-Sachbuchreihe erschienen Bücher wie etwa »Welcher Stern ist das?« (1955, weitere Auflagen bis 1988). Schütte war Dozent an der Universität München, ab 1951 außerplanmäßiger außerordentlicher Professor und emeritierte 1970.
standsgruppe in seinen Räumen auf), setzte sich gleich nach dem Krieg in zuverlässiger und nachvollziehbarer Weise für den ersten Ordniarius der Anglistik, Friedrich Wild, ein und zeichnete dabei ein ungünstiges Bild Georg Webers als nationalsozialistischen und antisemitischen Hetzer (ebd., fol. 219 und 225 – 232, zu Weber besonders 227 – 229). 400 Personalblatt 08. 05. 1945, UAW, PHIL PA 3671, fol. 1. 401 Bayrisches Spruchkammerverfahren vom März 1949 »minderbelastet und Mitläufer«, ein Jahr Bewährung, 500 DM Sühne, das Gericht erklärte sich bei einem wissenschaftlichen Streit als nicht zuständig (vgl. Michael Eckert, Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die »Deutsche Physik«. In: Dieter Hoffmann, Mark Walker (Hrsg.), Physiker zwischen Autonomie und Anpassung (Weinheim 2007), S. 139 – 172, hier 164ff). 402 Vgl. Alan D. Beyerchen, Wissenschaftler unter Hitler. Physiker im Dritten Reich (Köln 1980), S. 265; zu Thüring siehe Kapitel 5.2.
130
4.4
Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
Die »reichsdeutschen« außerordentlichen Professoren
Wesentlich uneinheitlicher war das Schicksal der vier außer Dienst gestellten »reichsdeutschen« planmäßig außerordentlichen Professoren Karl Kurth, Jörn Lange, Berthold Rubin und Ottomar Wichmann (siehe Tabelle 2, Spalte 6). Jörn Lange, der 1942 eine Einführung in die physikalische Chemie publiziert hatte, bezahlte seinen fanatischen Einsatz für die »Verbrannte Erde«-Strategie des Dritten Reiches Anfang 1946 mit dem Leben (siehe Kapitel 3.5). Der erst im Mai 1943 für Balkankunde nach Wien berufene Althistoriker Berthold Rubin403 wandte sich 1945 nach Kriegsdienst und Gefangenschaft nicht nach Wien, sondern nach Berlin, um seine Arbeit über Justinian fortzusetzen. 1957 erhielt er einen Lehrauftrag an der Universität Erlangen und wurde 1960 als Einziger dieser Vierergruppe ordentlicher Professor (an der Universität Köln), allerdings acht Jahre später wegen rechtspopulistischer Aktivitäten suspendiert: Er hatte sich politisch und aktionistisch zunehmend in Richtung Rechtsextremismus bewegt und inszenierte etwa Anfang der 1970-er Jahre seine eigene Entführung, die der linken Szene angelastet werden sollte. Die Aktion trug ihm sechs Monate Haft ein. Fast gleichaltrig mit Rubin und nur rund ein Jahr früher berufen404 war der Zeitungswissenschaftler Karl Kurth. Er leitete offiziell – inoffiziell schon seit Wintersemester 1941/42 – ab Mai 1942 das neueröffnete Institut für Zeitungswissenschaft der Universität, definierte »in beklemmender Instrumentalisierung« sein Fach als »Führungswissenschaft«,405 rückte aber schon im Oktober des gleichen Jahres – nach freiwilliger Meldung zum Dienst in einer Propagandakompanie – zur Wehrmacht ein.406 In Wien erfolgte seine Grundausbildung zum Funker, den Lehrgang für Reserveoffiziersbewerber – Voraussetzung für den aktiven Einsatz in einer Propagandakompanie – musste er aber bereits im März 1944 aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Während er sich intensiv bemühte eine UK-Stellung zu erreichen, konnte er das Institut ins seinen Ausgangszeiten bzw. in mehreren Arbeitsurlauben weiter mitbetreuen, Lehr403 Ernennung 08. 05. 1943, UAW, PHIL PA 3090, fol. 006. Rubin war mit Jahrgang 1911 der jüngste der befassten Gruppe der Wiener Professoren (er starb 1990), ein Jahr älter war der Zeitungswissenschaftler Karl Kurth. Die ältesten Professoren waren mit Geburtsjahr 1875 der Experimentalphysiker Eduard Haschek und mit Geburtsjahr 1877 der Historiker Wilhelm Bauer und der Geograph Hugo Hassinger. Zwischen Haschek und Rubin liegen also 36 Jahre. 404 Ernennung (mit Wirkung 01. 03. 1942) 05. 05. 1942, UAW, PHIL PA 2392, fol. 2. 405 Vgl. Wolfgang Duchkowitsch, Zeitungswissenschaft »an der schönen heimatlichen Donaustadt«. Aufbau, Errichtung und Funktion des Wiener Instituts für Zeitungswissenschaft. In: Heiss u. a., Willfährige Wissenschaft, 1989, S. 155 – 178, hier : S. 171. 406 Ersuchen 26. 10. 1943, UAW, PHIL PA 2392, fol. 3. Zu den Motiven für diesen Schritt Kniefacz, Wiener »Schule«, 2011, S. 125 f.
Die »reichsdeutschen« außerordentlichen Professoren
131
veranstaltungen (geblockt) abhalten und fünf Doktorandinnen und Doktoranden promovieren (zuletzt noch im Jänner 1945).407 Als Gefreiter und Oberfunker wurde Kurth schließlich an die Südostfront abkommandiert. Im September 1945 ließ er sich (nach kurzer Gefangenschaft) in Wöllmarshausen nahe Göttingen nieder und war im November dieses Jahres noch einmal kurz in Wien, um seine persönlichen Besitzstücke an sich zu nehmen, die seine Familie bei ihrer Flucht im April in der Wohnung am Institut zurückgelassen hatte. Kurths Rechtfertigungsstrategien zu seiner eigenen NS-Involvierung beleuchtet eine späte umfangreiche Schrift vom Herbst 1959 »Aufzeichnung über politische Maßnahmen des NS-Dozentenbundes gegen den Unterzeichneten«.408 Kurth kehrte darin seine politische Rolle im Nationalsozialismus um und mutierte vom Propagator einer Umgestaltung der Zeitungswissenschaft in eine »Propagandawissenschaft« zum politischen Opfer des NSDDB, da er gegen eben diese Umgestaltung Widerstand geleistet habe.409 In seiner beruflichen Karriere ab 1945 lassen sich allerdings Anknüpfungspunkte an seine wissenschaftliche Tätigkeit im NS-Staat erkennen: Während ein Beleg für Lehre und Forschung an einer Universität fehlt, arbeitete er ab 1949 im als revisionistisch eingestuften »Göttinger Arbeitskreis« mit, in dem besonders ehemalige Hochschullehrer aus den früheren deutschen Ostgebieten an einer Reaktivierung der Ostforschung arbeiteten. Kurth betätigte sich nun wissenschaftlich und publizistisch im Dienste einer »Vertriebenenforschung« und gab etwa das »Handbuch der Presse der Heimatvertriebenen« heraus.410 1960 wurde er Mitarbeiter des Lektorats »Auslandspresse« im Pressezentrum des Bundesministeriums für Verteidigung und avancierte dort zum Regierungsdirektor.411 Nach einer Intervention der obersten SA-Führung beim Reichserziehungsministerium412 im März 1939 war der Philosoph, Pädagoge und SA-Scharführer Ottomar Wichmann im Oktober des gleichen Jahres zum planmäßig außerordentlichen Professor für »Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Pädagogik« an der Universität Wien bestellt worden.413 Ab dem Frühjahr 1945 lange Zeit als freiberuflicher Schriftsteller tätig, erhielt er in den 1950-er Jahren einen Lehrauftrag an der Universität Tübingen. 1961 pensioniert brachte er 1966 das Buch »Platon – ideelle Gesamtdarstellung und Studienwerk« heraus. Wichmann starb 1973 in Kalkutta. 407 408 409 410 411 412
Zu Personen und Dissertationen umfassend Kniefacz, Wiener »Schule«, 2011, S. 103 – 124. Ebd. S. 138ff und dortige Fußnote 337. Ebd. S. 139 – 141, Schilderung der tatsächlichen Umstände und Weiterungen. Ebd. S. 142. Vgl. Duchkowitsch, Zeitungswissenschaft, 1989, S. 171. Vgl. George Leaman, Heidegger im Kontext. Gesamtüberblick zum NS-Engagement der Universitätsphilosophen (= Argument Sonderband, Hamburg/Berlin 1993), S. 87. 413 Ernennung 22. 11. 1939, UAW, PHIL PA 3718, fol. 002.
132
4.5
Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
Karrieren im außeruniversitären Bereich
Zwangsläufig setzten einige der 53 ns-belasteten Professoren der Philosophischen Fakultät ihr berufliches Schaffen außerhalb der Akadmia fort, schlugen also – zumindest vorläufige – Wege in den außeruniversitären Bereich oder in die Privatwirtschaft ein. Auf die Leitung wissenschaftliche Ausgrabungen spezialisierten sich die beiden Österreicher unter den ordentlichen Professoren dieser Gruppe: Rudolf Egger tat dies auf dem Magdalensberg in Kärnten (siehe ausführlich Kapitel 5.7.2), während Kurt Ehrenberg für paläothologische Forschungen in der Salzofenhöhle im Toten Gebirge in der Steiermark zuständig war. Mit Karl Schütte und Kurt Thüring (siehe ausführlich Kapitel 5.2) landeten zwei der ehemals »reichsdeutschen« Professoren im Bereich der Weltraumforschung, während der Osteuropahistoriker Hans Koch (siehe ausführlich Kapitel 5.7.2) als Berater für Konrad Adenauer und als Direktor des Osteuropainstituts in München fungierte. Ebendort startete der außerordentliche Professor für osteuropäische Geschichte Berthold Rubin seine Nachkriegskarriere, während Karl Kurth sich der »Vertriebenenforschung« widmete und Ottomar Wichmann als freiberuflicher Schriftsteller tätig war (siehe Kapitel 4.4). Ein Österreicher unter den ehemals außerordentlichen Professoren – der Physiker Gustav Ortner (siehe ausführlich Kapitel 5.7.2) – betätigte sich zunächst als wissenschaflticher Schriftsteller und Übersetzer, bevor er 1950 an die Universität Kairo ging, 1956 als Fachberater des BMU in Fragen der friedlichen Verwendung der Atomenergie und Leiter der Planung des österreichischen Hochschulreaktors nach Österreich zurückkehrte und 1960 zum ordentlichen Professor für Technische Kernphysik an der Technischen Hochschule Wien ernannt wurde.
Karrieren im außeruniversitären Bereich
133
Tabelle 8: Wissenschaftliche Karrieren von Professoren der Philosophischen Fakultät im außeruniversitären Bereich Ordentliche Professoren (5) Egger Ehrenberg Koch Schütte Thüring
Leitung der Grabungen auf dem Magdalensberg in Kärnten (1948 – 1969) jährlich Leitung der Grabungen in der Salzofenhöhle (Steiermark) ab 1948, ab 1954 wieder Mitglied der Kommission für Höhlenkunde beim Landwirtschaftsministerium Direktor des Osteuropainstituts München (1952 – 1959), »wissenschaftlicher Berater« Konrad Adenauers bei dessen Moskaureise (1955) Vorsitzender der bundesdeutschen Gesellschaft für Weltraumforschung (1952 – 1955) Leitung eines »Forschungsbüros für Programmierung, angewandte Mathematik, theoretische Astronomie und Astronautik«in Karlsruhe (um 1960) Außerordentliche Professoren (4)
Mitarbeit am Göttinger Arbeitskreis zu ostdeutschen »Heimatvertriebenen« und deren Presse (Kontinuität von NS-»Ostforschung« zu »Vertriebenenforschung« nach 1945), 1961 im Lektorat »Auslandspresse« im Bundesministerium für Verteidigung (BRD), hier später Regierungsdirektor, Pensionierung 1973 Ortner wissenschaftlicher Schriftsteller und Übersetzer (1945 – 1950), Fachberater des BMU für Fragen des Unterrichts über friedliche Nutzung von Kernenergie (1956), Planung des österreichischen Hochschulreaktors Rubin Mitarbeit am Osteuropainstitut und am Institut für Balkankunde in München ab 1945 Wichmann nach 1945 lange Zeit freiberuflicher Schriftsteller
Kurth
In die Privatwirtschaft gingen sechs der ehemaligen ordentlichen Professoren, unter ihnen abermals der Osteuropahistoriker Hans Koch, der in den ersten Nachkriegsjahren als evangelischer Pastor in der Steiermarkt wirkte. Besonders hervorzuheben sind hier der einstige Gaudozentenbundführer und Petrologe Arthur Marchet und der Physiker Gerhard Kirsch, die beide in der Glashütte von Mitterberghütten bei Bischofshofen Dienst taten und so ihre kollegialen Kontakte weiter pflegen konnten (siehe ausführlich Kapitel 5.5). Tabelle 9: Professoren der Philosophischen Fakultät, die nach 1945 in der Privatwirtschaft tätig waren (6 Personen) Ordentliche Professoren (6) Huber Anton Kirsch Koch
Privatlehrer, mathematischer Konsulent bei den Stickstoffwerken in Linz ab 1952 ab Jänner 1946 in Bischofshofen, Glashütte von Mitterberghütten evangelischer Pfarrer in Aich-Assach, Steiermark (1945 – 1951)
134
Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
(Fortsetzung) Ordentliche Professoren (6) Marchet Stetter Weber
in der Glashütte von Mitterberghütten tätig, dort ab 1951 Laborleiter, 1963 pensioniert private Erwerbstätigkeit (1945 – 1953), vor allem in der Industrie, lebte in Zell am See Verwaltungstätigkeit bei der amerikanischen Besatzungsmacht in Österreich (1945 – 1952)
Tabelle 10 stellt abschließend schwerpunktmäßig außeruniversitäre wissenschaftliche Forschungs- und Publikationstätigkeit der ns-belasteten Professorenschaft der Philosophischen Fakultät nach 1945 zusammen. Tabelle 10: Wissenschaftliche Arbeit und Publikationen der Professoren der Philosophischen Fakultät im (vorzeitigen) Ruhestand oder als selbständige Wissenschaftler Ordentliche Professoren Bauer Brunner Christian Egger
Nachruf auf Heinrich Srbik (1951) »Adeliges Landleben und europäischer Geist« (1949) Sumererforschung zahlreiche Veröffentlichungen zum römischen Dalmatien, Noricum und Pannonien Huber als Selbständiger wissenschaftliche Arbeiten über Geoelektrik (1945 – Anton 1952) Huber Josef Publikationen zu romanischen Dialekten, etwa zur Mundart von Livigno (1955 und 1958) Kindermann Publikationen vor allem über österreichische Literatur- und Theatergeschichte, Theatergeschichte der Goethezeit (1945 – 54) Knoll Herausgebertätigkeit über österreichische Naturforscher und Techniker Mayrhofer ausführliche Untersuchungen zur Maß- und Inhaltstheorie Karl Übersetzung Epikurs Mewaldt Nadler zahlreiche Veröffentlichungen zu Grillparzer, Hamann und zur Literaturgeschichte Österreichs (1947 – 1962) Srbik »Aus Österreichs Vergangenheit. Von Prinz Eugen bis Franz Josef« (1949), »Geist und Geschichte. Vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart« (1950/51) Sedlmayr »Verlust der Mitte« (1948) Stetter Änderung seines Forschungsgebiet aufgrund seiner Tätigkeit in der Industrie hin zur Physik der Stäube und Aerosole, sowie des CO2-Gehalts der Atmosphäre (1945 – 1953)
Die Professorenschaft und die Österreichische Akademie der Wissenschaften
135
(Fortsetzung) Ordentliche Professoren Thüring
zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten, etwa »Die Gravitation und die philosophischen Grundlagen der Physik« (1967), »Methodische Kosmologie – Alternativen zur Expansion des Weltalls und zum Urknall« (1985) Außerordentliche Professoren
Eibl
Manuskript »Das aufsteigende Weltbild« im Frühjahr 1947 als politisch unbedenklich beurteilt Beschäftigung mit der Geschichte der indischen Philosophie (1945 – 1955) »Atome und Strahlen« (1947) Forschungen zu Justinian in Berlin (1945 – 1952) vor allem Ortsnamenforschung (Veröffentlichungen in den 1960-er Jahren) »Platon. Ideelle Gesamtdarstellung und Studienwerk« (1966) zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen mit dem Schwerpunkt Volkstanz (1945 – 1954)
Frauwallner Ortner Rubin Steinhauser Wichmann Wolfram
4.6
Die Professorenschaft und die Österreichische Akademie der Wissenschaften
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zählte bei Kriegsende 53 wirkliche und 66 korrespondierende Mitglieder im Inland, wobei in der ersten Gruppe 29 (55 %) und in der zweiten 20 (30 %) eine Professur an der Universität Wien innehatten. Unter den wirklichen Mitgliedern gehörten 26 (49 %) der NSDAP als Mitglieder oder Anwärter an, 16 davon waren Professoren der Universität Wien. Bei den korrespondierenden Mitgliedern im Inland waren von den 38 Parteimitgliedern und -anwärtern 17 Professoren der Universität.414 Wenn wir nun die Gesamtzahl der Professoren der Philosophischen Fakultät der Universität Wien des Sommersemesters 1944 heranziehen, nämlich 69 ordentliche und außerordentliche Professoren, so waren oder wurden nicht weniger als 47 davon, das sind gut zwei Drittel, Mitglieder der Akademie. Die 12 nicht beanstandeten ordentlichen Professoren waren dies sämtlich.415 Diese 414 Eine umfassende Dastellung und Analyse der Akademie der Wissenschaften von 1938 – 1945 bieten Feichtinger/Matis/Sienell/Uhl, Akademie, 2013. Zur Entnazifizierung der Akademie insbesonders: Johannes Feichtinger, Dieter J.Hecht, Die Entnazifizierung der Akademie der Wissenschaften. In: ebd., S. 171 – 187. 415 Vgl. Tabelle 1, Spalte 1: 10 davon waren wirkliche Mitglieder. Korrespondierende Mitglieder
136
Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
Gruppe stellte auch die maßgeblichen Akteure der Akademie der Wissenschaften in den weichenstellenden ersten Nachkriegsjahren: Unter dem Vorsitz von Generalsekretär Ernst Späth (er war dies seit 1938) versammelten sich 13 damals in Wien anwesende Akademiemitglieder (keine NSDAP-Mitglieder) am 18. Mai 1945 zu einer »Gesamtsitzung«, bei der Späth zum interimistischen Leiter und Richard Meister zu seinem Stellvertreter gewählt wurden. Diese Entscheidungen bestätigte die erste Wahlsitzung der Gesamtakademie am 30. Oktober 1945: Späth war nun Präsident, Meister Vize-Präsident und der Althistoriker Josef Keil Generalsekretär sowie Sekretär der Philosophisch-Historischen Klasse.416 Nachdem Ernst Späth im September 1946 verstorben war, wurde Heinrich Ficker am 28. November 1946 sein Nachfolger und am 25. Mai 1948 wiedergewählt. Bei der gleichen Sitzung erfolgte auch die Wiederwahl des »omnipräsenten«417 Richard Meister zum Vize-Präsidenten. Wenden wir uns der Gruppe der 53 entnazifizierten Professoren der Philosophischen Fakultät zu (siehe Tabelle 11), ergibt sich der Tatbestand, dass 34 von ihnen (64 %) Mitglieder der ÖAW waren. Bei den 36 ordentlichen Professoren betrug der Anteil 72 % (26 Personen), bei den 17 planmäßig außerordentlichen Professoren waren es 8 Personen und damit fast die Hälfte. Im Umgang mit dem hohen Anteil von ehemaligen Mitgliedern und Anwärtern der NSDAP in ihren Reihen418 wählte die Akademie nun jene Vorgangsweise, die Mitgliedschaft der Betroffenen bis zur »Erledigung des Überprüfungsverfahrens« ruhend zu stellen. Im Falle einer »günstigen Erledigung« wurde eine sofortige Aufhebung dieser Maßnahme in Aussicht gestellt, wie aus einem Schreiben an mehrere Mitglieder vom Oktober 1945 hervorgeht.419 Nach Franz Graf-Stuhlhofer enthielten die Briefe an den Archäologen Rudolf Egger und den Germanisten Josef Nadler – beide exponierte Mitglieder unserer Gruppe – noch den Zusatz, dass
416 417
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waren der Chemiker Franz Faltis (seit dem 30. Oktober 1945) und der Turkologe Herbert Duda (seit dem 25. Mai 1948). Von den vier nicht beanstandeten planmäßigen außerordentlichen Professoren war Hubert Rohracher wirkliches Mitglied (seit 1953), Wilhelm Marinelli korrespondierendes Mitglied (seit 1952). Vgl. Herbert Matis, Zwischen Anpassung und Widerstand. Die Akademie der Wissenschaften in den Jahren 1938 – 1945 (Wien 1997), S. 61 f. Nach einer Aussage von Erich Zöllner (zitiert nach: Matis, Akademie, 1997, S. 40, Anmerkung 79). Meister spielte eine wesentliche Rolle bei der zudeckenden, apologetischen »Bewältigungspolitik« der Akademie der Wissenschaften ab 1945. Zu dieser Persönlichkeit sehr erhellend Johannes Feichtinger, Heidemarie Uhl, Die Österreichische Akademie der Wissenschaften nach 1945. Eine Gelehrtengesellschaft im Spannungsfeld von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft. In: Grandner/Heiss/Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 313 – 337. Richard Meister war dann 1951 – 1963 Präsident der ÖAW. Die ÖAW sah sich mit der Tatsache konfrontiert, dass von ihren – mit Stichtag mit 25. August 1946 – 53 wirklichen Mitgliedern 26 NSDAP-Mitglieder oder -Anwärter waren, von den 66 korrespondierenden Mitgliedern im Inland waren es nicht weniger als 38. Matis, Akademie, 1997, S. 65 f. Vgl. Feichtinger/Uhl, Gelehrtengesellschaft, 2005, S. 317 f.
Die Professorenschaft und die Österreichische Akademie der Wissenschaften
137
sich die Akademie auch »im Falle eines ungünstigsten Ausganges« die Entscheidung vorbehalte, das Ruhen der Mitgliedschaft wieder aufzuheben.420 Das »Ruhend-Stellen« von Mitgliedschaften in der Phase der Entnazifizierung schuf eine andere Situation als zur Zeit der »Säuberung« der Akademie nach dem 13. März 1938, als der »jüdischen« und politisch missliebigen Mitgliedern der »freiwillige« Austritt nahegelegt und damit Platz für die Zuwahl neuer Personen geschaffen wurde. Nach Kriegsende wurde »offenkundig versucht, tiefgreifende personelle Veränderungen durch die Wahl von neuen Mitgliedern hintanzuhalten.«421 Hier fügt sich unseres Erachtens nahtlos die Tatsache ein, dass in den Almanachen der Akademie der Jahre 1945, 1946 und 1947 von der an sich obligatorischen Verzeichnung der Mitgliederlisten überhaupt Abstand genommen wurde. Erst der »Almanach für das Jahr 1948. 98. Jahrgang« führt den »Personalstand der Akademie der Wissenschaften vom 31. Dezember 1948« auf den Seiten 11 – 42 wieder an.422
Tabelle 11: Mitgliedschaft der von der Entnazifizierung erfassten Professoren der Philosophischen Fakultät bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Ordentliche Professoren Bauer
Korrespondierendes Mitglied im Inland (k. M. I.) 02. 06. 1931 – 03. 05. 1939423 Wirkliches Mitglied (w. M.) 04. 05. 1939 – 23. 11. 1953 Brunner k. M. I. 1939 – 19. 07. 1944 w. M. 20. 07. 1944 – 1954 Korrespondierendes Mitglied im Ausland (k. M. A.) 1954 – 12. 06. 1982 Buddenbrock k. M. I. 17. 07. 1943 – 19. 07. 1944 w. M. 20. 07. 1944 – 23. 08. 1945 k.M.A. 1945 – 11. 04. 1964 Christian k. M. I. 1938 – 1939 w. M. 1939 – 28. 05. 1963 (im Almanach 1948 noch nicht wieder als Mitglied geführt) Egger k. M. I. 28. 05. 1929 – 31. 05. 1937 w. M. 01. 06. 1937 – 07. 05. 1969 420 Vgl. ebd., S. 318. 421 Ebd., S. 319. 422 Für Feichtinger/Uhl (Gelehrtengesellschaft, 2005, S. 318 f) bietet dieser Umstand den Anlass zu interessanten Fragen, etwa diente er »der Verschleierung der relativ hohen Anzahl von Mitgliedern,« die der Entnazifizierung unterlagen, oder »wollte man diese Positionen bis zu einer etwaigen Rehabilitierung der Betroffenen freihalten?«. 423 Die genauen Datumsangaben stammen aus: Österreichische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Almanach für das Jahr 1948 (Wien 1949), die reinen Jahresangaben aus der uns von der ÖAW übermittelten Liste. Das Enddatum entspricht jeweils dem Sterbedatum.
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Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
(Fortsetzung) Ordentliche Professoren Fues
k. M. I. 20. 07. 1944 – 23. 08. 1945 k.M.A. 24. 08. 1945 – 17. 01. 1970 Gehlen k. M. I. 20. 07. 1942 – 23. 08. 1945 k. M. A. 24. 08. 1945 – 30. 01. 1976 Höfler k. M. I. 20. 07. 1942 – 1951 w. M. 1951 – 22. 10. 1973 Huber Anton k. M. I. 1941 – 31. 08. 1975 (im Almanach 1948 noch nicht wieder als Mitglied geführt) Kindermann k. M. I. 1960 – 1962 w. M. 1962 – 03. 10. 1985 Kirsch k. M. I. 04. 10. 1940 – 15. 09. 1956 Knoll k. M. I. 29. 05. 1934 – 03. 05. 1939 w. M. 04. 05. 1939 – 24. 02. 1981 Sekretär der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse 1957, Generalsekretär 1959 – 64 Kralik k. M. I. 27. 05. 1925 – 27. 05. 1935 w. M. 28. 05. 1935 – 27. 12. 1959 Sekretärstellvertreter der Philosophisch-Historischen Klasse 16. 10. 1940 – 12. 06. 1941, Sekretär dieser Klasse 13. 06. 1941 – 27. 04. 1945 Leuchs k. M. I. 17. 07. 1943 – 07. 09. 1949 Mayrhofer k. M. I. 01. 06. 1937 – 28. 07. 1941 Karl w. M. 29. 07. 1941 – 24. 07. 1969 Menghin w. M. 1936 – 1948 k. M. A. 1948 – 29. 11. 1973) (im Almanach 1948 noch nicht wieder als Mitglied geführt) Mewaldt k. M. I. 31. 05. 1932 – 31. 05. 1937 w. M. 01. 06. 1937 – 01. 05. 1964 Nadler k. M. I. 30. 05. 1933 – 28. 05. 1934 w. M. 29. 05. 1934 – 14. 01. 1963 Praschniker k. M. I. 31. 05. 1932 – 31. 05. 1937 w. M. 01. 06. 1937 – 01. 10. 1949 Santifaller k. M. I. 17. 07. 1943 – 29. 10. 1945 w. M. 30. 10. 1945 – 05. 09. 1974 Sedlmayr k. M. I. 1939 – 1940 w. M. 1941 – 1951 k. M. A. 1951 – 1966 w. M. 1966 – 09 – 07.1984 Srbik k. M. I. 08. 10. 1919 – 28. 05. 1923 w. M. 29. 05. 1923 – 16. 02. 1951 Sekretär ab 30. 05. 1933, Wiederwahl am 01. 06. 1937 Präsident ab 28. 06. 1938, Wiederwahl am 21. 06. 1941, bis 27. 04. 1945 in dieser Funktion Stetter k. M. I. 04. 10. 1940 – 1962 w. M. 1962 – 14. 07. 1988
Die Professorenschaft und die Österreichische Akademie der Wissenschaften
139
(Fortsetzung) Ordentliche Professoren Wild
k. M. I. 01. 06. 1937 – 03. 05. 1939 w. M. 04. 05. 1939 – 05. 04. 1966 Obmann der Phonogramm-Archivs-Kommission Außerordentliche Professoren
Frauwallner
k. M. I. 07. 08. 1940 – 1955 w. M. 1955 – 05. 07. 1974 k. M. I. 1970 – 23. 01. 1990 k. M. I. 1950 – 1955 w. M. 1955 – 01. 07. 1977 k. M. I. 29. 07. 1941 – 1950 k.M.A. 1950 – 1954 k.M.I. 1954 – 1964 w. M. 1964 – 24. 11. 1984 k. M. I. 1939 – 11. 11. 1958 (im Almanach 1948 noch nicht wieder als Mitglied geführt) k. M. I. 20. 07. 1944 – 1969 w. M. 1969 – 04. 01. 1972 k. M. I. 07. 08. 1940 – 03. 08. 1980 k. M. I. 1968 – 1971 w. M. 1971 – 30. 05. 1995
Hofreiter Kainz Ortner
Pfalz Rupprich Steinhauser Wolfram
Hier zeigt sich nun im Hinblick auf unsere Gruppe, dass die überwiegende Anzahl der 28 entnazifizierten Professoren, die damals schon Mitglieder der Akademie waren, im Verzeichnis 1948 wieder als Mitglieder geführt werden, nämlich 24 (86 %.) Lediglich vier Personen bzw. 14 % sind (noch) nicht verzeichnet. Es finden sich also zum Beispiel darunter die zum Teil erheblich NSbelasteten, aber prominenten Professoren Srbik, Brunner, Egger, Praschniker, Nadler, Knoll424 und Kralik. Aber auch ein Hans Sedlmayr, den die Sonderkommission I. Instanz mit Bescheid vom 10. Jänner 1946 für »nicht tragbar« erklärt und mit Reduktion des Ruhegehaltes auf 50 % pensioniert hatte (siehe Tabelle 3, Spalte 2, auch Kapitel 3.8), und ein Gerhard Kirsch, vom Staatsamt für Unterricht mit 6. Juni 1945 entlassen (siehe Tabelle 2, Spalte 3 und Kapitel 5.5), der sich im Fragebogen der Universität 1938 gerühmt hatte, »seit 1933 am Aufbau des illegalen Dozentenbundes an der Universität mitgewirkt« zu haben, sind angeführt.425 Ausgespart blieben nur Oswald Menghin (w. M. 1936), der 1948 nach zwei424 Knoll machte sogar noch Karriere an der Akademie: Er wurde 1957 Sekretär der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse, 1959 bis 1964 Generalsekretär. 425 Fragebogen ohne Datum, UAW, PHIL PA 2188, fol. 109.
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Amnestien und Rehabilitierung – Philosophische Fakultät
jähriger Internierung in US-Gewahrsam nach Argentinien flüchtete,426 die beiden nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 als »belastet« eingestuften ehemaligen Professoren Viktor Christian (w. M. 1939) und Anton Pfalz (k. M. I. 1939) und schließlich der Mathematiker Anton Huber, dem als »illegaler« österreichischer Nationalsozialist seine NS-Tätigkeit in der Schweiz 1933 – 38 besonders vorgeworfen wurde. Auch diese vier Männer scheinen in der aktuellen Mitgliederliste der ÖAW wieder auf, wobei interessant ist, dass dort alle Betroffenen durchgehend als Mitglieder geführt werden. Eine Unterbrechung von 1945 bis 1948 oder länger geht daraus also nicht hervor. Zu den 13 nach dem 13. März 1938 ernannten und am 23. August 1945 außer Dienst gestellten »Reichsdeutschen« ist noch anzuführen: Sie waren im Unterschied zu den Österreichern in der Akademie der Wissenschaften wenig verankert. Nur drei von ihnen – das entspricht 23 % – waren Mitglieder, der versierte Zoologe Buddenbrock wirklich, der Physiker Fues und der Soziologe Gehlen korrespondierend. Alle drei traten mit ihrer Ausweisung aus Österreich in den Status als korrespondierendes Mitglied im Ausland ein (Datumsangaben siehe Tabelle 11). Akademiemitglieder waren allerdings auch die beiden von der Universität Wien gehaltenen und geschätzten katholisch-bayrischen Professoren Ludwig Ebert, der zur Gruppe der nicht Beanstandeten gehört, und Kurt Leuchs, dessen Rehabilitierung bei seinem Tod am 7. September 1949 unmittelbar bevorstand. Herbert Matis resümiert in seiner verdienstvollen Schrift zur Akademie der Wissenschaften in der NS-Zeit seine knappen Ausführungen über die Akademie der Nachkriegsjahre mit dem Satz: »[I]ndem das Problem der ›Entnazifizierung‹ rein juristisch abgehandelt wurde, kam eine nachhaltige und innerliche Auseinandersetzung mit der Ära des Nationalsozialismus gar nicht erst zustande.«427 Und das hätte man von der ersten Gelehrtengesellschaft des Landes erwarten können, ebenso wie von der größten Universität des Landes, wie wir mit Blick auf die weitgehend fehlende kritische Beleuchtung von Schrifttum und Lehre der Professorenschaft während des Nationalsozialismus im Zuge der Entnazifizierung wiederholt festgestellt haben (insbesondere Kapitel 3.13). Der einsame Entschluss und die einsame Handlung eines Mannes und Wissenschaftlers sowie der Umstand, dass er in der Akademie der Wissenschaften Männer fand, die dieses Vorgehen mit ihm trugen, lässt eine andere, dem Despotismus widerspenstige Akademie aufleuchten, die auch eine »innerliche Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus« voraussetzt: Der außeror-
426 Die Wiederaufnahme als korrespondierendes Mitglied im Ausland erfolgte 1959. Matis, Akademie, 1997, S. 16, Anmerkung 13. 427 Ebd., S. 67.
Die Professorenschaft und die Österreichische Akademie der Wissenschaften
141
dentliche Professor für Psychologie, Hubert Rohracher,428 übergab einen im Juli 1944 fertiggestellten Bericht »über den experimentellen Nachweis einer ständigen unsichtbaren Vibration des menschlichen Körpers von 8 – 12 Schwingungen pro Sekunde und einer Vibration der Erdoberfläche von der selben Schwingungszahl« in Gegenwart von Richard Meister und Heinrich Ficker versiegelt dem Archiv der Akademie. Der Grund für dieses Vorgehen sei für ihn, so Rohracher in einem Brief an die Akademie nach Kriegsende, »in den damaligen politischen Verhältnissen« gelegen. Es habe die Möglichkeit bestanden, »dass die gefundenen Resultate ausgewertet« und er selbst »in kriegswissenschaftliche Arbeiten einbezogen worden wäre«.429 Diese Tat setzte bei den drei beteiligten Männern Mut, Einsicht und wohl auch den Glauben voraus, dass Wissenschaft nicht in jedem Fall der herrschenden politischen Strömung zur Hand gehen muss.
428 Rohracher war damals noch nicht Mitglied der Akademie, korrespondierendes Mitglied wurde er am 4. Juni 1946, wirkliches Mitglied 1953. 429 Zitiert nach: Benetka/Kienreich, Seelenlehre, 1989, S. 124 und Anmerkung 64.
5
Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit von Professoren der Philosophischen Fakultät vor und nach 1945 in der Gegenüberstellung
5.1
Eine spezialisierende Bewegung
Am 10. September 1943 schrieb der Ordinarius für Romanistik, der 59-jährige Vorarlberger Josef Huber, an seinen Dekan: »Eure Spektabilität! Empörung über das verräterische Italien und dadurch entstandener Widerwille, deutsche Studenten jetzt für italienische Literatur zu interessieren, veranlassen mich zu der ergebenen Bitte, die für das WS 43/44 angekündigte Vorlesung über italienische Literatur (Erklärung von Dantes Inferno) absagen (…) zu dürfen. Heil Hitler! Ergebenst (…)«.430
Dekan Marchet stimmte dem kommentarlos zu. Hier erleben wir also den bemerkenswerten Gefühlsausbruch eines akademischen Lehrers über eine Situation, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in fataler Weise zu wiederholen schien, und seine signifikante Reaktion darauf: Er verweigerte die akademische Lehre. Im Gesamten griff die Zäsur im Frühjahr 1945 in den Grundcharakter der wissenschaftlichen Arbeit Hubers in einer Weise ein, die man mit »Übergang oder auch Rückzug ins Detail« beschreiben könnte. Waren es vorher umfassend romanistische Arbeiten, etwa eine Katalanische Grammatik, ein Altportugiesisches Elementarbuch u. a.,431 so befasste sich der als Anwärter der NSDAP (seit 1938) seines Dienstes enthobene und schließlich 1948 zwangsweise pensionierte Romanist432 in der Folge mit speziellen Arbeiten zu romanischen Mundarten (etwa »Texte in der Mundart von Livigno«, »Zur Limousinischen Mundart von ChambÀret (SorsÀze)«).433 Eine ähnlich spezialisierende Bewegung vollzog der Mathematiker Karl Mayrhofer. Wie Huber wurde er 1945 als Nationalsozialist entlassen und 1947 – 430 431 432 433
Absage 10. 09. 1943, UAW, PHIL PA 2047, fol. 1. Nachruf nach dem 31. 10. 1960, ebd., fol. 1. Ersuchen 29. 08. 1946, ebd., fol. 1 und Verständigung 31. 05. 1948, ebd., fol. 2. Nachruf nach 31. 10. 1960, ebd., fol. 1.
144
Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
mit 48 Jahren – in den Ruhestand versetzt. Er befasste sich »in der Zeit seiner unfreiwilligen Muße«434 mit ausführlichen Untersuchungen zur Maß- und Inhaltstheorie, im Besonderen mit dem Ausbau der Algebraisierung dieser Begriffe, bevor er nach 12 Jahren 1957 seine ordentliche Professur zurückerhielt.
5.2
Arische Physik
Bei einem allgemeinen Blick auf unser Thema stellt sich die Frage: Liegt es nicht nahe, dass ein in solchem Ausmaß totalitäres System wie der deutsche Faschismus es unternahm, eine eigene Form von Wissenschaft, ein System nationalsozialistisch nicht nur gefärbter, sondern strukturierter Forschung und Lehre aufzubauen? Es war der Fall und man muss hier mit einem Fach beginnen, bei dem man es nicht auf den ersten Blick vermuten würde, wo doch zu dem vom Regime ausdrücklich geförderten Disziplinen etwa Völkerkunde, Ur- und Frühgeschichte und Germanistik gehörten. Eine zentrale Rolle bei dem Versuch, eine »arische Physik« zu begründen, spielte der 1905 im Fichtelgebirge geborene und 1940 als ordentlicher Professor für Astronomie nach Wien berufene Bruno Thüring. Dieser temperamentvolle Nationalsozialist435 machte sich schon als Assistent 1936 für eine »deutsche Naturwissenschaft« stark: Seiner Ansicht nach gab es keine wertfreie Wissenschaft. »Nordisch-germanisches Naturgefühl« stehe dem unanschaulichen »mathematischen Formalismus« Einsteins gegenüber, es gäbe eine »deutsche Physik, eine deutsche Naturwissenschaft, die der liberalistischen Wissenschaftsauffassung des vorigen Jahrhunderts absolut fremd gewesen sind.«436 Dieses Thema baute Thüring besonders in dem 1941 in Berlin erschienenen Buch »Albert Einsteins Umsturzversuch der Physik« weiter aus, nachdem er gleichzeitig begonnen hatte, nach seiner Ernennung zum Direktor der Wiener Sternwarte »sogleich eine weitgestreute wissenschaftspolitische Aktivität zu entfalten.«437 Bei dieser Tätigkeit, die unter anderem daraus bestand, Wissenschaftler seiner Wahl und Geisteshaltung an deutschen Universitäten zu positionieren, konnte er sich besonders auf die Freundschaft und enge Zusammenarbeit mit dem Astrophysiker Wilhelm Führer stützen, der in München in 434 Karl Strubecker, Karl Mayrhofer. In: Neue Deutsche Biographie, Band 16 (München 1990), S. 575. 435 Beitritt 1930. Vgl. Lebenslauf 25. 06. 1939, UAW, PHIL PA 3428, fol. 031. 436 Bruno Thüring, Deutscher Geist in der exakten Naturwissenschaft. In: Deutsche Mathematik 1/1 (1936), S. 10 f., zitiert nach: Beyerchen, Physiker, 1980, S. 200. 437 Franz Kerschbaum, Thomas Posch, Karin Lackner, Die Wiener Universitätssternwarte und Bruno Thüring. In: Wolfgang Dick, Jürgen Hamel (Hrsg.), Beiträge zur Astronomiegeschichte, Band 8 (Wien 2006), S. 185 – 202, hier 187.
Arische Physik
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zentraler Position an einer Schaltstelle für universitäre Besetzungen etabliert war. Was Thüring an der »undeutschen« Physik besonders störte und seinen Widerstand aufstachelte, war der ungeheure mediale Erfolg Einsteins und seiner Relativitätstheorie. Dieser sei zu Unrecht zu Ruhm gelangt, nämlich durch geschickte Propaganda, die eine typisch jüdische Eigenschaft sei.438 Was das im Umkreis der »Deutschen Physik« wiederholt diskutierte Relativismusproblem anbelangt, behauptete Thüring einen »Willen des Judentums zur allgemeinen Relativierung aller Begriffe und Werte, der notwendig in das Chaos führt.«439 Diesem müsse seitens der sogenannten »arischen« Wissenschaft »der Wille entgegengesetzt werden zur Eindeutigkeit und damit zur Klarheit und zur absoluten Sicherheit. Diese Sicherheit (…) könne niemals aus einem passiven Empirismus und Positivismus gewonnen werden (…), sondern nur in aktiven, aus irrationalen Willensuntergründen entspringenden und von dem Blick auf das oberste Ziel geleiteten Handlungen.«440
Man bemerkt eine direkte Verwandtschaft zu den politischen Maximen des Nationalsozialismus. Auch die folgenden Ausführungen sind in unserem Zusammenhang und wissenschaftshistorisch zu aufschlussreich, um sie wegzulassen: »Der passive Wissenschaftsliberalismus der Jahrhundertwende wurde von Einstein (…) ins Extrem geführt, in dem er forderte, dass die Beschreibung der Naturvorgänge so zu erfolgen habe, dass der Mensch dabei vollständig aus dem Spiel bleibe. (…) Kein Beobachter – mochte er in diesem oder jenem physikalischen Zustand der Ruhe oder Bewegung sich befinden, mochte er mit diesem oder jenem Beobachtungsinstrumente ausgerüstet sein – sollte irgendwie vor einem anderen privilegiert sein, sondern die Grundformeln der Physik sollten in solcher Weise ausgesprochen werden, dass sie für jeden beliebigen Standpunkt gleich lauten und keinen einzigen bevorzugen sollten.«
Thürings Interpretation: »Hier finden wir die jüdisch-marxistischen Forderungen der ›Freiheit‹ und ›Gleichheit‹ in naturwissenschaftlichem Gewande wieder!«441 »Entsprach es dem Jahrtausende alten Ziel arischer Wissenschaft, im Begrifflichen möglichste Eindeutigkeit zu erreichen, so fühlt sich jüdische Denkungsart wohl, wo in Folge vorhandener Uneindeutigkeit diskutiert werden kann.«442 Die »arische Physik«, auch »deutsche«, »nordische« oder »Parteiphysik« genannt, blieb schon während des Krieges in der Minderheit. Das so genannte 438 Bruno Thüring, zitiert nach: ebd., S. 195. 439 Bruno Thüring, Einsteins Umsturzversuch der Physik (Berlin 1941), S. 64. 440 Bruno Thüring, zitiert nach: Kerschbaum/Posch/Lackner, Universitätssternwarte, 2006, S. 190. 441 Thüring, Einsteins Umsturzversuch, 1941, S. 27. 442 Ebd., S. 40.
146
Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
»Religionsgespräch« zwischen »arischer Physik« und »fachorientierten Physikern« im November 1940 verließ Thüring in der Mittagspause wütend, da er es nur mit alten starrköpfigen Bürgern zu tun gehabt habe.443 Eine zweite Begegnung der Physiker beider Richtungen fand im November 1942 in Seefeld in Tirol statt. Etwa 30 Physiker waren anwesend und die Tagung wurde zu einer »Siegesfeier«, wie Heisenberg bemerkte. Tomaschek, Bühl und Thüring gaben rasch den Argumenten ihrer Gegner nach.444 Im Juli 1943 rief Hermann Göring einen Planungsausschuss ins Leben, um Forschungsprioritäten festzusetzen und Wissenschaftler dafür vom Kampfeinsatz abzuziehen.445 Die Staatsführung hatte die Wichtigkeit ernstzunehmender naturwissenschaftlicher Forschung für ihre Ziele – sehr spät – erkannt. Thüring selbst wurde im Frühjahr 1943 zur Wehrmacht einberufen, die Bemühungen um seine UK-Stellung hatten erst »in letzter Minute« (Ende Februar 1945) Erfolg.446 Er dürfte aber nicht mehr nach Wien gekommen sein und setzte sich nach einem Aufenthalt in Tirol nach Deutschland ab. Im August 1945 wurde er aus dem Personalstand der Universität Wien gelöscht, und zwar mit der Begründung, vor März 1938 über keine österreichische Staatsbürgerschaft verfügt zu haben.447 Er hielt sich in der Folge in Karlsruhe, der Heimat seiner Frau, auf und betrieb dort ein »seltsames Büro«.448 Der Name dieses Büros findet sich am Kopf eines Schreibens an das Rektorat der Universität Wien im Dezember 1960: »Forschungsbüro für Programmierung, angewandte Mathematik, theoretische Astronomie und Astronautik«.449 Der Wissenschaftler veröffentlichte weiterhin Bücher und Beiträge und »der polemisch-antisemitische Duktus der Thüringschen Argumentationsweise von 1941 (…) findet sich (…) in den von Thüring in der Nachkriegszeit publizierten Schriften nicht mehr.«450
5.3
Ein Österreicher als Hymniker der Volkheit
Gab sich das Projekt einer »nordischen Physik« angesichts der nachprüfbaren naturwissenschaftlichen Tatsachen zunehmend der Lächerlichkeit preis, so war für das NS-Regime in den Geisteswissenschaften ungleich mehr zu holen. Die 443 444 445 446 447 448
Beyerchen, Physiker, 1980, S. 240. vgl. ebd., S. 258. vgl. ebd., S. 255. Meldung 28. 02. 1945, UAW, PHIL PA 3428, fol. 015 und Schreiben 06. 03. 1945, ebd., fol. 016. Kerschbaum/Posch/Lackner, Universitätssternwarte, 2006, S. 189. Entsprechend einer Auskunft von Anneliese Schell in einer E-Mail vom 3. Juli 2009 an Walter Manoschek. 449 Ersuchen 03. 12. 1960, UAW, PHIL PA 3428, fol. 035. 450 Kerschbaum/Posch/Lackner, Universitätssternwarte, 2006, S. 192.
Ein Österreicher als Hymniker der Volkheit
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Umgestaltung der deutschen Literaturwissenschaft etwa in eine »nationale Lebenswissenschaft« – sprich: in ein Rechtfertigungs-, Propaganda- und Kampfmittel im Rahmen des »willenhaft-organisch begründeten Ganzheitsanspruchs der neuen Weltanschauung, der neuen Lebensgestaltung«451 – war von unübersehbarer Bedeutung. Nun war aber die Lage zu Beginn der 1930-er Jahre »gekennzeichnet durch das im Gegensatz zu den anderen Geisteswissenschaften sehr auffällige Fehlen einer prinzipiell nationalsozialistisch orientierten Schule der Literaturkritik und Literaturgeschichtsschreibung.«452 Hier sah sich nun der Wiener Literaturhistoriker Heinz Kindermann, Jahrgang 1894, bis 1937 in Danzig, dann in Münster lehrend, ab 1943 ordentlicher Professor für Theaterwissenschaften an der Universität Wien, als rechter Mann am rechten Ort zur rechten Stunde: »[I]n dieser Lücke (…) nahm (er) seine große Chance wahr«.453 Zumindest von 1933 an enthalten alle seine zahlreichen Veröffentlichungen Bruchstücke dieser großen Obsession. Das wichtigste Werk in diesem Zusammenhang aber stellt das 1937 erschienene Buch mit dem sprechenden Titel »Dichtung und Volkheit. Grundzüge einer neuen Literaturwissenschaft« dar. Kindermann vertrat darin eine »volkhafte Lebenswissenschaft«, die »undeutsche Literaturprodukte« ausschloss. Sprach Thüring (siehe 5.2) von der Arbeit des Physikers als »aktiven, aus irrationalen Willensuntergründen entspringenden und von dem Blick auf das oberste Ziel geleiteten Handlungen«, so erkannte Kindermann nur bei völkischen Dichtern »die lebensnotwendige Eingliederung ihres Werkes in den Gesamtorganismus des Volkes zum schöpferischen Anlass (…) für die Bindung der lebendigen Volks-Tradition an die beglückende Gewalt des tatbereiten Zukunftswillens.«454 Und »Literaturwissenschaft wird erst dann zu volkhafter Lebenswissenschaft, wenn sie dem, was wir zuvor Lebensdienst und Stützung des völkischen Selbstbehauptungswillens nannten, indirekt auch Anlass zur Tat und zuvörderst (…) Quelle des Mutes und der Tapferkeit wird«.455
Oskar Benda konstatierte bei Kindermanns Sicht von Literaturwissenschaft schließlich noch eine »restlose Subjektivierung und Irrationalisierung aller Grundbegriffe, den totalen Bankrott jedes kritisch-wissenschaftlichen Denkens«, vergleichbar der Begründung der Rechtsschöpfung auf das »gesunde
451 Heinz Kindermann, Kampf um die deutsche Lebensform (Wien 1941), S. 34 f. 452 Oskar Benda, Gutachten an die Zentralkommission zur Bekämpfung der NS-Literatur, Fall Heinz Kindermann 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168 – 178, S. III. 453 Ebd., S. IV. 454 Heinz Kindermann, Dichtung und Volkheit. Grundzüge einer neuen Literaturwissenschaft (Berlin 1937), S. 9. 455 Ebd., S. 49.
148
Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
Volksempfinden«.456 Bruno Thüring wiederum witterte physikalische Erkenntnis aus dem »nordisch-germanischen Naturgefühl«. Ein Aspekt sei noch angeführt, den Benda in seinem im wahrsten Sinne des Wortes entlarvenden Gutachten zum Fall Heinz Kindermann vom Frühjahr 1948 nicht behandelte: Dieser verwendet in seinen Ausführungen immer wieder Begriffe und Gedankengänge aus der naturwissenschaftlichen Empirie. Er sprach vom »willenhaft-organisch begründeten Ganzheitsanspruch der neuen Weltanschauung«, von der »von der volkhaft-weltanschaulichen Haltung und vom rassisch bedingten Menschenbild durchbluteten Gestaltung«, von »Rasse und Volkheit, diesen Wachstumsgrößen menschlichen Geschlechts«, vom »Gesamtorganismus des Volkes«. Schließlich behauptete er, dass »die biologische Bewertung des Schrifttums infolge unserer rassenhygienischen Einsichten ein volksbiologischer Vorgang« sei.457 Im Frühjahr 1945 wurde Kindermann, der sich mit allem geschmückt hatte, was die Hingabe an den Faschismus hergab – unter anderem auch mit einem »illegalen« Vortrag im Deutschen Klub in Wien 1937458 –, seiner Stellungen als Ordinarius und als Direktor des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft enthoben, legte aber sofort in einer 16-seitigen Denkschrift mit fünf Beilagen geschickt formulierten, methodisch aufgebauten und mit »Beweisen untermauerten« Protest dagegen ein,459 der in einer konzertierten Aktion von 44 seiner Studierenden unterstützt wurde.460 Und tatsächlich brachte die »Sonderkommission I. Instanz beim Staatsamt für Volksaufklärung« (Senat der Hochschulprofessoren) mit Erkenntnis vom 27. November 1945 »seiner Rechtfertigung Verständnis entgegen«, dass »seine Schriften von der parteiamtlichen Zensur in nationalsozialistische und besonders antisemitische Tendenz geändert worden seien«461 und bewertete ihn als »tragbar«. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Brief von Hans Leitmeier an den Dekan Hugo Hantsch vom September 1957, in dem es u. a. heißt: »[A]lle meine Kollegen wissen, wie sehr ich mich für anerkannte Forscher einsetzte und mithalf, dass sie trotz nationalsozialistischer Tätigkeit (…) die ihrer Leistung nach verdienten Stellungen zurückerhielten. Dies geschah nicht nur in den entsprechenden Kommissionen sondern auch in der Fakultät. Ich nenne nur Namen wie Leuchs (…) Stetter (…) Kindermann (…)«.462
456 457 458 459 460 461 462
Benda, Gutachten Kindermann 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168 – 178, S. IV. Kindermann, Dichtung und Volkheit, 1937, S. 49. Benda, Gutachten Kindermann 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168 – 178, S. VIII. Denkschrift 18. 06. 1945, ebd., fol. 183 – 205. Ansuchen 22. 07. 1945, ebd., fol. 181 f. Text des Erkenntnisses bei Benda, Gutachten Kindermann 26. 05. 1948, ebd., fol. 168. Schreiben 14. 09. 1957, UAW, PHIL PA 2548, fol. 125.
Ein Österreicher als Hymniker der Volkheit
149
Während Kindermann – bis 1948 unter verschiedenen Pseudonymen – schon wieder kontinuierlich veröffentlichte, fand er seinen Cato im damals 62-jährigen Literaturwissenschaftler Oskar Benda, dessen umfangreiches Gutachten in dieser Sache eine glänzende Abrechnung mit dem – nach eigener Angabe – plötzlich als Regimegegner selbststilisierten Kindermann darstellt. Es tut in diesem damaligen Klima der Abwiegelung und Beschönigung wohl, den tapferen Kampf des Gutachters mit den nationalistisch-biologistischen Wortkaskaden des Kindermann der 30-er und frühen 40-er Jahre zu verfolgen. In klarer und fundierter Sprache demontiert er dessen Rechtfertigungen.463 Dieses Gutachten vom Mai 1948, das Benda auch der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zur Kenntnis brachte, konnte eine schon 1949/50 erwogene Wiederbestellung Kindermanns noch verhindern.464 Mit April 1954 kehrte der Theaterwissenschaftler aber wieder an die Universität zurück, vorerst als Extraordinarius, ab 1959 als Ordinarius. »Worte sind der Seele Bild« – so benannte Heinz Kindermann eine Sammlung Goethe’scher Spruchweisheit, die er 1947 unter einem Pseudonym veröffentlichte. Welches sind nun seine Worte nach der Katastrophe der »deutschen Lebensform«, für die er gekämpft hatte (Kampf um die deutsche Lebensform, Wien 1941)? Neben ständigen Bezügen auf Johann Wolfgang von Goethe, der uns auch sonst allenthalben im Schrifttum der Wiener Professorenschaft unmittelbar nach 1945 als kontinuierliche Licht- und Trostgestalt begegnet, sind es nun ostentativ österreichische Dichter, die uns der Forscher als Spiegel seiner aktuellen Gesinnung entgegenhält: Franz Grillparzer, Ferdinand von Saar (beide 1947), Arthur Schnitzler, Ferdinand Raimund, Hugo von Hofmannsthal (alle 1950), Paula von Preradovic (1951), Johann Nestroy, Rainer Maria Rilke (beide 1952).465 Einen dritten Magneten im Denken Kindermanns bildete die ab 1945 sich verstärkende Zusammenschau des europäischen (sprich: »abendländischen«) Theaterwesens, wie es seiner weit und hoch ausgreifenden kompilatorischen Art entsprach. Einen Höhepunkt dieser Bemühungen machte die »europäische Theaterausstellung 1955« aus, die sein Institut ausrichtete und die als Festbeitrag für das Jahr des Staatsvertrages konzipiert wurde.466 War es aber 1944 noch »die europäische Sendung des deutschen Theaters«467, so war es einige Saisonen
463 Benda, Gutachten Kindermann 26. 05. 1948, UAW, PHIL PA 2182, fol. 168 – 178. 464 Vgl. Haider-Pregler, Theaterwissenschaft, 2005, S. 147 ff. 465 Schriftenverzeichnis, chronologisch geordnet ohne Datum, UAW, PHIL PA 2182, fol. 156 – 162. 466 Vgl. Haider-Pregler, Theaterwissenschaft, 2005, S. 152 ff. 467 Wiener wissenschaftliche Vorträge, Heft X.
150
Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
später die »Weltgeltung und Weltoffenheit des österreichischen Theaters«,468 die er pries.
5.4
Wege zur modernen Sozialgeschichte
Es sind zwei österreichische Forscher und Professoren der Universität Wien im Dritten Reich, die wichtige Beiträge zum Aufbau der westdeutschen Sozialgeschichte von den späten 1940-er Jahren bis in die späten 1960-er Jahre leisteten: Der Mödlinger Otto Brunner (1898 – 1982), von 1941 bis 1945 Professor für »mittlere und neuere Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der südostdeutschen Landesgeschichte« (sprich: Österreich) und der Innsbrucker Gunther Ipsen (1899 – 1984) Professor für »Philosophie und Volkslehre« von 1939 bis 1945. Wir konstatieren hier den Fall, dass vom NS-Regime geförderte wissenschaftliche Strömungen – Sozialgeschichte, »Volkslehre« (ein Aspekt der Soziologie), Wirtschaftswissenschaft – im westlichen Teil Nachkriegsdeutschlands, also nicht in Österreich, fruchtbar wurden. »Gemeinsames politisches Interesse an der Erforschung der zeitgenössischen Sozialwelt Ostmitteleuropas unter den Auspizien (…) einer völkischen Neuordnung (…) führte Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler wie Ipsen (…) mit Historikern (…) zusammen und leitete eine erste methodische Ausweitung geschichtlicher Fragestellungen ein.«469
Sowohl Brunner als auch Ipsen brachten dafür – auf verschiedenen Wegen – die besten Voraussetzungen mit. Otto Brunner hatte sein Studium der Geschichte und Geographie, unmittelbar nach Kriegsende im Dezember 1918 beginnend, breit angelegt: Kunstgeschichte, Gesellschaftslehre, Wirtschaftswissenschaft sowie vor allem auch Rechts- und Staatswissenschaften. Damit erwarb er sich ein für einen Historiker untypisches theoretisches Rüstzeug. Dies befähigte ihn – den Raum des Historischen schrittweise erweiternd –, 1939 sein bekanntes Werk »Land und Herrschaft. Grundfragen der territorialen Verfassungsgeschichte Österreichs im Mittelalter« herauszugeben, das nach 1945 bis in die Gegenwart mehrfach und in mehreren Sprachen aufgelegt wurde.470 1941 erhielt er für dieses Buch den Verdunpreis, wofür er sich – wohl bald nach seiner Dienstenthebung im No468 Österreich in Wort und Bild (1951), S. 12 ff. 469 Vgl. Lutz Raphael, Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte: Die Anfänge der westdeutschen Sozialgeschichte 1945 – 1968 (Leipzig 2002), S. 8. 470 Vgl. Heiss, Perspektive, 2005, S. 206.
Wege zur modernen Sozialgeschichte
151
vember 1945 als Nationalsozialist471 – in einem Schreiben, das sich im Universitätsarchiv Wien erhalten hat, rechtfertigt.472 Die Sonderkommission beim Bundesministerium beurteilte ihn im Mai 1946 zwar als »tragbar« und empfahl, »seine wertvolle Arbeitskraft (…) dem österreichischen Staate zu erhalten«,473 da jedoch keine Anstellung, etwa im Archivdienst, erfolgte, wurde er im August 1948 erst 50-jährig pensioniert.474 Von einem »Ruhestand« Brunners konnte freilich keine Rede sein. 1949 veröffentlichte der umstrittene, aber produktive und innovative Forscher ein weiteres bedeutendes Werk – »Adeliges Landleben und europäischer Geist – Leben und Werk Wolf Helmhards von Hohberg 1612 – 1688« –, das ihm breite Anerkennung einbrachte. Auch hier ist zu beobachten: Die Jahre der »unfreiwilligen Muße« ab 1945 ermöglichten die vertiefende Bearbeitung und Erarbeitung eines Einzelthemas, sie gaben Zeit für spezialisierte Tätigkeit wie etwa auch bei Karl Mayrhofer und Josef Huber. Gernot Heiß führt den Umstand, dass Otto Brunner trotz vergleichsweise günstiger Beurteilung durch die Sonderkommissionen – günstiger als etwa Heinz Kindermann – nicht an die Wiener Universität zurückkehren konnte, unter anderem darauf zurück, »dass er (als Protestant) nicht in die einflussreichen katholisch-konservativen Netzwerke eingebunden war«.475 Nun war es aber ein anderes Netzwerk, das Brunner auffing: Thomas Etzemüller schreibt 2002 in seinem Aufsatz »Sozialgeschichte als politische Geschichte«476 von der »Königsberger Gruppe« – mit dabei Gunther Ipsen und auch Otto Brunner – als einem konservativen Kreis, einem Netzwerk mit der Tendenz, Geschichte um Sozialgeschichte zu erweitern. Es handelte sich im Kern um Soziologen und Historiker der Universität Königsberg, die während des Dritten Reiches intensive Landvolk-Forschung in Ostpreußen betrieben, indem sie – der emotionale Anteil daran – in diesem als Vorposten deutschen Wesens empfundenen weiten Land Reitausflüge unternahmen. Eine Kontinuität dieser Kontakte und Studien seit 1947/48 in Westdeutschland wird festgehalten, wenn auch eine »tatsächliche Amalgierung etwa der soziologischen Konzepte Freyers und Ipsens mit Formen der tradierten geschichtswissenschaftlichen Vorgehensweise« mitunter mit einem Fragezeichen versehen wird.477 Nun – bei Otto Brunner handelte es sich jedenfalls nicht um »Formen der tradierten geschichtswissenschaftlichen Vor-
471 472 473 474 475 476 477
Auskunft 05. 11. 1945, UAW, PHIL PA 1140, fol. 2. »Verdunpreis«, ohne Datum, ebd., fol. 3, . Zitiert nach: Heiss, Perspektive, 2005, S. 190. Schreiben 26. 08. 1948, UAW, PHIL PA 1140, o. Nr. Heiss, Perspektive, 2005, S. 191. Raphael, Volksgeschichte, 2002, S. 14 ff. Vgl. Klingemann, Verschmelzung, 2002, S. 35.
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Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
gehensweise«, sondern um »eine Kontinuität sozialhistorischer Interessen über die Zäsur 1945 hinaus«.478 Das Königsberger Netzwerk brachte nach 1945 allmählich (zwischen 1947 und 1957) seine Mitglieder wieder auf westdeutsche Lehrstühle,479 woraus sich Ende 1953 die Abwanderung des in Österreich vereinzelten Otto Brunner nach Hamburg ergab und »mit ihm (…) ein ›Vater‹ der neuen deutschen Sozialgeschichte, der innovativsten Forschungsrichtung dieser Jahrzehnte« für Österreich verlorenging.480 War der Historiker Brunner bis etwa 1949 bzw. 1953 bei aller Anerkennung seiner verwandten Bestrebungen eher eine Außenfigur der »Königsberger Gruppe«, so gehörte ihr der Soziologe Gunther Ipsen – von 1933 bis 1939 in Königsberg ordentlicher Professor für Philosophie, Pädagogik, Psychologie und Volkslehre (eine organisatorische Zusammenführung dieser Fächer war vom NS-Regime erwünscht worden)481 – von Anfang an im Kern dazu. Er betrieb hier als einen Schwerpunkt intensive Landvolk-Forschung – kennzeichnend 1933 sein Buch »Das Landvolk, ein soziologischer Versuch« –, aber auch psychologische und sprachphilosophische Studien.482 Seine Berufung nach Wien forcierte der Staatskommissär der Abteilung IV des Wiener Ministeriums für innere und kulturelle Angelegenheiten, Friedrich Plattner, der 1936 in Königsberg eine Professur für Physiologie erlangt hatte.483 Als ordentlicher Professor in Wien ab 1939 kam Ipsen aber hier praktisch nicht zu akademischer Lehrtätigkeit, da er in die Wehrmacht einrücken musste. Er war in Wien allerdings Mitbegründer der »Europäischen Gesellschaft für Soziologie« und veröffentlichte 1944 die Arbeit »Die Naturgeschichte des deutschen Volkes«. Auch hier begegnen wir also wieder dem biologistischen Ansatz nationalsozialistisch gefärbter Wissenschaft. Als Mitglied der Wehrmacht und Offizier des West-, dann des Ostheeres schrieb Ipsen aufschlussreiche Nachrichten an die Wiener Universität. Dieser fühlte sich als Soldat und Professor zugleich, berichtete von schweren Kämpfen, meldete Beförderungen und Auszeichnungen, wozu ihm die Fakultät wiederum gratulierte.484 Er behandelte in dem gleichen Schreiben aber eben auch Belange 478 Raphael, Volksgeschichte, 2002, S. 7. 479 Vgl. Thomas Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte. In: Lutz Raphael (Hrsg.), Von der Volksgeschichte zur Strukturgeschichte: Die Anfänge der westdeutschen Sozialgeschichte 1945 – 1968 (Leipzig 2002), S. 12 – 33, hier 17. 480 Heiss, Perspektive, 2005, S. 191. 481 Benetka/Kienreich, Seelenlehre, 1989, S. 120. 482 Vgl. Cermak, Lehrkörper, 1980, S. 133, Literaturliste. 483 Zu den Umständen dieser Berufung siehe Benetka/Kienreich, Seelenlehre, 1989, S. 119 f. 484 Siehe etwa Brief 14. 10. 1940, UAW, PHIL PA 2061, fol. 12: »Die Verleihung (des E.K. I) wird natürlich in den Personalakten hier vermerkt und ich werde mir auch erlauben, in der Sitzung des Fakultätsausschusses hiervon Mitteilung zu machen« (Dekan Christian).
Wege zur modernen Sozialgeschichte
153
der Universitäts-, besonders der Bestellungspolitik, wobei er auf die ständigen Kontakte mit Arnold Gehlen, den er als zweiten Ordinarius für Philosophie nach Wien geholt hatte, hinwies.485 Ausführlich legte er etwa im Brief vom 18. September 1941 dem Dekan, den er beharrlich – schon in früheren Schreiben – mit »Herr Christian« ansprach, dar, dass er »vom Tag (seiner) Berufung an die Errichtung einer planmäßigen, außerordentlichen Professur für Psychologie für notwendig erklärt habe«.486 Dieses Fach nahm im nationalsozialistischen Wissenschaftsverständnis einen hohen Stellenwert ein und erfuhr zusätzlich durch den Krieg eine Aufwertung.487 Ipsen wusste sich in dieser Sache mit Gehlen einig. Nach Kriegsende verlor er als ehemaliges Parteimitglied seine Professur in Wien, hielt sich einige Zeit in Tirol auf488 und ging dann nach Deutschland, bzw. wurde er aus Österreich ausgewiesen. Er beschäftigte sich weiterhin mit der Landvolk-Forschung (»Die Zukunft des Bauerntums«, 1951), weitete aber seine Tätigkeit auf andere Bevölkerungsgruppen und auf den städtischen Raum aus (»Leistungslohn und Familie«, 1953; »Die Bevölkerung Mittel- und Westdeutschlands bis 1955«, 1954; »Sozialfragen der industriellen Ballung«, 1955).489 Nicht einmal das Königsberger Netzwerk konnte ihm einen Lehrstuhl verschaffen, er wurde aber »immerhin« an der Universität Münster »emeritierter Professor zur Wiederverwendung«.490 Wie Otto Brunner war er beteiligt an der Gründung des Arbeitskreises für moderne Sozialgeschichte 1957, der auf die interdisziplinäre Kooperation von Soziologen, Nationalökonomen und Historikern großen Wert legte und mit der Anpassung an die neuen politischen Rahmenbedingungen eine der Grundvoraussetzungen für die Breitenwirkung der neuen Sozialgeschichte schuf.491 In den Diskussionen dieses Arbeitskreises 1957 sprach sich Brunner erwartungsgemäß »scharf gegen eine geschichtsfremde Soziologie« aus,492 während Gunther Ipsen »für Enthaltsamkeit allem Ideologischen gegenüber« plädierte.493
485 486 487 488 489 490 491 492 493
Vgl. Brief 10. 10. 1940, ebd., fol. 11 und Brief 18. 09. 1941, ebd., fol. 13. Brief 18. 09. 1941, ebd., fol. 13. Benetka/Kienreich, Seelenlehre, 1989, S. 121 f. Bestätigung 04. 02. 1946, UAW, PHIL PA 2061, fol. 1. Werkangaben nach Cermak, Lehrkörper, 1980, S. 133. Etzemüller, Sozialgeschichte, 2002, S. 17, Anmerkung 10. Vgl. Raphael, Volksgeschichte, 2002, S. 8 f. Klingemann, Verschmelzung, 2002, S. 55. Ebd., S. 54.
154
5.5
Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
Privatwirtschaft
Wurden mit der »modernen Sozialgeschichte« ein Teilaspekt deutsch-faschistischer Wissenschaftssicht fruchtbar für die folgenden Jahrzehnte und die damit beschäftigten Forscher in gewisser Weise im wörtlichen Sinne »rehabilitiert«, so begegnen wir in der Gruppe der Ordinarien der Philosophischen Fakultät der Universität Wien von 1938 bis 1945 auch Männern, die ihre Verstrickung ins Regime nach dessen Zusammenbruch zwang, Leben und Arbeit gänzlich zu verändern. Der Wiener Physiker Gerhard Kirsch und der Tiroler Petrologe Arthur Marchet machten nach dem 13. März 1938 akademische bzw. politische Blitzkarrieren. Kirsch, Jahrgang 1890, der im Fragebogen vom September 1938 angab, Mitglied der »ersten NSDAP« ab 1923 gewesen zu sein und »seit 1933 am Aufbau des illegalen NS-Dozentenbundes an der Universität mitgewirkt« zu haben,494 wurde im Juli 1938 als weiter zu bestellender »Hochschulassistent in der ersten Klasse« vom »kommissarischen Beauftragten des N.S.D. Dozentenbundes für Österreich« Arthur Marchet »wärmstens befürwortet«.495 Schon 11 Monate nach der Genehmigung der Weiterbestellung im Oktober 1938 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor mit dem Zusatz, »zugleich darf er sich des besonderen Schutzes des Führers sicher sein«.496 Wiederum 15 Monate später, mit Wirkung vom 1. Jänner 1941, wurde er ordentlicher Professor für Physik.497 Marchet, beim Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Österreich 45 Jahre alt, gab in einem NS-Fragebogen aus dem Jahr 1938 an, ab 1934 »mit Wissen der NSDAP« Mitglied der Vaterländischen Front gewesen zu sein, »ab 1932 Mitglied der NSDAP, Mitglied der SA (aktiv 1933 bis 1935), derzeit Oberscharführer«, ferner Gaudozentenbundführer. Als Amtsbezeichnung ist angeführt: »Universitätsassistent, tit. a.o. Prof.«498 Im November 1939 wurde er außerplanmäßiger Professor, zwei Monate später ordentlicher Professor,499 1943 Dekan der Philosophischen Fakultät.500 Die Forschungsliteratur weist gelegentlich darauf hin, dass die Entnazifizierung sich nicht oder nur wenig auf den Bereich der Wirtschaft ausgedehnt habe. Der Austausch wirtschaftlicher Führungskräfte erwies sich im Konkreten wohl tatsächlich immer wieder als praktisch nicht verantwortbar, gegen verdächtigen 494 495 496 497 498 499 500
Fragebogen ohne Datum, UAW, PHIL PA 2188, fol. 109. Bestellungsantrag 12. 07. 1938, ebd., fol. 097. Genehmigung 13. 10. 1938, ebd., fol. 098 und Ernennung 09. 09. 1939, ebd., fol. 114. Ernennung 31. 01. 1941, ebd., fol. 129. Vgl. Fragebogen 01. 10. 1938, UAW, PHIL PA 2548, fol. 78. Ernennung 11. 11. 1939, ebd., fol. 85 und Ernennung 29. 02. 1940, ebd. fol. 91. Schreiben 06. 05. 1943, ebd., fol. 101.
Privatwirtschaft
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Zuwachs wollte man sich aber rückversichern: Am 17. Jänner 1946 fragte die Salzburger Landesregierung beim Rektorat der Universität Wien an: »Es befindet sich im Lande Salzburg, Bischofshofen, Bahnhofstraße 3 ein gewisser Herr Professor Kirsch. Derselbe war Lehrer für Physik und Mathematik an der dortigen Universität und soll nach seinen Angaben wegen seiner Zugehörigkeit zur Partei aus seiner Stellung entlassen worden sein. Die Landesregierung – Amt für Wirtschaft – fragt an, ob Prof. Kirsch derart belastet erscheint, dass er hier im Lande Salzburg nicht als wissenschaftlicher Experte für Industrie-Betriebe verwendet werden könnte bzw. ob die Landesregierung ihm Unterstützung in seinen Bestrebungen um Erlangung einer Existenz gewähren kann.«501
Der zuständige Dekan enthielt sich in einer Antwort502 einer direkten Stellungnahme zu diesem Fall, wies aber darauf hin, dass Gerhard Kirsch an der Universität »Tätigkeiten eines Illegalen versehen« habe. Dieser kam dann offenbar in Bischofshofen – wohl wie Arthur Marchet an den Mitterberghütten – beruflich unter, schrieb er doch im Oktober 1947 von einer Bischofshofener Adresse aus an das Dekanat, sein noch am I. Physikalischen Institut befindliches persönliches Eigentum sei durch »das Versagen des Spediteurs meiner Firma« noch nicht abgeholt worden.503 Schon im Juli 1947 wurde die Entlassung des Professors Gerhard Kirsch aus dem öffentlichen Dienst aufgrund der Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes 1947 aufgehoben. Die nach dem 13. März 1938 zurückgelegte Dienstzeit bis zum 30. April 1945 unter dem Status eines Assistenten bekam er auf seinen künftigen Ruhegenuss angerechnet.504 Arthur Marchet trat nach seiner Entlassung, dem Verlust seines akademischen Grades und der Verurteilung zum Vermögensentzug in die Glashütte Mitterberg-Hütten in Bischofshofen ein und wurde 1951 Leiter des Labors dieses Industriebetriebes.505 Bereits zuvor, im Mai 1950, war dem Antrag auf Wiederverleihung seines akademischen Grades vom Senat einstimmig stattgegeben worden, was Gernot Heiß mit anderen Beispielfällen als Hinweis dient, dass der Akademische Senat der Universität Wien in den 1950-er und 1960-er Jahren bemüht war, »die alten Polarisierungen und den Ausbruch ideologischer Konflikte zu vermeiden«.506 Die Tatsache, dass ihm im Herbst 1956 sein beschlagnahmtes Vermögen wieder zugesprochen wurde, nahm Marchet zum Anlass, von der Fakultät seine Separatensammlung (rund 3000 Objekte inklusive Zettelkatalog) zurückzuver501 502 503 504 505 506
Aktennotiz ohne Datum, UAW, PHIL PA 2188, fol. 145. Mitteilung 27. 03. 1946, ebd., fol. 144. Schreiben 19. 10. 1947, ebd., fol. 154. Bescheid 23. 07. 1947, ebd., fol. 148. Vgl. Cermak, Lehrkörper, 1980, S. 199. Heiss, Wendepunkt, 2005, S. 36.
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Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
langen, die von Hans Leitmeier, seinem Nachfolger, als eine »von ihm durchgeführte Sühneaktion« ins Mineralogisch-Petrographische Institut gebracht worden sei.507 Die Antwort des damals 72-jährigen Professors Leitmeier an den Dekan Hugo Hantsch vom 14. September 1957 ist ein zorniges, offenes Dokument der Zeitgeschichte der Wiener Universität und als solches lesenswert. Hier sei nur angeführt, dass Leitmeier mit wenigen Helfern auch Marchets Separata »aus dem Chaos und Unrat, der den Boden des heutigen mineralogischen Instituts bedeckte (…) geborgen und gesammelt« habe. »Wir waren auf so wenige angewiesen, denn die Nazibonzen mit Prof. Marchet dem Dozentenführer brachten sich ja in echt nationalsozialistischer Tapferkeit in Sicherheit. Sie befolgten die Weisung ihres Gauleiters Wien zu verteidigen mit demselben Elan wie dieser selbst, indem sie Reißaus nahmen und uns, die sie so schwer geschädigt hatten, die Wiederherstellung überließen.«
Er habe die Sammlung Marchets aber nicht dem Institut einverleibt, und noch einmal sprach er von »Schädigung«, von »Schaden«: »Ich wollte nicht gegen einen ehemaligen Kollegen vorgehen auch wenn dieser mich und die Wissenschaft auf das Schwerste geschädigt hatte (er und seine Horden machten mir den Abschluss meiner Tauernforschung, in denen ich meine Lebensaufgabe erblickt habe, zunichte).«508
Wir sind also Zeugen eines bemerkenswerten In-Beziehungs-Setzen von Mensch und Wissenschaft – unserem Thema – und eines berührenden Falles von der Wirkung politischer Vorgänge auf einen wissenschaftlichen Lebensplan. Arthur Marchet, der immer wieder von dem Unrecht sprach, das er nach 1945 erlitten habe, reagierte auf das Schreiben Leitmeiers mit der Beiziehung eines Rechtsanwaltes.509 Er ging 1963 bei den Mitterberg-Hütten in Pension und verstarb 1980 im Alter von 88 Jahren.
5.6
Von Carnuntum auf den Magdalensberg
Der spätere Führer und Reichskanzler Adolf Hitler war während seiner Wiener Jahre 1907 – 1913 in Kontakt mit den Schriften der deutschtümelnden Schwärmer Guido von List und Jörg Lanz von Liebenfels gekommen. Im Denken dieser Männer war Carnuntum, pannonisches Legionslager der Römer an der Donau, von besonderer Bedeutung als mythischer und mystischer Ort der Germanen 507 Schreiben 29. 06. 1940, UAW, PHIL PA 2188, fol. 118. 508 Schreiben 14. 09. 1957, UAW, PHIL PA 2548, fol. 125. 509 Vgl. Schreiben 27. 09. 1957, ebd., fol. 128.
Von Carnuntum auf den Magdalensberg
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aus grauer Vorzeit.510 Es verwundert nicht, dass sich »unmittelbar nach dem Anschlusse die Kulturabteilung des Gaues Niederdonau die großzügige Erforschung von Carnuntum zur Aufgabe« machte und es dem Gauleiter Hugo Jury gelang, »beim Führer den Betrag von einer halben Million Mark für Carnuntum zu erwirken«.511 Dieses Projekt wurde Parteisache, mehr noch, Chefsache. Im offenen, fast naiv anmutenden Opportunismus seines Rechtfertigungsschreibens »Mein Verhältnis zur NSDAP« vom Oktober 1945512 gab der außer Dienst gestellte Ordinarius für römische Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik, der aus einer Kärntner Familie stammende Rudolf Egger an, nur deswegen der Partei beigetreten zu sein, damit das »Österreichische Archäologische Institut«, dessen Direktor er war, auch den »Betriebsführer« bei den Ausgrabungen in Carnuntum stellen könne. Im Verkehr mit den hohen Parteifunktionären, den Parteiämtern und besonders dem eigens beim Gau gebildeten Sonderdienst Carnuntum seien nur Parteimitglieder von gleich zu gleich behandelt worden. Allerdings habe er – man spürt sein Bedauern – »erst 1940« – dem Jahr, als seine Anwärterschaft bei der Partei in eine Mitgliedschaft umgewandelt wurde – »›Betriebsführer‹ sein können, doch da kam es in Carnuntum zu keinen größeren Grabungen mehr«. Opportunismus also für sein Institut, nicht für sich selbst. Das Institut trug seit dem »Anschluss« allerdings nicht mehr das Adjektiv »österreichisch« – es hieß nun »Zweigstelle Wien des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches«. Im Fragebogen 1938 gab er als Beginndatum seiner Anwärterschaft den 1. Jänner 1938 an und wollte sich damit wohl mit den Lorbeeren eines »Illegalen« schmücken – ein Umstand, der ihn 1945 zu gewagten Konstruktionen der Rechtfertigung trieb.513 Es handelte sich allerdings auch um eine vom Gaudozentenführer Marchet den Beitrittswilligen vom Frühjahr 1938 angebotene »Gefälligkeit« (mit Nachzahlung der Mitgliedsbeiträge), die uns in den Quellen öfter begegnet und für manche Professoren offenbar schwer abzuschlagen war. Wesentlich leichter mit seiner NS-Vergangenheit als Rudolf Egger, der im Juli 1946 entlassen514 und im September 1947 unter Kürzung der Pension in den Ruhestand versetzt worden war,515 tat sich sein Mitdirektor im Archäologischen Institut, der Wiener Camillo Praschniker. Wie sein Kollege war er im Banne des Rummels um Carnuntum im Dezember 1938 Anwärter der NSDAP geworden,516 510 Vgl. Brigitte Hamann, Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators (München, 9. Auflage, 2007). 511 Vgl. Erklärung 05. 10. 1945, UAW, PHIL PA 1528, fol. 71. 512 Ebd., fol. 70 f. 513 Ebd., fol. 70. 514 Bescheid 02. 07. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Egger, fol. 83. 515 Bescheid 29. 09. 1947, UAW, PHIL PA 1528, fol. 80. 516 Ersuchen 18. 07. 1945, UAW, PHIL PA 2933, fol. 153.
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Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
doch wurde er im Februar 1942 durch das plötzliche Bekanntwerden der Existenz einer jüdischen Großmutter aus der Partei entlassen.517 Wie die Dinge damals lagen, rangen sich Reichsinnenminister und Parteikanzlei erst im Oktober 1943 zu der Entscheidung durch, den nunmehrigen »Mischling 2. Grades« »ausnahmsweise« in seinem Amte als Universitätsprofessor zu belassen.518 Sein Parteiaustritt 1942 – nach dem Krieg von ihm nunmehr mit »immer stärkerer Opposition zu deren Ideologie« begründet519 – erleichterte ihm seine Rehabilitierung sehr : Im September 1947 wurde er von der Registrierung als Nationalsozialist ausgenommen520 und im Mai 1948 zum ordentlichen Professor an der Universität Wien (wieder-)ernannt.521 Zugleich blieb er Direktor des Österreichischen Archäologischen Instituts. Rudolf Egger hielt sich in den ersten Jahren nach der Befreiung in Kärnten, der Heimat seiner Eltern, auf, mit dem ihn eine tiefe Beziehung verband und über das er schon seit 35 Jahren geforscht hatte: 1909, 1912, 1914 und 1916 hatte er in den Jahresheften des Österreichischen Archäologischen Instituts über Ausgrabungen in Kärnten veröffentlicht, 1920 schrieb er einen Führer durch die Antikensammlungen des Landesmuseums in Klagenfurt, 1924 über Teurnia, die Römerstadt bei Spittal an der Drau, 1929 über die spätantike Festung Duel in Oberkärnten und 1938 in der Zeitschrift Carinthia den Aufsatz »Aus dem römischen Kärnten«. Weiters hielt er 1941 Vorträge über »Kärnten im Altertum«. Nur einmal, 1926, schrieb er auch zum römischen Limes in Österreich, über das zweite Amphitheater von Carnuntum, das 1938 und 1939 das Objekt seiner wissenschaftlichen Begierde und seines Ehrgeizes war.522 1948 aber begann der Archäologe gemeinsam mit Camillo Praschniker, der als sein Freund galt, in Kärnten, dessen Verhältnisse zur römischen Zeit er wie kein Zweiter kannte, die keltisch-römische Stadt im Gipfelbereich des Magdalensberges auszugraben, die man bis heute nicht sicher benennen kann und die den größten bekannten Mittelpunkt in der Spätzeit des keltischen Königreichs Noricum darstellt. Ihre wirtschaftliche Kraft hatte auf der Verarbeitung und dem Handel mit norischem Eisen basiert, das in der Antike Weltruf besaß.523 Schon 1948 wurden an der Süd- und Westseite des Gipfelplateaus (in etwa 1.050 Meter Höhe) Suchschnitte vorgenommen, die Reste keltischer und sie Eidestattliche Erklärung 12. 09. 1945, ebd., fol. 160. Siehe auch Kapitel 5.7.5. Bescheid 12. 10. 1943, ebd., fol. 144. Ersuchen 18. 07. 1945, ebd., fol. 153. Bescheid 03. 09. 1947, ebd., fol. 167. Bescheid 26. 08. 1948, ebd., fol. 174. Verzeichnis der Veröffentlichungen 1903 – 1929 ohne Datum, UAW, PHIL PA 1528, fol. 76 und Verzeichnis der Veröffentlichungen 1938 – 1945 ohne Datum, ebd., fol. 69. 523 Vgl. Andreas Lippert, Archäologieführer Österreich und Südtirol (Stuttgart 1985), S. 325 – 332. 517 518 519 520 521 522
Ausgewählte Einzelbiographien
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später ablösender römischer Befestigungsanlagen erbrachten. Da Camillo Praschniker schon 1949 verstarb, übernahm Rudolf Egger, damals seit zwei Jahren pensioniert und 67 Jahre alt, die Leitung der Ausgrabungen und behielt sie 20 Jahre hindurch. Heute stellt diese Ausgrabungsstätte eine der größten Österreichs dar und ist von internationaler Bedeutung. Der von Egger verfasste Führer durch die Ausgrabungen erschien 1963 in der 13., 1977 in der 20. Auflage. Überdies gab er jährliche Grabungsberichte in der Zeitschrift Carinthia heraus. Der unermüdliche Forscher starb hochgeehrt im Mai 1969. Hermann Vetters schrieb gegen Ende seines Nachrufs: »Ein gütiges Geschick gestattete Rudolf Egger, bis ins hohe Alter geistig frisch zu schaffen und zu wirken, die Vorsehung schenkte ihm auch einen raschen und leichten Tod.«524 Wir können noch hinzufügen: Den Ruhm, den er in Carnuntum winken sah, fand er auf dem Magdalensberg.
5.7
Ausgewählte Einzelbiographien
5.7.1 Wilhelm Czermak Am 13. März 1953, auf den Tag genau 15 Jahre nach Verabschiedung des »Gesetzes über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich«, verstarb der sich seit neun Monaten im Amt befindliche Rektor der Universität Wien, der ordentliche Professor für Ägyptologie und Afrikanistik Wilhelm Czermak im Alter von 64 Jahren. Die Liste seiner Titel und Mitgliedschaften auf dem Partezettel525 ist beeindruckend, ebenso spricht dieser vom »hochverehrten Oberhaupt der Universität«. Das war wohl nicht nur leerer Wortklang, besitzen wir doch einen erhellenden Brief des Prorektors und Seniors der philosophischen Fakultät, Richard Meister, an Czermak und dessen Antwort aus dem Sommer 1946.526 Der Ägyptologe bekleidete damals seit drei Semestern, für das Sommersemester 1945 und das Studienjahr 1945/46, das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät, »in einer Stunde schwerster Entscheidung, (…) in dem sorgen- und verantwortungsvollsten Jahre, das die Universität seit dem Sturmjahr 1848 gesehen hat«.527 Es war das Unternehmen der Entnazifizierung der Universität, der Fakultät, das anstand, und hier scheint Czermak nach der Bewertung Meisters – durch alle wortreichen Beweihräucherungen der beiden Professoren und Amtsträger 524 525 526 527
Nachruf nach 07. 05. 1969, UAW, PHIL PA 1528, fol. 89. Partezettel 14. 03. 1953, UAW, PHIL PA 1413, fol. 131. Brief 30. 06. 1946, ebd., fol. 111 und Antwortbrief 12. 07. 1946 fol. 112 – 113. Ebd., fol. 111.
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scheint es durch – wirklich mit bemerkenswerter Standhaftigkeit, »von größtem Interesse getragener Umsicht und kollegialer Herzlichkeit«528 vorgegangen zu sein. Er habe diese Arbeit getan »pflichtbewusst, mit größter Objektivität und zugleich echt österreichische(r) Humanität.«529 Österreich wird also ebenso beschworen wie die Humanität – ein Schlüsselbegriff universitären Selbstverständnisses nach 1945, als Gegenpol zur »volkhaften Lebenswissenschaft« (Heinz Kindermann) der nationalsozialistischen Zeit. Die Fakultät habe Czermak – wegen Krankheit nicht bei der betreffenden Fakultätssitzung anwesend – einstimmig und unter Akklamation ihren Dank für sein Vorgehen ausgesprochen, nachdem er die letzten Semester »schwere Anfeindungen« erlebt habe, »grundlos in ihrer Ungerechtigkeit und ruchlos in ihrer Gehässigkeit«.530 Wilhelm Czermak dankte dem Kollegen wortreich sowie ehrlich berührt und brachte eindringlich das Wort »Pflicht« ins Spiel, obwohl dieses »durch den häufigen Gebrauch abgegriffen« sei. Er verwendete es aber im Sinne Immanuel Kants in dessen »Gebet an die Pflicht«, das ihm immer wieder »auch in den dunkelsten Tagen« neue Kraft gegeben habe.531 Den zweiten Namen, der in diesen Jahren nach dem »Zusammenbruch« häufig auftauchte und zur Spiegelung diente, jener Goethes, zitiert Czermak in diesem Antwortbrief ebenfalls: Meister habe ihm in diesen schwersten Zeiten »in fast übermenschlicher Leistung« zur Seite gestanden und damit Goethes Forderung erfüllt, »daß jeder an seinem Platze dem Vaterlande am besten dient«.532 Der Wiener Wilhelm Czermak, Sohn des gleichnamigen Universitätsprofessors und Augenarztes, maturierte 1907 am Staatsgymnasium zu den Schotten. Er hatte in Wien Orientalische Sprachen und Ägyptologie studiert und sich 1912 – 1914 im Team Hermann Junkers an den Grabungsexpeditionen der k. k. Akademie der Wissenschaften zu den Pyramiden von Gizeh betätigt. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges war er Kundschaftsoffizier des Kriegsministeriums in Aleppo in Syrien gewesen. Ordentlicher Professor seit 1931, trat er in der Folge weder der NSDAP noch einer ihrer Gliederungen oder Unterorganisationen bei – ein Umstand, der eine Voraussetzung für seine Wahl zum Dekan der Philosophischen Fakultät am für die Zukunft der Wiener Universität bedeutsamen 26. April 1945 darstellte. Obwohl immer wieder von Krankheiten geplagt,533 kam er in entscheidenden Momenten 1945 und 1946 an vorderster Linie – noch einmal dieses Wort – seiner Pflicht nach. Licht und Schatten einer Persönlichkeit: Nach einem Hinweis von Klaus Ta528 529 530 531 532 533
Ebd. Ebd. Ebd. Ebd., fol. 112. Ebd. Unterschiedliche Briefe zum Thema, UAW, PHIL PA 1413, fol. 103, 105, 111, 112, 162.
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schwer gehörte Wilhelm Czermak – wie Richard Meister, Oswald Menghin und Hermann Junker – in seiner Jugend dem Geheimbund »Bärenhöhle« an – einem Netzwerk, das eine Art Numerus clausus für jüdische und linke Nachwuchswissenschaftler an der Universität etablieren wollte.534 Für die erste Phase des Zweiten Weltkrieges bringt Gerd Simon, unter anderem verdienter Erforscher von Person und Wirken des Professors für altsemitische Philologie, Abteilungsleiters im »Ahnenerbe« der SS und schließlich Rektors der Wiener Universität, Viktor Christian, Czermak mit dieser 1935 von Heinrich Himmler errichteten Institution in Zusammenhang. Denn im Frühjahr 1941 gab es bei führenden Ahnenerbe-Funktionären Überlegungen, wie zu erwartender deutscher Kolonialbesitz wissenschaftlich zu organisieren sei. Es war nämlich ein Ziel, »dass bereits bei den ersten Abteilungen der Kolonialsicherungstruppen für den wisenschaftlichen Aufsammeldienst geschulte Männer eingesetzt werden«.535 Christian wurde eingebunden und »zieht (…) zur Durchführung eines entsprechenden Ahnenerbe-Auftrags vier seiner Wiener Kollegen heran, den Völkerkundler Hermann Baumann, den Urgeschichtler Oswald Menghin, den Anthropologen Karl Tuppa und den Ägyptologen und Afrikanisten Wilhelm Czermak.«536
Umfang, Art und Färbung einer entsprechenden Mitarbeit Czermaks wären im Rahmen einer weitergehenden Betrachtung zu untersuchen.537
534 Siehe dazu ausführlich den Beitrag von Klaus Taschwer, Geheimsache Bärenhöhle. Wie ein antisemitisches Professorenkartell der Universität Wien nach 1918 jüdische und linke Forscherinnen und Forscher vertrieb, abrufbar unter : https://www.academia.edu/4258095/ Geheimsache_Barenhohle._Wie_ein_antisemitisches_Professorenkartell_der_Universitat_ Wien_nach_1918_judische_und_linke_Forscherinnen_und_Forscher_vertrieb._2013_ (Zugriff: 30. 09. 2013). In Zusammenhang mit Hermann Junker werfen Julia Budka und Claus Jurman Czermak »bewussten Amtsmissbrauch« als »Universitätsangehöriger in leitender Funktion« vor. 1948, zur Zeit seines Unterstützungsschreibens für seinen Lehrer, dem bekannten Ägyptologen Hermann Junker, war Czermak allerdings nicht mehr Dekan und noch nicht Rektor. Vgl. Julia Budka, Claus Jurman, Hermann Junker. Ein deutsch-österreichisches Forscherleben zwischen Pyramiden, Kreuz und Hakenkreuz. In: Susanne Bickel, HansWerner Fischer-Elfert, Antonio Loprieno, Sebastian Richter (Hrsg.), Ägyptologen und Ägyptologie(n) zwischen Kaiserreich und Gründung der beiden Deutschen Staaten (= Zeitschrift für Ägyptische Sprache (ZÄS), Sonderband, Leipzig 2013). 535 Zitiert nach: Gerd Simon, Tödlicher Bücherwahn. Der letzte Wiener Universitätsrektor im 3. Reich und der Tod seines Kollegen Norbert Jokl (ohne Jahr), abrufbar unter : http:// homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/buecherwahn.pdf (Zugriff: 30. 09. 2013), S. 10. 536 Ebd., S. 11. 537 Siehe auch das Schriftenverzeichnis Czermaks ohne Datum, UAW, PHIL PA 1413, fol. 118 – 119, das etwa für 1943 einen Aufsatz zu »Ägypten und das übrige Afrika« im Tagungsband 1 der »Beiträge zur Kolonialforschung« anführt.
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Streiflichter zur wissenschaftlichen Arbeit
5.7.2 Hans Koch Hans Koch war eine schillernde, vielseitige und vielgesichtige Persönlichkeit. Sein Leben als lutherischer Theologe, Offizier des Nachrichtendienstes, Osteuropaforscher und Kulturkämpfer nahm streckenweise die Züge eines Abenteuers an. Er wurde 1894 in Lemberg in eine Familie hineingeboren, die Ende des 18. Jahrhunderts aus der Pfalz in Galizien eingewandert war, er war also Altösterreicher. Sein Studium der evangelischen Theologie und Philosophie in Wien wurde durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg und am polnisch-ukrainischen Krieg sowie durch sowjetrussische Gefangenschaft (bis 1921) unterbrochen.538 Als Dozent für Kirchengeschichte an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien unternahm er Studienreisen in zahlreiche osteuropäische Länder, etwa nach Konstantinopel oder zum Berg Athos. Am längsten weilte er allerdings 1931 am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom. 1940 wurde er ordentlicher Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Wien, unterbrach seine Lehrtätigkeit hier jedoch durch eine eineinhalbjährige Gastprofessur in Sofia und seine Teilnahme am Zweiten Weltkrieg. In einem Informationsbrief aus Sofia an Dekan Christian vom März 1940 bezeichnete er seine Kollegen an der Universität Wien modisch-deutschtümelnd als »Arbeitskameraden«,539 eine Krankmeldung des Hauptmanns Hans Koch wegen Gelbsucht von Ende 1942 ging von der Wehrmacht bezeichnenderweise irrtümlich an die EvangelischTheologische Fakultät der Wiener Universität.540 Nach seiner Tätigkeit im deutschen Geheimdienst, wo er etwa mit der Aufgabe betraut war, Verbindung zu nationalistischen ukrainischen Gruppen aufzunehmen, finden wir ihn im Frühjahr 1945 wieder in Wien. Dort tauchte er in einem Lazarett unter, um einer (neuerlichen) sowjetischen Gefangenschaft zu entgehen und lebte für sechs Jahre in der steirischen Gemeinde Aich-Assach als evangelischer Pastor.541 1952 trat er wieder an die Öffentlichkeit und wurde Direktor des Osteuropainstituts in München. Er tat sich als strikter Gegner des Sowjetkommunismus hervor und trat 1958, ein Jahr vor seinem Tod, eine ordentliche Professur an der Universität München an. 1955 begleitete Koch Konrad Adenauer als »wissenschaftlicher Berater« und Dolmetscher für dessen Verhandlungen über die Aufnahme von Beziehungen zur UdSSR nach Moskau. Die wissenschaftliche Arbeit Hans Kochs bewegte sich neben der osteuropäischen Profangeschichte vor allem auf dem Gebiet der Erforschung der or538 539 540 541
Vgl. Wagner, Koch, 1980, S. 263. Schreiben 19. 03. 1940, UAW, PHIL PA 2236, fol. 3. Krankmeldung 05. 11. 1942, ebd., fol. 18. Vgl. Wagner, Koch, 1980, S. 263.
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thodoxen slawischen Kirchen. Für die neueste Zeit war für ihn »der russische Bolschewismus zum Zentralproblem geworden, dem er eine Vielzahl von Studien und Arbeiten widmete.«542 Unter anderem machte sich der vielseitige Mann auch einen Namen als Übersetzer ukrainischer Lyrik.
5.7.3 Kurt Leuchs Am 8. Mai 1945, dem Tag der Kapitulation des Großdeutschen Reiches, füllte Kurt Leuchs, Ordinarius für Geologie in Wien seit 1940, das Personalblatt der Universität aus. Daran ist mehreres interessant: Der 1881 in Nürnberg geborene Leuchs gab als Staatsbürgerschaft »Deutsch (Bayern)« an, also wohl ein Hinweis auf den Freistaat und auf die mentalitätsmäßige Nähe zur entstehenden Republik Österreich. Die Rubrik »Aufenthalt am 10. 4. 1945 unter Begründung einer allfälligen Abwesenheit« bezog sich auf ein ausgewähltes Datum mitten im Kampf um Wien vom 5. bis zum 13. April 1945, wobei der Geologe im Gegensatz zu einer ganzen Anzahl seiner Kollegen, die sich mit oder ohne Erlaubnis in den Westen abgesetzt hatten, seine Wohnung in Wien 19 als Aufenthalt angeben konnte. Die Frage einer Mitgliedschaft bei der NSDAP musste er mit »ja, seit Mai 1933« beantworten, bei der Rubrik »Angehöriger einer Gliederung (SA, SS usw.)« schrieb er »Nein«.543 Das war der Anfang eines viereinhalbjährigen »Behördenganges«, bei dem die Universität alles unternahm, den international renommierten und für sie unersetzlichen Gelehrten für den Lehrbetrieb zu erhalten und dann wiederzubekommen, während die Behörden – die Sonderkommission beim Staatsamt für Inneres, der Magistrat Wien, die Alliierte Verwaltung, die Polizeidirektion, das Unterrichtsministerium, das Bundeskanzleramt, das Finanzministerium – dem politisch »belasteten« Ausländer immer wieder skeptisch gegenüberstanden. Schon im Juli 1945 gab Leuchs in einer handschriftlichen Erklärung544 auf Befragung durch den Dekan an Eides statt zu, von 1934 bis Sommer 1936 – das heißt bis zu seiner Berufung nach Ankara – entgegen bisheriger Angaben in Frankfurt am Main der SA angehört zu haben. Die Mitgliedskarte der NSDAP habe er vor dem Einmarsch der Roten Armee verbrannt.545 In einem ausführlichen Schreiben suchte er im Sommer 1945 um »Befreiung von der Registrierungspflicht ehemaliger Nationalsozialisten« an,546 unterstützt durch Erklärungen der Kollegen Leitmeier, Hassinger und Keil und des Prof. Leo Waldmann 542 543 544 545 546
Ebd. Personalblatt 08. 05. 1945, UAW, PHIL PA 2458, fol. 18. Erklärung 26. 07. 1945, ebd., fol. 67. Erklärung ohne Datum, ebd., fol. 19. Gesuch, 13. 07. 1945, ebd., fol. 24 – 25.
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von der Geologischen Staatsanstalt, die ihm untadeliges Verhalten, hohe Lehrbefähigung und wissenschaftliche Unersetzbarkeit bescheinigten.547 Gleichzeitig ging es immer wieder darum, Leuchs vor der stets drohenden Repatriierung nach Deutschland zu bewahren, wobei der Dekan sich auch an Major L. M. Lott, United States Forces in Austria, Education Branch, National Bank Building, wandte.548 Das Universitätsarchiv bewahrt ein handschriftliches Sitzungsprotokoll einer gewählten Kommission von Professoren auf, die über Leuchs’ Zukunft und der des Paläontologischen Instituts beraten und entscheiden sollte.549 Interessanterweise wurde bei dieser Gelegenheit auch eine Rückberufung eines Forschers550 aus dem Ausland besprochen (ein seltener Fall), doch »nach Orientierung durch (das) Min(isterium) sei (da) niemand, der aus dem Ausland zurück (zu) berufen wäre«. Die Kommission kam nach einiger Diskussion zum Ergebnis, »Leuchs zu behalten« und teilte dies dem Unterrichtsministerium mit. In der Zwischenzeit war das Dekanat immer wieder bestrebt, Leuchs über den Stand der Dinge zu informieren und den Wartenden zu ermuntern.551 1948 richtete Dekan Duda ein Gesuch mit einem Nachtrag um die Wiederernennung Leuchs zum ordentlichen Professor an das Ministerium, er galt rechtlich als enthoben.552 Aus dem Ausland trafen dringende Unterstützungsschreiben für den Geologen ein, so etwa im März 1948 von Prof. Herbert Hyde aus Ngaeundere, Cameroun Francais553 und im März 1949 von Prof. B. Landsberger, University of Chicago.554 Ende Juli 1949 kann der Dekan dem Kollegen mitteilen: »Ich freue mich außerordentlich, dass es endlich soweit ist, Sie für Wien endgültig gewonnen zu haben. Ich nehme an, dass die Übernahme nach § 7 bald erfolgen wird.«555 Doch um diese Zeit lag Leuchs schon im Allgemeinen Krankenhaus in der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik. Der unermüdliche Dekan Duda fragte an, ob es möglich wäre, ihm ein Einzelzimmer zur besseren Pflege durch seine Frau zuzuweisen.556 Am 13. Juli 1949 konnte die dauernde Weiterverwendung Leuchs’ vom Unterrichtsministerium genehmigt, der Akt am 29. Juli an das Finanz547 Bestätigungen 02.–07. 07. 1945, ebd., fol. 20 – 22. 548 Ersuchen 18. 10. 1945, ebd., fol. 10 und 26, Ersuchen 22. 09. 1946 ebd., fol. 68 und Ersuchen 14. 11. 1946, ebd., fol. 33. 549 Sitzungsprotokoll 02. 07. 1946, ebd., o. Nr. 550 Name im Sitzungsprotokoll unleserlich. 551 Stellungnahme 27. 10. 1947, ebd., fol. 31. 552 Gesuch 21. 06. 1948, ebd., fol. 41 und Nachtrag 22. 06. 1948, ebd., fol. 51. 553 Referenzschreiben 29. 03. 1948, ebd., fol. 53 und seine Übersetzung, ebd., fol. 55. 554 Referenzschreiben 24. 03. 1949, ebd., fol. 49. 555 Schreiben 20. 07. 1949, ebd., fol. 65. 556 Schreiben 22. 07. 1949, ebd., fol. 27.
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ministerium weitergereicht und von diesem am 10. September an das Bundeskanzleramt geleitet werden – doch am 7. September 1949 war der Professor gestorben. Ein Jahr später war das Ersuchen seiner Witwe um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft indessen noch zu keinem positiven Abschluss gekommen.557
5.7.4 Gustav Ortner 1947 erschien in Wien im Springer-Verlag das kleine einführende Buch »Atome und Strahlen« zu dieser damals allgemein interessierenden Thematik. Der Verlag hatte beim Unterrichtsministerium um Erlaubnis zur Herausgabe dieses Manuskripts nachgesucht, da es sich beim Autor um den des Dienstes an der Universität Wien enthobenen ehemaligen Nationalsozialisten Gustav Ortner handle. Das Ministerium richtete daraufhin im Mai 1946 ein Ersuchen um »Überprüfung und Stellungnahme« an das Rektorat der Universität und führte aus, »die Druckgenehmigung für das Werk würde nur erteilt werden, wenn der Arbeit besondere fachwissenschaftliche Bedeutung zukäme«.558 Eine Antwort der Universität liegt nicht vor, war aber offensichtlich positiv. Gustav Ortner wurde im Juli 1900 in Haus im Ennstal in der Steiermark geboren, studierte Mathematik und Physik und war ab 1924 Assistent am Institut für Radiumforschung der Akademie der Wissenschaften. »Der Führer« ernannte ihn mit Wirkung vom 1. Oktober 1939 zum außerordentlichen Professor für Physik an der Universität Wien,559 eine Stellung – aus der er als Mitglied der NSDAP560 im Juli 1945 entlassen wurde.561 Nicht unbezeichnend konnte der Forscher nach einigen – sozusagen abenteuerlichen – Jahren seine Karriere in Österreich erfolgreich fortsetzen. Er betätigte sich zuerst als privater Schriftsteller und ging 1950 an die Universität Kairo. Von dort aus richtete er am 19. April 1954 ein Ersuchen an die Wiener Universität, ihm die venia legendi, die ihm 1945 aberkannt worden war, wieder zu verleihen.562 Verzögerungen und Verhandlungen darüber zogen sich bis März 1955, also praktisch ein Jahr, hin, bis die Philosophische Fakultät die Lehrerlaubnis wieder erteilte.563 Mit Wirkung vom 1. Jänner 1956 ernannte der Bun557 558 559 560 561 562 563
Schreiben 18. 09. 1950, ebd., fol. 83. Ersuchen 10. 05. 1946, UAW, PHIL PA 2789, fol. 103. Ernennung 22. 10. 1939, ebd., fol. 88. Fragebogen 01. 09. 1938, ebd., fol. 77. Bescheid 06. 04. 1948, ebd., fol. 109. Ersuchen 19. 04. 1954, ebd., fol. 112. Schreiben 03. 07. 1954, ebd., fol. 113, Protokoll 04. 11. 1954, ebd., fol. 120, Kommissionsbericht 04. 11. 1954, ebd., fol. 122, Bestätigung 07. 03. 1955, ebd. fol 126.
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despräsident Ortner, nun wieder in Österreich, zum »Oberassistenten (Verwendungsgruppe A) im Personalstande des wissenschaftlichen Dienstes an Hochschulen und wissenschaftlichen Anstalten«.564 Er übernahm nun die Stelle eines Fachberaters des Bundesministeriums für Unterricht in Fragen der friedlichen Verwendung der Atomenergie und leitete die Planung des österreichischen Hochschulreaktors. 1960 ordentlicher Professor für Technische Kernphysik an der Technischen Hochschule Wien, dann Vorstand des Atominstituts, war Ortner auch Mitherausgeber der Zeitschrift »Atomkernenergie«.565 Eine Kontinuität: War er bereits seit 1941 korrespondierendes, so wurde er 1964 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und bedankte sich für die Glückwünsche von Seiten des Dekans der Philosophischen Fakultät.566 Gustav Ortner starb am 24. November 1984 in Afling, Osttirol.
5.7.5 Camillo Praschniker Es war eine Tatsache, die dem reifen Forscherleben des ordentlichen Professors für klassische Archäologie an der Universität Wien, Camillo Praschniker, zum Unglück zu werden drohte und sich schließlich in den politischen Zäsuren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einem Glück auswuchs: Im Spätwinter 1941/42 stellte sich heraus, kam auf, kam er darauf – wie es genau vor sich ging, ist aus den Quellen nicht ersichtlich –, dass seine Großmutter mütterlicherseits, Anna Henriette Breitenfeld, sie lebte von 1827 bis 1887, Jüdin war. Praschniker galt also nach NS-Rassengesetzen entgegen seiner Angabe im Fragebogen von Ende August 1938 als »Mischling zweiten Grades«.567 Als sofortige Reaktion zog er seine Anwartschaft auf Mitgliedschaft bei der NSDAP zurück,568 bzw. wurde er als Anwärter entlassen.569 Hierauf informierte er den Dekan der Philosophischen Fakultät, Viktor Christian, von diesem Verhängnis, der unverzüglich, schon am nächsten Tag, den 21. März 1942 – so tief saß also die Angst im Dritten Reich in dieser Hinsicht – ein Ansuchen an den
564 565 566 567 568 569
Ernennung 21. 12. 1955, ebd., fol. 127. Cermak, Lehrkörper, 1980, S. 242. Dankschreiben 11. 06. 1964, UAW, PHIL PA 2789, fol. 137. Fragebogen 29. 08. 1938, UAW, PHIL PA 2933, fol. 101. Eigene Angabe Ersuchen 18. 07. 1945, ebd., fol. 153. Eidesstattliche Erklärung des ehemaligen Blockhelfers der Ortsgruppe »Alserbach« der NSDAP, Arthur Dutz vom 12. 09. 1945, ebd., fol. 160.
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Reichsminister für Erziehung formulierte, Praschniker in seiner Stellung zu belassen.570 Im ersten Entwurf dieses Schreibens führte Christian noch ein geplantes Ansuchen Praschnikers an die »Kanzlei des Führers« an. Dieser begann seinen ausführlichen dreiseitigen Brief aber folgendermaßen: »Mein Führer, wenn ich es wage, Ihnen hiemit (sic) eine Bitte vorzutragen, deren Erfüllung für mich Alles bedeutet, so geschieht dies, weil ich das Bewusstsein in mir trage, durch meine ganze Lebenshaltung das Recht erworben zu haben, Sie bitten zu dürfen. Mich hat das Unglück getroffen (…)«.571
Zwei Begründungen des Briefschreibers seien hervorgehoben: »Der Führer« möge erwägen, dass der Professor schon »als Waffenstudent« bei der schlagenden Verbindung »Staufen« in Innsbruck den Traum von der Einigung Deutschlands geträumt habe, den er, »der Führer«, erfüllt habe. Zum anderen habe er schon 1921 »wohl als Erster in meiner Wissenschaft erklärt, dass die Kunstübung eines Volkes die Funktion seiner Rasse und seines Blutes sei«. Er habe immer getrachtet, seinen Hörern bewusst zu machen, »warum die antike Kunst dem deutschen Menschen so besonders nahesteht.«.572 So kann man auch als Klassischer Archäologe und »Judenmischling zweiten Grades« seinem »Führer« und der völkischen Wissenschaft dienen. Nach längerem Hin und Her konnte der Rektor schließlich im Oktober 1943 dem philosophischen Dekan in einem groß mit »v e r t r a u l i c h !« überschriebenen Brief mitteilen, dass Praschniker »im Hinblick auf seine wissenschaftliche Bewährung und seine loyale Einstellung zum Nationalsozialismus (…) im Einvernehmen mit dem Herrn Reichsminister des Inneren und dem Leiter der Parteikanzlei ausnahmsweise in seinem Amt belassen« werde.573 19 Monate später, am 7. Mai 1945, konnte. Camillo Praschniker, geboren 1884 in Wien, im Personalblatt eintragen, dass er zwar im Dezember 1938 Anwärter der NSDAP geworden sei, diese Anwartschaft im Februar 1942 aber »zurückgezogen« habe,574 und zwar, wie er im Juli 1945 ausführte, weil er zur Ideologie der NSDAP »in eine immer stärkere Opposition geriet.«575 Hier verdrehte er also die Tatsachen bewusst und die jüdische Großmutter war wieder weit in der Versenkung verschwunden. Die eidesstattliche Erklärung der Margarete Kutiak – ebenfalls vom Juli 1945 – hielt fest, dass der Wissenschaftler »schon im Februar
570 571 572 573 574 575
Briefentwurf 21. 03. 1942, ebd., fol. 113, Ersuchen 11. 04. 1942, ebd., fol. 131 f. Briefentwurf ohne Datum, ebd., fol. 117 f. Ebd. Bescheid 12. 10. 1943, ebd., fol. 144. Personalblatt 07. 05. 1945, ebd., fol. 151. Eidestattliche Erklärung 18. 07. 1945, ebd., fol. 153.
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1942 aus mir nicht näher bekannten Gründen aus der Partei ausgeschieden worden« sei.576 Jedenfalls hielt die Großmutter nun ihre schützende Hand über ihren Enkel: Nachdem er bereits im Frühsommer 1945 vom Staatsamt für Volksaufklärung in seiner Stellung als Professor belassen worden war,577 konnte er auch im September 1947 dem Dekanat übermitteln, dass er »von der Verzeichnung als Nationalsozialist in den besonderen Listen nach § 4, Abs. 5, lit. b, Verbotsgesetz 1947 ausgenommen« war.578 Seine amtliche Wiederernennung zum ordentlichen Professor erfolgte im Mai 1948, im August wurden seine Bezüge zufriedenstellend geregelt.579 Camillo Praschniker starb am 1. Oktober 1949 an einer Nierenschrumpfung.580
576 577 578 579 580
Eidestattliche Erklärung 17. 07. 1945, ebd., fol. 159. Eidestattliche Erklärung 18. 07. 1945, ebd., fol. 153. Mitteilung 17. 09. 1947, ebd., fol. 166. Bescheid 26. 08. 1948, ebd., fol. 174. Anzeige 01. 10. 1949, ebd., fol. 179.
6
Die Professoren der Medizinischen Fakultät
6.1
1944: Berlin »entpflichtet« und ernennt neu
Die Professorenschaft der Medizinischen Fakultät der Universität Wien umfasste im Sommersemester 1944 26 Mitglieder : 21 Ordinarien und fünf planmäßige außerordentliche Professoren. Von diesen gingen drei ordentliche Professoren – Franz Hamburger (70 Jahre), Nikolaus Jagic (69 Jahre) und Josef Meller (70 Jahre) – in diesem Jahr in Ruhestand. Neu ernannt wurden 1944 ebenfalls drei Professoren: Arnold Pillat kam aus Graz und übernahm für Meller die ordentliche Professur für Augenheilkunde.581 Außerordentliche Professoren wurden Lorenz Böhler für Chirurgie und Ernst Georg Mayer für Röntgenologie. Diese insgesamt 29 Männer (22 ordentliche und sieben außerordentliche Professoren) stehen im Fokus der Betrachtung miteinbezogen. Nicht berücksichtigt wird der Dozent Elmar Türk, der erst am 7. April 1945 – mitten im Kampf um die Stadt – mit der Vertretung Hamburgers betraut und am 15. Mai, also nach fünf Wochen, suspendiert, beurlaubt und schließlich am 2. Juni (mit früher Zeichnung Skrbenskys) enthoben wurde.582 Von den drei vom NS-Regime 1944 pensionierten Professoren ergab sich Franz Hamburger, »illegaler« Nationalsozialist seit April 1934, bereitwillig seinem Schicksal, indem er an den Reichsminister für Wissenschaft Bernhard Rust persönlich schrieb: »Vor etwa zwei Wochen hat der Dekan der medizinischen Fakultät über Auftrag von Berlin mich und später Prof. von Jagic und Prof. Meller gefragt, ob ich nicht finde, daß es mit Rücksicht auf mein Alter richtig wäre, mit Ende dieses Semesters endgiltig aus meinem Amt auszuscheiden, da man mir eine Kränkung ersparen wolle, darin bestehend, daß das Ministerium mich dann auffordern würde, meinen Abschied zu erbitten. Ich sagte, daß ich stets ein Gegner überflüssiger Formalitäten war, wenn man in einfacher Weise klare Tatsachen schaffen könne. Ich würde gar keine Kränkung darin 581 Siehe Einzelbiographie Pillat, Kapitel 6.9. 582 Becheid 15. 05. 1945, UAW, MED PA 713, fol. 23, und UAW, MED Dekanat Gz. 117/H/45.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
finden, wenn meine oberste Behörde mich mit Dank für meine durch viele Jahre geleisteten Dienste aus dem Amt entlassen würde. Das ist auch heute noch mein Standpunkt.«583
Hamburger, vom Reichsminister entpflichtet, wurde dann nach dem Zusammenbruch am 2. Juni 1945 durch den Staatssekretär seines Amtes enthoben584 und 1947 in den dauernden Ruhestand versetzt. Er war aber bereits 1945 nach Vöcklabruck übersiedelt, wo er die Leitung der Kinderklinik des dortigen Krankenhauses übernahm. Nikolaus Jagic wurde gegen den Einspruch des Rektors Eduard Pernkopf, der darin die »Vollziehung eines ungerechten Aktes« sah,585 mit Unterschrift Hitlers im Mai 1944 entpflichtet.586 Der Stichtag 10. April 1945 sah ihn dennoch an seinem Dienstort, der II. Medizinischen Klinik.587 Jagic, der nie Anwärter oder Mitglied der NSDAP gewesen war, wurde aufgrund eines »persönlichen Einvernehmens« mit 1. Oktober 1946 in den Ruhestand versetzt.588 Als streitbar erwies sich der dritte der Entpflichteten, der Vorstand der I. Augenklinik Josef Meller. Meller war zwar nach Angabe vom Juni 1939 »Mitglied der NSDAP laut provisorischem Ausweis«589 gewesen, trat aber – in der gesamten Professorengruppe der Medizinischen Fakultät ein nahezu einmaliger Vorgang – am 11. Jänner 1941 aus der Partei aus.590 Am 5. November 1943 erschien nun der im gleichen Jahr ernannte Dekan der Medizinischen Fakultät, Herbert Fuhs, in der Privatwohnung des Professors und teilte ihm mit, »das Unterrichtsministerium erwarte, daß er spätestens zum Ende des Wintersemesters um seine Pensionierung einkomme, widrigenfalls das Ministerium selbst seine Versetzung in den Ruhestand dekretieren würde. In einem ausführlichen Schreiben vom 9. 11. 1943 an den damaligen Dekan lehnte Herr Prof. Dr. Meller diese Zumutung ab, da er sich keines Vergehens bewußt war und eine solche Aufforderung nach 44jähriger Dienstzeit als entehrend empfand.«591
Josef Meller wurde nun mit Erlass des Reichsministeriums vom 10. Mai 1944 »von seiner amtlichen Verpflichtung entbunden«, jedoch am 30. April 1945
583 584 585 586 587 588 589 590 591
Schreiben 18. 11. 1943, Bundesarchiv Berlin (BA) R 4901/8489. Liste 02. 06. 1945, UAW, MED PA 713, fol. 25. Curriculum Eduard Pernkopf, ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Pernkopf, o. Nr. »(…) und spreche ihm für seine (…) dem Deutschen Volke geleisteten treuen Dienste meine Anerkennung und meinen besonderen Dank aus. Führerhauptquartier (…) Der Führer gez. Adolf Hitler« (Danksagung 26. 05. 1944, ÖStA/AdR, BMU PA Jagic, o. Nr.). Personalblatt 11. 05. 1945, UAW, MED PA 230, fol. 24. Amtsvermerk 26. 01. 1956, ebd., fol. 20. Fragebogen 20. 06. 1939, ÖStA/AdR, BMU PA Meller, o. Nr. Aktenvermerk 11. 01. 1941, Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA), Gauakt Meller. Schreiben 15. 12. 1956, UAW, MED PA 350, o. Nr.
Die »reichsdeutschen« Professoren
171
formal wieder in den Dienststand aufgenommen und mit dem nächsten Tag, dem 1. Mai 1945, wegen Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand versetzt.
6.2
Die »reichsdeutschen« Professoren
Acht der 29 Professoren der Medizinischen Fakultät bzw. 28 % waren geborene Wiener, 15 – nicht weniger als 55 % – stammten aus anderen Orten der Donaumonarchie (allerdings nur aus Cisleithanien), der Rest – fünf Professoren bzw. 17 % – waren geborene »Reichsdeutsche«, von denen nur drei die deutsche Staatsbürgerschaft besaßen und nach dem 13. März 1938 ernannt worden waren. Das entspricht einem Anteil von nur 10 % bei den Medizinern, was in diesem geringen Ausmaß überrascht. Skrbensky wünschte die »Namhaftmachung« der »reichsdeutschen« Professoren von Dekan Leopold Arzt, der die Namen Oskar Gagel, ordentlicher Professor für Neurologie, Lothar Löffler, ordentlicher Professor für Rassenbiologie, und Fritz Lejeune, außerordentlicher Professor für Geschichte der Medizin, am 16. August 1945 weitergab.592 Diese Personen wurden, da sie »nach dem Staatsbürgerschafts-Überleitungsgesetz StGBl. Nr. 59/ 1945 die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen«, mit Bescheid vom 22. August 1945593 nicht in den österreichischen Hochschuldienst übernommen. Anders als an der Philosophischen (für Ebert und Leuchs) und Juridischen Fakultät (für Kreller und Planitz) wurden bei den Medizinern keine Ausnahmen gemacht. Das Durchschnittsalter dieser drei nach März 1938 ernannten Professoren (Jahrgänge 1899, 1901 und 1892) war mit 48 Jahren im Jahr 1945 sehr niedrig – es handelte sich also um »junge, frische, nationalsozialistische Kräfte«. Das allgemeine Durchschnittsalter der Professoren an der Medizinischen Fakultät lag im Vergleich dazu 1945 bei 57 Jahren (64 Jahre bei Ordinarien, 54 Jahre bei außerordentlichen Professoren). Jünger als 60 Jahre waren bei Kriegsende 64 % der ordentlichen Professoren, älter als 60 also 36 % oder ein gutes Drittel. Bei den außerordentlichen Professoren waren 86 % der Männer jünger als 60, nur 14 % oder jeder Siebte war älter. Zu den anderen aus Deutschland stammenden Professoren: Zwar in Stuttgart geboren kam Hermann Barrenscheen – sein Forschungsgebiet war die Physiologische Chemie – schon in frühester Jugend nach Wien,594 erhielt die österreichische Staatsbürgerschaft und wurde in der Folge Mitglied der Burschenschaft Alemannia. Im Dezember 1932 trat er dem Kampfopferring bei, im Juni 592 Schreiben 16. 08. 1945, UAW, MED Dekanat Gz. 40 aus 1945/46, o. Nr. 593 Liste 22. 08. 1945, UAW, MED PA 316, fol. 158. 594 Biographischer Lexikoneintrag »Hundert Jahre Deutsche Burschenschaft in Österreich 1859 – 1959. Die geistige Leistung ihrer bedeutenden Männer« ,UAW, MED PA 25, fol. 93.
172
Die Professoren der Medizinischen Fakultät
1933 der NSDAP und ein halbes Jahr später der SA, wo er zum Sturmbannführer aufstieg. 1939 zum ordentlichen Professor ernannt, wurde er im Jänner 1946 entlassen und erreichte in der Folge keine Rehabilitierung an einer Universität mehr. Ebenso in früher Jugend, nämlich im Alter von zehn Jahren, kam der 1875 in Berlin geborene Nikolaus Jagic nach Wien, dem er sein Leben lang treu blieb. Hier promovierte er 1900, wurde 1922 außerordentlicher, 1931 ordentlicher Professor und empfing 1944 den Dank des Dritten Reiches, wie schon berichtet wurde. Drei Professoren waren geborene Österreicher und besaßen die österreichische Staatsbürgerschaft bis ins erwachsene Alter, waren aber vor März 1938 an deutschen Universitäten verpflichtet. Der Gerichtsmediziner Philipp Schneider wurde am 15. August 1937 außerplanmäßig außerordentlicher Professor in Göttingen, der Hals-, Nasen-, Ohrenexperte Siegfried Unterberger folgte im Frühjahr 1931 einer Berufung nach Jena und der Physiologe Friedrich Plattner erhielt 1936 ein Ordinariat in Königsberg in Ostpreußen. Die beiden Erstgenannten behielten in Deutschland ihre österreichische Staatsbürgerschaft (Schneider), bzw. strebten eine Doppelstaatbürgerschaft an (Unterberger). Die Anstellung des am 10. Jänner 1938 als ordentlicher Professor an die Universität Wien berufenen Philipp Schneider wurde am 27. Mai 1946 von Sektionschef Skrbensky als Vertreter des Liquidators widerrufen, trat somit außer Kraft und ließ keinerlei Ansprüche gegenüber der Republik Österreich zu.595 Er wurde also nicht als »Illegaler« entlassen, wie es einem Österreicher in vergleichbarer NSVerstrickung geschehen wäre.596 In einem Schreiben aus Stockholm vom November 1952 argumentierte er gegen zwei Bescheide des Unterrichtsministeriums vom Juli 1948, die ihn einerseits durch den Liquidator seiner Dienstleistung im Reichsdienste enthoben und zweitens einen Pensionsanspruch seinerseits abwiesen, da er am 13. März 1938 in keinem Dienstverhältnis zur Republik Österreich gestanden habe. Schneider : »In den oben erwähnten beiden Bescheiden werde ich praktisch als Reichsangehöriger angesehen, was tatsächlich nicht berechtigt ist, da ich vor März 1938 nicht deutscher Staatsbürger war. Bei den seinerzeitigen Berufungsverhandlungen im Reichserziehungsministerium wurde mir ausdrücklich zugebilligt, die österreichische Staatsbürgerschaft behalten zu dürfen.«597 Philipp Schneider galt nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 als ehemaliger Obersturmführer der SS als »belastet«, was aber wegen seiner Versehrtenstufe IV Ende 1948 in »minderbelastet« umgewandelt wurde. Aus Schweden 595 Bescheid 27. 05. 1946, UAW, MED PA 603, fol. 144. 596 Schneider war Mitglied der SS in der »Verbotszeit«, Träger der Ostmarkmedaillie und Parteimitglied seit 1933 (Aktennotiz 28. 07. 1948, WStLA, Gauakt Schneider). 597 Schreiben 13. 11. 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Schneider, fol. 114/115.
Die »reichsdeutschen« Professoren
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zurückgekehrt, verstarb er 1954 in St. Johann im Pongau, seiner Frau wurde ein »außerordentlicher Versorgungsgenuss« zugebilligt.598 Einige bemerkenswerte Äußerungen zum Thema Staat und Staatbürgerschaft finden sich bei Siegfried Unterberger, am 13. Oktober 1939 als außerordentlicher Professor für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten an die Universität Wien berufen, am 24. Jänner 1946 als »Illegaler« (NSDAP seit 1937, SA seit 1933) entlassen. In den »Vorstellungen« gegen diesen Bescheid599 führt er aus, er habe nach seiner Berufung nach Jena 1931 Wert darauf gelegt – da »aus einer altösterreichischen Tiroler Familie stammend« –, die österreichische Staatsbürgerschaft zu behalten, was ihm auch zugestanden worden sei. Zugleich sei er auf seine Bewerbung hin als deutscher Staatsbeamter auch deutscher Staatsbürger geworden. Gegen einen Beitritt zur NSDAP habe er nach 1933 keine »stichhaltigen Bedenken« mehr gehabt, »da die NSDAP den Staat darstellte«. Ebenso habe es sich mit dem Beitritt zur SA verhalten, »die aber nach der Machtübernahme keine Kampforganisation, sondern vielmehr ein Sammelbecken für alle staatsbejahenden körperlich tauglichen Männer darstellte. Zu diesem Schritt musste ich mich umso mehr entschliessen, als ich in meiner Universitätslaufbahn in Folge meiner österreichischen Herkunft ohnehin genug Schwierigkeiten hatte und andererseits als deutscher Staatsbeamter verpflichtet war, mich staatsbejahend einzufügen.«600
Da Unterberger 1947 als »minderbelastet« galt, wurde seine Entlassung in eine Enthebung ohne Rechtsansprüche gegenüber der Republik Österreich umgewandelt.601 Einen Einspruch gegen diese Enthebung lehnte der Verwaltungsgerichtshof im Mai 1949 ab. Einer der – um ein Lieblingswort Adolf Hitlers zu gebrauchen – »fanatischsten« und dazu einflussreichsten Nationalsozialisten der gesamten Professorenschaft 1944 war der dritte österreichische Mediziner, der am 13. März 1938 an einer »reichsdeutschen« Universität lehrte, der in Oberösterreich geborene Physiologe Friedrich Plattner. Ab Mai 1933 Parteimitglied, 1934 Leiter des »Kampfbundes für Tirol«, 1935 »illegaler« »Gauleiter von Tirol«, Anfang 1936 Mitglied der SS, wurde er am 5. November 1935 durch das Bundespolizeikommissariat ausgebürgert und im Mai 1936 ins Anhaltelager Wöllersdorf gebracht.602 Hans Saller vom deutschen Konsulat Innsbruck empfahl, für »Prof. Plattner durch die Berufung an eine deutsche Universität die Leidenszeit des Anhaltelagers (…) abzukürzen. Ich habe in meinem Bericht (…) an das Auswärtige 598 599 600 601 602
Entschließung 18. 12. 1954, UAW, MED PA 603, fol. 152. Vorstellungen nach 24. 01. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Unterberger, o. Nr. Ebd. Bescheid 27. 08. 1947, ebd., o. Nr. Bescheid 25. 05. 1936, BA R4901/25224, fol. 5451 – 5452.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
Amt bereits darauf hingewiesen, daß Dr. Plattner nicht nur einen guten wissenschaftlichen Namen hat, sondern auch zu den besten und verdientesten Kämpfern um die deutsche Sache in Oesterreich gezählt werden kann.«603
Am 10. Oktober 1936 wurde Plattner zum ordentlichen Professor für Physiologie in Königsberg ernannt.604 Die Staatsbürgerschaftsfrage klärte sich: Mit der Ausbürgerung aus Österreich und der Professur in Königsberg nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an. Schon am 14. März 1938, zwei Tage nach dem »Anschluss«, wird Parteigenosse Plattner von Seyß-Inquart »mit sofortiger Wirkung zur Dienstleistung nach Wien einberufen«.605 Der Reichstatthalter ernannte ihn zum Staatskommissar für Erziehung, Kultus und Volksbildung in Österreich – ein Amt, das Plattner bis Frühsommer 1940 versah, wonach er seine Arbeit als ordentlicher Professor für Physiologie an der Universität Wien aufnahm. Das Ordinariat hatte er formell schon seit April 1938 inne. Friedrich Plattner galt als »harter Nazifizierer«,606 und aus der Zeit der Frage um die Nachfolge Rektor Knolls (1943, das Rektorat übernahm dann Eduard Pernkopf) wurde kolportiert, dass Plattner in »Friedenszeiten (…) den richtigen Rektor zur Durchsetzung einer NS-Linie an der Universität ab(ge)geben« hätte.607 Es verwundert nicht, dass er mit Pernkopf und dem SA-Sturmbannführer, Altparteigenossen und Ostmarkmedaillienträger Hermann Barrenscheen zu den ersten drei Professoren gehörte, die schon am 30. Mai 1945 durch das Staatsamt enthoben wurden.608 Dekan Arzt vergaß im August den Namen Plattner auf der Liste der »reichsdeutschen« Professoren, aber am 24. September 1945 hieß es auf einem Laufzettel der Verwaltungsstelle der Hochschulen »Lt. Staatsamt f. V.U.E.u.K. (…) vom 18. 09. 1945 wird Prof. Dr. Friedrich Plattner, der wegen ›DR‹ zu entheben ist, nicht im Dienste belassen.«609 Noch einmal wurde die Enthebung – diesmal vom Liquidator – am 17. Mai 1946 ausgesprochen.610 Im Juni 1946 schrieb Hubert Rohracher an die Frau Arnold Gehlens: »Plattner ist verhaftet«.611 Im Juli 1947 war er im Anhaltelager Glasenbach bei Salzburg, nach
603 604 605 606 607 608 609 610 611
Bericht 26. 05. 1936, ebd., 5440 – 5441. Lebenslauf ohne Datum, UAW, MED PA 411, fol. 2. Schreiben 14. 03. 1938, ÖStA/AdR, BMU PA Plattner, fol. 86. Helmuth Vetter, Die Katholisch-Theologische Fakultät 1938 – 1945. In: Heiss u. a., Willfährige Wissenschaft, 1989, S. 179 – 196, hier 189. Michael Hubenstorf, Medizinische Fakultät 1938 – 1945. In: Heiss u. a., Willfährige Wissenschaft, 1989, S. 233 – 282, hier 279, Anmerkung 153. Konzept 30. 05. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Patzelt, o. Nr. Aktenvermerk 24. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Plattner, fol. 153. Schreiben 17. 05. 1946, UAW, MED PA 411, fol. 50. Benetka/Kienreich, Seelenlehre, 1989, S. 125.
Mitglieder der NSDAP und von SA oder SS
175
Mitteilung der Männerstrafanstalt Garsten von 1948 wurde er mit Urteil von 1947 zu fünf Jahren schweren Kerkers verurteilt.612
6.3
Mitglieder der NSDAP und von SA oder SS
24 der 29 Professoren der Medizinischen Fakultät (83 %) waren 1945 Anwärter oder Mitglieder der NSDAP,613 nicht weniger als 13 oder 54 % davon schon vor 13. März 1938 –, sie waren also »Illegale« oder in Deutschland vor 1938 beigetreten. Neun dieser 13 Professoren gehörten zugleich auch der SA oder SS an, wir konstatieren also einen harten Kern von einem Drittel hundertprozentiger Nazis in dieser Gruppe. Der außerordentlich hohe Anteil von SA- und SS-Mitgliedern ist überhaupt ein Charakteristikum der Professoren der Medizinischen Fakultät. Elf Männer oder 38 % der Gesamtgruppe bzw. 46 %, also fast die Hälfte der Parteianwärter und -mitglieder, gehörten einem der genannten NS-Wehrverbände an. Darunter befanden sich ein Standartenführer, ein Obersturmbannführer, zwei Sturmbannführer, drei Obersturmführer, zwei Sturmführer und ein Obertruppführer, das heißt, praktisch alle SAler und SSler hatten hohe Ränge in diesen Organisationen inne. Diese Mitgliedschaften hatten doch einen nachteiligen Einfluss auf die weitere Karriere dieser Professoren nach 1945, wobei nur die beiden SASturmführer Ernst Georg Mayer und Emil Wessely ihre Laufbahn an der Universität Wien fortsetzen konnten.614 Als besonders eifriger Nationalsozialist ist der Gynäkologe Isidor Alfred Amreich anzusehen, NSDAP-Mitglied seit 1. Jänner 1934 und – als Einziger – Mitglied sowohl von SA als auch SS (1934 bzw. 1938). In letzterer wurde er am 30. Jänner 1942 Obersturmführer, er arbeitete also auch während des Krieges fleißig mit. Die SS-Stammkarte615 gibt neben Schuhgröße (40) und Kopfweite (56) auch die verliehenen SS-Devotionalien an, worunter sich etwa ein Ehrendolch, ein Totenkopfring und ein Ehrendegen befanden. Auf den Ehrendegen konnte zum Beispiel auch der kapitale Nationalsozialist Friedrich Plattner verweisen, den er vom Reichsführer SS erhalten hatte.616 Amreich kreuzte bei »Winkel« an und fügte stolz handschriftlich »Julleuchter 39« bei, des germanischen Winterfestes wurde also auch gedacht. Unmittelbar nach Kriegsende, am 10. Mai 1945, wurde Amreich vom Dekan suspendiert und beurlaubt,617 am 612 613 614 615 616 617
Aktenvermerk ohne Datum, WStLA, Gauakt Plattner. Josef Meller war am 1. Jänner 1941 ausgetreten. Siehe Tabelle 4 (Rehabilitierung), Spalte 3. SS-Stammkarte ohne Datum, WStLA, Gauakt Amreich, 83132. Aktenvermerk 02. 07. 1947, WStLA, Gauakt Plattner, o. Nr. Mitteilung 10. 05. 1945, UAW, MED PA 10, fol. 114.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
22. Dezember 1945 verhaftet, in das Lager Wolfsberg gebracht und schließlich am 21. Jänner 1946 als Universitätsprofessor entlassen – eine Maßnahme, die seine Gattin Auguste mit der Bemerkung »hundsgemein« quittierte.618 Diese Entlassung bestätigte Sektionschef Skrbensky am 28. Februar 1948, da Amreich nach NSG 1947 als »belastet« eingestuft worden war,619 wobei er aber schon am 20. Juni des gleichen Jahres eine teilweise Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten erhielt, die ihm die Ausübung einer ärztlichen Praxis und die Veröffentlichung von Fachpublikationen gestattete. Ein Jahr später gab ihm Skrbensky – eigentlich bezeichnenderweise, war doch Amreich »einer seiner Leute«620 – einen Hinweis, wie er durch einen »Ausnahmeantrag« bzw. ein »Nachsichtsgesuch« über eine Aufhebung der Entlassung zu einem Pensionsanspruch kommen könne.621 Doch der erste Anlauf zu Beginn des Jahres 1950 scheiterte überraschend an einem »Rufer in der Wüste« im Unterrichtsministerium, der sich auch gegen den mächtigen und auf Klientelbildung bedachten Skrbensky stellte. Im Akt 48.178/III/8/49 des BMU wird das »Nachsichtsgesuch des Amreich Dr. Isidor, ehem. ao. Univ. Prof. gemäs (sic) § 27 VG 1947« behandelt:622 Dem Werdegang des ehemaligen Professors folgen Angaben zur Involvierung in den Nationalsozialismus: »[D]er Genannte war NSAnwärter von 1933 (…) Mitglied der SS von März 1938 bis 1945 und des NSÄrztebundes. Seine Wohnung gehörte früher einem Mieter mosaischen Glaubens und wurde 1939 von ihm bezogen.« Weiters sind die Daten der Entnazifizierung sowie die Ausnahme von den Sühnefolgen von 1948 angeführt. Und dann kommt der entscheidende Satz: »Aufgrund dieser Bewilligung kann der Genannte seine ärztliche Praxis wieder ausüben und sich auch in der Fachliteratur publizistisch bestätigen. Mit Rücksicht auf die Erträgnisse dieser ärztlichen Fachpraxis, seines Villenbesitzes in Gars und sein Sparguthaben kann von einer Notlage des Gesuchstellers keine Rede sein. Nach der bisherigen Praxis wurden berücksichtigungswürdigen, insbesonders kriegsversehrten belasteten Personen Ausnahmen von den Sühnefolgen nur insofern bewilligt, als diese zur Ermöglichung der beruflichen Ausbildung und der Ausübung des erlernten Berufes für ihren Unterhalt und den Unterhalt ihrer Familie geboten erschienen. Im Hinblick 618 Schreiben 23. 03. 1946, ebd., fol. 106. Auf diesem Dokument auch die Beurteilung des Betriebsrates des AKH zu Amreich »Pg. Seit 01.01.34, SS (…), radikaler NS, seit der Befreiung bereits aus dem Dienste ausgeschieden. Endgültige Ausscheidung dringend geboten.« 619 Schreiben 28. 02. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Amreich, o. Nr. 620 Amreich hatte sich in der NS-Zeit dem Ansinnen widersetzt, aus der römisch katholischen Kirche auszutreten und im »Ständestaat« – besonders während seiner Lehrtätigkeit in Innsbruck ab 1936 – die Politik eines »Doppelsicherers« gegenüber Nationalsozialisten und Austrofaschisten betrieben (erörtert in der Rechtfertigungsschrift an Friedrich Plattner vom Oktober 1938 (Stellungnahme 25. 10. 1938, ÖStA/AdR, BMU PA Amreich, o. Nr.)). 621 Mitteilung 29. 06. 1949, ÖStA/AdR, BMU PA Amreich, o. Nr. 622 Aktenstück Februar 1950, ebd., o. Nr.
Mitglieder der NSDAP und von SA oder SS
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auf die gegenwärtig beengte staatsfinanzielle Lage, welche bis heute die Gewährung einer Entschädigung an die durch das NS-Regime am Eigentum geschädigten Personen unmöglich gemacht hat und die zu gewärtigende Beispielsfolgerung kann im vorliegenden Fall ein Antrag auf Nachsichtsgewährung zur Ermöglichung der Bewilligung eines Ruhegenusses nicht gestellt werden. Es hätte zu ergehen (…)!«623
Es folgt das Konzept der Ablehnung des Ausnahmeantrages. Ein gerechter Mann zeichnet unleserlich diesen Akt, das Briefkonzept ist nachträglich (1952?) zweimal, einmal kreuzweise dünn, einmal mit einer Längslinie stark durchgestrichen. Es stellen sich mehrere Fragen, zum Beispiel: Wann war die »staatsfinanzielle Lage« einmal nicht »beengt«? Wann wurde eine »Entschädigung« an die durch das NS-Regime am Eigentum geschädigten Personen wirklich geleistet? Und konkret: Wann wurde von der »bisherigen Praxis« bei der Behandlung solcher Ausnahmegesuche abgegangen? Bei Isidor Amreich sollte dies bald der Fall sein: Drei Jahre später ging ein Bescheid nach Gars am Kamp, der ihm die »Ausnahme von der Behandlung« mitteilte.624 Nur sechs Tage später wurde er in den dauernden Ruhestand versetzt.625 Im Sommer des gleichen Jahres beantragte Amreich die Anrechnung der Dienstzeit vom 13. März 1939 bis zum 27. April 1945 auf seinen Ruhegenuss, »da die Anrechnung obiger Dienstzeit für mich (…) eine nicht unwesentliche finanzielle Besserstellung bedeutet.« Nach der Ablehnung des Ansuchens wiederholte er dieses bis Mitte der 60-er Jahre, obwohl der Antragsteller schon über ein »Ausmaß des Ruhegenusses von 92,8 %« verfügte.626 38 % der Gruppe der Mediziner waren also bei der SA oder SS, bzw. 46 % der NSDAP-Anwärter und -Mitglieder. Im Falle der Philosophischen Fakultät sind diese Prozentsätze signifikant niedriger. Es finden sich hier acht sicher eruierte SA- oder SS-Mitglieder, also 12 % der Gesamtgruppe von 69 Professoren bzw. 15 % der NSDAP-Anwärter und –Mitglieder. Bei den Medizinern war es jeder Zweite. Auch an der Philosophischen Fakultät gab es exponierte Nationalsozialisten mit SA- oder SS-Rängen, wie etwa den Dekan Viktor Christian, SSScharführer, und den Dozentenbundführer Arthur Marchet, SA-Oberscharführer, aber auch Fälle wie den des Pharmazeuten Adolf Mayrhofer, der zu Zahlungen an die SS genötigt und bei sonstiger Parteiabstinenz und Unbescholtenheit zu deren Förderer wurde.627 Weiters sticht der Turkologe Herbert Duda hervor, der, weil unbeanstandet, 1947 – 1949 das Amt des Dekans der Philosophischen Fakultät bekleidete, von dem aber schon 1946 sehr wohl be623 624 625 626 627
Ebd. o. Nr. Bescheid 21. 02. 1953, ebd., o. Nr. Ebd. Schreiben 11. 03. 1965, ebd., o. Nr. Mitteilung 02. 05. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Mayrhofer Adolf, o. Nr.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
kannt war, dass er 1937 beim SA-Reitersturm 6/20 Breslau (Ausweisnummer 41/ 37) inkorporiert war628 – eine Parallele zum Fall Kurt Waldheim.
6.4
Der Stichtag: Dienstag, 10. April 1945
Diesen Tag inmitten der Kämpfe um Wien – den 10. April 1945 – schlug Prorektor Richard Meister aus besoldungstechnischen Gründen im Akademischen Senat zur Aufnahme in das Personalblatt der jeweiligen Fakultät vor. Die entsprechende Frage lautete dann: »Aufenthalt am 10.IV.1945 unter Begründung einer allfälligen Abwesenheit«.629 Die meisten Professoren, die dieses Personalblatt in den Tagen und Wochen nach der Befreiung ausfüllten, verstanden die Frage aber merkbar als Frage nach Diensttreue und charakterlicher Integrität: Haben Sie sich der Absetzbewegung der Nationalsozialisten nach Westen angeschlossen? Bewiesen Sie Treue zu Ihrem Institut, Ihrer Klinik? Standen Sie zu deren Schutz zur Verfügung? Hatten Sie genug Nervenstärke, trotz des Terrors dieser Tage in der Stadt zu bleiben? Bei etwa der Hälfte der Professoren der Medizinischen Fakultät befindet sich das Personalblatt entweder im Personalakt des Universitäts- oder des Staatsarchivs. Von einem weiteren Viertel kann der Aufenthaltsort aus amtlichen oder brieflichen Äußerungen erschlossen werden. Der Rest liegt im Dunkeln, der Aufenthaltsort ist »unbekannt«. Auf einer Liste des Dekans der Medizinischen Fakultät Leopold Arzt über die zu diesem Zeitpunkt suspendierten und beurlaubten Professoren, welche er am 15. Mai 1945 an das Staatsamt für Unterricht sandte, steht hinter nicht weniger als sieben der zehn angeführten Namen der Hinweis oder die Frage »geflüchtet?«. Nur Eduard Pernkopf ist als »abwesend« angeführt, sein Aufenthaltsort war genehmigt und bekannt. Alfred Isidor Amreich und Alexander Pichler sind in der Liste nicht angeführt. Amreich gab im Personalblatt für den 10. April 1945 »II. Frauenklinik Wien« als Aufenthaltsort an,630 während bei Alexander Pichler aus der Dekanatsliste vom 15. Mai auch auf eine Anwesenheit in Wien am 10. April geschlossen werden kann. Der Vorstand und Direktor der II. Klinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten, Emil Adolf Wessely, wurde in der Dekanatsliste als »geflüchtet?« geführt, hatte aber, wie er in einem Curriculum Vitae vom 19. Dezember 1945 anführte,631 am 2. April 1945 von Dekan Fuhs den Befehl erhalten, mit 300 gehfähigen Patienten nach Linz zu marschieren. Er hatte Wien 628 629 630 631
Bericht 22. 01. 1938 und Aktenstück 20. 09. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Duda, o. Nr. Etwa Personalblatt ohne Datum, UAW, MED PA 10, fol. 112. Ebd. Curriculum Vitae 19. 12. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Wessely, o. Nr.
Der Stichtag: Dienstag, 10. April 1945
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am Nachmittag des 4. April verlassen, hielt sich am 10. dieses Monats in Linz auf und begab sich in der Folge nach Gmunden, wo er zwei Lazarette leitete. Anfang Mai geriet er dann mit den Insassen aller Gmundener Militärlazarette in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Der ordentliche Professor Hans Pichler wiederum – im Frühjahr 1945 immerhin schon im 69. Lebensjahr – gab im Personalblatt632 als Aufenthaltsort am 1. April »Waidhofen a/Ybbs« an, »wo eine Ausweichstelle für die Kieferstation der I. chir. Klinik vorgesehen war«. Die Dekanatsliste führt ihn als »geflüchtet?« – Diskrepanzen, die auf Verwirrung und Unsicherheit in diesen Wochen hindeuten. Statistisch gesehen befanden sich am Stichtag 10. April 1945 16 der 29 medizinischen Professoren in Wien,633 zumeist an ihrem Arbeitsplatz bzw. ihrer Klinik. Das sind sehr hohe 55 % im Vergleich zur Philosophischen Fakultät, von der sich nur 18 von 69 Professoren, also ein Viertel, in Wien aufhielten. Das Salzkammergut634 oder Ostösterreich als Aufenthaltsort waren in beiden Fakultäten etwa gleich stark vertreten: fünf Männer bzw. 17 % bei den Medizinern, zehn bzw. 14 % bei den Mitgliedern der Philosophischen Fakultät. Dezidiert »nicht in Wien« (ohne Ortsangabe) waren zwei Mediziner (7 %) und 12 Philosophen (17 %). Die Dunkelziffer »unbekannter Aufenthalt« betrifft sechs Mediziner und vergleichsweise etwas mehr Philosophen: 22 Professoren bzw. 31 %. Im Bereich der Philosophischen Fakultät kam noch eine letzte Gruppe »sonstige« hinzu: Acht (12 %) davon waren etwa in Westösterreich, im Sudetenland, im »Altreich« oder in russischer Gefangenschaft. Der Anatom Eduard Pernkopf, Rektor ab Frühjahr 1943, wurde in der Dekanatsliste vom 15. Mai 1945 als »abwesend« nicht als »geflüchtet?« angeführt, womit bei ihm als Einzigen der Aufenthaltsort bekannt war. Am 7. Februar hatte ein Bombentreffer das Anatomische Institut schwer beschädigt und damit nach Pernkopfs eigener Aussage einen großen Teil seiner Lebensarbeit vernichtet. Er schrieb im März 1945 an Reichsminister Rust: »Am gleichen Abend erhielt ich die telefonische Verständigung einer schweren familiären Katastrophe, die mich gleichfalls aufs schwerste traf. Diese beiden über mich an einem Tage hereinstürzenden Ereignisse und Schläge haben mich psychisch und physisch zur Zeit niedergeworfen, sodass mein Gesundheitszustand und meine Arbeitskraft dadurch ausserordentlich beeinträchtigt wurde.«635
Er bat den Minister, ihn von der Würde und dem Amte des Rektors zu entbinden und unterschrieb nicht einmal mehr mit »Heil Hitler«. Im gleichen Monat 632 633 634 635
Personalblatt 05. 11. 1945, UAW, MED PA 592, fol. 73. Davon Eugling wahrscheinlich in Wien. In Strobl am Wolfgangsee befand sich 1945 die Ausweichstelle der Universität Wien. Schreiben 04. 03. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Pernkopf, o. Nr.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
überreichte er ein Urlaubsgesuch, dieses wurde bewilligt und er fuhrt zu seinem todkranken Neffen nach Bad Ischl.636 Im Salzkammergut deckte sich der verabschiedete Rektor finanziell ein: »Der Genannte hat von dem nach Strobl in Oberösterreich abgewanderten ehemaligen Kurator der Univ. für die Monate April, Mai und Juni 1945 Vorschüsse in der Höhe von insgesamt RM 2.700,– erhalten.«637 Er ist damit wohl der einzige Professor der Universität Wien, der vom NS-Regime noch für Juni 1945 Gelder beziehen konnte. In seinem Brief an den Reichsminister für Wissenschaft hatte Pernkopf Prorektor Christian als Nachfolger vorgeschlagen, der dieses Amt tatsächlich mit 10. April 1945 – also dem Stichtag des Personalblattes – als letzter Rektor der Universität Wien in der NS-Zeit für wenige Tage antrat.
6.5
Das erste Jahr der Entnazifizierung
Schon die Philosophische Fakultät wies einen hohen Anteil an Anwärtern und Mitgliedern der NSDAP auf: 53 von 69 oder mehr als drei Viertel der ordentlichen und planmäßig außerordentlichen Professoren gehörten zu dieser Gruppe. An der Medizinischen Fakultät nun war diese Verstrickung in den Nationalsozialismus in der Professorenschaft noch deutlich signifikanter : Einerseits lag der Prozentanteil an Parteimitgliedern und -anwärtern bei 83 %, das heißt, fünf von sechs Männern hatten diesen Weg gewählt, andererseits – und das wiegt schwerer – lag der Anteil von SA- und SS-Mitgliedern mit 38 % der Gesamtgruppe der Mediziner dreimal so hoch wie an der Philosophischen Fakultät. Die Entnazifizierung ging formal gestaffelt nach Art und Zeitpunkt des Beitrittes zu NSDAP und deren Organisationen vor und betraf 24 der 29 Professoren der Medizinischen Fakultät. Der diesbezüglich am frühesten ausgestellte Bescheid ist jener der Suspendierung Isidor Alfred Amreichs vom 10. Mai 1945, also bereits zwei Wochen nach der Bildung der Regierung Renner und zwei Tage nach der deutschen Kapitulation. Darin heißt es: »Aufgrund der allgemeinen Weisungen des Herrn Staatssekretärs für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelegenheiten, werden Sie, ohne einer späteren endgiltigen Entscheidung irgendwie vorzugreifen, von Ihrer Stelle als Vorstand der II. Universitäts-Frauenklinik suspendiert und bis auf Weiteres beurlaubt. Der Dekan.«638 636 Ebd. 637 Ebd. »Auszug aus den vorhandenen Unterlagen über das staatsbürgerliche Verhalten des ehem. o. Prof. (…) Pernkopf« vom 16. 06. 1950. Es zeichnete unleserlich der gleiche Beamte der auch Isidor Alfred Amreichs Ausnahmeantrag im Februar 1950 kritisch bearbeitet hatte. Siehe Kapitel 6.3. 638 Mitteilung 10. 05. 1945, UAW, MED PA 10, fol. 114.
Das erste Jahr der Entnazifizierung
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Fünf Tage später erfolgte die Suspendierung von zehn Professoren (sechs ordentliche, vier außerordentliche) »über Vorschlag des Betriebsrates des AKHs«.639 Am 30. Mai wurden die ersten drei Enthebungsdekrete (Barrenscheen, Plattner, Pernkopf) an den Dekan »behufs Zustellung« übermittelt.640 Es folgten acht Enthebungen mit 2. Juni641 und drei weitere mit 5. August,642 womit Anfang August 1945 bereits 14 von 29 Professoren der Medizinischen Fakultät, also fast 50 %, »mit sofortiger Wirkung von ihrer Lehrtätigkeit bzw. ihrer sonstigen in Kliniken und Instituten an der Universität Wien ausgeübten Tätigkeit und den damit verbundenen Funktionen« enthoben waren. Mehr noch als an der Philosophischen Fakultät ergab sich an der Medizinischen Fakultät aus der Notlage der medizinischen Versorgung an den Universitätskliniken das Problem der Unentbehrlichkeit von Professoren und Klinikvorständen, die weiters wichtig waren als Lehrende im Hinblick auf das herannahende Wintersemester 1945/46. Karl Renner unterzeichnete am 10. August einen »Beschluss des polit. Kabinetts in Bezug auf die Anwendung d. Verbotsgesetzes auf die Mitglieder der med. Fakultät und die Leiter der Kliniken.« Er erreichte das Staatsamt für Volksaufklärung am 14. August und lautet wie folgt: »Mit Rücksicht auf die wissenschaftliche und wirtschaftl. Bedeutung der mediz. Fakultät und der Kliniken für die Stadt Wien und N.Ö. (Anm.: Niederösterreich) und unter Rücksichtnahme auf die Stellungnahme d. Betriebsrates der Aerzteschaft der Kliniken u. d. akad. Senates der Univ. hat die strenge Handhabung d. Verbotsgesetzes nur auf jene Anwendung zu finden, welche sich durch unmenschliche Praxis u. lebensbedrohende Versuche am lebenden Leib als untragbar erwiesen haben. Damit soll keine generelle Ausnahme begründet, sondern bloss die individuelle Behandlung jedes Falles im Hinblick auf die eingangs erwähnte Bedeutung der Persönlichkeit und mit Rücksicht auf die Wohlmeinung der erwähnten Körperschaften empfohlen werden.«643
Die Tragbarkeit oder Untragbarkeit eines Professors sei durch »individuelle Behandlung jedes Falles im Hinblick auf die (…) Bedeutung der Persönlichkeit und mit Rücksicht auf die Wohlmeinung der erwähnten Körperschaften« zu erkunden. Hiermit war das Ziel und die Zusammensetzung der Sonderkommission I. Instanz Senat Hochschulprofessoren vorgegeben: Ein Vorsitzender aus dem Staatsamt, zwei Beisitzer aus der Professorenschaft und ein Mitglied des
639 Liste 15. 05. 1945, UAW, MED PA 713, fol. 023. 640 Gezeichnet »für den Staatssekretär: Skrbensky« (Bescheid 30. 05. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Patzelt, o. Nr.). 641 Liste 02. 06. 1945, UAW, MED Dekanat Gz. 40 aus 1945/46, o. Nr. 642 Mitteilung 05. 08. 1945, UAW, MED PA 658, fol. 4. 643 Beschluss 14. 08. 1945, UAW, MED Dekanat Gz. 104 aus 1945/46.
182
Die Professoren der Medizinischen Fakultät
Betriebsrates entschieden individuell über die grundsätzliche Möglichkeit universitärer Weiterverwendbarkeit eines Professors.644 Vom Staatsamt aufgefordert lieferte das Medizinische Dekanat am 10. September 1945 eine »Liste der von der Sonderkommission zu behandelnden ordentl. u. ao. Professoren«.645 Die Liste enthält nicht weniger als 21 Namen, nämlich alle der Entnazifizierung unterzogenen Professoren außer dem pensionierten Franz Hamburger, dem am 4. Mai 1945 verstorbenen Richard Rössler und Hans Eppinger, der sich nach den Worten Karl Renners als Arzt und Mensch »durch unmenschliche Praxis und lebensbedrohende Versuche am lebenden Leib als untragbar erwiesen« hatte. Mit dieser Liste wurde die Anzahl der von der Sonderkommission zu behandelnden Personen noch viel zu weit gefasst. Sie wurde aber eingeleitet von vier Professoren, deren Weiterbelassung die Fakultät besonders wünschte, nämlich Leopold Schönbauer, Direktor des Wiener Allgemeinen Krankenhauses (AKH) und Vorstand der I. Chirurgischen Universitätsklinik, Viktor Patzelt, Vorstand des Histologisch-Embryologischen Instituts, Tassilo Antoine, Vorstand der I. Universitäts-Frauenklinik und Arnold Pillat, Vorstand der I. Universitäts-Augenklinik. Dazu heißt es: »Die obgenannten Professoren werden für den Unterricht dringendst benötigt. Es wird um schleunigste Durchführung der Untersuchung gebeten.« Das Staatsamt für Unterricht und der erst am 1. September formal zum zuständigen Sektionschef ernannte Ministerialrat Otto Skrbensky reagierten umgehend: Die Sonderkommission behandelte am 28. September 1945 drei der genannten Professoren – Patzelt, Antoine und Pillat –und erklärte sie für »tragbar«.646 Die »Tragbarkeit« des vierten, des populären Leopold Schönbauer, stellte man gar nicht erst durch eine Sonderkommissionsbehandlung in Frage. Mit deutlichem Zeitabstand befasst sich die Sonderkommission weiters nur noch mit zwei Professoren der Medizinischen Fakultät, mit Hans Pichler im Dezember 1946 und mit Otto Pötzl im Juni 1946, der als einziger für »nicht tragbar« erklärt und in den Ruhestand versetzt wurde. Mit fünf von der Sonderkommission Behandelten liegt der Prozentsatz mit 21 % der Entnazifizierten an der Medizinischen Fakultät deutlich niedriger als an der Philosophischen Fakultät mit 16 Behandelten (30 %) oder der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät mit sogar sieben Behandelten (58 % der entnazifizierten Professoren). Das Verhältnis zwischen positiven und negativen Erkenntnissen liegt mit rund 4:1 bei Philosophischer und Medizinischer Fakultät gleich, bei der Rechts- und Staatswissenschaftlichen 644 Die dritte Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz vom 22. August 1945 (StGBl. 1945/131) schuf dafür die gesetzlichen Grundlagen. 645 Liste 10. 09. 1945, UAW, MED Dekanat Gz. 141 aus 1945/46. 646 Erkenntnis Patzelt 28. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Patzelt, fol. 12, Erkenntnis Antoine 28. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Antoine, fol. 13), Erkenntnis Pillat 28. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 14.
Das Ministerkomitee und die Medizinische Fakultät
183
Fakultät liegen die negativen Erkenntnisse doppelt so hoch, das Verhältnis beträgt 2:1.
6.6
Das Ministerkomitee und die Medizinische Fakultät
Das im Frühjahr 1946 – auch unter alliiertem Druck – gebildete »Ministerkomitee zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen« versetzte Ende März 1946 Unterrichtsministerium und Universität unter höchsten Handlungszwang. Am Donnerstag, den 28. März 1946, versandte das Bundesministerium für Unterricht sein Rundschreiben Nr. 50 mit dem Vermerk »sehr dringend!« »an alle Dienststellen in Wien (…) unter Anordnung des Ministerkomitees (…) vom 27. des Monats«.647 Es sei eine »Liste aller Bediensteten obiger Dienststelle (med. Fak.)« anzufertigen, »die als Anwärter oder Mitglieder der N.S.D.A.P. bzw. deren Gliederungen a) seit dem 27.4.45 aus dem Bundesdienst entlassen wurden (Illegale!) b) seit dem 27.4.45 vom Dienst enthoben wurden c) sich noch im Dienste befinden.« Die Listen waren dem BMU »bis spätestens Freitag, den 29. März 46 16 h« in dreifacher Ausfertigung, dem Rektorat »zum gleichen Tag 14 h in vierfacher Ausfertigung zu übersenden«, denn: »Die Listen sind seitens des Ministeriums dem Ministerkomitee bzw. dem Alliierten Rat zum 30. März 46 früh zu überreichen.« Die vom Medizinischen Dekanat erstellte Liste648 enthält nun unter Kategorie »a) entlassen« sechs ordentliche649 und vier außerordentliche Professoren,650 unter Kategorie »b) enthoben« sechs ordentliche651 und zwei außerordentliche Professoren652 und unter Kategorie »c) sich noch im Dienste befindlich« die vier ordentlichen Professoren Schönbauer, Patzelt, Pillat und Antoine. Die vier letzteren Namen sind jeweils mit dem Vermerk »(pard.)«, also »pardoniert« versehen – eine Klassifizierung, die bei den anderen Fakultäten nicht begegnet und offensichtlich auf die Stellungnahme Bundeskanzlers Karl Renner, die positive Beurteilung durch die Sonderkommission I. Instanz und die konstatierte »Unentbehrlichkeit« dieser Professoren zurückgeht. Die Liste enthält also insgesamt die Namen von 22 entnazifizierten Professoren, wobei der verstorbene Richard Rössler und der außerordentliche Professor für Hygiene Max Eugling fehlen. Dieser gab am 14. Mai 1945 im Perso-
647 648 649 650 651 652
Rundschreiben 28. 03. 1946, UAW, MED Dekanat Gz. 328 aus 1945/46, o. Nr. Liste 29. 03. 1946, UAW, MED Dekanat Gz. 328 aus 1945/46, o. Nr. Pichler Hans, Eppinger, Löffler, Barrenscheen, Amreich, Gagel. Unterberger, Lejeune, Wessely, Böhler. Pötzl, Pernkopf, Plattner, Schneider, Fuhs, Hamburger. Pichler Alexander, Mayer.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
nalblatt an, Anwärter der NSDAP, Ortsgruppe IX, seit 1941 gewesen zu sein.653 In seiner Anzeige »gemäss § 11 NS.-Reg.-Vdg.« schrieb er in der Rubrik »Anwärter« sieben Wochen später : »Gauleiter Bürckel hat den Prof. Gundel aus Gelsenkirchen, den späteren Ratsherrn der Stadt Wien, auf meine Stelle am Hyg. Inst. bringen wollen. Im Zuge dieser Verhandlung soll ich angeblich Anwärter bei Ortsgruppe IX geworden sein. Etwas Schriftliches hierüber habe ich nie erhalten. Eine Funktion bei der Partei habe ich nie ausgeübt.«654
Am 14. August 1945 wurde Eugling enthoben,655 stellte aber einen Monat später ein Ansuchen um Enthebung von der Registrierung.656 Dieses Ansuchen schien erfolgreich gewesen zu sein, denn Eugling fehlt erstens in der gegenständlichen Liste der Parteianwärter und -mitglieder unter den Professoren der Medizinischen Fakultät von Ende März 1946, zweitens wurde er aufgrund eines Bescheides der »Einspruchskommission beim magistratischen Bezirksamt für den IX. Bezirk« vom 4. August 1946 (wieder) »in die Liste der Nationalsozialisten des obigen Bezirkes« eingetragen.657 Er war also eine Zeit lang nicht registriert. Wiederum die Einspruchskommission für den 9. Wiener Gemeindebezirk verfügte im Februar 1948 seine neuerliche Streichung aus der Registrierungsliste.658 Die vom Bundesministerium für Unterricht dringendst angeforderte Liste wurde also bereits zwei Tage später, am Samstag, den 30. März 1946 morgens, dem Ministerkomitee und zeitgleich dem Alliierten Rat überreicht. Das »Figlkomitee« konzentrierte sich im Fall der Professoren der Medizinischen Fakultät auf die vier »sich noch im Dienste befindlichen«, also »pardonierten« Professoren: mit Rückdatierung auf Mittwoch, den 27. März wurde Leopold Schönbauer, Parteianwärter seit Juli 1940, enthoben und »bis auf weiteres belassen«.659 Nach Verlängerung der Weiterbelassung am 21. Oktober 1946 und am 28. April 1947 wurde, am 29. Oktober 1947 die »Enthebungsverfügung aufgehoben«. Ein fünfter Stempel auf dem Akt vermerkt letztlich die »Ernennung zum ord. Prof. für Chirurgie« unter Zl. 64.474/4 – 48.660 Wie Schönbauer »bis auf weiteres weiterbelassen« wurden vom Ministerkomitee mit gleichem Datum die Professoren 653 654 655 656
657 658 659 660
Personalblatt 14. 05. 1945, UAW, MED PA 109, fol. 114. Anzeige 04. 07. 1945, UAW, MED Dekanat 603 aus 1944/45, fol. 2. Enthebung 14. 08. 1945, UAW, MED PA 109, fol. 18. Ansuchen 12. 09. 1945, UAW, MED Dekanat 603 aus 1944/45, o. Nr. Er schilderte darin eine jahrelange Diffamierungskampagne nationalsozialistischer Universitätsfunktionäre und des Reichsministeriums für Unterricht gegen seine Person, die Dekan Leopold Arzt einige Monate später in einem Schreiben an Sektionschef Skrbensky aktenmäßig zu untermauern vermochte (Schreiben 06. 01. 1946, UAW, MED PA 109, fol. 45 – 46). Bescheid 04. 08. 1946, ebd., fol. 21. Bescheid 20. 02. 1948, ebd., fol. 22. Fragebogen 27. 03. 1946, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Schönbauer, fol. 138. Ebd.
»Lebensbedrohende Versuche am lebenden Leib«
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Viktor Patzelt und Tassilo Antoine,661 wobei bei letzterem ebenfalls die Enthebungsverfügung schließlich mit 29. Oktober 1947 aufgehoben wurde. Viktor Patzelt wurde ab diesem Datum jeweils bis Ende des Studienjahres weiterbelassen, wobei der fünfte Stempel vermerkt »der Zulassung auf ein weiteres Studienjahr 1950/51 zugestimmt«.662 Zu Arnold Pillat663 ist kein Ministerkomitee-Akt vorhanden. Seine Behandlung parallel zu den drei anderen Professoren der »Pardonierten« erschließt sich aber aus einem handschriftlichen Vermerk auf dem Schriftstück, das am 27. Februar 1946 das Bekanntwerden der Parteimitgliedschaft Pillats an das BMU meldete.664 Es heißt darin: »Mit Rücksicht auf den Beschluss des Ministerkomitees vom 27. 3. 1946.« Von den 29 Professoren der Medizinischen Fakultät überprüfte das Komitee also vier oder jeden Siebten, von den 24 Entnazifizierten jeden Sechsten. An der Philosophischen Fakultät lag der Anteil mit 11 Überprüften von 69 Professoren gesamt mit 16 % unwesentlich höher, von den 53 Entnazifizierten wurde dort jeder Fünfte überprüft. Während bei den Professoren der Philosophischen Fakultät in einem der 11 Fälle eine Weiterbelassung abgelehnt und die Enthebung bestätigt wurde (beim Romanisten Josef Huber), blieben alle vier Mediziner im Dienst.
6.7
»Lebensbedrohende Versuche am lebenden Leib«665
Philipp Schneider und Hans Eppinger waren beide in großbürgerliche und führende Familien der Habsburgermonarchie hineingeboren worden, der erstere 1896 in Wien als Sohn des Chefs der Betriebsverwaltung im österreichischen Postsparkassenamt und späteren Hofrats Gustav Schneider,666 Hans Eppinger 17 Jahre früher in Prag als Sohn des dortigen gleichnamigen Universitätsprofessors für Pathologie und Neffe des Führers der Deutschen Liberalen im böhmischen Landtag, Carl Eppinger. Beide waren im Österreich der Zwischenkriegszeit sowohl im Umfeld des Austrofaschismus als auch im Nationalsozia661 Fragebogen 27. 03. 1946, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Patzelt, fol. 136, bzw. Fragebogen 27. 03. 1946, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Antoine, fol. 142. 662 Stempel auf Doppelbogen 04. 07. 1949, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Patzelt, fol. 136. Von diesem Aktenbefund abweichend heißt es im Antrag auf die (Wieder–)Ernennung Patzelts schon vom Dezember 1949: »Dieses (Anm. Ministerkomitee) hat schließlich seiner (Anm. Patzelts) dauernden Weiterverwendung bzw. Übernahme in den neuen Personalstand zugestimmt.« (Aktenstück Dezember 1949, ÖStA/AdR, BMU PA Patzelt, o. Nr.). Patzelt wurde am 23. Februar 1950 (wieder–)ernannt. 663 Siehe Einzelbiographie Pillat, Kapitel 6.9. 664 Schriftstück 27. 02. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, o. Nr. 665 Zitat Karl Renners vom 10. 08. 1945, siehe Kapitel 6.5. 666 Curriculum Vitae 13. 10. 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Schneider, fol. 116 – 118.
186
Die Professoren der Medizinischen Fakultät
lismus politisch aktiv : Schneider war unter Unterrichtsminister Schuschnigg Obmann des österreichischen Hochschulabsolventenverbandes,667 seit 1933 Mitglied der NSDAP, in der »Verbotszeit« Mitglied der SS und seit 1938 Träger der »Ostmarkmedaille«.668 Eppinger war Mitglied der Heimwehr,669 »kasernierte« in der Folge »seine Söhne und SS-Mitglieder sowie deren Kampfgenossen schon vor 1938 in Privatwohnungen«670 und war seit August 1937 Parteimitglied und politischer Leiter.671 Beide machten schließlich in ihrem Fach eine erfolgreiche medizinische Universitätskarriere: Schneider habilitierte sich 1930 für Gerichtliche Medizin, wurde 1937 außerplanmäßiger außerordentlicher Professor an der Universität Göttingen und am 1. Oktober 1938 ordentlicher Professor an der Universität Wien. Daneben war er Direktor des Instituts für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik, Leiter des Elektro-Pathologischen Museums, ständig beeideter Sachverständiger für das Landgericht Wien und Prosektor672 der Gemeinde Wien. Eppinger wurde 1918 wirklicher außerordentlicher Professor in Wien, 1926 ordentlicher Professor in Freiburg im Breisgau, 1930 in Köln und am 20. April 1933 ordentlicher Professor für Spezielle Medizinische Pathologie und Therapie in Wien, zudem Vorstand der I. Medizinischen Klinik. War es nun bei Philipp Schneider als Gerichtsmediziner Scheu vor einem schädigenden Eingriff in den lebenden Menschen, sah er als Kriminalist das Verbrecherische dieses Vorganges deutlicher oder hielt er aus Überzeugung am ärztlichen Ethos fest? Jedenfalls schrieb er im Oktober 1952 in einem Curriculum Vitae im Zusammenhang mit beruflichen Schwierigkeiten im Dritten Reich, von sich in dritter Person sprechend: »Schneider erhielt im Kriege 2-mal die Mitteilung von Berlin, dass er mit seiner Entpflichtung nach Kriegsende zu rechnen habe, da er sich Berliner Anweisungen nicht fügte. Besonders übel wurde sein als Hochschullehrer an das Innenministerium gerichtetes Memorandum aufgenommen, welches energisch jeden wie immer gearteten Menschenversuch ablehnte.«673
Entgegengesetzt war die Haltung Hans Eppingers, die ihn in der Konsequenz zu inhumanen und schädigenden Experimenten an lebenden Menschen führte. Im Gauakt674 heißt es dazu in einer ersten Angabe: »Laut einer Einvernahme am 667 ebd. Außerdem fungierte er während des Ersten Weltkriegs als Adjutant des späteren Wiener Heimwehrführers Emil Fey. 668 Akteneintrag 28. 07. 1948, WStLA, Gauakt Schneider. 669 Fragebogen 23. 06. 1939, ÖStA/AdR, BMU PA Eppinger, fol. 103. 670 Hubenstorf, Medizinische Fakultät, 1989, S. 235 und Anmerkung 19. 671 Bekanntgabe 14. 11. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Eppinger, fol. 158. 672 Berufsbezeichnung für »Sezierer«. 673 Curriculum Vitae 13. 10. 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Schneider, fol. 117. 674 Vermerk 04. 07. 1946, WStLA, Gauakt Eppinger.
»Lebensbedrohende Versuche am lebenden Leib«
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4. Juli 1946 gab obiger an, dass er PG (Anm.: Parteigenosse) war seit 1939. Hat mit Prof. Beiglböck in Dachau das Meerwasserproblem studiert.« Die Datumsangabe ist falsch – er war seit September 1937 Parteimitglied – und die Aussage zu den »Studien« in Dachau frappiert durch ihre verharmlosende Formulierung. In einem zweiten, diesmal handschriftlichen Text heißt es dann: »Er (Eppinger) hat von den durch Dr. Beiglböck in dem KZ Dachau an den Häftlingen durchgeführten medizinischen Experimenten mit Meerwasser, die zu mehreren Todesfällen führten, Kenntnis gehabt, und die Experimente auch selbst dort kontrolliert.« Sucht man nun in Biographie und Charakter Eppingers nach möglichen Ursachen für dieses Versagen an Menschlichkeit, mehr noch an ärztlichem Ethos, so kann man zunächst seine spezifische Herkunft, seine hervorragende Karriere und seinen Rassedünkel675 in Verbindung mit der NS-These vom Unwert der »Untermenschen« ins Treffen führen, wenn auch Herkunft, Karriere und Ideologie nicht durchschlagen mussten, wie das Beispiel Philipp Schneider zeigt. Entscheidender war wohl, was hinzukam. Hans Eppinger junior war ein genialer Forscher, ein glänzend begabter Experimentator, »sein Arbeitsgebiet ist schwer zu umreißen, denn es gab nichts, was ihn nicht interessiert hätte.«676 Er war bald ein berühmter Mann, der sich die Universitätsstadt seines Wirkens aussuchen konnte,677 er »wurde während seiner Tätigkeit zu zahlreichen Persönlichkeiten des In- und Auslandes berufen und hat sich dabei Freunde in aller Welt erworben.«678 Das erzeugte Erfolgsdruck, zumal Eppinger Teil eines ganzen medizinischen Professorenclans mit verwandten Forschungsinteressen war. Seinen gleichnamigen Vater, zuletzt Professor für Pathologie in Graz, hatte »sein Interesse an der Genese des Ikterus679« veranlasst, »seinen Sohn zu dessen epochalen Arbeiten auf dem Gebiete der Leberkrankheiten anzuregen«680 und 675 Im Dezember 1938 wandte er sich erstaunt an den Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebund (NSDÄB), wie es möglich sei, dass ihm der Vorsitz beim Internistenkongress, der in Wien tagen sollte, entzogen werden könne, da er doch »Vollarier« sei (Personalblatt 14. 05. 1945, UAW, MED PA 104, fol. 035). 676 Ernest Rissel, Hans Eppinger junior. In: Neue Deutsche Biographie, Band 4 (Berlin 1959), S. 551. 677 Aus einem Curriculum Vitae: »Wurde vorgeschlagen 1915 Straßburg primo loco, 1919 Halle, 1921 Rostock primo loco, Königsberg secundo loco, Leipzig secundo loco, Prag primo loco, Frankfurt secundo loco, Berlin tertio loco, Graz primo loco.« (ohne Datum, UAW, MED PA 104, fol. 124). 678 Ebd. 1936 wurde er zur Behandlung des kranken Josef Stalin nach Moskau gerufen. Von daher war er 1945/46 Vertrauensarzt des sowjetischen Oberkommandos in Österreich (Lexikoneintrag ohne Datum, UAW, MED PA 104 002). 679 Altgriechisch für Gelbsucht. 680 Marlene Jantsch, Hans Eppinger senior. In: Neue Deutsche Biographie. Band 4 (Berlin 1959), S. 551.
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Die Professoren der Medizinischen Fakultät
»durch seinen Vater wurde Eppinger in pathologischer Anatomie und Histologie geschult und blieb zeitlebens mit ihr in engster Verbindung.«681 Weiters heiratete Eppinger juniors Tochter Maria den Professor der Medizin in Prag Arthur Rühl (1901 – 1955), der sich durch Forschungen auf dem Gebiet der Kreislaufpathologie verdient gemacht hatte. Lesen wir eine abschließende Persönlichkeitsschilderung Eppingers von Ernest Rissel: »Persönlich eher verschlossen und schüchtern wirkend, hat er durch seinen mitreißenden Ideenreichtum und seinen nie versagenden Arbeitseifer seine Schüler entscheidend beeinflußt und sie zum Teil weit über die Erkenntnisse der damaligen Zeit hinaus zu modernem patho-physiologischen Denken erzogen. Er war ein unermüdlicher Klinikchef, kümmerte sich persönlich auch um nebensächliche Dinge und hatte immer Verständnis selbst für ungewöhnliche Anregungen und Ansichten.«682
Eine »ungewöhnliche Anregung«, eine »ungewöhnliche Ansicht«: Gemeinsam mit Wilhelm Beiglböck hatte sich Hans Eppinger im Sommer 1944 im KZ Dachau an Versuchen zur Trinkbarmachung von Meerwasser zur Versorgung von über dem Meer abgeschossenen Piloten beteiligt. Eine Gruppe von 40 inhaftierten Sinti und Roma hatte bei den pseudomedizinischen Experimenten als »Untersuchungsobjekte« gedient. Der überlebende Häftling Karl Höllenrainer sagte am 17. Juni 1947 vor dem Nürnberger Gerichtshof aus: »Nach dieser Untersuchung wurden wir alle in ein Zimmer gebracht, und ein Doktor der Luftwaffe (Beiglböck) (…) hielt eine Ansprache. Aus dieser Rede habe ich folgenden Wortlaut in Erinnerung: ›Ihr seid jetzt ausgesucht für Seewasser-Versuche, erst werdet ihr gutes Essen bekommen, wie ihr es noch nie gegessen habt, dann werdet ihr hungern und Seewasser trinken.‹ Ferner sagte er : ›Wisst ihr überhaupt, was Durst ist? Ihr werdet wahnsinnig werden, ihr werdet denken, dass ihr in der Wüste seid und werdet versuchen, den Sand von der Erde abzulecken.‹ In der folgenden Woche begannen die eigentlichen Experimente. Wir erhielten überhaupt keine Nahrung mehr und nur Seewasser oder chemisch präpariertes Seewasser zu trinken (…). Während dieser Experimente hatte ich furchtbare Durstanfälle, fühlte mich sehr krank, verlor stark an Gewicht und zum Schluss bekam ich Fieber und fühlte mich so schwach, dass ich mich nicht mehr auf den Beinen halten konnte (…). Ich erinnere mich noch genau an eine Szene, wo ein tschechoslowakischer Zigeuner den Doktor der Luftwaffe gebeten hat, dass er unmöglich noch mehr Wasser trinken könnte. Dieser tschechoslowakische Zigeuner wurde daraufhin auf Anordnung von dem Doktor der Luftwaffe an ein Bett festgebunden. Der Doktor der Luftwaffe goss diesem Zigeuner persönlich mittels einer Magenpumpe gewalttätig das Seewasser hinunter. Während der Experimente erhielten die meisten Zigeuner Leber- und Rückenmarkpunktionen (Anm: die Leberforschungen Eppingers!). Ich selbst habe eine Leberpunktion erhalten und weiß aus meiner eigenen Erfahrung, dass diese Punk681 Rissel, Eppinger junior, 1959, S. 551. 682 Ebd.
Karrierewege nach 1945
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tionen furchtbar schmerzhaft waren. Noch heute, wenn das Wetter wechselt, fühle ich starke Schmerzen, wo die Leberpunktion durchgeführt wurde. Alle Leber- sowie Rückenmarkpunktionen wurden von dem Doktor der Luftwaffe persönlich durchgeführt (…). Drei waren so dem Tode nah, dass man sie am selben Abend auf Tragbaren mit weißen Tüchern abgedeckt hinausgeführt hat. Von diesen drei habe ich niemals wieder etwas gehört.«683
Hans Eppinger setzte wenige Monate vor seiner Einvernahme beim ersten Ärzteprozess in Nürnberg in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1946 seinem Leben durch Einnahme von Gift ein Ende.684 Wilhelm Beiglböck wurde zu 15 Jahren Haft verurteilt. 1976 wurde ein Krater auf dem Mond nach Eppinger benannt, um seine Verdienste auf dem Gebiet der Erforschung der Leberkrankheiten und Kreislaufstörungen zu würdigen. Diese Benennung wurde 2002 von der Working Group for Planetary System Nomenclature, einer Arbeitsgruppe der Internationalen Astronomischen Union, annulliert.
6.8
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6.8.1 Universitätsdienst Von den 29 Professoren der Medizinischen Fakultät waren nur fünf (17 %) nicht von Maßnahmen der Entnazifizierung betroffen. Zwei davon wurden zudem noch 1945/46 aus Altersgründen planmäßig in den Ruhestand versetzt,685 sodass nur Hermann Chiari, Pathologische Anatomie, Wolfgang Denk, Chirurgie und Karl David Lindner, Augenheilkunde, im Dienst verblieben. Unter den 24 entnazifizierten Männern bildeten die vier Professoren Schönbauer, Patzelt, Pillat und Antoine in der Liste für das Ministerkomitee vom 28. März 1946 die Gruppe der Unabkömmlichen, der im Dienste belassenen sogenannten »Pardonierten«.686 Sie verblieben – mit Ausnahme Arnold Pillats, den eine unerwartete Initiative von amerikanischer Seite für etwa ein Jahr (von November 1946 bis Herbst 1947) ins Abseits stellte687 – ununterbrochen an der 683 Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, abrufbar unter : http:// www.sintiundroma.de/content/?aID=286 (Zugriff: 17. 05. 2012). 684 Im Eintrag Ernest Rissels zu Eppinger von 1959 werden die Dachauexperimente mit keinem Wort erwähnt. Es heißt nur: »Ein Jahr darauf (nach dem Ende seiner Arbeit an der Wiener Universität) wählte er, durch viele Schicksalsschläge getroffen, den Freitod.« 685 Nikolaus Jagic und Josef Meller, wie berichtet schon 1944 vom Reichsministerium für Unterricht »entpflichtet« und mit 1. Oktober 1946 bzw. 1. Mai 1945 pensioniert (siehe Kapitel 6.1). 686 Liste 28. 03. 1946, UAW, MED Dekanat Gz. 338 aus 1945/46. 687 Siehe Einzelbiographie Pillat, Kapitel 6.9.
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Universität und ihren Kliniken und erlebten zwischen 1948 und 1950 ihre (Wieder-)ernennung als ordentliche Professoren. Sozusagen von der Entnazifizierung nur »gestreift« wurde der zu dieser Gruppe gehörende ordentliche Professor für Chirurgie und Vorstand der I. Chirurgischen Universitätsklinik Leopold Schönbauer, obwohl er am 2. Juni 1939 zum Stellvertreter des Dekans Eduard Pernkopf ernannt worden war688 und seit 1. Juli 1940 mit der Nummer 8.121.441 Anwärter der NSDAP gewesen war.689 Im Oktober oder November 1946690 richtete zudem ein »stud. med. Ernst Bachmann« in einem Schreiben an Dekan Heinrich Kahr schwere Vorwürfe gegen Schönbauer und andere Mediziner der Wiener Universität. Als er »vor kurzem aus der Gefangenschaft zurückgekehrt« sei, habe er zu seinem »nicht geringen Erstaunen« sehen müssen, »dass die wildesten Parteigänger an der Wiener Univ. noch wie zu ›Führers‹ Zeiten nicht nur in Amt und Würden sitzen, nein dass sie frecher denn je schalten und walten.«691 Die Empörung des Schreibers wandte sich besonders gegen Leopold Schönbauer, »einer der wildesten Anhänger Hitlers und seines Klüngels, (der) als Wehrkreischirurg alles Kv (Anm.: kriegsverwendungsfähig) schrieb was unter seine Hände kam, in erster Linie um schön dazustehen. Der selbe Mann hielt noch bevor ich wieder ins Feld musste eine fulminante Rede im Hörsalle (sic) der damaligen Klinik Fuhs gegen alle diejenigen die es wagen sollten die armen Selbstverstümmler und sonstigen Desperados zu schützen.«692
Schönbauer argumentierte in seiner lakonischen Erwiderung an den Dekan693 gegen den durch die Schilderung der Umstände authentisch wirkenden Vorwurf einer Hetzrede mit Hinweis auf die »Vorschrift«: »Was die von dem sogenannten Ernst Bachmann694 in dem Brief gemachten Anwürfe anlangt, so ist richtig, dass ich während meiner Dienstzeit als Chefarzt eines großen Reservelazarettes bei gewissen Veranlassungen Ansprachen an die Soldaten halten zu hatte, deren Inhalt uns vorher vorgeschrieben wurde; niemals habe ich eine Rede gegen die ›armen Selbstverstümmler und sonstigen Desperados’ gehalten.«695 688 Mitteilung 02. 06. 1939, UAW, MED PA 713, fol. 10. 689 Personalblatt 11. 05. 1945, UAW MED PA 604, fol. 69. 690 Im undatierten Brief wird der Freitod Hans Eppingers in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1946 angeführt, die Antwort Leopold Schönbauers an den Dekan erfolgte am 2. Dezember 1946. 691 Brief ohne Datum, UAW, MED PA 604, fol. 95. 692 Ebd. 693 Antwortbrief 02. 12. 1946, UAW, MED PA 604, fol. 96. 694 Schönbauer zweifelte im Eingang seines Schreibens das Zutreffen von Namens- und Adressenangabe des Briefschreibers an, da ein Ernst Bachmann an der angegebenen Adresse nicht gemeldet und auch dort nach privater Erkundigung unbekannt sei. 695 Antwortbrief 02. 12. 1946, UAW, MED PA 604, fol. 96.
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Gegen den Vorwurf inhumaner Bescheinigung der Kriegsverwendungsfähigkeit von Soldaten rechtfertigte sich Schönbauer einerseits mit fehlender Kompetenz, andererseits mit seiner »mehr als ängstlichen Einstellung« in dieser Frage, die ihm auch die »Androhung einer kriegsgerichtlichen Untersuchung« eingetragen habe. Zum Zeitpunkt dieses Schreibens war Schönbauer weder – wie gesetzlich gefordert – vom Staatsamt für Unterricht seines Dienstes enthoben, noch, wie die anderen drei »Pardonierten«, vor die Sonderkommission I. Instanz geladen worden. Erst das Ministerkomitee im Bundeskanzleramt enthob ihn mit 27. März 1946 formal, beließ ihn aber »bis auf weiteres« im Dienst, um schon am 29. Oktober 1947 seine Enthebungsverfügung aufzuheben.696 Die Gründe für dieses Nicht-Vorgehen gegen den NSDAP-Anwärter Schönbauer liegen mit Sicherheit in dessen besonderer Nähe zur ÖVP – er war von 1959 bis 1962 Abgeordneter dieser Partei zum Nationalrat –, aber auch in der sozusagen legendären »Rettung des AKH« im April 1945, bei der er gemeinsam mit dem Ordinarius Tassilo Antoine von der I. Universitätsfrauenklinik eine auf dem Krankenhausgelände in Stellung gehende SS-Halbkompanie zum Verlassen aufforderte und so verhindern konnte, dass das AKH unmittelbar in das Kampfgeschehen einbezogen wurde.697 Schon am 25. Mai 1948 wurde Schönbauer zum ordentlichen Professor der Chirurgie (wieder-)ernannt,698 1953/54 war er Rektor der Universität und im Mai 1959 beantragte das Professorenkollegium der Wiener Medizinischen Fakultät das Ehrenjahr für den 70-Jährigen.699 Allerdings gab es dazu bei 21 Pro- auch neun Gegenstimmen und eine Stimmenthaltung: Er war also – nach wie vor – nicht unumstritten. Außerhalb dieser Gruppe war die Rehabilitierung an der Medizinischen Fakultät für die entnazifizierten Professoren durch SS-, SA-Mitgliedschaften und bekleidete hohe Universitätsämter in der NS-Zeit doch erschwert oder unmöglich. Alexander Pichler, außerordentlicher Professor für Anatomie seit 1940, Leiter der Abteilung für Topographische Anatomie des Anatomischen Instituts und Dozentenführer der Fakultät, kehrte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zurück. Sein Chef Eduard Pernkopf fand zwar »im Neurologischen Institut der Universität einen ruhigen Arbeitsplatz, wo er, nachdem er Schweres durchgemacht« hatte, an seinem anatomischen Atlas weiterarbeiten konnte, wie es 696 Enthebungsverfügungsstempel auf Doppelbogen 29. 10. 1947, ÖStA, BKA MK Entnaz. Leopold Schönbauer, o. Nr. 697 Interessante Angaben zu diesen Vorgängen in Form zum Teil sich widersprechender Zeugenaussagen bot der Bescheid der Einspruchskommission für den 18. Bezirk vom 27. Jänner 1948 (UAW, MED PA 604, fol. 74), bei der Schönbauer sich – vergeblich – bemühte, von der Liste der Nationalsozialisten gestrichen zu werden. Hier wurde auch festgehalten, dass der Genannte der SS-Mannschaft in der Uniform eines Oberstarztes, also als militärischer Vorgesetzter, entgegentrat. 698 Ernennung 25. 05. 1948, UAW, MED PA 604, fol. 75. 699 Mitteilung 04. 06. 1959, ebd., fol. 102.
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schönfärberisch in seinem Nachruf, verfasst von seinem Akademiekollegen Hermann Chiari, heißt.700 Bestrebungen zu seiner Rückberufung als ordentlicher Professor scheiterten aber : »Beim Bundeskanzleramt vertraulich eingezogene Erkundigungen haben ergeben, dass keine Geneigtheit besteht, einem allfälligen Antrag auf Wiedereinstellung d. Prof. i. R. Dr. Pernkopf zuzustimmen.«701 Weiters konnte sich der uneinsichtig agierende Siegfried Unterberger nicht mehr an der Universität Wien rehabilitieren,702 während der ehemalige SSObersturmführer und ordentliche Professor für Gerichtliche Medizin Philipp Schneider zeitweilig nach Schweden auswich und im Februar 1954 in St. Johann im Pongau verstarb. Lediglich der Röntgenologe Ernst Georg Mayer und der Ohren-, Nasen- und Halsspezialist Emil Wessely wurden 1955 bzw. 1953 als außerordentliche Professoren (wieder-)ernannt. Wessely starb schon ein Jahr später, Mayer setzte seine Karriere 1961 mit der Ernennung zum ordentlichen Professor fort.703 Zu den an der Universität Wien rehabilitierten entnazifizierten Professoren ist schließlich noch der bekannte Unfallchirurg Lorenz Böhler zu rechnen, den der Bundespräsident am 19. März 1954 mit der Verleihung des »Titels eines ordentlichen Universitätsprofessors« – damit war kein Lehrstuhl verbunden – bedachte.704 Das ergibt eine Gesamtzahl von sieben der 24 entnazifizierten Professoren (29 %), die ihre Karriere an der Universität Wien fortsetzen konnten – im Vergleich zu 18 von 53 (34 %) an der Philosophischen und vier von 12 (33 %) an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. An Universitätskarrieren im Ausland sind zu nennen jene des in Köln geborenen Medizinhistorikers Fritz Lejeune, der 1959 an der Universität Hamburg emeritierte, des Wieners Philipp Schneider, der allerdings nur eine zeitlang vertretungsweise als Professor der Gerichtlichen Medizin an der Universität Stockholm lehrte705 und schließlich des »harten Nazifizierers« Friedrich Plattner, der, nachdem er mehrere Jahre in der Strafanstalt Garsten eingesessen war,706 bis 1961 Professor für Physiologie in Täbriz und später am Medical College der Universität Ahwar im Iran tätig war. Sein Todesjahr liegt im Dunkeln, Michael Hubenstorf gibt vage die 70-er Jahre an. 700 Nachruf ohne Datum, UAW, MED PA 396, fol. 75 – 77. 701 Sachverhaltsdarstellung 16. 06. 1950, ÖStA/AdR, BMU PA Pernkopf, o. Nr.: »Auszug aus den vorhandenen Unterlagen über das staatsbürgerliche Verhalten des ehem. o. Prof. (…) Eduard Pernkopf« Es erschien politisch doch zu gewagt, den Rektor der Universität 1943 – 45 und SA-Sturmbannführer zurückzurufen. 702 Vgl. etwa seine Ausführungen zu Staat und Nationalsozialismus im November 1945, Kapitel 6.2. 703 Entschließung 17. 02. 1961, UAW, MED PA 343, fol. 7. 704 Entschließung 24. 03. 1954, UAW, MED PA 52, fol. 26. 705 Brief ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Philipp Schneider, fol. 135 – 136. 706 Siehe Kapitel 6.2.
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6.8.2 Ruhestand Vorzeitige Pensionierung, angewandt auf Universitätsprofessoren, war eine probate Sanktion im Rahmen der Entnazifizierung, lag doch etwa das Durchschnittsalter der 22 Ordinarien der Medizinischen Fakultät bei 64 Jahren. Fünf dieser Männer hatten in diesem Jahr das Pensionsalter ganz oder nahezu erreicht, weshalb die unbeanstandeten Professoren Josef Meller und Nikolaus Jagic 1945 bzw. 1946 regulär in den Ruhestand versetzt wurden. der dritte der 1874 oder 1875 Geborenen, Franz Hamburger, Vorstand der Universitätskinderklinik, musste auf seine Pensionierung noch einige Zeit warten. Die Entnazifizierung schob sie in seinem Fall über das 71. Lebensjahr hinaus: Er wurde am 2. Juni 1945 enthoben707 – also nicht wie rechtens als »Illegaler« nach § 14 des VG 1945 entlassen – und, nachdem das NSG 1947 diesen Weg für ihn freigemacht hatte, mit 16. Juni 1947, im Alter von 73 Jahren, in den dauernden Ruhestand versetzt.708 Der Zahnheilkundler Hans Pichler, Anwärter der NSDAP, und der Neurologe Otto Pötzl, Parteimitglied seit 1931, beide 1877 in Wien geboren, mussten vor der Sonderkommission I. Instanz vorsprechen. Dabei wurde dem schon einige Monate vorher in den Ruhestand versetzten Pichler von der Sonderkommission seine Tragbarkeit bestätigt, wohingegen Pötzl für »nicht tragbar« erklärt und eben durch diese in den Ruhestand versetzt wurde.709 Freiwillig in die Pension begab sich 1946 der damals 66-jährige außerordentliche Professor Max Eugling – durch jahrelange Anfeindungen der NS-Hochschulverwaltung zermürbt und gleichwohl als NS-Anwärter einer Entnazifizierung entgegensehend.710 Jünger waren die restlichen vier im Zuge der Entnazifizierung in den Ruhestand versetzten Professoren Alfred Amreich (im Jahre 1945 60 Jahre alt), Herman Barrenscheen (58), Herbert Fuhs (54) und Eduard Pernkopf (57). Außer bei Fuhs handelte es sich um »Illegale«, alle vier waren zudem Mitglieder der SA oder der SS gewesen. Die Entlassung Barrenscheens vom 31. Jänner 1946711 bestätigte Skrbensky als Stellvertreter des Liquidators am 7. August 1947, da der Professor als »Sanitätssturmbannführer z. V.« unter § 17 Abs. 2 lit c des NSG 1947 falle.712 Der Bescheid war an das Hotel Erzherzog Johann in Bad-Gastein, den damaligen Wohnsitz des ehemaligen Professors für Physiologische Chemie, gerichtet. Das 707 Liste 02. 06. 1945, UAW, MED PA 713, fol. 25. 708 Versetzung 16. 06. 1945, ebd., fol. 15. 709 Zum Erkenntnis der Sonderkommission und dem dabei sichtbar werdenden katholisch eingefärbten Ethos des Vorsitzenden Otto Skrbensky, siehe Kapitel 1.3.6. 710 Siehe Kapitel 6.6. Für ihn setzte sich Dekan Leopold Arzt besonders ein. 711 Entlassung 31. 01. 1946, UAW, MED PA 25, fol. 17. 712 Schreiben 07. 08. 1947, ebd., fol. 16.
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Amt der Salzburger Landesregierung wandelte in der Folge die Einstufung Barrenscheens von »belastet« auf »minderbelastet« um, mit der Begründung, dass dieser nur »ehrenhalber« zum SA-Sturmbannführer ernannt worden wäre.713 Dieser Entscheid machte den Weg frei zur Pensionierung als Assistent, die am gleichen Tag mit der Aufhebung der Entlassung am 14. Dezember 1948 erfolgte.714 Die Versetzung in den Ruhestand der anderen drei wurde durch die Gewährung der Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten möglich715 und erfolgte bei Herbert Fuhs am Tag der Ausnahmegewährung, den 21. März 1949,716 bei Eduard Pernkopf mit 14. Februar 1949717 und schließlich beim vermögenden Alfred Amreich718 als außerordentlicher Professor mit 27. Februar 1953.719 Der Pharmakologe Richard Rössler, Parteimitglied mit der Nummer 9.028.414, verstarb am 4. Mai 1945 im Alter von 48 Jahren. Möglicherweise handelte es sich um Selbstmord.720 Seine Frau Helene Rössler, die laut Gauakt721 vor dem 17. Juli 1942 von ihm geschieden worden war (»keine PG nahm sie in der Verbotszeit an den Bestrebungen der NSDAPAnteil«), wurde im Juli 1946 um die Witwenpension »bittlich«. Nach Bescheid des BMU vom 22. August 1946 wurden ihr »bis zur endgültigen Regelung (…) Vorschüsse auf den künftigen Versorgungsgenuß bewilligt.«722 Die Anstellung des »illegalen« NSDAP-Mitglieds Philipp Schneider,723 der dem Gauakt entsprechend »stets ein aufrechter ns« war, »der in der schlechtesten Zeit stets für die Partei eintrat«,724 widerrief der Liquidator am 27. Mai 1946.725 Seine Ansuchen um Versetzung in den Ruhestand von 1948 und 1952 wurden, da er am Stichtag 13. März 1938 in keinem österreichischen Dienstverhältnis gestanden war, abgelehnt.726 Die Witwe des 1954
713 Bescheid 02. 07. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Barrenscheen, o. Nr. 714 Schreiben BMU 14. 12. 1948 und Schreiben Liquidator 14. 12. 1948, UAW, MED PA 25, fol. 22 und 23. 715 Fuhs mit 06. 01. 1949 (Entschließung 21. 03. 1949, UAW, MED PA 147, fol. 014), Pernkopf mit 13. 10. 1948 (Entschließung 13. 10. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Pernkopf, o.Nr.) und Amreich schrittweise mit 20. 07. 1948 und 30. 09. 1952 (Entschließungen 20. 07. 1948 und 30. 09. 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Amreich, o. Nr.). 716 Entschließung 21. 03. 1949, UAW, MED PA 147, fol. 014. 717 Versetzung 14. 02. 1949, UAW, MED PA 396, fol. 25. 718 Zu Amreich ausführlich siehe Kapitel 6.3. 719 Versetzung, UAW, MED PA 10, fol. 121. 720 Vgl. Hubenstorf, Medizinische Fakultät, 1989, S. 237. 721 ZEST-Auskunft 25. 03. 1947, WStLA, Gauakt Rössler. 722 Ersuchen 22. 08. 1946, UAW, MED PA 917, fol. 126. 723 Zu Philipp Schneider siehe Kapitel 6.2 und 6.7. 724 ZEST-Auskunft 28. 07. 1948, WStLA, Gauakt Schneider. 725 Schreiben 27. 05. 1946, UAW, MED PA 603, fol. 144. 726 Aktennotiz 11. 12. 1952, ÖStA/AdR, BMU PA Schneider, fol. 119.
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verstorbenen Schneider suchte bei Bundespräsident Theodor Körner um Unterstützung an: »Ich kann und will nicht glauben, dass die Dienste, die mein verstorbener Gatte auf seinem heimatlichen Boden geleistet hat, ganz in Vergessenheit geraten sind und dass ich mit meiner Familie dem Elend und der Not preisgegeben sein soll. Die Hochherzigkeit Eurer Exzellenz gibt mir die Kraft, diese meine heutige Gnadenbitte um Zuerkennung eines ausserordentlichen Witwenruhegenusses Ihnen, hochgeschätzter Herr Bundespräsident, zu unterbreiten.«727
Körner bewilligte einen »Ausserordentlichen Versorgungsgenuss« bis zur Zuerkennung einer entsprechenden Rente.728 Als Resümee ist festzuhalten: Bis 1954 wurden acht der 24 entnazifizierten Professoren der Medizinischen Fakultät, das ist ein Drittel, im Zuge der Entnazifizierung in den Ruhestand versetzt.729 Sieben der Entnazifizierten bzw. 29 % starben im Zeitraum 1945 bis 1954.730
6.8.3 Tätigkeiten in Arztpraxen und Kliniken Dem 1906 in Lend (Salzburg) geborenen Anatomen Alexander Pichler, Parteimitglied seit 1932, bestätigt seine SS Stammkarte 1941 »Nationalsozialistische Lebensführung, frei von volksfremden Bindungen«.731 Seine Anstellung an der Wiener Universität als planmäßig außerordentlicher Professor wurde im Mai 1946 von Sektionschef Skrbensky als Vertreter des Liquidators widerrufen.732 Im März 1948 versuchte der ehemalige Obersturmführer vergeblich, seine Einstufung »belastet« nach dem Nationalsozialistengesetz 1947 loszuwerden.733 Zu dieser Zeit arbeitete Pichler als Ordinationshilfe beim Orthopäden Oskar Stracker, ehe er 1950 eine Ordination als praktischer Arzt eröffnen konnte.734 Dieser Ordinationsgründung muss wie bei seinem SS-Kameraden als Obersturmführer Alfred Amreich, der ab 1948 eine gynäkologische Fachpraxis in Gars am Kamp führte, eine teilweise Ausnahme von den Sühnefolgen, nämlich nach § 18 lit. f 727 Schreiben 01. 06. 1954, ÖStA/AdR, BMU PA Schneider, fol. 133 728 Bewilligung 09. 12. 1954, ebd., fol. 152. 729 Hans Pichler, Otto Pötzl, Max Eugling (alle ab 1946 im Ruhestand), Franz Hamburger (1947), Hermann Barrenscheen, Eduard Pernkopf (beide 1948), Herbert Fuhs (1949), Alfred Amreich (1953). 730 Richard Rössler (gest. 1945), Hans Eppinger (gest. 1946), Hans Pichler (gest. 1949), Max Eugling (gest. 1950), Franz Hamburger, Philipp Schneider und Emil Wessely (alle gest. 1954). 731 SS-Stammkarte 1941, WStLA, Gauakt Alexander Pichler. 732 Bescheid 27. 05. 1946, UAW, MED PA 400, fol. 10. 733 Bescheid 30. 03. 1948, ebd., fol. 16. 734 Arias, Entnazifizierung, 2004, S. 367, Anmerkung 125.
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und d des NSG 1947, durch den Bundespräsidenten vorausgegangen sein, die die Ausübung einer ärztlichen Praxis und die Publikation fachspezifischer Texte wieder erlaubte.735 Pichler kehrte nicht an die Wiener Universität zurück: »Die Involvierung in die NS-Hochschulpolitik auf höchster Ebene hatte es trotz einer formalen Entnazifizierung und Intervention verschiedener Unterstützer unmöglich gemacht, die frühere Tätigkeit aufzunehmen.«736 1957 wurde er Gruppenarzt der Gebietskrankenkasse.737 Im deutschen Gegenstück dieser Einrichtung, der Deutschen Angestellten-Krankenkasse wurde 1953 der Medizinhistoriker Fritz Lejeune, 1939 – 45 außerordentlicher Professor der Universität Wien738 »beratender Arzt«. Dieser konnte sich aber später noch an der Universität Hamburg etablieren. Mehrfach konnten entnazifizierte Professoren der Medizinischen Fakultät nach 1945 auch in leitenden Funktionen an Kliniken in Wien oder den österreichischen Bundesländern Fuß fassen. Der sozial engagierte Franz Hamburger, obwohl 1945 schon 71 Jahre alt, übernahm in diesem Jahr – am 2. Juni als Ordinarius enthoben – sogleich die Leitung der Kinderklinik des Vöcklabrucker Krankenhauses.739 Das Laboratorium des Landeskrankenhauses Salzburg übernahm 1947 Hermann Barrenscheen,740 SA-Sturmbannführer von 1934 und »Altparteigenosse«,741 der die dortige Leitungsfunktion bis 1958 innehatte.742 Anders als bei Arnold Pillat, der zusätzlich zu seinem Ordinariat und der Tätigkeit als Vorstand der I. Universitätsaugenklinik in Wien im Jahre 1952 die Leitung der Augenstation des Paracelsus-Instituts in Bad Hall übernahm, lag bei Lorenz Böhler, einem der Wegbereiter der modernen Unfallchirurgie, der Mittelpunkt seines Handelns stets bei seinem Unfallkrankenhaus, dem er fast 40 Jahre, von 1925 bis 1963 vorstand und das, nach ihm benannt, 1970 – 1983 von seinem Sohn Jörg Böhler geleitet wurde. Der Salzburger Siegfried Unterberger,743 NSDAP-Mitglied seit 1937 – Ortsgruppe »Vorm Schottentor«, Zelle 7, Block 2 – und Obertruppführer der SA, der er seit 1933 angehörte,744 adressierte schon Anfang 1946 seine »Vorstellungen« gegen seine Entlassung aus dem Landes-
Entschließung 20. 06. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Amreich, o. Nr. Arias, Entnazifizierung, 2004, S. 367, Anmerkung 125. Einen Nachruf auf Alexander Pichler liefert »Die Aula« 13 (1962), S. 33 – 34. Lebenslauf ohne Datum, UAW, MED PA 316, o. Nr. Nachruf 1955, UAW, MED PA 713, fol. 79 – 80. Der Weg Barrenscheens in die Bundespension ist skizziert in Kapitel 6.8.2. Bericht 02. 04. 1947, WStLA, Gauakt Barrenscheen. Nachruf zu Barrenscheen in: 100 Jahre deutsche Burschenschaft in Österreich 1859 – 1959. Die geistige Leistung ihrer bedeutenden Männer. Bearbeitet von Günther Berha (Graz 1959), S. 89., UAW, MED PA 25, fol. 93. 743 Siehe Kapitel 6.2. 744 Stammblatt für Eingerückte ohne Datum, WStLA, Gauakt Unterberger.
735 736 737 738 739 740 741 742
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krankenhaus Klagenfurt,745 sich selbst demonstrativ als »Professor« titulierend. Diesen Titel behielt er hartnäckig bei, so noch in seinem vergeblichen Antrag um Behandlung nach dem Beamtenüberleitungsgesetz vom September 1957. Unterberger war nun Vorstand der Hals-, Nasen-, Ohren-Abteilung des Klagenfurter Landeskrankenhauses.746 Am 31. Dezember 1948 schrieb der Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät an den Rektor : »Dr. Siegfried Unterberger, derzeit Primarius in Klagenfurt Villacher Strasse 1, führt auf allen seinen Zuschriften den Titel eines Univ. Professors. Laut Auskunft des medizinischen Dekanates ist Dr. Unterberger 1939 planmässiger ao. Professor geworden und am 6. Juni 1945 nach § 14 des Verbotsgesetzes aus dem Dienst entlassen worden. Mit dieser Entlassung ist auch die Berechtigung zur Führung des Titels Univ. Professor erloschen. Ich bin der Meinung, dass wir schon um Präzedenzfälle zu vermeiden, in diesem Fall einschreiten müssen. Insbesondere bei einem Arzt, der ja den Prof.Titel im materiellen Wettbewerb mit anderen Ärzten verwendet und daraus materielle Vorteile zieht. Ich würde es für angebracht halten, eine entsprechende Mitteilung unter Berufung auf die einschlägigen Vorschriften an die Kärntner Ärztekammer und an die Polizeidirektion Klagenfurt ergehen zu lassen.«747
Erst ein Jahr später erfolgte eine Reaktion darauf. Der Dekan der Medizinischen Fakultät Ernst Lauda schrieb an den Präsidenten der Wiener Ärztekammer.748 (Hier wurde ein Problem in klassisch österreichischer Weise »in den Sand gesetzt«): »Das Professorenkollegium hat sich schon mehrfach mit der Frage der Führung von Titeln aus der Zeit des Nationalsozialismus beschäftigt. Die Titel werden zu Unrecht getragen. Das Kollegium hat aber eine Scheu an diesen Verhältnissen zu rühren. Es sollte ja m. E. auch nicht vergessen werden, dass in der NS-Zeit früher erworbene Titel ebenfalls geführt werden durften, wenn der Betreffende die diesbezügliche Stelle verloren hatte. Es gab hier allerdings auch Ausnahmen. Im Grossen und Ganzen wurde es aber kaum jemanden versagt, z. b. den Titel ›Professor‹ zu führen, auch wenn der Betreffende als solcher abgesetzt worden war. Die Ihnen in Abschrift hiemit vorgelegte Zuschrift des damaligen Dekans der juridischen Fakultät Prof. Dr. Wolff wurde bisher vom Professorenkollegium ad acta gelegt. In der letzten Sitzung wurde aber beschlossen, Ihnen, sehr geehrter Herr Präsident, die Sache vorzulegen und Sie zu bitten nach Gutdünken zu verfahren. Vielleicht wäre es richtiger gewesen, die Angelegenheit unmittelbar der Kärntner Aerztekammer oder gar der Polizeidirektion Klagenfurt zugehen zu lassen. Ich bin aber der Meinung, dass in diesen Dingen Schärfen und Spitzen eher vermieden werden sollten und unterbreite 745 746 747 748
Vorstellungen gegen den Bescheid vom 24. 01. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Unterberger, o. Nr. Antrag 23. 09. 1957, ebd., o. Nr. Schreiben 31. 12. 1948, UAW, MED PA 517, o. Nr. Schreiben 12. 12. 1949, ebd., fol. 19.
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daher lieber Ihnen diese Angelegenheit, der Sie ja als Wiener Aerztekammer nicht unbedingt genötigt wären, Schritte zu unternehmen.«749
6.9
Arnold Pillat – ein typischer Fall
6.9.1 Existenzangst und Bewunderung Man sollte wohl biographische Notizen über Arnold Pillat, geboren 1891 im deutschsprachigen Teil des damaligen Königreichs Böhmen, damit beginnen, dass er in erster Linie hervorragender Wissenschaftler, begabter Universitätslehrer und geeichter Leiter großer Kliniken war, worin auch er selbst das Zentrum seiner Lebensarbeit sah.750 Was ihn aber für das Thema Entnazifizierung interessant macht, ist seine politische Einstellung und deren Manifestationen und Verschleierungen in Jahren extremer Veränderung wie auch die bürokratische Schaukelbewegung, die sein Fall von 1945 bis 1948 durchlief. Schritte von Entnazifizierung und Rehabilitierung wechselten einander im Fall Pillat in einer Weise ab, dass exemplarische Züge des allgemeinen Charakters der Entnazifizierung der Professorenschaft der Universität Wien gut aufgezeigt werden können, was auch Ingrid Arias festhält.751 1934 war Arnold Pillat – seit 1918 Doktor der Medizin, 1928 für Augenheilkunde habilitiert und nach jahrelangen beruflichen Auslandsaufenthalten in Asien und Nordamerika mit der aktuellen politischen Situation in Österreich nach Eigenangabe noch unvertraut – in seiner Ordination in Wien von einem Besucher mit dem Abzeichen der Vaterländischen Front im Knopfloch um Spenden angegangen worden, von dem er erst nach Monaten erfahren haben wollte, wofür sie tatsächlich bestimmt waren: nämlich für Winterhilfswerk, NSDAP und deren Frauenschaft.752 Den »Anschluss« erlebte er als außerordentlicher Professor in Graz und dort erfolgte schon wenige Monate später sein Eintritt in die NSDAP. Hier muss man differenzieren: Sicher lag starker Druck durch Dozentenbundführer Karl Brauner vor, der eine politisch astreine Pro749 Ebd. 750 Verteidigung ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 206 (Absatz 5) und Antrag des BMU ohne Datum, ebd., fol. 218 (Antrag des BMU). Weiters Karl Lindners Beurteilung von Pillat ohne Datum, UAW, MED PA 406, fol. 026. Pillat leitete 1928 bis 1933 die Augenklinik des Rockefeller Instituts in Peking, 1933 bis 1936 die Augenabteilung des Krankenhauses Lainz in Wien, 1936 – 1944 die Universitätsaugenklinik in Graz, schließlich 1944 bis 1963 – mit einer Unterbrechung 1946/47 – die I. Universitätsaugenklinik in Wien. 751 Arias, Entnazifizierung, 2004, S. 346. 752 Verteidigung ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 206. Von diesem Manne wurde ihm im Frühsommer 1938 für seinen »politischen Lebenslauf« (zur Aufnahme in die Partei) nach Graz bestätigt, dass er Spenden für die Partei gegeben habe.
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fessorenschaft für Graz, die »Stadt der Volkserhebung« – so ihr offizielles Epitheton ornans – wünschte, wobei »dieser Aufforderung (…) sämtliche Professoren der medizinischen Fakultät« folgten.753 Doch dieser Grund war sicher nicht der einzige. Schon seine sudetendeutsche Herkunft – er stammte aus einfachen Verhältnissen, seine beiden Großväter waren Gärtner und Schlosser, nur sein Vater hatte es zum »Oberlehrer« gebracht – legt eine national-betonte Gesinnung nahe. Ferner ist der »Anschluss-Rausch« in Rechnung zu stellen, der viele begeistert in die Reihen der NSDAP trieb. Schließlich liefern aber auch Äußerungen Pillats selbst eindeutige Hinweise auf seine innere Zugewandtheit, ja Bewunderung für die Partei, zumindest für die erste Zeit nach dem März 1938. Am 14. Juni 1942 schrieb er in einem Privatbrief an seinen Fachkollegen Karl Lindner : »Man schämt sich heute, einer deutschen Universität anzugehören. Und wie habe ich einstens zu diesen Kreisen emporgeblickt.«754 Und in seinem großen Rechtfertigungsschreiben von Ende 1946 vergaß er einmal seine Argumentationsschiene, nur existentielle Erpressung habe ihn in die NSDAP getrieben und hielt fest: »Meine innerliche Abkehr von der Partei erfolgte im Herbst 1938 anlässlich der Synagogen-Affäre.«755
6.9.2 »Wir werden noch andere Zeiten erleben« Bei Pillat lässt sich also tatsächlich ein Umdenken feststellen, das sich vor allem an der Hochschulpolitik des NS-Regimes festmachte, für dessen Verachtung der geistigen Arbeit er bittere Worte fand.756 Allerdings war er beim zuständigen Reichsministerium noch gut genug angeschrieben, dass er im Sommer 1939 eine Zusage zu einem neuerlichen einjährigen Aufenthalt in Peking erhielt. Vortragsreisen ins Ausland und »Entsprechendes« wurden nur zuverlässigen Parteigenossen ermöglicht.757 Seine Ernennung zum ordentlichen Professor der Universität Graz erfolgte aber dann mit erheblicher Verspätung,758 was er selbst 753 Ebd. Pillat fühlte sich – nach Aussage von November 1946 – existentiell durch Verlust von Lehramt und Klinik bedroht. 754 Brief 14. 06. 1942, UAW, MED PA 406, fol. 7. 755 Vorher war er ihr also zugewandt. Verteidigung ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 206, Absatz 7. 756 Manifestiert in den Briefen an Karl Lindner, von denen dieser im März 1946 Ausschnitte offenlegte. So schrieb Pillat am 27. März 1940: »Ich bin nur froh, dass das ›ewig‹, das so viele jetzt dauernd im Munde führen in Wirklichkeit immer etwas anders aussieht und dass auch wir noch andere Zeiten erleben werden.« (UAW, MED PA 406, fol. 7). 757 Schnellbrief des Ministeriums vom 05. 06. 1939, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 171. Die Reise nach Peking kam wegen des Kriegsbeginns nicht zustande. 758 Nach Antrag im November 1939 Ernennung mit Schreiben 08. 02. 1941, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 107 und 115.
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seiner Weigerung zuschrieb, aus der katholischen Kirche auszutreten. Seine religiöse Verankerung war stark, und er verwahrte sich auch beharrlich dagegen, trotz mündlicher und schriftlicher Aufforderung, die Kruzifixe aus den Räumen seiner Klinik zu entfernen. Seine beiden Söhne waren bis zu deren Auflösung Mitglieder der katholischen »Neulandbewegung« gewesen.759 Der in seiner Wissenschaft redliche Pillat brachte es im Laufe der Kriegsjahre nicht über sich, seine Meinung zu unsinnigen Neuerungen in seinem Fache zu verschweigen. So prangerte er etwa in Vorträgen die Einführung einer eigenen medizinischen Nomenklatur für das deutsche Sprachgebiet ohne Rücksicht auf die übrige Welt öffentlich an.760 Trotzdem konnte 1944 seine Nachfolge für den emeritierten Josef Meller von der Wiener Professorenschaft gegen den Widerstand des Reichsministeriums für Wissenschaft, Unterricht und Volksbildung durchgesetzt werden.761 Kaum in Wien wurde er am 4. Dezember 1944 für die Aufnahme in die »Akademische Legion beim Höheren SS und Polizeiführer Wien«, einer Formation des Volkssturms, registriert, und gab hier noch einmal seine Mitgliedschaften bei einer ganzen Reihe von NS- und NS-nahen Formationen an: NSDAP, Reichsluftschutzbund (RLB), Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund (NSDDB), NS-Lehrerbund (NSLB), Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) und – gegenüber 1938 neu – Reichskolonialbund (RKB).762 Nur fünf Monate später lautete seine Angabe: »Parteimitglied seit Juni 1938« mit dem Zusatz, er habe sich seit seiner Übersiedlung nach Wien überhaupt nicht mehr bei der Partei gemeldet, »sodaß mein Austritt aus der Partei durch Nichtzahlen von Beiträgen und Nichtmelden seit Oktober 1944 praktisch vollzogen ist.«.763 Rekapitulieren wir kurz: Der Universitätsprofessor Arnold Pillat war anfangs begeistert, ja blickte zu den Nazis auf, trat der NSDAP und einer Reihe NS-naher Organisationen bei. Die Schande des gewalttätigen Antisemitismus und eine inadäquate Wissenschaftspolitik ernüchterten ihn aber mit der Zeit, in Fachfragen trat er auch vereinzelt mutig an die Öffentlichkeit, äußerlich blieb er aber loyal dem Regime gegenüber und in der Stunde der Befreiung galt er nun als »praktisch aus der Partei ausgetreten«.
759 Verteidigung ohne Datum, ebd., fol. 205 und 206. Beide Söhne gehörten nach seiner Angabe ab 1943 der österreichischen Widerstandsbewegung an. 760 Ebd., fol. 206. 761 Wie betont wird aus fachlichen, nicht politischen Gründen. Verteidigung ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 206; Karl Lindners Beurteilung von Pillat ohne Datum, UAW, MED PA 406, fol. 26. 762 Berufung 06. 11. 1944, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 185. 763 Personalblatt und Beilage 12. 05. 1945, UAW, MED PA 406, fol. 024 und 028.
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6.9.3 Die dauernde Verwendung des zweimal Enthobenen Auf dem am 12. Mai 1945 von Pillat eigenhändig unterzeichneten Personalblatt, findet sich noch ein wichtiger Hinweis: Von unbekannter Hand geschrieben steht – wie oft –am oberen Rand der Vermerk »kein Personalakt auffindbar«.764 Dieser Umstand – zahlreiche Personalakten befanden sich noch für längere Zeit, von den Nazis ausgelagert, in Strobl am Wolfgangsee – begünstigte sehr die Taktik, die Pillat nun – nicht als Einziger – einschlug: Handlungsmotive ändern, allgemein herunterspielen, verheimlichen, nur das zugeben, was »auftaucht«, womit man unmittelbar konfrontiert wird. Am 15. Mai 1945 meldete der Dekan der Medizinischen Fakultät, Leopold Arzt, dem Staatssekretär für Unterricht die Suspendierung und Beurlaubung einer ganzen Reihe von Professoren, davon drei Viertel mit dem Zusatz »geflüchtet?« oder »abwesend«.765 Pillat war nicht unter den Suspendierten, er hatte Wien und seine Klinik nicht verlassen. Auch die ersten beiden Enthebungswellen (vom 30. Mai und 2. Juni 1945) trafen ihn nicht, sondern erst die dritte vom 5. August 1945., Allerdings: Schon 12 Tage später, am 17. August, wurde seine Enthebung widerrufen. Die Gründe dafür sind aus den Akten nicht ersichtlich. Der Widerruf war unüblicherweise von Unterstaatssekretär Karl Lugmayer unterzeichnet, der sonst in den Entnazifizierungsakten kaum aufscheint.766 Der ÖVP-Mann Lugmayer, der schon während des Krieges in seinem Haus am Hang des Wilhelminenberges mit Freunden über eine neue christlichsoziale Partei nachgedacht und diskutiert hatte, half dem bekennenden Katholiken wohl heraus.767 Weiters galt Pillat in Lehre und Klinik als unersetzbar. Am 10. September 1945 übermittelt das Dekanat der Medizinischen Fakultät dem Staatsamt eine Liste der »von der Sonderkommission zu behandelnden ordentlichen und außerordentlichen Professoren«, die von Schönbauer, Patzelt, Antoine und Pillat angeführt wird.768 Tatsächlich tagte die Sonderkommission I. Instanz im Fall Pillat schon drei Tage später – Vorsitzender war Sektionschef Skrbensky »im Beisein der Professoren Dr. Lindner769 und Dr. Kahr« – und erkannte, dass Professor Arnold Pillat die Gewähr dafür bietet, »dass er jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werde«.770 Es frappiert die Phrase »jederzeit rückhaltlos«, da sich der Professor wenige Mo764 Ebd., fol. 024. 765 Liste 15. 05. 1945, UAW, MED PA 713, fol. 23. 766 Quellen und Literatur zu Karl Lugmayer im Karl von Vogelsang-Institut, darunter eine von seinem Sohn, Franz Lugmayer, verfasste Biographie. 767 Widerrufung 17. 8. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. o. Nr. 768 Liste 10. 09. 1945, UAW, MED Dekanat Gz. 141 aus 1945/46. 769 Der obengenannte Briefpartner Pillats. 770 Erkenntnis 28. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 182.
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nate zuvor mit den gleichen Worten dazu verpflichtet hatte, »für den nationalsozialistischen Staat und Bewegung Adolf Hitlers einzusetzen.«771 Der bei der Verhandlung als Beisitzer anwesende Vorstand der II. Augenklinik, Karl Lindner, bestätigte noch im März 1946 treuherzig: »[S]o möchte ich zusammenfassend über Kollegen Pillat aussagen, dass er wohl stets von deutscher Gesinnung war, doch darüber hinaus mit allen Fasern seines Herzens an seiner Heimat Oesterreich hing.«772 Deutsches Vaterland, Heimat Österreich – welche Gewähr wird da geboten? Schon in der Liste vom 10. September wurde Pillat schließlich nicht als Mitglied der NSDAP, das er tatsächlich gewesen war, sondern als Anwärter derselben eingestuft, und als solchen behandelte ihn die Sonderkommission in der Verhandlung und im Erkenntnis. Er hütete sich, dieses Missverständnis – oder war es ein taktisches Manöver? – aufzuklären. Diese Aufklärung sah sich die Universität am 27. Februar 1946 veranlasst zu liefern. Das Begleitschreiben zum übersandten Aufnahmeschein Pillats in die Akademische Legion war von Rektor Adamovich selbst unterzeichnet. Dieser Aufnahmeschein enthielt nämlich als Aufnahmedatum in die Partei Mai 1938 und die Mitgliedsnummer 6.288.805. Am Begleitschreiben ist weiters handschriftlich vermerkt: »Mit Rücksicht auf den Entschluß des Ministerkomitees vom 27. 03. 1946«.773 Der Klinikvorstand Pillat wurde also auch von diesem Komitee mit dem kämpferischen Namen »Das vom Ministerrate eingesetzte Komitee zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen« behandelt und am 27. März 1946 seines Dienstes enthoben – seine zweite Enthebung. Die Verhandlungsprotokolle liegen nicht vor, doch kann die Enthebung mit allerdings semesterweiser Weiterbelassung im Dienste – wie bei
771 In der Aufnahme in die »Akademische Legion« (Aufnahme- und Verpflichtungsschein 04. 12. 1944, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 185). Der NS-Staat gab noch eins drauf: »Unter Zurückstellung aller persönlicher Interessen«. 772 Karl Lindners Beurteilung von Pillat ohne Datum, UAW, MED PA 406, fol. 027. Mit ganz ähnlichen Worten charakterisierte Pillat selbst seinen Vorgänger Josef Meller anlässlich dessen 75. Geburtstag noch 1949 »aufrechter deutscher Mann«, treu »seiner österreichischen Heimat wie seinem Volke«, »Erniedrigung und Machtlosigkeit« nach »zwei verlorenen Weltkriegen« (Wiener klinische Wochenschrift 61 (1949), S. 857 f, zitiert nach: Hubenstorf, Medizinische Fakultät, 1989, S. 282, Anmerkung 189). 773 Schreiben 27. 02. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, o. Nr. Sektionschef Otto Skrbensky hatte außerdem bei der Verwaltungsstelle der wissenschaftlichen Hochschulen am 17. 01. 1946 dringendst angefragt, »ob Personaldaten hinsichtlich des Beitrittes zur NSDAP bzw. vorhanden oder ob die Akten aus Strobl zurückgekommen sind« und zwar für nicht weniger als zehn Professoren der Medizinischen Fakultät, allerdings ohne Pillat, den er schon am 13. 09. 1945 bei der Sonderkommission für »tragbar« erklärt hatte (Schreiben 17. 01. 1946, ÖStA/ AdR, BMU PA Barrenscheen, o. Nr.). Nun wurde also auch für Pillat noch Schwerwiegendes nachgeliefert.
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Entscheidungen dieses Komitees der Normalfall – aus anderen Quellen erschlossen werden.774
6.9.4 »Denazification« und »Ende gut, alles gut« Trotz zweimaliger Enthebung tat der Klinikchef der I. Augenklinik also ununterbrochen seinen Dienst, hielt Vorlesungen und nahm Prüfungen ab., Vom Sommersemester 1945 bis zum Wintersemester 1946/47 stand sein Name in den Vorlesungsverzeichnissen, doch im Sommersemester 1947 wurde seine Vorlesung mit Augenspiegelkurs plötzlich vom Privatdozenten Karl Safar von der II. Augenklinik gehalten. Im Wintersemester 1947/48 hieß es »Der Vortragende wird später bekanntgegeben.«775 Was war geschehen? Der Betroffene hatte schon einige Hürden der Entnazifizierung durch österreichische Behörden zwar nicht mit Bravour genommen, aber mit Hinhaltetaktik überwunden, doch was der Entnazifizierung nicht gelang, sollte nun die »Denazification« versuchen: Am 9. November 1946, eineinviertel Jahre nach der kurzfristigen Enthebung Pillats im August 1945, erreichte ein Schreiben des Bundeskanzleramtes (BKA) den Bundesminister für Unterricht: »Das Exekutivkomitee hat in einer Note vom 6. November 1946 an den Herrn Bundeskanzler mitgeteilt, daß das Direktorium für innere Angelegenheiten den Akt des Herrn Professors Dr. Arnold Pillat, Chef der Augenklinik der Universität in Wien überprüft und entschieden hat, daß die vorgebrachten Anschuldigungen es nicht gestatten, seine Tätigkeit weiter auszuüben. Es sind alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, dass diese Entscheidung sofort durchgeführt wird.«
Der Briefkopf enthält den Betreff: »Enthebung durch die Alliierten«.776 Gleichzeitig wurde das Haus des Angeschuldigten in der Himmelsstraße nahe dem Ortskern Grinzings vom US-amerikanischen Wohnungsamt beschlagnahmt. Die Erklärungen, die ihm die Amerikaner anlässlich der Beschlagnahme seines Hauses gaben, ließen in Pillat rasch ein Licht aufgehen: Die Vorwürfe stammten sämtlich aus einem »politischen Lebenslauf«, den er 1938 »zwecks Eintritt in die Partei« verfasst hatte und der nun in die Hände der Alliierten gelangt war. Dieser Lebenslauf ging, wie er Ende 1946 angab, »in manchem Punkte über die Grenze der Wahrheit hinaus« und war teilweise »stark aufge-
774 In den Vorlesungsverzeichnissen Sommersemester 1946 und Wintersemester 1946/47 wird Pillat als Vortragender weitergeführt (vgl. auch Antrag des BMU vom 22. 05. 1948, ÖStA/ AdR, BMU PA Pillat, fol. 218). 775 UAW, Vorlesungsverzeichnisse 1945 – 1948. 776 Entscheidung 09. 11. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 187.
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tragen«.777 Er hatte also 1938 stark auftragen müssen, um in die NS-Partei hineinzugelangen und ab 1945 stark abwiegeln, um aus den Folgen wieder herauszukommen. Er war nun jedenfalls nach dem »Auftauchen« dieses Dokuments gezwungen, sich in umfassender Weise gegen den »amerikanischen Anwurf der politischen Untragbarkeit«778 zu verteidigen, nachdem er noch im Lebenslauf zum Personenstandesblatt vom Juli 1945 die NS-Problematik mit keinem Wort gestreift hatte.779 Für die kenntnisreiche Forscherin zur Entnazifizierung an der Wiener Medizinischen Fakultät, Ingrid Arias, die bisher zweimal zu diesem Thema veröffentlicht hat,780 stellt der Fall Pillat ein »exemplarisches Beispiel« dar, an dem sich »der bürokratische Entnazifizierungsverlauf, genauso wie typische Argumentations- und Verteidigungslinien ehemaliger Nazis« gut demonstrieren lassen.781 Besonders seine Strategie gegen die Vorwürfe des Alliierten Denazifizierungsbüros im November 1946 folge »der vieler anderer«.782 Die Angabe zur Mitgliedschaft im NS-Lehrerbund (NSLB) vom 1. Februar 1938 an habe ihm zwar 1938 den Hauch des »Illegalen« verschafft, sei aber – so Pillat 1946 – nur eine nachträgliche Konstruktion gewesen. Bei seiner Teilnahme an »Geheimsitzungen« beim NS-Maler Casimier 1934/35 habe es sich um eine einmalige harmlose »Cocktailparty« gehandelt, und dass er den politisch-belasteten Arzt Dr. Khälß an seiner Klinik habe arbeiten lassen, sei seiner Unkenntnis über dessen »illegale« Parteimitgliedschaft entsprungen. Außerdem gehöre es zu seinen Obliegenheiten, junge tüchtige Menschen zu fördern. Pillat ließ seine Verteidigungsschrift mit einem – wiederum öfter anzutreffenden – Rückzug auf »allgemeine Menschlichkeit« ausklingen: Er habe sich immer nur bemüht, die akademische Jugend »zu anständigen und aufrechten Menschen und zu guten Ärzten zu erziehen.«783 Und die akademische Jugend meldete sich auch gleich zu Wort – die Österreichische Hochschülerschaft der Universität Graz im Dezember 1946, die gesamtösterreichische im Jänner 1947. Beide forderten die rasche Wiederindienststellung des Professors.784 Dabei ist die Grazer Stellungnahme durch das persönliche Erleben der Lehrtätigkeit Pillats durch den Schreiber (ein Dr. Rudolf Schill) nicht uninteressant. 1943/44 sei Pillat nur formal »belastet«, ideologisch 777 778 779 780 781 782 783 784
Verteidigung ohne Datum, ebd., fol. 204 f. Ebd., fol. 204. Personenstandsblatt 23. 07. 1945, ebd., o. Nr. Vgl. Arias, Entnazifizierung, 2004 und dies., Die Medizinische Fakultät von 1945 bis 1955. Provinzialisierung oder Anschluss an die westliche Wissenschaft? In: Grandner/Heiss/ Rathkolb, Zukunft mit Altlasten, 2005, S. 68 – 88. Vgl. Arias, Entnazifizierung, 2004, S. 346. Ebd., S. 363, Anmerkung 41. Verteidigung ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 204 f. Forderung 21. 12. 1946, ebd., fol. 192 f.
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aber scharfer Antinationalist gewesen und »der Fall Prof. Pillats muß mir als mit den Verhältnissen genau Vertrauten, geradezu tragikomisch erscheinen.«785 Dieser Ausdruck ruft die Erinnerung an den teilweise ähnlich gelagerten Fall Alois Hajeks von der Philosophischen Fakultät wach, den der unbescholtene Dekan der Jahre 1945/46, Wilhelm Czermak, mit den Worten verteidigt hatte: »Ich bin weit davon entfernt, unrichtige Angaben zu befürworten – aber ich kann nur auf die Komik hinweisen, die für den Wissenden besteht, Hajek als ›Agitator‹ anzusehen, gerade weil er es selbst niedergeschrieben hat.«786 »Tragikomisch«: Im Unterschied zu Hajeks extremer Ängstlichkeit ist die zwischen Begeisterung für den Nationalsozialismus, Mut zum Widerstand und Anpassung oszillierende Charakterlichkeit Pillats nicht so leicht zu fassen. Bei beiden aber fällt Kennern der Situation das tragisch Erheiternde in der Diskrepanz von falschen Angaben und tatsächlichen Haltungen auf. Hajek und Pillat waren weiters beide forciert katholisch und wurden in der Entnazifizierungsphase intensiv und erfolgreich von katholischen Netzwerken getragen und unterstützt. Dazu passt auch der für den Netzwerker bestätigende, für den Gerechtigkeit suchenden Historiker aber deprimierende nachträgliche handschriftliche Vermerk »bleibt« auf der Verteidigungsschrift Pillats, der signalisiert: Strengt euch nur an, ihr österreichfremden, nazisjagenden Kräfte, der Professor Pillat bleibt. Oder kommt bald wieder : Noch musste das Innenministerium dem Präsidium des Bundesministeriums für Unterricht (am 18. Februar 1947) mitteilen, dass das Alliierte Denazifizierungsbüro einen Bestätigungsbericht in achtfacher Ausfertigung wünschte, dass Professor Pillat »über Weisung des Direktoriums für Innere Angelegenheiten aus dem Dienst entlassen wurde.«787 Aber auch dieses hart wirkende Schreiben enthielt schon den nächsten Hinweis in die andere Richtung, und zwar die handschriftliche Angabe »4/3 erhalten«. Dieses »4/3« steht für ein Dokument, das sich nicht zufällig hinter einem Kürzel verbirgt. Dieser Brief wurde am 4. März 1947 aufgegeben und war in devoter Form an die Schlüsselfigur der Entnazifizierung, den mächtigen Sektionschef Skrbensky gerichtet, der hier im dritten Jahr der Zweiten Republik mit »Baron Freiherr von Skrbensky« angesprochen wurde. In schöner Kabinettspolitik argumentierte der ÖVP-Abgeordnete Gustav Kapsreiter auf dem Briefpapier des Nationalrats: »Sehr geehrter Herr Sektionschef! Im Einvernehmen mit Bundesminister Dr. Hurdes übermittle ich Ihnen anbei weiteres Entlastungsmaterial in der Angelegenheit Prof. Dr. 785 Ebd., fol. 192, zweiter Absatz. 786 Verteidigung ohne Datum, UAW, PHIL PA 1858, fol. 93. Hajek wurde vom Wiener Dozentenbundführer rückwirkend auf 1. Februar 1938 zum Mitglied des NS-Lehrerbundes ernannt – also das gleiche Datum, das auch Pillat 1938 für dieselbe Mitgliedschaft angab. 787 Mitteilung 18. 02. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Pillat, fol. 189.
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Pilat (sic). Wie sie wissen wird dieser Fall von allen Parteien unterstützt. Wie ich informiert bin, ist das amerikanische und französische Element bei der alliierten Kommission bereits gewonnen. Die Engländer hat Vizekanzler Schärf aufzuklären versprochen, bei den Russen soll General Lebedenko als Patient von Professor Pilat sich einsetzen. Es wäre also vielleicht zu empfehlen, das Einschreiten in die Wege zu leiten. Mit besten Grüßen und für Ihre Mühewaltung vielmals dankend empfehle ich mich Ihr ergebener (…)«.788
Obwohl der geschäftige Nationalrat Kapsreiter das »Einschreiten« für März 1947 »vielleicht empfiehlt«, also untertänig einen kleinen Schubs gab, schweigen die Quellen über eine direkte Reaktion Skrbenskys. Allerdings richtete Pillat am 11. März – nur eine Woche später, also wohl kein Zufall – an den Bundespräsidenten das Ansuchen um Ausnahmebehandlung gemäß § 27 NSG 1947, die ihm mit Entschließung vom 13. Juni 1947 auch bewilligt wurde.789 Den entscheidenden Schritt zur Rehabilitierung setzte aber das Ministerkomitee, indem es seine eigenen Enthebungsverfügung vom Mai 1946 aufhob und einer dauernden Weiterverwendung Pillats ab dem Wintersemenster 1947/48 zustimmte.790 Bereits ab dem 1. Oktober 1947 erhielt er Vollbezüge der 12. Gehaltsstufe für ordentliche Professoren, obwohl er ja offiziell immer noch außerordentlicher Professor und seine Ernennung zum ordentlichen Professor aus der NS-Zeit nicht gültig war.791 Diese Ernennung und »die Übernahme des Genannten in den neu gebildeten Personalstand der Hochschulprofessoren« beantragte nun das Professorenkollegium der Medizinischen Fakultät beim Unterrichtsministerium. Die dort formulierte »Begründung« für diesen Antrag im Mai 1948 lieferte einen gereinigten, sozusagen erfolgsgerichteten Karriereverlauf Pillats unter dem Motto »Ende gut, alles gut«,792 und am 20. Juni 1948 erfolgte die (Wieder-) Ernennung zum ordentlichen Professor der Augenheilkunde an der Universität Wien. 23 Jahre später, vier Tage vor Weihnachten 1961, beantragte das Professorenkollegium mit 27 Ja-Stimmen das Ehrenjahr für den 70-Jährigen und am 30. August 1963 sprach ihm der Bundesminister für Unterricht, Heinrich Drimmel, »Dank und besondere Anerkennung« anlässlich seiner Emeritierung aus.793 788 Ebd., fol. 190. 789 Entschließung 08. 07. 1947, ebd., fol. 203. Er hatte von da ab nur noch die Verpflichtung zur Leistung einer einmaligen und einer laufenden Sühneabgabe und unterlag gewissen vermögensrechtlichen Verfügungsbeschränkungen. In der Praxis bedeutete das etwa einen zehnprozentigen Lohnsteuerzuschlag auf seine Vollbezüge, die er ab 1. Oktober 1947 wieder erhielt (Aktennotiz 17. 01. 1948, ebd., o. Nr.). 790 Antrag 20. 12. 1961, ebd., fol. 218. 791 »Aufgrund einer fernmündlichen Verständigung der Sektion 3« (!) (Aktennotiz 17. 01. 1948, ebd., o. Nr.). 792 Ebd. 793 Schreiben 30. 08. 1963, ebd., fol. 67.
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Die im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1944 aufscheinende Liste des Lehrkörpers der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät mit ihren 15 ordentlichen und drei außerordentlichen Professoren ist als Ausgangslage für den Entnazifizierungsprozess wie folgt zu korrigieren: Nicht mehr zum Lehrkörper gehörte bei Kriegsende der am 1. November 1938 als ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht berufene und in Wien als Fakultätsführer des NSDDB fungierende Hans Würdinger.794 Er war im Frühjahr 1944 einem Ruf an die Universität Hamburg gefolgt. Helfried Pfeifer konnte seine außerordentliche Professur für Staats- und Verwaltungsrecht im Mai 1944 in eine ordentliche umwandeln und ist folglich der Gruppe der ordentlichen Professoren zuzurechnen. Obwohl beide bereits emeritiert, schienen auch die ordentlichen Professoren Hans Sperl (Zivilgerichtliches Verfahren) und Leopold Wenger (Römisches Recht) im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1944 auf. Da beide in der NS-Zeit einer Lehrtätigkeit nachgingen – Sperl bis 1940 und Wenger bis 1942 – und sie auch nach 1945 in den Listen der Fakultät aufschienen, verbleiben sie in der zu untersuchenden Gruppe. Abzüglich der Professur Würdingers und unter Berücksichtigung der Umwandlung der Professur Pfeifers setzt sich diese Gruppe nun aus 15 ordentlichen und zwei außerordentlichen Professoren zusammen.
7.1
Die »Unbelasteten« – ein »Reichsdeutscher« bleibt
Der chronologisch erste auffindbare Schritt zur politischen Überprüfung der ordentlichen und außerordentlichen Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät erfolgte mit einer Aufforderung des Rektors an den 794 Nähere Ausführungen zu Hans Würdinger finden sich bei Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 343 ff.
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Dekan vom 5. Juni 1945, eine Liste mit allen während der Jahre 1938 – 1945 »unbelasteten« Professoren zusammenzustellen. Genauer gesagt sollte diese all jene Professoren enthalten, die entweder in dieser Zeit von den Nationalsozialisten »gemaßregelt« – also pensioniert oder entlassen – wurden, oder aber, obwohl im Dienst verblieben, weder Parteimitglieder oder -anwärter waren. Diese sollten dem Schreiben zufolge auf Wunsch des Unterstaatssekretärs Lugmayer eine Anerkennung des Staatsamtes erhalten. Es war also eine »Positivliste«, die den Entnazifizierungsprozess an der Fakultät in Gang brachte und die unter dem Betreff »Anerkennungsschreiben« schon einen Tag später am Dekanat angelegt wurde. Nach Auflistung der in der NS-Zeit »entfernten« Professoren, unter denen sich neben Wilhelm Winkler, Othmar Spann, Heinrich Mitteis, Adolf Julius Merkl, Josef Hupka, Emil Goldmann und Stephan Brassloff auch der neue Rektor Adamovich und der neue Dekan Degenfeld-Schonburg selbst befanden, folgen die Namen von vier ordentlichen Professoren, jeweils mit einer »kurzen Charakterisierung ihres Verhaltens«. Diese wurden im Dienst belassen und als »unbelastet« eingestuft. Über die Professoren Hans Mayer (Volkswirtschaftslehre und -politik) und Rudolf Köstler (Kirchenrecht) heißt es dort: »Beide haben sich stets geweigert, sich um die Parteizugehörigkeit zu bewerben und haben in der schweren Zeit die Belange der Wissenschaft hochgehalten.«795 Bei Alfred Verdroß-Droßberg (Völkerrecht und Rechtsphilosophie) verzichtete man auf eine Verhaltenscharakterisierung, führte jedoch an, dass dieser zwar auf seiner Professur belassen, »jedoch auf verschiedene Weise insbesondere durch Entziehung der Lehrbefugnis für Rechtsphilosophie schwer geschädigt«796 wurde. Interessant ist, dass auch der 1941 an die Universität Wien berufene Hans Planitz, ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht und Rechtsgeschichte, in dieser Liste aufscheint. Der in Kaditz bei Dresden geborene und vor 1941 an der Universität Köln lehrende Planitz war eindeutig kein Fall eines während der NSZeit »im Dienst verbliebenen« Professors, sondern formal der Gruppe der »Reichsdeutschen« zuzuordnen, die wie erwähnt nach Beamtenüberleitungsgesetz keine Möglichkeit zur Weiterbelassung im österreichischen Staatsdienst vorfinden sollte. Allerdings machte sich die Juridische Fakultät von Beginn an für Planitz’ Verbleib in Wien stark und begründete dies in erster Linie mit dessen Regimegegnerschaft: »Hans Planitz war von Anfang an Gegner des NS.-Regimes und wurde deshalb von der deutschen Regierung im Jahre 1934 gehindert einem Rufe an die Universität in Wien zu folgen.«797 Im Zuge der Berufung 1941 war es 795 Anerkenungsschreiben 06. 06. 1945, UAW, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät (JUR) Cur 239, GZ 312 aus 1945. 796 Ebd. 797 Ebd.
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dann vor allem Dozentenbundführer Marchet, der Planitz verhindern wollte und gegen diesen politische Bedenken vorbrachte: »Planitz war früher ausgesprochen Demokrat und stark links orientiert. Er pflegte engeren Verkehr mit Juden. Planitz ist absolut nicht Nationalsozialist«.798 Die Fakultät bzw. deren Beharrlichkeit hatte schließlich die Berufung während des Weltkrieges ermöglicht und nun setzte sie sich wieder für den nicht »belasteten« Rechtshistoriker einsetzte. In einem Aktenvermerk vom 17. Oktober 1945 bekräftigte Dekan DegenfeldSchonburg dementsprechend die Bestrebungen, diesen an der Fakultät zu halten: »Planitz ist zwar dermalen noch reichsdeutscher Staatsbürger, es ist jedoch wegen seiner wissenschaftlichen Bedeutung und seiner Unentbehrlichkeit im Lehramte seine Belassung an der Universität Wien in Aussicht genommen.«799 An gleicher Stelle verwies der Dekan auch darauf, dass Planitz bereits mit den »amerikanischen Besatzungsbehörden« verhandelt und von diesen die Genehmigung erhalten habe, mit seiner Familie in Österreich zu bleiben. Dieser zweiseitige Einsatz für Planitz mündete schließlich in dessen mit Wirksamkeit vom 1. Oktober 1945 rückwirkende (Wieder-)Berufung durch den Politischen Kabinettrat am 17. Dezember 1945. Die Gruppe der Nicht-Belasteten an der Juridischen Fakultät bestand neben Planitz aus den bereits oben erwähnten ordentlichen Professoren Köstler, Mayer und Verdroß-Droßberg und aus dem bereits emeritierten, aber im Personalstand des Sommersemesters 1944 aufscheinenden ordentlichen Professor für Römisches Recht und Rechtsgeschichte Leopold Wenger.
7.2
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Aufgrund ihrer NSDAP-Anwärter- oder -Mitgliedschaft waren 12 Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät in der Nachkriegszeit mit Maßnahmen der Entnazifizierung konfrontiert. In dieser Gruppe befanden sich als ehemalige Parteianwärter beide außerordentlichen Professoren Anton Haar und Hubert Streicher sowie die beiden ordentlichen Professoren Sperl und Alexander Hold-Ferneck. Hinzu kamen acht ordentliche Professoren als ehemalige Mitglieder der NSDAP. Mit insgesamt 71 % nationalsozialistisch »belasteter« Professorenschaft liegt deren Anteil an dieser Fakultät etwas unter jenem der Philosophischen (77 %) und deutlicher unter jenem der Medizinischen Fakultät (83 %). Die Mehrzahl der Mitglieder war auch in Unterorgani798 Zitiert nach: Oliver Rathkolb, Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien zwischen Antisemitismus, Deutschnationalismus und Nationalsozialismus 1938, davor und danach. In: Heiss u. a., Willfährige Wissenschaft, 1989, S. 197 – 232, hier 205. 799 Schreiben 17. 10. 1945, UAW, JUR PA 381, fol. 117.
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sationen der NSDAP wie NSKK oder NSDDB bzw. mit der Partei verbundenen Organisationen – etwa die NSV oder der NS-Rechtswahrerbund (NSRB) – vertreten. Ernst Swoboda und Adolf Günther gehörten etwa der SA an. Ihre Entnazifizierung lässt sich anhand unterschiedlicher Archivalien rekonstruieren. In erster Linie sind es die Dekanatsakten der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät aus den frühen Nachkriegsjahren, die Auskunft darüber geben, von welchen Maßnahmen der Sanktionierung und möglicher Rehabilitierung die zehn »belasteten« ordentlichen und beiden außerordentlichen Professoren dieser Fakultät betroffen waren. Es handelt sich um Schriftstücke, die auf Verlangen unterschiedlicher Entnazifizierungsorgane wie der Alliierten Militärbehörde oder dem Staatsamt bzw. späteren Bundesministerium für Unterricht meist über den Rektor von der Fakultät eingefordert wurden, und zu unterschiedlichen Zeitpunkten – meist in Listenform – den Stand der »Säuberung des Lehrkörpers« dokumentieren. Das chronologisch erste in diesem Zusammenhang relevante Schreiben ist das »Ergebnis der politischen Überprüfung des Lehrkörpers der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien«,800 das Dekan Degenfeld-Schonburg am 5. Juli 1945 dem Staatsamt vorlegte. Dieses gibt Auskunft über Parteimitglieder und -anwärter innerhalb des Lehrkörpers und kennzeichnet jene, die vom Staatsamt zu diesem Zeitpunkt bereits »auf unbestimmte Zeit von der Ausübung ihrer Lehrtätigkeit enthoben« waren, mit »suspendiert«. Des Weiteren enthält das Schreiben Anträge hinsichtlich der Frage, wie mit NSbelasteten Mitgliedern des Lehrkörpers aus Sicht des Dekanats vom Staatsamt verfahren werden solle, über die von diesem noch keine Enthebung verhängt wurde. Für die »belastete« Professorenschaft des Lehrkörpers der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät zeigt sich folgendes Bild: Neben der Anführung der fünf bereits vom Staatsamt enthobenen (suspendierten) Professoren801 beantragte die Fakultät für Heinrich Demelius, Kreller (beide o. Prof.) und Haar (ao. Prof.) eine Belassung im Dienst und für Sperl, der bereits das 83. Lebensjahr erreicht hatte, eine Pensionierung. Der Antrag für die übrigen drei Professoren – Alexander Hold-Ferneck, Ernst Schönbauer und Erich Schwinge – lautete auf »Entscheidung vom Staatsamt erbeten« und drückte gleichsam eine Meinungsenthaltung des Dekanats gegenüber diesen Personen aus. Man ergriff weder Partei für sie durch Antrag auf Belassung, noch wollte ihnen das Dekanat augenscheinlich schaden, denn die Möglichkeit eines Antrags auf Enthebung (Suspendierung) blieb ebenso ungenützt.
800 Überprüfungsergebnis 05. 07. 1945, UAW, JUR Cur 239, GZ 491 aus 1945. 801 Vgl. Tabelle 1.
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Tabelle 12: Politische Überprüfung der Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät am 5. Juli 1945 Politische Überprüfung 05. 07. 1945 inkl. Entscheidungen über Suspendierung des Staatsamtes und Anträge des Dekanats (12) Entscheidung bzw. Antrag Belassung Suspendiert Pensionierung Entscheidung vom Staatsamt erbeten (3) (5) (1) (3) Demelius Günther Sperl Hold-Ferneck Kreller Pfeifer Schönbauer Haar (a.o) Swoboda Schwinge Vogel Streicher (a.o)
Dass eine schnelle Rehabilitierung von Demelius, Kreller und Haar ein Anliegen der Fakultätsleitung war, belegt auch ein vom Dekan unterschriebenes Verzeichnis vom 8. September 1945 mit jenen Professoren, »über welche bei der Sonderkommission beim Staatsamte (Senat für Hochschulprofessoren) (…) zu verhandeln ist«.802 Die betreffenden drei werden hier für den Vorlesungsbetrieb des Wintersemesters 1945/46 als dringend benötigt angeführt und eine schnelle Behandlung wird erbeten. Weniger dringlich, wenn auch wichtig seien Entscheidungen über die Professoren Hold-Ferneck und Schönbauer. Alle anderen Belasteten (exklusive dem pensionierten Sperl) wurden schlicht als »Abwesende« oder »Enthobene« angeführt.
7.2.1 Die drei »Erwünschten« und Wiederernannten Wer waren nun die drei Professoren, die auf ausdrücklichen Wunsch der Fakultätsleitung eine möglichst schnelle Rehabilitierung erfahren sollten und wie sind ihre Entnazifizierungs- bzw. Rehabilitierungsprozesse verlaufen? Der aus einer Juristenfamilie stammende und 1893 in Mödling geborene Heinrich Demelius habilitierte sich 1930 für Privatrecht an der Universität Wien. 1935 übernahm er ein Extraordinariat für Kaufmännisches Recht an der Hochschule für Welthandel, bevor er am 28. Jänner 1939 vom Reichserziehungsminister zum ordentlichen Professor für Handels-, Wechselrecht und Bürgerliches Recht an der Universität Wien ernannt wurde. Der NSDAP trat Demelius am 1. Jänner 1941 bei, wobei er nach eigenen Angaben schon seit 1940 als Blockleiter der Ortsgruppe Hietzing mit der Wahrung von deren Geschäften
802 Verzeichnis 08. 09. 1945, UAW, JUR Cur 244 aus 1945.
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betraut war.803 Seinen Parteieintritt rechtfertigte Demelius nach 1945 folgendermaßen: »Nach dem Umsturz (…) wurde ich von der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät zur Ernennung als Universitätsprofessor vorgeschlagen. Selbstverständlich unterliess ich in diesem Stadium jede Annäherung an die mir fremde Partei. Als ich im Frühjahr 1939 in der Tat zum Universitätsprofessor (…) ernannt wurde, wodurch sich mir ein seit früher Jugend gehegtes äusseres Lebensziel erfüllte, musste ich darin einen großen, kaum verdienten Vertrauensbeweis der ns. Regierung erblicken und habe aus Dankbarkeit (…) meine Bereitwilligkeit zum Beitritt ausgesprochen.«804
Ein Beitritt aus Dankbarkeit? Demelius selbst versöhnt sich mit diesem rückblickend jedenfalls so: »Es ist mir ein Trost, daß mein Schritt demnach eher dumm als schlecht zu nennen ist. Durch meinen Beitritt hoffte ich auch ein besserer Nationalsozialist zu werden, ein Wunsch, der sich allerdings bei den ganz untergeordneten (…) Verrichtungen, zu denen ich verhalten wurde, nicht erfüllte. Andererseits blieb mir dadurch erspart, Zeuge oder gar Förderer irgendwelcher unheilbringender Parteihandlungen zu sein. So hoffe ich, was mir das wichtigste ist, auch in den sieben Jahren des Nationalsozialismus im großen und ganzen ein anständiger Mensch gewesen zu sein.«805
Bloße Dankbarkeit für die Berufung erscheint auch aufgrund seiner eigenen Ausführungen wohl kaum die alleinige Beitrittsmotivation von Demelius gewesen zu sein. Festzuhalten ist, dass die Sonderkommission, die schon am 15. September 1945 zum Erkenntnis kam, Demelius »bietet nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür, dass er jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werde«, der »Dankbarkeitsmotivation« des »belasteten« Professors gefolgt war. In der Entscheidungsbegründung heißt es: »Da Prof. Dr. Heinrich Demelius jeder Parteipolitik völlig abseits stand und das Parteiabzeichen nicht zu tragen pflegte (…) war seine Parteimitgliedschaft kaum bekannt. Seiner Angabe, das (sic) er die Anmeldung zur Partei nicht aus politischer Überzeugung, sondern in einem jähen Gefühl der Dankbarkeit vollzogen hat, als er durch die Ernennung zum Ordinarius sein seit früher Jugend erhofftes äusseres Lebensziel verwirklicht sah, wurde Glauben beigemessen. Da Prof. Demelius seine Anmeldung im Jahr 1941 vollzog, die Bestätigung hierüber aber erst 1944 erhielt, musste angenommen werden, daß er in Parteikreisen nicht gefördert wurde.«806
Ein zwei Monate später, am 17. November 1945 beim Staatsamt eintreffendes Schreiben der jüdischen Frau seines Bruders, Elisabeth Demelius, lässt seine 803 804 805 806
Fragebogen 22. 07. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Demelius, o. Nr. Schreiben ohne Datum, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Demelius, o. Nr. Ebd. Erkenntnis 15. 09. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Demelius, o. Nr.
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Stellung zum Nationalsozialismus in einem anderen Licht erscheinen. Obwohl im Glauben, er sei niemals der NSDAP beigetreten, kam sie zu einem vernichtenden Urteil über ihren Schwager : »Ideologisch ist er unter allen Akademikern, die ich kenne, der größte und unbeirrbarste Nazi. Am 13. März 38 rief er bei uns (…) an fragte mich, ob mein Mann, sein Bruder, zuhause ist und auf mein ›Nein‹ schrie er ins Telefon: ›Dann dir Heil Hitler‹ (…). Er hat sich die ganzen 7 Jahre nicht im geringsten unserer angenommen, sondern im Gegenteil noch versucht, meinen Mann dahin zu beeinflussen, sich von der Jüdin scheiden zu lassen (…). Ganz unter dem Einfluss seiner Schwiegermutter und seiner Frau, Siebenbürger Sachsen und wütende Nazifrauen, stehend, hat er jeden Rechtsbegriff verloren. (…) Ein gemeinsamer Bekannter (…) hatte einmal eine politische Debatte mit meinem Schwager, in der dieser erklärte, dass alles, was der Führer für recht erachte, recht sei, während der erstere das System angriff. (…) Die Kinder wurden im nationalsozialistischen Sinn erzogen, den ältesten habe ich selbst mit dem Parteiabzeichen gesehen. Für meinen Schwager war der Nationalsozialismus keine Verirrung, sondern eine Herzenssache.«807
Elisabeth Demelius, die gewusst haben muss, dass ihr Schwager von der Sonderkommission nicht seines Amtes enthoben worden war, schloss mit folgendem Appell an das Staatsamt: »Es dürfte wohl kaum im Interesse eines demokratischen Staates liegen, die Heranbildung der Jugend weiter in den Händen eines Mannes zu belassen, der jeden Andersrassigen ansieht wie ein fremdes, wildes Tier.«808 Aufgrund der positiven Sonderkommissionserkenntnis konnte Demelius seine Lehrtätigkeit im Wintersemester 1945/46 fortsetzen, wurde jedoch im April 1946 vom neu geschaffenen Ministerkomitee vom Lehramt enthoben. Ob die Vorwürfe seiner Schwägerin in diesem Zusammenhang eine Rolle spielten, bleibt unklar. Seine Enthebung sollte bis zum Wintersemester 1947/48 andauern. Auslöser für seine Rehabilitierung war zunächst ein positives Erkenntnis der Überprüfungskommission beim Bundesministerium für Unterricht nach Nationalsozialistengesetz 1947, die ihm als »Minderbelasteten« am 29. August 1947 gestattete, eine Lehrkanzel für »deutsche Rechts- und Staatswissenschaften an einer österreichischen Hochschule innezuhaben.«809 Bald darauf folgte auch seine Rehabilitierung durch das Ministerkomitee, das seiner Wiederindienststellung am 29. Oktober 1947 und seiner dauernden Weiterverwendung am 18. November 1948 zustimmte. In der ebenfalls befürwortenden Stellungnahme bemerkte das Subkomitees zugunsten Demelius‹, dass dessen Ernennung zum ordentlichen Professor während der NS-Zeit vor seiner Aufnahme in die NSDAP erfolgte und somit kein Zusammenhang zwischen Parteimitgliedschaft und 807 Schreiben 16. 11. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Demelius, o. Nr. 808 Ebd. 809 Doppelbogen ohne Datum, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Demelius, o. Nr.
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beruflichem Fortkommen bestanden habe.810 Infolgedessen stimmte der Bundesminister für Unterricht Hurdes am 30. November 1948 dem Antrag des Dekanats zur Ernennung von Demelius zum ordentlichen Professor mit Wirksamkeit vom 1. Juli 1948 zu. Demelius bekleidete in den Folgejahren zweimal das Amt des Dekans (1952/53 und 1961/62) und emeritierte 1965. Die vom Dekanat angestrebte und durch das positive Sonderkommissionserkenntnis von 1945 unterstützte rasche Rehabilitierung von Demelius blieb somit zwar unerfüllt, jedoch konnte dieser seine Karriere nach drei Semestern Zwangspause als ordentlicher Professor fortsetzen. Die zweite von der Fakultät für den Vorlesungsbetrieb des Wintersemesters 1945/46 als dringend benötigt erachtete Lehrkraft war der 1887 im sächsischen Schedewitz geborene und 1941 von Tübingen an die Universität Wien berufene Professor für Römisches Recht Hans Kreller. Er war also gemeinsam mit dem schon 1945 wiederberufenen Hans Planitz der zweite »reichsdeutsche« Professor, der dem Lehrkörper erhalten bleiben sollte – in diesem Fall allerdings ein »belasteter«. Kreller trat im Juli 1940 in die NSDAP ein und war während seiner Zeit in Wien in der Ortsgruppe Unter St. Veit aktiv. Seinen Parteieintritt rechtfertigte er im Vorfeld der ihn betreffenden Sonderkommissionsuntersuchung am 31. August 1945 im Schreiben »Äusserung über meine Einstellung zum Nationalsozialismus und zur unabhängigen Republik Österreich«811 folgendermaßen: Bis 1940 habe er keiner politischen Partei angehört, stets die Demokratie und Völkerverständigung als notwendige Grundlagen der europäischen Politik betrachtet und sei 1919 dem »Kriegsgegnerbund Leipzig«, einer Untergruppe der »Deutschen Friedensgesellschaft« beigetreten. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland habe ihm dieses pazifistische Engagement große Sorge bereitet und da er aus beruflichen Gründen auf eine reibungslose Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen angewiesen gewesen sei, habe er 1937 gegenüber dem Württembergischen Kulturminister erklärt, dass die Übersiedlung nach Tübingen 1921 bereits zu einem Abbruch der Beziehungen mit der Friedensgesellschaft geführt habe. Auch den ihm angeblich 1940 von der Dozentenführung der Universität Tübingen nahegelegten Parteieintritt rechtfertigte Kreller mit der Sorge einer Aufdeckung seiner pazifistischen Vergangenheit und der Gefährdung seiner beruflichen Existenz: »Nach dem für Deutschland unerwartet günstigen Verlaufe der ersten Kriegsphase mußte ich damit rechnen, daß die Diktatur Hitlers mindestens so lange dauern würde wie die einem Gelehrten meines Alters noch zugemessene Arbeitszeit. Als ich daher im Mai 1940 (…) vom Dozentenbundführer die persönliche schriftliche Aufforderung 810 Ebd. 811 Äüßerung 31. 08. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Kreller, o. Nr.
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erhielt (…) stand ich vor der Wahl, entweder durch deren Nichtbefolgung eine Gesamtprüfung meiner politischen Haltung einschließlich der aktenkundigen pazifistischen Vergangenheit herbeizuführen und dadurch meine fernere Lehr- und Forschungstätigkeit aufs ernsteste zu gefährden, oder den förmlichen Eintritt in die Partei zu vollziehen, der weder mit einem Bekenntnis zu der von gewissen nationalsozialistischen Führern vertretenen Weltanschauung verknüpft war, noch eine über die beamtenrechtliche hinausgehende persönliche Bindung an Adolf Hitler mit sich brachte.«812
Seine Parteitätigkeit in Wien habe sich auf eine wöchentlich zweistündige Büroarbeit sowie auf übliche Bereitschafts- und Hilfsdienste nach Fliegerangriffen beschränkt, die er »stets zum besten der Gesamtbevölkerung zu erfüllen«813 versucht habe. Ein etwas genaueres Bild über Krellers »Parteibüroarbeit« während seiner Wiener Zeit geben Äußerungen des ehemaligen Parteikollegen Hermann Winkler in der Ortsgruppe Unter St. Veit, die dieser am 5. Oktober 1945 der KPÖ Sektion Unter St. Veit zu Protokoll gab: »Professor Kreller (…) leitete das Referat ›politische Erhebungen‹ und zwar von Juli 1944 bis zum Einmarsch der Roten Armee. Er führte die Erhebungen über die politische Gesinnung der einzelnen Nichtparteimitglieder nicht selbst durch, sondern verarbeitete die Berichte der einzelnen Zellenleiter und gab sie an den Kreis weiter. Er führte auch das sogenannte ›schwarze Buch‹, in dem alle politisch nicht einwandfreien in Evidenz geführt wurden.«814
Genauere Erhebungen über Krellers Parteiarbeit in Wien schien die Sonderkommission, die schon vor dieser von der KPÖ protokollierten Aussage am 12. September 1945 ein positives Erkenntnis (»bietet Gewähr«) aussprach, jedenfalls nicht in Erwägung zu ziehen. Die Entscheidungsgründe lesen sich vielmehr wie eine auszugsweise Paraphrase Krellers oben zitierter Selbstdarstellung: »Professor Kreller gehörte vor der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland der ›Deutschen Friedensgesellschaft‹ bzw. dem ›Kriegsgegnerbund Leipzig‹ an. Er ist der Partei während seines Wirkens an der Universität Tübingen erst über Aufforderung des Dozentenbundführers im Jahre 1940 beigetreten. Bestimmend hiefür war die geradezu feindliche Haltung der nationalsozialistischen Unterrichtsbehörden gegen sein Fach (Römisches Recht), so dass seine Befürchtung nicht unbegründet war, es könnte seine Lehrstelle gefährdet sein, zumal fast alle Professoren der Tübinger Universität Parteimitglieder waren. Er hat während seines Wirkens in Wien kein Hehl aus seiner Sympathie für österreichisches Wesen gemacht und seine weltanschauliche Gegnerschaft zum Nationalsozialismus bekundet. Im übrigen steht er 812 Ebd. 813 Ebd. 814 Protokoll 05. 10. 1945, UAW, JUR PA 345, fol. 83.
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einer politischen Betätigung völlig ferne und gehört zu den bedeutendsten Vertretern des römischen Rechtes in der gegenwärtigen Zeit.«815
Nichtsdestotrotz wurde Kreller ebenso wie Demelius im Frühjahr 1946 vom Ministerkomitee enthoben – im Gegensatz zu seinem Kollegen aber von diesem fortlaufend im Lehramt belassen. Dies ist augenscheinlich darauf zurückzuführen, dass nicht nur die Fakultät, sondern im August 1946 auch Unterrichtsminister Hurdes selbst die Unentbehrlichkeit Krellers für den Lehr- und Forschungsbetrieb gegenüber dem Bundeskanzleramt und dem dort angesiedelten Ministerkomitee zum Ausdruck brachte: »Kreller ist dermalen der einzige Vertreter des römischen Rechtes an der Wiener Universität, ein politisch unbedenklicher Ersatz für ihn ist im Inlande nicht vorhanden.«816 Weiters bemerkte Hurdes, dass Kreller bereits einen Ruf an die Universität Marburg erhalten habe und diesem Folge leisten würde, wäre seine Weiterverwendung in Wien nicht sichergestellt.817 Die fortlaufenden Weiterzulassungen von Lehrkräften durch das Ministerkomitee – zuletzt mit einem Beschluss vom 04. November 1947 für das Studienjahr 1947/48818 – erfolgten jedenfalls in einem Zeitraum, als neue und von Kreller selbst bisher unerwähnte Informationen über seine NS-Vergangenheit bekannt wurden. Die Aktennotiz in Krellers Entnazifizierungsakt, dieser sei »seinerzeit SA-Sturmmann seit März 1934 und sogenanntes Mitglied beim NSFK«819 gewesen, beleuchtet ein Schreiben von Dozentenbundführer Marchet an die Gauleitung Wien vom 24. Februar 1943 näher : Kreller »gehörte von Juni 1933 bis zur Überführung in die SA-Reserve dem ›Stahlhelm‹ an. Aus gesundheitlichen Gründen schied er später aus der SA aus. Seine Zusammenarbeit mit Parteistellen war stets einwandfrei. Er bemüht sich dem nationalsozialistischen Staate (…) zu dienen. Eine politische Kampfnatur ist er nicht.«820
Kreller selbst rechtfertigte seinen bisher verschwiegenen Beitritt zum »Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten« damit, dass er 1933 einen Eintritt in die Gliederungen der Partei vermeiden wollte und dem »dringenden Wunsche der maßgebenden Stellen nach ›nationaler Betätigung‹« dadurch nachgekommen sei. Die weitere Entwicklung des »Stahlhelm« habe er nur bedauert: »Leider wurde dieser 1934 mehr und mehr ›gleichgeschaltet‹, sodaß ich genötigt war,
815 816 817 818 819 820
Erkenntnis 12. 09. 1945, ebd., fol. 59. Schreiben 20. 08. 1946, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Kreller, o. Nr. Ebd. Beschluss 04. 11. 1947, UAW, JUR PA 345, fol. 8. Schreiben 24. 02. 1943, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Kreller, o. Nr. Ebd.
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eine Zeit lang am Dienst einer Formation der sog.SAR(eserve) teilzunehmen. Schon im Oktober 1934 konnte ich mich von diesem Dienst freimachen.«821 Obwohl sich die Staatspolizei – wie aus einem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres an das Bundesministerium für Unterricht vom 17. Juni 1947 hervorgeht822 – infolgedessen gegen den Aufenthalt Krellers in Österreich aussprach, schritt sein Rehabilitierungsprozess unbehindert fort. Das Erkenntnis der Überprüfungskommission beim BMU vom 28. Juli 1947 folgte in weiten Teilen den bereits von der Sonderkommission 1945 getroffenen Ausführungen und interpretierte die Stahlhelm-Mitgliedschaft Krellers schließlich zu seinen Gunsten: »Daß Prof. Kreller zu einer Zeit, wo neben der NSDAP noch andere von dieser zunächst unabhängige Einrichtungen bestanden (…) dem Stahlhelm beigetreten war, kann ebenfalls als Nachweis für seine dem Nationalsozialismus abholde politische Einstellung betrachtet werden. Der Vorsitzende: Skrbensky«.823
Gestärkt durch das positive Erkenntnis reichte Kreller am 3. November 1947 sein Nachsichtsgesuch gemäß § 27 NSG 1947 auf Erlass der Sühnefolgen ein, dem der Bundespräsident am 27. März 1948 stattgab. In der Zwischenzeit urgierte Kreller beim Dekan der Fakultät, seine Bestellung zum ordentlichen Professor möglichst bald in die Wege zu leiten, da er sonst nach Marburg abwandern würde und auch bereit sei, ein ihm dort angebotenes Provisorium ab dem Sommersemester 1948 anzunehmen.824 Krellers vollständige Rehabilitierung erfolgte schließlich am 30. August 1948 mit seiner Ernennung zum ordentlichen Professor durch den Bundespräsidenten.825 Der dritte Professor, der auf ausdrücklichen Wunsch der Fakultät möglichst rasch von der Sonderkommission behandelt werden sollte, da er für die Aufrechterhaltung des Lehrbetriebes unabkömmlich sei, war der Betriebswirtschaftler Anton Haar. 1890 in Graz geboren, war Haar ab 1934 an der Universität für Welthandel tätig, bis er schließlich mit 1. Mai 1943 als außerordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre an die Juridische Fakultät der Universität Wien berufen wurde. Über den Grad seiner Involvierung in den Nationalsozialismus herrschte zunächst Unklarheit: Am 22. August 1945 meldete Haar dem Dekanat, dass er bei seiner Registrierung von der Beamtin gefragt worden sei, ob er Parteimitglied oder Anwärter gewesen ist. Da er, laut eigenen Angaben, diese Frage nicht bestimmt beantworten konnte, habe er der Beamtin seine Mitgliedskarte übergeben und diese die Karte wiederum an ihren Kollegen wei821 822 823 824 825
Ansuchen 03. 11. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Kreller, o. Nr. Schreiben 17. 06. 1947, ebd., o. Nr. Erkenntnis 28. 07. 1947, ebd., o. Nr. Schreiben 05. 12. 1947, UAW, JUR PA 345, fol. 4. Ernennung 30. 08. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Kreller, o. Nr.
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tergereicht. Dieser habe ihr die Karte mit dem Bemerken »Dr. Haar ist Parteianwärter« zurückgegeben.826 Haars Schlussfolgerung: »Ich habe mich also selbst in einem Irrtum befunden und bitte daher, meine seinerzeitige Meldung richtig zu stellen. (…) Ich bin Parteianwärter und nicht Parteimitglied.«827 Auf welche seinerzeitige Meldung sich Haar hier berief, ist nicht nachvollziehbar, denn auch in seinem universitären Fragebogen vom 28. Juli 1945 hatte er bereits angegeben, seit 1. April 1940 Parteianwärter mit der Mitgliedsnummer 7.976.650 gewesen zu sein.828 Seine offensichtlich betriebene Strategie der Darstellung einer lediglichen Parteianwärterschaft blieb jedoch erfolglos. Schon am 20. November 1945 stellte die Sonderkommission in ihrem Erkenntnis unmissverständlich Haars Parteimitgliedschaft mit der obigen Nummer und dem angeführten Datum fest und vermerkte als Motivation für den Beitritt die drohende Entfernung von seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule für Welthandel und Versetzung an die Handelsakademie Graz. Weiters bescheinigte ihm die Kommission, »in den Jahren der deutschen Okkupation stets eine dem Nationalsozialismus abholde Haltung eingenommen und seine österreichische Gesinnung nicht verheimlicht«829 zu haben und sprach ihm somit ein positives Zeugnis aus. Dem positiven Erkenntnis der Sonderkommission folgte wie bei Demelius und Kreller auch im Fall Haar Ende März 1946 eine Amtsenthebung durch das Ministerkomitee. Da dieses Haar bescheinigte, während der NS-Zeit »politisch nicht hervor- und aktiv nicht in Erscheinung getreten«830 zu sein, konnte er seine Lehrtätigkeit aber aufgrund semesterweiser Weiterbelassungen ununterbrochen fortsetzen. Auch sein Fall mündete schließlich in ein Verfahren bei der Überprüfungskommission des Unterrichtsministeriums, die ihm am 28. Juli 1947 in einem positiven Erkenntnis gestattet, »eine Lehrkanzel für ein Rechtsfach an einer österreichischen Hochschule innezuhaben.«831 Am 18. November 1948 stimmte auch das Ministerkomitee einer dauernden Weiterverwendung Haars zu832 und genehmigte damit seine schon am 5. Oktober 1948 durch Entschließung des Bundespräsidenten erfolgte Ernennung zum außerordentlichen Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien.833 Vollständig rehabilitiert verließ Haar ein gutes Jahr später die Universität Wien und folgte Anfang 1950 einem Ruf auf eine ordentliche Pro-
826 827 828 829 830 831 832 833
Meldung 22. 08. 1945, UAW, JUR PA 316, fol. 75. Ebd. Personenstandsblatt 28. 07. 1945, ebd., fol. 131. Erkenntnis 20. 11. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Haar, o. Nr. Doppelbogen ohne Datum, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Haar, o. Nr. Erkenntnis 28. 07. 1947, UAW, JUR PA 316, fol. 29. Doppelbogen (Stempel 18. 11. 1948), ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Haar, o. Nr. Schreiben 21. 11. 1948, UAW, JUR PA 316, fol. 93.
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fessur für Wirtschaftspädagogik an die Hochschule für Welthandel.834 Weitere eineinhalb Jahre später verstarb er an den Folgen eines Schlaganfalls im Alter von 61 Jahren.
7.2.2 Weitere Fälle vor der Sonderkommission Zusätzlich zu den drei bereits beschriebenen und positiv entschiedenen Fällen erfuhren vier weitere der insgesamt 12 »belasteten« Professoren der Juridischen Fakultät eine Behandlung durch die Sonderkommission.835 Neben Helfried Pfeifer und Emanuel Hugo Vogel betraf dies mit Alexander Hold-Ferneck und Ernst Schönbauer jene beiden Professoren, deren Sonderkommissionsbehandlung seitens der Fakultät im September 1945 als »wichtig« erachtet wurde.836 Die vier Verfahren sollen hier kurz skizziert werden. Alexander Hold-Ferneck, 1875 in Wien geboren und seit 1920 ordentlicher Professor für Straf- und Völkerrecht an der dortigen Universität, stellte im Herbst 1938 den Aufnahmeantrag in die NSDAP und zog diesen, laut eigenen Angaben im Personenstandsblatt, 1939 oder 1940 zurück.837 Aus seinem Gauakt geht jedoch im Gegensatz dazu hervor, dass er seinen Aufnahmeantrag gezwungenermaßen zurückziehen musste, weil aufkam, dass seine Ehefrau Emma Isbary als »1/8 Jüdin« galt.838 Diesen Umstand verschwieg Hold-Ferneck der Sonderkommission und gab stattdessen an, den Antrag deshalb zurückgezogen zu haben, weil »er damit seine Ablehnung gegen die NSDAP zum Ausdruck bringen« wollte, »zu welcher er auch sonst keinerlei Bindung gehabt habe«.839 Diese Strategie des Verschweigens der wahren Ursachen zur Beendigung einer NSDAP-Anwärterschaft ähnelt frappierend jener des Archäologen Camillo Praschniker, der ebenfalls die tatsächlichen Gründe – auch hier ein Familienmitglied, das nach NS-Rassegesetzen als jüdisch galt – für sich behielt.840 Die Sonderkommission folgte jedenfalls den Rechtfertigungen Hold-Fernecks, sprach ihm mit 8. März 1945 ein positives Erkenntnis aus und bestätigte 834 Schreiben 07. 01. 1950, ÖStA/AdR, BMU PA Haar, o. Nr. 835 Vor dem Ministerkomitee wurde neben Demelius, Kreller und Haar kein weiterer Fall behandelt. 836 Verzeichnis 08. 09. 1945, UAW, JUR Cur 244 aus 1945. 837 Personenstandsblatt 06. 08. 1945, UAW, JUR PA 324, fol. 60. 838 Vgl. Jürgen Busch, Kamilla Staudigl-Ciechowicz, »Ein Kampf ums Recht«? Bruchlinien in Recht, Kultur und Tradition in der Kontroverse zwischen Kelsen und Hold-Ferneck an der Wiener Juristenfakultät. In: Szabolcs Hornyk, Botond Juhsz, Krisztina Korsûsn¦ Delacasse, Zuszsanna Peres (Hrsg.), Turning Points and Breaklines (= Jahrbuch Junge Rechtsgeschichte 4, München 2009), S. 110 – 138, hier 131. 839 Ebd., S. 136. 840 Siehe Kapitel 5.7.5.
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gleichzeitig, dass der Vertreter der Dienstbehörde Universität Wien den zu Beurteilenden aufgrund der erreichten Altersgrenze – Hold-Ferneck hatte das 70. Lebensjahr vollendet – aus dem Dienst ausscheiden ließ.841 Die Verwaltungsstelle der wissenschaftlichen Hochschulen bestätigte somit am 24. November 1945 Hold-Fernecks unter Vorbehalt des Ergebnisses der Sonderkommission erfolgte Ruhestandsversetzung mit 31. Dezember 1945. Von langer schwerer Krankheit gezeichnet, nahm sich Hold-Ferneck Anfang 1955 durch einen Sprung aus dem Fenster seiner Wohnung das Leben.842 Anders gestaltete sich das Sonderkommissionverfahren für den 1929 berufenen ordentlichen Professor für Bürgerliches und Römisches Recht, Antike Rechtsgeschichte und Papyrologie, Bauern- und Marktrecht Ernst Schönbauer. Schönbauer, der gleich nach der Machtübernahme zum kommissarischen Dekan der Juridischen Fakultät bestellt wurde und dies über fünf Jahre hinweg blieb, sympathisierte schon früh mit der NSDAP. Zunächst für die Großdeutsche Partei und den Landbund im Nationalrat vertreten, schied er aus diesem 1930 aus und »schloß sich wie viele andere Waldviertler Deutschnationale der NSDAP an – zuerst als Sympathisant, später als aktives Mitglied, insbesondere zur Zeit der Illegalität. (…) Überdies betätigte er sich als Verfassungsreferent bei Hauptmann Leopold843 und war während der Propagandakampagne 1938 als Gauredner im Waldviertel höchst aktiv.«844
In seinem Personenstandsblatt vom 2. August 1945 gab Schönbauer sein Eintrittsdatum in die NSDAP mit 1. Mai 1938 an. Die Sonderkommission beschäftigte sich in weiterer Folge nicht mit der Frage einer möglichen Parteimitgliedschaft während der »Verbotszeit«, sprach Schönbauer am 21. Dezember 1945 jedoch die Gewähr ab, dass dieser nach seinem bisherigen Verhalten jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich eintreten werde und versetzte ihn mit der symbolischen Kürzung seines Ruhegenusses um einen Schilling monatlich in den dauernden Ruhestand. Die Begründung der aus Skrbensky, Winkler und Köstler zusammengesetzten Kommission liest sich wie folgt: Schönbauer »war (…) von 1938 an Mitglied der NSDAP, durch fünf Jahre Dekan der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien, ferner kommissarischer Lan841 Vgl. Busch/Staudigl-Ciechowicz, Wiener Juristenfakultät, 2009, S. 136. 842 Ebd., S. 135. 843 Josef Leopold trat 1926 der NSDAP bei, die ihn am 29. August 1929 zum Gauleiter von Niederösterreich ernannte und für die er 1932 in den Niederösterreichischen Landtag einzog und auch als Landesrat tätig war. Nach dem Verbot der NSDAP 1933 bis zum deutsch-österreichischen Juliabkommen im Jahr 1936 saß Leopold mehrmals in Haft. Vom 29. Jänner 1935 bis 21. Februar 1938 war er Landesleiter der NSDAP in Österreich. 844 Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 201.
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desgruppenleiter der Hochschullehrer im Rechtswahrerbund, Hauptbeauftragter für das Rechtsschrifttum in Österreich, Mitglied der Akademie für deutsches Recht, und Leiter des neuerrichteten Gaurechtsamtes N.D. Er stand während der ganzen Zeit bis zur Befreiung Österreichs unentwegt zur Partei, der er sich, wie er angab, aus Gewissenhaftigkeit in den Zeiten ihrer Not und ihres Niederganges ebenso verpflichtet fühlte wie in den Zeiten ihrer großen äußeren Erfolge.«845
Dieser klaren Darstellung Schönbauers als überzeugten Nationalsozialisten und Multifunktionär folgen in der Sonderkommissionsbegründung Ausführungen, die ihn in einem anderen Licht erscheinen lassen. Es sei durch Zeugen erwiesen, »daß sich Prof. Schönbauer während dieser ganzen Zeit keiner tadelnswerten Handlung schuldig gemacht hat, sondern im Gegenteil sich menschlich und hilfsbereit zahlreicher vom Nazi-Regime Verfolgter annahm und sie vor Schaden bewahrte oder zu bewahren suchte. Er ist nicht nur für jüdische oder jüdisch versippte Professoren der Universität eingetreten, sondern hat auch einen aus rassischen Gründen pensionierten Beamten bei sich als Bibliothekar beschäftigt«.846
Trotz »dieser mannhaften Einstellung« und seiner geläuterten Einstellung zur Republik Österreich, könne ihm die Sonderkommission jedoch kein anderes Urteil aussprechen, da diese laut Wortlaut des § 19 der 3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz sein bisheriges Verhalten zu beurteilen habe, das »eine weithin sichtbare Bejahung des nat. soz. Gedankens, also eine Ablehnung der Idee einer selbständigen unabhängigen Republik Österreich bewies.«847 Schönbauer könne für eine Lehrtätigkeit demnach solange nicht mehr in Frage kommen, bis »er nicht durch eine längere Bewährungsfrist bewiesen hat, daß seine heutige Bejahung der selbständigen Republik Österreich nicht auf einem vorübergehenden, durch die äußeren Verhältnisse nahegelegten Abweichen, von seiner durch sein ganzes Leben verfolgten und allgemein bekannten politischen Einstellung hervorgerufen ist, sondern einem dauernden inneren Wandel entspricht.«848
Hier zeigte die Sonderkommission in ihrer Begründung eine Vorgangsweise, die sich nicht durch einen nachträglich eingetretenen Gesinnungswandel und das durch diverse Zeugenaussagen bestätigte »menschliche Verhalten« des zu Beurteilenden während der NS-Zeit leiten ließ, sondern eine sich strikt am Gesetzeswortlaut orientierte Entscheidungsfindung. Gleichzeitig wurden aber auch für den Beurteilten sprechende Umstände in das Erkenntnis miteinbezogen und die Kommission 845 846 847 848
Erkenntnis 21. 12. 1945, UAW, JUR PA 406, fol. 46. Ebd. Ebd. Ebd.
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»gibt ferner der Hoffnung Ausdruck, Prof. Schönbauer in absehbarer Zeit wieder in seinem Lehramte wirken zu sehen. Entsprechend dem (…) Verhalten Schönbauers gegenüber Verfolgten wurde die Verkürzung der Pension in dem kleinsten möglichen Ausmaß ausgesprochen.«849
Schönbauer berief gegen das Erkenntnis der Sonderkommission und ließ sich in weiterer Folge auf einen bei Schartner detailliert beschriebenen jahrelang andauernden Rechtsstreit um seinen Lehrstuhl ein, der bis vor den Verfassungsund Verwaltungsgerichtshof führte und letztendlich seine (Wieder-)Ernennung zum ordentlichen Universitätsprofessor verhinderte.850 Er blieb in der Nachkriegszeit wirkliches Mitlied der Akademie der Wissenschaften, veröffentlichte zahlreiche Schriften und verstarb am 3. Mai 1966 in Wien. Ein weiterer Fall, der vor der Sonderkommission verhandelt wurde, war jener von Helfried Pfeifer. 1896 in Wien geboren, absolvierte Pfeifer von 1918 bis 1921 das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Wien und Innsbruck, trat 1922 in den höheren Verwaltungsdienst als Beamtenanwärter ein und stieg in weiterer Folge zum Polizeireferenten der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs in Niederösterreich auf. In dieser Funktion konnte er seine nationalsozialistische Einstellung zum Ausdruck bringen, wie aus seinem nach dem »Anschluss« mit »Politische Einstellung« betitelten Schreiben vom 30. April 1939 hervorgeht. Darin heißt es: »Als Polizeireferent der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs habe ich die NSDAP und ihre Mitglieder gegen Verfolgung geschützt, mit Rat und Tat unterstützt, die Vorführung eines Hitlerfilms und die Abhaltung von Parteiversammlungen im ganzen Bezirke im Mai und Juni 1933 trotz aller Widerstände ermöglicht und eine bedrohte Versammlung (…) vor Überfälle (sic) geschützt. Aus diesem Grund wurde ich von der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs zur Landeshauptmannschaft in Wien versetzt obwohl ich in Scheibbs Haus und Garten besass.«851
Darüber hinaus legten auch seine schriftlichen Beiträge Zeugnis für die großdeutsche Sache ab, wie er betonte: »Für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reiche habe ich literarisch vorgearbeitet. Ich verweise auf die im Fragebogen angeführten Schriften, in denen ich meine Großdeutsche Gesinnung offen zum Ausdruck brachte.«852 Über seine Parteizugehörigkeit machte Pfeifer 1939 folgende Angaben: »Der NSDAP bin ich seinerzeit nicht formell beigetreten, weil die Grossdeutsche Volkspartei während der Kampfzeit ohnedies mit der NSDAP verbündet war. Nach 849 850 851 852
Ebd., fol. 47. Vgl. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 270 ff. Schreiben 30. 04. 1939, BA R4901/25206/9545. Ebd.
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meiner Versetzung nach Wien trat ich dem Deutschen Klub in Wien bei, den ich auch in den schwersten Verfolgungszeiten nahezu täglich aufsuchte.«853
Dieses frühe Engagement für die NSDAP sollte Pfeifer nach dem »Anschluss« zugute kommen und eine Einstufung als Altparteigenosse einbringen, wie eine Bestätigung des Wiener Gauleiters vom 14. Juni 1939 offenlegt: »Im Sinne (…) beabsichtigter Förderung verdienter Nationalsozialisten in der Ostmark bestätige ich, dass Pg. Pfeifer (…) vor dem Verbot der NSDAP (19. 06. 1933) ordnungsgemäss beigetreten ist (…) und dass ihm im Zuge der Reorganisation der Partei in der Ostmark eine in dem damaligen Zeitpunkt liegende Mitgliedsnummer – durch den Reichsminister zugewiesen wurde. 1. 5. 1938, Nr. 6,104.797.«854
Diese »Förderung verdienter Nationalsozialisten« wurde Pfeifer auch auf akademischer Ebene zuteil. Nach seiner Habilitation für Verwaltungslehre und Österreichisches Verwaltungsrecht 1935 wurde seine Lehrbefugnis im Oktober 1938 auf die Gebiete Allgemeine Staatslehre und Deutsches Staatsrecht ausgedehnt und auf Initiative von Dekan Schönbauer eine zusätzliche außerordentliche Professur für Staats- und Verwaltungsrecht eingerichtet, die auf Pfeifers Qualifikationen zugeschnitten war. Auch Dozentenführer Marchet befürwortete Pfeifer wärmstens für dieses Extraordinat, das »eine gewisse Entschädigung für die Schäden, die Pfeifer vom System erlitten hat«,855 darstellen würde. Am 1. Jänner 1940 wurde Pfeifer mit der kommissarischen Wahrnehmung dieser Stelle betraut, am 1. Mai 1940 zum außerordentlichen und am 1. Mai 1944 schließlich zum ordentlichen Professor für Staats- und Verwaltungsrecht ernannt. Wie viele andere Professoren unterließ es auch Pfeifer in der Nachkriegszeit nicht, seine angeblich österreichtreue und demokratische Gesinnung vor und während der NS-Zeit hervorzuheben, wie aus seinem mit »Ehrenwörtliche Erklärung über meine weltanschaulich-politische Vergangenheit« betitelten am 16. Mai 1945 verfassten Schreiben hervorgeht: »Während meiner Tätigkeit bei der Bezirkshauptmannschaft Scheibbs (1923 – 1933) gehörte ich der Großdeutschen Volkspartei (…) an, da ich mich zu einer gesunden Demokratie und vor allem zum großdeutschen Gedanken bekannte. (…) Bei den letzten Wahlen, die in Österreich stattfanden (…) habe ich großdeutsch und nicht nationalsozialistisch gewählt. Um die Aufnahme in die Nationalsozialistische Partei hab ich erst nach dem 13. 3. 1938 angesucht. Die Aufnahme fand in einem viel späteren Zeitpunkte statt, der Beginn der Mitgliedschaft wurde mit dem 1. 5. 1938 festgesetzt. (…) Parteipolitisch betätigt habe ich mich nicht.«856 853 854 855 856
Ebd. Bestätigung 14. 06. 1939, ebd., fol. 9551. Zitiert nach: Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 98. Erklärung 16. 05. 1945, UAW, JUR PA 379, fol. 279.
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Pfeifers Ausführungen sollten also andeuten, seine Aufnahme in die Partei sei rückdatiert worden. Sein nationalsozialistisches Engagement in der »Verbotszeit« und sein daraus resultierender steiler Aufstieg als Universitätsprofessor nach der NS-Machtergreifung blieben selbstverständlich ausgeklammert: »Ich habe in den Jahren 1933 – 1938 ausschließlich meiner amtlichen sowie meiner wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrtätigkeit gelebt (sic). Eine etwaige gegenteilige Behauptung ist unwahr. (…) Die erwähnte Lebensweise habe ich übrigens auch nach dem 13. 3. 1938 fortgesetzt. Ich habe der NSDAP als einfaches Mitglied ohne jede Funktion angehört.«857
Wie im Fall Schönbauer sprach die Sonderkommission in ihrem Erkenntnis vom 17. November 1945 »unvorgreiflich einer über die Frage der Illegalität ausgehenden Entscheidung« Pfeifer nach seinem bisherigen Verhalten die Gewähr ab, jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich einzutreten und versetzte ihn mit einer Kürzung seines Ruhegenusses um 50 % in den vorzeitigen Ruhestand.858 In der Begründung heißt es dazu: »Der von ihm zum frühest möglichen Zeitpunkt vorgenommene Eintritt in die Partei lässt ein besonders reges Interesse an der Okkupation Oesterreichs erkennen, dies geht auch aus der Mitgliedsnummer 6,104.797 hervor. Seine Veröffentlichungen stellen geradezu eine Verherrlichung des Verlustes der Selbständigkeit Oesterreichs dar. Aus seinen Ausführungen vor der Sonderkommission musste entnommen werden, dass er sich bis jetzt noch nicht jener Ideologie entfremdet hat, welche zum Verluste der österreichischen Selbständigkeit führte.«859
Hier erleben wir einen der seltenen Fälle, in denen wissenschaftliche Arbeiten eines zu Beurteilenden zum Gegenstand einer Sonderkommissionsentscheidung gemacht wurden und eine frühzeitige Rückkehr Pfeifers an die Universität Wien verhinderten. Pfeifer wurde in weiterer Folge durch das Nationalsozialistengesetz 1947 als »minderbelastet« eingestuft und nach der »Minderbelastetenamnestie« 1948 begann sein »wahrlich zäher, in mehreren Etappen, durch sämtliche Instanzen geführter Kampf um die Wiedererlangung seiner venia.«860 Dieser, der hier nur kursorisch wiedergegeben werden kann und bei Schartner im Detail nachzulesen ist,861 führte ihn wie Schönbauer vor den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshof, brachte ihm 1956 die Wiederverleihung seiner Lehrbefugnis für Allgemeine Staatslehre, Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht und 1959 die Ausdehnung derselben auf Österreichisches Verfassungsrecht ein, und endet 857 858 859 860 861
Ebd. Erkenntnis 17. 11. 1945, ebd., fol. 268. Ebd. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 123. Vgl. ebd., S. 119 ff.
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schließlich 1965 fünf Jahre vor seinem Tod mit der Berufung zum ordentlichen Universitätsprofessor durch Entschließung des Bundespräsidenten. Diese stellte somit eine späte vollständige Rehabilitierung eines »belasteten« Universitätsprofessors dar, die als »Sieg der Beständigkeit«862 bezeichnet werden kann. Neben seinem Kampf um die Wiedererlangung seiner venia war Pfeifer als Gründungsmitglied des Verbandes der Unabhängigen (VdU, 1949 – 1956) maßgeblich an der Neuformierung des Dritten Lagers im Nachkriegsösterreich beteiligt. Als Kandidat der WdU (Wahlpartei der Unabhängigen)863 war Pfeifer von 1949 bis 1956 und für die Nachfolgepartei Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) von 1956 – 1959 Abgeordneter zum Nationalrat und wird von Schartner als »Kronjurist« des VdU bezeichnet. Auf der Homepage des österreichischen Parlaments findet sich auch heute noch sein Kurzlebenslauf mit Stand 2. Jänner 1990 und der Zeile »Entlassung aus dem Universitätsdienst 1945«.864 Von seiner Wiederernennung zum ordentlichen Universitätsprofessor 1965 ist nicht die Rede. Der noch zu schildernde letzte Fall der insgesamt sieben von der Sonderkommission behandelten Professoren der Juridischen Fakultät war der 1875 in Wien geborene und 1911 für Nationalökonomie habilitierte Emanuel Hugo Vogel. Dieser wurde 1919 zum außerordentlichen Professor für Finanzwissenschaft und Finanzrecht an der Universität Wien ernannt und folgte schon ein Jahr später dem Ruf auf eine ordentliche Professur für Volkswirtschaft an die Wiener Hochschule für Bodenkultur. Dort bekleidete er in weiterer Folge die Funktion des Rektors und wurde als solcher aufgrund seiner Betätigung zugunsten der NSDAP in der »Verbotszeit« mit 30. September 1934 in den zeitlichen Ruhestand versetzt.865 Nach dem »Anschluss« erfolgte seine rasche Wiederindienststellung per 30. Mai 1938 und wenig später, mit 1. April 1939, seine Berufung zum ordentlichen Professor für Volkswirtschaft an die Universität Wien als Nachfolger Degenfeld-Schonburgs, dessen Stelle »bereits im September 1938 gewaltsam freigemacht«866 wurde. Auch bei Vogel handelte es sich um einen Nationalsozialisten der ersten Stunde, was sein Engagement für die NSDAP während der »Verbotszeit« unterstreicht. Wann er selbst in die Partei als Mitglied eingetreten war, bleibt einigermaßen unklar. In der Liste »Ergebnis der politischen Überprüfung des 862 Ebd., S. 119. 863 Als Wahlpartei musste der VdU nicht als politische Partei angemeldet sein und brauchte keine Zustimmung der Alliierten Kommission (vgl. ebd., S. 98). 864 Dr. Helfried Pfeifer, abrufbar unter : http://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_01191/index.shtml (Zugriff: 30. 09. 2013). 865 Aktennotiz 25. 01. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Vogel, o. Nr.; Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 221. 866 Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 221.
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Lehrkörpers der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien«867 ist neben seinem Namen »Parteimitgl. nach eigenen Angaben illegal«868 vermerkt. Rathkolb spricht im Gegensatz dazu von einer Aufnahme Vogels in die NSDAP im Jahr 1940, welche insbesondere wegen seiner früheren Unterstützung von Parteimitgliedern aus dem Kreis seiner Untergebenen in der »Verbotszeit« zustande gekommen war.869 Nach Kriegsende wurde Vogel vom Staatsamt seines Dienstes enthoben und in weiterer Folge mit 31. Dezember 1945 vorbehaltlich des Ergebnisses der Überprüfung durch die Sonderkommission wegen Erreichung der Altersgrenze – Vogel war bereits 70 Jahre alt – in den dauernden Ruhestand versetzt. Zu einem Erkenntnis über die Tragbarkeit Vogels und damit in Verbindung stehenden möglichen Sühnefolgen in Form von Ruhegenusskürzungen kam die Sonderkommission jedenfalls nicht mehr. Sie stellte ihr Beurteilungsverfahren mit Beschluss vom 28. Juni 1946 ein, nachdem Vogel am 31. März 1946 in Mödling bei Wien verstorben war. Betrachtet man die an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät durch besondere Organe der Entnazifizierung (Sonderkommission und Ministerkomitee) behandelten Fälle in einer Zusammenschau, so ergibt sich folgendes Bild: Insgesamt wurde für sieben (58 %) der 12 nationalsozialistisch »belasteten« Professoren ein Verfahren vor der Sonderkommission I. Instanz angestrengt, und zwar für sechs ordentliche und einen außerordentlichen Professor. Zunächst betraf dies jene drei Professoren, die von der Fakultät »gehalten« und wegen ihrer »Unabkömmlichkeit in der Lehre« möglichst bald rehabilitiert werden sollten, nämlich Demelius, Kreller und Haar. Diesen sprach die Sonderkommission in ihren Erkenntnissen zunächst positive Beurteilungen aus, bevor alle drei vom Ministerkomitee – es waren die einzigen dort behandelten Fälle der Juridischen Fakultät – im März bzw. April 1946 enthoben wurden. Dies bedeutete allerdings nur für Demelius eine Unterbrechung seiner Lehrtätigkeit bis zum Wintersemester 1947/48. Kreller und Haar erhielten fortlaufend befristete Weiterbelassungen und konnten ihre Lehrtätigkeit ununterbrochen fortsetzen.870 In Folge der »Minderbelastetenamnestie« wurden alle drei Professoren im Jahre 1948 auf ihre vormals innegehabten Professuren (wieder-) berufen. Ein weiteres positives Urteil sprach die Sonderkommission im März 1946 für Alexander Hold-Ferneck aus, der bereits Ende 1945 aus Altersgründen in den Ruhestand versetzt worden war. Als »nicht tragbar« stufte die Sonderkommission Helfried Pfeifer und Ernst Schönbauer ein, was eine Zwangspen867 868 869 870
Überprüfungsergebnis 05. 07. 1945, UAW, JUR Cur 239, GZ 491 aus 1945. Ebd. Vgl. Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 221. Vgl. Tabelle 13.
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sionierung dieser beiden Professoren mit einer symbolischen (Schönbauer) bzw. deutlichen (Pfeifer) Kürzung der Ruhebezüge nach sich zog. Beide setzten in den Folgejahren und -jahrzehnten alles daran, ihre Professuren wiederzuerlangen, was im Fall Pfeifers im Jahr 1965 auch gelang. Im Fall des ebenfalls bereits aus Altersgründen pensionierten Vogel kam die Sonderkommission zu keinem Urteil und stellte das Verfahren wegen seines Todes ein. Insgesamt wurden an der Juridischen Fakultät somit für vier der sechs von der Sonderkommission beurteilten Professoren, das heißt für 66 %, ein positives Erkenntnis ausgestellt.
Tabelle 13: Behandlung der Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät durch besondere Entnazifizierungsorgane Sonderkommission I. Instanz beim Staatsamte für Volksaufklärung, Unterricht, Erziehung und Kultusangelgenheiten871 (Beurteilung nach § 21 VBG 1945)872 (6) »bietet keine Gewähr…« (nicht tragbar) »bietet Gewähr…« (tragbar) (Datum des Erkenntnisses) (4) (Datum des Erkenntnisses) (2) Ordentliche Professoren (3) Ordentliche Professoren (2) Demelius (29. 03. 1946) Schönbauer (02. 01. 1946) Hold-Ferneck (08. 03. 1946) Pfeifer (17. 11. 1945) Kreller (12. 09. 1945) Vogel (Verfahren mit Beschluss vom 28. 05. 1946 eingestellt, da er am 31. 03. 1946 verstorben ist) Außerordentliche Professoren (1) Haar (20. 11. 1945) Ministerkomitee (»Figlkomitee«) im Bundeskanzleramt zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen (3) Ordentliche Professoren (2) Demelius enthoben (16. 04. 1946) Wiederindienststellung zugestimmt (29. 10. 1947) dauernder Weiterverwendung zugestimmt (18. 11. 1948) Kreller enthoben (27. 03. 1946) Weiterbelassung bis Ende des Studienjahres 1946/47 (21. 10. 1946) Weiterbelassung bis Ende des Studienjahres 1947/48 (29. 10. 1947) Enthebungsverlängerung aufgehoben (31. 05. 1948) 871 Ab 20. Dezember 1945 Bundesministerium für Unterricht. 872 Zu behandelnde Fragestellung: Bietet der Betreffende nach seinen bisherigen Betätigungen Gewähr, jederzeit rückhaltlos für die unabhängige Republik Österreich einzutreten (vgl. § 21 VBG).
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(Fortsetzung)
Haar
Außerordentliche Professoren (1) enthoben (27. 03. 1946) Weiterbelassung zuletzt bis Ende Wintersemester 1947/48 (29. 10. 1947) dauernder Weiterverwendung zugestimmt (18. 11. 1948)
7.2.3 Versetzung in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung Wie berichtet wurden mit Pfeifer und Schönbauer zwei der 12 »belasteten« Professoren der Juridischen Fakultät durch die Sonderkommission in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Hinzu kamen die bereits Ende 1945 wegen Erreichung der Altersgrenze (70 Jahre) pensionierten ordentlichen Professoren Hold-Ferneck und Vogel. Beide Fälle verhandelte anschließend die Sonderkommission, wobei für Hold-Ferneck ein positives Erkenntnis ausgesprochen und das Verfahren gegen Vogel wegen dessen Todes eingestellt wurde. Neben Pfeifer und Schönbauer wurden auch der außerordentliche Professor für Kriminologie, Strafrecht und Strafprozessrecht Hubert Streicher und der ordentliche Professor für Volkswirtschaftslehre und Gesellschaftslehre Adolf Günther im Zuge der Entnazifizierung – wenn auch nicht durch die Sonderkommission – in den vorzeitigen dauernden Ruhestand versetzt. Seit 1928 auf einem Extraordinariat an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät trat Streicher nach eigenen Angaben am 1. Februar 1938 – also während der »Verbotszeit« – in die NSDAP ein. Er schied aber im Herbst desselben Jahres wieder aus, »da es sich bei der Beschaffung der Familienpapiere herausstellte, dass die Gattin Mischling 2. Grades ist«,873 wie er in einem Fragebogen während der NS-Zeit angab. Trotz fehlender formaler Parteimitgliedschaft wurde Streicher im Juni 1945 zunächst vom Dienst enthoben und mit 28. Februar 1946 von Bundesminister Hurdes im »Hinblick auf sein Verhalten während der Zeit der deutschen Okkupation«874 in den dauernden Ruhestand versetzt. In den Jahren 1947 und 1948 stellte Streicher schließlich zwei Anträge auf seine Wiederverwendung, die von Sektionschef Skrbensky negativ beschieden wurden, da ein dafür notwendiger Antrag des Professorenkollegiums der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität
873 Fragebogen ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Streicher, o. Nr. 874 Bescheid 02. 02. 1946, ebd., o. Nr.
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Wien nicht vorhanden sei. In seiner Anmerkung zur Ablehnung der Wiederverwendung Streichers hielt Skrbensky Folgendes fest: »Streicher (…) gebärdete sich nach Gauakt und V.Zl.3253/III/46 als Illegaler, wollte als Parteimitglied gelten und ist lediglich wegen der sog. nicht arischen Abstammung seiner Ehefrau als Parteimitglied nicht aufgenommen worden. (…) Da ihn die Wr. Fak. für gänzlich untragbar hielt, wurde er 1946 pensioniert. Dermalen ist für ihn nicht einmal mehr ein geeigneter DP (Anm.: Dienstposten) vorhanden, lediglich an der Univ. Graz wäre eine für Streicher in Betracht kommende Lkl. frei, die Grazer Fak. ist jedoch nicht geneigt, ihn in einen Tenorvorschlag aufzunehmen.«875
Streicher musste also – ähnlich wie Hold-Ferneck seinen Aufnahmeantrag – die NSDAP-Mitgliedschaft wegen der Abstammung seiner Frau Ende 1938 zurücklegen, hatte sich aber offensichtlich als derart überzeugter Nationalsozialist deklariert und verhalten, dass er in der neu gebildeten Fakultät nach 1945 keinen Rückhalt mehr fand. Seiner Rehabilitierung schob dies einen Riegel vor. Hier zeigt sich erneut, dass es neben Sektionschef Skrbensky das Professorenkollegium der Fakultät war, dem eine Schlüsselposition im Prozess der Rehabilitierung »belasteter« ehemaliger Professoren zukam. Ein längerer Prozess bis zu einer Ruhestandsversetzung im Zuge der Entnazifizierung lässt sich bei Adolf Günther beobachten. Günther, 1881 im bayerischen Ansbach geboren, habilitierte sich 1910 in Berlin für Staats- und Wirtschaftswissenschaften und wurde dort ab 1920 außerplanmäßiger Professor. 1923 folgte er einem Ruf auf eine ordentliche Professur an die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Innsbruck und bekleidete in den Studienjahren 1924/25, 1931/32 und 1938/39 das Amt des Dekans sowie 1927/28 das Amt des Rektors. Durch seine Ernennung zum österreichischen Professor erwarb Günther 1923 auch die österreichische Staatsbürgerschaft, behielt aber auch, wie er 1945 angab, die deutsche bei. Mit Beginn des Jahres 1940 wechselte er als planmäßiger ordentlicher Professor für politische Ökonomie und Gesellschaftslehre und Direktor des gleichnamigen Instituts an die Juridische Fakultät der Universität Wien auf die ehemals von Othmar Spann innegehabte Planstelle. Über Günthers NSDAP-Mitgliedschaft ist Folgendes bekannt: In einem Fragebogen der Alliierten Kommission in Österreich gab er nach Kriegsende an, im Herbst 1938 der Partei beigetreten und zusätzlich Mitglied des NSDDB, der NSV und des Nationalsozialistischen Altherrenbundes der Deutschen Studenten (NSAHB) gewesen zu sein.876 Darüber hinaus standen seine Mitgliedschaft bei der SA und die Frage einer möglichen »illegalen« NSDAP-Mitgliedschaft Günthers im Raum. Zu ersterer äußerte sich Günther in einer Anlage zum Fragebogen folgendermaßen: 875 Mitteilung 17. 01. 1948, ebd., o. Nr. 876 Fragebogen nach Mai 1945, UAW, JUR PA 25, fol. 56.
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Die Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät
»Ich bin niemals, weder vor noch nach März 1938, Mitglied der SA gewesen. Als ich im April oder Mai 1938 das Dekanat der rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck übernahm (…), erhielt ich gleich dem Rektor und den übrigen Dekanen den Titel ›SA-Sturmführer‹. Ich habe von ihm nur wenige Male, gelegentlich vor Univ.-Ferien, Gebrauch gemacht, Dienst bei der SA ist nie von mir gefordert und nie von mir geleistet worden. Nach meiner Übersiedlung an die Univ. Wien entfiel jegliche Beziehung zur SA, ich war bei ihr gar nicht gemeldet.«877
Der Umstand der »Illegalität« konnte 1945 offensichtlich nicht geklärt werden, denn Günther wurde vom Liquidator am 19. Jänner 1946 gemäß § 8 Abs. 3 Beamten-Überleitungsgesetz vom Dienst enthoben und nicht – wie für »illegale« Parteimitglieder vorgesehen – gemäß § 14 Verbotsgesetz entlassen. Beweise für Günthers »Illegalität« finden sich in seinem Gauakt: Wie aus einer politischen Beurteilung des Gaupersonalamtsleiters Emil Volkmer der Gauleitung Wien vom 3. Februar 1943 hervorgeht, war über Günther »in politischer Hinsicht Nachteiliges bisher nicht bekannt geworden. Er ist Parteigenosse seit Mai 1937 und wird unter der Mitgliedsnummer 6,228.278 geführt.«878 In weiterer Folge wurde Günther, der sich gleich nach Kriegsende nach Innsbruck begeben hatte und aus bis dato unersichtlichen Gründen von seiner dortigen ehemaligen Universität sogar von 27. April 1945 bis 31. Jänner 1946 Bezugsvorschüsse erhielt,879 zunächst nach Nationalsozialistengesetz 1947 aufgrund seiner SA-Mitgliedschaft als »belastet« eingestuft. Seinem diesbezüglichen Einspruch gab das Amt der Tiroler Landesregierung am 14. Mai 1948 mit folgender Begründung statt: Günther habe »den Titel eines SA-Sturmführers nur ehrenhalber als damaliger Dekan (…) verliehen erhalten. (…) In einer amtlichen Information des Rektors der Universität Innsbruck wird ausdrücklich erklärt, dass den Funktionären der Universität (…) Ehrenränge in der SA verliehen wurden, die sie nicht als Personen, sondern als Amtsträger erhielten, es war mit dieser Verleihung keine Befehlsgewalt, kein Referat und keine Zeichnungsbefugnis verbunden.«880
Seine nun bekannte »Illegalität« spielte aufgrund mittlerweile fehlender gesetzlicher Basis keine Rolle mehr und Günther wurde per 31. Juli 1948 mit 67 Jahren in den dauernden Ruhestand versetzt,881 lebte bis zu seinem Tod im Jahr 1958 in Innsbruck und beschäftigte sich mit der Entwicklung und den Problemen der gewerblichen Wirtschaft Tirols. Der Vollständigkeit halber sei hier auch noch der Fall des ordentlichen Pro877 878 879 880 881
Anlage zum Fragebogen ohne Datum, ebd., fol. 57. Politische Beurteilung 03. 02. 1943, WStLA, Gauakt Günter, o. Nr. Schreiben 22. 06. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Günther, o. Nr. Bescheid 14. 05. 1948, ebd., o. Nr. Bescheid 26. 07. 1948, UAW, JUR PA 25, fol. 4.
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fessors für Bürgerliches Gerichtsverfahren Hans Sperl angeführt, der streng genommen nicht zu den im Prozess der Entnazifizierung pensionierten Professoren zu zählen ist. 1861 geboren und schon in der Donaumonarchie am 13. Februar 1900 zum ordentlichen Professor ernannt, hatte sich dieser bereits im März 1938 im Ruhestand befunden, aber bis 1940 Vorlesungen gehalten, wie er in seinem Personenstandsblatt von 1945 angab.882 Als NSDAP-»Anwärter, seit etwa Spätsommer oder Herbst 1938« hatte er sich nach eigenen Angaben von der Partei distanziert: »Habe vor 1 1/2 Jahren der Ortsgruppe Hungerberg-Döbling der NSDAP geschrieben, dass ich an keinerlei Veranstaltungen oder Tätigkeiten der Partei mitzuwirken beabsichtige; war auch früher untätig.«883 Obwohl bereits emeritiert und nicht mehr lehrend, schien Sperl auch noch im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1944 auf und wurde in der ersten Liste der politischen Überprüfung des Lehrkörpers der Fakultät angeführt.884 Von einer Wiederverwendung des nach Kriegsende bereits 83-Jährigen sah man nachvollziehbarer Weise ab. Insgesamt wurden demnach drei der sieben im Prozess der Entnazifizierung pensionierten Professoren aus Altersgründen und die restlichen vier vorzeitig in den Ruhestand versetzt (vgl. Tabelle 3). Tabelle 14: Versetzungen in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung bei Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (7 Personen) Ordentliche Professoren (6) Hold-Ferneck (70)885 Sperl (83) Günther (67) Pfeifer (49) Schönbauer (60) Vogel (70)
882 883 884 885
Ruhestand (31. 12. 1945) wegen Erreichung der Altersgrenze, vorbehaltlich Entscheidung der Sonderkommssion bereits im Juli 1945 aufgrund seines Alters als emeritiert angeführt dauernder Ruhestand (31. 07. 1948)
Außerordentliche Professoren (1) Streicher dauernder Ru(62) hestand (28. 02. 1946)
unter Kürzung der Ruhebezüge um 50 % im dauernden Ruhestand (17. 11. 1945) unter Kürzung der Ruhebezüge um einen Schilling monatlich im dauernden Ruhestand (21. 12. 1945) Ruhestand (18. 12. 1945) wegen Erreichung der Altersgrenze, vorbehaltlich Entscheidung der Sonderkommssion
Personenstandsblatt 19. 07. 1945, UAW, JUR PA 397, fol. 21 – 22. Personalblatt 25. 07. 1945, ebd., fol. 23. Überprüfungsergebnis 05. 07. 1945, UAW, JUR Cur 239, GZ 491 aus 1945. Alter zum Zeitpunkt der Pensionierung.
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7.2.4 Die Nicht-Österreicher Neben dem »unbelasteten« Hans Planitz und dem rehabilitierten Hans Kreller, die beide ihre vormals innegehabten Professuren wiedererlangten, gab es im Lehrkörper der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät mit Ernst Swoboda, Zivilgerichtliches Verfahren und Bürgerliches Recht) und Erich Schwinge, Strafrecht und Strafprozessrecht zwei weitere nationalsozialistisch »belastete« Professoren, die am 13. März 1938 weder in einem Dienstverhältnis zur Republik Österreich gestanden noch die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hatten. Der Altösterreicher Ernst Swoboda, 1879 in Tachau im Egerland geboren, studierte zunächst in Prag und Innsbruck, bevor er nach Graz wechselte, wo er 1912 promovierte. Nach seiner dortigen Habilitation 1919 bekam er am 29. Februar 1924 den Titel eines außerordentlichen Universitätsprofessors verliehen.886 Parallel zu seiner akademischen Laufbahn verfolgte Swoboda eine Karriere im richterlichen Dienst: Ab 1911 Richter für den Oberlandesgerichtssprengel Graz, wurde er 1920 zum Landesgerichtsrat, 1923 zum Oberlandesgerichtsrat und 1928 zudem zum Senatsvorsitzenden im Oberlandesgericht bestellt. Zusätzlich bekleidete er von 1927 bis 1934 das Amt des Vizepräsidenten der Vereinigung der österreichischen Richter. 1933 beschloss Swoboda schließlich, seiner akademischen Laufbahn den Vorzug zu geben und folgte einem Ruf auf eine ordentliche Professur für zivilgerichtliches Verfahren und bürgerliches Recht an die Deutsche Universität Prag, die er mit 31. Oktober 1933 antrat. Infolgedessen wurde Swoboda mit 1. 8. 1934 seines richterlichen Dienstes enthoben, verlor die österreichische Staatsbürgerschaft und wurde tschechoslowakischer Staatsbürger.887 Mit Swobodas Übersiedlung nach Prag ist auch der Beginn seiner Parteikarriere festzusetzen: 1935 trat er als deutschnational geprägter Sudetendeutscher in die Sudetendeutsche Partei (SdP)888 von Konrad Henlein ein und wurde Rechtsberater von deren Hauptabteilung.889 Im Mai 1938 betraute ihn Henlein mit der Bildung und Führung einer sudetendeutschen Forschungsgemeinschaft. Im September desselben Jahres erfolgte seine Eingliederung in das dem politi886 Personalstandesblatt ohne Datum, UAW, JUR PA 640, fol. 3. 887 Vgl. Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 321. 888 Die Sudetendeutsche Partei (SdP) wurde unter Führung von Konrad Henlein am 1. Oktober 1933 zunächst als Sudetendeutsche Heimatfront begründet. Auf Druck der tschechoslowakischen Regierung musste sie ihren Namen am 19. April 1935 in SdP ändern, um an den anstehenden Parlamentswahlen teilnehmen zu können. In den letzten Jahren der ersten tschechoslowakischen Republik wurde sie mit massiver Unterstützung der NSDAP systematisch zur Fünften Kolonne des nationalsozialistischen Deutschen Reiches ausgebaut. 889 Personalstandesblatt ohne Datum, UAW, JUR PA 640, fol. 4.
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schen Stab Konrad Henleins in Berlin zugeteilte Sudetendeutsche Freikorps in Bayreuth. Nach der Eingliederung der Sudetengebiete als »Reichsgau Sudetenland« in das Deutsche Reich im Oktober 1938 wurde Swoboda sogleich von Reichsminister Frank zum Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft für die Rechtsangleichung der sudetendeutschen Gebiete bestellt890 und mit »Erlass des Führers« vom 16. Mai 1939 – wie alle Sudetendeutschen – zum deutschen Reichsbürger. Mit der Überführung der Sudetendeutschen Partei in die NSDAP am 1. November 1938 wurde Swoboda mit der Nummer 6.797.155 deren Mitglied und betätigte sich fortan als Gaugruppenwalter der Hochschullehrer des Nationalsozialistischen Rechtswahrerbundes (NSRB), im NS-Altherrenbund und in der NSV.891 Am 1. Mai 1939 trat er schließlich in die SA als Sturmbannführer zur Verwendung der SA-Standarte 52 Prag ein. Swobodas bisherige Laufbahn, sein Engagement in der Sudetendeutschen Partei, gefolgt von seinem Aufstieg innerhalb der NSDAP ebneten in weiterer Folge auch seine akademische Karriere. Schon im März 1939 erhielt er als Wunschkandidat von Dekan Schönbauer das definitive Angebot, den ehemals von Gustav Walker innegehabten Lehrstuhl für Bürgerliches Recht zu übernehmen. Dozentenbundführer Marchet attestierte Swoboda eine »einwandfreie« charakterliche Einstellung und beschrieb ihn in Bezug auf seinen bisherigen Einsatz folgendermaßen: »Der Kampf der Sudetendeutschen wurde in erster Linie von ihm behandelt. Als Vizepräsident der österreichischen Richtervereinigung trat er stets für den heftigsten Kampf gegen das System Dollfuß ein und wirkte in diesem Sinne auch auf die Studentenschaft Graz als Dozent ein. (…) An den Kämpfen der SdP, deren Mitglied er seit Mai 1935 war, nahm er regsten Anteil. Er arbeitete die Rechtsgrundlage des nationalen Kampfes der Deutschen in der C.S.R. heraus, vertrat diese auf den großen Tagungen der SdP für öffentliches Recht und auch auf der großen internationalen Rechtstagung in Haag 1937 vor Juristen aller Weltteile als Generalberichterstatter. (…) Seit 1935 wurde von tschechischen und roten deutschen Zeitungen immer wieder seine Entlassung und Verhaftung gefordert. Der Verhaftungsbefehl im September 1938 hat ihn nicht mehr in der Tschechei erreicht.«892
Dass es sich bei Swoboda um einen überzeugten Nationalsozialisten handelt, zeigen auch seine eigenen Absichten, die er im Hinblick auf seine Berufung an die Universität Wien in einem Schreiben an Ministerialrat Selb am 5. April 1939 kundtat: »Ich will meine ganze Kraft in den Dienst dieser großen Aufgabe stellen und dazu wird mir in Wien die reichste Gelegenheit geboten sein. Dann wird es auch gelingen, das Gift 890 Lebenslauf ohne Datum, ebd., fol. 67. 891 NSDAP-Mitgliedskarte, WStLA, Gauakt Swoboda. 892 Zitiert nach: Schartner, Staatsrechtler, 2011, S. 325.
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auszurotten, das die nichtarischen Erläuterer unseres bürgerlichen Rechts seit Unger in unser Rechtsdenken hineingetragen haben. Das alles muss aber im Dienste des einheitlichen deutschen Rechts der Zukunft geschehen. Es darf kein Haften am Ort, kein überlebter Partikularismus sein, sondern wegweisend muss immer voranleuchten der Gedanke der Arbeit um die sehnsüchtig erstrebte Einheit des grossen Deutschen Rechts und die Durchdringung seiner Vorschriften mit der Gedankenwelt des Führers.«893
Nach seiner Ernennung zum ordentlichen Professor für Zivilgerichtliches Verfahren und Bürgerliches Recht wurde Swoboda ab 1940/41 Vizedekan an der Seite Schönbauers und im Studienjahr 1943/44 Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Schon im Oktober 1942 erfolgte seine Ernennung zum Richter am Oberlandesgericht Wien.894 Nach Kriegsende war Swoboda in bekannter Weise bemüht, sein Verhältnis zum Nationalsozialismus in ein für ihn günstiges Licht zu rücken und legte dies in einem umfangreichen Schreiben dar.895 Unter anderem betonte er seinen Kampf um das österreichische Recht und sein Bemühen als Dekan, nationalsozialistische Dozenten aus dem Reich an der Wiener Fakultät sowie die Auflösung derselben und ihre Vereinigung mit der Prager Fakultät verhindert zu haben. Begleitet war seine Selbsteinschätzung durch zahlreiche »Persilschreiben« von Kollegen aus dem universitären und richterlichen Umfeld.896 Im Zuge der Entnazifizierung wurde der aus Wien abwesende Swoboda zunächst vom Staatsamt seines Dienstes enthoben897 und in den ersten Listen der Fakultät als suspendiert geführt.898 Er wurde als österreichischer Staatsbürger behandelt, obwohl er am 13. März 1938 die tschechoslowakische und bei seiner Berufung an die Universität Wien 1939 die »reichsdeutsche« Staatsbürgerschaft besessen hatte. Im November 1945 schien er in einer Fakultätsliste899 jedoch als »bereits entlassen« auf, was auch ein Schreiben des BMU an das Finanzamt vom 29. Juni 1946 bestätigte: »Der o. Prof. Dr. Ernst Swoboda wurde mit 6. 6. 1945 entlassen. Der April–Maibezug 1945 ist rückgelangt. (…) Es wird mitgeteilt, dass laut Auskunft des Dekanates der juridischen Fakultät der Universität Wien der vormalige Prof. Dr. Ernst Swoboda sich derzeit in Selb, Schillerstrasse 17/13a Bayern, Germany – Amerikanische Zone aufhalten soll.«900
893 894 895 896 897 898 899 900
Zitiert nach: Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 214. Schreiben 13. 10. 1942, ÖStA/AdR, BMU PA Swoboda, o. Nr. Rechtfertigungsschfreiben, UAW, JUR PA 398, fol. 23 – 38. Diverse Schreiben, ebd., fol. 009 – 011, 013, 016. Enthebung 05. 06. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Swoboda, o. Nr. Überprüfungsergebnis 05. 07. 1945, UAW, JUR Cur 239, GZ 491 aus 1945 Liste 21. 11. 1945, UAW, JUR Cur 308, o. Nr. Dienststück 29. 06. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Swoboda, o. Nr.
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Widersprüchlich dazu erscheint ein Schreiben von Sektionschef Skrbensky an Rudolf Köstler vom 23. September 1947 – also nach Inkrafttreten des Nationalsozialistengesetzes 1947 –, das über den Entnazifizierungsstatus des mittlerweile offenbar wieder nach Wien zurückgekehrten Ernst Swoboda Auskunft gibt: »Nach Wiedererrichtung der Republik Österreich wurde Swoboda von seinem Lehramte als ordentlicher Professor gemäß § 8 (3) Beamtenüberleitungsgesetz enthoben, da er wegen seiner Zugehörigkeit zur NSDAP u.s.w. als politisch untragbar befunden worden und außerdem am 13. 3. 1938 in keinem Dienstverhältnis zur Republik Österreich gestanden ist. Der Genannte war seinerzeit Mitglied der SDP-Henleinpartei, später ab 1. 11. 1938 Mitglied der NSDAP und bekleidete außerdem in der SA den Rang eines Sturmbannführers. Mit Rücksicht auf die Bestimmungen des Verbotsgesetzes 1947 und des Beamtenüberleitungsgesetzes muß es bei der (…) getroffenen Verfügung verbleiben.«901
Swoboda wurde also nun – ungeachtet der Widersprüchlichkeiten aus den vorangegangenen Schreiben – als enthoben und nach NSG 1947 als »belastet« eingestuft geführt. Diesen Umstand versuchte er mit einem am 27. September 1947 nach § 27 eingebrachten »Nachsichtsgesuch« zu beseitigen, was auch mit einer am 29. Dezember 1948 vom Bundespräsidenten bewilligten »Ausnahme von der Behandlung« gelang. So endete eine vermeintliche Entlassung eines NSbelasteten Professors mit einer »Begnadigung« und der Möglichkeit zur Versetzung in den Ruhestand. Zu dieser kam es laut Aktenlage nicht mehr – Swoboda verstarb am 24. April 1950 in Wien. Anders verlief der Prozess der Entnazifizierung für den 1903 in Jena geborenen Strafrechtler Erich Schwinge. Nach seinem Studium in Jena, Berlin und München promovierte Schwinge 1926 in Bonn und habilitierte sich ebendort für die Fächer Strafrecht, Strafprozessrecht, Zivilprozessrecht und Rechtsphilosophie. Nach einer Vertretungsprofessur 1931/32 in Kiel wechselte er 1932 als Professor an die Universität Halle, bevor er 1936 an die Universität Marburg berufen wurde. Dort wandte sich Schwinge dem Militärrecht zu: »Sein Kommentar zum Militärstrafgesetzbuch entwickelt sich schnell zum meistgenutzten Handbuch und zum Auslegungsmaßstab der Gerichte. (…) Innerhalb ›allgemeiner Leitgedanken wie z. B. Treue, Manneszucht, Ehre und Kameradschaft‹ mißt er der ›Manneszucht‹ eine ›beherrschende‹ Stellung als ›oberstes Gebot alles militärischen Lebens‹ zu. Aus Gründen der Abschreckung sieht er für den Soldaten ›erhöhte Pflichten zum Durchstehen von Gefahren‹ und reduziert etwaige Rechtfertigungs- sowie Entschuldigungsgründe auf ein Minimum.«902 901 Schreiben 23. 09. 1947, UAW, JUR PA 398, fol. 56. 902 Roland Holder, Hitlers willfährige Helfer – Furchtbare Juristen, vor und nach 1945. (1998), abrufbar unter : http://rolandholder.ro.funpic.de/guillotine/1997/jan97/schwinge.htm (Zugriff: 30. 09. 2013), S. 2.
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1939 schaffte es Schwinge als Drittgereihter auf den Besetzungsvorschlag für die Strafrechtsprofessur an der Universität Wien. Dass er die Professur letztendlich erhielt, ist laut Rathkolb auf Schwinges parteipolitische Tätigkeit (NSDAPMitglied seit 1. Mai 1937) und seine Funktion als Reserveoffizier zurückzuführen.903 Auch Dozentenbundführer Marchet stellte ihm ein einwandfreies nationalsozialistisches Zeugnis aus. Schwinge habe sich »seit der Machtübernahme im Reiche als Wissenschaftler wie als Mensch jeder Weise eingesetzt und hat als Dekan der juridischen Fakultät in Marburg zum Aufbau dieser Fakultät im nationalsozialistischen Sinn viel beigetragen.«904 Ein Jahr nach seiner Berufung auf die Strafrechtsprofessur wurde Schwinge zudem zunächst Staatsanwalt und anschließend Militärrichter bei der Division 177 in Wien. In dieser Funktion soll er für mindestens zehn zwangsrekrutierte Deutsche, die aus unterschiedlichen Gründen den Militärdienst vermeiden wollten, die Todesstrafe beantragt und in acht Fällen Todesurteile gefällt haben, obwohl eine mildere Strafe durchaus möglich gewesen wäre905 Über seine Tätigkeit als Universitätsprofessor ist den Akten wenig zu entnehmen. Rathkolb gibt allerdings an, Schwinge habe Feldgerichtsverhandlungen beim Gericht der 177 Division zu »Seminarübungen« umgestaltet.906 In der Fakultätsliste mit dem ersten Ergebnis der politischen Überprüfung des juridischen Lehrkörpers der NS-Zeit vom Juli 1945 ist neben Schwinges Abwesenheit von Wien dessen Parteimitgliedschaft ab 1939 oder 1940 sowie der Umstand, dass ihm als Kriegsgerichtsrat besondere Milde nachgesagt wurde, vermerkt. Bezüglich einer möglichen Weiterverwendung als Professor äußerte sich die neu gebildete Fakultät nicht und erbat eine Entscheidung vom Staatsamt.907 In einer Liste vom November 1945 scheint Schwinge als »noch zu beurteilen von der Sonderkommission« auf, bevor er auf einer ebensolchen vom Februar 1946 den Status »entlassen« erhält.908 Schwinges Personalakt aus dem Archiv der Universität Wien gibt Näheres über seinen Verbleib in der unmittelbaren Nachkriegszeit an. Zunächst findet sich dort eine Anzeige von Dekan Degenfeld-Schonburg gemäß § 11 der NS-Registrierungsverordnung vom 5. Juli 1945 beim Magistratischen Bezirksamt für den 18. Bezirk gegen Schwinge, aus der hervorgeht, dass dieser neben seiner Parteimitgliedschaft auch Angehöriger der SS, der SA, des NSKK und des NSFK gewesen sein soll. Weitere Belege für 903 Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 215. 904 Zitiert nach: ebd. 905 Otto Gritschneder, Entschädigung für die Witwen hingerichteter Wehrpflichtiger. In: Wolfram Wette (Hrsg.), Deserteure der Wehrmacht. Feiglinge, Opfer, Hoffnungsträger? (Essen, 1. Auflage, 1995), S. 255. 906 Rathkolb, Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät, 1989, S. 215. 907 Überprüfungsergebnis 05. 07. 1945, UAW, JUR Cur 239, GZ 491 aus 1945. 908 Liste 21. 11. 1945, UAW, JUR Cur 308, o. Nr.
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diese Mitgliedschaften finden sich in den Akten nicht. Am 10. Oktober 1945 erreichte den Dekan schließlich ein Schreiben Schwinges aus Bruck an der Mur, in welchem dieser über seinen wechselvollen »Verbleib seit Frühjahr d. Js. (…) dienstlich folgendes« meldet: »Am 2. Mai d. Js. geriet ich bei Bruneck im Pustertal in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in Welsberg und Bozen wurde ich in den Raum von Rimini in britische Kriegsgefangenschaft überführt, wo bis Mitte Juni unter einem eigenen deutschen Hauptquartier 150.000 Mann versammelt wurden. Nach einem kurzen Aufenthalt in einem Zeltlager wurde ich als Rechtsberater des deutschen kommandierenden Generals in das Deutsche Hauptquartier Bellaria versetzt, wo ich Anfang Juli von den deutschen und britischen Kommandobehörden mit dem Aufbau einer Lager-Universität beauftragt wurde. Am 26. Juli wurde diese mit rund 60 Dozenten und Lektoren und rund 1300 Studenten in Gegenwart von Vertretern der britischen Kommandostellen feierlich eröffnet.909 Ich habe diese Universität dann als Rektor geleitet und sie über einen anfänglichen Störungsversuch politisch unbelehrbarer Elemente, denen einige Feststellungen von mir über die Behandlung der Wissenschaft im Dritten Reich nicht passten, glücklich hinweggeleitet. Am Schluss des Semesters, das im Geiste echter Wissenschaft und voller wissenschaftlicher Meinungsfreiheit einen sehr erfreulichen Verlauf nahm, wurde dieses Universitätsunternehmen allerseits als ein grosser Erfolg bezeichnet und mir bei meinem Weggang die volle Anerkennung der britischen Kommandostellen ausgesprochen.«910
Offensichtlich zutage tritt in Schwinges Worten dessen Bestreben, sich gegenüber Dekan Degenfeld-Schonburg als geläuterter Wissenschaftler zu präsentieren, der selbst in der Kriegsgefangenschaft nichts unterließ, einer objektiven und freien Wissenschaft in der Funktion des Rektors einer Lager-Universität zu dienen. Es muss ihm bewusst gewesen sein, dass seiner zu diesem Zeitpunkt beabsichtigten Rückkehr an die Universität Wien ein wohlwollendes Klima innerhalb der Fakultät nur zuträglich sein konnte. Über seinen weiteren Verbleib gab er im zitierten Schreiben Folgendes an: »Am 16. September wurde ich mit einem Oesterreicher-Transport in Richtung Heimat in Marsch gesetzt. Nach einem neuen Lager-Aufenthalt wurde ich vor zehn Tagen zu 909 Die Teilkapitulation in Italien am 2. Mai 1945 brachte etwa eine halbe Million deutsche Soldaten in alliierten Gewahrsam. Organisation, Betreuung und allgemein die Verwaltung der Internierungslager wurde von der britischen Seite dem ›Deutschen Hauptquartier Bellaria‹ übertragen, das wiederum aus dem Stab des LXXVI. Panzer-Korps hervorgegangen war. Eine seiner Aufgaben bestand in der Organisation und Durchführung von Hochschulkursen für Soldaten mit entsprechendem Bildungsstand (›Lager-Hochschule‹). Die Lager-Hochschule eröffnete am 26. Juli 1945 und umfasste etwa 80 Dozenten und Lektoren, 700 Immatrikulierte und 500 Gasthörer.« Siehe http://startext.net-build.de:8080/ barch/MidosaSEARCH/ZA7 – 33777/index.htm?kid=4c8cbf0a-5f1d-4e9a-be02 – 4 ec9ed0f3ba7 (Zugriff: 30. 09. 2013). 910 Schreiben 20. 10. 1945, UAW, JUR PA 410, fol. 23.
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einer britischen Dienststelle überstellt, wo ich als rechtskundiger Dolmetscher beschäftigt wurde. Wann ich die Möglichkeit haben werde, nach Wien zurückzukehren, ist mir unbekannt. Ueber meine Tätigkeit als Rektor der Lager-Universität Bellaria werde ich noch ausführlichen Bericht vorlegen.«911
Am 12. November 1945 bestätigte der Dekan Schwinges Aufenthalt in Bruck an der Mur und den Umstand, dass er »von den englischen Behörden nicht nach Wien gelassen wird.« Über seine Weiterbeschäftigung als Professor gab es innerhalb der Fakultät aber augenscheinlich noch keinen klaren Standpunkt: »Die Frage seiner weiteren Betätigung an der hiesigen Fakultät ist noch in Schwebe und wird erst nach seiner endgiltigen Rückkehr entschieden. Es wird gebeten, seine Familie auf jeden Fall noch in Wien wohnen zu lassen.«912 Schwinges Rückkehr nach Wien dürfte schließlich Ende 1945 bzw. Anfang 1946 erfolgt sein. Aus dieser Zeit finden sich in seinem Personalakt eine Reihe von Empfehlungsschreiben ehemaliger Kollegen, die zeigen, wie prominent Schwinge immer noch vernetzt war. So bescheinigt Rueff Seutter-Lötzen von der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit im Staatsamt für Inneres seinem ehemaligen Vorgesetzten Schwinge etwa, dass dieser »den Nationalsozialismus und seine Methoden stets aufs Schärfste kritisiert und verurteilt hat. Er hat sich aber auch niemals gescheut, für diese Einstellung nach aussen offen und entschieden einzutreten.« Weiters habe er »jede Gelegenheit gerne ergriffen (…), um seine Oesterreich freundliche Gesinnung kundzutun.«913 Auch der Unterstaatssekretär für Justiz a. D.914 Ferdinand Nagl konnte Schwinge am 3. Jänner 1946 nur »das allerbeste Zeugnis ausstellen. Er hat in jeder Richtung (…) gegen bestimmte rechtsbeugende Tendenzen der Berliner Zentralstellen einen ganz entschiedenen Widerstand geleistet. Dieser ging soweit, dass ich und andere Oesterreicher uns darüber nicht nur wunderten, sondern auch besondere Genugtuung darüber empfanden, dass gerade seitens eines Reichsdeutschen eine solche Nackensteife aufgebracht wurde. Besonders anerkennenswert war das Verhalten Dr. Schwinges gegenüber aggressiven Methoden reichsdeutscher Vorgesetzter in verschiedenen militärgerichtlichen Stellungen in Wien gegenüber österreichischen Kollegen, die er in jeder Weise in Schutz nahm und unterstützte«.915
Diese Interventionsversuche bleiben erfolglos und am 4. Februar 1946 erreichte Schwinge ein Schreiben der Verwaltungsstelle der wissenschaftlichen Hochschulen in Wien, dass ihn mit dem Erlass des Bundesministers für Unterricht vom 5. Jänner 1946 wegen seines Verhältnisses zur NSDAP außer Dienst stellte 911 912 913 914 915
Ebd. Bescheinigung 12. 11. 1945, ebd., fol. 21. Bescheinigung 13. 12. 1945, ebd., fol. 4. Im Amt von 27. 04. 1945 bis 20. 12. 1945. Referenzschreiben 03. 01. 1946, ebd., fol. 5.
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und seine Bezüge mit 31. Jänner 1946 einstellte.916 Zwei Monate später, am 2. April 1946, zog Schwinge aus seiner Außerdienststellung als »Reichsdeutscher« nicht ganz einsichtig folgende Konsequenz, die er dem BMU, dem Rektor der Universität Wien und dem Dekan schriftlich mitteilte: »Da ich den Wunsch habe, nach dem Reiche zurückzukehren, werde ich Oesterreich in diesen Tagen verlassen. Alle Ansprüche, die mir auf Grund meiner Eigenschaft als ord. Professor für Strafrecht an der Universität Wien gegen den österreichischen Staat bisher erwachsen sind bzw. noch erwachsen werden, behalte ich mir zu späterer Geltendmachung vor. Dr. Erich Schwinge e.h. ord. Professor der Rechte.«917
»Nach dem Reiche zurückgekehrt«, machte Schwinge in vier Bereichen eine für einen ehemals einschlägigen NS-Funktionär beachtliche Nachkriegskarriere. Erstens gelang es ihm bereits 1948, als Professor an die Universität Marburg zurückzukehren und dort über 20 Jahre hinweg das Amt des Dekans der Rechtsund Staatswissenschaftlichen Fakultät und 1954/55 das Amt des Rektors inne zu haben. Er widmete sich der Geschichte der NS-Militärgerichtsbarkeit, zu deren Richtern er selbst gehörte, und verfasste gemeinsam mit dem ehemaligen Luftwaffenrichter Otto Schweling das erste Standardwerk zu diesem Thema.918 In diesem attestierten die Autoren der NS-Militärstrafgerichtsbarkeit, die sich nur auf Basis des Rechts bewegt habe, weitgehende Unabhängigkeit und rechtfertigte die Härte ihrer Urteile mit dem Ziel der Aufrechterhaltung der Moral in der Truppe. Zweitens kehrte er auch nach 1945 an die Gerichte zurück und wirkte in etwa 150 Verfahren gegen ehemalige Angehörige der Wehrmacht und Waffen-SS als deren Strafverteidiger.919 Drittens engagierte er sich parteipolitisch, trat der Freien Demokratischen Partei (FDP) bei und war in den 1950-er Jahren stellvertretender Vorsitzender der Landespartei in Hessen.920 Viertens betätigt sich Schwinge zwischen 1962 und 1972 auch literarisch und veröffentlicht unter dem Pseudonym Maximilian Jacta unter anderem das 12-bändige Werk »Berühmte Strafprozesse. Spektakuläre Fälle der internationalen Kriminalgeschichte«.921 1984 drohte Schwinge seine Vergangenheit als NS-Militärrichter einzuholen, 916 Außerdienststellung 16. 01. 1946, ebd., fol. 15. 917 Mitteilung 02. 04. 1946, ebd., fol. 13. 918 Erich Schwinge, Otto Schweling, Die deutsche Militärjustiz in der Zeit des Nationalsozialismus (Marburg 1977). 919 Detlef Garbe, »In jedem Einzelfall … bis zur Todesstrafe«. Der Militärstrafrechtler Erich Schwinge: Ein deutsches Juristenleben, hrsg. von der Hamburger Stiftung für Sozialgeschichte (Hamburg 1989), S. 58 ff. 920 Kopf riskieren. In: Der Spiegel 40 (1984), abrufbar unter : http://www.spiegel.de/spiegel/ print/d-13510360.html (Zugriff: 30. 09. 2013). 921 JACTA, Maximilian, Berühmte Strafprozesse. Spektakuläre Fälle der internationalen Kriminalgeschichte (München 1971).
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als der damals 57-jährige Wiener Anton Reschny Strafanzeige wegen Mordes gegen ihn einbrachte. Reschny hatte im August 1944 als 17-jähriger Soldat bei der Bergung von Hausrat aus einer Wiener Wohnung zwei Uhren und eine leere Geldbörse an sich genommen und kam wegen Diebstahls unter Ausnutzung der Kriegsverhältnisse vor Richter Schwinge. Dieser ändert die Anklage auf Plünderung im Felde, welche für besonders schwere Fälle die Todesstrafe vorsah. Schwinge sprach die Todesstrafe aus und »begründete« sein Urteil 1984 folgendermaßen: »[J]eder Fall von Plünderung müsse ausnahmslos zur Todesstrafe führen (…) anders können derartige Elemente nicht in Schach gehalten werden.«922 Heinrich Himmler milderte Reschnys Todesurteil 1944 in 15 Jahre Gefängnis ab. Das Verfahren gegen Schwinge wurde 1984 letztlich von der Staatsanwaltschaft Marburg eingestellt, da das Todesurteil zwar »verfehlt« und »unverhältnismäßig«, aber »vertretbar« gewesen sei. Das Klageerzwingungsverfahren scheiterte am Oberlandesgericht Frankfurt.923 Zehn Jahre später, am 30. April 1994, verstarb Schwinge 91-jährig in Marburg.
7.3
Zusammenfassung
12 »belastete« Professoren (zehn ordentliche und zwei außerordentliche) der insgesamt 17 Professoren (15 ordentliche und zwei außerordentliche) des Lehrkörpers der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät waren mit Maßnahmen der Entnazifizierung konfrontiert. Von diesen wurden drei oder 25 % (Kreller, Demelius und Haar) bis 1948 (wieder-)ernannt und konnten in ihren ursprünglichen Positionen ihre Karrieren fortsetzen. Sieben Professoren wurden im Zuge der Entnazifizierung in den Ruhestand versetzt: drei (HoldFerneck, Sperl und Vogel) davon aus Altersgründen und vier (Günther, Pfeifer, Schönbauer und Streicher) im Rahmen einer zwangsweisen Frühpensionierung. Einem der Zwangspensionierten (Pfeifer) gelang 1965 die (Wieder-)Ernennung zum ordentlichen Professor. Die übrigen beiden Professoren (Swoboda und Schwinge) wurden entlassen. Swobodas Entlassung stellte sich in weiterer Folge als Enthebung heraus. Insgesamt konnten vier bzw. ein Drittel der NS-belasteten Professoren ihre Karrieren nach kürzeren (Kreller, Demelius, Haar) oder längeren (Pfeifer) Unterbrechungen an der Universität Wien fortsetzen. Einer (Schwinge) gelangte auf eine ordentliche Professur im Ausland.
922 Zitiert nach: Garbe, Militärstrafrechtler, 1989, S. 54. 923 Holder, Furchtbare Juristen, 1998, S. 3.
8
Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät
Die beiden Theologischen Fakultäten der Wiener Universität, im Speziellen ihre Professorenschaft, erlebten sich zwischen 1918 und den 1950-er Jahren in sehr »unterschiedlicher Nähe zur jeweiligen Kirche und zum Staat in den verschiedenen Zeitläufen (NS-Staat, Ständestaat, Erste Republik)«924 und in der Anfangsphase der Zweiten Republik mit ihren restaurativen Prägungen. Die traditionsreiche Katholisch-Theologische Fakultät blieb in der NS-Zeit als einzige der »Ostmark« und als eine von acht bei 29 Universitäten im Deutschen Reich bestehen. In der Ersten Republik und im Austrofaschismus gestaltende Persönlichkeiten des politischen Lebens in Österreich stellend – ihr Moralprofessor Ignaz Seipel amtierte als Bundeskanzler, ihr Neutestamentler Theodor Innitzer war Sozialminister, dann Erzbischof von Wien, ihr Dekan vor 1938 Johannes Hollnsteiner fungierte als wichtiger Ratgeber des austrofaschistischen Staates925 –, war sie von 1938 bis 1945 auf vier Ordinarien und eine außerordentliche Professur beschränkt.
8.1
Ein wohlwollender Dekan
Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät war während der siebenjährigen NS-Herrschaft in Österreich der Wiener Ernst Tomek,926 Jahrgang 1879, Priesterweihe 1903, der nach einer Professur in Graz 1917 im Herbst 1919 vom Präsidenten der Nationalversammlung zum ordentlichen Professor für Kir924 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 89. Zur vergleichenden Ausgangslage und zur Situation der beiden Fakultäten im ersten Nachkriegsjahrzent siehe ebd., S. 89 – 91 und 117 – 120. 925 Zu dieser schillernden Persönlichkeit siehe: Friedrich Buchmayr, Der Priester in Almas Salon. Johannes Hollnsteiners Weg von der Elite des Ständestaates zum NS-Bibliothekar (Weitra 2003). 926 Nach einer Übergangszeit von einigen Monaten 1938 mit Franz Zehentbauer als kommissarischem Dekan (vgl. Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 185).
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Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät
chengeschichte und Patrologie an der Universität Wien ernannt worden war.927 Dass Tomek, der mehrmals zu Verhandlungen mit dem Kirchenministerium in Berlin weilte, das Wohlwollen des NS-Regimes besaß, dafür lassen sich mehrere Gründe anführen. An einem »Brückenschlag« zum Nationalsozialismus interessiert traf er schon im Herbst 1932 gemeinsam mit Franz Zehentbauer, ebenfalls Fakultätsmitglied, und dem Philosophen Hans Eibl »mit nationalsozialistischen Parteigenossen, darunter dem Landesinspektor Theo Habicht und dem Gauleiter Frauenfeld, zusammen um – unter Berufung auf die ›ausgezeichneten Grundsätze Hitlers‹ über das ›positive Christentum‹ in ›Mein Kampf‹ – die katholische und nationalsozialistische Weltanschauung auf mögliche Gemeinsamkeiten hin abzuklären.«928
»Im sturmbewegten Studienjahr 1933/34«929 als Rektor der Universität Wien und in den folgenden Jahren der »Systemzeit« war Tomek »erfolgreich für die Befreiung von ns Studenten aus Wöllersdorf bemüht«.930 Er wurde überhaupt als »politisch einwandfrei« – aus nationalsozialistischer Sicht – beschrieben: »Seine Einstellung zu Staat und Partei ist bejahend. Gebefreudigkeit ist erwiesen, Tomek ist Mitglied der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt).« Auch seinen Beitrag zum gängigen Antisemitismus konnte er leisten: 1941 legte sein späterer Nachfolger Franz Loidl eine Habilitationsschrift »Abraham a Sancta Clara als Vorkämpfer für deutsche Art wider Türken und Fremdländerei« vor. »Für Gutachter Ernst Tomek schien das Resultat der Untersuchung (…) in dem Abrahamischen Zitat gelegen zu sein ›können denn größere Schelmen in der ganzen Welt gefunden werden als die Juden?‹«931 Loidl bezeichnete Dekan Tomek später als Retter der Katholisch-Theologischen Fakultät in der NS-Zeit. »Dieser habe nämlich in Berlin die Behörden von der Wichtigkeit Wiens für die Ausbildung von Priestern aus den östlichen Nachbarstaaten überzeugen können.«932 Helmuth Vetter findet es allerdings »nur schwer nachzuvollziehen (…), welches Interesse die neuen Machthaber an einer derartigen Förderung des
927 Ernennungsschreiben 21. 11. 1919, UAW, Katholisch-Theologische Fakultät (THK) PA 19, o. Nr. 928 Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 183 und Anmerkung 22. 929 Festschrift ohne Datum, UAW, THK PA 19, fol. 70 – 73: Johann Kosnetter, Festschrift für Ernst Tomek zum 70. Geburtstag, 1949. Tomek habe in seinem Rektorsjahr immer wieder versucht »die Gegensätze auszugleichen und den Frieden auf dem heißen akademischen Boden zu bewahren (…) eine fast unlösbare Aufgabe. Eine Aktentasche mit einer Zeitbombe, die jemand in den Räumen des Rektorates ›vergessen‹ hatte, konnte noch rechtzeitig entdeckt und damit unermesslicher Schaden – materieller und moralischer Art – vermieden werden.« 930 Zitiert nach: Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 186. 931 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 95. 932 Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 183.
Ein wohlwollender Dekan
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Priesternachwuchses haben konnten«,933 vielleicht spielten aber Rücksichten auf das Ausland für das zuständige Ministerium eine gewisse Rolle. Ernst Tomek wurde als Dekan am 25. April 1945 vom Dogmatiker Karl Jellouschek abgelöst und am 30. September 1947 als ordentlicher Professor (wieder-)ernannt.934 Er lehrte nach seiner formalen Wiederernennung noch drei Jahre lang und trat im Herbst 1950 seinen Ruhestand an,935 nicht ohne vorher seine Nachfolge geregelt zu haben. Voraussetzungen und Art dieser »Hofübergabe« sind bezeichnend für das »enge geistige Klima« an der Fakultät und ihre rein interne Nachwuchsrekrutierung, »die Günstlinge von Professoren oder des erzbischöflichen Ordinariates klar bevorzugte.«936 »So wurde über Antrag des scheidenden Ordinarius der Priv. Dozent Dr. Loidl als ao. Prof. für Kirchengesch. ›unico loco‹ dem Ministerium vorgeschlagen (…) Dozent Dr. Wodka, wissenschaftlich zweifellos ausgezeichnet qualifiziert, wurde vom Kollegium nicht in den Vorschlag mithineingenommen, da er (so Tomek in seinem schriftlichen Memorandum) bei seiner Habilitierung dem eben Genannten das Ehrenwort gab, sich nicht um die Lehrkanzel für Kirchengeschichte bewerben zu wollen.«937
Der erwählte Franz Loidl war von Ernst Tomek schon bei seiner vom katholischen Antisemitismus geprägten Habilitationsschrift betreut worden und hatte damals erleichtert festgestellt: »[M]it der nun gegenwärtigen dritten Ausweisung dieses Fremdvolkes hat die alte Judenfrage, die all die Jahrhunderte hindurch die Gemüter des Gastvolkes erregt und zu Lösungen bewogen hat, ihren endgültigen Abschluß gefunden.«938 Schon 1938 hatte Loidl froh in die Zukunft geblickt und eine neue Aufgabe gesehen, da »unsere urdeutsche Ostmark wieder ins Gesamtreich aufgenommen ist. Geschichtsbetrachtung kann und soll nach dem äußeren Zusammenschluß den geistigen und seelischen bewirken und festigen.«939 Doch der »geistige und seelische Zusammenschluss« von Altreich und Ostmark gelang auch mit Franz Loidls Mithilfe nicht ganz. 1946 wies der gleiche Publizist in seltener Wendigkeit darauf hin, »wie sehr unsere Bevölkerung das aufdringliche preußische und nationalsozialistische System als Fremdherrschaft empfand und dessen übersatt war.«940 933 Ebd. 934 Entschließung 30. 09. 1947, UAW, THK PA 19, fol. 50. 935 Unterrichtsminister Felix Hurdes sprach ihm dazu »den wärmsten Dank und die besondere Anerkennung« aus (Ruhestandsversetzung 09. 06. 1950, UAW, THK PA 19, fol. 155). 936 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 101 f. 937 Dekanat der Katholisch-Theologischen Fakultät, Chronik 1949/50. Zitiert nach: Klieber/ Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 102. 938 Zitiert nach: Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 187. 939 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 95. 940 Franz Loidl, Entweihte Heimat. KZ-Ebensee (Linz 1946), S. 62, zitiert nach: Klieber/ Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 98. Loidl schrieb diese Broschüre im Sommer 1945 nieder und ließ sie mit amerikanischer und bischöflicher Erlaubnis drucken. Man
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Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät
Seinem Förderer Ernst Tomek bescheinigte Franz Loidl in dessen Nachruf vom Herbst 1954 »emsige Forscherarbeit und fruchtbare Publikationstätigkeit« und wies vor allem auf sein Hauptwerk, eine umfangreiche dreibändige österreichische Kirchengeschichte hin. Aber auch die Seelsorge habe der päpstliche Hausprälat von 1934 und Apostolische Protonotar von 1953 als wichtige Aufgabe gesehen: »Die Kirche der Kongregation der Dienerinnen des hlgst. Herzens Jesu in Wien III, Keinergasse, weiß davon zu erzählen, wo der Verewigte seit 1906 und dann vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten als Superior unermüdlich und erfolgreich wirkte.«941
8.2
Keine Entnazifizierung und »graue Eminenzen«
Die Katholisch-Theologische Fakultät nimmt unter den fünf Fakultäten der Wiener Universität insofern eine Sonderstellung ein, als keiner der fünf ordentlichen oder außerordentlichen Professoren von 1944 Anwärter oder Mitglied der NSDAP war und daher gegen sie keine Maßnahmen der Entnazifizierung ergriffen wurden. Die drei ordentlichen Professoren Johannes Gabriel, Alttestamentliche Wissenschaft, Karl Jellouschek, Dogmatik, und Ernst Tomek, Kirchengeschichte, wurden auf Antrag des Unterrichtsministers vom Bundespräsidenten »gemäss § 7 des Beamtenüberleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 134/45« alle am gleichen Tag, am 30. September 1947, (wieder-)ernannt.942 An die Universität Graz zurück kehrte im Oktober 1945 »auf Ansuchen des akademischen Senates« der zweite Ordinarius der Fakultät für Kirchengeschichte und Patrologie, der steirische Bauernsohn Andreas Posch.943 Nach der Aufhebung der Katholisch-Theologischen Fakultäten in Innsbruck und Salzburg im Sommer 1938 war jene der Fakultät in Graz am 1. April 1939 erfolgt. »Die Fakultät wurde mit der Wiener vereinigt und ihren Professoren in Aussicht gestellt, von Wien übernommen zu werden. Die ›Zusammenlegung‹ zeigte aber kaum Wirkung: Tatsächlich kamen bloß zehn Hörer von Graz nach Wien, und von den Professoren wirkte nur ein einziger, der Kirchenhistoriker Andreas Posch, ›in bescheidenem Ausmaß‹ am Wiener Lehrbetrieb mit.«944
941 942 943 944
muss festhalten, dass es sich dabei um eine der frühesten Auseinandersetzungen mit dem nationalsozialistischen KZ-System handelt (ebd., S. 95). Nachruf 18. 11. 1954, UAW, THK PA 19, fol. 6, 7. Entschließung Gabriel 30. 09. 1947, UAW, THK PA 32, fol. 73, Entschließung Jellouschek 30. 09. 1947, UAW, THK PA 38, fol. 4, Entschließung Tomek 30. 09. 1947, UAW, THK PA 19, fol. 50). Curriculum Vitae ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Posch, o. Nr. Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 182. Der Eid wurde Andreas Posch am Präsidium der Steiermärkischen Landesregierung vom nun kaltgestellten ehemaligen
Keine Entnazifizierung und »graue Eminenzen«
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Bezeichnend erscheint, wie nonchalant der mächtige Sektionschef im Unterrichtsministerium, Otto Skrbensky, die Rückkehr Poschs nach Graz kommentierte: »Da die reichsdeutsche Verfügung betreffend die Auflassung der kath.-theologischen Fakultät in Graz durch die 16. Kundmachung über die Aufhebung der Rechtsvorschriften des Deutschen Reiches (St.G.Bl. Nr. 75/45), wonach alle reichsdeutschen Massnahmen auf dem Gebiet des Hochschulwesens aufgehoben sind, aufgehoben wurde, ist Professor Dr. Andreas P o s c h zu Beginn des Wintersemesters 1945/46 an seinen Dienstort in Graz zurückgekehrt. Er hat dies im h.o. Bundesministerium mündlich gemeldet, ohne dass eine schriftliche Verfügung getroffen worden wäre, da es ja einer formellen Versetzung nicht bedurfte. Wegen der Frage, zu welchem Zeitpunkte ihm seitens der steiermärkischen Landeshauptmannschaft die Bezüge flüssig gemacht wurden, wolle sich die Verwaltungsstelle mit der genannten Landeshauptmannschaft ins Einvernehmen setzen.«945
Posch setzte nach 1945 seine Karriere in Graz erfolgreich fort und wurde 1950/51 und 1956/57 Dekan – ein Amt, das er dort schon 1925/26, 1930/31, 1936/37 und 1938/39 bekleidet hatte. Im Antrag auf »Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst I. Klasse«946 wird der Umstand aufgeführt, dass er zu »den führenden Kirchenhistorikern und Patrologen des deutschen Sprachraumes« gehöre und eine Reihe von wissenschaftlichen Werken in diesem Bereich publiziert habe. Als kulturhistorisch interessant sei seine 1928 in Wien erschienene Arbeit »Die deutsch-katholische Bewegung in der Steiermark« (Jahrbuch der Leogesellschaft) und seine ständige Mitarbeit an der christlichsozialen kulturellen Wochenschrift »Neues Reich«, später »Schönere Zukunft«, genannt.947 Der 1937 zum außerordentlichen Professor ernannte Johann Kosnetter war seit 1921 Mitglied des CV, nämlich der katholischen österreichischen Studentenverbindung »Aargau« gewesen. In der NS-Zeit hatte er besonders ein Publikationsverbot948 und die ausbleibende Ernennung zum ordentlichen Professor949 zu beklagen, obwohl er den ordentlichen Lehrstuhl für Neutestamentliche Wissenschaft betreute. Die Ernennung zum Professor betrieb seine Fakultät nach Kriegsende mit Nachdruck – der einstimmige Beschluss des Professo-
945 946 947 948 949
Heimwehrführer Dr. Anton Rintelen abgenommen (Eideserklärung 14. 04. 1941, ÖStA/ AdR, BMU PA Posch, o. Nr.). Schreiben 09. 05. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Posch, o.Nr., gerichtet an die Verwaltungsstelle der wissenschaftliche Hochschulen in Wien. Die (Wieder–)Ernennung mit Unterschrift Karl Renners erfolgte am 6. September 1947 (ebd., o. Nr.). Entschließung 24. 08. 1960, ebd., o. Nr. Curriculum Vitae ohne Datum, ebd., o. Nr. Kurzbiographie 10. 05. 1972 , UAW, THK PA 43, fol. 33. Mitteilung 19. 12. 1945, ebd., fol. 124.
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Die Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät
renkollegiums fiel am 19. Dezember 1945 – und erfolgte am 12. August 1946.950 Kosnetter, der im Unterschied zum Großteil seiner Amtskollegen auf eine vielseitige Ausbildung auch im Ausland verweisen konnte,951 trat mit zahlreichen Veröffentlichungen, etwa »Goethe und die Bibel« (1950) und »Nietzsche und das katholische Priesterbild« (1969) hervor und wurde am 17. Mai 1972 emeritiert.952 Von den acht Ordinarien des Studienjahres 1937/38 waren nach dem Ausscheiden der prägenden Figur der Fakultät in der NS-Zeit, Ernst Tomek, im Jahre 1950 nur noch zwei Professoren im Amt, die allein schon durch ihre Präsenz in akademischen Funktionen, aber auch durch eine konservative Ausrichtung ihrer als Kernfächer zu bezeichnenden Ordinariate zu »grauen Eminenzen« ihrer Fakultät in der ersten Phase der Zweiten Republik wurden.953 Beide bekleideten bis 1959 je drei Mal das würdevolle Amt des Dekans und je einmal jenes des Rektors, Johannes Gabriel lehrte mit Alttestamentlicher Wissenschaft, Karl Jellouschek mit Dogmatik in zentralen Bereichen der Katholisch-Theologischen Ausbildung an der Universität. Sie repräsentierten maßgeblich jene »streng neuscholastische Theologieauffassung, die das Feld legitimen Lehrens und Forschens innerhalb des gängigen kirchlichen Konstrukts eines ›Thomismus‹954 (…) sehr eng begrenzte« und »konnten sogar durchsetzen, dass alle nichtkatholischen Publikationen an der Fakultätsbibliothek versperrt und damit für die Hörer unzugänglich blieben.«955 Johannes Gabriel, 1945 49 Jahre alt, hatte schon in seiner Gymnasialzeit Arabisch an der k. k. Lehranstalt für orientalische Sprachen gehört und persische Studien betrieben. 1920 – 1922 hatte er eine Reihe von Vorlesungen aus orientalischer Philosophie an der Philosophischen Fakultät inskribiert und bereiste in der Folge fünf Mal den Orient – die Türkei, Tunesien, Ägypten, Syrien, den Irak und Indien – und besuchte dreimal Pa-
950 Ernennung 12. 08. 1946, ebd., fol. 88. 951 »Von den 22 zwischen 1935 und 1955 in nennenswertem Umfang an der Fakultät Lehrenden wurden nur drei nicht an der eigenen Fakultät akademisch geformt (…). Nur vier von ihnen studierten zudem an anderen Orten.« (Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 102). Kosnetter war 1931 – 1934 am Priesterkolleg der »Anima« in Rom und ging anschließend nach Berlin, wo er auch Vorlesungen der protestantischen Neutestamentler Hans Lietzmann und Adolf Deissmann besuchte (Pressemeldung ohne Datum, UAW, THK PA 43, fol. 73). 952 Werkliste ohne Datum, UAW, THK PA 43, fol. 33. 953 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 94. 954 Thomas von Aquin (1225/26 – 1274), wichtiger Gestalter der mittelalterlichen Scholastik. 955 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 101. Auch die alten antijudäischen Klischees waren nicht verschwunden. 1946 findet sich in einer Dissertation über Johannes Chrysostomus die Feststellung, hinter »Jehova« stehe »der Jude mit seinem gefüllten Geldsäckel« (Vetter, Katholisch-Theologische Fakultät, 1989, S. 190 und Anmerkung 48).
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lästina.956 Im Zentrum seiner Forschungen stand das Alte Testament, das er auch mit aktuellen Fragen seiner Zeit in Beziehung setzte: »Die soziale Gesetzgebung im Alten Testament« (1930), »Ist das Alte Testament Gotteswort? Widerlegung der von den Nationalsozialisten vorgebrachten Einwände gegen das Alte Testament« (1945), »Die Todesstrafe im Alten Testament« (1952), »Krieg und Frieden im Alten Testament«.957 Der Oberösterreicher Karl Jellouschek nahm mit 20 Jahren 1906 in der Schottenabtei zu Wien das Ordenskleid des heiligen Benedictus. In der Folge in dieser Abtei und im Stift Seitenstetten als Novizenmeister wirkend wurde ihm »mit Erlaß des k.k. Ministeriums für Kultus und Unterricht vom 18. September 1918 (…) die licentia docendi für spekulative Dogmatik und christliche Philosophie an der Wiener katholisch-theologischen Fakultät erteilt.«958 Seine Forschungen beschäftigen sich mit der Scholastischen Philosophie und Theologie des Mittelalters, den Hintergrund seiner konservativen Lehrtätigkeit an der Universität bildend.959 Von Jellouschek stammt – in der Chronik zum Sommersemester 1945 – der erste Bericht zur Lage der Fakultät »nach der Befreiung Wiens von der nationalsozialistischen reichsdeutschen Fremdherrschaft«. Nach Klieber und Schwarz960 war dies »bereits eingebettet in zentrale Elemente einer ›Okkupationsthese‹, mit der die österreichische Nachkriegsgesellschaft auf das zurückliegende Trauma reagierte.« Hier heißt es: »An der Fakultät herrschte ja nach den Stürmen der Belagerung der Gräuel der Verwüstung. Es war kein Hörsaal mehr benützbar. (…) Bei den Aufräumarbeiten sowie bei der Bergung der verschütteten Seminarbücher hat sich die Studentenschaft in rühmenswerter Weise betätigt.«
Die supplierenden Alt-Professoren »trugen in hervorragender Weise zur Erhaltung unserer bewährten Fakultätstraditionen in einer Zeit bei, da österreichisches Wesen allenthalben von der Gefahr der Überfremdung vom Reich her bedroht war.«961 Auch hier begegnen wir also den Maximen des Unterrichtsministers Felix Hurdes von »Erhaltung altbewährter Traditionen und österreichischen Wesens«, wofür nach 1945 Provinzialismus, Selbstrekrutierung und geistige Verengung an den österreichischen Hochschulen in Kauf genommen wurden. 956 Curriculum Vitae ohne Datum, ÖStA/AdR, BMU PA Gabriel, o. Nr., und Zeitungsartikel aus 1950, UAW, THK PA 32, fol. 47. 957 Werkliste ohne Datum, UAW, THK PA 32, fol. 72. 958 Curriculum Vitae 30. 07. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Jellouschek, o. Nr. 959 Immer wieder stand auch Thomas von Aquin im Mittelpunkt, so noch 1957 »Das Immerdauernde in der theologischen Methode des heiligen Thomas von Aquin« (Werkliste ohne Datum, UAW, THK PA 38, fol. 25 f.). 960 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 92. 961 Zitiert nach: ebd., S. 92 f.
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Die Professoren der Evangelisch-Theologische Fakultät
9.1
»Bis hin zur Gefährdung meiner sozialen sowie physischen Existenz« – der Eiferer Gustav Entz
War die Person ihres »staatsbejahenden« und angepassten Dekans von 1938 bis 1945, Ernst Tomek, von wichtig schützender Bedeutung für die KatholischTheologische Fakultät in diesen Jahren, so gilt dies in noch umfassenderem und prägenderem Maße für Gustav Entz und die Evangelisch-Theologische Fakultät. In beiden Fällen ist man versucht, das kircheninterne Bild von Hirt und Herde zu gebrauchen. Vom Unterrichtsminister der Regierung Seyß-Inquart fast unmittelbar mit dem »Anschluss« zum Dekan ernannt,962 blieb er dies für 11 Jahre bis 1949, in der NS-Zeit wie in der Phase der Entnazifizierung und Rehabilitierung vom Vertrauen seiner Kollegenschaft getragen. Die erhaltenen schriftlichen Äußerungen des Professors für Praktische Theologie sind zahlreich, aber nicht in wissenschaftlicher Arbeit, sondern in Eingaben, Briefen, Zeitungsbeiträgen, Beschwerden und Denkschriften, in eigener Sache oder in Sachen seiner Kirche, oft im Zustand der Erregung, immer gefühlsbetont verfasst.963 Rupert Klieber und Karl Schwarz, hier den katholischen Theologen Johannes Hollnsteiner zum Vergleich heranziehend, führen aus: »An den besonders schillernden Gestalten Entz und Hollnsteiner zeigt sich (…) überdeutlich die Gefahr, die nicht nur in jenen Jahren gerade geistig rege Zeitgenossen bedrohte. Sie verfügten über Eigenschaften, die in ruhigen Zeiten für die Betroffenen selbst und das Gemeinwohl durchaus nützlich sind: wie intellektuelle Flexibilität, gesunder Ehrgeiz und das Bedürfnis nach gesellschaftlicher Anerkennung. Unter den Bedingungen eines Unrechts-Regimes jedoch führten sie sehr leicht zu bedenklichen Verstrickungen und ließen die Betroffenen im Nachhinein oft in einem Maße als charakterschwache ›Wendehälse‹ erscheinen, wie es den komplexen Prozessen ihrer 962 Am 16. März 1938 (Ansuchen um Entregistrierung 30. 05. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Entz). 963 Den Abschluss bilden »Erinnerungen aus 50 Jahren kirchlicher und theologischer Arbeit.« (maschinschriftliches Manuskript, Wien 1950).
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Die Professoren der Evangelisch-Theologische Fakultät
Entwicklung sowie ihrer subjektiv empfundenen Überzeugung wohl nicht gerecht wird.«964
Die »subjektiv empfundene Überzeugung« des Gustav Entz in den 1930-er Jahren: Er war begeisterter Nationalsozialist, der sich selbst und seiner Protestantischen Kirche eine wichtige Rolle im Kampf gegen das »gegenreformatorische System« des Austrofaschismus beimaß, und er liebte seinen Führer Adolf Hitler in persönlichem Glauben und persönlicher Hoffnung. Dies bestätigte auch der Dozentenbundführer Arthur Marchet in seinem manchmal scharfsinnigen Urteil:965 »(…) dass politisch Entz zweifellos ein Mann sei, der unseren Führer verehrt (…), seine Liebe zum Führer (ist) tief in ihm verankert.« An Teilelementen dieser Liebe und an der Fiktion, dass Hitler von den kirchenfeindlichen Maßnahmen der NSDAP nichts gewusst habe und sie seinen eigenen Intentionen zuwider gelaufen seien, hielt er noch in seinen »Lebenserinnerungen« aus der Mitte der 1950-er Jahre fest. Sofort nach dem »Anschluss« trat Gustav Entz als förderndes Mitglied der SS bei und wurde Anwärter der NSDAP.966 Da traf ihn ein gewaltiger Schock: Sein Ansuchen um NSDAP-Mitgliedschaft wurde mit 5. April 1939 mit der lakonischen Begründung »mangels der hiezu notwendigen Voraussetzungen« abgelehnt.967 Der verstörte und aufgestörte Professor setzte alle Hebel in Bewegung, er intervenierte und ließ intervenieren, um eine Rücknahme dieser Entscheidung zu erreichen, doch als Ergebnis ließ ihn der zuständige Kreisleiter wissen, dass »im Interesse der weltanschaulichen Sauberkeit der Partei (…) kein Maßstab streng genug sein« könne.968 Hinter dieser Verweigerung der Mitgliedschaft für Gustav Entz stand einerseits die Weisung von Rudolf Hess, »Theologen, Juden, Erbkranke, Fremdenlegionäre usw.« von der NSDAP fernzuhalten – in dieser gewollt diffamierenden Auflistung natürlich in höchstem Maße kränkend für ihn969 –, anderseits die Befürchtung, durch die Aufnahme einer so exponierten kirchlichen Persönlichkeit wie Gustav Entz, »den religiösen Kampf in die Partei hineinzutragen.«970 Im Zuge seines ruhelosen Streitens um eine NSDAP-Mitgliedschaft trat Entz in persönlichen und brieflichen Kontakt mit dem stellvertretenden Gauleiter von Wien, Karl Scharizer, der ihm in einem Schreiben vom 14. März 1940 die Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 118 f. Gutachten 09. 08. 1947, UAW, Evangelisch-Theologische Fakultät (THE) PA 50, fol. 9. Fragebogen ca. 1939, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. Entregistrierungsansuchen 30. 05. 1947, ebd., o. Nr. Zitiert nach: Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 107. Schreiben an die Gauleitung Wien der NSDAP zuhanden des Stellvertretenden Gauleiters, Oberführer SS Scharizer vom 28. Mai 1940, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. 970 Schreiben der Geheimen Staatspolizei an das Reichspropagandaamt Wien vom 07. 11. 1941, zitiert im Bericht des BMU zum Fall Entz vom 09. 08. 1947, UAW, THE PA 50, fol. 7.
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Der Eiferer Gustav Entz
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bittere Pille der Ablehnung versüßen wollte, den er am 3. Mai traf und an den er »in Ergänzung meiner damaligen Mitteilungen« am 28. Mai eine 24-seitige Beschwerdeschrift, seine Ablehnung und die Lage der Evangelischen Kirche betreffend, richtete. Spätestens um diese Zeit hatte nämlich im Denken des Gustav Entz eine bemerkenswerte Umkehrbewegung eingesetzt, die ihn von der unbelohnten Liebe zum »Führer« zur wortgewaltigen Kirchenklage wandte. Mit diesem Schreiben an Scharizer setzen die beredten, bis ins kleinste Detail gehenden Klagen und Beschwerden des Kirchenmannes gegen kirchenfeindliche – genauer : gegen evangelische Bewohner der Ostmark gerichtete – Reflexe und Maßnahmen von NS-Parteifunktionären ein, wie sie ihm durch Zeugen, vom Superintendenten bis zum einfachen Laien, von allen Seiten her berichtet wurden. Es ging um Parteiaustrittsaufforderungen an Theologen, Diffamierungen des Christentums in parteinahen Publikationen, antichristliche Agitation in NSSchulungsvorträgen, Forderungen nach Kirchenaustritt an Parteimitglieder, Boykotte christlicher Begräbnisse durch SA-Begleitabordnungen, Behinderung von Taufen und vieles andere. Diese Praxis der Aufdeckung und Auflistung setzte Entz in einem »Trauerprozess« über sein eigenes Schicksal und das Schicksal seiner Kirche, ein treffender Ausdruck von Karl Schwarz,971 in mehreren Eingaben an hohe Parteifunktionäre – an Scharizer, an Staatssekretär Muhs, an Reichsleiter Schirach, an Hitler selbst – in den folgenden Jahren fort, wie er in einem von der Gestapo geforderten Bericht am 29. September 1944 festhielt.972 Nach dem Ende der NS-Zeit wurden diese Memoranden zu einem Zeugnis des evangelischen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus stilisiert.973 Der zur »Bekennenden Kirche« gezählte bayerische Landesbischof Hans Meiser nannte sie »ein kirchenpolitisches Dokument allerersten Ranges« – ein Dokument, das zeige, dass die evangelische Kirche »ihr Wächteramt« ausgerichtet habe »in den gefahrvollsten Stunden unseres Volkes«.974 Gustav Entz selbst wurde zum streitbaren Widerstandskämpfer – eine Rolle, an deren Ausbildung er nach 1945 selbst wie selbstverständlich mitwirkte: Er habe sich »am kirchlichen Abwehrkampf gegen den Nationalsozialismus« beteiligt »bis hin zur Gefährdung meiner Freiheit und sozialen sowie psychischen Existenz.«975 Nur haben seine Memoranden zwei entscheidende Schönheitsfehler : Sie waren nicht geschrieben »im kirchlichen Abwehrkampf gegen den Nationalso971 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 108. 972 Bericht 29. 09. 1944, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. 973 Siehe das Dokumentationswerk in sieben Eingaben »Verschlusssache betr. den politischen Kampf der ev. Kirche in der Ostmark verfasst von Prof. D. Gustav Entz (Ev. ZA Berlin C2/115, teils publ. in Hermelink 1950: 668ff« (Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 108). 974 Zitiert nach: ebd., S. 109. 975 Entregistrierungsansuchen 30. 05. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr.
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zialismus«, wie er selbst nachträglich behauptet, sondern um antikirchliche Reflexe und Maßnahmen innerhalb der NSDAP zu Nutzen und Heil dieser Partei aufzudecken und abzustellen und der religiös-gläubigen Bevölkerung den Glauben an diese Partei und letztlich an den »Endsieg« aufrecht zu erhalten. Zweitens findet sich in den Memoranden kein Wort einer Kritik an Ideologie und Praxis dieser Partei eben außerhalb des kirchlichen Segments, etwa kein Wort zum Leidensweg des jüdischen Volkes – im Gegenteil. Entz war selbst Antisemit, seit 1939 Mitarbeiter am »Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben« und zeigte noch in Vorträgen der 1950-er Jahre antisemitische Tendenzen. In einem unvermuteten, an Hitler gemahnenden Wutausbruch in seinem Schreiben an den SS-Oberführer Scharizer vom 28. Mai 1940 rief Entz aus: »Und man darf (…) am allerwenigsten die christliche Sache selbst, die Gestalt Jesu und sein Wort, in Acht und Bann tun und aus dem Herzen unseres Volkes reissen. Jetzt ist es aber dazu gekommen, dass der übelste antichristliche Aufkläricht jüdisch-liberaler und jüdisch-marxistischer Provenienz, wenn auch ›nordischer‹ Tarnung, in breitester Front in unsere nationalsozialistische Bewegung eingebrochen ist! Jetzt wird in offiziellen Schulungskursen Christus und sein Wort verhöhnt, verzerrt und auf die Seite des Judentums gestossen!«976
Hier sprach ein Eiferer ganz spezifischer Prägung. Im Februar 1944 tätigte »Axmann, Hauptstelle Sonderfragen« folgenden Vermerk: »Am 3. 2. 1944 wird mir von der Geheimen Staatspolizeistelle Wien vertraulich mitgeteilt, dass der Universitätsprofessor Dekan Entz eine neue Denkschrift vorbereitet (…). Es wird empfohlen, irgendwie dagegen vorzugehen, damit Entz seine Arbeit nicht fortführen kann.«977
Er erschien dem NS-Staat langsam gefährlich, 1947 berichtete Entz selbst: »Tatsächlich erschienen am 28. September 1944 um 1/2 8 Uhr früh 2 Beamte der Geheimen Staatspolizei im Auftrag ihrer Berliner Zentrale zum Zweck einer Hausdurchsuchung in meiner Wohnung und beschlagnahmten eine Fülle von Material, das mir bei meinen Eingaben als Grundlage gedient hatte. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass ein Weiterbestand des nationalsozialistischen Regimes für mich schwere Repressalien zur Folge gehabt hätte.«978
Schon am Tag nach der Hausdurchsuchung, am 29. September 1944, lieferte Gustav Entz den »gewünschten Bericht« über Art und Adressaten seiner Ein-
976 ebd. 977 Gutachten 09. 08. 1947, UAW, THE PA 50, fol. 10. 978 Entregistrierungsansuchen 30. 05. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr.
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gaben an die Gestapo und zeigte in dessen letzten Absätzen seine Haltung in diesen Monaten – wirklich ohne persönliche Rücksichten – auf: »Es ist leider nichts anderes als die nackte und bittere Wahrheit, wenn ich in meiner letzten Eingabe an Reichsleiter von Schirach geschrieben habe, dass die erdrückende Mehrheit des deutschen Volkes die antichristliche Haltung der Partei mit Hass beantwortet und dass unter dem Druck dieser Stimmung unser Volk die ungebrochene Freudigkeit verloren hat, auf den Sieg zu hoffen und den Sieg zu wünschen. In meinem ganzen nunmehr 60jährigen Leben habe ich für den Großdeutschen Gedanken gearbeitet. In unserer nationalen Verfolgungszeit habe ich für die Idee und das Werk des Führers gekämpft, und zwar gekämpft bis zum vollen Einsatz meiner sozialen Existenz. Und das herzlichste Vertrauen, die ganz persönliche Liebe und Verehrung für die Person des Führers war der Leitstern meines politischen Denkens, Hoffens und Handelns. Diese meine persönliche Haltung hat mir nicht nur das moralische Recht verliehen, sondern mir zugleich die Pflicht und den zwingenden inneren Antrieb auferlegt, die Behörden in Partei und Staat bittend und warnend auf den Abgrund hinzuweisen, dem die antichristliche Kulturpolitik unweigerlich entgegentreibt. Gott segne den Führer!«979
Bemerkenswert an diesen Zeilen sind unter anderem der stark emotionale Abschiedsgruß an den langjährigen fernen geliebten »Führer« und der Hinweis auf den inneren Zwang, der den Gottesmann Entz weitertreibt bis an den Rand eines immer wieder – im Austrofaschismus und im Dritten Reich – riskierten Märtyrertums. Die ungemein wechselvollen Zeitläufe in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hätten Gustav Entz noch einmal die Chance gegeben, mit seiner »sozialen Existenz« für seine bisher so feurig vertretenen Ansichten einzustehen. Das neu erstandene Österreich versuchte mit einer diskutierbaren, aber umfassend angegangenen Entnazifizierung den Boden für eine demokratische Weiterentwicklung des Landes zu bereiten. Der weiter amtierende Dekan füllte am 25. Juli 1945 das »Personenstandesblatt«980 aus, alle Fragen zu einer NS-Vergangenheit beantwortete er mit großen, durchgestrichenen Nullen: Anwärter zur NSDAP: nein – er war es 1938 bis 1939, Mitglied der SS: nein – er war förderndes Mitglied seit 1. 4. 1938, Mitglied im Reichsluftschutzbund: nein – er war es seit 11. Mai 1939, Mitglied der NSV: nein – er war es. Auch 1947, als er schon einiges zugeben musste, gebrauchte der »unerschrockene Streiter für Wahrheit und Recht«981 Vertuschungen und Ausflüchte: »Er habe sich tatsächlich im Frühjahr 1938 (…) um die Aufnahme in die NSDAP beworben. Er habe dies auf den ausdrücklichen Rat des damaligen Rektors (…) getan, 979 Bericht 29. 09. 1944, ebd., o. Nr. 980 Personenstandesblatt 25. Juli 1945, ebd., o. Nr. 981 Parte 16. 10. 1957, UAW, THE PA 50, fol. 13.
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aber auch in der Überzeugung, durch einen derartigen Schritt (…) etwas zum Schutze seiner Fakultät (…) beitragen zu können.«982
Zu seiner Kampfschrift »400 Jahre Protestantismus in Österreich«, erschienen 1937 und sein ganzer Stolz, hatte er in einem Brief an Gauleiter Bürckel vom 14. März 1940 ausgeführt, »[d]ass diese Schrift in der illegalen SA und SS als Schulungsbehelf in tausenden von Exemplaren verbreitet war.«983 1947 flüchtete er sich wie der Großteil der Professoren, die im Zuge der Entnazifizierung befragt wurden, in Unwissenheit: »Von einer Aeusserung der ehemaligen Kreisleitung der NSDAP, seine Broschüre sei eine NS-Propagandaschrift, habe er nie etwas gehört. Es entziehe sich auch seiner Kenntnis, bis zu welchem Grad seine Schrift von den Illegalen gelesen worden ist.«984 Die im Wesentlichen nach formalen Kriterien vorgehende Entnazifizierung befand sich im Fall Entz in einer gewissen Schwierigkeit. Zwar wurde er am 28. Mai 1946 am Magistratischen Bezirksamt Wien 18 als Nationalsozialist registriert, er weigerte sich aber, die Meldung zur Registrierung aus eigener Initiative durchzuführen.985 Das BMU stellte diesbezüglich fest: »Bei der Bezugsregelung für September 1946 (…) wurde Prof. Entz nicht einbezogen, da die Klarstellung wegen seines Vehältnisses zur NSDAP damals nicht möglich war. Es wurden ihm die erstarrten April 1945 Bezüge (…) weiterbelassen.«986 Am 30. Mai 1947 suchte Entz »um Ausnahme von der Verzeichnung in den besonderen Listen« gemäß NSG 1947 an. Er argumentierte: »Der Grund der Ablehnung987 lag in dem Umstand, dass ich Geistlicher bin. Eine Aufnahme als Parteianwärter fand also bei mir nie statt, viel mehr wurde mein Antrag a limine988 abgelehnt.«989 Knapp zwei Monate nach diesem Ansuchen ließ der zu politischen Stellungnahmen wieder aufgelegte Dekan »eine ›Denkschrift über das Problem der Entnazifizierung an den Alliierten Rat‹ erscheinen, die durchdrungen ist von dem Gedanken, dass das in den Abgrund versunkene Unrechtssystem nur dann restlos überwunden wird, wenn ›die früheren Ungerechtigkeiten (nicht) mit neuen Ungerechtigkeiten übertrumpft‹ werden. Vor einem solchen Weg, der dazu führen könnte ›dass den Gespenstern der Vergangenheit neues Leben eingeflösst wird‹, will er nachdrücklich warnen.«990
982 983 984 985 986 987 988 989 990
Brief an Skrbensky in Gutachten 09. 08. 1947, ebd., fol. 9 – 10. Gutachten 09. 08. 1947, ebd., fol. 4. Gutachten 09. 08. 1947, ebd., fol. 10. Ansuchen um Entregistrierung 30. 05. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. Aktennotiz 06. 08. 1947, ebd., o. Nr. Der Mitgliedschaft bei der NSDAP. Lateinisch »von der Schwelle«, kurzerhand, von vornherein, ohne Prüfung in der Sache. Ansuchen um Entregistrierung 30. 05. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 111.
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Diese Denkschrift, die zu einer praktisch bruchlosen Kontinuität im Hochschulprozess aufforderte, hatte unmittelbar einen Untersuchungsbericht des Unterrichtsministeriums zum Fall Gustav Entz zur Folge, der ausführlich und kritisch seine NS-Vergangenheit referiert. Zu besagter Denkschrift heißt es abschließend: »Wäre das Elaborat nicht veröffentlicht, sondern nur einem kleinen Kreis mit der Denazifizierung befasster Persönlichkeiten zur Kenntnis gebracht worden, so würde es jedenfalls nicht Anlass gegeben haben, der Person des Dr. Entz weiterhin in politischer Beziehung mit einer gewissen Skepsis gegenüber zu stehen.«991
Zur Skepsis gab wohl auch das von ihm mit Andreas Rohracher, Erzbischof von Salzburg, gegründete »Soziale Hilfswerk« Anlass, das sich für internierte Parteigenossen eingesetzt und mit Nachdruck die Begnadigung der Inhaftierten gefordert hatte.992 Ein Einsatz solcher Färbung wurde auch seinen von der Entnazifizierung betroffenen Fakultätskollegen zuteil, etwa dem systematischen Theologen Hans Wilhelm Schmidt, seit 1939 ordentlicher Professor in Wien und NSDAP-Mitglied. In einer Erklärung von Oktober 1946 hob Entz den Anteil Schmidts an seinen eigenen Denkschriften hervor, zählte dessen Verdienste in der Abwehr kirchenfeindlicher Maßnahmen der Partei auf und schloss im Tenor seiner Denkschrift zur Entnazifizierung: »Wenn es gelingen soll, den spezifisch-nazistischen Geist von innen heraus zu überwinden, so wird es notwendig sein, sich der Mitarbeit solcher Männer wie Prof. Schmidt zu versichern. Umgekehrt wäre ihre Zurückweisung und Ausschaltung aus der Arbeit des kulturellen Wiederaufbaus eine tatsächliche Ungerechtigkeit, die im Effekt auf eine Glorifizierung des überwundenen Systems hinauslaufen würde.«993
Also eine Warnung davor, Märtyrer des Nationalsozialismus zu schaffen, wird ausgesprochen – eine Überlegung, die, käme sie nicht gerade von Gustav Entz und seinen Intentionen, in einer differenzierten Konzeption einer Entnazifizierung auch als Aufarbeitung la longue ihren Platz hätte. Inzwischen schwenkte die »Entnazifizierung light« des Gustav Entz in eine »Normalisierung« ein. Dasselbe Aktenstück des Bundesministeriums für Unterricht, das eingangs »erstarrte April 1945 Bezüge« an ihn konstatiert hatte, verzeichnet abschließend »mit Rücksicht darauf, dass Prof. Entz nicht nur seit Wiedererrichtung der Republik Oesterreich ununterbrochen in Dienstverwendung steht, sondern zugleich auch Dekan ist und nach einer i.k.W.994 mit Herrn Sekt.ch. Dr. Skrbensky gepflogenen Rücksprache 991 992 993 994
Ein achtseitiger Text vom 9. August 1947 (UAW, THE PA 50, fol. 3 – 11). Ebd. Beurteilung 02. 10. 1946, ÖStA/AdR, BKA Entnaz. Hans Wilhelm Schmidt, o. Nr. bedeutet wahrscheinlich: »in kollegialer Weise«.
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Die Professoren der Evangelisch-Theologische Fakultät
kann mit der Überleitung des Genannten in das GUeG (Gehaltsüberleitungsgesetz) vorgegangen werden.«995
Acht Monate nach dem Ansuchen des Professors entschied auch die Beschwerdekommission am BMI mit Bescheid vom 19. Jänner 1948, Entz »von der Verzeichnung als Nationalsozialist in den besonderen Listen« auszunehmen,996 und sieben Wochen später wurde er als ordentlicher Professor an der Universität Wien (wieder-)ernannt.997 Klieber und Schwarz charakterisieren Gustav Entz als »eine der widersprüchlichen Persönlichkeiten der Universitätsgeschichte des 20. Jahrhunderts«.998 Beachten wir eine weitere Facette, sehen wir ihn als engagierten und freudigen Arbeiter und Lehrer in Ruinen, wenn er am Ende seines Lebens – er wurde 1955 emeritiert und verstarb 1957 – in seinen Lebenserinnerungen zum Jahr 1945 schrieb: »Äußerlich betrachtet haben wir unter geradezu jämmerlichen Verhältnissen gearbeitet, in verwüsteten Räumen, in Kälte und Hunger, und zwar Kälte und Hunger im krassen Sinne des Wortes (…). Aber es war doch eine schöne Arbeit, ja ich darf sagen, dass diese schwere Zeit des Wiederaufbaus der Fakultät in gewisser Weise die schönste Zeit war, die ich überhaupt an der Fakultät verbracht habe.«999
9.2
Zwei nationale Theologen und ein Mann des Friedens
Für Gustav Entz war es ein niederschmetterndes Erlebnis, dass ihm die Mitgliedschaft bei der NSDAP verweigert wurde, nach dem Krieg allerdings erreichte er seine Entregistrierung als Parteianwärter mit der Konstruktion, als Geistlicher sei ihm das Ansuchen um Mitgliedschaft schon a limine verschlossen und er daher nie Anwärter gewesen. Umso verwunderlicher erscheint, dass zwei seiner drei Professorenkollegen an der Fakultät sehr wohl Parteimitglieder werden konnten: Hans Wilhelm Schmidt 1934 in Deutschland, Fritz Wilke 1940 in Wien. Fritz Wilke wurde 1879 in Greifenberg, Pommern geboren und studierte in Halle an der Saale und Greifswald Theologie und orientalische Sprachen. Schon mit 1. August 1910 wurde er ordentlicher Professor für Alttestamentliche Wissenschaft und Biblische Archäologie in Wien, wobei während seines dritten 995 996 997 998 999
Aktennotiz 06. 08. 1947, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. Bescheid 19. 01. 1948, ÖStA/AdR, BMU PA Entz, o. Nr. Mitteilung 10. 03. 1948, ebd., o. Nr. Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäeten, 2005, S. 107. Zitiert nach: ebd.
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Dekanats1000 1920/21 die Evangelisch-Theologische Fakultät, die bis dahin selbständig war, in die Universität Wien inkorporiert wurde1001 und er zugleich das 100-jährige Bestehen dieser Fakultät (gegründet 1821 unter Kaiser Franz I.) feiern konnte. Schon vor 1914 stand Wilke im nationalen Lager : 1898 wurde er Mitglied der Schwarzburgverbindung »Tuiskonia« Halle und 1899 der Schwarzburgverbindung »Sedinia« Greifswald, dem Deutschen Klub gehörte er seit 1913, dann dem Kyffhäuserbund und der Nordischen Gesellschaft, aber auch etwa dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein an.1002 Für die Zeit vor 1938 belegte er, dass er in öffentlichen Reden und Schriften »den Sieg des Nationalsozialismus in Österreich vorzubereiten« half, dass er »der deutschen Gesandtschaft durch deren Pressechef in dem genannten Sinne fortlaufend Informationen zukommen« ließ und dass er verfolgte Angehörige der NSDAP und deren Familien »durch ausgiebige Geldzuwendungen regelmäßig unterstützt«, wofür er Belege vorbringen konnte..1003 Im Frühsommer 1938 suchte er etwa gleichzeitig mit Gustav Entz um die Aufnahme in die NSDAP an. In einem Schreiben teilte das »Mitgliedschaftsamt« München dem Gauschatzmeister des Gaues Wien der NSDAP am 8. Jänner 19411004 mit, dass der damals 62-jährige Theologieprofessor »nach entsprechender parteigerichtlicher Behandlung« und Antrag des Kreisgerichtes Wien I vom 6. September 1940 »zum 01. 05. 1938« unter der Mitgliedsnummer 6.293.472 in die NSDAP aufgenommen wurde. Dieses bevorzugte Aufnahmedatum und die Sechsmillionennummer erhielt er aufgrund der angeführten »Verdienste« in der Zeit des Austrofaschismus. Nach April 1945 konnte auch Wilke selbst sich nur schwach erinnern. Im »Personenstandesblatt« gab er am 31. Juli das Jahr 1940 für eine Anwärterschaft und 1942 für die Mitgliedschaft bei der NSDAP an, die Mitgliedsnummer war ihm unbekannt. Genaueres gab er zu den »erlittenen Nachteile[n] 1938 bis 1945« an: »Verbot von Doktorierungen mit Hebräisch als Hauptfach. Einstellung der Bezüge als Lehrbeauftragter der Philos. Fakultät«.1005 Schon einen Monat vorher hatte Wilke um »Nachsicht seiner Registrierung« beim zuständigen Bezirksamt angesucht1006 und vor allem die Tatsache angeführt, dass er die »Knebelung allen bodenständigen österreichischen Lebens (…) als kulturelles Unheil empfunden« habe, wobei das Gesuch von der ÖVP, von Gustav Entz und dem Dekan der Philosophischen Fakultät Czermak unterstützt wurde. Am 29. März 1946 wurde 1000 Er bekleidete zwischen 1911 und 1937 insgesamt sechsmal das Amt des Dekans (Fragebogen 21. 04. 1949, UAW, THE PA 14, fol. 44). 1001 Kurzbiographie 05. 07. 1954, UAW, THE PA 14, fol. 17. 1002 Personalfragebogen der NSDAP 09. 06. 1938, BA PA Wilke, fol. 137. 1003 Ebd. und ZEST-Auskunft 30. 07. 1948, WStLA, Gauakt Wilke 83204. 1004 Mitteilung 08. 01. 1941, BA PA Wilke, o. Nr. 1005 Personenstandesblatt 31. 07. 1945, ÖStA/AdR, BMU PA Wilke, o. Nr. 1006 Schreiben 20. 06. 1945, UAW, THE Dekanat Gz. 426/2 aus 1945.
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Fritz Wilke »von dem zur Entnazifizierung bestellten Ministerkomitee« seines Amtes enthoben und seine Bezüge wurden auf 150 Schilling monatlich reduziert.1007 Unverzüglich setzt sich Dekan Entz für sein Fakultätsmitglied ein und prahlt zugleich mit seinen Beziehungen: »Wie mir Montag, den 1. April im Unterrichtsministerium durch Herrn Dr. Otruba mitgeteilt und seither am Donnerstag, den 4. April durch Herrn Sektionschef Dr. v. (sic) Skrbensky, persönlich bestätigt wurde, ist (…) Dr. Fritz Wilke durch Beschluss des Ministerrates mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand versetzt worden.«
Hier folgte also auf die Enthebung unmittelbar die Pensionierung, die Auszahlung der Pensionsbezüge mahnte Entz bei der Verwaltungsstelle der Hochschulen sofort ein.1008 Der Professor in Ruhe – in seiner Stellung mit 67 Jahren ein »Frühpensionist« – hielt ohne Unterbrechung seine Vorlesungen weiter ab, 1946/ 47 mit »N. N.«, 1947/48 gar nicht im Vorlesungsverzeichnis angekündigt. Wilke galt als evangelischer Alttestamentler für unersetzbar. Auf ihn bezog sich das Bonmot Skrbenskys, dass in Wien nicht nur »schwarz geschlachtet«, sondern auch »schwarz gelesen« werde.1009 Für 1948 erreichte Entz die Betrauung Wilkes als Lektor, von 19491010 bis 1954 lehrte er als Honorarprofessor, wobei letztlich betont wurde, dass er insgesamt 99 Semester, davon 91 in Wien, der akademischen Lehrtätigkeit gewidmet habe.1011 Seine Schriften sind mit zeittypischen Bezügen weit gestreut. Sie reichten vom Jugendstilthema »Das Frauenideal und die Schätzung des Weibes im Alten Testament« (1907) über den Text einer Festrede »Zu Bismarcks 100. Geburtstag« (1915) bis zu »Der Sozialismus im hebräischen Altertum« (1921).1012 Fritz Wilke wurde in einer von der Gemeinde Wien in Obhut genommenen Grabstelle auf dem Neustifter Friedhof bestattet. Hans Wilhelm Schmidt, 1903 in München geboren, also wie Fritz Wilke »reichsdeutscher« Herkunft, war das zweite Mitglied der NSDAP auf einem Lehrstuhl der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Der ordentliche Professor für Systematische Theologie wich unmittelbar nach Kriegsende nach Bayern aus, kehrte aber – von der Fakultät ausdrücklich gewünscht – im März 1946 nach Wien zurück und füllte den Fragebogen der Alliierten Kommission Österreich am 18. April dieses Jahres aus.1013 Von der Sonderkommission I. Instanz wurde der vom BMU enthobene Schmidt mit Entscheid vom 6. Mai 1946 für »tragbar« 1007 1008 1009 1010 1011 1012 1013
Mitteilung 29. 03. 1946, ÖStA/AdR, BMU PA Wilke, o. Nr. Schreiben 08. 04. 1946, ebd., o. Nr. Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 110. Bestellung 21. 07. 1949, ÖStA/AdR, BMU PA Wilke, o. Nr. Kurzbiographie 05. 07. 1954, UAW, THE PA 14, fol. 17. Werkverzeichnis ohne Datum, ebd., fol. 48. Fragebogen der Alliierten Kommission Österreich am 18. April, ÖStA/AdR, BKA MK Entnaz. Hans Wilhelm Schmidt, o. Nr.
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erklärt.1014 Dekan Gustav Entz setzte sich Anfang Oktober 1946 entschieden für Schmidt ein und richtete am 11. Dezember dieses Jahres einen dringenden Hilferuf an das Unterrichtsministerium, in dem er den »Eintritt der vollen Katastrophe« für seine Fakultät beschwor, wenn das jetzt zuständige Ministerkomitee diesen Theologen von der Lehrtätigkeit ausschließen würde.1015 Vizekanzler Adolf Schärf ersuchte – ebenfalls auf Intervention des unermüdlichen Dekans – Rektor Adamovich um eine Äußerung zur Causa Schmidt, die am 21. Dezember 1946 in für seine Weiterverwendung positivem Sinne erfolgte.1016 Die Stellungnahme des Rektors wurde dann dem Ministerkomitee bei der Behandlung des Dr. Schmidt auf Wunsch des Vizekanzlers vorgetragen und dieser bis Ende Wintersemester 1946/47 im Dienste belassen.1017 Doch schon Anfang Februar 1947 wandte sich Dekan Entz in dieser Angelegenheit erneut an den Rektor : »Ich erlaube mir, Ihnen folgenden Bericht zu machen: Am Samstag, den 1. Februar d. J. erschien in meiner Dekanatskanzlei ein Polizeibeamter und forderte, während ich selbst mich in der Sitzung des Akademischen Senats befand, den in der Kanzlei gerade anwesenden Professor für Systematische Theologie und Neutestamentliche Wissenschaft, Hans Wilhelm Schmidt, auf, ihm auf die Fremdenpolizei in der Sonnenfelsgasse zu folgen.«1018
Dort sei dieser mit der Anklage konfrontiert worden, er halte sich widerrechtlich in Wien auf und seine Hinweise auf Rückberufung durch die Fakultät und Weiterbelassung im Amte durch das Ministerkomitee seien mit der Feststellung beantwortet worden, »dass nur die Fremdenpolizei über die Berechtigung seines Aufenthaltes zu entscheiden habe.« Zwar sei Schmidt nach Aufnahme eines Protokolls wieder entlassen worden, doch seien weitere polizeiliche Schritte gegen ihn zu befürchten. Eine Aktennotiz vom 19. Februar 1947 hielt fest, dass die Fremdenpolizei Hans Wilhelm Schmidt als »Reichsdeutschen« ausweisen wolle, dass diese Maßnahme aber »über Auftrag des Bundesministers Helmer und über Intervention des Herrn Vizekanzlers Schärf (…) vorläufig sistiert« sei.1019 Im Sommersemester 1947 verhafteten sowjetische Soldaten Schmidt während einer Vorlesung. Zwar konnte Dekan Entz über Vermittlung der Alliierten Militärregierung und über eine neuerliche Intervention Schärfs – bemerkenswert ist das mehrmalige Eintreten des SPÖ-Spitzenpolitikers für den evangelischen Theologen – seine Freilassung erwirken, doch verzichtete 1014 1015 1016 1017 1018 1019
Beurteilung 02. 10. 1946, ebd., o. Nr. Schreiben 11. 12. 1946, ebd., o. Nr. Beurteilung 21. 12. 1946, ebd., o. Nr. Ersuchen 27. 12. 1946, ebd., o. Nr. Bericht 04. 02. 1947, ebd., o. Nr. Ebd.
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Die Professoren der Evangelisch-Theologische Fakultät
Schmidt im Herbst 1947 auf eine Rückkehr nach Wien und trat in den Dienst der Bayerischen Landeskirche.1020 Erst 15 Jahre später kam es zu einer akademischen Rehabilitierung Schmidts durch eine ordentliche Professur an der Universität Erlangen-Nürnberg. Die Evangelisch-Theologische Fakultät liegt mit 75 % von Maßnahmen der Entnazifizierung betroffenen Professoren im Durchschnitt der Universität Wien. Der einzige nicht mit einer NS-Vergangenheit behaftete Ordinarius war der Senior der Fakultät, das 1945 bereits 69-jährige Mitglied der Mährischen Brüder Josef Bohatec. Bohatec war ein Mensch und Forscher ganz anderer emotionaler und geistiger Herkunft als die seiner drei Professorenkollegen des Augsburger Bekenntnisses. Diese waren – nicht unwesentlich schon in Opposition zum politischen Katholizismus im Österreich der Zwischenkriegszeit – kämpferisch deutschnational und den Ideen einer in die nationalsozialistische Weltanschauung eingebundenen evangelischen Kirche aufgeschlossen. Der Altösterreicher Bohatec zeigte sich den Friedensidealen seiner religiösen Gemeinschaft verbunden, dazu als unermüdlicher und tiefschürfender Forscher der Tagespolitik fernstehend und als Polyhistor von umfassender Geistigkeit in religionen- und völkerverbindenden Dimensionen denkend. Er wurde 1876 als Sohn eines Bauern in Kochow in Mähren geboren. »Kochow, damals kaum mehr als ein stiller Weiler mit etwa 40 Häusern und den zu ihnen gehörigen bäuerlichen Anwesen und etwas über 200 Einwohnern tschechischer Nationalität, gehörte zur reformierten Pfarre Wanowitz, einer der ehrwürdigen Toleranzgemeinden (gegründet 1782), in denen sich die Reste der böhmisch-mährischen Brüder zur Zeit Kaiser Josefs des II. sammelten.«1021
Der nicht genannte Verfasser eines Nachrufs auf Josef Bohatec1022 sprach von einer »eigentümlichen Würde und erzieherischen Kraft einer solchen Umgebung, dieser sich durch Jahrhunderte fortsetzenden Verschmelzung von slawischem, sich seines Wertes und seiner Geschichte bewussten Bauerntums und einer unerschütterlichen demütigen evangelischen Frömmigkeit.«
Das zweite frühe prägende Element für den Forscher Bohatec stellte »die ernste Zucht des altösterreichischen Gymnasiums« in Brünn dar, das sich nicht nur in der »Tradition des eigentlich humanistischen Bildungsgutes, sondern auch durch Weckung des historischen Sinnes durch Schulung in den lebendigen Sprachen und ihren Literaturen, durch Unterricht in Mathematik und Natur1020 Klieber/Schwarz, Theologische Fakultäten, 2005, S. 110 f. 1021 Nachruf ohne Datum, UAW, THE PA 52, fol. 98 – 99. 1022 Ebd.
Zwei nationale Theologen und ein Mann des Friedens
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wissenschaften« hervortat.1023 Nach der Matura studierte Bohatec in Wien – wo er 1902 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät ein Stipendium erhielt –, Prag, Halle, Berlin und Erlangen die Fächer Theologie, Philosophie, Klassische und Germanistische Philologie und Jurisprudenz, eine beeindruckende Vielfalt seiner Interessen bekundend. 1912 habilitierte er sich für Kirchen- und Dogmengeschichte an der Universität Bonn und wurde 1916 ordentlicher Professor für Dogmatik, Symbolik, Ethik, Kirchenrecht und Religionsphilosophie an der Universität Wien.1024 Im Verzeichnis dieser Universität von 1944 wird er noch als Fürsorgereferent und Direktor des Kirchenrechtlichen Seminars genannt. Josef Bohatec blieb trotz ehrenvoller Berufungen nach Prag und Amsterdam in Wien, wobei er mit der 1937 auf holländisch in den Niederlanden erscheinenden Schrift »Das Verhältnis von Staat und Kirche in Österreich«1025 ein entscheidendes Thema dieser Jahre beleuchtete. Er blieb über seine Emeritierung 1947 hinaus in der Lehre tätig und verwaltete seinen Lehrstuhl bis zur Ankunft seines Nachfolgers Johann Karl Egli 1951. Die Ehrungen für den verdienstvollen Forscher zeigen seinen europäischen Rang:1026 Bohatec wurde mit vier Ehrendoktoraten (Prag, Bonn, Amsterdam und Wien) ausgezeichnet, war Ehrenmitglied der Pilgrim Fathers Society in Leiden, wirkliches Mitglieder der Historisch Genootschap in Utrecht und Ehrenprofessor der Reformierten Theologischen Hochschule in Ppa und der Universität Debrecen in Ungarn.1027 Im Zentrum seiner Forschungen standen die Gestalt und das Weiterwirken des Reformators Johannes Calvin. Davon zeugen etwa seine Bücher »Calvins Vorsehungslehre« (1909), »Die Organismusidee in der Gedankenwelt Calvins« (1926) oder »Calvins Lehre von Staat und Kirche« (1937) wie auch ein 2.500 Seiten umfassender Text in seinem Nachlass zu »Calvins Staatsverfassung und ihr Einfluss auf die neueste Zeit«.1028 »Seine ganze Liebe« gehörte aber auch »dem Gegenstande, der ihn jahrelang beschäftigte, der Gestalt und dem Werke des großen christlichen russischen Denkers und Dichters Dostojewskij«.1029 Seine Heimstatt in Wien, wo er mit seiner Frau und Mitar1023 Ebd. 1024 Die Umstände dieser Berufung schildert detailreich Karl Schwarz in dem Aufsatz »Josef Bohatec – ein Calvinforscher aus Österreich«. Ihm verdanken wir auch eine Bibliographie zu Bohatec, siehe Karl Schwarz, Bibliographie Josef Bohatec (1876 – 1954). In: Jahrbuch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 99/100 (1983/84), S. 38 – 44. 1025 Werkliste ohne Datum, UAW, THE PA 52, fol. 113. 1026 Auf der Basis seiner außerordentlichen Sprachbegabung: Neben seiner Muttersprache tschechisch und den biblischen Sprachen beherrschte er perfekt Deutsch, Niederländisch, Russisch, Französisch, Englisch und Italienisch. 1027 Lebenslauf ohne Datum, UAW, THE PA 52, fol. 111. 1028 Werkliste, ebd., fol. 113. 1029 Bericht von Grete Mecenseffy ohne Datum, ebd., fol. 96 – 97. »Lebensphilosophie Dostojewskijs« 1951.
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Die Professoren der Evangelisch-Theologische Fakultät
beiterin Martha, geborene Helmer, lebte, wird als ein »Hort des Friedens und Segens für alle, die dort verkehrten« beschrieben1030 und war, kann man hinzufügen, auch ein Hort der überkonfessionellen Begegnungen und der Völkerverständigung.1031 Seine letzten Forscherjahre widmete Bohatec dem zukunftsträchtigen Thema der »Genese der Menschenrechte«,1032 auch hier sich als eine »Zierde der Universität« in problematischen Jahren in seiner Wahlheimat Österreich erweisend.
1030 Ebd. 1031 Gesucht vom Ehepaar Bohatec auch im Rahmen der »Evangelischen Allianz« in Wien ab 1931. 1032 Zu diesem Thema hinterließ er 2.000 Manuskriptseiten (Werkliste ohne Datum, UAW, THE PA 52, fol. 113).
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
Zwei gegenläufige Prozesse lassen sich ab Ende April 1945 als Reaktion auf die Tatsache ausmachen, dass drei Viertel der Professorenschaft der Universität Wien Anwärter oder Mitglieder der NSDAP, anders gesehen Mitläufer, organisierte Anhänger, Nutznießer, Funktionsträger und Drahtzieher des nationalsozialistischen Systems waren, nämlich jener der Entnazifizierung und jener der Amnestien, der Rehabilitierung. Der erste Prozess setzte für unsere Gruppe sehr rasch und auch gründlich ein, verzahnte sich um 1947 mit dem zweiten, verebbte dann und wurde mit etwa Ende 1947 im Wesentlichen beendet. Der zweite, als Gegenbewegung fast von Anfang an bemerkbar, verstärkte sich ab 1947/48 schrittweise und blieb bis in die späten 1950-er Jahre wirksam. Bevor nun ein Blick auf gesamtuniversitäre Prozesse geworfen wird, sollen zuvor die beiden großen Fakultäten gesondert einer abschließenden Betrachtung unterzogen werden. Innerhalb der Philosophischen Fakultät waren 53 (77 %) der insgesamt 69 Professoren Anwärter oder Mitglieder der NSDAP, womit 36 (75 %) der 48 Mitglieder der ordentlichen und 17 (81 %) der 21 Mitglieder der außerordentlichen Professorenschaft Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogen wurden (vgl. Grafiken 1 – 3). Für 24 der 53 NS-belasteten Professoren der Fakultät bedeutete dies eine Enthebung vom Dienst, für 15 dieser Gruppe eine Entlassung ohne Fortzahlung von Bezügen und die verbleibenden 14 wurden als sogenannte »Reichsdeutsche« außer Dienst gestellt (vgl. Grafik 4). Ein Teil der NS-Belasteten erfuhr in weiterer Folge eine Behandlung durch besondere Organe der Entnazifizierung: So unterzog die Sonderkommission I. Instanz rund ein Drittel (16 Professoren) einer Untersuchung, erließ allerdings im Verhältnis 4:1 positive Erkenntnisse für die Betroffenen und erklärte diese für den Universitätsbetrieb als »tragbar« (vgl. Grafik 5). Das Ministerkomitee zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen widmete sich innerhalb der Philosophischen Fakultät 11 Fällen und sprach sich in seinen Entscheidungen bei zehn für eine Weiterbelassung im Dienst aus (vgl. Grafik 6). In Vollzug des Nationalsozialistengesetzes 1947 wurden nur vier der 30 noch
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Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
registrierten Professoren als »belastet« eingestuft, der Großteil als »minderbelastet«. Das bedeutete für fast die Hälfte der entlassenen Professoren eine nunmehrige Versetzung in den Ruhestand – eine Maßnahme, der bei der Entnazifizierung der Professorenschaft insgesamt großes Gewicht zukam. Die vorzeitige Pensionierung mit oder ohne Abzüge beim Ruhegenuss kam bei nicht weniger als 22 Professoren mit einem Durchschnittsalter von 57,3 Jahren (vgl. Grafik 7) dieser Fakultät zur Anwendung, also bei 42 % der 53 Entnazifizierten (vgl. Grafik 8). Werfen wir nun einen Blick auf die Phase der Rehabilitierung und Reintegration, so ergibt sich für die Professorenschaft der Philosophischen Fakultät folgendes Bild: Nur wenige der 53 ns-belasteten Wissenschafter gingen als Folge der Entnazifizierung ganz oder zeitweise in die Privatwirtschaft (sechs bzw. 11 %, vgl. Grafik 9) oder verfolgten zumindest zeitweise eine wissenschaftliche Karriere im außeruniversitären Bereich (neun oder 17 %, vgl. Grafik 10). Die Mehrzahl der Professoren, nämlich 37 (70 %) – 24 der ordentlichen und 13 der außerordentlichen Professoren – konnten nach einer Unterbrechung von wenigen Jahren ihre Karrieren an einer in- oder ausländischen Universität wieder aufnehmen bzw. fortsetzen (vgl. Grafik 11). 21 davon gelang dies an der Universität Wien oder an einer anderen österreichischen Hochschule (vgl. Grafik 12). An der Medizinischen Fakultät lag der Anteil der »belasteten« Professoren mit 24 (83 %) von 29 – 22 ordentliche und 7 außerordentliche – über jenem der Philosophischen Fakultät (77 %), wobei bei über der Hälfte dieser Gruppe (13 bzw. 54 %) das Datum des Beitritts oder der Anwärterschaft vor 13. März 1938 auszumachen ist (vgl. Grafik 14). Zudem sticht der hohe Anteil an SA- bzw. SSFunktionären an dieser Fakultät ins Auge: Nicht weniger als 11 und im Vergleich zur Philosophischen Fakultät mehr als dreimal so viele Professoren waren Mitglied in einer dieser beiden Organisationen, was einem Anteil von 38 % an der gesamten medizinischen Professorenschaft entspricht (vgl. Grafik 19). Ein weiterer Aspekt, der einen wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden Fakultäten bezeugt, sei an dieser Stelle hervorgehoben: nämlich die Frage, an welchem Ort sich die betreffenden Professoren am Stichtag 10. April 1945, während des »Kampfes um Wien«, aufhielten. Wie viele hatten sich nach Westen abgesetzt, wer war in der Stadt oder in »Ostösterreich« geblieben? Während an der Medizinischen Fakultät 21 bzw. 72 % der gesamten Professorenschaft ihren Aufenthaltsort am 10. April 1945 mit Wien oder Ostösterreich angaben, so taten dies an der Philosophischen Fakultät lediglich 28 bzw. 40 % – 41 Professoren dieser Fakultät hatten die Stadt oder die Region zu diesem Zeitpunkt verlassen (vgl. Grafik 20). Nehmen wir die gesamtuniversitäre Situation ins Blickfeld, so zeigt sich, dass 92 der 124 Professoren (74 %) aus dem Jahr 1944 der NSDAP als Mitglieder oder
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
265
Anwärter angehörten und Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogen waren (vgl. Grafik 21). An der Spitze findet sich hier die Medizinische Fakultät (83 %), gefolgt von der Philosophischen (77 %), der Evangelisch-Theologischen (75 %) und der Staats- und Rechtswissenschaftlichen (71 %), während die KatholischTheologische Fakultät »unbelastet« blieb (vgl. Grafik 22). 21 dieser Gruppe von 92 Professoren wurden als »Reichsdeutsche« »außer Dienst gestellt«, während 29 bzw. 32 % der übrigen Hochschullehrer eine Behandlung durch die Sonderkommission I. Instanz erfuhren. Dies betraf mehr als die Hälfte der juridischen Professoren, rund ein Drittel jener der Philosophischen und der Evangelisch-Theologischen Fakultät und ein Fünftel der Mediziner (vgl. Grafik 23). Die Sonderkommission erließ im Verhältnis 4:1 positive Bescheide für die Betroffenen und erklärte diese somit mehrheitlich für »tragbar« (vgl. Grafik 24). Das Ministerkomitee im Bundeskanzleramt zur Säuberung der höchsten Staats- und Wirtschaftsstellen von Nazielementen (»Figlkomitee«) behandelte insgesamt 20 bzw. 22 % der »belasteten« Professoren, von denen 18 ein positives und zwei ein negatives Gutachten erhielten (vgl. Grafik 25). Eine Maßnahme, der bei der Entnazifizierung der Professorenschaft insgesamt großes Gewicht zukam, war die vorzeitige Pensionierung. Diese Sanktion – mit oder ohne Abzüge beim Ruhegenuss – kam bei nicht weniger als 35 Professoren unserer Gruppe zur Anwendung, das bedeutet bei 38 % der 92 Entnazifizierten (vgl Grafik 26). Auf die Fakultäten und auf die Gesamtzahl der jeweiligen Professoren aufgeschlüsselt betraf die vorzeitige Pensionierung ein Drittel der philosophischen sowie medizinischen Professorenschaft und ein Viertel jener der Rechts- und Staatswissenschaftlichen sowie der EvangelischTheologischen Fakultät (vgl. Grafik 27). Dieser Umstand leitet uns auf den zweiten Schwerpunkt der Betrachtung über, den Prozess der Amnestien und der Rehabilitierung, der die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse und die einschlägige Gesetzgebung des Jahres 1948 und der Folgejahre widerspiegelt. Hier seien einige Eckdaten mit besonderer Berücksichtigung der Universitätskarrieren resümiert: 56 – also fast zwei Drittel – der insgesamt 92 nationalsozialistisch »belasteten« Professoren konnten ihre Laufbahn an einer österreichischen oder ausländischen Universität oder Hochschule fortsetzen, 30 von ihnen gelang dies an der Universität Wien. Vollständig wurden in diesem Zusammenhang die drei »belasteten« evangelisch-theologischen Professoren in den universitären Betrieb re-integriert, aber auch die Professoren der Philosophischen Fakultät konnten zu 70 % (37 der 53 NS-Belasteten) ihre Karrieren an Universitäten fortsetzen. An der Philosophischen Fakultät der Universität Wien erreichten nicht weniger als 15 Wissenschaftler bis Ende der 1950-er Jahre wieder den 1944 innegehabten Status als ordentliche bzw. planmäßig außerordentliche Professoren. Die sechs letzteren setzten sämtlich ihre Karrieren nach einigen Jahren mit der Ernennung zu or-
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Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
dentlichen Professoren fort. Weniger stark ausgeprägt zeigt sich die Re-Integration natioalsozialistisch »belasteter« Hochschullehrer an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen und an der Medizinischen Fakultät: Hier gelang knapp der Hälfte der Betroffenen eine zweite Karriere an einer in- oder ausländischen Universität oder Hochschule (vgl. Grafik 28). Ein bezeichnendes Schlaglicht auf die Verhältnisse an der Wiener Universität wirft eine Einsicht in die Rektorenliste der ersten anderthalb Nachkriegsjahrzehnte. Von den 14 Rektoren zwischen 1945 und 1960 gehörten nicht weniger als zehn zum Lehrkörper von 1944,1033 mit dabei die beiden »Grauen Eminenzen« der Theologischen Fakultät Johannes Gabriel und Karl Jellouschek, beide zur Zeit des Austrofaschismus zu ordentlichen Professoren ernannt. Mit in dieser Gruppe finden sich – die zunehmende Rehabilitierung der in den Nationalsozialismus involvierten Professoren anzeigend – der Chirurg Leopold Schönbauer, zum ordentlichen Professor ernannt 1939, NSDAP-Anwärter 1940, Rektor 1953/54 und der Gynäkologe Tassilo Antoine, ordentlicher Professor 1943, Parteianwärter 1942, Rektor 1959/60. Die vollständige Verflüchtigung jedes Unrechtsbewusstseins die NS-Vergangenheit betreffend mag schließlich das Rektorat des Mathematikers Nikolaus Hofreiter bezeichnen, Parteianwärter 1938, Mitglied 1941, zum außerordentlichen Professor ernannt 1939, Rektor 1965/66. Die Entnazifizierung bedeutete für einen beträchtlichen Teil der behandelten Professorengruppe – die ordentlichen und außerordentlichen Professoren aller Fakultäten der Universität des Sommersemesters 1944 – also grundsätzlich eindeutig keinen Bruch, man muss viel eher von einem – widrigenfalls nach einigen Jahren – vorübergehenden »Einbruch« sprechen. Wenn man erreichtes tatsächliches Emeritierungsalter und Todesfälle mitberücksichtigt, ist festzuhalten, dass spätestens mit dem Jahr 1960 ein Gutteil der Professoren seine vorherige Position wieder erreicht, ja ausgebaut hatte. Amnestien und Rehabilitierungen führten zu einem erstaunlichen Ausmaß an Kontinuität, die Maßnahmen der Entnazifizierung blieben für die betroffenen Männer ein vorübergehender – fallweise allerdings tiefer – Einbruch, der schon nach zwei, drei, seltener mehr Jahren zur Episode geriet.1034 Entnazifizierung und Rehabilitierung liefen ganz überwiegend als rein ju1033 Johann Sölch (Rektor 1947/48), Wolfgang Denk (1948/49), Richard Meister (1949/50), Johannes Gabriel (1950/51), Alfred Verdroß-Droßberg (1951/52), Wilhelm Czermak (1952/53), Leopold Schönbauer (1953/54), Karl Jellouschek (1955/56), Erich Schenk (1957/ 58) und Tassilo Antoine (1959/60). 1034 Der ganze Umfang der Rehabilitierung und »zweiten Karrieren« konnte auf Basis der bisher vorliegenden Forschungsergebnisse nicht vollständig zum Ausdruck gebracht werden, er liegt etwa über den von Gernot Heiss dazu getätigten Aussagen (Heiss, Wendepunkt, 2005, besonders S. 37).
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
267
ristische, behördlich gesteuerte Prozesse ab, die fast nur die formalen Tatsachen von NSDAP-Mitgliedschaft, -Anwärterschaft und Zugehörigkeit zu Umfeldorganisationen der NSDAP berücksichtigten, wie auch Herbert Matis in Bezug auf die Österreichischen Akademie der Wissenschaften beklagt.1035 Mit Hinweis auf die Schlüsselrolle des zuständigen Sektionschefs im Unterrichtsministerium, Otto Skrbensky, ist darauf hinzuweisen, dass sehr wohl weltanschauliche und im Speziellen parteipolitische Gewichtungen den Entnazifizierungsprozess im Hochschulbereich beeinflussten. Den ganz geringen Ansätzen einer Einbeziehung von wissenschaftlicher Arbeit und Lehre in zu verfolgende Berücksichtigung wurde mit Bezug auf die Entnazifizierung gesondertes Augenmerk geschenkt. Davon aus- und weitergehend wurde die wissenschaftliche Tätigkeit von betroffenen Professoren vor und nach 1945 an einigen Beispielen einander gegengestellt.1036 Voraussetzungen, Methoden, Bereiche und Themen von Forschung an der Universität Wien rund um diese tiefgehende weltanschauliche Zäsur vergleichend zu betrachten – da eröffnet sich ein weites Feld.
1035 Matis, Akademie, 1997, S. 67. 1036 In diesem Zusammenhang ist auf das Fehlen einer Biographie über den »allgegenwärtigen« Richard Meister hinzuweisen, Professor, Funktionsträger und fruchtbarer Schriftsteller an der Universität Wien in der Ersten Republik, im Austrofaschismus, in der NSZeit und der Zweiten Republik, etwa noch in der NS-Zeit mit der Abfassung einer Geschichte der ÖAW betraut, die er dann zum Jubiläum 1947 fertigstellte.
268
69 Professoren
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
16 unbeanstandet (23%) 53 Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogen (77%)
Grafik 1: Phil. Fak. NS-Belastung
48 Professoren
12 unbeanstandet (25%) 36 Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogen (75%)
Grafik 2: Phil. Fak. ordentliche Professoren
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
21 außerordentliche Professoren
4 unbeanstandet (19%) 17 Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogen (81%)
Grafik 3: Phil. Fak. außerordentliche Professoren
69 Professoren
16 unbeanstandet (23%) 24 enthoben (35%)
53 Maßnahmen der Entnazifizierung unterzogen (77%)
15 entlassen (22%) 14 als Reichsdeutsche außer Dienst gestellt (20%)
Grafik 4: Phil. Fak. Entnazifizierungsmaßnahmen
269
270 53 entnazifizierte Professoren
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse 37 (70%)
16 (30%) von Sonderkommisssion I. Instanz behandelt
3 „nicht tragbar“ (negativ)
12 „tragbar“ (positiv) 1 nicht zuständig
Grafik 5: Phil. Fak. Sonderkommission I. Instanz
53 entnazifizierte Professoren
42 (79%)
11 von Ministerkomitee behandelt (21%) 1 Weiterbelassung abgelehnt
10 weiterbelassen
Grafik 6: Phil. Fak. Ministerkomitee
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse 71 Jahre (gesetzliches Pensionsalter) 57,3 Jahre (durchschnittliches Alter bei vorzeitiger Pensionierung)
Grafik 7: Phil. Fak. Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung I 53 entnazifizierte Professoren
31
22 vorzeitig pensioniert (42%)
Grafik 8: Phil. Fak. Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung II
271
272 53 entnazifizierte Professoren
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse 47
6 ganz oder zeitweise in die Privatwirtschaft gegangen (11%)
Grafik 9: Phil. Fak. Privatwirtschaft
53 entnazifizierte Professoren
44
9 ganz oder zeitweise wissenschaftliche Karriere im außeruniversitären Bereich (17%) Grafik 10: Phil. Fak. Außeruniversitärer Bereich
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse 53 entnazifizierte Professoren
273
16
37 zweite Karriere an einer in- oder ausländischen Universität oder Hochschule (70%)
Grafik 11: Phil. Fak. Zweite Karriere an einer Universität oder Hochschule
53 entnazifizierte Professoren
32
21 zweite Karriere an der Universität Wien (oder an einer anderen österreichischen Universität oder Hochschule) (40%) Grafik 12: Phil. Fak. Zweite Karriere an einer österreichischen Universität oder Hochschule
274
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
53 entnazifizierte Professoren
37
16 zweite Karriere an einer ausländischen Universität oder Hochschule (30%) Grafik 13: Phil. Fak. Zweite Karriere an einer ausländischen Universität oder Hochschule
29 Professoren
5 unbeanstandet (17%) 24 Anwärter oder Mitglieder der NSDAP (83%)
13 vor dem 13.03.1938 (54%)
11 nach dem 13.03.1938 (46%)
Grafik 14: Med. Fak. NS-Belastung
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
29 Professoren
8 geborene Wiener (28%)
15 geboren in der österreichischen Hälfte der Donaumonarchie (55%)
5 geborene Reichsdeutsche (17%) Grafik 15: Med. Fak. Herkunft
29 Professoren 5 Professoren unbeanstandet (17%)
7 Professoren verstorben (29% der Entnazifizierten)
24 Professoren entnazifiziert (83%)
Grafik 16: Med. Fak. 1945 – 1955 verstorben
275
276
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
5 ordentliche Professoren unbeanstandet (29%)
17 Professoren
10 ordentliche Professoren entnazifiziert (59%)
71%
2 außerordentliche Professoren entnazifiziert (12%) Grafik 17: Jur. Fak. NS-Belastung
12 Professoren entnazifiziert
5 Professoren zweite Karriere an einer Universität oder Hochschule (41%)
1 Professor zweite Karriere an einer ausländischen Universität oder Hochschule (8%) 4 Professoren zweite Karriere an einer österreichischen Universität oder Hochschule (33%)
Grafik 18: Jur. Fak. Zweite Karriere an einer Universität oder Hochschule
277
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
Philosophische Fakultät 69 Prof.
Medizinische Fakultät 29 Prof. 18 (62%)
61 (88%)
11 bei der SA oder SS (38%)
8 bei SA oder SS (12%)
Grafik 19: SA und SS Mitglieder von Gesamtzahl der Professoren der Phil. und Med. Fak.
Philosophische Fakultät 69 Prof. 41 sonstig (60%)
Medizinische Fakultät 29 Prof. 8 sonstig (28%) 5
10 in Ostösterreich (14%) 18 in Wien (26%)
in Ostösterreich (17%)
16 in Wien (55%)
Grafik 20: Aufenthaltsort der Professoren der Phil. und Med. Fak. am Stichtag 10. 04. 1945
278
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
124 Professoren 32 Professoren unbeanstandet (26%) 92 Professoren entnazifiziert (74%)
0 Prof. Kath. Fak. 53 Prof. Phil. Fak. (58%)
24 Prof. 12 Prof. 3 Prof. Med. Fak. Jur. Fak. Evang. Fak. (26%) (13%) (3%)
Grafik 21: Entnazifizierte Professoren Fakultätenvergleich I Evang. 4 Prof. Philosophische 69 Professoren
Medizinische 29 Professoren
53 Professoren (77%)
24 Professoren (83%)
Jurid. Kath. Fakultät 17 Prof. 5 Prof.
12 Prof. 0 Prof. (71%) 3 Prof. (75%)
unbeanstandete Professoren entnazifizierte Professoren
Grafik 22: Entnazifizierte Professoren Fakultätenvergleich II
279
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
Philosophische 53 Professoren
Medizinische 24 Professoren
Evang. 3 Prof. Jurid. Fakultät 12 Prof.
16 Professoren (30%)
5 Professoren (21%)
7 Prof. (58%) 1 Prof. (33%)
von der Sonderkommission I Instanz behandelt
Grafik 23: Sonderkommission I. Instanz Fakultätenvergleich I
29 Professoren
3 Prof. 19% negativ
1 Prof. 20% negativ
1 Prof. 14% eingestellt 2 Prof. 29% negativ
12 Prof. 75% positiv
16 Prof. Phil. Fakultät
4 Prof. 80% positiv
5 Prof. Med. Fakultät
4 Prof. 57% positiv
7 Prof. Jur. Fakultät
100% negativ
1 Prof. 6% eingestellt
1 Prof. Evang. Fakultät
Grafik 24: Sonderkommission I. Instanz Fakultätenvergleich II
280
Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse
124 Professoren 32 Professoren unbeanstandet (26%)
2 Prof. negativ (10%)
92 Professoren entnazifiziert (74%)
18 Prof. positiv (90%)
20 Prof. von Ministerkomitee behandelt (22% der Entnazifizierten) Grafik 25: Behandlung durch Ministerkomitee gesamt
124 Professoren 32 Professoren unbeanstandet (26%) 92 Professoren entnazifiziert (74%)
35 Prof. in den vorzeitigen Ruhestand versetzt (38% der Entnazifizierten) Grafik 26: Vorzeitige Ruhestandsversetzung gesamt
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Resümee und graphische Darstellung der Ergebnisse Evang. 4 Prof. Medizinische 29 Prof.
Philosophische 69 Prof. 16 Professoren (23%)
31 Professoren (45%)
22 Professoren (32%)
5 Professoren (17%)
16 Professoren (55%)
8 Professoren (33%)
Jurid. 17 Prof.
Kath. 5 Prof.
Fakultät
5 Prof. (29%)
1 Prof. (25%)
8 Prof. (47%)
2 Prof. (50%)
4 Prof. (24%)
1 Prof. (25%)
nicht beanstandet entnazifiziert ohne Ruhestandsversetzung im Zuge der Entnazifizierung vorzeitig in den Ruhestand versetzt
Grafik 27: Vorzeitige Ruhestandsversetzung Fakultätenvergleich Philosophische 69 Prof.
Medizinische 29 Prof.
Jurid. Evang. Fakultät 17 Prof. 4 Prof.
37 Professoren (70%)
11 Professoren (46%)
5 Prof. 3 Prof. (41%) (100%)
53 Professoren entnazifiziert
24 Professoren entnazifiziert
12 Prof. entnaz. 3 Prof. entnaz.
Fortsetzung der Karriere an einer österreichischen oder ausländischen Universität oder Hochschule
Grafik 28: Zweite Karriere an einer Universität oder Hochschule Fakultätenvergleich
Biogramme der Professoren Philosophische Fakultät Ordentliche Professoren
UAW, Wilhelm Bauer, 106.I.115 Bauer, Wilhelm, geb. 31. 05. 1877 in Wien, gest. 23. 11. 1953 in Linz, o. Prof. der Allgemeinen Geschichte der Neuzeit (Universität Wien ab 09. 07. 1930), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB 01. 01. 1938, Mitglied der NSDAP 01. 01. 1941 (Nr. 8.468.169). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Historischen Seminars, Direktor des Institutes für Geschichte des Postwesens. Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, enthoben 06. 08. 1945, Versetzung in den Ruhestand mit 10 % Kürzung 28. 01. 1946, Erkenntnis Sonderkommission: »nicht tragbar« 19. 06. 1946.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 02. 06. 1931 – 03. 05. 1939, Wirkliches Mitglied 04. 05. 1939 – 23. 11. 1953.
Baumann, Hermann, geb. 09. 02. 1902 in Freiburg im Breisgau, gest. 30. 06. 1972 in München, o. Prof. der Völkerkunde (Universität Wien ab 11. 12. 1939), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: Kampfbund für deutsche Kultur, NSDDB, NSV, RLB, Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB), Mitglied der NSDAP 01. 08. 1932 (Nr. 1.256.683), politischer Leiter, NSSchriften. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Völkerkunde. Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, enthoben 04. 08. 1945, vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: o. Prof. an der Universität München 1955 – 72, Ehrenmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Anthropologie.
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Biogramme der Professoren
Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (AÖAW), Bildarchiv, Otto Brunner, P-0649-B, a
UAW, Wolfgang Buddenbrock-Hettersdorf, 106.I.1843
Brunner, Otto, geb. 21. 04. 1898 in Mödling, gest. 12. 06. 1982 in Hamburg, o. Prof. der Mittleren und Neueren Geschichte, mit besonderer Berücksichtigung der südostdeutschen Landesgeschichte (Universität Wien ab 10. 07. 1941), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Buddenbrock-Hettersdorf, Wolfgang, geb. 25. 03. 1884 in Bischdorf (Niederschlesien), gest. 11. 04. 1964 in Mainz, o. Prof. der Zoologie (Universität Wien ab 01. 04. 1942), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP 01. 07. 1938, Mitglied November 1943 (Nr. 9.140.316). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter des Instituts für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft, Mitdirektor des Historischen Seminars.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, enthoben 04. 08. 1945, Erkenntnis Sonderkommission »tragbar« 07. 05. 1946, Versetzung in den Ruhestand 26. 08. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: o. Prof. an der Universität Hamburg 1954 – 68, Rektor 1959/ 60.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1939 – 19. 07. 1944, Wirkliches Mitglied 20. 07. 1944 – 1954, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 1954 – 12. 06. 1982.
Nationalsozialismus: Stahlhelm 1925 – 1934.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: o. Prof an der Universität Mainz 1946 – 54, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Halle 1936.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 17. 07. 1943 – 19. 07. 1944, Wirkliches Mitglied 20. 07. 1944 – 23. 08. 1945, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 24. 08. 1945 – 11. 04. 1964.
285
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Viktor Christian, P-0644-B
UAW, Wilhelm Czermak, 105.P 41
Christian, Viktor, geb. 30. 03. 1885 in Wien, gest. 28. 05. 1963 in Walchsee (Tirol), o. Prof. der Altsemitischen Philologie und Orientalischen Archäologie (Universität Wien ab 01. 11. 1930), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Czermak, Wilhelm, geb. 10. 09. 1989 in Wien, gest. 13. 03. 1953 in Wien, o. Prof. der Ägyptologie und Afrikanistik (Universität Wien ab 24. 08. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP 29. 05. 1933, Mitglied 19. 05. 1938 (Nr. 6.122.801), SS April 1938, Sturmbannführer 09. 03. 1943. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Orientalischen Instituts, Dekan 18. 04. 1939, Prorektor Sommersemester 1944, Rektor 10. 04. 1945.
Nationalsozialismus: Keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Ägyptologie und Afrikanistik.
Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945, Strafsache am Wiener Landesgericht 1947/48, nach NSG 1947 »belastet«. Rehabilitierung: Versetzung in den Ruhestand 24. 03. 1950.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, Direktor des Instituts für Ägyptologie und Afrikanistik, Dekan 20. 04. 1945, Rektor 17. 06. 1952, Vorstandsmitglied der Wiener Sprachgesellschaft und der Wiener Anthropologischen Gesellschaft, Mitglied des Deutschen Archäologischen Institutes und des Governing Body of the International African Institute, London.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Ehrenmitglied der Anthropologischen Mitglied im Inland 29. 09. 1939 – 30. 10. 1945, Gesellschaft 1955, Erneuerung des Doktordiploms Wirkliches Mitglied 31. 10. 1945 – 13. 03. 1953. an der Universität Wien (Goldenes Doktordiplom) 10. 06. 1960.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1938 – 1939, Wirkliches Mitglied 1939 – 28. 05. 1963 (im Almanach 1948 noch nicht wieder als Mitglied geführt).
286
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Herbert Duda, 0682-B
UAW Ludwig Ebert, 106.I.1065
Duda, Herbert Wilhelm, geb. 18. 01. 1900 in Linz, gest. 16. 02. 1975 in Wien, o. Prof. der Turkologie (Universität Wien ab 08. 02. 1943), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Ebert, Ludwig, geb. 19. 06. 1894 in Würzburg, gest. 02. 11. 1956 in Wien, o. Prof. der Chemie mit besonderer Berücksichtigung der Physikalischen Chemie (Universität Wien ab 01. 08. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSLB, NSV, SA-Reitersturm Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter Breslau 1937. Ämter und Funktionen 1938 – 45: und Funktionen 1938 – 45: Direktor des I. Direktor des Orientalischen Instituts. Chemischen Labors. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 20. 09. 1946, Dekan 1947/ Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Verleihung 48 und 1948/49, Prodekan 1949/50, Direktor des der österreichischen Staatsbürgerschaft 19. 07. 1946, (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. 10. 11. Orientalischen Instituts, vertretungsweise 1947, Direktor des I. Chemischen Labors, Member Vorstand des Instituts für Zeitungswissenschaft ab 01. 10. 1962, Emeritierung im Sommersemester of the New York Academy of Sciences. 1970. Großes Silbernes Ehrenzeichen für ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Verdienste um die Republik Österreich, Mitglied im Inland 29. 07. 1941 – 17. 07. 1943, Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft Wirkliches Mitglied 18. 07. 1943 – 02. 11. 1956. und Kunst 1960, Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien, Goldene Ehremedaille der Hammer-Purgstall-Gesellschaft, Ehrenmitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 1971, korrespondierendes Mitglied des Türk Dil Kurumu, Ankara.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 01. 01. 1948 – 16. 02. 1975.
287
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Rudolf Egger, 0690-B
Aus: Bachmayer/Zapfe: Kurt Ehrenberg zum 75. Geburtstag_1972
Egger, Rudolf, geb. 11. 04. 1882 in Bruck an der Mur, gest. 07. 05. 1969 in Wien, o. Prof. der Römischen Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik (Universität Wien ab 30. 09. 1929), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Ehrenberg, Kurt, geb. 22. 11. 1896 in Wien, gest. 06. 10. 1979 in Baden bei Wien, o. Prof. der Paläontologie und Paläobiologie (Universität Wien ab 13. 11. 1942), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP Juli 1938, Mitglied Anfang 1940. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Archäologisch-Epigraphischen und des Althistorischen Seminars, Direktor der Zweigstelle Wien des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 01. 1941 (Nr. 9.025892). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Paläontologischen und Paläobiologischen Instituts.
Entnazifizierung: Entlassen 02. 07. 1946, nach NSG 1947 »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben 24. 07. 1947, Versetzung in den Ruhestand mit 1/3 Kürzung bis zum 70. Lebensjahr 29. 09. 1947.
Entnazifizierung: Enthoben 31. 07. 1945, Erkenntnis Sonderkommission »nicht tragbar« 08. 03. 1946, nach NSG 1947 »minderbelastet«, Versetzung in den Ruhestand mit 150 Schilling bis zum 60. Lebensjahr 11. 06. 1947. Rehabilitierung: Wiederverleihung der venia legendi 1953, Lehrauftrag über zwei Wochenstunden in Höhlenkunde 12. 11. 1954.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Leitung der Grabungen auf dem Magdalensberg ab 1948 über Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: »Professor ad personam« 27. 04. 1959, Ehrenmedaille der 20 Jahre. Bundeshauptstadt Wien 27. 04. 1971, Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes und Kunst 06. 12. 1976, Ehrenmitglied der Mitglied im Inland 28. 05. 1929 – 31. 05. 1937, österreichischen Paläontologischen Gesellschaft. Wirkliches Mitglied 01. 06. 1937 – 07. 05. 1969.
288
Biogramme der Professoren
UAW, Franz Faltis, 106.I.493
AÖAW, Bildarchiv, Heinrich Ficker, 1275_B
Faltis, Franz, geb. 22. 06. 1885 in Frankenmarkt (Oberösterreich), gest. 19. 02. 1965 in Wien, o. Prof. der Pharmazeutischen Chemie (Universität Wien ab 01. 11. 1941), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Ficker, Heinrich, geb. 22. 11. 1881 in München, gest. 23. 04. 1957 in Wien, o. Prof. der Physik der Erde (Universität Wien ab 1937), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, RDB, sonst keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Laboratoriums für Pharmazeutische Chemie. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof., Direktor des Laboratoriums für Pharmazeutische Chemie, Erkrankung an einer Vorlesungsphobie 1953/54, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich Juni 1955 (hier schon als »Universitätsprofessor in Ruhe« bezeichnet).
Nationalsozialismus: NSFK ab Juli 1938, Mitglied der österreichischen Widerstandsgruppe »Peter« (Kommandant Willibald Zechner). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik auf der Hohen Warte, Emeritierung 09. 06. 1953, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 16. 09. 1954, Mitglied der Bayerischen und der Preußischen Akademie der Wissenschaften und der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, Dr. hc. der Hochschule für Bodenkultur in Wien, Präsident der Internationalen Klimatologischen Kommission 1928 – 1945.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 1923 – 23. 04. 1957, Präsident 1946 – 1951, Vizepräsident 1951 – 1957.
289
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Erwin Fues, 1286_B
AÖAW, Bildarchiv, Arnold Gehlen, 0737-B
Fues, Erwin, geb. 17. 01. 1893 in Stuttgart, gest. 17. 01. 1970 in Freudenstadt (BRD), o. Prof. der Theoretischen Physik (Universität Wien ab 01. 10. 1943), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Gehlen, Arnold, geb. 29. 01. 1904 in Leipzig, gest. 13. 01. 1976 in Hamburg, o. Prof. der Philosophie (Universität Wien ab 01. 01. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV 1933, »Förderer« des NSFK 1940. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Theoretische Physik.
Nationalsozialismus: NSDDB, Mitglied der NSDAP 01. 05. 1933 (Nr. 2.432.246), Tätigkeit als Kriegsverwaltungsrat. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Philosophischen Instituts.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: o. Prof. und Direktor des Instituts für Physik in Stuttgart 1947, Emeritierung 1960, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Halle 1943.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 20. 07. 1944 – 23. 08. 1945, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 24. 08. 1945 – 17. 01. 1970.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 20. 05. 1945, enthoben 04. 08. 1945, vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: o. Prof. für Psychologie und Philosophie an der Akademie (ab 1950 Hochschule) für Verwaltungswissenschaft in Speyer 1947 – 61, o. Prof. für Soziologie an der Technischen Hochschule in Aachen 1962, Emeritierung 1969.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 20. 07. 1942 – 23. 08. 1945, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 24. 08. 1945 – 13. 01. 1976.
290
Biogramme der Professoren
UAW, Hugo Hassinger, 106.I.1903
AÖAW, Bildarchiv, Wilhelm Havers, 0775-B
Hassinger, Hugo, geb. 08. 11. 1877 in Wien, gest. 13. 03. 1952 in Wien, o. Prof. der Geographie (Universität Wien ab 01. 04. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Havers, Wilhelm, geb. 05. 01. 1879 in Aachen, gest. 02. 03. 1961 in Wien, o. Prof. der Indogermanischen Sprachwissenschaft (Universität Wien ab 01. 10. 1937), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Führendes Mitglied der Nationalsozialismus: NSLB, NSV, RLB, RDB. Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft, der Arbeitsgemeinschaft für Raumforschung und der Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Südosteuropagesellschaft. Ämter und Funktionen Indogermanischen Instituts. 1938 – 45: Direktor des Geographischen Instituts. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung 30. 09. 1947, Direktor des Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, Direktor des Indogermanischen Instituts, Emeritierung 30. 09. Geographischen Instituts, Emeritierung 01. 10. 1950, Honorarprof. 1950 – 52, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 17. 11. 1949, Honorarprof. 1949 – 51, Mitglied der 1959. Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Halle und der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Ehrenmitglied der ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 04. 05. 1939 – 19. 07. 1942, Geographischen Gesellschaft Wien. Wirkliches Mitglied 20. 07. 1942 – 02. 03. 1961. ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 02. 06. 1931 – 28. 05. 1934, Wirkliches Mitglied 29. 05. 1934 – 13. 03. 1952.
291
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Karl, Höfler, 2287_B
AÖAW, Bildarchiv, Anton Huber, 1344_B
Höfler, Karl, geb. 11. 05. 1893 in Wien, gest. 22. 10. 1973 in Wien, o. Prof. für Anatomie und Physiologie der Pflanzen (Universität Wien ab 01. 08. 1941), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Huber, Anton, geb. 24. 01. 1897 in Teufelhof bei St. Pölten, gest. 31. 08. 1975 in Wien, o. Prof. für Mathematik (Universität Wien ab 24. 08. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP August 1939, Mitglied August 1941 (Nr. 6.297.168). Ämter und Funktionen 1938– 45: Direktor des Pflanzenphysiologischen Instituts.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP (in der Schweiz) 01. 05. 1935, Zellenleiter Juni 1942 bis Juli 1943. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Mathematischen Instituts.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, enthoben 31. 07. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«. Ministerkomitee: Wiederindienststellung abgelehnt 22. 04. 1947, zunächst zurückgestellt 29. 10. 1947, bis Ablauf des Studienjahres 1947/48 zugestimmt 27. 03. 1948, der dauernden Weiterverwendung zugestimmt 18. 11. 1948.
Entnazifizierung: Entlassen 21. 01. 1946, nach NSG 1947 »minderbelastet«, daher Entlassung aufgehoben, in Enthebung ohne Pensionsanspruch umgewandelt 24. 07. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945:Wissenschaftlich tätig (Abhandlungen über Angewandte Mathematik), Tätigkeit bei den Stickstoffwerken in Linz, Ansuchen um eine außerordentliche Pension 08. 03. 1962.
Rehabilitierung: Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten 26. 05. 1948, von der ÖAW-Mitgliedschaft: : Korrespondierendes Registrierungsliste gestrichen 06. 03. 1950. Mitglied im Inland 1941 – 31. 08. 1975. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 30. 04. 1949, Direktor des Pflanzenphysiologischen Instituts, Emeritierung 1964, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Halle, Ehremitglied der Griechischen Biologischen Gesellschaft Athen, Ehrenpräsident der Zoologisch-Botanischen Gesellschaft in Wien.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 20. 07. 1942 – 1951, Wirkliches Mitglied 1951 – 22. 10. 1973.
292
Huber Josef, geb. 20. 09. 1884 in Rieden (Vorarlberg), gest. 31. 10. 1960 in Bregenz, o. Prof. der Romanischen Philologie (Universität Wien ab 20. 10. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Biogramme der Professoren
Ipsen, Gunther, geb. 20. 03. 1899 in Innsbruck, gest. 29. 01. 1984 in Oberursel (Hessen), o. Prof. der Philosophie und Volkslehre (Universität Wien ab 01. 04. 1939), vor März 1938 deutscher Staatsbürger (oder deutsch/österreichische Doppelstaatsbürgerschaft).
Nationalsozialismus: Sängerschaft Skalden, NSV, NSAHB, Anwärter der NSDAP Juli 1938, Beiträge Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 05. bezahlt bis April 1945. Ämter und Funktionen 1937 (Nr. 5.089.913). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Romanische 1938 – 45: Direktor des Philosophischen Instituts. Philologie. Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. Entnazifizierung: Enthaltung von der 1945. Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, enthoben 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 22. 02. 1946. Ministerkomitee: Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Erster Enthebung bestätigt, Weiterbelassung abgelehnt Abteilungsleiter an der Sozialforschungsstelle der 21. 10. 1946. Versetzung in den Ruhestand 31. 05. Universität Münster in Dortmund 1951 – 61, emeritierter Prof. »zur Wiederverwendung« an 1948. der Universität Münster 1959, als Emeritus Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Lehrauftrag an der Universität München 1962 – 65. Veröffentlichung von Aufsätzen zur Dialektforschung.
293
Philosophische Fakultät
UAW, Josef Keil, 106.I.608
UAW, Heinz Kindermann, 106.I.1082
Keil, Josef, geb. 13. 10. 1878 in Reichenberg (Nordböhmen), gest. 13. 12. 1963 in Wien, o. Prof. der Griechischen Geschichte, Altertumskunde und Epigraphik (Universität Wien ab 30. 09. 1936), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Kindermann, Heinz, geb. 08. 10. 1894 in Wien, 13. 10. 1985 in Wien, o. Prof. der Theaterwissenschaft (Universität Wien ab 19. 01. 1943), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Mitglied nationaler Verbände (Verein klassischer Philologen, Akademischer Turnverein, Alpenverein). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Archäologisch-Epigraphischen und des Althistorischen Seminars, Vizedekan 1944.
Nationalsozialismus: NSLB, NSV, RLB, Amt Rosenberg 1933, Mitglied der NSDAP 01. 05. 1933 (Nr. 1.493.564), förderndes Mitglied der SS, umfangreiches nationalsozialistisch gefärbtes Schrifttum. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Zentralinstituts für Theaterwissenschaft.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, Direktor des Archäologisch-Epigraphischen und des Althistorischen Seminars, Emeritierung 30. 09. 1950, Honorarprof. 1950/51, Leiter der Ausgrabungen in Ephesos 1926 – 35, 1954 – 58, korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften Berlin, Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften und Schönen Künste von Belgien, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1959, Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 27. 11. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, negatives Gutachten von Oskar Benda für die Zentralkommission zur Bekämpfung der NSLiteratur 26. 05. 1948, vom Liquidator enthoben 31. 05. 1948.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 22. 10. 1938 – 28. 12. 1939, Wirkliches Mitglied 29. 12. 1939 – 13. 12. 1963, Generalsekretär 1945 – 59, Sekretär der Philosophisch-Historischen Klasse.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 11. 02. 1959, Emeritierung 30. 06. 1970, Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien 13. 01. 1965, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 13. 12. 1974.
Rehabilitierung: Ernennung zum planmäßig ao. Prof. der Theaterwissenschaft 13. 03. 1954, Direktor des Instituts für Theaterwissenschaft.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1960 – 1962, Wirkliches Mitglied 1962 – 03. 10. 1985.
294
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Fritz Knoll, P-1375-B Kirsch, Gerhard, geb. 21. 06. 1890 Wien, gest. 15. 09. 1956 in Bischofshofen, o. Prof. für Physik (Universität Wien ab 31. 01. 1941), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB Juli 1932, Mitglied der »ersten« NSDAP November 1923, Mitglied der NSDAP Mai 1938 (Sechsmillionennr.). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Physikalischen Instituts. Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben und mit Kürzung um ein Drittel der Ruhebezüge (bis zum 65. Lebensjahr) in den Ruhestand versetzt 23. 07. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ab Jänner 1946 in Bischofshofen in der Privatwirtschaft (wohl in Mitterberghütten) tätig.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 04. 10. 1940 – 15. 09. 1956).
Knoll, Fritz, geb. 21. 10. 1883 in Gleisdorf (Steiermark), gest. 24. 02. 1981 in Wien, o. Prof. der Systematischen Botanik (Universität Wien ab 10. 03. 1933), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB in der »Verbotszeit«, Mitglied der NSDAP November 1937. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Ratsherr der Stadt Wien, Direktor des Botanischen Instituts und Gartens, Mitglied des Akademischen Senats, Rektor 16. 03. 1938 bis März 1943. Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, Entlassung aufgehoben und mit Kürzung um ein Drittel bis zum 70. Lebensjahr in den vorzeitigen Ruhestand versetzt 31. 10. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Rektorserinnerungszeichen der Universität Wien durch den Akademischen Senat »In Anerkennung der ehrenvollen und mutigen Amtsführung in schwerer Zeit« 1961, Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 15. 11. 1965, Medaille »Bene merito« in Silber für besondere Verdienste der ÖAW 1967.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 29. 05. 1934 – 03. 05. 1939, Wirkliches Mitglied 04. 05. 1939 – 24. 02. 1981, Sekretär der MathematischNaturwissenschaftlichen Klasse 1957, Generalsekretär 1959 – 64.
Philosophische Fakultät
295
AÖAW, Bildarchiv, Dietrich Kralik-Meyrswalden, P-0868-B Koch, Hans, geb. 07. 07. 1894 in Lemberg, gest. 09. 04. 1959 in München, o. Prof. der Osteuropäischen Geschichte (Universität Wien ab 01. 04. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB, NSDDB, Mitglied der NSDAP (Österreich) 01. 01. 1932, (im Deutschen Reich, Nr. 3.703.926) 01. 08. 1935. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Osteuropäische Geschichte.
Kralik, Dietrich, geb. 15. 08. 1884 in Wien, gest. 27. 12. 1959 in Wien, o. Prof. der Deutschen Sprache und Literatur (Universität Wien ab 12. 06. 1924), im März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSV, Reichskolonialbund (RKB) (Ortsverbandsleiter), RLB, Mitglied der NSDAP 01. 05. 1938 (Nr. 6.106.526). Ämter und Funktionen 1938 – 45. Direktor des Germanistischen Instituts.
Entnazifizierung: Enthoben 04. 08. 1945, Registrierung unterlassen bis Entscheidung der Staatsregierung 17. 10. 1945, Erkenntnis der Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Sonderkommission I. Instanz »tragbar«, 05. 11. untergetaucht in einem Wiener Lazarett 1945, 1945, Ministerkomitee: Enthoben und bis Ende evangelischer Pfarrer in Aich-Assach Sommersemester 1946 belassen 27. 03. 1946, (Steiermark) 1945 – 51, Direktor des Weiterbelassung abgelehnt 21. 10. 1946, nach NSG Osteuropainstituts in München 1952, Direktor an 1947 »minderbelastet«, der Hochschule für Politik in München 1954, Überprüfungskommission beim BMU: Gestattete eine Lehrkanzel für deutsche Sprache und Begleiter Konrad Adenauers auf der Reise nach Literatur an einer österreichischen Hochschule Moskau 1955, Lehrstuhl für Gesellschaft und inne zu haben 26. 07. 1947, Ministerkomitee: Politik Osteuropas an der Universität München Wiederindienststellungsantrag des BMU 1958. zurückgestellt 29. 10. 1947, Subkomitee: Weiterverwendung nicht empfohlen, da »eindeutig illegal« 12. 03. 1948. Entnazifizierung: Enthoben vor dem 21. 07. 1945.
Rehabilitierung: Ministerkomitee: Nach neuen Beweisen der dauernden Weiterverwendung zugestimmt 18. 11. 1948 Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 09. 06. 1949, Direktor des Germanistischen Instituts, Emeritierung und gleichzeitige Bestellung zum Honorarprof. 13. 06. 1955.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 27. 05. 1925 – 27. 05. 1935, Wirkliches Mitglied 28. 05. 1935 – 27. 12. 1959, Sekretär-Stellvertreter der PhilosophischHistorischen Klasse 06. 10. 1940 – 12. 06. 1941, Sekretär dieser Klasse 13. 06. 1941 – 27. 04. 1945.
296
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Kurt Leuchs, 1418_B Leuchs, Kurt, geb. 14. 09. 1881 in Nürnberg, gest. 07. 09. 1949 in Wien, o. Prof. der Geologie (Universität Wien ab 01. 02. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP Mai 1933 (Nr. 1.811.429), SA 1934 bis Sommer 1936. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Geologischen Instituts. Entnazifizierung: Gesuch um Befreiung von der Registrierungspflicht 13. 07. 1945, enthoben 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 14. 09. 1945, Ministerkomitee: Enthoben 27. 03. 1946, dem Antrag auf Weiterbelassung nicht stattgegeben 21. 10. 1946, Wiederindienststellung zurückgestellt 29. 10. 1947, der Wiederindienststellung bis Ablauf Sommersemester 1948 zugestimmt.
Liewehr, Ferdinand, geb. 22. 11. 1896 in Fulnek (Mähren), gest. 25. 05. 1985 in Greifswald, o. Prof. der Slawischen Sprachwissenschaft (Universität Wien ab 16. 04. 1940), vor März 1938 tschechischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Sudetendeutsche Partei, Reichskriegerbund, RLB, RKB, Mitglied der NSDAP 01. 12. 1938 (Nr. 6.848.113), SA. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Slawische Philologie. Entnazifizierung: Vom Liquidator als tschechischer Staatsbürger außer Dienst gestellt 23. 08. 1945.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: nach Dienst im »Volkssturm« russische Gefangenschaft 1945 – 50, briefliche Meldung beim Dekanat der Philosophischen Fakultät Jänner 1950. Wohnhaft Rehabilitierung: Antrag des in Neu-Rum (Tirol) 1950/51, o. Prof. in Greifswald, Professorenkollegiums der Philosophischen Dekan 1956, Vaterländischer Verdienstorden der Fakultät um Aufnahme auf den Dienstposten eines DDR. o. Prof. 21. 06. 1948, Ausnahme von den Sühnefolgen erteilt durch den Bundespräsidenten 22. 06. 1948, Ministerkomitee: Genehmigung der Weiterverwendung für das Studienjahr 1948/49 03. 12. 1948, dauernde Weiterverwendung 13. 07. 1949 (Weiterreichung des Ernennungsakts an das Bundesministerium für Finanzen, das ihn erst am 10. 09. 1949 an das Bundeskanzleramt sandte – drei Tage nach Leuchs‹ Tod).
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 07. 07. 1943 – 07. 09. 1949.
297
Philosophische Fakultät
Arthur Marchet, aus: Pertlik/Schroll: ARTHUR MARCHET (18. 9. 1892 – 30. 5. 1980), in: Mitteilungen der Österreichischen Mineralogischen Gesellschaft, Vol. 148 (2003).
Adolf Mayrhofer, aus: Karl Kosic, Österreich 1918 – 1934, 2. Auflage, Wien 1935.
Marchet, Arthur, geb. 18. 09. 1892 in Innsbruck, gest. 30. 05. 1980, o. Prof. der Petrologie (Universität Wien ab 26. 01. 1940), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Mayrhofer, Adolf, geb. 29. 03. 1881 in Enns (Oberösterreich), gest. 12. 11. 1965 in Enns, o. Prof. der Pharmakognosie (Universität Wien ab 01. 10. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSLB, NSDDB, Mitglied der NSDAP Juli 1932 (Nr. 1.210.876), SA aktiv 1933 – 35, Oberscharführer Oktober 1938. Ämter und Funktionen: NSDDB-Gaudozentenbundführer, Gauamtsleiter, Dekan 1943 – 45, Direktor des Petrographischen Instituts. Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945, akademische Grade aberkannt, Urteil des Senats Klagenfurt des Volksgerichtes Graz: 13 Monate schwerer Kerker und Vermögensverfall 04. 12. 1947. Rehabilitierung: Antrag auf Wiederverleihung des akademischen Grades stattgegeben 06. 05. 1950, Versetzung in den Ruhestand 04. 10. 1951, Vermögen zurückgegeben Herbst 1956. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Laborleiter der Glashütte Mitterberghütten 01. 07. 1951, pensioniert 30. 09. 1963.
Nationalsozialismus: RLB, NSV, Förderndes Mitglied der SS 1939 – 43. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Pharmakognostischen Instituts. Entnazifizierung: Versetzung in den Ruhestand auf eigenes Ansuchen 28. 01. 1946, Sonderkommission I. Instanz: Verfahren eingestellt, da § 21 VBG keine Anwendung 02. 05. 1946.
298
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Karl Mayrhofer, P-1439-B
UAW, Richard Meister, 106.I.470
Mayrhofer, Karl, 24. 03. 1899 in Kastelruth (Südtirol), gest. 24. 07. 1969 in Wien, o. Prof. der Mathematik (Universität Wien ab 29. 07. 1936), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Meister, Richard, geb. 05. 02. 1881 in Znaim (Mähren), gest. 11. 06. 1964 in Wien, o. Prof. der Klassischen Philologie (Universität Wien ab 30. 03. 1923), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSLB 01. 01. 1937, NSDDB, NSV, RLB, Geldspenden an NSDAP 1934 – 1936, Nationalsozialismus: NSV, RLB. Ämter und Mitglied 01. 05. 1938. Ämter und Funktionen Funktionen: Direktor des Philologischen 1938 – 45: Direktor des Mathematischen Instituts. Seminars. Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, in den Ruhestand versetzt 31. 07. 1947. Rehabilitierung: Dozent 20. 12. 1954 Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Untersuchungen zur Maß- und Inhaltstheorie 1947 – 57, (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. 19. 09. 1957, Direktor des Mathematischen Instituts.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 01. 06. 1937 – 28. 07. 1941, Wirkliches Mitglied 29. 07. 1941 – 24. 07. 1969.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 23. 08. 1947, Lehrtätigkeit in den Rechts- und Staatswissenschaften ab 24. 01. 1948, Direktor des Philologischen Seminars, Prorektor 1945, Rektor 1947/48, Emeritierung 30. 09. 1952, Honorarprof. bis 1955/56, Ehrensenator der Universität Wien 28. 06. 1956, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, Ehrenring der Stadt Wien 1956, Mitglied der sächsischen Akademie der Wissenschaften 1956, Mitglied der jugoslawischen Akademie der Wissenschaften 1962.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 02. 06. 1931 – 28. 05. 1934, Wirkliches Mitglied 29. 05. 1934 – 11. 06. 1964, Vizepräsident 1945, Präsident 1951 – 63.
Philosophische Fakultät
299
UAW, Oswald Menghin, 106.I.472
AÖAW, Bildarchiv, Johannes Mewaldt, 0938_A
Menghin, Oswald, geb. 19. 04. 1888 in Meran (Südtirol), gest. 29. 11. 1973 in Buenos Aires, o. Prof. der Urgeschichte des Menschen (Universität Wien ab 22. 03. 1922), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Mewaldt, Johannes, geb. 29. 04. 1880 in Posen, gest. 01. 05. 1964 in Wien, o. Prof. der Klassischen Philologie (Universität Wien ab 25. 07. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Im Führerrat der Vaterländischen Front als Vertreter der nationalen Opposition 02. 07. 1936, Unterrichtsminister der Regierung Seyß-Inquart 11.03.–05. 08. 1938, NSV, Anwärter der NSDAP Frühjahr 1938, Mitglied (Nr. über vier Millionen). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Urgeschichtlichen Instituts. Entnazifizierung: Vom Liquidator enthoben 31. 10. 1945, auf der ersten Kriegsverbrecherliste, Voruntersuchung eingeleitet (eingestellt Oktober 1956), zwei Jahre amerikanisches Internierungslager, in den Ruhestand versetzt 28. 05. 1957. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Überfahrt nach Argentinien 1948, Prof. an der Universität Buenos Aires und ab 1957 Universität von La Plata, Mitglied des Deutschen Archäologischen Instituts und der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina Halle.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 1936 – 1948, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 1948 – 29. 11. 1973.
Nationalsozialismus: NSV 01. 06. 1938, Mitglied der NSDAP 01. 07. 1940 (Nr. 8.449.925). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Philologischen Seminars. Entnazifizierung: Vom Liquidator enthoben 31. 10. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 05. 11. 1945. Ministerkomitee: enthoben 27. 03. 1946, Versetzung in den Ruhestand 08. 11. 1946, in der Registrierungsliste nach NSG 1947 nicht verzeichnet.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 31. 05. 1932 – 31. 05. 1937, Wirkliches Mitglied 01. 06. 1937 – 01. 05. 1964.
300
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Josef Nadler, 1996-C Moldenhauer, Gerhard, geb. 19. 01. 1900 in Unterpeissen (Sachsen-Anhalt), gest. 1980 in Bernburg (Sachsen-Anhalt), o. Prof. der Romanischen Philologie (Universität Wien ab 24. 08. 1939), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB 01. 04. 1933, politischer Amtsleiter, Mitglied der NSDAP seit 01. 05. 1933 (Nr. 2.028.458), SA Juli 1933, Truppführer Marinesturm. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Romanische Philologie. Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Lehrauftrag an der Universität Buenos Aires 1949, Vertragsprof. Universität Rosario (Argentinien) 1950, o. Prof. ebd. 1957.
Nadler, Josef, geb. 23. 05. 1884 in Neudörfl (Böhmen), gest. 14. 01. 1963 in Wien, o. Prof. der Deutschen Sprache und Literatur (Universität Wien ab 04. 09. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Sudetendeutscher Heimatbund, RDB, RLB, Mitglied der NSDAP August 1938 (Nr. 6.196.904). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Deutsche Philologie. Entnazifizierung: Enthoben 04. 08. 1945, Ermittlungen der Zentralkommission zur Bekämpfung von NS-Literatur 1949, von den besonderen Listen nach NSG 1947 gestrichen. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Zahlreiche Veröffentlichungen zwischen 1947 und 1962 zu Franz Grillparzer, Johann Georg Hamann und allgemein Literaturgeschichte Österreichs. Adalbert-Stifter-Medaille 1960.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 30. 05. 1933 – 28. 05. 1934, Wirkliches Mitglied 29. 05. 1934 – 14. 01. 1963.
301
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Camillo Praschniker, 0999_B
AÖAW, Bildarchiv, Leo Santifaller, 1023_B
Praschniker, Camillo, geb. 13. 10. 1884 in Wien, gest. 01. 10. 1949 in Wien, o. Prof. der Klassischen Archäologie (Universität Wien ab 07. 04. 1934), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Santifaller, Leo, geb. 24. 07. 1890 in Kastelruth (Südtirol), gest. 05. 09. 1974 in Wien, o. Prof. der Geschichte des Mittelalters und der historischen Hilfswissenschaften (Universität Wien ab 01. 04. 1943), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP Dezember 1938 bis Frühjahr 1942, Antrag wegen jüdischer Herkunft einer Großmutter zurückgezogen. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Archäologisch-Epigraphischen Seminars und der Archäologischen Sammlung, Direktor der Zweigstelle Wien des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches. Entnazifizierung: Enthoben 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar«. Ministerkomitee: Weiterbelassung bis Ablauf Wintersemester 1946/47, dann Sommersemester 1947. Rehabilitierung: Bescheid des BMI, Beschwerdekommission vom 03. 09. 1947: Ausnahme von der Verzeichnung in den besonderen Listen nach NSG 1947. Ministerkomitee: Enthebungsverfügung aufgehoben 29. 10. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 25. 05. 1948.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 31. 05. 1932 – 31. 05. 1937, Wirkliches Mitglied 01. 06. 1937 – 01. 10. 1949.
Nationalsozialismus: NSV, RLB. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Historischen Seminars. Entnazifizierung: Enthoben zur Überprüfung einer mit NS-Zusätzen versehenen Denkschrift 21. 01. 1946. Rehabilitierung: Enthebung aufgehoben 27. 05. 1946, Vorsprache beim Dekan wegen Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft 22. 06. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 31. 05. 1948, Direktor des Historischen Seminars, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, Mitglied der Societ Romana di Storia Patria, Rom 1953, Mitglied der Deutschen Akademie der Wissenschaften 1955, der Medieval Academy of America, Cambridge Massachusetts, Dr. hc. theol. der Universität Freiburg im Breisgau 1960, Tiroler Landesverteidigungsmedaille, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 1955, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1961.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 17. 07. 1943 – 29. 10. 1945, Wirkliches Mitglied 30. 10. 1945 – 05. 09. 1974.
302
Biogramme der Professoren
UAW, Erich Schenk, 106.I.2524.2 Schenk, Erich, geb. 05. 05. 1902 in Salzburg, gest. 11. 10. 1974 in Wien, o. Prof. der Musikwissenschaft (Universität Wien ab 16. 04. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB 02. 08. 1934, Mitarbeiter des Amtes Rosenberg. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Musikwissenschaftlichen Instituts.
Schütte, Karl, geb. 06. 02. 1898 in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein), gest. 06. 09. 1974 in Hamburg, o. Prof. der Astronomie und Höheren Geodäsie (Universität Wien ab 24. 12. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSV, Anwärter der NSDAP 1939
Entnazifizierung: Vom Liquidator als Entnazifizierung: Folgenloses Verfahren in Sachen »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. Arisierung der Privatbibliothek Guido Adlers 1945. 1945, Verfahren wegen antisemitischer Lehre 1967. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Dozent, ab Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) 1951 tit. außerplanmäßiger Prof. an der Ernennung zum o. Prof. 09. 10. 1948, Direktor des Universität München, emeritiert 1970. Musikwissenschaftlichen Instituts, Dekan 1950/ 51, Rektor 1957/58, Emeritierung 1971, Ehrendoktor der Universitäten Brünn und Rostock, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 1958, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 06. 02. 1970.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 23. 05. 1944 – 03. 06. 1946, Wirkliches Mitglied 04. 06. 1946 – 11. 10. 1974.
303
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Hans Sedlmayr, 1049_B
AÖAW, Bildarchiv, Johann Sölch, 1562_B
Sedlmayr, Hans, geb. 18. 01. 1896 in Hornstein (Burgenland), gest. 09. 07. 1984 in Salzburg, o. Prof. der Kunstgeschichte (Universität Wien ab 30. 09. 1936), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Sölch, Johann, geb. 16. 10. 1883 in Wien, gest. 10. 09. 1951 in Kitzbühel, o. Prof. der Geographie (Universität Wien ab 27. 04. 1935), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSLB, Mitglied der NSDAP 07. 11. 1930 – 19. 06. 1933 (Nr. 302.489) und ab 01. 05. 1938. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Kunsthistorischen Instituts. Entnazifizierung: Enthoben 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »nicht tragbar« 10. 01. 1946, Versetzung in den Ruhestand mit 50 % Kürzung 31. 03. 1946, Reduktion auf 150 Schilling bis 1955 04. 07. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: O. Prof. Universität München 1951, Emeritierung 1964, Gastprof., 1964 Honorarprof. an der Universität Salzburg.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 29. 12. 1939 – 28. 07. 1941, Wirkliches Mitglied 29. 07. 1941 – 1951, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 1951 – 1966, Wirkliches Mitglied 1966 – 09. 07. 1984.
Nationalsozialismus: NSV, RKB, »wegen nicht rein arischer Abstammung seiner Frau« beurlaubt 1938/39. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Geographischen Instituts. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 05. 09. 1947, Direktor des Geographischen Instituts, Rektor 1947/48, Prorektor 1948/49, Ehrenmitglied der geographischen Gesellschaften in Stockholm, Belgrad und Amsterdam, Vizepräsident des Sociological Institute in London, Wirkliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1937 – 1945, Wirkliches Mitglied 1946 – 10. 09. 1951.
304
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Ernst Späth, 1564-B
UAW, Heinrich Srbik, 106.I.1272
Späth, Ernst, geb. 14. 05. 1886 in Bärn (Mähren), gest. 30. 09. 1946 in Zürich, o. Prof. der Chemie (Universität Wien ab 12. 03. 1924), vor März 1938 österreichischer Staatbürger.
Srbik, Heinrich, geb. 10. 11. 1878 in Wien, gest. 16. 02. 1951 in Ehrwald (Tirol), o. Prof. der Geschichte (Universität Wien ab 1922), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, RDB. Ämter und Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 1938. Funktionen 1938 – 45: Direktor des II. chemischen Ämter und Funktionen 1938 – 45: Mitglied des Deutschen Reichstages, Direktor des Historischen Laboratoriums. Seminars. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Prodekan 26. 01. 1946, Ehrenmitglied des Vereins Entnazifizierung: Enthaltung von der österreichischer Chemiker, Mitglied der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, enthoben 1945, Akademien der Wissenschaften von Madrid, kurzfristig in französischer Haft, Versetzung in den Ruhestand 17. 03. 1948. Budapest, Bologna, Halle und Prag.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 1926 – 30. 09. 1946, Präsident 1945 – 1946.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Historische Schriften, »Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart« 1950/51.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 08. 10. 1919 – 28. 05. 1923, Wirkliches Mitglied 29. 05. 1923 – 16. 02. 1951, Sekretär 30. 05. 1933 – 27. 06. 1938, Präsident 28. 06. 1938 – 27. 04. 1945.
305
Philosophische Fakultät
UAW, Georg Stetter, 106.I.1937
UAW, Bruno Thüring, 106.I.1905
Stetter, Georg, geb. 23. 12. 1895 in Wien, gest. 14. 07. 1988 in Wien, o. Prof. der Physik (Universität Wien ab 30. 09. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Thüring, Bruno, geb. 07. 09. 1905 in Warmensteinach (Oberfranken), gest. 06. 05. 1989 in Karslruhe, o. Prof. der Astronomie (Universität Wien ab 01. 09. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSLB 01. 07. 1932, Mitglied Nationalsozialismus: Dozentenbundführer an der der NSDAP 20. 06. 1933 und Jänner 1937 (Nr. 6.105.101). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München 1936, Stellvertretender Direktor des II. Physikalischen Instiuts. Dozentenbundführer der Universität München Entnazifizierung: Entlassen 04. 08. 1945, NSG 1947 1938, Mitglied der NSDAP 01. 08. 1930, SA 1933, »minderbelastet«, Entlassung in Enthebung ohne Oberscharführer. Ämter und Funktionen 1938 – Ansprüche umgewandelt 06. 04. 1948, Streichung 45: Direktor der Universitätssternwarte 20. 01. 1941. von der Registrierungsliste verfügt durch Bezirkshauptmannschaft Zell am See 18. 10. 1950. Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Private 1945, von der Bayerischen Spruchkammer als Erwerbstätigkeit vor allem in der Industrie, wohnhaft in Zell am See 1945 – 53, (Wieder-) »Mitläufer« eingestuft 1949. Ernennung zum o. Prof. 27. 04. 1953, Direktor des II. physikalischen Instituts, emeritiert 30. 09. 1967. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Betrieb »Forschungsbüro für Programmierung, angewandte Mathematik, theoretische ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 04. 10. 1940 – 1962, Wirkliches Astronomie und Astronautik« in Karlsruhe. Mitglied 1962 – 14. 07. 1988.
306
Biogramme der Professoren
UAW, Friedrich Wild, 106.I.1150 Weber, Georg, geb. 31. 08. 1894 in Soldin (Westpommern), gest. 03. 04. 1957, o. Prof. der Englischen Philologie (Universität Wien ab 08. 04. 1941), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 05. 1933 (Nr. 3.551.601), Zellenleiter Oktober 1937. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Englische Philologie. Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945.
Wild, Friedrich, geb. 11. 11. 1888 in Wien, gest. 05. 04. 1966 in Wien, o. Prof. der Englischen Sprache und Literatur (Universität Wien ab 30. 11. 1935), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP Mai 1938 (Nr. 6.128.172). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Englische Philologie, Direktor des Instituts für Dolmetschausbildung 1943.
Entnazifizierung: Vom Arbeitsdienst für Nationalsozialisten zurückgestellt 02. 08. 1945, Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Trotz enthoben 04. 08. 1945, entlassen 19. 07. 1946, Ausweisungsbescheid Verwaltungstätigkeit bei Entlassung in Enthebung ohne Bezüge der amerikanischen Besatzungsmacht in umgewandelt 18. 02. 1947, Ausnahme von den Österreich 1945 – 52, unbesoldeter Lehrauftrag an Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten 22. 05. 1948, Versetzung in den Ruhestand 31. 05. 1948. der Universität Marburg 1954 – 56. Rehabilitierung: Lehrauftrag an der Universität Wien über vier Wochenstunden und einem Seminar 1950, Honorarprof. 14. 06. 1952. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 19. 03. 1955, emeritiert 17. 06. 1959, Ehrenjahr bis 30. 09. 1960, Supplierungstätigkeit bis Ende Wintersemester 1960/61.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 01. 06. 1937 – 03. 05. 1939, Wirkliches Mitglied 04. 05. 1939 – 05. 04. 1966. Obmann der Phonogramm-Archivs-Kommission.
Philosophische Fakultät
307
Außerordentliche Professoren
UAW, Hans Eibl, 106.I.364
AÖAW, Bildarchiv, Erich Frauwallner, P-0727-B
Eibl, Hans, geb. 10. 10. 1882 in Bielitz (Schlesien), gest. 18. 11. 1958 in Linz, ao. Prof. der Geschichte der Philosophie (Universität Wien ab 31. 07. 1924), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Frauwallner, Erich, geb. 28. 12. 1898 in Wien, gest. 05. 07. 1974 in Wien, ao. Prof. der Indischen und Iranischen Philologie (Universität Wien ab 31. 08. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Deutscher Volksbund für Polnisch-Schlesien Obmann-Stellvertreter, Mitglied der NSDAP nach eigenen (unrichtigen) Angaben 1935 bzw. 1937, Anwärter der NSDAP 18. 05. 1938, Mitgliedschaft abgelehnt 29. 08. 1939. Entnazifizierung: Entlassung vom 26. 07. 1945 widerrufen am 17. 04. 1946, gleichzeitig Versetzung in den Ruhestand. Schrift »Das aufsteigende Weltbild« vom BMU am 12. 05. 1947 zur politischen Überprüfung an die Philosophische Fakultät übersandt.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 29. 11. 1932 (Nr. 1.387.121), während der »Verbotszeit« im Nachrichtendienst der NSDAP. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Orientalischen Instituts. Entnazifizierung: entlassen 06. 06. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, Bescheid der Beschwerdekommission gegen Abänderung dieser Einstufung in »belastet« 14. 09. 1948, Versetzung in den Ruhestand mit 31. 12. 1948. Rehabilitierung: Wiederverleihung der venia legendi 22. 03. 1952. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 14. 03. 1955, o. Prof. 29. 02. 1960, Emeritierung 31. 12. 1963.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 07. 08. 1940 – 1955, Wirkliches Mitglied 1955 – 05. 07. 1974.
308
Gröbner, Wolfgang, geb.02. 02. 1899 in Gossensass (Südtirol), gest. 20. 08. 1980, ao. Prof. der Mathematik (Universität Wien ab 01. 08. 1941), vor März 1938 italienischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: keine Involvierung. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ernennung zum o. Prof. an der Universität Innsbruck 12. 04. 1947, Emeritierung 1970. Wilhelm-ExnerMedaille 1969.
Biogramme der Professoren
Hajek, Alois, geb. 16. 03. 1889 in Kremsier (Mähren), gest. 1966, ao. Prof. der Südosteuropäischen Geschichte (Universität Wien ab 27. 10. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Eigene (unrichtige) Angaben vor 1945: NSV, RDB, NSLB seit 1932, Mitglied der NSDAP 01. 02. 1938. Tatsächlich: Anwärter der NSDAP 14. 05. 1938, Mitglied 15. 05. 1939. Ämter und Funktionen 1938 – 1945: Direktor des Seminars für Osteuropäische Geschichte. Entnazifizierung: Entlassen 28. 02. 1946, Versetzung in den Ruhestand 11. 11. 1947 als ordentlicher Assistent mit Kürzungen. Rehabilitierung: Antrag des Professorenkollegiums auf Reaktivierung 16. 10. 1948, Wiederverleihung der venia legendi 31. 01. 1950. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Hochschulassistent 01. 03. 1949, dauernder Ruhestand 31. 12. 1954, hält noch Vorlesungen bis Wintersemester 1956/57, Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 21. 12. 1959.
309
Philosophische Fakultät
Eduard Haschek, aus: Karl Kosic, Österreich 1918 – 1934, 2. Auflage, Wien 1935.
UAW, Nikolaus Hofreiter, 105.P 119
Haschek, Eduard, geb. 11. 03. 1875 in Wien, gest. 16. 01. 1947 in Wien, ao. Prof. der Experimentalphysik (Universität Wien ab 23. 06. 1919), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Hofreiter, Nikolaus, geb. 08. 05. 1904 in Linz, gest. 23. 01. 1990 in Wien, ao. Prof. der Mathematik (Universität Wien ab 14. 08. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: In den planmäßigen Ruhestand versetzt 07. 06. 1946.
Nationalsozialismus: NSV, RLB, Anwärter der NSDAP 03. 06. 1938, Mitglied 1941 (Nr. 8.115.751). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Mathematischen Instituts, dienstverpflichtet an der Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Göring in Braunschweig ab 26. 06. 1944. Entnazifizierung: Vom Dekanat verfügte Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, eingesetzt bei der Royal Air Force in Braunschweig September 1945 bis April 1946. Rehabilitierung: Zustimmung des Ministerkomitees zu seiner dauernden Weiterverwendung an der Universität Wien 18. 11. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 12. 01. 1949, o. Prof. 16. 02. 1954, Dekan 1963/64, Rektor 1965/66, Emeritierung 28. 05. 1974. Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse 22. 10. 1965, Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 1977, Komturskreuz des Gregoriusordens, Ehrenring der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft, Ehrensenator der Universität Linz.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1970 – 23. 01. 1990.
310
Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Friedrich Kainz, P-0813-B Jagoditsch, Rudolf, geb. 07. 08. 1892 in Graz, gest. 29. 10. 1976 in Wien, ao. Prof. der Slawischen Literatur- und Kulturkunde (Universität Wien ab 24. 08. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Kainz, Friedrich, geb. 04. 07. 1897 in Wien, gest. 01. 07. 1977 in Wien, ao. Prof. der Philosophie mit besonderer Berücksichtigung der Ästhetik und Sprachpsychologie (Universität Wien ab 11. 12. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSLB, NSV, RLB, Mitglied Nationalsozialismus: NSLB, Anwärter der NSDAP der NSDAP 01. 04. 1940 (Nr. 7.980.430). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars Februar 1939. für Slawische Philologie. Entnazifizierung: Generelle Enthebung 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz Entnazifizierung: Vom Ministerkomitee »tragbar« 14. 09. 1945, vom Ministerkomitee enthoben 27. 03. 1946 und semesterweise, dann enthoben 27. 03. 1946, semesterweise, dann auf ein studienjahrweise weiterbelassen bis Ende des Studienjahr wiederbelassen bis Ende des Studienjahres 1947/48, Erkenntnis der Studienjahres 1947/48, nach NSG 1947 Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 14. 09. »minderbelastet«, Ausnahme von der 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«. Registrierung durch die Beschwerdekommission beim BMI abgelehnt 11. 06. 1948. Rehabilitierung: Zustimmung des Ministerkomitees zur dauernden Rehabilitierung: Die Überprüfungskommission Weiterverwendung 18. 11. 1948. beim BMU gestattet ihm eine Lehrkanzel für Philosophie an einer österreichischen Hochschule Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) inne zu haben 14. 09. 1947, Zustimmung des Ernennung zum ao. Prof. 21. 01. 1949, o. Prof. Ministerkomitees zu seiner dauernden 21. 01. 1952, Emeritierung 30. 09. 1963. Weiterverwendung 18. 11. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. für Allgemeine Kunstwissenschaft 19. 05. 1949, o. Prof. für Philosophie 27. 04. 1950, Emeritierung Ende Studienjahr 1967/68, Vorlesungstätigkeit bis Sommersemester 1970. Mitglied der Finnischen Akademie der Wissenschaften 09. 04. 1959, Wilhelm-Hartel-Preis der ÖAW 1961, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 27. 03. 1968,
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1950 – 1955, Wirkliches Mitglied 1955 – 01. 07. 1977.
Philosophische Fakultät
311
Kofler, Johann, geb. 30. 01. 1896 in Trient, gest. 20. 03. 1947 in Innsbruck, ao. Prof. der Arabistik (Universität Wien ab 01. 11. 1939), vor März 1938 italienischer Staatsbürger.
Kurth, Karl, geb. 05. 06. 1910 in Döbeln (Sachsen), gest. 18. 05. 1981 in Unkel bei Bonn, ao. Prof. der Zeitungswissenschaft (Universität Wien ab 01. 03. 1942), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, NSDDB, Mitglied der NSDAP 01. 01. 1940 (Nr. 7.870.419). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Orientalischen Instituts, Blockleiter 1942/43, im Luftschutz 1944/ 45.
Nationalsozialismus: NSD-Studentenbund Sommersemester 1930 bis Sommersemester 1935, zuletzt Gaustudentenbundspressereferent, Mitglied der NSDAP 01. 12. 1929 (Nr. 169.660), SA 09. 11. 1929, Oberscharführer. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Zeitungswissenschaft.
Entnazifizierung: Vom Dekanat verfügte Enthaltung von der Lehrtätigkeit 22. 05. 1945, generelle Enthebung 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 1946, vom Ministerkomitee Enthebung bestätigt und weiterbelassen bis Ende Wintersemester 1946/47 am 21. 10. 1946, weiterbelassen bis Ende Sommersemester 1947 am 28. 04. 1947.
Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Mitarbeit am Göttinger Arbeitskreis zu ostdeutschen »Heimatvertriebenen« (Kontinuität von NS»Ostforschung« zu »Vertriebenenforschung« ab 1945), im Lektorat »Auslandspresse« im Bundesministerium für Verteidigung (BRD) 1961, dort dann Regierungsdirektor, Pensionierung 1973.
312
Biogramme der Professoren
UAW, Wilhelm Marinelli, 106.I.1852 Lange, Jörn, geb. 18. 11. 1903 in Salzwedel (Sachsen-Anhalt), gest. 21. 01. 1946 in Wien, ao. Prof. der Physikalischen Chemie (Universität Wien ab 11. 12. 1942), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB 01. 04. 1934, Mitglied der NSDAP Mai 1933 (Nr. 3.130.585), SA 30. 05. 1933. Vorauseilender Gehorsam bei Zerstörung des Elektronenmikroskops im I. Chemischen Laboratorium der Universität vor Ankunft der Alliierten in Wien (»Werwolfbefehl«) 05. 04. 1945, dabei Tötung seiner Kollegen Kurt Horeischy und Hans Vollmar und Verwundung des desertierten Polizeiwachtmeisters Max Slama. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter der Abteilung für Physikalische Chemie im I. Chemischen Laboratorium.
Marinelli, Wilhelm, geb. 26. 11. 1894 in Wien, gest. 16. 04. 1973 in Wien, ao. Prof. der Zoologischen Morphologie (Universität Wien ab 01. 03. 1942), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSV, Kyffhäuserbund, NSDDB (Nr. 7.121) 01. 01. 1941. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter der Abteilung für Morphologie des Zoologischen Instituts. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 25. 09. 1948, o. Prof. 21. 01. 1952, Leiter der Abteilung für Morphologie des Zoologischen Instituts, Direktor des Instituts für Leibeserziehung, Emeritierung 1967. Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse 1960, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 11. 12. 1965, Großes Goldenes Ehrenzeichen der Stadt Wien.
Entnazifizierung: Vom NKWD (Innenministerium der UdSSR) verhaftet und des doppelten Mordes und des versuchten Mordes ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes angeklagt, April 1945. Vom Liquidator am 23. 08. Mitglied im Inland 1952 – 16. 04. 1973. 1945 als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt. Zum Tode durch den Strang verurteilt, Suizid am 21. 01. 1946.
313
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Gustav Ortner, P-1468-A Mayr, Carl, geb. 10. 06. 1881 in Wilhelmsburg (Niederösterreich), gest. 21. 01. 1951 in Wien, ao. Prof. der Analytischen Chemie (Universität Wien ab 01. 04. 1942), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Ortner, Gustav, geb. 31. 07. 1900 in Haus (Steiermark), gest. 24. 11. 1984 in Afling (Tirol), ao. Prof. der Physik (Universität Wien ab 19. 09. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, RDB. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter der Abteilung für Analytische Chemie im II. Chemischen Laboratorium.
Nationalsozialismus: Beiträge an NSLB seit Studienjahr 1934/35, von ihm vermutete Überführung in Parteimitgliedschaft November 1937, nach März 1938 um Mitgliedschaft angesucht, Mitglied der NSDAP Mai 1938 (Sechsmillionennummer). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Radiumforschung (ÖAW).
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 30. 09. 1948, Emeritierung 16. 11. 1949.
Entnazifizierung: Enthaltung von der Lehrtätigkeit durch das Dekanat 22. 05. 1945, vom Staatsamt entlassen 24. 07. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet« und Entlassung in Enthebung umgewandelt 06. 04. 1948. Rehabilitierung: Von Kairo aus Gesuch um Wiederverleihung der venia legendi 19. 04. 1954, Wiedererteilung nach Übersiedlung nach Wien 07. 03. 1955. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Wissenschaftlicher Schriftsteller und Übersetzer 1945 – 1950, Prof. an der Universität Kairo 1950 – 54, Fachberater des BMU für Fragen des Unterrichts über friedliche Nutzung von Kernenergie 1956, Planung des österreichischen Hochschulreaktors, o. Prof. an der Technischen Hochschule Wien 1960, Vorstand des interuniversitären Atominstituts.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 29. 07. 1941 – 1950, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 1950 – 54, Korrespondierendes Mitglied im Inland 1954 – 64, Wirkliches Mitglied 1964 – 24. 11. 1984.
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Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Hubert Rohracher, P-1018-B Pfalz, Anton, geb. 04. 12. 1885 in DeutschWagram, gest. 11. 11. 1958 in Zipf (Oberösterreich), ao. Prof. der Geschichte der Deutschen Sprache und der Älteren Deutschen Literatur (Universität Wien ab 05. 05. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSDDB, Mitglied der NSDAP November 1937 (Nr. 6.301.505), bildete eine »Zehentschaft« des NSLB im Kreise seiner Kollegen Jahreswechsel 1937/38, Besitzer der Ostmarkmedaille. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Pressereferent der Philosophischen Fakultät im NSDDB 1939 – 24. 04. 1945, Blockleiter, Gauhauptstellenleiter, Leiter der Abteilung für Deutsche Mundartforschung und für Phonetik des Germanistischen Instituts.
Rohracher, Hubert, geb. 24. 04. 1903 in Lienz, gest. 18. 12. 1972 in Kitzbühel, ao. Prof. der Psychologie (Universität Wien ab 20. 04. 1943), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor der Abteilung für Psychologie des Philosophischen Instituts. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ernennung zum o. Prof. 03. 07. 1947, Gründung des Vereins »Österreichischer Forschungsrat« 1960, Initiative zum Forschungsförderungsgesetz 1968, Ehrenzeichen der Universität Wien 1962, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst I. Klasse 25. 02. 1963, Ehrensenator der Universität Wien 21. 05. 1964.
Entnazifizierung: Vom Staatsamt enthoben 11. 06. ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1946 – 1952, Wirkliches 1945, entlassen 24. 07. 1945, nach NSG 1947 Mitglied 1953 – 18. 12. 1972. »belastet«, Strafverfahren beim Landesgericht Wien 1948. Rehabilitierung: Ausnahme von der Behandlung nach NSG 1947 durch den Bundespräsidenten 28. 04. 1949, Versetzung in den Ruhestand 15. 06. 1949, Anrechnung der Dienstzeit 1938 – 45, 31. 03. 1954.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1939 – 11. 11. 1958.
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Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Hans Rupprich, P-1019-B Rubin, Berthold, geb. 10. 07. 1911 in Mannheim, gest. 07. 10. 1990, ao. Prof. der Balkankunde (Universität Wien ab 01. 05. 1943), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 05. 1937 (Nr. 4.157.999) Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter der Abteilung für Balkankunde im Seminar für osteuropäische Geschichte. Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 28. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Am Osteuropa-Institut München und Institut für Balkankunde 1952, Lehrtätigkeit an der Universität Göttingen, Lehrtätigkeit an der Universität Erlangen 1957, o. Prof. Universität Köln 1960, dort wegen rechtsextremer Aktivitäten suspendiert 1968, Inszenierung der eigenen Entführung, um linksradikale Gruppen zu diffamieren 1971, dafür sechs Monate Haft.
Rupprich, Hans, geb. 28. 10. 1898 in AltRuppersdorf (Niederösterreich), gest. 03. 01. 1972 in Wien, ao. Prof. der Deutschen Sprache und Literatur (Universität Wien ab 17. 11. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB, NSDDB (VizeKassenwalter), Anwärter der NSDAP März 1938, Zurückstellung der Aufnahme 12. 07. 1939. Ämter und Funktionen 1938 – 45 Honorardozent der Deutschen Literaturgeschichte an der Akademie der bildenden Künste. Entnazifizierung: Generelle Enthebung durch das Dekanat 04. 08. 1945, Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 10. 11. 1945, vom Ministerkomitee enthoben und weiterbelassen 27. 03. 1946, dann semesterweise und für das Studienjahr 1947/48 weiterbelassen 29. 10. 1947, nach NSG 1947 »minderbelastet«. Rehabilitierung: Überprüfungskommission beim BMU gestattet ihm, eine Lehrkanzel für deutsche Sprache und Literatur an einer österreichischen Hochschule inne zu haben 28. 07. 1947, Ausnahme von der Behandlung nach NSG 1947 durch den Bundespräsidenten 05. 03. 1948, Enthebungsverfügung des Ministerkomitees aufgehoben 31. 05. 1948, der dauernden Weiterverwendung zugestimmt 18. 11. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 11. 01. 1949, Ernennung zum o. Prof. 01. 01. 1952, Emeritierung 30. 09. 1970, danach Supplierung der eigenen Lehrkanzel bis zu seinem Tod. Wilhelm-Hartel-Preis der ÖAW 1967, Österreichisches Ehrenkreuz für Kunst und Wissenschaft I. Klasse 1968.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 20. 07. 1944 – 69, Wirkliches Mitglied 1969 – 04. 01. 1972
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Biogramme der Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Walter Steinhauser, P-1071-A Steinhauser, Walter, 07. 02. 1885 in Wien, gest. 03. 08. 1980 in Wien, ao. Prof. der Germanischen Sprachgeschichte und Altertumskunde (Universität Wien ab 19. 07. 1935), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Wichmann, Ottomar, geb. 13. 05. 1890 in Zerbst (Sachsen-Anhalt), gest. 23. 10. 1973 in Kalkutta, ao. Prof. der Philosophie mit Betonung der Pädagogik (Universität Wien ab 08. 10. 1939), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV 31. 08. 1938, NSLB 27. 04. 1933, Mitglied der NSDAP 01. 04. 1932 (Nr. 93.187). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter der Abteilung für Nordische Philologie und Germanische Altertumskunde des Germanistischen Instituts.
Nationalsozialismus: NSLB Oktober 1933, Mitglied der NSDAP 01. 05. 1937 (Nr. 4.636.219) SA Jänner 1934. Ämter und Funktionen 1938 – 45 Direktor des Pädagogischen Seminars.
Entnazifizierung: Entlassen 24. 07. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, daher Entlassung aufgehoben 18. 02. 1947 und in den Ruhestand versetzt 30. 06. 1947. Rehabilitierung: Betretungserlaubnis für die Räume der »Wörterbuchkanzlei« (ÖAW) zur Reorganisation der beschädigten Bestände Juli 1947.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 07. 08. 1940 – 03. 08. 1980.
Entnazifizierung: Vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Längere Zeit als freiberuflicher Schriftsteller tätig, Lehrauftrag an der Universität Tübingen 1950-er Jahre, Pensionierung 1961.
Philosophische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Richard Wolfram, 1172-B Wolfram, Richard, geb. 16. 09. 1901 in Wien, gest. 30. 05. 1995 in Traismauer (Niederösterreich), ao. Prof. der Germanischen und Deutschen Volkskunde (Universität Wien ab 29. 06. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSLB, Mitglied der NSDAP 01. 06. 1932 (Nr. 1.088.974), eigene Angabe vom 09. 12. 1945: »unerledigte« Anmeldung 1932, Anwärter 1938, Mitglied 1939. Entnazifizierung: Vom Staatsamt enthoben 17. 05. 1945, Verdacht der »Illegalität« 12. 10. 1945, nach NSG 1945 »minderbelastet«. Rehabilitierung: Ansuchen um Wiederverleihung der venia legendi 09. 12. 1948, stattgegeben 15. 05. 1954, Universitätsdozent 17. 06. 1954. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 25. 11. 1959, o. Prof. 13. 05. 1963.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1968 – 71, Wirkliches Mitglied 1971 – 30. 05. 1995.
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318
Biogramme der Professoren
Medizinische Fakultät Ordentliche Professoren
UAW, Alfred Amreich, 105.P 4
AÖAW, Bildarchiv, Tassilo Antoine, P-1193-B
Amreich, Alfred, geb. 22. 04. 1885 in Gars am Kamp (Niederösterreich), gest. 08. 09. 1972 in Wien, o. Prof. der Geburtshilfe und Gynäkologie (Universität Wien ab 01. 07. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Antoine, Tassilo, geb. 25. 10. 1895 in Wien, gest. 23. 04. 1980 in Wien, o. Prof. der Geburtshilfe und Gynäkologie (Universität Wien ab 01. 05. 1943), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: SA 1934, SS 15. 03. 1938, Obersturmführer 30. 01. 1942. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor der I. Universitätsfrauenklinik 1939 – 43, Direktor der II. Universitätsfrauenklinik 1943 – 45.
Nationalsozialismus: NSKK, Anwärter der NSDAP 1942. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor der I. Universitätsfrauenklinik 1943 – 45. Entnazifizierung: Erkenntnis Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 28. 09. 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«.
Entnazifizierung: Suspendiert und beurlaubt 10. 05. 1945, entlassen 06. 06. 1945, verhaftet und in Rehalbilitierung: Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten 09. 07. 1947, von der das britische Internierungslager Wolfsberg Registrierungsliste gestrichen 04. 09. 1947. gebracht 22. 12. 1945. Rehabilitierung: Ausnahme von den Sühnefolgen Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 20. 10. 1949, Emeritierung durch den Bundespräsidenten 20. 06. 1948 und 30. 09. 1967, Dekan 1955/56, Rektor 1959/60, 30. 09. 1952. Ehrenring der Stadt Wien 1965, Preis der Stadt Wien für Naturwissenschaften, Billrothmedaille Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Betrieb gynäkologische Fachpraxis ab 1948, Versetzung in der Gesellschaft der Ärzte, Großes Silbernes Ehrenzeichen 1972, Österreichisches den Ruhestand 27. 02. 1953. Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1972.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 1961 – 23. 04. 1980.
319
Medizinische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Hermann Chiari, 1238-B Barrenscheen, Hermann, geb. 19. 11. 1887 in Stuttgart, gest. 03. 11. 1958, o. Prof. der Physiologischen Chemie (Universität Wien ab 02. 08. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: SA-Sturmbannführer 01. 05. 1934, Mitglied der NSDAP 01. 06. 1933 und 01. 05. 1938 (Nr. 6.134.936). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Physiologische Chemie. Entnazifizierung: Suspendiert und beurlaubt 24. 05. 1945, entlassen 06. 06. 1945, Anhaltelager Glasenbach August 1945 – 02. 01. 1947, nach NSG 1947 »belastet«, dann »minderbelastet« 01. 11. 1948. Rehabilitierung: Umwandlung der Entlassung in Enthebung 01. 11. 1948 , Versetzung in den Ruhestand als Assistent 01. 11. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Leitung des Laboratoriums Landeskrankenhaus Salzburg 1947 – 1958.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1941 – 03. 11. 1958.
Chiari, Hermann, geb. 6. 12. 1897 in Wien, gest. 24. 10. 1969 in Wien, o. Prof. der Pathologischen Anatomie (Universität Wien ab 01. 10. 1936), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Pathologisch-anatomischen Instituts. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 02. 09. 1947, Vorstand des Pathologisch-Anatomischen Instituts, emeritiert 01. 10. 1968, Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, Mitglied der Deutschen Pathologischen Gesellschaft.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1944 – 1945, Wirkliches Mitglied 1945 – 24. 10. 1969, Vizepräsident 1945 – 24. 10. 1969.
320
Biogramme der Professoren
UAW, Wolfgang Denk, 105.P 44
UAW, Hans Eppinger, 105.P 58
Denk, Wolfgang, geb. 21. 3. 1882 in Linz, gest. 04. 02. 1970 in Wien, o. Prof. der Pathologischen Chirurgie (Universität Wien ab 01. 01. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Eppinger Hans, geb. 5.1., 6.1., 16.12. oder 26. 12. 1879 (differierende Selbstangaben) in Prag, gest. 25. 9. 1946 in Wien, o. Prof. der Speziellen Medizinischen Pathologie und Therapie (Universität Wien ab 1933), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der II. Chirurgischen Klinik.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP ab 1939 (eigene Angabe), Mitglied 01. 09. 1937 Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) (Nr. 6.164.614), Politischer Leiter Ortsgruppe Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, emeritiert Rathausviertel. Ämter und Funktionen 1938 – 45: 31. 05. 1953, Vorstand der II. Chirurgischen Klinik, Vorstand der I. Medizinischen Klinik. Prodekan 1946/47, Rektor 1948/49, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945. und Kunst 1952, Ehrenring der Stadt Wien, Ehrendoktor der Medizin an der Universität Graz. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Vertrauensarzt des russischen Oberkommandos in Österreich 1945 – 46. Suizid wegen Involvierung an medizinischen Experimenten an Häftlingen des KZ Dachau.
Medizinische Fakultät
321
Fuhs, Herbert, geb. 17. 8. 1891 in Wien, gest. 25. 8. 1960 in Wien, o. Prof. der Dermatologie und Syphilidologie (Universität Wien ab 15. 03. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Gagel, Oskar, geb. 04. 07. 1899 in Nürnberg, gest. 15. 9. 1978 in Nürnberg, o. Prof. der Neurologie (Universität Wien ab 1942), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: SS 28. 05. 1938, Anwärter der NSDAP Mai 1938, Mitglied 1940. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor der Universitätsklinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Dekan 1943 – 45.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 02. 1940 (Nr. 7.480.206). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Neurologischen Instituts, Chefarzt der Neurologischen Poliklinik.
Entnazifizierung: Vom Liquidator enthoben 24. 07. 1945
Entnazifizierung: Suspendiert und beurlaubt 18. 05. 1945, durch den Staatssekretär enthoben 05. 08. 1945, als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945.
Rehabilitierung: Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten 21. 03. 1949, Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Rückkehr nach Nürnberg, Pension von der BRD 1958. Versetzung in den Ruhestand 21. 03. 1949.
322
Biogramme der Professoren
UAW, Franz Hamburger, 106.I.920
UAW, Nikolaus Jagic, 105.P 131
Hamburger, Franz, geb. 14. 08. 1874 in Pitten (Niederösterreich), gest. 29. 08. 1954 in Vöcklabruck, o. Prof. der Kinderheilkunde (Universität Wien ab 1930), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Jagic, Nikolaus, geb. 22. 9. 1875 in Berlin, gest. 28. 12. 1956 in Wien, o. Prof. der Speziellen Medizinischen Pathologie und Therapie (Universität Wien ab 23. 04. 1931), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSDÄB, NSV, Deutsche Arbeitsfront, RDB, Mitglied der NSDAPApril 1934 und 01. 05. 1938 (Nr. 6.334.240). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der Universitätskinderklinik.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der II. Medizinischen Klinik.
Entnazifizierung: Suspendiert und beurlaubt 15. 05. 1945 durch den Staatssekretär enthoben 02. 06. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Leitung der Kinderklinik des Kinderkrankenhauses Vöcklabruck 1945, Versetzung in den dauernden Ruhestand (Altersgrenze ohne Kürzungen) 16. 06. 1947, Silbernes Ehrenzeichen der Republik Österreich, Goethemedaille, Ehrenring der Stadt Wien.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Planmäßiger Ruhestand 01. 10. 1946, Ehrendoktor der Universität Zagreb, Ehrenpräsident der Wiener Gesellschaft für Innere Medizin, Ehrenmitglied bzw. Mitglied vieler in- und ausländischer Gesellschaften.
Medizinische Fakultät
323
UAW, Karl David Lindner, 106.I.2138 Lindner, Karl David, geb. 19. 01. 1883 in Wien, gest. 12. 05. 1961, o. Prof. der Augenheilkunde (Universität Wien ab 01. 04. 1928), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Loeffler, Lothar, geb. 28. 01. 1901 in Erfurt, gest. 23. 10. 1983 in Bad Bol (Baden-Württemberg), o. Prof. der Rassenbiologie (Universität Wien ab 31. 07. 1942), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Prodekan 1942/43, Vorstand der II. Augenklinik.
Nationalsozialismus: SA-Sturmbannführer 1933, Mitglied der NSDAP 22. 07. 1932 (Nr. 1.273.555), Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand und Begründer des Rassenbiologischen Instituts der Universität Wien.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung 19. 12. 1947, emeritiert 15. 06. 1953.
Entnazifizierung: Auflösung des Rassenbiologischen Instituts 02. 06. 1945, als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. 1945. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Anstaltsarzt im Annastift Hannover 1950, beim Eugenischen Arbeitskreis der Inneren Mission 1952, Berufung in den Arbeitskreis Strahlenbiologie der deutschen Atomkommission 1957, Lehrbeauftragter für Sozialbiologie an der Technischen Hochschule Hannover 1954 – 59, Medizinische Hochschule Hannover 1968 – 72.
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Biogramme der Professoren
UAW, Josef Meller, 105.P 175
UAW, Viktor Patzelt, 106.I.1109
Meller, Josef, geb. 22. 10. 1874 in Stein (Niederösterreich), gest. 23. 11. 1968 in Wien, o. Prof. der Augenheilkunde (Universität Wien ab 1918), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Patzelt, Viktor, geb. 18. 07. 1887 in Prag, gest. 17. 09. 1956 in Salzburg, o. Prof. der Histologie und Embryologie (Universität Wien ab 18. 07. 1936), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, RLB, Anwärter der Nationalsozialismus: NSV, aus NSDAP ausgetreten NSDAP ab Herbst 1938 und Mitglied ab Sommer 11. 01. 1941, zwangspensioniert 30. 09. 1944. 1944. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der I. des Histologisch-Embryologischen Instituts. Wiener Augenklinik. Entnazifizierung: Erkenntnis Sonderkommission Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: I. Instanz »tragbar« 28. 09. 1945, nach NSG 1947 Wiedereinstellung 30. 04. 1945, planmäßiger »minderbelastet«, Zustimmung des Ruhestand 01. 05. 1945. Ministerkomitees zu dauernder Wiederverwendung 19. 10. 1949. ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1936 – 1943, später Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ehrenmitglied. Ernennung zum o. Prof. 23. 02. 1950, Vorstand des Histologisch-Embryologischen Instituts.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1940 – 17. 09. 1956.
325
Medizinische Fakultät
AÖAW, Bildarchiv, Eduard Pernkopf, 1477-B
UAW, Hans Pichler, 106.I.953
Pernkopf, Eduard, geb. 24. 11. 1888 in Rapottenstein (Niederösterreich), gest. 17. 4. 1955 in Wien, o. Prof. der Anatomie (Universität Wien ab 24. 03. 1933), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Pichler, Hans, geb. 09. 01. 1877 in Wien, gest. 03. 02. 1949 in Wien, o. Prof. der Zahnheilkunde (Universität Wien ab 1919), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 27. 04. 1933 (Nr. 1.616.421), SA Obersturmbannführer 01. 01. 1934. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Dekan 1938 – 43, Rektor 1943 – 45. Entnazifizierung: Enthebung durch das Staatsamt 27. 04. 1945, Enthebung durch den Liquidator 17. 05. 1946, verhaftet und ca. zwei Jahre im Anhaltelager Glasenbach 10. 08. 1945, nach NSG 1947 »belastet« und nach Einspruch »minderbelastet« 16. 03. 1949. Rehabilitierung: Ausnahme von der Behandlung durch den Bundespräsidenten 13. 12. 1948, Versetzung in den Ruhestand 14. 02. 1949. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Arbeit am anatomischen Atlas. ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1939 – 1940, Wirkliches Mitglied 1940 – 17. 04. 1955.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP Februar 1938 oder kurz nach März 1938. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Zahnärztlichen Instituts und Leiter der Kieferstation der I. Chirurgischen Klinik. Entnazifizierung: Entlassung 12. 02. 1946, Erkenntnis Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 18. 12. 1946. Rehabilitierung: Entlassung außer Kraft gesetzt 12. 06. 1946, Versetzung in den Ruhestand 31. 08. 1946.
326
Biogramme der Professoren
UAW, Arnold Pillat, 106.I.1117
Friedrich Plattner, aus: Jahrbuch Deutsche Studentenschaft 1938/1939.
Pillat, Arnold, geb. 10. 12. 1891 in Ruschowan (Sudetenland), gest. 25. 09. 1975 in Wien, o. Prof. der Augenheilkunde (Universität Wien ab 01. 10. 1944), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Plattner, Friedrich, geb. 01. 09. 1896 in Ottensheim (Oberösterreich), gest. in den 1970-er Jahren, o. Prof. der Physiologie (Universität Wien ab 1938 (Vertretung) bzw. 19. 08. 1940 (Berufung)), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, NSDDB, RKB, Anwärter NSDÄB, Mitglied der NSDAP Mai 1938 (Nr. 6.288.805). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der I. Universitätsaugenklinik ab Oktober 1944.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP Mai 1933 (Nr. 1.601.804), als »Illegaler« Leiter des Kampfbundes für Tirol 1934, »Gauleiter von Tirol« ab 1935, SS 01. 01. 1936, Standartenführer 25. 04. 1938. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Entnazifizierung: Enthebung durch den Vorstand des Physiologischen Instituts, Staatssekretär 05. 08. 1945, Enthebung widerrufen Staatskommissar für Erziehung, Kultus und Volksbildung beim Reichsstatthalter in Wien 17. 08. 1945, Erkenntnis Sonderkommission I. 01. 06. 1938 – 20. 06. 1940. Instanz »tragbar« 28. 09. 1945, Enthebung durch die Alliierten (»Denazification«) 09. 11. 1946, Entnazifizierung: Vom Staatsamt enthoben 24. 09. Ministerkomitee: enthoben, aber semesterweise 1945, vom Liquidator als »Reichsdeutscher« außer weiterbelassen 27. 03. 1946. Dienst gestellt 17. 05. 1946, in Haft im Anhaltelager Rehabilitierung: Ausnahme von den Sühnefolgen Glasenbach 02. 07. 1947, Mitteilung Strafanstalt Garsten: Verurteilung zu fünf Jahren schweren durch den Bundespräsidenten 13. 06. 1947, Kerkers 1948. Ministerkomitee: ab Wintersemester 1947/48 »dauernde Wiederverwendung«. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Prof. für Physiologie an der 1947 gegründeten Universität Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 20. 06. 1948, Vorstand der in Täbriz bis 1961, später am Medical College der I. Augenklinik, Leitung des Paracelsus-Instituts in Universität Ahwaz im Iran. Bad Hall ab 1952, Emeritierung 30. 09. 1963, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, Halle 1963.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 1961 – 25. 09. 1975.
327
Medizinische Fakultät
Otto Pötzl, aus: Karl Kosic, Österreich 1918 – 1934, 2. Auflage, Wien 1935. Pötzl, Otto, geb. 29. 10. 1877 in Wien, gest. 01. 04. 1962 in Wien, o. Prof. der Psychiatrie und Neurologie (Universität Wien ab 01. 11. 1928), vor März 1948 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP September 1938 bis Juli 1943 und Mitglied der »ersten« NSDAP Oktober 1931 bis Oktober 1934. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der Klinik für Psychiatrie und Neurologie, Gerichtssachverständiger. Entnazifizierung: Vom Staatsamt enthoben 21. 08. 1945, Erkenntnis Sonderkommission I. Instanz »nicht tragbar« 25. 06. 1946, Versetzung in den Ruhestand mit Kürzung der Ruhebezüge um 1 Schilling. Kürzung der Ruhestandsbezüge um ein Drittel bis zum 70. Lebensjahr 04. 10. 1947.
Rössler, Richard, geb. 07. 06. 1897 in Ebensee (Oberösterreich), gest. 04. 05. 1945 in Wien, o. Prof. der Pharmakologie (Universität Wien ab 01. 12. 1938), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSDDB, Anwärter der NSDAP ab März 1938, dann Mitglied (Nr. 928.414). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Pharmakologischen Instituts. Entnazifizierung: Verstorben am 04. 05. 1945, Witwe erhielt Vorschüsse auf die Witwenpension 22. 08. 1946.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1941 – 04. 05. 1945.
328
Biogramme der Professoren
Philip, Schneider, aus: Karl Kosic, Österreich 1918 – 1934, 2. Auflage, Wien 1935.
UAW, Leopold Schönbauer, 106.I.1130
Schneider, Philip, geb. 20. 04. 1896 in Wien, gest. 09. 02. 1954 in St. Johann im Pongau, o. Prof. der Gerichtlichen Medizin (Universität Wien ab 01. 10. 1938), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Schönbauer, Leopold, geb. 13. 11. 1888 in Thaya (Niederösterreich), gest. 11. 09. 1963 in Wien, o. Prof. der Chirurgie (Universität Wien ab 01. 04. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSV, SS-Obersturmführer 1934, Mitglied der NSDAP Mai 1933 bis Jänner 1937 und ab 01. 05. 1938 (Nr. 6.143.333). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Gerichtliche Medizin und Kriminalistik, ständig beeideter Sachverständiger beim Landgericht Wien.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP 01. 07. 1940. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vostand der I. Chirurgischen Universitätsklinik.
Entnazifizierung: suspendiert und beurlaubt 15. 05. 1945, enthoben 02. 06. 1945, als »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 27. 05. 1946, Verfahren wegen Verdachtes auf »Illegalität« bzw. Hochverrats beim Volksgericht Linz 30. 06. 1947, nach NSG 1947 »belastet«, wegen Versehrtenstufe IV ab 11. 11. 1948 »minderbelastet«.
Entnazifizierung: Sonderkommissionsverfahren nicht erfolgt, Ministerkomitee: enthoben und bis auf weiteres belassen 27. 03. 1946, Enthebungsverfügung aufgehoben 29. 10. 1947, nach NSG 1947 »minderbelastet«. Rehabilitierung: Ausnahme von der Behandlung durch den Bundespräsidenten 13. 06. 1947.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 25. 05. 1948, Emeritierung 25. 05. 1960, Direktor des AKH 1945 – 1960, Abgeordneter zum Nationalrat 1959 – 1962, Rehabilitierung: Ansuchen um Versetzung in den Großes silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich 17. 09. 1954, Ruhestand abgelehnt 09. 06. 1948, außerordentlicher Versorgungsgenuss für Witwe Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 20. 12. 1958, Billrothmedaille der vom Bundespräsidenten bewilligt 18. 12. 1954. Gesellschaft der Ärzte in Wien 1959, Ehrengrab Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: In Stockholm Zentralfriedhof. Gerichtsopduzent und vertretungsweise Prof. der Gerichtlichen Medizin ab Herbst 1948, Wohnsitz in St. Johann im Pongau 19. 01. 1954.
329
Medizinische Fakultät
Außerordentliche Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Lorenz Böhler, P-1218-B Böhler, Lorenz, geb. 15. 01. 1885 in Wolfurt (Vorarlberg), gest. 20. 01. 1973 in Wien, ao. Prof. der Unfallchirurgie (Universität Wien ab 18. 08. 1944), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: RDB 01. 11. 1939, NSDÄB 15. 07. 1940, Oberfeldführer des Deutschen Roten Kreuzes 1944, Mitglied der NSDAP 25. 05. 1938 (Nr. 6.361.999). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter des Unfallkrankenhauses.
Eugling, Max, geb. 01. 01. 1880 in Feldkirch, gest. 23. 06. 1950 in Wien, ao. Prof. der Hygiene (Universität Wien ab 1937), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP Ende April 1940. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Hygienischen Instituts. Entnazifizierung: Enthoben 18. 08. 1945, Versetzung in den Ruhestand 19. 01. 1946, nach NSG 1947 »minderbelastet«.
Entnazifizierung: Vorläufig vom Staatsamt Rehabilitierung: Streichung aus der enthoben 10. 08. 1945, vom Liquidator entlassen 05. 03. 1946, Bezeichnung »illegal« entfernt 11. 12. Registrierungsliste 20. 02. 1948. 1946. Rehabilitierung: Ausnahme von der Behandlung durch den Bundespräsidenten 28. 06. 1947, Wiederverleihung der Venia Legendi 05. 11. 1947, tit. o. Prof. (ohne Lehrstuhl) 19. 03. 1954. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Leiter des Unfallkrankenhauses bis 1963, Ehrenbürger der Gemeinde Wolfurt 1957, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 1959, Ehrenzeichen des Landes Vorarlberg in Gold 1964, Ehrenring der Stadt Wien 1965, Ehrenmitglied von weltweit 33 Fachgesellschaften, Straßenname im 20. Wiener Gemeindebezirk, Lorenz-BöhlerKrankenhaus 1972.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 1965 – 20. 01. 1973.
330
Biogramme der Professoren
Lejeune, Fritz, geb. 01. 07. 1892 in Köln, gest. 26. 10. 1966 in Villach, ao. Prof. der Geschichte der Medizin (Universität Wien ab 1939), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Mayer, Ernst Georg, geb. 09. 01. 1893 in Wiener Neustadt, gest. 20. 12. 1969, ao. Prof. der Röntgenologie (Universität Wien ab 14. 09. 1944), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Kyffhäuserbund, NSV, NSDÄB, NSLB, Mitglied der NSDAP 1923 (Nr. 3.964), SS. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin.
Nationalsozialismus: RLB, SA 18. 03. 1938, Sturmführer 25. 10. 1938, Mitglied der NSDAP 01. 07. 1940 (Nr. 8.121.907). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des ZentralRöntgen-Instituts.
Entnazifizierung: Vom Staatsamt suspendiert und Entnazifizierung: von den britischen Behörden beurlaubt 10. 05. 1945, vom Liquidator als verhaftet 14. 11. 1945, Ernennung zum ao. Prof. »Reichsdeutscher« außer Dienst gestellt 23. 08. vom Liquidator widerrufen 27. 05. 1946, Widerruf 1945. bleibt aufrecht 10. 12. 1947, Widerruf aufgehoben und enthoben 22. 07. 1948, nach NSG 1947 Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: An der Universität Hamburg emeritiert 1959, Senator der »belastet«, Beschwerdekommission: Deutschen Gesellschaft für Wissenschaft und Verzeichnung als SA-Sturmführer gestrichen 02. 04. 1948, von »belastet« auf »minderbelastet« Forschung 1952 Präsident des deutschen 03. 05. 1948. Kinderschutzbundes 1953, ab 1953 beratender Arzt der Deutschen Angestelltenkrankenkasse. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945 (Wieder-) Ernennung ao. Prof. 15. 09. 1955, Ernennung zum o. Prof. der Röntgenologie, Emeritierung 30. 09. 1964.
Medizinische Fakultät
Pichler, Alexander, geb. 13. 08. 1906 in Lend (Salzburg), gest. 1962, ao. Prof der Anatomie (Universität Wien ab 1940), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 09. 08. 1932, SS März 1938, Obersturmführer 09. 11. 1943, Dozentenbundführer der Medizinischen Fakultät. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Leiter der Abteilung für Topographische Anatomie des Anatomischen Instituts ab 1941. Entnazifizierung: Vom Dekan suspendiert und beurlaubt 10. 05. 1945, vom Staatsamt enthoben 02. 06. 1945, in Salzburg verhaftet und Internierung im Anhaltelager Glasenbach, Ernennung zum ao. Prof. vom Liquidator widerrufen 27. 05. 1946, gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren eingestellt Dezember 1946, nach NSG 1947 »belastet«, Ansuchen auf »minderbelastet« abgelehnt. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ordinationshilfe beim Orthopäden Oskar Stracker nach 1947, Ordination als praktischer Arzt 1950, Herausgeber des 4. Bandes von Pernkopfs Topographischer Anatomie nach 1955, Gruppenarzt der Gebietskrankenkasse ab 1957.
331
Unterberger, Siegfried, geb. 02. 09. 1893 in Salzburg, gest. 18. 04. 1979, ao. Prof. der Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (Universität Wien ab 13. 10. 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: SA seit November 1933, SAObertruppführer 1937, Mitglied der NSDAP Mai 1937 (Nr. 5.347.574). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der I. Klinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten. Entnazifizierung: Entlassen 06. 06. 1945, Entlassung aufgehoben, nicht nach Beamtenüberleitungsgesetz übernommen, durch Liquidator enthoben 27. 08. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Tätigkeit am Landeskrankenhaus Klagenfurt, Vorstand der dortigen Hals-Nasen-Ohren-Abteilung 1948.
332
Emil Wessely, aus: Karl Kosic, Österreich 1918 – 1934, 2. Auflage, Wien 1935. Wessely, Emil, geb. 27. 04. 1887 in Wien, gest. 24. 08. 1954, ao. Prof. der Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten (Universität Wien ab 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied des Kyffhäuserbundes, Mitglied der NSDAP 01. 10. 1933, SA-Sturmführer Oktober 1933. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand der II. Klinik für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten. Entnazifizierung: In amerikanischer Kriegsgefangenschaft bis 31. 10. 1945, entlassen 06. 06. 1945, Entlassung aufrecht 07. 07. 1947, nach NSG 1947 »belastet«. Rehabilitierung: Ausnahme von der Behandlung durch den Bundespräsidenten 31. 05. 1948, Entlassung aufgehoben, außerordentlicher Versorgungsgenuss für Witwe ab 08. 11. 1954. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum ao. Prof. 12. 10. 1953.
Biogramme der Professoren
333
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Ordentliche Professoren
AÖAW, Bildarchiv, Heinrich Demelius, 0664-B Demelius, Heinrich, geb. 02. 05. 1893 in Mödling, gest. am 06. 02. 1987 in Wien, o. Prof. für Handels-, Wechselrecht und Bürgerliches Recht (Universität Wien ab 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 01. 1941 (Nr. 9.022.395), Ortsgruppe Hietzing Blockleiter seit 1940. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Geschäftsführender Direktor des Hauptinstitutes für Rechtswissenschaft, Oberlandesgerichtsrat, Mitglied des Justizprüfungsausschusses beim Oberlandesgericht Wien. Entnazifizierung: Erkenntnis Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 15. 09. 1945, Ministerkomitee: bis zum Beginn des Wintersemesters 1947/48 seines Amtes enthoben 29. 03. 1946, ab Wintersemester 1947/48 Lehrtätigkeit in vollem Umfang. Rehabilitierung: Erkenntnis der Überprüfungskommission nach NSG 1947 gestattet ihm eine Lehrkanzel für Rechts- und Staatswissenschaften an einer österreichischen Universität innezuhaben 15. 08. 1947. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung o. Prof. 1948, Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 1952/53 und 1961/62, 1965 Emeritierung.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1961, Wirkliches Mitglied 1962 – 06. 02. 1987.
Günther, Adolf, geb. am 21. 03. 1881 in Ansbach (Bayern), gest. am 04. 01. 1958 in Innsbruck, o. Prof. für Politische Ökonomie und Gesellschaftslehre (Universität Wien ab 1940), vor März 1938 österreichischer und deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSDDB, NSV, NSKK, NSAHB, SA-Sturmführer, Mitglied der NSDAP 01. 05. 1937 (Nr. 6.228.278). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Institutes für Wirtschaftswissenschaften, Vizedekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät. Entnazifizierung: Vom Liquidator als »illegales« NSDAP-Mitglied und Funktionär enthoben 19. 01. 1946, keine eigentlich durchzuführende Entlassung nach § 14 VBG 1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«. Rehabilitierung: Nachsicht von den Sühnefolgen 21. 4. 1948, Versetzung in den dauernden Ruhestand 26. 7. 1948, keine Anrechnung der Dienstzeit nach 13. 3. 1938.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 29. 07. 1941 – 14. 01. 1958.
334
Biogramme der Professoren
UAW, Alexander Hold-Ferneck, 106.I.1040
UAW, Rudolf Köstler, 106.I.44
Hold-Ferneck, Alexander, geb. am 10. 10. 1875 in Wien, gest. am 25. 01. 1955 in Wien, o. Prof. für Strafrecht und Völkerrecht (Universität Wien ab 1920), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Köstler, Rudolf, geb. am 15. 06. 1878 in Mödling, gest. am 11. 02. 1952 in Wien, o. Prof. für Kirchenrecht (Universität Wien ab 1923), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP ab Herbst 1938, Aufnahmeantrag 1939 oder 1940 nach eigenen Angaben freiwillig zurückgezogen. Entnazifizierung: Von der Verwaltungsstelle der wissenschaftlichen Hochschulen vorbehaltlich der Ergebnisse der Sonderkommission in den dauernden Ruhestand versetzt 31. 12. 1945, Erkenntnis Sonderkommission »tragbar« 08. 03. 1946. Rehabilitierung: keine (Wieder-)Ernennung durch Dienstbehörde aufgrund der erreichten Altersgrenze, Pension ab 01. 01. 1946.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 07. 08. 1940 – 25. 01. 1955.
Nationalsozialismus: Keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Rechtsrat der Universität, Senator, Mitglied des Justizprüfungsausschusses beim Oberlandesgericht Wien. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 05. 09. 1947, Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 1946 – 47, Bestellung als Honorarprof. für das Studienjahr 1949/50 21. 07. 1949, Versetzung in den dauernden Ruhestand 30. 09. 1949, Verlängerung der Honorarprofessur bis zur Erreichung des 75. Lebensjahres 21. 3. 1950.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wahl zum Korrespondierenden Mitglied im Inland 1941, verzögerte Bestätigung am 14. 10. 1943 aufgrund von Einwänden des NSDDB. Wirkliches Mitglied 13. 05. 1947 – 11. 02. 1952.
335
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
UAW, Hans Kreller, 106.I.1086
AÖAW, Bildarchiv, Hans Mayer, P-0925-B
Kreller, Hans, geb. 22. 4. 1887 in Schedewitz (Sachsen), gest. 14. 02. 1958 in Senftenberg (Niederösterreich), o. Prof. für Römisches Recht, Antike Rechtsgeschichte, Bürgerliches Reicht und Wirtschaftsrecht (Universität Wien ab 1941), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Mayer, Hans, geb. 07. 02. 1879 in Wien, gest. am 28. 10. 1955 in Wien, o. Prof. für Volkswirtschaftslehre und -politik und Finanzwissenschaft (Universität Wien ab 1923), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 07. 1940 (Nr. 8.164.000), Ortsgruppe Wien Unter St. Veit. Entnazifizierung: Antrag des Dekans auf (Wieder-)Ernennung 04. 09. 1945, Erkenntnis Sonderkommission »tragbar« 12. 09. 1945, Ministerkomitee: Weiterverwendung im Wintersemester 1946/47 21. 10. 1946, Weiterbelassung für das Studienjahr 1947/48 04. 11. 1947. Rehabilitierung: Erkenntnis der Überprüfungskommission nach NSG 1947 gestattet ihm eine Lehrkanzel für Rechts- und Staatswissenschaften an einer österreichischen Universität innezuhaben 28. 07. 1947, Ausnahme von den Sühnefolgen durch den Bundespräsidenten 01. 04. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 30. 08. 1948.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 1951 – 1953, Wirkliches Mitglied 1954 – 14. 02. 1958.
Nationalsozialismus: NSV 1938, NSDDB und RLB 1939. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Geschäftsführender stellvertretender Vorsitzender des Prüfungsamtes für Diplomvolkswirte. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 17. 09. 1947, Ernennung zum Honorarprof. bis zum Ende des Studienjahres 1953/54 19. 07. 1950, Versetzung in den dauernden Ruhestand 30. 09. 1950.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 31. 05. 1932 – 1940, Wahl zum Wirklichen Mitglied vom Reichserziehungsministerium zunächst nicht bestätigt 1940, Wirkliches Mitglied 28. 05. 1941 – 28. 10. 1955.
336
Biogramme der Professoren
Helfried, Pfeifer, http://www.parlament.gv.at/ WWER/PAD_01191/index.shtml (Zugriff: 30. 09. 2013)
AÖAW, Bildarchiv, Hans Planitz, 0990_B
Pfeifer, Helfried, geb. 31. 12. 1896 in Wien, gest. 26. 4. 1970 in Schwarzach/St.Veit, o. Prof. für Staats- und Verwaltungsrecht (Universität Wien ab 1944), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Planitz, Hans, geb. 04.05.1882 in Kaditz (Sachsen), gest. 16.01.1954 in Wien, o. Prof. für Germanische Rechtsgeschichte, Bürgerliches Recht und Handelsrecht (Universität Wien ab 1941), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Nationalsozialismus: Mitglied der NSDAP 01. 05. Nationalsozialimus: keine Involvierung. 1938 (Nr. 6.104.797). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Mitglied des Justizprüfungsausschusses Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ernennung zum o. Prof. vom Politischen Kabinettsrat 21.12.1945 mit am Oberlandesgericht in Wien. Wirksamkeit vom 01.10.1945, Versetzung in den Entnazifizierung: Erkenntnis dauernden Ruhestand 30.09.1953, Ernennung zum Sonderkommission: »nicht tragbar« 17. 11. 1945, Honorarprof. für deutsche Rechtsgeschichte an der Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand mit 50 % Universität Köln 1953, korrespondierendes (1943) und Kürzung der Ruhebezüge, nach NSG 1947 wirkliches (1945) Mitglied der Bayerischen Akademie »minderbelastet«, Beendigung der Sühnefolgen der Wissenschaften. durch das Amnestiegesetz 1948. ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 02.06.1942–29.10.1945, Wirkliches Mitglied Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: 30.10.1945–16.01.1954. Wiederverleihung der Lehrbefugnis für Allgemeine Staatslehre, Verwaltungslehre und Verwaltungsrecht 06. 08. 1956, Wiederverleihung der Lehrbefugnis für Österreichisches Verfassungsrecht 23. 5. 1959, (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. 25. 02. 1965, Abgeordneter zum Nationalrat (WdU) 08. 11. 1949 – 08. 06. 1956 und (FPÖ) 08. 06. 1956 – 09. 06. 1959.
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
337
Erich, Schwinge, http://www.bildindex.de/ obj20550909.html#jhome (Zugriff: 30. 09. 2013) Schönbauer, Ernst, geb. 29.12.1885 in Windigsteig (Niederösterreich), gest. am 03.05.1966 in Eichberg (Niederösterreich), o. Prof. für Bürgerliches Recht, Römisches Recht, Antike Rechtsgeschichte, Papyrologie und Bauern- und Marktrecht (Universität Wien ab 1929), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: NSV, NS-Rechtswahrerbund (NSRB), Mitglied der NSDAP 01.05.1938 (Nr. 6.193.422). Ämter und Funktionen 1938–45: Kommissarischer Dekan März 1938 und dann bis 1943 Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, Direktor des Institutes für Bauern-, Wirtschafts-, und Arbeitsrecht, Obmann der Marktschiedsgerichte in der »Ostmark«, kommissarischer Landesgruppenleiter der Hochschullehrer im Rechtswahrerbund, Hauptbeauftragter für das Rechtsschrifttum in Österreich, Mitglied der Akademie für deutsches Recht und Leiter des Gaurechtsamtes, Mitglied des Justizprüfungsausschusses am Oberlandesgericht in Wien. Entnazifizierung: Erkenntnis Sonderkommission »nicht tragbar«, Versetzung in den vorzeitigen dauernden Ruhestand mit Kürzung der Ruhebezüge um 1 Schilling monatlich 21.12.1945, nach NSG 1947 »minderbelastet«, Versetzung in den Ruhestand mit Dekret des BMU unter Anrechnung der Dienstzeit von 13.03.1938 bis 30.04.1945 am 31.05.1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Zahlreiche erfolglose Anfechtungsversuche Schönbauers gegen seine Ruhestandsversetzung und Bemühungen um eine (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. vor dem Verfassungsgerichtshof und dem Verwaltungsgerichtshof. Veröffentlichte zahlreiche Publikationen und betrieb eine Landwirtschaft.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 30.05.1933–28.12.1939, Wirkliches Mitglied 29.12.1939–03.05.1966.
Schwinge, Erich, geb. 15. 01. 1903 in Jena, gest. 30. 04. 1994 in Marburg, o. Prof. für Strafrecht und Strafprozessrecht (Universität Wien ab 01. 09. 1940), vor März 1938 deutscher Staatsbürger. Nationalsozialismus: Mitglied 01. 05. 1937 (nach eigenen Angaben 1939 oder 1940), 1933 Bund Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, SS, SA, NSKK und NSFK. Ämter und Funktionen 1938 – 45: 1941 zunächst Staatsanwalt, dann Militärrichter bei der Division 117 in Wien. Entnazifizierung: Erlass des BMU über Einstellung der Bezüge mit 31. 01. 1946 wegen Verhältnis zur NSDAP 16. 01. 1946 Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: o. Prof. an der Universität Marburg 1948, 20 Jahre Dekan, Rektor 1954/55. Strafverteidiger in ca. 150 Strafprozessen gegen ehemalige Angehörige der Wehrmacht und der Waffen-SS. Politisches Engagement für die FDP als Mitglied des Landesvorstandes in Hessen und Bundestagskandidat. Schriftsteller unter dem Pseudonym Maximilian Jacta 1962 – 1972.
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Biogramme der Professoren
UAW, Hans Sperl, 106.I.2680 Sperl, Hans, geb. 13. 11. 1861 in Weyer (Oberösterreich), gest. 03. 03. 1959 in Wien, o. Prof. für Bürgerliches Gerichtsverfahren (Universität Wien ab 1900), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Swoboda, Ernst, geb. 18. 06. 1879 in Tachau (Böhmen), gest. 24. 04. 1950 in Wien, o. Prof. für Zivilgerichtliches Verfahren und Bürgerliches Recht (Universität Wien ab 1939), vor März 1938 tschechoslowakischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSDAP-Anwärter Herbst 1939.
Nationalsozialismus: NSDAP-Mitglied 01. 11. 1938 (Nr. 6.797.155), SA-Sturmbannführer Mai 1939, Gaugruppenwalter des NSRB, NSDDB, NSAHB, NSV. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ab Wintersemester 1943/44, Leiter des Institutes für Rechtsangleichung, Oberlandesgerichtsrat, Mitglied des Justizprüfungsausschusses beim Oberlandesgericht Wien und in Leitmeritz.
Entnazifizierung: Aus Altersgründen in den Ruhestand versetzt. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Im Ruhestand. Ehrenzeichen der Universität Wien anlässlich seines 90. Geburtstags 1951.
ÖAW-Mitgliedschaft: Ehrenmitgliedschaft der Philosophisch-Historischen Klasse 20. 07. 1942.
Entnazifizierung: vom Staatsamt für Volksaufklärung, Unterricht Erziehung und für Kultusangelegenheiten enthoben 06. 06. 1945, nach NSG 1947 »belastet«, 29. 12. 1948 Bewilligung einer »Ausnahme von der Behandlung« durch den Bundespräsidenten, keine Ruhestandsversetzung.
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
339
AÖAW, Bildarchiv, Alfred Verdroß-Droßberg, P1122-B Verdroß-Droßberg, Alfred, geb. 22. 02. 1890 in Innsbruck, gest. 27. 04. 1980 in Innsbruck, o. Prof. für Völkerrecht, Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaften und Internationales Privatrecht (Universität Wien ab 1925), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: keine Involvierung.
Vogel, Emanuel Hugo, geb. 30. 12. 1875 in Wien, gest. 31. 3. 1946 in Mödling, o. Prof. für Volkswirtschaftslehre und -politik, Finanzwissenschaft, Finanzrecht und Statistik (Universität Wien ab 1939), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSDAP-Mitglied 1940 (nach eigenen Angaben »Illegaler«). Ämter und Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Funktionen 1938 – 45: Leitung der Abteilung für Ernennung zum o. Prof. 13. 09. 1947, Rektor 1951/ »Wehr- und Kriegswirtschaft und 52, Prorektor 1952/53 und 1953/54, Senator und Raumforschung«. Ehrensenator der Universität Wien, Dekan der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät Entnazifizierung: Nach Kriegsende vom Dienst enthoben, vorbehaltlich des Ergebnisses der 1947/48 und 1958/59. Richter des Haager Überprüfung durch die Sonderkommission wegen Schiedshofes 1958 – 1977, des Europäischen Erreichung der Altersgrenze in den dauernden Gerichtshofes für Menschenrechte 1959 – 1977, Mitglied der Internationalen Rechtskommission Ruhestand versetzt am 31. 12. 1945. Einstellung des Verfahrens durch die Sonderkommission 28. 6. der Vereinten Nationen 1957 – 1965. Großes Silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die 1946, da verstorben. Republik Österreich 16. 09. 1954, Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst 07. 08. 1959, Ehrenring der Stadt Wien 1960. Ehrendoktorate der Universitäten Wien, Innsbruck, Salzburg, Paris, Frankfurt, Löwen, Salamanca und Saloniki. Emeritiert 30. 09. 1961.
ÖAW-Mitgliedschaft: Korrespondierendes Mitglied im Inland 01. 06. 1937 – 1949, Wirkliches Mitglied 1950 – 27. 04. 1980.
340
UAW, Leopold Wenger, 106.I.1649 Wenger, Leopold, geb. 04. 09. 1874 in Obervellach (Kärnten), gest. 21. 09. 1953 in Obervellach, o. Prof. für Römisches Recht und Antike Rechtsgeschichte (Universität Wien ab 1935), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: keine Involvierung. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Honorarprof. an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät 03. 10. 1945 – 1952, in den regulären Ruhestand versetzt 10. 04. 1946. Ehrendoktorat der Staatswissenschaften der Universität Wien 1947, Preis der Stadt Wien für Geisteswissenschaften 1947.
ÖAW-Mitgliedschaft: Wirkliches Mitglied 28. 05. 1926 – 1927, Korrespondierendes Mitglied im Ausland 1927 – 1935, Wirkliches Mitglied 1935 – 21. 09. 1953.
Biogramme der Professoren
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
341
Außerordentliche Professoren
Haar, Anton, geb. 29. 01. 1890 in Graz, gest. 26. 09. 1951 in Graz, ao. Prof. für Betriebswirtschaftslehre (Universität Wien ab 1943), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Streicher, Hubert, geb. 04. 05. 1893 in Völkermarkt (Kärnten), gest. 26. 05. 1977, ao. Prof. für Kriminologie, Strafrecht und Strafprozessrecht (Universität Wien ab 1928), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSDAP-Mitglied 01. 04. 1940 (Nr. 7.976.650). Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Institutes für Wirtschaftswissenschaften, Mitglied des Prüfungsamtes für Diplomvolkswirte, Lehrbeauftragter und Mitglied des Prüfungsamtes der Kaufleute und Handelslehrer an der Hochschule für Welthandel.
Nationalsozialismus: NSDAP-Mitglied 01. 02. 1938, Austritt aufgrund der Klassifizierung seiner Ehefrau als »Mischling 2. Grades« im Herbst 1938. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Institutes für Kriminologie, Mitglied des Justizprüfungsausschusses beim Oberlandesgericht Wien.
Entnazifizierung: Erkenntnis der Sonderkommission: »tragbar« 20. 11. 1945, Enthebung durch das Ministerkomitee mit ununterbrochener semesterweiser Weiterverwendung März 1946.
Entnazifizierung: enthoben, vom Bundesministerium für Unterricht in den dauernden vorzeitigen Ruhestand versetzt 28. 02. 1946. keine Genehmigung der Anträge auf Wiederverwendung 17. 01. 1948.
Rehabilitierung: Erkenntnis der Überprüfungskommission nach NSG 1947 gestattet ihm eine Lehrkanzel für Rechts- und Staatswissenschaften an einer österreichischen Universität innezuhaben 28. 07. 1947. Zustimmung des Ministerkomitees zur dauernden Weiterverwendung 18. 11. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ernennung zum ao. Prof. für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Wien durch Entschließung des Bundespräsidenten 05. 10. 1948. o. Prof. für Wirtschaftspädagogik an der Hochschule für Welthandel 07. 01. 1950.
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Biogramme der Professoren
Katholisch-Theologische Fakultät Ordentliche Professoren
UAW, Johannes Gabriel, 105.P 89
UAW, Karl Jellouschek, 106.I.1079
Gabriel, Johannes, geb. 18. 04. 1896 in Wien, gest. 20. 11. 1964 in Wien, o. Prof. der Alttestamentlichen Wissenschaft (Universität Wien ab 01. 10. 1936), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Jellouschek, Karl, geb. 30. 10. 1887 in Linz, gest. 06. 08. 1961 in Wien, o. Prof. der Dogmatik (Universität Wien ab 05. 07. 1935), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Alttestamentlichen Seminars. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, Dekan 1946/ 47, 1952/55, 1958/59, Rektor der Universität Wien 1950/51, Offizier der französischen Ehrenlegion, Großes silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, Consultor der päpstlichen Bibelkommission.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Dogmatischen Seminars. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, Dekan 1945/ 46, 1951/52, 1957/58, Rektor der Universität Wien 1955/56, Emeritierung 30. 09. 1958, erzbischöflicher Konsistorialrat.
343
Katholisch-Theologische Fakultät
UAW, Ernst Tomek, 106.I.2556 Posch, Andreas, geb. 21. 10. 1888 in Waldbach (Steiermark), gest. 26. 11. 1971 in Graz, o. Prof. der Kirchengeschichte (Universität Wien ab 14. 04. 1941), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Tomek, Ernst, geb. 19. 10. 1879 in Wien, gest. 10. 10. 1954 in Wien, o. Prof. der Kirchengeschichte (Universität Wien ab 21. 11. 1919), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter Nationalsozialismus: NSV. Ämter und und Funktionen 1938 – 45: Dekan der Katholisch- Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Theologischen Fakultät der Universität Graz 1938/ Kirchenhistorischen Seminars, Dekan 1938 – 45. 39. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Auf Ansuchen Ernennung zum o. Prof. 30. 09. 1947, des Akademischen Senats nach Graz rückversetzt Emeritierung 30. 09. 1950, päpstlicher Hausprälat Oktober 1945, (Wieder-)Ernennung zum o. Prof. 1953, apostolischer Protonotar. an der Universität Graz 06. 09. 1947, Dekan 1950/51 und 1956/57, Emeritierung 30. 09. 1960, Österreichisches Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse.
344 Außerordentliche Professoren
UAW, Johann Kosnetter, 106.I.1084 Kosnetter, Johann, geb. 27. 07. 1902 in Wien, gest. 01. 03. 1980 in Wien, o. Prof. für Neutestamentliche Wissenschaft (Universität Wien ab 27. 09. 1937), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger. Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Vorstand des Neutestamentlichen Seminars. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Ernennung zum o. Prof. 07. 08. 1946, Emeritierung 17. 05. 1972, Dekan 1949/50, 1954/55, 1960/61, Hausprälat von Papst Paul VI, Mitglied des Richard Wagner-Verbandes, Großes silbernes Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.
Biogramme der Professoren
345
Evangelisch-Theologische Fakultät
Evangelisch-Theologische Fakultät Ordentliche Professoren
UAW, Josef Bohatec, 106.I.324
UAW, Gustav Entz, 106.I.325
Bohatec, Josef, geb. 26. 01. 1876 in Kochow (Mähren), gest. 06. 06. 1954 in Weidenau (Nordrhein-Westfalen), o. Prof. des Kirchenrechts (Universität Wien ab 01. 02. 1916), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Entz, Gustav, geb. 14. 09. 1884 in Wien, gest. 15. 10. 1957 in Wien, o. Prof. der Praktischen Theologie (Universität Wien ab 26. 09. 1922), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: keine Involvierung. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Fürsorgereferent, Direktor des Kirchenrechtlichen Seminars.
Nationalsozialismus: NSV, förderndes Mitglied der SS 01. 04. 1938, RLB 11. 05. 1939, Anwärter der NSDAP März 1938 bis Februar 1939. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des PraktischTheologischen Seminars, Dekan 1938 – 45.
Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Emeritierung Juli 1947, Ehrendoktorat der Rechtswissenschaft in Entnazifizierung: Bericht des BMU zu Verhältnis zur NSDAP 09. 08. 1947. Amsterdam, der Theologie in Wien und Bonn, Ehrenprof. der Universität Debrecen (Ungarn). Rehabilitierung: Beschwerdekommission am BMI: auf eigenen Antrag von der Verzeichnung als NS ausgenommen 19. 01. 1948. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: (Wieder-) Ernennung zum o. Prof. 10. 03. 1948, Emeritierung 30. 09. 1955, Großes silbernes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich, Ehrenritter des Johanniterordens.
346
Biogramme der Professoren
UAW, Fritz Wilke, 106.I.332 Schmidt, Hans Wilhelm, geb. 11. 02. 1903 in München, gest. 14. 11. 1991 in Riemerling (Bayern), o. Prof. der Systematischen Theologie (Universität Wien ab Sommersemester 1939), vor März 1938 deutscher Staatsbürger.
Wilke, Fritz, geb. 07. 02. 1879 in Greifenberg (Pommern), gest. 02. 12. 1957 in Wien, o. Prof. der Alttestamentlichen Wissenschaft (Universität Wien ab 07. 07. 1910), vor März 1938 österreichischer Staatsbürger.
Nationalsozialismus: NSDDB, NSV, Mitglied der NSDAP seit 1933. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Seminars für Systematische Theologie.
Nationalsozialismus: Anwärter der NSDAP 1938, Mitglied der NSDAP 1940 (Aufnahmedatum 01. 05. 1938, Nr. 6.293.472) Ortsgruppe Kärntnerviertel. Ämter und Funktionen 1938 – 45: Direktor des Alttestamentarischen Seminars.
Entnazifizierung: Als »Reichsdeutscher« vom BMU des Dienstes enthoben 18. 04. 1946, Intervention Vizekanzler Adolf Schärf: Ausweisung aus Österreich vorläufig sistiert 19. 02. 1947, von sowjetischen Soldaten während einer Vorlesung verhaftet Sommersemester 1947. Rehabilitierung: Erkenntnis der Sonderkommission I. Instanz »tragbar« 06. 05. 1946, Ministerkomitee: Weiterbelassung bis Ende Wintersemester 1946/47. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Verzicht auf Rückkehr nach Wien Herbst 1947, im Dienste der bayerischen Landeskirche, Professur an der Universität Erlangen-Nürnberg 1962.
Entnazifizierung: Gesuch um Nachsicht von der Registrierung 20. 06. 1945, Unterstützung dieses Gesuchs durch ÖVP Wien 24. 07. 1945, Ministerkomitee: enthoben 29. 03. 1946, Versetzung in den Ruhestand 08. 04. 1946. Berufs- und Karriereverlauf ab 1945: Honorarprof. an der Universität Wien 01. 10. 1949 bis Ende Sommersemester 1954, Ehrendoktorat der Universität Rostock, Griechischer Phönixorden.
Archivalien
Archiv der Universität Wien (UAW) Personalakten der Philosophischen (PHIL), Medizinischen (MED), Rechts- und Staatswissenschaftlichen (JUR), Katholisch-Theologischen (THK) und Evangelisch-Theologischen Fakultät (THE) Dekanatsakten der Philosophischen, Medizinischen, Rechts- und Staatswissenschaftlichen, Katholisch-Theologischen und Evangelisch-Theologischen Fakultät 1938 – 1955 Sitzungsprotokolle des Akademischen Senats 1945 – 1955 (SSP) Vorlesungsverzeichnisse 1938 – 1955
Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik (ÖStA/AdR) Personalakten (PA) des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst (BMU) Bundeskanzleramt (BKA), Akten des Ministerkomitees (MK) Entnazifizierung
Bundesarchiv Berlin (BA) Sachaktenbestand R 4901
Wiener Stadt- und Landesarchiv (WStLA) Personalakten des Gaues Wien 1932 – 1955
Gesetzestexte
Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP (Verbotsgesetz), Staatsgesetzblatt (StGBl.) 1945/13 (VBG). Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz), StGBl. 1945/32. Verfassungsgesetz vom 15. August 1945 über die Änderung und Ergänzung des Verbotsgesetzes vom 8. Mai 1945, StGBl. 1945/13 (Verbotsgesetznovelle). Verordnung der Staatskanzlei im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern vom 22. August 1945 zur Durchführung des Verbotsgesetzes und der Verbotsgesetznovelle (3. Durchführungsverordnung zum Verbotsgesetz), StGBl. 1945/131. Bundesverfassungsgesetz vom 24. Juli 1946, womit die Verbotsgesetznovelle vom 15. August 1945, St.G.Bl. Nr. 127, abgeändert wird, Bundesgesetzblatt (BGBl.) 177/ 1946. Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947, über die Behandlung von Nationalsozialisten (Nationalsozialistengesetz), BGBl. 25/1947 (NSG). Verordnung der Bundesregierung vom 10. März 1947 zur Durchführung des Verbotsgesetzes 1947. BGBl. 64/1947. Bundesverfassungsgesetz vom 22. April 1948 über die vorzeitige Beendigung der im Nationalsozialistengesetz vorgesehenen Sühnefolgen für jugendliche Personen (Jugendamnestie). BGBl. 70/1948. Bundesverfassungsgesetz vom 21. April 1948, über die vorzeitige Beendigung der im Nationalsozialistengesetz vorgesehenen Sühnefolgen für minderbelastete Personen (Minderbelastetenamnestie). BGBl. 99/1948. Bundesverfassungsgesetz vom 17. Dezember 1951 über die Befreiung der Spätheimkehrer von der Verzeichnungs- und Sühnepflicht, die Einstellung von Strafverfahren und die Nachsicht von Strafen gegen solche Personen. BGBl. 159/1953. Bundesverfassungsgesetz vom 18. Juli 1956, womit Gruppen ehemaliger Nationalsozialisten in Ansehung der Strafe des Vermögensverfalls amnestiert werden (Vermögensverfallsamnestie). BGBl. 155/1956. Bundesverfassungsgesetz vom 14. März 1957, womit Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes, BGBl. Nr. 25/1947, abgeändert oder aufgehoben werden (NS-Amnestie 1957). BGBl. 82/1957.
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Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1: Nicht von der Entnazifizierung betroffene Professoren der Philosophischen Fakultät Tabelle 2: Nach Verbotsgesetz 1945 behandelte Professoren der Philosophischen Fakultät Tabelle 3: Durch besondere Organe der Entnazifizierung behandelte Professoren der Philosophischen Fakultät Tabelle 4: Nach Nationalsozialistengesetz 1947 behandelte Professoren der Philosophischen Fakultät Tabelle 5: Versetzungen in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung an der Philosophischen Fakultät (22 Personen) Tabelle 6: Professoren der Philosophischen Fakultät, die ihre Karriere an der Universität Wien oder einer anderen österreichischen Universität oder Hochschule fortsetzen konnten (21 Personen) Tabelle 7: Karriere entnazifizierter Professoren der Philosophischen Fakultät an ausländischen Universitäten und Hochschulen (16 Professoren) Tabelle 8: Wissenschaftliche Karrieren von Professoren der Philosophischen Fakultät im außeruniversitären Bereich Tabelle 9: Professoren der Philosophischen Fakultät, die nach 1945 in der Privatwirtschaft tätig waren (6 Personen) Tabelle 10: Wissenschaftliche Arbeit und Publikationen der Professoren der Philosophischen Fakultät im (vorzeitigen) Ruhestand oder als selbständige Wissenschaftler Tabelle 11: Mitgliedschaft der von der Entnazifizierung erfassten Professoren der Philosophischen Fakultät bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Tabelle 12: Politische Überprüfung der Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät am 5. Juli 1945 Tabelle 13: Behandlung der Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät durch besondere Entnazifizierungsorgane Tabelle 14: Versetzungen in den Ruhestand im Zuge der Entnazifizierung bei Professoren der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät (7 Personen)
94 96 f. 105 – 108 113 – 115 117 f. 124 f. 127 f. 133 133 f. 134 f. 137 – 139 211 227 f. 231
Abkürzungsverzeichnis
AdR AKH AÖAW ao. Prof. Aplm. Prof. AS BA BGBl. BKA BMI BMU BRD CIC Cur CV DDR FDP FPÖ Gz. JUR KPÖ k.M.A. k.M.I. KZ MED MK NKWD NS NSAHB NSDÄB NSDAP
Archiv der Republik Allgemeines Krankenhaus Archiv der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Außerordentlicher Professor Außerplanmäßiger Professor Akademischer Senat Bundesarchiv, Berlin Bundesgesetzblatt Bundeskanzleramt Bundesministerium für Inneres Bundesministerium für Unterricht Bundesrepublik Deutschland Counter Intelligence Corps Kurrentakten Cartellverband Deutsche Demokratische Republik Freie Demokratische Partei Freiheitliche Partei Österreichs Geschäftszahl Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät Kommunistische Partei Österreichs korrespondierendes Mitglied im Ausland korrespondierendes Mitglied im Inland Konzentrationslager Medizinische Fakultät Ministerkomitee Narodny kommissariat wnutrennich del (Volkskommissariat für innere Angelegenheiten), Innenministerium der UdSSR nationalsozialistische/-r/-s, Nationalsozialismus Nationalsozialistischen Altherrenbundes der Deutschen Studenten Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
364 NSDDB NSFK NSG
Abkürzungsverzeichnis
Nationalsozialistischer Deutscher Dozentenbund Nationalsozialistisches Fliegerkorps Nationalsozialistengesetz 1947 (Bundesverfassungsgesetz vom 6. Februar 1947, über die Behandlung von Nationalsozialisten, BGBl. 25/1947) NSKK Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund NSRB Nationalsozialistischer Rechtswahrerbund NSV Nationalsozialistische Volkswohlfahrt o. Nr. ohne Nummer/nicht nummeriert o. Prof. Ordentlicher Professor ÖAW Österreichische Akademie der Wissenschaften ÖStA Österreichisches Staatsarchiv ÖVP (Österreichische) Volkspartei PA Personalakt PG Parteigenosse PHIL Philosophische Fakultät RAVAG Radio Verkehrs AG RDB Reichsbund der Deutschen Beamten RKB Reichskolonialbund RLB Reichsluftschutzbund SA Sturmabteilung der NSDAP SD Sicherheitsdienst SdP (SDP) Sudetendeutsche Partei Sozialdemokratische Partei Österreichs SPÖ SS Schutzstaffel der NSDAP SSP Senatssitzungsprotokoll (des Akademischen Senates der Universität Wien) StGBl. Staatsgesetzblatt THE Evangelisch-Theologische Fakultät THK Katholisch-Theologische Fakultät UAW Archiv der Universität Wien UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken UK-Stellung unabkömmlich-Stellung VBG Verbotsgesetz 1945 (Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP, StGBl. 1945/13). VdU Verband der Unabhängigen w.M. wirkliches Mitglied WdU Wahlpartei der Unabhängigen WS Wintersemester WStLA Wiener Stadt- und Landesarchiv
Personenregister
Adamovich, Ludwig 18 – 22, 55, 73 f., 77 – 83, 87 – 91, 202, 208, 259 Adler, Guido 62 f., 302 Adler, Melanie 62 f. Amreich, Alfred 175 – 178, 180, 183, 193 – 196, 318 Antoine, Tassilo 59, 90, 182 f., 185, 189, 191, 201, 266, 318 Appelt, Heinrich 99 Aquin, Thomas von 246 f. Arzt, Leopold 60, 78, 83, 91, 171, 174, 178, 184, 193, 201, 204, Bachmann, Ernst 190 Barrenscheen, Hermann 57, 171, 174, 181, 183, 193 – 196, 202, 319 Bauer, Wilhelm 96, 104 f, 109, 116 f., 125, 130, 134, 137, 283 Baumann, Hermann 96, 127 f., 161, 283 Beiglböck, Wilhelm 187 – 189 Benda, Oskar 59, 104, 113, 120, 147 – 149, 293 Bick, Josef 121 Bismarck, Otto 258 Bock, Oskar 128 Bohatec, Josef 260 – 262, 345 Bohatec (geb. Helmer), Martha 262 Böhler, Jörg 196 Böhler, Lorenz 169, 183, 192, 196, 329 Böhm, Johann 89 Brassloff, Stephan 208 Brauner, Karl 198 Breitenfeld, Anna Henriette 166
Brunner, Otto 96, 104 f, 117 f., 126 f., 134, 137, 139, 150 – 153, 284 Buddenbrock-Hettersdorf, Wolfgang 96, 127 f, 137, 140, 284 Bühl, Alfons 146 Bühler, Karl 64 f. Bürckel, Josef 184, 254 Calvin, Johannes 261 Castle, Eduard 53 f. Chiari, Hermann 189, 192, 319 Christian, Viktor 96, 112 f., 115 – 117, 120, 134, 137, 140, 152 f., 161 f., 166 f., 177, 180, 285 Clark, Mark Wayne 79 Cysarz, Herbert 54 Czermak, Wilhelm 83, 94, 98, 120, 159 – 161, 205, 257, 266, 285 Degenfeld-Schonburg, Ferdinand 208 – 210, 225, 236 f. Deissmann, Adolf 246 Demelius, Elisabeth 212 f. Demelius, Heinrich 210 – 214, 216, 218 f, 226 f, 240, 333 Denk, Wolfgang 189, 266, 320 Dollfuß, Engelbert 52, 66, 233 Dostojewski, Fjodor Michailowitsch 261 Drimmel, Heinrich 18, 52, 54, 206 Duda, Herbert 94, 120, 136, 164, 177 f., 286
366 Ebert, Ludwig 83 f., 93 f., 100 f., 140, 171, 286 Egger, Rudolf 96, 102, 113, 115 – 117, 119, 132 – 134, 136 f., 139, 157 – 159, 287 Egli, Johann Karl 261 Ehrenberg, Kurt 56, 60 f., 96, 104 f., 109, 113, 117 f., 124 f., 132 f., 287 Ehrenhaft, Felix 62 Eibl, Hans 97, 102, 117, 119, 135, 242, 307 Einstein, Albert 144 f. Entz, Gustav 15 – 17, 57, 249 – 259, 345 Eppinger, Carl 185 Eppinger, Hans jun. 182 f., 185 – 190, 195, 320 Eppinger, Hans sen. 185, 187 Eppinger, Maria 188 Eugling, Max 179, 183 f., 193, 195, 329 Faltis, Franz 77, 94, 109, 136, 288 Ficker, Heinrich 93 f., 136, 141, 288 Ficker, Rudolf 62 f Figl, Leopold 40 – 42, 51 Fischer, Ernst 20, 49, 51 f., 55 – 58, 61, 73 f., 76, Frauenfeld, Alfred 242 Frauwallner, Erich 97, 114 f., 117 f., 125, 135, 139, 307 Fues, Erwin 96, 127 f., 138, 140, 289 Führer, Wilhelm 144 Fuhs, Herbert 170, 178, 183, 190, 193 – 195, 321 Gabriel, Johannes 244, 246 f., 266, 342 Gagel, Oskar 171, 183, 321 Gehlen, Arnold 94, 96,118, 127 f., 138, 140, 153, 174, 289 Gerigh, Herbert 62 Goethe, Johann Wolfgang von 149, 160, 246 Goldmann, Emil 208 Göring, Hermann 146, 309 Grillparzer, Franz 134, 149, 300 Gröbner, Wolfgang 97, 125, 308 Gschnitzer, Franz 88 Gundel, Max 184 Günther, Adolf 210 f., 228 – 231, 240, 333
Personenregister
Haar, Anton 209 – 211, 217 – 219, 226 – 228, 240, 341 Habicht, Theo 242 Hajek, Alois 56, 97,102, 115, 117, 125, 205, 308 Hamburger, Franz 169 f., 182 f., 193, 195 f., 322 Hantsch, Hugo 92, 148, 156 Haschek, Eduard 94, 116, 130, 309 Hassinger, Hugo 94, 130, 163, 290 Havers, Wilhelm 77, 94, 109, 116, 290 Hayek, Friedrich August 62 Heine-Geldern, Robert 65 Heisenberg, Werner 146 Helmer, Oskar 54, 259 Henlein, Konrad 232 f. Herz, Martin F. 52 Hess, Rudolf 250, Himmler, Heinrich 161, 240 Hitler, Adolf 51, 68, 119, 121, 129,156 f., 170, 173, 190, 202, 213 – 215, 235, 242, 250 – 252 Höfler, Karl 89, 96, 105, 110 f., 113, 115, 124, 138, 291 Hofmannsthal, Hugo von 149 Hofreiter, Nikolaus 89, 97, 107, 112, 114, 125, 139, 266, 309 Hold-Ferneck, Alexander 209 – 211, 219 f., 226 – 229, 231, 240, 334 Hollnsteiner, Johannes 241, 249 Horeischy, Kurt 101, 312 Huber, Anton 95 f 113, 133 f, 138, 140, 291 Huber, Josef 96, 105, 111, 117, 134, 143, 151, 185, 292 Hupka, Josef 208 Hurdes, Felix 18, 23, 49, 51 – 54, 58, 60, 64, 66, 71, 83, 87, 99, 205, 214, 216, 228, 243, 247 Hyde, Herbert 164 Innitzer, Theodor 241 Ipsen, Gunther 96, 100, 126 – 128, 150 – 153, 292 Isbary, Emma 219 Jacta, Maximilian
239, 337
Personenregister
Jagic, Nikolaus 169 f., 172, 189, 193, 322 Jagoditsch, Rudolf 88 f., 107, 111, 114, 119, 123, 125, 310 Jellouschek, Karl 243 f., 246 f., 266, 342 Junker, Hermann 160 f. Jury, Hugo 157 Kahr, Heinrich 190, 201 Kainz, Friedrich 88 f., 97, 107, 114 f., 118, 123, 125, 139, 310 Kant, Immanuel 68, 160 Kapsreiter, Gustav 56, 60, 205 f. Keil, Josef 20, 77, 94, 110, 116, 136, 163, 293 Kelsen, Hans 70, 219 Kenda, Hans 76 Khälß, Kurt 204 Kindermann, Heinz 13, 17, 23, 54, 59 f., 95 f., 100, 104 f., 113, 120 f., 124, 134, 138, 147 – 149, 151, 160, 293 Kirsch, Gerhard 96, 113, 115, 117, 133, 138 f., 154 f., 294 Klastersky, Wilhelm 67, 71 Knoll, August Maria 92 Knoll, Fritz 96, 113, 115, 117, 134, 138 f, 174, 294 Koch, Hans 96, 98, 126 f., 129, 132 f., 162, 295 Kofler, Johann 89, 97, 107 f., 114 f., 123, 125, 311 Kolb, Ernst 18, 49, 51 f., 72 Körner, Theodor 11, 49, 195 Kosnetter, Johann 242, 245 f., 344 Köstler, Rudolf 70, 77 f., 84, 89, 91, 208 f., 220, 235, 334 Kraft, Viktor 119 Kralik, Dietrich 88 f., 96, 105 f, 111, 113, 115, 124, 138 f., 295 Kreisky, Bruno 47 – 49 Kreller, Hans 88 f., 171, 210 f., 214 – 219, 226 f., 232, 240, 335 Kurth, Karl 97, 130 – 133, 311 Kutiak, Margarete 167 Landsberger, Benno 164 Lange, Jörn 97, 101 f., 130, 312
367 Lanz v. Liebenfels, Jörg 156 Lauda, Ernst 197 Lebedenko, Nikita 206 Lechner, Alfred 93, 114 f Lechner, Emma 114 Leitmeier, Hans 16 f., 148, 156, 163 Lejeune, Fritz 171, 183, 192, 196, 330 Leopold, Josef 220 Leuchs, Kurt 17, 88 f., 96, 100, 105 f., 110 f., 114 f., 123 f., 138, 140, 148, 163 f., 171, 296 Lieben, Fritz 65 Liegler, Leopold 98 Lietzmann, Hans 246 Liewehr, Ferdinand 96, 127 f., 296 Lindner, Karl 189, 198 – 202, 323 List, Guido von 156 Löffler, Lothar 171, 183 Loidl, Franz 242 – 244 Lott, Leigh M. 79 f., 164 Lugmayer, Karl 201, 208 Mahler, Gustav 94 Marchet, Arthur 96, 102, 109, 112, 114, 117, 133 f., 143, 154 – 157, 177, 209, 216, 223, 233, 236, 250, 297 Marinelli, Wilhelm 94, 136, 312 Marx, Karl 119 Matejka, Viktor 64 Mayer, Ernst 169, 175, 183, 192, 330 Mayer, Hans 77 f, 83, 86, 208 f, 335 Mayr, Carl 94, 313 Mayrhofer, Adolf 96, 103, 105, 116 f, 177, 297 Mayrhofer, Karl 96, 114 f, 117 f, 124, 134, 138, 143 f., 151, 298 Meiser, Hans 251 Meister, Richard 65, 79, 85 – 90, 92, 94, 98, 136, 141, 159 – 161, 178, 266 f., 298 Meller, Josef 169 f., 175, 189, 193, 200, 202, 324 Menghin, Oswald 96, 112, 114, 116 f., 126 f., 138 f., 161, 299 Merkl, Adolf Julius 53, 56, 65 – 71, 208 Mewaldt, Johannes 89, 96, 105 f., 114, 116 f., 134, 138, 299
368 Mitteis, Heinrich 208 Moldenhauer, Gerhard 96, 126 – 128, 300 Muhs, Hermann 251 Nadler, Josef 13, 53, 95 f., 114, 118, 120 f., 134, 136, 138 f., 300 Nagl, Ferdinand 238 Nestroy, Johann Nepomuk 149 Neuberg, Carl 65 Nietzsche, Friedrich 246 Ortner, Gustav 50, 97, 113 f., 120, 123, 125 f., 128, 132 f., 135, 139, 165 f., 313 Patzelt, Viktor 58, 90, 174, 181 – 183, 185, 189, 201, 324 Pernkopf, Eduard 170, 174, 178 – 181, 183, 190 – 195, 325, 331 Pernter, Hans 52 Pfalz, Anton 97, 113 – 115, 117, 139 f., 162, 314 Pfeifer, Helfried 207, 211, 219, 222 – 228, 231, 240, 336 Pichler, Alexander 178, 183, 191, 195 f., 331 Pichler, Hans 179, 182 f, 193, 195, 325 Pick, Ernst Peter 65 Pillat, Arnold 27, 29, 56, 58, 60, 169, 182 f., 185, 189, 196, 198 – 206, 326 Planitz, Hans 78, 171, 208 f., 214, 232, 336 Plattner, Friedrich 152, 172 – 176, 181, 183, 192, 326 Posch, Andreas 244 f., 343 Pötzl, Otto 59, 182 f., 193, 195, 327 Praschniker, Camillo 88 f., 96, 105 f., 114, 119, 124, 138 f., 157 – 159, 166 – 168, 219, 301 Preradovic, Paula 149 Raimund, Ferdinand 149 Renner, Karl 45, 66 f., 180 – 183, 185, 245 Reschny, Anton 240 Rilke, Rainer Maria 149 Rintelen, Anton 245 Rohracher, Andreas 255
Personenregister
Rohracher, Hubert 64, 94, 136, 141, 174, 314 Rosenberg, Alfred 62, 293, 302 Rössler, Helene 194 Rössler, Richard 182 f., 194 f., 327 Rubin, Berthold 97, 128, 130, 132 f., 135, 315 Rupprich, Hans 61 f., 89, 97, 107 f., 115, 125, 139, 315 Rust, Bernhard 169, 179 Saar, Ferdinand von 149 Safar, Karl 203 Saller, Hans 173 Sancta Clara, Abraham 242 Santifaller, Leo 52, 56 f., 68 f., 96, 98 f., 119, 124, 138, 301 Schärf, Adolf 206, 259, 346 Schenk, Erich 62 f., 93 f., 266, 302 Schill, Rudolf 204 Schiller, Friedrich 68 Schima, Hans 66, 78, 92 Schirach, Baldur 251, 253 Schmidt, Hans Wilhelm 15 f., 88 f., 255 f., 258 – 260, 346 Schneider, Gustav 185 Schneider, Phillip 172, 183, 185 – 187, 192, 194 f, 328 Schnitzler, Arthur 149 Schönbauer, Ernst 54, 210 f., 219 – 224, 226 – 228, 231, 233 f., 240, 337 Schönbauer, Leopold 79, 90, 182 – 184, 189 – 191, 201, 266, 328 Schreker, Franz 94 Schuschnigg, Kurt 18, 52, 66, 186 Schütte, Karl 96, 127, 129, 132 f., 302 Schweling, Otto 239 Schwinge, Erich 210 f., 232, 235 – 240, 337 Sedlmayr, Hans 95 f., 104 f., 109, 114, 116, 118, 123 – 127, 134, 138 f., 303 Seipel, Ignaz 241 Seutter-Lötzen, Rueff 238 Seyß-Inquart, Arthur 45, 112, 126, 174, 249, 299 Simmel, Johannes Mario 101 Skrbensky, Otto (auch: Freiherr von Skr-
369
Personenregister
bensy-Hrzistie) 19, 28, 45 – 72, 77, 87, 91 f., 95, 100, 104, 109 f., 113, 115, 169, 171 f., 176, 181 f., 184, 193, 195, 201 f., 205 f., 217, 220, 228 f., 235, 245, 254 f., 258, 267 Skrbensky (geb. Boltazzi), Pauline 56 Skrbensky-Hrzistie, Anton von 56 Slama, Max 101, 312 Sölch, Johannes 94, 266, 303 Spann, Othmar 84, 208, 229 Späth, Ernst 77, 94, 136, 304 Sperl, Hans 54, 207, 209 – 211, 231, 240, 338 Srbik, Heinrich 96, 116, 118, 121, 125, 134, 138 f., 304 Stecevicz, Ludwig 51 Steinhauser, Walter 97, 115, 117, 135, 139, 316 Stetter, Georg 17, 96, 113 f., 124, 134, 138, 148, 305 Stracker, Oskar 195, 331 Streicher, Hubert 209, 211, 228 f., 231, 240, 341 Stur, Josef 45 Swoboda, Ernst 210 f., 232 – 235, 240, 338 Thüring, Bruno 96, 129, 132 f., 135, 144 – 148, 305 Tomaschek, Rudolf 146 Tomek, Ernst 241 – 244, 246, 249, 343 Troll, Wolfgang 61 Tuppa, Karl 161 Türk, Elmar 169 Uhlenhuth, Eduard
56
Unger, Joseph 234 Unterberger, Siegfried 196 f., 331
172 f., 183, 192,
Verdroß-Droßberg, Alfred 78, 89 f., 208 f., 266, 339 Vogel, Emmanuel Hugo 211, 219, 225 – 228, 231, 240, 339 Volkmer, Emil 230 Vollmar, Hans 101, 312 Waldheim, Kurt 24, 178 Waldmann, Leo 163 Weber, Georg 96, 127 – 129, 134, 306 Wenger, Leopold 207, 209, 340 Werfel, Franz 50 Wessely, Emil 175, 178, 183, 192, 195, 332 Wichmann, Ottomar 97, 128, 130 – 133, 135, 316 Wild, Friedrich 95 f., 114 f., 118, 124, 129, 139, 306 Wilke, Fritz 88 f., 256 – 258, 346 Wimmer, Leopoldine 56 Winkler, Hermann 215 Winkler, Wilhelm 78, 92, 208, 220 Winter, Ernst Karl 64 Wodka, Josef 243 Wolff, Karl 78, 197 Wolfram, Richard 97 – 99, 115, 119, 124 f., 135, 139, 317 Würdinger, Hans 207 Zechner, Willibald 93, 288 Zehentbauer, Franz 241 f. Zeissl, Hermann 70, 90