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German Pages 348 [352] Year 1977
W. Dahlheim • Gewalt und Herrschaft
Werner Dahlheim
Gewalt und Herrschaft Das provinziale Herrschaftssystem der römischen Republik
W DE G 1977
Walter de Gruyter • Berlin • New York
CIP-Kurztitelaufnahme
der Deutschen
Bibliothek
Dahlheim, Werner Gewalt und Herrschaft : d. provinziale Herrschaftssystem d. röm. Republik. - Berlin, New York : de Gruyter, 1977 ISBN 3-11-006973-3
© 1977 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung- J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J. Trübner • Veit & Comp., Berlin- 30, Genthiner Straße 13. Printed in Germany Alle Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen, vorbehalten. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es auch nicht gestattet, dieses Buch oder Teile daraus auf photomechanischem Wege (Photokopie, Mikrokopie, Xerokopie) zu vervielfältigen. Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin Einband: Lüderitz Sc Bauer, Berlin
ROBERT WERNER gewidmet
Vorwort Territoriale Machtbildungen sind der Grundstruktur antiker Stadtstaaten entgegengesetzt. Allein der römischen Republik gelang es, durch die konzentrierte Bündelung der Machtmittel Italiens die eigenstaatliche Existenz der Staaten des Mittelmeerraumes zum Einsturz zu bringen. Mit der Konsolidierung und der Dauer der römischen Herrschaft bedingte jedoch nur das Ausmaß der Machtentfaltung und nicht der Wille zur Organisation der unterworfenen Welt eine umfassende Neuordnung der bis dahin bestehenden Lebensbedingungen im mediterranen Raum. Die vorliegende Untersuchung hat sich dementsprechend die Aufgabe gestellt, die Konsequenzen dieser für die Antike singulären Akkumulation der Macht und die Entstehung von neuen Formen der Herrschaft als Ergebnis ihrer Unabwendbarkeit faßbar zu machen. Dem römischen Stadtstaat trat seine eigene Machtentfaltung schließlich als übergeordnete Gewalt gegenüber und zerstörte ihn, so daß die Frage nach der Interdependenz der Notwendigkeiten des Herrschaftsraumes und den Veränderungen der stadtstaatlichen Herrschaftsform Bestandteil der Themenstellung sein mußte. Robert Werner und Jürgen Deininger haben durch ihre Anregungen und ihre fördernde Kritik wesentliche Fragestellungen und Antworten erschlossen und vertieft. Ruth Szczepanski brachte das Manuskript in eine lesbare Form. Ihnen allen habe ich für ihre Hilfe zu danken. Berlin, Herbst 1976
Werner Dahlheim
Inhaltsverzeichnis Einleitung
1
1. Methodische Vorbemerkungen 2. Die Funktion der verwandten Begriffe
1 4
I. Provinziale Herrschaftsform als historische Aufgabe: Die Unterwerfung Siziliens 1. Die Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
12 12
Die Veränderung der Mächtekonstellation im westlichen Mittelmeer 12. Die Voraussetzungen des Krieges mit Karthago 14. Die Folgen des Sieges 17 2. Der Friede des Lutatius
19
Der Vorvertrag 19. Der Rückzug Karthagos von der Insel 21. Die Rechtsfolgen des Vertrages 22. Die Vertragsstipulationen 23 3. Herrschaft ohne Interessen
28
a) Das Problem b) Der Quästor in Lilybaeum Die Quellen 30. Die Quästoren seit 267 32. bereiche der Quästoren 33
28 30 Die Aufgaben-
c) Die sizilischen Städte 241 bis 277/5 v. Chr Die Nachrichten 36. Das römische Interesse 37. Bedeutung der Insel 37
35 Die militärische
d) Die verworfene Alternative: Die Ausweitung der italischen Wehrgemeinschaft
39
Die Tendenzen zur Territorialherrschaft im Mittelmeerraum 39. Die römischen Kriegsziele 41. Die Reaktion der Griechen 41. Die karthagische Epikratie 42 4. Die Institutionalisierung der Herrschaft a) Die Einrichtung der Provinzialprätur als Ergebnis militärischer Sicherheitspolitik
44 44
Inhaltsverzeichnis
Die militärische Die Entsendung Kelten 50. Die Absicherung des
Besetzung 44. Die Unterwerfung Sardiniens 46. von Prätoren 48. Die Konfrontation mit den diplomatischen Kontakte mit Karthago 51. Die Herrschaftsbereiches 52
b) D i e Herstellung völkerrechtlicher Beziehungen als N o r m der Sicherheitspolitik
53
Die Intervention in Illyrien 53. Die Ausbildung der amicitia als völkerrechtliches Instrument 54. Die Expansion in die Poebene 55. Die Ausdehnung der Wehrgemeinschaft auf die keltischen Stämme 56 5. Die Organisation der Herrschaft
59
Sizilien nach der Eroberung von Syrakus 212 v. Chr. 59. Die römischen Ziele in der Provinz 61. Die Übernahme der lex Hieronica 62 6 . Die Begründung der Territorialherrschaft
65
Der Provinzialprätor 65. Die Maximen der römischen Politik 66. Innenpolitische Struktur und außenpolitische Flexibilität 67. Die innenpolitischen Konsequenzen der Provinzialisierungspolitik 68. Der Handlungsspielraum Roms 69. Die Möglichkeit der Eingliederung der Unterworfenen 70. Die Formen der Untertänigkeit 71 Herrschaft als Ausübung von Gewalt: Die Provinzen der Republik
74
1. Provincia. Die Entwicklung des Begriffes
74
provincia 74. imperium 75. Die Ausbildung von Herrschaftsformen als Anpassungsprozeß der militärischen Gewalt 75 2 . Die Provinzialisierung Spaniens a) D e r
77
Krieg gegen Karthago: Die spanischen Völker als
Bundesgenossen (218 bis 2 0 6 v. C h r . )
77
Die Politik der Scipionen 77. Die Anfänge des Widerstandes 79. Die Bedeutung des Krieges gegen Karthago 82 b) D i e Konfrontation: Die Unvereinbarkeit der Kriegsziele ( 2 0 6 bis 197 v. C h r . )
83
Die römischen Kriegsziele nach der Vertreibung der Karthager 83. Die Politik der militärischen Sicherung 84. Die Entsendung von Provinzialstatthaltern 86 c) D e r
Freiheitskampf und der Versuch seiner friedlichen
Beendigung auf völkerrechtlicher Basis (197 bis 178 v. C h r . )
87
XI
Inhaltsverzeichnis
Die Küstenstädte 87. Die Stämme 89. Der Friede des Gracchus 90. Die Unabwendbarkeit der Herrschaft und die Kräfte des Widerstandes 93. Die Fürsorge des Siegers für die Besiegten 94 95
d) D e r Vernichtungskrieg (154 bis 133 v. C h r . ) Die Grenzen der eigenstaatlichen Entwicklung der Unterworfenen 95. Das soziale Problem 96. Der Vernichtungskrieg als Konsequenz der unentwickelten Herrschaftsform 97. Die Neuordnung nach dem Fall Numantias 100
e) D i e Bedingungen der Herrschaft: Die Ziele des Eroberers und das Wohlverhalten der Unterworfenen 102 Die Motive der spanischen Eroberungen 102. Die Stabilisierung der Herrschaft 105. Die Anknüpfungspunkte einer Organisation der Herrschaft 108 3. D i e Interdependenz von Herrschaftsform und beherrschtem R a u m : D i e M a x i m e n der römischen Ostpolitik seit 200 v. C h r . 110 Der Ausbruch des Zweiten Makedonischen Krieges 110. Die Kriegsziele 110. Die Regelung des Friedens 112. Das Ringen um die griechische Zustimmung 114. Das Scheitern der geschaffenen Ordnung 116 4. D e r
Zusammenbruch
völkerrechtlich
konzipierter
Herr-
schaftsordnungen
117
a) D i e G r ü n d u n g der makedonischen Republiken und ihre schließliche Provinzialisierung 117 Die nova sapientia der Ostpolitik 117. Die makedonischen Republiken und die römische Einschätzung der Provinzialisierungspolitik 119. Die Provinzialisierung Makedoniens 120 b) D e r Achäische Krieg u n d die N e u o r d n u n g Griechenlands 123 146 v. C h r . Die Ordnung des Mummius 123. Das Ziel der Ordnung 129
Die Form der Untertänigkeit 127
c) D a s erneute Bündnis mit dem griechischen Freiheitsbegriff 131 Die politische Bedeutung des griechischen Freiheitsbegriffes 131. Die Reaktion der Griechen auf die römische Herrschaft 133 d) D i e Provinzialisierung Afrikas Die Kriegsziele 149 135.
Die Provinz 136
135
XII
Inhaltsverzeichnis
III. Die Interdependenz von innerer Krise und äußerer Machtentfaltung: Die Erweiterung des Herrschaftsraumes bis Caesar 138 1. Die Provinzialisierung Herrschaftsraumes
als Alternative zur
Anarchie
des 138
Der Zusammenbruch der hellenistischen Staatenwelt 138. Die Provinz Asia 139. Die Provinz Bithynien 140. Der Krieg gegen Jugurtha 140. Kappadokien 140 2. Der Verzicht auf die Kolonisation in den Provinzen als Reflex der inneren Parteienkämpfe 141 Die Provinz Gallia Narbonensis 141. Die außeritalische Kolonisation 142. Die italischen Kaufleute und Siedler 143 3. Die Provinzialisierung als Konsequenz des ungelösten Seeräuberproblems 145 Die Piraterie 145. Die Provinz Kilikien 146. Die Provinz Cyrenaica 147. Die Provinz Kreta 148. Das Seeräubergesetz des Jahres 100 149. Die Kollision des Herrschaftsbereiches und des Herrschaftssystems 151 4. Die Ansätze zu einer faktischen und ideologischen Vereinheitlichung des Imperiums unter Pompeius 152 Der Seeräuberkrieg 152. Die Antizipation der Einheit des Reiches 153. Die Ideologie der Weltherrschaft und der Herrschaftsanspruch des Einzelnen 154. Die Ideologie der defensiven Reichsbildung als Antwort der Republik 155. Die aristokratische Freiheit der Republik und die Notwendigkeiten des Herrschaftsraumes 157. Die Ordnung des Ostens durch Pompeius 158 5. Der Leistungsanspruch des großen Einzelnen und das neue imperiale Bewußtsein: Caesar 160 Die Unterwerfung Galliens als Reflex inneraristokratischer Auseinandersetzungen 160. Die Annektion Cyperns 162. Die Funktion der außenpolitischen Rechtsfrage 163. Das neue imperiale Denken 164. Gallien 167 6. Zusammenfassung: Die Antriebskräfte der römischen Reichsbildung 168 Gewalt und Zustimmung als Fundamente der Herrschaft 168. Die Uberdehnung des Herrschaftspotentials 169. Aristokratisches Herrschaftssystem und territorialstaatliche Ordnung 170. Die Kräfte des Widerstandes 170. Die großen Einzelnen 172
XIII
Inhaltsverzeichnis
IV. Der politische Freiheitsbegriff und seine Uberleitung in die provinziale Herrschaftsform 174 1. Die foederierten Städte
174
a) Die Funktion des Vertrages: Die völkerrechtliche Anerkennung 174 Die foederierten Städte in Sizilien 174. Die Funktion der Verträge nach 168 176. Die internationale Anerkennung 178
b) Der Wert des Vertrages: Die Stellung der Foederierten in und zu der Provinz 178 Der Lohn der Loyalität 178. Publikationsweise 179. Die rechtlichen Konsequenzen 182. Das Verhältnis zu den Organen der Reichsverwaltung 183
2. Der Ausgangspunkt: Einrichtung und Rechtsstellung der civitates liberae in Sizilien 186 Die Funktion der Einrichtung 186. politische Bedeutung der Freiheit 189
Die Immunität 188.
Die
3. Der politische und rechtliche Inhalt der Freiheit in der römischen Ostpolitik (200 bis 133 v. Chr.) 190 a) Das Problem: Die römische Machtentfaltung und die Souveränität der Betroffenen 190 b) Die Übernahme des hellenistischen Freiheitsbegriffes
193
Die Freiheitserklärungen nach dem Ende des Zweiten Makedonischen und des Syrischen Krieges 193. Ihre politischen Konsequenzen 195. Unterschiede zu den Freiheitserklärungen der hellenistischen Könige 198
c) Freiheit und Hegemonie: (1) Die kleinasiatischen Städte bis zur Provinzialisierung Asiens 198 Die Rechtsstellung 199. Die Verpflichtungen 200. Beweise der Loyalität 200. Militärische Hilfe 202. Schiedsrichterfunktionen Roms 202. Die religiöse Präsenz des römischen Herrschaftsanspruches 203
d) Freiheit und Hegemonie: (2) Die mutterländischen Griechenstädte 204 Haliartos, Koroneia und Thisbe 204. nomie 206
Eingriffe in die innere Auto-
XIV
Inhaltsverzeichnis
4. D i e testamentarisch erlangte Freiheit
207
Das Testament Attalos' III. 207. Das Testament des Ptolemaios Apion 210. Die Cyrenaica bis zur Provinzialisierung 210 Herrschaft und Freiheit
213
1. Altfreie und freigelassene Städte in den Provinzen: Die faktische Bedeutung des rechtlich verschiedenen Gründungsaktes 213 Die unterschiedlichen Gründungsakte (amicitia; lex provinciae) 213. Die afrikanischen civitates liberae 215. S C de Asclepiade 216 2. Die Angliederung der freien Städte an die Provinz: Die kleinasiatischen Städte nach 133 v. Chr 217 3. D i e Konsolidierung der Herrschaft und die Kontinuität der Freiheit 226 a) D i e sullanische Ordnung des Ostens 226 b) D i e Grenzen der Freiheit: Die lex Antonia für Termessos 236 c) D i e Aufhebung der Untertänigkeit 243 Die civitates liberae in den Bürgerkriegen 243. 25 v. Chr.) 244. Pergamon 245 4. Prekarität als rechtsgeschichtlicher
Mytilene (88 bis
und politischer Begriff 247
Das Problem 247. Die Rechtswirkung der Restitutionsakte 249. Die Gründe des Freiheitsentzuges 252 5. Freiheit und Immunität
255
Die Tributpflicht 255. Makedonien und Illyrien 167 v. Chr. 256. Die Vereinbarkeit von Freiheit und Tribut 260 6. D i e G r e n z e zwischen Herrschaft und Freiheit a) D i e kleinasiatischen und syrischen Klientelstaaten
261 261
Die Kontinuität der Politik gegenüber den civitates liberae 261. Die Klientelstaaten seit Pompeius 263. Die Neuordnung Judäas 265. Die Restitution der syrischen Dynasten 267. Die kleinasiatischen Provinzen und Königreiche 268. Die finanziellen Leistungen der Könige 270. Die Bedeutung der Klientelstaaten für das Imperium 272 b) D i e freien Städte Die Städte in Syrien und Kleinasien 274.. Die Städte im Westen 276
273
Inhaltsverzeichnis
c) Die Untertanen
XV 277
Die Grundsätze der Provinzialisierungspolitik 277. Die Alternative des Marcus Antonius 278. Die Autonomie der Stadt als Bestandteil des Herrschaftssystems 278. Die Politik des Pompeius 279. Die Tributpflicht der Untertanen 280 VI. Die Kapazität der Herrschaft
283
1. Die Grenzen einer Objektivierung der Herrschaftsausübung 283 Die Voraussetzungen 283. Senat und Magistrat 284. Die Expansion und die Freisetzung der magistratischen Gewalt 286. Sullas Reform der Magistratur 289. Die Repetundenverfahren 290. Die lex Sempronia de provinciis consularibus 292. Die Provinzen 293 2. Die Senatsaristokratie und das Imperium
294
Sozialstruktur und Außenpolitik 294. Die Militarisierung der Führungsschicht 296. Die Stabilität der aristokratischen Herrschaft und die defensive Außenpolitik 298. Neue Ordnungsvorstellungen und das Auseinanderbrechen der aristokratischen Solidarität 300 3. Die Einbindung der Führungsschichten der Unterworfenen 303 a) Die römische Bürgerrechtspolitik: Die Verbreiterung der Machtbasis 303 Die Zustimmung der Unterworfenen und die Dauer der Herrschaft 303. Die Bedeutung der Bürgerrechtspolitik 304. Die angesprochenen sozialen Schichten 304. Bürgerrecht und Immunität 307. Die Motive der Verleihung 307. Die Reaktion der freien und foederierten Städte 308 b) Der Verlust des eigenstaatlichen Bewußtseins 313 Die Herauslösung der Führungsschichten der Besiegten 313. Italien als Vorbild für die Provinzen 314. Die Konsequenzen für die Funktionsfähigkeit der Städte 315. Die Trennung von Bürgerrecht und Immunität seit Caesar 317. Die Wandlung der Fremdherrschaft zur Herrschaft der sozial Führenden 318 c) Die soziale Veränderung des beherrschten Raumes Literatur- und Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Personen- und Sachregister
319 322 325 326
Einleitung 1. Methodische
Vorbemerkungen
Die Ausbildung der römischen Provinzialherrschaft umfaßt den Zeitraum von der Unterwerfung Siziliens bis zur Unterwerfung Galliens durch Caesar. Dann erst nimmt das Konglomerat von provinzialen Herrschaftsbezirken im römischen Bewußtsein die Form eines einheitlichen Ganzen an und wird begrifflich als Imperium Romanum gefaßt1. Die vorab zu stellende Frage nach der anzuwendenden Methode, die dem Ziel der angestellten Überlegungen gerecht wird und die das Ergebnis zwangsläufig präjudiziert, beantwortet sich damit bereits in einem wesentlichen Punkt: Das Imperium als Ergebnis eines sich zweieinhalb Jahrhunderte hinziehenden Entwicklungsprozesses darf nicht Gegenstand eines systematischen Aufrisses sein, der nur dort sinnvoll sein kann, wo die Formen der Herrschaftsausübung ein für allemal festgelegt waren und daher durch eine Momentaufnahme erfaßt werden können. Doch ist diese Erkenntnis nur eingeschränkt tauglich. Die historische Dimension erschließt den Kausalzusammenhang der einzelnen Erscheinungen und läßt ihre Verbindung mit den Zielen und Wünschen der jeweils Handelnden zu. Dort, wo es um den Entstehungsprozeß von Herrschaftsstrukturen geht, stehen nicht nur die Ursachen der Durchsetzung des römischen Willens zur Debatte, sondern auch der spezifische Charakter der Ordnung, die der besiegten Welt aufgezwungen wurde. Ordnung wird greifbar in den Rechtsformen, die sie annimmt 2 , und sie kann nach ihrer Funktionalität, Effektivität und Anpassungsfähigkeit befragt werden. Dies wiederum bedingt eo ipso ein gewisses Maß an Schematisierung der einzelnen historischen Erscheinungsformen, was nicht heißt, ihrer Natur nach politisch 1
2
Vgl. H . GUNDEL, Historia 12 (1963) S. 305ff., L. BOVE, NOV. Dig. Ital. 8 (1962) S. 209ff. s. v. Imperium. Vgl. D . NÖRR, Imperium und Polis, S. 2. Es kommt hinzu (ohne die originäre Fähigkeit der Römer, Rechtskategorien auszubilden, beschwören zu müssen), daß „Macht stets nach einer rechtlichen Form sucht. In der rechtlichen Einkleidung findet sie, dank dem Beharrungsvermögen des Rechts, eine gewisse Gewähr für die Zukunft; sie findet in ihr zugleich eine gewisse Rechtfertigung vor sich selbst und vor den anderen" (F. GSCHNITZER, Gemeinde und Herrschaft, 1960, S. 54).
2
Einleitung
orientierte Herrschaftsphänomene in verwaltungsrechtliche Probleme aufzulösen. Diese sind, da sie die alltägliche Herrschaftspraxis verdeutlichen, für die Erkenntnis der Herrschaftsstrukturen eminent wichtig, doch sagen sie wenig darüber aus, warum sie so und nicht anders ausgebildet wurden. Geht es um eine substantielle und nicht um eine formal-organisatorische Bestimmung der römischen Herrschaft, so kommt es wesentlich darauf an, diese Frage nicht unter der Hand durch die Suggestion eines geschlossenen und effizienten, der Abhängigkeit von Herrschaft sich allmählich entziehenden Verwaltungsgebildes überspielen zu lassen, das erst in der hohen Prinzipatszeit greifbar wird. Am Anfang der Sichtung des Materials steht die wenig ermutigende Feststellung, daß kein antiker Gewährsmann der hier gestellten Frage seine Aufmerksamkeit gewidmet hat. Die Griechen des 2. Jhdts. v. Chr. fragten nach den Ursachen des römischen Aufstiegs zur Weltmacht und glaubten sie in dem Charakter der römischen Verfassung und dem Staatsethos der aristokratischen Elite gefunden zu haben (Polybios) 3 , während gegen Ende der Republik - durch Ciceros „Staat" Allgemeingut seiner Zeitgenossen - die stoischen Philosophen der Erklärung der Ursache die moralische und ethische Rechtfertigung der römischen Herrschaft hinzufügten (Poseidonios) und damit jeder Diskussion um die Herrschaftsstrukturen von vorneherein den Boden entzogen 4 . Den Römern selbst fehlte das Bewußtsein, daß ihre Expansion ein Weltreich geschaffen hatte, das alle bestehenden Formen des staatlichen Lebens neu bestimmen mußte. Es gab kein Wort, keine begriffliche Vorstellung von dieser neuen Welt, aüs denen abzulesen wäre, daß die einzelnen Herrschaftsbereiche der Magistrate mehr gewesen wären als eine Reihe von Besitzungen der Republik (praedia populi Romani). Kein Römer hat je daran gezweifelt, daß die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten des Stadtstaates ausreichten, den Forderungen des Reichsregiments zu genügen. Alle Auseinandersetzungen um die Formen der Herrschaftsausübung wurden auf dieser Ebene geführt und intendierten nur Änderungen, die das Zusammenwirken der stadtstaatlichen Entscheidungsträger, nicht aber die Organisationsform an sich betrafen. Die Republik setzte für alle den Horizont, innerhalb dessen alle Erscheinungsformen der Weltherrschaft eingeordnet wurden. Noch die Erben der Republik, die Monarchen, kleideten ihre Rolle als Weltherrscher in die 3
4
Vgl. K. E. PETZOLD, Studien zur Methode des Polybios und zu ihrer historischen Auswertung, 1969 u. Gnomon 42 (1970) S. 381 ff.; 388. J . BLEICKEN, Der Preis des Aelius Aristides auf das römische Weltreich, Nachr. Gött. Ak. Wiss., phil.-hist. KL. 1966,7, S. 228f., J . VOGT, Orbis Romanus, in: Orbis, 1960, S. 154ff.
Methodische Vorbemerkungen
3
Fiktion von der Fortführung republikanischer Amtsgewalten, und der augusteische Gedanke von der res publica restituta ist auf seine Weise die Kapitulation des Neuen und Notwendigen vor dem Beharrungsvermögen des ganz auf den Stadtstaat konzentrierten Denkens. Was an direkten Aussagen über die Organisationsformen des Imperiums bleibt, sind daher nicht zufällig nur Streustellen, aus denen das Stufengefüge von untertänigen, verbündeten und freien Staaten innerhalb des Herrschaftssystems abgelesen werden kann, ohne daß daraus die juristische Gestalt der Herrschaft, ihre historische Begründung oder die Grenzen zwischen ihren einzelnen Teilen als Problem erscheinen5. Auszuwerten sind damit Nachrichten, die - in einen ganz anderen Zusammenhang gestellt-augenblickliche Erscheinungen erhellen und so den hier gesuchten Gegenstand nicht eigentlich mitteilen, sondern allenfalls Orientierungspunkte an die Hand geben können. Besser steht es mit der inschriftlichen Uberlieferung, die vor allem über die Rechtsstellung der freien Städte die gewichtigsten Aussagen macht, da die Festlegung der Freiheit innerhalb des römischen Herrschaftsbereiches der urkundlich öffentlichen Form bedurfte, um überhaupt die angestrebte Wirksamkeit erreichen zu können. Doch auch hier traf der Zufall die Auswahl des Materials, so daß die für eine genetische Erfassung der römischen Herrschaftsstrukturen an sich erheilendste zusammenhängende Berichterstattung über eine bestimmte (freie oder untertänige) Stadt innerhalb eines längeren Zeitraums nur in wenigen glücklichen Fällen vorliegt. In der Regel erhellt das Schicksal der Unterworfenen und Freien nur für Momente, ohne daß von vornherein klar ist, ob der greifbare Augenblick eine wichtige Station im Leben der Beherrschten enthüllt, in der die römische Herrschaftspraxis sich wandelt oder neue Akzente erhält und von ihr aus gesehen Schlüsse auf die weitere Entwicklung möglich sind. Methodisch zwingt eine derartige Quellenlage zur Verknüpfung von Momentaufnahmen, deren historisch unterschiedliche Bezugspunkte immer wieder die Frage nach der Berechtigung ihrer Verbindung und den daraus gezogenen Schlüssen aüfwerfen. Erst die Ubereinstimmung an sich verschiedener Fakten und ihre analoge Deutbarkeit, sobald sie annähernd sicher bestimmbar ist, führen an das gestellte Problem heran6. 5
6
Z u dem Charakter solcher Quellen s. H . KUHN, Die städtische und bürgerliche Verfassung des Römischen Reiches II, 1865, S. 2 4 f f . , TH. MOMMSEN, RStR III, S. 688 A n m . 2, H . HORN, Foederati, S. 7f., M . LEMOSSE, Le régime des relations internationales, S. 156f. (zu C a s s . D i o 54,9,1). D i e sich hier aus der spezifischen Quellenlage ergebenden Schwierigkeiten der Interpretation sind im Grunde für alle Fragestellungen exemplarisch, die direkt auf die staats- oder
4
Einleitung
2. Die Funktion der verwandten
Begriffe
Alle traditionellen Begriffe, die das eigentliche Erkenntnisziel einer Untersuchung in der höchstmöglichen Form verdichtet vorstellen sollen, enthalten Mißverständnisse, da sie Hypothesen, Fragen und Methoden einschließen, die nicht überall die gleichen sein müssen. Der Begriff „Herrschaft" wird in seiner historischen, soziologischen und juristischen Verwendung durchgehend mit oder in Anlehnung an die Definition Max Webers vorgestellt. Danach bedeutet Macht die Möglichkeit, innerhalb einer sozialen Beziehung seinen Willen durchzusetzen, und Herrschaft „die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden". Jedes Herrschaftsverhältnis ist demnach bestimmt durch „das aktuelle Vorhandensein eines erfolgreich anderen Befehlenden", was in der praktischen Verwirklichung heißt, daß bei der soziologisch amorphen Gestalt der Macht Herrschaft nur als „die institutionalisierte, dauerhafte und auf Befehlsbereiche abgestimmte Macht" in Erscheinung treten kann7. Max Weber hat die Begriffe Macht und Herrschaft als soziologische Kategorien aufgestellt und definiert. Als solche sind sie für eine historische Betrachtungsweise nur auf einem sehr hohen Abstraktionsniveau nützlich; z. B. lassen sie sofort die Feststellung zu, ob Herrschaftsverhältnisse bestehen oder nicht. Nun ist unschwer einzusehen, daß damit nicht viel gewonnen ist. Weiter kommt man, wenn die Begriffe nicht als kategoriale benutzt werden, sondern als Orientierungslinien für die Erfassung variabler Erscheinungsformen. Auf diese Weise kann gefragt werden, warum Herrschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt der römischen Außenpolitik auftrat, wie und warum sie sich durchsetzte und in welchem Umfang sie überhaupt vorhanden war. Die Gefahr dabei, daß sich der Begriff so in der jeweiligen historischen Erscheinungsform verflüchtigt, wird weitgehend gebannt, wenn man den Oberbegriff in seine konstitutiven Elemente zerlegt. So umschließt der Begriff Herrschaft die verschiedensten Möglichkeiten wie Hegemonie, Untertänigkeit, Stadtherrschaft, Territorialherrschaft, Gewaltherrschaft usw. Die spezifische, von den historischen Gegebenheiten abhängige Natur
7
völkerrechtlichen Strukturen antiker Herrschaftssysteme abzielen; vgl. etwa A . HEUSS, Stadt und Herrscher des Hellenismus, S. I V f . ; 2 7 8 f . , F . GSCHNITZER, Abhängige Orte im griechischen Altertum, 1958, S. 179f. und K . - H . ZIEGLER, Das Völkerrecht der römischen Republik, in: A N R W I 2, 1972, S. 68ff. M . WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft (hg. J . Winckelmann), 1964, S. 38; 691 ff. Vgl. d a z u von historischer Seite O . BRUNNER, Bemerkungen zu den Begriffen „ H e r r s c h a f t " und „ L e g i t i m i t ä t " , in: N e u e Wege der Verfassungs- und Sozialgesch. 2 , 1968, S. 6 4 f f . , Ders., H Z 209 (1969) S. 3 f f . , W. SCHULLER, Die Herrschaft der Athener im Ersten Attischen Seebund, 1974, S. 2 f f .
5
D i e Funktion der verwandten Begriffe
der jeweiligen Herrschaft rückt also ins Blickfeld und führt zu den Fragen nach den Ursachen ihrer jeweils unterschiedlichen Ausprägung und den Folgen ihrer Existenz für die Betroffenen und die Träger. Herrschaft und ihre Organisationsformen erscheinen so audh in ihrer Abhängigkeit von den Interessen des Eroberers, die durchaus vielschichtig, ja in sich widersprüchlich sein können: So ist typisch für die imperiale Herrschaft Roms zum einen die Sucht der führenden Aristokraten nach Ruhm, Prestige und Reichtum, was die Expansion (neben einer Reihe anderer Gründe) vorwärts trieb, zum anderen aber die Furcht der aristokratischen Klasse vor der durch die Reichsbildung provozierten Zerstörung ihrer gesellschaftlichen Struktur, was die spezifische Ausprägung der Herrschaftsform entscheidend bestimmte. Die Unterscheidung zwischen hegemonialer und provinzialer Organisation der Herrschaft erschließt die Gliederung des Imperiums in untertänige oder abhängige Stadtstaaten, Königreiche und Fürstentümer, wirft das Problem der Fähigkeit der Regierungszentrale auf, ihren Willen bis in die letzten Unterteilungen des Herrschaftsraumes zu entfalten, und weist damit zusammengenommen auf komplizierte Herrschaftsstrukturen, die aus einer im einzelnen zu bestimmenden Mischung von unmittelbarer und mittelbarer Herrschaft zusammengesetzt sind 8 . Jede Herrschaft beginnt mit der gewaltsamen Eroberung, die den organisierten staatlichen Widerstand zerschlägt. Auch danach bleibt die nackte Gewalt immer ein Teil der aufgerichteten Herrschaft 9 , da nichts schneller und gründlicher Menschen zum Gehorsam zwingt, als die Angst vor physischer Gewaltanwendung. Es gibt kein Herrschaftssystem, das immer ein System der Ungleichheit ist, für das sie nicht die selbstverständliche Grundlage der Erhaltung und der Nutzung der Macht ist. Trotzdem ist sie kein zentraler Bestandteil der Herrschaft, da sie nach der Beendigung des offenen Kriegszustandes gegen Wehrlose gerichtet, weitgehend sinnlos ist 10 . Solange die reine Gewalt dominiert, bewegt sich das Beziehungsverhältnis zwischen Sieger und Besiegten außerhalb des politischen Raumes. Das Phänomen der Gewalt ist also typisch dadurch gekennzeichnet, daß es sich als dominierendes Element nur vorübergehend behaupten kann (als 8 9
V g l . G . L E N S K I , M a c h t u n d Privileg, 1 9 7 3 , S. 41 f. D a s B e d e u t u n g s f e l d a u c h d i e s e s B e g r i f f e s ist v i e l s c h i c h t i g u n d reicht in d e n B e r e i c h d e r Rechtsordnung
hinein ( v g l . e t w a H . ARENDT, U b e r
die R e v o l u t i o n 2 ,
1 9 7 4 , S. 1 9 f f . ;
2 3 2 f f . ) , w a s h i e r g e r a d e a u s g e k l a m m e r t bleiben s o l l . G e w a l t ist hier a l s o z u lesen als m i l i t ä r i s c h e u n d p h y s i s c h e u n d als T e r r o r . 10
R . D A H L - C H . LINDBLOM, P o l i t i c s , E c o n o m i c s a n d W e i f a r e , 1 9 5 3 , S . 1 0 7 f f .
6
Einlei tung
Mittel zum Zweck der Herrschaftsaufrichtung) 11 und nach der Übernahme der Macht durch den Eroberer die Grenzen des damit neu etablierten politischen Bereiches nach außen und innen schützt (als eine Technik unter anderen, die der Kontrolle der Besiegten dient). Herrschaft kommt also ohne das konstitutive Element der Zustimmung der Beherrschten nicht aus 12 , wobei das Ausmaß, in dem der Beherrschte sich auf das Beherrschtwerden einlassen muß, von dem bestehenden Machtverhältnis zwischen den Kräften des inneren und äußeren Widerstandes und den Möglichkeiten des Einsatzes von Zwangsmitteln abhängt. Beide, der Widerstand und der Zwang, sind an den Nutzen gebundene Größen. Der Widerstand muß ein Ziel finden, das entweder den verlorenen Zustand der gehabten Unabhängigkeit oder eine neue Alternative materiell und ideell einem großen Teil der Beherrschten die Leiden des Aufstandes erträglich machen kann. Der Zwang darf von den Herrschenden nicht mehr an Anstrengungen, Kosten und allgemeinem Ansehen fordern, als die Herrschaft selbst einbringt, da die Solidarität der Herrschenden ständig mit der Frage nach der Effektivität ihres Tuns konfrontiert wird 13 . Alle diese Faktoren zusammengenommen bestimmen denn auch den Grad der Widerstandsfähigkeit des Herrschaftssystems gegen konkurrierende Reichsbildungen, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein wiederum das Ausmaß an Anstrengungen mitbestimmt, die der Sieger auf die Organisation seiner Herrschaft konzentriert. Die ideologische Untermauerung der Herrschaft, d. h. die Suggestion der Einsicht, daß das bestehende Verhältnis legitim sei und ideelle und materielle Vorteile beinhalte, ist schließlich die letzte Klammer, die die Mehrzahl der Unterworfenen oder ihre politisch und sozial führenden Schichten dazu bewegen kann, die etablierte Herrschaftsordnung als die ihre anzuerkennen. Die römische Republik hat dieses Instrument ebensowenig gehandhabt wie die griechischen Stadtstaaten, die länger dauernde Herrschaftsverhältnisse durchsetzen konnten. Erst die Verknüpfung der Herrschaft mit der Person des Monarchen hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, was allerdings 11
S o bereits EDMUND BURKE: „Gewaltanwendung allein ist etwas Vorübergehendes. Für einen Augenblick vermag sie die Oberhand zu gewinnen; sie enthebt jedoch niemanden der Notwendigkeit, die Betroffenen immer wieder von neuem zu unterwerfen: und ein V o l k , welches permanent erobert werden muß, wird nicht beherrscht" (zit. nach LENSKI, a a O . S . 8 0 ) ; vgl. A . VIERKANDT, G e s e l l s c h a f t s l e h r e 2 , 1 9 2 8 , S. 2 9 8 .
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13
Hervorgehoben von A . GEHLEN, in: Handwörterbuch der Sozialwiss. VII, 1961, S. 77ff. s. v. Macht. V g l . K . W. DEUTSCH, Politische Kybernetik, 1966, S. 170ff. (über den Zusammenhang zwischen politischer Macht und sozialer Transaktion).
D i e F u n k t i o n der verwandten Begriffe
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einer eigenen Klärung bedarf, da nichts an diesem Vorgang selbstverständlich ist 1 4 . Letztlich gründet die Stabilität der Herrschaft also darauf, inwieweit sich die Beherrschten mit der neuen Ordnung abfinden oder sie bejahen. So strebte notwendig auch Rom nach der Eroberung danach, die Abhängigkeit seines Spruchrechtes von der Gewalt der Legionen zu verringern und die Herrschaftstechniken zu entwickeln, die auf die Mitwirkung und die Überzeugung der Unterworfenen abgestellt waren und der Gewalt nur die Funktion des Schutzes einräumten 15 . Die Gewalt der Anfangsphase wird also in institutionalisierte Formen von Machtausübung gegossen, innerhalb derer das Setzen (oder das Anerkennen) von Rechtsnormen für den angestrebten Gehorsam der Unterworfenen zentrale Bedeutung hat: Die rechtliche Verpflichtung der Beherrschten in der allgemeinen Setzung von Gerechtigkeitsprinzipien macht am gründlichsten das tatsächliche Verhältnis der Abhängigkeit vergessen. Der der Herrschaft entgegengesetzte Begriff ist der der Freiheit. Die Frage nach der Entstehung von Herrschaft und dem Vermögen, sie auszuüben, ist also identisch mit der Frage nach den Grenzen der Herrschaft, die durch den Beginn der Freiheit bezeichnet werden 16 . Damit ist zugleich gesagt, daß - was im Grunde für jeden Idealbegriff gilt 17 - Freiheit keinen Wert an sich bezeichnet, sondern ein Erfahrungswert ist. Er besitzt nur für diejenigen konkrete Bedeutung, die dergleichen als Gut überhaupt jemals empfunden haben und die sich damit in einer politischen Bewußtseinslage befanden, in der für sie die konkret erfahrenen Ausprägungen der Freiheit zur politischen Zielvorstellung wurden. Eine griechische Stadt etwa, die nie im Zentrum des politischen Lebens gestanden hatte und ihren politischen Willen immer nach dem eines stärkeren Nachbarn ausgerichtet hatte, mußte den mit der römischen Herrschaftsübernahme eingetretenen Verlust an äußerer Bewegungsfreiheit anders empfinden als die führenden Städte der klassischen und hellenistischen Epoche. Für 14
15
16 17
D a z u A . HEUSS, Alexander der G r o ß e und die politische Ideologie des Altertums, A n t i k e u . A b e n d l a n d 4 (1954) S. 6 5 f f . , J . BLEICKEN, Staadiche O r d n u n g und Freiheit in d e r römischen R e p u b l i k , 1972, S. 9 0 f f . J . GAUDEMET, in: G o u v e r n é s et G o u v e r n a n t s II, 1968, S. 3 5 f f . versucht eine Typisierung d e s Beziehungsverhältnisses zwischen R o m (Princeps) und den Beherrschten unter d e m O b e r b e g r i f f der participation indirecte. Die Teilhabe an der Herrschaft geschieht durch g r o u p e m e n t s officiels ( z . B . die O r g a n e der städtischen Selbstverwaltung, die K o r p o r a t i o n e n und die in das Reichsregiment aufgestiegenen Führungsschichten) und durch forces p o p u l a i r e s n o n organiseés ( z . B . A r m e e , Kirche, V o l k s b e w e g u n g e n ) . A . HEUSS, H e r r s c h a f t u n d Freiheit, S. 6 7 ; pass. V g l . etwa z u m Verfassungsbegriff C . SCHMITT, Verfassungslehre, 1928, S. 3 6 f f .
8
Einleitung
sie war die souveräne Entscheidung über das eigene Schicksal substantieller Bestandteil ihres staatlichen Lebens und politischen Selbstverständnisses. Diese Relativierung der Freiheit als in die Entwicklungslinien der Geschichte einzuordnendes und von dort ihren Wert beziehendes Phänomen wird in der Entwicklungsgeschichte der römischen Provinzialherrschaft am deutlichsten am Schicksal der civitates liberae. Freiheit innerhalb der Provinzgrenzen war ohne den Gehorsam gegenüber den übergeordneten römischen Interessen a priori undenkbar. Strukturell ist dieser Gehorsam, resultierend aus der ungleichen Machtverteilung, bestimmbar. Was seine Ausbildung angeht, so steht am Anfang nicht die Einsicht, innerhalb der römischen Machtsphäre Freiheit nur partiell verwirklichen zu können, sondern die Furcht vor der Ubermacht. Die Vorwegnahme der Bedrohung, die jederzeit zur Realität werden kann, zwingt zum Arrangement mit der unwiderruflichen römischen Herrschaft, wobei die Gewöhnung an sie das Einverständnis mit den die Verhältnisse prägenden Spielregeln langsam nahelegt. Es bedurfte allerdings des immer wiederkehrenden Erlebnisses der eigenen Ohnmacht, der Angst vor der Unbesiegbarkeit der Legionen, um diesen Prozeß in Gang zu halten 18 . Im Endeffekt war zwar die Praktizierung der Freiheit, wie Rom sie verstand, nie mit uneingeschränkter Zustimmung verbunden, doch war diese meist stärker als der Wunsch nach einem ständig neu zu probierenden Abtasten, wieweit man eigene Vorstellungen und Forderungen in den bestehenden Machtverhältnissen oder gar gegen sie verfolgen könne. Jede Erörterung von Herrschaft und Freiheit in der griechischen wie in der römischen Geschichte geht notwendig von der Stadt aus. Der Grund dafür ist einfach, jedoch für den von der modernen Staatsvorstellung ausgehenden Beobachter nicht ohne weiteres greifbar: Die Antike kannte außer der Stadt keine Form politischer Organisation, die theoretisch konzipiert oder als Möglichkeit menschlichen Zusammenlebens anerkannt worden wäre 1 9 . Unter dem Aspekt der Herrschaftserrichtung betrachtet heißt das, daß diese nur als reine, durch keine verfassungsmäßigen Schranken begrenzte, möglich war. Ihr Bestand hing damit allein von der Fähigkeit des Herrschenden ab, seine Macht zu konsolidieren, was - und hier liegt der 18
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Beispielhaft formuliert von Plutarch (praec. rei publ. ger. 813 E), wenn er dem Staatsmann seiner Zeit warnend empfiehlt, stets an den Stiefel des Legionärs über seinem Haupt zu denken und nicht die Grenzen der gewährten Selbständigkeit zu überschreiten; vgl. D . NÖRR, Imperium und Polis, S. 85. Eine ausgezeichnete begriffliche Abklärung der zu bedenkenden Termini (city-state, national State, territorial State and government, people, territory) bei G. BUCCELLATI, Cities and Nations of Ancient Syria, 1967, S. 12ff.; 19ff.
D i e Funktion der verwandten Begriffe
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entscheidende Unterschied zur römischen Herrschaft - in der griechischen Welt weder der Attisch-Delische Seebund noch die hellenistischen Monarchien je erreicht hatten. Konsolidierung der Macht und die Ausbildung von Herrschaftsmechanismen gehen notwendig Hand in Hand. Sie haben gemeinsam, daß sie dynamische Entwicklungsvorgänge sind. Während jedoch die Konsolidierung auf ein definitives Ziel hin geschieht - die eigene Macht so auszubauen, daß sie von niemanden in Frage gestellt werden kann, - ist die Ausbildung von Herrschaftsformen zwar auf eine bestimmte praktikable Form hin ausgerichtet, aber in sich als Ziel keineswegs spezifisch festgelegt. Die Konstante ist hier die immer neu versuchte Anpassung an die konkrete Situation und nicht der schließlich gefundene (besser: für allein brauchbar empfundene) Modus der Anpassung. Die durch die Rechtswirkung der Eroberung und der Dedition de iure uneingeschränkte Formbarkeit der Unterworfenen ist zunächst offen für die unterschiedlichsten Ausprägungen der Herrschaftsmechanismen, die die Bewußtseinsstruktur der Römer und ihrer politischen Umwelt überhaupt zuließ. Erst die Summe einer Reihe von gemachten Erfahrungen bewirkte ein mehr und mehr zielbewußtes Suchen nach einem den eigenen Möglichkeiten und den vorgefundenen Gegebenheiten adaequaten Herrschaftsschema. Das bedeutet für den historischen Beobachter, daß eine zunächst bewußtseinsarme Stufe der Herrschaftsausübung von einer zunehmend durch die auch geistig bewältigten - Erfahrungen konstruktiver gewordenen Phase abgelöst wird. Für die Entwicklung der römischen Herrschaft ist dies weitgehend identisch mit dem Weg des selbständigen Stadtstaates zur Verwaltungseinheit innerhalb des Imperium Romanum und mit der Entwicklung des Bewußtseins der Herrschenden und Beherrschten, die schließlich beide die Existenz des Reiches als notwendig und selbstverständlich verstanden. Man hat sich in der deutschen Forschung daran gewöhnt, die römische Herrschaft über die antike Welt unter den Begriff des „Reiches" zu fassen, ohne daß die mit diesem Terminus stillschweigend verbundene Vorstellung eines bestimmten politischen Strukturprinzips klare Konturen angenommen hätte 2 0 . Da die deutsche Sprache keinen anderen zur Umschreibung des 20
Vgl. etwa die Definition von J . VOGT, Vom Reichsgedanken der Römer, 1942, S. 5 f . : „ W i r betrachten als wesenhaft für das Reich das Dasein einer weitausgreifenden politischen Macht, die in einem großen Raum für viele Völker die Fragen der Herrschaft und des Dienstes dauerhaft regelt. In diesem Ordnungsgefüge muß ein geistiges Band wirksam sein, ein einheitliches Ziel sichtbar werden. Uber die Regelung des materiellen Getriebes hinaus müssen die Glieder v o m Ganzen her die Geborgenheit ihres Lebens gewinnen und den Sinn ihrer Opfer empfangen. So erweist sich das Reich als Einheit von Macht und G e i s t in einem weltweiten R a u m . "
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Einleitung
Sachverhaltes brauchbaren Ausdruck kennt und ein Ausweichen auf den Begriff des Imperium Romanum nur das alte durch ein neues Fragezeichen ersetzt, ist seine Verwendung unvermeidlich. Gerechtfertigt ist dies allerdings nur unter der Voraussetzung, daß damit nur die Machtstellung Roms als solche und das Gebiet, innerhalb dessen sie Geltung hat, bezeichnet werden kann 2 1 . Grundsätzlich stellt sich damit die Frage nach der Berechtigung der Anwendung von dem modernen Staats- und Völkerrecht entnommenen Begriffen und Vorstellungen, ohne die Herrschaftsverhältnisse nicht umschrieben werden können. Alle hier einschlägigen Begriffe sind historische Begriffe, deren jeweilige Entstehungsgeschichte ihre konkreten Inhalte geprägt hat. Sie müssen daher erst aus ihrer historischen Gebundenheit herausgelöst und definiert werden 2 2 . Trotzdem haben sie damit noch keine einheitliche Auslegung erfahren 2 3 . Es hilft auch nicht weiter, antike Begriffe als solche stehen zu lassen 2 4 , da die Römer weder bereit noch in der Lage waren, ihre Herrschaftsmaximen begrifflich klar zu umreißen und damit in gewissem Sinne aus dem Fluß der historischen Entwicklung herauszunehmen. Moderne Begriffe in Anführungszeichen zu setzen, ist vollends sinnlos, da 21
V g l . H . D . MEYER, Cicero und das Reich, Diss. Köln 1957, S. 101 f.; 2 4 9 f f . (dagegen nicht überzeugend W. SUERBAUM, V o m antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1 9 6 1 , S . 5 5 f.
22 23
24
mit A n m . 146), A . HEUSS, R G ,
S. 572 (mit der einschlägigen
Lit.)
und
L . WICKERT, Drei Vorträge über T h e o d o r Mommsen, 1970, S. 22 ff. J . BLEICKEN, Staatliche O r d n u n g , S. 10. F ü r die Begriffe des Völkerrechts ist dies ohnehin klar. Daß dies auch für die Staats- und Verfassungstheorie gilt, hat E. KÜCHENHOFF, Möglichkeiten und Grenzen begrifflicher Klarheit in der Staatsformenlehre, 1967 auf nahezu tausend Seiten eindrucksvoll gezeigt. D i e von ihm als Quintessenz vorgelegte „Tabellarische Übersicht über ein System eindeutiger Staatsformenbegriffe" (S. 871 ff.) umfaßt mehrere hundert Begriffe. Bereits der Terminus „ S t a a t " ist soweit konkretisiert worden, daß seine Anwendung für Erscheinungen v o r d e m Beginn des 17. Jahrhunderts kaum noch möglich erscheint. „ M a n müßte heute v o n einer Zweidimensionalität der Staatsbegriffe ausgehen: vom Staat als dem modernen militärisch-bürokratischen Machtstaat mit dem Merkmal der Souveränität und zugleich vom Staat als einem idealtypischen Oberbegriff für politische Hoheitsformen" (TH. SCHIEDER, Staat und Gesellschaft im Wandel unserer Zeit, 1957, S. 179; vgl. H . KRÜGER, Allgemeine Staatslehre 2 , 1966, S. l f f . , W . MAGER, Zur Entstehung des modernen Staatsbegriffes, A b h . Mainz. A k . Wiss., 1968). Wie sehr diese begriffliche Aporie einer Verständigung im Wege stehen kann, zeigt sich z. B . daran, daß F . GSCHNITZER, Gemeinde und Herrschaft, a a O . den Begriff Gemeinde im Sinne von Stadtstaat gebraucht und dafür von V . EHRENBERG, Polis und Imperium, 1965, S. 107 den Tadel „irreführend" hinnehmen muß, „denn der Begriff ist kein Bestandteil des eigentlich politischen Wortschatzes". V g l . H . KRAUSE, H Z 209 (1969) S. 23: „ J e d e r kennt die Untersuchungen, in denen am entscheidenden Punkt nichts anders als der lateinische oder mittelhochdeutsche Passus einer Q u e l l e erscheint und dem Leser das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit vermittelt, da er annehmen muß, der Vf. und jeder andere bessere Fachgenosse kenne den Aussagewert des A u s d r u c k s s o genau, daß eine Erklärung ganz überflüssig sei."
D i e F u n k t i o n der verwandten Begriffe
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gerade diese anzeigen sollen, daß man der modernen Sinngebung mißtraut, im übrigen aber nicht ausdrücken kann oder will, wo die Orientierungspunkte dieses Mißtrauens liegen. Es bleibt im Grunde gar nichts anderes als der Versuch, die moderne Terminologie so zu übernehmen, daß in der Sache kein Zweifel an ihrer Elastizität und Plastizität besteht 25 . Auszugehen ist dabei von der nicht näher zu beweisenden Beobachtung, daß die Anwendung aktueller Fragestellungen und der mit ihnen verbundenen Methoden und Begriffe nicht von vorneherein den Weg zum historischen Verständnis des Vergangenen versperren, sondern im Gegenteil der Materie neue Erkenntnisse abgewinnen lassen. Die Denkmodelle als solche stehen dem Erkenntnisprozeß nicht im Wege, sondern allein die Art und Weise ihrer Anwendung entscheidet über ihren Wert und Unwert. Als dogmatische Prämisse dem zu eruierenden Faktum aufgedrängt, versagen sie alsbald, da sie das zu suchende Ergebnis präjudizieren und davon abweichende Aussagen des Materials unterdrücken. Einzig legitim ist daher ihr Gebrauch als heuristisches Modell, wobei die Frage nach ihrer Rechtfertigung theoretisch bei jedem Schritt der Untersuchung neu gestellt werden muß. Notwendig erhält damit die Übertragung einer modernen Begriffswelt und ihre ständige Uberprüfung an dem historischen Faktum den Charakter des Experiments, über dessen Gelingen nur die Einsichtigkeit des schließlich erzielten Ergebnisses Auskunft zu geben vermag, ohne daß diese Einsichtigkeit im absoluten Sinne als evident zu charakterisieren wäre 26 .
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26
V g l . A . HEUSS, R G , S. 546, D e r s . , Z u r Theorie der Weltgeschichte, 1968, S. 6 4 f f . ( z u m I d e a l t y p u s M a x Webers). G r u n d l e g e n d E . BETTI, D i e H e r m e n e u t i k als allgemeine M e t h o d i k der Geisteswissens c h a f t e n , 1962, F . WIEACKER, N o t i z e n z u r rechtshistorischen Hermeneutik, N a c h r . G ö t t . A k . W i s s . , phil.-hist. K l . , 1963,1, A . HEUSS, Z u r Hermeneutik des historischen und juristisch-normativen S a t z e s , in: Studi E . Betti I, 1962, S. 153ff.
I. Provinziale Herrschaftsform als historische Aufgabe: Die Unterwerfung Siziliens 1. Die Erbschaft des Ersten Punischen
Krieges
Das Ende des Ersten Punischen Krieges veränderte die Mächtekonstellation im westlichen Mittelmeerbecken von Grund auf. Das bis dahin bestehende Gleichgewicht der Kräfte zwischen den Westgriechen (repräsentiert vor allem durch Syrakus) und Karthago wird abgelöst durch die Vormachtstellung der neuen italischen Macht, die, von Etrurien bis Sizilien reichend, dem syrakusanischen Machtbereich nur noch lokale Bedeutung einräumte und Karthago nur den Spielraum beließ, den sie selbst nicht (oder besser: noch nicht) auszufüllen vermochte. Der Krieg gegen einen Staat, dessen Politik konsequent auf das westliche Mittelmeer und die Sicherung der maritimen Herrschaft ausgerichtet war, rückte zudem die strategische Bedeutung des Meeres in das Bewußtsein der römischen Führungsschicht (Polyb. l,20,7f.) und der Besitz Siziliens (und wenig später Sardiniens) erzwang eine Denkweise, die den beherrschten Raum eingebettet sah in eine politische Welt, in der maritime Einflußsphären längst abgesteckt waren bzw. umkämpft wurden. Trotzdem konnten die langfristig wirksamen Implikationen dieser Machtverschiebung und dieses veränderten politischen Horizontes von der römischen Aristokratie zunächst ignoriert und die Energien Roms ausschließlich auf Italien konzentriert werden. Nichts drängte dazu, nun mediterrane Politik zu treiben. Die hellenistischen Großmächte, in ihre eigenen Querelen verstrickt, hatten von der Entwicklung im Westen kaum Notiz genommen und taten dies auch fürderhin nicht. Karthago schien nach Kriegsende jahrelang dem endgültigen Untergang näher als dem Wiederaufstieg zu sein. Die römische Führung selbst maß der aus dem Norden drohenden Keltengefahr nach der eigenen 238 begonnenen Expansion in den ligurischen Raum mehr Gewicht bei als ihr tatsächlich zukam und gab sich mit der konsolidierten Lage in Süditalien zufrieden. Das machtpolitisch die Verhältnisse geradezu umstürzende Ergebnis des von beiden Seiten mit unerbittlicher Härte geführten Ringens stellte also der römischen Politik zunächst
Die Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
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keine neuen von der veränderten Machdage her bestimmten Aufgaben. Der Sieg über Karthago schuf ein machtpolitisches Vakuum, das mit neuem Inhalt zu füllen den hellenistischen Staaten die Fähigkeit und der römischen Politik die Freiheit des Handelns fehlte. Wirtschaftspolitische Überlegungen, die den Antritt des karthagischen Erbes empfohlen hätten, kamen niemandem in den Sinn. Der noch junge, im wesentlichen durch die Kolonisation gesicherte soziale Friede in Italien sah die unteren Bauernschichten versorgt und die Reichen damit beschäftigt, ihren Landbesitz in Italien aus der Fülle des Vorhandenen zu mehren. Die Freigabe des ager publicus zur Okkupation durch den Staat veranschaulicht, wo die wirtschaftlichen Interessen lagen und wie sie genutzt wurden. Die in den Häfen der eigenen Kolonien und der Bundesgenossen verrottenden Kriegsschiffe symbolisieren beides: Die Konstellation des politischen Raumes und die politische und wirtschaftliche Konzentration Roms auf Norditalien. Von diesen Zentralpunkten her bestimmt sich denn auch das Schicksal Siziliens, dessen Räumung Karthago vertraglich hatte zugestehen müssen. Gestellt war Rom damit eine Aufgabe, deren Lösung präjudiziell sein mußte von den Zielen und Interessen, mit denen man um Sizilien gekämpft hatte. Die Insel selbst als wehrlose Beute des Siegers besaß keine stabilen Herrschaftsformen, an die ohne organisatorische Schwierigkeiten römische Ordnungsvorstellungen hätten anknüpfen können. Die Möglichkeiten der Unterworfenen, politischen Widerstand zu leisten, waren gering und wurden zudem von Rom nicht provoziert, zumal sich keine der griechischen Städte für eine Rückkehr der Karthager erwärmte. Jede Herausforderung zur Einrichtung von Institutionen, die den Bestand der Herrschaft sicherten, entfiel damit. Das syrakusanische Reich Hierons II., das politisch und wirtschaftlich einzig relevante Machtgebilde auf der Insel, regelte sein Verhältnis zu Rom seit langem durch den 263 geschlossenen Bundesgenossenschaftsvertrag, und da dieser alle Bewährungsproben während des Krieges bestanden hatte, war seine Fortsetzung in Rom nicht einmal Gegenstand des Nachdenkens. Sizilien bot daher weder im positiven noch im negativen Sinne Ansatzpunkte für die aufzuoktroyierende Herrschaftsform. Auch die Erfahrung der römischen Politik umfaßte keine aus einer vergleichbaren Konstellation ableitbare theoretische Vorstellung, wie Herrschaft außerhalb des in Italien praktizierten föderativ aufgebauten Herrschaftssystems zu organisieren war. So ist zunächst nach den Vorstellungen zu suchen, mit denen Rom den Krieg gegen Karthago auf Sizilien begonnen und geführt hat 1 . 1
Die Frage berührt sich nicht mit den wesentlichen Punkten der gerade jüngst wieder heftig geführten Diskussion um den Ausbruch des Ersten Punischen Krieges und die
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D i e U n t e r w e r f u n g Siziliens
Die römisch-karthagischen Beziehungen reichen bekanntlich bis in die ersten Jahre der römischen Republik zurück, ohne daß man von einer Verbindung beider Staaten, die ein wie auch immer geartetes gemeinsames Ziel voraussetzt, sprechen kann. Die auf karthagische Initiative hin abgeschlossenen Verträge zur Monopolisierung des karthagischen Handelns in bestimmten Gebieten kennzeichnen Rom als mehr zufälligen Vertragspartner, dessen Aufnahme in das weitgespannte Vertragsnetz Karthagos eher als eine skurrile Laune karthagischer Diplomaten, denn als eine sinnvolle Vereinbarung zwischen zwei konkurrierenden oder zusammenarbeitenden Staaten erscheint. Erst die beide gleichermaßen bedrohenden Versuche des Pyrrhos, in Unteritalien und Sizilien Fuß zu fassen, bewirkten ein vertraglich festgelegtes, zeitlich befristetes Zusammenleben beider, das für den Initiator Karthago auch nur angesichts des römischen Militärpotentials und nur für den konkreten Anlaß Sinn hatte. Formalrechtlich waren damit freundschaftliche Beziehungen hergestellt, aber eben doch nur formalrechtlich, da mit dem Wegfall des gemeinsamen Zieles Karthago wie Rom ihre eigenen, sich in keinem Punkt berührenden Interessen verfolgten. Diese kollidierten erst mit dem römischen Eingreifen zugunsten der Mamertiner in Messana. Entscheidend an diesem Vorgang ist dreierlei: (1) Messana wandte sich um Hilfe an die Macht, die in Unteritalien (und hier vor allem in Rhegion) ihre Herrschaft konsolidiert hatte und von der man auf Grund der damit gegebenen historischen und geographischen Verknüpfungen des unteritalischen und sizilischen Raumes annehmen konnte, daß sie der Frage, wer sich in Messana etablierte, nicht teilnahmslos gegenüberstand. Dies bedeutet, daß die römische Machtausdehnung in Unteritalien, ganz unabhängig davon, wie sie von der römischen Führungsschicht interpretiert wurde, eine neutrale römische Politik gegenüber den Machtverschiebungen im nördlichen Sizilien nur dann zugelassen hätte, wenn der Senat entgegen der seit langem bestehenden (und durch Pyrrhos nachdrücklich demonstrierten) historischen Verzahnung beider Gebiete bewußt eine Politik des italischen Isolationismus betrieben hätte. Da dafür bei dem Fehlen eines politisch einheidich strukturierten Italien jede Voraussetzung fehlte, ist der Zeitpunkt und der konkrete Anlaß des römischen Ubergreifens auf sizilischen Boden nur vorderd a r a n g e k n ü p f t e „ K r i e g s s c h u l d f r a g e " ; vgl. dazu jetzt den ausgezeichneten Forschungsüberblick v o n F . HAMPL, Z u r Vorgeschichte des ersten und zweiten Punischen Krieges, in: A N R W I 1 , 1 9 7 2 , S. 412 f f . E s gilt hier, die Kriterien z u eruieren, nach denen eine spezifische H e r r s c h a f t s s t r u k t u r von ihrer Entstehung her aufgehellt werden kann. D i e subjektiven Zielvorstellungen der jeweiligen Entscheidungsträger sind demgegenüber von untergeordneter B e d e u t u n g .
Die Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
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gründig von Bedeutung. Anders ausgedrückt: Die Ereignisse, die dazu führten, erscheinen theoretisch durch beliebig andere Konstellationen austauschbar. (2) Die seit 480 v. Chr. ernsthaft nicht mehr gefährdete Existenz zweier im wesentlichen ebenbürtigen Mächte in Sizilien, Syrakus und Karthago, hatte zu einer klaren Abgrenzung der jeweiligen Einflußsphären geführt, innerhalb derer von beiden unabhängige Städte oder Mächtegruppierungen sich nur unter spezifischen Bedingungen und auch dann nur kurzfristig behaupten konnten. Das Festsetzen einer dritten, Syrakus und Karthago ebenbürtigen Macht an der Straße von Messina veränderte die Voraussetzungen, unter denen in Sizilien Politik gemacht werden konnte, da nunmehr jede mit Karthago und Syrakus unzufriedene, unterdrückte oder aufstrebende Stadt darauf bauen mußte, mit Hilfe Roms ihre Ziele durchsetzen zu können. Der Hilferuf der Mamertiner an Rom ist somit typisch für eine Konstellation, die das - nicht gewollte, aber auch nicht aufhebbare - Gleichgewicht der Kräfte auf Sizilien nach dem römischen Sieg im tarentinischen Krieg bereits an der Wurzel getroffen hatte. Den potentiell immer vorhandenen Möglichkeiten einer von Syrakus und Karthago unabhängigen politischen Aktivität hatte sich angesichts der nie gelungenen Einigung der Insel ein realer Spielraum geöffnet, in dem Rom die Rolle der Dame auf dem politischen Schachbrett zwangsläufig aufgedrängt werden mußte. (3) Alle Nachrichten über die Anfänge des Ersten Punischen Krieges und die Gründe des römischen Eingreifens in Messana stimmen bei aller Widersprüchlichkeit darin überein 2 , daß es einzig um Messana (und nicht um Sizilien) ging und es nur fraglich ist, ob Rom eine ihm günstig erscheinende Gelegenheit benutzen wollte, die Karthager aus Messana herauszudrängen, wo sie seit der Schlacht am Longanos 268 bereits saßen (so z. B. F. HAMPL), oder ob der Senat davon ausgehen konnte, Krieg allein gegen Hieron II. führen zu müssen und wider Willen in die Auseinandersetzung mit den Karthagern geriet (so vor allem A. HEUSS). Der Bundesgenossenschaftsvertrag, den Rom kurz nach Kriegsausbruch mit Messana schloß und durch den die Stadt Mitglied der Italischen Wehrgemeinschaft wurde, ebenso der Friedens- und Bundesgenossenschaftsvertrag mit Hieron II. und endlich der Entschluß Roms 262 (Polyb. 1,17,1), nur noch zwei Legionen nach 2
Dies gilt auch für Diodor ( 2 3 , 1 , 4 ; vgl. Cass. Dio frg. 43,1), der Hieron den Römern vorwerfen läßt, sie hätten es in Wirklichkeit auf den Besitz Siziliens abgesehen. Berichtet wird dies aber als Antwort auf ein Friedensangebot des römischen Konsuls, der für die Aufgabe der Belagerung des bereits mit römischen Truppen besetzten Messana die Beendigung des Krieges gegen Hieron angeboten haben soll. Zu F l o r . 1,18,1 ff. und Ampelius 46,2 vgl. A . HEUSS, D e r Erste Punische Krieg, S. 460f.
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Die Unterwerfung Siziliens
Sizilien in Marsch zu setzen, lassen keinen Zweifel daran, daß der Krieg begann als Krieg um Messana 3 . Die römische Wehrgemeinschaft, seit dem Sieg über Tarent Teil des politischen Kraftfeldes in einem Raum, der Süditalien und Sizilien spätestens mit der Italienpolitik Dionysios I. umfaßte, zielte auf die Erhaltung Messanas als Staat, der von den führenden sizilischen Mächten unabhängig blieb und sich an Rom anlehnte. Der Krieg weitete sich, wie Polybios berichtet, erst dann zum Krieg um das Weiterbestehen der karthagischen Epikratie auf Sizilien aus, als Ende 262 Akragas gefallen war und damit die endgültige Niederlage Karthagos den mit den Möglichkeiten einer Kriegführung zur See nie konfrontierten Senatoren greifbar nahe schien4. Der Erste Punische Krieg ist also, sieht man von allen Fragen nach der Rechtmäßigkeit und der moralischen Wertung des römischen Interventionsbeschlusses ab, geführt worden von einer Großmacht, deren Expansion bereits mit der Festsetzung in Unteritalien in einen Raum vorgestoßen war, in dem die vorhandenen Mächtegruppierungen labil und gleichzeitig unfähig zur weiteren Bewegung hin auf eine neue, Sizilien als Ganzes umgreifende politische Ordnung waren. Kraft seines Schwergewichtes figurierte Rom von nun an bei allen politischen Bewegungen in Sizilien in den dortigen Überlegungen als feste Größe. Mit diesem Sachverhalt korrespondierte keineswegs eine bewußte und auf ihre Tragweite hin durchdachte Zielvorstellung Roms, das sich als Führungsmacht der Italischen Wehrgemeinschaft verstand und auch nach dem Kriegsausbruch nur deren Erweiterung um Messana angestrebt hatte 5 . Eine notwendig auf den Erwerb ganz Siziliens hinauslaufende Entwicklung der römischen Politik ergibt sich daraus nicht. Solange die Senatsaristokratie die Ausschaltung von Syrakus oder Karthago als Machtfaktor in Sizilien nicht zum politischen Programm erhob, war zwangsläufig nur die Einbeziehung Roms in das in Sizilien wirksame politische Kraftfeld. Das dabei schließlich herausgekommene Ergebnis, die römische Inbesitznahme Siziliens, wird erst präjudiziert durch die eigene Dynamik, die der Krieg von dem Augenblick an gewinnen mußte, als Karthago seine
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S o jetzt auch mit guten Gründen J . MOLTHAGEN, Der Weg in den Ersten Punischen K r i e g , Chiron 5 (1975) S. 89 ff. Anders A . HEUSS, a a O . S. 4 8 7 f f . , der den römischen Entschluß als Reaktion auf die karthagischen Flottenangriffe gegen die italischen Küsten interpretiert, die Rom die Beseitigung der karthagischen Flottenbasen notwendig erscheinen ließen. H i e r o n II. m u ß aus diesen Überlegungen herausgehalten werden, da der mit ihm geschlossene Vertrag befristet war, was a priori jede Absicht, auch ihn in die Wehrgemeinschaft aufzunehmen, ausschließt.
Die Erbschaft des Ersten Punischen Krieges
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passive Kriegführung aufgab, ein neu aufgestelltes Heer in das verbündete Akragas warf, seine Flotten die italischen Küsten verheeren ließ und damit den Krieg zum Entscheidungskampf um den alleinigen Führungsanspruch in Sizilien verwandelte. Damit war auf Grund des bereits vollzogenen Einbruchs Roms in das auf der Insel wirksame Kräftespiel die Uberlebensfrage für Rom im Sinne der Erhaltung seines Führungsanspruches in Unteritalien und Messana quantitativ anders gestellt. Dies verlieh dem Krieg eine Dimension, die das neue taktische Ziel, die Venreibung Karthagos aus Sizilien, implizierte. Die Uberlieferung sagt nichts über die Gründe, die die karthagische Handelsaristokratie, in der man weitsichtigere Diplomaten auf Grund ihrer Geschichte als im römischen Senat vermuten darf, in den Krieg führten. Sicher hat man in der alten Handelsmetropole erkannt, daß Rom spätestens nach dem Anschluß Messanas und Hierons zu einem Machtfaktor auf der Insel geworden war, der nicht mehr neutralisiert werden konnte, sondern willentlich oder nicht - die Entwicklung in Sizilien für alle Zukunft mitbestimmen mußte. Da die damit verbundene latente Bedrohung der eigenen Epikratie ein zu großes Risiko schien, war es in der Tat besser, den Krieg zu führen, bevor sich die römische Macht vollends etabliert hatte und dann unter Umständen den Zeitpunkt der Konfrontation selbst bestimmte. Ein weiterer (letztlich entscheidender) Punkt entzog sich wohl auch der karthagischen Einsicht, jedenfalls weist das taktische Verhalten Karthagos während des Krieges nicht darauf hin: Zum erstenmal in seiner Geschichte war Karthago in die Konfrontation mit einem Gegner gedrängt, dessen Macht von Etrurien bis Messana reichte (d.h. ihm materiell überlegen war), einem direkten Zugriff wie etwa früher Syrakus entzogen war (d.h. existentiell nie gefährdet werden konnte), und endlich als Sieger, wiederum im Gegensatz zu Syrakus, potentiell stark genug war, die Vorherrschaft Karthagos im westlichen Mittelmeer zu brechen und damit bei der Struktur des karthagischen Staates als Handelsmacht die Quellen seines Reichtums und seiner Macht versiegen lassen konnte. Charakter, Folgen und Konsequenzen des Ersten Punischen Krieges sind von diesen für Rom und Karthago feststellbaren Prämissen her einzuordnen: Konzepdos, was den Krieg gegen Karthago auf einem weitgehend von Griechen besiedelten Territorium betraf, gewann Rom den militärischen Waffengang, ohne in den eroberten und dedierten griechischen Städten etwas anderes zu sehen und sehen zu müssen, als den Gegner, den es nach geltendem Kriegsrecht zu strafen und auszuplündern galt. Das politische Kapital, das beispielsweise in der propagandistischen Erweckung des uralten
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D i e Unterwerfung Siziliens
griechisch-karthagischen Gegensatzes gelegen hätte, blieb ungenutzt 6 . So zeigt sich am Ende der Sieger mit dem ihm zugefallenen Gewinn in Händen, über dessen Behandlung nachzudenken der Krieg keinen Raum gelassen hatte. Erreicht war die Bestätigung, auch außerhalb Italiens einen Waffengang führen und siegreich beenden zu können. Für die Selbsteinschätzung der neuen Großmacht war dies ebenso wichtig wie für den Erhalt der 272 auf Süditalien ausgedehnten Wehrgemeinschaft, die eine Niederlage nicht unbeschadet überstanden und damit R o m in die Rolle einer mittelitalischen Macht zurückversetzt hätte. Die Nobilität hat, wenn nicht im vollen Umfang durchschaut, so doch instinktiv gewußt, daß der Krieg, nachdem er sich zu einem Krieg gegen Karthago ausgeweitet hatte, um diese Frage und nicht um irgendwelchen territorialen Gewinn geführt wurde 7 . Sie hat aber auch - und dies ist ein spezifisches Kennzeichen aller Stationen des römischen Weges zur Weltherrschaft - gemäß der eigenen Wertschätzung in ihrem Bewußtsein dem Risiko der totalen Niederlage wie der Möglichkeit, während des Krieges zu einem nach Teilerfolgen ausgehandelten Frieden zu kommen, keinen Platz eingeräumt und den vollständigen militärischen Sieg zum Ziel an sich erhoben, neben dem alle anderen politischen Überlegungen bedeutungslos wurden. 6
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A . HEUSS, D e r Erste Punische Krieg, S. 504ff., R G 3 , S. 72. Anders D . KIENAST, Hermes 93 (1965) S. 4 8 8 f . , der ausgehend von dem Senatsbeschluß über die Chrysophorie (zur Sache KIENAST, S. 485f.) für die Venus von Eryx (Diod. 4,83,7) R o m die Förderung des sizilischen Griechentums mit dem Ziel zuschrieb, dadurch den karthagischen Einfluß auf der Insel einzudämmen (ähnlich A . ALFÖLDI, Die trojanischen Urahnen der R ö m e r , 1957, S. 29). D i e Richtigkeit dieses Schlusses hängt von der exakten Datierung des S C in die Zeit u m bzw. kurz nach 241 v. C h r . ab, und gerade sie ist mit Sicherheit nicht gegeben (so konnte K . ZIEGLER, R E VII A (1948) Sp. 1780 z. B. die Jahre nach dem Zweiten Punischen Krieg für wahrscheinlich halten). Es ist im Gegensatz zu KIENAST plausibler, daß Rom auf G r u n d der strategischen Bedeutung des E r y x zunächst an seine militärische Sicherung durch römische T r u p p e n gedacht hat und erst nach dem Wegfall dieser Notwendigkeit, also frühestens nach der Unterstellung der Insel unter einen Imperiumträger, daran ging, auch den Kult des Heiligtums auf dem Eryx neu zu ordnen. Der Bericht des Diodor über das S C schickt außerdem voraus, daß die auf der Insel weilenden römischen Magistrate die Göttin mit großzügigen Geschenken und Festen zu verehren pflegten, so daß auch D i o d o r das S C zeitlich nach 227/25 v. C h r . einordnet. E s bleibt daher als sicheres Faktum, daß Rom zwar der Hellenisierung sämtlicher sizilischer Städte Vorschub leistete und dabei auch die Aeneaslegende für seine politischen Zwecke auswertete (vgl. die Münzen von Segesta, B M C Sicily 5 9 f f . , A . ALFÖLDI, a a O . S. 29, D . KIENAST, S. 480ff.), aber dies erst dann tat, als es sich zur Übernahme der direkten Herrschaft entschlossen hatte. Die von KIENAST rekonstruierte Entwicklung wäre erst dann zu vertreten, wenn, was er Z. Sav. Stift. R . A . 85 (1968) S. 358 gestützt auf A p p . Sik. 2,6 zu begründen versucht, Rom bereits seit 241 v. Chr. Jahr f ü r Jahr Imperiumträger auf die Insel entsandt hätte. V g l . A . HEUSS, R G 3 , S. 72.
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Es ist in der Geschichte ein zwar seltenes, aber nicht einmaliges Ereignis, daß ein Staat ohne Absicht und damit unvorbereitet Herr eines großen Territoriums wird. Daraus ergab sich die Schwierigkeit, ein Gebiet regieren zu müssen, das man nicht um seiner selbst willen erobert hatte, für das man noch nicht einmal das Interesse des Ausbeuters aufbrachte und in dem man nur mit dem einen klaren Ziel gekämpft hatte, die karthagische Epikratie zu beseitigen. Die nach Kriegsende in Rom getroffene Entscheidung, das ganze Problem auf sich beruhen zu lassen und vermeintlich wichtigere Dinge in Oberitalien zu erledigen, war so durchaus logisch und angesichts der politischen Abwesenheit sonstiger Mächte in diesem Raum auch durchsetzbar. Jede Veränderung dieser Konstellation führte dann allerdings dazu, das sizilische Problem zusammen mit dem Ereignis, das die Veränderung bewirkte, neu durchdenken und lösen zu müssen. Der unter diesen Voraussetzungen auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung mit den Kelten gefaßte Entschluß der Republik, das neu gewonnene Gebiet in ständiger Untertänigkeit zu halten, erhält seine eigentliche Bedeutung damit vor dem Hintergrund der Frage, welche real zu verwirklichenden Vorstellungen die politische Führung Roms an den Begriff der Untertänigkeit knüpfte, welche historischen Erfahrungen sie bei der praktischen Ausprägung dieses Verhältnisses zur Verfügung hatte und in welcher Intensität seine Ausbildung am konkreten Modell seine definitive Gestaltung für die Zukunft bestimmte. Die Einrichtung der ersten römischen Provinz ist also historisch, d. h. nach den Ursachen, die zu ihrer Entstehung führten, und anschließend politisch, d. h. nach ihrem Wert und ihrer Dauerhaftigkeit, zu untersuchen 8 . 2. Der Friede des Lutatius Der sofort nach dem Ende der Kämpfe zwischen Hamilkar und C . Lutatius Catulus abgeschlossene Präliminarvertrag regelte den endgültigen Rückzug der Karthager aus den noch von ihnen besetzten Gebieten Siziliens, untersagte jeden Angriff auf Syrakus und seine Bundesgenossen und enthielt mit der Forderung auf Kriegsentschädigung und Auslieferung der Gefan8
Bei dieser Fragestellung ist die Skizzierung der am Ende der Entwicklung feststellbaren Verwaltungsformen gegenüber den Motiven ihrer Ausbildung von sekundärer Bedeutung. G a n z außer Betracht bleiben muß die individuelle Ausprägung der Herrschaftsstrukturen durch die Klientel, die bei den beschränkten Verwaltungsmöglichkeiten des Gemeindestaates ein notwendiges Komplement des Nobilitätsregimes bildete. Ihre historische Begründung liegt jedoch außerhalb der Frage nach der Herkunft der Provinzialordnung. Zu vgl. ist E . BADIAN, F C , S. 1 f f . , CH. MEIER, Res publica amissa, 1966, S. 34ff.
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genen die Bestimmungen, die in jedem von Rom geschlossenen Friedensvertrag obligatorisch sind 9 . Die Beschränkung des Vorvertrages auf einseitige Prohibitivbestimmungen, die jedes zukünftige Fußfassen Karthagos auf Sizilien unmöglich machen sollten, fand vor den Komitien in Rom wenig Gegenliebe, so daß die Präliminarien verworfen wurden. Im Gegensatz zu Lutatius, der in richtiger Einschätzung der militärischen Erschöpfung Roms einen Entscheidungskampf auf afrikanischem Boden für wenig aussichtsreich hielt 10 und sich im übrigen noch vor Ablauf seiner Amtszeit mit dem Frieden auch den Ruhm, diesen Krieg beendet zu haben, sichern wollte, hoffte der römische Bürger, dem Besiegten noch mehr abpressen zu können. So verhandelte im Frühjahr 241 v. Chr. eine senatorische Zehnmännerkommission unter Leitung des amtierenden Konsuls Lutatius Cerco erneut mit Hamilkar 1 1 , ohne jedoch wesentliche Verschärfungen durchsetzen zu können, da der Karthager - die Lage ähnlich wie Catulus einschätzend - für jedes Zugeständnis ein römisches Entgegenkommen einhandelte 12 . Der Vertrag verlor damit seine ursprüngliche Aufgabe, dem Besiegten die zur Erlangung des Friedens notwendigen Bedingungen zu diktieren, und weitete sich zu einer umfassenden zweiseitigen Regelung des römischkarthagischen Verhältnisses. Dabei hat die Erweiterung des von Karthago aufzugebenden Gebietes um die Liparischen und Aegatischen Inseln allein formelle Bedeutung 1 3 . Bereits in den Vorverhandlungen muß es für beide 9
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Polyb. 1 , 6 2 , 8 - 9 (Praeliminarvertrag). 3,27,2-6 (Endvertrag); grundlegend E. TÄUBLER, Imp. R o m . S. 106ff.; 188ff.; Die Vorgeschichte des Zweiten Punischen Krieges, 1921, S. 108ff. Im übrigen sei auf die Behandlung des Vertrages von H. H. SCHMITT, Die Staatsverträge des Altertums III, 1969, S. 173ff. verwiesen; dort auch sämtliche Quellen und die einschlägige Literatur. Nach der überzeugenden Analyse F. ALTHEIMS, Naevius und die Annalistik, in: Untersuchungen zur römischen Geschichte I, 1961, S. 111 f. (fußend auf E. TÄUBLER, Hermes 57 (1922) S. 158f.) ist Naevius b. P. frg. 51 Marm. (Sicilienses paciscit obsides ut reddant) wie frg. 52 auf die Präliminarien zu beziehen (anders C . CICHORIUS, Römische Studien, 1922, S. 50ff.) und würde kombiniert mit der Nachricht des Zonar. 8,17,4, wonach Hamilkar dem Lutatius Geiseln stellen mußte, bedeuten, daß Karthago auch die Geiseln, die es von den sizilischen Städten gefordert hatte, an Rom auslieferte. „Solche Rückgabe der Pfänder, die Karthagos Untertanen bisher banden, hätte gezeigt, daß man emstlich gewillt war:Ttis ZiKtXla^ irAariS SKarfj vai 'Pwiiafoi?, wie dies Zonaras formuliert" (F. ALTHEIM, S. 112). Vgl. weiter A. MAZZARINO, Helikon 6 (1966) S. 639 ff. zur Textgestaltung von frg. 52. 1» Polyb. 1,62,7. Zonar. 8,17,7. Polyb. 1,63,1-3. Ohne Zweifel herrschte bei diesen Verhandlungen vollstes Einvernehmen zwischen Cerco und seinem Bruder Catulus, der als Prokonsul nach wie vor das Kommando in Sizilien führte. Dazu im einzelnen E. TÄUBLER, Vorgeschichte, S. 110. O . MELTZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 353. Im einzelnen räumten die Karthager nach Vertragsabschluß Lilybaeum, Drepana, den Berg Eryx und die Aegatischen I n s e l n ; vgl. J . H . THIEL, a a O . S. 3 1 7 A n m . 829.
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Seiten selbstverständlich gewesen sein, daß die seit Jahren von Rom eroberten Liparischen Inseln auch römisch bleiben und die Aegatische Inselgruppe als zu dem karthagischen Besitz auf Sizilien gehörig mit diesem geräumt werden sollte. Auf den ersten Blick fällt auf, daß die Praeliminarien und die endgültige Vertragsausfertigung die Abtretung Siziliens nicht als solche, sondern als Rückzugsverpflichtung Karthagos formulieren, ein urkundlicher Stil, in dem in fast allen späteren römischen Friedensverträgen Grenzregulierungen ausgesprochen wurden 14 . Die Ausnahmen dieser Regel, die Friedensschlüsse mit Philipp V. und Nabis von Sparta, erklären sich aus der historischen Situation der ersten Phase der aktiven römischen Ostpolitik 15 . Die Erfordernisse einer bestimmten historischen Konstellation schlagen sich also in der Vertragsterminologie nieder, was zur genauen Auswertung und Interpretation der Regelfälle verpflichtet, deren Sprachgebrauch nicht als bezugslose Topik gewertet werden kann. Auf den Vertrag des Lutatius angewandt heißt das, daß der endgültige Verzicht Karthagos auf die Ausübung seiner Herrschaftsrechte in Sizilien 14
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P o l y b . 1,62,8.3,27,2. App. Sik. 2,4. Zonar. (Dio) 8,17,4. Zu den gleichlautenden Bestimmungen in den Verträgen mit Teuta 228 v. Chr. (Polyb. 2,12,13), Antiochos 188 v. Chr. (Polyb. 21,43,5) und Mithradates 85 v. Chr. (App. Mithr. 55,222. Plut. Sulla 22) s. E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 72 mit Anm. 3. Genau umgekehrt liegen die Dinge im Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. (und wahrscheinlich auch im Frieden mit Hieron 263 v. C h r . , vgl. Diod. 23,4,1), wie F. GSCHNITZER, Wien. Stud. 79 (1966) S. 276 ff. richtig gesehen hat: hier wird in der Territorialbestimmung nur das umschrieben, was Karthago in A f r i k a noch verbleiben soll (Polyb. 15,18,1). Die Formulierung erinnert an die Stilisierung des Deditionsformulars (E. TÄUBLER, Imp. Rom. S. 198, der aus diesem Grunde die Historizität der Klausel bestritt), so daß hier Elemente der Freiheitserklärung in das Vertragsformular Eingang gefunden haben müssen. Dies wiederum ist nur daher erklärlich, daß Karthago nach Zama ein zur Gänze besiegter Gegner war, der die deditio zwar nicht zu vollziehen brauchte, den Frieden aus der römischen Hand aber nur noch als Geschenk entgegennehmen konnte. Der Vertrag mit Philipp V. sieht die Auslieferung aller makedonisch besetzten Städte in Griechenland bis zu den Isthmien von Korinth vor, während die besetzten Städte in Kleinasien sofort freizulassen waren (Polyb. 18,44,3 f.), ohne daß Rom diesen Vorgang anders als durch eine Gesandtschaft kontrollierte (Polyb. 18,48,1 f. = Liv. 33,35,1 f.). Die Übernahme der Herrschaftsrechte in den mutterländischen Städten resultierte aus der richtigen Einsicht, daß eine Friedensordnung in Griechenland ohne eine durchgreifende Regelung der verworrenen territorialen Verhältnisse unmöglich war und Philipp V. unter allen Umständen aus den innergriechischen Angelegenheiten herausgehalten werden mußte. Dies konnte nur dadurch erreicht werden, daß seine Beziehungen zu Rom unabhängig von der Regelung der griechischen Frage normalisiert wurden (grundlegend dazu A . HEUSS, Volk. Grdl. S. 88f.; Vf., Struktur, S. 83ff.). Ebenso liegen die Dinge beim Abschluß des Vertrages mit Nabis, der zur Ubergabe der argivischen Gebiete und der in seiner Hand befindlichen kretischen Städte gezwungen wird (Liv. 34,35,3: traderentur Romanis; 35,9: redderet Romanis).
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nicht automatisch die Herstellung der römischen Verfügungsgewalt, wo sie nicht bereits der Kriegsverlauf begründet hatte, bewirkt. Der Vertrag schafft kein neues Besitzrecht, sondern nur dessen Voraussetzung 16 , und erst der Entschluß Roms, das Gebiet durch einen Akt der Okkupation dem eigenen Territorium einzuverleiben oder eine sonstwie geartete neue Rechtsordnung herbeizuführen, stellt nach dem Grundsatz der Effektivität das neue Besitzverhältnis her. Der ganze Vorgang setzt sich also aus der erzwungenen Dereliktion Karthagos und der folgenden - de iure nicht zwangsläufig notwendigen - Okkupation Roms zusammen und ist von einer Gebietsabtretung (Zession) durchaus zu unterscheiden 17 . Im Augenblick des Vertragsabschlusses ist also nach römischer Rechtsauffassung das geräumte Territorium herrenloses Land, das es zunächst vor einem neuen Zugriff des alten karthagischen Herren durch weitere vertragliche Sicherungen zu schützen galt. Die Stilisierung der im Endvertrag neu aufgenommenen Schutzbestimmung für die unter der Oberhoheit (Eparchie) der Vertragsgegner stehenden Gebiete bestätigt diesen Schluß 18 . Das hier ausgesprochene Verbot, in den jeweiligen Machtbereichen Hoheitsrechte auszuüben, Befestigungen anzulegen oder Truppen anzuwerben, ist nur für Gebiete sinnvoll, in denen die römische Herrschaft noch nicht vollständig errichtet oder ihre Einrichtung nicht von vorneherein als dauernde gedacht war, da ein derartiges Gebot für römisches Territorium selbstverständlich und nicht 16
E . TÄUBLER, I m p . R o m . S. 15.
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D a s griechische Verwagsrecht kannte, soweit erkennbar, diese Unterscheidung nicht, sondern die Verträge setzten entweder die Abtretung eines Gebietes an den Sieger (bzw. einen Dritten) oder seine sofortige Freilassung und damit seine Widerherstellung als souveräner Staat fest. So übergaben z. B . Syrakus im Vertrag von 492 v. Chr. Kamarina an Hippokrates von Gela ( H d t . 7,154,3. Philistos in Schol. Pind. O l . 5,19c, F G r H i s t . N r . 556, 15), Thasos seine Peraia an Athen (Plut. Kimon 14,2. Thuk. 1,101,3), die Athener Nisaia, Pegai, Troizen und Achaia 4 4 6 / 5 v. C h r . an Sparta (Thuk. 1,115,1). DerNikiasfriede421 v. C h r . sah die Rückgabe von Amphipolis an Athen und von Pylos, Methone, Atalante und Pteleon an Sparta vor ( T h u k . 5 , 1 8 , 5 ; 7); die Ausführung dieser Bestimmung wurde allerdings größtenteils durch die politische Entwicklung überholt. Im ersten Frieden zwischen Dionysios I. und Karthago 405 v. C h r . mußten die Elymer und Sikaner sowie die Städte Selinus, Akragas, Himera, Gela und Kamarina den Karthagern überlassen werden(Diod. 13,114, la), während im zweiten Frieden 392 v. C h r . diese Zugeständnisse rückgängig gemacht werden konnten ( D i o d . 14,96,3. K . F . STROHEKER, Dionysios I . , 1958, S. 82 f.); der dritte Friedensschluß schließlich setzte die Himera-Grenze fest und lieferte insbesondere Selinunt und Akragas an Karthago aus; diese Grenzziehung sollte bis zum Eingreifen R o m s Bestand haben (Diod. 15,17,5. Plat. Ep. V I I 333a). Zur direkten Freilassung auf Grund eines Vertrages vgl. den Frieden zwischen Athen und Böotien 446 v. Chr. (Diod. 12,6,2), das Bündnis zwischen Sparta und Elis (Xenophon. Hell. 3,2,30) und den Nikiasfrieden.
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Polyb. 3,27,4.
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Gegenstand eines Vertrages ist19. Der Friedensvertrag mit Antiochos untersagte dementsprechend jede Anwerbung in den eroberten und geräumten kleinasiatischen Gebieten diesseits des Tauros 20 , da in der dem Vertrag folgenden Neuregelung der kleinasiatischen Verhältnisse Rom auf die Beibehaltung seines uneingeschränkten Spruchrechtes verzichtete und die unterworfenen Gebiete entweder freiließ oder unter seine Kombattanten Rhodos und Pergamon verteilte21. Die historische Einordnung dieser Vertragspraxis wird durch die fehlende Kenntnis von Form und Inhalt der mit den italischen Gemeinden abgeschlossenen Friedensverträge sehr erschwert. Das regelmäßige Ergebnis dieser Abmachtungen, die Wiederherstellung der Besiegten als souveräne foederati (meist verbunden mit empfindlichen Gebietsverlusten) oder ihre totale Inkorporation in den römischen Staat, zeigt, daß hier die Abtretungen, da von vorneherein selbstverständlich, auch als solche ausgesprochen wurden. Der Friede mit Karthago scheint daher die begriffliche Trennung zwischen dem Gebietserwerb durch Abtretung und dem Gebietserwerb durch auf die vertraglich festgesetzte Dereliktion folgende Okkupation erst eingeführt zu haben. Dieser bisher auf seine juristische Relevanz untersuchte Tatbestand blieb ohne spektakuläre Folgen, da Rom nicht auf die Okkupation und die Ausübung seiner Hoheitsrechte in den betroffenen sizilischen Städten verzichtet hat. Fraglich ist nur der Zeitpunkt und die Form des Herrschaftsantrittes. Seine eigentliche Bedeutung erhält der Komplex daher erst vor dem Hintergrund der Frage nach der römischen Einstellung zu dem Gewinn des Krieges: Wieweit hatte sich die führende Nobilität bereits mit dem Problem befaßt, welche Vorstellungen hatten sich gebildet, welche Rechtfertigung gab man seinem Verhalten? Die Vertragsterminologie gibt die erste Antwort: Die definitive Inbesitznahme Siziliens war zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine von vielen Möglichkeiten. Es wurde bereits als das eigentliche Ziel des Vertrages die Absicht deutlich, jede zukünftige Intervention Karthagos auf Sizilien zu verhindern. Dieser Aufgabe dienen auch sämtliche anderen Vertragsstipulationen soweit sie nicht zur üblichen Vertragstopik gehören, sondern die individuellen 19
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T r o t z der zweiseitigen Stilisierung dieser Bestimmung ist klar, daß sie allein gegen Karthago gemünzt war, so daß die Frage nach der konkreten Abgrenzung der betroffenen karthagischen Eparchie offenbleiben kann. Polyb. 21, 43, 15. D . MAGIE, RR AM II, S. 950 ff. Zur Diskussion der angeschnittenen Probleme im modernen Völkerrecht s. G . ZIMMER, Gewaltsame territoriale Veränderungen und ihre völkerrechtliche Legitimation, 1971, S. 39ff.
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Beziehungen zwischen Karthago und Rom regeln. So wird das in den Präliminarien den Karthagern auferlegte Kriegsverbot gegen Hieron II. und Syrakus in der endgültigen Vertragsausfertigung zur gegenseitigen und allgemeinen Sicherheitsgarantie für die Bundesgenossen umstilisiert 22 , wobei für die römische Politik nach wie vor der Schutz des syrakusanischen socius im Vordergrund stand 2 3 . Das Königreich Hierons war bei einem neuen karthagischen Versuch, die verlorenen Positionen auf Sizilien wiederzugewinnen, der natürliche Gegner einer solchen Politik 2 4 . Das Gleiche gilt für Messana, das neben Syrakus der 22 23
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Polyb. 3 , 2 7 , 3 ; vgl. 2 9 , 4 ; 9. H . H . SCHMITT, aao. S. 180 spricht von „Friedensgarantie". Nach D . KIENAST, Entstehung und Aufbau des römischen Reiches, Z.Sav.Stift. R. A. 85 (1968) S. 325 ff. sind unter diese Bestimmung vor allem auch die von Polybios als Symmachoi bezeichneten sizilianischen Städte (1,18,5; 24,3; 40,1; 52,8. vgl. Diod 23,8,1. Zonar. 8,15,12) zü subsumieren, die im Verlauf des Krieges Rom Waffenhilfe geleistet haben und deren Rechtsstellung zu Rom KIENAST auf Grund dieser Tatsache als völkerrechtlich souveräne socii sine foedere definiert. Nun weist gerade die einschlägige Präliminarklausel darauf hin, daß es Rom mit dieser Bestimmung auf den Schutz Hierons, also eines foederatus, abgesehen hatte, während die übrigen sizilischen Gemeinden durch die Eparchiebestimmung betroffen wurden (s. o.). Die Umwandlung der einseitigen Prohibitivklausel im Endvertrag in eine zweiseitige generelle Regelung des Verhaltens den gegenseitigen Bundesgenossen gegenüber geht ferner nicht auf die römische Initiative zurück - bewirkt etwa durch die Erkenntnis, die Fürsorge für die übrigen Gemeinden (socii nach KIENAST) schlicht vergessen zu haben - , sondern sie ist das Ergebnis der neuen Verhandlungen mit Hamilkar, der für jedes über die Präliminarien hinausreichende Zugeständnis ein römisches Entgegenkommen, hier also den Schutz auch der karthagischen Bundesgenossen, einhandelte. Endlich sagt die Tatsache, daß einige Griechenstädte militärische Hilfe im Krieg leisteten, nichts über ihre Rechtsstellung zu Rom aus. KIENAST selbst (S. 363 f.) führt richtig aus, daß in späterer Zeit die Provinzialen keineswegs von der Verpflichtung zur Heenesfolge ausgenommen waren (gegen TH. MOMMSEN, RStR III, S. 738ff.; vgl. etwa Cic. 2 Verr. l , 8 6 f . ) , ohne daß sich dadurch irgendetwas an ihrem Status als Untertanen geändert hätte. Wie wenig militärische Hilfe über den Rechtsstatus dessen, der sie leistet, auch in der hier interessierenden Epoche aussagt und wie selbstverständlich sie vom römischen Feldherrn gefordert wurde, illustriert der Illyrische Krieg 229/8 v. Chr. Nach Abschluß der Kampfhandlungen verläßt der Konsul Cn. Fulvius mit dem größten Teil des Heeres das Land, während sein Kollege L. Postumius Albinus aus den umliegenden illyrischen Städten ein Heer sammelt und zum Schutz der Unterworfenen im Lande überwintert (Polyb. 2,12,2. Vf., Struktur, S. 53f.). An der Untertänigkeit der zur Truppenstellung herangezogenen Städte ist hier kein Zweifel möglich (anders G . WALSER, Historia2 (1953/54) S. 312f.), da die Neuordnung der illyrischen Verhältnisse erst im Sommer 228 v. Chr. erfolgte und hier allerdings, im Gegensatz zu Sizilien, zur Restitution der Eroberten und Dedierten führte. Nach G . MANGANARO, Athenaeum N . S. 43 (1965) S. 312ff. ist IG X I V 7 als Brief Hierons II. zu lesen, in dem e r - zugleich im Namen eines Koinon der Sikelioten - die Bürger von Syrakus auffordert, die Festsetzungen des Vertrages 241 v. Chr. eidlich zu bekräftigen. D e r herkömmlichen Deutung zufolge (A. WILHELM, ÖJh. 3 (1900) S. 162ff.; zustimmend H . BERVE, Hieron II., 1959, S. 48; 61 f.; vgl. P. HERRMANN, Der römische Kaisereid, 1968, S. 40f.) ist die von den Syrakusanern geforderte Eidesleistung mit der Erhebung des Sohnes
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einzige Bundesgenosse auf sizilischem Boden mit effektiv militärischer Verpflichtung war und blieb 2 5 und sich auf Grund des abgeschlossenen foedus in nichts von den italischen socii unterschied. Daß auch sie schon aus rein formalen Erwägungen ebenfalls unter diese Schutzbestimmmung fielen, bedarf keines Beweises 2 6 . Vertragstechnisch müssen die Namen der beiderseitigen Bundesgenossen im Rahmen dieser Bestimmung genannt oder listenmäßig erfaßt der Vertragsurkunde beigegeben worden sein, da in den Verhandlungen vor dem Ausbruch des Hannibalkrieges die Karthager den Vertrag mehrmals verlasen, um den römischen Gesandten das Fehlen Sagunts und damit die fehlende Berechtigung, für diese Stadt zu sprechen, nachzuweisen 2 7 . Die folgende Eparchiebestimmung zeigt, wie konsequent die römischen Diplomaten an die ihnen gestellte Aufgabe der Eingrenzung karthagischer Einflußsphären herangingen (man ist versucht zu sagen, sie taten dies mit demselben Geschick, mit dem die karthagischen Gesandten einmal die Einflußsphären ihrer Stadt abgesteckt hatten). In der geschichtlichen Entwicklung des Vertrages nach Polybios fehlt diese Bestimmung ganz, während sie der Endvertrag als gegenseitige enthält. Analog dem zur Schutzklausel Gesagten muß sie zunächst einseitig Karthago verpflichtet haben und erst in den Schluß Verhandlungen der Zehnmännerkommission zweiseitig stilisiert worden sein. Polybios stellt beide Festsetzungen der Klausel (I: NT|6ev £TTITCtTTEiv N R | 5 ' OIKO5O|JE!V 8F|poaia PR|Se £evoAoyeiv; II: NR|8£ -npoo-AaußötvEtv eis quAiav TOUS &AXT|ACOV OVHU&XOUS) unter den Oberbegriff der Eparchie, der weder auf Grund der vorhandenen sonstigen Zeugnisse eindeutig als juristisch-technischer in dem Sinne festzulegen ist, daß er
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d e s H i e r o n , G e l o n , z u m Mitregenten in Z u s a m m e n h a n g zu bringen. Abgesehen von den epigraphischen Vorbehalten gegen die auf Ergänzung beruhende A u f f a s s u n g MANGANAROS ( d a z u J . u . L . ROBERT, B u l l , epigr., R E G 79 (1966) S. 515), erscheint eine Vereidigung d e r S y r a k u s a n e r auf den Friedensvertrag, der die Stadt nur als O b j e k t behandelt u n d dements p r e c h e n d unabhängig von jeder syrakusanischen Willensäußerung funktioniert, wenig sinnvoll. C i c . 2 Verr. 5 , 1 9 , 5 0 . E s ist a u f f a l l e n d , daß in der allein erhaltenen Einleitungsformel der Präliminarien weder a u f römischer noch auf karthagischer Seite die Bundesgenossen genannt w e r d e n , wie das n o c h in d e n beiden ersten römisch-punischen Verträgen der Fall war ( P o l y b . 3 , 2 2 , 4 ; 24,3). D i e tatsächliche A u f g a b e jeder eigenen außenpolitischen Aktivität der italischen socii hat d a m i t E i n g a n g in das r ö m i s c h e Vertragsrecht gefunden. D e r Friede mit R o m schloß den F r i e d e n mit den Mitgliedern der Wehrgemeinschaft ein. H i e r o n kann in diesem Z u s a m m e n h a n g außer Betracht bleiben, da es trotz seiner häufigen Hilfeleistungen in F o r m v o n G e t r e i d e s e n d u n g e n , Schiffen und Belagerungsgeschützen unwahrscheinlich ist, daß er sich offiziell m i t K a r t h a g o im K r i e g s z u s t a n d befand; H . BERVE, H i e r o n II., 1959, S. 38; 75. P o l y b . 3 , 2 1 , 5 . E . TÄUBLER, Vorgeschichte, S. 6 3 f f . , F . W . WALBANK, A C o m m . on P o l y b . I, 1957, S. 357 (zu P o l y b . 3 , 2 9 , 4 ) , H . H . SCHMITT, a a O . S. 180.
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erobertes oder dediertes Untertanengebiet bezeichnet, noch von Polybios im vorliegenden Fall so gebraucht wurde, da die Bundesgenossen als der Eparchie zugehörig aufgeführt werden. Der Begriff umschreibt offensichtlich jede Form von Abhängigkeit, die durch Eroberung oder Dedition ebenso wie durch die politischen Machtverhältnisse hergestellt werden konnte 2 8 . Auf den vorliegenden konkreten Fall angewandt heißt das zunächst, daß sich die Stipulation de iure auf das in Sizilien eroberte wie von Karthago geräumte Gebiet einer- und auf die römischen Bundesgenossen in Sizilien und Italien andererseits beziehen kann. Diese vertragstechnische Interpretation ist jedoch auf Grund der gegebenen historischen Verhältnisse näher zu erläutern 2 9 : Teil I. der Eparchie-Bestimmung hat reale Bedeutung für die eroberten und geräumten Städte in Sizilien ebenso wie für die italischen foederati, da Rom während des karthagischen Söldnerkrieges diese Bestimmung vorübergehend außer Kraft setzte, um den Karthagern den Ankauf'Von Hilfsgütern in Sizilien und in Italien und die Anwerbung von Söld-
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Vgl. A . MAUERSBERGER, Polybios-Lexikon I, s. v. Trotzdem stellt Polyb. 3,29,10 die Termini Symmachie und Eparchie in einem Kommentar der hier interessierenden Bestimmung nebeneinander: (IR|T6 ^evoXoyeiv u t | t ' ¿TTITÄTTEIV p.r|SeT£pous nr|6iv tv TALS Acov i t r a p x f a i s Kai aunpocxlatlS (gegen diese Gleichsetzung bereits E. TÄUBLER, Imp. R o m . S. 87 Anm. 1). D a Polybios die hier ausgesprochenen Verbote nur auf später hinzugekommene Bundesgenossen beschränkt wissen will - eine Interpretation, die weder aus dem Vertragstext zu lesen noch irgendwie sinnvoll ist - kommt seiner Lesart insgesamt wenig Beweiskraft zu; vgl. F. W. WALBANK, C o m m . on Polyb. I, S. 357. A p p . Sik. 2,4 spricht nur von einem Karthago auferlegten Werbeverbot auf italischem Boden. D a alle übrigen von ihm wiedergegebenen Bestimmungen des Vertrages mit der polybianischen Version der Präliminarien bis auf die Räumung auch der um Sizilien liegenden Inseln übereinstimmen und das Verbot der Werbung im Gegensatz zum Endvertrag einseitig festgelegt ist, muß auch hier ein Stück des Präliminarvertrages oder die vom Senat den Zehnmännern gegebene Instruktion (so E. TÄUBLER, Vorgeschichte S. 115) vorliegen. Ebenso einzuordnen ist Zonar. 8,17,6, der neben dem Werbeverbot auch ein Fahrverbot für karthagische Kriegsschiffe in italischen und bundesgenössischen Küstengewässern kennt (nach H . H . SCHMITT, aaO. S. 180 unhistorisch). Aus beiden Überlieferungszweigen ergibt sich die räumliche Abgrenzung wie die historische Voraussetzung der Eparchie-Klausel. Neben der Sicherheit Siziliens muß Catulus in den Präliminarien auch für den Schutz der mit Rom verbündeten italischen Küstenstädte gesorgt haben, die im Verlauf des Krieges immer dann von karthagischen Flotten verheert worden waren, wenn die römische Flottenmacht nicht existent oder vernichtet war, also in den Jahren 263-260 und 249-242 v. Chr. (dazu Polyb. l , 2 0 , 4 f f . Zonar. 8,10,6; 15,13; 16,1b; 6. Polyb. 1,56,10. A . HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 488ff., J . H . THIEL, aaO. S. 144ff.; pass.). Das nach Zonaras festgesetzte Operationsverbot für karthagische Kriegsschiffe trug diesen bitteren Erfahrungen Rechnung und konnte im Endvertrag fallengelassen werden, da hier die allgemeine Sicherheitsgarantie für die beiderseitigen Bundesgenossen dieselben Dienste tat.
D e r Friede des Lutatius
27
nern in Italien zu ermöglichen 30 . Teil II zielt vorab auf Hieron II. 3 1 und Messana, da Bündnisse italischer socii untereinander oder mit dritten Staaten dem Geist der römischen Wehrgemeinschaft widersprachen. In der Sache ist das Verbot der Aufnahme in die amicitia so umfassend wie möglich formuliert, so daß die unterbundenen Beziehungen von formlosen diplomatischen Kontakten bis zum Abschluß einer förmlichen Symmachie reichen 3 2 . So konnten die Hilfeleistungen Hierons für das von seinen Söldnern bedrängte Karthago auch nur solange unter stillschweigender Billigung Roms durchgeführt werden, solange Rom selbst der Stadt seine freundschaftlichen Beziehungen durch wirtschaftliche Unterstützung (Polyb. l,88,8ff.) bewies. Als der Streit um Sardinien diese Phase des guten Einvernehmens abrupt beendete 33 , müssen auch die römisch-syrakusanischen Beziehungen durch die offensichtlich weiterlaufenden Hilfesendungen Hierons an Karthago gestört worden sein, da sich der König 237 v. Chr. nach Rom begab, dort an den Ludi Romani teilnahm und durch ein fürstliches Geschenk von 200 000 Scheffeln Getreide die Mißstimmung des römischen Volkes beseitigen konnte 3 4 . Zusammenfassend zeigt sich also, daß der Friedensvertrag den Rückzug Karthagos aus Sizilien regelte und jede zukünftige karthagische Einmischung — gleichgültig ob sie in diplomatischer oder militärischer Form erfolgte - unmöglich machte. Das künftige Schicksal Siziliens blieb offen, da der Vertrag sich auf den Verzicht Karthagos beschränkte und damit die Übernahme der Herrschaft durch Rom von einem Akt der Okkupation abhängig 30 31
A p p . Sik. 2 , 1 0 . N a c h H . BERVE, H i e r o n I I . , S. 38 kann der König nicht zu den betroffenen S y m m a c h o i gerechnet w e r d e n , da der Begriff der E p a r c h i e ein stärkeres Abhängigkeitsverhältnis signalisiere, als es zwischen R o m und H i e r o n bestand. D e r Terminus ist jedoch so vielschichtig, daß sein k o n k r e t e r Bezug allein durch die B e a n t w o r t u n g der F r a g e nach der Effektivität des Verbotes, m i t den gegenseitigen Bundesgenossen diplomatische Kontakte aufzunehmen,
geklärt w e r d e n kann. D a die italischen Bundesgenossen auf Grund der
S t r u k t u r u n d der Zielsetzung der Wehrgemeinschaft nur aus formalen E r w ä g u n g e n unter diese B e s t i m m u n g fallen k ö n n e n , bleiben Hieron und Messana die einzigen foederierten B u n d e s g e n o s s e n auf außeritalischem B o d e n , die R o m zu diesem Zeitpunkt besaß und die d a h e r gemeint sein müssen. D e m Senat stand ohne Zweifel die Ausgangskonstellation des Krieges v o r A u g e n , die H i e r o n im B u n d e mit K a r t h a g o gegen R o m sah und die durch das generelle V e r b o t diplomatischer Beziehungen nicht wiederholbar wurde. 32
N a c h P o l y b i o s ( 3 , 2 9 , 9 ) w a r es ein wesentliches Ziel des Vertrages, unter allen Umständen z u verhindern, daß ein V e r t r a g s k o n t r a h e n t die Bundesgenossen des Gegenspielers in sein eigenes B ü n d n i s s y s t e m aufnahm.
33
P o l y b . 1 , 8 8 , 8 f f . ED. MEYER, Die r ö m i s c h e Politik v o m ersten bis zum A u s b r u c h des z w e i t e n punischen Kriegs, K l . Schrift. I I 2 , 1924, S. 3 8 2 f f .
34
Eutrop. 3,1.
3,2,1. H .
BERVE, H i e r o n I I . , S. 7 0 ; 7 6 , der b e t o n t , daß ein derartiger
B e s u c h politische H i n t e r g r ü n d e gehabt haben muß.
28
Die Unterwerfung Siziliens
machte. Dieser Vorgang, der mit der Besetzung des geräumten Gebietes identisch ist, erfolgte aus Gründen der militärischen Zweckmäßigkeit höchstwahrscheinlich sofort nach dem Abzug der karthagischen Truppen, so daß am Ende des Krieges dem römischen Spruchrecht sämtliche sizilischen Gebiete unterstanden, die teils im Verlauf des Krieges erobert oder zur Dedition gezwungen, teils nach Vertragsabschluß okkupiert worden waren. Die Erstgenannten waren nicht Gegenstand der vertraglichen Rückzugsverpflichtung, da die Eroberung als Rechtstitel zum Gebietserwerb ebenso selbstverständlich wie das Recht auf freie Kriegsführung anerkannt wurde und eine vertragliche Bekräftigung nicht benötigte 35 . Vertraglich relevant war immer nur der augenblickliche Besitzstand, nicht der Status quo ante.
3. Herrschaft
ohne
Interessen
a) Das Problem Sizilien unterstand seit 241/0 v. Chr. mit Ausnahme der foederierten socii Hieron II. und Messana der römischen Verfügungsgewalt, ohne daß erkennbar wäre, in welcher Form die römische Führungsschicht diese auszuüben gedachte. Die elementare Voraussetzung dafür, daß dies überhaupt möglich war, liegt darin begründet, daß es nichts und niemanden gab, der die Republik durch äußeren Druck hätte zwingen können, das Erworbene zu organisieren, um es behaupten zu können. Rom befand sich in den Jahren nach dem Krieg außenpolitisch in der günstigen Lage des Außenseiters, der an der Peripherie der eigentlichen Weltpolitik, die die hellenistischen Monarchen unter sich ausmachten, von den Großen in seiner Bedeutung noch nicht erkannt wurde, sein Ubergewicht innerhalb seines eigenen Interessengebietes
35
So ist im zweiten Friedensvertrag mit Karthago 201 v. Chr. von einer Abtretung oder Räumung Spaniens nicht die Rede, da das römische Besitzrecht hier sowieso feststand, vgl. E. TÄUBLER, Imp. R o m . S. 72. Die griechische Rechtsauffassung ist hier mit der römischen identisch, vgl. etwa E. BIKERMAN, R I D A 4 (1950) S. 123ff., F. KIECHLE, Historia 7 (1958) S. 129 ff. Sie behielt bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges Gültigkeit und wurde erst danach allmählich durch die Anschauung abgelöst, daß vor einer vertraglichen Beendigung des Krieges die Eroberung keinen festen und endgültigen Erwerb feindlichen Gebietes bewirken könne. Die moderne Völkerrechtslehre nach dem Ersten Weltkrieg stellt das Eroberungsrecht überhaupt in Frage, was wiederum mit der Diskussion um das uneingeschränkte Recht der Kriegsführung einer- und um das Selbstbestimmungsrecht der Völker andererseits zusammenhängt. Vgl. H . WEHBERG, Krieg und Eroberung im Wandel des Völkerrechts, 1953, A. TOBLER, in: Wörterbuch des Völkerrechts (hg. StruppSchlochauer) I, 1960, Sp. 438ff. s. v. Eroberung.
Herrschaft ohne Interessen
29
ohne große Kraftanstrengung behaupten konnte 36 und endlich keinerlei Ehrgeiz entwickelte, im Konzert der Großmächte um jeden Preis mitspielen zu wollen. Die diplomatischen Kontakte mit den hellenistischen Staaten blieben minimal und ephemer und beschränkten sich dort, wo sie auf Initiative der anderen Seite zustande kamen (z. B. Ägypten), auf den gelegentlichen Austausch von Gesandtschaften, die das freundschaftliche Wohlverhalten untereinander dokumentierten, aber jede Verwicklung in politische Affären vermieden 3 7 . Im Grunde war die tatsächliche Bedeutung des Sieges über die Punier noch nicht soweit bewußt geworden, daß man mit dem daraus gewonnenen Kapital außenpolitisch zu wuchern verstanden hätte. Die Erleichterung und Genugtuung, einen so schweren Waffengang siegreich überstanden zu haben, überwog die aus einer eingehenden Analyse der machtpolitischen Verhältnisse im Mittelmeerraum zu ziehende Erkenntnis, daß Rom führend im westlichen Mittelmeer geworden war. Damit ist zwar das Phänomen der ausbleibenden Herrschaftsausübung als solches nicht, wohl aber seine historische Möglichkeit erklärt. Vor diesem Hintergrund ist weiter zu begreifen, daß zu dem bereits während des Krieges zum größten Teil eroberten Territorium noch jede konkrete Beziehung fehlte, es sei denn, man versteht das mit dem Ende der Kampfhandlungen notwendige Aufhören von Plünderungen und Brandschatzungen als erstes Anzeichen eines sich wandelnden Verhältnisses zwischen Sieger und Besiegten. Und nur aus diesem Grunde war es möglich, daß die Aufgabe der nach Sizilien entsandten Zehnmännerkommission ganz im Gegensatz zur späteren Tätigkeit dieses Kollegiums 38 primär im Aushandeln des nach der Ablehnung der Präliminarien notwendig neuen Friedensinstrumentes bestand 39 und nicht in der Neuordnung der durch den Krieg zerrütteten Verhältnisse. Wie 36
37
38
Z u vergleichen ist diese Entwicklungsphase R o m s etwa mit der Stellung Englands im 17. und 18. J h d t . , das nicht wie Spanien und Frankreich zur Aufrechterhaltung eines europäischen Übergewichtes gezwungen wurde oder - wie Holland und Portugal - auf eigenem Boden das Ubergewicht anderer stärkerer Völker abzuwehren hatte, sondern in Ruhe die Ausbreitung seiner kolonialen Niederlassungen fortführen und die in der europäischen Politik verstrickten Konkurrenten ausschalten konnte. N a c h wie vor grundlegend M . HOLLEAUX, Rome, la Grèce et les monarchies hellénistiques au troisième siècle av. J . - C . , 1921, S. l f f . , Rev. de Phil. 50 (1926) S. 46ff.; 149ff. Zu den gesicherten Spuren römisch-griechischer Kontakte im 3. Jhdt. s. F . W. WALBANK, J R S 53 (1963) S. 2 f . , A . DONATI, Epigraphica 27 (1965) S. 2 f f . E s genügt, auf die umfangreiche und langjährige Tätigkeit derartiger Kommissionen nach den Friedensschlüssen mit Philipp V. und Antiochos III. zu verweisen, um klar zu machen, daß es hier vornehmlich um die Behebung der Kriegsauswirkungen in politischer, wirtschaftlicher und verfassungsrechtlicher Hinsicht ging (vgl. B . NIESE, Geschichte der griechischen und makedonischen Staaten seit der Schlacht bei C h a i r o n e a l l , 1899, S. 648ff.; 3 9 P o l y b . 1,63,1 f. 757ff.).
30
D i e Unterwerfung Siziliens
weit hier wenigstens Ansätze einer auf Dauer berechneten Regelung versucht wurden, entzieht sich unserer Kenntnis ebenso wie später natürlich nicht auszuschließende Verwaltungsakte Roms. Gesucht werden kann daher nur nach Spuren einer möglichen Tätigkeit eines römischen Verwaltungsbeamten nach 241 v. C h r . , die weiteren Aufschluß über den Zeitpunkt und das Ausmaß der Herrschaftsorganisation geben. Hatte der Kriegsverlauf und der Frieden gezeigt, daß der Erste Punische Krieg kein Kolonialkrieg und nicht mit dem Ziel geführt worden war, die römischen Kassen mit Beutegeldern zu füllen, so verschafft allein die Kenntnis der weiteren Behandlung des eroberten Landes Klarheit darüber, ob diese im Kriege bedeutungslosen Vorstellungen nicht nach dem Siege doch noch Einzug hielten.
b) Der Q u ä s t o r in Lilybaeum Als erster Verwaltungstechniker im eroberten Sizilien wird im allgemeinen ein Q u ä s t o r angesprochen, der als ordentlicher Beamter im 1. Jhdt. v. C h r . in Lilybaeum nachweisbar ist 40 . Seit TH. MOMMSEN, der diesen Schluß nur zögernd aus den vorhandenen spärlichen Indizien zog, überwiegt das Unbehagen an dieser nur mit dem Elan des rigorosen Systematikers zu vertretenden Auffassung, jedoch unterdrückte die deprimierende Erkenntnis, nach der Streichung dieses Quästors kein einziges Zeichen römischer Fürsorge für die gewonnenen Gebiete finden zu können, jede einschneidende Kritik 4 1 . I m Grunde ist die Geschichte des nach M O M M S E N seit 2 4 0 v. Chr. in Lilybaeum residierenden Quästors die Geschichte einer scharfsinnigen Verknüpfung der Nachrichten über die Verdoppelung der Quästorenstellen im Jahre 267 v. Chr. und über die außerhalb der urbs im 1. Jhdt. und später nachweisbaren quästorischen Amtsbezirke. Die Aussagen der Quellen über die Ereignisse im dritten Jahrhundert sind wenig hilfreich. Nach Livius wurde in den Jahren zwischen 267 und 264 aus nicht näher angegebenen Gründen die Zahl der vorhandenen Quästoren von vier auf acht erhöht 4 2 . Dieselbe zeitliche Angabe findet sich bei Lydus (s. u.), der das Konsulat des 40
41
42
P s . - A s c o n . in div. 2 (Stangl): C u m enim a duobus quaestoribus Sicilia regi soleat, uno Lilybitano, altero Syracusano, ipse vero Lilybitanus quaestor fuerit. D i e Liste dieser Q u ä s t o r e n bei T . R . S. BROUGHTON, M R R II, S. 4 7 7 f f . Ausführlich F . DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 206ff., der auf die ältere Literatur verweist und für das Folgende zu vergleichen ist. L i v . per. 15: quaestorum numerus ampliatus est, ut essent . . . (Zahl fehlt in der Handschrift).
Herrschaf: ohne Interessen
31
M. Atilius Regulus und des L. Iulius Libo 267 nennt, während Tacitus die Verdoppelung mit der Besteuerung Italiens und der Gewinnung der Provinzen in Verbindung bringt 43 . Ist damit die Vermehrung der Quästorenstellen im dritten Jhdt. als hinreichend gesichert anzusehen, so blieb ihre Zweckbestimmung bereits dem Kombinationsvermögen der antiken Gewährsmänner überlassen 44 . Die Einstufung Italiens als steuerpflichtig (stipendiaria) in dem auch in den sonst genannten Details fehlerhaften Exkurs des Tacitus über die Quästur 4 5 ist für die Zeit der römischen Wehrgemeinschaft so unhaltbar46 wie die Verbindung dieser Tatsache mit der Gewinnung der Provinzen ungenau ist, wenn man einmal Italia stipendiaria auf Grund von Livius und Lydus als die vollständige Einbeziehung Italiens in die Wehrgemeinschaft nach dem Pyrrhoskrieg versteht. Immerhin wird soviel deutlich, daß Tacitus auch den Tätigkeitsbereich der neuen Quästoren in der Finanzverwaltung sieht und ihre Funktion seiner Auffassung nach nicht grundsätzlich von den Aufgaben der quaestores urbani und der Feldherrnquästoren verschieden gewesen sein kann, die die Leitung und Aufsicht über das gesamte aerarium p. R. bzw. über die Kriegskasse besaßen. Anders Lydus. Ihm zufolge wurden die neuen Quästoren mit dem Flottenbau zur Vorbereitung eines Krieges gegen die Bundesgenossen des Pyrrhos betraut und führten aus diesem Grunde den Titel quaestores classici 47 . Bereits die gegebene Datierung ist konstruiert und wohl nur aus dem Bemühen zu erklären, das Ereignis möglichst eng mit dem Pyrrhoskrieg zu verbinden. Wenn weiter als Aufgabe der Quästoren die Beschaffung einer Flotte angegeben wird, so ist dies weder in der Sache noch auf Grund der
43
44
A n n . 11,22,5: duplicatus numerus, stipendiaria iam Italia et accendentibus provinciarum vectigalibus. D a s gilt in noch höherem Maße für die erste Verdoppelung der Quästorenstellen im Jahre 4 2 1 , vgl. die L i t . bei G . WESENER, a a O . Sp. 811f.
45
46
4 7
D a z u E . HAHN, Die E x k u r s e in den Annalen des Tacitus, Diss. München 1933, S. 37ff., G . WESENER, a a O . Sp. 8 0 3 f . , E . KOESTERMANN, Kommentar zu Tacitus Annalen III, 1967, S. 71 ff. stipendiaria Italia bedeutet nichts anderes, als daß sich feste stipendia über Italien genauso wie später über die Provinzen erstreckt hätten (vgl. TH. MOMMSEN, RStR III, S. 729). N u n bedarf es keiner Erörterung, daß die latinischen und italischen socii Roms grundsätzlich keine ständigen Abgaben an R o m zahlten. Ihre Verpflichtung erschöpfte sich entsprechend dem mit R o m abgeschlossenen Bundesgenossenschaftsvertrag in militärischen Leistungen im Kriegsfall, die in Einzelfällen möglicherweise durch bestimmte Geldsummen abgelöst werden konnten. d e m a g . 1 , 2 7 . F . DE M A R T I N O , a a O . S . 2 0 7 , H . B . M A T T I N G L Y , S u e t o n i u s C l a u d . , 2 4 , 2 a n d
the ,,Italian Q u a e s t o r s " , in: Hommages M. RENARD II, 1969, S. 510f.
32
Die Unterwerfung Siziliens
gegebenen historischen Begründung haltbar 48 , da der Aufbau der römischen Flotte für das Jahr 261 feststeht und ein Krieg gegen die Bundesgenossen des Pyrrhos nach 272 nicht bekannt und historisch auch nicht vorstellbar ist. Selbst einmal abgesehen von diesen Fehlern und Ungereimtheiten bleibt ein unüberbrückbarer Widerspruch zwischen der geschilderten militärischen Aufgabe und der abschließend zugesprochenen Dauerfunktion. Das bei Lydus belegte Amt der quaestores classici ist daher zu streichen, da es weder historisch richtig begründet erscheint noch mit den zugeschriebenen Funktionen in Einklang zu bringen ist. Offenkundig hat Lydus bzw. seine Quelle nur die Tatsache der Erhöhung der Quästorenzahl vor Ausbruch des Ersten Punischen Krieges gekannt und willkürlich in den damit vorgegebenen historischen Zusammenhang eingeordnet 49 . Die somit verbleibenden sicheren Indizien weisen auf eine reine Verdoppelung der Quästorenzahl 267 v. Chr., ohne daß den neu hinzugekommenen Beamten irgendwelche neuen Spezialkompetenzen zugewiesen wurden. Die Erweiterung des römischen Gebietes in Italien und der Ausbau der Wehrgemeinschaft nach dem Pyirhoskrieg bedingten ein ständiges Anwachsen der Aufgaben der römischen Oberbeamten, die alle verwaltungsund finanztechnischen Fragen an ihre Hilfsbeamten delegieren mußten, wollten sie ihren wichtigsten Funktionen als Feldherrn der Republik gerecht werden. Da die Quästoren von den Konsuln praktisch zu jeder beliebigen Tätigkeit herangezogen werden konnten 50 , traf sie jede Ausweitung des konsularischen Amtsbereiches, so daß die Erhöhung gerade ihrer Zahl der Bewältigung der gewachsenen Aufgaben am ehesten dienlich sein konnte 51 . Seine eigentliche Bedeutung erhält das Problem erst durch Berichte aus dem ersten Jhdt. v. Chr. und der Zeit des frühen Prinzipats, wonach in Ostia, Süditalien und in der Gallia Cisalpina jeweils ein Quästor seinen Amtssitz gehabt haben muß. Wiederum im Anschluß an M O M M S E N hat man sich daran gewöhnt, diese Zeugnisse mit der Vermehrung der Quästorenstellen 267 v. Chr. zu verbinden, aus ihnen den Amts- und Kompetenzbereich der neuen Beamten zu erschließen und den vierten Quästor mit dem 48
49
50 51
N a c h Polyb. l , 2 0 , 9 f f . besaßen die Römer bei Ausbruch des Ersten Punischen Krieges nicht einmal ein Boot, um Truppen nach Messana überzusetzen; vgl. J . H . THIEL, aaO. S. 32 f. Die Quellenfrage ist für Lydus weitgehend ungeklärt, vgl. A. KLOTZ, R E 13 (1927) Sp. 2213ff. s. v. Lydos. D a z u im einzelnen G . WESENER, aaO. Sp. 811 ff. Bereits die Tatsache der Verdoppelung spricht gegen eine spezielle Kompetenz der neuen Beamten und für eine allgemeine Anpassung an einen gewachsenen Aufgabenbereich. Es wäre doch ein eigenartiger Zufall, wenn neue Quästoren mit neuen Zweckbestimmungen die Zahl der vorhandenen Quästoren gerade verdoppelt hätten.
Herrschaft ohne Interessen
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in Lilybaeum nachweisbaren zu identifizieren 52 . Ostia als Haienstadt erinnerte zudem an die von Lydus gebrauchte titulare Wendung „quaestores classici", wodurch derselbe Wirkungsbereich charakterisiert zu sein scheint, der bei einem Amtssitz in einer Hafenstadt notwendig vorgegeben ist. Nun kann eine Verbindung zeitlich so weit auseinanderliegender Zeugnisse und Fakten methodisch nur gerechtfertigt sein, wenn die historischen Verhältnisse beider Zeiträume wenigstens bis zu einem gewissen Grade in Einklang zu bringen sind. Und fragt man so, so zeigt sich sehr schnell, daß die Probleme der im ersten Jhdt. v. Chr. in den genannten Orten residierenden Quästoren grundsätzlich andere als die im dritten Jhdt. überhaupt denkbaren waren. Die Berichte über den Quästor in Ostia besagen ausdrücklich, daß ihm die Sorge für die annona und res frumentaria oblag 53 - eine sofort einsichtige Aufgabe in einer Zeit, in der die Getreideversorgung der Hauptstadt fortwährend besondere Maßnahmen erforderte. Das dritte Jhdt. kannte diese Sorge bekanntlich nicht. Die nur bei Suet. Claud. 24,2 bezeugte und nicht näher umschriebene gallische Quästur lokalisierte MOMMSEN (RStR. II, S. 572 mit Anm. 1 u. 2) in der Cisalpina, indem er die Nachricht von Plut. Sert. 4,1, wonach Sertorius in diesem Gebiet als Quästor Aushebungen vorgenommen hatte, auf die Tätigkeit eines „italischen Quästors" bezog. Doch war Sertorius zu diesem Zeitpunkt sicher Quästor eines in der Cisalpina gegen die aufständischen Bundesgenossen operierenden Imperiumträgers 54 und seine Aufgabe zudem ad hoc durch die militärische Ausnahmesituation vorgeschrieben und dementsprechend mit dieser beendet. Ebensoviel (oder besser: ebensowenig) sagt die Notiz des Tacitus aus, nach der im Jahre 24 n. Chr. ein Sklavenaufstand in der Nähe von Brundisium niedergeworfen werden konnte, als sich der Quästor Curtius Lupus an die Spitze der Besatzung dreier zufällig in der Nähe kreuzender Galeeren 52
53
54
TH. MOMMSEN, RStR III, S. 571 f., J. H. THIEL, aaO. S. 33f., A. J. TOYNBEE, Hannibals Legacy I, 1965, S. 387f., G. WESENER, aaO. Sp. 819, K. J. BELOCH, Der italische Bund, S. 216, R. MEIGGS, Roman Ostia, 1960, S. 24f., H. MATTINGLY, JRS 25 (1945) S. 65; 68. Dagegen wieder F. DE MARTINO, aaO. S. 207f. Cic. pro Sest. 17,39: quod a se quaestore Ostiensi per ignominiam ad . . . M. Scaurum rem frumentariam sciebat. pro. Mur. 18. Vell. 2,94,3. Zu den weiteren Belegen s. H. B. MATTINGLY, aaO. S. 506. H . B. MATTINGLY, aaO. S. 507, dessen Beweisgang darauf hinausläuft, die gallische Quästur überhaupt zu streichen und das Beweisstück Suet. Claud. 24,2 (detractaque Ostiensi et Gallica provincia) durch eine Emendation (detractaque Ostiensi et callium provincia) zu beseitigen, wodurch zwei gesicherte italische Quästuren übrigblieben, die 267 v. Chr. (S. 509) eingerichtet worden wären.
34
Die Unterwerfung Siziliens
stellte und die Aufständischen vernichtete, bevor sie in die Berge entkommen konnten. Der Amtssprengel dieses Quästors befand sich offenbar in diesem Gebiet und seine Aufgabe umfaßte die Oberaufsicht über die Saumpfade im Gebirge: erat iisdem regionibus Curtius Lupus quaestor, cui provincia vetere ex more Calles evenerat 55 . Kurz nach diesen Ereignissen muß den Quästoren dieser Aufgabenbereich entzogen worden sein, da bei der Abschaffung aller außerstädtischen Quästuren im Jahre 44 n. Chr. ein süditalischer Amtssitz nicht mehr genannt wird und nach Cassius D i o seit 44 kein Q u ä s t o r mehr außerhalb R o m s residierte. Claudius, auf den diese Neuordnung zurückgeht, hat außerdem die Q u ä s t o r e n , die noch in Ostia und der Gallia Cisalpina ihr Amt ausübten, nach R o m abberufen und der Q u ä s t u r die seit Augustus entzogene Verwaltung des Aerariums zurückgegeben 5 6 . F ü r eine Festlegung der Zweckbestimmung der aufgeführten Quästuren reicht somit allein das Material über Ostia aus. In Süditalien und in der Gallia Cisalpina dagegen läßt sich nur die Tatsache dort amtierender Quästoren mit möglicherweise wechselndem Amtssitz feststellen 57 , da die überlieferten militärischen Funktionen den Gegebenheiten des Augenblicks entsprachen und mit diesen wegfielen. In Analogie zu den Kompetenzen der Provinzialquästoren führten auch diese Beamte in Abwesenheit eines Imperiumträgers das K o m m a n d o ; im übrigen blieben sie reine Verwaltungsbeamte. Dieses 55
Tac. ann. 4,27,1. Die bereits von LIPSIUS vorgenommene Verbesserung von Calles zu Cales (in Kampanien) konnte auch von K. NIPPERDEY-P. ANDRESEN, P. Cornelius Tacitus Annalen I 1 1 , 1915 nicht erwiesen werden, so daß an der alten Lesart festzuhalten ist (ROLFE, A m . J o u r n . o f Phil. 36 ( 1 9 1 5 ) S . 3 2 3 f f . , E . KOESTERMANN, a a O . I I , 1965, S . 102F.). A u c h
56
57
diesmal hat sich die gesamte Forschung der Autorität MOMMSENS gebeugt, die Änderung von Lipsius als kanonisch hingenommen und einen Quästor in Cales (der ältesten römischen Kolonie in Kampanien) akzeptiert, der von dort aus seine Befugnisse über Süditalien ausgedehnt haben soll. Suet. Claud. aaO. Cass. Dio 60,24,1. Tac. ann. 13,28f. ILS 966f. A. H. M.JONES, Studies in Roman Government and Law, 1960, S. 106. Cass. Dio führt die Einrichtung dieser Quästuren auf Augustus zurück (55,44, z. J . 9 v. Chr.), jedoch zeigen die Nachrichten bei Cicero und Plutarch, daß sie bereits im ersten Jhdt. v. Chr. bestanden haben. Offensichtlich hat Augustus an diese provinciae quaestoriae wieder angeknüpft und sie neu festgelegt. Denn daß die Quästur auf Grund der vorangegangenen Bürgerkriege reformiert werden mußte, wird durch die Abschaffung der quaestores aerarii bereits im Jahre 28 v. Chr. hinlänglich klar. In der Gallia Cisalpina ist Ariminum am wahrscheinlichsten. Im Süden erwähnt Cic. ad Att. 2,9,1 einen Quästor in Formiae. Die von Tac. ann. 4,27,1 f. geschilderten Ereignisse weisen in die Gegend von Brundisium. Es ist nicht auszuschließen, daß Amtssitz und Aufgabenbereich je nach Lage der Dinge wechselten, da die quästorischen Kompetenzen Jahr für Jahr durch den Senat festgelegt wurden: Ulpian Dig. 1,13,1,2: ex quaestoribus quidam solebant provincias sortiri ex senatus consulto, quod factum est D. Druso et Porcina cos.; vgl. Cic. 2 Verr. 1,13,24, Philipp. 2,20,15. TH. MOMMSEN, RStR. II, S. 532 Anm. 3.
Herrschaft ohne Interessen
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Ergebnis schließt jede Rückprojizierung dieser Quästoren in das dritte Jhdt. v. Chr. und damit eine Koppelung der auf sie bezogenen Zeugnisse mit den Berichten über die Verdoppelung der Quästorenstellen 267 v. Chr. aus. Weder im ersten noch im dritten Jahrhundert lassen sich Quästoren mit dem bei Lydus angegebenen Aufgabenbereich einer Flottenausrüstung auch nur wahrscheinlich machen, und die spärlichen Notizen über die Quästur im ersten Jahrhundert skizzieren Verhältnisse und Probleme, die im dritten Jhdt. nicht relevant waren. Somit fällt auch die letzte von M O M M S E N gezogene Folgerung, den vierten der 267 neu hinzugekommenen Quästoren mit dem im ersten Jhdt. in Lilybaeum residierenden Provinzialquästor gleichzusetzen. Diese Identifizierung entsprang zunächst der Verlegenheit, nur die Spuren dreier Quästoren in Ostia, Süd- (bzw. nach M O M M S E N im campanischen Cales) und Norditalien gefunden zu haben, den vierten aber auf Grund des Lydus-Berichtes in einer Hafenstadt suchen zu müssen. Quellenmäßig deutet nur die in diesem Punkt fehlerhafte Nachricht des Tacitus, der die Verdoppelung der Quästoren mit der Einrichtung der Provinzen in Verbindung bringt, auf eine Provinzstadt, die diese Bedingung erfüllen muß. Nun spricht neben allem anderen bereits der Zeitfaktor gegen Lilybaeum. Die Einrichtung neuer Quästorenstellen 267 muß einem konkreten Bedarf entsprochen haben, der wahrscheinlich auf den allgemein gewachsenen Aufgabenbereich der römischen Oberbeamten zurückzuführen ist. Zu diesem Zeitpunkt war aber Sizilien nicht Gegenstand römischer Politik, so daß man im Jahre 241/0 ein verwaltungstechnisches Revirement fordern müßte, durch das ein Quästor für Lilybaeum freigestellt und seine bisherige Aufgabe auf seine Kollegen verteilt wurde. Wieso sollte man aber dann auf einen reinen Verwaltungsbeamten bei einer Aufgabe verfallen, die hauptsächlich und vorrangig die Führung eines militärischen Kommandos bedingte, denn in einem gerade eroberten Land kam man nicht ohne Truppenstationierungen aus. So übernahmen denn auch 227/5 Prätoren die sizilische und sardinische Provinz, da nach römischer Rechtsauffassung nur ein Imperiumträger dauernde militärische Aufgaben wahrnehmen konnte.
c) Die sizilischen Städte 241 bis 227/5 v. Chr. In den Jahren bis 227/5 v. Chr. weist nichts auf eine auf die sizilischen Verhältnisse zugeschnittene Fürsorge Roms. Die durch die Stationierung kleinerer Truppenverbände notwendig anzunehmenden Verwaltungsakte
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wurden offenbar von R o m aus ad hoc verfügt und die Unterworfenen im übrigen ihrem Schicksal überlassen. Was dies konkret für Auswirkungen hatte und wie die Betroffenen sich ihr Leben einrichteten, bleibt im Dunkel. Absteckbar ist nur der Rahmen, in dem dies geschah. So ergibt sich zunächst aus dem römischen Desinteresse die Regelung der inneren Angelegenheiten unter eigenen Magistraten und nach eigenen Gesetzen nach Gutdünken, d . h . diese innere Autonomie funktionierte nicht nur formal, sondern es blieb ihr auch inhaltlich jeder erdenkliche Spielraum. Dies ist ablesbar an dem Recht der Münzprägung, das nach 241 nachweisbar mindestens 22 Städte ausübten 58 , und dies wird ergänzt durch diplomatische Kontakte auch mit Städten außerhalb Siziliens, wobei diese Kontakte allerdings nicht mit eigenständiger Politik verwechselt werden dürfen. So faßten 242 Kamarina und die Geloer in Phintias Asyliebeschlüsse für das Asklepiosheiligtum in Kos, nachdem eine koi'sche Festgesandtschaft an sie und die unteritalischen foederati Neapel und Elea Einladungen zur Feier der penteterischen Asklepieia überbracht hatten 59 . Wirtschaftlich scheint sich die Insel von den Verwüstungen des Krieges 60 sehr schnell erholt zu haben. Jedenfalls muß der überseeische Handel mit R o m bis zum Beginn des Hannibalkrieges einen erheblichen Umfang angenommen haben, da die lex Claudia des Jahres 218 dem Senatorenstand den überseeischen Handel als Erwerbszweig verschloß, was das Vorhandensein von Handel in der vom Gesetz verbotenen Art und Weise voraussetzt 61 . 58 59
60 61
B . V. HEAD, H N 2 , 1911, S. 118ff., A. HOLM, Gesch. Siziliens I I I , S. 706ff. G . MANGANARO, Historia 13 (1964) S. 414ff. (mit weit. Beispielen). H . BENGTSON, Historia 3 (1954/55) S. 456 ff. erschließt aus diesen religiös-pietätvollen Beziehungen ein politisches Interesse Roms an einer Verbindung italischer und sizilischer Gemeinden mit Kos und ordnet dies in den größeren Zusammenhang der römisch-ägyptischen Beziehungen ein. Nun sprechen die erhaltenen Asylieurkunden von der alten Verbundenheit der Eingeladenen mit Kos, so daß sie unschwer in das Beziehungsfeld Mutterstadt und Kolonie eingeordnet werden können, womit auch der Grund deutlich wird, der Kos überhaupt zur Entsendung der Festgesandtschaft veranlaßt hat. Rom hatte davon sicher Kenntnis, doch lag dies unterhalb der Schwelle, von der aus man im Senat bereit war, sich damit zu beschäftigen. Den Besuch von Festspielen (verbunden mit Asylieerklärungen) griechischen Städten im eigenen Machtbereich zu verbieten, wäre sinnlos gewesen; sich davon politisches Kapital zu erhoffen, politisches Analphabetentum. Dazu A. J . TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 4 f . Liv. 21,63,3: nequis Senator cuive Senator pater fuisset maritimam navem quae plus quam trecentarum amphorarum esset haberet. Wie schnell sich überseeischer Handel bei der Aussicht auf ein lukratives Geschäft entwickeln konnte, zeigen die Nachrichten über den Umfang des italischen Handels mit Afrika 240: Polyb. l,83,7f. Ziel der lex Claudia war es sicher nicht, die wirtschaftliche Überlegenheit der Senatoren zugunsten und auf Druck eines bereits mächtig gewordenen Ritterstandes hin zu beschneiden
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Diesen auf private Initiative hin geknüpften wirtschaftlichen Beziehungen entspricht kein erkennbares Interesse des Staatsapparates an der Ausbeutung Siziliens, wie es überhaupt ein spezifisches Kennzeichen der römischen Herrschaftsstruktur werden sollte, daß die soziale und wirtschaftliche Durchdringung des beherrschten Raumes trotz ihrer entscheidenden Bedeutung für die Stabilität dieser Herrschaft ohne staatliche Lenkung vonstatten ging. Die Übernahme finanz- und steuertechnischer Einrichtungen der Karthager nach 241 bleibt unwahrscheinlich. Der feststellbare Effekt eines solchen mit Sicherheit nicht auszuschließenden Schrittes war dann jedenfalls derart, daß die Fortführung karthagischer Organisationsformen ohne nennenswerten Nutzen blieb und dementsprechend rückschließend als weitgehend wertlos zu bezeichnen ist. Rom war im Keltenkrieg und in den ersten Jahren des Hannibalischen Krieges des öfteren gezwungen, von seinem Bundesgenossen Hieron Getreidelieferungen anzufordern 62 , so daß dieser aus seinem begrenzten Territorium weit mehr herausgewirtschaftet haben muß als die Römer aus den übrigen gewiß nicht weniger reichen Teilen Siziliens. Zwar hatten Appian zufolge die sizilischen Gemeinden Rom Tribute zu entrichten und sich an den Hafenzöllen zu beteiligen 63 , jedoch sind diese Maßnahmen in die Zeit nach der Errichtung der Prätur zu datieren, mit der sie Appian denn auch in Verbindung bringt. Dem römischen Staat kam es also zunächst nicht auf vermehrte Einkünfte an, was wiederum notwendig die Vorstellung ausschloß, die neu gewonnenen Gebiete als Quelle des Reichtums zu begreifen und dementsprechend einzurichten. Damit bestätigt sich und setzt sich die während des Krieges offenkundige Tendenz der römischen Politik fort, den Krieg nicht als Kolonialkrieg geführt zu haben, da die Ausbeutung Siziliens als ökonomisches Nutzobjekt seine politische und wirtschafdiche Ordnung voraussetzt 64 .
62
(so etwa M. GELZER, Kl. Schrift. I, S. 32, A. J. TOYNBEE, aaO. S. 350f.), sondern erreicht werden sollte (und wurde) damit die Reglementierung des Lebensstils der herrschenden Aristokratie im traditionellen Sinne, die der Versuchung, ihre kommerziellen Interessen auch auf Kosten ihres Führungsanspruches zu betreiben, offenbar nicht widerstanden hatte; vgl. A. HEUSS, RG 3 , S. 81 f., J. BLEICKEN, Das Volkstribunat der klass. Rep. J , 1968, S. 31 f., CHR. MEIER, Res publica amissa, 1966, S. 66; 313. Diod. 25,14. Liv. 22,37,1 ff. 23,38,13. A. HEUSS, Der Erste Pun. Krieg, S. 510f. A . J . TOYNBEE, a a O . S. 2 1 6 .
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64
A p p . Sik. 2,6; zu den Zöllen S. J. DE LAET, Portorium, 1949, S. 65ff., F. VITTINGHOFF, RE 22 (1953) Sp. 351 f. s. v. Portorium. Die wirtschaftliche Organisation Siziliens hat Rom erst nach dem Hannibalischen Krieg durchgeführt, indem es nach der Einbeziehung des syrakusanischen Reiches in die Provinz die dort auf der lex Hieronica ruhende Finanz-, Steuer- und Wirtschaftsform
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V o n vorneherein zu verneinen ist weiterhin eine theoretisch denkbare Zwangslage (oder die Vorstellung davon), neuen Besiedlungsraum finden zu müssen, da von einer Uberbevölkerung Roms oder der italischen Bundesstädte keine Rede sein kann, Italien für eine großzügige Kolonisationspolitik Möglichkeiten in Fülle bot 6 5 , und Sizilien schließlich für damalige Verhältnisse ein dicht besiedeltes Land war. Das Streben nach einem räumlich-demographischen Vorteil - eines der typischen Argumente imperialistischer Expansion im 19. Jahrhundert, man denke etwa an die Algerienpolitik Frankreichs - fehlt hier völlig und hätte eine ganz andere Einstellung zu dem eroberten Raum bewirken müssen. Zusammengefaßt läßt das Feststellbare den Willen des Senates erkennen, mit der Erhaltung des nach dem Sieg eingetretenen Status quo auszukommen und eine Entscheidung über die in der römischen Verfügungsgewalt stehenden Städte nur insofern zu fällen, als man ihnen - entsprechend der bereits während des Krieges verfolgten Politik - den Zugang zur italischen Wehrgemeinschaft verschloß. Die Aufgabe des Friedensschlusses, Karthago von der Insel zu vertreiben und damit als potentiell gefährlichen Gegner für die Zukunft auszuschalten, wird nicht um ein neues, auf Sizilien selbst, seine wirtschaftlichen und politischen Möglich-
65
für ganz Sizilien übernahm: A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 508ff., L. PARETI, Storia di Roma II, 1952, S. 427f., F. DE MARTINO, Storia della costituzione romana II, S. 287ff. (Zur Frage der Herkunft der lex Hieronica jetzt zusammenfassend A . J. TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 223f., B. J. MÜLLER, Ptolemaeus II. Philadelphos als Gesetzgeber, Diss. Köln 1969, S. 19ff.). J. CARCOPINO, La loi de Hieran et les Romains, 1914, S. 70ff. datiert die definitive Übernahme ins Jahr 132 v. Chr.; dagegen spricht der große zeitliche Abstand zum Ende des Hieronischen Reiches. Der römische Senat war gerade nach der Eroberung von Syrakus unmittelbar mit der Frage konfrontiert, ob die dort etablierte Wirtschaftsform gut oder schlecht war, so daß seine Entscheidung nur in dieser Zeit sinnvoll gewesen sein kann. A . J. TOYNBEE, aaO. S. 222ff. plädiert für 227 v. Chr., da er davon ausgeht, daß mit der Entsendung des Prätors eine erste Ordnung der dortigen Verhältnisse vorgenommen wurde. Diese an sich naheliegende Annahme übersieht die im einzelnen noch auszuführende Motivation dieses Schrittes ebenso wie die erste und ursprüngliche Funktion eines Imperiumträgers, die in der Ausübung des militärischen Kommandos und nicht in der Durchführung verwaltungstechnischer Aufgaben besteht. Das eine bedingt das andere erst dann, wenn die militärische Präsenz zur Dauereinrichtung wird, ihre ursprüngliche Zweckbestimmung mangels lohnender Aufgaben verliert und die Verwaltung von keinem anderen Beamten übernommen wird. So wurden gegen Ende des Krieges in den Jahren 247/45 die Bürgerkolonien Alsium, Fregenae und Aesulum gegründet, 244 Brundisium und 241 Spoletium als latinische Kolonien eingerichtet (E. T. SALMÓN, The Coloniae Maritimae, Athenaeum N. S. 41 (1963) S. 3ff.; 16ff., A. J. TOYNBEE, aaO. I, S. 183f.) und 241 das römische Bürgergebiet um zwei neue Tribus (Velina und Quirina) erweitert, s. Ed. MEYER, Kl. Schrift. II, 1924, S. 378 f. Der Ausruf Senecas (dial. 12,7,7), ubicumque vicit Romanus, habitat, gilt für diese Zeit nur für Italien.
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keiten hin ausgerichtetes Ziel erweitert. Die Insel blieb, was sie während des Krieges war: ein Objekt von größter militärischer Bedeutung gegenüber Karthago, auf der sich angesichts der Schwäche der in Nordafrika um seine Existenz kämpfenden Stadt selbst die institutionelle Etablierung der militärischen Macht erübrigte 66 . War bereits die Eroberung Siziliens ein bloßes Akzidenz der Auseinandersetzung mit Karthago, so wurde die Ausbildung der neuen Herrschaftsstrukturen in dem gewonnenen Land von anderen Faktoren als von der Erkenntnis und dem Willen bestimmt, Sizilien römischen Interessen gleich welcher Art dienstbar zu machen. Vom Ergebnis des Krieges aus beurteilt haben die Römer die Insel erobert, ohne zu wissen, was sie taten. d) Die verworfene Alternative: Die Ausdehnung der Italischen Wehrgemeinschaft Das für die Zukunft der römischen Reichsbildung schlechthin Fundamentale an diesem Vorgang ist - bezogen auf Subjekt und Objekt der Herrschaftsausübung - zweierlei: (1) Die Einstellung der Senatsaristokratie zu dem so bitter erkämpften Gewinn des Krieges bleibt ausgerichtet auf die militärische Effektivität, die schon Entstehung und Struktur der Wehrgemeinschaft in Italien bestimmt hatte. (2) Die in Sizilien mit Kriegsende eingetretenen Bedingungen erscheinen für Rom gegenüber den in Italien geschaffenen Tatbeständen soweit anders, daß eine Ausdehnung der Wehrgemeinschaft auf die Insel nicht mehr erwogen wird, obwohl das zu Beginn des Krieges mit Messana geschlossene foedus den ersten Schritt dazu bedeutet hatte. Der damit zwar noch nicht getane aber jetzt letztlich unvermeidlich gewordene Schritt zur Ausbildung der Territorialherrschaft ist, was seinen historischen Entstehungsprozeß angeht, alles andere als selbstverständlich und bedarf der Erklärung. Dazu ist es nützlich zu wissen, daß die das dritte Jahrhundert bewegenden Tendenzen im gesamten Mittelmeerbereich die Uberlebenschancen des Stadtstaates als eigenständigen Souverän mehr und mehr einengten und die von ihm entwickelten (und ihm auch gemäßen) Formen der Expansion auf foederativer Basis zum Absterben verurteilten. In Griechenland, soweit es politisch noch eine aktive Rolle spielen konnte, war an die Stelle hegemonialer Bindungen an einen Stadtstaat der Bundesstaat (Koinon) als
66
Vgl. R . M . ERRINGTON, The Dawn of Empire, 1971, S. 27: „ f o r Rome, Sicily would have remained valuable even if the fighting had reduced it to an unpopulated desert".
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Organisationsform von Herrschaft getreten67, während im Osten die hellenistische Monarchie den Kristallisationspunkt dazu abgab. Diese im Sinne der Entwicklung von Herrschaftsformen fortschrittliche Grundtendenz wird um so deutlicher, wenn man sieht, daß Karthago noch während und ungeachtet des Ersten Punischen Krieges in Libyen seine Herrschaft in einem Maße auszubauen und zu konsolidieren beginnt, wie man das in der Handelsmetropole während der vorangegangenen Jahrhunderte nie für nötig gehalten hatte 68 . Die Herrschaft schließlich, die die Barkiden nach 237 im südlichen Spanien errichteten, war bereits ein ständig expandierender Territorialstaat unter einer karthagischen Dynastie, die zwar auf die Verbindung mit Karthago aus politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gründen ebensowenig wie die hellenistischen Monarchien auf die griechischen Städte verzichten konnte, deren Herrschaftsraum seiner Struktur nach aber etwas ganz anderes darstellt als der aristokratisch regierte Stadtstaat in Nordafrika. Ihre Entstehung verdankt sie denn auch einer spezifischen Ausnahmesituation, und ihre Verfestigung konnte nur gegen den Widerstand der karthagischen Führungsschicht vorangetrieben werden. Die so greifbare Entwicklungslinie, die in allen historischen Erscheinungen des 3. Jhdts. konstant bleibt, hat sich auch in der Expansion Roms durchgesetzt — eine Feststellung von allgemeiner Bedeutung, die die Abkehr Roms von der foederativen Form der Herrschaftsbegründung in Sizilien des Charakters des Außergewöhnlichen und des Singulären entkleidet und sich als Ausdruck eines allgemeinen politischen Verhaltens in einem von den Grundstrukturen her gleichen politischen Raum erweist. Der genuine Reflex auf die politischen Verhältnisse in Sizilien steht jedoch am Anfang einer spezifischen Ausformung von Territorialherrschaft, der nach Umfang und Dauer gemessen - nun doch das Attribut der historischen Einmaligkeit zukommt und die, trotz des völligen Schweigens der Uberlieferung, zu dem Versuch zwingen muß, die bei dem Zerbrechen der föderativen Herrschaftsform im einzelnen wirksamen Kräfte zu benennen. 67
68
Dazu jetzt A . GIOVANNINI, Untersuchungen über die Natur und die Anfänge der bundesstaatlichen Sympolitie in Griechenland, 1971, der die Koina unter Verweis auf die sie tragenden Stämme und Stammbünde („Ethne") nicht als „Nachfolger" der von den Stadtstaaten getragenen Symmachien gelten lassen will (S. 10f.). Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Trägers der einzelnen Herrschaftsform zweifellos richtig, doch in die historische Entwicklung eingeordnet beweist die Entstehung von primär nicht mehr von den Städten getragenen Organisationsprinzipien das Ende der Expansionskraft der Polis und der von ihr dabei entwickelten Form der Symmachie, die als solche keineswegs in juristisch eindeutiger Weise systematisiert werden kann. Vgl. O . MELTZER, Geschichte der Karthager II, 1896, S. 336f.
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Dabei muß von der Phase des Krieges ausgegangen werden, von der an die mit dem Bündnisabschluß mit Messana noch erkennbare Politik der Ausweitung der Wehrgemeinschaft nicht mehr praktiziert wurde. D . h. zu fragen ist zunächst nach der politischen Zielvorstellung, die Rom nach dem Frieden mit Hieron II. entwickelte, und dann nach den militärischen und politischen Konsequenzen, die sich aus der Ausweitung des Krieges in das Gebiet der karthagischen Epikratie ergaben. Der Entschluß des Senates, die ursprüngliche Beschränkung des Kriegszieles auf Messana aufzugeben und jetzt die Vertreibung der Karthager von der ganzen Insel zu versuchen, verlieh der Art und Weise des Vorgehens wie der den eroberten Städten gegenüber einzuschlagenden Politik eine ganz andere Dimension als bisher. Als Kriegsziel ohne eigenständigen Wert hätte allein eine für den Fortgang des Krieges relevante Bedeutung dieser Städte Rom ein Nachdenken über ihren Status abnötigen können, nachdem der Krieg selbst nicht den erhofften schnellen Erfolg gebracht hatte und in einem nicht endenwollenden Ringen erstarrt war, in dem meist die Verzweiflung die Hoffnung auf einen guten Ausgang überwog. Militärische Hilfe war in dieser Situation das einzige, was den Senat, das um eine Hoffnung auf schnelle Beute ärmere Volk und die in Sizilien kommandierenden Magistrate interessieren konnte, und sie blieb aus, und dies nicht von ungefähr. Gewiß gab es sizilische Städte, die Hilfe leisteten, doch bestand sie ausschließlich in der Bereitstellung von Getreide und der Lieferung von Kriegsmaterial 69 und mußte zudem meist unter Druck beigetrieben werden 70 . Weder Schiffe noch Truppen sizilischer Städte griffen auf römischer Seite in die Kämpfe ein 71 , und gerade dies war es, was im Kriegsfall den konkreten Wert der italischen Bundesgenossen ausmachte, die auch in diesem Krieg auf den römischen Flotten und neben den Legionen fochten. Das ausschließliche Ziel der in Italien praktizierten Wehr-
69
70 71
Polyb. 1,18,5; 40,1; 52,8; vgl. Diod. 23,8,1. Zonar: 8,15,12. Selbst Hieron II. beschränkte sich, was ihm die Römer 248 durch den Nachlaß der restlichen Kriegskontribution und mit territorialen Zugeständnissen dankten, auf die Lieferung von Lebensmitteln, Belagerungsmaschinen, Schiffen etc., vgl. Polyb. 1,18,11; 52,6. Zonar. 8,14,7. Diod. 23,9,5. Polyb. 1,40,1; 9. A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 505 f. Die Dinge mögen ähnlich gelegen haben wie bei dem Versuch Scipios, seine Invasionsarmee für Nordafrika durch eine Reitertruppe aus der kriegsfähigen sizilischen Jugend zu verstärken. Die Eingezogenen versagten so kläglich - zweifellos weil sie es so wollten - , daß Scipio sie entwaffnen und ihre Pferde seinen Offizieren übergeben ließ: Liv. 2 9 , l , l f f . , App. Lib. 8.
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gemeinschaft, die Herstellung militärischer Zusammenarbeit bei Anerkennung der römischen Vormachtstellung, ergab sich weder aus dem gesteckten Kriegsziel noch aus dem Verhalten und den Möglichkeiten derer, in deren Land der Krieg entschieden werden sollte. Der Grund dafür ist einfach zu finden: Für die sizilischen Griechen war die römische Hilfe für den mamertinischen Raubstaat durch nichts zu rechtfertigen 72 ; ihre Sympathien gehörten Hieron II., der der militärischen Lösung des Problems greifbar nahe war, und die meisten von ihnen übertrugen sie auf die Karthager, als die siegreichen Römer sie die ganze Härte ihres Kriegsrechtes und nichts anderes spüren ließen 73 . Das nahezu gleiche Bild zeigten die Kämpfe auf griechischem Boden während des Ersten Makedonischen Krieges, als die römischen Oberkommandierenden im Verein mit dem aitolischen Bundesgenossen, nur darauf bedacht, Philipp V. an einem Eingreifen auf dem italischen Kriegsschauplatz zu hindern, die ganze Brutalität der römischen Kriegsmaschinerie entfalteten. Die Empörung der griechischen Öffentlichkeit, die dem Widerstand gegen die römische Intervention panhellenische Züge verlieh 74 , kann vergleichsweise nach 262 in den griechischen Städten Siziliens kaum geringer gewesen sein und ließ keinerlei Neigung aufkommen, dem um einen für ihn relevanten strategischen Vorteil verbissen kämpfenden Rom mehr an Hilfsbereitschaft entgegenzubringen, als für die Sicherung der eigenen Existenz vor dem Wüten des Siegers tunlich schien 7S . Ein zweiter nicht minder gewichtiger Gesichtspunkt ergibt sich aus der Ausweitung des Krieges auf die karthagische Epikratie. Der römische Vorstoß nach dem Fall von Akragas in die Gebiete westlich des Halykos traf auf Gebiete, in denen sich die karthagische Herrschaft seit dem Krieg mit Dionysios I. 409/5 v. Chr. in der Weise konsolidiert hatte, daß aus der faktischen Abhängigkeit einiger phoinikischer Küstenstädte ein geschlossener Herrschaftsraum geworden war 7 6 . Die hier befindlichen Städte besaßen zwar noch ihre lokale Autonomie, da Karthago wie Rom die 72
Vgl. Diod. 2 3 , 1 , 3 .
73
T . FRANK, i n : C A H V I I , S . 6 7 7 f . , A . HEUSS, a a O .
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75
76
S. 5 0 6 f . , A . J . TOYNBEE, a a O .
II,
S. 4 f . , D . ROUSSEL, Les Siciliens entre les Romains et les Carthaginois à l'époque de la première guerre punique, 1970, S. 120ff. Deutlich ablesbar an den Reden des Akarnanen Lykiskos (211/0 v. Chr.; Polyb. 9 , 3 7 f . ) und des Rhodiers Thrasykrates (207 v. C h r . ; Polyb. l l , 4 , 6 f f . ) : J . DEININGER, Der politische Widerstand gegen Rom in Griechenland 217-86 v. Chr., 1971, S. 29ff. Als nach 2 4 9 der karthagische Widerstand auf dem Eryx Erfolg zu haben schien, stellten die sizilischen Städte offenbar jede Hilfe ein, da das römische Belagerungsheer vor Lilybaeum sich um den Nachschub selber kümmern mußte, Polyb. 1,55,3. K . F . STROHEKER, Dionysios I . , 1958, S. 49ff.
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kommunale Selbstverwaltung der Beherrschten durch einen zentralen Verwaltungs- und Herrschaftsapparat nicht ersetzen konnte 77 , an ihrer Ausrichtung auf die außen- und wirtschaftspolitischen Bedürfnisse Karthagos besteht jedoch kein Zweifel. Diesem Faktum trägt bereits der 348 v. Chr. abgeschlossene zweite römisch-punische Vertrag Rechnung, indem er Westsizilien im Gegensatz zu Libyen und Sardinien Karthago, was den Handel mit ihm angeht, gleichstellt 78 . Im einzelnen sind nach dem Vorgang des 405 v. Chr. zwischen Dionysios I. und Karthago geschlossenen Friedens, der die Grundlage aller späteren Abmachungen bildete, zwei unterschiedlich geprägte Herrschaftszonen zu unterscheiden 79 . Die um die Gebiete der Elymer und Sikaner erweiterten alten phoinikischen Kolonien bildeten den inneren Ring der Epikratie, der unter ständiger militärischer Kontrolle stand 80 , an den sich als äußerer Ring die griechischen Städte anschlössen, die zum außenpolitischen Wohlverhalten und zu Tributleistungen verpflichtet waren 8 1 . In den Kriegen, in denen es um die Existenz der karthagischen Epikratie ging, hob man auch in diesen Städten Truppen aus 82 , d. h. die Verpflichtung zur Waffenhilfe war selbstverständlicher Bestandteil der hergestellten Abhängigkeit. Die Dedition derartiger Gemeinden konnte von Rom, ihrer abhängigen Rechtslage entsprechend, nicht als Handlung einer souveränen Gemeinde, sondern als Kapitulation eines Teiles der karthagischen Epikratie verstanden werden. Dies hatte zur Folge, daß Rom nicht die Verfügungsgewalt über ein vorher völkerrechtlich autonomes Gemeinwesen übernahm, sondern Rechtsnachfolger Karthagos wurde bzw. sich selbst in dieser Rolle sah. Damit war zwar objektiv keine bestimmte Verhaltens77
78 79 80
81
82
Das gilt auch für den administrativen Ausbau der karthagischen Herrschaft in Afrika, vgl. G . CH. PICARD, L'administration territoriale de Carthage, in: MÈI. A. Piganiol III, 1966, S. 1257ff. Polyb. 3,24,12. R . WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 323; 326. Diod. 13,114,1; StV. II, S. 152f. Diod. 16,9,4. A. HEUSS, in: Rom und Karthago (hg. J . Vogt), 1943, S. 105. Davon blieb die innerstaatliche Struktur der betroffenen Städte nicht unberührt. So finden sich in der Stadt Eryx Sufeten als die höchsten Beamten der Stadt, und die Göttin des Berges wird mit Astarte gleichgesetzt und als solche verehrt: D . KIENAST, Hermes 93 (1965) S. 480. Diod. 13,59,3; 114,1. 14,65,2; A. HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 510f.; zu optimistisch W . ENSSLIN, in: Rom und Karthago (hg. J . Vogt), 1943, S. 264ff., der an einen Zehnten ähnlich der hieronischen decuma denkt. Diod. 19,106,5: Aushebungen bei den Symmachoi in Sizilien. In den Quellen findet sich denn auch regelmäßig der Terminus Symmachoi zur Bezeichnung der Städte innerhalb der Epikratie: Diod. 13,62,6. 14,48,5. 20,29,6. 23,9,5. Zonar. 8,16,1.
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weise von vornherein präjudiziert, da Rom als Sieger in jedem Fall nach Belieben schalten und walten konnte, doch änderte sich die subjektive Einstellung zu den geschaffenen Tatbeständen. Wesentlich sinnvoller als ad hoc getroffene Einzelentscheidungen über das Schicksal gerade eroberter oder dedierter Städte mußte jetzt das Abwarten auf die Erreichung des gesteckten Kriegszieles erscheinen, um dann eine generelle für die ehemalige karthagische Epikratie passende Regelung zu treffen. Nichts davon kann zu dem Schluß führen, daß Rom die Kohäsionsfähigkeit der Wehrgemeinschaft als erschöpft ansah. Die Aufnahme keltischer Stämme nach 222 v. Chr. bestätigt dies. Auch die verbreitete Annahme 8 3 , daß Rom im Bewußtsein einer italischen Zusammengehörigkeit die Ausweitung der Wehrgemeinschaft auf außeritalische Staaten ablehnte, ist nicht schlüssig. Allein die spezifische Situation des auf Sizilien gegen Karthago geführten Krieges konnte dazu führen, die Entscheidung bis Kriegsende zu vertagen und danach an der durch den zwanzigjährigen Krieg geschaffenen Situation festzuhalten. Verfangen im Koordinatennetz der zwischen Karthago und Rom ausgetragenen Auseinandersetzung besaßen aus römischer Sicht die sizilischen Städte keinen eigenständigen Wert, der sie als Partner wie Messana qualifiziert hätte, das bezeichnenderweise foederatus wurde, bevor überhaupt der Krieg mit Karthago ernstlich begonnen hatte. Die Größenordnung des Problems und die Plötzlichkeit, mit der die Entscheidung nach Kriegsende gefordert wurde, taten ein übriges, um die Senatsaristokratie zu der Uberzeugung zu bringen, die Perpetuierung des Status quo für eine Lösung zu halten.
4. Die Institutionalisierung der Herrschaft a) Die
Einrichtung
der
Provinzialprätur als Ergebnis Sicherheitspolitik
militärischer
Die Ausbildung und Einrichtung der direkten Herrschaft orientierte sich an dem Rechtszustand, der sich aus dem durch die Eroberung bzw. 83
V g l . etwa F . KLINGMÜLLER, Philologus 69 (1910) S. 77, E . MEYER, Römischer Staat und Staatsgedanke 2 , 1964, S. 87. Es kommt als zweites Argument hinzu, daß sich die süditalischen Griechenstädte in nichts von denen auf Sizilien unterschieden, ohne daß R o m darin ein Hindernis für ihre Aufnahme in die Wehrgemeinschaft gesehen hätte. Anders war der historische Kontext, in dem sich ihre Beziehungen zu R o m entwickelt hatten.
Die Institutionalisierung der Herrschaft
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Dedition und die auf die vertraglich fixierte Räumung folgende militärische Okkupation ergeben hatte. Die historische Entwicklung der Jahre nach 241 v. Chr. bestimmte die materielle Fixierung dieses Rechtszustandes, der als solcher seiner konkreten Ausgestaltung nichts vorweggenommen hatte. Der Rechtseffekt der Eroberung und der Dedition ist die totale Vernichtung der bestehenden Rechtsordnungen, ohne daß dadurch ein dauernder für den Frieden relevanter Status begründet worden wäre. Die auf Grund des Kriegsrechts auf den Sieger übertragene uneingeschränkte Verfügungsgewalt eröffnet diesem jede denkbare Möglichkeit, mit dem Besiegten nach Gutdünken zu verfahren. Die Rechtsfolge des Sieges schafft keinen neuen Rechtszustand, sondern bildet seine Voraussetzung 84 . Jede dem Sieg folgende Neuordnung ist dementsprechend ein unabhängiger in nichts determinierter Akt des Siegers, der seine Interessen beliebig mit den Möglichkeiten der Besiegten in Einklang bringen kann. Nicht anders liegen die Dinge bei der auf die Dereliktion Karthagos folgende Okkupation der ehemaligen karthagischen Gebiete. Ihre militärische Besetzung ist zwar der erste notwendige Schritt zur Inbesitznahme des herrenlosen Landes, sie bewirkt jedoch nur die rechtliche Gleichstellung der betroffenen Gebiete mit den eroberten und dedierten Städten und nicht eine positive Regelung im Sinne einer dauernden Ordnung. In beiden Fällen fehlen als die wesentlichen Merkmale des definitiven Gebietserwerbs der erkennbare Wille zur Erwerbung der Gebietshoheit und die effektive Herrschaftsausübung, wobei sich Art und Maß der Effektivität nach den historischen Gegebenheiten auszurichten haben 85 . Dabei versteht sich von selbst, daß für ein hochzivilisiertes Land wie Sizilien die militärische Besetzung kein Mittel der Herrschaftsorganisation ist. Das Ausbleiben der effektiven Herrschaftsübernahme kennzeichnet die römische Aporie, über die Entscheidung, den sizilischen Städten den Zugang zur italischen Wehrgemeinschaft zu verwehren, hinauszukommen. Die bisherigen in Italien praktizierten Herrschaftsformen boten keine Ansatzpunkte für die Entwicklung eines Modells, nach dem man rechtsgestaltende Anordnungen in Sizilien hätte treffen können, um damit die Herrschaft zu organisieren oder wenigstens seinen Willen dazu kenntlich zu machen. Die Möglichkeit, Besiegte in ständiger Untertänigkeit zu halten, 84 85
Grundlegende Erörterung bei A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 223f.; 289ff. Vgl. G . WESENBERG, R E 23 (1957) Sp. 1009 s. v. provincia in Anlehnung an P. GUGGENHEIM, Lehrbuch des Völkerrechts, 1948, S. 405; vgl. weiter F. BERBER, Lehrbuch des Völkerrechts I, 1960, S. 335ff.
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war zwar als solche erkannt, aber als zu praktizierende Rechtsform nicht durchdacht worden. Dies mußte dazu führen, daß nicht der gestaltende Wille Roms, sondern die historische Entwicklung, in erster Linie die dauernde Konfrontation mit der Existenz eines im rechtlosen Raum verharrenden Territoriums, die Strukturen der Herrschaftsordnung bestimmte. Die mit dem Frieden des Jahres 241 eingetretene Normalisierung des Lebens in den sizilischen Städten ist die sicherste Feststellung, die sich zunächst treffen läßt, da die Ausübung der Kriegsrechtes gegenüber einer wehrlosen und friedlichen Bevölkerung unsinnig ist. „Kriegsrecht verliert, sobald es zum Dauerzustand wird, notwendigerweise den Ausnahmecharakter und wird infolgedessen nicht mehr so verstanden 86 ." Die erste Konsequenz des Fehlens einer neuen Ordnung mußte somit die Beibehaltung der alten kommunalen Selbstverwaltung mit dem dazugehörigen Beamtenapparat sowie die Fortführung der ursprünglichen Handels- und Wirtschaftsform sein. Diese einmal von Rom hingenommene Entwicklung war in Friedenszeiten de facto nicht spektakulär zu ändern, sondern konnte nur in die zukünftige Herrschaftsorganisation eingebaut werden, ja deren Ausbildung war damit in bestimmten Punkten bereits festgelegt. Die Erkenntnis, die Dinge in der gehabten Art und Weise nicht unbegrenzt treiben lassen zu können, wurde der Nobilität denn auch nicht durch eine Veränderung der in Sizilien etablierten Verhältnisse aufgezwungen. Die zusätzlichen Schwierigkeiten, die sich nach der Erwerbung Sardiniens durch den Additionalvertrag des Jahres 238/37 auf Sardinien und Korsika ergaben, gaben dafür den entscheidenden Anlaß 87 . Beide Inseln waren durch den Seekrieg gegen Karthago ins römische Blickfeld gerückt, nachdem man seit 259 ohne durchschlagenden Erfolg versucht hatte, die dortigen karthagischen Flottenbasen auszuschalten, von denen aus immer wieder die italische Küste verheert worden war 88 . 86 87
88
A . HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 114. Polyb. 3,27,8. Auch in dieser Zusatzbestimmung zum Vertrag des Lutatius wird nur die Räumung der Insel durch Karthago festgelegt, so daß hier ebenfalls erst die militärische Besetzung durch römische Truppen die Verfügungsgewalt Roms begründete. Zu den Vorgängen im einzelnen, die zum Abschluß der Additionsklausel führten, s. F . W . WALBANK, ClPh. 44 (1949) S. 15ff„ Comm. on Polyb. I, 1957, S. 130ff.; 148f. Es muß offen bleiben, ob auch Korsika in diesem Vertragspassus genannt wurde, da Polybios (vgl. 1,88,8-12) nur von Sardinien spricht, andererseits die karthagischen Besitzungen auf der Insel dasselbe Schicksal wie die auf Sardinien erlitten hatten. Zu den Kämpfen vgl. O . LEUZE, Klio 10 (1910) S. 406ff. u. J . H. THIEL, A History of Roman Sea-Power before the Second Punic War, 1954, S. 193 ff.
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Bereits Regulus hatte 256 die Räumung Sardiniens in seinen Vertragsvorschlägen gefordert 89 , und bei der Ablehnung des Lutatiusvertrages durch die Komitien hat man sicherlich nicht zuletzt an Sardinien gedacht, wie überhaupt die Küsten des westlichen Mittelmeeres unter dem Eindruck der Seegeltung Karthagos für die militärische Planung und den Wirkungsbereich der römischen Außenpolitik eine völlig neue Bedeutung gewonnen hatten 90 . Der Senat hatte gelernt, daß die Sicherheit der italischen Küsten von der See her jederzeit bedroht werden konnte, solange man die im Westen vorgelagerten Inseln mit ihren Flottenbasen nicht selbst kontrollierte. Kontrolle war bei den auf Sardinien und Korsika gegebenen Verhältnissen und bei der römischen Abneigung, eine eigene Flotte ständig zu unterhalten, nur durch Annexion zu erreichen. So zwang man Karthago zur vertraglichen Räumung, als es nach erfolgreicher Niederwerfung der Söldneraufstände in Afrika daran ging, die letzten Zufluchtsnester der Aufständischen in Sardinien auszuräuchern und dort die alte Machtposition - womöglich in gesteigertem Umfang - wieder aufzubauen. Im Grunde holte Rom 237 nach, was bereits 241 logisch gewesen wäre 9 1 , aber zu diesem Zeitpunkt nicht notwendiger Bestandteil der Sicherheitspolitik war, da die Anstrengungen der letzten Kriegsjahre Karthago für eine Stabilisierung seiner Position auf den immer unruhigen Inseln keine Zeit mehr gelassen hatten. Bei der Frage nach den Motiven der römischen Politik sind also zwei Punkte von entscheidender Wichtigkeit: Die Erkenntnis des strategischen Wertes der beiden Inseln, die 241 in der Euphorie des Sieges nicht in politische Konsequenzen umgesetzt worden war, und die gesteigerte Aktivität Karthagos nach seinem Sieg im Söldnerkrieg. Dessen Konsequenz konnten karthagische Kriegsschiffe im tyrrhenischen Meer und der drohende Ausbau der karthagischen Macht vor den Toren Latiums und Kampaniens sein, wobei die Vermutung naheliegen mußte, daß Karthago hier den Verlust Siziliens langfristig zu kompensieren gedachte 92 . 89 90
91 92
Dio frg. 43,22 Boiss. Polyb. 1,20,5; 7f. K. E. PETZOLD, Historia 20 (1971) S. 198. Zu weitgehend J. VOGT, in: Orbis, 1960, S. 181 ff. Die Politik der scharfen Beobachtung aller Vorgänge auf den Italien gegenüberliegenden Küsten wurde gradlinig fortgesetzt durch die Entsendung einer Gesandtschaft an Hamilkar 231 (Dio frg. 46 Boiss.), der Intervention in Illyrien 229/8 (Polyb. 2,8ff.), der amicitia mit Sagunt (Vf., Struktur, S. 157 Anm. 87), ohne daß aus alledem die Absicht erkennbar wäre, etwas anderes als die Sicherung Italiens erreichen zu wollen. Polyb. 1,88,8-12. Stellt man dies fest, so hat man damit keine politische Erpressung eingesegnet, sondern die Motive des Erpressers aufgezeigt. Die Feststellung von Recht und Unrecht genügt als
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Nach dem Rückzug Karthagos setzte die einheimische Bevölkerung den römischen Invasionstruppen einen zähen, in der Form von Guerillakriegen geführten Widerstand entgegen 93 , der nur durch die ständige militärische Präsenz, die über den Rahmen von symbolischen Besatzungskontingenten hinausging, zu brechen war. So ist die Einrichtung Sardiniens als provincia eines Prätors im Jahre 227/5 die Konsequenz der Erfahrung, ohne die Etablierung der Militärgewalt und ihrer langfristigen Organisation nicht auskommen zu können. Diese Maßnahme wurde analog auch für Sizilien verfügt 94 , ohne daß hier die innere Situation einen solchen Schritt gefordert hätte 95 , aber auch ohne daß hier ein Konflikt mit bereits bestehenden Verwaltungseinrichtungen heraufbeschworen worden wäre. Die Möglichkeit, die für Sardinien und Korsika getroffene Regelung zwangslos auf Sizilien übertragen zu können, weist geradezu auf das bisherige Fehlen derartiger Einrichtungen. Nun erklärt zwar die Situation auf Sardinien und Korsika ausreichend die Einrichtung einer militärischen Verwaltung, die die Befriedigung aufständischer Gebiete am effektivsten vorantreiben kann. Jedoch reicht das als Begründung weder für deren Übertragung auf das friedliche Sizilien noch für den gewählten Zeitpunkt aus. Auch in Sardinien war man bis dahin mit von Fall zu Fall entsandten Heeren unter einem amtierenden Konsul oder Prätor ausgekommen, und der mit der Verdoppelung der Prätorenstellen vorgenommene Eingriff in die römische Magistratur setzt die Erkenntnis der führenden Nobilität voraus, mit den vorhandenen Im-
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Aufgabenstellung für den Historiker nicht; traurig genug, daß man nach E. BADIAN, Riv. di Fil. 1972, S. 92 solche Binsenweisheit zu Papier bringen muß. Vgl. dazu Ed. MEYER, Kl. Schrift. II, 1924, S. 380ff., P. MELONI, Sei anni di lotte di Sardi e Corsi contro i Romani (236-231 av. Chr.), Studi Sardi 9 (1950) S. 121 ff., A . LIPPOLD, Consules, 1963, S. 122ff. Liv. per. 20: praetorum numerus ampliatus est, ut essent quattuor, vgl. 33,42,8. Zonar. 8,19,9. Solin. 5,1, p. 5 2 M . Auf die Priorität Sardiniens bei der Einrichtung weist Dig. 1,2,2,32: Capta deinde Sardinia, mox Sicilia, item Hispania, deinde Narbonensi provincia totidem praetores, quot provinciae in dicionem venerant, creati sunt. Vgl. G. ROTONDI, Leges publicae populi Romani, 1912, S. 248, T. R. S. BROUGHTON, M R R I, S. 229, A . HEUSS, Der Erste Punische Krieg, S. 512f. Appian zufolge (Sik. 2,6) wurde die Prätur bereits nach Kriegsende in Verbindung mit der Auflage von Tributen eingerichtet. Diese Nachricht ist als ein Teil des annalistischen Verfälschungsprozesses zu werten, durch den auch die Räumung Sardiniens als eine Stipulation des Friedensvertrages in die Jahre 241/0 hinaufdatiert wurde, vgl. E. TÄUBLER, Vorgeschichte, S. 24ff.; 93ff. Das gilt auch dann, wenn man die bereits in dieser Zeit zu datierende Banditentätigkeit, die vor dem Ausbruch des Ersten Sklavenkrieges gefährliche Ausmaße angenommen hatte (Diod. 34,2,1), so in Rechnung stellt, wie dies G. MANGANARO, Uber die zwei Sklavenaufstände in Sizilien, Helikon 7 (1967) S. 209f. tut.
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periumträgern die Probleme nicht mehr lösen zu können. Diese Entscheidung ist tiefgreifender, als daß sie durch militärische Schwierigkeiten in einem doch keineswegs zentralen Bereich der römischen Herrschaftsinteressen allein provoziert worden sein kann. Es gab dafür einfachere Lösungen als die Veränderung des Oberamtes. Trotzdem ist an dem Kern der Sache nicht vorbeizukommen, daß die Entsendung eines Imperiumträgers zunächst und ursprünglich an die Funktion der Führung größerer Truppenverbände und nicht an die Übernahme oder Einrichtung einer Verwaltung gebunden ist 96 . Dieser Aufgabenbereich des Prätors kann aber erst dann als gegeben angenommen werden, wenn die außenpolitische Konstellation zur Zeit der Verdoppelung der vorhandenen Prätorenstellen die Sicherung der gesamten erworbenen außeritalischen Gebiete durch die Stationierung starker Truppenverbände erforderte bzw. Rom von dieser Notwendigkeit überzeugt war.
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A . ROSENBERG, R E 18 (1916) Sp. 1202f. s. v. Imperium. Gegen die durch TH. MOMMSEN, RStR. II, S. 74ff.; I, S. 116ff. begründete Lehre des alle militärischen, jurisdiktionellen und polizeilichen Kompetenzen umfassenden imperiums gewinnt neuerdings die Vorstellung von dem ursprünglich auf die reine Militärgewalt festgelegten imperium, das erst nach und nach mit dem wachsenden Zugriff des Staates auf die zivil- und strafrechtlichen Domänen der gentes jurisdiktionelle Funktionen erhält, mehr und mehr an Geltung: A . HEUSS, Z. Sav. Stift. R . A. 64 (1944) S. 57ff., J . BLEICHEN, R E 23 (1959) Sp. 2444 ff. s . v . provocatio, Kl. Pauly II, 1967, Sp. 1381 f. Die Einrichtung der Prätur nach den Sextisch-Licinischen Gesetzen ist weiter entgegen der Motivierung der Quellen (Dig. 1,2,2,27. Liv. 6,42,11) nicht aus dem Bedürfnis abzuleiten, eine neue Ordnung der Rechtssprechung vorzunehmen, sondern der Vorgang zielt als eine Etappe des Ständekampfes zunächst ausschließlich auf eine Umgruppierung des höchsten Amtes im Staate, ohne daß sich dabei an der ersten Verpflichtung auch des Prätors, ein militärisches Kommando zu führen, irgend etwas geändert hätte. Erst die gewohnheitsmäßig geübte Praxis, den mit dem imperium minus ausgestatteten Magistrat mit der Gerichtsbarkeit zu belasten, führte dann zur Aufteilung bestimmter Ressortfunktionen innerhalb des Oberamtes (vgl. F. WIEACKER, Vom römischen Recht, 1944, S. 97). Schließlich ist auch die Errichtung der sogenannten Fremdenprätur 242 v. Chr. (Liv. per. 19) wohl schwerlich in der Absicht geschehen, Klagefälle zwischen Römern und Peregrinen bzw. Peregrinen untereinander aburteilen zu können. 242 befand sich R o m in der letzten entscheidenden Phase des Ersten Punischen Krieges, in der man mit der Aufstellung der Flotte des Lutatius noch einmal alle Kräfte angespannt hatte und in der man gewiß nicht an die Sorgen der Peregrinen gedacht haben wird. Es erscheint viel plausibler, daß der neu gewählte Prätor im Rahmen dieser militärischen Kraftanstrengung auch militärische Funktionen (etwa die Aufstellung einer neuen Armee) erhielt und ihm der von den Quellen von Anfang an zugeschriebene Aufgabenbereich erst im Laufe der Entwicklung in den Jahren nach dem Krieg organisch zuwuchs. Zu dieser Interpretation s. bereits B. G . NIEBUHR, Römische Geschichte III, S. 731 (zustimmend G . WESENBERG, R E 22 (1954) Sp. 1952), ohne allerdings weitreichenden Anklang zu finden; vgl. zum derzeitigen Forschungsstand D . DAUBE, J R S 41 (1951) S. 66ff., F. SERRAO, La „iurisdictio" del pretore peregrino, 1954, S. 7ff.
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Nach dem karthagischen Rückzug aus Sardinien wird die römische Politik von zwei Faktoren bestimmt, die ihre volle Bedeutung in den Jahren vor dem Ausbruch des Keltenkrieges erhalten: Erstens blieb die Sorge um die Sicherung der Karthago entrissenen Gebiete, die bereits den Friedensvertrag geprägt hatte, und zweitens drängte die nach 237 wieder beginnende Konfrontation mit den Kelten zur diesmal endgültigen Entscheidung. Trug der Vorstoß der Boier und ihrer transalpinen Verbündeten 237 auf Ariminum nach Ablauf der 45jährigen Waffenruhe (Polyb. 2 , 2 1 , 5 ) noch episodenhafte Züge 9 7 , so manövrierte der römische Einbruch in Ligurien seit 236 9 8 , die Aufteilung des ager Gallicus 2 3 2 9 9 und die Bündnisse Roms mit den Cenomanen und Venetern in den Jahren dan a c h 1 0 0 die Kelten in eine Situation, in der sie entweder zum Entscheidungskampf rüsten oder tatenlos zusehen mußten, wie ihr Territorium Stück für Stück von den Römern annektiert wurde 1 0 1 . Angesichts dieser Entwicklung ist es müßig zu fragen, ob Rom die Konfrontation bewußt herbeigeführt hat oder nicht. Von einem bestimmten Punkt an entfalteten die einmal geschaffenen Tatbestände eine eigene Dynamik, der beide Kontrahenten auf Grund fehlender Verständigungsmöglichkeiten ohnehin weitgehend ausgeliefert waren. Die Kelten jedenfalls begannen zu Beginn der dreißiger Jahre mit einer intensiven 97
98
Quellen, Chronologie und Darstellung bei R . WERNER, Der Beginn der römischen Republik, 1963, S. 98 f. Ursprünglich wohl als organische Fortsetzung der Erwerbung Sardiniens gedacht, A . LIPPOLD, C o n s u l e s , 1 9 6 3 , S. 130 A n m . 217.
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R . WERNER, a a O . S. 99.
Polyb. 2 , 2 3 , 2 f . Kurz vor Ausbruch des Krieges wurde ihnen die Aufstellung von 2 0 0 0 0 Mann befohlen, die Order bekamen, bei Ausbruch der Feindseligkeiten in die Cisalpina einzufallen (Polyb. 2,24,7f.). Für die Kelten mußten also diese Bündnisabschlüsse den Versuch der Einkreisung bedeuten. Nach Polyb. 2,21,7ff. hat bereits die Besiedlung des ager Gallicus in den benachbarten Boiern und Insubrern die Uberzeugung gefestigt, jetzt zu einem Waffengang auf Leben und Tod herausgefordert zu sein. Nun ist seit langem klar, daß in diesem polybianischen Zitat die bei Fabius Pictor vorliegende Propaganda der senatorischen Gegner des Flaminius gegen dessen Agrarpolitik steckt (M. GELZER, Kl. Schrift. III, 1964, S. 72f., F. CASSOLA, I gruppi politici romani nel III secolo a . C . , 1962, S. 209ff.) und daher nicht ohne weiteres als richtig angesehen werden kann. Die Viritanassignationen im ehemaligen Senonengebiet für sich genommen ergeben denn auch keine augenfällige Bedrohung, die durch die Anlage befestigter Kolonien wesentlich wirkungsvoller hätte gestaltet werden können (J. BLEICKEN, Das Volkstribunat der klassischen Republik, 1955, S. 29ff., R . M. ERRINGTON, T h e Dawn of Empire, 1971, S. 43). Den realen Hintergrund der Nobilitätspropaganda (den sie gehabt haben muß, wenn sie wirksam sein sollte) können daher nur die Ereignisse in Oberitalien insgesamt gebildet haben, wobei es wiederum ein spezifisches Charakteristikum der Propaganda ist, die tatsächlichen Gründe wegzulassen oder zu vereinfachen.
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Vorbereitung auf den bevorstehenden Waffengang 102 , was wiederum R o m , das seine Keltenfurcht nie ganz hatte überwinden können, dazu brachte, Heerschau über die eigenen Kräfte zu halten 103 und den Bestand des Herrschaftsgebietes gegen jede mögliche Koalition militärisch und diplomatisch abzusichern. Nach der Vereisung der Beziehungen zu Karthago durch die Besetzung Sardiniens und nach den ersten Nachrichten über die Erfolge Hamilkars in Spanien lag für den Senat nichts näher, als an einen Versuch des ganz offensichtlich wieder zu Kräften gekommenen Karthago zu denken, wenigstens Teile der verlorenen Positionen bei Entladung des sich in Norditalien zusammenziehenden Gewitters wiederzugewinnen 104 . Mit dem Anwachsen der Kriegsgefahr im Norden beginnt daher die römische Diplomatie ihren erfolgreichen Versuch, durch das foedus mit Massilia 228/6 die karthagischen Operationen in Spanien genauestens zu überwachen 1 0 5 und schließlich durch den Abschluß des Ebrovertrages mit Hasdrubal eine direkte Verbindung zwischen Karthagern und Kelten unmöglich zu machen 1 0 6 . Trotz dieser Vorsorge war natürlich die Reaktion Karthagos nicht abzusehen, wenn Rom im Verlauf des Krieges in ernste Schwierigkeiten geraten sollte, so daß der militärische Schutz der 241/37 okkupierten Gebiete ebenso dringlich wie die diplomatische Absicherung erschien. Zwischen 227 und 225 wurden daher zwei Legionen nach Tarent und Sizilien 1 0 7 und kurz vor Ausbruch der Feindseligkeiten zwei weitere Legionen unter dem Befehl des Konsuls C. Atilius Regulus nach Sardinien 102 103 104
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Polyb. 2,22,1 ff. Polyb. 2,24,1 ff. Dieser Schluß reicht keineswegs aus, um etwa mit G . GIANNELLI, Roma nell'età delle guerre puniche, 1938, S. 132 oder L. PARETI, Storia di Roma II, 1952, S. 248f. an eine propagandistische und militärische Hilfe Karthagos bei den keltischen Vorbéreitungen zu denken. Polybios, dessen Darstellung hier eingehend genug ist, weiß davon nichts, und die Tatsache, daß sich Hasdrubal zum Abschluß des Ebrovertrages entschloß, macht seine Passivität in diesem Punkt vollends klar; vgl. F. CASSOLA, aaO. S. 218f. H . G . WACKERNAGEL, R E 14 (1930) Sp. 213ff. s. v. Massilia. Für Massilia, dessen Einfluß südlich der Pyrenäen bis Tarraco reichte, war spätestens mit der Gründung Neukarthagos die Gefahr eines karthagischen Vorstoßes entlang der Küste nach Norden sichtbar und damit die alte, fast schon verjährte Frontstellung gegen Karthago wieder aktuell geworden. Polyb. 2 , 1 3 , 7 . R . M. ERRINGTON, Rome and Spain before the Second Punic War, Latomus 29 (1970) S. 25ff.; 34ff. Die Wahl des Ebro als Grenze entsprang offensichtlich der richtigen Überlegung, daß erst von den Küstenplätzen nördlich dieses Flusses eine karthagische Landung in Etrurien möglich sein konnte. Polyb. 2,24,13.
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verlegt 1 0 8 . Diese Maßnahme ist nur aus der akuten Sorge um das Verhalten Karthagos zu erklären, da der Abzug von 4 Legionen aus der eigentlichen Kampfzone sonst unsinnig gewesen wäre 1 0 9 . In diesen Rahmen einer erkennbar zielbewußten Politik der Vorbereitung auf den Keltenkrieg und der damit verbundenen militärischen und diplomatischen Sicherung Siziliens und Sardiniens für den Fall einer von Karthago angebotenen Revanchepartie paßt nun auch die Einrichtung prätorischer Amtssprengel auf beiden Inseln in den Jahren zwischen 228 und 2 2 5 1 1 0 . Die dort sich unter Umständen ergebenden Aufgaben und die zu ihrer Erfüllung stationierten Einheiten bedurften eines Imperiumträgers, der unabhängig von aus Rom nur unter zeitlichen und räumlichen Schwierigkeiten zu gebenden Befehlen Entscheidungen auch von weitreichender Bedeutung fällen konnte. Die räumliche Ausdehnung des römischen Machtbereiches schrieb also in der Stunde der außenpolitischen Gefahr die bis dahin vermiedene Ausweitung des römischen Oberamtes vor, wobei die Reflektion über die momentane Sicherung des Erworbenen darüber hinaus zu der Erkenntnis geführt haben muß, wenn nicht den Status der Besiegten, so doch die Grenzen des Herrschaftsanspruches nach außen in einer dauernden Regelung festlegen zu müssen. Damit war in Sizilien und Sardinien die Herrschaft Roms institutionalisiert, aber noch nicht organisiert 1 1 1 . 108 109
Polyb. 2 , 3 6 , 6 . D e r Zusammenhang dieser Truppenverschiebungen mit einem befürchteten karthagischen Revancheakt ist richtig gesehen von L. PARETI, Studi minori III, 1965, S. 119, G. DE SANCTIS, S t o r i a dei R o m a n i
110
I I I l 2 , 1 9 6 7 , S. 2 9 8 , J . H . THIEL, a a O . S. 3 5 0 A n m .
S . 5 9 f . , A . L I P P O L D , C o n s u l e s , 1 9 6 3 , S . 1 3 3 A n m . 2 2 9 f . , G . DE SANCTIS, a a O . S . 111
27,
F . W . WALBANK, Comm. on Polyb. I, S. 196 (mit der abweichenden Lit.). Wie groß die römische Furcht vor einem punischen Angriff über See gerade auf die beiden Außenposten war, zeigen die Maßnahmen, die nach der Niederlage an der Trebia 218 getroffen wurden. Wiederum wurden in aller Eile starke Truppenverbände auf beiden Inseln und in Tarent konzentriert und 60 Penteren ausgerüstet (Polyb. 3,75,4), obwohl für den flüchtigen Beobachter die Hauptgefahr in Oberitalien zu drohen schien. Als in den Jahren 216/15 der karthagische Angriff auf beide Inseln tatsächlich erfolgte, war Rom mit zwei Legionen auf Sizilien (Liv. 23,25,10) und einer auf Sardinien (Liv. 23,24,12) wohl gerüstet. Eine genauere Datierung ist nicht möglich, da Liv. per. 20 die Verdoppelung der Prätorenstellen von zwei auf vier zwischen dem Ende des Illyrischen und dem Beginn des Gallischen Krieges erwähnt und sämtliche anderen Berichte keine weiteren Anhaltspunkte bieten. Vgl. J . M . NAP, Die römische Republik um das Jahr 225 v. Chr., 1935, 194
Anm. 114. D e r erste Prätor in Sizilien war Gaius Flaminius (Solin. 5,1, p. 52 M.), so daß die Vermutung naheliegt, die getroffene Regelung wurde gegen den Willen der Nobilität von den Volkstribunen durchgesetzt, vgl. L. LANGE, Römische Altertümer I I 3 , 1879,
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Bewirkte die militärische Zwangslage die ständige Anwesenheit eines Prätors, so diese im Lauf der Zeit ein ständig wachsendes Maß verwaltungs- und zivilrechtlicher Kompetenzen, eine Entwicklung, die um so näherlag, als die Gerichtsbarkeit in Rom seit langem von den Prätoren ausgeübt wurde. So wie die Stellung eines Kommandanten in einer eroberten Stadt ihn beinahe zwangsläufig dazu führt, entweder selbst obrigkeitliche Funktionen und die Pflege des Rechts auszuüben oder durch Beauftragte ausüben zu lassen, so führte die Institutionalisierung des militärischen Oberbefehls in Sizilien zum methodischen Ausbau der Herrschaft. D i e Phase der Eroberung und der auf sie folgenden Unsicherheit, was mit den Besiegten zu geschehen habe, findet jetzt ihren vorläufigen Abschluß. b) D i e Herstellung völkerrechtlicher Beziehungen als Norm der Sicherheitspolitik Aus dem bisher Gesagten wird klar, daß die Ausbildung der Provinzialherrschaft weder zwangsläufig aus der Rechtsfolge von Eroberung, Dedition und vertraglicher Räumung resultierte noch anhand eines bereits durchdachten Herrschaftsmodells erfolgte, sondern von der Entwicklung der inneren Situation in Sizilien und Sardinien und der außenpolitischen Konfrontation mit den Kelten bestimmt wurde. Dies wiederum setzt voraus (und bestätigt den gezogenen Schluß), daß die römische Politik auch zwischen den beiden Punischen Kriegen durchaus andere Alternativen bei der Behandlung besiegter und eroberter Staaten kannte bzw. bei der bewährten Praxis der in Italien ausgebildeten Wehrgemeinschaft blieb. Als im Jahre 229 v. Chr. die römische Intervention in Illyrien mit der freiwilligen Dedition der griechischen Küstenstädte Korkyra, Apollonia, Epidamnos und Issa sowie der illyrischen Stämme der Parthiner und Atintanen begann 1 1 2 und mit der Eroberung des größten Teiles des illyrischen Reiches der Teuta noch im selben Jahre erfolgreich zu Ende geführt w u r d e 1 1 3 , stand Rom vor denselben Problemen wie in Sizilien und
S. 1 5 3 f . , K . JACOBS, Gaius Flaminius, 1 9 3 7 , S. 5 2 f . , J . BLEICHEN, a a O . S. 3 0 . Z u den sizilischen Statthaltern allgemein s. J . KLEIN, Die Verwaltungsbeamten von Sizilien und Sardinien, 1 8 7 8 . 112
Polyb. 2 , 1 1 , 1 - 1 2 .
113
P o l y b . 2 , 1 1 , 1 6 - 1 7 ; 1 2 , 1 - 3 . Z u Ablauf und Auswirkung der illyrischen Expedition s. V f . , Struktur, S. 5 3 f f . , K . E . PETZOLD, R o m und Illyrien, H i s t o r i a 20 ( 1 9 7 1 ) S. 1 9 9 f f .
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Sardinien. Selbst die Intention des Eingreifens war wohl nur zum geringen Teil die von Polybios in den Vordergrund gerückte staatlich geförderte Piraterie der Illyrer gegen italische Kaufleute, sondern, wie bei der Okkupation Sardiniens, der Wunsch, die italische Ostküste vor einem unliebsamen Nachbarn, der die Seeräuberei als Mittel der Reichsbildung praktizierte, zu schützen. Trotzdem und trotz des totalen Sieges gelangte die römische Politik hier zu ganz anderen für die spätere Ostpolitik richtungsweisenden Maximen bei der Behandlung der Besiegten. D e r Friedensvertrag mit Teuta setzte zwar analog zum Frieden mit Karthago die Räumung Illyriens mit Ausnahme einiger weniger Plätze fest, doch war an eine Übernahme der direkten Herrschaft von vorneherein nicht gedacht. Ein Teil des eroberten und geräumten Territoriums wurde als selbständiger Staat unter Demetrios von Pharos, der rechtzeitig die Fronten gewechselt hatte, restituiert, während die griechischen Seestädte und die südillyrischen Stämme, die sich bei Ausbruch des Krieges freiwillig dediert hatten, ihre volle Souveränität zurückerhielten. Sie blieben mit Rom allein durch das Verhältnis der amicitia verbunden und hatten konkret wohlwollende Neutralität im Kriegsfall zu wahren und freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. D a m i t wär allein durch die Zerschlagung jeder größeren Machtbildung in Illyrien das gesteckte Kriegsziel, eine als mögliche Bedrohung der italischen Küste interpretierte Entwicklung beenden zu müssen, erreicht worden. D i e Wiederherstellung der völkerrechtlichen Souveränität der Besiegten ist ein wesentliches Kriterium der römischen Italienpolitik. Die in Illyrien daran geknüpften Modalitäten unterscheiden sich davon in dem entscheidenden Punkte, daß auf die vertragliche Begründung einer Wehrgemeinschaft mit R o m verzichtet wird. Diese Modifikation entspringt zunächst der unterschiedlichen Bedeutung, die den außeritalischen Staaten im Gegensatz zu den italischen Gemeinden für Rom zukam. Hier sind die rechtlichen Beziehungen untereinander ihrem Ursprung wie ihrer Ausprägung nach von dem Gedanken der Wehrgemeinschaft beherrscht, die bei der weiterbestehenden Autonomie einer italischen Gemeinde als populus sui generis nur durch den Abschluß eines ewigen Bundesgenossenschaftsvertrages zu erreichen war. Dagegen war die militärische Zusammenarbeit mit einem außeritalischen Staat keineswegs lebenswichtig, da dieser das Fundament der römischen Macht wohl erweitern konnte, niemals aber zu diesem selbst wurde. Das völkerrechtliche Verhältnis der formlosen amicitia wurde dementsprechend erst mit den
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ersten diplomatischen Kontakten außerhalb Italiens entwickelt und zuerst mit Massilia im 4. J h d t . , dann verstärkt im 3. Jhdt. mit Rhodos, Ägypten und Karthago hergestellt. Von diesen Amicitiaverhältnissen unterschieden sich die Beziehungen zu den illyrischen Städten und Stämmen weder inhaltlich noch formal, wohl aber durch die historischen Voraussetzungen ihres Zustandekommens, da jetzt zum erstenmal ehemals dedierte und eroberte Gemeinwesen in diese loseste Form völkerrechtlicher Bindungen aufgenommen wurden. Die römische Politik hat also bei der Behandlung dedierter und eroberter Staaten durchaus neue, den konkreten Gegebenheiten angepaßte F o r m e n entwickelt und keineswegs von einem vorgegebenen Modell der Untertänigkeit ausgehend aus dem Faktum der Eroberung irgendwelche Herrschaftsansprüche abgeleitet oder gar die Okkupation Siziliens als Präzedenzfall verstanden. In Sizilien und Sardinien war de iure und de facto jede nicht auf der Untertänigkeit beruhende Rechtsordnung möglich, solange R o m sich in diesem speziellen Fall nicht durch innere oder äußere Konstellationen zur Übernahme und Ausübung der direkten Herrschaft gedrängt sah. Während an der dalmatinischen Küste die auf dem Völkerrecht gegründete Ordnung von keiner außerhalb dieses Bereiches liegenden Macht bedroht wurde 1 1 4 , wies der durch den Sieg von 241 nicht aus der Welt geschaffte und sich seit der Sardinien-Affäre wieder zuspitzende Gegensatz zu Karthago den Weg zur direkten Herrschaft in Sizilien und Sardinien, da eine andere Lösung die hier unverzichtbare militärische Sicherung nicht zu garantieren schien. A u f dem zweiten Schauplatz römischer Expansion in den 20er Jahren des 3. Jhdts., der Gallia Cisalpina, führte die römische Abneigung, ohne N o t die in Sizilien praktizierte aber in ihren Konsequenzen noch nicht durchdachte Politik weiter zu betreiben, zur letzten Ausweitung der Wehrgemeinschaft. Bereits vor dem Ausbruch des Keltenkrieges war mit dem Abschluß von Bundesgenossenschaftsverträgen mit den Cenomanen und Venetern 1 1 5 die römische Absicht erkennbar geworden, die Wehrgemeinschaft auch auf die Gallier auszudehnen, ohne daß damit allerdings, 114
115
Makedonien war durch die illyrische Expedition noch nicht in das römische Blickfeld geraten und auch Antigonos Doson fühlte sich von der nach Kriegsende getroffenen Regelung in keiner Weise tangiert: H . J . DELL, Antigonos III. and Rome, ClPh. 62 (1967) S. 94 ff. Die Griechen waren verständlicherweise froh, die illyrischen Piratennester brennen und ihren Adriahandel wieder sicher zu sehen und sparten daher nicht mit Beifall, als eine römische Gesandtschaft zu den Aitolern, Achäern und Athenern reiste und sich ihrerseits glücklich zeigte, die griechische Zufriedenheit auskosten zu können. Polyb. 2 , 2 3 , 2 ; 2 4 , 7 f . ; 32,4. Liv. 21,55,4. Strab. 5,216.
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wie das Beispiel Messana demonstriert, die eingeleitete Entwicklung zwangsläufig in diese Richtung weiterlaufen mußte. In der Tat ist auf den ersten Blick schwer einzusehen, warum den seit langem als gefährlich erkannten Barbaren nach dem totalen Sieg das zugestanden werden sollte, was man den Griechen auf Sizilien, durch Kultur, Religion und Geschichte weit mehr mit Rom verbunden, trotz des im foedus mit Messana erkennbaren Ansatzes schließlich doch verweigert hatte. Trotzdem hat sich R o m nach dem Krieg, der mit der Eroberung und der Dedition sämtlicher gallischer Stämme überaus glücklich endete 1 1 6 , zur Fortführung der italischen Politik im Norden entschlossen. Das aus der Überlieferung nur unvollkommen rekonstruierbare Bild der Neuordnung der Gebiete dies- und jenseits des Po in den Jahren zwischen 222 und 218 läßt klar erkennen, daß beide die Wehrgemeinschaft und ihren Zusammenhalt garantierende Einrichtungen, das auf ewig abgeschlossene foedus und die Anlage latinischer Kolonien, auch hier die Eckpfeiler der neuen völkerrechtlichen Ordnung bildeten. So wurde die Souveränität der Anaren (oder Anamaren), Insubrer und Boier nach ihrer Dedition wiederhergestellt und mit allen drei Stämmen ein foedus aequum oder iniquum abgeschlossen 1 1 7 , während für die Kontrolle und Sicherung der Bundes116
117
Polyb. 2 , 3 5 , 2 f f . A. J . TOYNBEE, Hannibals Legacy II, 1965, S. 260ff. Das ursprüngliche Kriegsziel, die Abwehr der Keltengefahr, wurde erst nach der Schlacht von Telamon aufgegeben. Danach, so berichtet Polyb. 2,31,8, war man in Rom entschlossen, das Land um den Po gänzlich zu befrieden und lehnte jedes keltische Friedensangebot ab; Polyb. 2,34,1 f. Polyb. 2,31,1 f. (Dedition und Vertragsabschluß der Anaren; Lokalisierung bei F. W. WALBANK, C o m m . on Polyb. I, 1957, S. 207). 2,31,9: deditio der Boier; der kurz danach zu datierende Vertrag ergibt sich aus dem polybianischen Bericht des Abfalls der Kelten von Rom nach den ersten Nachrichten von Hannibals Alpenübergang (3,40,6f.). Demnach hatten die Boier schon lange darauf gewartet, mit den Römern zu brechen und sogar die Preisgabe ihrer gestellten Geiseln riskiert. Der von Polybios zur Kennzeichnung des bestehenden Rechtsverhältnisses gewählte Terminus amicitia ist bei der Willkür, mit der den völkerrechtlichen Status betreffende Begriffe gehandhabt werden, mit vertraglicher societas zu übersetzen, zumal nur dann von einem eigentlichen Abfall (vgl. Liv. 21,25,2) die Rede sein kann. Geiseln können beim Vertragsabschluß wie bei der deditio gestellt werden, ihre in beiden Fällen grundverschiedene Zweckbestimmung weist jedoch die hier genannten Geiseln als bei einem Vertragsabschluß gestellt aus. Bei der Ubergabe schützten sie den Sieger vor einer Schein-Dedition und galten nach dem ordnungsgemäßen Vollzug als- Kriegsgefangene, im Friedensvertrag dagegen garantierten sie die pünktliche Zahlung der den Besiegten auferlegten Kriegskontributionen und könnten nur in diesem Fall über einen längeren Zeitraum hinweg festgehalten werden. - Die Insubrer schließlich dedierten sich gegen Kriegsende (Polyb. 2,35,1) und fielen zusammen mit den Boiern zu Hannibal ab (3,40,8). Nach Cic. pro Balb. 14,32 waren sie foederati R o m s : quaedam foedera exstant, ut Cenomarum, Insubrium, Helvetiorum, Japudum . . . quorum in foederibus exceptum est, ne quis a nobis civis recipiatur.
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genossen die 219 eingerichteten Kolonien latinischen Rechts, Cremona und Placentia, sorgen sollten 118 (bekanntlich ohne Erfolg, da sie in die allgemeine Abfallbewegung beim Erscheinen Hannibals in Oberitalien mit hineingerissen wurden). Das Ende des Krieges gegen Hannibal sah diese Prinzipien unverändert wirksam. Auf den Abfall der süd- und norditalischen Bundesgenossen und auf die im ligurischen Raum noch vorhandene Bedrohung durch keltische Stämme reagierte Rom in der gewohnten Weise durch die Anlage von Kolonien latinischen Rechtes 119 . Der nach wie vor die Nobilität leitende Gedanke, daß die Aufnahme in die Wehrgemeinschaft die Unterworfenen der römischen Politik am besten dienstbar machen konnte, wird in diesem Fall besonders eindringlich bewiesen, da die gallischen Stämme weder mit Rom noch mit den anderen Völkern Italiens irgend etwas gemein hatten (von der kurzfristigen Interessengemeinschaft im Dritten Samnitenkrieg abgesehen: Polyb. 2,19,5ff.). So verstand man in Rom unter dem Begriff Italien auch nur das Land von der Südspitze der Halbinsel bis Pisa und Ancona, umfassend die Städte und Stämme der Wehrgemeinschaft, die bis 264 das Bündnis mit Rom geschlossen und zusammen den Ersten Punischen Krieg siegreich bestanden hatten. Das durch die gemeinsam geführten Kriege herangewachsene Gefühl der Zusammengehörigkeit, am augenfälligsten in der gemeinsamen Tracht, der Toga, zum Ausdruck gebracht, übertrug sich in der Folgezeit nicht auf die Gebiete nördlich der skizzierten Grenze 120 . Selbst der Bundesgenossenkrieg hat daran nichts geändert. Die lex Julia stattete im Jahre 90 nur die latinischen Kolonien mit dem vollen Bürgerrecht aus (App.b.c. 1,49), während die lex Pompeia ein Jahr später den übrigen Gemeinden nur das latinische Recht gewährte (Cic. ad Att. 5,2,3), so daß Sulla schließlich das Gebiet nördlich des Rubicon als Amtssprengel eines Promagistrats einrichten konnte 121 . Die in dem Begriff der Gallia Cisalpina ausgebildete Vorstellung, daß Italien den keltisch besiedelten Raum nicht umfaßte, wurde in der politischen und rechtlichen Realität erst dann P o l y b . 3 , 4 0 , 5 . Vell. 1 , 1 4 , 7 . Tac. hist. 3,34: propugnaculum adversus Gallos. Liv. per. 2 0 . A . J . TOYNBEE, aaO. II, S. 2 6 5 f . , E. T . SALMON, Roman Colonisation under the Republic, 1 9 6 9 , S. 65 ff. 1 1 9 Thurii Copia und Vibo Valentia dämpften seit 193/2 die unruhigen Bruttier und Bononia und Aquileia ( 1 8 9 u. 181) schirmten zusammen mit den in den 90er Jahren verstärkten Kolonien Narnia, Cosa, Placentia und Cremona Oberitalien gegen die Kelten ab: E . T. SALMON, aaO. S. lOOff., U . EWINS, The Early Colonisation of Cisalpine Gaul, PBSR 20 (1952) S. 5 4 f f . , BRUNT, It. Manpower, S. 1 9 0 f f . 120 VGL P KLINGNER, Italien. Name, Begriff und Idee im Altertum in: Römische Geisteswelt 4 , 1 9 6 1 , S. 1 5 f f . 118
121
J . MARQUARDT, R S t V I2, S.
218f.
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Die Unterwerfung Siziliens
gegenstandslos, als Caesars Bürgerrechtspolitik die Transpadaner in den Verband der Vollbürger eingliederte 122 . Die römische Politik in diesem Raum in den Jahrzehnten von 230-180 muß daher von der Einsicht bestimmt worden sein, daß zwar nicht von der Lebensform und der Denkweise der dort lebenden Völker her, wohl aber geographisch die Alpen die natürlichen Grenzen Italiens bilden 123 . Anders als in Illyrien, das zu weit entfernt war, um die römische Machtbasis verstärken zu können, gab die geographische Gegebenheit den Völkern in der Poebene eine derartige Bedeutung, daß nur ihre direkte Beherrschung oder ihre bundesgenössische Bindung als echte Alternativen in Frage kamen. Daß Rom sich für die letzte Lösung entschied, weist die Provinzialisierung Sardiniens und Siziliens wiederum als durch die besondere Situation bedingte Regelung aus. Diese besaß außerdem noch kein organisatorisches Profil und konnte daher auch nicht als praktikables Werkzeug römischer Politik verstanden werden. Nach dem Zweiten Punischen Krieg mußte allerdings die Beschränkung des Bündnissystems auf Italien bei gleichzeitiger organisatorischer Durchdringung der großen territorial beherrschten Inseln und schließlich Spaniens dem öffentlichen Bewußtsein von Römern und Italikern klarmachen, wie tiefgreifend der Unterschied zwischen Italien und den Provinzen tatsächlich war. Italien erschien nunmehr geographisch und politisch eingebettet in eine Welt, die Römer und Italiker gemeinsam erobert hatten, die beherrscht wurde vom Willen des Senates und der römischen Magistrate und die sich sehr schnell der privaten Initiative römischer und italischer Kaufleute und Händler öffnete. Umgekehrt wurde Rom von den Provinzialen sehr bald mit Italien identifiziert, dessen Bevölkerung ihnen mit weitgehend identischen Interessen gegenübertrat, wobei es in der täglichen Praxis relativ gleichgültig war, ob man es mit einem italischen oder römischen Bürger zu tun bekam, da beide als Sieger auftraten und den besonderen Schutz des Statthalters genossen. Der rechtliche Unterschied zwischen dem freien italischen Bürger und dem untertänigen Provinzialen setzte sich in der sozialen Wirklichkeit in den Unterschied zwischen Herrschenden und Beherrschten um.
122
123
J e t z t gewinnt die Auffassung Raum, die Gallia Cisalpina als flos Italiae und firmament u m imperii populi Romani zu verstehen: Cic. Phil. 3,13. P o l y b . 2 , 1 4 f f . Cato frg. 85 (Peter). F. KLINGNER, aaO. S. 1 7 f .
Die Organisation der Herrschaft
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5. Die Organisation der Herrschaft Wie weit sich die Dinge in Sizilien noch vor dem Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges entwickelt hatten, welchen Rechtsstatus man den einzelnen Städten zugestand und in welcher Form die Beziehungen der Gemeinden untereinander geregelt wurden, entzieht sich der Rekonstrukt i o n 1 2 4 . Wenn angesichts des römischen Engagements im Norden Italiens der Senat überhaupt an einer Lösung dieser Aufgabe interessiert war, so wird er entsprechend dem gleich zu behandelnden Grundsatz des Marcellus das Verhalten der sizilischen Städte im Verlauf des Krieges zum Ausgangspunkt seiner Regelung gemacht und die Gemeinden, die sich frühzeitig der römischen Sache angeschlossen und Waffenhilfe geleistet hatten 1 2 5 , als populi sui generis restituiert haben. Die Ausweitung des Zweiten Punischen Krieges auf Sizilien und die Kämpfe um Syrakus schufen jedenfalls eine ganz neue Lage und führten nach dem Sieg zu einer neuen Ordnung der Verhältnisse 1 2 6 . Den Anfang machte kurz nach der Einnahme von Syrakus M. Claudius Marcellus, nachdem aus allen Teilen der Insel Gesandte zu ihm gekommen waren und seine Entscheidung erbaten. Dem Bericht des Livius zufolge erhielten alle Städte, die vor der Eroberung von Syrakus treu geblieben oder in die römische amicitia zurückgekehrt waren, den Status von socii, während die übrigen der Verfügungsgewalt des Siegers unterworfen wurden: dispar ut causa earum (sc. civitates Siciliae), ita condicio erat, qui ante captas Syracusas aut non desciverant aut redierant in amicitiam, ut socii fideles accepti cultique; quos metus post captas Syracusas dediderat, ut victi a vic-
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125 126
D i e Nachricht des Livius, daß Sizilien und Sardinien bereits vor dem Ausbruch des Zweiten Punischen Krieges steuerpflichtig gewesen seien (23,48,7), ist von zweifelhaftem Wert, da die ständigen Schwierigkeiten, die in beiden Provinzen stehenden Heere ausreichend zu verpflegen und zu besolden (vgl. etwa Liv. 23, 21,1 ff.), weit eher das Bild einer nur im militärischen Bereich vorhandenen Herrschaft vermitteln. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß sich hinter der livianischen Formulierung vectigales fuissent d a s Stipendium verbirgt, das als Folge der Friedensschlüsse von 241 und 237 für den Unterhalt der auf den Inseln stationierten römischen Truppen zu leisten war und das von Fall zu Fall nach Bedarf neu festgesetzt wurde. Vgl. P o l y b . 1,18,5; 24,3; 40,1; 52,8. Diod. 23,8,1. Zonar. 8,15,12. N o c h im Jahre 213 hatten starke karthagische Verbände in Agrigent Fuß gefaßt und große Teile der Südküste und des Binnenlandes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Folge w a r das Zustandekommen eines Bundes mehrerer sizilischer Gemeinden und der Abschluß eines Bündnisses mit Karthago: A p p . Sik. frg. 4. Liv. 25,26,13; 17,1. D a s religiöse Zentrum des Widerstandes gegen R o m wurde Morgantina: W. HOFFMANN, Hermes 89 (1961) S. 490; D . WHITE, Demeters Sicilian Cult as a Political Instrument, G R B S 5 (1964) S. 269 ff.
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Die Unterwerfung Siziliens
tore leges acceperunt (25,40,4). Der von Livius gebrauchte Begriff socius sagt für sich genommen wenig oder gar nichts aus. Aus der Gegenüberstellung zweier verschieden behandelter Kategorien, von denen die eine a victore leges zu erwarten hat 1 2 7 , wird jedoch deutlich, daß der Terminus socius hier die Entlassung aus der römischen Verfügungsgewalt signalisiert, ohne allerdings die praktischen und rechtlichen Konsequenzen dieses Aktes näher zu erhellen. Der Status der schlechter gestellten Gemeinden ist durch die Verpflichtung zu regelmäßigen Leistungen von Abgaben an Rom gekennzeichnet, was weiter zu dem Schluß führt, daß der erste und wesentliche Vorzug der Entlassung aus dem römischen Spruchrecht die Befreiung von diesen Abgaben gewesen sein muß. Die auf Polybios zurückgehende Schilderung des Livius über die Vorgänge auf der aitolischen Bundesversammlung, die im Frühjahr 199 stattfand, deckt weitere Grundsätze der Ordnung des Marcellus auf. Auf dieser Versammlung verteidigt sich der römische Gesandte L. Furius Purpurio gegen den makedonischen Vorwurf, Rom habe Sizilien unterjocht, mit einem Abriß der römischen Außenpolitik seit dem Pyrrhoskrieg, deren Folgen er unter dem Leitsatz behandelt, daß die Besiegten das Schicksal erlitten hätten, das sie verdienten: neque infitias imus Siciliam provinciam nostram esse et civitates, quae in parte Carthaginiensium fuerunt et uno animo cum illis adversus nos bellum gesserunt, stipendiarias nobis ac vectigales esse 1 2 8 . Daraus ergibt sich das Motiv der unterschiedlichen Verfahrensweise des Marcellus (die Haltung der Gemeinden im Krieg) und das wichtigste Kennzeichen der neuen Herrschaftsform (die Tributpflicht). Dabei fällt sofort auf, daß die Begründung des Verfahrens nur sinnvoll unter dem Gesichtspunkt von Strafe und Lohn sein kann, für die Einrichtung eines territorial geschlossenen Herrschaftsraumes aber unsinnig ist. Nicht dieser, sondern die Zufälligkeiten des Kriegsverlaufes bestimmen die Rechtsstellung der Unterworfenen, die in freie und unter127
128
D a s Recht, sich selbst Gesetze geben zu können, erscheint in den Quellen als das wesentliche Merkmal der Souveränität; so etwa in den Freiheitserklärungen für dedierte oder eroberte Städte, vgl. z. B . Liv. 37,32,14. 38,39,12. Cic. 2 Verr. 2,37,90. Dementsprechend wird der durch die Restitution herbeigeführte Zustand mit suis legibus uti oder s u o iure uti bezeichnet, z. B . Liv. 38,44,4. L i v . 31,31,9 (vgl. 31,29,7). E s kann kein Zweifel daran bestehen, daß die makedonische Propaganda in Griechenland vor und während des Zweiten Makedonischen Krieges das römische Vorgehen gegen die Griechenstädte Siziliens dazu benutzt hat, um den mutterländischen Griechen die Konsequenzen einer Unterstützung der römischen Sache in düsteren Farben zu malen, was wiederum die römischen Diplomaten zwang, die in Griechenland bekannten Tatsachen mit den Verwicklungen der Punischen Kriege zu begründen.
Die Organisation der Herrschaft
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tänige Gemeinden nach einem Prinzip aufgeteilt werden, das der praktischen Herrschaftsorganisation durchaus im Wege sein kann. Die Anordnungen des Marcellus wurden zwar vom Senat bestätigt 129 , doch flammten die Kämpfe auf der Insel von neuem auf, als es dem von Hannibal nach Sizilien gesandten numidischen Reiterführer Myttones gelang, die letzten Stützpunkte der Karthager, vor allem Agrigent, erfolgreich zu halten 130 . Erst nach dem Übertritt dieses Mannes auf die Seite Roms infolge ständiger Kompetenzquerelen im karthagischen Lager nahm der Nachfolger des Marcellus, M. Valerius Laevinus, Agrigent, was den diesmal endgültigen Abfall der verbliebenen karthagischen Stützpunkte von der verloren geglaubten Sache zur Folge hatte 131 . Laevinus hat nun die Neuordnung Siziliens gemäß den von Marcellus praktizierten Maximen zu Ende geführt und mit dem Frieden der Insel den Rechtsstatus verliehen, den sie bis zum Ersten Sklavenkrieg behalten sollte. Zu fragen ist zunächst nach der nach dem Willen des Siegers in bleibender Untertänigkeit verharrenden Staatenkategorie. Die Einrichtung tributpflichtiger Gemeinden weist unmißverständlich auf die Übernahme der lex Hieronica hin, die Hieron die Grundlagen seiner Macht und, im Gegensatz zu Rom, die Möglichkeit verschafft hatte, Getreide und sonstige Anbaugüter im Uberfluß zu produzieren. Die Erkenntnis der Effektivität der auf diesem Gesetz beruhenden Wirtschaftsform muß dem Senat und den in Sizilien kämpfenden Feldherrn in den ersten Kriegsjahren auf dramatische Weise klargeworden sein, da ihre Heere ständige Versorgungsschwierigkeiten hatten und die schier unerschöpfliche Hilfe des Königs in Anspruch nehmen mußten 132 .
129
130 131 132
Liv. 26,32,5f. Zu der vorausgegangenen Senatsdebatte über die Beschwerden der Syrakusaner gegen Marcellus s. A. LIPPOLD, Consules, 1963, S. 265ff. Liv. 26,21,14ff. Liv. 26,29-32; 40. Zu den Nachschubproblemen, vor denen die römische Führung vielfach kapitulieren mußte, vgl. etwa den Bericht des Livius (23,21,1 f.) über die Situation auf Sizilien und Sardinien im Jahre 216, als die Prätoren beider Provinzen dringende Hilferufe nach Rom sandten, da sie für ihre Truppen weder Getreide noch Geld zur Verfügung hatten und die Lage erst durch eine großzügige Spende Hierons stabilisiert werden konnte. In vielen Fällen wurden den eroberten Städten Getreidelieferungen als Kriegsentschädigung auferlegt (Liv. 23,41,7) oder von den Unterworfenen überhöhte Steuern und Naturalleistungen eingetrieben (Liv. 23,32,9), die natürlich Abfallbewegungen geradezu herausforderten. 215 wurde der Senat selbst am ägyptischen Hof um Getreidelieferungen vorstellig (Polyb. 9 , l l a , l . Liv. 27,4,10; dazu M. HOLLEAUX, Rome, la Grèce et les monarchies hellénistiques au troisième siècle av. J.-C., 1921, S. 66ff.). Weitere Belege bei F. W. WALBANK, Comm. on Polyb. II, S. 137, E. DE SAINT-DENIS, L E C 9 (1940) S. 129f.
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D i e U n t e r w e r f u n g Siziliens
Erstes Ziel des Siegers konnte demnach nur sein, auch nach der Zerstörung des syrakusanischen Reiches die wirtschaftliche Kraft des Landes aufrechtzuerhalten und ein Gleiches in den übrigen Teilen der Provinz zu erreichen, da der Krieg gegen Hannibal noch lange nicht entschieden war und die Versorgung Italiens und der Heere sichergestellt werden mußte. Ohnehin hatte der aus dem Erlaß der lex Claudia ablesbare Aufschwung des Handels mit Sizilien dessen wirtschaftliche Bedeutung ins rechte Licht gerückt und ermöglichte nach dem Sieg die schnelle Konzentration von Ideen, Energien und Interessen auf dieses Problem. Dementsprechend begann Laevinus sofort nach der Befriedung mit dem Wiederaufbau des gestörten Wirtschaftslebens: consul (sc. Laevinus) . . . coegisset Siculos positis tandem armis ad agrum colendum animos convertere, ut esset non incolarum modo alimentis frugifera insula, sed urbis Romae atque Italiae, id quod multis saepe tempestatibus fecerat, annonam levaret 133 . Dieser von Laevinus nicht zuletzt wegen der kriegsbedingten schwierigen Versorgungslage eingeleitete Ausbau Siziliens zum ökonomischen Nutzobjekt mit Hilfe der lex Hieronica hat die in dieses Projekt gesteckten Erwartungen weit über den eigentlichen Anlaß hinaus erfüllt, wie die umfangreichen Getreidelieferungen aus der Provinz in den Jahrzehnten der Auseinandersetzung mit den hellenistischen Staaten des Ostens zur Genüge zeigen 1 3 4 . Der Erfolg bestimmte darüber hinaus die Auffassung von dem, was die eroberten Gebiete für Rom bedeuten konnten und in welche Richtung der Ausbau neuer Provinzen zu treiben war. Ihre Charakterisierung als praedia p.R. (d. h. als Ausbeutungsobjekte des römischen 133
L i v . 2 6 , 4 0 , 1 5 . Vgl. die R e d e des Laevinus über die Lage in Sizilien vor dem Senat nach Liv.
27,5,5:
desertam
recoli tandem
terram,
frugiferam
ipsis cultoribus
populoque
R o m a n o p a c e ac bello fidissimum annonae subsidium. Die wirtschaftliche Reorganisation d e r Insel w u r d e mit soviel Elan vorangetrieben, daß der Senat im Jahre 2 0 7 die Konsuln e r m a h n e n m u ß t e , nicht nur für den A n b a u in Sizilien, sondern auch für die W i e d e r h e r stellung des r ö m i s c h e n Bauernstandes Sorge zu tragen (Liv. 2 8 , 1 1 , 8 : consules . . . moniti ab senatu sunt, ut in agros reducendae plebis c u r a m haberent; . . . minime convenire Siciliae quam Italiae colendae m a i o r e m c u r a m esse), und bereits im Jahre 2 0 2 kam es zu einem U b e r a n g e b o t sizilischen und sardinischen Getreides auf den römischen Märkten ( L i v . 3 0 , 3 8 , 5 : per eos dies c o m m e a t u s ex Sicilia Sardiniaque tantam vilitatem annonae effecerunt, ut p r o vectura frumentum nautis m e r c a t o r relinqueret). Z u den einzelnen P h a s e n des ö k o n o m i s c h e n Ausbaus s. V . M . SCRAMUZZA, R o m a n Sicily, in: E S A R III, 1 9 3 7 , S. 2 3 3 f . , A . J . TOYNBEE, Hannibals Legacy I I , 1965, S . 2 1 0 f f . , R . SCALAIS, L a restauration de l'agriculture sicilienne par les R o m a i n s , Musée Belge 2 7 ( 1 9 2 3 ) S. 2 4 3 f f . , L a Prospérité agricole et pastorale de la Sicile depuis la c o n q u ê t e romaine jusqu'aux guerres serviles, ebda. 2 8 ( 1 9 2 4 ) S. 7 9 f f . , J . CARCOPINO, L a Sicile agricole au dernier siècle de
la république,
Vierteljahresschrift
( 1 9 0 6 ) S. 1 2 8 f f . 134
L i v . 2 9 , 3 6 , 1 f. 3 3 , 4 2 , 9 . 3 7 , 2 , 1 2 ; 5 0 , 9 . 4 2 , 3 1 , 8 .
für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
4
Die Organisation der Herrschaft
63
Volkes) durch Cicero 135 kennzeichnet das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, an dessen Anfang die erste Vorstellung davon, was die römische Herrschaft überhaupt an effektivem Nutzen bringen sollte, an die Wirksamkeit des hieronischen Wirtschaftssystems geknüpft war. Die Ausdehnung der lex Hieronica auf ganz Sizilien bedingte die Ubertragung der von Hieron entwickelten Verwaltungs- und Steuerungsmechanismen, deren Ziel eine zentrale Kontrolle des Bebauers, der von ihm bebauten Parzellen und des erzielten Bodenertrages war 1 3 6 . Notwendig damit verbunden waren Eingriffe in die autonome Selbstverwaltung der sizilischen Städte, denen das Aufbringen der Steuer nicht selbst überlassen, sondern an Pächter übergeben wurde, deren Kontrolle dem römischen Prätor oblag. So sahen sich die städtischen Gerichte, sofern sie überhaupt mit den die lex Hieronica betreffenden Fällen befaßt wurden, an die höhere Weisung des Gesetzes und des römischen Statthalters gebunden 137 . Rom übernahm so die von Hieron seit der Einführung der zehnprozentigen Ertragssteuer praktizierten Eingriffsvorbehalte in die Selbstverwaltung der untertänigen Gemeinden, die im hellenistischen Osten keine Parallelen haben 1 3 8 . An der Rechtsstellung dieser Gemeinden 139 gegenüber Hieron muß sich Laevinus schon auf Grund der Übernahme der lex Hieronica auch bei seiner übrigen Organisationstätigkeit orientiert und damit zum erstenmal die Frage nach der Rechtsform der Untertänigkeit gestellt haben. Das Verhältnis der im hieronischen Machtbereich liegenden Gemeinden war zum einen bestimmt durch den Eintritt in ein Bundesgenossenschaftsverhältnis, das per se die juristisch fixierte Untertänigkeit ausschließt, und zum anderen durch die Unterwerfung unter die lex Hieronica, aus der ein direktes Untertanenverhältnis der gesamten Kontribuentenschaft hervorging. Die bestehende Bundesgenossenschaft konnte also die Usurpation 135
136
137 138 139
C i c . 2 V e r r . 2 , 3 , 7 : Et quoniam quasi quaedam praedia p. R . sunt vectigalia nostra atque provinciae, q u e m ad m o d u m vos propinquis vestris praediis maxime delectamini, sie p o p u l o R o m a n o iueunda suburbanitas est huiusce provinciae. V g l . dazu H. D . MEYER, C i c e r o und das Reich, Diss. K ö l n 1 9 5 7 , S. 2 2 8 f f . , F . DE MARTINO, Storia della costit u z i o n e r o m a n a II, S. 2 8 1 gegen T. FRANK, J R S 1 7 (1927) S. 1 4 1 . D a s k o n s t r u k t i v e Prinzip d e r lex Hieronica wie die Modalitäten ihrer A n w e n d u n g sind in Umrissen bekannt, s. M . ROSTOVTZEFF, Geschichte der Staatspacht, 1 9 0 2 , S. 3 5 0 f f . , J . CARCOPINO, La loi de Hieron 1 9 1 4 , H. BERVE, Hieron I I . , 1959, S. 6 7 f . ; pass., A . J . TOYNBEE, aaO. II, S. 2 2 4 f f . , R . T. PRITCHARD, Historia 19 (1970) S. 3 5 2 f f . Cic. 2 Verr. 2,32. H . BERVE, H i e r o n II., S. 62 N a c h dem Frieden mit R o m 263/2 A k r a i , Neeton, Heloros, Leontinoi, Megara Hyblaia u n d andere unbekannte kleinere Städte: Diod. 2 3 , 4 , 1 . H . Berve, a a O . S. 50.
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Die Unterwerfung Siziliens
der Herrschaftsgewalt Hierons im wirtschaftlich-ökonomischen Bereich auf Grund der überlegenen Macht des Königs und der Stadt Syrakus nicht verhindern, jedoch geht aus ihrem institutionell unveränderten Weiterbestehen eindeutig hervor, daß Hieron nicht als Grundeigentümer, sondern nur kraft überlegener Herrschaftsgewalt die Praktizierung seines Steuersystems begründen konnte 140 . Das erste wäre nur dann denkbar gewesen, wenn er die in seinem Herrschaftsbereich gelegenen Städte mit Gewalt erobert und als sein Eigentum behandelt hätte. Die in den Quellen zur Bezeichnung des bestehenden Rechtsverhältnisses gebrauchten Begriffe spiegeln die beiden Pole der hieronischen Herrschaft. Nur in den Fällen, in denen die zwischenstaatliche Struktur der Beziehungen zwischen Stadt und Monarch noch tatsächliche Relevanz besaß, taucht der Begriff der Symmachie auf 1 4 1 ; in allen anderen Fällen wird die mit der lex Hieronica aufgezwungene Untertänigkeit auch als solche bezeichnet 142 . Basis und Ausgangspunkt der hieronischen Herrschaft war also die lokale Autonomie der abhängigen Städte, in deren innere Angelegenheiten der König nur soweit eingriff, soweit das für das Funktionieren seines Steuersystems notwendig war. Da auch im karthagischen Machtbereich die Selbstverwaltung der zur Epikratie gehörenden Städte mit Sicherheit unangetastet blieb, sah sich der römische Sieger einer auf der Autonomie der Abhängigen und Unterworfenen beruhenden Ordnung gegenüber, die er zwar de iure auf Grund des Siegerrechtes von Grund auf hätte ändern können, wozu er de facto jedoch gar nicht in der Lage war, da als Alternative zur städtischen Selbstverwaltung nur der Aufbau eines eigenen 140
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So richtig T . FRANK, J R S 17 (1927) S. 141 ff., H. BERVE, aaO. S. 52 gegen M. ROSTOVTZEFF, Staatspacht, S. 353ff., Studien zur Geschichte des römischen Kolonates, 1910, S. 234f., J . CARCOPINO, aaO. S. 67ff., die auf Grund der großen Ähnlichkeit der lex Hieronica mit dem Steuergesetz des Ptolemaios Philadelphos (U. WILCKEN, Chrestomatie, nr. 181. 249. 258. 299) auch auf die Gleichheit der Rechtsgrundlagen beider Gesetze schlössen. Das gilt zunächst vor allem für die Präliminarien zwischen Rom und Karthago (Polyb. 1,62,8). Dementsprechend werden auch beim Abschluß des Friedensvertrages mit Hieron 263/2, obwohl das nicht ausdrücklich überliefert ist, in den Einleitungsformalien neben Hieron und Syrakus die Bundesgenossen als Vertragspartner genannt worden sein. Vgl. auch Liv. 23,30,12f. (zum Versuch des Gelon, Syrakus und die socii zum Abfall von Rom zu bewegen). Der Terminus Symmachos (socius) umschreibt also auch hier einen nur noch formal bestehenden Tatbestand und sagt über die konkrete Ausprägung des Verhältnisses nichts aus; vgl. E. BIKERMAN, Rev. de Phil. 13 (1939) S. 339; 346f. Vgl. Polyb. 2,1,2 (dazu A. HEUSS, Stadt und Herrscher, S. 173). 1,83,3. Diod. 23,4,1. Liv. 24,29,7 (zur Forderung der Syrakusaner nach dem Tode des Hieronymos, ut quicumque populi sub regibus fuissent, et suae dicionis essent). 22,56,7. 24,7,9. H . BERVE, a a O . S. 51.
Die Begründung der Territorialherrschaft
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Beamtenapparates denkbar ist. Bekanntlich hat kein antiker Staat Formen territorialer Beherrschung entwickelt, die über die Stadt hinausgereicht hätten, so daß dieser Punkt nicht weiter zu verfolgen ist. Die praktische Ausübung der durch den Sieg gewonnenen Verfügungsgewalt über die sizilischen Städte war von vorneherein auf die Möglichkeit eingeschränkt, innerhalb der bestehenden städtischen Gliederung Siziliens (a) eine auf der Autonomie der einzelnen Gemeinden beruhende Herrschaftsordnung aufzurichten und (b) die Verpflichtungen der Unterworfenen gegenüber Rom entsprechend ihrer Verdienste für die Sache des Siegers während des Krieges abzustufen oder ganz auf sie zu verzichten.
6. Die Begründung
der
Territorialherrschaft
Die Entscheidung der Senatsaristokratie, größere Territorien als Provinzen einzurichten, in denen sich bestimmte Formen der Untertänigkeit bereits ausgeprägt und über einen längeren Zeitraum hinweg ihre Brauchbarkeit auch bewiesen hatten, ergab sich nicht aus einer klaren Zielvorstellung, die planvoll verwirklicht worden wäre. Vielmehr führten eine Reihe von einzelnen nach den jeweiligen Erfordernissen getroffenen Entschlüssen die römische Politik an einen Punkt, wo die Institutionalisierung der Herrschaft in der Form der dauernden Entsendung eines Imperiumträgers die den Umständen entsprechende einfachste und zugleich effektivste Lösung war. Dessen Aufgabenbereich war zunächst von den militärischen Notwendigkeiten bestimmt, die sich aus der befürchteten neuen Konfrontation mit Karthago ergaben. Jedoch genügte allein die Tatsache der ständigen Anwesenheit und der absoluten Machtfülle eines Prätors, um seine zivilen Funktionen in den Vordergrund treten zu lassen, die schließlich nach der Übertragung der lex Hieronica auf ganz Sizilien eine breite Skala administrativer und jurisdiktioneller Tätigkeit umfaßten. Der eigentliche Kompetenzbereich der Prätur in Rom, die Jurisdiktion, wird so auch in den Provinzen der zentrale, der allerdings hier materiell und formell ungebunden ausgefüllt werden konnte. Zusammen mit den militärischen Funktionen ergab sich daraus eine Machtfülle, die schließlich die Funktionsfähigkeit des Systems überhaupt in Frage stellte und herrschaftssoziologisch gesehen die Führungsschicht auseinanderdividierte. Die Praxis der Senatsaristokratie, jeweils akute Aufgaben mit improvisierten ad-hoc-Lösungen zu meistern, vermittelt auf den ersten Blick den Eindruck einer erstaunlichen Flexibilität in außenpolitischen Grundsatz-
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Die Unterwerfung Siziliens
entscheidungen. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man die breite Skala von praktizierten Lösungen ins Auge faßt. So führte die Intervention in Illyrien zur Begründung von Amicitiaverhältnissen, die dem angestrebten Ziel, an der Italien gegenüberliegenden Adriaküste wohlwollend gesinnte Nachbarn zu wissen, durchaus gerecht wurden. Gefunden war mit diesem völkerrechtlichen Instrument die Form außenpolitischer Kontakte, die das römische Interesse an den griechischen Städten und der Staatenwelt des östlichen Mittelmeerraumes adaequat zum Ausdruck brachte und zugleich flexibel genug war, um die Wandlungen dieses Interesses und die bis 168 eingetretenen politischen Veränderungen in diesem R a u m völkerrechtlich regulierbar zu machen. Die 230-180 in Oberitalien getroffene Entscheidung zur letzten Ausweitung der Wehrgemeinschaft ist das Ergebnis der zweifellos richtigen Einsicht, daß die Wehrkraft der keltischen Stämme angesichts der geographischen Gegebenheiten nicht neutralisiert werden konnte und daher den römischen Zielen dienstbar gemacht werden mußte. Diese von ihrer Effektivität her besehen so erfolgreiche Politik der adhoc-Improvisation verbirgt jedoch in ihrem Kern eine starre und inflexible politische Struktur, die in den Besonderheiten des Entscheidungsträgers begründet liegt. Alle außenpolitischen Entscheidungen waren ungeachtet der verfassungsmäßigen Rechte der Komitien die alleinige Domäne der Senatsaristokratie, die ihren Herrschaftsanspruch nur solange garantiert sah, solange die Solidarität in ihren eigenen Reihen eine gar nicht weiter reflektierte Selbstverständlichkeit war. Dies wiederum konnte nur gewährleistet sein, wenn die soziale Basis dieser Solidarität, die ungefähr gleiche Verteilung der politischen und sozialen Klientel, nicht beseitigt wurde. N i c h t von ungefähr blieb dieser Punkt geradezu sakrosankt im Bewußtsein der Nobilität. Alle ihre Entscheidungen wurden, ohne daß die führenden N o b i l e s die Besonderheiten ihrer Sozial- und Herrschaftsverhältnisse wirklich durchdacht hätten, eingespannt zwischen die Pole von gleicher dignitas und gleicher sozialer Machtbasis aller Aristokraten, deren sinnfälligster Ausdruck die Klientel war. Jede Erweiterung der Bürgerschaft, jede durchgeführte Kolonisation und jede Ausdehnung des Herrschaftsraumes erschloß dem einzelnen Aristokraten potentiell die Möglichkeit, aus dem Kreis der gleichen Ersten politisch und ökonomisch herauszutreten und damit das Fundament des gemeinsamen Regiments zu unterminieren. Von hierher besehen war die Erweiterung des Oberamtes um zwei Prätoren, die die Funktionen von uneingeschränkt regierenden Statthaltern ohne kollegiale Kontrolle übernahmen, bereits ein nicht mehr kalkulier-
Die Begründung der Territorialherrschaft
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bares Risiko, das man 197 bei der Provinzialisierung Spaniens wiederholte, bevor der Senat die ganze Tragweite dieser Maßnahme begriff und sie künftig nicht mehr anwandte. Bei Wegfall aller Sicherungen, die der römische Staat ansonsten gegen eine selbstherrliche Amtsführung eingebaut hatte (Kollegialität, Intercession, gesetzliche Schranken), mußte der Senat, rechtlich ohne Kompetenzen, die Wirksamkeit seiner Anordnungen im provinzialen Bereich einzig davon abhängig machen, daß der Statthalter nicht vergaß, daß er nach seiner Amtszeit in den Kreis der Senatsaristokratie zurücktrat und hier seinen politischen und sozialen Rang nicht gegen den Willen seiner Standesgenossen behaupten konnte. Die Expansionskriege des 2. Jhdts. und die Zahl der zu beherrschenden Staaten, die die verzweifelte hellenistische Welt dem Senat vor die Füße geworfen hatte, ließen auch diesen Damm brechen. Die sozialen Bedingungen der Herrschaft der Nobilität sind dafür verantwortlich, daß Rom an einer Ausweitung des Herrschaftsraumes nur insoweit interessiert sein konnte, soweit die anzuwendenden Formen der Beherrschung die soziale und politische Macht der Aristokratie nicht zerstörten. Der Hunger nach gesteigerter Macht und Reichtum, der die römische Führungsschicht nicht minder anspornte als vergleichbare Aristokratien sonst auch, hatte hier seine natürliche Grenze, die erst der Zusammenbruch der gesamten mittelmeerischen Staatenwelt illusorisch werden ließ. Der soziale Kontext der römischen Herrschaftsentfaltung macht auch begreifbar, warum der improvisatorische Charakter des Entscheidungsprozesses für die römische Außenpolitik seit dem Ersten Punischen Krieg so typisch ist und wo die Unfähigkeit der Republik zu tiefgreifenden administrativen und politischen Reorganisationsversuchen selbst in einer Zeit herrührt, in der das Provinzialregiment für die Unterworfenen unerträglich geworden war und die Substanz der Herrschaft der Senatsaristokratie zu zerstören begann. Dies war vom System her betrachtet die Konsequenz einer improvisierend arbeitenden Entscheidungsmaschinerie und soziologisch gesehen die Folge der Herrschaftsbedingungen der aristokratischen Operateure. Der Verzicht auf die Ausweitung der italischen Wehrgemeinschaft in Sizilien ist daher nicht deshalb von so entscheidender Bedeutung, weil dadurch ein neues Strukturelement in der römischen Außenpolitik auftaucht, sondern weil der Stadtstaat Rom damit - zwar nicht sofort und konsequent, aber, auf das Ende hin besehen, eben doch - die Herrschaftsform verläßt, die ihm als solchem am angemessensten war. Dies gilt nicht nur für die sozialen Voraussetzungen territorialer Herrschaft, sondern auch
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Die Unterwerfung Siziliens
für die Organisationsformen, die ein Stadtstaat entwickeln kann. Das die Wehrgemeinschaft tragende föderative Prinzip wurzelte in der Uberzeugung, daß jede Art von Beziehungen, die man als Stadtstaat zu einem anderen Staat aufnahm, auch dort, wo es um die Aufrichtung von Herrschaft ging, am besten durch vertragliche Abmachungen herzustellen war und sich im völkerrechtlichen Raum am besten entfalten konnte. Für Rom gilt wie für jede griechische Stadt, daß jede andere Form von Herrschaft den Aufbau einer Verwaltung mit der dazugehörigen Beamtenschaft gefordert hätte, zu der genügend geeignete Kräfte gar nicht vorhanden waren und die, wären sie vorhanden gewesen, das innere Gefüge des Staates gesprengt hätten. Daraus folgt, daß die Provinzialherrschaft von dem Augenblick an, von dem sie aus dem Stadium reiner militärischer Machtausübung herauskam und in Provinzialordnung überführt wurde - was auf die Dauer gar nicht anders denkbar war - die Kapazität der Republik überforderte. Als zu dem Herrschen das Regieren hinzukam, war der Aufbau eines Apparates unerläßlich, der nur, wie seit Augustus tatsächlich geschehen, durch die Hereinnahme neuer Führungsschichten in das bestehende Machtgefüge funktionieren konnte. Geht man davon aus, daß die Fähigkeit eines Entscheidungssystems, neue Verfahrensweisen der Beherrschung zu erfinden, von seiner Fähigkeit abhängt, die Kenntnisse über eingetretene politische Entwicklungen zu neuen Mustern von Lösungsmöglichkeiten zusammenfügen, so bot die inflexible politische Struktur Roms dazu wenig Spielraum. Die Möglichkeiten einer Führungsschicht, in ihrem bisherigen Erfahrungshorizont nicht aufgetauchte Probleme wirksam vorauszusehen und darauf zu reagieren, haben dort ihre Grenzen, wo die Beseitigung der eigenen unangefochtenen Machtposition Teil der zu entwerfenden Lösung sein muß. Die Notwendigkeit einer tiefgreifenden Umgewichtung der vorhandenen Machtstruktur war für die Nobilität eine „übermäßige" Herausforderung (Toynbee), die allenfalls in einer existenzbedrohenden Krise (z. B. von der Größenordnung des Bundesgenossenkrieges) hätte angenommen werden können. In dem Maße, in dem die Nobilität durch die Herrschaft einzelner ihrer Mitglieder über große territoriale Räume um den Bestand ihrer Macht als geschlossene Führungsschicht fürchten mußte, in dem Maße verfiel ihre Fähigkeit, das von ihr getragene System entsprechend der neuen Notwendigkeiten zu verändern und dennoch (wenn auch in modifizierter Form) die eigene Identität und Kontinuität zu bewahren. Es ist leicht zu begreifen, daß die Nobilität des dritten Jahrhunderts die Tragweite ihrer in Sizilien gefällten Entscheidung nicht durchschauen
Die Begründung der Territorialherrschaft
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konnte. Worum es ihr ging und wäs ihr zu wissen genügte, war, daß nichts in Sizilien ohne ihr Machtwort geschehen konnte und daß alles, was immer dort geschah, dem römischen Nutzen dienen mußte, und der schrieb zunächst nur vor, daß die Besiegten das Faktum der römischen Herrschaft widerspruchslos hinnahmen. Auch als die Dinge eine eigene D y n a m i k entwickelt hatten und zu einem stärkeren Engagement zwangen, verlor man in Rom mit guten Gründen nie die Gewißheit, daß, komme was wolle, die Legionen jede innere und äußere Bedrohung beseitigen konnten. Diese Gewißheit hat denn auch in den folgenden Jahrhunderten des Weltreiches nie getrogen, so daß kein gewaltsamer Anstoß von sehen der Unterworfenen oder von den außerhalb des Herrschaftsgebietes lebenden Völkern die Republik gezwungen hat, aus Gründen der Selbsterhaltung die provinziale Herrschaft so zu organisieren, daß sie mehr war als die Sicherung der Allgegenwart des römischen Willens und der unbegrenzten Ausbeutung der Unterworfenen. E s zeigt sich hier als einer der wichtigsten Attribute der politischen Macht die Fähigkeit, auf Grund der verfügbaren Ressourcen einen relativ großen Handlungsspielraum zu besitzen, der gleichzeitig eine hohe Fehlermarge einschloß. Was immer Willkür und Ausbeutung in den Provinzen anrichteten, diese Fehler schlugen nicht als unmittelbar schwerwiegende Schäden auf die Urheber zurück, da die nahezu unbegrenzten militärischen Mittel Roms jede aus den Provinzen oder den Nachbarstaaten kommende Bedrohung der Sicherheit nicht zuließen. Selbst der an dramatischen Höhepunkten gewiß nicht arme Krieg des Mithradates VI. Eupator, der zeitweise ganz Kleinasien und weite Teile Griechenlands in den Widerstand gegen die römischen Herren riß, vermochte deren Herrschaft im Osten nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Die Selbstverständlichkeit, mit der die Legionen selbst Gefahren dieser Größenordnung beseitigten, wurde Bestandteil der Methode und Strategie einer Führungsschicht, deren politischer Realitätsverlust den Punkt erreicht hat, wo die Notwendigkeit der Übernahme verwaltungstechnischer Ordnungsfunktionen nur parallel z u m Prozeß der Selbstparalysierung der führenden Aristokratie erkennbar wurde. Der eigentliche Unterschied zwischen der Phase der Eroberung Italiens und der Eroberung des Weltreiches wird also aufgeschlüsselt durch die Frage nach der dem System adaequaten Herrschaftsorganisation und nach seiner Fähigkeit, sich selbst entsprechend den neuen Herrschaftsaufgaben zu verändern, ohne die eigene Identität aufzugeben. Dies ist nicht eine Frage nach dem Wollen, sondern nach den grundsätzlichen Möglichkeiten
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Die Unterwerfung Siziliens
eines Systems, die von der Flexibilität seiner Struktur, seinen Hilfsmitteln und seiner Bewegungsfreiheit gegenüber konkurrierenden Alternativen bestimmt werden. Die Einigung Italiens unter der römischen Herrschaft auf föderativer Basis paßte in den Rahmen der mediterranen Konzeption des Stadtstaates, und das angewandte Prinzip der Herrschaftserrichtung durch vertragliche Angliederung galt für die griechischen Städte ebenso wie für R o m 1 4 3 . Anders - und darin liegt der Grund des römischen Erfolges - war nur die Art und Weise der Ausführung. Ein kurzer Blick auf die von Griechen und Römern gleichermaßen praktizierte Kolonisation macht dies paradigmatisch klar: Von beiden wurden die entsandten Kolonien (für R o m sind hier die latinischen Kolonien relevant) als selbständige Staaten eingerichtet, von R o m von vorneherein jedoch unter strategischen Gesichtspunkten angelegt und durch den Abschluß eines unbefristeten Bundesgenossenschaftsvertrages so an die Vormacht gefesselt, daß Cicero sie mit vollem Recht die eigentlichen Bollwerke (propugnacula) der römischen Herrschaft über Italien nennen konnte 1 4 4 . Erklärt ist damit allerdings nur der römische Erfolg in Italien, nicht jedoch der Schritt von der Herrschaft mittels Verträgen zur Herrschaft durch Ausbildung von Untertänigkeit. Auch hier hilft ein Vergleich mit den griechischen Verhältnissen weiter. In einem wesentlichen Punkt unterscheidet sich nämlich die römische Expansion in Italien grundsätzlich von den Versuchen griechischer Städte, Herrschaften zu begründen. Ich meine die Inkorporation, die zunächst durch die Einbeziehung des fremden eroberten Territoriums in den ager Romanus und die Aufnahme der überlebenden Bevölkerung in R o m , dann aber, als man auf die ersten stammfremden Städte (Caere) stieß, in der F o r m der Beibehaltung der kommunalen Autonomie der Eroberten, verbunden mit der Gewährung des Voll- oder Halbbürgerrechts (dies gehandhabt nur für eine Ubergangszeit), ausgeübt wurde 1 4 5 . Die Konsequenz war, daß R o m binnen verhältnismäßig kurzer Zeit sein städtisches Territorium so vergrößerte, daß nur noch ein kleiner Teil seiner Bürger über143 144 145
H i e r z u und zu dem Folgenden A . HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 110 ff. Z u r Organisation vgl. A . HEUSS, R G 3 , S. 61 ff.; J . BLEICKEN, Chiron 4 (1974) S. 392ff. Z u m Gedankengang A . HEUSS, Herrschaft und Freiheit, S. 112. Die gleiche Rechtsstellung k o m m t den römischen Bürgerkolonien zu, deren Unterschied zu den Munizipien rein historisch nach der verschiedenen F o r m ihrer Entstehung begründet ist. Traten die Munizipien als ursprünglich souveräne Gemeinwesen in die römische Bürgergemeinde durch Verleihung des Bürgerrechtes ein, so wuchsen die römischen Kolonien aus dieser Bürgergemeinde heraus und bildeten von Anfang an als Bestandteil einer römischen Tribus eine planmäßig angelegte Gemeinde von römischen Bürgern auf römischem ager publicus (Gell. noct. Att. 16,13,8. U . VON LÜBTOW, Das römische Volk, 1955, S. 639).
D i e B e g r ü n d u n g der Territorialherrschaft
71
h a u p t in der L a g e sein konnte, das Bürgerrecht auszuüben, was bekanntlich nur in der urbs möglich war, da alle staatlichen Rechtsakte an den B o d e n der Stadt gebunden waren und von hier ihren Ausgang nehmen mußten. F ü r eine griechische Stadt hatte sich eine derartige Ausbreitung ihrer Struktur als Lebensgemeinschaft der Bürger nach immer verboten 1 4 6 . Entscheidend an diesem Sachverhalt ist, daß das römische Staatsverständnis nicht a priori auf eine territoriale Begrenzung des Staates hin festgelegt ist, sondern den römischen Staat dort als existent ansieht, w o cives R o m a n i leben, g a n z unabhängig davon, ob sie nun als solche ihre R e c h t e ausüben konnten oder nicht 1 4 7 . Theoretisch stand damit einer unbegrenzten territorialen Ausdehnung R o m s nicht im Wege, was auf die Einrichtung v o n Untertanengebieten bezogen heißt, daß im römischen Bewußtsein d e m damit eingeleiteten Ubergang vom Stadt- zum Territorialstaat nicht von vorneherein eine unüberwindliche Barriere entgegenstand. D i e Einrichtung der sizilischen Provinz bedeutet somit auch „ d i e erste Preisgabe ,stadtstaatlich' bestimmten Denkens zugunsten einer mehr territorial gerichteten S t a a t s a u f f a s s u n g " 1 4 8 . Konkret heißt das zunächst, daß H e r r s c h a f t in der F o r m der Schaffung von untertänigen Gebieten denkbar w u r d e 1 4 9 , o b w o h l Untertänigkeit in R o m faktisch und begrifflich bis zu
146
D i e s b e s t i m m t e auch die Definition der Polis bei Piaton u n d Aristoteles, vgl. E . MEYER, V o m griechischen und römischen Staatsgedanken, in: E u m u s i a , Festgabe E .
147
Z u der hier nicht z u verfolgenden römischen Staatsauffassung s. E . MEYER, a a O . S. 3 0 f f . , G . JELLINEK, Allgemeine Staatslehre 3 , 1928, S. 2 9 2 f f . , W . SUERBAUM, V o m antiken z u m frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, S. l f f . ; pass. D e r hier nur gestreifte F r a g e n k o m p l e x läßt sich befriedigend nur in strenger Auseinandersetzung mit d e m neuzeitlichen Staatsbegriff klären, vgl. etwa W . MAGER, Zur Entstehung des m o d e r n e n Staatsbegriffes, A b h . M a i n z . A k . Wiss. Geistes- u. Sozialwiss. K l . , 1968, 9,
HOWALD, 1947, S. 3 3 f . ; 36.
D. 148
NÖRR,
Der
Staat 6 (1966) S. 3 5 3 f f . und C H .
MEIER, G n o m o n
41 (1969) S.
A . VON S T A U F F E N B E R G , F o e d e r a t i , S . 4 2 . STAUFFENBERG h a t , g e s t ü t z t a u f E .
373.
TÄUBLER,
H . H O R N u n d A . HEUSS n o c h e i n m a l k l a r g e m a c h t , d a ß die A n s c h a u u n g T H . MOMMSENS,
149
d a s I m p e r i u m sei eine nur weniger konsolidierte Erweiterung der italischen Wehrg e m e i n s c h a f t , nicht z u halten ist. D a s A t h e n der Pentekontaetie ist soweit nicht g e k o m m e n . D i e ursprünglich förderative S t r u k t u r des attisch-delischen Seebundes, in dem die Rolle Athens im G e g e n s a t z zu der R o m s in d e r Wehrgemeinschaft nicht bereits v o m G r ü n d u n g s a k t her als die der Vormacht k o n z i p i e r t w o r d e n war ( H . D . MEYER, Historia 12 (1963) S. 4 0 5 f f . ) , w u r d e im Lauf d e r E n t w i c k l u n g zwar a u f g e g e b e n , aber nicht durch einen neuen Herrschaftsapparat und eine neue auf diesen zugeschnittene ideologische B e g r ü n d u n g ersetzt (vgl. A . HEUSS, S t a d t u n d H e r r s c h e r , S. 7 f f . , H e r r s c h a f t und Freiheit, S. 112). Athen blieb der griechischen V o r s t e l l u n g der Polis als Personalverband verhaftet, zu d e m das Territorium eben nicht w e s e n s g e m ä ß d a z u g e h ö r t , s o daß die dem modernen Staatsbegriff selbstverständliche Identifizierung zwischen Staat und Territorium erst hätte v o r g e n o m m e n
72
Die Unterwerfung Siziliens
diesem Zeitpunkt nie als Dauerzustand, sondern nur als aus der Rechtsfolge von Dedition und Eroberung resultierendes Provisorium bis zur Einrichtung einer definitiven Ordnung (d. h. Restitution oder Inkorporation) bekannt war. Diese Untertänigkeit war mit der aus dem Kriegsrecht begründeten absoluten Verfügungsgewalt des Siegers identisch und konnte nur als vorübergehend gedacht sein. Ihre Perpetuierung mußte sie zwangsläufig ihrem Wesen nach ändern, da sie sich als Dauereinrichtung ohne Rechtsform von selbst aufgelöst hätte. E s bedurfte bei dieser Rechtsform keiner besonderen römischen Initiative. Die Konsequenzen des einmal gefaßten Entschlusses, Herrschaft in Sizilien durch einen Prätor auszuüben, führten von selbst dazu. Als nach der Kapitulation von Syrakus die Übertragung der lex Hieronica auf die ganze Insel als die wirtschaftlich vielversprechendste Lösung erschien, bedeutete dies praktisch, daß die Untertänigkeit neben dem absoluten Regiment des Statthalters ihren zweiten sinnfälligen Ausdruck in der dauernden Abgaben- und Steuerpflicht fand 1 5 0 . Die rechtlichen Modalitäten orientierten sich nach dem Gesetz des Königs Hieron und richteten sich nach den von ihm geschaffenen Grundlagen aus: Die Unterworfenen bewahrten ihre kommunale Autonomie und ihr Boden blieb ager peregrinus oder wurde als ager publicus Romanus in bestimmten Fällen eingerichtet, was einer gesonderten Entscheidung in R o m bedurfte 1 5 1 . Der Vorgang der Provinzialisierung ist nicht identisch mit der Übernahme des Obereigentums an Grund und Boden der Unterworfenen, so daß die römische Provinzialherrschaft keine neue bodenrechtliche Qualität schuf 1 5 2 . Provinzialisierung hieß die Übernahme der politischen Gewalt, die in diesem speziellen Fall die Weiterführung der als effektiv beobachteten Normen werden müssen, um mit dem bis dahin fehlenden Ausdruck für Staatsgebiet auch die Vorstellung der Gebietshoheit zu gewinnen; vgl. F. HAMPL, Polis ohne Territorium, Klio 32 (1939) S. 1 ff.; 55ff., F . GSCHNITZER, Gemeinde und Herrschaft, SB ö s t . Ak. Wiss., phil.-hist. Kl. 235, 3, 1960. lso D J e s e war, solange der Status der Untertänigkeit nur als Ubergangsstadium verstanden wurde, nur in der F o r m von ephemeren Entschädigungen für entstandene Kriegskosten, den Unterhalt und die Besoldung der im feindlichen Land stationierten Truppen denkbar gewesen. - Zur späteren ideologischen Begründung der Tributpflicht s. Cic. ad Q . fr. 1 , 1 , 3 4 : id autem imperium cum retineri sine vectigalibus nullo modo possit, aequo animo parte aliqua suorum fructuum pacem sibi sempiternam redimat atque otium. 151
152
So wurden das frühere Königsland im syrakusanischen Gebiet und der leontinische Acker 2 1 2 v. C h r . zugunsten des römischen Volkes eingezogen und den früheren Besitzern auf dem Wege der Pachtung gegen einen Bodenzins (vectigal) zur Nutzung überlassen (TH. MOMMSEN, RStR. III, S. 730 ; 734; vgl. T . FRANK, JRS 17 (1927) S. 141 ff.). V o n grundlegender Bedeutung dazu sind jetzt die Ausführungen von J. BLEICKEN, In provinciali solo dominium populi Romani est vel Caesaris, Chiron 4 (1974) S. 359ff.
Die Begründung der Territorialherrschaft
73
der lex Hieronica implizierte. Die eingetriebenen Steuern sind somit „ A u s d r u c k der römischen Herrschaft, nicht des römischen Eigentums" 1 5 3 . Die auf dem Siegerrecht beruhende absolute Verfügungsgewalt, zunächst und ihrem Wesen nach die Möglichkeit, jeden Herrschaftsmechanismus zu installieren, der den Römern und ihrer politischen Umwelt theoretisch faßbar ist, hatte sich mit den ersten konkreten Rechtsformen der durch ihre Perpetuierung begründeten Untertänigkeit zur Herrschaftsausübung gewandelt. Die Summe der dabei in den folgenden Jahrzehnten gemachten Erfahrungen zog schließlich die lex Rupilia.
153
J . BLEICKEN, a a O . S. 4 0 5 .
II. Herrschaft als Ausübung von Gewalt: Die Provinzen der Republik 1. Provincia. Die Entwicklung des Begriffes D e r Begriff provincia beinhaltete ursprünglich den Aufgabenbereich, den die Imperiumträger entweder unter sich ausmachten oder der ihnen v o n Senat und Volk zugeteilt wurde. E r diente erst dann zur Bezeichnung einer sachlichen und räumlichen Verwaltungseinheit, als die Tätigkeitsgebiete der Promagistrate in der Regel mit den Grenzen der historisch gewachsenen Herrschaftsgebiete zusammenfielen 1 . Die Benennung der auf spanischem, afrikanischem und kleinasiatischem Boden eingerichteten P r o vinzen als Hispania, Africa und Asia sagt konkret nichts anderes, als daß in diesen geographischen Räumen die dorthin entsandten Imperiumträger die römischen Interessen im weitesten Sinne des Wortes zu wahren hatten, unter denen die militärische Sicherung des Untertanengebietes und die Durchsetzung
des römischen Willens innerhalb dessen Grenzen natur-
g e m ä ß den ersten Platz einnahmen 2 . Erst die Jahr für Jahr geübte Anwendung des Begriffes auf untertänige Länder und das Nebeneinander mehrerer Provinzen in einem geographischen R a u m führte zur Gleichsetzung 1
N a c h w i e v o r grundlegend T H . MOMMSEN, G e s . Schrift. I V , S. 9 2 f f ; R S t R . I , S. 5 1 , d e s s e n E i n e n g u n g des B e g r i f f e s auf den W i r k u n g s k r e i s eines Imperiumträgers nicht unw i d e r s p r o c h e n geblieben ist. Z u s a m m e n f a s s e n d e B e h a n d l u n g bei F . DE MARTINO, Storia della c o s t i t u z i o n e r o m a n a I , S. 4 1 4 f f . , P . P . SPRANGER, U n t e r s u c h u n g e n z u den N a m e n der r ö m i s c h e n P r o v i n z e n , D i s s . T ü b i n g e n 1955 ( m a s c h s c h r i f t l . ) , S. 1 7 0 f f . B e i d e W o r t b e d e u t u n g e n laufen b i s in die f r ü h e Kaiserzeit nebeneinander her; der ursprüngliche Sinn liegt z u m Beispiel v o r , als 6 0 v. C h r . der Senat den künftigen K o n s u l n C a e s a r und Bibulus die S a u m p f a d e Italiens als p r o v i n c i a b e s t i m m t hatte (Suet. C a e s . 19); dagegen hat sich die g e o g r a p h i s c h e W o r t b e d e u t u n g bei C i c e r o d u r c h g e s e t z t , w e n n er die P r o v i n z e n als praedia p o p u l i R o m a n i anspricht (2 V e r r . 2 , 3 , 7 ; vgl. ad fam. 9 , 7 , 2 ) . D e r erste sichere B e w e i s f ü r die sich v e r ä n d e r n d e W o r t b e d e u t u n g ist, soweit ich sehe, die 1 7 4 v. C h r . von
2
Tiberius
Gracchus
am
Tempel
der M a t e r
Matuta
angebrachte
Siegesinschrift:
T i . S e m p r o n i G r a c c h i c o n s u l i s imperio auspicioque legio exercitusque p. R .
Sardiniam
s u b e g i t . In ea provincia h o s t i u m caesa aut capta supra o c t o g i n t a milia ( L i v .
41,28,8).
P . P . SPRANGER, a a O . p a s s . , dessen e n g e r e D e u t u n g , in dieser N a m e n s g e b u n g zeige sich ein imperialistischer A n s p r u c h R o m s auf noch nicht eroberte G e b i e t e in diesen R ä u m e n (ebenso
A . BETZ,
Gymnasium
71
( 1 9 6 4 ) S. 2 6 9 ) ,
der Einzelanalyse
e n t w i c k l u n g n i c h t s t a n d h ä l t ; vgl. auch E . BADIAN, R I , S. 2 3 .
der
Provinzial-
Provincia. Die Entwicklung des Begriffes
75
von Verwaltungseinheit und magistratischem Funktionsbereich, notwendig allein schon, um Kompetenzüberschreitungen zu vermeiden 3 . Es entspricht dieser begriffsgeschichtlichen Entwicklung, daß der Terminus provincialis in republikanischer Zeit sehr selten und im offiziellen Sprachgebrauch nie zur Bezeichnung der untertänigen Provinzialbevölkerung verwandt wurde 4 . Die gleichen Voraussetzungen gelten für die begriffliche Ausweitung von imperium als „Befehlsgewalt und Befehlsbereich des römischen Volk e s " 5 . Zunächst verstanden als Amtsgewalt eines römischen Beamten, hier der römischen Provinzialstatthalter, wurde der Begriff ausgedehnt auf das Amtsgebiet, in dem diese Gewalt wirksam wurde, dann, als äußeres Kennzeichen der Macht Roms, (untechnisch) als imperium populi Romani gefaßt, und schließlich, als Addition aller Befehlsbereiche der einzelnen Statthalter, zum Imperium Romanum (Tac. 2,61,2) als Herrschaftsbereich des römischen Volkes stilisiert. Diese hinreichend bekannten Fakten sind der Frage nach den Motiven zugrunde zu legen, die zu den Provinzgründungen nach der Einrichtung Siziliens geführt haben. Sind die dort praktizierten Herrschaftsformen als Modell begriffen und zielstrebig im Verlauf der Expansion auf die neu gewonnenen Gebiete übertragen worden? Oder war es, wie bei der Entsendung eines Prätors nach Sizilien und Sardinien, die Sorge um die eigene Sicherheit und die der neu hinzugekommenen Einflußsphären, die durch die Etablierung der ständigen militärischen Präsenz erreicht werden sollte? Es spielt dabei keine Rolle, ob diese Sorge tatsächlich den realen Gegebenheiten entsprach oder ob allein in der römischen Vorstellung die politische Konstellation gefährlich schien, da die römische Interpretation der Sachlage die einzig verbindliche war. Bejaht man das letztere, so ergibt sich notwendig für die Ausprägung konkreter Herrschaftsformen, daß sie das Ergebnis eines Anpassungsprozesses einer längeren vorwiegend militärischen Gewaltausübung an die zivilen und administrativen Bedürfnisse des unterworfenen Landes sind. D i e Dynamik dieses Prozesses wird dabei wechselseitig bestimmt: einmal durch die in längeren Friedenszeiten wachsende Bereitschaft der militärischen Kommandoträger, ihren Aufgabenbereich über den primär militärischen Auftrag hinausgehend zu begreifen, und zum anderen durch die von 3 4 5
Vgl. P. WILLEMS, Le sénat de la république romaine II, 1885, S. 532ff. D a z u D . KIENAST, Z. Sav. Stift. R. A . 85 (1968) S. 332 Anm. 3. A . ROSENBERG, R E 9 (1916) Sp. 1210f.; vgl. U . VON LÜBTOW, D a s römische Volk, 1955, S. 652, W . SUERBAUM, V o m antiken zum frühmittelalterlichen Staatsbegriff, 1961, S. 52ff.
76
Herrschaft als Ausübung von Gewalt
Fall zu Fall verschieden schnell und tiefgreifend sich entwickelnde Erkenntnis der Unterworfenen, mit der fremden Macht, auf deren Beseitigung ernsthaft nicht mehr zu hoffen war, leben, und dort, wo eine eigene Entscheidung angesichts einer möglichen Konfrontation mit den römischen Interessen nicht mehr möglich schien, diese auch fördern zu müssen. Das beim ersten flüchtigen Zusehen auffallende Faktum, daß sich innerhalb der einzelnen Provinzen die römische Verwaltungstätigkeit mit verschiedener Intensität entwickelte und man unter diesem Gesichtspunkt durchaus von fortgeschrittenen und rückständigen Provinzen sprechen kann, findet so seine natürliche Erklärung. Die Schlüsselrolle in diesem sich erst langsam entwickelnden Herrschaftssystem kam zweifellos den Provinzialstatthaltern zu. Ihre Machtfülle war absolut; sie verkörperten in den Provinzen Rom unmittelbar, und weder über noch neben ihnen gab es eine Instanz, der sie verantwortlich gewesen wären oder an die die Untertanen hätten appellieren können 6 . Selbst die später gegen erpresserische Bereicherung in den Provinzen eingerichteten Repetundengerichte besaßen demgegenüber aufs Ganze gesehen den Wert des berühmten Tropfens auf dem heißen Stein, so daß den Unterworfenen im Grunde nur die Zuversicht blieb, daß die Prolongierung eines promagistratischen imperiums einmal aufhörte und - vielleicht - ein Mann vom Schlage eines Rutilius Rufus das Kommando übernahm. Daraus folgt, daß auf die Dauer der römischen Herrschaft hin gesehen die Summe der Erfahrungen und Berichte der Provinzialprätoren die Richtung bestimmte, in der schließlich mehr und mehr zielbewußt ein den eigenen Möglichkeiten und den vorgefundenen Gegebenheiten adaequates Herrschaftsschema angestrebt wurde. Auf eine kurze Formel gebracht ist die Entstehung der römischen Provinzialherrschaft dadurch gekennzeichnet, daß die Sache (die Herrschaft) das Programm (die Art und Weise des Herrschens) bestimmte und nicht umgekehrt.
6
C i c . ad Q . f r . 1,1,22 . . . tot civitates unius hominis nutum intuentur, ubi nullum auxilium est, nulla conquestio, nullus senatus, nulla contio. Zu den Aufgaben eines Statthalters s. ad Q . fr. 1 , 1 , 2 5 ; 32.
77
D i e Provinzialisierung Spaniens
2. Die Provinzialisierung
Spaniens
a) Der Krieg gegen Karthago: Die spanischen Völker als Bundesgenossen (218-206 v. Chr.) Die römische Eroberung spanischer Gebiete7 ist wie die Eroberung Siziliens ein Ergebnis des Sieges über Karthago. Beide Länder waren weder das Kriegsziel Roms noch selbstgewählte Kriegsschauplätze, sondern vom Gegner kontrollierte Territorien, aus denen er vertrieben werden mußte, um seine Machtbasis empfindlich zu schwächen8. Dieses Ziel schloß die Inbesitznahme der von Karthago gehaltenen spanischen Länder von vornherein solange aus, solange die römische Kriegführung auf die Hilfe der einheimischen Völker angewiesen war und dieser nur sicher sein konnte, wenn sie peinlich genau an der Identität der eigenen Kriegsziele mit denen der Bundesgenossen festhielt, die den Teufel nicht mit Beelzebub austreiben wollten. Die zur Niederwerfung des Gegners auf spanischem Boden anzuwendenden Mittel waren damit durch die vorgefundene Lage bereits festgelegt: Die beiden Scipionen, die von 218-211 die römischen Armeen in Spanien führten, suchten neben ihren kriegerischen Unternehmungen vor allem durch Bündnisabschlüsse mit den Einheimischen die südlich des Ebro keineswegs durchgehend gefestigte Epikratie zu sprengen9. Dabei gelang es ihnen über den spanischen Kriegsschauplatz hinausgreifend bereits 214/13, mit dem numidischen König Syphax freundschafdiche Beziehungen anzuknüpfen, die ganz auf eine offensive Kriegführung auch auf afrikanischem Boden abgestellt waren10. Diese Politik des Zusammengehens mit den spanischen und gegebenenfalls afrikanischen Stämmen gegen den karthagischen Machteinfluß ist von 7
Z u d e m hier i m einzelnen nicht relevanten Verlauf der r ö m i s c h e n E r o b e r u n g Spaniens sei auf die S t a n d a r d w e r k e v e r w i e s e n : G r u n d l e g e n d K . GÖTZFRIED, Annalen der r ö m i schen
Provinzen
beider
Spanien
218-154,
Diss.
Erlangen
1 9 0 7 , E . ALBERTINI,
Les
d i v i s i o n e s administratives de l ' E s p a g n e r o m a i n e , 1 9 2 3 , S. 9 f f . , C . H . V . SUTHERLAND, T h e R o m a n s in Spain, 1 9 3 9 und E . BADIAN, F C , S. 1 1 6 f f . , mit d e m ich in den w e s e n t lichsten Punkten übereinstimme. 8
L.
HOMO,
L ' I t a l i e primitive et les débuts de L'imperialisme r o m a i n ,
1 9 2 5 , S.
374.
J . M . BLAZQUEZ, Las alianzas en la Península Ibérica y su repercusión en la progresiva c o n q u i s t a r o m a n a , R I D A 14 ( 1 9 6 7 ) S. 2 2 0 ; 2 2 2 f . 9
L i v . 2 1 , 6 0 , 1 f f . : (Scipio) e x p ó s i t o ibi exercitu orsus a Lacetanis o m n e m o r a m usque ad * Hiberum
flumen
partim
renovandis
societatibus
partim
novis
instituendis
romanae
d i c i o n i s fecit . . . nec pax m o d o aput e o s sed societas etiam a r m o r u m parta est. V g l . E . BADIÁN, F C , S. 1 1 6 , J . M . BLAZQUEZ, a a O . S . 2 2 3 f f . 10
D a z u V f . , S t r u k t u r , S. 2 2 9 f .
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H e r r s c h a f t als A u s ü b u n g von G e w a l t
Publius Scipio (dem späteren Africanus) konsequent und erfolgreich fortgesetzt worden. Der 208 zustande gekommene Vertrag mit dem Ilergetenfürsten Indibilis kann als typisch für Form und Inhalt der mit einer Reihe spanischer Stammesführer hergestellten völkerrechtlichen Verhältnisse gelten 1 1 . Nach Polybios bestand der Hauptinhalt der beschworenen Vereinbarungen in der Festlegung der iberischen Waffenhilfe und in der Unterordnung der zu stellenden Hilfstruppen unter das Kommando des römischen Imperiumträgers 12 . Ganz offensichtlich handelte es sich um ad hoc zustandegekommene Militärpakte, die auf gemeinsam festgelegte Ziele hin abgeschlossen wurden und nach deren Erreichen erlöschen sollten 1 3 . Scipio strebte keine für die Nachkriegszeit verbindliche Regelung an, zu der die spanischen Fürsten, denen es um die Beseitigung der als drückend und ungerecht empfundenen karthagischen Herrschaft und die Wiederherstellung der alten Freiheit ging 14 , gewiß nicht in dieser F o r m bereit gewesen wären, sondern er beschränkte sich auf die Verstärkung der eigenen (und damit auf die Schwächung der gegnerischen) 11
J . M . BLAZQUEZ, a a O . S. 2 3 0 f f . D e r erste spanische G r o ß e , der sich zur Z u s a m m e n a r b e i t mit S c i p i o bereit f a n d , w a r d e r E d e t a n e r f ü r s t E d e k o n , der nach der E i n n a h m e Neukarthagos
i m r ö m i s c h e n Lager erschien, die deditio vollzog und in die amicitia
aufgenommen
wurde
R ö m e r davon
überzeugen,
Stammesfürsten
(Polyb.
10,34,1-35,1).
Polybios
daß seine A n e r k e n n u n g
dazu b r i n g e n w ü r d e ,
zufolge
konnte
Edekon
den
als amicus et socius die übrigen
„ i h m (Scipio) bedingungslos als seine
Bundes-
g e n o s s e n bei allen O p e r a t i o n e n zu h e l f e n " , und er selbst darauf brenne, „ n a c h besten K r ä f t e n seine u n d seiner F r e u n d e E r g e b e n h e i t gegen Scipio und die r ö m i s c h e Sache zu b e w e i s e n " ( 3 4 , 8 f . ) . D e r nächstliegende Schluß daraus ist, daß Scipio hier analog wie im
Falle
des
Indibilis
die
Kampfesbereitschaft
des
Spaniers
vertraglich
fixierte
(so
K . GÖTZFRIED, a a O . S. 2 1 ) ; anders D . KIENAST, Z . Sav. Stift. R . A . 85 ( 1 9 6 8 ) S. 3 3 8 f „ d e r die p e r s ö n l i c h e A u f n a h m e des E d e k o n in die amicitia für das ausschlaggebende Moment
des V o r g a n g e s
ankommen,
h ä l t . F ü r S c i p i o m u ß t e es jedoch einzig und allein
darauf
den ganzen S t a m m , dessen F ü h r e r E d e k o n w a r und den er nach außen
r e p r ä s e n t i e r t e , f ü r den K r i e g einsetzen z u k ö n n e n . 12
Polyb.
10,38,3.
E . BADIAN,
H . H . SCHMITT, D i e Staatsverträge des A l t e r t u m s I I I ,
FC,
S. 1 1 7 .
Zu
den
spanischen
Hilfskontingenten
s.
1 9 6 9 , S. 2 7 7 ,
T . YOSHIMURA,
H i s t o r i a 10 ( 1 9 6 1 ) S . 4 8 9 f . 13
P o l y b i o s e r w ä h n t nichts v o n einer Vertragsbestätigung durch Senat und V o l k in R o m , w a s - falls es keine A u s l a s s u n g ist - seinen G r u n d entweder darin hat, d a ß diese V e r t r ä g e nicht generell und umfassend das zukünftige Schicksal zwischen den partnern
r e g e l t e n (nicht d u r c h s c h l a g e n d ,
genossenschaftsvertrag oder Ausdruck
mit
da der ebenfalls zeitlich befristete
dem A i t o l i s c h e n
Bund
VertragsBundes-
2 1 2 v o m V o l k ratifiziert
wurde),
der U b e r z e u g u n g S c i p i o s ist, daß Vertragsabschlüsse in die
alleinige
K o m p e t e n z des I m p e r i u m t r ä g e r s fallen. D a v o n ging er jedenfalls aus, als er 201 dem Senat androhte,
den V e r t r a g mit K a r t h a g o auf eigene V e r a n t w o r t u n g
falls dieser die von i h m (App. Lib. 56,245). 14
P o l y b . 10,36,1 ff.
ausgehandelten
Präliminarien
abzuschließen,
nicht z u ratifizieren
gedenke
Die Provinzialisierung Spaniens
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Position. Das wesentliche Element des Erfolges seiner diplomatischen Bemühungen um die einheimischen Stämme liegt in der Glaubwürdigkeit, mit der er die Ziele seiner Kombattanten zu seinen eigenen machte. Gerade hier liegt aber der eigentliche Grund der praktisch sofort nach der Vertreibung der Karthager einsetzenden Abfallbewegung unter den spanischen Bundesgenossen. Nach der Entscheidungsschlacht von Illipa im Frühjahr 206 und der Zurückdrängung der letzten intakten karthagischen Armeeinheiten auf den Raum um Gades begann Scipio mit der Unterwerfung spanischer Völker 15 . Dazu zwang ihn die nüchterne Erkenntnis, daß sein bereits zu diesem Zeitpunkt gefaßter Plan, den Krieg auf afrikanischem Boden zu entscheiden 16 , nur dann Aussicht auf Erfolg haben konnte, wenn in Spanien ein erneutes Zusammengehen Karthagos mit Rom feindlichen Stämmen unmöglich gemacht worden war. Es scheint, daß auch der Senat aus ähnlichen Erwägungen heraus auf eine Regelung der spanischen Verhältnisse drängte; jedenfalls berichtet Zonaras, daß Scipio den Auftrag erhalten habe, nexpiS °tv irocvra Tot ev TFJ 'Ißripia KOTTCKJTTIOT) äpxeiv TCOV EKEI NPOAETDXÖTI 1 7 • Diese von der Intention her nach wie vor auf den Krieg mit Karthago und nicht auf die Aufrichtung der römischen Herrschaft in Spanien zielende Politik konnte jedoch in ihrer faktischen Auswirkung, der Zerschlagung Rom möglicherweise feindlich gesinnter Machtkonstellationen und der Stationierung römischer Truppen als Kontrollorgane, von den spanischen Fürsten gar nicht anders als die Ablösung des karthagischen durch den römischen Herrschaftsanspruch verstanden werden 18 . Die von den 15
A p p . Ib. 2 8 , 1 1 1 : aÜTÖs (sc. Scipio) 8 ' i i r ^ e i Tf|V oAXt^v 'lßr|piav Kai ÜTT-f]yETO. Zu den einzelnen O p e r a t i o n e n s. P o l y b . L L , 2 4 , 1 0 f . , K . GÖTZFRIED, aaO. S. 2 6 f f . , T . R . S. BROUGHTON, M R R I, S. 2 2 9 , F. W . WALBANK, C o m m . on P o l y b . II, 1 9 6 7 , S. 305.
16
P o l y b . 1 1 , 2 4 a , 1 - 3 . Liv. 2 8 , 1 7 , 2 f . Z u r Einordnung des polybianischen Fragments F. W . WALBANK, aaO. S. 1 8 . 9 , 1 0 , 1 . P o l y b . 1 1 , 3 3 , 8 berichtet anläßlich der Abreise Scipios nach R o m , TTÖCVTCX KORRCT TT)V ' I ß r i p i a v S I A T Ä ^ A S , und bestätigt damit, daß Scipio eine O r d n u n g der Dinge v e r s u c h t haben muß. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß dies o h n e Absprache mit dem Senat geschah; vgl. K . GÖTZFRIED, a a O . S. 25. Die Nachricht Appians,