Fürsorge und Herrschaft: Das spätmittelalterliche Fürsorgesystem der Stadt Münster und die Trägerschaft des Rates 9783402150559, 3402150557


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German Pages [457] Year 2013

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Title
Inhalt
Vorwort
Einleitung
I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht
1. Das Fürsorgewesen der Stadt Münster bis 1245
2. Die Kommunalisierungsphase des 13. Jahrhunderts
3. Die Trägerschaft des Rates und der Kirchspiele
4. Die Grenzen der Macht: Domkapitularische und monastische Trägerschaft
5. Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger
II. Administrative Regulierung: Temporalia
1. Die Provisoren: Aufgaben und Funktion
2. Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft
3. Die interne Verwaltungsstruktur
III. Administrative Regulierung: Spiritualia
1. Städtische Benefizien in Armenhäusern
2. Das Patronatsrecht des Rates
3. Privates Patronatsrecht: Die Abkehr vom Rat
IV. Ökonomische Regulierung
1. Finanzielle Hilfe durch den Stadtrat
2. Zustimmung bei Wirtschaftsverträgen
3. Rationalisierung der Rechnungsführung
4. Prüfung der Rechnungsbücher
5. Siegel und Archive
6. Der Stadtrat als Vertragspartner
V. Soziale Regulierung
1. Verabschiedung von Hausordnungen
2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen
3. Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht
4. Verhaltensregeln
VI. Spezialisierung und Generalisierung
1. Die Zielgruppe der Pilger, Fremden und Reisenden
2. Die Zielgruppe der Leprosen
3. Die Zielgruppe der Pestkranken
4. Funktionswandel und Generalisierung
VII. Zentralisierung und Dezentralisierung
1. Die erste Stiftungsphase: Dezentralisierung nach 1300
2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa
3. Das Stiftungsverbot des Rates
4. Die zweite Stiftungsphase: Dezentralisierung nach der Stiftsfehde
VIII. Interaktion und Kooperation
1. Institutionen als Vertragspartner
2. Provisoren in wechselnden Institutionen
3. Gemeinsame Kassen und gemeinsame Verwaltung
4. Interinstitutionelle Kooperation
Zusammenfassung
Quellen und Literatur
Verzeichnis der Amtsträger
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Fürsorge und Herrschaft: Das spätmittelalterliche Fürsorgesystem der Stadt Münster und die Trägerschaft des Rates
 9783402150559, 3402150557

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WIV 15 Mit ihrem Aufstieg im Mittelalter wurden Städte zu Konzentrationspunkten der Armut. Dieser neuen Form der Armut galt es auf kommunaler, kirchlicher und bürgerlicher Seite durch die Gründung von Hospitälern, Armenhäusern und Almosenkörben zu begegnen. Zur mittelalterlichen Geschichte einzelner Hospitäler liegen zahlreiche Studien vor, institutionsübergreifende Untersuchungen zur Gesamtheit der Fürsorgeeinrichtungen einer Stadt – inklusive der oftmals vernachlässigten offenen Armenfürsorge – sind jedoch nach wie vor die Ausnahme. Eine derartige Arbeit unter rechtshistorischem Ansatz stand bisher aus.

ISBN 978-3-402-15055-9

Fürsorge und Herrschaft

Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte

Mirko Crabus

Die vorliegende Studie leistet eine Synopsis sämtlicher Fürsorgeinstitutionen der Stadt Münster. Mit seinen 33 Einrichtungen, die zwischen Stadtwerdung und Täuferreich Bestand hatten, bietet sich Münster für einen komparativen Ansatz in besonderer Weise an. Im Fokus steht dabei das Mit- und Gegeneinander der Institutionen und ihrer Träger sowie ihre Verortung innerhalb des kommunalen Fürsorgesystems. Wessen Trägerschaft unterstanden die einzelnen Einrichtungen, und wie gestalteten sich Kommunalisierungsprozesse? Wie unterschieden sich die einzelnen Institutionen in administrativer, ökonomischer und sozialer Hinsicht? Inwieweit waren sie hinsichtlich ihrer Funktion und ihres Spezialisierungsgrades aufeinander abgestimmt? Wie planvoll interagierten die Institutionen untereinander und wie weit reichte ihre prosopographische Vernetzung? In welchem Grade waren sie voneinander abhängig? Wie zentral war das Fürsorgewesen organisiert, und gab es eine systemumfassende Hierarchie? Welchen Einfluss hatten Krisen und Katastrophen? Und nicht zuletzt: Welche Handlungsspielräume hatte der Stadtrat, der als städtische Obrigkeit wie auch als Institutionsträger zwar seinen Einfluss geltend machen konnte, dem durch andere Träger und durch den Willen der Stifter aber klare Grenzen gesetzt waren?

Westfalen in der Vormoderne

Band 15

Mirko Crabus

Fürsorge und Herrschaft Das spätmittelalterliche Fürsorgesystem der Stadt Münster und die Trägerschaft des Rates

Crabus Fürsorge und Herrschaft

Mirko Crabus

Fürsorge und Herrschaft Das spätmittelalterliche Fürsorgesystem der Stadt Münster und die Trägerschaft des Rates

Westfalen in der Vormoderne Studien zur mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Landesgeschichte Herausgegeben von Werner Freitag, Stefan Gorißen, Thomas Schilp, Eva-Maria Seng und Siegrid Westphal Geschäftsführender Herausgeber: Werner Freitag Band 15

Gedruckt mit Unterstützung Unterstützung des Landschaftsverbandes Westfalen Lippe und des Exzellenzklusters „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und Moderne“ der Westfälischen Wilhelmsuniversität Münster

© 2013 Aschendorff Verlag GmbH & Co. KG, Münster Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Druck: Aschendorff Druckzentrum GmbH & Co. KG, Münster 2013 Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier ISBN 978-3-402-15055-9

Inhalt

Vorwort

.............................................................................................................. 9

Einleitung ........................................................................................................ 11

I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht .......... 19 1.

Das Fürsorgewesen der Stadt Münster bis 1245 .......................................... 20

2.

Die Kommunalisierungsphase des 13. Jahrhunderts ................................... 35

3.

Die Trägerschaft des Rates und der Kirchspiele ........................................... 47

4.

Die Grenzen der Macht: Domkapitularische und monastische Trägerschaft ...................................... 56

5.

Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger .......................... 64

II. Administrative Regulierung: Temporalia ....................... 73 1.

Die Provisoren: Aufgaben und Funktion ..................................................... 73

2.

Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft .................................... 80

3.

Die interne Verwaltungsstruktur ................................................................... 96

6

Inhalt

III. Administrative Regulierung: Spiritualia ......................

111

1.

Städtische Benefizien in Armenhäusern ........................................................ 111

2.

Das Patronatsrecht des Rates ......................................................................... 118

3.

Privates Patronatsrecht. Die Abkehr vom Rat ............................................. 136

IV. Ökonomische Regulierung ......................................................... 147 1.

Finanzielle Hilfe durch den Stadtrat ............................................................. 149

2.

Zustimmung bei Wirtschaftsverträgen .......................................................... 152

3.

Rationalisierung der Rechnungsführung ...................................................... 158

4.

Prüfung der Rechnungsbücher ...................................................................... 166

5.

Siegel und Archive .......................................................................................... 179

6.

Der Stadtrat als Vertragspartner .................................................................... 187

V. Soziale Regulierung ..........................................................................

199

1.

Verabschiedung von Hausordnungen ........................................................... 199

2.

Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen ........................................... 207

3.

Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht ........................................................... 219

4. Verhaltensregeln .............................................................................................. 227

VI. Spezialisierung und Generalisierung ................................ 237 1.

Die Zielgruppe der Pilger, Fremden und Reisenden .................................... 240

2.

Die Zielgruppe der Leprosen ......................................................................... 250

Inhalt

7

3.

Die Zielgruppe der Pestkranken..................................................................... 261

4.

Funktionswandel und Generalisierung ......................................................... 277

VII. Zentralisierung und Dezentralisierung ...................... 283 1.

Die erste Stiftungsphase: Dezentralisierung nach 1300 ............................... 284

2.

Die Errichtung des Armenhauses zur Aa ..................................................... 290

3.

Das Stiftungsverbot des Rates ........................................................................ 302

4.

Die zweite Stiftungsphase: Dezentralisierung nach der Stiftsfehde ........... 310

VIII. Interaktion und Kooperation ............................................ 315 1.

Institutionen als Vertragspartner ................................................................... 315

2.

Provisoren in wechselnden Institutionen ..................................................... 329

3.

Gemeinsame Kassen und gemeinsame Verwaltung ..................................... 333

4.

Interinstitutionelle Kooperation .................................................................... 346

Zusammenfassung ........................................................................................ 367 Quellen und Literatur 1.

Ungedruckte Quellen ..................................................................................... 375

2.

Gedruckte Quellen und Literatur ................................................................. 377

8

Inhalt

Anhang: Verzeichnis der Amtsträger 1.

Almosenkorb Aegidii ..................................................................................... 395

2.

Almosenkorb Ludgeri .................................................................................... 399

3.

Almosenkorb Martini ..................................................................................... 400

4.

Antoniushospital ............................................................................................. 402

5.

Armenhaus Jüdefeld ........................................................................................ 406

6.

Armenhaus Prussen ........................................................................................ 406

7.

Armenhaus St. Johannis ................................................................................. 407

8.

Armenhaus Wegesende ................................................................................... 407

9.

Armenhaus Wessede ....................................................................................... 409

10. Armenhaus Zumbusch ................................................................................... 411 11. Armenhaus zur Aa........................................................................................... 413 12. Armenhaus Zurwieck...................................................................................... 418 13. Armenhäuser Boterman, thor A, Hoeker und Tilbeck ............................... 420 14. Armenkleidung Lamberti ............................................................................... 420 15. Domelemosine ................................................................................................. 422 16. Elende Aegidii ................................................................................................. 423 17. Elende Lamberti .............................................................................................. 424 18. Elende Überwasser ......................................................................................... 424 19. Gasthaus ........................................................................................................... 425 20. Heiliggeistkorb Lamberti................................................................................ 425 21. Heiliggeistkorb Überwasser............................................................................ 429 22. Hospital in der Venne ..................................................................................... 429 23. Leprosorium Kinderhaus................................................................................ 430 24. Magdalenenhospital......................................................................................... 438 25. Speckpfründe Ludgeri/Armenhaus Speckpfründe Ludgeri ........................ 450 26. Zwölfmännerhaus Ludgeri ............................................................................. 450

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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jahre 2011 an der Westfälischen Wilhelms-Universität als Dissertation eingereicht. Betreut wurde sie von Prof. Dr. Werner Freitag, das Zweitgutachten übernahm Prof. Dr. Dietrich Poeck. Für den Druck wurde die Arbeit leicht überarbeitet, aktualisiert und insbesondere um ein Verzeichnis der münsterischen Ratsherren gekürzt. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Werner Freitag für die kritische Begleitung und Unterstützung der Arbeit sowie die Möglichkeit zur Publikation. Danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stadtarchivs Münster, namentlich Dr. Hannes Lambacher und Anja Gussek, für hervorragende Arbeitsbedingungen und einen stets unkomplizierten Zugang zu den Quellen. Ebenso bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bistumsarchivs Münster, des Landesarchivs NRW Abteilung Münster sowie des LWL-Archivamts für Westfalen zu Dank verpflichtet. Für interessante und aufschlussreiche Diskussionen sowie für kon­struktive Kritik danke ich Dr. Ralf Klötzer. Für Gespräche und Korrekturen, mehr aber noch für Dasein und Sosein danke ich schließlich Leonie Kegel M.A. Münster, im Juni 2012 Mirko Crabus

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Einleitung „Keine Stadt Deutschlands hat wohl verhältnismäßig so viele Armenhäuser oder Stiftungen, als die Stadt Münster. (...) Mir ward die Summe der jährlich für die Armen auszuteilen bestimmten Gelder von gut unterrichteten Personen so hoch angegeben, dass ich mich nicht getraue, sie wieder so anzuzeigen. Denn nach dieser Angabe muss man die münsterischen Armen eigentlich reich nennen.“1

Mit diesen Worten beschrieb der preußische Staatsmann Justus Gruner zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Fürsorgewesen der Stadt Münster. Tatsächlich existierten zu dieser Zeit nicht weniger als 23 Fürsorgeinstitutionen für insgesamt etwa 250 Personen.2 Dieses komplexe Netz von Armenhäusern, Hospitälern und Almosenkörben war allerdings keine Errungenschaft der Neuzeit. Vielmehr wurden seine Grundlagen bereits im Spätmittelalter gelegt. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine Analyse des spätmittelalterlichen Fürsorgesystems der Stadt Münster. Als Fürsorgesystem sei dabei die Summe aller Fürsorgeinstitutionen begriffen, die sich durch ein gemeinsames Ziel – nämlich die Versorgung der städtischen Armen – und eine gemeinsame Methode der Zielverwirklichung – nämlich deren Verpflegung und Unterbringung – aufeinander bezogen, untereinander interagierten und so eine gemeinsame Struktur herausbildeten, die sie von ihrer Umwelt absetzte.3 Fürsorgeinstitution meint in diesem Zusammenhang eine dauerhafte, rechtsfähige Körperschaft mit Fürsorgefunktion, die zumindest innerhalb eines gewissen Rahmens eigenständig Verträge schließen konnte, eine eigene Kasse unterhielt und eine interne Verwaltungsstruktur aufwies. Nicht Thema dieser Arbeit sind demnach insbesondere testamentarische Legate4, Ärzte und Apo1 2 3

4

Zitiert nach Gründer, Arme, Armut und Armenwesen, S. 161. Vgl. auch Vahle, Das städtische Armenwesen Münsters, S. 376. Gründer, Arme, Armut und Armenwesen, S. 161. Auch Neithard Bulst (Konstanzer Arbeitskreis, Arbeitstagung 2002, S. 81) spricht in seiner Zusammenfassung der Tagungsergebnisse von einem „System“ der städtischen Fürsorge und nennt als Forschungsdesiderate insbesondere den Grad seiner Rationalität und seine Defizite. Klötzer (Kleiden, S. 324, S. 7) bezeichnet das frühneuzeitliche Fürsorgewesen der Stadt Münster als ein „gewachsenes System“ und als „gesellschaftlich strukturiertes politisch-administratives Gesamtsystem“, Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 33) spricht von einem „städtischen Fürsorgesystem“. Boldt (Braunschweig, S. 5) hingegen sieht im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fürsorgewesen der Stadt Braunschweig ein vom Stadtrat geschaffenes „Netz gleichstrukturierter Fürsorgeanstalten“. Jakobi (Stiftungen, Caritas und Memoria, S. 70) spricht von einem „stadtumspannenden Netz“, das bereits im 15. Jahrhundert bestand und im 16. bis 18. Jahrhundert weiter ausgebaut wurde. In eine ähnliche Richtung weist Gestrich (Städtische Armenfürsorge, S. 88), der neben der Familie und den Kirchen und Orden vor allem in den städtischen Gemeinden „zentrale Solidaritätsverbände“ sieht. Diese nahm Klötzer (Kleiden, S. 196) in seiner Untersuchung der münsterischen Fürsorge der Nachtäuferzeit mit in den Blick. Demnach befinden sich im Stadtarchiv Münster 759 Testamente aus der Zeit vor 1600, von denen allerdings nur etwa ein Drittel öffent-

12

Einleitung

theker5 sowie Klosterinfirmarien.6 Als Bestandteile des Fürsorgesystems werden sowohl Institutionen der geschlossenen Armenfürsorge begriffen – also Armenhäuser und Hospitäler, die Bedürftigen Unterkunft gewährten – als auch Institutionen der offenen Armenfürsorge, die sich in der Austeilung von Viktualien, Kleidern oder Geld betätigten. Konstituiert wurde dieses System dabei durch die Aktionen und Reaktionen der in der Fürsorge aktiven Personen und Gruppen.7 Zu nennen sind hier die in der institutionsinternen Verwaltung tätigen Provisoren, Amtmänner und Kirchherren, insbesondere aber die Institutionsträger. Dies konnten Kirchspiele sein, Kirchen, Klöster und private Stifter. Der wichtigste Akteur mit den weitestge-

5

6

7

liche Testamente sind. Von diesen wiederum enthalten etwa die Hälfte pia legata mit religiösen, sozialen und gemeinnützigen Zwecken. Ein Stadtarzt ist in Münster erstmals 1412 als „mester Jacob, des stades arsten“ erwähnt. 1453 erscheint als Stadtarzt ein gewisser Johan. Vgl. Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 1, S. 22. 1458/59 zahlte die Kämmerei 1 Schilling an „Hinrike, den arsten“ und 1 Postulatsgulden an „Arnoldus apotheker“. Vgl. Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 79. Im wohl unmittelbar nach der Täuferzeit angelegten Eid- und Huldigungsbuch der Stadt Münster wurde außerdem die „Huldigunge des Wunden Arsten“ überliefert. Vgl. Offenberg, Eid- und Huldigungsbuch, S. 303. Über eine interne Infirmarie oder Krankenstation verfügte spätestens 1317 das Kloster Aegidii. WUB 8, Nr. 1159. Für das Minoritenkloster ist eine solche erstmals 1426 belegt. Erwähnt wurden „seken brodre in dem zekenhuss des conuentz der mynnerbrodere orden“. Dieses Siechenhaus meint eine architektonisch ausgelagerte Krankenstation auf dem Gelände des Ordens. MUB 534; Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 220. Eine ähnliche, als „officium infirmorum“ bezeichnete Einrichtung findet sich ab 1317 auch im Dom. WUB 8, Nr. 1120; vgl. auch Niesert, Bd. 7, S. 424f. Alle drei Einrichtungen sind weniger als eigenständige Institutionen, denn als organisatorisch und topographisch voll in die Strukturen ihrer Institutionen integrierte Abteilungen zu sehen. Ihre Funktion beschränkte sich auf die Betreuung der eigenen Schwestern und Brüder bzw. Kanoniker. Sie sind also vielmehr Ausdruck des selbstreferenziellen Phänomens Kloster als Bestandteil des städtischen Fürsorgesystems. Von einem subinstitutionellen Status ist wohl auch für die beiden Dorenkästen am Aegidiistadttor und an der Bergstraße auszugehen, die der Unterbringung von Geisteskranken dienten. Ersterer wird erstmals 1411 als „doren kasten“ erwähnt, der zweite 1429 schlicht als „kasten“. In beiden Fällen ist weder von einer internen Verwaltungsstruktur noch einer rechtlichen Eigenständigkeit, nicht einmal von einer regelmäßigen Belegung auszugehen. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii von 1411, fol. 22v; Armenhaus Zumbusch, Urk. 53. Diese Grenzziehung dürfte durchaus dem mittelalterlichen, zumindest aber dem frühneuzeitlichen Verständnis entsprochen haben. Als Herman Kerssenbrock 1573 seine Chronik über das münsterische Täufertum abschloss und dabei auch alle münsterischen Armenhäuser aufzählte, blieben alle oben erwähnten Einrichtungen ungenannt. Detmer, Kerssenbrock, S. 78f. Talcott Parsons schreibt in diesem Zusammenhang: „Soziale Systeme werden gebildet von Zuständen und Prozessen sozialer Interaktion zwischen handelnden Einheiten.“ Parsons, Das System moderner Gesellschaften, S. 15. Er bemerkt weiterhin (S. 14f.), dass soziale Systeme offen sind und im Austausch mit ihrer Umwelt stehen. Dies gilt auch für das spätmittelalterliche Fürsorgesystem. Weinfurter (Konstanzer Arbeitskreis, Arbeitstagung 2002, S. 90) betont, dass Hospitäler in ständiger Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Ordnung und ihrem Wandel standen und damit gewissermaßen einen „Spiegel der jeweiligen Gesellschaftsordnung“ darstellten.

Einleitung

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henden Handlungsspielräumen und Kompetenzen war aber der Stadtrat, der nicht nur als politische Vertretung der städtischen Gemeinde, sondern insbesondere als Träger zahlreicher Fürsorgeinstitutionen über komplexe Einflussmöglichkeiten verfügte. Ihm kommt als einzigem Beteiligten die Möglichkeit zu, das System zumindest in Ansätzen in seiner Gesamtheit zu koordinieren. Er soll daher im Zentrum der Analyse stehen. Betrachtet man die bisher zum Thema „Mittelalterliche Fürsorge“ erschienene Literatur, so fällt zunächst die Vielzahl der Arbeiten auf.8 Bis vor wenigen Jahren wurde die Geschichte der mittelalterlichen Fürsorge primär als eine Geschichte des Hospitals verstanden. Den ersten eher idealisierenden Arbeiten des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts über die „kirchliche Wohltätigkeitspflege“9 folgten wissenschaftlich fundiertere Untersuchungen, unter denen besonders die rechtsgeschichtliche Arbeit von Siegfried Reicke hervorzuheben ist. In dieser zeichnet er auf breiter Quellenbasis die verschiedenen Erscheinungsformen des Hospitals nach und entwirft auf dieser Grundlage einen systematischen Aufbau des deutschen Spitalrechts.10 Unter dem Einfluss Reickes entstehen in den 1960er Jahren vermehrt Dissertationen zu einzelnen Hospitälern, deren rechtsgeschichtlicher Ansatz sich aber zumeist auf Fragen der inneren Verwaltung konzentriert. Zugleich beginnt eine Auseinandersetzung mit dem Thema unter stadtgeschichtlichem Vorzeichen. Weiterhin entstehen Arbeiten mit medizinhistorischem11, baugeschichtlichem12 und insbesondere wirtschaftshistorischem Ansatz.13 Seit den 1970er Jahren wächst kontinuierlich die Erforschung des Hospitals aus sozialgeschichtlicher Perspektive, die verstärkt nach dem Phänomen mittelalterlicher Armut und der Lebenswirklichkeit der Insassen fragt,14 aber seit den 1980er Jahren auch nach den Stiftern,15 dem Hospital als Ort der Memoria,16 sowie nach dem prosopographischen Hintergrund der im Hospital vertretenen Personenkrei8 9 10 11 12 13 14 15 16

Einen guten Überblick liefert Drossbach e.a., Zur Perspektivität und Komplexität, S. 9. Insbesondere Ratzinger, Geschichte der kirchlichen Armenfürsorge; Uhlhorn, Die Christliche Liebesthätigkeit; Schaub, Die katholische Caritas und ihre Gegner; Liese, Geschichte der Caritas; Meffert, Caritas und Krankenpflege. Reicke, Das deutsche Spital. Vgl. insbes. Bd. 1, S. VII. Körner, Medizingeschichte der Stadt Xanten; Boedecker, Die Entwicklung der Hamburgischen Hospitäler; Ulshöfer, Spital und Krankenpflege; Loretan: Die Geschichte des Spitals in Brig; Jetter, Westdeutschland. Craemer, Das Hospital als Bautyp; Jetter, Das europäische Hospital. Eine archäologisch orientierte Einzelfallstudie für das Hohe Hospital in Soest bietet Lumpe, Pfalz – Hospital – Pfrundhaus. Wellschmied, Die Hospitäler der Stadt Göttingen; Militzer, Das Markgröninger HeiligGeist-Spital. Mollat, Die Armen im Mittelalter; Sachße/Tennstedt, Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1; Boldt, Das Fürsorgewesen der Stadt Braunschweig; Dreves, Das Armenwesen der Stadt Goslar; Slon, Die Spitäler Breslaus; Oexle, Armut im Mittelalter. Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit. Pohl-Resl, Rechnen mit der Ewigkeit; Queckenstedt, Die Armen und die Toten.

14

Einleitung

se.17 In jüngerer Zeit ist insbesondere auf den Funktionswandel von Hospitälern eingegangen worden18 sowie auf das Fürsorgewesen im Spannungsfeld von Norm und Praxis.19 Auch wurde die Internationalisierung der Hospitalsforschung weiter vorangetrieben.20 Als Forschungsdesiderat ist inzwischen auch die katastermäßige Erfassung aller Hospitäler einer Region erkannt worden.21 Bereits seit Mitte der 1960er Jahre bemüht man sich zudem um eine typologische Erfassung des Phänomens „Hospital“.22 Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang insbesondere zwei jüngere Tagungen der deutschen mediävistischen und frühneuzeitlichen Geschichtsforschung. Die erste fragte 1999 unter der Leitung Michael Matheus’ nach dem Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich, die zweite fand unter sozialgeschichtlichem Vorzeichen auf Einladung des Konstanzer Arbeitskreises für Geschichte im Jahre 2002 statt. Das große Spektrum der verschiedenen Erscheinungsformen, die man gemeinhin unter dem Begriff „Hospital“ subsummiert, führte hier zu einem Diskurs um die Tragfähigkeit des Begriffes „Hospital“ an sich. So unterschiedlich erscheinen die einzelnen Institutionen im Bezug auf ihre Insassen, ihre Träger sowie ihre Funktionen, dass am Ende feststand, dass es „das“ Hospital als solches überhaupt nicht gab.23 Die beiden daraus zu ziehenden Lehren sind zweifellos folgende: Erstens scheint das Erscheinungsbild der Fürsorgeeinrichtungen so stark zu variieren und von lokalen Gegebenheiten abhängig zu sein, dass das Verständnis des Phänomens „institutionelle Fürsorge“ nur unter Berücksichtigung weiterer lokalgeschichtlicher Arbeiten verbessert werden kann.24 Zweitens erscheint es sinnvoll, sich bei einer solchen Betrachtungsweise bewusst nicht auf die Hospitäler einer Stadt zu konzentrieren, sondern auch die von der Forschung oft vernachlässigten Institutionen der offenen Armenfürsorge miteinzubeziehen, um einen angemessenen Eindruck von dem Fürsorgesystem einer Stadt in seiner Gesamtheit zu gewinnen.25 Nur so lässt sich 17 Gros, Das Hohe Hospital in Soest; Fleck, Insassen westfälischer Hospitäler; Rabeler, Karikatives Handeln. 18 Matheus, Funktions- und Strukturwandel. 19 Schmidt/Aspelmeier, Norm und Praxis; Drossbach, Hospitäler in Mittelalter und Früher Neuzeit. 20 Drossbach, Hospitäler in Mittelalter und Früher Neuzeit; Scheutz, Europäisches Spitalwesen. 21 So erstellte Brans (Hospitäler, Siechen- und Krankenhäuser) ein Kataster für den Regierungsbezirk Aachen. Schulze (Lepra in Schleswig-Holstein und Hamburg) erstellte für die Zeitschrift „Die Klapper“ ein Kataster für Leprosorien. In den folgenden Ausgaben setzte Belker-van den Heuvel seine Arbeit fort. 22 Jetter, Westdeutschland; Jetter, Das europäische Hospital; Windemuth, Das Hospital. 23 Vgl. Drossbach e.a., Zur Perspektivität und Komplexität, S. 12f. 24 Ähnlich äußert sich auch Slon (Die Spitäler Breslaus, S. 31): „Die starke Abhängigkeit der Wohlfahrtseinrichtungen von den lokalen Gegebenheiten erfordert konkrete Forschungspostulate. Sie weist Regionalstudien einen besonderen Wert zu, die die Realien der einzelnen Regionen und Städte berücksichtigen.“ 25 Lange galt die etwa von Zechlin (Lüneburgs Hospitäler, S. 1) 1907 als ersten Satz seiner Arbeit über die mittelalterlichen Hospitäler Lüneburgs formulierte Auffassung, „die

Einleitung

15

auch die auf der Arbeitstagung 200226 formulierte Frage nach dem Mit-, Neben- und Gegeneinander kommunaler Fürsorgeinstitutionen befriedigend beantworten. Das ebenfalls dort festgestellte Forschungsdesiderat im Bereich der Untersuchung des Übergangs einzelner Institutionen von der kirchlichen in die städtische Trägerschaft insbesondere des 13. Jahrhunderts27 legt einen rechtshistorischen Ansatz nahe. Ein Gesamtüberblick über die bisherige Forschung zeigt neben vergleichsweise wenigen Überblicksdarstellungen28 eine hohe Zahl von institutionsspezifischen Einzeluntersuchungen. Im Fokus standen hier insbesondere die zentralen, multifunktionalen Hospitäler einer Stadt.29 Zwar legt „die Quellen- und Archivsituation die Beschäftigung mit nur einem Hospital“ nahe, doch bleibt so „die Einbettung des (…) Hospitals in die sonstigen Angebote städtischer Sozialfürsorge verborgen“.30 Kaum aufschlussreicher sind jene Arbeiten über die Fürsorgeeinrichtungen einer Stadt, die nicht mehr darstellen als eine Kompilation institutionsspezifischer Einzeluntersuchungen.31 Institutionsübergreifende Untersuchungen zur Gesamtheit der städtischen Fürsorgeeinrichtungen sind nach wie vor die Ausnahme.32 Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist die 1984 unter rechtshistorischem Vorzeichen geschriebene

26 27 28 29

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Wohlfahrtspflege des Mittelalters konzentrierte sich im Hospital.“ Erst in jüngerer Zeit wird die Bedeutung der offenen Armenfürsorge zunehmend erkannt. Konstanzer Arbeitskreis, Sozialgeschichte, S. 2. Konstanzer Arbeitskreis, Sozialgeschichte, S. 2. Jetter, Westdeutschland; Jetter, Grundzüge der Hospitalsgeschichte; Jetter, Das europäische Hospital; Windemuth, Hospital; Mollat, Die Armen im Mittelalter; Sachße/Tennstedt, Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1. Pöpping, Die Geschichte der Hl.-Geist-Kirche; Kraak e.a., Hospital und Kloster zum Heiligen Geist; Eckelt, Das Hl.-Geist-Hospital und seine Kapelle zu Werne; Zymner, Das Heilig-Geist-Hospital in Brakel; Militzer, Das Markgröninger Heilig-Geist-Spital; Loretan, Die Geschichte des Spitals in Brig; Boldt, Das Fürsorgewesen der Stadt Braunschweig; Hatje, Gott zu Ehren; Schürle, Das Hospital zum Heiligen Geist in Konstanz; Hensel-Grobe, Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues; Gros, Das Hohe Hospital in Soest; Lumpe, Pfalz – Hospital – Pfrundhaus; Muschel, Das Spital der reichen Siechen. So äußerte sich Karl-Heinz Spieß (Konstanzer Arbeitskreis, Sozialgeschichte, S. 3f.), der damit das „Schema ‚Das Hospital X in Y im Mittelalter’“ kritisierte. Gatz, Hospitäler und Krankenhäuser im Kreise Kempen-Krefeld; Boedecker, Die Entwicklung der Hamburgischen Hospitäler; Dreves, Das Armenwesen der Stadt Goslar; Tschuschke, Studien zur Geschichte der Fürsorge in Vreden; Slon, Die Spitäler Breslaus; Queckenstedt, Die Armen und die Toten. So etwa schrieb Thomas Fischer 1979 eine vergleichende Arbeit über die Armenfürsorge der Städte Basel, Freiburg und Straßburg, allerdings unter sozial-, wirtschafts- und ideengeschichtlichem Ansatz (Fischer, Städtische Armut und Armenfürsorge). Einen Vergleich von städtischer und ländlicher Armenfürsorge, der zeitlich bis ins 19. Jahrhundert hineinreichte, unternahm Fredy Niklowitz 1994 am Beispiel der Stadt Lünen (Niklowitz, Armenfürsorge in der Stadt Lünen). Eine kleinere Arbeit von Körner beschäftigt sich in medizinhistorischer Hinsicht mit der Stadt Xanten (Körner, Medizingeschichte der Stadt Xanten). Die geringe Zahl von Untersuchungen, die das soziale Fürsorgewesen einer Stadt oder Region insgesamt in den Blick nehmen, wurde bereits von Karl-Heinz Spieß (Konstanzer Arbeitskreis, Arbeitstagung 2002, S. 3) bemängelt.

16

Einleitung

Arbeit von Robert Jütte, der das dezentrale Fürsorgesystem des katholischen Köln mit dem stark zentralisierten System des protestantischen Frankfurt vergleicht und dabei auch Institutionen der offenen Armenfürsorge mit einbezieht. Allerdings ist Jüttes Untersuchungszeitraum auf die Kommunalisierungsphase des 16. Jahrhunderts begrenzt.33 Eine entsprechende Untersuchung für das Spätmittelalter steht noch aus. Münster als Ort dieser Untersuchung bietet sich dabei in besonderer Weise an. Die Besonderheit des münsterischen Fürsorgewesens liegt in seinem extrem dezentralen Erscheinungsbild. Auf diese Vielzahl an Institutionen muss der Stadtrat mit einer entsprechenden Vielzahl differenzierter Handlungen reagieren. Das notwendige Spektrum an unterschiedlichen Handlungen ist also ungleich größer als in einem eher zentral organisierten Fürsorgewesen wie etwa Frankfurt am Main oder auch Hamburg, das bis in die Frühneuzeit hinein gerade einmal sechs Hospitäler aufwies.34 In Münster lassen sich bis zum Beginn der Täuferzeit 33 Institutionen der offenen und geschlossenen Armenfürsorge belegen. Darüber hinaus verfügt Münster über einen umfangreichen Quellenbestand zu zahlreichen mittelalterlichen Fürsorgeinstitutionen.35 Dem gegenüber steht eine vergleichsweise schlechte Quellenlage für nichtfürsorgliche Instititutionen, insbesondere für den Stadtrat selbst – ein Phänomen, das vor allem den Aktenverbrennungen unter den Täufern geschuldet ist. Um so wertvoller erscheint hier eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des Rates, zumal sich die Entwicklung der städtischen Gesellschaftsordnung oftmals in den Veränderungen des Fürsorgewesen widerspiegelt.36 Und schließlich steht eine mittelalterliche Hospitalgeschichte der Stadt Münster immer noch aus.37 Eine solche gibt es erst für die Nachtäuferzeit.38 Dagegen existieren zahlreiche, mitunter auch tiefgehende Darstellungen zu einzelnen Institutionen der Fürsorge in Münster, auf deren Erkenntnisse die vorliegende Arbeit aufbauen

33 Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge. 34 Boedecker, Die Entwicklung der Hamburgischen Hospitäler, S. 387. 35 Um nur die umfangreicheren Bestände des Stadtarchivs Münster – freilich mit einem Übergewicht an neuzeitlichen Akten – zu nennen: Magdalenenhospital: 418 Einheiten; Armenhaus Kinderhaus: 339 Einheiten; Armenhaus zur Aa: 298 Einheiten; Armenhaus Zumbusch: 185 Einheiten; Antoniushospital: 135 Einheiten; Speckpfründe Lamberti: 129 Einheiten; Armenhaus Wegesende: 77 Einheiten. Insgesamt umfasst das Stiftungsarchiv des Stadtarchivs 55 Einzelfonds. 36 Konstanzer Arbeitskreis, Arbeitstagung 2002, S. 90. 37 So auch Black, Speckpfründe Lamberti, S. 60. Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 36) schrieb 1994: „Stiftungswesen und offene Armenfürsorge der Stadt Münster in Mittelalter und Früher Neuzeit entbehren wie die geschlossenen Fürsorgeeinrichtungen einer systematischen Untersuchung.“ 38 Klötzer, Kleiden, der 1997 das münsterische Fürsorgewesen für die Jahre 1535 bis 1588 untersucht hat und damit einem wesentlichen Teil des von Krug-Richter artikulierten Forschungsdefizits Abhilfe schaffen konnte. Chronologisch sucht die vorliegende Untersuchung Anschluss an diese Arbeit.

Einleitung

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kann.39 Vor allem die kleineren Institutionen – etwa die Armenhäuser Wessede, Wegesende, Zurwieck und Zumbusch – aber auch das Antoniushospital oder die Almosenkörbe einzelner Kirchspiele sind nur eingeschränkt bearbeitet. Die Analyse des münsterischen Fürsorgesystems soll im Wesentlichen in drei Schritten erfolgen. Zunächst sollen seine Grundlagen in den Blick genommen werden, und zwar sowohl in chronologischer wie in rechtlicher Hinsicht. Dazu werden die Anfänge der institutionellen Fürsorge im 12. und 13. Jahrhundert geschildert sowie die einzelnen Institutionen auf ihre Trägerschaft hin untersucht (Kap. I). Die darauf folgenden Kapitel beschäftigen sich mit einer vergleichenden Gegenüberstellung der internen Strukturen der einzelnen Institutionen im Hinblick auf die magistralen Regulierungsmöglichkeiten im administrativen, ökonomischen und sozialen Bereich (Kap. II bis V). Die letzten drei Kapitel schließlich nehmen das Fürsorgesystem in seiner Gesamtheit in den Blick und stellen die Frage nach seinen Besonderheiten und Entwicklungen. Schwerpunkte der Untersuchung bilden die Phänomene der Spezialisierung, der Zentralisierung sowie der interinstitutionellen Kooperation (Kap. VI bis VIII).

39 Erwähnenswert sind insbesondere: Gärtner, Magdalenenhospital, 1921; Schedensack, Armenhaus zur Aa; Black, Speckpfründe Lamberti; Black, Speckpfründe Ludgeri; Winzer, Pestkrankenhäuser; Crabus, Leprosorium Kinderhaus.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht Kommunalisierung ist ein Schlüsselbegriff der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hospitalsforschung.1 Sie bezeichnet im engeren Sinne den Übergang von Rechten und Aufgaben der Fürsorge, insbesondere der Institutionsträgerschaft, von anderen Herrschaftsträgern auf den Stadtrat.2 Der wichtigste Indikator ist dabei oftmals die Übernahme des Rechts, die Leitungskräfte der jeweiligen Institution zu ernennen.3 Dabei bedeutete die Kommunalisierung keine Säkularisierung. Die geistliche Betreuung durch einen hospitalseigenen Priester blieb unangetastet, wenngleich der Rat durch das Patronatsrecht auch hier Einfluss erlangen konnte.4 In einem weiteren Sinne können unter Kommunalisierung auch ihre Begleiterscheinungen und die Folgen einer ratsspezifischen Interessenpolitik gefasst werden. So kann man Einschränkungen und Verbote des Bettelns ebenso als Kommunalisierungsprozess beschreiben wie die Einschränkung der Armenfürsorge auf Bürger und Einwohner der Stadt und die Abweisung von fremden Armen und Bettlern. Auch die Bürokratisierung der Armenfürsorge und die sich Ende des 15. Jahrhunderts herausbildende kommunale Unterstützungspflicht wurden als Teil einer Kommunalisierung verstanden.5 Von dem Begriff der Kommunalisierung ist der der Verbürgerlichung klar zu trennen. Letzterer nimmt nicht nur den Stadtrat als institutionalisierte Vertretung der Bürgerschaft, sondern die Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit in den Blick. Somit umfasst der Verbürgerlichungsbegriff etwa auch den wachsenden Einfluss von Zünften, Gilden oder einzelnen Stifterpersönlichkeiten aus der Bürgerschaft.6 Diese mangelnde Definitionsschärfe mag der Grund sein, weshalb der Begriff in jünge1

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Verwendet wurde der Begriff unter anderem von Seigel, Altwürttemberg, S. 7; Muschel, Ulm, S. 82ff.; Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 357ff.; Boedecker, Hamburg, S. 389; Gründer, Armut und Armenwesen, S. 162; Beck, Soziale Einrichtungen, S. 11; Hanschmidt, Armenpolizei, S. 655f.; Kleinknecht, Entstehung und Verwaltung, S. 20f.; Klötzer, Kleiden, S. 11. Sachße/Tennstedt (Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1, S. 30) begreifen die Restriktionen und Reglementierungen des 15. und 16. Jahrhunderts, wie sie sich etwa in den städtischen Bettel- und Armenordnungen darstellen, als einen Entwicklungsprozess, der unter den vier Aspekten der Kommunalisierung, Rationalisierung, Bürokratisierung und Pädagogisierung fassbar wird. Seigel, Altwürttemberg, S. 7ff. Hanschmidt (Armenpolizei, S. 655) spricht von einem „zunehmende[n] Koordinierungs- und Regulierungsanspruch der städtischen Organe auf bestehende Institutionen“, Jetter (Westdeutschland, S. 21) von einer „Spitalhoheit des Rates“. Sachße/Tennstedt (Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1, S. 30f.) betonen den Übergang der „Vergabezuständigkeit“ von der Kirche zum Rat. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 11. Seigel, Altwürttemberg, S. 7; Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 357. Fischer, Städtische Armut, S. 179–182; Jütte, Disziplinierungsmechanismen, S. 104; Sachße/Tennstedt, Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1, S. 30f.; Hanschmidt, Armenpolizei, S. 656; Jütte, Obrigkeitliche Armenfüsorge, S. 359; Kleinknecht, Entstehung und Verwaltung, S. 20. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 255. Slon (Breslau, S. 20) definiert Verbürgerlichung als einen „Prozeß des Hineinwachsens der Spitäler in die städtischen Strukturen“.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

rer Zeit nur vorsichtig oder überhaupt nicht verwendet wurde.7 Die Bezeichnungen „municipalisation“8 und „Verstädterung“9 haben sich nicht durchgesetzt.10 Im Folgenden soll Kommunalisierung in seinem engeren Sinne begriffen werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Trägerschaft. Die wichtigste Kommunalisierungsphase fällt in Münster wie auch in zahlreichen anderen Städten in das 13. Jahrhundert. Sie vollzog sich damit parallel zur Kompetenzausweitung des Rates auf anderen Gebieten.11 Zu einer vollständigen Kommunalisierung des Fürsorgesystems kam es in Münster allerdings nicht. Neben dem Stadtrat waren auch die Kirchspiele, das Domkapitel sowie Klöster und Orden Träger von Fürsorgeinstitutionen.12 Einen weiteren Kommunalisierungsschub, der nicht mehr Thema dieser Arbeit ist, erfuhr Münsters Fürsorgesystem Ende des 16. Jahrhunderts.13

1. Das Fürsorgewesen der Stadt Münster bis 1245 Im Früh- und Hochmittelalter lag die Aufgabe der Armen- und Krankenfürsorge primär in den Händen der Kirche, die ihrer Aufgabe insbesondere in Form von Klosterspitälern und Spitälern der Domherren und Chorherren nachkam. Auch Ordensgemeinschaften widmeten sich aktiv der Armenfürsorge. Eine gänzlich neue Form der Armut entstand jedoch mit dem Aufstieg der Städte.14 Als soziale, wirtschaftliche und politische Zentren entwickelten sie sich für die nähere und fernere Umgebung zu attraktiven Anziehungspunkten. Ein großer Teil der Zuwanderer kam aus gefestigten Familienstrukturen, die in der fremden Umgebung der Stadt nicht aufrechterhalten werden konnten. Waren es genau diese Strukturen gewesen, die den Einzelnen im Falle von Krankheit oder Armut bisher auffangen konnten, so fand er sich nun ohne Hilfe und Schutz.15 Diesen neuen sozialen Zuständen – 7 8 9 10 11 12

Slon, Breslau, S. 20. Spiegeler, Les hopitaux, S. 124. Probst, Der Deutsche Orden, S. 90. Vgl. Slon, Breslau, S. 20. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 357. Ähnlich verhielt es sich zunächst auch in Köln. Erst 1510 unterstellte der Kölner Rat sämtliche Hospitäler seiner Trägerschaft. Vgl. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 303, 356. 13 Auch in anderen Städten gab es im 16. Jahrhundert eine Phase der Kommunalisierung. Vgl. Gestrich, Städtische Armenfürsorge, S. 88ff. 14 Pauly, Fremdenherberge, S. 105. 15 Knefelkamp, Materielle Kultur, S. 96. Nach Maschke (Gesellschaftliche Unterschichten, S. 58) und Hunecke (Armut im vorindustriellen Europa, S. 488f.) zählten 50 bis 60 Prozent der Stadtbevölkerung zur Unterschicht, an deren unterem Ende sich die unfreiwillig Armen befanden, die 10 bis 20  Prozent ausmachten. Nach Hsia (Gesellschaft und Religion, S. 28ff.), der die Steuerlisten der münsterischen Leischaften Jüdefeld, Liebfrauen, Lamberti und Aegidii für den Zeitraum 1548/50 untersucht hat, zahlten 43,5 Prozent der Bevölkerung mit 1 bis 2 Schillingen die niedrigsten Steuern und leisteten dabei nur 10 Prozent des Gesamtaufkommens. Steuerfreie Arme machten 13,5 Prozent der Haushalte aus. Vgl. auch Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 28ff.

1. Das Fürsorgewesen der Stadt Münster bis 1245

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dem Zusammenströmen mittelloser und notleidender Menschen auf engstem Raum – konnte seitens der Kirche nicht mehr in ausreichendem Maße begegnet werden. Dies galt sowohl organisatorisch wie auch wirtschaftlich, war man doch materiell in hohem Maße von der Zufälligkeit der Spendenbereitschaft abhängig. In diese Lücke trat zunehmend das organisierte Bürgertum, dem nicht zuletzt auch an der eigenen Absicherung im Falle von Krankheit oder Alter gelegen war.16 Die Stadtwerdung Münsters vollzog sich im Wesentlichen nach den sächsischen Wirren von 1121. Am 2. Februar dieses Jahres eroberte Herzog Lothar von Supplinburg die Domburg. Im Zuge dieser Eroberung brach ein Brand aus, der einen großen Teil der vorgelagerten Marktsiedlung zerstörte.17 Der Wiederaufbau Münsters erfolgte unter der planenden Hand des Bischofs, allerdings mit Unterstützung und unter Einfluss der Kaufleute der Bürgerschaft.18 Bereits 1129 wird Münster erstmals als „civitas“ erwähnt.19 Eine Stadtrechtsverleihung ist nicht bekannt. Vielmehr hat Münster die städtischen Privilegien nach und nach erworben. Spätestens 1168 war Münster aus dem Landgericht eximiert, schon lange vorher besaß es das Marktrecht, spätestens 1169 existierte eine – wenngleich noch nicht geschlossene – Stadtmauer. Damit war Münster im Besitz der wichtigsten städtischen Privilegien.20 Als Bischof Ludwig I. 1169 sein Amt antrat, bestand in Münster noch ein dreigliedriges Pfarrsystem. Bereits 1040 hatte sein Vorgänger Hermann I. westlich der Aa Kloster und Kirche Liebfrauen Überwasser (trans aquam) begründet und zur Pfarre erhoben und damit die erste Pfarre außerhalb des Dombezirks geschaffen. 1080 folgte östlich der Aa die Errichtung von Stift und Pfarrei St. Mauritz. Wohl gleichzeitig oder nur wenig später entstand bei der Kaufmannssiedlung am Roggenmarkt – also ebenfalls östlich der Aa – mit der Lambertikirche die dritte Pfarrei.21 Dieses Pfarrsystem wurde nun erweitert. 1170/73 wurde unter Ludwig I. auf dem Gelände des Brockhofes die Pfarrkirche St. Ludgeri errichtet. Sein Nachfolger Hermann II. errichtete drei weitere Pfarrkirchen: Noch vor 1181/84 erfolgte der Bau der Pfarrkirche St. Aegidii, die zugleich Kollegiatskirche des zeitgleich gegründeten Zisterzienserinnenkonvents wurde. Vor 1187 wurde die Pfarrkirche St. Martini gegründet. Schließlich entstand noch eine kleine Pfarrei unter der 1197 ersterwähnten Kirche St. Servatii.22 Damit existierte nun – neben der außerhalb der Stadt gelegenen Pfarre St. Mauritz – ein sechsgliedriges Pfarrsystem. Insgesamt markiert die Regierung Bischof Hermanns II. den Abschluss der Stadtwerdung. Dieser baute nicht nur den 1121 zerstörten Dom wieder auf sondern ließ bis 1178 auch eine geschlossene Stadtmauer errichten. Mit der Stadtwerdung ging – von Hermann durchaus gewollt – auch der Aufstieg der Bürgerschaft einher. 16 17 18 19 20 21 22

Reicke, Das deutsche Hospital, Bd.1, S. 196. Prinz, Mimigernaford, S. 170. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 17. Prinz, Mimigernaford, S. 183. Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 25ff., S. 33. Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 25; Kirchhoff, Marienhospital, S. 129. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 104f.; Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 103.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

Sie war es wohl, die der Bischof mit der Vollendung der Stadtmauer beauftragt hatte, und anstelle des Domes rückte nun die Bürgerkirche St. Lamberti in den Mittelpunkt der Stadt.23 Die Stadtwerdung ging einher mit einem starken Bevölkerungswachstum. Die Gründung von zusätzlichen Pfarreien war nach Bekunden Hermanns II. notwendig geworden durch die Zunahme der städtischen Bevölkerung.24 Damit wuchs auch die Notwendigkeit der Schaffung von Fürsorgeeinrichtungen. Somit liegen in der Stadtwerdung Münsters auch die Anfänge eines institutionell getragenen städtischen Fürsorgesystem begründet. Die ersten Anzeichen für eine institutionalisierte Fürsorgepraxis in Münster fallen in das Jahr 1137.25 In diesem Jahr tätigte Bischof Werner (1132/51) eine Memorienstiftung, in der unter anderem auch acht Arme („VIII pauperibus“) bedacht wurden, die sich gemeinsam mit anderen Armen („cum aliis pauperibus“) der Prozession auf dem Domhof („in atrio ecclesie“) anschließen sollten, welche in der Fastenzeit zum Lobe Gottes durchgeführt wurde. Diesen acht Armen sollte der Domkustos an jedem Tag in der Fastenzeit je ein Brot ausgeben.26 Es waren eben jene Armen, die 1217 erneut erwähnt werden. In diesem Jahr bestätigte Bischof Otto I. (1203/18) die Spende seines Vorgängers Werner gegenüber dem Domkapitel. Gemäß seinen Worten sei jeder der acht Bischofshöfe zu Lon, Haltern, Dülmen, Billerbeck, Warendorf, Beckum, Ahlen und Werne verpflichtet, alljährlich zum Jahresanfang unter anderem 30 Roggenbrote und 15 Käse oder 60 Heringe abzuliefern, und zwar „ad usus quorundam officiatorum episcopi et pauperum citra aquam et trans aquam, qui dicuntur spentbrothere, et campanariorum maioris ecclesie et aliorum pauperum“.27 Neben gewissen bischöflichen Beamten und den Glöcknern des Domes existierten also zwei als Spendenbrüder bezeichnete Gruppen von Armen, die einen diesseits, also östlich der Aa und auf Seiten des Doms, die anderen jenseits der Aa im Kirchspiel Überwasser. Unklar ist, ob die beiden Gruppen von Armen bereits über eigenen Hausbesitz verfügten. Es ist davon auszugehen, dass die Armen zunächst noch getrennt voneinander in eigenen kleinen Gademen wohnten, mit wachsender Zahl aber in zwei Häusern vereint wohnten.28 Spätestens 1314 verfügte eine der beiden Gruppen über eigenen Besitz. Inzwischen war die Anzahl dieser Gruppe von Spendenbrüdern auf zwölf gestiegen. Am 14. Juni dieses Jahres verkaufte der Ratsherr Henricus de Loen eine Rente von 6 Schillingen „ex domo Willekini carnificis sita ex opposito domus 23 Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 93f. 24 Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 32, vgl. auch Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 494. 25 Tibus (Stadt Münster, S 326f.) sieht diese bereits im 10. Jahrhundert. Bischof Rumold (924/41) etwa spendete „den broderen und den armen luden“, Bischof Friedrich I. (1064/84) stiftete den „fratribus et pauperibus“ ein Mahl. 26 WUB II, Nr. 224. 27 WUB III, Nr. 105, vgl. auch Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 52f.; Kohl, Domstift, Bd. 1, S. 484. 28 Tibus, Stadt Münster, S. 326.

1. Das Fürsorgewesen der Stadt Münster bis 1245

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prebendariorum, qui vulgo twelefflinge nuncupantur“.29 Es dürfte sich dabei um das Zwölfmännerhaus jenseits der Aa am Katthagen handeln.30 Erbaut wurde es auf dem Grund der domkapitularischen Obödienz Gassel, auch Jodefeld genannt. 31 Die Zwölflinge diesseits der Aa werden geographisch erst 1324 näher greifbar. Am 2. Juli dieses Jahres überträgt der Domkantor Gerhardus Werenze, nachdem er die Zustimmung des Dechanten und des Kapitels des Doms eingeholt hat, den „duodenis, qui vulgo tweleflinghe appelantur“ ein der Domobödienz Lepperinch zugehöriges Grundstück im Kirchspiel Ludgeri, und zwar „ut in eadem area domum edificent, in qua simul cohabitent et habeant perpetuam mansionem“.32 Die Zwölflinge sollen dafür jedes Jahr am Gründonnerstag 6 Schillinge und am Martinstag weitere 6 Schillinge zahlen. Die Rente werde der Dechant oder ihr Vorgesetzter („superior eorum“) erheben und dem Kantor als Halter der Obödienz übergeben.33 Da ein Vorgängerhaus nicht erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass die Zwölflinge diesseits der Aa auf diesem am Hagedorn gelegenen Grundstück34 ihre erste gemeinsame Wohnung fanden.35 Dass die dem Domkantor schuldige Rente vom Dechanten oder dem unmittelbaren Vorgesetzten der Zwölflinge bezahlt werden musste, zeigt, auf welche Weise sich die beiden Zwölfmännerhäuser in die Verwaltungsstruktur des Domes einfügten. Grundsätzlich unterstanden sie dem Domkapitel in seiner Gesamtheit, und so konnte das Domkapitel auch unmittelbar über die Versorgungsansprüche der Zwölflinge bestimmen. Dies zeigte sich etwa 1325, als Dompropst, Domdechant und Domkapitel dem Kloster Vinnenberg vier Höfe im Kirchspiel Milte übertrugen und diese Höfe von jeder Leistung befreiten, die sie dem Dom oder „duedenis, que vulgo „tweleflinge“ nuncupatur“ bisher schuldig waren.36 Gewöhnlich jedoch ließ sich das Kapitel durch einen dem jeweiligen Haus vorgesetzten Patronus vertreten. Im Falle des Zwölfmännerhauses Überwasser war es der Oblegiar der Obödienz

29 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11r. Vgl. MUB 57. 30 Kirchhoff, Marienhospital, S. 130. 31 Klötzer, Kleiden, S. 74. Da die Obödienz Gassel frühestens im 11. Jahrhundert in den Besitz des Domkapitels gelangte, kann das Zwölfmännerhaus Überwasser erst danach errichtet worden sein. Prinz, Mimigernaford, S. 199. 32 WUB 8, Nr. 1768. 33 WUB 8, Nr. 1768. 34 Heute Windthorststraße 33/35. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 480. 1518 wird es als „by der kemenaede“ liegend genannt. Scholz, Alter Dom, Nr. 549. Um 1520 wohnt Herr Johan Kakesbecke „jn sunte Ludgers kerspell tegen den twelfflyngen“. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 5r. 35 Die Erwähnung eines Hauses „bi der olden Mennern huß“ an der Michaeliskapelle (MUB 401, Urkunde vom 14. Juni 1408) könnte die Existenz eines dritten Zwölfmännerhauses vermuten lassen. Tatsächlich handelt es sich um das Haus der olden Menne. Diese wohnte auf der Osthälfte des Hauses Michaelisplatz 2. Kirchhoff, Prinzipalmarkt, S. 273. Kirchhoff sieht in ihr einen Mann („der alte Mennen“). Tatsächlich handelt es sich aber wohl um eine Frau namens Menne oder Minna. 36 WUB 8, Nr. 1878.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

Gassel, der auch das Recht besaß, die Präbenden des Hauses zu vergeben.37 1521 erscheint außerdem der Kornschreiber als ein zeitlich befristeter Verwahrer, der wohl unter dem Patron zu denken ist. In diesem Jahr verkauften die Eheleute Nyhues „demm ersamen hernn Aleff Cock, korn schryuern, nu tor tydt verwarer der armen twelfflinge by sunte Ludger to Munster wonafftich“ eine Rente.38 Im Falle des Zwölfmännerhauses Ludgeri war der Domkellner der Patron,39 und entsprechend erfolgte die Versorgung der Armen zumindest zum Teil aus den Mitteln der Domkellnerei. So war der Inhaber des Officium Camerae gemäß des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Rentenbuchs des Kapitels zu einer jährlichen Abgabe von zwölf Schafsfellen verpflichtet.40 Zusätzlich erhielten dieselben Zwölflinge auch Unterstützung aus anderen domkapitularischen Ämtern, so etwa 12 Malter Roggen, 12 Malter Hafer, 12 Scheffel Bohnen und 2 Scheffel Gerste aus der Obödienz Gassel.41 Zudem profitierten die Zwölflinge von testamentarischen Schenkungen.42 Auf dem Rentenmarkt waren die beiden Zwölfmännerhäuser zumindest in geringem Umfang tätig.43 Und die Zwölflinge in Überwasser verfügten offenbar auch über weiteren Immobilienbesitz.44 Ihrem Namen nach boten beide Häuser Platz für insgesamt 24 Arme. Dass jedoch nicht immer alle Plätze belegt waren, geht aus den Testamentsakten des 1532 verstorbenen Domvikars Hinrich Sterneman hervor, der jedem Insassen eines münsterischen Armenhauses einen Schilling vermachte. Dabei erhielten die Zwölflinge Ludgeri jedoch nur 10 Schillinge, und ebenso viele Schillinge bekamen „de x twelfflynge“ zu Überwasser.45 Wenige Aufschlüsse hingegen erlaubt die mittelalterliche Quellenlage über die ursprüngliche Funktion der beiden Zwölfmännerhäuser. Erst 1573 äußert sich Hermann Kerssenbrock in seiner Schrift über das münsterische Täuferreich folgendermaßen: „Anerotrophia duo sunt, alterum in paroecia Ludgeriana, alterum Transfluviana atque utrumque a duodenario virorum numero ibi degentium denominantur, quorum hoc ministros 37 38 39 40 41 42

Kohl, Domstift, Bd. 1, S. 599. Zwölfmännerhaus Ludgeri, Urk. 3. Klötzer, Kleiden, S. 74. Tibus, Gründungsgeschichte, S. 91. Kohl, Domstift, Bd. 1, S. 484. Der Domthesaurar Hinricus Schenckynck etwa bedachte in seinem 1518 abgefassten Testament neben zahlreichen anderen Armenhäusern auch die beiden Zwölfarmen zu Überwasser und Ludgeri. Scholz, Alter Dom, Nr. 549. 43 1506 etwa verkaufen der Nagelschmied Johann Herweg und seine Frau Else den vier Küstern im Dom sowie „den twelfflingen in sunte Ludgers kerspell vnd ock den twelfflingen to Ouerwater bynnen Munster“ eine Rente von einem Gulden. Zwölfmännerhaus Ludgeri, Urk. 2. 44 Sie waren es, die im 15. Jahrhundert eben jene Rente bezahlten, die 1314 aus dem ihnen gegenüberliegenden Haus des Fleischhauers Willekinus verkauft worden war. In dem um 1475 angelegten Kopiar des Magdalenenhospitals existiert eine Abschrift der Rentverschreibung unter der Überschrift „De quibusdam redditibus ex domo twelflinghe“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11r. 45 LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r; vgl. auch Klötzer, Kleiden, S. 73.

1. Das Fürsorgewesen der Stadt Münster bis 1245

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dominicorum dominorum senio aliove morbo fractos, illud vero servos eorum in praediis ad inopiam redactos alit.“46

Demnach waren in Ludgeri ehemalige Diener der Domherren untergebracht, in Überwasser aber ehemalige Besitzer der eigenhörigen Höfe. Dies scheint bereits im 14. Jahrhundert gängige Praxis gewesen zu sein, werden die beiden Häuser doch in dem um 1336 angelegten Rentregister des Doms erwähnt als „duodenis tam huius ecclesie quam duodenis trans Aquam“.47 Die besondere Nähe der Zwölflinge Ludgeri zum Domkapitel wird nicht nur an dieser Formulierung deutlich, sondern auch an einem Ritual, dem sie sich jedes Jahr am Gründonnerstag unterzogen. An diesem Tag versammelten sie sich im Refektorium des Doms zu einem gemeinsamen Mahl. Bei dieser Gelegenheit erhielten sie nicht nur eine Gewandspende, sondern auch eine rituelle Fußwaschung, die zunächst der Bischof, in späterer Zeit aber der jeweilige Patron vornahm. Die Zwölflinge Überwasser waren dabei offenbar nicht zugegen, zumal die parallel zu den Jüngern Jesu zu denkende symbolische Zwölferzahl dem entgegengestanden haben dürfte.48 Ein weiteres Ritual der Zwölflinge Ludgeri war eine Prozession, die sie in der Fastenzeit auf dem Domplatz hielten. Bereits 1137 erstmals erwähnt, trugen die Zwölflinge noch im 15. Jahrhundert das Silberkreuz Bischof Friedrichs durch das Kirchspiel Überwasser, nun allerdings anlässlich der Kreuzumtragung in der Pfingstwoche. In dieser Form hat sich die Prozession der Zwölflinge bis in das 20. Jahrhundert hinein erhalten.49 Ein entscheidender Schritt in Richtung eines institutionellen städtischen Fürsorgesystems wurde eingeleitet mit der Errichtung eines zentralen und multifunktionalen Hospitals. Ein solches war obligatorisch für eine mittelalterliche Stadt, und in Münster übernahm diese Rolle das Magdalenenhospital. Erstmals erwähnt wird es 1176, als Bischof Hermann II. der sich im Bau befindlichen Magdalenenkirche einen Kornzehnten überweist, und zwar „ad prebendam sacerdotalem et consolationem pauperum ibi manentium“.50 Acht Jahre später bestätigt Hermann den Güterbesitz des „hospitalis beate Marie Magdalene“ und nimmt es in seinen Schutz.51 Dieses Jahr 1184 darf als Abschluss der Gründungsphase gelten. Die Anfänge der Gründung 46

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„Der Männerhäuser gibt es zwei, das eine im Kirchspiel Ludgeri und das andere in Überwasser, und beide sind nach der Zwölferzahl der dort lebenden Männer benannt, von denen dieses durch Alter oder Krankheit gebrechliche Diener der Domherren und jenes deren auf den Landgütern in Not gefallene Eigenhörige ernährt.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 78. Darpe, Die ältesten Verzeichnisse, S. 131, zur Datierung des Registers S. 3. Kohl (Domstift, Bd. 1, S. 485) folgert fälschlich, das Domkapitel habe das Haus im Kirchspiel Ludgeri als „das eigentliche Zwölfmännerhaus“ betrachtet. Tatsächlich aber verweist die Formulierung wohl auf die direkt am Dom tätigen Diener und die von den Höfen kommenden Eigenhörigen. Klötzer, Kleiden, S. 77; Kohl, Domstift, Bd. 1, S. 484. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 4, S. 184; Schwarz, Wohltätigkeitssinn, 50f. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. Magdalenenhospital, Urk. 1

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

bleiben jedoch im Dunkeln52 und waren auch im 16. Jahrhundert schon unbekannt. Der Chronist Kerssenbrock vermutet: „Hoc autem ptochodochium a quo coeperit, quisve potissimus eius auctor ac fundator fuerit, mihi non constat, sed antiquius illud esse coenobio Transfluviano crediderim, cum ante Hermanni primi tempora, qui coenobium fundavit, Sifridus decimus tertius episcopus anno millesimo vicesimo secundo quaedam bona illi contulerit. Sacellum tamen xenodochii multo post extructum esse non ambigo.“53

Eine Schenkung Bischof Siegfrieds von 1022 – dem Jahr seines Amtsantritts – ist nicht nachweisbar. Wahrscheinlicher ist, dass sich Kerssenbrock bei seiner These auf das 1184 verfasste Güterverzeichnis des Hospitals bezieht.54 Nach diesem erhielt es unter anderem gewisse Einkünfte aus zwei Lobien an der Lambertikirche „quas Sifridus dederat“, doch dürfte es sich dabei weniger um den Bischof handeln, denn um einen Bürger.55 Und wenn das Hospital auch älter ist als die Kapelle – 1176 befindet sie sich noch im Bau, während das Hospital als bestehend erwähnt wird56 – so ist doch Kerssenbrocks Annahme, das Hospital sei viel älter als die Kapelle, kaum begründbar.57 Wahrscheinlicher dürfte sein, dass das Magdalenenhospital im 12. Jahrhundert aus den Strukturen des Klosters Überwasser hervorgegangen ist. Tatsächlich ist das Hospital auch in späterer Zeit eng mit dem Kloster verbunden.58 Auffällig 52 Beck, Soziale Einrichtungen, S. 3. 53 „Wann aber dieses oft erwähnte Armenhaus errichtet wurde und wer eigentlich der Stifter desselben war, ist mir nicht bekannt; ich halte aber dafür, dass es älter als die Abtei Überwasser sei, indem es einige Güter besitzt, die es vor den Zeiten Hermanns I. als des Stifters der Abtei von Siegfried, dem 13. Bischof, im Jahre 1022 erhalten hat. Dass aber die Kapelle des Armenhauses viel später erbaut wurde, daran besteht kein Zweifel.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 58. 54 Magdalenenhospital, Urk. 1. 55 Der vorangegangene Eintrag erwähnt wohl seitens der Bürgerschaft gestiftete Einkünfte aus Häusern innerhalb der Stadt Münster, der nachfolgende Eintrag betrifft ein Grundstück des Ledermachers Meinhardus, wohl ebenfalls Bürger von Münster. 56 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. 57 Ähnlich sind auch in späterer Zeit geäußerte Thesen über ein allzu hohes Alter des Hospitals zu verwerfen. Ducornu (Magdalenenhospital, S. 65, S. 84, S. 86) etwa sieht die Anfänge des Hospitals noch vor dem Monasterium Liudgers. Ihm zufolge wurde es bereits um 779/91 von Bernrad gegründet. Die Überwasserkirche sei 1040 lediglich als Filiale des Hospitals errichtet worden. Auch Tibus (Gründungsgeschichte, S. 93), für den die Bischöfe Siegfried (1022/32) und Hermann (1174/1203) nur Zustifter waren, spricht von einem hohen Alter. Prinz hingegen (Mimigernaford, S. 157) sieht in Siegfried den eigentlichen Stifter und verlegt die Gründung damit ins 11. Jahrhundert. Ihm folgt auch Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 43). Quellenbelege gibt es für diese Thesen nicht. Vgl. Geisberg, Magdalenenhospital, fol. 8v. 58 Bis das Hospital 1236 einen eigenen Priester bekam, oblag die geistliche Betreuung der Insassen einem der beiden Kapläne der Überwasserkirche. Um 1176 war dies dominus Gerbertus, „qui fuit frater et presbiter de curia abatisse“ und der als solcher im Hospital einen Krankenbesuch leistete. Diekamp, Vitae Sancti Liudgeri, S. 244ff. Noch zu Beginn des 16. Jahrhunderts erhielten die Küster von Überwasser aus der Kasse des Magdalenenhospitals zu Ostern 12 Pfennige und zu Neujahr „to eren koken“ weitere 12 Pfennige. Magdalenenhospital, Akten 82, RB 1502, fol. 27v sowie RB 1503, fol. 43r sowie

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ist außerdem die Lage des Hospitals in unmittelbarer Nähe des Klosters. Dies ist typisch für Hospitäler, die aus den Strukturen eines Klosters oder Bischofssitzes hervorgegangen sind.59 Die Ursprünge des Magdalenenhospitals könnten demnach in einer Infirmarie des Klosters Überwasser zu suchen sein. Derartige Infirmarien sind in späterer Zeit auch für das 1181/84 gegründete Kloster Aegidii und das vor 1270 errichtete Minoritenkloster nachweisbar. Auch der Dom besaß eine solche Krankenstation.60 Eine Ausdehnung des Aufgabenbereichs über die Versorgung der Gemeinschaften der Kanoniker, Kanonissen bzw. Brüder hinaus gab es in diesen drei Fällen offenbar nicht. Im Falle einer Infirmarie im Überwasserkloster könnte dies anders gewesen sein. Das Kloster lag in unmittelbarer Nähe des Domes und des ältesten Aaübergangs am Spiekerhof, der eine Hauptverkehrsader darstellte.61 Mit der Stadtwerdung Münsters dürfte die Frequentierung der Straße stark zugenommen haben. Eine Versorgungsstation für Reisende, aber auch für die zahlreicher werdenden Einwohner der Stadt wurde in wachsendem Maße erforderlich. Deren Zahl dürfte bald so groß geworden sein, dass die Errichtung eines eigenständigen Hospitals erforderlich wurde, zumal die finanzielle Belastung des Klosters nicht zu unterschätzen ist.62 Bereits 1071 hatte ein Feuer das Kloster heimgesucht und zahlreiche Gebäude zerstört.63 Und auch der 1121 bei der Eroberung der Stadt ausgebrochene Brand traf das Kloster und die Kirche Überwasser. Allein die Wiederherstellung der Kirche dauerte bis 1132,64 in der Umgebung des Klosters aber dürften über längere Zeit hinweg größere Flächen brachgelegen haben. Einige von ihnen befanden sich möglicherweise sogar im Besitz des Klosters. Auf diesen Flächen dürfte parallel zur Stadtwerdung Münsters das Magdalenenhospital errichtet worden sein.65 Das Magdalenenhospital lag auf einer künstlichen Insel im Fluß Aa. Da der östlich des Hospitals verlaufende Arm die Grenze zwischen den Kirchspielen Überwasser und Martini bildet, dürfte er den natürlichen Verlauf der Aa beschreiben. Beim Aegidiitor in die Stadt kommend, verlief sie beim Hospital ursprünglich in etwa nördliche Richtung, um dann nach Osten abzudrehen und die Stadt am Neu-

59 60

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RB 1504, fol. 61r. Das Kuchenbacken zu Neujahr war eine in Münster weit verbreitete Tradition. Vgl. Detmer, Kerssenbrock, S. 82f. Vgl. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 12; Geisberg, Magdalenenhospital, fol. 4r. Eine Urkunde vom 23. März 1426 erwähnt „seken brodre in dem zekenhuss des conuentz der mynnerbrodere orden bynnen Monster“. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 65r-v. Eine Infirmarie im Aegidiikloster wird in einer Urkunde vom 17. Mai 1317 genannt. WUB 8, Nr. 1159. 1317 bestand eine bei St. Nicolai angesiedelte Domobödienz „que officium infirmorum dicitur“. Aufgabe des Obödientars war es, „infirmos canonicos“ zu versorgen. WUB 8, Nr. 1120; Niesert, Urkundensammlung, Bd. 7, S. 389. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 16, S. 19; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 66. Allgemein vgl. Windemuth, Hospital, S. 44. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 6. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 10; Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 310ff. Gegen eine späte Gründung des Hospitals spricht nach Tibus (Gründungsgeschichte, S. 96), dass die Fläche des Hospitals vor dem Ende des 12. Jahrhunderts längst bebaut gewesen sein müsste. Durch den Brand erklärt sich dieser Umstand.

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brückentor zu verlassen.66 Eine Veränderung erfuhr die Aa durch die Anlage eines Kanals, der sich etwa auf Höhe des Klosters Überwasser vom ursprünglichen Flußbett abtrennte, das Hospital umfloss und sich nördlich der Bergstraße wieder mit der Aa vereinigte.67 1186 wird das Hospital beschrieben als „inter duos lapideos pontes“ liegend. Gemeint sind jene beiden Steinbrücken, die den alten und den neuen Arm am Spiekerhof überquerten. Der Kanal muss also zuvor angelegt worden sein. Einer genaueren Bestimmung mag die auf dem westlichen Arm gelegene und Mitte des 19. Jahrhunderts abgebrochene Steinbrückenmühle dienen. Tatsächlich fällt bereits in einer Bischofsurkunde des Jahres 1137 die Erwähnung eines „molendini nostri quod est in loco nostro“,68 und 1151 wird ein „molendin[um] in ciuitate Monasteriensi“69 genannt. Sollte es sich hierbei um die Steinbrückenmühle handeln, dürfte mit der Aushebung des Westarms also bereits im Rahmen der Aufbaumaßnahmen nach dem Stadtbrand von 1121 zumindest begonnen worden sein. In einem zweiten, vielleicht erst nach Errichtung des Hospitals erfolgten Arbeitsschritt wurde die Insel im Nordosten nach Osten erweitert. Damit lag ein Teil der Insel im Kirchspiel Martini. 1265 verursachte dies einen Streit zwischen den Kirchen Überwasser und Martini. Überwasser erhob Ansprüche auf die Parrochialrechte über eine auf der Insel gelegene Wiese, die der Magister Refridus als Offizial des Bischofs aber zu Gunsten Martinis zurückwies, nachdem er sich durch Befragung von Zeugen über den Verlauf der alten Aa („antiqui fluxus ipsius aque A“) informiert hatte.70 Diese Zeugen dürften alte Leute gewesen sein, die den alten Verlauf möglicherweise noch aus ihrer Jugend kannten,71 denn bereits 1229 wird erstmals das Neubrückentor erwähnt,72 benannt nach der Brücke, die unmittelbar vor dem Tor über das neue Flussbett gelegt wurde. Die Anlegung der künstlichen Insel ist also wohl im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau, der Befestigung und Stadtwerdung Münsters zu sehen, die unter Hermann II. (1174/1203) seinen Abschluss fand. Ihre Entstehung ging vermutlich der Hospitalsgründung planend voraus, bot die Insel doch den großen Vorteil, sowohl kranke Insassen isolieren zu können als auch nahe des Überwasserklosters und zentral an einer innerstädtischen Hauptstraße gelegen zu sein.73

66 Das ursprüngliche Flussbett mit seinem unregelmäßigen Verlauf war noch im 19. Jahrhundert erkennbar. Vgl. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 66f. 67 Die Bildung einer großen Insel durch einen so kleinen Fluss auf natürlichem Wege ist sehr unwahrscheinlich. Vgl. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 66f. 68 WUB 2, Nr. 225. 69 WUB 2, Nr. 279. 70 WUB 3, Nr. 746. 71 Ducornu, Magdalenenhospital, S. 79 72 WUB 3, Nr. 257. 73 Tibus sieht einen möglichen Grund für die Errichtung der Insel im Schutz der Grünflächen vor Vieh. Das wäre auch einfacher möglich gewesen. Vgl. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 1, S. 87. Allgemein zum historischen Verlauf der Aa vgl. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 66–80; Tibus, Stadt Münster, S. 31; Geisberg, Stadt Münster, Bd. 1, S. 87; Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 481.

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Als Bischof Werner 1138 zu Gunsten von Kirchen, Kapellen und Anstalten der Stadt Schenkungen tätigte, wurde das Magdalenenhospital nicht erwähnt.74 Tatsächlich dürfte es nicht viel älter sein als seine Ersterwähnung im Jahr 1176, zumal sich seinerzeit auch die Hospitalkapelle, „que in honore beate Marie Magdalene et sancti Georgii martiris Monasterii construitur“,75 noch im Bau befand. Auch das Güterverzeichnis von 118476 lässt kein wesentlich höheres Alter vermuten. Die Einkünfte betrugen nur 65 Schillinge und 5 Pfennige. Fast 37 Schillinge wurden aus Häusern innerhalb der Stadt erhoben. Derartige Häuserrenten waren zu dieser Zeit allerdings noch recht selten. Ein großer Teil der Renten kam aus Besitzungen der Handwerkerschicht, so etwa erscheinen der Ledermacher Meinhardus, der Fleischer Reinboldus, die Kürschner Adolfus und Sigebertus sowie ein Bertrammus, Sohn des Kaufmanns Wicboldus. Dies setzt eine finanzstarke Bürgerschaft voraus, die im 12. Jahrhundert noch im Entstehen begriffen war. Tatsächlich definiert das Güterverzeichnis also wohl die Grundausstattung des Hospitals. Demnach war es wohl das starke Bevölkerungswachstum im zweiten Drittel des 12. Jahrhunderts, das die Errichtung eines Hospitals erforderlich machte. Damit entstand das Magdalenenhospital parallel zu den zentralen Hospitälern benachbarter Städte. In Osnabrück etwa wurde 1177 ein Hospital gegründet, in Soest nur ein Jahr später. Ihr Vorbild dürfte das nur wenige Jahre zuvor von Hermann II. gegründete Hospital in Münster gewesen sein, zumal Hermann bei der Gründung des Soester Hospitals als Zeuge anwesend war.77 Trotz der finanziellen Unterstützung und der daraus ableitbaren Mitsprache seitens der Bürgerschaft unterstand das Hospital doch klar dem Bischof als Stadtherrn.78 Als Hermann II. das Güterverzeichnis bekundete, tat er dies, um dasselbe „ad successorum nostrorum noticiam et benignum patrocinium“79 zu übermitteln. Derzeit hat Hermann also selbst das Patrozinium bzw. die Trägerschaft über das Hospital inne. Dass die Güter des Hospitals fortan unvermindert weiterbestehen, bekräftigt er mit „nostro banno“. 1186 stellt er das Hospital „sub (…) nostre protectione“.80 Zugleich befreit er – als Stadtherr kann er dies81 – das Hospital von allen Lasten („ab omni gravamine et impensa“). In den folgenden Jahren wird insbesondere der Einfluss des Bischofs auf die wirtschaftliche Entwicklung des Hospitals deutlich. 1189 bekundet Hermann: „quod vir nobilis et timorem Dei habens Bernardus de Lippia pro redimendis peccatis et in salutem anime sue decimam quandam in Nortthetten, quam idem a nobis a beneficio tenuerat, nobis in manus nostras spontanee resignavit, ea tamen premissa prece, ut eandem 74 75 76 77 78 79 80 81

Geisberg, Magdalenenhospital, fol. 8v. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. Magdalenenhospital, Urk. 1. Gärtner, Magdalenenhospital, 1922, S. 2; Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 23ff.; Geisberg, Magdalenenhospital, fol. 8v. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 53. Allgemein vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 205. Magdalenenhospital, Urk. 1. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2r–2v. Vgl. Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 81ff.

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decimam, pauperibus in alimoniam, hospitali sancte Marie Magdalene infra civitatem Monasteriensem assignare vellemus.“82

Bernardus übergibt den Zehnten also nicht dem Hospital direkt, sondern dem Bischof, da diesem der Zehnte lehnsrührig ist. Der Bischof überweist („deputamus“) den Zehnten daraufhin den Einwohnern des Hospitals. Hermanns Nachfolger setzen diese Handlungsweise fort. 1241 verkauft Henricus de Asbeke dem Magdalenenhospital den Zehnten zu Laer. Er erhält dafür vom Provisor des Hospitals („de provisore domus hospitalis in Monasterio“) einen Betrag, auf den man sich zuvor geeinigt hatte. Nicht aus Gründen der Lehnsrührigkeit, sondern „ad preces domus hospitalis“ ist es Bischof Ludolphus, vor dem der Verkäufer in die Hand eines gewissen Anselmus Verzicht leistet und der den Verkauf bestätigt. Die Eintreibung des Zehnten obliegt aber dem Hospital selbst. Am Bartholomäusabend (23. August) solle er durch Boten des Hospitals („nuntios hospitalis“) mit sieben Fuhrwerken („cum septem evectionibus“) eingesammelt werden.83 Zwei Jahre später lässt sich ein dritter Fall dokumentieren. 1243 verkaufen Robertus de Westerrothe und seine Frau dem Magdalenenhospital den Zehnten in Tilbeck. Sie und ihr Lehnsherr Gerhard Brunen, ein Ministerial des Bischofs, lassen den Zehnten deshalb Ludolphus auf, dieser überträgt ihn dann dem Hospital.84 Tatsächlich konnte der Bischof wohl jeder Zeit ordnend in den laufenden Betrieb des Hospitals eingreifen.85 Die Funktionen des Hospitals waren vielfältig. Werden als Insassen gewöhnlich nur „pauperi“ erwähnt,86 so erscheinen 1189 Arme, Kranke und Pilger („pauperibus, infirmis et peregrinis“) als Bewohner.87 Einen genaueren Einblick erlaubt der „Libellus Monasteriensis de miraculis s. Ludgeri“, der dem heiligen Liudger zugeschriebene Wunder wiedergibt.88 Wie der Libellus berichtet, sei ein auf Seitenwegen des bischöflichen Hofes aufgefundener Armer („pauper“) von den Dienern, die einen Dieb vermuteten, übel verprügelt worden. Ein vorüberkommender Ministerialer ging dazwischen und brachte den Armen zum Hospital. Vor der zusammengelaufenen Menge gewährt ihm Bernhard, der Krankenaufseher des Hospitals („in82 „Dass der edle und gottesfürchtige Mann Bernardus de Lippia zum Loskauf von seinen Sünden und zum Heil seiner Seele uns einen gewissen Zehnten in Northetten, den er von uns als Lehen erhielt, freiwillig in unsere Hände verzichtet hat, dies aber unter der vorausgeschickten Bitte, dass wir jenen Zehnten, den Armen zur Versorgung, dem Hospital St. Maria Magdalena innerhalb der Stadt Münster zuweisen wollen.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2v–3r. Northetten meint Nordhorn bei Gütersloh. 83 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3r–3v. 84 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3v–4r. 85 Beck, Soziale Einrichtungen, S. 6f. 86 So etwa 1176 (Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r) und 1184 (Magdalenenhospital, Urk. 1). 87 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2v–3r. 88 Verfasser könnte Dietrich sein, der ab 1184/85 als Scholaster an St. Ludgeri tätig war. Gerchow, Jahrtausend der Mönche, S. 508. In dieser Zeit dürfte auch der Libellus entstanden sein, erwähnt er doch eine offenbar schon geweihte Kapelle am Magdalenenhospital. Diekamp (Vitae Sancti Liudgeri, S. XCIV) übersieht die Erwähnung der Kapelle und argumentiert entsprechend für eine Abfassungszeit vor 1176.

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firmorum provisorem“), Aufnahme. Der Arme wird versorgt, doch sein Zustand verschlechtert sich. Als er Tage später mit dem Tode ringt, berichtet er Bernhard, den heiligen Liudger die Hospitalkapelle betreten gesehen zu haben. Dieser glaubt den Armen im Sterben und ruft Herrn Gerbert, „qui fuit frater et presbiter de curia abatisse“. Als Gerbert kommt, bittet ihn der Sterbende um seine Kleidung, setzt sich trotz seiner Verletzungen auf und folgt Liudger in die Kapelle („hospitalem capellam“). Dort verrichtet er mit ausgestrecktem Körper dreimal sein Gebet und eilt dann mit den Brüdern („fratribus“) und zahlreichen anderen zur Ludgerikirche, betet dort, legt ein Gelübte ab und tritt wenige Tage später eine Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela an.89 Der Bericht gewährt einen interessanten Einblick in den Alltag, insbesondere aber auch in die inneren Strukturen des Hospitals. So gab es eine Bruderschaft,90 die auch anderweitig belegt werden kann. So schenkte etwa Hermann II. 1183 den „pauperibus qui in hospitali pascuntur vel his qui ibi seruiunt“ den Hof Idenbrock.91 Aufgabe der Bruderschaft war also die Versorgung der Armen. Unterstellt war sie dabei offenbar dem Bischof, denn 1236 weist Papst Gregor den Bischof von Münster an, „ad opus fratrum et hospitum ibi decedentium“ einen Friedhof an der Magdalenenkirche zuzulassen und „fraternitati tue“ in ihren Forderungen dahingehend nachzugeben.92 Der darüber ausgebrochene Streit mit dem Kloster Überwasser wird 1241 vom Bischof dahingehend entschieden, dass er tatsächlich gemäß päpstlichen Auftrags einen Friedhof „pro necessitate fratrum infirmorum“ errichten werde. Weiterhin bestimmt er: „Pauperes in supradicto hospitali recepti et ibi decumbentes et morientes ibidem, nec non et fratres eiusdem hospitalis sive extra sive infra manentes et degentes, fraternitatem habitu, tonsura et signo habentes et fraternitatem eiusdem hospitalis voto et professione in sanitate constituti protestantes, absque omni impedimento matricis ecclesie in cimiterio, quod predicto hospitali iuxta mandatum, quod accepimus, consecrando assignavimus, suam ibi habeant et recipiant sepulturam.“93

Dagegen sollen die Gesindeleute beiderlei Geschlechts („familia vero eiusdem hospitalis utriusque sexus“) die Sakramente von der Mutterkirche Überwasser empfangen und auf dem Friedhof Überwasser begraben werden. Auch alle außerhalb 89 Diekamp, Vitae Sancti Liudgeri, S. 237–249, hier S. 244–246. 90 Derartige Bruderschaften sind auch aus Soest und Osnabrück bekannt. Geisberg, Magdalenenhospital, 6r. 91 WUB 2, Nr. 435. 92 WUB 3, Nr. 367. 93 „Die Armen, die in oben genanntem Hospital aufgenommen wurden, sich dort niederlegen und sterben, wie auch die außerhalb oder innerhalb bleibenden und lebenden Brüder dieses Hospitals, die die Bruderschaft durch Kleidung, Tonsur und Zeichen haben und sich in gesunder Verfassung der Bruderschaft des Hospitals in Wort und Tat verpflichtet haben, halten sich ohne alle Hinderung der Mutterkirche an den Friedhof, der dem genannten Hospital daneben anvertraut ist und den wir zugelassen und zur Weihe bestimmt haben, und sie erhalten und empfangen das Begräbnis(recht).“ LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 24.

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des Hospitals Lebenden, sofern sie nicht zum Kreis der Bruderschaft gehören, haben sich an der Mutterkirche zu orientieren. Als Bruder musste man also offenbar – anders als in einem Mönchsorden – nicht notwendig seine Wohnstatt im Hospital haben. Es handelte sich damit wohl um eine Gemeinschaft von Laienbrüdern bürgerlicher Herkunft.94 Weiterhin erfahren wir, dass Mitglieder der Bruderschaft in gesunden Tagen sich mit „voto et professione“ der Bruderschaft verpflichtet haben mussten, Kleidung und Tonsur („habitum tonsuramque“) erhalten hatten und außerdem ein vom Bischof verordnetes Zeichen trugen („signum quod ipsis fratribus hospitalis predicti assignavimus“).95 Professio dürfte dabei meinen, dass jeder Bruder verpflichtet war, das Hospital als Erben einzusetzen. So setzte Hermann II. schon 1184 fest, dass „nec ipse sacerdos nec alius illius loci religioni astrictus a uita discens res suas testamento ullatenus alienare poterit”.96 Die weltliche Verwaltung des Hospitals hatte ein Provisor inne, der allerdings unter verschiedensten Bezeichnungen firmiert. Bereits 1176 erscheint ein gewisser Ernestus als „huius ecclesie advocatus“.97 Sein unmittelbarer Nachfolge war wohl Bernardus, der im Libellus als Provisor infirmorum das Recht hat, über die Aufnahme von Insassen zu entscheiden. 1186 erscheint er als Laie unter den Zeugen.98 1236 bitten „magister et fratres hospitalis” den Papst um die Gewährung einer eigenen Priesterstelle.99 Ein Provisor ist es schließlich, der 1241 mit Henricus de Asbeke den Kaufpreis für dessen Zehnten aushandelt.100 Tatsächlich hatte er die Wirtschaftsführung in Händen, musste sich aber auch den vom Bischof vorgegebenen Regeln der Amtsführung unterwerfen. So bestimmte Hermann II. 1186: „Et quoniam domum tuam, domine, decet sanctitudo, nec antichristus cum Christo habitare potest, Christus autem in suis est pauperibus, sicut ipse testatur dicens: Qui unum ex hiis recipit, me recipit, et in hiis Christus siciens potatur et esuriens cibatur, domum prefatam sanctam esse volumus et immaculatam et omnis pollucionis et illicite cohabitacionis insciam firmissime sub inviolate institutionis edicto precipientes, ut quicunque loco eidem prefuerit, sive inclusus sive conversus vel etiam secularis clericus, neminem de proximus suis aut speciali familiaritatis vinculo sibi astrictis, de elemosinis ac redditibus eiusdem domus pascat, vel contubernalem aliquam et thori familiarem habere presumat, ne quid karitativa oblatio94 Beck, Soziale Einrichtungen, S. 4f., S. 9. Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 13) vermutet, die Bruderschaft könnte der Augustinerregel gefolgt sein. Dieselbe Regel hatte das Kloster Überwasser. Vgl. WUB 2, Nr. 249, Nr. 277. 95 LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 24. 96 Magdalenenhospital, Urk. 1. Erstmals dokumentiert ist ein solches Verfahren für das Jahr 1278, als Lambertus „frater hospitalis in Monasterio“, der sich „in bona valitudine“ befand und offenbar gerade erst in die Bruderschaft aufgenommen wurde, dem Hospital und den Brüdern seinen Garten vor dem Mauritztor überließ, das Nutzungsrecht aber zu Lebzeiten behielt. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r–10v. 97 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. Geisberg (Magdalenenhospital, fol. 2r, fol. 9r) identifiziert ihn mit dem häufig im Gefolge des Bischofs auftretenden Laien Ernestus de Monasterio (1170/78). 98 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2r–2v. 99 WUB 3, Nr. 367. 100 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3r–3v.

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ne, solacium esse debet summe necessitatis, negligenti procuratore transeat ad luxum illicite voluptatis.“101

Der Provisor, der Inkluse, Konverse oder Säkularkleriker sein sollte,102 war also gehalten, die Mittel des Hospitals nicht zu entfremden und sowohl ehelos als auch enthaltsam zu leben. Unklar bleibt, wer den Provisor ernannte. Es ist zu vermuten, dass es – möglicherweise unter einem gewissen Mitspracherecht der Bruderschaft – der Bischof war, zumal dieser dem Provisor Amtsanweisungen geben konnte.103 Neben einem Provisor, der die weltliche Verwaltung führte, hatte ein Priester die Insassen geistlich zu versorgen. Zur Grundausstattung seiner Präbende gehörten dank Hermanns II. zehn Malter Roggen aus dem Zehnten der Bauerschaft Mark im Kirchspiel Winterswijk, dessen Eintreibung ohne Belastung des Hospitals durch den bischöflichen Meier in Stadtlohn geschehen sollte.104 Auch hatte der Priester Anspruch auf Fuchs- oder Schafsfell („uestes uulpine uel ouine”) für die üblichen Chorröcke und Kappen (“superpelliciis et cappis regulariter utenti”).105 In seiner Anfangsphase verfügte das Hospitals allerdings noch nicht über einen eigenen Geistlichen. Vielmehr wurde die Aufgabe von einem Priester des Klosters Überwasser wahrgenommen, im Libellus etwa von Gerbert, der offenbar zugleich Mitglied der Bruderschaft war.106 Als solcher war er auch an die vom Bischof bestimmten Regeln der Bruderschaft gebunden, durfte nichts aus dem Besitz des Hospitals entfremden 101 „Und diesem deinem Haus, Herr, gebührt Heiligkeit (Ps. 92,5), denn der Antichrist kann nicht mit Christus wohnen, Christus aber ist unter seinen Armen, wie es selbst bezeugt wird, wo es heißt ‚Wer einen von den Seinen aufnimmt, nimmt mich auf‘ (Lk. 9,48), und unter den Seinen wird der durstige Christus getränkt und der Hungrige genährt, und so wollen wir, dass das genannte Haus heilig sei und unbefleckt und aller Besudelung und unerlaubten Beiwohnerschaft zutiefst unwissend, und zwar nach Verfügung der unverletzlichen Anweisung, dass wer auch immer diesem Ort vorstehe, sei es Inkluse oder Konverse oder auch säkularer Kleriker, niemanden von seinen Verwandten oder durch die besondere Fessel des vertrauten Umgangs ihm Verbundenen an den Almosen und Renten des Hauses weide oder irgendeine Genossin und Bettfreundin zu haben wage, dass nicht, was wohltätiges Opfer und Trost in höchster Not sein müsse, durch einen nachlässigen Verwalter hinübergehe zur Verschwendung unerlaubten Genusses.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2r–2v. 102 Konversen waren Laienbrüder, Inklusen hingegen Klausner, die innnerhalb oder außerhalb eines Klosters ein einsiedlerisches Leben führten. Tatsächlich erscheint 1309 „Hermannus dictus de Lovene, procurator hospitalis Monasteriensis et conversus ibidem“. WUB 8, Nr. 484. Sein Vorgänger Johannes wurde „de Kluse“ genannt. MUB 35; MUB 38. 103 Dies war auch in anderen Städten übliche Praxis. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 27ff. Für das Magdalenenhospital vermutete dies schon Meckstroth (Verhältnis der Stadt Münster, S. 54). 104 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. 105 Magdalenenhospital, Urk. 1. 106 Diekamp, Vitae Sancti Liudgeri, S. 246. Gerbertus taucht in einer Urkunde der Äbtissin von Überwasser von 1173 neben einem gewissen Fulcho als religiosus presbiter auf. WUB 2, Nr. 369. Sie waren wohl die beiden dem Dechanten unterstehenden Kapläne der Überwasserkirche. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 81.

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und hatte sein Eigentum dem Hospital zu vermachen.107 Die hier deutlich werdende Verfügungsgewalt des Bischofs zeigt auch, dass dieser wohl das Präsentationsrecht über die Priesterstelle innehatte.108 Es waren der Provisor und die Bruderschaft des Hospitals, die sich schließlich für die Schaffung einer Priesterstelle und damit auch für eine größere Unabhängigkeit des Hospitals einsetzten. Widerstand erfuhren sie dabei seitens des Klosters Überwasser, da dies einen Eingriff in dessen Pfarrrechte bedeutete, und offenbar auch seitens des Bischofs Ludolf (1226/47),109 denn es war kein Geringerer als Papst Gregor, der diesem am 5. Juni 1236 den folgenden Brief schickte: „Gregorius episcopus servus servorum Dei, venerabili fratri episcopo Monasteriensi salutem et apostolicam benedictionem. Dilecti filii, magister et fratres hospitalis sancte Marie Magdalene, nobis humiliter supplicarunt, ut ipsis in capellula sua proprium capellanum, qui eis ecclesiastica exhibeat sacramenta, nec non cimiterium habendi ad opus fratrum et hospitum ibi decedentium licentiam concedere dignaremur. Volentes igitur in hec tibi deferre qui loci diocesanus existis, fraternitati tue per apostolica scripta mandamus, quatenus eis, si expedire videtur, postulata concedas, sine iuris preiudicio alieni.“110

„Cum mandatum venerabilis patris“ eximierte der Bischof das Hospital aus der Pfarre Überwasser, gestattete dem Hospital einen eignenen Geistlichen und ließ einen eigenen Friedhof errichten. Doch gerade letzteres führte zu dem erbitterten Widerstand der Äbtissin von Überwasser. Es kam zu einem Streit mit der „domina Ida abbatissa ecclesie S. Marie cum conventu suo nec non ipsius matricis ecclesie pastore ex una parte, et provisor eiusdem hospitalis ex altera“, den der Bischof am 17. Februar 1241 in der bereits erwähnten Form schlichtete, dass Brüder und Arme auf dem Hospitalfriedhof, das Gesinde und alle außerhalb des Hospitals Lebenden, sofern sie nicht zur Bruderschaft gehören, auf dem Friedhof der Mutterkirche Überwasser beerdigt werden sollen. Die Schwere des Konflikts wird deutlich an dem abschließenden Wunsch des Bischofs, „tocius litis materia et omnis discordia super questione 107 108 109

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Magdalenenhospital, Urk. 1. Belegbar ist dies erst für das Jahr 1282, als die Kapelle bereits einem Rektor unterstand. WUB 3, Nr. 1156. Auch bei der Errichtung des Lübecker Hospitals 1234 wurde die Anstellung eines eigenen Geistlichen von Bischof und Domkapitel zunächst verweigert. Grund war der zu weltliche Charakter des vom Stadtrat gegründeten Hospitals. Jetter, Westdeutschland, S. 24ff. Zur Sonderstellung der Pfarre Überwasser betreffend das Begräbnisrecht berichtet Kerssenbrock (Detmer, Kerssenbrock, S. 56ff.), der auch den Streit mit dem Magdalenenhospital thematisiert. „Bischof Gregor, Diener der Diener Gottes, dem ehrwürdigen Bruder, dem Münsterischen Bischof, Gruß und apostolischen Segen. Die geliebten Söhne, der Magister und die Brüder des Hospitals St. Maria Magdalena haben uns demütig gebeten, dass wir es würdigten, ihnen in ihrem Kapellchen einen eigenen Kaplan zu gestatten, der die geistlichen Sakramente verleiht, wie auch das Halten eines Friedhofs zum Nutzen der dort sterbenden Brüder und Gäste. Dies Dir, der Du der Diözesan des Ortes bist, also hiermit übertragen wollend, tragen wir Dir durch apostolisches Schreiben auf, dass Du Deiner Bruderschaft, wenn es bequem erscheint, in ihren Forderungen soweit nachgibst, ohne rechtliche Vorentscheidung von anderer Seite.“ WUB 3, Nr. 367.

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predicta de cetero sopita sit et quiescat.“111 Aussagekräftig ist auch die Zeugenliste. Zwar ist das Hospital durch dessen Provisor Alexsander vertreten, Äbtissin Ida aber bleibt abwesend. Von den immerhin 27 namentlich genannten Zeugen – insbesondere Domkanoniker, aber auch Geistliche von St. Mauritz, St. Martini und St. Lamberti sowie der Propst von Oldenzaal sind vertreten – lässt sich mit „Everhardus sancte Marie plebani“ nur ein einziger Vertreter der Überwasserkirche feststellen. Es könnte sich bei ihm um den bisher für das Hospital zuständigen Kaplan von Überwasser handeln. Auch fehlt ein Siegel des Klosters unter der Urkunde. Es siegeln allein der Bischof, das Domkapitel und – erstmals – die Stadt Münster.112 Ob der Streit also mit diesem Urteil wirklich beigelegt war, ist nicht eindeutig. Erst 1274 wird mit „Henrico plebano“ ein wohl eigenständiger Rektor der Magdalenenkapelle genannt.113 Das Präsentationsrecht über die neu geschaffene Stelle hatte der Bischof selbst inne. 1282 schlägt er dem Pleban der Überwasserkirche den Priester Tydericus zur Investitur vor.114 Dass Tydericus derzeit noch Kaplan115 an der Überwasserkirche war und auch schon sein Vorgänger Henricus Pleban daselbst war,116 zeigt, dass trotz der in den Jahren 1236/41 gewachsenen Selbständigkeit des Hospitals eine gewisse Kontinuität gewahrt wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Grundstruktur des Magdalenenhospitals mit den Fratres, den Pauperes und der Familia, also dem Hausgesinde, drei verschiedene Gruppen aufwies. Die weltliche Verwaltung unterstand dabei einem Provisor, die geistliche Verwaltung dem Rektor der Kirche. Die Trägerschaft über das Hospital hingegen hatte der münsterische Bischof inne. Mit der Kommunalisierung ändert sich diese Struktur.

2. Die Kommunalisierungsphase des 13. Jahrhunderts Die Stadtwerdung Münsters erfolgte nicht ohne die Beteiligung der Bürgerschaft,117 und auch für die Gründung des Magdalenenhospitals ist eine gewisse bürgerliche Unterstützung anzunehmen. Diese zeigte sich bereits in den Renten aus Bürgerhäusern, wie sie das Güterverzeichnis von 1184 aufweist.118 Finanzielle Unterstützung

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LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 24. LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 24. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 7r–7v. WUB 3, Nr. 1156. Der Vorschlag war erfolgreich. MUB 49. Fälschlich sehen Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 43) und Beck (Soziale Einrichtungen, S. 20f.) das Präsentationsrecht schon seit Anbeginn beim Stadtrat. 115 In der Urkunde heißt es „vicario“. Eine Vikarie existierte aber erst seit der Pest von 1350. Gemeint ist zweifellos einer der beiden Kapläne. Vgl. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 81, S. 95. 116 WUB 3, Nr. 1197. 117 Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 93f. 118 Magdalenenhospital, Urk. 1.

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legitimiert politische Einflussnahme.119 Bereits durch die Existenz einer zweifellos bürgerlichen Bruderschaft dürfte die Bürgerschaft gewisse Mitsprachemöglichkeiten gehabt haben.120 Und so finden sich bereits am Ende der Zeugenliste der Bischofsurkunde von 1176 mit Gotfridus de Schonenb[eke], Bertramus und Arnoldus drei Personen wohl bürgerlicher Herkunft.121 Im Güterverzeichnis selbst finden sich unter den Zeugen acht ausdrücklich als „laici“ bezeichnete Personen.122 Weiterhin beteiligen sich nicht weniger als 14 Laien an der 1186 vom Bischof vorgenommenen Lastenbefreiung des Hospitals, wenngleich auch nicht deutlich wird, ob darin ein Einfluss der Bürgerschaft auf das Hospital oder auf das städtische Steuerwesen zu sehen ist.123 Als der Bischof dem Hospital drei Jahre später einen Zehnten überträgt, erscheinen fünf Laien.124 Der Kreis der bürgerlichen Zeugen scheint dabei bereits weitgehend geschlossen. Conradus Pincerna, Godefridus de Schonenbeke, Henricus de Emesbruch und Rudolfus de Stenvorde erscheinen je zweimal, Bernardus Werense, der 1184 sogar „camerarius“ genannt wird, erscheint dreimal. Auch Mitglieder der Familien Münster und Saltesberge erscheinen je zweimal. Tatsächlich könnte es sich hier um die ersten überlieferten Schöffenlisten handeln.125 Ein eigenes Stadtgericht erhielt Münster wohl spätestens 1168. Damit verbunden war die Einrichtung des Richteramtes und des Schöffenkollegs. Während der Bischof ersteres gewöhnlich aus dem Kreise seiner Ministerialen besetzte, wurde letzteres von den Bürgern und aus der Bürgerschaft gewählt.126 Die Schöffen standen dem Stadtrichter bei der Rechtsprechung zur Seite und konnten in gewissem Umfang auch eigenständig entscheiden. Zudem übernahmen sie zunehmend Verwaltungs- und Regierungsfunktionen, was schließlich zur Entstehung eines – mit dem Kolleg faktisch

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Vgl. auch Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 299f. Im Arbeitskreis Konstanz bot Kälble die These an, die Gründung bürgerlicher Bruderschaften an Spitälern und deren Autonomiebestrebungen bildeten eine treibende Kraft in der Kommunalisierung (Konstanzer Arbeitskreis, Sozialgeschichte, S. 88). Auch die Bruderschaft des Magdalenenhospitals strebte nach größerer Unabhängigkeit, insofern sie sich für die Schaffung einer Priesterstelle einsetzte. Dass die Bruderschaft die Kommunalisierung begünstigte oder verstärkte, mag wahrscheinlich sein, ist aber in diesem Fall nicht belegbar. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. Es ist die erste urkundlich belegte Bürgerbeteiligung an einer Handlung des Stadtherrn überhaupt. Vgl. Prinz, Mimigernaford, S. 186. „Rodolfus de Stenuorde, Wicboldus de Saltesberge, Ludbertus de Beuerne, Rodolfus de Meinhoule, Ludolfus Monasteriensis, Wolfardus uillicus, Werendis camerarius, Heinricus de Emesbruch“. Magdalenenhospital, Urk. 1. Die beteiligten Laien sind: „Rudolphus de Stenvorde, Godefridus de Schonenbeke, Albertus dapifer [Droste], Conradus pincerna [Schenkinck], Bernardus Werense, Dethmarus, Henricus de Emesbruc, Wilhelmus Stevenynch, Ernestus, Helpradus, Fredericus, Godfridus, Henricus, Bernardus“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2r–2v. Bernardus de Lippia, Thidericus de Saltesberge, Bernardus Werenzo, Hermannus Monasteriensis und Conradus Pincerna. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2v–3r. Prinz (Mimigernaford, S. 186) sieht in den zitierten Namen von 1186 die erste Schöffenliste. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 26f.

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identischen – Stadtrates führte.127 Der Stadtrat war wohl von Anbeginn mit 12 amtierenden und 12 beratenden Mitgliedern zweischichtig organisiert.128 Die erste sicher belegte Schöffenliste wurde um das Jahr 1221 abgefasst.129 1253 erscheinen neben den „scabini“ erstmals „consules“,130 ein Jahr später „magistri scabinorum“.131 Der früheste Abdruck des großen Siegels der Stadt Münster findet sich an einer Urkunde des Jahres 1231.132 Zehn Jahre später findet sich das große Stadtsiegel erstmals an einer das Magdalenenhospital betreffenden Urkunde. Es ist jene, in der der Bischof den Streit zwischen dem Hospital und dem Kloster Überwasser zu schlichten sucht. Die Äbtissin von Überwasser war der Schlichtung ferngeblieben, und so dürfte der Bischof einen möglichst großen Konsens herzustellen versucht haben. Wenn also neben den Siegeln des Bischofs selbst und des Domkapitels auch jenes der „civitatis Monasteriensis“ hängt, ist darin kaum ein regulärer Einfluss des Rates auf die Spiritualia des Hospitals zu sehen,133 zumal sich die beiden Parteien ausdrücklich „consilio et ordinationi nostre“ (also des Bischofs) unterwerfen. Immerhin aber finden sich unter den Zeugen mit Theodericus Wrethe, Henricus Alebranding, Gerhardus de Remen und Johannes Puer vier wohl bürgerliche Personen, von denen drei als Schöffen nachweisbar sind.134 Als ein Jahr später Wicbold de Holte dem Magdalenenhospital zwei Höfe im Kirchspiel Amelsbüren überträgt und dies unter anderem von dem Schöffen Lutbertus „qui dicitur clericus“ bezeugt wird, ist dies das erste Mal, dass das Hospital ohne Beteiligung des Bischofs ein Rechtsgeschäft tätigt.135 Tatsächlich war der Einfluss des Bischofs im Schwinden begriffen. 1243 überwies er dem Magdalenenhospital noch den ihm von Robertus de Westerrothe und dessen Lehnsherrn, dem bischöflichen Ministerialen Gerhard Brunen, aufgelassenen Zehnten in Tilbeck,136 1250 übertrug er den Brüdern des Hospitals Äcker seines Ministerialen Bernhardus de Rokeslare.137 Er handelte also nicht als Träger des Hospitals,

127 Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 28. Vgl auch Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 93; Weikert, Erbmänner, S. 27f., Kirchhoff, Gesamtgilde, S. 238. 128 Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 111. 129 WUB 3, Nr. 173. 130 WUB 3, Nr. 553. 131 WUB 7, Nr. 823a. 132 Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 112. 133 Dies tun etwa Meckstroth (Verhältnis der Stadt Münster, S. 55), Geisberg (Magdalenenhospital, fol. 9v) und Krug-Richter (Alltag und Fest, S. 72). 134 LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 24. Wrethe ist um 1221 Schöffe, Alebranding 1222, Remen 1239/68. WUB 3, Nr. 173; WUB 3, Nr. 356, Anm. 135 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 5r–5v. Lubbert Kerckerinck ist 1239/50 als Schöffe belegt. WUB 3, Nr. 356; MUB 14. Auf dem Grund einer der beiden Höfe wird ein Hospital errichtet, dem in den folgenden durch Auseinandersetzungen mit dem Bischof geprägten Jahren besondere Bedeutung zukommt. Vgl. Kap. VI.1. 136 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3v–4r. 137 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 4r–4v. Unter den Zeugen stehen neben Kanonikern und dem „provisor hospitalis“ Godefridus auch die beiden Schöffen Albertus Dapifer (1250/51) und Lubbertus Clericus (1250/51). Vgl. MUB 14.

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sondern da erwähnte Zehnten vom Hochstift Münster lehnrührig waren. Dies sollte für über 15 Jahre die letzte Handlung des Bischofs gegenüber dem Hospital bleiben. Die Absetzung Kaiser Friedrichs II. leitete 1245 das Interregnum ein. Dieses Machtvakuum zu füllen, strebten Bischöfe und weltliche Fürsten nach einer Ausweitung ihrer Territorien und Ansprüche, auch auf Kosten des städtischen Bürgertums. Insbesondere war der Handel der Städte durch den Streit mit den Landesherren, der immer wieder zu Fehden führte, bedroht. Bereits 1245 schlossen sich die Bischöfe von Münster und Osnabrück in einem vor allem gegen die Städte gerichtetes Bündnis zusammen. Wohl als Reaktion darauf gingen 1246 die Städte Münster und Osnabrück ein Bündnis ein, zu dem später auch Minden trat und dessen Ziel insbesondere der Schutz vor Übergriffen seitens der Ritterschaft war. Als Antwort auf die ganz Westfalen in Mitleidenschaft ziehende Fehde zwischen den Bischöfen von Köln und Paderborn schlossen sich Münster, Dortmund, Soest und Lippstadt 1253 zum Werner Bund zusammen,138 der sich 1255 – wohl auf Initiative Münsters – dem ausdrücklich gegen die Stadtherren gerichteten Rheinischen Bund anschloss. 1257 – in diesem Jahr erlitt die Stadt Münster schwere Verwüstungen139 – folgte ein offenbar ebenfalls gegen den eigenen Stadtherrn gerichtetes Bündnis zwischen dem Stadtrat und dem Domkapitel von Münster.140 Erste Wehrbündnisse entstanden 1270 zwischen Münster, Soest und Dortmund und 1277 mit Osnabrück als viertem Partner.141 Der Bischof hingegen zog sich zunehmend aus Münster zurück und verlegte seine Residenz schließlich nach Wolbeck. Damit war der Stadtrat seit der Mitte des 13. Jahrhunderts zum wichtigsten Machtfaktor innerhalb der Stadt geworden.142 So schlichtete er 1250 einen Streit zwischen Aegidiikloster und Magdalenenhospital. Das Kloster hatte Macharius Bekehus einen Acker verpachtet, den dieser daraufhin dem Hospital verkaufte. „Unde dudum discordia inter nos versabatur, quam tandem de domo civium scabini totaliter sedaverunt et amice composuerunt […] ordinacione tali, quod nos a fratribus hospitalis sex marcis acceptis et eisdem predictorum agrorum proprietatem libere vendidimus in perpetuum possidendam.“143

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MUB 16. WUB 3, Nr. 624. MUB 19. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 37–40. Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 104. In vielen Städten verlief die Kommunalisierung des zentralen Hospitals nahezu reibungslos. Besonders aber in Bischöfsstädten, in denen sich der Stadtrat einer Personalunion von Bischof und Stadtherr gegenüber sah, verlief die Kommunalisierung mitunter (so Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 225f.) „vielgestaltig und eindrucksvoll“. Münster scheint hier fast eine Ausnahme darzustellen, denn wenngleich die Konflikte zwischen Bischof und Stadt zahlreich waren, so wurde das Hospital doch offenbar nie selbst Gegenstand dieser Auseinandersetzungen. „Daher herrschte lange Zwietracht zwischen uns, die endlich die Schöffen vom Rathaus (wörtlich: vom Haus der Bürger) vollständig stillten und den Streit freundlich beilegten, (…) mit solcher Anordnung, dass wir von den Brüdern des Hospitals 6 Mark

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Eine Verfügungsgewalt des Rates über das Hospital oder gar die faktische Übernahme der Trägerschaft144 lässt sich daraus freilich noch nicht ablesen. Vielmehr agiert hier der Stadtrat als Streitschlichter und bewegt sich damit durchaus im Rahmen seiner gerichtlichen Funktion.145 Tatsächlich dürfte die persönliche Abwesenheit des Trägers zunächst einmal eine wachsende Unabhängigkeit des Provisors verursacht haben.146 Diese verlor er erst in den 1260er Jahren zunehmend an die Schöffen. Am 12. Januar 1262 verkaufte Henricus, Burggraf von Stromberg, dem Hospital „ob remedium anime mee“ und „ad usus infirmorum ibidem decumbentium“ sein Haus genannt Spork, und zwar „mediante interventu prudentum virorum scabinorum Monasteriensis civitatis“. Die Schöffen waren es auch, von denen Henricus den Kaufpreis von 6 Mark erhielt. Zwölf Schöffen erscheinen in der Zeugenliste, und damit dürfte wohl der gesamte amtierende Rat anwesend gewesen sein. Der Provisor war nicht anwesend.147 Der Hof Spork war auch noch nach dem Verkauf mit einem Zehnten belastet, und einer der Inhaber war Pulcian von Coesfeld. Vor dem Bischof Gerhardus leistete er am 12. November 1266 zu Gunsten des Magdalenenhospitals Verzicht. Pulcians Brüder, die ebenfalls den Zehnten besaßen, hatten zuvor schon vor den Schöffen verzichtet. Gerhardus verkündet dies selbst: „Similem quoque abrenunciationem de predictis antea fecerant fratres eiusdem P. in multorum proborum virorum presencia sicuti inde nobis plurium virorum fidedignorum, qui cum predicta abrenunciacio coram nobis fiebat presentes fuerunt, relacio fecit fidem.“148

Gerhardus erfuhr dies wohl insbesondere von den ebenfalls anwesenden (und lediglich als münsterische Bürger bezeichneten) Schöffen Gerwinus Divite (1257/68) und Hermannus de Ravensbergh (1259). Besiegelt wurde die Urkunde schließlich nicht nur vom Bischof, sondern „pariter“ von der Stadt Münster. Eine Mitwirkung des Bischofs lässt sich noch einmal 1267 feststellen, als der Ritter Hermannus de Daverenberg dem Hospital für 55 Mark den Hof in Haroldincbrucghe verkauft, den er von der Dompropstei „iure homagii“ zu Lehen trug. Neben dem Dompropst, dem Verkäufer und seinem Sohn siegelt auch Bischof Gerhardus.149 Während der Einfluss des Bischofs sank, wuchs der des Rates. Am 14. November 1266 tauschte die Äbtissin von Freckenhorst mit dem Hospital ihren Hof in Holta (Holtinch) gegen den dem Hospital eigenen Hof in Suttorpe. Unter den Zeugen befand sich neben

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empfangen und ihnen die vorgenannten Äcker als freies Eigentum zum ewigen Besitz verkauft haben.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 8r–8v. Diese hatte Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 31) gesehen. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 13. 1247 etwa verkaufte Thidericus, Graf von Isenberg, dem Hospital drei seiner Häuser im Kirchspiel Amelsbüren, und zwar „ad instanciam provisoris eiusdem Alexandri“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3v. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 8v–9r. „Auch haben einen ähnlichen Verzicht auf das Vorgenannte die Brüder des P(ulcianus) in Anwesenheit vieler erfahrener Männer geleistet, wie uns daraufhin der Bericht zahlreicher treuwürdiger Männer versicherte, die, als der vorgenannte Verzicht vor uns geschah, anwesend waren.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 4v–5r. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 6r.

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dem Provisor („Johanne custode hospitalis“) auch der schon beim Zehntverzicht Pulcians anwesende Schöffe Herman de Ravensberghe. Das Magdalenenhospital erscheint hier erstmals nicht als Hospital in der Stadt Münster, sondern als Hospital der Stadt Münster.150 Der Hof in Holta war nicht unbelastet. Die Ablösung betrieb aber nicht der Provisor, sondern der Stadtrat selbst. So bezogen die münsterischen Bürger Gerhardus und Elsburgis Zebrachtinch neun Schillinge aus dem Gut. 1268 kamen sie auf das Rathaus („in domo civium“) und leisteten in Anwesenheit beider Bürgermeister und zwölf weiterer namentlich genannten Schöffen zu Gunsten des Hospitals Verzicht. Besiegelt wurde die Urkunde vom Rat der Stadt.151 Trotz der sich nun immer deutlicher abzeichnenden Trägerschaft des Rates behielt der Provisor eine vergleichsweise selbständige Stellung. Im November 1274 begaben sich er und der Rektor der Hospitalskapelle nach Dortmund, um in der dortigen Nicolaikirche von Bernardus Ritter von Hurda und seiner Ehefrau Agnes das Haus Volmarinck und das Haus Tumehus (Bauerschaft Tilbeck) mitsamt Eigenhörigen und umliegenden Ländereien zu empfangen. Auf Bitten der Eheleute waren auch 18 Dortmunder Ratsmänner erschienen, sodass sich in der Kirche schließlich immerhin 35 Personen befanden.152 Es war wohl ein Resultat des 1277 geschlossenen Wehrbündnisses, dass Bischof Everhardus 1278 einen Ausgleich mit dem Stadtrat anstrebte. Am 18. Januar kam es zu einer „compositio“ über die „rancore“, die zwischen ihm und der Stadt geherrscht hatte. Der Vertrag gewährleistete der Stadt eine bisher nicht gekannte Selbständigkeit. Alle Exzesse innerhalb und ausserhalb der Domimmunität sollten als gesühnt gelten. Die städtischen Richter sollten im Gericht den bischöflichen Richtern gleichgestellt und die Einkünfte des Gerichts zwischen Bischof und Stadt geteilt werden. Die Stadt erhielt die Türme am Bispinghof und besaß damit nun die gesamte Stadtbefestigung. Auch das Marktrecht und – gegen eine Rente von 40 Mark – die vollständige Grutsteuer verblieben bei der Stadt.153 Da alle Ereignisse als gesühnt gelten sollten und die Trägerschaft des Hospitals nicht thematisiert wurde, bedeutete dies seitens des Bischofs offenbar eine implizite Anerkennung der Ratsträgerschaft. Spätestens jetzt ist der Rat vollwertiger Träger der Einrichtung. Dies spiegelt sich auch im folgenden Fall wieder. Um gewisse Güter in Groblingen kaufen zu 150

„Hospitali Monasteriensis civitatis“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 5r. Vgl. auch Beck, Soziale Einrichtungen, S. 13f. Der mit der Kommunalisierung einhergegangene Wechsel der Bezeichnung ist auch Kerssenbrock bewusst, wenn er schreibt: „Episcopus olim ius huius xenodochii habuisse, quod nunc totum ad urbis senatum ante annum 1330 ita translatum est, ut nunc hospitale civitatis Monasteriensis appeletur.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 59. 151 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 8v. 152 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 7r–7v. Die Häuser wurden „Henrico plebano et Johanni dicto de Lichden provisoribus dicti hospitalis“ übergeben. Obwohl die Bezeichnung „provisores“ später für die vom Rat bestellten Verwahrer des Hospitals stehen wird, meint sie hier den Kapellrektor als Verwalter der Spiritualia und den Spitalmeister als Verwalter der Temporalia. 153 MUB 32. Vgl. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 43ff., S. 60ff. sowie Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 106, S. 123.

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können, verkaufte das Hospital dem Domkantor Henricus am 7. Juni 1284 für 15 Mark eine Rente von 12 Schillingen, die jährlich aus dem dem Hospital gehörigen Haus Gelekinck bezahlt werden sollten. Würde dieses einmal zahlungsunfähig sein, übernähme das Hospital selbst die Schuld. „Ad refectionem pauperum“ sowie für Messfeiern des Priesters erließ Henricus dem Hospital allerdings 4 Schillinge Rente und wollte mit seinem Tode gegen eine Totenmesse vollständigen Verzicht leisten. Obwohl es sich also nur um eine Leibrente handelte, bedurfte es der Zustimmung des Trägers, ging es doch um eine langfristige finanzielle Verpflichtung.154 Bei dieser Gelegenheit traten Schöffenmeister, Schöffen und Gemeinde erstmals als eine geschlossene Körperschaft hervor.155 Besiegelt wurde die Urkunde mit dem großen Stadtsiegel und dem Hospitalsiegel. Einen weitgehenden Eingriff in die Wirtschaftslage des Hospitals stellt zudem der Tausch von Ländereien dar. Entsprechend bedarf es auch hier der Zustimmung des Trägers. Am 25. Februar 1284 billigte der Ritter Hermannus de Monasterio einen Tausch zwischen seinem Lehnsmann Adolphus de Saffenberg und dem „hospitale pauperum civitatis Monasteriensis“. Adolphus erhielt dabei eine Wiese bei Haus Kannen am Weg in Richtung Venne, das Hospital eine Wiese bei dem dem Hospital seit 1266 eigenhörigen Hof Holta. Anwesend waren neben dem Provisor („magister domus hospitalis“) auch die „scabini civitatis Monasteriensis“.156 Am 2. Januar 1285 wandte sich der Bischof von Münster zum letzten Mal in einer weltlichen Angelegenheit an das Magdalenenhospital. Der Laie Engelbertus de Musnen und seine Frau Jutta sind vor ihm erschienen, um „provisori et pauperibus hospitalis beate Marie Magdalene in Monasterio“ für 49 Mark ihren Zehnten aus fünf Häusern im Kirchspiel Milte zu verkaufen. Da der Zehnte dem Bischof lehnsrührig ist, lassen sie ihn ihm nun auf. Auch die Vorbesitzer sind gekommen, um Verzicht zu leisten. Mit Zustimmung des Domkapitels schenkt Bischof Everhardus nun diesen Zehnten „benigna largicione“ dem Hospital, das „in subvencionem egenorum et debilium institutum est“. Ferner hofft er, dass „pium censentes pauperibus et auxilio

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Verträge dieser Art mussten auch bei anderen Institutionen vom jeweiligen Träger bewilligt werden. Vgl. Kap. IV.2. Die magistrale Überwachung einer „routinemäßige[n] Rechtshandlung“ (Beck, Soziale Einrichtungen, S. 16) liegt hier insofern also nur bedingt vor. 155 „Nos magistri scabinorum, scabini totaque communitas civitatis Mon. ac Johannes de Klusen, provisor hospitalis Mon., tenore presentium profitemur, quod […]“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 7v. WUB 3, Nr. 1281 datiert fälschlich auf den 30. Mai 1285. Allgemein zu dieser Urkunde vgl. auch Jakobi, Schwieriges Erbe, S. 310. 156 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 9v. Erneut aktiv wurde der Stadtrat am 30. Oktober desselben Jahres, jedoch nicht als Träger, sondern als Schlichter in einem Streitfall. Einst hatte das Hospital von dem inzwischen verstorbenen Ritter Giselbertus de Bissendorpe das Erbe Ramwordinck erworben. Sein Sohn erhob allerdings weiterhin gewisse Ansprüche auf das Erbe. „Coram scabinis Monasteriensibus“, die auch siegeln, verzichtete er nun gegenüber „magistro et pauperibus hospitalis sancte Marie Magdalene in Monasterio“ auf alle Ansprüche, erbat sich aber Gebete der Armen für das Seelenheil seines Vaters. MUB 39; WUB 3, Nr. 1257.

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destitutis absque dampno ecclesie nostre, que in hoc non leditur, succurrere“.157 Man mag darin eine Auseinandersetzung mit den neuen Verhältnissen sehen, und vielleicht auch eine Mahnung zur Vorsicht. Da mit der Kommunalisierung der weltliche Einfluss auf das Hospital deutlich stieg, war die Sorge um eine mögliche Säkularisierung des Hospitals, das immerhin eine eigene Kapelle und einen eigenen Priester hatte, sicherlich berechtigt. Gerichtet sind diese Worte wohl insbesondere an die acht anwesenden – und in einer das Hospital betreffenden Bischofsurkunde auch erstmals so bezeichneten – Schöffen. Hatte der Bischof auch die Trägerschaft über das Hospital abgegeben, so blieb ihm offenbar doch noch das Präsentationsrecht für den Hospitalspriester.158 Wie lange der Bischof dieses Recht noch innehatte, ist unklar. Erst 1372 ist das Präsentationsrecht des Rates belegt.159 Bezeugte der Stadtrat eine das Magdalenenhospital betreffende Rechtshandlung, so tat er dies oftmals in einer recht großen Gruppe von acht oder mehr Personen. Mitunter finden sich aber auch kleinere Gruppen bürgerlicher Laien, deren Ratsmitgliedschaft nur aus anderen Quellen erschlossen werden kann. Auffälligerweise sind immer nur ein oder maximal zwei Schöffen belegbar. Tabelle 1: Verzeichnis der als Schöffen nachweisbaren Zeugen bei das Hospital betreffenden Rechtsgeschäften (sofern ihre Zahl unter 8 bleibt) 1241 Feb 1242 Jul 1250 Jun 1266 Nov

Schöffe Theodericus Wrethe Albertus Dapifer? * Gerwinus Divite

Schöffe Henricus Alebranding Lubbertus Clericus Lubbertus Clericus

Quelle MUB 7 MUB 8 MUB 12 MUB 23

* Albertus Dapifer (Droste) könnte identisch sein mit dem im gleichen Jahr belegten Schöffen Albertus iuxta puteum. Vgl. MUB 14. Sofern hierin keine Zufälligkeit der Quellenlage zu sehen ist, könnte sich bereits in den 1240er Jahren ein aus zwei Ratsherren bestehendes Aufsichtsgremium he-

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„Dass jene, die die Frömmigkeit schätzen, den Armen und von Hilfe Verlassenen ohne Schaden unserer Kirche, der hiermit nicht geschadet wird, zu Hilfe eilen.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 6v–7r. 1282 trug er Everhardus, Pleban in der Überwasserkirche, auf, den Priester Tydericus an der Magdalenenkapelle zu investieren, nachdem diese durch den Tod des Hinricus vakant geworden war. WUB 3, Nr. 1156. Da dieses auch die Aufsicht über die Ausstattung des Benefiziums beinhaltete, bekundeten „proconsules et consules“ 1372, dass der Kapellrektor Arnoldus Paulus den Verkauf einer Rente getätigt habe. Dieser wird als „rector seu magister hospitalis“ bezeichnet und hatte also offenbar zugleich die Stelle des Provisors inne. Magdalenenhospital, Urk. 6. Sollte dies die Voraussetzung gewesen sein, die der Rat für die Übernahme des Präsentationsrechtes benötigte, fand diese Übernahme tatsächlich erst unter Arnoldus Paulus (1371/74) statt.

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rausgebildet haben.160 Nachweisbar existierte ein solches Gremium allerdings erst 1305. Am 9. September dieses Jahres änderten „Theodericus presbiter rector hospitalis in civitate Monasteriensis necnon Henricus dictus Schele et Egbertus dictus Bleke cives eiusdem civitatis procuratores predicte domus sive hospitalis“ die Abgaben des dem Hospital eigenhörigen Hofes Haroldingh im Kirchspiel Amelsbüren.161 Am 22. November 1330 hingegen schenkten die Schwestern Mechtildis und Kunegundis de Bekehem dem Hospital eine jährlich vom Provisor einzufordernde Rente von 3 Schillingen, was derselbe Provisor mit folgenden Worten bestätigte: „Et ego Thidericus dictus Drotzethe, tunc temporis provisor hospitalis, recognosco, me de consensu Bernardi de Tynnen et Wilhelmi de Stege comprovisorum nostrorum ex parte civitatis Monasteriensis sigillum hospitalis sepedicti ad peticionem dictorum Mechtildis et Kunigundis in testimonium premissorum presentibus appendisse.“162

Der Provisor und – sofern dieser im Namen des gesamten Hospitals agiert – auch der Priester hatten damit zwei vom Rat entsandte Vorgesetzte, die wohl auch immer aus den Reihen des Stadtrates kamen.163 Diese Vorgesetzten hießen „procuratores“ oder „provisores“ und unterschieden sich damit terminologisch nicht von dem Hospitalsprovisor. Dieses Nebeneinander derselben Bezeichnungen hielt sich 160 Insbesondere in größeren Städten neigte der Stadtrat dazu, die Exekutivgewalt über Hospitäler besonderen Ratsausschüssen zu übertragen. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 58. 161 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r. MUB 49 datiert fälschlich auf 1304. Das Gremium erscheint fortan regelmäßig. 1309 tauschte der Provisor („procurator hospitalis“) Hermannus de Lovene mit dem münsterischen Kanoniker Thidericus de Heringhen Äcker ihrer eigenhörigen Höfe Mylinc und Kobbinc, benötigte dazu aber die Zustimmung von „Henrici dicti de Loen et Machorii, civium Monasteriensium, meorum superiorum“. WUB 8, Nr. 484. Drei Jahre später bekundeten „Hermannus rector capelle hospitalis Monasteriensis, Henricus de Loen, Burchardus Biscopinch provisores eiusdem hospitalis“ den Empfang einer Rentverschreibung mit dem Siegel des Hospitals. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 15r–15v. 1326 bekundeten „Lambertus Macharii, Henricus Travelman, filius Godefridi, et Thidericus dictus Drotzethe, provisores domus hospitalis Monasteriensis“ – letzterer ist der Provisor, der die weltlichen Geschäfte des Hospitals führte – den Empfang einer weiteren Rente. MUB 66. 162 „Und ich, Thidericus genannt Drotzethe, zur Zeit Provisor des Hospitals, bestätige, dass ich mit Zustimmung des Bernardus de Tynnen und des Wilhelmus de Stege, unseren Comprovisoren von Seiten der Stadt Münster, das Siegel des ofterwähnten Hospitals auf Bitten der genannten Mechtildis und Kunigundis zum Zeugnis des Vorgenannten an die vorliegende (Urkunde) gehängt habe.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 16r–16v. WUB 3, Nr. 1679 datiert fälschlich auf den 13. November 1300. Ihm folgend sehen Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 34) und Meckstroth (Verhältnis der Stadt Münster, S. 58) zwei Oberprovisoren bereits für 1300 belegt. Thidericus trat sein Amt allerdings erst nach 1309 an. Vgl. MUB 50. Die Urkunde passt besser in das Jahr 1330, in dem beide Comprovisoren als Ratsherren belegbar sind. MUB 76. In dem weitgehend chronologisch gehaltenen Kopiar des Hospitals steht der Urkundentext zwischen zwei Abschriften von 1320 und 1333. Auch Prinz (MUB, S. 329, Nachtrag zu Nr. 46) kommt zu diesem Ergebnis. Er vermutet, dass bei der Abschrift die Zehner und vielleicht auch die Einer aus der Jahreszahl gefallen sind. 163 Vgl. Ämterliste im Anhang.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

bis zum Einbruch der Pest.164 Erst danach setzte sich für den Provisor der Begriff Amtmann („amptman“, „officiatus“) durch.165 Die Installation von Oberprovisoren bezeichnete allerdings nicht den Schlussakt der Kommunalisierung, sondern war eine Folge derselben. Ziel des Rates war weniger eine Machtausdehnung innerhalb des Hospitals als eine Delegation der vielfältigen Verpflichtungen, die mit der längst erlangten Macht einhergingen. Aufgabe der Oberprovisoren war es, den Rat dahingehend zu entlasten.166 Damit wies das Magdalenenhospital unter Ratsträgerschaft keine komplett andere, aber doch eine veränderte Struktur auf. Geblieben waren der Hospitalgeistliche und der Provisor. Der Institution vorgestellt existierten aber nun zwei Oberprovisoren, die ihrerseits wieder dem Stadtrat verpflichtet waren. Eine Kommunalisierung der beiden Zwölfmännerhäuser hat während des Mittelalters nicht stattgefunden; sie blieben in domkapitularischer Trägerschaft. Unklar ist allerdings, ob der Rat im 13. Jahrhundert die Trägerschaft über weitere zuvor unter anderweitiger Aufsicht stehende Fürsorgeinstitutionen übernehmen konnte. So wurde 1242 mit den Vorbereitungen zur Gründung eines Hospitals in der Venne bei Münster begonnen, das aber schon 1255 wohl nicht mehr existierte. Errichtet wurde es auf dem Grund des Hofes Westendorpe, einer Schenkung des Wicboldus de Holte (1221/56), Bruder des münsterischen Bischofs Ludolf de Holte (Bf. 1226/47). Die Initiative zur Hospitalsgründung könnte also durchaus beim Bischof gelegen haben. Doch hatte Wicboldus auch einen Bruder namens Wilhelm de Holte, der 1238/57 Dompropst von Münster war. Tatsächlich ist es dieser und nicht der Bischof, der gemeinsam mit Wicboldus die Übertragungsurkunde besiegelt.167 Das Domkapitel unterstützte die Hospitalsgründung auch anderweitig. So übertrug es dem Hospital 1252 für drei jährliche Schillinge ein Torfmoor.168 Da das Hospital damit eine langfristige finanzielle Verpflichtung einging, ist die Zustimmung des Trägers zu erwarten. Tatsächlich siegelt neben dem Dompropst auch die Stadt Münster. Ein Indiz für Ratsträgerschaft ist auch, dass der Rat das Präsentationsrecht über die am Hospital angesiedelte Pfarrstelle hatte.169 Das Hospital dürfte also trotz seiner frühen Existenz nicht dem Bischof unterstanden haben, sondern von Anbeginn – mit tatkräftiger Unterstützung des Domkapitels – dem Rat der Stadt Münster. Ob es im Falle der an den sechs Pfarrkirchen angesiedelten Almosenkörbe einen Wechsel der Trägerschaft gegeben hat, ist mangels Quellen kaum zu beurteilen. Der Almosenkorb Martini wurde erstmals 1337 erwähnt, die Körbe Aegidii und Lud-

164

Letztmals wurden 1342 Provisor und beide Oberprovisoren gemeinsam als „procuratoribus“ bezeichnet. MUB 118. 165 Erstmals um 1360. MUB 168. Um Verwirrung zu vermeiden, wird fortan immer nur von einem Amtmann und zwei Provisoren die Rede sein. 166 Vgl. auch Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 34, sowie Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 58f. 167 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 5r–5v. Zu den Verwandtschaftsverhältnissen der Familie Holte siehe WUB 3, Register, S. 63f. 168 WUB 3, Nr. 538. 169 Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4.

2. Die Kommunalisierungsphase des 13. Jahrhunderts

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geri erstmals 1350. Für Servatii kann erst 1394 ein Almosenkorb belegt werden.170 Nichts spricht gegen die Vermutung, dass sie erst im Zuge der Stiftungsphase in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden sind. Deutlich älter könnten die Almosenkörbe von Lamberti und Überwasser sein. Einerseits sind sie früher belegt als die anderen vier Körbe – Überwasser 1327, Lamberti bereits 1287171. Andererseits unterscheiden sie sich durch ihren Namen. Werden die anderen Körbe gewöhnlich als „gemeine Almosen“ bezeichnet, treten die Körbe Lamberti und Überwasser gewöhnlich als „Almosen des Heiligen Geistes“ auf. Bei den anderen Körben taucht diese Bezeichnung praktisch nicht auf.172 Es war der heilige Geist, der die Menschen zur Caritas animierte. Armenspenden wurden zum Altar der Kirche gebracht und nach dem Gottesdienst im Namen des heiligen Geistes verteilt. Solche Verteilungen dürfte es in Lamberti, Überwasser und auch in den anderen Pfarrkirchen seit ihrer Gründung gegeben haben. Die Almosenkörbe sind wohl erst entstanden, als zunehmend auch – etwa für Totenmessen – Kapitalien gestiftet wurden, die einer langfristigen Verwaltung bedurften.173 Da bereits das Güterverzeichnis des Magdalenenhospitals zahlreiche bürgerliche Renten aufweist,174 könnte die Entstehung der beiden Heiliggeistkörbe parallel zur Stadtwerdung Münsters gedacht werden. Da allerdings in keiner der beiden Institutionen derart frühe Renten nachweisbar sind, ist eher von einer späteren Gründung auszugehen, keinesfalls aber von einer früheren. Spätestens mit der Zunahme von Stiftungen und allgemein von Rentgeschäften zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstanden schließlich auch an den jüngeren Pfarrkirchen eigene Almosenkörbe. Ebenso wenig wie die Frage nach dem Alter lässt sich die Frage beantworten, ob die Heiliggeistkörbe ursprünglich unter der Verwaltung der Pfarrgeistlichkeit oder von Anbeginn unter städtischer Verwaltung standen. Letzteres dürfte um so wahrscheinlicher sein, je später eine Gründung angenommen wird. Allgemein erscheinen etwa seit der Mitte des 13. Jahrhunderts in den Kirchen bürgerliche Laien als Verwalter des Kirchenguts. Die Partizipation an der wirtschaftlichen Verwaltung legitimierte sich aus der finanziellen Unterstützung der Bürgerschaft.175 Tatsächlich könnten die Heiliggeistkörbe im Rahmen dieses Prozesses entstanden sein und standen demnach von Anbeginn unter der Trägerschaft 170 171 172

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Armenhaus Zumbusch, Urk. 1; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf.; Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 99r-v. MUB 67; WUB 3, Nr. 1319. Allein der Almosenkorb der Martinikirche wurde zweimal – 1371 und 1372 – in Verbindung mit dem heiligen Geist genannt. MUB 208; MUB 215. Die Armen der Speckpfründe Ludgeri erschienen erst in der Nachtäuferzeit in Ausnahmefällen als Arme St. Spiritus. Black, Speckpfründe Ludgeri, S. 302. Weitere Nennungen gibt es nicht. Freilich wurde in sämtlichen Parrochialkirchen im Namen des heiligen Geistes gesammelt. Insofern ist für die dortigen Almosenkörbe eine derartige Bezeichnung durchaus nicht ungewöhnlich. Bemerkenswert ist aber, dass sie allein für die Körbe von Lamberti und Überwasser zum regulären Namensbestandteil gehörten. Klötzer, Kleiden, S. 24. Magdalenenhospital, Urk. 1. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 207.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

des Rates.176 Konkrete Hinweise auf einen Übergang von klerikaler zu magistraler Trägerschaft gibt es jedenfalls nicht. Bereits bei seiner ersten Erwähnung stand der Heiliggeistkorb Lamberti unter der Trägerschaft des Stadtrates. Am 13. Januar 1287 verkünden die beiden Schöffenmeister, vier weitere namentlich genannte Schöffen „ceterique scabini et consules Monasterienses“ unter Verwendung des städtischen Siegels, dass Abt und Konvent des Zisterzienserklosters St. Marienfeld bisher jährlich 4 Malter Weizen für ein Almosen „pro anima Fretherici Mule“ gegeben haben. Diese Verpflichtung wird nun gelöst. Stattdessen haben sie dem Rat eine Rente von 17 Schillingen sowie 5 Mark Kapital gegeben: „(…) quos quidem redditus cum pecunia predicta ad augmentationem elemosine, que in ecclesia sancti Lamberti Monasteriensis nomine sancti spiritus offerri consuevit, convertimus.“177

Die Verteilung von Almosen in der Lambertikirche ist also 1287 bereits alte Gewohnheit, und auch die Verwaltungsstruktur ist längst gefestigt. Denn es sind die „provisores elemosine sancti spiritus“, die die 5 Mark Kapital in Renten anlegen sollen, um dann aus sämtlichen Renten alljährlich zu den üblichen Terminen die gewohnten Almosenverteilungen für die Seele des Frethericus zu finanzieren. Die Bezeichnung für diese Provisoren hat sich allerdings bis 1327 noch nicht vereinheitlicht, als der Stadtrat sie – wohl um alle Missverständnisse auszuschließen – als „prouisores seu ammistratores vel dispositores seu yconomj“ tituliert.178 Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Ersterwähnung des Heiliggeistkorbes Überwasser im selben Jahr. Am 29. August 1327 verpachtet Thidericus als „officiatus sancti spiritus“ einem gewissen Johannes und seiner Frau Aleydis den Gherlichescamp vor dem Liebfrauentor auf 12 Jahre zu 10 Schillingen jährlicher Pacht. Unter den Zeugen befindet sich auch ein „Arnoldo exercente agriculturam ad sanctum spiritum“.179 Demnach bestand zwischen beiden Provisoren also eine klare Aufgabenteilung, nach der der eine als Amtmann die Rechnungen führte und der andere die landwirtschaftliche Verwaltung betrieb. Die Trägerschaft über den Heiliggeistkorb Überwasser hingegen erhellt sich erstmals aus einer Urkunde des Jahres 1518. In ihr verkaufen die Kirchenräte, die Provisoren des Heiliggeistkorbes und die Provisoren des Armenhauses 176

177

178 179

Nach Black (Speckpfründe Lamberti, S. 69f. Vgl. auch Prinz, Mimigernaford, S. 198) sind sämtliche Almosenkörbe so alt wie ihre Pfarrkirchen. Ihr Vermögen gehe zurück auf die im 8. Jahrhundert von Bonifatius eingeführte Dreiteilung des Kirchenvermögens zur Versorgung des Klerus, zum Unterhalt des Kirchenbaus und für die Armenfürsorge. Entsprechend hätte es dann auch eine Phase der Kommunalisierung geben müssen. Dieser These widerspricht zu Recht Klötzer (Kleiden, S. 23f.), da diese Dreiteilung nur für Bischofskirchen galt und bereits im 11. Jahrhundert untergegangen ist. „Welche Renten mit dem vorgenannten Geld wir zur Verbesserung der Almosen, die in der Kirche St. Lamberti in Münster im Namen des Heiligen Geistes gewöhnlich dargeboten werden, verwenden.“ WUB 3, Nr. 1319. Nach Prinz (Mimigernaford, S. 154) nimmt der Rat hier kein neu erworbenes Recht wahr, sondern ist vielmehr Erbe eines Rechtes, das im 11. und 12. Jahrhundert die Kaufleutegilde als Gründerin der Marktkirche Lamberti innegehabt hätten. LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v. MUB 67.

3. Die Trägerschaft des Rates und der Kirchspiele

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Zurwieck gemeinsam eine Rente von zweieinhalb Gulden und benötigen dazu die „vulborde vnser scheppenn vnd kerspellude“.180 Demnach unterstand der Korb der Trägerschaft des Kirchspiels Überwasser sowie der aus dem Kirchspiel in den Stadtrat entsandten Schöffen.

3. Die Trägerschaft des Rates und der Kirchspiele Von der Stadtwerdung Münsters im 12. Jahrhundert bis zur Täuferherrschaft 1534/35 lassen sich in Münster insgesamt 33 Fürsorgeinstitutionen nachweisen. Ihre Trägerschaft lässt sich nicht immer sicher bestimmen. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit unterstanden 12 Institutionen dem Rat und 11 Institutionen einem der sechs Kirchspiele. Drei weitere unterstanden dem Rat oder dem Kirchspiel Überwasser. Über drei Institutionen hatte das Domkapitel die Trägerschaft. Je ein Haus wurde von den Beginen zur Aa, den Johannitern und dem Kloster Überwasser überwacht. Über ein Armenhaus lassen sich nur Vermutungen anstellen. In zweien der genannten Institutionen beanspruchte außerdem die Stifterfamilie ein Mitspracherecht. Der im Rahmen dieser Arbeit verwendete Begriff der Trägerschaft entspricht in den mittelalterlichen Quellen weitestgehend dem der „custodia“.181 Im Deutschen findet sich der entsprechende Ausdruck der Aufsicht.182 Gelegentlich zeigte der Rat seine Aufsichtsfunktion auch durch Possessivpronomen an.183 Das Magdalenenhospital erscheint außerdem häufig als „hospitale civitatis Monasteriensis“ oder „hospitalis civitatis nostre“.184 Im 17. Jahrhundert bezeichneten sich Bürgermeister und Rat außerdem als „Ober Provisoren“ des 1592 gegründeten Armenwaisenhauses,185 eine Formulierung allerdings, die im Spätmittelalter nicht verwendet wurde. Insgesamt ist die unmittelbare Nennung der Trägerschaft allerdings selten. Für die Rekonstruktion der Trägerschaft sind also oftmals Indizien heranzuziehen, die auf eine bestimmte Trägerschaft weisen. So lag etwa das Recht, die Hospitalsleitung zu ernennen, gewöhnlich beim Träger, ebenso die Beaufsichtigung der Wirtschaftsführung. Auch konnte der Träger bei der Verabschiedung von Hausordnungen oder 180 Elende Überwasser, Urk. 2. 181 So bestätigte der Stadtrat 1302, dass die Witwe Wessede ihr Armenhaus „in nostras manus ac custodiam“ übergeben habe. MUB 47. 1330 beschrieb sich der Rat als „nos consules et scabini civitatis Monasteriensis hospitale civitatis Monasteriensis sub custodia tenentes“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11r–11v. Und als Wilhelmus de Busche 1337 ein Armenhaus stiftete, übertrug er den Almosenprovisoren von Martini die „curam et custodiam“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. 182 So beauftragte der Rat 1518 die Schöffen von Überwasser, „ein unvergatten, unverdrotten gemeine upseyen up die bowinge, vorderinge und bewahringe“ der Überwasserelende zu haben. BAM, Generalvikariat, Hs. Nr. 175, fol. 149r–163r. 183 So erwähnte er 1429 die Armen „in domo hospitalis nostri dicta tor Wijck up den Honecampe“ und 1459 die Armen „in domo hospitalis nostri in platea montis iuxta pontem fluminis Aa situati“. A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v; Armenhaus zur Aa, Urk. 30. 184 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 16r–16v, fol. 10v–11r. 185 Stiftung Rave, Akten 1.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

Bestimmungen zur Insassenzahl tätig werden. An den alltäglichen Verwaltungsangelegenheiten partizipierte er gewöhnlich nicht. Durch einen Prozess der Kommunalisierung ist das Magdalenenhospital in die Trägerschaft des Rates gelangt. Für andere Institutionen ist ähnliches nicht belegbar. Immerhin möglich erscheint es für die beiden Heiliggeistkörbe Lamberti und Überwasser. Bereits bei seiner Ersterwähnung erscheint der Heiliggeistkorb Lamberti in Ratsträgerschaft. Doch scheint das Kirchspiel gewisse Sonderrechte gehabt zu haben. 1327 erwähnt der Rat die Provisoren des Korbes, „qui pro tempore per nos seu alium vel alios ad hoc fuerint deputati“.186 Diese anderen, die neben dem Rat das Recht auf Ernennung der Provisoren haben, sind zweifellos die bürgerlichen Vertreter des Kirchspiels. Ein Blick auf die Provisorenliste zeigt, dass es bis etwa 1500 üblich war, einen Provisor aus dem Rat zu ernennen. Der jeweils andere Provisor dürfte ein von der Kirchspielverwaltung ernannter Bürger aus dem Kirchspiel Lamberti gewesen sein. Doch scheint dies die einzige Einflussmöglichkeit des Kirchspiels gewesen zu sein, denn die wirtschaftliche Aufsicht lag allein beim Rat, der nicht nur gegenüber dem Korb bestehende Abgabenverpflichtungen lösen konnte, sondern auch bei Rententauschgeschäften seine Zustimmung erteilen musste.187 Bereits 1332 zeigten sich erste Ansätze einer vom Almosen des Heiligen Geistes Lamberti getrennt bestehenden Institution zur Einkleidung armer Leute. Die Provisoren dieser Armenkleidung des Heiligen Geistes, die 1381 erstmals erwähnt werden, erscheinen 1448 als „van deß rades wegene“. 1476 stellt der Rat sie vor als „nutortyd van vnser wegenn verwarere des hilgen geistes kledinge vnsses stadz“.188 1480, 1484 und 1509 wird sie als „der gemeinen stadz Munster kleidonge“ bezeichnet.189 Ähnlich wie in ihrer Schwesterinstitution ist aber auch hier bis etwa 1500 fast immer nur ein Provisor als Ratsmann belegt. Gewisse Sonderbefugnisse des Kirchspiels sind möglich, aber nicht nachweisbar. Eine etwas andere Struktur wies die 1529 vom Stadtrat bestätigte Elende Lamberti auf. Ihre Provisoren sollten nach Anweisung des Rates „van den schepenn vnd anderen frommen luden des kerspels tho sunthe Lamberte“ bestimmt werden, eine Praxis, die bereits 1527 bestand.190 Die Trägerschaft oblag also zunächst den Schöffen als Vorstehern des Kirchspiels. Doch nach der Täuferzeit setzte sich – offenbar in Angleichung an den Heiliggeistkorb und die Armenkleidung Lamberti – eine Mitträgerschaft des Rates durch. 1546 etwa erschienen die Provisoren im Auftrag „van scepen unde raedt“.191 In einer ähnlichen Sondersituation waren die meisten Institutionen im Kirchspiel und einstigen Suburbium Überwasser, die sich aus der allgemeinen Verwal186 LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v. 187 WUB 3, Nr. 1319 (13. Januar 1287); Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 29v–30r (1418). 188 Kirche St. Martini, Urk. 1; Armenkleidung Lamberti, Urk. 6, Urk. 9. 189 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 81. 190 Elende Lamberti, Urk. 1; Elende Lamberti, Akten 1, fol. 1r. 191 Elende Lamberti, Akten 1, RB 1546, zitiert nach Klötzer, Kleiden, S. 297. Ausführlich vgl. Kap. VI.3.

3. Die Trägerschaft des Rates und der Kirchspiele

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tung des Kirchspiels ergab. Wie auch im Kirchspiel Lamberti waren es hier die aus dem Kirchspiel in den Rat entsandten Schöffen, die der Kirchspielverwaltung vorstanden. Die Fürsorgeinstitutionen des Kirchspiels Überwasser – das Magdalenenhospital und das Leprosorium Kinderhaus als unmittelbar dem Rat unterstehende Hospitäler ausgenommen – hatten insofern einen Zwittercharakter, der sich aus der doppelten Funktion der Kirchspielschöffen einerseits als Vorsteher der Kirchspielverwaltung und andererseits als Vertreter des Stadtrates in ihrem Kirchspiel ergab. An der Überwasserkirche wurde die Verwaltung des Pfarrvermögens spätestens 1518 von sechs Personen geführt, nämlich von zwei Kirchenräten, zwei Provisoren des Armenhauses Zurwieck und zwei Almosenern des Heiliggeistkorbes. In ihrer Gesamtheit unterstanden die „templerers, prouisores vnd almysseners“ den Schöffen und Kirchspielleuten von Überwasser. Entsprechend waren die Provisoren des Heiliggeistkorbes den Schöffen und Kirchspielleuten zur jährlichen Rechnungslegung verpflichtet.192 Ähnlich verhielt es sich im Falle des Armenhauses Zurwieck. Hier kam einer der beiden Provisoren, wie aus der Provisorenliste hervorgeht, regelmäßig aus den Reihen des Rates. So konnte der Rat das Hospital 1354/67 auch ein „domus communis“ nennen, 1429 bezeichnete er es als „unser Hospital“. Tatsächlich aber waren die als Provisoren tätigen Ratsmitglieder immer Schöffen des Kirchspiels Überwasser. Entsprechend fand 1508 auch die Rechnungslegung des Armenhauses vor teilweise hochrangingen Vertretern des Rates statt, die aber alle aus dem Kirchspiel Überwasser in den Rat entsandt worden waren. Sie waren es auch, die bei größeren Streitigkeiten innerhalb des Hauses die Vermittlung übernahmen.193 Den Schöffen des Kirchspiels Überwasser unterstand auch die 1519 gegründete Elende Überwasser. Mit der Fundierung und späteren Trägerschaft hatte sie der Stadtrat beauftragt, der auch bestimmte, dass die „scheppen und gemeinen vorstenders und amtluide des vors. kerspels“ die drei Provisoren bestimmen sollen. Rechenschaftspflichtig waren diese drei aber nicht nur den Schöffen, sondern auch der Äbtissin und dem Dechant von Überwasser. Die Vielzahl der miteinbezogenen Interessengruppen erklärt sich aus der breiten Unterstützung, die die Elende in ihrem Kirchspiel erfahren hatte.194 Direkt neben der Elende lagen zwei Häuser, die 1503 dem Johan Pruse, genannt lutke Pruse, gehört hatten. Nach seinem Tod ging das Haus an seine Witwe über, die wohl den Lohgerber Hinrick Everding heiratete. Die Witwe Else Everdinck bestimmte in ihrem um 1526 abgefassten Testament, daselbst ein Armenhaus für zwölf Frauen zu errichten. Tatsächlich fundierten ihre Testamentsexekutoren in dem der Elende entfernteren Haus das Armenhaus Prussen, das erstmals in den Testament192

Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 11–21; Prinz, Mimigernaford, S. 190–201; Klötzer, Kleiden, S. 94f., S. 263, S. 296. Elende Überwasser, Urk. 2 (22. Mai 1518); Almosenkorb Überwasser, Akten 1 (Rechnung des Jahres 1539), Hs. Nr. 175, fol.149r–163r. 193 MUB 154; A XIII, Nr. 284, fol. 3r–v; BAM, Generalvikariat, HS. Nr. 175, fol 149r– 163r. 194 BAM, Generalvikariat, Hs. Nr. 175, fol. 149r–163r.

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sakten des Hinrich Sterneman von 1532 erwähnt wird. Dieser vermachte den acht Armen „in der Pruntscheschen hueße“ jeweils einen Schilling. Ende 1535 schworen vier als „Arme in Pruß hues“ erwähnte Frauen – Elsa Merßmans, Aleke Kriters, Elsa ton Venne und Trine Dobbelers – dem Täufertum ab. Die Witwe Prussen hatte offenbar zwar Wohnraum für die Armen hinterlassen, aber kaum Vorkehrungen für deren tägliche Verpflegung getroffen. So waren ihre Testamentsvollstrecker – Ludger ton Brincke, Olderman Hinrich Modersonne, Herman Nyehoff und Gerd Pruessen – gezwungen, das direkt an der Elende grenzende Haus 1531 der Styneke Brunynck zu verkaufen, die sich fortan zu einer Zahlung einer Rente von 2 ½ Gulden verpflichtete. Weitere Unterstützung erhielt das Haus nach der Täuferzeit aus dem Heiliggeistkorb Überwasser sowie aus dem Kloster Überwasser. 1579 schließlich erging ein Ratsbeschluss, dass die Armen des Prussenhauses täglich eine Mahlzeit aus dem Magdalenenhospital erhalten sollten. Das Bemühen des Rates um die Stiftung erklärt sich wohl auch hier wieder aus der Trägerschaft der Kirchspielschöffen, denen die Provisoren rechenschaftspflichtig waren.195 Fraglich ist, in wessen Auftrag die Schöffen in diesen vier Institutionen agierten.196 Insgesamt aber ist der Stadtrat zu präsent, als dass man ihm jeglichen Einfluss absprechen könnte. So koordinierte er etwa die Unterstützung des Armenhauses Prussen – eine Mitwirkung, die eher von dem Träger zu erwarten wäre. Auch konnte er aus eigener Machtvollkommenheit die Trägerschaft über die Elende Überwasser an die Schöffen überweisen. Wenn also der Rat das Armenhaus Zurwieck als „unser Hospital“ betrachtete, wird darin wohl kaum ein inhaltsleerer Machtanspruch zu sehen sein, sondern ein faktisches Handlungspotential. Tatsächlich dürften sich die Schöffen des Überwasserkirchspiels als Träger von Fürsorgeeinrichtungen wie auch ganz allgemein nicht nur gegenüber dem Kirchspiel, sondern in gewissem Umfange auch gegenüber dem Stadtrat zu verantworten gehabt haben. Neben der Kommunalisierung und der in den Kirchspielstrukturen von Lamberti und Überwasser begründeten Partizipation an der Trägerschaft war eine Möglichkeit für den Rat, die Aufsicht über eine Institution zu gewinnen, sie selbst zu gründen. Damit ist weniger die vollständige finanzielle Ausstattung einer Institution gemeint, als die Initiativnahme zur Gründung und das Werben um Unterstützung. Da die genauen Umstände einer Gründung aber oftmals im Verborgenen bleiben, 195 196

LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r; Kirchhoff, Die Täufer in Münster, Nr. 32; Armenhaus Preussen, Urk. 3; Klötzer, Kleiden, S. 96ff. Vgl. auch Armenhaus Preussen, Akten 5, RB 1605. Klötzer (Kleiden, S. 292ff.) hat die These aufgestellt, sie agierten nicht im Rats-, sondern im Kirchspielsauftrag. Im Ratsauftrag agierten sie lediglich als Leischaftsschöffen. Demnach wäre die ältere Kirchspielverfassung nicht wie in anderen Städten von der Leischaftsverfassung ersetzt worden, sondern bestünde neben ihr fort. Die mittelalterlichen Quellen bieten kaum Möglichkeiten, die These eindeutig zu be- oder widerlegen. Es stellt sich aber mindestens die Frage, inwieweit für die Schöffen eine ämterspezifisch differenzierte Politik faktisch realisierbar gewesen wäre, wenn beide Ämter immer in Personalunion wahrgenommen wurden. Wie Klötzer (Kleiden, S. 297f.) ausführt, unterschied außerdem der Stadtrat selbst nicht terminologisch differenziert zwischen Leischaft und Kirchspiel.

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kann schon das Fehlen einer Stiftungspersönlichkeit ein mögliches Indiz für eine Eigengründung des Rates sein. Eine solche lag demnach wohl beim Hospital in der Venne vor, das offenbar nur in den wenigen Jahren zwischen 1242 und 1255 existiert hat. Träger war der Rat. 1252 bekundete er den Erhalt einer Schenkung zu Gunsten des Hospitals. Außerdem hatte er das Präsentationsrecht über den ansässigen Priester inne.197 Von dem Marienhospital, das um 1330 oder früher wohl ebenfalls nur kurze Zeit existierte und möglicherweise als Leprosorium genutzt wurde, ist lediglich das Siegel bekannt. Da dieses aber das Wappen der Stadt Münster trägt, darf man wohl auch hier von einer Gründung durch den Rat ausgehen.198 Eine Eigengründung des Rates ist sicherlich auch das 1333 ersterwähnte Leprosorium Kinderhaus. Zwar sind mit Udo von der Tinnen und Goswin Klanktorp zwei bedeutende Unterstützer bekannt, die Initiative zur Gründung lag aber zweifellos beim Rat, der wohl auch für die Ausstattung des Leprosoriums mit einem Benefizium sorgte, über das er selbst das Präsentationsrecht hatte. Auf die Artikel der Gründungsurkunde des Rektorats verpflichtet er nicht nur sich, sondern kann auch im Namen der von ihm ernannten Provisoren sprechen. 1388 muss er beim Verkauf einer Rente zustimmen.199 Der Aufnahme von Pestkranken diente wohl das 1358 ersterwähnte Antoniushospital, das ebenfalls von Anbeginn dem Rat unterstand. So hatte er das Recht, die Provisoren zu bestimmen, und musste 1472 einem Landverkauf des Hospitals zustimmen.200 Über die Anfänge des 1398 ersterwähnten Gasthauses ist kaum etwas bekannt. Nichts wiederspricht aber der Vermutung von Kerssenbrock, es handele sich auch hier um eine Ratsgründung.201 Zumindest mit der finanziellen Unterstützung des Rates entstand 1475 die Elende Aegidii. Stifter war allerdings Macharius Veghesack. Da Macharius aber der Amtmann des Magdalenenhospitals war, ist nicht auszuschließen, dass er die Stiftung implizit im Namen des Rates als Träger des Magdalenenhospitals vorgenommen hat. Insofern ist vielleicht auch hier von einer Eigengründung des Rates auszugehen, der auch die Trägerschaft innehat und die jährlichen Rechnungen prüft.202 Auffällig ist, dass alle fünf Institutionen keine allgemeinen Armenhäuser sind, sondern als Auffangstation für Reisende, Lepröse 197 WUB 3, Nr. 538; Kapelle/Pastorat Venne Urk. 4. Vgl. Kirchhoff, Marienhospital, S. 131. 198 Antoniushospital, Urk. 4. Ausführlich vgl. Kap. VI.2. 199 MUB 89; MUB 117; LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 103. Kinderhaus bezog schon früh den Zehnten aus mehreren Höfen im Kirchspiel Emsbüren, der allerdings bestenfalls unregelmäßig bezahlt wurde. 1388 und 1395 forderte der Domdechant die Bauern zur Zahlung des Zehnten auf. Er bezeichnete sich dabei als „judex et conseruator domus pauperum leprosorum thor Kinderhus prope ciuitatem Monasteriensem a sede apostolica specialiter deputatus“. MUB 289; BAM, Domarchiv, Urk. 31. Dies ist nicht als Hinweis auf die Trägerschaft über das Leprosorium zu werten, sondern erklärt sich wohl aus der Tatsache, dass der Zehnte dem Domkapitel lehnsrührig war und dieses insofern verpflichtet war, das Leprosorium als Besitzer des Zehnten vor diesbezüglichem Schaden zu bewahren. 200 Antoniushospital, Urk. 4, Urk. 13. Vgl. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 74. 201 Detmer, Kerssenbrock, S. 78. 202 Elende Aegidii, Urk. 3a.

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oder Pestkranke in hohem Maße spezialisiert sind und insofern innerhalb des Fürsorgesystems Sonderpositionen einnehmen. Damit befanden sich – abgesehen von den im 16. Jahrhundert gegründeten und auf Kirchspielebene organisierten Elenden Überwasser und Lamberti – sämtliche Sonderinstitutionen in Ratshand. Auffällig ist auch, dass von keiner der vier älteren Häuser eine Gründungsurkunde überliefert ist. Dies mag in der Quellenüberlieferung begründet sein. Ursache könnte aber auch sein, dass der Rat, wenn er die Gründung aus eigener Machtvollkommenheit vollzog, sich darüber nicht eigens eine Urkunde ausstellte. Als einzige nicht hochspezialisierte Institution, die auf Initiative des Rates gegründet wurde, entstand 1354/67 das Armenhaus zur Aa. Der Rat verfügte damit die Zusammenlegung von fünf kleineren Häusern und ordnete so das Fürsorgesystem grundlegend neu. Er bestellte in der Folgezeit außerdem die Provisoren, definierte die Aufnahmebedingungen und kontrollierte die Rechnungsbücher. 1459 bezeichnete er das Haus als „unser Hospital“.203 Der Rat konnte weiterhin die Trägerschaft erlangen, indem sie ihm von dem jeweiligen Stifter der Institution übertragen wurde. Die Stifter von Fürsorgeinstitutionen kamen gewöhnlich aus der mittleren und oberen Bürgerschicht. Der Widerspruch von frühkapitalistischem Gewinnstreben auf der einen Seite und der vom christlichen Caritasgedanken geprägten persönlichen und gesellschaftlichen Erwartungshaltung auf der anderen machte eine Rechtfertigung von Reichtum erforderlich, die durch das Konzept des Stiftens gegeben werden konnte. Die Stiftung brachte dem einzelnen nicht nur religiöse Versicherung, sondern auch soziales Prestige und förderte im Sinne des Gemeinwohls den sozialen Ausgleich.204 Eben dieser Verbund aus Stiftung, Caritas und Memoria205 zeigt sich besonders deutlich in der Praxis, die auf privaten Stiftungen beruhenden Armenhäuser nach ihrem Stifter zu benennen, während andere Institutionen nach ihrer Lage, ihrer Funktion oder dem Schutzheiligen ihrer Kapelle benannt sind. Um zu gewährleisten, dass die Stiftung auch nach dem Tode des Stifters in dessen Sinne geführt wurde, war die Überantwortung an einen Träger erforderlich. Träger der meisten auf private Stiftungen zurückgehenden Fürsorgeinstitutionen waren der Stadtrat und die Kirchspiele. Ihre wichtigste Aufgabe war die dauerhafte Sicherung des Stiftungszweckes.206 Über die Rechtsnatur der Stiftung und damit auch

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MUB 154; Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 24r; Armenhaus zur Aa, Akten 2, RB 1537; Armenhaus zur Aa, Urk. 30. Das nach seiner Lage benannte Armenhaus zur Aa (gegründet 1354/67) ist nicht identisch mit dem nach seinen Stiftern benannte Armenhaus tor A (gegründet 1314). Um Verwechselungen zu vermeiden, sollen im Folgenden die hier verwendeten unterschiedlichen Schreibweisen konsequent beibehalten werden. Kühnel, Sinn und Motivation, S. 5, S. 10; Knefelkamp, Materielle Kultur, S. 97; Treue, Wirtschaft, S. 92f. Jakobi, Schwieriges Erbe, S. 309; Kirchhoff, Marienhospital, S. 142. Armut, Not und gute Werke, S. 115; Jakobi, Schwieriges Erbe, S. 311; Klötzer, Kleiden, S. 263.

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über den jeweiligen Trägers entschied dabei allein der Stifter. An seinem Willen erreichten die Verfügungskompetenzen des Stadtrates ihre rechtliche Grenze.207 Die Armenhäuser Zurwieck und Prussen sind bereits genannt worden. Die erste auf eine Privatperson zurückgehende Stiftung war aber das Armenhaus Wessede. Die Stifterin, die Witwe und münsterische Bürgerin Meynburgis de Wessede, erschien am 1. April 1302 vor dem Stadtrat. Vor den beiden Bürgermeistern und den anderen Ratsherren und Schöffen der Stadt, die auch siegelten, verkündete sie, dass sie „in honorem dei patris ac sue genitricis benedicte“ ihr Wohnhaus nahe der Martinikirche in die Hände und die Aufsicht des Rates übergebe. Der Rat solle die Aufsicht „tam ante obitum quam post obitum“ der Witwe haben, um dort armen Witwen auf ewig Aufenthalt zu gewähren („pro hospitio perpetuo pauperum viduarum“). Über die Aufnahme solle der Rat entscheiden, doch handele er, solange sie lebte, „secundum dicte Meynburg consilium et consensum“. Sollte eine der Einwohnerinnen sich streitsüchtig und boshaft zeigen, habe der Rat außerdem das Recht, sie aus dem Haus zu entlassen und den freien Platz neu zu besetzen. Weiterhin behielt sich Meynburgis das Recht vor, selbst eine Kammer und einen Keller „pro suo commodo“ nutzen zu können. Für das Brennholz der Armen stellte sie eine ewige Rente von 1 Mark zur Verfügung, die jährlich aus dem am Hörstertor gelegenen Hause des Detmarus Faber zu zahlen sei. Von der Stiftung unberührt blieb aber der übrige Besitz der Witwe.208 Wohl auf Johannes Engelbracht ging das Armenhaus Wegesende zurück. Es wurde 1354/67 erstmals erwähnt, bestand aber vielleicht schon vor dem ersten Pestausbruch. Die Trägerschaft über das Haus hatte der Rat inne. Belegbar ist dies allerdings erst für das Jahr 1589, als der Rat die durch den Tod des Jurien Bur­ meister freigewordene Stelle eines Provisors mit Bernt Meier neu besetzte.209 Fraglich ist die Trägerschaft über die drei Häuser Hoeker, Tilbeck und Boterman, die 1333 erstmals erwähnt und neben anderen 1354/67 im Armenhaus zur Aa zusammengelegt wurden. Da der Rat die Zusammenlegung ohne die erkennbare Zustimmung irgendwelcher Träger beschließen konnte, scheinen sie sich in der Trägerschaft des

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Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 276. Vgl. auch Beck, Soziale Einrichtungen, S. 23, S. 29. „Adiectum est itaque, quod Meynburg antedicta cum domi confini, in qua nunc rector scholarum s. Martini habitat, ac aliis bonis suis ordinare, facere et disponere poterit ad sue libitum voluntatis, prout conveniens sibi ac idoneum comprobavit.“ WUB 8, Nr. 124; MUB 47. MUB 154. Klötzer, Kleiden, S. 113. Nicht wahrscheinlich, aber immerhin denkbar ist, dass das Armenhaus in früherer Zeit von den Provisoren des Almosenkorbes Martini mitverwaltet wurde und damit dem Kirchspiel Martini unterstand. Am 26. Juli 1395 nämlich verkauften Hinrich van Detten und seine Frau Grete den beiden Provisoren des Almosenkorbes eine Rente von ½ Mark „to behof der meynen almyssen und der armer lude to weges ende, in er hus“. Armenhaus Wegesende, Urk. 5. Aus der Mitverwaltung einer einzelnen Rente kann allerdings kaum auf die Verwaltung der gesamten Institution geschlossen werden. Möglicherweise sollten die Almosenprovisoren, denen die Rente ja selbst anteilig zustand, lediglich die halbe Mark eintreiben und den Armen ihren entsprechenden Anteil überweisen.

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Rates befunden zu haben.210 Eine andere Möglichkeit ist denkbar: 1333 erhielten die drei Armenhäuser ebenso wie das Armenhaus tor A – alle vier scheinen schon früh finanzielle Schwierigkeiten gehabt zu haben – Unterstützung durch die vier Schöffen und die beiden Heiliggeistprovisoren von Überwasser, die jedem Haus eine Rente von 1 Schilling schenkten. Gezahlt werden sollten die Renten aus den Gütern des Heiligen Geistes.211 Sollte sich daraus eine Trägerschaft des Kirchspiels Überwasser ableiten lassen, so müsste sie auch für das Armenhaus tor A behauptet werden, das aber zumindest gemäß seiner Stiftungsurkunde den Beginen tor A unterstellt sein sollte. Hinweise auf eine Kommunalisierung des Armenhauses tor A gibt es nicht, doch ist sie durchaus denkbar. Wenn der Rat 1354/67 aber tatsächlich Armenhäuser zusammengelegt haben sollte, die der Trägerschaft des Kirchspiels Überwasser unterstanden, zeigte dies einmal mehr die weitreichenden Befugnisse, die der Rat in diesem Kirchspiel hatte. Gänzlich unbekannt ist hingegen der Träger des 1346 einmalig erwähnten „Hesenmekerschenhus“.212 Möglicherweise hat das Armenhaus seine Gründerin nicht überlebt und ging im Zuge der Pest von 1350 zugrunde, noch bevor es zu einer Stiftung gekommen war. Abgesehen von dem Heiliggeistkorb und der Armenkleidung Lamberti befanden sich die bürgerlichen Institutionen der offenen Armenfürsorge in der Hand der Kirchspielverwaltungen. Die Bürger des Kirchspiels wählten regelmäßig Vertreter aus ihrer Mitte, die den Kirchenrat bildeten. Dieser setzte sich aus Funktionsträgern des Kirchspiels und weiteren „kerspelluden“ zusammen. In Lamberti und Überwasser standen die Kirchspielschöffen dem Kirchenrat vor. In den anderen Kirchspielen waren es die beiden Kirchenprovisoren, die der Kirchenrat als Vorsitzende wählte. Dieser bestimmte daraufhin sechs Wahlmänner, die wiederum die weiteren Ämter bestimmten. Gewählt wurden – mit fallspezifischen Variationen213 – zwei Provisoren der Kirchenfabrik, die über das Vermögen zur Bauerhaltung der Kirche wachten, zwei Wegemeister, deren Aufgabe in der Befestigung der vor den Toren gelegenen Straßen lag, und zwei Provisoren des an der jeweiligen Pfarrkirche angesiedelten Almosenkorbes.214 Die Trägerschaft über die Almosenkörbe Martini, Ludgeri, Aegidii, Servatii und – wie bereits erwähnt – Überwasser oblag damit also dem jeweiligen Kirchenrat.215 210 211 212 213 214 215

MUB 154. Auch Black (Speckpfründe Lamberti, S. 78) sieht sie unter Ratsträgerschaft. MUB 84–87. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 27f. So konnte etwa die Kirchenfabrik gemeinsam mit der Wegemeisterei verwaltet werden. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 17. Klötzer, Kleiden, S. 17, S. 294; Armut, Not und gute Werke, S. 73, S. 116. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 24f. Damit lagen allein die Einkünfte der Pfarrgeistlichkeit nicht in bürgerlicher Hand. So bedurften die Almosenprovisoren Ludgeri 1380 der Zustimmung der beiden Provisoren der Kirchenfabrik und der übrigen Pfarreingesessenen (parrochianorum). Almosenkorb Ludgeri, Urk. 2. Ähnlich holten Herman Bokemolle und Johan de Pape als Almosenprovisoren von Martini, als sie 1394 eine Rente von 1 Mark verkauften, die Zustimmung „vnser ratlude Thomases Kerckerinck vnd Berndes Belholtes“ ein. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 99r-v. Die Rechnungsabnahme der Almissener

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Nur zwei Armenhäuser unterstanden Kirchspielen, die nicht von Kirchspielschöffen geleitet wurden. Das ältere wurde am 2. Dezember 1337 von Wilhelmus de Busche gestiftet, der dazu unter anderem sein Haus am Friedhof der Martinikirche zur Verfügung stellte.216 Die Aufsicht sollten die beiden Provisoren des Martinialmosens haben, ebenso Wilhelms je ältester Blutsverwandter nach Schwertseite. Diese Praxis wurde allerdings nur bis etwa 1400 aufrechterhalten, danach ist eine Einflussnahme seitens der Stifterfamilie nicht mehr nachweisbar.217 Somit unterstand das Haus Zumbusch wohl spätestens ab diesem Zeitpunkt ebenso wie der Almosenkorb allein dem Kirchspiel Martini. Die Stiftungsurkunde wurde von dem Stifter selbst besiegelt, wie auch – mit Zustimmung der Kirchspielleute – von den Provisoren des Almosenkorbes Martini.218 Eine Beteiligung des Stadtrates ist nicht erkennbar. Darin ist allerdings kaum eine Abkehr vom Rat zu sehen, denn der Stifter war selbst Ratsherr. Nur wenige Monate nach seiner Stiftung wurde er zum Bürgermeister gewählt.219 Zudem räumte er dem Stadtrat besondere Rechte ein: „Hoc eciam condicto, quod si consules et scabini civitatis Monasteriensis dictam domum et pauperculas in ea residentes ad alium locum transponerent, extunc volo, quod dicti provisores elemosinarum et senior meus consanguineus civis Monasteriensis de latere gladii ipsam domum ac alia omnia ipsis pauperculis mulieribus per me legata vendant et pecuniam exinde provenientem in pios usus convertant, prout saluti anime mee noverint melius expedire.220

Es ist kaum glaublich, dass Zumbusch zum Bürgermeister gewählt wurde, nachdem er massiv gegen die Interessenpolitik des Stadtrates agiert hätte.221 Es scheint also von Aegidii erfolgte durch die „kerspels ffrunde“. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, RB 1542, fol. 49r. Die hohe Einbindung der Almosenprovisoren in den Betrieb der Pfarrkirche tritt – um nur ein Beispiel zu nennen – 1472 zu Tage, als sich die beiden Kirchenprovisoren und die beiden Almosener mit der Äbtissin und dem Propst des Aegidiiklosters über die Benutzung einer neu angeschafften Orgel einigen. BAM, Pfarr archiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 108. 216 Schmedding (Fürsorge, S. 19) sieht fälschlich eine Witwe Zumbusch am Werk. 217 Einmalig 1394 erscheint mit Hinrich van den Busche ein Provisor der Familie. MUB 325. Ab 1411 sind stets allein die zwei Provisoren des Almosenkorbes nachweisbar. MUB 419. 218 Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. 219 A II, Nr. 17, fol. 102v. Auch 1328 agierte er wohl schon als Ratsherr. Vgl. Kindlinger, Münsterische Beiträge, Bd. 3, S. 355f. 220 „Außerdem mit der Bestimmung, dass, wenn die Ratsherren und Schöffen der Stadt Münster besagtes Haus und die darin lebenden Bedürftigen an einen anderen Ort verlegen sollten, ich von Anfang an will, dass die besagten Almosenprovisoren und mein nach Schwertseite ältester blutsverwandter Bürger Münsters dasselbe Haus und alles andere den bedürftigen Frauen von mir Vermachte verkaufen und das so eingenommene Geld zu frommen Zwecken verwenden, auf dass sie es für mein Seelenheil besser und erneut anlegen.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. 221 Deshalb ist auch die Lesart von Beck (Soziale Einrichtungen, S. 27) schwierig, der Stifter treffe lediglich Vorkehrungen, dem Rat das Kapital der Stiftung zu entziehen, wenn dieser von dem ihm nicht vorenthaltbaren Recht Gebrauch mache, die Institution zu verlegen. Vielmehr ging es wohl um eine Aufforderung an die Provisoren, den Rat in seinem Bestreben durch eine flexible Handhabung des Stiftungsvermögens zu unter-

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durchaus nicht grundsätzlich im Bestreben des Rates gelegen zu haben, die unmittelbare Trägerschaft eines Hauses zu erlangen, zumal diese einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich brachte, solange ihm nur ein gewisses Verfügungsrecht zugestanden wurde, wie er es auch im Falle der den Schöffen von Überwasser und Lamberti unterstehenden Institutionen hatte. Entsprechend liegt hier vielleicht weniger ein tolerierter Machtverlust vor als die gewollt vorangetriebene Einführung eines Subsidiaritätsprinzips.222 Eine Institution, die völlig jenseits der Einflusssphäre des Rates lag, war die Speckpfründe Ludgeri, die 1503 – möglicherweise noch als Institution der offenen Armenfürsorge – erstmals erwähnt wurde und spätestens 1532 ein Armenhaus mit sieben Bewohnern war.223 Sie unterstand – dies ist allerdings erst für die Nachtäuferzeit nachweisbar – der Trägerschaft des Kirchspiels Ludgeri.224

4. Die Grenzen der Macht: Domkapitularische und monastische Trägerschaft Neben 26 Fürsorgeinstitutionen, die dem Rat oder einer der Kirchspielverwaltungen unterstanden, und einer weiteren, über die sich keine Aussagen treffen lassen, existierten lediglich fünf Institutionen unter geistlicher Trägerschaft. Eine weitere Institution unterstand einem Beginenhaus. Insgesamt hatte der Klerus damit eine geringe Bedeutung für das Fürsorgesystem Münsters. Der bedeutendste geistliche Träger war das Domkapitel. Ihm unterstanden bereits seit frühester Zeit die beiden Zwölfmännerhäuser in Überwasser und Ludgeri.225 Mit der Elemosine des Doms stützen. Black (Speckpfründe Lamberti, S. 77f.) hingegen sieht in dem gewährten Verlegungsrecht des Rates wie auch in der Errichtung einer unter Ratspatronat stehenden Vikarie in der Martinikirche 1332/33 – gemäß Stifterwille sollte diese eigentlich in der Lambertikirche fundiert werden – den letztlich gescheiterten Versuch des Rates, das Kirchspiel Martini unter seine Kontrolle zu bringen. Fraglich ist allerdings, inwieweit ein Vikariepatronat den Einfluss auf eine bürgerliche Kirchspielverwaltung vergrößern soll. Im Falle des Armenhauses Zumbusch ging es wohl weniger um die Absicht einer vollständigen Kontrollübernahme – dazu wäre eine zwischen Kirchspiel und Rat geteilte Trägerschaft viel attraktiver gewesen – als um die Wahrung eines gewissen Mitspracherechtes. 222 So konnten im Einzelfall auch die Schöffen des Martinikirchspiels interagieren. Dies war der Fall, als die Provisoren des Armenhauses Zumbusch dem Hinrich Francke, Kanoniker an Martini, eine Leibrente von ½ Mark verkauften. Sie erhielten von ihm dafür ein Kapital von 10 Mark, das zu Renovierungsarbeiten am Haus verwendet werden sollte. Die Provisoren benötigten dazu allerdings die Zustimmung „der schepene, der raetlude vnd kerspellude vnser kercken to zunte Merti[ne]“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 44. 223 BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Karton 35, Kopiar, fol. 2rff.; LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 224 Black, Speckpfründe Ludgeri, S. 300; Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 75; Jakobi e.a., Stiftungen und Armenfürsorge, S. 7. 225 Vgl. Kap. I.1.

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unterstand ihm außerdem eine Institution der offenen Armenfürsorge.226 Die Anfänge der Domelemosine liegen allerdings im Dunkeln. Kerssenbrock berichtet 1573: „Communem quoque eleemosynam habent a domino Lubberto de Rodenborg, nobili canonico, olim inchoatam, cuius redditus pietate bonorum virorum ita paulatim sunt aucti, ut eius praefectus, quem capitulum semper designat, aliquot millia marcarum Monasteriensis monetae in usus pauperum singulis annis conferat.227

Die heute erhaltenen Quellen gehen kaum über Kerssenbrocks Informationen hinaus. Das erste Rechnungsbuch der Elemosine stammt aus dem Jahre 1528.228 Aus diesem gehen die Zustiftungen der einzelnen Spender noch deutlich hervor. An erster Stelle steht dabei hier wie in den späteren Rechnungsbüchern immer der Name des 1410/13 verstorbenen Vicedominus Lubbert von Roddenberg, der auch der älteste nachweisbare Stifter ist.229 Ob mit Lubbert allerdings bereits eine eigenständige Institution zur Verwaltung seiner Spende geschaffen wurde,230 ist fraglich. Wahrscheinlicher ist, dass erst weitere Legate der 1440er Jahre eine institutionelle Verwaltung erforderten.231 Tatsächlich ist eine solche erst mit den 1473 erfolgten Zustiftungen der Domkanoniker Hinrich und Engelbert Fransoys nachweisbar, die „de elemosinarius offt de verwarer“ des „gemeynen almissen des domes“ verwalten sollte.232 Die Entstehung der Elemosine ist also wohl zwischen 1410 und 1473 anzusetzen. Unter der Trägerschaft eines Beginenhauses stand das 1314 erstmals erwähnte Armenhaus tor A. Am 21. Oktober erschienen Hermann und Dedradis tor A, Eheleute und Bürger zu Münster, zusammen mit den beiden Bürgermeistern, sechs weiteren Schöffen und sechs weiteren Bürgern in der Lambertikirche und verkündeten die Stiftung ihres Wohnhauses, in dem „viertzehen megede oder junfferen“ wohnen sollten, von denen die beiden jeweils ältesten das Beginenhaus führen sollten. Tatsächlich lebten dort bereits einige Jungfrauen aus ihrer „freundtschaft“.233 „Damit aber, na[chdem] dieß alles furgemeltes also furhin abgehandelt und verordnet, [die] obengemelten 14 junfferen ohne guden rath nicht sein und leben, statuiren, setzen und verordnen wir, daß dieselbe junfferen mitt einhelliger [be]willigung auß ihrer freundschaft 226

Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 57ff.; Schmedding, Fürsorge, S. 23; Klötzer, Kleiden, S. 59ff. 227 „Sie haben auch ein gemeines Almosen, das einst von Herrn Lubbertus de Rodenborg, einem adeligen Kanoniker, seinen Anfang nahm und dessen Renten durch die Frömmigkeit guter Männer allmählich so sehr zunahm, dass dessen Vorsteher, den das Kapitel immer bestimmt, jedes Jahr ein paar tausend Mark Münsterisch zum Nutzen der Armen aufbringen kann.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 99f. 228 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15. 229 Kohl, Domstift, Bd. 2, S. 256ff. Lubbert war 1367 Dechant der Ludgerikirche, 1385 Rektor der Clemenskapelle am Dom. Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 78. 230 So Armut, Not und gute Werke, S. 21, S. 74f. 231 Klötzer, Kleiden, S. 59f. 232 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 27vf. 233 Zitiert nach Zuhorn, Beginen, S. 31ff. Es scheint kein Zufall zu sein, dass die Zahl der 14 Jungfrauen mit ihren beiden Vorsteherinnen genau der Zahl der 14 Zeugen mit den beiden Bürgermeistern entsprach. Auch das Datum – der Festtag der 11.000 Jungfrauen – scheint mit Bedacht gewählt worden zu sein.

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odder verwandtschaft zwei bequem [… dien]liche und probirte menner erwehlen, nach welcher todt oder absterben […]“234

Die Beginen sollten also offenbar einstimmig zwei Männer aus dem Kreise ihrer Verwandtschaft als Vorsteher wählen. Wegen bruchstückhafter Überlieferung bleiben die weiteren Bestimmungen jedoch unbekannt. Beispielsweise wäre möglich, dass nach dem Tod der beiden Männer der Stadtrat deren Nachfolger stellen sollte. Da dieser bei der Abfassung der Gründungsurkunde zugegen war, ist zumindest denkbar, dass er die Oberaufsicht über das Beginenhaus hatte. Weiterhin stiftete das Ehepaar ein Haus auf der Breiten Gasse an der Aegidiikirche, „welches wir gebowet haben zu nutz und brauch der armen“. Die Sorge und Aufsicht über das Armenhaus sollte bei „zween verstendigen junffern“ des Beginenhauses liegen, die das Haus führen sollten „geleich wie ich Dedradis obgemelt daßelbige hauß bewaret und demselbigen furgestanden habe“.235 Das Armenhaus existierte also 1314 bereits und wurde nun in eine Stiftung umgewandelt. Unterstand das Armenhaus tor A der Trägerschaft des Beginenhauses tor A, so war diesem möglicherweise der Stadtrat vorgesetzt. Dies könnte auch erklären, warum keine Zustimmung des Beginenhauses erforderlich war, als das Armenhaus 1354/67 mit anderen Armenhäusern zusammengelegt wurde. Bereits im 13. Jahrhundert hatten die Johanniter von Burgsteinfurt eine Niederlassung auf der Jüdefelder Straße im Kirchspiel Überwasser. 1282 tauschten sie diese mit Balduin von Steinfurt gegen die im selben Kirchspiel gelegene mansio Uppenberg.236 Bischof Ludwig begann 1311 mit dem Bau der Kommende und der Kirche. Große Schäden erlitt die Anlage durch einen Brand während der Stiftsfehde von 1450/57. Die folgenden Jahrzehnte galten dem Wiederaufbau. 1471 erreichte der Steinfurter Komtur Bernd van Schedelich eine Entschädigung der Stadt durch die Gewährung einer Abgabenfreiheit für mehrere Häuser. 1489 schließlich wurde die Kirche, die während der Fehde verwüstet worden war, neu geweiht.237 In diese Phase fällt auch die Errichtung eines Armenhauses unter Ordensträgerschaft. Da alle Register der Kommende während der Fehde verloren gegangen waren, versuchte sich Bernd van Schedelich, „balier vp Westphalen vnd commendur des huses to Stenuorde ordens sunte Johannes Baptisten“ an einer Rekonstruktion. Dabei stieß er auf „en hus geheten de gedeme mede in errer emuniteten geleghen, dat vorkomen vnd vordoruen was ten grunde, dar vaste mislich vollick van vrouwen vnd dernen ynne wonden“.238 Die Gademe waren gegenüber der Kommende zu Rentzahlungen 234 Zitiert nach Zuhorn, Beginen, S. 33. Seine Transkription basiert auf einer unbeglaubigten Übersetzung des 17. Jahrhunderts, die sich in münsterischem Privatbesitz befunden haben soll. Der hier zitierte Teil war nach der Anmerkung Zuhorns nur noch bruchstückhaft lesbar. 235 Zitiert nach Zuhorn, Beginen, S. 32f. 236 WUB 3, Nr. 1187. 237 Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 258; Hengst, Johanniter, S. 72; Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 90. 238 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. Die Urkunde ist teilweise beschädigt. Eine lückenlose Abschrift von 1538 findet sich im Bistumsarchiv (BAM, Generalvika-

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von jährlich 9 bis 10 Mark verpflichtet, brachten aber kaum noch Profit, sondern vielmehr „groten schaden, laster vnd schemede“. Ob die Gademe wegen der großen Schuldenlast dem Komtur verpfändet wurden, er sich über die bestehenden Besitzverhältnisse hinwegsetzte oder die Gademe von alters her der Kommende gehörten, ist unklar. Jedenfalls vertrieb Bernd von Schedelich die Bewohnerinnen und begann zur Ehre Gottes, seiner Mutter und Johannes dem Täufer mit der Renovierung der Gademe. Er richtete eine große Kammer für „de hilligen moder in der kerken“ und für eine Magd, die „melken, wasschen vnd plasschen“ sollte, ein, außerdem zehn Kammern für genauso viele arme Jungfrauen und Frauen. Zur offiziellen Fundation des Armenhauses erschien Bernd von Schedelich am 23. Mai 1472 vor dem bischöflichen Offizial. Gemäß der dort ausgestellten Urkunde sollte der jeweilige „commendur vp den berghe […] mit wetten syner brodere“ über die Aufnahme der Frauen entscheiden. „Vnd broder Bernt vorg. bat al synen nakomelingen vmme gods willen den armen dat beste to done, en juwelich na sijner macht, wente se dat lon van gode leuer hebnn willnn dan de renthe, de van den huse quam.“239

Dennoch stellte Bernd „van sijner besparinghe vnd procuratien“ gewisse Einkünfte zum Ausgleich für den Mietverlust der Gademe zur Verfügung – nämlich zwei Malter Saatland vor dem Kreuztor, ein Malter Saatland „vp de lutike steghe“ und ein Malter Saatland vor dem Jüdefelder Tor – damit niemand sein Wort gegen das Armenhaus erheben könne. Denn, so Bernd weiterhin, es gebe manch einen, „de nicht lyden en mach, dat de sunne yn dat water schynt“.240 Eine Einflussnahme seitens des Rates auf die Gründung des Armenhauses ist an keiner Stelle erkennbar. Interessant ist aber ein Artikel der 1538 verabschiedeten Hausordnung, nach dem sich der Provisor des Hauses – sei es der Komtur oder einer der Ordensherren – einen freien Bürger zum zweiten Provisor wählen solle, und zwar insbesondere für den Fall „dath men vor den rade tho doene hadde“.241 Offenbar waren also gute Kontakte zum Stadtrat so entscheidend, dass sie sich sogar auf die Verwaltungsstrukturen des Johanniter-Armenhauses auswirkten.242 riat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 3r–5v). Kerssenbrock sieht in den Gademen ein „publicum scortorum receptaculum“ (Detmer, Kerssenbrock, S. 79), also einen öffentlichen Sammelort für Huren. Diese scharfe Lesart ist aber wohl nicht zwingend. Das mittelniederdeutsche „derne“ bezeichnet lediglich eine Jungfrau oder ein Mädchen. Vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 77. 239 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. 240 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. Das Sprichwort ist auch bekannt als „Neidhart kann‘s nicht leiden, daß die Sonne ins Wasser scheint.“ Gemeint ist, dass der Neidische selbst dem Wasser missgönnt, dass es von der Sonne beschienen wird. Singer/Liver: Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi, Bd. 11, S. 16f. 241 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 8v. 242 Tatsächlich wurde das Provisorat in der zweiten Kommunalisierungsphase des ausgehenden 16. Jahrhunderts zum Einfallstor für die Kompetenzausweitung des Rates. Spätestens seit 1592 entschied er selbst über die Besetzung der zweiten Provisorenstelle. A II, Nr. 20, Bd. 24, fol. 21v, nach Klötzer, Kleiden, S. 107.

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Das Armenhaus Jüdefeld entstand als testamentarische Stiftung des Reinert Jodefeld.243 Seine durchweg geistlichen Testamentsexekutoren – Dr. Johan thor Mollen, Dechant an Überwasser, Johan Knipperdollinck, Kanonikus im alten Dom, und Gerd Provesting, Vikar an Überwasser – kauften im Februar 1525 vier neue und zwei alte Wohnungen „myt den bomgaerden dar achter“ am Breul im Kirchspiel Überwasser. Abgesehen von einer Rente an das Armenhaus Zurwieck meinte auch die Äbtissin von Überwasser Rentansprüche von „eynen schillinck eder twe“ an die Wohnungen stellen zu können, die ihr die Vorbesitzer – Hinricus Goesswini und seine Frau Else – aber niemals zugestanden hatten und deshalb dafür gegenüber den Käufern auch keine Gewähr gaben. Verwenden wollten die Exekutoren die Wohnungen „(...) toe nuth vnd behoiff eyner armeludehuess eder hospitaels van veer vnnd twintich armen olden luden, de helffte mans vnd de ander deyll vrouwen, na lude der ffundationn darupp spreckenn, wu enn solchs beuollen ys tho stichten.244

Zwei Jahre später verkaufte Johan Knipperdollinck – nicht als Testamentsvollstrecker Jodefelds, sondern des Domkanonikers Dietrich Follen – dem Johan thor Mollen und dem Gerd Provesting vier Renten, um sie „to der nyen armelude huss to gebrukenn“.245 Die Täuferzeit unterbrach die Gründungsvorbereitungen. Erst im Januar 1540 wurden sie wieder aufgenommen, als Gerd Provesting, inzwischen „vorwarer der gemeynen armen des eynen arme ludehuys to Ouerwater by den Buddentorne“, von dem späteren Provisor Evert Joddefeldt und seiner Frau Else eine Rente von 2 ½ Goldgulden kaufte. Ein Jahr später erwarb er gemeinsam mit seinem Comprovisor Jaspar Jodefeld von Herman Knippinck und seiner Frau Fenne ein den Wohnungen benachbartes Haus mitsamt dem Zugang zu einem Brunnen. Im April 1542 schließlich erwarb Jaspar Jodefeld im Namen des Armenhauses eine weitere Rente in Höhe von 10 Goldgulden. Der Verkäufer war Johan tor Mollen, der sie von dem inzwischen verstorbenen Gerd Provesting erhalten hatte.246 Erst am 17. Juni 1542, also nach einer mehr als 17jährigen Vorbereitungsphase, erschien man zur Besiegelung der Stiftungsurkunde vor dem bischöflichen Vikar der Domkirche Johannes Kock. Zwei der drei ursprünglichen Exekutoren – Dr. Johan tor Mollen und Gert Provesting – waren inzwischen tot. Zusammen mit Johan Knipperdollinck erschienen an ihrer Stelle der Domdechant und Propst des Alten Domes Rotger

243 Jodefeld war 1482/1521 Amtmann des Überwasserklosters. Kerssenbrock (Detmer, Kerssenbrock, S. 79) nennt ihn Butepagius nach seiner Frau Ursula Butepage. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 99. 244 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 7. Die offizielle Stiftungsurkunde erfolgte erst 1542. Mit Fundation ist hier Jodefelds Testament gemeint. Das Grundstück war tatsächlich noch 1542 mit 6 Schillingen Rente an das Armenhaus Zurwieck und 2 Schillingen Rente an das Kloster Überwasser belastet. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. 245 Hinter den Renten stand ein Kapital von immerhin 290 Goldgulden, die jährlich 14 ½ Gulden Gewinn abwarfen. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 8. 246 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 10, Urk. 11, Urk. 12.

4. Die Grenzen der Macht

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Smysinck sowie der Domkanoniker Johan tor Mollen.247 Sie berichteten, dass das erworbene Haus inzwischen „affgebrocken vnd nuwelick wedder vpgetymmert vnd gebouwet vnd in twe deyle gedeylet“ wurde, so dass jede Haushälfte eine eigene Küche, einen eigenen Keller und eigene Kammern hatte. Auch der Schornstein und der Hof wurden zweigeteilt. Im Hof wurde außerdem ein neuer Brunnen („putte edder zoeth“) gegraben. In den beiden Wohnungen sollten je zwölf arme Männer und zwölf arme Frauen leben, vorläufig aber weniger, da das Haus in den nächsten fünf bis sechs Jahren noch nicht voll bezugsfähig wäre. Neben diesem Grundbesitz gehörten Renten in Höhe von insgesamt 100 Goldgulden zur Ausstattung der Stiftung, deren Verwendungszweck genau beschrieben wurde. Von den beiden Provisoren sollte jeweils einer von der Äbtissin und dem Dechant des Überwasserklosters ernannt werden, der andere aber aus der Familie Jodefeld stammen. Nur wenn sich dort keine geeignete Person fände, sollte das Kloster jemanden aus dem Kirchspiel Überwasser benennen. Damit waren gleichermaßen das Kloster Überwasser und die Stifterfamilie Träger des Armenhauses. Rechenschaftspflichtig waren die Provisoren jedoch allein gegenüber dem Kloster. Zudem mussten Äbtissin und Dechant des Überwasserklosters bei der Wiederanlage von Gewinnen zustimmen. Die Äbtissin hatte außerdem ein besonderes Vorschlagsrecht bei der Aufnahme der Armen.248 Dass die Bestätigung der Fundation des Armenhauses Jüdefeld durch Johannes Kock, „der doemkercken tho Munster vicarius des hoichwerdigen hoichuermogenden ffursten vnd hernn, hernn Frantzen, bisscops tho Munster vnd Ossenbrug, administratoirs tho Mynden, item des houes tho Munster segeler“,249 hat seinen Grund in der Eroberung Münsters durch Bischof Franz von Waldeck, nach der dieser der Stadt ihre Privilegien entzog. Damit einher ging auch die Abschaffung der Ratswahl – der Rat wurde nunmehr vom Bischof ernannt – und ein Verbot der Gilden. 1541 wurden die Rechte teilweise restituiert, Ratswahlen und Gilden wurden aber erst 1553 wieder zugelassen.250 Unter der Herrschaft des Bischofs kam Johannes Kock eine bedeutende Rolle zu. Am 19. Juni 1537 wandte sich der Bischof an ihn: „De vestris legalitate et industria singularem in domino fiduciam gerentes, vos nostrum in spiritualibus vicarium et commissarium ad infrascripta constituimus, facimus et deputamus per presentes, vobisque plenam concedimus facultatem et auctoritatem quascumque erectiones nouas Monasteriorum ecclesiarum, capellarum, altarum, hospitalium et benefitiorum ec247 248

249 250

Zu den Funktionen von Rotger Smysinck und Johan tor Mollen vgl. Klötzer, Kleiden, S. 99. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Vgl. auch LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 348. Diese Form der geteilten Trägerschaft erwähnt auch Kerssenbrock. Nach ihm wird das Armenhaus „archivestalis Transfluvianae et Iudefeldianae familiae cura“ geführt. Detmer, Kerssenbrock, S. 79. Die Übernahme der Teilträgerschaft durch die Stifterfamilie war ebenso in der Anfangsphase des Armenhauses Zumbusch erkennbar und wurde auch in späterer Zeit gelegentlich betrieben, so etwa im 1573 gegründeten Armenhaus Bischopinck und dem 1587 gegründeten Armenhaus Grotegese. Armut, Not und gute Werke, S. 117. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Hanschmidt, Armenpolizei, S. 658.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

clesiasticorum infra ciuitatem et diocesem nostras Monasteriensas existentium examinandi et, prout de iure fuerit faciendum, confirmandi.“251

Als „vicarius in spiritualibus“ sollte er die Fundationen aber nicht allzu streng und auch nicht ungerufen begleiten, zumal wenn es sich um weltliche Werke handelte.252 Johannes Kock hatte damit im Falle der Hospitäler eine Befugnis erhalten, die zuvor beim Stadtrat gelegen hatte.253 So hatte dieser etwa die Gründungsurkunden der Armenhäuser Wessede, tor A und zur Aa sowie der Elenden Aegidii, Überwasser und Lamberti ausgestellt, ohne in jedem Fall zugleich auch die Trägerschaft zu übernehmen. Eine Bestätigung durch den Rat war allerdings nicht zwingend erforderlich, ist in den Gründungsurkunden der Armenhäuser Zumbusch und St. Johannis doch keine Beteiligung des Rates erkennbar. Es stellt sich somit die Frage nach den Kompetenzen und Befugnissen des Rates innerhalb des städtischen Fürsorgesystems. Er war Träger des ursprünglich zentralen und multifunktionalen Magdalenenhospitals wie jener Armenhäuser, die einen hohen Grad an Spezialisierung aufwiesen. Einzige Ausnahmen waren die Elenden Lamberti und Überwasser, die allerdings nur kirchspielweit agierten. Er hielt außerdem die Trägerschaft über die beiden stadtweit agierenden Institutionen der offenen Armenfürsorge an der Bürgerkirche Lamberti sowie über die Armenhäuser Wegesende und Wessede, welches letzteres das erste auf Privatinitiative gegründete Armenhaus war. Mindestens indirekten Einfluss hatte er außerdem auf jene Institutionen, die sich in der Trägerschaft der Kirchspiele Lamberti und Überwasser befanden, da die Vorsteher dieser Kirchspiele die jeweiligen Schöffen waren. Der Einfluss war immerhin so stark, dass der Rat in dem Armenhaus Zurwieck „unser Hospital“ sehen konnte. In der Trägerschaft von nicht von den Schöffen geführten Kirchspielen befanden sich lediglich vier kirchspielweit operierende Almosenkörbe und die beiden Armenhäuser Speckpfründe Ludgeri und Zumbusch. In letzterem hatte der Rat das vom Stifter anerkannte Recht auf Verlegung der Institution – ein Recht, von dem er offenbar auch im Falle des in Beginenträgerschaft stehenden Armenhauses tor A Gebrauch machte. Ein Einfluss des Rates auf das Armenhaus St. Johannis ist im Mittelalter nicht erkennbar, doch achteten die Johanniter bei der Auswahl der Provisoren vielleicht auch schon vor der Täuferzeit auf gute Kontakte zum Stadtrat. Gänzlich ohne jeglichen magistralen Einfluss zeigen sich außerdem die drei Institutionen in domkapitularischer Trägerschaft. 251

252 253

„Ein einzigartiges Gottvertrauen auf Eure Rechtschaffenheit und Euren Fleiß habend, bestimmen, machen und ernennen wir Euch zu unserem Stellvertreter in geistlichen Dingen und zum Kommissar in unten beschriebener Sache durch die vorliegende Urkunde, und wir übertragen Euch die volle Befähigung und Macht, alle neuen Errichtungen von Münsterischen Kirchen, Kapellen, Altären, Hospitälern und kirchlichen Benefizien, die innerhalb unserer Stadt und der Diözese Münster existieren, zu untersuchen und sie, soweit dies mit Recht geschehe, zu bestätigen.“ Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Die Urkunde ist als in der Jüdefelder Stiftungsurkunde inseriertes Transsumpt überliefert. „Si opus fuerit brachij secularis“. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Keine der acht vor der Täuferzeit ausgestellten Gründungsurkunden weist eine Beteiligung des Bischofs auf.

4. Die Grenzen der Macht

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Im Jahre 1510 verkündete der Rat der Stadt Köln, dass er niemanden als sich selbst die Obrigkeit über alle Hospitäler innerhalb der Stadt zuerkenne.254 Von einer solchen „Systemträgerschaft“ war der münsterische Stadtrat weit entfernt. Die münsterischen Fürsorgeinstitutionen standen immer unter der Aufsicht verschiedener Träger. Die größten Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb dieses komplexen und vielschichtigen Fürsorgesystems aber hatte – sei es als Träger oder allgemein als politischer Vertreter der Stadtgemeinde – eindeutig der Stadtrat. Tabelle 2: Verzeichnis der mittelalterlichen Fürsorgeinstitutionen und ihrer Träger. Gründung vor 1176 nach 1242 um 1250? 1302 vor 1330?

Erstbeleg 1176 1249 1287 1302 1368

vor 1332 vor 1333 vor 1350? nach 1350 1354/67 um 1366? 1475 um 1250?

1332 1333 1354/67 1358 1354/67 1398 1474 1327

nach 1332?

1346

Armenkleidung Lamberti Leprosorium Kinderhaus Armenhaus Wegesende Antoniushospital Armenhaus zur Aa Gasthaus Elende Aegidii Heiliggeistkorb Überwasser Armenhaus Zurwieck

1519

1518

Elende Überwasser

vor 1532

1532

Armenhaus Prussen

1519/29 um 1300? um 1300? vor 1520? um 1300? 1337 um 1300?

1527 1350 1350 1532 1337 1337 1394

Elende Lamberti Almosenkorb Aegidii Almosenkorb Ludgeri Speckpfründe Ludgeri Almosenkorb Martini Armenhaus Zumbusch Almosenkorb Servatii

254

Institution

Träger

Magdalenenhospital Hospital in der Venne Heiliggeistkorb Lamberti Armenhaus Wessede Marienhospital

Bischof, dann Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Schöffen/ Kspl. Überwasser Schöffen/ Kspl. Überwasser Schöffen/ Kspl. Überwasser Schöffen/ Kspl. Überwasser Schöffen/Kspl. Lamberti Kirchspiel Aegidii Kirchspiel Ludgeri Kirchspiel Ludgeri Kirchspiel Martini Kirchspiel Martini/privat Kirchspiel Servatii

Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 303.

Schließung 1255?

um 1330?

64

I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

Tabelle 2 (Fortsetzung) vor 1217

1314

Domkapitel

1324 1473 1314

Zwölfmännerhaus Überwasser Zwölfmännerhaus Ludgeri Domelemosine Armenhaus tor A

vor 1217 nach 1410 1314 1472 1525/42

1472 1525

Armenhaus St. Johannis Armenhaus Jüdefeld

vor 1332?

1333

Armenhaus Tilbeck

vor 1332?

1333

Armenhaus Boterman

vor 1332?

1333

Armenhaus Hoeker

nach 1332?

1346

Armenhaus der Hesenmekerschen

Johanniter Kloster Überwasser/ privat Rat? Schöffen Überwasser? Rat? Schöffen Überwasser? Rat? Schöffen Überwasser? ?

Domkapitel Domkapitel Beginen zur Aa

1354/ 1367

1354/ 1367 1354/ 1367 1354/ 1367 vor 1354/ 1367?

5. Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger „Quoniam iuxta euangelice lectionis instructionem beati sunt misericordes, quia misericordiam consequentur, (…) eapropter (…) consolacioni ac refectioni pauperum misericorditer intendere cupientes ea, que per Christifidelium devocionem sive eciam per nostram largitionem domui, que hospitale dicitur, humaniter pro eterne vite premio sunt contradita, sub tuicionis nostre protectione suscipimus.“255

Mit diesen Worten und der Berufung auf Matthäus 5,7 unterstellte 1186 Bischof Hermann II. das Magdalenenhospital seinem Schutz. Bereits in der Arenga der Urkunde von 1184 hatte er es als seine Pflicht bezeichnet, „ut pauperum necessitati sollerter prospiciamus“, sein Nachfolger Ludolf nannte das Magdalenenhospital 1241 den Ort, „ubi Christus alitur et vestitur“.256 In der Arenga gibt der Urkundenaussteller eine Begründung seiner Urkundentätigkeit. Hier vermittelt er ein Bild von seinem Selbstverständnis und gegebenenfalls auch von seinem Herrschaftsprogramm. Anders als der Bischof hat der Stadtrat diese 255 „Weil gemäß der Anweisung des Evangeliums die Barmherzigen selig sind, da sie Barmherzigkeit verfolgen, deswegen wünschen wir den Trost und die Besserung der Armen barmherzig im Sinn zu haben und nehmen das, was durch das Gelöbnis der Christgläubigen oder auch durch unsere Freigebigkeit in dem Haus, das Hospital genannt wird, gütig für den Lohn des ewigen Lebens zusammengebracht wurde, unter die Deckung unseres Schutzes.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2r–2v. 256 Magdalenenhospital, Urk. 1; Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3r–3v.

5. Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger

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Gelegenheit vergleichsweise selten genutzt. Als er 1429 eine Vikarie im Armenhaus Zurwieck und 1459 eine weitere Vikarie im Armenhaus zur Aa bestätigte, leitete er beide Urkunden mit derselben Formel ein: „Proconsules et consules civitatis Mon. ad perpetuam rei memoriam ad ea, qua divini cultus augmentum conspiciunt et presertim pauperum Christi et debilium egentium prestant relevamen, libenter intendimus eaque prosequimur operibus et favoribus oportunis.“257

Der Stadtrat rekurrierte also wie der Bischof auf das weit verbreitete Bild, nach dem man Christus gebe, indem man den Armen gibt. Ganz frei von jeder religiösen Motivation, vielmehr nüchtern und zweckrationalistisch zeigt sich der Rat hingegen bei der Begründung der Zusammenlegung mehrerer Armenhäuser zum Armenhaus zur Aa, die er „utilitate et commoditate pauperum et miserabilium personarum diligenter perpensata et pro communi bono nostre civitatis“ vollzog.258 Interessant ist dabei, dass er sich nicht auf seine Trägerschaft beruft, sondern auf das städtische Allgemeinwohl, und somit auch als Vertreter der Stadtgemeinde agiert. Armenfürsorge erscheint hier ganz jenseits der Trägerschaft als Bestandteil des politischen Programms des Stadtrates. Mit ihr wird der Rat seiner Verantwortung gegenüber der Gemeinde gerecht. Die Legitimation der Herrschaft durch Fürsorge fand spätestens in der Nachtäuferzeit auch in der Zelebrierung der Ratswahl ihren Niederschlag. 1554 fand erstmals wieder eine freie Wahl statt. In acht Kirchen der Stadt hatten die Prediger je 17 Pfennige aus dem Gruthaus erhalten, um ihre Gemeinde von der Kanzel aus aufzufordern, für die Wahl zu beten. Ab 1557 verteilte die unter Ratsträgerschaft stehende Speckpfründe Lamberti zudem Brot an die Armen. Dies geschah allerdings nicht am Ratswahltermin selbst, der nun anders als im Mittelalter auf Antonius fiel, sondern am Montag vor Antonius. „Eynen yderen armen“ gab man ein Weizenbrot im Wert von 1 ½ Pfennigen. Da das gesamte Almosen 19 Mark kostete, konnte man also nicht weniger als 1.824 Arme verpflegen. Ähnliche Zahlen finden sich in den Folgejahren. Weitere Armenspeisungen fand 1559, 1560 und 1561 statt. Ab 1563 erfolgten sie schließlich regelmäßig.259 Die Aufgabe der Armen war, wie die Jahresrechnung der Speckpfründe Lamberti von 1559/60 verkündet, „(...) Godde dem heren tho bydden, dat eyn koer des raydz van den koernothen eyndrechlich mochte gekoren werden, de dat ansthaende jaer eyn christlich regumenth in den frunchten godt und borgerlike eynycheyt woll vorsthaen.“260

257

258 259 260

„Wir, Bürgermeister und Ratsherren der Stadt Münster, zur andauernden Erinnerung der Sache, widmen uns gerne jenen Dingen, die den Zuwachs des Gottesdienstes im Auge haben und vor allem den Armen Christi, den Schwachen und Bedürftigen Linderung verschaffen, und begleiten sie mit hilfreichen Werken und Begünstigungen.“ A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v; Armenhaus zur Aa, Urk. 30. „Zum sorgfältig erwogenen Nutzen und Wohlergehen der armen und beklagenswerten Personen und zum allgemeinen Wohl unserer Stadt“. MUB 154. Vgl. auch Beck, Soziale Einrichtungen, S. 30. Klötzer, Kleiden, S. 30ff. Speckpfründe Lamberti, Akten 7, RB 1559/60, zitiert nach Klötzer, Kleiden, S. 31.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

Es gibt Argumente für die Annahme, dass die Brotverteilungen anlässlich der Ratswahl keiner älteren Tradition entsprach. So fanden sie bei den ersten drei Wahlen offenbar überhaupt nicht statt und auch nach 1557 zunächst nur unregelmäßig. Auch die ausführliche Begründung der Verteilung im Rechnungsbuch von 1559/60 verweist auf eine eher jüngere Praxis. Zudem lassen sich in einigen frühen Rechnungen zweckgebundene Spenden mehrerer Ratsherren nachweisen, die vermuten lassen, dass die Finanzierung in den ersten Jahren noch nicht vollständig gesichert war. Und schließlich wurden die Speisungen 1559, 1560 und 1561 irregulär nicht am Montag, sondern bereits am Freitag vor Antonius abgehalten.261 Dagegen ließe sich einwenden, dass die Ratswahlen immerhin zwanzig Jahre verboten waren, so dass man nur bedingt auf bekannte Gewohnheiten zurückgreifen konnte, zumal offenbar keine der mittelalterlichen Jahresrechnungen der Speckpfründe die Täuferzeit überstanden hat. Entsprechend ist die Frage nach einer ähnlichen Tradition in der Vortäuferzeit kaum zu beantworten. Die erste überlieferte Rechnung der Speckpfründe Lamberti stammt aus dem Jahre 1537. Gemäß dieser wurde die Unterstützung sämtlicher Armen nach der Eroberung der Stadt eingestellt und konnte erst in diesem Jahr wieder aufgenommen werden. Diese Unterstützungen in Höhe von gerade 11 ½ Schillingen fanden jeden Sonntag statt, erstmals aber am Sonntag Invocavit, also einen Tag vor dem mittelalterlichen Ratswahltermin.262 Der kurze Zeitabstand wie auch die geringe Höhe schließen einen Zusammenhang mit der Ratswahl aber wohl aus. Es bleibt festzuhalten, dass die frühneuzeitliche Praxis der Brotverteilungen zur Ratswahl – unterbrochen durch Täuferzeit und Ratswahlverbot – bereits im Mittelalter Bestand gehabt haben könnte, dies allerdings nicht zu belegen ist. Eine Möglichkeit, die Trägerschaft über eine Fürsorgeinstitution sinnbildlich zu verdeutlichen, lag in der Verwendung des städtischen Wappens. Ähnlich wie bürgerliche Stifter, die gestiftete Bilder, Kelche oder Gewänder oftmals mit ihrem Familienwappen versahen, nutzte auch der Stadtrat den sich aus dieser symbolischen Selbstrepräsentation ergebenden Werbeeffekt.263 Das Wappen der Stadt Münster entwickelte sich aus dem 1270 erstbelegten Stiftswappen des Bistums Münster, einem einfachen Balkenwappen mit rotem Balken auf goldenem Grund. Die Stadt variierte dieses Wappen zu einem gold-rot-silbernen Balkenwappen.264 Es ist bemerkenswert, dass die älteste bekannte Verwendung des Wappens sich auf dem Siegel eines Hos261 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 50f. Die Verteilungen am Freitag waren nicht unbegründet. 1557 fand die Speisung am 11. Januar statt, 1563 am 11. und 1564 am 10. – also immer mehrere Tage vor der Wahl. 1559 fiel Antonius auf einen Dienstag, und so wurde die Speisung vom 16. auf den 13. Januar vorverlegt, 1560 vom 15. auf den 12. und 1561 vom 13. auf den 10. Offenbar wollte man den Armen genügend Gelegenheit zum Beten geben. 262 Speckpfründe Lamberti, Akten 5, fol. 22v. 263 Knefelkamp, Materielle Kultur, S. 103; Kühnel, Sinn und Motivation, S. 9ff. Kühnel bemerkt außerdem, dass – wie schon Meister Eckhart um 1300 kritisierte – der Frömmigkeitsaspekt vor dem Zweck der Repräsentation stark zurücktreten konnte. Dies passt zu der obigen Beobachtung, dass auch der Rat selbst auf religiöse Legitimationsmodelle weitestgehend verzichtete. 264 Hövel, Stadtwappen, S. 140f.; Klötzer, Wappen, S. 4.

5. Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger

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pitals findet. Aus dem Jahre 1368 stammt eine Urkunde, an der sich der Siegelabdruck des Antoniushospitals findet. Tatsächlich ist das betreffende Siegel aber nicht eigens für das Antoniushospital gestochen worden, sondern es verwendete lediglich das des um 1330 eingegangenen Marienhospitals weiter. Entsprechend lautet die Siegelumschrift „S[igillum] HOSPITALIS SANTE MARIE EXTRA PORTA[M] SANTI MORIC[II]“.265 Bereits in den 1320er Jahren dürfte das Stadtwappen also in Gebrauch gewesen sein. Das Siegel zeigt die Jungfrau Maria mit dem Kinde im linken und einem Stab266 im rechten Arm über dem schildförmigen Balkenwappen. Die Schraffur des Wappens mit plastisch hervorgehobenen Balken, glatter Fläche im oberen Schildteil und schräggekreuzter Schraffierung im unteren267 entspricht allerdings noch nicht den klassischen Regeln der Heraldik, die Gold punktiert, Rot senkrecht schraffiert und Silber als blanke Fläche darstellt. Das deutlich unterschiedene dritte Feld weist das Wappen allerdings klar als das städtische aus und belegt somit die Trägerschaft des Rates über das Marienhospital. Insgesamt scheint man bei der Verwendung von Siegeln großen Wert auf Kontinuität gelegt zu haben. Nur selten entschied man sich für die Stechung eines neuen Siegels.268 Dies zeigt sich nicht nur am Beispiel des Mariensiegels, das noch vom Antoniushospital verwendet wurde, sondern auch im Falle des Magdalenenhospitals. Spätestens 1278 verfügte dieses über ein eigenes Siegel,269 das damit also bereits vor der Verwendung eines stadteigenen Wappens entstanden ist. Ein beschädigter Siegelabdruck aus dem Jahre 1372270 zeigt entsprechend nicht das Stadtwappen, sondern Maria Magdalena in Frontalansicht mit herabwallendem Haar und langem Gewand. Trotz der Trägerschaft des Rates wurde dieses Siegel während des gesamten Spätmittelalters verwendet. Vielleicht war es in den Wirren der Täuferzeit verlorengegangen, jedenfalls entschloss man sich 1555 zur Stechung eines neuen Siegels,271 dessen erster Abdruck bereits aus dem darauffolgenden Jahr überliefert ist. Es zeigt unter Maria Magdalena, die mit Faltenrock, Mieder und Haube bürgerliche Tracht trägt und in den Händen ihre Attribute Totenkopf und Salbenbüchsen hält, das Wappen der Stadt Münster. Die Umschrift lautet „S[IGILLUM] HOSPITAL[IS] MAGDA[LENAE] MON[ASTERIENSIS]“.272 Die Anwendungsmöglichkeiten des Stadtwappens waren allgemein vielfältig. So wurde es etwa auf dem um 1470 errichteten Rathausgiebel von einem Greif gehalten. Bereits im Mittelalter fand sich das Wappen wohl auch an den Tortürmen der Stadtmauer. Jedenfalls mussten nach der Eroberung 265 266 267 268 269 270 271 272

Antoniushospital, Urk. 4. Ein zweiter Siegelabdruck findet sich an einer von den Provisoren des Antoniushospitals ausgestellten Urkunde vom 18. Mai 1441. Archiv Haus Hülshoff (Dep. im LWL-Archivamt), Urk. 231. Hövel (Stadtwappen, S. 153) erkennt einen Lilienstab. Veddeler, Balkenwappen, S. 104. Hövel, Stadtwappen, S. 155. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r–10v. Magdalenenhospital, Urk. 5. Magdalenenhospital, Akten 91, RB 1555, fol. 16. Magdalenenhospital, Urk. 166, nach Klötzer, Kleiden, S. IV. Vgl. Hövel, Stadtwappen, S. 159.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

der Stadt durch Franz von Waldeck hierfür zahlreiche Wappen geschlagen werden. Und auch die „Piper“ oder städtischen Spielleute, die bei öffentlichen Festlichkeiten, etwa bei der Ratswahl, musizierten, erhielten gemäß ihrem Huldigungseid von den Kämmerern das Stadtwappen, wohl um es auf dem Spielzug zu tragen.273 Es ist davon auszugehen, dass auch die unter Ratsträgerschaft stehenden Hospitäler an ihrer Hauswand das Stadtwappen aufwiesen.274 Nachweisbar ist dies allerdings erst in späterer Zeit. Im Magdalenenhospital etwa waren über dem Eingang der Kapelle, im Hospitalarchiv und vor den einzelnen Kaminen die „insignia“ des Rates angebracht. 1646 hingen diese dort schon so lange, dass man den Zeitpunkt der Befestigung nicht mehr feststellen konnte.275 Das städtische Wappen findet sich auch in Form eines kleinen Sandsteinreliefs an der Nordfassade des Werkhauses des Leprosoriums Kinderhaus, das ab 1684 als Armenhaus genutzt wurde. Aus dieser Zeit stammt wohl auch das Wappen, das später allerdings in blau-weiß-blau übergemalt wurde.276 Anders verhielt es sich mit dem Zwölfmännerhaus Überwasser. Das laut der über der Eingangstür befindlichen Inschrift im Jahre 1740 erbaute Haus wies in dem Rundfenster unter dem Walmdach eine wohl gleichaltrige Wappenplastik auf, die den heiligen Paulus mit Buch und Schwert in halber Figur zeigte, darunter aber das Wappen des Stifts. Die Umschrift lautete „Sancte Paule Apostole Hospitium Hoc Protege“. Erst 1810, als die Institution der Armenkommission inkorporiert wurde, ging die Trägerschaft vom Domkapitel auf den Stadtrat über, der das Stiftswappen mit wenigen Pinselstrichen in das Stadtwappen verwandelte.277 Vermutlich bestand die Tradition, das städtische Wappen an der Außenfassade der unter Ratsträgerschaft stehenden Armenhäuser anzubringen, bereits im Mittelalter. Die Motive für die Übernahme der Trägerschaft waren vielfältig. Zunächst bedeutete sie, ähnlich wie die Stiftung für den Stifter, soziales Prestige. Damit profitierte auch er von dem Verbundsystem von Stiftung, Memoria und Caritas.278 Als 1429 am Armenhaus Zurwieck eine Vikarie unter städtischem Patronat entstand, wurde es zur besonderen Pflicht des Vikars, für den Stadtrat zu beten. Der erste Eintrag seines um 1440 angelegten Memorienkalenders besagt: „In primo presbiter institu273 Klötzer, Wappen, S. 5; Geisberg, Stadt Münster, Bd. 1, S. 174; Offenberg, Eid- und Huldigungsbuch, S. 303. 274 Ähnlich war es auch in Köln. Als der dortige Stadtrat 1510 die Trägerschaft über alle Hospitäler der Stadt proklamierte, brachte er zum Zeichen dessen an allen Gebäuden das Stadtwappen an. Jütte, Obrigkeitkeitliche Armenfürsorge, S. 303; Ennen, Geschichte der Stadt Köln, Bd. 3, S. 818. 275 Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 20. 276 Klötzer, Wappen, S. 4; Hövel, Stadtwappen, S. 188. 277 Hövel, Stadtwappen, S. 189f. 278 Vgl. allgemein Jakobi, Schwieriges Erbe, S. 311. Poeck (Wohltat und Legitimation, S. 2) betont allerdings zu Recht das zunehmende Zurücktreten der in der jüngeren Literatur vielzitierten Sorge ums Seelenheil hinter eine allgemeine politische Strategie. So tat etwa auch der Protestantismus der Stiftungstätigkeit keinen vollständigen Abbruch. Die gesellschaftspolitische Quantifizierbarkeit von Stiftungen wird insbesondere dann deutlich, wenn ein Verbannter durch eine Stiftung seine Christlichkeit beweisen musste. Vgl. Windemuth, Hospital, S. 91.

5. Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger

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tus seu instituendus orabit in missis et orationibus suis pro magistris civium et toto consolatu Monasteriensi.“279 Entsprechend bedurfte es auch der öffentlichen Inszenierung der Trägerschaft durch Wappen, Siegel oder Formulierungen wie „unser Hospital“, die parallel zu der Benennung von Armenhäusern nach ihren privaten Stiftern konzipiert sind.280 Faktisch ging mit der Trägerschaft auch eine Ausdehnung der städtischen Rechtsmacht innerhalb des eigenen Herrschaftsbereiches einher.281 Zwar konnte sich der Rat nicht aus den Mitteln seiner Fürsorgeinstitutionen frei bedienen, ihm oblagen aber weitgehende Gestaltungsmöglichkeiten in sozialer wie in wirtschaftlicher Hinsicht. Interesse an der wirtschaftlichen Stärke seiner Institutionen hatte der Stadtrat allein schon dadurch, dass sie den städtischen Rentenmarkt stark belebten und teilweise über so hohes Kapital verfügten, dass der Rat selbst sich als Kreditnehmer an sie wenden konnte. Das mit der Trägerschaft einhergehende Recht, die Provisoren zu ernennen, gab dem Rat außerdem Gelegenheit, personale Netzwerke aufzubauen und so seine Macht zu festigen. Nicht zuletzt konnte die Übernahme von Provisoraten auch auf spätere Ratstätigkeit oder höhere Ratsämter vorbereiten. Nicht selten wurden Provisorate auch im Rahmen von Ratsämtern wahrgenommen, und so konnte sich das mit dem weitestgehend unentgeltlich wahrgenommenen Provisorat verbundene soziale Prestige auf den Stadtrat übertragen.282 Ein dezentrales Fürsorgesystem wie das der Stadt Münster brachte aber auch den Nachteil mit sich, dass die Aufrechterhaltung der Armenfürsorge überaus personalintensiv war. Darüber hinaus ist ein funktionierendes Fürsorgesystem ein wichtiger Garant für gesellschaftliche Stabilität. Zu Recht handelte der Rat bei der Errichtung des Armenhaus zur Aa „pro communi bono nostre civitatis“.283 Entsprechend musste der Rat, um gegenüber dem bischöflichen Stadtherrn eine glaubwürdige Alternative darzustellen, auch die Fähigkeit zu einer tragfähigen Fürsorgepolitik beweisen. Im ausgehenden 15. Jahrhundert verfestigte sich dies zunehmend zu einer allgemeinen Verantwortung der Städte gegenüber ihren Armen.284 Tatsächlich waren Armut, Va279

„Zunächst wird der angestellte oder anzustellende Priester in seinen Messen und Orationen für die Bürgermeister und den gesamten Rat von Münster beten.“ A XIII, Nr. 284, fol. 4v. 280 Derartige Bezeichnungen waren auch außerhalb Münsters allgemein üblich. Für den Rat vgl. Reicke, Bd. 2, S. 56. Für private Stifter vgl. Poeck, Wohltat und Legitimation, S. 4f. 281 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 197; Pauly, Fremdenherberge, S. 116. Stunz (Hospitäler im deutschsprachigen Raum, S. 140) bezeichnet städtische Hospitäler gar als „Agenturen kommunaler Interessen“. 282 Die herrschaftslegitimatorische Notwendigkeit einer Verbindung der höheren Staatsämter mit hohen Ausgaben für das Gemeinwohl und ihrer Inszenierung erkannte bereits Aristoteles (Politik, Buch 6, Kap. 7, 1321a). Vgl. auch Poeck, Wohltat und Legitimation, S. 1. 283 MUB 154. 284 Nach Beschlüssen des Lindauer Reichstages von 1497 lag die Verantwortung der Armenpflege bei den Gemeinden. Putz, Hausordnungen, S. 18. Ähnlich äußerte sich auch die Reichspolizeiordnung von 1530. Hanschmidt, Armenpolizei, S. 655.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

gantentum und Bettelei allgemeine Probleme des Spätmittelalters, die durch Ernteeinbrüche und Bevölkerungszuwachs verstärkt wurden. Die Situation verschärfte sich um 1500 noch einmal durch Preissteigerungen bei gleichbleibenden Löhnen und um 1520 durch eine schwere Ernährungskrise. Die große Zahl der Hungernden wurde zunehmend als Gefahr wahrgenommen.285 Von diesen Problemen war auch Westfalen betroffen. In seinem „De laude veteris Saxoniae nunc Westfaliae dictae“ berichtet der aus Laer bei Steinfurt stammende Kartäusermönch Werner Rolevinck (1425/1502) um 1475, Westfalen brächte mehr Kinder hervor, als es ernähren könne, und die Armut zwinge viele Westfalen zur Auswanderung. Die soziale Dynamisierung der mittelalterlichen Gesellschaft ließ das Armutsrisiko auch für Handwerker steigen. Diese seien, so Rolevinck, stark von ihrem Glück abhängig und lebten von der Hand in den Mund. Mal ginge es ihnen sehr gut, dann käme aber bald wieder der Rückschlag.286 Diese Dynamiken nach unten hin abzufedern, war Aufgabe der Armenfürsorge. Während vor allem die Almosenkörbe öffentliche Brotverteilungen an die städtischen Armen organisierten, boten die Armenhäuser Unterkunft und einen gesicherten Lebensabend insbesondere für Menschen der mittleren und höheren Schichten, wenn sich diese von wirtschaftlichem und gesellschaftlichem Abstieg bedroht sahen.287 Wo Fürsorge nicht in ausreichendem Maße geleistet werden konnte, blieb den Betroffenen oftmals nur die Bettelei oder das Abgleiten in die Kriminalität.288 Kriminalität war auch in Westfalen ein großes Problem.289 Wegen Raubrittertum und Gaunertum spricht Rolevinck eine „Entschuldigung für unser Heimatland“ aus. Es war nach ihm bereits ein geflügeltes Wort, dass der Westfale ein Räuber sei. Das Wort Westfale komme tatsächlich von fallere – betrügen. Die Gauner aber, so berichtet Rolevinck weiter, hätten keine Bildung und gehörten zu den untersten Volksschichten, und auch die Raubritter handelten nur aus Not und zur Sicherung des Lebensunterhalts.290 Hinweise darauf, dass der Rat Armenfürsorge bewusst als Kriminalitätsprophylaxe betrieben hätte, gibt es allerdings nicht. Dabei ist es von der sozialen Unzufriedenheit zur politischen Unruhe oft nur ein kleiner Schritt. Als typisch westfälisch beschreibt Rolevinck die folgende Szene: „Da steigt einer auf die Kanzel und wettert gegen Missstände der Zeit, er tadelt die Verschwendungssucht der Reichen, die Diebereien der Knechte, die Unzufriedenheit der Armen, den Neid des niederen Volkes, den Hochmut der Adeligen, die Unehrlichkeit der Hofbeamten, die Vergnügungssucht in den Städten.“291 285 286 287 288 289 290 291

Mollat, Die Armen im Mittelalter, S. 270; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 37. Rolevinck, De laude antiquae Saxoniae, S. 137, S. 143, S. 211ff. Vgl. insbes. Kap. V.2. Der protestantische Theologe Andreas Hyperius (1511/64) machte Bettler für zahlreiche Verbrechen wie Spionage, Mord, Raub und Brandstiftung verantwortlich. Vgl. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 35. 1434 forderte Kaiser Sigismund die Städte Münster, Osnabrück, Soest und Dortmund auf, gemeinsam zu beratschlagen, wie sie den Straßenräubern in Westfalen entgegenwirken könnten. MUB 612a, S. 330. Rolevinck, De laude antiquae Saxoniae, S. 203ff. Rolevinck, De laude antiquae Saxoniae, S. 107.

5. Selbstverständnis und Intentionslage des Rates als Träger

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Die Unterschicht spielte dabei nur eine geringe Rolle. Sie verfügte weder über das Bürgerrecht noch über Grundbesitz und entsprechend kaum über politische Wirkmächtigkeit, konnte aber in Konflikten durchaus von anderen Interessengruppen mobilisiert werden.292 Anders verhielt es sich mit abstiegsgefährdeten Handwerkern und Bürgern. Es waren Bürgersöhne, Schüler des Paulinums, Handwerksgesellen und auch erwachsene Bürger, die 1525 an der Fastnachtsposse der Soppenfretter teilnahmen, mit der die Unruhen in Münster begannen. Am 23. Mai ließ der Rat drei Handwerker verhaften, die abends zuvor in das Kloster Niesinck eingedrungen waren. Sie hatten es auf das Eigentum des Klosters abgesehen, ließen sich aber mit einem großzügigen Abendbrot – im wahrsten Sinne des Wortes – abspeisen. Es kam zu einem Tumult vor dem Rathaus, denn die Handwerkerschaft sah in der wirtschaftlichen Betätigung der Klöster eine unerlaubte Konkurrenz. 1527 folgte der „Aufruhr“ des Anton Kruse.293 Die Unruhen gipfelten schließlich in der Täuferbewegung, die wohl weniger von den besitzlosen Unterschichten getragen wurden, als vielmehr von den wenig besitzenden Bürgern. Diese waren vom gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Abstieg besonders bedroht, nachdem sie durch die Wirtschaftskrise von 1530/32 kaum mehr in der Lage waren, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen, die sich aus den auf ihren Immobilien liegenden Renten ergaben.294 Freilich wäre es irrig, wollte man den Aspekt der Armut in der Täuferbewegung zu sehr betonen. Auch religiöse Momente und insbesondere ein selbstbewusst gegen den Stadtherrn agierendes Bürgertum spielten eine wesentliche Rolle, und so fand die Bewegung auch quer durch alle Schichten Unterstützer.295 Dennoch ist es wohl als Reaktion auf eine Armut zu sehen, die das stiftungsbasierte Fürsorgesystem des Spätmittelalters nicht mehr auffangen konnte, wenn die Täufer ein Sozialprogramm entwickelten, das sich von der bisherigen Fürsorgepolitik entsprechend radikal unterschied. Nach der Ratswahl vom 23. Februar 1534, mit der sich die Täuferherrschaft faktisch konstituierte, begann sogleich der Versuch, eine reformatorische Neuordnung voranzutreiben. Unter anderem wurden auf Kirchspielebene Diakone gewählt, die die Armenkassen verwalteten. Die Aufsicht über das Bettelwesen führte eine sechsköpfige, von Rat und Gildenführung ernannte Behörde.296 Da soziale Ungleichheit, die geradezu eine Grundvoraussetzung für stiftungsbasierte Fürsorge war, den Täufern als Widerspruch zum Gedanken der Gotteskindschaft erschien, beschloss die Führung der Stadt wahrscheinlich schon Anfang März die Abschaffung des Privateigentums und verfügte,

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Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 107. Kirchhoff, Gesamtgilde, S. 254f; Kirchhoff, Gilde und Gemeinheit, S. 166f.; Laubach, Reformation und Täuferherrschaft, S. 150. Kirchhoff, Die Täufer in Münster, S. 78ff. Kirchhoff, Die Täufer in Münster, S. 86ff. Vgl. auch Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 496. Klötzer, Täuferherrschaft, S. 43.

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I. Kommunalisierung und die Grenzen der Macht

„(...) dat al guet solde gemein sein, und dat [der eine] so viel sol hebben als der ander, sie weren rieck gewest ofte arm, sie solden al even rieck sein, der eine solde so viel hebben als der ander.“297

Die Diakone gingen dazu von Haus zu Haus und verzeichneten den Vorrat an Lebensmitteln, der je nach Bedarf den Armen zukommen sollte. Außerdem sollten sie sich umsehen „wat fur arm luede in der stat weren, und solden die gein gebrech hebben laten“.298 Seit Ende 1534 wurde von öffentlichen Stellen Brot und Bier produziert und je nach Bedürftigkeit verteilt.299 Doch regte sich besonders bei den zuletzt Getauften von Beginn an Widerstand gegen die Verpflichtung, auch Geld und Wertsachen abgeben zu müssen. Das Ziel, die Armut zu beseitigen und jegliches Besitzdenken auszuschalten, trat immer mehr hinter die durch die Belagerung notwendige Kriegszwangswirtschaft zurück. Bald setzte eine Lebensmittelknappheit ein, und es wurden öffentliche Mahlzeiten auf dem Domplatz abgehalten.300 Mit der Eroberung der Stadt durch Fürstbischof Franz von Waldeck am 25. Juni 1535 endete das Täuferreich und damit auch sein revolutionäres Sozialkonzept nach nur 16 Monaten.

297 Cornelius, Berichte der Augenzeugen, S. 32. 298 Cornelius, Berichte der Augenzeugen, S. 34. 299 Klötzer, Täuferherrschaft, S. 126. Man könnte vermuten, dass dieses Sozialkonzept besonders attraktiv auf Arme und Armutsgefährdete wirkte. Die Zahlen über die Einund Abwanderer lassen darüber aber kaum Aussagen zu. Nach Bakker e.a. (Bernhard Rothmann, S. 226) blieben von 825 besitzenden männlichen Bürgern 275 als Täufer in der Stadt, 550 verließen sie. Den 825 Eigentümern entsprächen bei insgesamt 2584 Männern wohl 1759 besitzlose Männer, deren Abwanderung Bakker allerdings allein aus der Relation zu den Besitzenden errechnet. 300 Klötzer, Täuferherrschaft, S. 78, S. 91, S. 126.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia Wurde im vorangegangenen Kapitel das münsterische Fürsorgesystem vor dem Hintergrund der Trägerschaft über die einzelnen Fürsorgeinstitutionen dargestellt, so soll in den folgenden vier Kapiteln eine Analyse durchgeführt werden, welche Eingriffsmöglichkeiten und Handlungsspielräume die Träger – insbesondere der Stadtrat – aus ihrer Trägerschaft ableiteten beziehungsweise welche Rechte und Entscheidungsbefugnisse die Trägerschaft im einzelnen konstituierte. Dies gilt es in administrativer, ökonomischer und sozialer Hinsicht zu untersuchen. Das Ziel ist eine Synopse der verschiedenen Institutionen, um so Gemeinsamkeiten und Spezifika des Fürsorgesystems herausarbeiten zu können. Die wohl wichtigste Einflussmöglichkeit des Trägers lag in seinen administrativen Kontrollbefugnissen, hier insbesondere in dem Recht, die Leitungskräfte seiner Institution zu bestimmen. Die weitgehendste Form der Trägeranbindung bestand dabei in der Personalunion von Provisorat und Ratsamt.

1. Die Provisoren: Aufgaben und Funktion Die Aufsicht über die einzelnen Fürsorgeinstitutionen oblag gewöhnlich zwei Provisoren. Ihre Bezeichnungen waren vielfältig. Üblich ist „provisores“ oder „vorwarers“, seltener „procuratores“, „dispensatores,“ „distributores“, „fforstenderz“, „huesmeysteren“ oder „vorzuneren“.1 Die Provisoren der Almosenkörbe erscheinen außerdem häufig als „almyssenere“ oder „elemosinarii“,2 die von Kinderhaus, des Armenhauses Zumbusch und des Magdalenenhospitals gelegentlich als Hüter, Halter oder „hushodere“.3 Zu Beginn des 14. Jahrhunderts finden sie sich im Magdalenenhospital außerdem als „comprovisores“ des (erst später so genannten) Amtmanns, gemeinsam mit ihm erscheinen sie einmalig 1333 als „rectores“.4 Die breiteste Namensvielfalt zeigt sich in einer Urkunde des Jahres 1327, als die Verwahrer des Heiliggeistkorbes Lamberti als „prouisores seu ammistratores vel dispositores seu yconomj“ bezeichnet werden.5

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MUB 49; MUB 84; MUB 164; Antoniushospital, Akten 25, RB 1541, fol. 17v; Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13; MUB 250. Nach Reicke (Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 76) konnten die Provisoren selbst innerhalb derselben Urkunde mit unterschiedlichen Namen belegt werden. MUB 327; MUB 161. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 126; MUB 325; MUB 326; MUB 441. MUB 46; MUB 88. LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Die ersten Provisoren sind 1287 für den Heiliggeistkorb Lamberti belegbar.6 Ähnliches dürfte für den Heiliggeistkorb Überwasser gelten, wenngleich die beiden Aufsichtskräfte hier 1327 nicht als Provisoren, sondern als „officiatus sancti spiritus“ und „exercente agriculturam ad sanctum spiritum“ erscheinen.7 Bereits bei seiner Gründung 1302 verfügte das Armenhaus Wessede über Provisoren.8 Spätestens 1305 haben sich auch im Magdalenenhospital zwei Verwahrer etabliert.9 Im Venner Hospital, das wohl nur bis 1255 existierte, sind noch keine Provisoren nachweisbar. Die Verwaltung durch zwei Provisoren hatte sich also wohl erst im ausgehenden 13. Jahrhundert verfestigt. Diese Struktur wird von anderen Institutionen übernommen. Als im 14. Jahrhundert an der Martini-, Ludgeri-, Aegidii- und Servatiikirche Almosenkörbe entstehen, werden auch sie sofort von einem Provisorenpaar verwaltet.10 Auch das vor 1333 gegründete Kinderhaus wird nachweislich seit 1342 von Provisoren geführt; das nach 1350 gegründete Antoniushospital weist 1368 erstmals zwei namentlich genannte Provisoren auf.11 Bereits bei seiner Gründung 1354 erhält auch das Armenhaus zur Aa Provisoren.12 Insbesondere die kleineren Institutionen scheinen aber lange Zeit auf diese personalintensive Verwaltungsstruktur verzichtet zu haben. In den bis 1354/67 bestehenden Armenhäusern Boterman, thor Aa, Hoeker und Tilbeck etwa sind zu keinem Zeitpunkt Provisoren nachzuweisen.13 Auch für das 1337 gegründete Armenhaus Zumbusch sind Provisoren erst 1394 belegbar. Die Armenkleidung Lamberti weist, obwohl bereits 1332 existent, erst 1381 zwei namentlich genannte Provisoren auf. 6

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WUB 3, Nr. 1319. Nicht mit den Provisoren zu verwechseln ist der später als Amtmann bezeichnete „provisor“ (MUB 7) des Magdalenenhospitals, der den Provisoren untergeordnet ist. Da auch der Priester eines Hospitals verwalterische Aufgaben übernehmen konnte, erscheint der Begriff des Provisors mitunter bereits im 13. Jahrhundert im Plural. So ist etwa 1274 im Magdalenenhospital die Rede von „Henrico plebano et Johanni dicto de Lichden provisoribus dicti hospitalis“ (MUB 30), und bereits 1252 werden Provisoren im Hospital in der Venne erwähnt (WUB 3, Nr. 538). Dabei handelt es sich nicht um Verwahrer im obigen Sinne, sondern um die Gemeinschaft von Hospitalpriester und Amtmann. MUB 67. 1333 sind sie erstmals als Provisoren genannt. Armenkleidung Lamberti, Urk. 1. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 2r. Es handelt sich allerdings um eine zweifellos regelmäßig aktualisierte Abschrift der 1302 erstellten Hausordnung aus dem Jahre 1643. Namentlich sind Provisoren erstmals 1372 belegt. MUB 215. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r. Der Almosenkorb Martini wird 1337 ersterwähnt und hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Provisoren (MUB 107). Die Almosenkörbe Ludgeri und Aegidii weisen bereits bei ihrer Ersterwähnung 1350 Provisoren auf, (BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf.), der Almosenkorb Servatii bei seiner Ersterwähnung 1394 (MUB 328). MUB 115; MUB 191. MUB 154. Die erste namentliche Nennung erfolgte 1358 (MUB 164). Als diese 1333 eine Rente erhalten, wird sie von der Witwe Alheydis gnt. Holemanninch in Empfang genommen. Armenkleidung Lamberti, Urk. 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 1 (Beilage), Urk. 2, Urk. 3.

1. Die Provisoren: Aufgaben und Funktion

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Das 1346 erstbelegte Armenhaus Zurwieck verfügt seit spätestens 1406 über zwei Provisorenstellen, das 1354/67 ersterwähnte Armenhaus Wegesende erst seit 1417. Im 1398 belegten Gasthaus – dies ist aber wohl mehr noch als in den anderen Institutionen der schlechten Quellenlage geschuldet – finden sich Provisoren erst 1533.14 Insgesamt scheint sich die Verwaltung durch zwei Provisoren Ende des 14. Jahrhunderts – vielleicht als Reaktion auf die Pestwellen von 1350 und 1382 – für alle bürgerlichen Fürsorgeinstitutionen durchgesetzt zu haben. Nun folgende Neugründungen unter magistraler oder parrochialer Trägerschaft erscheinen unmittelbar bei der Gründung oder nur kurze Zeit danach unter Provisorenverwaltung.15 Das Modell war so erfolgreich, dass es schließlich auch von nichtbürgerlichen Armenhäusern übernommen wurde.16 Keine Provisoren wiesen im 15. Jahrhundert lediglich die Domelemosine und die beiden Zwölfmännerhäuser auf. Träger aller drei Institutionen war das Domkapitel. Üblicherweise waren es zwei Provisoren, denen die Verwaltung der Institution oblag.17 Abweichungen von dieser Zahl sind selten.18 Tatsächlich wich man wohl nur in zwei Fällen kurzzeitig von der Zweierzahl ab.19 14 MUB 325; MUB 258; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Urk. 22; MUB 446; Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 114. 15 Etwa die Elenden Aegidii 1475 (Elende Aegidii, Urk. 3a, Urk. 4), Überwasser 1519 (BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r; Hechelmann, Elenden, S. 365) und Lamberti 1529 (BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Karton 35) sowie die Speckpfründe Ludgeri 1503 (Elende Lamberti, Urk. 1). Lediglich für das Armenhaus Prussen, das bereits vor 1531 bestand, aber offenbar nur unzureichend ausgestattet wurde, sind erst 1550 zwei Provisoren nachweisbar. Klötzer, Kleiden, S. 339. 16 So wurde etwa das den Johannitern unterstehende Armenhaus spätestens 1501 von zwei Provisoren geführt, obwohl die Leitung des Hauses bei dessen Gründung 1472 nur allgemein dem Komtur und seinen Brüdern übertragen worden war. LAV NRW W, Johanniter-Commende zu Steinfurt-Münster-Borken, Findbuch A 34, S. 89; LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. Auch das 1525/42 gegründete Armenhaus Jüdefeld, das unter der Trägerschaft des Klosters Überwasser stand, übernahm von Anbeginn das Provisorenmodell. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. 17 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 75f. 18 Im Almosenkorb Ludgeri etwa sind 1350 und 1375 zunächst nur je ein Provisor nachweisbar, erst 1380 zwei. Ebenso erscheinen im Armenhaus Zurwieck erstmals 1456 zwei Provisoren, 1406 und um 1440 aber nur einer. Es wäre aber wohl unangemessen, darin eine spezielle Verwaltungsstruktur zu sehen, da auch in anderen Institutionen situativ nur ein Provisor aktiv werden konnte. Der Grund mag sein, dass sich in der Praxis häufig eine gewisse Führungsposition des erfahreneren Provisors herausbildete, wenngleich beide grundsätzlich gleichberechtigt waren. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 89. 19 1337 bestimmte Wilhem de Busche für das von ihm fundierte Armenhaus, es solle von den beiden Almosenern von Martini sowie von einem Mitglied seiner Familie geführt werden. Diese Praxis ist allerdings nur einmalig für das Jahr 1394 belegt und erlosch danach offenbar. Armenhaus Zumbusch, Urk. 1; MUB 325. Bei der Gründung der Elende Überwasser wurde hingegen beschlossen, dass sie regulär von drei Provisoren geführt werden sollte. Tatsächlich wurden diese drei Stellen 1519 auch besetzt, doch war man bereits 1537 zu zwei Stellen übergegangen. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r; Klötzer, Kleiden, S. 343. Weiterhin ist bemerkenswert, dass in der

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Abgesehen vom Hospital der Johanniter, dessen führender Provisor aus dem Orden kam, entstammten die Provisoren der münsterischen Bürgerschaft und waren Laien.20 Ihre Wohnung unterhielten sie nicht im Armenhaus, sondern in der Stadt.21 Damit standen die Provisoren jenseits des täglichen Hospitalbetriebs. Grundsätzlich war das Provisorat ein Ehrenamt. Dennoch erhielten die Provisoren oftmals mit einer gewissen Regelmäßigkeit freiwillige Geschenke und Zuwendungen.22 Wenn etwa die Almosener von Aegidii „vp twelfen auent“ für 5 Mark Rente aus dem Haus des Stadtschreibers Hermannus Lynen Weißbrot unter die Armen zu verteilen hatten, galt die Regel „eyn itlich vorwarer der meynalmissen sal van den ghelde to voren af nemen xij d vor synen arbeyt“.23 Im Armenhaus Wegesende gab es am Todestag der Gerdrut van der Wyck, die dem Haus 1519 kräftig zugestiftet hatte, die Tradition einer besonderen Festbewirtung für die Armen. Auch die Provisoren wurden nicht vergessen, denn die „husfrouwe“ sollte „(…) geuen ock vp densoluen dach eynen ytlicken hushodere der Wegesenden vnd den gennen, de (de) rente des huses jaerlix manet, eynen jtlicken so velle als eyn halff feyrdell wyns, vp dat se semptlichnn vnd eyn jtlick besundernn hyr mede eyn vlytich vpseyn wyllen hebnn.“24

Die Provisoren des Magdalenenhospitals erhielten an Weihnachten zwei Quart Wein im Wert von 2 ½ Schillingen.25 Aufwändige Festtagsbewirtung erfuhren sie auch anlässlich der ab 1501 belegbaren jährlichen Rechnungslegungen.26 Spätestens seit 1579 tranken die Kinderhauser Provisoren gemeinsam mit den Bürgermeistern am Tag der heiligen Gertrud – ihr war die Kinderhauser Kapelle geweiht – Wein.27 Auch das Osterfest beging man in Kinderhaus mit besonderen Feierlichkeiten, von denen nicht nur die beiden Küchenordnungen von 1365 und 1447 berichten, sondern auch die Hausordnung von 1558.28 Am Osterdienstag lud man die münsterische Bevölkerung zu einem öffentlichen Gottesdienst in die hospitaleigene Kapelle. Die Predigt wurde vor der Kapelle von einem Mönch des Minoritenklosters gehalten, den man zu diesem Zweck eingeladen hatte. Von den Almosen, die die Leprosen an diesem Tag sammelten, wurde nicht nur der Mönch bezahlt, sondern auch ein

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Elende Aegidii 1553/54 drei Provisoren erscheinen, obwohl diese noch 1552 und wieder ab 1558 von zwei Provisoren geleitet wurde. Elende Aegidii, Urk. 8a, Urk. 11a. Kirchhoff, Marienhospital, Urk. 138. Allgemein: Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 76. So wohnte etwa der Kinderhauser Provisor Hinrich Bispinck 1507 „vp sunte Ludgerstrate“. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 63. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 71, S. 87. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 20r. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 4r. Magdalenenhospital, Akten 82, RB 1502, fol. 27r. Magdalenenhospital, Akten 82, RB 1501, fol. 3r. Armenhaus Kinderhaus, Akten 4, RB 1579, Ausgaben, fol. 4v. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142v–143r; Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 4v–5v; Armenhaus Kinderhaus, Akten 177.

1. Die Provisoren: Aufgaben und Funktion

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Mahl, dass die wenige Wochen zuvor eingesetzten Provisoren mit dem Rektor der Kapelle einnahmen. Das verbleibende Opfergeld verteilte man unter die Leprosen. Eine ähnliche Tradition pflegten die Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti mit dem Pastor der Lambertikirche. Im Rechnungsbuch von 1537 heißt es: „Jtem vpnn sundach na mydwinter, als Cleuer vnd Berennt Gruter tho deß pastoyrs huys na older gewonnheyt tho gaste werenn, gedaen 6 ½ s, ij d swargellt tho eynen ferdell wynns vnnd eyn sware s denn huysgesynnde tho drinck gelde gegeuen, js summa xv s, iij d lichgellt.“29

Die Übernahme des Amtes war aber weniger im ökonomischen Vorteil begründet als im Streben nach gesellschaftlicher Anerkennung für sich und sein Geschlecht sowie nach Legitimation des eigenen sozialen Status. Der Träger wiederum profitierte von der Verwaltungserfahrung und den wirtschaftlichen Kapazitäten der Amtsträger.30 Und so lag auch der persönliche finanzielle Einsatz seitens der Provisoren im Interesse aller Beteiligten.31 Den zeigte etwa Johan de Pape, der fünf Jahre nachdem er Provisor des Almosenkorbes Martini geworden war, seinem Mitprovisor 1399 eine Rente von 2 Schillingen verkaufte. Nachdem er nach 1414 sein Amt aufgegeben hatte, verkaufte er seinen Nachfolgern 1416 eine weitere Rente von 8 Schillingen.32 Auffällig ist, dass derartige Rentverkäufe häufig auf den Beginn oder das Ende der Amtszeit fallen. Oftmals erscheinen die Provisoren in den Quellen auch als Privatpersonen, besitzen Land und Renten und, sofern sie als Zeugen oder Bürgen auftreten, auch über ein gewisses gesellschaftliches Ansehen.33 Die Aufgaben der Provisoren waren vielfältig. In den überlieferten Urkunden haben vor allem ihre wirtschaftlichen Kompetenzen Niederschlag gefunden. Die Provisoren kauften und verkauften Rentverschreibungen, verpachteten Ländereien und Zehntrechte, vermieteten Häuser und bekundeten Schenkungen.34 Außerdem hatten sie die Befugnis, Eigenhörige zu wechseln oder zu kaufen.35 Zudem betätigten 29 30 31 32

Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1537, S. 44. Boldt, Braunschweig, S. 93. Allgemein: Windemuth, S. 99. MUB 350; MUB 444. Auch aus dem Almosenkorb Aegidii gibt es Beispiele. Dirick Rokeloze, der 1462 und 1465 daselbst ein Provisorat innehatte, verkaufte am 18. März 1463 eine Rente an den allein auftretenden Almosener Gerd Botmester. Diricks Nachfolger Arnd de Rokelose (1463/64) war offenbar noch nicht im Amt. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 79d. Auch Johan tor Heghe, 1466/71 Almosener von Aegidii, verkaufte seinen Nachfolgern 1474 eine Rente. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 110. Johan Pentorp hingegen ist 1464/85 als Provisor im Armenhaus zur Aa belegbar. Das Amt hatte er aber wohl schon 1463 inne, denn als er dem Haus 1463 eine Rente von einer Mark verkauft, wird dieses nur durch einen Provisor vertreten. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 73v. Renten in Höhe von 2 bzw. 1 ½ Gulden erhielt das Armenhaus außerdem durch seine Provisoren Bernt Zaerbeck (1478/99) im Jahre 1494 und Otto Hoetwelcker (1487/96) im Jahre 1497. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 13v, fol. 14r. 33 Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 215. 34 MUB 107; MUB 214; MUB 198; MUB 701; MUB 97; MUB 95. 35 MUB 313; MUB 233. Am 23. März 1420 kauften die beiden Kinderhauser Provisoren den Eigenhörigen Gerd, Sohn des Schulten zu Brüning. MUB 468. Beck (Soziale Ein-

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

sie sich im Kauf von Höfen, Häusern und Ländereien sowie in Tauschgeschäften.36 Freiwerdendes Kapital sollten sie gewinnbringend wiederanlegen.37 Auch für Bauund Renovierungsarbeiten auf dem Hospitalgelände zeichneten sie in der Regel verantwortlich.38 Außerdem führten sie das Hospitalsiegel.39 Die Provisoren waren außerdem seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert zur jährlichen Rechnungslegung gegenüber ihrem Träger verpflichtet oder nahmen, wenn sie die tägliche Verwaltungsarbeit und Rechnungsführung an einen Amtmann delegieren konnten, von diesem die Rechnungslegung ab.40 Für eventuelle Fehlbeträge hafteten sie oder ihr Amtmann dabei persönlich. Sofern die Institution über keinen Amtmann oder eigens beauftragten Emonitor verfügte, oblag den Provisoren außerdem die Eintreibung der Renten, Pachtzahlungen und Zehntabgaben.41 Hinzu kam die Erfüllung eventueller Sonderkonditionen, wie etwa zahlreiche Zustiftungen sie aufweisen.42 Konnten Schuldner ihre Rentverpflichtungen nicht mehr bedienen, kam es mitunter zur Pfändung der Immobilie, auf der die Rente lastete. Auch hier wurden die Provisoren aktiv, wie ein durchaus komplizierter Fall aus dem Jahre 1475 zeigt.43

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richtungen, S. 42) schlussfolgert daraus fälschlich, dass die Provisoren im Namen des Rates das Hofgericht über die Kinderhauser Eigenhörigen geführt hätten. MUB 185; MUB 412; MUB 239; MUB 199. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 91f. Gärtner, Mangdalenenhospital, 1922, S. 4. Allgemein: Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 93. Elende Aegidii, Urk. 3a; Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3r. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 70ff., S. 92. Das Armenhaus zur Aa etwa besaß den dritten Teil eines Kampes, mit dessen Einkünften die Provisoren den Insassen Brotausgaben zu finanzieren hatten, und mit einer Rente von 8 Schillingen sollten sie des Nachts ein Licht brennen lassen. MUB 156, Nr. 39, Nr. 42 (1354). Die Almosener von Martini sollten jede Woche anlässlich einer Memorie für Thydericus de Jucmare Weißbrot und Bier opfern, dafür aber zur Vigil Martini ein Viertel Wein empfangen. MUB 161 (1357). Außerdem mussten sie viermal im Jahr den „broderen in deme ummeganche“ helles Weißbrot zukommen lassen, und zwar gemäß den Stiftungen der Hembergheschen, der Dordrechteschen und des Herman Bokemole. MUB 373 (um 1400). Für eine Memorie des seligen Herrn Johan Klunsevot sollten die Kinderhauser Provisoren dem Kirchherrn jährlich 12 Pfennige übergeben. MUB 484 (1421). Vgl. auch Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142r–146v, Punkt 66. Zm Gedächtnis des Hinricus de Alen sollten sie außerdem aus einer Rente von 3 Mark dem Rektor 2 Schillinge für Wein und Hostien geben, außerdem jeden Dienstag 1 Pfennig opfern und jeden Mittwoch jedem Leprosen einen Beckumer Wecken geben. MUB 282 (nach 1386). Die olde Masemansche konnte ihre jährliche Rente von 2 Gulden nicht mehr bezahlen und war bei den Provisoren der Armen im Wegesende bereits mit 24 Gulden in Verzug. Diese klagten und bekamen vom Gericht das Haus tor Mase auf dem Bült als Pfand zugesprochen. Die Provisoren sollten das Haus „dre marckt dage“ zum Verkauf anbieten und „jn borgerhande verkopen“. So ersteigerte Herman Schonynge, Bürger zu Münster, das Haus. Daraufhin verkauften die Verwahrer ihre Rente aus dem Haus, allerdings mit der Auflage, diese in Monatsfrist bei Herman Schonynge abzulösen. Da die Ablösung durch die Rentkäufer in dieser Zeit aber nicht erfolgte, trat Herman Schonynge von dem

1. Die Provisoren: Aufgaben und Funktion

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Provisoren vertraten ihre Institution nicht nur vor Gericht, sondern auch bei kleineren Streitigkeiten.44 Auch innerhalb des Hauses kam es den Provisoren zu, Streitigkeiten zu schlichten. So berichten es beispielsweise die Hausordnungen der Armenhäuser zur Aa und Zumbusch. Gemäß diesen hatten die Provisoren auch das Recht, Strafen bei Nichteinhaltung der Ordnung zu verhängen, bis hin zum Hausverweis. Bei größeren Streitigkeiten konnten die Provisoren des Armenhauses Zurwiecks gar die Träger hinzuziehen, die Insassen durften sich allerdings nicht direkt an die Träger wenden und die Provisoren damit umgehen. Auch an der Abfassung der Hausordnung selbst waren sie beteiligt, wie ebenfalls am Beispiel Zurwieck deutlich wird. Ebenso fiel die Aufnahme von Bedürftigen in das Haus oder – bei Institutionen der offenen Armenfürsorge – in das Register der Unterstützungsberechtigten in ihren Aufgabenbereich. Im Falle des Todes eines Insassen oblag ihnen zudem die Erbverwaltung.45 Gemäß der Gründungsurkunde des Armenhauses zur Aa mussten die Provisoren dabei aber die Aufnahmebedingungen einhalten, die der Stadtrat ihnen gesetzt hatte, so wie die Provisoren grundsätzlich dem Träger der jeweiligen Institution unterstellt waren.46 Ihrerseits wiederum waren die Provisoren dem innerhalb der Institution beschäftigten Personal vorgesetzt, namentlich – soweit vorhanden – dem Amtmann, der Hausfrau bzw. dem Küsterpaar und letzlich auch den Knechten und Mägden. Auch deren Einstellung oblag gewöhnlich den Provisoren.47 In Kinderhaus war, wie aus dem 1343 gegenüber dem Stadtrat geleisteten Treueeid des Kapellrektors Wesselus de Perlincktorpe hervorgeht, auch der Priester in wirtschaftlichen Belangen von der Zustimmung der Provisoren abhängig.48 Den Almosenern von Lamberti – und hierin zeigt sich die starke Einbindung der Almosenkörbe in die Kirchenstrukturen – waren die Turmhüter der Lambertikirche durch besonderen

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Hauskauf zurück und übergab es wieder den Verwahrern des Armenhauses. Der weitere Verlauf des Falles ist nicht überliefert. Armenhaus Wegesende, Urk. 47. 1484 taten dies die Provisoren des Magdalenenhospitals gemeinsam mit dem Amtmann als Schiedsleute in einem gütlich beigelegten Streit mit Herman Hoffsmyt um die Besitzrechte an einem Garten. Magdalenenhospital, Urk. 80. Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 3r–3v (= Hausordnung des Armenhauses zur Aa); MUB 372 (= Hausordnung des Armenhauses Zumbusch); BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, 185r–190v (= Hausordnung des Armenhauses Zurwieck); BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 5v–10r (= Hausordnung des Armenhauses der Johanniter). Vgl. auch BAM, Genera.vikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r (= Gründungsurkunde der Elende Überwasser); Speckpfründe Lamberti, Akten 5–12 (= Jahresrechnungen des Heiliggeistkorbes Lamberti). Sämtliche Hausordnungen einschließlich der des Johanniter-Armenhauses zeigen hier thematisch keine wesentlichen Abweichungen voneinander. MUB 154; Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 24r. Hakenes, Lepra im Mittelalter, S. 99. Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 8r. Bis hin zu einem Präsentationsrecht (Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2; S. 94) ging ihre Verfügungsgewalt hier allerdings nicht. Als das Armenhaus zur Aa noch nicht über einen eigenen Vikar verfügte, oblag es den Provisoren, für die jährlichen Seelenmessen der Stifter einen Priester von außerhalb hinzuzuziehen. Vgl. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 238.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Eid verpflichtet.49 Die Nähe der Almosener von Lamberti zum Stadtrat wiederum zeigt sich in der Praxis, gelegentlich den „uithrider“ des Ratsdieners für Botengänge in Anspruch zu nehmen.50 Damit waren die Provisoren die höchste Instanz innerhalb der Institution. Ihnen oblag zunächst die wirtschaftliche Führung. Wenn es keinen Amtmann gab, reichte diese bis in Angelegenheiten des Tagesgeschäfts, wenn es ihn gab, besorgten die Provisoren seine Beaufsichtigung, wie sie auch dem weiteren Personal direkt oder mittelbar durch den Amtmann vorstanden. Darüber hinaus stellten sie die rechtliche Vertretung der Institution nach außen dar. Und schließlich trugen sie die Entscheidung über die Unterstützungsberechtigten. In der offenen Armenfürsorge bedeutete dies Gewährung und Entzug von Naturalien und Geldleistungen, in der geschlossenen Armenfürsorge die Gewalt über Aufnahme, Entlassung und Bestrafung der Insassen.

2. Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft Besonders deutlich zeigt sich der Einfluss des Stadtrates als Träger in dem Recht, die Provisoren einzusetzen. Entsprechend ist das Einsetzungsrecht im Umkehrschluss auch ein wichtiger Indikator für die Trägerschaft. Dieses Recht, das eine Schlüsselfunktion in der Aufsichtswahrnehmung darstellte, konnte der Rat im Einzelfall auch gegen den Willen des Stifters behaupten. Deutlich wird es durch Bestimmungen der besonders seit dem 15. Jahrhundert ausführlicher werdenden Gründungsurkunden, durch Ratsverordnungen sowie durch direkte Willensbekundungen von Stiftern.51 Häufig bieten aber auch eher beiläufige Formulierung in Urkunden aufschlussreiche Informationen. Nach seiner Kommunalisierung unterstellte der Stadtrat das Magdalenenhospital spätestens 1305 der Aufsicht zweier Provisoren und behielt sich auch das Recht zu ihrer Ernennung vor. Am 22. Dezember 1330 nahmen der Rektor Nicolaus und der Amtmann Thidericus Drotzete einen gewissen Bernardus Arnoldinch als Wachszinsingen an. Sie handelten dabei „de consensu Bernardi de Tynnen et Wilhelmi tor Steghe, tunc temporis provisorum prefati hospitalis ex parte civitatis Monasteriensis“. 1372 erwähnte der Stadtrat die „discreti viri“ Nicolaus Lymberch und Rodolphus Grutere als „provisores hospitalis siti super pontem lapideum ciuitatis Mon. tunc per nos deputati“.52 1457 schließlich erschienen Bernd Schele und Johan Mo-

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Eidesformel von 1549. Offenberg, Eid- und Huldigungsbuch, S. 301. Speckpfründe Lamberti, Akten 11, RB 1600. Vgl. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 36. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 63, S. 78f. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r; MUB 78; Magdalenenhospital, Urk. 5. Wachszinsige waren Eigenhörige, die für die Gewährung von Schutz eine jährliche Abgabe in Form von Wachs oder Wachskerzen leisteten.

2. Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft

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dersone als „jn der tyd van beuele der ersamen hernn borgermestere vnd raides der stad Munster verwarers vnd besorgers“ des Magdalenenhospitals.53 Ähnlich verhielt es sich im Leprosorium Kinderhaus, wo der Stadtrat bereits 1342 die Provisoren auf die Einhaltung der Artikel der Rektoratsurkunde verpflichten konnte. 1473 waren Herman Bodeker und Johan Messeman „nu ter tyt van beuele des rades verwarers der armen ter Kinderhus“. 1480 erscheinen die Provisoren als „van beuele des rades nu tor tyt vorwarers der armen vtsetteschen lude tor Kynderhus“. Und auch ein Jahr später haben sie ihr Amt „van beuele des rades“. 1515 wurde in Kinderhaus ein Rechnungsregister angelegt. Dessen Titel erläutert das Datum mit den Worten „do waß hushoder van rades weghen Bernt Warendorp, mester Johan van Stenuorde“.54 Auch das Antoniushospital stand unter magistraler Trägerschaft, und so bezeichneten sich seine Provisoren am 14. August 1368 als „nos, Jordanus Ghelekyngh et Johannes Zickeman, cives Mon., prouisores per honestos viros proconsules ciuitatis Mon. hospitali sito ante portam sancti Mauricij Mon. deputati“. 1472 verkauften Otto Peeck und Hinrich Herte als „nv tor tyd van beuele des raidz hueshoder vnd verwarers der armen tor capellen buten sunte Mauricius porten vor Munster“ ein Stück Land vor dem Aegidiitor. 1483 war Gerwyn Buck „van beuele des radz hushoder“.55 Nicht immer hatte der Rat die alleinige Verfügungsgewalt über seine Provisoren. Die Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti etwa wurden, wie der Rat 1327 bemerkte, „per nos seu alium vel alios“56 deputiert. Diese anderen meinen zweifellos die Vertreter des Kirchspiels Lamberti.57 Bereits 1499 könnte der Rat die Ernennung aber allein vorgenommen haben, denn mit Hinrich Bisping und Wilhelm Holtappel bekleiden nun zwei Ratsmitglieder das Provisorat. Fortan sind alle Provisoren Ratsmitglieder.58 1512 folgt auf Hinrich Bisping Steffen Rodde. Als 1517 Wilhelm Holtappel durch Bernd Gruter ersetzt wird, erscheinen beide Provisoren erstmals als „nu tor tydt van beuelle des erßamen raidz des stades Munster prouisoren eder verwareren des hilligen geistz to sunte Lamberte“ – eine Formulierung, die sich fortan regelmäßig findet.59 53 Magdalenenhospital, Urk. 60. Dies ist eine relativ fest stehende Formulierung. 1464 stellten sich die Provisoren vor als „Wy, Hinrick Gosebrinck und Hinrich Listighe, van bevele der ersamen heren borgermestere und raides der stad Munster verwarers und hushoders des hospitaels sunte Marien Magdalenen belegen bynnen Munster tusschen den steynbruggen“. Magdalenenhospital, Urk. 83. 54 MUB 117; Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 94v–95r, fol. 46v; Armenhaus Zumbusch, Urk. 73; Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 1r. 55 Antoniushospital, Urk. 4, Urk. 13. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 10r-v. 56 LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v. 57 Klötzer, Kleiden, S. 25. Prinz (Mimigernaford, S. 154, Anm. 53) vermutet wohl fälschlich kirchliche Stellen. 58 Vgl. die Ämterliste im Anhang. 59 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 77v. Vgl. auch fol. 66r (1518), fol. 27v (1519), fol. 35r (1520).

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Früher als im Falle des Heiliggeistkorbes, vielleicht sogar von Anbeginn hatte der Rat das alleinige Ernennungsrecht über die Provisoren der Armenkleidung Lamberti inne. Am 16. Dezember 1448 verkaufte Godeke Dusaes den Provisoren Johan de Rokelose und Johan van Grolle als „tor tid verwarre der cledinge der armen van deß rades wegene“ eine Rente aus seinem Gut Rolevinck im Kirchspiel Bösensell. 1474 waren Johan Dusaes und Bernd Morken „van beuele des rades verwarers der armen kleydinge des stadz to Munster“. Zwei Jahre später bezeichnete der Stadtrat Bernd Deckenbrock und Bernd Morken als „nutortyd van vnser wegenn verwarere des hilgen geistes kledinge vnsses stadz“.60 Die Ernennung der Provisoren der Elende Aegidii oblag zunächst nicht dem Rat, sondern den Testamentsexekutoren des Gründers Macharius Veghesack. Gemäß der 1475 vom Rat verfassten Gründunsgurkunde stehe die Elende „(…) vnder hoede twyer guder mane myt vulbort der vorg. hantgetruwen, so lange der welick leuet, van vnss, vnd na der hantgetruwen alle versterff van vns vnd vnsen nakomelinge dar to ghesatet werden sollen, de weliche verwarrer vnd hueshoder ock dan dar vpp myt ghetruwen flyte by leiffde der gotlyken barmherticheit toversicht sollen hebn vnd verwaren, to vorderenn vnd vort to settenn des huses beste vnd to verwarenn.“61

Auch das Armenhaus zur Aa unterstand dem Rat. In der auf den 2. Oktober 1354 datierten Gründungsurkunde bestimmte er die Rechte der „provisores dicte domus pauperum iuxta pontem, qui pro tempore a consulibus et scabinis nostre civitatis ad hoc fuerint deputati“.62 Ähnlich verhielt es sich im Armenhaus Wessede, für das diese Praxis allerdings erst im Jahre 1580 nachweisbar ist. Dass der Rat aber bereits im Mittelalter die dortigen Provisoren ernannte, darf wohl als sicher gelten.63 Ebenso wurden wohl die Provisoren des Armenhauses Wegesende und des Gasthauses vom Stadtrat bestimmt, wenngleich sich dies aus der mittelalterlichen Quellenlage noch nicht eindeutig ergibt.64 Die Elende Lamberti hingegen unterstand den Schöffen des Kirchspiels, und so wurden Borchaert Herde und Johan Warendorp 1527 „van dem gemeynen scheppen der kerken to sunte Lamberte vor prouisores der elenden, yn suncte Lambertes kerspel nygge gestychtet, gekoeren“.65 Diese Praxis wurde in enger Anlehnung an die Gründungsurkunde der Elende Aegidii am 4. Oktober 1529 vom Stadtrat noch einmal offiziell bestätigt. Die Elende „(…) sall staenn vnder hoide twyer guder frommer borgere, van den schepenn vnd anderen frommen luden des kerspels tho sunthe Lamberte vorgeschreuen dar tho verordenth, de

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Armenkleidung Lamberti, Urk. 6, Urk. 8, Urk. 9. Elende Aegidii, Urk. 3a. Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. A II, Nr. 20, Bd. 12, fol. 54. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 116f. Vgl. auch Beck, Soziale Einrichtungen, S. 23. 64 Die erste nachweisbare Provisoratsbesetzung im Armenhaus Wegesende erfolgte 1589 durch den Stadtrat. Klötzer, Kleiden, S. 113, S. 263. 65 Elende Lamberti, Akten 1, fol 1r. Vgl. auch Huyskens, Lamberti-Elende, S. 199.

2. Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft

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welcke verordenthe des huses renthe, clenodie, reysschap, wes dar tho gegeuen is vnd dar tho gegeuen mach werden, gude getruwe vpsicht hebben.“66

Unmittelbar nach der Täuferherrschaft scheint diese Befugnis allerdings nicht mehr bei den Kirchspielschöffen, sondern direkt beim Rat gelegen zu haben. 1546 amtieren die Provisoren bereits im Auftrag „van scepen unde raedt“.67 Auch die am 2. Mai 1519 ebenfalls vom Rat verfasste Gründungsurkunde der Elende Überwasser thematisiert die Frage, wer in Zukunft die Provisoren zu ernennen habe. Der Rat verordnet: „Die vors. scheppen und gemeinen vorstenders und amtluide des vors. kerspels sollen und mögen tho ewigen tyden, so vacken en den noit und behoif is, keisen und bidden, ordineren und setten tho vorstenderen, provisoren oder verwarers des vors. hauses drey guede fromme unberüchtigede mans ers. kerspels.“68

Die Almosenkörbe der Pfarrkirchen – Lamberti bildet hier eine Ausnahme – waren in besonderer Weise in die Struktur ihrer Kirchspiele eingebunden, und entsprechend gestaltete sich auch die Ernennung der Almosener. Gemäß der 1563 verfassten Kirchenordnung der Martinipfarre wurden die Kirchenprovisoren und Almosener jährlich neu gewählt, und zwar am Sonntag vor Lichtmess. Vor Ablauf ihrer Amtszeit benannten sie zwei Männer des Kirchspiels. Diese hatten sechs Wahlmänner zu bestimmen, die die Neuwahl durchführen sollten. Danach legten die scheidenden Kirchenprovisoren gegenüber den Kirchspielschöffen Rechenschaft ab. Die Amtsführung der Almosener hingegen wurde von vier durch die neuen Kirchenprovisoren gewählten Männern überprüft.69 Für das kleine Kirchspiel Servatii lassen sich im Mittelalter keine Almosener namhaft machen. 1679 erscheinen sie in Personalunion mit den Kirchenprovisoren. Dies könnte zuvor durchaus auch der Fall gewesen sein.70 Im Armenhaus Zurwieck wurden die Provisoren wohl von den Schöffen des Kirchspiels Überwasser oder dem Rat in seiner Gesamtheit ernannt. Jedenfalls scheint ein Schöffe von Überwasser diesen Posten immer selbst übernommen zu haben. Die Bestimmungen zur Provisorenernennung im Armenhaus Zumbusch gingen direkt auf den Stifter Wilhelm Zumbusch zurück. Er bestimmte 1337: „Cuius domus curam et custodiam duobus provisoribus elemosinarum parrochie sancti Martini predicti et seniori meo consanguineo, civi Monasteriensis, de latere gladii, pro tempore existentibus committo.“71

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Elende Lamberti, Urk. 1. „Reysschap“ = Hausrat. Elende Lamberti, Akten 1, RB 1546, zitiert nach Klötzer, Kleiden, S. 297. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. BAM, Pfarrarchiv Martini, A6. Vgl. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 24. Klötzer, Kleiden, S. 58f. „Die Sorge und Aufsicht über dieses Haus übergebe ich den beiden Almosenprovisoren des vorgenannten Kirchspiels St. Martini und meinem ältesten Blutsverwandten nach Schwertseite [d.i. patrilinear], Bürger von Münster, wer dieser derzeit auch sein wird.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Da die Ernennung der Almosenprovisoren von Martini der Kirchspielverwaltung oblag, bestimmte diese auch indirekt die Provisoren für das in Personalunion geführte Armenhaus Zumbusch. Die Mitwirkung eines dritten Provisors seitens der Familie ist nur einmalig für das Jahr 1394 belegt72 und in der Folgezeit offenbar erloschen. Die Aufsicht über das Armenhaus der Johanniter sollten nach Ausweis der Stiftungsurkunde führen, „we en commendur vp den berghe is, mit wetten syner brodere“.73 In der Praxis hatte sich aber bald ein Führungskonzept bewährt, das eher an ein bürgerliches Hospital denken lässt. Der zehnte Artikel der 1538 abgefassten Hausordnung bestimmte mit ausdrücklicher Berufung auf den Fundator „(…) dath de huesz commenduer offthe eyn van den ordenshern sze prouideren sal, ere renthe vpboren, vethmanen vnd sze daer van verschaen, szo velle moghelick is, vnd de solue prouisorn mach eynen frien borgher tho sick keyszen, de armen tho verstaene, off zake were, dath men vor den rade tho doene hadde, de solue borgher den armen bystendich were.“74

Obwohl das Armenhaus nicht unter bürgerlicher Trägerschaft stand, bildete sich unter der Beteiligung eines Bürgers ein den städtischen Provisorenpaaren ähnliches Aufsichtsgremium heraus. Eine ähnliche Situation findet sich im Armenhaus Jüdefeld. Ausführlich geht die Gründungsurkunde von 1542 auf die Ernennung der Provisoren ein. „Vorder so sall gemelte huess edder wonnunge alle tydt durch twe prouisoren edder huesmeysteren regiert vnd versorget werden, welker eyn de werdyge vrouwe tho Ouerwater myt thodaith des deckens darsuluest, eynen, de from vnd vprechtich is, gheystlikes edder wertlyckes standes vnd dair tho geschyck vnd beqweem, eyn tydt lang van iaeren, setten vnd keysen; vnd der ander prouisor sall syn Jaspar edder Euertt Jodeuelt, gebrodere, borgher tho Munster, vnd na doitlycken affgange des eynen broders sall eth syn de ander vnd lesth leuende.“75

Der eine Provisor sollte also seitens des Klosters Überwasser ernannt werden, der andere wurde vom Stifter selbst ernannt und sollte aus seiner Familie stammen. Nach welchen Prinzipien dies geschehen sollte, musste weiter definiert werden. „Auers na affalent der beyden gebroder sall gedachter prouisoren oldeste zonne vnd so vortan eyn erer kynder vnd kyndes kynder in affstigender linien, alle wege der oldeste, so lange de thom ewygen daghen befunden vnd tho sulcker prouision geschyckt edder beqweme, eyner der prouisoren syn vnd de tyth syns leuendes blyuen, dus auers dersuluen van Jodeuelde neyste erffgename in linea transuersali all dair tho geschycket vnd nicht anders.“76

Die Betreuung einer Stiftung, die auf ewigen Fortbestand hin angelegt war, konnte eine Familie, die aussterben konnte, nur bedingt garantieren, und so waren weitere Bestimmungen erforderlich. „So auers onder bestempte personen der Jodeuelder nummants tho sulcker prouision nutlyck vnd beqweme, sall in statt dessuluen eyn ander vprechtich verfaren man dessuluen kers72 73 74 75 76

MUB 325. LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 8v. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13.

2. Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft

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pels tho Ouerwater van benanter vrouwen vnd decken dair tho verordent vnd gestaltt werden, so lange dat vnder genanten personen der Jodeuelder eyner dar tho geschyckt beuonden. So auers de alle, dath godt lange mothe verhoiden, in godt verstoruen vnd nummants van dem geslechte dair tho nutte geuonden, als dan sall eyne werdyge vrouwe tho Ouerwater myt sampt den decken darsuluest beyde prouisoren, allet tho jair getalle, to setten vnd verordenen, oyck vth oirsaken, vor umbganck der jairen getal sampt edder bysunders to ontsetten vnd andere, eyn offt mere, in der stadt wederumb to keysen, macht vnd gewalt hebben, myt dem anhange, dat sunder geneytte, gewyn edder profytth de gene, so dair to gekoren werden, tho solcken bouell thom meisten geschickt, nutte vnd in berorten kerspell wonnafftich syn, dat men eren conscientien wyll beuollen hebben.“77

Die Voraussetzungen, die zur Übernahme eines Provisorates berechtigten, waren vielfältig. In Zumbusch und Jodefeld war die Familienmitgliedschaft entscheidend. Der seitens des Klosters Überwasser ernannte Provisor konnte – im Unterschied zu Institutionen in bürgerlicher Trägerschaft – auch Geistlicher sein.78 Auch der erste Provisor im Johanniterarmenhaus war grundsätzlich ein Ordensgeistlicher. Ebenso war der zweite Provisor oftmals ein Geistlicher, allerdings wohl mit münsterischer Bürgerschaft. Insgesamt waren Geistliche unter den Provisoren aber in der klaren Minderheit. In den allermeisten Fällen dürfte jedoch der Nachweis der münsterischen Bürgerschaft erforderlich gewesen sein. Nicht nur erscheinen die Provisoren regelmäßig als „cives Monasterienses“, auch die Gründungsurkunden der Armenhäuser Zumbusch und Jüdefeld sowie der Elende Lamberti forderten als Provisoren münsterische Bürger.79 Häufig gehörten die Provisoren der gesellschaftlich angesehenen Gruppe der Handwerksmeister an oder waren Kaufleute.80 Die Provisoren der Institutionen unter Kirchspielträgerschaft entstammen für gewöhnlich der parrochialen Führungsschicht.81 Auch Armenhäuser unter Ratsträgerschaft fanden ihre 77 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. „tho jair getalle“ = zum jährlichen Termin; „vor umbganck der jairen getal“ = vor Ablauf des Amtsjahres; „in der stadt“ = stattdessen. 78 1539/41 war dies Gerd Provestinck, der zugleich als Kanoniker im Alten Dom tätig war. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 10, Urk. 11. 79 Armenhaus Zumbusch, Urk. 1; Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13; Elende Lamberti, Urk. 1. Vgl. auch Klötzer, Kleiden, S. 263; Armut, Not und gute Werke, S. 117. Auch die Provisoren der Elende Überwasser sollte man aus der Bürgerschaft wählen, und zwar „einen von den scheppen, einen uth den gilden und den derden van der gemeinheit“. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. 80 Meister Johan Franckenberch etwa, Provisor im Armenhaus Wessede, war Pergamentmacher („permeteyrer“). Armenhaus Zurwesten, Urk. 13. Im Armenhaus zur Aa versahen der Maler Peter Hubertes, der Lederschneider Heynemannus van Woltorpe und der Gewandschneider Egbert Burmester ihr Amt. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 33r, fol. 58r. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 286. Johan Holtappel „de goldsmede“ und Gerde van den Wynterbergen „de becker vpper berchstrate“ waren Provisoren im Armenhaus Wegesende. Armenhaus Wegesende, Urk. 27, Urk. 55. Lambertus Ackwech, Provisor im Armenhaus Zurwieck, war Weinzapfer („wyntepper“), ein Provisor des Almosenkorbes Ludgeri nannte sich „Conrad de Ringenbecker“, und Johan Averdunck, Almosener an der Aegidiikirche, war Lohgerber. Armenhaus Zurwieck, Urk. 16; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf.; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 110. 81 So lassen sich etwa zahlreiche Almosener der Aegidiikirche nach ihrer Amtsaufgabe als Kirchenprovisoren von Aegidii nachweisen. Gerd Botmester (Almosener 1462/66) und

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Provisoren – sofern nicht direkt im Rat – insbesondere in der Oberschicht ihres Kirchspiels, so etwa die Armenhäuser zur Aa,82 Wegesende83 und Wessede.84 Offenbar versuchte der Rat nicht, neben der Kirchspielverwaltung eine eigene Personalstruktur aufzubauen.85 Der Grund liegt zweifellos in der stark dezentralen Ausrichtung des Fürsorgesystems. Im ausgehenden 15. Jahrhundert hielt der Rat die Trägerschaft über immerhin zehn Fürsorgeinstitutionen, deren Provisoren jährlich neu gewählt werden mussten. Diese 20 Posten konnte der Rat nicht aus den eigenen Reihen besetzen, und entsprechend lag es nahe, auf die personelle Führungsschicht der Kirchspiele zurückzugreifen. Dennoch lassen sich zahlreiche Provisoren auch als Ratsherren nachweisen. Da die mittelalterlichen Ratsmitglieder allerdings nur sporadisch überliefert sind – vollständige Ratslisten liegen lediglich für das Jahr 1454 und ab 1520 vor86 – ist eine ge-

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Dyrick Voß (Almosener 1459/61) etwa waren 1469 als Kirchenprovisoren tätig. BAM Pfarrarchiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 104. Daselbst finden sich zahlreiche weitere Belege. Das Armenhaus zur Aa lag auf der Bergstraße im Kirchspiel Martini. Dort wohnte auch sein Provisor Brunstenus Handorp. MUB 180, Nr. 33. Der Provisor Herman Vorschove hingegen (1393/94) war bereits 1369 Provisor der Kirchenfabrik Martini, noch 1394 erscheint er unter den Kirchspielleuten. MUB 197; MUB 215. Und Bernd Zaerbeck (1478/99) erscheint noch während seiner Amtszeit als Kirchenprovisor von Martini. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 229. Vgl auch S. 214. Das Armenhaus Wegesende lag ebenfalls im Kirchspiel Martini. Einer seiner Provisoren, Gerd van den Wynterbergen, wohnte wie bereits erwähnt im selben Kirchspiel auf der Bergstraße. Armenhaus Wegesende, Urk. 28. Ein anderer Provisor war Herman Marienname (1465/88), der zum Teil zeitgleich (1486/93) als Kirchenprovisor von Martini firmierte. Magdalenenhospital, Urk. 8; Armenhaus Wegesende, Urk 54. Spätestens in der Nachtäuferzeit scheinen alle Provisoren dem Kirchspiel Martini angehört haben. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 114. Dass das unter Ratsträgerschaft stehende Armenhaus von der Anbindung an die Kirchspielverwaltung durchaus profitieren konnte, wird deutlich, als sich Herman Marienname und Meister Johan van Soest als Kirchenprovisoren 1493 verpflichteten, gegen eine entsprechende Summe Geldes jedem Armen im Wegesende jährlich am Abend vor Martini ½ Elle „gudes Durtmundesches“ auszuteilen. Bezahlt werden sollte das Tuch aus den Renten und Einkünften der Kirche. Armenhaus Wegesende, Urk. 54. Auch in der geistlichen Betreuung der Insassen orientierte man sich an die Martinikirche. 1519 erwarb Gerdrut van der Wyck, Hausfrau der Armen tor Wegesenden, von den Kirchenprovisoren für 10 rheinische Goldgulden „eyne stede jn de banck, dar zelige Maryen Namen hues mede jn berechtiget ys“. Die Familie Marienname gehörte zu den führenden Geschlechtern des Kirchspiels, und so waren die Armen während der Messe nicht nur in angesehener Gesellschaft, sondern dürften auch recht nah am Altar gesessen haben. Zudem verfügte Gerdrut, dass die Kapläne der Martinikirche jeweils an ihrem Todestag auf dem Predigtstuhl nicht nur für sie und ihre Familie, sondern auch für die Verstorbenen des Armenhauses Wegesende beten sollten. Armenhaus Wegesende, Urk. 60. Auch das Armenhaus Wessede war trotz Ratsträgerschaft eng in die Strukturen des Kirchspiels Martini eingebunden. So war etwa Herman Menneman 1545/64 Provisor im Armenhaus Wessede und zeitgleich 1549/61 Almosener von Martini. In der Folgezeit finden sich weitere Beispiele. Klötzer, Kleiden, S. 116. Klötzer, Kleiden, S. 116. Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 212; A II, Nr. 0, fol. 49r–56r.

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naue Bestimmung, ob das Provisorat vor, während oder nach der Ratstätigkeit wahrgenommen wurde, oftmals kaum möglich. Da die Überlieferung insbesondere die höheren Ratsämter betrifft, die als Provisoren tätigen Ratsherren aber gewöhnlich eher niedere Ratsämter besetzten, dürfte die Zahl der tatsächlichen Personalunionen deutlich höher gewesen sein, als nachweisbar ist.87 Bis zur Täuferzeit sind etwa 360 Provisoren nachweisbar, 126 von ihnen, also ein gutes Drittel, waren Ratsherren.88 Unter den Provisoren des Johanniterarmenhauses finden sich erwartungsgemäß keine Ratsherren. Für das Armenhaus Jüdefeld ist mit Jasper Jodeveldt (1541/42) lediglich ein Ratsherr nachweisbar, dessen Provisorat sich allerdings nicht aus seiner Ratstätigkeit, sondern aus seiner Familienzugehörigkeit erklärt. Auch in den unter Kirchspielträgerschaft stehenden Institutionen erscheinen Ratsherren eher sporadisch. Im Heiliggeistkorb Überwasser ist lediglich der 1533 amtierende Provisor Johan Flaskamp im selben Jahr als Ratsherr belegt. Unter den Almosenern von Ludgeri findet sich lediglich ein Ratsherr, unter denen von Aegidii sind drei Ratsherren. Im Almosenkorb Martini und dem in Personalunion verwalteten Armenhaus Zumbusch sind unter 26 Provisoren lediglich sechs Ratsherren, die mit einer Ausnahme beide Ämter parallel wahrnahmen.89 Selbst in den dem Rat unterstehenden Institutionen konnte der Anteil der Ratsherren gering sein. Von den 25 im Armenhaus zur Aa nachweisbaren Provisoren saßen lediglich sechs während oder nach ihrer Provisorentätigkeit im Rat. Im Armenhaus Wessede sind allein für Anthonius Yonaes (1520/28) und Johan Langerman (1531/32) Ratsämter, allerdings zur gleichen Zeit, nachweisbar. Im Armenhaus Wegesende saß lediglich Johan Herdinck (1503/22) zeitgleich im Rat (1518/26).90 Mit einer gewissen Regelmäßigkeit erscheinen Ratsherren im Armenhaus Zurwieck, das unter der Aufsicht der Schöffen von Überwasser stand. Offenbar nahmen sie eines der beiden Provisorenämter immer persönlich war.91 Eine ähnliche Praxis wurde vielleicht auch in der unter Ratsaufsicht 87 Ein Vergleich mit der Situation nach der Täuferzeit (Klötzer, Kleiden, S. 283) lässt vermuten, dass, während Erbmänner und Honoratioren oftmals bereits in jungen Jahren in den Rat kamen, die übrigen Angehörigen des höheren Bürgertums erst spät und nach langer Praxis als Provisoren auf ein Ratsamt vorbereitet waren. Insofern stellte die Übernahme von Provisoraten wohl bereits im Mittelalter die ersten Schritte auf einer Karriereleiter dar, die bis in den Rat führen konnte. Stunz (Hospitäler im deutschsprachigen Raum, S. 140) spricht in diesem Zusammenhang von einem „Karrieresprungbrett für neue Eliten“. 88 Eine genauere Zahl wäre insbesondere wegen Namensgleichheiten unterschiedlicher Personen und Namensungleichheiten identischer Personen spekulativ. Auch ist das Provisorat in einigen Fällen nicht sicher zu ermitteln. 89 Allein Anthonius (Thonyes) Yonaes (1515/30) ist erst ab 1520 im Rat nachweisbar. A II, Nr. 0, fol. 49r–56r. 90 Dass die parallele Wahrnehmung von Provisorat und Ratsamt insbesondere ab etwa 1500 häufiger festzustellen ist, liegt sicherlich in der verbesserten Quellenlage begründet, mag aber auch ein Hinweis darauf sein, dass der Rat in der Krise des frühen 16. Jahrhunderts verstärkt auf eine engere Anbindung an die Fürsorgeinstitutionen setzte. 91 So war etwa Bernt Comp, der dort 1456 Provisor war, 1454 aus der Jüdefelder Leischaft in den Rat gewählt worden, die zusammen mit der Liebfrauenleischaft die Grenzen des Kirchspiels Überwasser umfasste. Auch der Ratsherr Johan Prussen (Provisor vor 1508)

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

stehenden Elende Aegidii betrieben. Auch hier ist bis zur Täuferherrschaft jeweils ein Provisor aus dem Rat nachweisbar.92 Von den Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti sollte jeweils einer vom Rat, der andere vom Kirchspiel ernannt werden.93 Tatsächlich wählte wohl immer der Stadtrat wie auch der Kirchspielrat einen Vertreter aus ihrer Mitte.94 Ab 1499 scheint das Ernennungsrecht vollständig auf den Rat übergegangen zu sein, denn fortan ist für beide Provisoren immer auch Ratstätigkeit nachzuweisen. Dies sind erstmals Hinrich Bisping und Wilhelm Holtappel. Noch 1491 war allein Bernd Wysse genannt Gruter, nicht aber Johan Bruse Ratsherr. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Armenkleidung Lamberti. Auch hier scheint zunächst nur ein Provisor seitens des Rates zu amtieren, während für den anderen in der Regel kein Ratssitz nachweisbar ist.95 Ab 1505 bindet der Rat auch diese Institution näher an sich, denn während 1503 noch neben Herman Heerde mit Reynold Smythus offenbar ein Nichtratsmann das Provisorat innehatte, leiteten nun mit Herman Rodde und Magister Johan Bolant zwei Ratsherren die Kleidung. Bis zur Täuferzeit ist fortan für jeden Provisor die Ratstätigkeit belegbar. Auffällig ist auch, dass mit dieser Reform ein vollständiger Ämterwechsel verbunden war, während gewöhnlich nur jeweils ein Provisorenamt neu besetzt wurde. Dies mag allerdings auch der unzureichenden Quellenlage geschuldet sein. Im Antoniushospital sind von den zwölf bekannten Provisoren vor 1500 nur zwei als Ratsherren nachweisbar.96 Für die Zeit nach 1500 hingegen sind vier Provi-

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entstammte dem Kirchspiel Überwasser und war unter den ersten Provisoren der dortigen Elende. Direkt neben der Elende errichtete seine Witwe noch vor 1532 das Armenhaus Prussen. Rickquyn Meynershagen (Provisor 1508/18) hingegen saß 1519/28 für Überwasser im Stadtrat. Auch der Ratsherr Hinrich Lystige (Provisor 1471/75) war zweifellos Schöffe von Überwasser. Tatsächlich sind dies allerdings nur zwei Personen. Wilbrand Plonyes (1484) ist 1481 als Ratsherr nachweisbar, sein Nachfolger Johan Bolandt (1505/23) saß 1512/26 als Vertreter der Aegidiileischaft im Rat. LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v. Dass 1430 mit Clawes Kerckerinck und Bernd van Aken zwei Männer den Korb führten, die auch als Ratsherren belegbar sind, stellt dabei keinen Widerspruch dar, denn Bernd van Aken (1426/30) ist erst 1454 als Ratsmitglied nachweisbar und firmiert 1430 zweifellos als Vertreter des Kirchspiels. Dass Clawes Kerckerinck (1430/56) in der vollständigen Ratsliste von 1454 nicht erscheint, erklärt sich wohl daraus, dass er im September 1453 in Gefangenschaft geraten war und deshalb für die Ratswahl im März 1454 nicht zur Verfügung stand. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 82. Die einzige Ausnahme fällt in das Jahr 1381, in der überhaupt erstmals namentlich Provisoren genannt werden. Es sind dies Johannes Travelmanning und Joannes Hoynch, die ausdrücklich als „consulares et provisores vestitus pauperum s. spiritus in ecclesia s. Lamberti Mon.“ bezeichnet werden. MUB 258. So lässt sich Hinrich Cleyvorn bereits 1434 als Schöffe belegen und war dies wohl auch noch als Provisor 1441. Ratslisten, Bd. 1, S. 116. Herman Warendorp, der 1485 als Provisor agierte, erreichte 1493 den Rang des Bürgermeisters, dem wohl eine längere Ratskarriere vorausgegangen war. Aders, Bürgerbuch, S. 42.

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soren überliefert, die alle Ratsämter innehatten. So bezeichneten sich Diderick van Grolle und Jasper Merckanck 1511 ausdrücklich als „borgers vnde nu thor tyt mederathmans der stat Monster vnde prouisores vnde vorwarers van beuele des rades tho Monster der armen lude vor sunte Mauricius porten buten vnde vor der stad Monster der capellen vnser leuen frowen vnde sunte Antonius.“97

Wie im Heiliggeistkorb und der Armenkleidung Lamberti lässt sich also auch für das Antoniushospital ab etwa 1500 eine engere Anbindung an den Stadtrat belegen. Im Leprosorium Kinderhaus sind trotz Ratsträgerschaft zunächst kaum Ratsherren nachweisbar. Ausnahmen bilden lediglich Herman Duzas (1367), der von 1347 bis 1379 als Ratsherr nachweisbar ist98 und Godeke van dem Hamme (1401), der 1410 als Schöffe belegt ist.99 Dennoch zeigt sich unter den Kinderhauser Provisoren eine hohe Präsenz von Mitgliedern ratsfähiger Familien wie etwa Schencking, Bischopinck, ton Weghe, Schottelman oder van Werden. Zwischen 1438 und 1448 ist immer für einen Provisor ein Sitz im Rat nachweisbar, allerdings meist erst nach dem Provisorat.100 Der Stadtrat könnte also bereits in den 1440er Jahren seine Aufsicht verstärkt durch seine Mitglieder wahrgenommen haben, der entscheidende Umschwung scheint sich aber zu Beginn der Münsterischen Stiftsfehde von 1450/57 ereignet zu haben. Führte 1448 neben Herman Dorber mit Ricquyne van Aken noch ein Nichtratsherr das Leprosorium, sind ab 1451 nicht immer, aber doch regelmäßig beide Provisoren als Ratsherren nachweisbar. Eine notwendige Gleichzeitigkeit von Provisorat und Ratsamt war damit allerdings offenbar noch nicht gegeben.101 Dafür lassen sich aber nicht weniger als vier Ratsherren von 1454 – Bernhard van Aken, Hinrich Hilgensnider und Herman Duerjaer aus der Martini-Leischaft sowie Johannes Messeman aus der Jodefelder Leischaft – als Provisoren in Kinderhaus belegen. Über die Gründe für die nähere Ratsanbindung läßt sich nur spekulieren. Sie mögen in der fortifikatorischen Nutzbarkeit von Kinderhaus während der Fehde gelegen haben, möglicherweise auch in dem Einfluss der Gilden, die seit 1454 regelmäßig die Mehrheit im Rat stellten, auf das Leprosorium, war doch nicht erst Herman Dorber, sondern bereits der 1427 amtierende Johan Strobuck Gildebürger.102

97 Antoniushospital, Urk. 30. 98 Ratslisten, Bd. 1, S. 168; MUB 249. Inwieweit hier allerdings eine personelle Identität vorliegt, ist nicht ganz sicher – einerseits wegen der recht langen Amtszeit, andererseits weil Herman Duzas bereits 1354 das hohe Amt eines „iudex“ bekleidete. 99 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Urk. 22b. 100 So war Hinrich Grael (1438, 1440/44) im Jahre 1446 Ratsherr, Bernd van Aken (1439/40, 1451) ist allein 1454 als Ratsherr belegt, der Gildenbürger Herman Dorber (1446/48) saß nachweislich ab 1448 im Rat. Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 171, S. 212. 101 So erscheint etwa Gerd van Werden (1452/53, 1470/71) erst 1463 unter den Ratsherren, nicht aber in der vollständigen Liste von 1454. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 86f. Es ist jedoch vorstellbar, dass es sich hier um zwei Personen gleichen Namens handelte. Demnach könnte Gerd sen. 1453 aus dem Rat ausgeschieden und Gerd jun. erst nach 1454 in den Rat gewählt worden sein. 102 Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 171.

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Von Anbeginn unter der Verwaltung von Ratsmitgliedern dürfte das Magdalenenhospital gestanden haben.103 Bis 1533 sind 77 Provisoren sicher nachweisbar. Allein für 20 von ihnen lässt sich eine Ratsmitgliedschaft nicht belegen, dies dürfte aber auf Lücken in der Überlieferung zurückzuführen sein. Insbesondere hier, im Leprosorium Kinderhaus, im Antoniushospital sowie im Heiliggeistkorb und der Armenkleidung Lamberti zeigt sich also eine starke personelle Bindung an den Stadtrat als Träger, und es ist bemerkenswert, dass dies die einzigen fünf Institutionen sind, bei denen die Provisoren regelmäßig betonten, sie handelten „van beuele des raidz“. Die Personalunion von Ratsherr und Provisor schlägt sich auch auf die Dauer des Provisorats nieder. Grundsätzlich wurden die Provisoren jährlich gewählt.104 Am Vorabend der Täuferherrschaft existierten 21 bürgerliche Fürsorgeinstitutionen. Bei jährlicher Neuwahl hatten Stadtrat und Kirchspiele also jedes Jahr 42 Provisorenstellen zu besetzen. Da die Aufgabe durchaus gewisse Kompetenzen voraussetzte, nimmt es nicht Wunder, dass eine häufige Amtsitineration die Regel war, zumal so auch eine gewisse Kontinuität im Amt gewährleistet war.105 Tatsächlich scheinen gerade die kleineren Institutionen das Provisorat auf Lebenszeit besetzt zu haben.106 Tendenziell kürzer amtierten die Provisoren jener fünf Institutionen, die regelmäßig von Ratsherren geführt wurden. Oftmals blieben sie nur wenige Jahre, gelegentlich sogar nur für eine Amtsperiode.107 103 So auch Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 38; Klötzer, Kleiden, S. 274. Bereits 1335 handelten Bernardus de Tynnen und Hermannus dictus Scotelman als „scabini et provisores“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 18rf. 1349 unterstand das Hospital den Schöffen von Überwasser, in deren Kirchspiel es lag. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 53. 104 So ist in einer 1494 erfolgten Schenkung an das Leprosorium Kinderhaus die Rede von „den prouisoren der armen to der Kinderhus, dat weren do in den jar Johan Liderman de junghe vnde Hermen Butepaghe“. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 5v. Auch die Almosenprovisoren von Martini wurden nach Ausweis der Kirchenordnung von 1563 jährlich gewählt und waren dabei anders als die Kirchenprovisoren unbegrenzt wiederwählbar. BAM, Pfarrarchiv Martini, A6. Auch im Armenhaus zur Aa war die Amtszeit grundsätzlich unbegrenzt. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 213. Allgemein: Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 84. 105 So führte Herman tor Helle 32 Jahre lang den Almosenkorb Martini, sein Kollege Johan van Werden gar 33 Jahre lang. Hinrich Bispinck, Provisor der Speckpfründe Ludgeri, amtierte 30 Jahre lang. Auch im Almosenkorb Martini, im Armenhaus zur Aa und im Armenhaus Wegesende waren Amtszeiten von 20 Jahren keine Seltenheit. Allgemein: Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 84. 106 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 99. 107 Am deutlichsten zeigt sich dies im Magdalenenhospital, dessen Provisor Johan Belholt mit gerade neun Jahren die längste Amtszeit aufzuweisen hat, gefolgt von Bernd Kerckerinck mit sieben und Albert Cleyvorn mit sechs Jahren. Im Antoniushospital amtierte Herman Egbertes genannt Plattenese mit acht Jahren am längsten. In der Armenkleidung Lamberti kamen Herman Rodde und Johan Bolant auf jeweils sieben Jahre. Zahlreicher sind die Ausnahmen im Leprosorium Kinderhaus. Hier brachten es Arnde up den Orde und Johan Egge auf 18 Jahre, Wilhelm Holtappel auf 16 Jahre. Die Zahl der Provisoren, die ihr Amt nur ein oder zwei Jahre wahrnahmen, ist dennoch recht hoch. Etwas aus dem Rahmen fallen hingegen die Provisoren des Heiliggeistkor-

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Nach Ausweis eines Ratswahlstatuts, das wohl als Reaktion auf die Pest von 1382 und den großen Stadtbrand von 1383 zu sehen ist, fiel der Ratswahltermin auf den Montag nach Invocavit („des ersten maendages in der vasten“).108 An diesem Tag sollte die gesamte Gemeinheit im Rathaus aus ihrer Leischaft je zwei Männer bestimmen. Die so bestimmten zehn Leischaftvertreter wählten daraufhin die Schöffen, die wiederum aus ihrer Mitte die beiden Bürgermeister wählten. Beendet wurde die Wahlhandlung durch eine Ratszeche mit Bier und Wein.109 Die übrigen Ratsämter, bald offenbar auch die der Bürgermeister, wurden am Dienstag verteilt, wenn der Rat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkam.110 Bei dieser Gelegenheit bestimmte der Rat auch die Provisoren des Leprosoriums Kinderhaus. Die 1447 abgefasste Küchenordnung des Leprosoriums beginnt mit den Worten: „Anno domini m cccc xlvij fferia tercia post Inuocauit do wart beuolen Herman Dorbor vnd Ricquinn van Aken to vorwaren de armen lude to der kynder hues.“111 Tatsächlich ist die Einbindung der Provisorenbenennung in die Ratswahl eine aus anderen Städten bekannte gängige Praxis.112 Und so ist auch für das Magdalenenhospital Ähnliches zu erwarten. Sechs Ämterwechsel innerhalb eines Jahres lassen sich hier belegen, der früheste allerdings erst für das Jahr 1495.113 Fünf der Wechsel gehen mit einer Neuwahl zu Invocavit konform. Lediglich 1524 scheint auch nach Invocavit ein Wechsel stattgefunden haben.114 Auch die Provisoren des Magdalenenhospitals wurden demnach wohl grundsätzlich, wenngleich die Quellenlage auch einen Termin um Laetare oder Judica zuließe, am Dienstag nach Invocavit gewählt. bes Lamberti. Clawes Kerckerinck wirkte hier 26 Jahre, Wilhelm Holtappel 16 Jahre lang. Insgesamt war eine Amtszeit von fünf bis acht Jahren gängig, ein bis zwei Jahre hingegen eher selten. Dennoch war die durchschnittliche Amtszeit auch hier deutlich geringer als etwa im Almosenkorb Martini oder im Armenhaus Wegesende. Das gleiche Bild zeigt sich für die Nachtäuferzeit. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 282. 108 Prinz datiert das Statut vorsichtig auf den Anfang des 15. Jahrhunderts. MUB 374. Auch 1454 fand die Ratswahl am 1. Montag der Fastenzeit statt. Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 212. 109 Poeck, Rituale der Ratswahl, S. 113. Bei der Wahl entstanden nach Ausweis der Kämmereirechnung von 1448/49 Kosten in Höhe von 28 Schillingen. Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 24. Vgl. auch Jappe Alberts, Kämmereirechnungen S. 1 für das Wahljahr 1447/48. Für die Ratswahl in der Frühneuzeit vgl. insbesondere Schulte, Die Münsterische Ratswahl, S. 63ff. 110 So heißt es im Ratsbuch für das Jahr 1515: „Anno domini xvc decimo quinto consulatu, vt moris est singulis annis, fieri post dominicam Jnuocauit mutato, deinde proxima feria tertia electi sunt burgimagistri domini Euerwinus Droste et Johannes Bolant.“ A II, Nr. 17, fol. 2r. 111 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142r. 112 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 83; Windemuth, Hospital, S. 97. Auch die Provisoren der Heiliggeistspitäler von Werne (Eckelt, Werne, S. 18) und Borken (Pöpping, Borken, S. 166) wurden am Tage nach der Ratswahl ernannt. 113 Magdalenenhospital, Urk. 84. 114 Waren am 5. März noch Bernd Moerken und Hinrich Messeman im Amt, erscheint am 23. April neben Hinrich Messeman Bernd Paell. Magdalenenhospital, Urk. 122, Urk. 123. Dies war wohl in der Person Moerkens begründet, der sein Amt offenbar nur wenige Wochen wahrnahm und nach 1524 nie mehr als Ratsherr erscheint.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

Tabelle 3: Amtswechsel der Provisoren im Magdalenenhospital Letztbeleg Vorgänger 30. Okt. 1495 27. Jan. 1502

Invocavit 21. Feb. 1496 13. Feb. 1502

Erstbeleg Nachfolger 22. März 1496 Mai 1502

18. Feb. 1511

9. März 1511

Juni 1511

5. März 1524

14. Feb. 1524

23. April 1524

4. Feb. 1525

5. März 1525

13. Juni 1525

21. Feb. 1531

26. Feb. 1531

Juni 1531

Quelle Magdalenenhospital, Urk. 84, Urk. 85 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 22r; Magdalenenhospital, Urk. 98 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 187r; Magdalenenhospital, Urk. 110 Magdalenenhospital, Urk. 122, Urk. 123 Magdalenenhospital, Urk. 128, Urk. 127 Magdalenenhospital, Urk. 138, Urk. 139

Über den Wahltermin der Provisoren von Antoniushospital und Armenkleidung Lamberti sind aufgrund der mangelnden Überlieferung keine Aussagen möglich, wenngleich eine Einbindung in die Ratswahl vermutet werden darf. Eine Wahl am Dienstag nach Invocavit ist möglich, aber nicht belegbar. Etwas besser sieht die Quellenlage für den Heiliggeistkorb Lamberti aus. Immerhin drei Amtswechsel innerhalb eines Jahres sind hier belegt. Sie scheinen eine Einbindung des Korbes in die Ratswahl eindeutig auszuschließen. Vielmehr scheint die Wahl etwa im Mai, Juni oder Juli stattgefunden zu haben und folgte damit vielleicht den Konventionen des Kirchspiels. Tabelle 4: Amtswechsel der Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti Letztbeleg Vorgänger 15. April 1489

Wahl ca. Mai/Juli 1489

Erstbeleg Nachfolger 17. Nov. 1489

30. April 1530

ca. Mai/Juli 1530

24. Dez. 1530

24. Dez. 1531

ca. Mai/Juli 1531

14. Aug. 1532

Quelle Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 47r, fol. 34v Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 94v, fol. 37v Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 40v, fol. 95v

Auch im Kirchspiel Martini – so berichtet die Kirchenordnung von 1563 – wurden die Almosener gemeinsam mit den Kirchenprovisoren gewählt. Der Termin für diese Wahl war regelmäßig der Sonntag nach Lichtmess.115 Ein ähnliches Verfahren darf – mit jeweils individuellen Terminen – wohl auch für die anderen Almosenkörbe und vielleicht auch für die unter parrochialer Trägerschaft stehenden Armenhäuser 115

BAM, Pfarrarchiv Martini, A6. Vgl. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 24.

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angenommen werden. In der Elende Lamberti erfolgte die Wahl der Provisoren 1527 etwa am Sonntag vor Christi Himmelfahrt.116 Unter den Armenhäusern in Ratsverwaltung, die eine weniger enge Anbindung an den Rat hatten, gibt es allein für das Armenhaus zur Aa eine ausreichend dichte Überlieferung, sodass der Zeitpunkt der Amtsübergabe erschlossen werden kann, allerdings nur für den Zeitraum zwischen Stiftsfehde und Täuferherrschaft. Hier hat der Amtswechsel wohl in der Woche nach dem Sonntag Laetare stattgefunden. Ein früherer Termin verbietet sich durch das Jahr 1499, ein Termin später als Freitag nach Laetare verbietet sich durch das Jahr 1511. Damit fand der Amtswechsel im Armenhaus zur Aa etwa drei Wochen nach der Ratswahl statt.117 Tabelle 5: Amtswechsel der Provisoren des Armenhauses zur Aa Letztbeleg Vorgänger Aug. 1462

Laetare 20. März 1463

Erstbeleg Nachfolger 23. April 1463

9. März 1499

10. März 1499

Mai 1499

18. März 1501

21. März 1501

Juli 1501

Sep. 1511

21. März 1512

27. März 1512

Sep. 1512

6. März 1513

Juni 1513

1530

19. März 1531

12. Juli 1531

Quelle Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 25f., Urk. 33 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 18r, fol. 4r Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 88v, fol. 108r Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 52v, fol. 118r Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 119r, fol. 119v Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 10v–11v; Urk. 62

Die Einführung in das Provisorenamt war mit keinen besonderen Förmlichkeiten verbunden. Ernennungsurkunden existieren in Münster gar nicht und in anderen Städten höchst selten.118 Die Provisoren mussten bei Amtsantritt aber wohl einen Eid oder eine Verpflichtungserklärung ablegen, die Güter der Fürsorgeinstitutionen treu zu verwahren und keinen persönlichen Vorteil aus ihnen zu ziehen.119 Auch ein solcher Eid ist für Münster allerdings nicht belegbar.120 Möglicherweise war ein 116 Johan Warendorp berichtet, dass Borchaert Herde und er „anno xvc vnde xxvij, des sondages vor vnses hern heymelwaen“, also am 26. Mai, von den Schöffen des Lambertikirchspiels zu Provisoren gewählt wurden. Elende Lamberti, Akten 1, fol. 1r. 117 Ein offenbar irregulärer Wechsel erfolgte zwischen August 1458 und Januar 1459. Armenhaus zur Aa, Akten 42, fol. 23r; Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3r. 118 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 84. 119 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 83; Windemuth, Hospital, S. 97. 120 Wohl unmittelbar nach der Täuferzeit hatte die Kämmerei ein „Aidt- und Huldungs Buch“ angelegt, das in willkürlicher Reihenfolge 46 Eidesformeln enthält, die sich seit dem 13. Jahrhundert herausgebildet hatten. Niedergeschrieben wurden die Eide der

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besonderer Eid der Provisoren, sofern sie zugleich Schöffen waren, auch gar nicht nötig. Gemäß des bereits um 1400 angelegten Ratswahlstatuts beinhaltete der Schöffeneid auch die folgende Passage: „Und wes my van des rades gude bevollen werd, id sy an golde edder an sulver offte wat der hande dat sy, nicht darvan utgescheiden, will ick truweliken hoden unde waren to unses stades behoff na mynen vyf sinnen sunder argelist, dat my so Godt helpe unde alle syne hilgen.“121

Diese Verpflichtung dürfte auch die treue Verwahrung städtischer Fürsorgeeinrichtungen miteingeschlossen haben. Wurde bisher diskutiert, inwieweit Ratsherren Provisorate übernahmen, soll es im Folgenden um die Frage gehen, inwieweit bestimmte Provisorenämter ein eigenes Ratsressort darstellten.122 Von den 24 Ratsherren gehörten je zwölf dem amtierenden oder dem sitzenden Rat an.123 Entsprechend galt es nach der Täuferzeit, zwölf Ämter jeweils doppelt zu besetzen. Dies waren – in etwa hierarchischer Reihenfolge – zwei Bürgermeister, zwei Weinherren zur Beaufsichtigung des Ratsweinkellers und zwei Richtherren als Beisitzer des Stadtrichters. Den Kämmerern unterstanden die städtischen Ausgaben der Kämmerei, die Grutherren verwalteten die umfangreichen Einkünfte aus dem Grut- oder Myrthenbier („scormorrium“), die Stuhlherren waren Beisitzer im westfälischen Freigrafengericht. Zwei Bierherren („zytharchae“) kontrollierten den Verkauf einheimischen und eingeführten Biers. Und als Kleiderherren („eleemosynarchae“) firmierten die Provisoren der Armenkleidung Lamberti.124 Hermann Kerssenbrock, der die wichtigsten Ämter recht genau beschreibt, handelt die verbleibenden vier schnell ab: „Duo xenodochio inter pontes, duo leprosorum coetui extra urbem, duo gerontocomio Antoniano et duo lateritio operi praesident.“125 Es ist bemerkenswert, dass von den zwölf Ratsämtern nicht weniger als vier mit der Armenfürsorge betraut waren. Tatsächlich war ein Drittel aller Ratsherren als

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Kämmerer, der Grutherren, der Weinherren und der Bierherren, der Bürgereid und sogar die „Huldunge des Wunden Arsten“ und die „Huldunge der Piper“, nicht aber ein Eid der Armenprovisoren, obwohl einige von ihnen zu diesem Zeitpunkt längst ein eigenes Ratsamt bildeten. A III, Nr. 1. Vgl. Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 116; Offenberg, Eid- und Huldigungsbuch, S. 273, S. 285–308. MUB 374. Dies ist durchaus nicht ungewöhnlich. So bildeten etwa in Dresden die Provisorate der Almosenkörbe je eigenständige Ratsämter. Vgl. Bingener e.a., Almosen und Sozialleistungen, S. 45. Diese Grundstruktur existierte offenbar bereits um 1221, als neben zwölf namentlich genannten Schöffen „ceteri scabini“ erschienen. WUB 3, Nr. 173. Vgl. Poeck, Rituale der Ratswahl, S. 110. Detmer, Kerssenbrock, S. 106f.; Offenberg, Eid- und Huldigungsbuch, S. 176; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 80. „Zwei (Ratsherren haben die Aufsicht) über das zwischen den Brücken gelegene Xenodochium, zwei über die Gemeinschaft der Leprosen außerhalb der Stadt, zwei über das Altenspital Antonius und zwei über die Ziegelbrennerei.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 107.

2. Die Provisoren: Amtseinsetzung und Ratsherkunft

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Provisoren in städtischen Fürsorgeinstitutionen tätig. Es sind dies die Spitalherren für das Magdalenenhospital, die Kinderhausherren für das Leprosorium Kinderhaus, die Kapellherren für das Antoniushospital und – als einzige Institution der offenen Armenfürsorge – die Kleiderherren für die Armenkleidung Lamberti. Es handelt sich dabei um eben jene Institutionen, für die bereits im Mittelalter zahlreiche Ratsherren nachweisbar sind und deren Provisoren sich wiederholt als vom Rat eingesetzt bezeichneten. Es fehlt in dieser Reihe allerdings der Heiliggeistkorb Lamberti, der aber seit der im Zuge der Wiederzulassung der Ratswahl 1554 eingeführten Personalunion mit der Armenkleidung faktisch dennoch partizipierte.126 Erstmals belegt ist diese Ämterstruktur für das Jahr 1534.127 Offenbar existierte sie zu diesem Zeitpunkt schon seit längerem, denn wäre sie eine Neuerung der Täufer gewesen, hätte man sie nach 1535 sicherlich nicht beibehalten.128 Es stellt sich also die Frage, seit wann die Provisorate der vier Institutionen ein je eigenes Ressort im Rat bildeten und nicht mehr parallel zu den etablierten Ämtern wahrgenommen werden konnten.129 Tatsächlich fand eine Ämterdoppelung 1507 statt, als Hinrich Bispinck im Zuge der Ratswahl zum Richtherrn ernannt wurde und zudem am 12. Mai als Provisor in Kinderhaus erscheint.130 Im Juni 1525 ist Herman Schenckinck als Provisor des Magdalenenhospitals belegt, nicht aber in der vollständig überlieferten Ratsherrenliste von 1525.131 Der Anfang 1527 zum Bürgermeister gewählte Diderich Munsterman findet sich im Dezember desselben Jahres als Provisor des Magdalenenhospitals.132 Am 27. März 1532 schließlich erscheint Ludger thom Brincke als Provisor des Magdalenenhospitals, ohne in der vollständig überlieferten Ratswahlliste vom 19. Februar genannt zu sein. Damit bildet diese Ratswahl von 1532 den terminus post quem der Ratsreform. Am 14. Oktober 1532 fand irregulär eine Ratsnachwahl statt, und es steht zu vermuten, dass hier die neue Ämterstruktur erstmals vollständig angewandt wurde.133 Es war dies wohl der Abschluss einer längeren Umbauphase. Denn während des Mittelalters verfügte das Kirchspiel Überwasser über zwei eigene Richtherren im Stadtrat. Das Amt lässt sich letztmalig 1525

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Klötzer, Kleiden, S. 274. Eintrag im Ratswahlbuch. A II, Nr. 0, fol. 55v. Klötzer, Kleiden, S. 273. 1531 etwa waren die beiden Kinderhausherren ebenfalls Richtherren. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 84; Klötzer, Kleiden, S. 273. Beide schlussfolgern daraus eine Ratsreform 1532/33. Doch haben sie beide Ämter nicht parallel wahrgenommen, sind sie als Provisoren doch für den 21. Februar belegt, zu Richtherren gewählt wurden sie allerdings erst, da Invocavit auf den 26. Februar fiel, am 28. Februar. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 80. Aders, Bürgerbuch, S. 90. A II, Nr. 17, fol. 1v; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 62. Dort findet sich nur ein Johan Schenckinck. Magdalenenhospital, Urk. 127; A II, Nr. 0, fol. 49r–56r. A II, Nr. 0, fol. 49r–56r; Magdalenenhospital, Urk. 133. Vgl. Cornelius, Wiedertaufe, 308ff. Für das Jahr 1532 lässt sich außerdem Jacob Stove, Provisor in Kinderhaus, nicht als Ratsherr nachweisen. Dies mag aber auch durch die unvollständig überlieferte Ratsherrenliste vom 14. Oktober zu erklären sein.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

nachweisen und scheint 1526 nicht mehr besetzt worden zu sein.134 Offenbar also hat der Rat, nachdem er seinen Einfluss auf das Fürsorgewesen bereits um 1500 ausgedehnt hatte, zur Ratswahl im Oktober 1532 oder nur wenig später eine Ratsreform umgesetzt, die vier unter seiner Trägerschaft stehende Fürsorgeinstitutionen unmittelbar in die eigenen Amtsstrukturen integrierte. Durch die neugeschaffenen Ämter musste jenes der Richtherren von Überwasser zuvor allerdings weichen. Auslöser der Reform war zweifellos die Anfang des 16. Jahrhunderts um sich greifende Armutswelle, denn auch in anderen Städten erfolgte in diesen Jahren eine Neuordnung des Armenwesens.135 Mit der Ratsreform schuf der Stadtrat im Angesicht zunehmender Armut die strukturellen Voraussetzungen für ein erhöhtes Engagement in der Fürsorgepolitik.

3. Die interne Verwaltungsstruktur Provisoren existierten in den dem Dom unterstellten Fürsorgeinstitutionen nicht. Die beiden Zwölfmännerhäuser Ludgeri und Überwasser standen vielmehr unter der Aufsicht der jeweiligen Halter der Domobödienzen Lepperinch und Gassel, auf deren Gebieten sie lagen. Die unmittelbare Verwaltung vor Ort führte ein Vorgesetzter („superior“) oder Verwahrer. 136 In der Domelemosine erfüllte diese Tätigkeit ein sogenannter Elemosinar, der immer zugleich Domvikar war.137 Allein der erste nachweisbare Amtsinhaber, Dietrich Haver (um 1478), war Vicedominus,138 und das vergleichsweise hohe Amt könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich die Elemosine erst unter ihm konstituierte, zumal der erste Stifter Lubbert van Roddenberch ebenfalls Vicedominus gewesen war. Die Aufgabe des Elemosinars bestand primär in der Verwaltung von Legaten verstorbener Domkanoniker. So überwiesen die Handgetreuen des Hinrich und des Engelbert Ffransoys 1473 eine Rente von 6 Gulden

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Klötzer, Kleiden, S. 263. So etwa 1522 in Wittenberg, Nördlingen, Nürnberg und Altenburg; 1523 in Leisnig, Regensburg, Straßburg, Kitzingen und Breslau, 1524 in Magdeburg, 1525 in Stralsund und Bremen, 1526 in Hall und Kassel, 1527 in Hamburg, 1528 in Braunschweig, Esslingen und Ulm, 1530 in Minden, 1531 in Lübeck, Frankfurt, Travemünde und Goslar, 1532 in Soest, 1533 in Würzburg und Lindau, 1536 in Hannover, 1543 in Osnabrück. Vgl. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 44. Die einzige namentlich bekannte Person, die vor der Täuferzeit in dieser Funktion tätig war, ist der 1521 erwähnte Kornschreiber Aleff Cock im Zwölfmännerhaus Ludgeri. WUB 8, Nr. 1768; WUB 8, Nr. 1878; Kohl, Domstift, Bd. 1, S. 599; Zwölfmännerhaus Ludgeri, Urk. 3. BAM, Domarchiv, Urk. 193; Scholz, Alter Dom, Nr. 550; BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, fol. 2r; BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, fol. 116r. Die genaue Vikarie ist allerdings allein für Wilhelm Scholl (1535/52) nachweisbar, der die der Marienkapelle im Dom innehatte. Kohl, Domstift, Bd. 3, S. 164f. Klötzer, Kleiden, S. 61.

3. Die interne Verwaltungsstruktur

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„(...) in de gemeynen almissen des domes (…), so dat de elemosinarius offt de verwarer der vorg. almyssen sall manen vnd boren all jaer de vorg. renthe vnd sall dar van beholden vor syn arbeyt all jaer sees schillinge.139

Die jährliche Rente sollte er danach an sechs münsterische Armenhäuser verteilen. Ähnlich hatte er mit einer Rente von 3 ½ Mark zu verfahren, die am Sonntag nach Franziscus, Engelberts Todestag, ebenfalls an sechs Armenhäuser auszuteilen waren. Auch aus anderen Legaten kamen ihm als „emonitori et distributori“ oftmals Entschädigungen in Höhe einiger Schillinge zu.140 In den Verantwortungsbereich des Elemosinars fiel auch das Führen der jährlichen Rechnungsbücher. Das älteste überlieferte Rechnungsbuch der Domelemosine wurde 1528 angelegt, und zwar „per me Bernardum Houeman vicarium ac prouisorem eiusdem elemosine“.141 Die Einstellung des Elemosinars erfolgte durch das Domkapitel. 1587 wurden in einem „Liber exemplaris“, das neben den Rechten der Domfabrik und den Regeln zur Durchführung der Prozession durch die Domimmunität auch die Rechte der Elemosine definiert, die Aufgaben des Elemosinars noch einmal erläutert. Nach einem weitschweifigen und mit biblischen und patristischen Zitaten gespickten Lob auf das Almosengeben wird mit kapitularischem Beschluss verkündet, was zu großen Teilen längst gängige Praxis war, nämlich … „(...) quod imposterum, vt earundem diligens cura et ratio habeatur, in nostra veteri sancti Paulij ecclesia, vnus ex nostro corpore in perpetuum eleemosinarium qui reditus annuas in eleemosinas conuersos percipiat, et de illis singulis annis semel in pleno capitulo exactam rationem reddat, deputari debeat prout deputarunt et ordinarunt in primum eleemosinarium.“142

Auch im Magdalenenhospital gab es zunächst keine Provisoren. Die Verwaltung oblag vielmehr einem einzelnen Prokurator,143 der mit der spätestens 1305 erfolgten Einführung von zwei Provisoren nicht abgeschafft, sondern dem neuen Aufsichtsgremium unterstellt wurde.144 Bezeichnet wurde er zunächst als Advocatus, Provisor, Custos, Procurator oder Hospitaliarius.145 Nach der Pest von 1350, erstmals um 1360, erscheint der Ausdruck „amptman“,146 der fortan zur alleinigen Bezeichnung wird. Nur gelegentlich wird auch auf seine Tätigkeit als „scriver“ hingewie139 140 141 142

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Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 27vf. BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, 6r. BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, 2r. „Dass in Zukunft, worüber sorgfältige Aufsicht und Rechnung getragen werde, in unserer alten Kirche St. Paulus, einer aus unserer Mitte (unserem Körper) dauerhaft zum Elemosinar deputiert werde, der die der Elemosine zufallenden jährlichen Renten erfasse und über jedes einzelne Jahr einmal vor dem gesamten Kapitel genaue Rechnung mache, soweit sie ihn als ersten Elemosinar deputiert und eingestellt haben.“ LAV NRW W, Msc. I, Nr. 68. Ein solcher Prokurator führte gemeinsam mit dem Kapellrektor auch das Hospital in der Venne. Beide wurden 1252 als Provisoren erwähnt. WUB 3, Nr. 538. Bei diesen Provisoren dürfte es sich wohl kaum schon um städtische Aufsichtspersonen gehandelt haben. Zur allgemeinen Entwicklung vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 96. MUB 1; MUB 12; MUB 24; MUB 50; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf. MUB 168.

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sen.147 Spätestens 1475 verfügte auch das Antoniushospital über einen Amtmann.148 In Kinderhaus wurde die Stelle des Amtmanns erstmals 1529 besetzt. Noch 1528 zeichnete der Kinderhauser Vikar Otto Brockinck für die Eintreibung von Renten verantwortlich. Dieser war bis 1522 Pastor in der Venne gewesen und hatte danach in Kinderhaus nicht nur die Vikarie, sondern offenbar auch die Emonitur übernommen.149 Der erste Kinderhauser Amtmann war Macharius Focke genannt Oldenzaal. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt legte er ein Güterverzeichnis an und leitete es folgendermaßen ein: „In dem yaer dusent vijfhundert ende xxix, do wort yck, Macharius Oldenzal, amptman tho der Kynderhus, ende do vant ijck gheen claer bescheet edder nawysinge van eren thoberingen lande bescreuen, dan hyr ende daer vp een bledeken getekent. Do gheenck ijck by dat lant ende besach dat en vragede, waer dat lach ende we dat lant under hadden, ende bescreef dat, als dat do to der tyt gelegen was, als claerlyken hyr nauolget.“150

Die Einrichtung des Amtes stand zweifellos in Zusammenhang mit der schrittweisen und wohl 1532 abgeschlossenen Umstrukturierung des Stadtrates. Hier zielten die Bestrebungen des Rates auf eine Rationalisierung der Wirtschaftsverwaltung, die gemäß den Worten des Macharius auch durchaus geboten war. Der Heiliggeistkorb Lamberti hatte vielleicht bereits 1515 einen eigenen Amtmann.151 Sicher nachweisbar ist er allerdings erst nach der Täuferzeit mit Everhard thor Borch gnt. Leyendecker.152 Ein Amtmann ist 1516 außerdem für das Gasthaus belegt, als laut 147

MUB 618; Magdalenenhospital, Urk. 52. In anderen Städten konnte der Spitalschreiber als Gehilfe des Amtmanns eine eigenständige Stelle sein. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 112. Zumindest zeitweise lässt sich dies auch für das Magdalenenhospital belegen. 1410 erscheint dort ein „scholer“ (Magdalenenhospital, Urk. 10), um 1420/30 erhielt er als „scolaris“ einen Pfennig (MUB 472). Es dürfte sich dabei weniger um einen Schüler, als um einen jungen Geistlichen handeln, der dem Hospital als Schreiber diente. Vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 331. 148 Als die dort amtierenden Priester am 5. Oktober eine Rente von 9 Schillingen für vier Memorien zugesprochen bekamen, trat als Zeuge neben dem Provisor Otto Peck auch „Herman de amptman“ auf. Antoniushospital, Urk. 14. Als Nachfolger lassen sich Wynandus Wrede und Hinrich Krone verifizieren. 149 Armenhaus Kinderhaus, Akten 3, RB 1558, fol. 10v; Klötzer, Kleiden, S. 85. 150 Armenhaus Kinderhaus, Akten 184, fol. 6r. 151 Am 27. März erschien vor den Gografen Johan Hauer und Gerhardus Tideman ein gewisser Anthonius Wyngaerde, „gesworen deyner des houes to Munster, eyn vulmechtich procurator der prouisoren des hilligen geistes der kerspell kercken sunte Lamberte bynnen Munster“. Weingarten legte einem Bescheid des Offizialgerichts betreffend ein Stück Land vor Warendorf vor und bat darum, Herman Dumstorp mit Termin vor Gericht zu laden, da dieser die auf dem gut liegende Rente nicht zahlte. Das Gogericht beschloss daraufhin, dass die Almosener ihre Ansprüche innerhalb der nächsten drei Tage und sechs Wochen zur Ruhe legen und ruhen lassen sollten, sofern Dumstorp den Kamp innerhalb Jahr und Tag retten könne. Anthonius Wyngaerde war damit entweder Amtmann des Korbes oder aber ein Notar des geistlichen Hofgerichts, der hier im Auftrag der Provisoren des Korbes als Anwalt tätig wurde. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 84v–85r. Das Recht auf eine Rente von 4 Gulden aus dem Kamp hatte sich der Korb 1490 erworben. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 83v. 152 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 112.

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Jahresrechnung des Armenhauses zur Aa „de procurator yn den gasthuse“ 1 Mark Rente „vth Butendorpes haluen huse belegen by schomynckhuys“ empfing.153 Damit finden sich Anfang des 16. Jahrhunderts in vier, vielleicht auch fünf Institutionen Amtmänner. Drei von ihnen sind jene Armenhäuser, deren Provisorate noch vor der Täuferzeit eigene Ratsressorts bildeten. Auch der Heiliggeistkorb Lamberti stand unter Ratsträgerschaft. Vielleicht wurde hier die Stelle eines Amtmanns eingerichtet, als die Zahl der Ratsherren im Provisorat um 1500 zunahm. Zuvor wurden dessen Aufgaben wohl von dem aus dem Kirchspiel entsandten zweiten Provisor wahrgenommen. Ähnliches ließe sich für das Gasthaus annehmen, zu dem weitere Quellen allerdings fehlen. Das Magdalenenhospital hingegen verfügte bereits vor der Kommunalisierung über einen – wenngleich nicht so genannten – Amtmann, und entsprechend wurden auch seine Provisoren von Anbeginn aus dem Rat entsandt. Hier wird die wesentliche Funktion des Amtmanns deutlich, nämlich die Entlastung der vorgesetzten Ratsprovisoren. Die Formen dieser Arbeitsentlastung sind vielfältig. So kaufte der Amtmann des Antoniushospitals 1505 im Namen der Armen eine Rente.154 Auch zur Eintreibung von Renten war er verpflichtet.155 1511 erhielt er gemeinsam mit den beiden Provisoren Rentverschreibungen und verpflichtete sich, den jährlichen Zins von der Fastenzeit bis Pfingsten anteilig an den Pastor und die Vikare zu verteilen sowie für die Kerzen, das Läuten der Glocken und die Beköstigung jener Jungen zu verwenden, die die Tropen und das Avemaria sangen. Für den Aufwand sollte er 2 Schillinge erhalten und den Rest unter die Armen verteilen.156 Bereits 1483 erhielt er von einem der dortigen Vikare acht Pfund Wachs für in der Kapelle aufzustellende Standkerzen.157 Wie aus Kinderhaus bekannt ist, trieb der Amtmann nicht nur die fälligen Renten und Zehnten ein, sondern führte auch die jährlichen Rechnungsbücher. So schrieb er in jenes des Jahres 1534, er hätte ½ Mark ausgegeben, „de yck verteerde, als yck de eerste reyse was hen tho Buren manen“.158 Ebenso führte er die Bauaufsicht über das 1533 errichtete Bauhaus.159 Auch im Magdalenenhospital wurden die Rechnungsbücher durch den Amtmann geführt.160 Insgesamt zeigt der Amtmann hier eine hohe Präsenz. Kauf, Tausch und Verpachtung von Ländereien führte er in der Regel gemeinsam mit den Provisoren durch, in den von den Verkäufern ausgestellten Urkunden erscheint er sogar als alleiniger Empfänger.161 Zusammen mit den Provisoren bekundete er außerdem Schenkungen, vermietete Häuser und kaufte Rentverschreibungen. Letzteres konnte er im Einzelfall sogar allein tun. Auch für das Eintreiben 153 154 155 156 157 158 159 160 161

Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 3r. Antoniushospital, Urk. 25. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 4v. Antoniushospital, Urk. 30. Antoniushospital, Urk. 19. Armenhaus Kinderhaus, Akten 2, fol. 28r. Im Kirchspiel Emsbüren hatten die Leprosen Zehntrechte an sieben Höfen. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 15. Klötzer, Kinderhaus 1534–1618, Tafel 6.3. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3r. MUB 88; MUB 531; MUB 555; MUB 630 sowie MUB 50; MUB 278; MUB 355.

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der Renten und Mieten zeichnete er allein verantwortlich.162 Zudem sollte er gegen eine entsprechende Entschädigung von ½ rheinischen Gulden gemeinsam mit dem Kapellrektor jene Renten eintreiben, die zur Grundausstattung der vierten Vikarie gehörten, und etwaige Gewinne neu anlegen.163 Den Tausch von Eigenhörigen führte er gemeinsam mit den Provisoren durch, er erscheint als Empfänger von Eigenhörigen aber regelmäßig ohne sie.164 Auch an der um 1360 abgefassten Hausordnung war der Amtmann beteiligt. Gemäß dieser sollten alle aufgenommenen Armen ihre Rentbriefe in seine Hände legen.165 Ebenso fiel die Auflassung eigenhöriger Höfe in seinen Aufgabenbereich.166 Außerdem konnte der Amtmann das Magdalenenhospital in Streitfällen vertreten.167 Es ist bemerkenswert, dass der Amtmann dabei mitunter völlig unabhängig von den Provisoren agieren konnte.168 Diese Selbständigkeit mag er sich aus der Zeit vor der Kommunalisierung erhalten haben, und sie lag sicherlich auch im Interesse der Ratsprovisoren. Die Befugnisse der Amtmänner anderer Hospitäler scheinen weniger weitreichend gewesen zu sein.169 Dabei konnte das Amt durchaus auch den persönlichen finanziellen Einsatz seines Inhabers erfordern. In 162

MUB 95; MUB 97; MUB 66; Magdalenenhospital, Urk. 96, Urk. 98, Urk. 108, Urk. 135. 163 Magdalenenhospital, Urk. 59. 164 MUB 581; Magdalenenhospital, Urk. 122, Urk. 141; MUB 359; MUB 381; MUB 416. 165 MUB 168. 166 Als 1524 Johan Harlinck den hochverschuldeten Hof Harlinck im Kirchspiel Amelsbüren aufgab, regelte der Amtmann die Wiederbesetzung durch Peter Wilbrandinck und seine Braut Merten, die die Schulden übernahmen und Johan Harlinck auf dem Hof als Leibzüchter behielten. Er bedurfte dazu allerdings der ausdrücklichen Vollmacht der Provisoren. Magdalenenhospital, Urk. 123. Ein Jahr später starben Peter ton Spittaell und seine Frau Fenne tor Borch. Da ihr einziges Kind Johan noch minderjährig war, übertrug der Amtmann – diesmal gemeinsam mit den Provisoren – den Hof Spittael dem Johan Spittaell und seiner Frau Else, verpflichtete sie aber zu einer Abfindung gegenüber dem Kind. Magdalenenhospital, Urk. 125. 167 1505 kaufen Provisoren und Amtmann zwei Kämpe, die mit 5 Maltern Gerste belastet sind. Diese versprechen die Verkäufer allerdings selbst zu zahlen. Der Amtmann könne dies – so heisst es – notfalls vor einem geistlichen oder weltlichen Gericht einfordern. Magdalenenhospital, Urk. 104. 1484 stritt der Amtmann, unterstützt von den beiden Provisoren, mit Herman Hoffsmyt und seiner Frau Styne. Offenbar hatten diese Ansprüche auf einen Garten vor dem Liebfrauentor erhoben. Man einigte sich dahingehend, dass der Garten im Besitz des Hospitals bleibe, das Ehepaar Hoffsmyt aber gegen 6 Mark Jahrespacht noch zehn Jahre lang das Nutzungsrecht behalte. Magdalenenhospital, Urk. 80. 168 1330 lag der Amtmann vor den Schöffen der Stadt Osnabrück im Streit mit dem Knappen Goswinus de Emmerne. Der hospitalseigene Hof Milinck hatte widerrechtlich Wiesen auf dem Grund des Hauses Emmerne mähen lassen. Der Streit wird schließlich dahingehend beigelegt, dass Goswinus dem Amtmann dieses Recht „ob amorem et dilectionem“ im Nachhinein einräumt. Eine Beteiligung der Provisoren ist nicht erkennbar. MUB 71. 169 Deutlich wird dies, als das Magdalenenhospital 1531 mit Kinderhaus Ländereien tauscht. Treten auf seiten des Hospitals die Provisoren gemeinsam mit dem Amtmann auf, erscheinen die Provisoren des Leprosoriums allein. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 80; Magdalenenhospital, Urk. 138.

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den ersten sieben Jahren seiner Amtszeit hatte Macharius Veghesack den Provisoren „by zwaren orlege und unlueke“ – gemeint ist die Münsterische Stiftsfehde – treu gedient, zwei neue Windmühlen erbaut und den Turm der Kapelle neu „ghespeert“, sodass das Hospital ihm nun eine größere Summe Geldes schuldete.170 Neben der Wirtschaftsführung und – innerhalb gewisser Grenzen – der rechtlichen Vetretung der Institution nach außen oblag dem Amtmann auch die Aufsicht über die Insassen. Gemäß der 1540 abgefassten Hausordnung des Antoniushospitals sollten ihm diese gehorsam sein und bedurften für das Fernbleiben von Gottesdiensten und in anderen Versäumnissen seiner Erlaubnis. An den vier Hochfesten sollte der Amtmann den Armen die Hausordnung vorlesen. Im Gegenzug hatten die Armen das Recht, sich bei den Provisoren über den Amtmann zu beschweren. Sollte die Beschwerde unbegründet sein, habe ihr Anbringer bestraft zu werden. Sollte aber „de clage auer den amptman mit warheit beuunden“ werden, dann „sal der soluege amptman dorch de hueßhodere darum angesehen werden vndt gestraffet“.171 Unterstand der Amtmann in seiner Amtsführung also eindeutig den Provisoren, die ihn strafen konnten und denen er zu Gehorsam verpflichtet war, oblag seine Einstellung dem Stadtrat. So musste der Amtmann des Magdalenenhospitals gemäß eines Ratsprotokolls von 1595 bei seinem Amtsantritt vor dem Stadtrat erscheinen und mit der Hand auf einem Evangelienbuch einen „leiblichen Eid“ leisten.172 Für das Mittelalter ist weder ein solcher Eid noch ein Arbeitsvertrag überliefert.173 Und so bleiben auch die genaueren Umstände der Amtseinführung im Dunkeln. Fraglich ist insbesondere, wie bedeutsam die Rolle der Provisoren war. Möglicherweise konnten sie dem Rat geeignete Kandidaten vorschlagen oder die Besetzung sogar weitestgehend selbständig vornehmen.174 Anders als die ihnen vorgesetzten Provisoren amtierten die Amtmänner oftmals über viele Jahre hinweg.175 Tatsächlich scheint das Amt gewöhnlich unbefristet gewesen und nicht selten auf Lebenszeit wahrgenommen worden zu sein, wenngleich krankheitsbedingte Rücktritte durchaus möglich waren und auch Entlassungen wegen Amtsunfähigkeit oder Amtsmissbrauch im freien Ermessen des

170 Die Provisoren beglichen die Schuld 1459 aus dem bemerkenswert umfangreichen Nachlass des verstorbenen Pfründners Herman ton Damme. Aus diesem erhielt der Amtmann zwölf Renten, zwei Kämpe und einen Garten. BAM, Fraterherrenhaus Münster ad fontem salientem, Urk. 117. Den Garten verkaufte Macharius 1460 weiter. BAM, Fraterherrenhaus Münster ad fontem salientem, Urk. 118. 171 Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. 172 Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 35. 173 Aus dem Jahr 1447 ist das Eidesformular eines Amtmanns bekannt, bei dem es sich allerdings nicht um einen Hospitalamtmann, sondern um einen Stiftsamtmann handelt. A XV, Nr. 122a. 174 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 100f. 175 Thidericus Drotzethe etwa arbeitete 23 Jahre lang im Magdalenenhospital, bis 1350 in Münster die Pest ausbrach. Gerd ton Belhues tat vor und nach der Täuferzeit seinen Dienst und brachte es auf 24 Jahre. Die längste Amtszeit hatte aber mit 32 Jahren sein unmittelbarer Vorgänger Hinricus Schroeder.

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Rates lagen.176 Voraussetzung für die Übernahme der Amtmannstätigkeit war neben der grundsätzlichen Befähigung zur Rechnungsführung insbesondere die münsterische Bürgerschaft. Tatsächlich verlieh der Rat die Stelle nur an münsterische Bürger. Allein Hinricus Losse hatte bei seiner Einführung das Bürgerrecht noch nicht. Dies erhielt er erst am 15. Januar 1407, zweifellos kurz nach Amtsantritt. Noch 1402 ist Cope van Schonenbeke im Amt. Möglicherweise hielt man es hier wie bei der Besetzung von Vikarien, dass der Kandidat die entsprechenden Kompetenzen spätestens innerhalb eines Jahres nachweisen müsse. Das Bürgerbuch berichtet: „Crastino Felicis in pinqsten Hinricus Losse, officiatus hospitalis, fideiussores: dominus Arnoldus de Drolshagen, Everwinus Stevenynch.“177 Anders als ein Provisorat war die Amtmannstätigkeit kein Ehrenamt, sondern wurde regulär vergütet. Der Amtmann empfing einen festen Lohn, der mit dem Rat oder den Provisoren ausgehandelt wurde und meist teils aus Barzahlungen und teils aus Naturalien bestand. Möglich war auch eine Bezahlung durch den Erhalt einer Pfründe.178 Im Magdalenenhospital scheint auch eine Bezahlung in Form von Renten möglich gewesen zu sein. 1464 verkaufte der Amtmann Macharius Veghesack den Provisoren der Überwasserkirche eine Rente von 1 Mark „(…) welke marck geldes vermytz giffte an de armen ton hospitale gekomen was unde de my vort de ersamen borgermestere vnd de hushodere ton hospitale van myner vpdracht in affslage myner summen ouer gewyset hebt na vthwysinge myns breues my dar vp gegheuen vnd besegelt.“179

Bürgermeister und Provisoren zahlten hier den Lohn also abschlägig mit einer Rente des Magdalenenhospitals, eine Praxis, die kaum gängig gewesen sein dürfte. Immerhin war der Stadtrat im Zuge der Stiftsfehde nur zehn Jahre zuvor in die Zahlungsunfähigkeit geraten. Auch die Kämmerei war offenbar an der Bezahlung des Amtmanns beteiligt.180 Nach der Täuferzeit bezog der Amtmann sein Einkommen aber eindeutig aus dem Hospital selbst. Gemäß der Jahresrechnung von 1554 bezog

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Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 103; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 29f.; Klötzer, Kleiden, S. 81. 177 Aders, Bürgerbuch, S. 29. Als Bürgen haben sich dabei zwei prominente Bürger gefunden. Drolshagen war 1407 Bürgermeister, Stevenynch saß seit 1397 im Rat. Aders, Bürgerbuch, S. 29; Schmitz-Kallenberg, Inventare Borken, S. 153. Dies zeigt nicht zuletzt das Interesse des Rates an der Bürgerschaft seines Amtmanns. 178 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 101, S. 104f; Windemuth, Hospital, S. 98. 179 „Welche Mark als Geschenk an die Armen im Hospital gekommen war und die mir danach die ersamen Bürgermeister und die Provisoren des Hospitals von meinem Auftrag in Abschlag meiner Summen überwiesen haben, nach Ausweis meines mir darauf gegebenen und besiegelten Briefes.“ Almosenkorb Überwasser, Urk. 3. 180 Gemäß der Kämmereirechnungen von 1448/49 erhielt ein gewisser Drees van der Heghe 5 Mark, denn er hat „synen denst gedaen ton hospitaill“. Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 52. Ob besagter Andreas tatsächlich Amtmann des Magdalenenhospitals war, lässt sich nicht mehr eindeutig klären. Auch inwieweit derartige Zahlungen der Regel entsprachen, bleibt wegen mangelnder Überlieferung im Dunkeln. Vgl. Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 119f.

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er 62 Mark, 8 Schillinge und 8 Pfennige.181 Weitaus geringer waren die Einkünfte des Amtmanns des Heiliggeistkorbes Lamberti. In der Jahresrechnung von 1536/37, die der Amtmann Everhard thor Borch selbst angelegt hat, berichtet er von seinem mit den Provisoren vereinbarten Lohn: „Jtem vor mynn arbeyt, als Albert Cleuer vnnd Berennt Gruter myt my eyns geworden, vp donderdach na dem sundage misericordia domini vyff gollt G, facit xv marck.“182 Etwas mehr bezog der Amtmann des Antoniushospitals. Als dieser 1543 die Ausgaben und Einnahmen des Vorjahres berechnete, fügte wohl einer der beiden Provisoren den Vermerk hinzu: „Vnd noch van dem ßolfften jare xx marck ffor des amptmans synen loenn, dat Lambert Buck myt den amptman ßo gereckent, jnn mynen byweßende.“183 Auch hier handelte der Amtmann seinen Lohn also mit seinen vorgesetzten Provisoren aus. Dennoch war wohl die Tätigkeit als Amtmann kein Beruf, der seinen Mann ernähren konnte.184 Allein jener des Magdalenenhospitals scheint eine Ausnahme dargestellt zu haben, konnte aus dem Nachlass des Macharius Veghesack, der 1453/64 dort Amtmann war, immerhin die Errichtung der Elende Aegidii bestritten werden.185 Tatsächlich war ein gewisser Wohlstand bei Amtmännern gerne gesehen, hafteten sie in der Regel doch mit ihrem Privatvermögen und mussten eventuelle Defizite der Jahresrechnung aus eigener Kasse begleichen.186 Tat ein Amtmann dies nicht, folgten mitunter schwere Konsequenzen. 1548 verklagten die Provisoren des Magdalenenhospitals ihren Amtmann Gerd ton Belhues, der das Amt bereits seit 24 Jahren bekleidete. Wegen einer nicht beglichenen Schuld von 512 ½ Reichstalern wurde dieser sofort in Haft genommen und blieb dort für mehr als zwei Jahre. 1553 schließlich wurde sein unweit des Hospitals gelegenes Haus, das Belhues 1536 für 320 Gulden aus Täuferbesitz erworben hatte, dem Hospital verpfändet.187 Es steht zu vermuten, dass es sich bei besagtem Haus um sein Wohnhaus handelte.188 Grundsätzlich stand dem Amtmann aber – zumindest fortan – eine Wohnung auf dem Hospitalgelände zur Verfügung. Sie befand sich auf dem Spiekerhof und grenzte westlich an den westlichen Arm der Aa.189 Für die anderen Amtmänner ist wohl

181 182 183 184 185 186 187 188 189

Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 36. Speckpfründe, Lamberti, Akten 5, RB 1536, fol. 21v. Antoniushospital, Akten 25, fol. 17v. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 31. Elende Aegidii, Urk. 3a. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 105; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 45. Klötzer, Kleiden, S. 82; Kirchhoff, Die Täufer in Münster, Nr. 310. Zuvor hatte der Amtmann Macharius Veghesack ebenfalls im Kirchspiel Überwasser, aber auf der Hollenbecker Straße gewohnt. MUB 522. Nach der Täuferzeit gehörte das Haus dem Almosenkorb Ludgeri. Heute Spiekerhof 30. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 105. Für sie hatte der Amtmann spätestens seit 1584 dem Hospital eine Miete zu entrichten. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 37.

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II. Administrative Regulierung: Temporalia

in Anbetracht ihrer geringeren Tätigkeit eine Wohnung außerhalb ihrer jeweiligen Fürsorgeinstitutionen anzunehmen.190 In Fürsorgeinstitutionen, die nicht über einen eigenen Amtmann verfügten, lag die Rechnungsführung gewöhnlich bei einem der beiden Provisoren.191 Gelegentlich stellte man im 16. Jahrhundert – es ist dies Zeichen einer zunehmenden Bürokratisierung – aber auch einen Emonitor oder Mahner ein, dessen Hauptaufgabe in dem Eintreiben der jährlichen Renten bestand.192 Eingestellt wurde der Emonitor ebenso wie der Amtmann durch einen Vertrag mit dem Träger.193 Dort, wo kein Amtmann tätig war, wurden die Provisoren zudem oftmals von einer „husfrowe“ entlastet. So verfügte die anlässlich der Gründung im Jahre 1302 verfasste Hausordnung des Armenhauses Wessede, das Haus der Aufsicht einer Hausfrau und ihrer Magd zu übergeben.194 Als 1314 das Armenhaus tor A gegründet wurde, übertrugen die Stifter Hermann und Dedradis tor A die Sorge und Aufsicht des Hauses „zween verstendigen Junffern“ aus dem parallel fundierten Beginenkonvent. Ihre Aufgabe war die Aufnahme und Entlassung von armen und kranken 190

Für den Kinderhauser Amtmann lässt sich ein eigener Wohnsitz auf Hospitalgrund, die sogenannte Amtmannei, erst für die Mitte des 17. Jahrhunderts nachweisen. Schulze, Kinderhaus im Wandel der Zeiten, S. 20. 191 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 29f. 192 Einen solchen beschäftigten etwa der Almosenkorb Martini und das in Personalunion geführte Armenhaus Zumbusch regelmäßig. Seit 1532 erhielten die Provisoren des Hauses Wessede jährlich einen halben Gulden von den „vorwareren ton Bussche vorscreuen vnd eren emonitor“, und 1538 erscheint Peter Hackfort, Vikar zu St. Martini, als Emonitor des Almosenkorbs. Armenhaus Zurwesten, Urk. 83, Rückvermerk; Kirche St. Martini, Urk. 16. Emonitor des Heiliggeistkorbes Überwasser war 1541/47 Macharius Oldenzaal, der zuvor Amtmann in Kinderhaus war, seine Position dort aber 1540 krankheitsbedingt hatte aufgeben müssen. Im Armenhaus Zurwieck übernahm um 1568/69 der Vikar der dortigen Kapelle die Emonitur. 1557/62 war der Küster der Aegidiikirche und Notar Johannes Holscher zugleich Emonitor der Elende und des Almosenkorbes Aegidii. Danach fiel die Emonitur aber wieder an die Provisoren zurück. Auch im Armenhaus Wegesende sind Emonitoren nachweisbar. Klötzer, Kleiden, S. 267. Selbst der Kring, ein Verbund der Almosenkörbe, beschäftigte einen eigenen Emonitor. 1539 gab man „dem emonitori van der renthe jn thomanen vor sin loen seß s.“, ab 1582 erhielt er regelmäßig 8 Schillinge. Schularme Martini, Akte 20, fol. 8r, fol. 9r. 193 So verpflichtete der Stadtrat 1568 einen Emonitor für das Armenhaus zur Aa. Dieser erhielt einen festen Jahreslohn sowie eine Prämie für jede bezahlte Rente und jede Ankündigung und Durchführung einer Pfändung. Armut, Not und gute Werke, S. 122. Bereits 1449 ist als ein „schriver für cledinge“ ein Emonitor der Armenkleidung Lamberti belegt, der aus der Kämmerei eine Aufwandsentschädigung von 6 Schillingen erhielt. Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 1, S. 20. Im Armenhaus Wegesende sollte man am Todestag der Zustifterin Gerdrut van der Wyck auf deren Wunsch hin „den gennen de rente des huses jaerlix manet“ ein halbes Viertel Wein überreichen. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 4r. Auch in Kinderhaus lag die Wirtschaftsführung vor der Einsetzung eines Amtmanns offenbar in den Händen des Emonitors Otto Brockinck, der zugleich Vikar an der Kinderhauser Kapelle war. Armenhaus Kinderhaus, Akten 3, RB 1558, fol. 10v. 194 Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v.

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Frauen sowie die Verwaltung der Einkünfte und Ausgaben.195 Die Existenz einer Hausmutter oder Küsterin war in münsterischen Armenhäusern nicht ungewöhnlich. Gemeinhin kamen diese nicht von außerhalb, sondern aus dem Kreise der Armen. Dies war im Armenhaus tor A kaum möglich, da die aufgenommenen Frauen dort nicht länger als ein halbes Jahr verweilen durften196 und eine konsistente Verwaltung durch sie daher nicht gewährleistet werden konnte. Anders verhielt es sich im Armenhaus zur Aa, in dem vier Häuser nach der Pest zusammengelegt wurden. Die Ende des 14. Jahrhunderts festgeschriebene Hausordnung besagt: „Unde dyt huis sal men eyner huysfrouwen unde eyner maget, twen susteren, bevelen, de godtfruchtig syn, de dat gemeine gut des huses truweliken bewaren, also see ore seele leff hebben, dat se des nicht verergeren, mer verbetteren.“197

Da hier die Unterbringung der Armen zeitlich nicht begrenzt war, konnte man die Haushaltsführung also einer Insassin überlassen, die von ihrer ebenfalls aufgenommenen Magd unterstützt werden sollte. Ihre Aufgabe war insbesondere, die Versorgung des Armenhauses sicherzustellen.198 Die gleiche interne Organisationsstruktur wies das Armenhaus Zumbusch auf. Der aus der Hausordnung des Armenhauses zur Aa zitierte Absatz findet sich fast wörtlich in der des Hauses Zumbusch wieder.199 Ähnlich war es auch im Armenhaus der Johanniter, das bereits durch seine Provisoren eine überraschend bürgerliche Verwaltungsstruktur aufwies. Dort hatte man neben zehn Kammern für zehn arme Frauen auch „ene grote kameren“ gebaut, „de denen sall der hilligen moder vnd vort ener maghet“. Die Mutter sollte „in der kerken“ dienen, die Magd „mit melken, wasschen vnd plasschen“. Ihr Tätigkeitsbereich beschränkte sich also offenbar nicht auf das Armenhaus, sondern umfasste auch das „huse vp den berghe“, also den Konvent der Johanniter.200 Der sechste Artikel der 1538 niedergeschriebenen Hausordnung definiert ihre Position genauer: „Dath huesz salmen eyner offthe twen van den teyn susthern beuellen, de gode fruchten, de dath ghemeyne gueth des huszes truwelyke bewaren, als sze erhe zelen leeff hebbn, dath sze dath nycht verergeren meer verbettern, daer vor sollen de twe itlyck, wan sze ehre bottern deylen, voer off nemen eyn punt bottern.“201

Auch hier scheint man sich an älteren Hausordnungen orientiert zu haben. Neu sind allerdings Nachrichten über die Vergütung der Hausfrau, die offenbar in ei195 Zuhorn, Beginen, S. 33. In dieser Funktion erschien 1333 allerdings keine Jungfrau, sondern die münsterische Witwe Alheydis gnt. Holemanninch, die im Namen der Armen tor A eine Rente empfing. Zeitgleich war sie auch Verwalterin der kleinen Frauenarmenhäuser Tilbeck, Hoeker und Boterman. Armenkleidung Lamberti, Urk. 1 (Boterman); Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage (tor A); Armenhaus zur Aa, Urk. 2 (Hoeker); Armenhaus zur Aa, Urk. 3 (Tilbeck). 196 Zuhorn, Beginen, S. 33. 197 Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 3r–3v. 198 So lautet ein Eintrag in der Jahresrechnung von 1516: „Jtem geuen der husfrowen, dat se vtgeuen hadde, vj s. iij den.“ Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 12r. 199 MUB 372. 200 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. 201 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 7v.

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ner verbesserten Pfründe lag. Gemäß Artikel 16 lag auch die Nachlassverwaltung verstorbener Insassinnen in Händen von Provisoren und „moder“.202 Wie ein noch im 16. Jahrhundert erfolgter Nachtrag berichtet, durfte sie ihren Mitschwestern zudem bis zu acht Tagen Urlaub für notwendige Verwandtenbesuche gewähren. Eine länger währende Abwesenheit erforderte allerdings die Zustimmung der Provisoren.203 Dass Hausmütter nicht arm sein mussten, belegt eindrucksvoll Gerdrut van der Wyck, „nu tor tyt husfrouwe der armen des huses der Wegesenden“. Am 27. Juni 1519 machte sie ihrem Armenhaus „eyne ewyge gyffte“ von immerhin 18 Gulden jährlicher Rente aus ihrem Privatbesitz, den „de almechtige got my verleent vnd ick myt mynen suren arbeyde verdeynt vnd besport hebbe“. Hinzu kamen umfangreiche weitere Zustiftungen.204 Mit Gerdrut van der Wyck zog eine gewisse Gerdrut in das Armenhaus, die im Haus der Eheleute Gerdrut und Bernd van der Wyck als Magd tätig gewesen war.205 Das Armenhaus profitierte auch weiterhin von ihrer wohlhabenden Hausmutter. Einige Monate später, am 22. November 1519, kaufte 202 203 204

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BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 10r. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 109. So gab Gerdrut einen weiteren Gulden Rente „van der hure vth den luttyken huse, den jck vthdede, als wy dat hues kofften, dar mede wy den van sunt Jlyen eynen gulden geldes affloseden, den se dar vth hedden.“ Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1r. Die Rede ist von einem Häuschen, das unmittelbar neben dem Armenhaus im Wegesende lag und das die Provisoren im November 1517 gekauft hatten. Es war belastet mit einer Rente von einem Gulden an das Kloster Niesinck und einem weiteren Gulden an St. Aegidii. Armenhaus Wegesende, Urk. 59. Das zur Ablösung der letztgenannten Rente notwendige Kapital hatte Gerdrut zur Verfügung gestellt und erließ den Provisoren nun deren dahingehende Schuld. Die milde Gabe war begleitet von zahlreichen Verfügungen, wie sie von der Hausmutter zu verwenden sei. Dazu gehörte auch die Bestimmung, dass „de husfrouwe alle jaer in der vasten kopen sall veyrtich ellen gudes vlessens lakens van den besten vnde laten dat bleken, vnd wanner dat dan wyth ys, sall de husfrouwe alsdan dar van eynen ytlicken armen der Wegesenden drey ellen geuen, vnd wes dar dan van den veyrtich ellen ouer blyfft, sall de husfrouwe beholden, vnd dyt laken sollen se hebnn to hemeden offt anders, war se dat dan best behouen gebrugen mogen.“ Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 2r. An jenem Tag, an dem die Hausmutter die gebleichten Flachslaken verteilte, sollte sie die Armen außerdem zur Messe führen. Am Michaelstag sollte sie zwei Kluden – also 200 Pfund – Talg („twe clouwede vngels“) kaufen und an jede der 13 armen Frauen 2 ½ Pfund davon austeilen. Der verbleibende Talg – immerhin 167,5 Pfund – sei zum Wohl des Hauses zu verwenden. So sollte die Hausmutter davon „alle dage des auendes vp vnsen bedehuse“ eine Talgkerze („vngell kerse“) brennen lassen. An jedem Abend der Fastenzeit sollten die Armen von ihr außerdem ½ Mengel gutes Grutbier („grusynges“) erhalten. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 2v. „Vp sunte Symon vnd jn de mynen hilligen apostell dage“ sollte die Hausfrau sechs Pfund Stockfisch („rotschers“) kaufen, ihn einweichen und zusammen mit Hering und Grutbier an die Armen verteilen, auf dass diese gemeinsam Mahlzeit hielten. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 3v. An Gerdruts Todestag sollte die derzeitige Hausmutter außerdem dem Priester, „de vp den dage eyne vigilie vnd mysse vor myne armen zeile lesze“, einen Quart Wein geben sowie den Provisoren und dem Emonitor je ein halbes Viertel Wein. Am selben Tag wie ihre Herrin stiftete sie 20 Goldgulden, von denen die Hausfrau den Armen am Dienstag nach dem guten Montag 6 Schillinge austeilen sollte, die dafür auf

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sie den Armen, die ihre Kammer im kürzlich angekauften Nachbargadem bezogen hatten, für 10 Gulden Sitzplätze in der Martinikirche. Die Armen saßen nun jeden Sonntag neben der im Kirchspiel hochangesehenen Familie Marienname.206 So wird deutlich, wie sehr ein Armenhaus von einer wohlhabenden Hausmutter und Pfründnerin profitieren konnte. Gerdrut van der Wyck brachte dem Armenhaus Wegesende nicht nur finanziellen Zugewinn, sie war auch Spross der Erbmännerfamilie Zurwieck und hatte in der münsterischen Bürgerschaft entsprechend gute Verbindungen. Dies sicherte auch dem Armenhaus ein gewisses Ansehen. Zudem verfügte Gerdrut zweifellos über eine standesgemäße Bildung, konnte lesen und schreiben und so den Provisoren in der Rechnungsführung zur Hand gehen. Das Hineintragen des gesellschaftlichen Status in das Armenhaus bedeutete aber auch, dass dessen innere Hierarchie faktisch zu einem Spiegel der städtischen Gesellschaft wurde. Eine Hausfrau oder „costersche“ findet sich auch in der komplexen Verwaltungsstruktur des Magdalenenhospitals. 1410 erhielt sie 12 Pfennige, „dar se van sal setten alle zunendaghe eyn ungellecht van enen verlingh vor dat sacrament altar“.207 Die Beaufsichtigung der Lichter in der Magdalenenkapelle sowie im Unterhaus scheint tatsächlich ihre Hauptaufgabe gewesen zu sein.208 1459 war Elseke Tynsingh Küsterin, ab 1488 ist Elseke Borchorst belegt. Sie starb, wie die 1502 angelegte Jahresrechnung belegt, am 14. April 1501: „+ Jtem feria quarta post pasce starff de kostersche, grafft vnd ampt gelt ij s.“209 Ihre Nachfolgerin wurde wohl die 1514 erwähnte Pelmen Baggelen. Auffällig ist die durchgängige Bezeichnung als „costersche“, zumal auch der Amtmann 1266 als „custode“ bezeichnet wurde.210 Auffällig ist auch, dass neben Elseke Borchorst als Küsterin (1488/1501) auch ein Dyrick Borchorst als Amtmann (1484) nachzuweisen ist. In bürgerlichen Hospitälern war es durchaus üblich, die Hausaufsicht einem Ehepaar zu übertragen. Die 1186 vom Bischof gesetzte und für religiöse Spitäler gängige Verpflichtung zur Enthaltsamkeit211 wurde nach der Kommunalisierung vom Stadtrat offenbar nicht weiter verfolgt. Die 1285 vom Bischof indirekt geäußerte Befürchtung, mit der Kommunalisierung gehe auch eine Profanisierung einher,212 war in Teilen also wohl berechtigt. Tatsächlich finden sich Verwalterehepaare auch in anderen Hospitälern. Im Armenhaus Zurwieck ob-

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Befehl der Hausfrau „eyne mysse horen“ und in die Johanniterkapelle gehen sollten. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 6r. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 6v. Magdalenenhospital, Urk. 10. 1452 erhielt sie dafür 2 Schillinge. 1459 bekam sie eine Rente von 4 Schillingen „zu behuf der luchtinge der armen unten im convente“, 1488 drei Schillinge Rente „zu behuf der luchtunge vor dem h. sakrament“. 1490 erhielt sie eine Rente von ½ Mark, die sie halb für das Sakramentslicht, halb für das nächtliche Licht im Unterhaus verwenden sollte. 1514 wurde ihr zur Unterstützung des Sakramentslichts ein Gulden Rente, 1516 und 1517 wurden ihr je 1 ½ Gulden Rente zugesprochen. Magdalenenhospital, Akten 44, S. 18, 22, 27, 29f. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 23r. „Grafft“ = Begräbnis. MUB 24. MUB 3. MUB 40.

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lag die innere Verwaltung einem Hausherrn und einer Hausfrau, denen gegenüber die Armen zu Gehorsam verpflichtet waren und denen sie zur Hand gehen sollten. Nächtliches Fernbleiben bedurfte ihrer Erlaubnis. Klagen über sie sollten die Armen an die Provisoren richten. Hingegen, so Punkt 11 der nach der Täuferzeit ergänzten Hausordnung von 1508, „(…) sollen die hausherr und hausfrowe niemand überfallen, noch einen vor den anderen vortracken, günstig oder ungünstig seyn, noch jemand unwillen machen buten seine schuld; so solches wissentlich geschehen würde, sollen die hausherr und hausfrowe vier Wochen zeits ihrer prouende verlustigt seyn.“213

Für das Gasthaus ist eine gemeinsame Verwaltung durch einen Gastvater und eine Gastmutter erst in späterer Zeit belegbar.214 Zuvor findet sich allein ein „gasthmester“, der noch vor 1468 eine benachbarte Kemenate ankaufte.215 Auch für das Leprosorium Kinderhaus ist 1498 nur ein „koester“, nicht aber eine Küsterin belegt.216 Da Kinderhaus aber grundsätzlich Männern und Frauen offenstand, ließe sich die Existenz eines Küsterpärchens zumindest vermuten. Ein Haushälterpaar gab es auch in den Elenden.217 Dass sie sich an die Bestimmungen der Fundationsurkunde halten würden, mussten die beiden Elender bei Amtsantritt „louen vnd verwilkoren“. Dazu gehörte insbesondere, die Güter der Elende zu wahren und nicht zu veruntreuen. Die zu ihnen in die Elende geschickten Kranken sollten sie „guetlick entfaen, herberghen vnd verwaren“ und soweit möglich auch in der Stadt Hausbesuche durchführen. Dafür können „jnwoner off huesfrouwen“ die ihnen von den Provisoren zugewiesenen Einkünfte „vryg bruken, so lange alz he leuet“ und über ihre „besparinge“ testamentarisch frei verfügen. Zudem sollen die Inwoner „(...) deynen gode almechtich, byddenn truwelich vmme de barmherticheit godes all den ghenen, de dyt huss ghestichtet, beghifftet vnd myt er hulpe vnd gunst gefordert hebn.“218 Tatsächlich scheint die wenig gottesfürchtige Neigung, die Einkünfte von Hospitälern zu veruntreuen, überaus groß gewesen zu sein. Die Selbständigkeit, mit der die Elender die Ausgaben verwalteten, gab ihnen ausreichend Gelegenheiten zur Selbstbereicherung. Entsprechend nachdrücklich weist der Stadtrat auf die Treue213

BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 188vf. Gemäß dieses Artikels, dem ein konkreter Konflikt zu Grunde gelegen haben könnte, erhielten Hausherr und Hausfrau also wie die Armen eine Pfründe aus dem Hospital, die ihnen die Provisoren gemäß ihrer Strafgewalt ebenso wie den Armen entziehen konnten. 214 Gimpel, Gast- und Irrenhaus, S. 57. 215 Gast- und Irrenhaus Martini, Urk 2. Vgl. Huyskens, Das große Gasthaus, S. 192. 216 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 58. 217 Bei der Gründung der Elende Aegidii verfügte der Stadtrat, „dat de ghene, de vor jnwoner jn dat huss van en ghenomen synt vnd werden, dar jnne gotlike leuen, vnd rechtlike in der vruchten vnd leiffden godes vnd myt ghetruwen flyte holden vnd to vorderen de puncte desser fundacien, vnd den hueshoderen vnderdanich vnd ghehorsam syn in allen gotliken vnd temeliken zaken na erer macht. Vnd off ze dar en teghen vnd anders leuende ghefunden worden, dat dan de hushodere se to allen tyden moghen vthsetten, so vaken als des noit were, myt gheistliken off wertlichen dwange vnd vnser hulpe.“ Elende Aegidii, Urk. 3a. 218 Elende Aegidii, Urk. 3a.

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pflicht der Elender hin. Nur wenn sie diesen Eid hielten, könnten sie „vermydenn dat strenge ordell van godes gherichte der ewighen verdoemnysse“. Täten sie dies nicht, „(…) dan solden ze van stund dat huss verworpen hebben vnd dar vth rumen, doch dar jnne laten, des ze dar jnghebracht hedden, sunder er lyfflike kleydere, vnd dar to ghedwungen werden, off des noit were, vnd andere weder jn ghenomen, so vorg. is, dar to wy vnd vnse nakomelinge willen vnd sollen helpen vnd nicht hinderen, by godes vnd syner barmherticheit leiffde vnd vruchten.“219

Bei der Auswahl der Elender, die wohl den Provisoren oblegen haben dürfte, hatte also auch der Stadtrat als Träger der Institution ein Mitspracherecht.220 Ähnlichen Verpflichtungen unterlagen die Elender der Elenden Überwasser221 und Lamberti.222 Wurden Frauenarmenhäuser oftmals von einer Hausmutter geführt, finden sich ein oftmals verheiratetes Hausmeisterpaar meist in jenen Armenhäusern, die sowohl Männern als auch Frauen offenstanden. Hausherren führten die Verwaltung gewöhnlich dort, wo nur arme Männer aufgenommen wurden. Im Antoniushospital etwa gab es unter den beiden Provisoren und dem Amtmann noch vier „alterleute“.223 Und auch in den beiden Zwölfmännerhäusern amtierte im 16. Jahrhundert je ein aus der Gemeinschaft der Insassen bestimmter Hausherr.224 219 220

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Elende Aegidii, Urk. 3a. So war es Johan Bolant, der nicht nur Provisor der Elende, sondern auch Bürgermeister war, vor dem „de man vnd de vrouwe, de nu tor tydt jn der elende wonnen“ 1523 Rechenschaft über das sich in der Elende befindliche Hausgerät ablegen mussten. Elende Aegidii, Urk. 6. Auch hier sollten die Provisoren – allerdings ohne Mitwirkung des Rates – das Haus mit frommen Einwohnern besetzen und ihnen befehlen. Haus und Hof durften diese zu ihrer Notdurft gebrauchen, dafür mussten sie aber jeden aufnehmen, der ihnen von den Provisoren zugesandt wurde, und mit ihnen Essen und Trinken teilen. Die Nachlässe von in der Elende Verstorbenen sollten sie zum Wohle des Hospitals verwenden. Sollten sie die Artikel brechen, würden sie, nachdem sie „eins twie van den provisores vermant“ wurden, des Hauses verwiesen. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. In der Elende Lamberti sollten „de genne, de vor jnwonnere jn dath huesß angenommen vnd gesath werden“, fromm, den Provisoren gehorsam sein, „dath huesß myt getruwen flyte forderen“ und den Besitz der Elende „nycht verfrombden“. Was durch ihre Misswirtschaft verloren ginge, „dat sollen se dar helpen wedder by brengen, so velle als se des macht hebnn.“ Auch um die aufgenommenen Pestkranken sollten sie sich in besonderer Weise bemühen und die Kost mit ihnen teilen. „Jn der sterfflyken noith sollen se de krancken troisten vnd stercken, jn den crystenn gelouen myt vermanynge to verduldicheit (= mit Mahnung zur Gelassenheit), dorch ansehent des bytteren lydens vnnd dodes vnses heren vnd verlosers Christi Jhesu.“ Dafür sollten sie „vor ern secker loenn“ von jedem Kranken, so fern dieser es bezahlen könne, täglich einen Schilling erhalten. Diese Regeln einzuhalten mussten sie vor den Provisoren „verwylkoren vnnd lauen“. Bei Zuwiderhandlung konnten die Provisoren sie entlassen. Um die korrekte Wirtschaftsweise der Elender überprüfen zu können, mussten sie den Provisoren einmal jährlich Rechenschaft ablegen. Elende Lamberti, Urk. 1. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 165, fol. 350r. Klötzer, Kleiden, S. 268.

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Das Magdalenenhospital, das Antoniushospital und das Leprosorium Kinderhaus – alle drei befanden sich in Ratsträgerschaft – beschäftigten zudem eine Reihe von Knechten und Mägden für ihre Eigenwirtschaft.225 Den bei weitem umfangreichsten Haushalt führte das Magdalenenhospital. Auf der Gehaltsliste standen nach Ausweis der Jahresrechnungen von 1501 und 1502 drei Müller, außerdem Pförtner, Baumeister, Wagenfahrer, Boten, Knechte und Mägde, ein Koch, ein Küchenjunge und ein Schweinehirt. 1503 umfasste der gesamte „conuente“ 16 Personen,226 nach der Täuferzeit waren es gewöhnlich 15 Personen, die zu Ostern und Michaelis ihren Lohn erhielten und in ihrer Gesamtheit dem Amtmann unterstanden.227 Der Stadtrat selbst nahm gelegentlich die Dienste des Hospitalpersonals in Anspruch, so etwa 1541, als die Fuhrknechte des Hospitals die Bürgermeister und Ratsherren zum Gerichtstag auf den Laerbrock fuhren. Diese waren es auch, die den ratseigenen Fuhrwagen warteten. Dafür erhielten sie allerdings eine entsprechende Entlohnung aus der Kämmerei.228

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In Kinderhaus werden in der Küchenordnung von 1365 zwei „boden“ erwähnt, die an den regelmäßigen Essensverteilungen teilnahmen, wenn auch in geringerem Umfange als die Leprosen. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 4v–5r. Eine zweite Küchenordnung von 1447 belegt eine ähnliche Praxis. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142r–146v. 1399 zog der Kinderhauser Bote Everhard de Alen in die Stadt, um für die Leprosen um Spenden zu bitten, 1405 tat dies Johan tor Byten alias van Munstere. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 20, Urk. 21. In der Frühneuzeit lassen sich schließlich bis zu zwei Knechte und zwei Mägde nachweisen, die anfallende Hausarbeiten übernahmen und die umliegenden Gärten und Grundstücke bewirtschafteten. Armenhaus Kinderhaus, Akten 178. Am 6. Juni 1478 erschien Bernd thon Dychues, Knecht im Antoniushopital, vor dem Offizial und verpflichtete sich, nach seinem Tode eine Rente von 18 Schillingen an den Kapellrektor daselbst abzutreten, auf dass dieser für ihn, seinen Bruder Ludger sowie für Wabele thon Hulsbroke und deren Familie eine Memorie halte. Von der Rente solle man unter anderem auch den Dienstleuten in der Küche neun Quart Bier bezahlen. Antoniushopital, Urk. 16. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3r., fol. 22r, fol. 44r. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 41; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 100ff. A VIII, Nr. 277, Bd. 2, fol. 66v, fol. 74v. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 81.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia Zahlreiche Hospitäler und Armenhäuser wiesen zugleich einen weltlichen wie auch einen geistlichen Charakter auf und existierten so gewissermaßen an der Grenze zwischen sacrum und profanum.1 Diese Zweiteilung zeigt sich einerseits in der baulichen Anlage, wenn diese neben dem Hospitalgebäude auch eine Kapelle aufwies,2 andererseits in der Administration, wo neben den weltlichen Verwaltungskräften Kapellrektoren und Vikare erscheinen, deren Aufgabe die geistliche Betreuung der Insassen war. Die Kommunalisierung bedeutete also keine vollständige Säkularisierung. Allein die Temporalia waren in die Verantwortung des Stadtrates übergegangen, die Spiritualia aber blieben dem Kirchenrecht unterstellt. Dennoch wird auch hier der Gestaltungsspielraum des Stadtrates deutlich, wenn er – nicht als Träger der Fürsorgeinstitution, wohl aber als Laienpatron – den Spitalgeistlichen präsentierte.3

1. Städtische Benefizien in Armenhäusern Nicht nur die materielle Versorgung der Armen, auch ihr geistliches Wohl hatte ein mittelalterliches Hospital sicherzustellen. Dies konnte auf dreierlei Weise geschehen. Zunächst gab es die Möglichkeit, in den Pfarrkirchen ihres Kirchspiels an den Messen teilzunehmen; so besuchten die Bewohner des zum Armenhaus Wegesende gehörigen „luttyken huse“ die Martinikirche.4 Die Bewohner des Haupthauses nutzen hingegen ein eigenes Bethaus („bede-huse“).5 Insbesondere die älteren und größeren Hospitäler verfügten schließlich über eine eigene Kapelle und eigene Geistliche, deren Wirkungsraum allerdings nicht über das Hospital hinausging.6 In Münster waren insgesamt 19 geistliche Benefizien an Armenhäusern angesiedelt, ein weiteres lag in der Aegidiikirche, war aber für die Insassen der Elende Aegidii zuständig. Allein acht Benefizien befanden sich im Magdalenenhospital, fünf im Antoniushospital. In Kinderhaus und im Armenhaus Zurwieck waren je zwei Benefizien fundiert worden, im Hospital in der Venne und im Armenhaus zur Aa je eins. Alle mit einem Benefizium ausgestatteten Armenhäuser befanden sich in der Trägerschaft des Rates. Einzige Ausnahme war das Armenhaus Zurwieck, das den Schöffen von Überwasser 1 2

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Slon, Breslau, S. 22. Besonders interessant ist das Beispiel Kinderhaus, da hier Hospital und Kapelle keine bauliche Einheit bildeten, sondern durch die Friesische Straße voneinander getrennt waren. Ueberfeld, Leprosenkapelle, S. 16; Hillebrand, Münster-Kinderhaus, S. 7; Gimpel, Mildtätige Stiftung. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 64, S. 198. Armenhaus Wegesende, Urk 60. Auch die geistliche Betreuung der Insassen des 1607 gegründeten Armenhauses Warendorf oblag dem Pastor der Lambertikirche. Armenhaus Warendorf, Urk. 1. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 2v. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 101.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

und damit nur indirekt dem Rat unterstand. Die Rektoren der Kapellen des Magdalenenhospitals, des Hospitals in der Venne und des Leprosoriums Kinderhaus hatten das Recht zur Seelsorge, alle anderen Benefizien waren Messbenefizien.7 Mindestens 13, wahrscheinlich aber 14 Benefizien standen unter Ratspatronat. Bis zur Stiftsfehde befanden sich damit wohl alle an Armenhäusern angesiedelten Benefizien in Ratshand. Daneben hatte der Stadtrat das Patronatsrecht über neun weitere Benefizien.8 Das älteste Hospital-Benefizium bestand bereits 1176 und war im Zuge der Kapellengründung des Magdalenenhospitals errichtet worden.9 Es wurde zunächst allerdings von einem Priester des Klosters Überwasser wahrgenommen. Es waren schließlich der Provisor und die Bruderschaft des Hospitals die sich 1236 bei Papst Gregor erfolgreich für eine hospitaleigene Priesterstelle einsetzten. Bischof Ludolf eximierte das Hospital daraufhin aus der Pfarre Überwasser und gestattete einen eigenen Priester wie auch – gegen den Widerstand des Klosters Überwasser – einen eigenen Friedhof. Zu den Aufgaben des Priesters gehörte auch die Seelsorge. 1282 wurde dem Priester Thidericus „curam animarum et custodiam reliquiarum“ übertragen. Damals hatte der Bischof noch das Patronatsrecht inne. Das Patronat des Rates lässt sich erst für das Jahr 1376 belegen.10 Eine erste Vikarie erhielt die Magdalenenkapelle im Jahre 1371 nach dem letzten Willen des münsterischen Bürgers Gerhardus von Clethe. Bereits am 1. März hatte einer seiner Testamentsvollstrecker, Bernhardus uppen Orde, gemeinsam mit seiner Frau Odburgis eine Mark Rente „ad altare sancti Joannis situm in capella hospitalis“ gegeben, die der Rektor des besagten Altars selbst erheben sollte.11 Am 27. Oktober erschien er mit den anderen beiden Exekutoren, Albertus und Joannes Schenckingh, vor Bischof Florentius, um ihm ihre Absicht zu erklären, einen Altar in der Magdalenenkapelle zu errichten. Dieser gab dem Ansinnen nach, und auch die Äbtissin von Überwasser und der Rektor der Hospitalskirche gewährten ihre Zustimmung. Die Ausstattung des Benefiziums sollte neben der erwähnten Mark Rente und einer weiteren Mark Rente, die die drei Exekutoren nach eigenem Bekunden von Bernhardus von der Becke gekauft hatten, aus einem Kapital von 200 Mark bestehen, die sich der

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Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 220. Es sind dies drei Vikarien der Bürgerkirche Lamberti, je zwei Vikarien der Martinikirche und der Servatiikirche, eine Vikarie in der Sendenhorster Pfarrkirche und schließlich das Seelsorgebenefizium im Kloster Niesinck. A XIII, Nr. 50. Vgl. auch MUB 83, MUB 549. 9 MUB 1. Der Kirchweihtag ist unbekannt. Gemäß der Jahresrechnung von 1503 wurde der „kerckwyginge“ aber zwischen dem 13. September und dem 10. November gefeiert. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 46r. Zwischen Bartholomäus 1506 und den elftausend Jungfrauen 1507 errichtete man einen Neubau, der bis 1828 bestand. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 99. 10 WUB 3, Nr. 367; LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 24; WUB 3, Nr. 1156; Magdalenenhospital, Urk. 6. Lahrkamp (Patronatsrecht, S. 215) vermutet einen Übergang zum Stadtrat um 1300. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 10. 11 A XIII, Nr 178. Prinz (MUB 210), der sich auf dieselbe Urkundenabschrift bezieht, liest fälschlich „Elethe“ statt „Clethe“.

1. Städtische Benefizien in Armenhäusern

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Stadtrat verpflichtete in Renten anzulegen. Der Stadtrat war es auch, der nach dem Willen des Stifters Gerhardus von Clethe das Patronatsrecht innehaben sollte.12 Eine zweite Vikarie fundierten der münsterische Priester Gerhardus Dudynch genannt Bartscherer und seine Mutter Margareta am Cyriacus-Altar der Hospitalskapelle. Dazu trat Gerhardus am 11. Juni 1395 vor Bischof Otto, der seine Zustimmung zu dem Vorhaben gab. Anwesend waren auch Mechtild de Schowenborch, Äbtissin von Überwasser, und Levold Perlyn, Rektor der Kapelle, die ebenfalls zustimmten. Ausgestattet wurde das Benefizium mit sieben verschiedenen Renten in Höhe von insgesamt acht Mark, die Gerhardus aus seinem Privatbesitz zur Verfügung stellte. Das Nutzungsrecht für die Renten sollte allerdings auf Lebenszeit bei ihm selbst und seiner Mutter liegen. Das Patronatsrecht sollte dem Rat der Stadt Münster zukommen.13 Noch 1423 existierten nur zwei Vikarien in der Magdalenenkapelle.14 Erst in den folgenden Jahrzehnten entstanden ein neuer Altar und eine dritte Vikarie. Am 26. Februar 1445 erhielt Herr Engelbert Dythardinck als Vikar und Inhaber des Altars Antonius und Katherinen von Herman Gheltenlubber und seiner Frau Lumme eine Rente von einem rheinischen Gulden.15 Über das Patronatsrecht ist nichts bekannt. Es steht aber zu vermuten, dass es beim Stadtrat lag, da Blutsvikarien erst in späteren Zeiten auftreten. Offenbar ist die Vikarie im Zuge der münsterischen Stiftsfehde 1450/57 eingegangen. Letztmalig erwähnt wurde sie am 9. September 1453, als ein viertes Benefizium ins Leben gerufen wurde. Dieses sollte verwendet werden „(...) ad usum secundi rectoris cuiusdam altaris ad laudem omnipotentis dei eiusque gloriose matris et virginis Marie ac sanctorum Anthonij confessoris et Katherine virginis in capella beate Marie Magdalene infra pontes lapideos dicte ciuitatis Monasteriensis consecrati, quod hactenus per vnum dumtaxat rectorem gubernari consueuit.“16

12 A XIII, Nr. 50, fol 22v–23r. Die zweite Rente besaßen die drei Exekutoren zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht. Sie kauften sie erst einen Monat später am 25. November. A XIII, Nr. 53, fol. 3v–4r. 13 Eine der gestifteten Renten hatte er bereits 1373 erworben, eine weitere nur ein Jahr später. MUB 221; MUB 225; Magdalenenhospital, Urk. 14. 14 Im Februar 1410 hatte der Kapellrektor Levold Perlyn von Peter Lymborch und seiner Frau Mette eine Rente gekauft, aus der er unter anderem den „twen altaristen ton hospitale“ je drei Heller abtreten sollte. Magdalenenhospital, Urk. 10. Als in Erfüllung des Testaments des Joannis Klunsevoth 1423 jeder Kleriker der Diözese bedacht wurde, erschienen neben dem Rektor lediglich zwei Vikare. MUB 498. 15 Magdalenenhospital, Urk. 54. Ducornu (Magdalenenhospital, S. 112), Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 50f.) und Schoppmeyer (Patrimonialbenefizien, S. 51) kennen diese Vikarie nicht und nennen für das Magdalenenhospital entsprechend nur sechs Vikarien. 16 „Zum Nutzen eines zweiten Rektors eines gewissen zum Lobe des allmächtigen Gottes, seiner ruhmreichen Mutter und Jungfrau Maria sowie des heiligen Bekenners Antonius und der Jungfrau Katherina in der Kapelle der heiligen Maria Magdalena innerhalb der Steinbrücken besagter Stadt Münster geweihten Altars, der bisher durch nur einen Rektor verwaltet wurde.“ Magdalenenhospital, Urk. 59.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Initiatorin dieser vierten Vikarie war Bertradis, die Witwe des Egbertus Kremers, die in ihrem Testament Entsprechendes verfügt hatte. Die Umsetzung wurde nicht durch ihre Exekutoren, sondern durch den Rat selbst betrieben. Während der Stiftsfehde war der Bischofsstuhl vakant, und Hinricus Korte, Domvikar, Siegler der münsterischen Kurie und Generalvikar in geistlichen Angelegenheiten, führte kommissarisch die Geschäfte. Vor ihm erklärten die Ratsherren ihr Anliegen und stellten dafür vier Renten aus dem Besitz der Stifterin in Höhe von insgesamt 21 Gulden zur Verfügung. Allein 18 dieser Gulden sollte jährlich das Grutamt zahlen – eine Verpflichtung, der dieses wohl kaum nachgekommen sein dürfte, denn bereits seit Ende 1451 war die Stadt nicht mehr zahlungsfähig.17 Und so waren Zustiftungen anderer Christgläubiger ausdrücklich erwünscht. Das Patronatsrecht hingegen erhielten – auf ihr Bitten – die Ratsherren. Auch die Äbtissin von Überwasser und der Rektor der Hospitalkapelle signalisierten Zustimmung.18 Eine weitere Vikarie unter dem Patronat des Rates wurde 1493 gegründet und als zweite Vikarie am Johannisaltar angesiedelt. Ein Gründer der Vikarie war wohl Bernardus Wisse genannt Gruter.19 Sein Mitfundator war wohl der münsterische Kleriker Hinricus van Vienden. Am 5. Februar 1493 übergab er eine Rente von 8 rheinischen Gulden „(...) in supplementum et augmentum ffundationis cuiusdam benefitij secundj jam ad altare beati Johannis Evangeliste jn capella beate Marie Magdalene (...)“20 Am 13. April präsentierten dann die Bürgermeister und Ratsherren dem Gottschalk Celle, Rektor der Hospitalskapelle, eben jenen Hinricus van Vienden. Es ist davon auszugehen, dass dies die erste Besetzung der Vikarie war, da in dem Präsentationsbrief ein Vorgänger nicht genannt wird und der Rat ausdrücklich sein „de pleno consensu fundatorum“ zugestandenes Recht auf die erste Präsentation feststellt.21 Da das Patronat des Seelsorgebenefiziums am Magdalenenhospital zunächst noch beim Bischof lag, war das älteste Benefizium unter Ratspatronat jenes, das 1249 im Hospital in der Venne errichtet wurde. Der dem Hospital zugewiesene Priester sollte zudem das Tauf- und Begräbnisrecht erhalten. Dies beschlossen der Propst zu Sankt Mauritz als Archidiakon in Amelsbüren sowie der Vicedominus der Kirche zu Münster mit Zustimmung des Amelsbürener Pastors. Sie handelten dabei auf Bitte „proborum virorum“, was sicherlich die Ratsherren bezeichnete. Auch unter den Siegeln der Urkunde findet sich jenes der Stadt Münster. Mit der Aufhebung des 17 A I, Nr. 2, III, fol. 17v–18r. 18 Magdalenenhospital, Urk. 59. 19 Aus der alten Hospitalkapelle hat sich ein 18 ½ cm hoher vergoldeter Silberkelch mit der Gravur „Bernhardvs Wisse alias Grvter, qui alteram vicariam fvndavit, dedit, orate pro eo, 1521“ erhalten. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 112; Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 487. 20 „Zur Ergänzung und Unterstützung der Fundation eines bereits (bestehenden) zweiten Benefiziums am Altar des heiligen Evangelisten Johannes in der Kapelle der heiligen Maria Magdalena.“ BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 34/1, fol. 3v–5r. 21 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 34/1, fol. 5r. Schoppmeyer (Patrimonialbenefizien, S. 55) sieht den Erstbeleg für diese Vikarie erst im Jahre 1539.

1. Städtische Benefizien in Armenhäusern

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Hospitals wurde die Venne eine allgemeine Pfarre. Auf sein Präsentationsrecht für die Venner Kapelle – wie auch für die von Kinderhaus – verzichtete der Stadtrat erst 1967.22 Für die Ausstattung der Kinderhauser Kapelle wurde kein Benefizium fundiert, sondern ein bereits bestehendes 1333 nach Kinderhaus verlegt. Ursprünglich war es wohl am Marienhospital angesiedelt, das nur wenige Jahre zuvor eingegangen sein dürfte. Am 7. März 1342 wurde Kinderhaus zum Rektorat erhoben. Dies bestätigten der Bischof, die Äbtissin von Überwasser und der Stadtrat in drei weitestgehend identischen Urkunden. Der vom Stadtrat zu präsentierende und vom Dechanten der Überwasserkirche zu investierende Rektor sollte den Leprosen fortan die kirchlichen Sakramente, die gemeinsame Eucharistie, die letzte Ölung und ein kirchliches Begräbnis spenden.23 Entgegen der Bestimmung der drei Rektoratsurkunden von 1342, neben dem Hauptaltar keine weiteren Altäre zu errichten, tat man 1449 genau dies. Offenbar fühlte man sich nach dem 1399 erfolgten Neubau der Kapelle nicht mehr an das Gebot gebunden. Bereits 1439 überwies der Stadtrat seinem Stadtschreiber Johan Porterhagen eine Leibzuchtrente von 12 Gulden. Nach dessen Tod sollte die Rente halb an die Venner Kirche fallen, halb an ein neues Lehen in Kinderhaus, das Herr Hinrich Hesselman dem Rat zu stiften versprochen hatte. Hielte dieser sein Wort nicht, sollten die 6 Gulden „to beteringe ander vnses stades leen“ verwandt werden. Dazu kam es nicht. Zehn Jahre später, am 22. Februar 1449, verfügte der Rat neben diesen 6 Gulden über weitere 5 Gulden Rente, mit denen er den Kleriker Johan Durjar ausstattete. Nach dem Tode des Priesters Helmich Gruter sollten 6 weitere Gulden Rente hinzukommen. Dazu wollte der Rat binnen Jahresfrist ein Lehen schaffen. Präzise am 21. Februar 1450 erschienen die Ratsherren vor Hinrich Korte als geistlichem Generalvikar – der Bischofsstuhl war bereits vakant – der der Errichtung einer Vikarie am Altar der Jungfrau Maria zustimmte. Da die Vikarie in der Gertrudiskapelle, diese wiederum im Kirchspiel Überwasser lag, wäre auch die Anwesenheit des Kapellrektors und der Äbtissin von Überwasser zu erwarten gewesen, die jedoch beide fernbleiben. Die Ausstattung des Priesters hatte sich inzwischen von 17 Gulden auf 20 Gulden und 1 Mark erhöht. Zudem bekam der Vikar die Einkünfte des Swartekottens zugesprochen. Das Patronat übernahm auf eigenen Wunsch der Stadtrat.24 Die Pest von 1350 war zweifellos der Anlass zur Fundierung eines Rektorats auf einem Friedhof jenseits der Stadtmauern, wo zeitgleich oder nur wenige Jahre später das Antoniushospital entstehen sollte. Auf Initiative des Rates ließ der Bischof dort eine Kapelle errichten, für dessen Rektorat der Stadtrat 8 Mark jährlicher Rente zur Verfügung stellte. Dieser sollte auch das Patronat über das Benefizium haben. Da die Kapelle im Mauritzkirchspiel lag, bedurfte es der Zustimmung des Kapitels St. 22 Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 1; Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4, Urk. 5; Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 214; Lambacher, Patronatsrecht, S. 20. 23 MUB 89; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2, Urk. 3, Urk. 4. 24 Crabus, Kinderhaus 1333–1533, S. 28; Magdalenenhospital, Urk. 49; A XIII, Nr. 258.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Mauritz, die dieses mit einer Urkunde vom 3. August 1350 gewährte. Wie in der Urkunde vermerkt, sollte auch hier kein weiterer Altar errichtet werden.25 In Kinderhaus brach der Stadtrat diese Vorgabe 1449, in der Antoniuskapelle 1453. Bereits am 28. September 1445 hatten Bürgermeister und Rat im Namen des münsterischen Ritters Ludolphus de Ludinckhusen aus dessen Gütern zwei Offizien im Armenhaus Zurwieck und in der Antoniuskapelle gegründet. Am 14. September 1453 erschienen Bürgermeister und Ratsherren vor dem Generalvikar Hinrich Korte und äußerten ihren Wunsch, das Offizium in der Antoniuskapelle in ein kirchliches Benefizium umzuwandeln. Johannes Bisschopinch, der bisherige Inhaber des Offiziums, hatte kürzlich resigniert, sodass das Amt nun unbesetzt war. Das neue Benefizium sollte an dem zweiten Altar angesiedelt werden, der erst kürzlich „in honore sanctorum Johannis apostoli et euangeliste ac Jacobi maioris apostoli, trium regum ac aliorum sanctorum et sanctarum consecratum“ errichtet worden war. Zur Ausstattung stellte der Rat 28 Gulden Rente zur Verfügung, von denen allein 12 Gulden aus dem Grutamt kamen. Hinrich Korte und mit ihm der Dechant der Mauritzkirche und der Rektor der Antoniuskapelle stimmten dem Ansinnen des Rates zu. Dieser übernahm auch das Patronat und bestimmte zum ersten Inhaber des Benefiziums und der Vikarie Conradus Polman junior. Da dieser bei seiner Präsentation allerdings erst zwölf Jahre alt war, sollten seine Aufgaben von einem Tauschpartner (compermutans) übernommen werden. Die Kollation Polmans erfolgte am 21. Juli 1458.26 Am 9. Juni 1429 traten Engelbertus van der Wyck sowie die Brüder Gerhardus, Bertoldus und Johannes Cleyhorst27 vor den versammelten Stadtrat und trugen ihre Absicht vor, für die Bewohner des Armenhauses Zurwieck ein geistliches Offizium zu stiften, damit diese ihre Messen nicht mehr in der Parrochialkirche Überwasser hören müssten. Zu diesem Zweck stellten sie Mittel aus ihren eigenen Gütern zur Verfügung, mit denen ein geeigneter Kleriker eingestellt werden sollte, im Armenhaus an einem dem Heiligen Geist geweihten Tragaltar („in altari portaliti“) die Messe zu lesen. Es sollten wöchtlich drei Messen – eine den Verstorbenen, eine dem heiligen Kreuz, eine der Jungfrau Maria – gelesen werden, außerdem je eine am Vorabend der vier Hochfeste, und dies „(...) absque tamen ecclesie parrochialis antedicte et plebani eiusdem preiudicio temporibus sibi congruis devote celebrabit, donec et quousque consensus rectoris predicte ecclesie parrochialis pro ecclesiastico perpetuo beneficio inibi fundando acqiratur ac altare consecratum erigatur.“28 25 Antoniushospital, Urk. 1. 26 Antoniushospital, Urk. 9; A XIII, Nr. 356, fol. 6vf.; A XIII, Nr. 50, fol. 7r. 27 Engelbertus ist Ratsmitglied und 1433 Bürgermeister. Gerhardus sitzt spätestens 1433 im Rat, ab 1437 als Bürgermeister. Aders, Bürgerbuch, S. 34f.; MUB 642. 28 „Und zwar ohne rechtliche Einschränkung der vorgenannten Parrochialkirche und ihres Plebans und zu ihm genehmen Zeiten, soweit und solange bis das ebenda fundierte dauerhafte geistliche Benefizium die Zustimmung des Rektors der vorgenannten Parrochialkirche findet und ein geweihter Altar errichtet ist.“ A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 64.

1. Städtische Benefizien in Armenhäusern

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Der erste Priester auf dieser Stelle sollte Herr Wolterus Goer sein, die beiden darauffolgenden Einstellungen („instituciones“) oder – falls das Offizium einmal in ein kirchliches Benefizium umgewandelt werden sollte – Präsentationen („presentaciones“) sollten durch die drei Brüder oder ihre Erben erfolgen, erst danach durch den Stadtrat.29 Bestrebungen zur Umwandlung in ein Benefizium gab es bereits 1438, als Helmige Gruter versprach, nach seinem Tode eine Rente von 6 Gulden „to behoff eyns nyen leyns, to stichten in der capellen vp den Honekampe“ zu spenden.30 Bevor es dazu kam, stattete Ludolphus de Ludinckhusen am 28. September 1445 aus seinen Gütern ein zweites Offizium aus und beauftragte den Stadtrat, dieses soweit möglich in ein Benefizium umzuwandeln. Angesiedelt werden sollte es „in domo hospitalis dicta tor Wyck vppen Honekampe in parrochia ecclesie beate Marie virginis Transaquas dicte ciuitatis Mon. in et super altari portatili ibidem“31 Wohl erst Anfang 1471 bewilligte der Bischof von Münster im Armenhaus Zurwieck die Weihung einer Kapelle mit Altar und die Verwaltung der Sakramente.32 Dies stieß allerdings auf den erbitterten Widerstand der Äbtissin von Überwasser, Ida van Hovele, in deren Kirchspiel das Armenhaus lag. Am 26. März 1471 legte Johannes de Dinghden, Advokat des erzbischöflichen Hofes zu Köln, im Namen der Äbtissin beim heiligen Stuhl Widerspruch ein. Tatsächlich war die Kapelle geweiht worden, ohne ihre Zustimmung erfragt oder erhalten zu haben („consensu non requisito vel obtento“). Auch sei der Altar widerrechtlich mit „nullis redditibus annuis aut bonis“ ausgestattet. Dennoch hielten sich die Provisoren und Armen „duos capellanos, vt false assueuerunt“. So gingen der Überwasserkirche Spendengelder verloren, die eigentlich „ad fabricam“ gehen sollten.33 Der Streit konnte schließlich beigelegt werden. Am 31. Oktober erschienen beide Bürgermeister und vier weitere Ratsherren in Stellvertretung für den gesamten Rat vor dem Generalvikar Hinricus Romer. Sie berichten von dem Wunsch der vier Stifter – von ihnen lebte allein Johan Cleyhorst noch – das Offizium in ein geistliches Benefizium umzuwandeln, dem die ebenfalls anwesende Äbtissin und der Dechant der Überwasserkirche nun stattgeben. Das Benefizium solle mit 19 Gulden jährlicher Renten ausgestattet und am bereits geweihten Altar der Hospitalskapelle angesiedelt werden. Weitere Altare sind nicht gestattet. Die Präsentation solle zunächst durch die Stifterfamilie, dann durch den Rat erfolgen, die Kollation und Investitur aber beim Dechanten der Überwasserkirche liegen.34 29 30 31 32

A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v. Vgl. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 470. Armenhaus Zurwieck, Urk. 4. Antoniushospital, Urk. 9. Vgl. auch Armenhaus Zurwieck, Urk. 7. Tibus (Stadt Münster, S. 328) vermutet wohl fälschlich, dass die Kapelle bereits mit dem Armenhaus erbaut wurde. 33 LAV NRW W, Studienfonds Münster, Stift Überwassser, Urk. Nr. 211. 34 Weiterhin hatte der Priester alle anfallenden Spenden am großen Altar der Überwasserkirche abzugeben. Zudem durfte er keine Sakramente verteilen. Vielmehr verblieben Seelsorge und Parrochialrecht vollständig bei der Äbtissin und dem Dechanten. Um eine Konkurrenz zum Dechanten zu vermeiden, durfte der Priester erst nach der siebten Stunde Messe feiern, es sei denn mit ausdrücklicher Erlaubnis des Dechanten. Und

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Die Errichtung einer Vikarie im Armenhaus zur Aa verlief dagegen vergleichsweise unkompliziert. Bei der Abfassung der auf den 27. Mai 1459 datierten Stiftungsurkunde orientierte man sich an jener der ersten Vikarie des Armenhauses Zurwieck von 1429. Es waren die beiden Ratsherren Gerhardus Cleyhorst und Johannes Warendorp, die als Handgetreue der verstorbenen Elizabet Warendorf vor dem Stadtrat den Wunsch zur Einstellung eines Priesters äußerten, der – wie anfangs im Armenhaus Zurwieck – seinen Dienst an einem Tragaltar im Armenhaus versehen sollte. Ausgestattet werden sollte das Offizium mit 12 Gulden Rente, die die beiden Exekutoren 1449 für 216 Gulden aus dem Gruthaus gekauft hatten. Der Priester solle wöchentlich drei Messen halten. Eine Absprache mit der Martinikirche sei dabei nicht nötig, bis das Kapitel des Martinistifts die Zustimmung zu einem eigenen Altar im Armenhaus gegeben habe. Erster Besitzer des Offiziums sollte der Domvikar Bernhardus Westerrot sein. Die zweite und dritte Einstellung oder Präsentation oblag den beiden Exekutoren oder ihren Erben. Danach sollte der Stadtrat das Präsentationsrecht erhalten.35 Von den 13 bis 1460 fundierten Benefizien entstanden allein fünf im Zeitraum zwischen 1445 und 1460. Auffällig ist nicht nur die hohe Zahl von Fundationen während dieser wenigen Jahre, sondern auch der hohe Anteil von Grutamtsrenten bei der Ausstattung. Tatsächlich hatte der Rat in den ersten Jahren der Stiftsfehde in großem Umfang Renten auf den städtischen Kapitalmarkt geworfen, bis er schließlich nicht mehr in der Lage war, seine finanziellen Verpflichtungen zu bedienen.36 Der Marktwert der hier verwendeten Grutamtsrenten dürfte also erheblich unter ihrem Nominalwert gelegen haben. Es scheint, als hätten viele Renteninhaber aus der Not eine Tugend gemacht und ihre Grutamtsrenten gestiftet.

2. Das Patronatsrecht des Rates Der Stadtrat konnte auf verschiedenen Wegen in den Besitz des Patronatsrechtes kommen. Die Ausstattung des Rektorats der Antoniuskapelle etwa übernahm der Rat 1350 aus eigenen Mitteln und leitete daraus einen direkten Anspruch auf das Patronat ab.37 Das Kinderhauser Rektorat hingegen wurde 1342 mit vier Höfen aufschließlich hatte er an den Prozessionen, die am Kirchweihtag und am Freitag vor dem Geburtsfest Johannes des Täufers (24. Juni) entlang der Grenzen des Kirchspiels innerhalb der Mauern stattzufinden pflegten, teilzunehmen. A XIII, Nr. 284, fol. 1r–2r. Vgl. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 110f.; Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 217f. 35 Armenhaus zur Aa, Urk. 30. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 71. Der Nachweis einer Kapelle (so Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 183) ist 1459 noch nicht gegeben. 36 A IX, Nr. 0; A I, Nr. 2, III, fol. 17v–18r. 37 „Huiusmodique capellam consules et scabini dicte civitatis Mon. cum redditibus octo marcarum denariorum in civitate Mon. usualium annualibus aut cum pluribus, quod in eorum optione erit, dotabunt sub modo et forma seu articulis infrascriptis, videlicet quod huiusmodi capelle ius patronatus et rectoris eiusdem capelle presentacio ad consules et scabinos civitatis Mon. predictos perpetue pertinebit.“ Antoniushospital, Urk. 1.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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gebessert, die Udo von der Tinnen zuvor dem Leprosorium überschrieben hatte. Als Träger der Institution konnte der Rat damit auch hier „ecclesie leprosorii predicti jus patronatus et rectoris eiusdem ecclesie tor Kynderhus presentacio“ beanspruchen.38 Ähnlich verhielt es sich wohl im Falle des Rektorats am Venner Hospital, das wohl zu großen Teilen durch das dem Rat unterstehende Magdalenenhospital ausgestattet worden war.39 1249 wurde dem dortigen Priester auf Bitten „proborum virorum“ die Seelsorge gewährt, womit zweifellos die Mitglieder des Stadtrates gemeint sind, der auch siegelte.40 1255 schließlich, nachdem das Rektorat in den Stand einer Pfarre erhoben worden war, bestätigte der Rat, dem Priester Lutbertus die Venner Kapelle übergeben zu haben.41 Dass von einem Kollations- und Investiturrecht des Rektors der Amelsbürener Kirche als nächsthöherer kirchenrechtlicher Instanz nichts bekannt ist, lässt vermuten, dass der Rat zunächst – anders als bei allen anderen städtischen Benefizien – das Eigenkirchenrecht innehatte und über die Besetzung des Priesters allein und aus eigener Machtvollkommenheit verfügen konnte.42 Das Rektorat der Magdalenenkirche hingegen wurde vom Bischof ausgestattet, und entsprechend übte dieser zunächst auch das Patronatsrecht aus. Nach 1282 ging dieses Recht auf den Stadtrat über.43 Damit hatte sich der Stadtrat – sei es durch finanzielle oder politische Interaktion – gezielt und erfolgreich um das Patronatsrecht über alle vier an Hospitälern angesiedelten Seelsorgebenefizien bemüht. Bei Messbenefizien hingegen erhielt der Rat das Patronatsrecht gemäß dem jeweiligen Willen des Stifters,44 wenngleich der Rat auch hier selbst aktiv werden konnte.45 38 39 40 41 42 43 44

Armenhaus Kinderhaus, Urk. 3. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 5r–5v. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 1. „Capellam sancti Johannis uppen Vene (…) porrexisse“. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 84. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r; WUB 3, Nr. 1156. Bei der Fundierung der ersten Vikarie im Magdalenenhospital im Jahre 1371 bestimmten etwa die Testamentsverwalter des Gerhardus von Clethe, dass „cuius altaris ius patronatus apud proconsules et scabinos Monasterienses perpetuis temporibus permaneret“, ein Wunsch, dem Bischof Florentius Zustimmung gewährte. A XIII, Nr. 50, fol. 22v–23r. 45 Die vierte Vikarie der Magdalenenkapelle wurde 1453 auf Bitten der Bürgermeister und Ratsherren vom Generalvikar bestätigt. Diese hatten sich im Namen der Testamentsexekutoren der Betradis Kremers für die Errichtung eingesetzt. Auf Bitte der Ratsherren hin übertrug der Generalvikar ihnen auch das Patronatsrecht. Magdalenenhospital, Urk. 59. Ähnlich agierte der Rat im Namen des Ritters Ludolphus de Ludinckhusen bei der Errichtung der ersten Vikarie des Antoniushospitals im selben Jahr. Antoniushospital, Urk. 9. Bereits drei Jahre zuvor waren Bürgermeister und Rat vor dem Generalvikar erschienen, um – sicherlich im Auftrag des Stifters Hinrich Hesselman – die Kinderhauser Vikarie zu errichten. Sie legten ihm eine Patronatsurkunde („quandam patronatus litteram“) vor, nach der sie den Priester Johan Durjar bereits präsentiert hatten. Zudem verwalteten sie bereits die finanzielle Ausstattung des Benefiziums. Entsprechend forderten sie für sich das Patronat, was ihnen auch bewilligt wurde: „Voluerunt itaque et ordinarunt ijdem proconsules et consules quod jus patronatus et presentatio ad dictum benefitium dum et quoties jpsum vacare contigerit ad jpsos et successores eorum proconsules et consules perpetuis futuris temporibus spectare debeat et pertinere.“ A XIII, Nr. 258.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Zu den Aufgaben des Rates als Patron gehörte die Erfüllung der Stiftungsbedingungen und die Aufsicht über das Benefizialvermögen.46 Die wichtigste Befugnis war aber das Präsentationsrecht. Seine Bedeutung wird schon dadurch augenscheinlich, dass es in den Fundationsurkunden oftmals gesondert neben dem Patronatsrecht genannt wird, obwohl es eigentlich Bestandteil desselben ist.47 Wer sich auf ein Benefizium bewarb, musste vertrauenswürdig (discretus), fähig (abilis), geeignet (ydoneus), und fromm (devotus) sein.48 Außerdem musste er entweder bereits Priester sein oder spätestens ein Jahr nach Amtsantritt zum Priester promovieren. Kam er dem nicht nach, verlor er binnen eines Jahres seine Ansprüche, und der Rat präsentierte einen Nachfolger. Allein die Statuten der Rektoratsstelle des Antoniushospitals sahen für diesen Fall ein Verfahren vor, das der Rat sicherlich peinlichst zu vermeiden suchte: „Ius vero patronatus et presentacio rectoris semper ad consules et scabinos perpetue pertinebit, nisi tantum cum presentatus per ipsos consules et scabinos non fuerit promotus ad sacerdocium infra annum tunc tantum illa vice decanus et capitulum instituent alium.“49

Der Grundsatz des Rates, nur münsterische Bürgersöhne zu berücksichtigen, ist in späterer Zeit gut bezeugt50 und auch schon für das Mittelalter zu erwarten.51 Voraussetzung war wohl auch eine eheliche Geburt.52 Da solches in den Fundationsurkunden allerdings nicht festgeschrieben war, handelte der Rat dahingehend in eigenem Ermessen. Gemäß der Gründungsurkunde der ersten Vikarie des Antoniushospitals oblagen Tauglichkeit und Eignung dem Gewissen der Ratsherren.53 Die Gesuche der Bewerber wurden in der Ratsversammlung verlesen und geprüft. Danach erfolgte eine Abstimmung. Sodann musste der Gewählte vor dem Rat er46 Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 215. 47 Beck, Soziale Einrichtungen, S. 39. So bestimmte der Generalvikar bei der Errichtung der vierten Vikarie des Magdalenenhospitals: „Necnon post dicti domini Hinrici obitum seu resignacionem liberam aut aliam huiusmodi beneficij legitimam vacanciam ius patronatus huiusmodi beneficij necnon ad ipsum presentandi et nominandi personam abilem et ydoneam, dum et quotiens ipsum beneficium vacare contingerit perpetuis temporibus a data presencium spectabit et pertinebit ad proconsules et consules ciuitatis Monasteriensis antedicte pro tempore existentes.“ Magdalenenhospital, Urk. 59. 48 Magdalenenhospital, Urk. 59; Antoniushospital, Urk. 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 30. 49 „Das Patronatsrecht aber und die Präsentation des Rektors werden immer und stets bei den Ratsherren und Schöffen verbleiben, es sei denn, der durch jene Ratsherren und Schöffen Präsentierte werde nicht innerhalb eines Jahres zum Priester geweiht, dann nämlich werden Dechant und Kapitel einen anderen in die Stelle einführen.“ Antoniushospital, Urk. 1. Dem Dechanten von St. Martini oblag in diesem Fall auch die Entlassung des nicht in Jahresfrist Promovierten. Antoniushospital, Urk. 5. 50 Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 222. 51 Als der Bischof den Rat 1521 um die Präsentation seines Hofdieners Johan Mey bat, betonte er ausdrücklich, dass „he eyn geboren borgers kynt vnser stadt Munster ys“. A XIII, Nr. 177, fol. 2. 52 Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 87. 53 „Habilitas autem et idoneitas dicti presentati conscientijs ipsorum proconsulum et consulum relinquatur“. Antoniushospital, Urk. 9.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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scheinen und ein Treuegelöbnis ablegen.54 Der älteste überlieferte Eid ist der des ersten Kinderhauser Rektors, den dieser am 25. September 1343 ablegte und der ihn faktisch den Anweisungen der Hospitalprovisoren unterstellte. Er lautet: „Ego, Wesselus de Perlinctor, rector capelle leprosorij leprosorum tor Kinderhus prope ciuitatem Monasteriensem, notumfacio, cum discretis viris consulibus et scabinis civitatis Monasteriensis promisi presentibus et promitto quod in lignis domibus et hominibus spectantibus ad dotem dicte capelle tor Kinderhus nullam desolacionem dictam wostinghen seu permutationem facere debebo temporibus vite mee nisi fuerit de scitu prouisorum dictj leprosorij pro tempore ibidem existencium.“55

Andernorts ist ein derartiger Einfluss der Provisoren nicht belegt. Dafür wurde der zu leistende Eid mit der Zeit komplexer. Als der Priester Hinrich Hesselman am 20. Dezember 1443 auf das Rektorat des Antoniushospitals vereidigt wurde, wies sein Eid bereits neun Artikel auf. Zudem bedurfte es nun zweier Bürgen – „Godert Lynen vnd Johan Strobuck, borgere to Munster“ – die die Einhaltung der Artikel garantierten und für etwaige Schäden einstanden.56 Inhaltlich verpflichtete sich der Benefiziant dazu, keine Renten des Benefiziums zu veräußern und dennoch veräußerte Renten nach all seiner Macht zurückzukaufen. Auch durfte er sein Amt nicht verkaufen oder irgendwie verändern, wenn nicht mit Zustimmung des Rates. Er sollte dem Rat und der Stadt Münster Treue erweisen und ihnen getreu zu Diensten sein, sofern sie dieser bedürften. Nicht zuletzt war der Eid ein Instrument des Rates, mögliche Streitigkeiten mit der Geistlichkeit, die durch den geteilten Charakter der Benefizien drohten, von Vorneherein zu eigenen Gunsten zu beeinflussen. So musste der Benefiziant sich verpflichten, sich nicht an den heiligen Stuhl zu Rom zu wenden um irgendeiner Sache willen, die dem Eid widersprächen. Auch der Aufenthalt in Rom war dem Priester ohne Erlaubnis des Stadtrates verboten, es sei denn, er hätte zuvor resigniert. Grundsätzlich sollte er Bürger der Stadt Münster „myt neynen anderen gerichten kroden“, sondern „der stades rechten volghen vnd dar by bliuen“, sich also der lokalen weltlichen Gerichtsbarkeit unterwerfen.57 Brach er eine

54 Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 89f. 55 „Ich, Wesselus de Perlinctor, Rektor der Kapelle des Leprosoriums der Leprosen zu Kinderhaus bei der Stadt Münster, mache bekannt, dass ich den vornehmen Herren Bürgermeistern und Schöffen der Stadt Münster mit dieser (Urkunde) versprochen habe und verspreche, dass ich mich verpflichte, von den Hölzern, Häusern und Menschen, die zur Ausstattung der genannten Kapelle zu Kinderhaus gehören, Zeit meines Lebens keine Desolation, genannt Wüstung, oder Veränderung zu machen, wenn nicht mit Wissen der Provisoren des genannten Leprosoriums, die zu der Zeit dort amtieren.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 8r. 56 Antoniushospital Urk. 8. Als am 26. Juni 1461 Theodericus Rover die Vikarie in Kinderhaus übernahm, hat auch er „den vorgenompten borgermesteren vnd raide gelouet vnd loue, dat ick de soluen officiacien sall vnd will truwliken hoden vnd waren by eren rechte vnd renthen“. Als Bürgen benannte er Dyrick de Grove und Johannes Kakesbecke, beide Bürger zu Münster. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 44. 57 Antoniushospital, Urk. 8; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 44; A XIII, Nr. 51, fol. 32r– 33v. Faktisch kam dem Stadtrat die Gerichtsbarkeit über die Benefizien nicht zu. Klagen

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

dieser Regeln, dann ging er nach Ermessen des Stadtrates seines Lehens verlustig.58 Der freiwilligen Resignation kam dabei eine besondere Bedeutung zu, denn gemäß Kirchenrecht konnte der Rat keinen Benefizianten seines Kirchenamtes entheben. Es lag also im Interesse des Rates, den Benefizianten schwören zu lassen, im Streitfall nicht mit kirchlichen Rechtsmitteln gegen den Rat vorzugehen.59 Übernahm der Benefiziant das Amt nur „bona fide“, waren weitere Artikel erforderlich. So versprach Hinrich Hesselman, er wolle sein geistliches Lehen in die Hände des Rates auflassen und resignieren „tho nuth vnd behoff Hermanni, Johans Hesselmans, myns broders, sone, borgers to Munster“, sobald dieser alt genug und zum Priester promoviert sei. Auch wenn besagter Hermannus vorher sterbe, werde er sofort sein Amt aufgeben.60 1549 ließ die Stadt ein „Liber Beneficiatorum Senatus Civitatis Monasteriensis“ anlegen, in dem die Eidesformel vereinheitlicht wurde. Sie beginnt mit den Worten: „Ick, N, bekenne und lave alhir gegenwordig by rechten waren truwen an geschworen eydtz stat vor jdermenniglichen, dat jck sodan lehen, vikarie ader benefitium, als my ein ersam rath deser stadt Munster jtz lutter umb Gots willen verlehent unnd dar up presentirt, sall und will by sinen alingen gerechtigheidenn, upkumpsten, renthen und tobehoringen getruwelich verwaren, beholden und conserviren, dar van oick geine renthe, siegell, breve of ander gerechtigheidt entfrembden, verbrengen noch aen vorwitten des raidtz enicher mathen versetten of verkopen.“61

Dort findet sich auch eine leicht abweichende Version für jene, die das Amt nur bona fide – also auf begrenzte Zeit und in Vertretung des eigentlichen Inhabers, aber mit vollen Einkünften62 – übernahmen, sowie eine eigene Eidesformel für die Bürgen.63 Fortan musste sich jeder Priester bei Amtsantritt eigenhändig in das Benefiziantenbuch eintragen.64 Insbesondere der Artikel des Eides, „dem raide vnd der stad Munster truwe“ zu erweisen und ihnen „to denste“ zu sein „alz ze des noet vnd behoff hebn“,65 gaben dem Stadtrat die Möglichkeit, ihre Benefizianten – gegen ensprechende Entlohnung – auch anderweitig einzusetzen. So schickte er den Rektor der Magdalenenkapelle 1447/48 und 1448/49, also während der Soester Stiftsfehde, die 1450 schließlich in

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gegen Geistliche wurden vor dem Offizialgericht geführt, Revisionen gingen an das Metropolitangericht Köln. Vgl. Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 226f. So etwa wurde Johan Suttorp, Vikar im Armenhaus zur Aa, 1565 vom Stadtrat zur Resig­nation gezwungen, nachdem er eine Klosterjungfer geschwängert hatte. Heinrich Wermeling, Rektor der Antoniuskapelle, trug keine geistliche Kleidung, bestahl den Opferkasten und wurde 1602 dafür des Amtes enthoben. 1566 konnte Heinrich Velcker, auch er Vikar im Armenhaus zur Aa, der Resignation entgehen, indem er sich verpflichtete, seine Konkubine zu entlassen. Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 226. Lambacher, Patronatsrecht, S. 28; A XIII, Nr. 51, fol. 32r–33v. Antoniushospital, Urk. 8. A XIII, Nr. 51, fol. 32r–33v. Lambacher, Patronatsrecht, S. 28. A XIII, Nr. 51, fol. 34rf., fol. 35r. A XIII, Nr. 51, fol. 23r. Vgl. Lambacher, Patronatsrecht, S. 26ff. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 44.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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die münsterische Stiftsfehde mündete, mehrmals nach Soest, außerdem nach Hessen und Beckum. Die Reisekosten übernahm jeweils die Kämmerei.66 Auch die Rektoren und Vikare der Kinderhauser Kapelle machten sich für das Leprosorium nützlich. So stammte dessen ältestes Rentregister von 1365 aus der Feder des Rektors Wesselus de Perlincktorpe.67 Als 1450 an der Kapelle ein Vikar eingestellt wurde, übernahm dieser offenbar die Rechnungsführung, bis 1529 schließlich die Stelle eines Amtmanns geschaffen wurde. 1558 wurde eine Liste der Kinderhauser „ampthluden“ aufgestellt, die noch vor dem ersten Amtmann Macharius Focke einen gewissen „herren Otthen Brockynck“ nennt. Otto Brockinck, als einziger der vier genannten Personen ein Geistlicher, war bis 1522 Pastor in der Venne gewesen und nahm danach die Stelle des Kinderhauser Vikars an, bis er vermutlich 1528 oder 1529 starb.68 Weltliche Aufgaben nahm auch Arnoldus Povel war, den Bürgermeister und Rat 1372 als „rectorem seu magistrum hospitalis siti super pontem lapideum ciuitatis“ vorstellten. In einer recht aufwändigen, in lateinischer Sprache abgefassten Urkunde bestätigten sie, dass er „de consilio, voluntate et consensu omnium nostrum“ dem Hinricus Moenekink für 15 Mark, die Arnoldus bereits empfangen hat, eine Rente von 18 Schillingen verkauft habe, die mit dem Tod Moenekinks allerdings verfallen sollte. Arnoldus empfing das Kapital „in usus dicti hospitalis“ und hatte die besondere Gunst, die Rente „pro dicto hospitali“ zurückzukaufen, sodass er hier also weniger als Rektor der Kapelle denn als Amtmann des Magdalenenhospitals agierte.69 Nach dem Eid erfolgte die Präsentation, mit der der Rat dem jeweiligen Kollationsberechtigten schriftlich seinen Kandidaten vorschlug. Diese musste „infra tem-

66 In den Rechnungsbüchern der Kämmerei heißt es: „Item den kerckeren ton Hospitaill myt Helmingh in Hessen 7 ½ M, 4 ½ s.“ „Item den kerkern van hospitail to Bechem 9 s.“ „Item den kerckern ton Hospitaill gesant to Soyst 22 s.“ „Item den kerckheren ten hospitaille tergelt und perdehuer to Soist 3 M.“ Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 5, S. 7, S. 27, S. 47. Helmingh könnte den Priester und Zustifter der Kinderhauser Vikarie Helmich Gruter meinen. Vgl. MUB 653. 67 MUB, S. XII. Dies dürfte auch erklären, weshalb er den Provisoren zum Gehorsam verpflichtet war. 68 Armenhaus Kinderhaus, Akten 3, RB 1558, fol. 10v. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 85. 69 Magdalenenhospital, Urk. 6. Auffällig ist die unübliche Verzinsung von 10  Prozent. Gängig sind 5 Prozent. Das Hospital konnte also nur Gewinn machen, wenn Moenekink innerhalb der nächsten zehn Jahren starb. Auffällig auch, dass der Rat hier nicht mit seinem Stadt- oder Sekretsiegel siegelt, sondern sich des Hospitalsiegels bedient. – Beck (Soziale Einrichtungen, S. 42) sieht eine weitere Personalunion von weltlichem und geistlichem Amt im Falle des Kinderhauser Rektors Everd Schottelman gegeben. Dieser erscheint 1390 allerdings nicht als Verwahrer des Leprosoriums, sondern des geistlichen Lehens. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 9r–9v. – Bereits zuvor hatte der Rektor der Magdalenenkapelle im Auftrag des Hospitals gehandelt. 1274 kaufte er gemeinsam mit dem Amtmann Häuser und Grundbesitz in der Bauerschaft Tilbeck, 1305 änderte er mit den vom Rat eingesetzten Provisoren die Abgaben des eigenhörigen Hofes Haroldingh. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 7rf., fol. 10r. Es entsprach dies der im 13. Jahrhundert gängigen Konvention, dass Rektor und Prokurator die Verwaltung des Magdalenenhospitals gemeinsam wahrnahmen.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

pus quadrimestre, postquam ipsum beneficium vacauerit“70 durchgeführt werden. Abgesehen von jener Präsentationsurkunde, die der Bischof 1282 zur Besetzung des Rektorats des Magdalenenhospitals ausstellte,71 sind für mittelalterliche Hospitäler sechs Präsentationen schriftlich überliefert, nämlich je drei aus dem Magdalenenhospital72 und Kinderhaus.73 Der Präsentation folgte die Kollation oder Investitur, also die kirchliche Einführung in das Amt. Kollationsberechtigt war der jeweilige Archidiaconus loci als nächst übergeordnete kirchliche Instanz.74 Dieser war im Falle des Rektors und der Vikare des Antoniushospitals der Dechant der Mauritzkirche, der Investitur und Institution „sine aliqua contradictione“ durchführen sollte. Wäre der Dechant einmal verhindert, sollten der Senior und das Kapitel von St. Mauritz für ihn einspringen. Für den Rektor und den Vikar von Kinderhaus war der Dechant der Überwasserkirche kollationsberechtigt, der auch die Investitur des Rektors der Magdalenenkapelle vornahm. Nicht verantwortlich war er für die Vikare des Magdalenenhospitals, diese wurden durch den Kapellrektor selbst investiert, der damit der einzige Inhaber eines städtischen Benefiziums war, der selbst die Investitur vornehmen konnte.75 „Colla70 „Innerhalb von vier Monaten nach Vakantwerden des Benefiziums“. Magdalenenhospital, Urk. 59. 71 WUB 3, Nr. 1156. 72 1457 präsentieren Bürgermeister und Rat dem Johannes Dreyhus, Rektor der Magdalenenkapelle, für die durch freiwillige Resignation des Everhard Starken frei gewordene zweite Vikarie den Johannes Tegheder, Kleriker der Stadt Münster. Magdalenenhospital, Urk. 61. 1493 besorgten sie die erste Besetzung der sechsten Vikarie und schlugen dem Rektor den Henricus van Vyenden vor. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 34/1, fol. 5r. 1533 teilte der Rat dem Rektor Johan ten Brincke mit, nach dem Tod des Albert Notbraken, Inhaber der zweiten Vikarie, hätten Melies Herten und seine Freunde 1531 um die Präsentation seines Sohnes Johannes Herten gebeten. Da dieser noch minderjährig war, präsentierte der Rat Gerd Huszer, Priester und Vikar am Alten Dom. Huszer verzichtete nun auf das Lehen, sodass der Rat den inzwischen offenbar volljährigen Johannes Herten präsentieren konnte. Magdalenenhospital, Urk. 143. 73 1499 präsentierten Bürgermeister und Rat dem Dechanten der Überwasserkirche den Priester Johannes Budelmecker, der die Investitur aber offenbar verweigerte. 1513 wurde Budelmecker erneut präsentiert, nachdem Johannes Scholden freiwillig resigniert hatte. LAV NRW W, Studienfonds Münster, Nr. 211. 1520 starb Budelmecker, und am 16. Dezember schrieb der Rat dem Dechanten Johannes tor Mollen einen weiteren Präsentationsbrief: „Quia discretum virum dominum Jacobum Junge alias Wulfart presbyterum Mon. ad vicariam seu beneficium altaris sanctae Elisabeth (…) tamque habilem et jdoneum praesentibus praesentamus vobis petimus igitur obnixe, quatenus eundem dominum Jacobum vobis sic praesentatum ad dictum beneficium, eiusque corporalem vitalem et actualem possessionem admittere ac admitti facere jpsumque de eadem inuestire dignemini Mandamus sibi de fructibus, redditibus et prouentibus eiusdem beneficij statutis temporibus integre satisfieri adhibitis in praemissis solemnitatibus debitis de consuetis.“ LAV NRW W, Studienfonds Münster, Nr. 211, fol. 4r. 74 Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 92. 75 Antoniushospital, Urk. 1, Urk. 9; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2; Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 44; Magdalenenhospital, Urk. 14, Urk. 59. Es ist bemerkenswert, dass der für die Kinderhauser Vikarie Kollationsberechtigte in der Gründungsurkunde unerwähnt bleibt. Gemäß dieser sollte der Rat demjenigen präsentieren, „ad quem jn­

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tores seu institutores“ des ersten Benefizianten im Armenhaus Zurwieck waren zunächst die Ratsherren. Als das Benefizium 1471 kirchlichen Charakter erhielt, wurde das Kollationsrecht entsprechend der Lage des Hospitals dem Dechanten von Überwasser zugesprochen. Auch für den Vikar des Armenhauses zur Aa lagen „commendacio“ und „institutio“ beim Stadtrat. „Si beneficium fuerit ecclesiasticum“, sollte der Rat die „presentacio“ vornehmen.76 Archidiaconus loci wäre in diesem Fall der Dechant der Martinikirche gewesen. Die Umwandlung der Priesterstelle in ein kirchliches Benefizium scheint allerdings zumindest im Mittelalter noch nicht vollzogen worden zu sein. Auch die Besetzung des Priesters in der Venne erfolgte gemäß Eigenkirchenrecht zunächst durch Bürgermeister und Rat.77 Nachdem das Hospital jedoch 1255 oder wenig später geschlossen und das Rektorat in eine Pfarre umgewandelt wurde, setzte sich eine Kollation durch den Generalvikar durch.78 Bei der Kollation kniete der Präsentierte vor seinem kirchlichen Vorgesetzten nieder und bat unter Ablegung des Obödienzeides um das Benefizium, das ihm daraufhin übertragen wurde.79 Ein solcher Eid wird in den Gründungsurkunden regelmäßig eingefordert.80 Wichtigster Artikel des Eides war die Verpflichtung, etwaige am Altar oder andernorts anfallende Spendengelder an den kirchlichen Vorgesetzten abzutreten.81 Die Rektoren des Leprosoriums Kinderhaus und des Antoniushospitals waren zudem gemäß des geleisteten Treueeides dazu verpflichtet, sämtliche am Altar anfallenden Schenkungen regelmäßig alle 15 Tage der Äbtissin und dem Rektor der Überwasserkirche bzw. dem Dechanten der Mauritzkirche und seinen „coadiutores“ auszuhändigen.82 Der kurze Zeitraum lässt vermuten, das die anfallenden Spendengelder nicht ganz gering gewesen sein können. Tatsächlich bedeutete

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uestituram de jure pertinuerit“. A XIII, Nr. 258. Wie aus den überlieferten Präsentationsurkunden hervorgeht, ist dies der Dechant von Überwasser. LAV NRW W, Studienfonds Münster, Nr. 211. A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v, fol. 1r–2r; Armenhaus zur Aa, Urk. 30. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4. Ihm präsentierte der Rat am 5. September 1522 den münsterischen Kleriker Christian Cleyvorn zur Kapelle St. Johannes des Täufers in der Venne, die durch die Resignation des Priesters Otto Brockinck vakant geworden war. Generalvikar Hinricus Verinck erteilte dem so Präsentierten daraufhin am 27. September unter Zeugenschaft zweier Kleriker die Investitur. Zwei Tage später erschien Christian Cleyvorn vor einem Notar und ließ sich die Inbesitznahme urkundlich bestätigen. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 13, Urk. 14, Urk. 15. Vgl. Lambacher, Patronatsrecht, S. 25f. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 94. Bei der Fundierung des Rektorats am Antoniushospital etwa bestimmte man: „Qui rector capelle eidem decano tam quam suo archidiacono iuramentum obediencie et fidelitatis prestabit sicut fieri de iure debebit.“ Antoniushospital, Urk. 1. Im Falle des vierten Vikars im Magdalenenhospital war dies der Rektor der Kapelle, und so lautet eine seiner Aufgaben: „Insuper omnes et singulos denarios votiuates, qui per inhabitantes dictum hospitale sibi perrecti fuerint, beneuole recipiet ac rectori capelle predicto sub debito iuramenti sui absque fraude cum oblacionibus ad dictum altare sibi prouenientibus et delatis jntegre presentabit.“ Magdalenenhospital, Urk. 59. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2; Antoniushospital, Urk. 1.

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die Errichtung neuer Altäre einen Einnahmeverlust für die Mutterkirche.83 Am 23. Juli 1352, symbolische zehn Jahre nach Errichtung des Kinderhauser Rektorats, verzichteten Äbtissin und Dechant von Überwasser allerdings auf die Spendenabgabe. Stattdessen erhielten sie nun von den Ratsherren der Stadt Münster, „quos jus patronatus dicte ecclesie leprosorum tho der Kinderhus pertinere dinoscitur“, eine jährliche Rente von 6 Schillingen, die aus dem zur Ausstattung des Rektorats gehörigen Hof Ydenbroke entrichtet wurde.84 Am 28. Juli 1368, 18 Jahre nach Errichtung des Rektorats der Antoniuskapelle, leisteten auch der Dechant und das Kapitel von St. Mauritz Verzicht auf die Spenden, und zwar „in nostram et dicte capelle vtilitatem et comoditatem“. Dafür sollten der Dechant und seine Mitgehilfen aber, gewissermaßen als „restantum et compensam“, von den Provisoren des Hospitals jeweils auf Ostern eine Rente von 1 Mark beziehen. Franco, Rektor der Kapelle, sowie die Bürgermeister und Ratsherren der Stadt Münster stimmten dem zu.85 Die Aufsicht über die priesterlichen Pflichten – das Halten von Messen, die Einhaltung von Verpflichtungen gegenüber dem Kapellrektor oder der Mutterkirche, gegebenenfalls auch die Ausübung der Seelsorge – oblag den kirchlichen Vorgesetzten.86 Die wirtschaftliche Aufsicht lag hingegen bei dem Stadtrat als Laienpatron. Dazu gehörten die Wahrung des Stiftungskapitals, mit der das Benefizium ausgestattet war, sowie die aus diesem Kapital finanzierte Bezahlung des Benefizianten. Die Grundausstattung des Rektors am Magdalenenhospital erfolgte bereits 1176, als Bischof Hermann 10 Malter Korn aus der Bauerschaft Mark im Kirchspiel Winterswijk „ad prebendam sacerdotalem et consolationem pauperum ibi manentium“87 überwies – eine Leistung, die kaum mehr als eine Entschädigungszahlung für den Mehraufwand bedeutet haben dürfte, die der Priester der Überwasserkirche mit der Betreuung der Armen auf sich nahm. Bereits hier wird deutlich, dass die Bezahlung des Priesters und die Versorgung der Armen aus einer gemeinsamen Kasse erfolgte. Damit war der Priester faktisch Pfründner des Hospitals.88 Auch als Bischof Hermann 1182 den Güterbesitz des Magdalenenhospitals bestätigte, unterschied er nicht zwischen einer weltlichen und einer geistlichen Kasse. Vielmehr ist es die Gesamtheit der Einkünfte, aus der dem Priester für die üblichen Chorröcke und Kappen („superpelliciis et cappis“) Fuchs- oder Schafspelze („uestes uulpine uel ouine“) gestellt werden sollten. Zudem bestimmte der Bischof, dass der Priester seinen Besitz 83 Dies war mit ein Grund, weshalb die Äbtissin von Überwasser 1471 so hartnäckig gegen die beiden Priester im Armenhaus Zurwieck protestiert hatte. Vgl. LAV NRW W, Studienfonds, Münster, Stift Überwasser, Urk. 211. 84 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 5. 85 Antoniushospital, Urk. 3. 86 So war es in Vertretung des Bischofs Erich der Generalvikar Hinrich Verinck, der es Johannes Hoveman, Inhaber der zweiten Vikarie in der Antoniuskapelle, 1509 erlaubte, die Zahl der wöchentlich zu feiernden Messen von drei auf zwei zu vermindern. Antoniushospital, Urk. 26. 87 „Zur priesterlichen Präbende und zum Trost der dort verweilenden Armen“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 1r. 88 Gemäß den Prozessakten von 1646 galt er als „tamquam primarius praebendarius“. Vgl. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 43f.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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nicht testamentarisch in fremde Hände geben dürfe, sodass das Hospital sein alleiniger Erbe wäre.89 Die Kommunalisierung änderte daran nichts.90 Die tatsächliche Höhe des Jahresgehalts handelte der Rektor jährlich mit dem Amtmann aus. 1539 tat dies Johannes Wybbeken.91 Tatsächlich scheint er kein schlechtes Leben geführt zu haben. Gemäß Vertrag hatte er Anspruch auf Roggen, Weizen und Gerste – eine Sonderration Gerste gab es für Grütze – außerdem Hopfen, Rübensamen, Erbsen und Bohnen. Des weiteren hatte er Anspruch auf einen Ochsen, zwei Schweine, Schinkenspeck, Braten, Pottharst, Heringe, Stockfisch, zwei Gänse, 60 Enten- oder Hühnereier, außerdem Brot, Butter, Salz, Käse – unter anderem monatlich „eynen koe keyse, als men in dem spitael wringkt“. Hinzu kamen Barauszahlungen in Höhe von insgesamt 9 Mark sowie Memorien- bzw. Weingeld, die der Amtmann zu besorgen hatte. Seine Magd Mers Mertelen hatte Anspruch auf eine doppelte Präbende, die sie beim Koch oder der Hausfrau einfordern konnte.92 Das Benefizium des Kinderhauser Priesters war bereits bei seiner Verlegung nach Kinderhaus 1333 mit „bonis ad ipsum beneficium pro suj dote assignatis“ ausgestattet,93 die aber offenbar gering bemessen waren. Als der Priester 1342 zum Rektor erhoben und mit Seelsorgebefugnissen versehen wurde, erfuhr auch das Benefizium eine Verbesserung. Fortan hatte der Rektor Anspruch auf die Einkünfte aus dem Hof Ydenbroke im Kirchspiel Überwasser sowie dem Hof des Hermannus tor Helle, dem Hof Dyderkinch und dem Hof Wernherinch im Kirchspiel Altenberge. Alle vier Höfe hatte der Erbmann Udo von der Tinnen den Leprosen übertragen. Die Verbesserung der Präbende erfolgte also aus den Gütern des Leprosoriums und offenbar auf Betreiben des Bischofs.94 Über die genaue Höhe der Einkünfte ist nichts bekannt, doch scheint sie auskömmlich gewesen zu sein.95 Da der Rektor gemäß seines Eides auch den Provisoren des Leprosoriums verpflichtet war, bezog auch er wohl ähnlich wie sein Kollege im Magdalenenhospital seine tägliche Versorgung aus dem Hospital. Aus dem Grutamt bezog er zudem jährliche Leistungen in Höhe

89 Magdalenenhospital, Urk. 1. 90 So kam es noch 1689 zu Streitigkeiten über den Nachlass des Kaspar Osnabrügge, Pastor des Hospitals, der nach Meinung des Stadtrates den Armen des Hospitals zufallen müsse. Magdalenenhospital, Akten 39. 91 „Anno 1539, vp auendt Michaelis archangeli, hebbe ick, Johannes Wybbeken, pastor tho sunt Marien Magdalenen tusschen den bruggen, eyn verdrag gemaket mit dem amptman des solfften hospitales, der kost haluen, de my daer gebort van den hospitael, to der capellen, vor my vnd myne maget dit jaer lanck, beth to sunt Michael weder komende jn dem jaer 1540.“ Magdalenenhospital, Akten 39. 92 Magdalenenhospital, Akten 39. 93 Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 7v. 94 Von den drei fast wortgleichen Urkunden, die Bischof, Stadtrat und das Kloster Überwasser über die Rektoratserhebung ausstellten, berichtet allein seine von der neuen Ausstattung. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 3. 95 Kerssenbrock erwähnt die Kinderhauser Rektorenstelle als ein „pastoratum (…) satis opimum, cuius collatio ad senatum pertinet“. Detmer, Kerssenbrock, S. 78.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

von 4 Mark.96 Sonderzahlungen konnten aber auch durch die Provisoren erfolgen.97 Auch der Kinderhauser Rektor war wohl nicht vererbungsberechtigt.98 Da es den Insassen von Armenhäusern ebenso erging, zeigt sich auch hier wieder der Status des Rektors als erster Pfründner. Das Rektorat der Antoniuskapelle versprach der Rat 1350 mit Jahresrenten in Höhe von 8 Mark zu dotieren. Eine Verbesserung erfolgte 1368 durch Elizabeth genannt Herinch alias Synkinch, die den Rektor testamentarisch mit 100 Mark Kapital bedachte, was einer Rente von etwa 5 Mark entsprochen haben dürfte. Unter den Handgetreuen war auch der Bürgermeister Bernhardus Steveninch. Der Rat hatte zu diesem Zeitpunkt die versprochenen 8 Mark Rente noch nicht zur Verfügung gestellt. Bis es soweit wäre, so erklärten die Ratsherren nun, sollte die Rente „per nos seu camerarios nostros“ gezahlt werden, und zwar jeweils 4 Mark am Osterfest und weitere 4 Mark zu Michaelis.99 Tatsächlich blieb die Kämmerei auch darüber hinaus in der Verantwortung, denn noch 1448 zahlte sie dem Priester seinen Jahreslohn aus. Gelder flossen aber auch aus dem Gruthaus, das 1480 8 Mark, 1481 5 Mark, 1482 schließlich 6 Mark und 9 Schillinge zahlte.100 Die starke Einbindung des Rektors in den weltlichen Hospitalbetrieb zeigte sich hingegen, als das Kapitel von St. Mauritz 1368 auf die anfallenden Spendengelder verzichtete. Nutznießer war nicht allein der Rektor, sondern „rector capelle et prouisores hospitalis“. Rektor und Provisoren sollten dafür eine Rente von 1 Mark entrichten.101 Der Priester der Venner Kapelle hatte Anrecht auf die vierte Garbe aus dem Besitz des zur Kapelle gehörigen Hauses, wobei er statt der Strohgarbe jährlich zwei Strohwagen erhalte oder, wenn dies mehr sein sollte, zwei Stück Vieh davon weiden lasse. Aus einem zweiten bei der Kapelle gelegenen Haus sollte er ebenfalls die vierte Garbe erhalten. Dazu hatte er Anrecht auf die Hälfte der der Kapelle durch zwei Stiftungen zufallenden Spenden an Weihrauch und – sofern es nicht für das Licht verwendet würde – an Wachs. Auch er musste seinen Besitz abtreten, hatte aber das Privileg, die Hälfte dessen, was er dem Benefizium zugeführt hatte, zu behalten und frei zu vererben.102

96 Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 164. Es könnte sich um die Auszahlung einer städtischen Rente handeln. 97 So lautet Punkt 66 der 1447 verabschiedeten Küchenordnung: „Jtem de vorwarre der armen lude tor Kynderhues synt schuldich to vorrichtene alle jar den kerckheren j marck, de gemaket is tor veirden mysse.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 146v. 98 Nach dem Tode des ersten Rektors Wesselus de Perlincktorpe am 11. September 1376 ging dessen Besitz – Renten, Landgut, ein selbstbewirtschafteter Garten – offenbar vollständig an die Leprosen. Verzicht hatten er und eine gewisse als seine „soror“ oder „vxor“ (!) bezeichnete Elisabeth bereits um 1365/70 geleistet, sich auf Lebenszeit allerdings das Nutzungsrecht vorbehalten. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 2r. Vgl. Woelm, Entwicklung des Stadtteils Kinderhaus, S. 15. 99 Antoniushospital, Urk. 1, Urk. 5. 100 Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 53; Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 72. 101 Antoniushospital, Urk. 3. 102 Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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Anders als die Seelsorgebenefizien waren die reinen Messbenefizien nicht in die Verwaltung der Armenhäuser integriert. Selbst die für den Mess- und Altardienst notwendigen Geräte und Gewänder mussten die Priester selbst stellen, da sie keinerlei Nutzungsrecht an dem Messgeschirr der Pfarrgeistlichkeit hatten.103 Die Bezahlung der Vikare erfolgte nicht in Naturalien aus dem Hospital, sondern weitestgehend pekuniär aus der Kämmerei, unter dessen Aufsicht die städtischen Benefizien standen, oder aus dem Gruthaus. Bei der Errichtung der ersten Vikarie im Magdalenenhospital 1371 etwa stellten die Handgetreuen des verstorbenen münsterischen Bürgers Gerhardus von Clethe 200 Mark zur Verfügung, mit denen Bürgermeister und Rat Renten kaufen sollten. Bis dies geschehen sei, verpflichteten sich diese, dem jeweiligen Benefizianten zu Ostern und Michaelis je 5 Mark auszuzahlen – eine Aufgabe, die zweifellos die Kämmerei übernommen haben wird. Hinzu kamen bereits erworbene Renten in Höhe von insgesamt 2 Mark, die einer der Handgetreuen zahlen wollte, bis er 40 Mark auslegen würde, die „de consilio proconsulum et consulum“ andernorts angelegt werden sollten.104 Durch die testamentarischen Schenkung des Johan Dusaes erhielt die Vikarie 1375 zudem den Hof Monekehus, gelegen im Lambertikirchpiel „in legione Mekelenbeke“, zu Eigentumsrecht, außerdem – in Ergänzung des Messgeschirrs – einen vergoldeten Silberkelch.105 Die Stifter der zweiten Vikarie stellten sieben Rentverschreibungen in Höhe von insgesamt 8 Mark zur Verfügung, die sie zu Lebzeiten aber persönlich nutzen wollten. Spätestens seit 1448/49 nahm die Kämmerei jährlich 6 Gulden ein, die für 108 Gulden „ton leene Johan Starkens sone ton Hospitaill“ verkauft worden waren. Gemeint ist Everhard Starken, Sohn des Ratsherrn Johan Starken. Aus dem Grutamt flossen 1480, 1481 und 1482 zudem je 6 Mark und 3 Schillinge an den Benefizianten Johan Thegeder.106 Bei der Errichtung der vierten Vikarie hatte die Stifterin dem Stadtrat bereits die Renten, mit denen das kirchliche Benefizium fundiert werden sollten, zugewiesen. Es waren vier Rentverschreibungen in Höhe von 21 rheinischen Gulden, von denen allein 18 Gulden aus dem Gruthaus („ex domo fermenti“) gezahlt werden sollten. Die darüber ausgefertigten Urkunden befanden sich „in custodia camerariorum dicte ciuitatis“ und sollten auch dort verbleiben. Die Kämmerer hatten allerdings nicht für die Eintreibung der Renten zu sorgen. Vielmehr sollten die Renten „per rectorem iam dicte capelle et officiatum prefati hospitalis emoneri“. Tatsächlich wurden die alltäglichen Verwaltungsarbeiten also nicht direkt vom Rat wahrgenommen, sondern von Rektor und Amtmann, die auch verpflichtet waren, eventuelle nach der Bezahlung des Vikars verbleibende Gewinne in neuen Renten anzulegen und die darüber ausgestellten Urkunden den Kämmerern zu übergeben. Allein der erste Be103

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Lediglich der erste Vikar des Magdalenenhospitals musste zwar eigenen Wein, Kerzen und Oblaten verwenden, konnte aber auf die Priesterkleidung und die Paramenten des Hospitals zurückgreifen. A XIII, Nr. 50, fol. 22v–23r. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 105f. A XIII, Nr. 50, fol. 22v–23r. Magdalenenhospital, Urk. 8. Magdalenenhospital, Urk. 14; Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 22; Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 72.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

nefiziant sollte die Überschüsse behalten dürfen. Geschenke seitens der Hospitalinsassen musste er aber wie seine Nachfolger abgeben.107 Die Ausstattung der sechsten Vikarie ist nicht vollständig bekannt. Jedenfalls hatte der Stifter eine Rente von 8 rheinischen Goldgulden zur Verfügung gestellt, die er zuvor für 160 Gulden von der Stadt Münster gekauft hatte und „ex eorum domo mirti seu grute“ zu entrichten waren. Dies war allerdings lediglich ein „supplementum“.108 Die Kinderhauser Vikarie wurde bereits 1449 mit zwei Renten in Höhe von zusammen 11 Gulden ausgestattet. Nach dem Tode des Priesters Helmich Gruter sollten 6 weitere Gulden Rente hinzukommen. Als das Benefizium 1450 offiziell bestätigt wurde, erhöhte sich die Summe um 3 Gulden und 1 Mark Rente. Die darüber ausgefertigten Urkunden lagen, wie der Stadtrat verkündete, „by vnnß in guder hude“. Außerdem wurden dem Vikar das Swartekotten genannte Hofgut mitsamt Acker und Weideland zugeschlagen, das bei dem Hause des Rektors in Kinderhaus lag.109 1533 erhielt der Vikar Jacob Junge aus dem Grutamt die hohe Summe von 36 Mark.110 Zur Ausstattung einer ersten Vikarie im Antoniushospital hingegen hatte der Rat vom Stifter die finanziellen Mittel bereitgestellt bekommen. Dies waren sieben Renten in Höhe von insgesamt 28 Gulden. Allein 12 Gulden kamen aus dem Gruthaus. Der Stelleninhaber sollte dabei die besondere Gunst eines Gnadenjahres („anno gracie“) haben, gemäß dessen die Bezüge noch ein Jahr über seinen Tod hinaus zu bezahlen waren. Eventuelle über seine Bezüge hinausgehende Gewinne sollte er in Absprache mit der Kämmerei in Renten anlegen. „Qui quidem redditus vltra portionem officianti et facienti debitum huiusmodi beneficij soluendam et prestitam (…) cum scitu et voluntate duorum camerariorum ciuitatis Mon. ad redditus perpetuos in melioracionem dicti beneficij conuertentur.“111

Auch die das Benefizium betreffenden Urkunden wurden in der Kämmerei aufbewahrt und wohl noch vor Beginn der Täuferherrschaft in Sicherheit gebracht. Nach Eroberung der Stadt fanden sie sich im Besitz des bischöflichen Kanzlers Everdt van Elen wieder. Von ihm konnte Johannes Gosebrinck, bereits seit 1510 Inhaber des Benefiziums, die Urkunden – teils durch sein eigenes Geld, teils durch Fleiß („flyte“) – zurückerlangen, der sich verpflichtete, sie nach seinem Tod dem Stadtrat übergeben zu lassen.112 Bereits 1429 verfügte das erste Offizium des Armenhauses Zurwieck über eine Ausstattung, die allerdings nicht näher definiert wurde. Um 1440 betrug sie mindestens 4 Mark und 4 Schillinge. Außerdem hatte Elizabeth Cleyhorst inzwischen einen Kelch und ein schwarzes Ornament („calicem et ni107 108 109 110 111

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Magdalenenhospital, Urk. 59. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 34/1, fol. 3v–5r. A XIII, Nr. 258. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 72, S. 217. „Die Renten aber, die über das Maß dessen hinausgehen, was dem Offizianten und Ausführer des Benefiziums schuldigst zu zahlen und zu gewähren ist, werden auf Anordnung und Verlangen der beiden Kämmerer der Stadt Münster zur Besserung des besagten Benefiziums zu ewigen Renten verwendet.“ Antoniushospital, Urk. 9. A XIII, Nr. 356, fol. 3.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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grum ornamentum ad missam“) gestiftet.113 Einige Jahre später bezog das Offizium 14 Mark, 11 Schillinge und 5 Pfennige sowie 6 Scheffel Gerste und 8 Hühner. Davon sollte der Priester allerdings 19 Schillinge und 3 Pfennige am Guten Donnerstag vor Ostern unter die Armen der Häuser Zumbusch und Wegesende verteilen.114 1471 verfügte das Benefizium schließlich über 19 rheinische Gulden, über die die Kämmerer der Stadt die Aufsicht führen sollten. Anfallende Spenden durfte der Benefiziant nicht einbehalten, sondern musste sie der Überwasserkirche aushändigen.115 Die Vikarie des Armenhauses zur Aa schließlich wurde bei ihrer Gründung 1459 mit eine Rente von 12 rheinischen Gulden ausgestattet, die Bürgermeister und Rat zehn Jahre zuvor dem Bürgermeister Gerd Kleyhorst und dem Ratsherrn Johann Warendorpp verkauft hatten.116 Nicht selten erfuhren die Benefizien mit der Zeit kleine oder auch größere Zustiftungen. Im Gegenzug verpflichteten sich die Priester gewöhnlich zur Abhaltung einer Messe. Gelegentlich bekamen die Priester auch kleinere Sachleistungen wie etwa eine Ration Wein an bestimmten Feiertagen zugesprochen. Wenn dieselbe Stiftung zugleich die Armen und den ansässigen Priester bedachten, erhielt, je nachdem, wer die Spende verwaltete, der Priester seinen Anteil vom Amtmann oder die Armen ihren Anteil vom Priester.117 Zur Ausstattung von mindestens vier in Armenhäusern angesiedelten städtischen Benefizien gehörte außerdem eine Wohnunterkunft. Die des Rektors der Magdalenenkapelle etwa lag wie das Hospital auf der Aainsel und nördlich der Kapelle, die allein durch einen großen Garten von ihr getrennt war. Dort lebte er mit seiner Magd, führte einen von den Armen getrennten eigenen Haushalt und bewirtschaftete den Garten.118 Nicht auf dem Hospitalgelände, aber in unmittelbarer Nähe, hatte der Inhaber der zweiten Vikarie seine Wohnung. Am 25. März 1425 kaufte er sich ein neues Haus.119 Ab etwa 1500 ist auch in Kinderhaus ein Pastoratsgebäude mit 113 114 115 116 117 118 119

A XIII, Nr. 284, fol. 4v. A XIII, Nr. 248, fol. 22v–24r. A XIII, Nr. 284, fol. 1rff. Armenhaus zur Aa, Urk. 30. Derartige Beispiele finden sich etwa im um 1420/30 angelegten Memorienkalender des Magdalenenhospitals. MUB 472. Beispiele für das Armenhaus Zurwieck nennt A XIII, Nr. 248, fol. 22v–24r. Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 105; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 47. Da dies einen Eingriff in das Benefizialvermögen bedeutete, benötigte er dazu die Zustimmung des Stadtrates. Diese lautete wie folgt: „Wy borgermester vnde rad der stad to Munster bekennet vnd betughet openbar in dussen breue, dat her Johan Dudingh, prester vnd vorwarer des altars sunte Ciriacus in der capellen ton hospitale twisschen den steynbrucgen in vnser stad, mid vnsen willen vnd vulbord heuet ghekofft van Gesen wandaghes echte vrowe sellighen Maess des Vogen to behoff des vorg. altars eyn huss vnd to behoringe vte vnsen wicboldes gude, gheleghen in vnser leuer vrouwen kerspel Ouerwater teghen der frater huss twisschen den garden, de wandaghes was der van Langenhorst, vnd der vorg. Gesen groten huss, vnd heuet weder vme in vnser borger hand ghelaten vnd vorkofft sin huss, dat to den vorg. altare horde, als dat ys gheleghen in den salue kerspele twisschen husen der Vulbrokeschen vnd Asschehenneken (…).“ Magdalenenhospital, Urk. 27.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Hofgrundstück nachweisbar, das – umgrenzt von einer Gräfte und dem Kinderhauser Bach – von dem dortigen Rektor selbst bewirtschaftet wurde.120 Zur Residenzhaltung des Kinderhauser Vikars brachte das Leprosorium selbst den Swartekotten in die Stiftung mit ein. Diesen hatte es 1422 von dem benachbarten Hof Brüning erworben. Doch scheint der Vikar von seinem Nutzungsrecht nur unregelmäßig Gebrauch gemacht zu haben.121 Eine ausdrückliche Residenzpflicht ist für die zweite und vierte Vikarie des Magdalenenhospitals sowie für die erste Vikarie des Antoniushospitals und des Armenhauses Zurwieck nachweisbar. Bei Zuwiderhandlung drohte der Verlust der Pfründe.122 Allein der Inhaber des ersten Zurwieck-Benefiziums genoss die Gunst, dass er von Bürgermeistern und Rat die Erlaubnis zur Nichtresidenz erbitten konnte.123 Auch in anderen Benefizien – insbesondere den drei Seelsorgebenefizien – dürfte Residenzpflicht bestanden haben.124 So war auch die Kontrolle des Vikars durch den Rat besser gewährleistet. Dabei konnten im Einzelfall durchaus Ausnahmen gewährt werden, etwa bei Krankheit oder auswärtigem Studienaufenthalt. Zudem bedeutete Residenz lediglich, eine Wohnung innerhalb der Stadt zu beziehen, und so war der zum Lebenserhalt oftmals notwendige Er-

120 Pott e.a., Höfe und Häuser, S. 4; Schäfers, Kinderhaus, S. 13; Schlot e.a., MünsterKinderhaus, S. 7; Klötzer, Kinderhaus 1648, Tafel 5.10. 121 Im Rechnungsbuch des Jahres 1515 heißt es: „De swarte kotten yß lant vnd holt waß vnd hort den armen by syck allene, dan he yß gheordinert vp eyn leen ter Kynderhuß, alß eyn prester dar tor stedde sytten wyll, alß de fundatije vormach. Anderß so boret de prouisoren tho behoff der armen de jarlix penssye hijr aff.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 14v. Tatsächlich scheint der Kotten also nach wie vor im Besitz des Leprosoriums gewesen zu sein; die Rechte des Vikars beschränkten sich auf seine Nutzung. Land und Holzbewuchs waren derzeit dem Schulten zu Brüning für 3 Mark verpachtet, das Wohnhaus war inzwischen abgerissen oder zumindest unbewohnbar geworden. Erst wenn der Vikar dort Wohnung halten wollte, sollte ein neues Haus gezimmert werden. Er scheint dies allerdings nicht getan zu haben, denn in der Folgezeit wurde der Kotten dem Schulte Kerstyen verpachtet. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 14v. 122 Magdalenenhospital, Urk. 14, Urk. 59; Antoniushospital, Urk. 9; A XIII, Nr. 284, fol. 1vf. So galt für den zweiten Vikar des Magdalenenhospitals: „Ceterum rector eiusdem altaris in ipsa persona residebit in eodem, quod si quociens et quando non fecerit, tunc rector capelle predicte de prefatis redditibus se intromittet et eosdem emonebit et tollebit et inde officiantem procurabit, qui coram altari predicto celebret, ut prefertur.“ Magdalenenhospital, Urk. 14. Für weitere 12 Pfennige sollte der Priester mit dem neuen Offizianten die Vigilien und Totenmessen singen, wofür er selbst 8 Pfennige erhalte, der Offiziant aber 4. Träte hingegen bei der vierten Vikarie der „casus (…) non residencie“ ein, sollten der Amtmann und der Rektor, denen die unmittelbare Verwaltung der Vikarie oblag, für ihre zusätzliche Mühe („in recompensam laborum suorum“) einen rheinischen Gulden aus den jährlichen Einkünften der Vikarie beziehen und zu gleichen Maßen teilen. Magdalenenhospital, Urk. 59. 123 A XIII, Nr. 284, fol. 2r. 124 Lahrkamp (Patronatsrecht, S. 221) sieht dies gar in allen städtischen Benefizien gegeben. Zumindest die vortäuferischen Belege reichen für eine derartige Feststellung nicht aus.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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werb weiterer münsterischer Pfründen durchaus möglich.125 Keine Residenzpflicht bestand offenbar in der ersten Vikarie des Magdalenenhospitals, deren Stiftungsurkunde nichts dergleichen erwähnt.126 Selbiges galt offenbar auch lange Zeit für die zweite Vikarie des Armenhauses Zurwieck.127 Die Aufsicht über das Vermögen wurde von der Kämmerei wahrgenommen. Die Bezahlung der Vikare erfolgte gelegentlich auch aus dem Grutamt, wenngleich dies wohl der Tatsache geschuldet war, dass städtische Renten nicht selten einen Großteil des Stiftungsvermögens ausmachten.128 Die Eintreibung der Rentengelder oblag im Falle der vierten Vikarie der Magdalenenkapelle dem Amtmann und dem Rektor, fiel aber gewöhnlich in den Aufgabenbereich des Benefizianten selbst.129 Entsprechend regelmäßig formulieren die Gründungsurkunden die Verpflichtung des Vikars, das ihm anvertraute Gut nicht „sine spetialj licentia et consensu proconsulum et consulum“ zu veräußern.130 Dem ersten Vikar des Antoniushospitals drohte bei Zuwiderhandlung gar das Interdikt. Freiwerdendes Kapital sollte der Benefiziant in weiteren Renten anlegen, um so den langfristigen Fortbestand des Lehens zu sichern. Größere Summen Geldes bekam er insbesondere dann in die Hände, wenn Renten abgelöst wurden.131 Bei Eingriffen in die finanzielle Ausstattung des Benefiziums war die Zustimmung des Rates obligatorisch. Bereits erwähnt wurde, dass Benefizianten die Erlaubnis des Rates benötigten, um Hauskäufe und -verkäufe zu tätigen.132 Dies galt auch für den Verkauf von Ländereien.133 Grundsätzlich war die 125 126

Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 109ff. Grund mag sein, dass die Einsetzung eines Stellvertreters explizit gestattet war. A XIII, Nr. 50, fol. 22v–23r. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 45f. 127 So war der ab 1557 nachweisbare Johan Hossen zugleich Kanoniker in der Kölner Apostelkirche. Erst nachdem er am 19. November 1576 vom Stadtrat den Befehl erhalten hatte, Residenz zu halten oder zu verzichten, resignierte er noch am selben Tage. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 68. 128 Eberhardt (Grutamtsrechnungen, S. 72) stellt fest, dass offenbar nicht alle Benefizien durch das Gruthaus verwaltet wurden. Tatsächlich war es wohl kein einziges. Ein abschließendes Urteil ist angesichts der defizitären Quellenüberlieferung aber kaum zu treffen. 129 Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 221. So sollte auch der erste Vikar des Armenhauses Zurwieck seine Renten anmahnen und einziehen („emonere et exterquere“). A XIII, Nr. 248, fol. 22v–24r. 130 A XIII, Nr. 258. „(...) alienacione quam vendicione seu distractione reddituum et pensionum sibi pro dote assignatorum et imposterum assignandorum sibi penitus interdicta (...)“ Magdalenenhospital, Urk. 59. 131 „Et si quos ipsorum reddituum cum gracia reemptionis reemi contigerit, pecunie, cum quibus reempti fuerint, per dictum rectorem vna cum scitu et concilio proconsulum et consulum ad alios redditus equiualentes perpetuos, ne premissa in aliquo negligantur, conuertantur.“ Antoniushospital, Urk. 9. 132 Magdalenenhospital, Urk. 27. 133 Selbst als Henrich Hesselman, erster Vikar des Magdalenenhospitals, um 1440 dem Johannes Hesse, Amtmann desselben Hospitals, drei Stücke Land vor dem Liebfrauentor verkaufte, handelte er nach eigener Aussage „myt guden willen vnd myt wysschop vnd vulborde der ersamen borgermestere vnd rades der stad to Munster, myner vnd myner vicarien patronen“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 44v. Die Datumszeile ist wegen

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Zustimmung des Rates wohl erforderlich, wenn die langfristige Sicherung des Benefizialvermögens gefährdet war, also bei der Abstoßung von Renten und Immobilien, die regelmäßige Einkünfte versprachen. Aber auch für den Ankauf von Renten – also bei Aktionen, die den Fortbestand des Benefiziums nicht gefährdeten, sondern im Gegenteil sicherten – benötigte der Benefiziant in der Regel wohl das Einverständnis seines Patrons. Es gilt allerdings zu bedenken, dass Rentverschreibungen gewöhnlich allein von den Rentverkäufern beurkundet wurden und die Rentkäufer lediglich passiv als Empfänger der Rente in Erscheinung traten. Die Zustimmung des Rates war hier nicht erforderlich, ließe sich aber möglicherweise indirekt aus der Ratsmitgliedschaft von Zeugen schlussfolgern.134 Eine hohe Ratspräsenz scheint allerdings die Ausnahme zu sein. Tatsächlich lässt sich die Mitwirkung des Rates bei dem Ankauf von Renten nur selten belegen. 1471 bestätigte Gosscalcus Celle, Rektor der Magdalenenkapelle, von dem Priester Hinrich Holthus eine Rente von ½ Gulden erhalten zu haben. Obwohl eine Zustimmung des Rates unerwähnt bleibt, siegelte Celle in Ermangelung eines eigenen Siegels mit dem Sekretsiegel der Stadt Münster.135 Offenbar hatte er zuvor bei den Ratsherren um Erlaubnis zum Rentenkauf gebeten, die allerdings auf ihre Anwesenheit verzichteten und ihm stattdessen ihr Siegel liehen. Es ist dies das einzige bekannte Beispiel, dass das Sekretsiegel nicht durch den Stadtrat selbst Verwendung fand. In Gerichtsverfahren scheinen die Benefizianten eine relative Selbständigkeit genossen zu haben. Da die Benefizianten die Renten ihres Lehens selbst eintrieben, war es auch an ihnen, säumige Rentzahler vor Gericht zu stellen. 1467 verklagte Herman Hesselman, Rektor der Antoniuskapelle, Margareta Tegeders wegen unterlassener Zahlung einer jährlichen Rente von 2 Mark. Der Offizial, vor dem die Sache verhandelt wurde, entschied schließlich zu Gunsten des Rektors und verpflichtete die Angeklagte, die rückständigen Renten und 5 ¾ rheinische Gulden an angefallenen Kosten binnen 15 Tagen zu bezahlen. Eine Mitwirkung des Patrons ist nirgendwo erkennbar.136 Nicht immer musste ein Streitfall zur Anrufung eines Gerichts führen. 1475 geriet der Rektor der Kinderhauser Kapelle mit den Erbhöfen zu Crumvingerinck und zu Rotgerinck in Streit über eine gemeinsam vom Hof Brüning gepachtete Weide. Es ging um die Viehtriftrechte auf betreffender Weide. Unter den beiden Bürgermeistern Diderich Huge und Herman Dorber – offenbar hatten

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des Fehlens der Anschlussseite nicht überliefert, Johannes Hesse ist aber für 1430/44 als Amtmann belegt. Einen Datierungsversuch unternimmt auch MUB 716. Als Albertus und Elyzabeth van der Wieck dem Rektor der Antoniuskapelle 1363 eine Rente von 9 Schillingen verkaufte, waren die drei Zeugen der amtierende Bürgermeister Lambertus de Bocholte sowie die Ratsherren Engelbertus van der Wieck und Johan Hoyng. Antoniushospital, Urk. 2. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, Magdalenenhospital, Urk. 160. Antoniushospital, Urk. 11. Dasselbe gilt für ein Verfahren, dass Hesselmans Nachfolger Herbord Menershagen 1494 angestrengt hatte und in dessen Folge der Offizial die Güter des Hofes Bredelo im Kirchspiel Ahlen, den ein gewisser Johannes Torck besaß, mit Arrest belegte und alle Schuldner des Hofes zur sofortigen Zahlung aufforderte. Bei Zuwiderhandlung drohten die Exkommunikation und eine Strafe von 50 rheinischen Gulden. Antoniushospital, Urk. 23.

2. Das Patronatsrecht des Rates

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die Gegenparteien sie akzeptiert, obwohl man ihnen als Patrone des Kinderhauser Lehens durchaus hätte Befangenheit unterstellen können – erreichte man schließlich eine „vruntlike schedinge“.137 Wer ein Benefizium durch den Verkauf einer Rente aufbessern wollte, musste sich nicht an den derzeitigen Benefizianten wenden, sondern konnte auch den Patron direkt kontaktieren.138 Da es für einen Benefizianten als Privatmann kaum möglich war, sich selbst als Inhaber des Benefiziums eine Rente zu verkaufen, trat auch in solchen Fällen der Rat als Empfänger auf.139 Mitunter griff der Stadtrat auch direkt und auf eigene Initiative in die Finanzstruktur seiner geistlichen Lehen ein.140 Nicht zuletzt derartige Eingriffe machten es mitunter erforderlich, dass sich die Ratsherren

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Armenhaus Kinderhaus, Urk. 52. 1432 verkauften Diderich Cleyvorn sowie die Eheleute Johan und Aleke Schotelman den Bürgermeistern und dem Rat der Stadt Münster für 40 Mark eine Rente von 2 Mark. Diese sollte „to behoeff heren Wolters van Goer, verwarer des altaers in der armelude hueß tor Wyck“ verwendet werden. A XIII, Nr. 284, fol. 32r-v. So erschien Herman Hecker, Inhaber der ersten Vikarie im Antoniushospital, 1502 vor dem Offizial und überwies Bürgermeistern und Rat zu Behuf derselben Vikarie eine Rente von einem Gulden. Dazu hatte er auch den darüber besiegelten Prinzipalbrief mitgebracht, „den de vorscreuen her Herman vulmechtich den ersamen hern vorscreuen to behoff des leens vorscreuen hyr mede hefft ouerhantreket“. A XIII, Nr. 356, fol. 18v. Zur Ausstattung des Kinderhauser Rektorats gehörte seit 1342 der Idenbrockhof, später auch Kucklenburg genannt, der über umfangreichen Holzbestand verfügte. Gemäß einer von Bürgermeister, Schöffen und Rat ausgestellten Urkunde vom 14. Dezember 1390 ließen die Kämmerer „na vnsen rade vnd myt vnser vnd vnser vrende wisscap vnd vulboert“ die Hölzer schlagen und abfahren, um sie „to nut vnser stades“ zum Brennen von Kalk sowie für Zimmerarbeiten zu verwenden. Zuvor hatten sie das Holz allerdings „van wisen luden dar to gekoren“ auf einen Wert von 80 Mark schätzen lassen. Und da das Holz „vthe dem gude tor Kokelenborch, dat vnsen leyne tor Kynderhues to horet“ stammte, hatte der Inhaber des Lehens ein Anrecht auf entsprechende Entschädigung. In Renten angelegt hätten die 80 Mark Kapital jährlich etwa 4 Mark abgeworfen. Genau dieser Betrag sollte fortan aus der Kämmerei gezahlt werden. „Vnd hijr vm zuten vnse kemerere, zowe tor tijt synt, hern Euerde Schotelmannynch, prestere vnd vorwarre des vorscreuen vnss leyns, vnd synen nakomelyngen geuen to rechter renthe van data dess breues vortmer an alle jaer veer marck pennynge, als vorschreuen synt, vnd de to betalene to twen hurtijden des jars, als vp de hochtide paesschen vnd sunte Michaels tortijt twe marck, wente also lange, dat wij desse vorschreuen achtentich marck anders war an ewige renthe belecgen, to nut unss vorschreuenen leyns.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 9r–9v. Das 1365 angelegte Rechnungsbuch wurde danach entsprechend geändert. Vgl. MUB 180, Nr. 74. Der hohe Wert der Hölzer – 80 Mark entsprechen immerhin fast dem 1326 von Udo von der Tinnen geleisteten Kaufpreis von 88 Mark für den ganzen Hof (Armenhaus Kinderhaus, Urk. 1) – lässt vermuten, dass die Holzbestände des Hofes vollständig geschlagen worden waren. Die Kucklenburg dürfte damit wüst gefallen sein. Die Stadt hat den Hof kurze Zeit danach dem münsterischen Bürger Henrich Kemnade verkauft, dessen Erbe Heinrich Kolde ihn 1463 dem Kloster Überwasser überließ. Prinz, Mimigernaford, S. 64f.; Wilkens, Versuch einer allgemeinen Geschichte, S. 155; Ludorff, Bau- und Kunstdenkmäler, S. 112.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

persönlich ein Bild vor Ort machten.141 Zur Wahrnehmung des Patronats gehörten schließlich auch persönliche Besuche bei den Benefizianten.142 Die Vorteile des Patronatsrechts liegen auf der Hand. Nicht nur hatte der Rat die Möglichkeit, die Benefizianten zu bestimmen und damit weit in den klerikalen Bereich hinein zu wirken, er verfügte zudem über die – gewöhnlich den Kämmerern übertragene – wirtschaftliche Aufsicht des Lehens und konnte dieses damit in seinem eigenen Sinne und im Sinne des jeweiligen seiner Trägerschaft unterstehenden Hospitals zum gegenseitigen Vorteil nutzen. Und nicht zuletzt profitierten die Ratsherren in Bezug auf ihr Seelenheil. Gemäß des um 1440 angelegten Memorienbuches des ersten Vikars des Armenhauses Zurwieck war die erste Pflicht des Vikars, in seinen Messen und Orationen für die Bürgermeister und den gesamten Rat von Münster zu beten.143

3. Privates Patronatsrecht: Die Abkehr vom Rat Die Verfügungsgewalt des Stadtrates fand ihre Grenzen im Willen des Stifters. So konnte sich der Stifter, selbst wenn er das Patronatsrecht dem Rat überwies, die Besetzung der ersten oder ersten beiden Stellen sich selbst vorbehalten. Als der Priester Gerhardus Dudynch mit seiner Mutter 1395 die zweite Vikarie des Magdalenenhospitals stiftete, bestimmte er sich selbst zum ersten Benefizianten und ließ sich die Nutznießung aller zur Ausstattung bereitgestellten Renten garantierten. Er wollte zwar den Gottesdienst halten und vor seinem Altar die Messen lesen, ohne indes darauf verpflichtet werden zu können, dafür aber – anders als seine Nachfolger – die dort anfallenden Spendengelder selbst einbehalten.144 1429 stifteten die Brüder Gerhardus, Bertoldus und Johannes Cleyhorst gemeinsam mit dem Ratsherrn Engelbertus van der Wijck das erste Offizium im Armenhaus Zurwieck. Das Patronatsrecht übergaben sie dem Stadtrat, einigten sich aber selbst auf Wolterus Goer als ersten Inhaber der Stelle. Die beiden darauffolgenden Einstellungen oder Präsentationen sollten bei den drei Brüdern oder ihren Erben

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So besichtigten sie 1565 die Besitztümer des Venner Benefiziums: „Anno 1565, am 16. Augusti, hebben der hochvererter erbaer vorsichtige herr Hinrich Vendt doctor burgermester, Johan Langerman wynher, Johan Ouerhagen kammener, Hilbrandt Plonies richther vnd Johan Herdinck gruther van wegen eyns erbaern radts der stadt Munster der kercken vnd capellen von Venne gueder, lenderye vnd holtwasses haluen besichtigung gedaen vnd sich van den kotters darseluest wysen laten, oick erkundigt, wes daruan tor pacht vpgebort worde.“ A XIII, Nr. 402, fol. 26v. Vgl. Heuer, 750 Jahre Venne, S. 15. So bezahlte die Kämmerei 1458/59 das Trinkgeld anlässlich eines gemeinsamen Mahls der Bürgermeister mit dem Rektor der Antoniuskapelle: „Item, do sunte Anthonius her de borgermestere to gaste hadde, gheschenket den ghesynne 4 s.“ Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 76. A XIII, Nr. 284, fol. 4v. Magdalenenhospital, Urk. 14.

3. Privates Patronatsrecht: Die Abkehr vom Rat

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liegen.145 Wann der Rat tatsächlich erstmals einen eigenen Kandidaten präsentieren konnte, ist unklar. Als das Amt 1471 in ein kirchliches Benefizium umgewandelt wurde, hat man das Recht der Brüder jedenfalls erneut bestätigt.146 Erst 1480/82 ist mit Johan Veghen ein Nachfolger Goers belegt, 1497/98 folgte Johan Overdick. Spätestens Hinrick Broyelman (1507/35) hatte sein Amt also dem Stadtrat zu verdanken. Parallel verfuhr man mit der Vikarie im Armenhaus zur Aa. Diese wurde 1459 von den Handgetreuen der Elizabet Warendorp – dem Bürgermeister Gerhardus Cleyhorst und dem Ratsherrn Johannes Warendorp – gestiftet. Erster Priester sollte Bernhardus Westerrot sein, der „certis ex causis animum nostrum ad hoc mouentibus“147 statt drei nur zwei Messen in der Woche lesen musste. Bevor die Einstellung oder Präsentation aber dem Rat zufalle, sollten nach dem Tod Westerrots „die erste und zweite ihm unmittelbar nachfolgenden Einstellungen oder Präsentationen bei den vorgenannten Gerhardus und Johannes oder ihren Erben liegen“.148 Der einzige Nachfolger Westerrots, der aus dem Mittelalter bekannt ist, war Hinrick Sterneman (1504), und so kam der Rat wohl erst nach der Täuferzeit in den Genuss des Präsentationsrechtes. Zwischen 1450 und 1457 währte die Münsterische Stiftsfehde, in der der Stadtrat sich nicht nur bis zur Zahlungsunfähigkeit verschuldete, sondern auch strukturell tiefgreifende Veränderungen durchlief. Zwar hatte es zuvor schon Gildenbürger in Ratsämtern gegeben, 1454 aber erreichten sie gegenüber den Erbmännern erstmals eine Mehrheit, die sie nicht mehr abgeben sollten. Im selben Jahr unterstützte der Rat den Grafen Johan von Hoya mit bürgerlichen Truppen in der letztlich verlorenen Schlacht von Varlar, in der 118 münsterische Soldaten gefallen sein sollen. Tatsächlich wurde der Aufstieg der Gilden durchaus kritisch gesehen. Zeitgenossen der Täuferzeit sahen in ihrem Machtstreben eine Ursache für die konfessionellen Unruhen 1525/35.149 Ein wesentlicher Grund für Stifter, dem Stadtrat das Patronat zu übertragen, war, dass dieser ein Garant für Langfristigkeit und Stabilität war. Die Stiftsfehde scheint dieses Image nachhaltig beschädigt zu haben. Standen alle vor der Stiftsfehde gegründeten Hospitalvikarien unter Ratspatronat, stieg die Zahl der Blutsvikarien ab den 1460er Jahren deutlich an. Von den sechs an Armenhäusern angesiedelten Vikarien, die zwischen 1467 und 1503 fundiert wurden, standen lediglich zwei unter Ratspatronat, eine von ihnen allerdings erst nach der achten Besetzung.

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A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v. Die Priesterweihe Goers hatte offenbar die Jungfer Assele van der Wieck finanziert. A XIII, Nr. 284, fol. 4v. A XIII, Nr. 284, fol. 1v. „Aus gewissen Gründen, die unser (d.i. der Ratsherren) Herz dazu bewegen“. Armenhaus zur Aa, Urk. 30. „Prima et secunda ipsius instituciones proxime et inmediate sequentes vel (…) presentaciones ad predictos Gerhardum et Johannem aut eorum heredes spectabit“. Armenhaus zur Aa, Urk. 30. A I, Nr. 2, III, fol. 17v–18r; Weikert, Erbmänner, S. 30; Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 495; Kirchhoff, Gesamtgilde, S. 254.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Die erste Blutvikarie wurde 1467 von Dietrich von Schwerte, Kanoniker an der Martinikirche, gestiftet. Er agierte als Testamentsvollstrecker seines verstorbenen Bruders Johan, der Scholastiker an St. Stephan in Mainz gewesen war. Die Vikarie wurde Hieronymus und Elisabeth geweiht und am Dreikönigsaltar in der Antoniuskapelle angesiedelt. Das Präsentationsrecht verblieb in der Familie des Stifters. So erschien ein gewisser Herman Swerte 1481 als Prior der Vikarie. Die Investitur übernahm der jeweilige Dechant von St. Mauritz. Die Mehrzahl der Benefizianten waren Mitglieder der Familie Schwerte.150 Bereits vor 1475 wurde in der Antoniuskapelle eine dritte Vikarie errichtet.151 1480 bis 1482 erhielt der Inhaber Rotger Harnsmeker „per heren Rennenberge“ jährlich die nicht geringe Summe von 6 Mark und 3 Schillingen aus dem Grutamt. Ein anschließender Vermerk lautet „dyt ys nv her Hermen Engelhagen, vicarius tor capell”.152 Eine Gründungsurkunde ist nicht überliefert, doch lässt sich der Hergang der Fundation in Ansätzen rekonstruieren. Es war wohl besagter Herr Rennenberge, der die Vikarie stiftete und mit Renten aus dem Grutamt ausstattete. Das Präsentationsrecht behielt er offenbar sich selbst und seiner Familie vor, erscheinen Harnsmeker und Engelhagen doch außerhalb der in den Grutamtsrechnungen angelegten Rubrik der „beleenden presteren vnses stades“. Auch findet die Vikarie keine Erwähnung im Fundationsbuch der Ratsvikarien.153 Am 10. Juli 1478 verkündete der Generalvikar Johannes Romer in Vertretung des Bischofs Hinrich de Swartzeburgh, dass die Priester Johannes Dreyer und Johannes Wulffhagen mit Zustimmung des Kapitels St. Mauritz und des Rektors der Antoniuskapelle ein Benefizium zu Ehren der Heiligen Maria, Katharina und Barbara gestiftet und „ad altare sancti Georgij“ angesiedelt hätten. Es war die vierte Vikarie in der Kapelle. Ausgestattet wurde sie mit jährlichen Einkünften von 12 Gulden, 6 Mark, 2 Schillingen und 18 Scheffel Mehl. Hinzu kamen das Haus des Johannes Wulffhagen in der Loerstraße sowie – nach dessen und seiner Eltern Tod – das Haus des Johannes Dreyer am Aegidiikirchhof.154 Zur Ausstattung gehörte außerdem ein 150

A XIII, Nr. 51, beiliegender Zettel. Vgl. Zuhorn, Bürgertum, S. 150, der fälschlich annimmt, die Vikarie sei aus den Mitteln des Kapitels St. Mauritz errichtet worden. Vgl. auch Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 217, der das Präsentationsrecht fälschlich bei dem Dechanten sieht. Zu Herman Swerte vgl. Antoniushospital, Urk. 18. 151 Am 5. Oktober dieses Jahres verpflichteten sich Johan Hanenkamp und seine Frau Else zur jährlichen Zahlung einer Rente von 9 Schillingen und zahlten außerdem 4 ½ Mark an die Priester Herman Hesselman, Johan Dreyer, Bernt Redegelt und Rotger Harnsmeker sowie deren Nachfolger, und dies mit der Auflage, jährlich vier Memorien, nämlich am Abend nach Allerseelen die Vigilia und am nächstfolgenden Tag die Seelenmessen, zu halten. Antoniushospital, Urk. 4. Hesselman war Rektor der Antoniuskapelle, Dreyer der erste Vikar daselbst. Redegelt war der erste nachweisbare Inhaber der dem Hieronymus geweihten Blutsvikarie. Rotger Harnsmeker hingegen hatte die dritte Vikarie inne. 152 Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 166. 153 Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 164; A XIII, Nr. 50. 154 Antoniushospital, Urk. 17. Der Verbleib von Dreyers Haus ist sehr gut dokumentiert. 1487 bestimmte Dreyer erneut die Vikarie zur Erbin. Er starb 1512 oder kurz zuvor,

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neues Messbuch, über das der Vikar 1481 in Streit mit dem an selbigen Altar dienenden dritten Vikar geriet.155 Erster Inhaber der Vikarie sollte der Stifter Johannes Wulffhagen sein. Als Nachfolger wurde der Kleriker Theodor Hoyer, Sohn der Schwester des Johannes Dreyer, vorgesehen. Das Patronatsrecht für sechs weitere Besetzungen wurde dem Johannes Dreyer und seinen Erben vorbehalten. Erst danach sollte das Patronatsrecht an Bürgermeister und Rat der Stadt Münster, das Institutionsrecht an das Kapitel von St. Mauritz fallen.156 Am 18. Oktober 1491 verständigte sich Domvikar Johannes Dreyer mit den Erben seines Mitstifters Johannes Wulffhagen – das waren Johannes Volqwyn, Dechant von St. Mauritz, sowie Bernhard Gruter alias Wysse und seine Frau Alheid, Schwester des Johannes Volqwyn – auf eine Änderung des Patronatsrechtes. Nun wurde auch ihnen ein Mitspracherecht eingeräumt, und zwar dahingehend, dass das Besetzungsrecht im Anschluss an das Vikariat des Theodor Hoyer sechsmal zwischen den Erben Wulffhagens einerseits und Johannes Dreyer und dessen Nachfahren andererseits wechseln sollte.157 1528 waren Johan Gruter, Dechant der Martinikirche, Berndt Gruter und der Stadtsekretär Dirick Hoyer Patrone der Vikarie.158 Der Rat hat das Patronatsrecht erst Anfang des 17. Jahrhunderts erhalten.159 Die erste Blutvikarie des Magdalenenhospitals wurde 1484 als zweite Vikarie am Cyriacus-Altar fundiert. Dazu erschien der münsterische Priester Johan Berndinck, Inhaber der zweiten Ratsvikarie am Antonius-Altar, am 16. August vor dem Bischof. Als Ausstattung sollten 18 ½ Mark Rente, 1 Malter Weizen, ½ Malter Gerste, 5 Scheffelsaat Rüben, ein mit 30 Schillingen belasteter Garten am Stadtgraben sowie Berndincks Wohnhaus auf der Kreuzstraße samt Beihäuschen, Büchern und sonstigem Inventar dienen, wobei der Stifter sich zu Lebzeiten allerdings das Nutzungsrecht vorbehielt. Des weiteren sollte ihm das „ius presentandi ad dictam vicariam“ vorbehalten bleiben. Von ihm Präsentierte durften die Überschüsse aus dem Stifsodass der Vikar Johannes Hovemann das Haus nun entgegen nehmen konnte. Zudem ertauschte sich Hovemann als Privatmann ein Nachbargrundstück, das einem ihm verwandten Domvikar gehörte, und errichtete darauf eine Kammer. Daraufhin klagte 1513 der Dom und erhob seinerseits Ansprüche, die aber nach langem Streit abgewiesen werden konnten. 1528 fiel mit dem Tod Hovemanns auch die Kammer an die Vikarie. Antoniushospital, Urk. 15, Urk. 20, Urk. 31, Urk. 32, Urk. 37. 155 Man einigte sich schließlich vor einem Notar dahingehend, dass der dritte Vikar das Messbuch mitbenutzen dürfe, dem vierten Vikar dafür aber die Benutzung des gesamten Zierrats des Altars zugestehe. Antoniushospital, Urk. 18. 156 „Praesentatio et jus patronatus ad spectabilis viros proconsules et consules ciuitatis Monasteriensis, institutio vero et collatio ad venerabiles viros decanum et capitulum ecclesiae sanctae Mauritij extra muros ciuitate Monasteriense situatum perpetuis futuris temporibus spectare debeat et pertinere.“ A XIII, Nr. 50, fol. 23v. 157 Das Kapitel von St. Mauritz bestätigte diese Vereinbarung. Antoniushospital, zu Urk. 17. Betreffende Urkunde ist durch drei Siegel mit der Fundationsurkunde von 1478 verknüpft. Am 5. November 1491 wurden beide Urkunden vom Prokurator des Domdechanten erneut bestätigt. Antoniushospital, Urk. 22. 158 Antoniushospital, Urk. 37. 159 1617 besetzte er die Vikarie erstmals mit Johannes Heggeman sive Sorhegge. A XIII, Nr. 50, fol. 14r.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

tungsgut einbehalten und waren nicht zur Residenz verpflichtet. Nach seinem Tod sollte das Patronatsrecht auf seinen Bruder Gerhardus Berndinck oder dessen Erben übergehen, danach – sofern es ihn gäbe – auf den jeweiligen nächsten männlichen Erben Gerhards, sonst auf den nächsten weiblichen Erben. „Sed istis veris heredibus de cognatione Gerhardi Bernynck et Elizabet eius vxore defunctis, depost et quando et quotiens ipsum altare vacare contigerit, perpetuis futuris temporibus, tunc ius patronatus seu presentandi spectabit et pertinebit ad spectabiles viros proconsules et consules ciuitatis Monansterien. antedicte pro tempore existentes, dummodo tamen semper idonee persone conferatur.“160

Die Investitur hingegen lag beim Rektor der Hospitalkapelle. Die Söhne von Berndincks Bruder sollten die besondere Gunst haben, selbst dann präsentiert werden zu können, wenn sie noch minderjährig wären. Allen Benefizianten wurde das Recht auf ein Gnadenjahr gewährt. Die Äbtissin von Überwasser, der Rektor der Hospitalkapelle und der Inhaber der ersten Vikarie des Altars stimmten der Fundation schließlich zu.161 Eine zweite Blutvikarie wurde in der Magdalenenkapelle am 7. September 1503 von Wilbrandus Plönies, „proconsul civitatis Monasteriensis“, begründet. Wie er vor Generalvikar Henricus Verinck berichtete, sollte sie der Jungfrau Maria und den heiligen Aposteln Philipp und Jacob gewidmet und an einem von ihm erst kürzlich errichteten und eingeweihten neuen Altar angesiedelt werden. Das Patronats- und Präsentationsrecht behielt er sich selbst vor. Und wenn er nach göttlichem Willen die menschlichen Dinge verlassen und den Weg allen Fleisches beschritten hätte („ipsoque divinam voluntatem rebus humanis exemplo ac viam universae carnis ingresso“), solle das Recht auf einen seiner Söhne übergehen, und zwar zunächst auf Hermannus Plönies oder einen von ihm Benannten, dann auf den nächstältesten Sohn oder auch die älteste Tochter und so fort. Wenn es aber keine legitimen Nachfahren aus dem Blut oder der Geblütslinie seiner Söhne („ea sanguine sive linea consanguinitatis dictorum filiorum suorum“) mehr gäbe, seien sie männlich oder weiblich („sive masculus sive faemella“), sollte jemand anderes das Patronat im Sinne des Stifters weiterführen. Institution und Investitur hingegen sollten beim Rektor der Kapelle liegen, der bei der Abfassung der Urkunde anwesend war und gemeinsam mit der Äbtissin und dem Konvent von Überwasser seine Zustimmung gewährte. Die Sache geschah mit ausdrücklichem Einverständnis „spectabilium virorum consulatus Monasteriensis“, die im Falle des Aussterbens der Stifterfamilie das Patronat übernehmen sollten. Tatsächlich aber war die Vikarie noch 1752 in Familienbesitz.162 160

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„Wenn aber die wahren Erben aus der Verwandtschaft Gerhards Bernynck und seiner Frau verstorben sind, dann wird danach, wenn und sooft der Altar vakant werde, in dauernden zukünftigen Zeiten das Patronats- und Präsentationsrecht den ansehnlichen Männern Bürgermeistern und Ratsherren der besagten Stadt Münster, wer dies zur Zeit auch sein werde, zuerkannt und bei ihnen verbleiben, sofern nur immer eine geeignete Person vorgebracht werde.“ Magdalenenhospital, Urk. 89. Magdalenenhospital, Urk. 89. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 53. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, Magdalenenhospital, A 42/1. Das Patronat lag zunächst bei Wilbrand Plönies und seiner Frau Metta Lyrmans, dann bei

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Nicht unerwähnt bleiben darf hier eine Vikarie, die mit der 1475 errichteten Elende Aegidii verbunden war. Am 7. Juni 1501 erschienen Johan Louwerman und seine Frau Grete vor dem Offizial. Sie hatten einst gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Sweder van Bevern für eine Rente von 5 Gulden gebürgt, die Herman van Schelve den Handgetreuen des Johan Kyest verkauft hatte. Diese Rente wurde inzwischen bezahlt „an de vicarie des huses der armen tor elende, belegen in sunte Egidij kercken, dar nu her Hinrich Blanckebile possessor van is“. Da Herman van Schelve offenbar seit längerem zahlungsunfähig war, verpflichtete sich das Ehepaar Louwerman nun zur jährlichen Zahlung der halben Rente sowie eines weiteren Guldens zur Schuldentilgung.163 Bemerkenswert ist, dass die zwischen 1475 und 1501 errichtete Vikarie zwar für die Elende zuständig, aber – sofern der Verfasser der Urkunde nicht doch „sunte Egidij kerspel“ hatte schreiben wollen – in der Aegidii­ kirche angesiedelt war. Weitere Belege lassen sich nicht anführen. Es scheint, dass die Vikarie bald eingegangen oder die ursprüngliche Bestimmung vergessen worden ist. Auch der Patron der Vikarie ist unbekannt, ein Patronat des Stadtrates lässt sich aber wohl ausschließen, da nach Ausweis des Fundationsbuches der Ratsvikarien der Stadtrat über kein einziges Benefizium der Aegidiikirche das Präsentationsrecht hatte.164 Trotz der nach der Stiftsfehde zunehmenden Zahl der Blutvikarien unterstand die große Mehrzahl der Hospitalbenefizien immer noch dem Patronat des Rates. Eingriffe Auswärtiger suchte er dabei grundsätzlich abzuwehren. 1521 erhielt er einen auf den 29. August datierten Brief des Bischofs Erich II. „Erick, van godes gnaden bischop to Munster, hertoch to Szasszen, Engenen vnde West­ ualen. Ersamen leuen getreuwen. Na demm de capelle Marie Magdalene tusschen den bruggen bynnen vnszere stadt Munster dorch doetlygen affgange heren Johans Ramert nu yn kort verleddyget, deselue als vns beyegent, juw tokumpt to verlenenn, vnd wy vnszen hoffdener Johannem Mey, den wy vor eynen frommen armen gesellen nutte vnde bequeme dar to befynden, dar mede szunderlynges gerne versorget segen, demm na ys an juw vnse guytlyge begerette, angemerckt he eyn geboren borgers kynt vnser stadt Munster ys, dat gy denseluen Johannem, vns to annnemygen dancke, myth deren gerorten verleddygeden capellen versehen wyllen, dath zynth wy yn vell grotenn to verschuldenn wall geneigt, vnd wattan wy vns des by juw gyner verweygeronge vermoden, begerens dannach juw touerlatych antwort. Begeuen vp vnszen husze Dulmen vp dach decollationis Johannis anno etc. xxj.“165

Das Ersuchen dürfte abgelehnt worden sein. 1527 erscheint Johan ton Brincke auf der Stelle. Bereits 1490 hatte der Rat dem Kleriker Bertold Cluteman trotz Emp-

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Wilbrand Plönies und Anna Buschoff, Wilbrand Plönies zu Osnabrück und Maria Wiedenhove, Wilbrand Plönies zu Osnabrück und Clara van Hausen, Joh. Wilbrand Plönies zu Osnabrück und Clara Herdinck, Joh. Henrich Plönies zu Osnabrück und Elisabeth von der Beschwort, Berndt Wilh. Plönies und Anna Cath. von Grevingen, schließlich bei Petrus Franciscus von Plönies, Josephus Lud. von Plönies, Matthias von Plönies und Benedicta Bauerd. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Urk. 57. A XIII, Nr. 50. A XIII, Nr. 177, fol. 2. „Yn kort verleddyget“ = vor kurzem frei geworden; „als vns beyegent“ = als uns begegnet, wie wir erfahren haben; „wattan“ = wenngleich.

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III. Administrative Regulierung: Spiritualia

fehlungsschreiben des Kaisers Maximilian die Vikarie Jacobi maior in der Martinikirche verweigert.166 Kurz vor der Machtübernahme der Täufer versuchte auch Dr. jur. Johannes Gropper, derzeit noch Scholaster an St. Gereon in Köln, sein Glück. In der Tasche hatte er Empfehlungsschreiben des Papstes Clemens vom 20. November 1530, des Kaisers Karls V. vom 14. Dezember 1531 und des Wiener Bischofs und kaiserlichen Rates Stephan Gabriel Merinus vom 11. Januar 1532.167 Groppers Chancen sanken, als im März 1533 ein evangelischer Rat gewählt wurde, der sogleich eine Zuchtordnung aufsetzen ließ, in der eine Kirchen- und Schulordnung angekündigt wurde. Rat und Gesamtgilde setzten Examinatoren als Aufsicht über die Kirchengemeinde, die Schulen und das Armenwesen ein. Diese sollten auch die fortan von der Kirchengemeinde zu wählenden Pfarrer prüfen und in ihr Amt einführen. Im April wurde die Ordnung durch Rat, Olderlude und Gildemeister in Kraft gesetzt.168 Am 23. Februar 1534 setzten sich bei der regulären Ratswahl die Täufer durch, und Bischof Franz von Waldeck begann mit der Belagerung der Stadt. Zugleich versuchte er, die Besetzung vakanter Ratsbenefizien an sich zu ziehen. Am 16. Mai übergab er Georg Haken die sechste Vikarie des Magdalenenhospitals, nachdem diese „per jnabilitatem et neregularitatem cuiusdam Remigij Rhoede, heretici et anabaptisti vltimi“ vakant geworden war.169 Ob sich dies durchsetzen ließ, ist unbekannt. Verfügen konnte der Bischof aber sicherlich über die beiden Benefizien des außerhalb der Stadt liegenden Leprosoriums Kinderhaus. Als Johannes Groppers Diener Ludolphus aus dem Heerlager vom Tod des Johan Kremer, Rektor der Leprosenkapelle, erfuhr, schrieb Gropper dem Domscholaster Rotger Smysinck und dem Domherrn Henrich von Plettenburch am 12. August, nur wenige Tage nach Kremers Ableben am 20. Juli, einen Brief. Trotz des „erschrocklichen handels, so sich zu Munster leider zugetragen“ wollte er von seinem Ansinnen „ungerne abstahn“ und bat deshalb die Empfänger, sich beim Bischof für ihn einzusetzen, „diweill ich nun niemantz geschickter vnnd bequemer weiß, meinen gnedigen fursten dieß alles gruntlich vnnd eigentlich zu berichten“. Gropper wusste um seine geringen Chancen, hatte sein Diener doch auch berichtet, der Bischof habe bereits „einen anderen, namentlich seine furstlich gnaden capellain hern Johann Hagebocke“ in die Stelle eingewiesen.170 Tatsächlich geschah die Einsetzung des bischöflichen Kaplans und Landespfennigmeisters Hagebocke erst am 22. August – nicht durch den Stadtrat, sondern „ob turbatum senatus ciuitatis nostre Monasteriensis“ durch den Bischof.171 Gropper er166 167

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Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 222. Utsch, Kultusabteilung, S. 4, Nr. 3. Zu seinen Handlungsbevollmächtigten erklärte er am 29. April 1532 den münsterischen Dompropst Rutger Smisinck, vier weitere Domkanoniker, den Siegler des münsterischen Hofes Johannes Darvelt, den Domvikar Georg Vogelsanck und den Hofgerichtsschreiber Gotfried Reck. Utsch, Kultusabteilung, S. 5, Nr. 4. Kirchhoff, Gesamtgilde, S. 262. BAM, Domarchiv XVI, Klöster und Armenhäuser IX, A2, fol. 7r. A XIII, Nr. 252, fol. 3r–4v. BAM, Domarchiv XVI, Klöster und Armenhäuser IX, A2, fol. 8v. Zu Hagebocke vgl. Müller, Das Domkapitel zu Münster, S. 67.

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klärte sich erst zur Beilegung des Streits bereit, nachdem Waldeck die Stadt am 25. Juni 1535 eingenommen hatte.172 Die Urkunden der städtischen Vikarien wurden vor der Täuferzeit in der Kämmerei gelagert. Um sie vor dem Zugriff der Täufer zu bewahren, hatte man sie mindestens teilweise „vth der raetkameren verbracht“. Nach der Eroberung übernahm Franz von Waldeck das Stadtregiment und beanspruchte damit auch das Patronat über die städtischen Vikarien.173 Fortan wurden die Urkunden „yn der segelkamerenn“ aufbewahrt, also der Siegelkammer am Domhof, die auch als Bischofsresidenz diente.174 Die Urkunden der ersten Vikarie des Antoniushospitals blieben nicht lange dort. 1536 verkündete Johannes Gosebrinck, der die Vikarie 1510 noch aus den Händen des Rates empfangen hatte: „De heb ick myt mynen gelde weder geworwen van mester Everdt van Elen, canceller, de hyr noch an brecket konde ick myt mynen flyte van em erlangen, dusse solften sal men na mynen dode dem ersamen rade tho Munster besturen, dyt leen hefft eyn najaer na jnholt der ffundacien, de oeck verbleef.“175

Am 30. August besetzte Franz von Waldeck das erste Offizium in der Kapelle des Armenhauses Zurwieck nach dem Tod Hinrich Broielmans mit Johannes Hilmerinck und rechtfertigte dies folgendermaßen: „Ius patronatus et presentandj olim ante anabaptisticam sectionem in dicta nostra ciuitate ortam ad consulatum ibidem spectauit et post recuperatam eandem ciuitatis eiusdem beneficij seu vicarie collatio prouisio seu quenis alia dispositio ad nos tamqam loci ordinarium pleno jure deuoluta esse et pertinere dinoscitur.“176

„Ad gratiam“ überwies Franz von Waldeck am 22. September die vierte Vikarie des Madgalenenhospitals seinem Kaplan Johan de Syborch, nachdem der Inhaber Wesselus Trop gestorben war. Noch im selben Jahr bestimmte er Johannes Wibbeken zum Nachfolger Johans ton Brincken auf der ersten Vikarie des Magdalenenhospitals.177 172 173

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Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 222. Tatsächlich hatte der Fürstbischof nicht nur die Ratsvikarien an sich gezogen. Am 27. Februar 1540 verlieh Franz von Waldeck nach freiwilliger Resignation des Theoderich Doerhoff die fünfte Vikarie des Magdalenenhospitals an den münsterischen Kleriker Ludolf Halve, obwohl es sich um eine Blutvikarie handelte. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 54; Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 51. A XIII, Nr. 356, fol. 4. Zur Siegelkammer vgl. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 1, S. 524– 532. A XIII, Nr. 356, fol. 3. „De hyr noch an brecket“ = die noch fehlenden; „flyte“ = Fleiß; „najaer“ = Gnadenjahr. Eberhard von Elen war bischöflicher Kanzler. Vgl. Scholz, Alter Dom, S. 473. „Das Patronats- und Präsentationsrecht oblag einst vor der in unserer besagten Stadt aufgekommenen wiedertäuferischen Sekte dem Rat ebenda, und nach Rückeroberung derselben Stadt wurde zuerkannt, dass die Kollation, Aufsicht oder sonstige beliebige Anordnung des Benefiziums oder der Vikarie uns sowie dem Ortsordinarius mit vollem Recht übertragen wurde und bei (denselben) verbleiben wird. BAM, Domarchiv XVI, Klöster und Armenhäuser IX, A2, fol. 10v. A XIII, Nr. 186; BAM, Domarchiv XVI, Klöster und Armenhäuser IX, A2, fol. 12v.

144

III. Administrative Regulierung: Spiritualia

Das Ergebnis der bischöflichen Politik war, dass Vikarien teils an Minderjährige und Kinder vergeben wurden, teils an Personen, die ihre Altarpflichten gar nicht wahrnahmen, sondern vielmehr die Renten, mit denen ihre Benefizien ausgestattet waren, unterschlugen und entfremdeten.178 Am 19. Juni 1537 ernannte Franz von Waldeck den Magister Johannes Kock zu seinem Vicarius in spiritualibus und stattete ihn mit dem Recht aus, die innerhalb der Stadt und Diözese angesiedelten kirchlichen Benefizien zu permutieren, die Resignationen der Benefizianten einzuholen und zuzulassen und dieselben Benefizien zu übertragen.179 Fortan regte sich Widerstand.180 Erst als Franz von Waldeck am 5. August 1541 der Stadt Münster ihre Privilegien restituierte und Kaiser Karl V. die Restitution 1544 bestätigte, gelangte der Stadtrat wieder in Besitz der Patronatsrechte.181 Tabelle 6: Verzeichnis der in münsterischen Armenhäusern angesiedelten Benefizien. Gründung 1176 1249 1333 1350

178 179 180

181

Institution

Name

Patron

Typus

Magdalenenhospital Hospital in der Venne Kinderhaus Antonius­ hospital

Rektorat der Magdalenenkapelle Rektorat der Johanniskapelle Rektorat der Gertrudiskapelle Rektorat der Antoniuskapelle

Stadtrat

Seelsorge

Stadtrat

Seelsorge

Stadtrat Stadtrat

Seelsorge Mess­ benefizium

A XIII, Nr. 176. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 98. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Am 3. Oktober 1539 setzte Franz von Waldeck Arnold tom Drecke in die in der Martinikirche angesiedelte Vikarie Jacobi majoris ein und leitete wie gewohnt sein Recht aus der Eroberung der Stadt ab. Am 7. Oktober präsentierten Bürgermeister und Rat dem Dechanten der Martinikirche mit Paul Swartarndt einen Gegenkanditaten. Am 2. November bestätigte der Dechant Theodericus Schade, unterstützt von zwei Klerikern der Diözesen Osnabrück und Mainz, im Haus des Johan Knipperdolinck, Dechant im Alten Dom, die Investitur Swartarndts und stellte sich damit gegen den Bischof. Nur einen Tag später erklärte der Dechant mit vier Kanonikern des Kapitels der Martinikirche, dass sie der bischöflichen Übertragung der Vikarie an Arnold tom Drecke aus Furcht vor Beschlagnahme der Einkünfte durch den Bischof hätten zustimmen müssen, und protestierte gegen die Besitzergreifung der Pfründe. Schließlich verzichteten beide Kandidaten zu Gunsten des Klerikers Bernhard Averdunck. Dieser hatte bereits am 20. August den Stadtrat um ein Benefizium ersucht, dem der Rat zwar zugestimmt, zugleich aber gegen die in dem entsprechenden Verwendungsschreiben enthaltene Beeinflussung ihres freien Patronatsrechts durch König Ferdinand und Bischof Johannes von Wien protestiert hatte. Am 12. Juli 1542 resignierte Averdunck schließlich zu Gunsten des bischöflichen Kandidaten Arnold tom Drecke. Kirche St. Martini, Urk. 17 bis Urk. 21; Utsch, Kultusabteilung, S. 8f., Nr. 7. Vgl. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 100. Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 224.

3. Privates Patronatsrecht: Die Abkehr vom Rat

145

Tabelle 6 (Fortsetzung) Gründung 1371

Institution

Name

Patron

Typus

Magdalenenhospital Magdalenenhospital

1. Vikarie: Johannis Baptistae et Apostoli primae portionis 2. Vikarie: Cyriaci primae portionis

Stadtrat

Mess­ benefizium Mess­ benefizium

1429

Armenhaus Zurwieck

Heiliggeist-Vikarie primae portionis

vor 1445 1445

Magdalenenhospital Armenhaus Zurwieck Antonius­ hospital Kinderhaus

3. Vikarie: Antonii et Catharinae primae portionis Heiliggeist-Vikarie secundae portionis 1. Vikarie: Trium Regum primae portionis Vikarie St. Maria

Magdalenenhospital Armenhaus zur Aa

4. Vikarie: Antonii et Catharinae secundae portionis Vikarie St. Elisabeth

Antonius­ hospital Antonius­ hospital Antonius­ hospital

2. Vikarie: Trium Regum secundae portionis 3. Vikarie: Georgii primae portionis 4. Vikarie: Georgii secundae portionis

Magdalenenhospital Magdalenenhospital Elende Aegidii/ Aegidiikirche Magdalenenhospital

5. Vikarie: Cyriaci secundae portionis 6. Vikarie: Johannis Baptistae et Apostoli secundae portionis Vikar (in der Aegidiikirche)

1395

1445 1449 1453 1459

1467 vor 1475 1478

1484 1493 vor 1501 1503

7. Vikarie: Philippi et Jacobi et Annae

Stadtrat (1 Besetzung privat) Stadtrat (3 Besetzungen privat) Stadtrat? Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat Stadtrat (3 Be­ setzungen privat) privat privat Stadtrat (8 Besetzungen privat) privat Stadtrat privat?

privat

Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium

Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium Mess­ benefizium

147

IV. Ökonomische Regulierung Nachdem die Einflussmöglichkeiten des Rates auf die personelle Besetzung von Fürsorgeinstitutionen diskutiert wurden, soll nun seine Rolle in Bezug auf die Fürsorgeinstitutionen als wirtschaftliche Betriebe analysiert werden. Freilich stellte die Unterbringung und Versorgung von Armen einen Kostenfaktor dar, der auf vielfältige Weise kompensiert werden musste. Einnahmequellen waren Zustiftungen und Schenkungen, die oftmals mit bestimmten Verwendungszwecken oder Gegenleistungen einhergingen. So konnte ein Stifter gezielt die Bewirtung der Armen an bestimmten Festtagen aufbessern, die Auszahlung von Geldbeträgen an die Armen an bestimmten Terminen festlegen oder von den Armen Gebete für sich und seine Familie einfordern. Gestiftet wurden insbesondere Geldrenten, aber auch Sachen.1 Auch die Kirche förderte die Spendenbereitsschaft.2 Doch blieb der Anteil der Spenden an den Gesamteinnahmen so gering, dass sie lediglich einen kleinen, wenn auch für die Einbindung in die städtische Gesellschaft wichtigen Zusatzbeitrag zur Finanzierung der Institution leisten konnten.3 Eine gleichfalls bedeutsame Einnahmequelle waren die Gewinne aus Pfründenverkäufen und Pfründnernachlässen. Tatsächlich war die Verpflichtung, sämtlichen Besitz im Todesfall dem Armenhaus zu hinterlassen, obligatorisch.4 Lukrativer waren die landwirtschaftlichen Erträge. Insbesondere im Magdalenenhospital machten sie einen Großteil der Einnahmen aus, was seine Ursache nicht zuletzt im hohen Alter der Institution hat. Bereits 1183 befand sich der Hof Spitatael im Besitz des Spitals.5 Die größten Zugewinne erfolgten aber in der Kommunalisierungsphase.6 Die eigenhörigen Höfe waren abgabenpflichtig und entrichteten 1 2 3 4 5

6

Beispiele siehe Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 4v–5v; Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142r–146v. Als 1399 und 1405 in Kinderhaus kostspielige Bauprojekte anstanden, gewährte der Bischof allen Spendern einen Ablass von 40 Tagen. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 20, Urk. 21. Die Annahme des Stadtmuseums (Pest und Lepra, S. 19), Kinderhaus hätte sich vorwiegend aus Spendeneinnahmen finanziert, ist irrig. Jungnitz, Krankenhäuser, S. 17f.; Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 56; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 65. WUB 2, Nr. 435. Ein älterer Name ist Idenbrock nach dem Landstrich, in dem er lag. Vgl. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 96. Auch das Kinderhauser Leprosorium hatte einen Hof Idenbrock, der später als „Kokelenborch“ oder Kucklenburg bezeichnet wurde. Vgl. Crabus, Kinderhaus 1333–1533, S. 6. Seit 1242 besaß das Magdalenenhospital den Hof Westendorp, um 1250 auch den Hof Ramert. 1250 kam es außerdem in den Besitz des Hofes Beckmann, von dem vor 1501 ein kleinerer Hof, Luttike Beckeman, abgetrennt wurde. 1262 erhielt das Hospital den Hof Sporck, fünf Jahre später den Erbhof Harlinck, der bis 1501 aber seinen Besitzer oder seinen Namen gewechselt haben muss. 1274 folgten die Höfe Volmer und Husynck. 1309 war das Hospital bereits im Besitz des Hofes Mylynck, und 1342 erfolgte der Kauf des Gutes Althoff. Noch vor 1501 wurden schließlich die Höfe Schurman, Varwyck, Poppeman und Pytman übernommen. WUB 2, Nr. 435; WUB 3, Nr. 398, Nr. 1257, Nr.

148

IV. Ökonomische Regulierung

ihre Leistungen direkt an den Amtmann.7 Mit seinen 15 Höfen verfügte das Magdalenenhospital zwar unter den münsterischen Hospitälern über die größte Grundherrschaft, doch verglichen mit den zentralen Hospitälern anderer Städte nahm sie sich eher klein aus.8 Weitere Einnahmequellen, aus denen das Magdalenenhospital schöpfte, waren Landverpachtungen sowie Zehnteinnahmen aus mehreren Höfen in Havixbeck, Seppenrade, Billerbeck, Milte, Warendorf, Laer und Emsdetten.9 Die Einnahmen bestanden insbesondere aus Naturalien, die von den Hospitalsinsassen selbst verwendet wurden. Eventuelle Überschüsse wurden verkauft.10 Außerdem betrieb das Hospital eine Eigenwirtschaft mit Viehhaltung und Getreideanbau auf Ländereien in der Nähe des Hospitals und vor den Toren der Stadt, die 1559 immerhin 50 Malter Getreide abwarf.11 Dazu gehörten drei Windmühlen, gelegen „vor sunt Ylien porten“, „vor sunte Seruaes porten“ und „vp den grauen vor der Iode­ uelder porten“, in denen nicht nur eigenes Getreide gemahlen wurde, sondern gegen entsprechende Abgaben auch das fremder Grundbesitzer.12 Von den jüngeren Armenhäusern übernahmen dieses Wirtschaftsmodell nur jene, die außerhalb der Stadtmauern lagen. So verfügte das Hospital in der Venne trotz seiner kurzen Existenz über einen Acker, ein Haus, ein Torfmoor sowie – dank der Vermittlung des Magdalenenhospitals – über die eigenhörigen Höfe Westendorp und Bentlaghe. Entsprechend bestanden die Einkünfte des Kapellrektors fast ausschließlich aus Naturalien.13 Das Leprosorium Kinderhaus verfügte ursprünglich über die Höfe Idenbrock (Kucklenburg), tor Helle, Dyderkinch und Wernherinch, mit denen 1342 das dortige Rektorat ausgestattet wurde. Bereits 1365 besaß Kinderhaus den Hof Lammerdinck, von 1367 bis 1518 verfügte es über den Hof Tegeder, 1422 schließlich erwarb es den nahegelegenen Hof Brüning.14 Hinzu kamen spätestens seit 1388 Zehnteinnahmen aus sieben Höfen im Kirchspiel Emsbüren, die allerdings nur unregelmäßig bezahlt werden konnten.15 In geringem Umfang verfügte Kinderhaus auch über Hausbesitz, weitaus größere Einnahmen kamen aber

7 8 9 10 11 12

13 14 15

516, Nr. 686, Nr. 788, Nr. 954; MUB 50; MUB 118; Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 21v. Eine Karte der eigenhörigen Höfe bietet Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 117. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 69. So verfügte das Hospital in Biberach an der Riß über Liegenschaften in 39 verschiedenen Orten, das Thomashospital in Braunschweig über rund 1500 Morgen Land. Vgl. KrugRichter, Fasten und Festmahl, S. 50. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 61, S. 63; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 97. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 10vf. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 76, S. 83; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 54. Die Mühle am Aegidiitor ist 1439 erstmals belegt. MUB 679. 1457 benötigte der Amtmann Renten von 4 Mark und 1 Gulden für „eynne wyndemolen“. Magdalenenhospital, Urk. 60. Alle drei Mühlen wurden erstmals 1501 erwähnt. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 21r. Vgl. auch Gärtner, Magdalenenhospital, 1922, S. 8. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 2, Urk. 3, Urk. 4; WUB 3, Nr. 398, Nr. 538. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 3; MUB 180, Nr. 53; MUB 185; Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 15r; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 28, Urk. 29, Urk. 30. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 15, Urk. 27.

1. Finanzielle Hilfe durch den Stadtrat

149

aus der Verpachtung von Ländereien.16 Wie das Magdalenenhospital betrieb auch Kinderhaus auf nahegelegenen Ländereien eine Eigenwirtschaft mit Ackerbau und Viehzucht. Das Rechnungsregister von 1534 berichtet von Heuarbeiten, von Pferden und Kühen.17 Das Antoniushospital verfügte bereits 1368 über einen eigenhörigen Hof, genannt „Magheromes kote“, außerdem über Ländereien vor den Toren der Stadt.18 1441 verkaufte es den in der Senderhorster Bauerschaft to Bracht gelegenen Rennoldinck-Hof.19 1541 bezog es nicht nur Einnahmen „van lanthur“, „van gart lande“ und „van hushur“, sondern unterhielt auch eine „kowede“.20 Auch das Antoniushospital betrieb also eine Eigenwirtschaft. 1478 ist neben Dienstleuten in der Hospitalsküche auch ein Knecht, Bernd thon Dychues, belegt.21 Andere Armenhäuser innerhalb der Stadt verfügten weder über eine Eigenwirtschaft noch über eigenhörige Höfe. Ihre Haupteinnahmequelle – und dies galt auch für das Magdalenenhospital, Kinderhaus und das Antoniushospital – waren Rentverschreibungen.22 Damit übernahmen Armenhäuser gewissermaßen die Funktion einer Bank und bildeten so einen wichtigen Faktor auf dem städtischen Kapitalmarkt. Sie stellten dem Rentverkäufer eine bestimmte Kapitalsumme und bezogen dafür einen jährlichen Zins von etwa 5 Prozent. Es liegt dabei in der Natur von Stiftungen, dass sie eine konservative Finanzpolitik betrieben, die auf den langfristigen Erhalt der Stiftung angelegt war. Rentkäufe geschahen überaus selten, und etwa durch Hauskauf übernommene Rentverpflichtungen wurden recht schnell abgelöst.23 In geringem Umfange verfügten Fürsorgeinstitutionen auch über Hausbesitz.24

1. Finanzielle Hilfe durch den Stadtrat Die städtischen Fürsorgesysteme des Spätmittelalters waren stiftungsbasiert. Direkte Hilfeleistungen durch den Stadtrat blieben überaus gering und beschränkten sich auf situative Geldzahlungen in Notzeiten – Teuerungsphasen, Seuchen und Brände – oder auf die punktuelle Unterstützung einzelner Bedürftiger.25 In Münster lassen 16 Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 12r; Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 12r. 17 Armenhaus Kinderhaus, Akten 2, fol. 26r. 18 Antoniushospital, Urk. 4; Niesert, Urkundensammlung, Bd. 3, S. 54ff.; Antoniushospital, Urk. 13. 19 Archiv Haus Hülshoff (Dep. im LWL-Archivamt), Urk. 231. 20 Antoniushospital, Akten 25, fol. 6r. 21 Antoniushospital, Urk. 16. 22 Vgl. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 64 für das Magdalenenhospital. Vgl. Black, Speckpfründe Ludgeri, S. 308 für das Armenhaus Speckpfründe Ludgeri. Vgl. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 37 für den Heiliggeistkorb Lamberti. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 187 allgemein für die Almosenkörbe. 23 Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1r; Elende Aegidii, Urk. 5. 24 Das Armenhaus zur Aa etwa besaß zwei Nachbarhäuser und verpachtete sie 1375 für jährlich 18 Schillinge bzw. 1 Mark. MUB 228, Nr. 6. Jährlich 14 Schillinge brachte die Verpachtung eines Hauses 1381 der Armenkleidung Lamberti ein. MUB 258. 25 Schmidt/Aspelmeier, Norm und Praxis, S. 16.

150

IV. Ökonomische Regulierung

sich derartige Interaktionen des Rates kaum nachweisen. Grund ist die mangelhafte Quellensituation. Überliefert sind lediglich die Grutamtsrechnungen der Jahre 1480, 1481, 1482 und 1533 sowie die Kämmereirechnungen der Jahre 1447, 1448, 1449 und 1458.26 Tatsächlich finden sich hier Ausgaben des Grutamtes und der Kämmerei zu Gunsten diverser Fürsorgeinstitutionen – Kinderhaus, Antoniushospital, Armenkleidung Lamberti, die Armenhäuser Wegesende und Zumbusch, die Heiliggeistkörbe Lamberti und Überwasser, schließlich die Almosenkörbe Aegidii und Martini – doch handelt es sich hier weniger um situative Unterstützungen als um regulär verkaufte Renten, oder, wie es die Kämmereirechnung von 1458/59 ausdrückt, um „hure und renthe“.27 Einige Rentverschreibungen zu Gunsten der Armen scheint das Grutamt lediglich verwaltet zu haben.28 Dies bedeutete zwar einen gewissen Verwaltungsaufwand, aber keine finanzielle Belastung. Ein Eintrag der Grutamtsrechnungen bezeugt, dass die Stadtboten zwei Aussätzige aus der Stadt hinausgeführt haben. Ob sie sie nach Kinderhaus gebracht oder hinter den Stadttoren abgesetzt haben, ist unbekannt. 1533 verzeichnen die Grutamtsrechnungen unter der Rubrik „Vngelt, dath men vor gefangenn betaelt hefft“: „Item gegeuen den baden van twen vthsetteschen luden vth to brengen, is 2 s.“29 Auch Armenhäuser konnten situativ die finanzielle Hilfe des Rates in Anspruch nehmen.30 Die wichtigste Unterstützung, die der Rat den städtischen Fürsorgeinstitutionen gewährte, vollzog sich allerdings indirekt und bestand in der Befreiung der Armenhäuser von den städtischen Abgaben.31 Bereits 1183 hatte Bischof Her26 Eberhardt, Grutamtsrechnungen; Jappe Alberts, Kämmereirechnungen. Allgemein vgl. Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 140f. 27 Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 80; Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 38, S. 47, S. 53. 28 So zahlte es 1480 im Namen Johan Drostes eine Rente von 3 Mark an den Almosenkorb Aegidii, der Korb des Kirchspiels Martini erhielt „per Kerstien Kerckeringe“ 6 Mark und 3 Schillinge, die Armenkleidung Lamberti „per Gerharde Loen“ 2 Mark und Kinderhaus „per Dijrcke Potter van Jutten Kerckeringes wegene“ 2 ½ Mark. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 172–174. 29 Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 211. 30 Zum Besitz des dem Leprosorium Kinderhaus eigenhörigen Hofes Brüning gehörte ein Kamp, den der Schulze Brüning auf elf Jahre dem Hinrick Messeman verpachtet hatte. Gleichzeitig aber hatte er bei dem alten Smytjohan Geld in Höhe von 90 Hornsgulden aufgenommen und den Kamp als Sicherheit angegeben. Offenbar lief Brüning nun Gefahr, den Kamp zu verlieren. Die Schulden sollten deshalb von den Kinderhauser Provisoren beglichen werden. 1511 kamen sie dem nach. Die dazu benötigen 90 Gulden nahmen sie wohl von den Bürgermeistern auf. Im Gegenzug mussten die Provisoren ihnen versprechen, den Acker bis zur Abtragung ihrer Schulden zu behalten. So blieb der Kamp Teil des Hofes Brüning. 1513 wurde er auf ein Jahr dem Schulten Kerstyen verpachtet. Die hohe Pachtsumme von 28 Hornsgulden lässt auf einen Grundstückswert von etwa 560 Hornsgulden schließen. Dies erklärt wohl die Intervention der Bürgermeister. Ein Verlust des Kamps wäre für das Leprosorium ein großer Schaden gewesen. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 14r. 31 Boldt (Braunschweig, S. 95) sieht in der Abgabenfreiheit eine „zentrifugale Kraft“ der Hospitäler und betont die Notwendigkeit des Rates, Mittel zu finden, Hospitäler an

1. Finanzielle Hilfe durch den Stadtrat

151

mann  II. das dem Hospital eigenhörige Spitalerbe im Landstrich Idenbrock, „ad quantum ad hospitale proprietatis pertinet“, von der Pflicht der Zehntzahlung befreit.32 Drei Jahre später befreite er das Magdalenenhospital urkundlich von allen städtischen Lasten.33 Die Abgabenbefreiung hatte auch noch im 16. Jahrhundert Bestand. Kerssenbrock hat besagte Urkunde vor Augen, wenn er berichtet, dass Bischof Hermann die dem Hospital gehörigen Grundstücke zwischen den Brücken „ab omni gravamine et exactione civili“ freigemacht habe.34 Als Relikt ihrer einstigen Zugehörigkeit zum Venner Hospital waren auch einige Häuser in der Venne noch im 19. Jahrhundert „von alters her“ von jeglichen Abgaben bei den Kirchspielschatzungen befreit.35 Die vom Bischof begründete Politik setzte der Stadtrat fort. Am Ende der 1475 ausgestellten Gründungsurkunde der Elende Aegidii bekundet der Stadtrat: „Wy (…) hebt (…) den soluen huse vnd den lude, dar jnne wonende, gegeuen vor vns vnd vnsse nakomelinge vnd gheuet jn vnd vormyds dessen breue vrygheit, ghelyck hospitalen van solchen armen ellendighen krancken ghebort to hebbenn, vnd sunderlix van all vnses stadz denste, last vnd ouerfall jeghenwordich vnd tokomende.36

Abgabenfreiheit ist nicht für jedes einzelne Hospital nachweisbar. Die Formulierung des Rates deutet aber darauf hin, dass er Armenhäusern dieses Privileg grundsätzlich einräumte. Auch der Elende Überwasser wurde im Gründungsakt die Freiheit von jeglichen Stadtdiensten gegeben. Schöffen und Kirchspiel Überwasser hatten die Ratsherren darum gebeten, was diese in wörtlicher Anlehnung an die Gründungsurkunde der Elende Aegidii auch gewährten.37 Als 1529 im Kirchspiel Lamberti eine weitere Elende fundiert wurde, gewährte der Rat ebenfalls Abgabenfreiheit, bedurfte dazu inzwischen allerdings der Zustimmung von Alder- und

32 33

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sich zu binden. Tatsächlich ist die Abgabenbefreiung wohl gerade Zeichen einer längst bestehenden Eingebundenheit. WUB 2, Nr. 435. Vgl. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 96. „Specialiter autem areas inter duos lapideos pontes sitas predicte domui attinentes ab omni gravamine et impensa, que vel per peticionem vel per quamcunque civilem fieri solet exactionem, absolvimus et liberas constituimus, ut pauperum necessitati in eadem domo recolligendis utilius et commodius ex eorum proventu provideatur et minus per diversarum exactionum incommoda distrahantur.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2r–2v. Detmer, Kerssenbrock, S. 58. Diese „civilis exactio“ ist die Kommunalsteuer, die je nach Vermögenslage des einzelnen auf die Bürger umgelegt wurde. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 43. Börsting/Schröer, Handbuch des Bistums Münster, S. 14. Es handelte sich um die Häuser Venne Nr. 3, 5, 10 und 12. Elende Aegidii, Urk. 3a. „(...) hebbet darumme vort denselven huese und den leuten, darinn wohnende, gegeven vor uns und unse nakomelinge und gevet in und vermids düßen breve frieheit gelick hospitalen und solken armen elendigen kranken geboirt tho hebben, und sunderlings van allen unses stades densten, last und overfall jegenwordig und to kommen, all sonder jenige argelist.“ BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r.

152

IV. Ökonomische Regulierung

Meisterleuten.38 Nach der Eroberung Münsters durch Franz von Waldeck war es Johannes Kock, der in Stellvertretung des Bischofs 1542 die Gründung des Armenhauses Jüdefeld bestätigte. Auch er begünstigte das Armenhaus, doch nicht mit einer bloßen Abgabenbefreiung. Vielmehr erklärte er, er habe sämtlichen jetzigen und zukünftigen Besitz der Stiftung „gedodet, mortificiert, gefryeth vnd der gheistlyken fryheidt togeschreuen“.39 Nach der Restituierung seiner Rechte kehrte der Stadtrat zu seiner bewährten Praxis zurück. Auch das 1607 gegründete Armenhaus Warendorf befreiten Bürgermeister und Rat von allen Abgaben, benötigten dazu aber nach wie vor die Zustimmung der Alder- und Meisterleute.40

2. Zustimmung bei Wirtschaftsverträgen Die Aufsichtsführung des Rates über die wirtschaftliche Tätigkeit von Fürsorgeinstitutionen wird besonders dann deutlich, wenn zur Durchführung eines Finanz- oder Immobiliengeschäfts die Autorität der Provisoren nicht ausreichte und der Stadtrat seine Zustimmung gewähren musste. Als Stiftungen verfolgten die Fürsorgeinstitutionen eine Wirtschaftspolitik, die auf Langfristigkeit angelegt war. Dennoch konnten im Einzelfall Handlungen notwendig werden, die diesem Prinzip zuwiderliefen. Die Interaktionen des Rates bewegten sich in diesem Spannungsfeld. Maßnahmen, die nicht dem Prinzip der Langfristigkeit entsprachen, bedurften der Abstimmung, Maßnahmen im Sinne der Langfristigkeit – in der Regel – nicht. Gewährt wurde die Zustimmung meist im Rahmen einer mündlichen Vorabsprache,41 gelegentlich auch durch persönliche Anwesenheit. Der Verkauf von Renten bedeutete kurzfristigen Gewinn, langfristig aber eine Belastung. Entsprechend bedurfte er der Zustimmung des Trägers. Am 30. September 1388 verkauften die beiden Kinderhauser Provisoren Bertold Bisschopynck und 38 Bürgermeister und Rat bestätigten, „(…) dat so jegenwordigen jn krafft dusses breues demsoluen huse myt syner tobehoringe vnnd den jnwonneren, de so alse vorgeroirt den krancken tofanck vnnd troestlyke waringe doenn, myt vulbort, wetten vnd wyllen der olderlude vnnd gemeynen mesterlude vnses stades geuende vnnd verleynende jn vnnd myt dessen breue fryheit gelyck anderen hospitalen, alse ock solichen armen elendigen krancken geboirt tho hebben, jn der sunderheit van allenn vnses stades denste, leste vnnd auerfalle, jegenwordige vnnd tho kommenn, vor vns vnnd vnse nakomelingen to ewigen dagen, dyt allet sunder argelyst.“ Elende Lamberti, Urk. 1. 39 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. 40 Armenhaus Warendorf, Urk. 1. Es sei hier nur angedeutet, dass neben Armenhäusern auch andere Personen und Einrichtungen in den Genuss der Abgabenfreiheit kommen konnten. Ein im Bereich der Armen- und Krankenfürsorge interessantes Beispiel hierfür ist Goddert van der Maße, der Verwalter der Stadtapotheke. 1496 übertrugen Bürgermeister und Rat ihm und seinen Erben die Apotheke und verfügten, dass sie „van allen stattsdienste, dat sie am schatte, schattung, waken, graven of uthtreeken oder anders, wo man dat benomen mag, vry und unbelastet wesen un sitten sollen“. Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 2, S. 11f. Vgl. auch Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 1, S. 20. 41 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 65f.

2. Zustimmung bei Wirtschaftsverträgen

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Everd van Kamen „na rade vnd myt vulbort der burgermestere vnd ghemeynen schepenen der stades to Monstere“ dem Gerd thon Thye genannt Vullebroeck eine Rente von einer Mark. Dafür erhielten sie „achteyn marck, de vns wal betalt vnd in orbare nut desser vorgerorden seeken van vns vort kentlike vnd alynch synt gekaert“. Wofür Kinderhaus die 18 Mark benötigte, bleibt ungenannt, zu vermuten ist aber ein situativer Anlass.42 Zahlen wollten die Provisoren die jährliche Rente aus dem Haus des Käufers. In Ermangelung eines eigenen Siegels baten sie ihre Vorgesetzten, die Bürgermeister und Schöffen der Stadt, um Anbringung deren Sekretsiegels. Der Stadtrat – „wante desse stucke na vnssen rade vnd vulbort, alz vorschre­ uen is, zint gescheen“ – kam ihrem Wunsch nach.43 Die Erlaubnis des Rates musste selbst dann eingeholt werden, wenn die Provisoren ihrem eigenen Amtmann Renten verkauften.44 Der Rat konnte hingegen einen Rentenverkauf nicht nur genehmigen, sondern auch aktiv veranlassen.45 Auch beim Tausch von Renten musste der Rat hinzugezogen werden.46 Der Rat verfuhr dabei grundsätzlich nicht anders als andere Träger von Fürsorgeeinrichtungen.47

42 Derselbe Anlass mag Kinderhaus im selben Jahr dazu bewegt haben, sich verstärkt um die Eintreibung des seit längerem nicht gezahlten Zehnten zu Bernte zu bemühen. MUB 289. Möglicherweise stehen beide Aktionen bereits in Zusammenhang mit dem Neubau der Kapelle, für den wohl 1399 ein Spendenaufruf erging. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 20. Vgl. Crabus, Kinderhaus 1333–1533, S. 28. 43 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 8v–9r. Auch die Provisoren und der Amtmann des Magdalenenhospitals benötigten bei Rentverkäufen die Zustimmung des Rates, so etwa als sie 1495 der geistlichen Jungfer Elseke Kerckerinck to Gravenhorst eine Rente von 4 Gulden aus ihrem Hof to Wylynck verkauften und dafür 80 Gulden erhielten, die sie zur Ablösung einer Rente von 15 Gulden an den Domvikar Hinrich Plantstaken benötigten. Magdalenenhospital, Urk. 80. 44 1457 taten die Provisoren des Magdalenenhospital dies und übergaben dem Amtmann Macharius Veghesack drei Renten in Höhe von insgesamt 4 Mark und 1 Gulden. Sie erhielten dafür eine ungenannte Summe, „de na raide vnd vulborde der ersamen borgermestere vnd raidz vorg. in kentlick orbar vnd nutticheit des vorg. hospitaels vnd der armen, alse by namen an eynne wyndemolen, ghelacht vnd gekart is“. Auch das Hospitalsiegel setzten die Provisoren „my wetenn vnd vulborde der ersamen borgermester vnd raidz vorg.“ unter die Urkunde. Magdalenenhospital, Urk. 60. 45 1459 verkaufte das Magdalenenhospital dem Johan Bisschopinck, Dechant von Überwasser, eine Rente von 10 Schillingen, und zwar auf „beuele und doen heyten“ der Bürgermeister und des Rates. Bürge war der bereits erwähnte Amtmann Macharius Veghesack. BAM, Pfarrarchiv Liebfrauen-Überwasser, Urk. 5. 46 1418 tauschten die Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti eine Rente von ½ Mark mit Johan Medeman, seiner Frau Gezeke und seinem Sohn Johan und handelten dabei „na rade vnde vulborde der borgermestere vnde rades der stades to Monstere“. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 29v–30r. 47 Der Almosenkorb Martini etwa unterstand dem Kirchspiel Martini, und so geschah es 1394 „nach raede vnser ratlude Thomases Kerckerinck vnd Berndes Belholtes“, dass die Almosener für 18 Mark eine Rente von 1 Mark zu Gunsten der vereinigten Almosenkörbe erwarben und versprachen, diese Mark jährlich in die Lambertikirche zu bringen. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 99r–99v.

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IV. Ökonomische Regulierung

Selbst bei Leibrenten, die mit dem Tod des Käufers erloschen, bedurfte es der Abstimmung mit dem Träger. Für das Magdalenenhospital war dieser bereits 1284 der Stadtrat, und so erklärten „magistri scabinorum, scabini totaque communitas civitatis Monasteriensis“ gemeinsam mit dem Amtmann („provisor“) Johannes de Klusen, vom Domkantor Henricus 15 Mark erhalten zu haben, die bereits für den Ankauf von Gütern in Groblingen verwendet worden waren. Im Gegenzug verpflichtete sich das Hospital zur Zahlung einer Rente von 12 Schillingen, die Henricus „quoad vixerit“ aus dem Haus Gelekinck erhalten sollte. Das Haus lag unmittelbar neben der Steinbrücke in der Nähe des Hospitals. Sollten die Bewohner des Hauses ihrer Verpflichtung aus irgendwelchen Gründen nicht nachkommen, würde das Hospital für sie einspringen. Vier der zwölf Schillinge sollte das Hospital sofort beziehen und „ad refectionem pauperum“ verwenden. „Post mortem vero ipsius cantoris tota marka cedet ipsi hospitali ad refectionem pauperum ibidem, ita tamen quod perpetua memoria in dicto hospitali dicti cantoris et suorum progenitorum cum missa defunctorum et orationibus ibidem deo servientium habeatur.“48

Leibrenten wurden auf Lebenszeit gezahlt. Bei einem üblichen Zinssatz von fünf Prozent rentierten sie sich nur, wenn der Rentkäufer vor Ablauf von 20 Jahren starb.49 Gewöhnlich verkauften Fürsorgeinstitutionen nur dann Renten, wenn sie unmittelbar Kapital benötigten. Oftmals geschah dies im Zusammenhang mit größeren Bauvorhaben, und gelegentlich kamen die Gelder dann aus dem näheren Umfeld der Einrichtung.50 Eine nur scheinbare Ausnahme von der Regel stellt ein Fall dar, der sich 1456 ereignete. Styne Lullerdes verkaufte je einen Gulden Rente an die Armenhäuser Zurwieck, Wegesende und zur Aa.51 Faktisch war dies aber kein Rentenkauf, sondern 48 „Nach dem Tod des Kantors aber fällt die gesamte Mark an das Hospital zur Beköstigung der Armen ebenda, sodass aber die ewige Erinnerung an besagten Kantor und seine Vorfahren in besagtem Hospital mit einer Totenmesse und den Orationen der dort Gott Dienenden aufrechterhalten werde.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 7v. 49 Ein weiteres Beispiel: 1380 verkauften die Almosener von Ludgeri der Elisabeth, Witwe des Gerhard thor Wunne, und der Elisabeth, Tochter des verstorbenen Magisters Nycolaus des Rynschen, eine Leibrente von 6 Schillingen, die nach dem Tod der einen der anderen zufallen sollte. Die Frauen hatten ihnen dafür zur Vermehrung der Einkünfte des Almosens ein Kapital von 12 Mark übergeben. Die Almosener benötigten dazu die Zustimmung der derzeitigen Provisoren der Kirchenfabrik und der übrigen Pfarreingesessenen („parrochianorum“). Almosenkorb Ludgeri, Urk. 2. Das Original ist stark beschädigt. Vgl. deshalb MUB 255. 50 1423 erhielten die Provisoren des Armenhauses Zumbusch, das von den Almosenern der Martinikirche mitverwaltet wurde, „mit willen vnd wetene der schepene, der raetlude vnd kerspellude vnser kercken to zunte Merti[ne]“ von Herrn Hinrich Francke aus Ahlen, Kanoniker der Martinikirche, 10 Mark, die sie „in [be]teringhe vnd in tymmeringhe des huses ton Bussche vorg.“ verwendeten. Im Gegenzug verpflichteten sie sich zur Zahlung einer Rente von ½ Mark aus dem Armenhaus. Diese „(jar)like lif(tuchte)s rente“ sollte „to tiden sines leuendes“ an den Kanoniker Francke gezahlt werden, danach aber fiele sie an das Armenhaus, um damit Wein und Fleisch zum Osterfest der Armen zu kaufen. Armenhaus Zumbusch, Urk. 44. 51 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 77r.

2. Zustimmung bei Wirtschaftsverträgen

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ein Rententausch, denn zeitgleich verkauften die Provisoren der drei Armenhäuser der Styne Lullerdes drei Leibzuchtrenten in gleicher Höhe. Die Provisoren des Armenhauses Zurwieck hatten sich zuvor die Zustimmung ihres Trägers eingeholt und handelten entsprechend „myt guden vorberadenn mode vnd myt vulbord vnd willen vnser scheppenn vnd amptluden jn den vorg. kerspele“.52 Nicht so die unter Ratsträgerschaft stehenden Häuser Wegesende und zur Aa. Deren Provisoren handelten eigenmächtig und „myt vnsen vorberadenn eyndrechtigen vryen willen“.53 Dass hier die Zustimmung des Rates nicht notwendig war, ist vielleicht dadurch erklärbar, dass die Armenhäuser mit dem Verkauf der Leibrente in diesem Fall kein finanzielles Risiko eingingen, erhielten sie doch im Gegenzug eine ewige Rente und verbesserten damit ihre Finanzlage. Dass das Armenhaus Zurwieck der Zustimmung seitens des Trägers bedurfte, könnte dafür sprechen, dass der Rat die Aufsicht über seine Hospitäler – wohl nicht zuletzt aus Gründen des Verwaltungsaufwandes – weniger streng wahrnahm als andere Träger. Für diese These sprechen auch die Gepflogenheiten, die im Armenhaus Jodefeld galten. Dieses unterstand der Äbtissin und dem Dechanten von Überwasser, deren Zustimmung die Provisoren auch für langfristige Investitionen einholen mussten. Den Besitz verstorbener Insassen sollten sie versteigern und das Geld „na erem vnd tho voerens eyner werdyghen vrouwen vnd deckens tho Ouerwater guetduncken vnd getrouwen rayde tom forderlyxten anleggen“. Weiterhin galt: „So oick ienyghe renthe dem hospitaill in tokumpstigen tyden affgeloist worden, sulck gellt sall durch eyne werdyge vrouwe tho Ouerwater sampt den decken vnd prouisoren so bolde mogelyck an gewyssen stede vnd order wederumb angelacht vnd die breue in mathen, wo bouen steyth, verwart werden.54

Andere Provisoren waren hier freier. Renten konnten sie in der Regel selbständig erwerben. Lediglich, wenn der Empfang einer Rente an außerordentliche Bedingungen geknüpft war, holten die Provisoren gelegentlich die Zustimmung ihres Trägers ein. 1426 etwa erhielt der Heiliggeistkorb Lamberti eine Rente von 3 ½ Mark, die allerdings nicht im eigenen Interesse verwendet, sondern an die kranken Brüder im Minoritenkonvent ausgezahlt werden sollte. Für den Heiliggeistkorb bedeutete der Empfang der Rente also weniger eine Verbesserung der finanziellen Ausstattung als die Übernahme einer irregulären Verpflichtung, und so handelten die Provisoren „myt willen der erszamen borgermester vnde des raides to Munster“ und baten Bürgermeister und Rat auch um die Bestätigung der Urkunde mit deren Sekretsiegel.55 52 53 54 55

Armenhaus Zurwieck, Urk. 5. Das vorgenannte Kirchspiel ist Überwasser. Armenhaus zur Aa, Urk. 28; Armenhaus Wegesende, Urk. 43. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 65r–65v. Und noch ein Beispiel: 1511 gaben die Provisoren und der Amtmann des Antoniushospitals bekannt, dass sie von Domvikar Gerd Wysseman genannt Trippemeker Renten über 2 Gulden sowie 9 Scheffel Roggen erhalten haben. Von der Rente sollte der Amtmann dem Pastor jeden Tag in der Fastenzeit und jeden Samstag in der Zeit zwischen Ostern und Pfingsten 4 Pfennige und den vier Priestern je 2 Pfennige geben, dafür dass sie an den genannten Tagen nachmittags zwischen fünf und sechs Uhr zusammenkommen, um die Kollekten zu lesen und in der

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IV. Ökonomische Regulierung

Zustimmungspflichtig war nicht nur der Verkauf von Renten, sondern auch von Immobilien.56 Dasselbe galt für den Tausch von Immobilien. 1284 tauschte Adolphus de Saffenberg mit dem Magdalenenhospital seine Wiese bei Holta gegen hospitalseigene Ländereien bei Haus Kannen. Auf Seiten des Hospitals erschien dabei der Magister Johannes. Außerdem anwesend waren die Schöffen der Stadt Münster.57 Als der Procurator Hermannus 1309 Land tauschte, geschah dies mit Zustimmung des Henricus de Loen und des Machorius, die Hermannus als seine Vorgesetzten bezeichnete58 und aus denen sich die Provisoren entwickelten. Zu diesem Zeitpunkt wurden sie aber offenbar noch nicht als Vertreter des Hospitals wahrgenommen, sondern als Deputierte des Rates, sodass die Anwesenheit des Rates hier nicht erforderlich war. Dies änderte sich mit der Zeit. Als Provisoren und Amtmann des Magdalenenhospitals 1532 Land mit dem Leprosorium Kinderhaus tauschten, handelten sie – wie auch die Kinderhauser Provisoren – „myt wetten vnd vulboirt der ersamen borgermestere vnd raidz der stadt Munster“.59 Da Zehntrechte eine langfristige Einnahmequelle bedeuteten, bedurfte auch ihr Verkauf der Zustimmung des Trägers. Bereits vor 1388 war Kinderhaus in den Besitz eines Zehnten über sieben Höfe im Kirchspiel Emsbüren, Bauerschaft Bernte, gekommen. Aufgrund ihrer Armut konnten die Hofbesitzer ihren Verpflichtungen aber bestenfalls unregelmäßig nachkommen. So kam der Bote, der 1508 den Blutzehnten eintreiben sollte, unter anderem mit sechs Lämmern zurück, die an der Schwelle zum Tode standen. Die Zahlungsunfähigkeit der Bauern und der weite Weg nach Emsbüren waren wohl der Grund, weshalb die Provisoren sich 1518 ent-

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Fastenzeit die Marienantifon Salve Regina und zwischen Ostern und Pfingsten Regina Coeli zu singen. Der Amtmann sollte des weiteren für Glocken und Kerzen sorgen und die Jungen verköstigen, die die Tropen und das Avemaria singen, wofür er jährlich 2 Schillinge erhalte. Warum die Provisoren, die selbst Ratsherren waren, nicht selbständig, sondern „myt vulborde vnde medeweten der erbarn borgermestere vnde rades der stad Monster“ handelten, ist nicht ganz klar. Es mag sein, dass sie den Rat kontaktiert hatten, weil man den Eindruck eines unzulässigen Eingriffs in die Pflichten des vom Rat angestellten Amtmanns vermeiden wollte. Möglicherweise wurde die Stiftung auch vom Rat vermittelt. Antoniushospital, Urk. 30. 1398 verkauften die Provisoren des Antoniushospitals dem Detmar van Zorbeke zwei Stücke Land vor dem Jüdefelder Tor am Grevener Weg „na rade vnd myt vulbort“ von Bürgermeistern, Schöffen und Rat. Niesert, Urkundensammlung, Bd. 3, S. 54ff. Bereits 1367 hatte der Bischof den Armen zu Kinderhaus das ihm eigenhörige Tegedernerbe verpfändet. 1518 löste er das Pfand ein und kaufte den Hof für 450 Gulden zurück. Empfänger der Summe waren neben den beiden Provisoren Hinrick Travelman und Johan van Stenvorde auch der Kämmerer Herman Heerde und der Grutherr Johan Li(de)r man. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 3v; Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 15r. MUB 37. Wörtlich heisst es „magister domus hospitalis in Stenvorde Johannes“. Dass es sich um den Provisor eines Steinfurter Hospitals handelte, ist aus dem Themenzusammenhang kaum glaublich. Gemeint ist wohl Johannes de Kluse, Prokurator des Hospitals zwischen den Steinbrücken (1281/84). WUB 8, Nr. 484. Magdalenenhospital, Urk. 138; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 80.

2. Zustimmung bei Wirtschaftsverträgen

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schlossen, den Zehnten – unter Vorbehalt des Rückkaufrechts – an die Emsbürener Johan und Grete Becker zu verkaufen, und den Brief mit ihren Privatsiegeln beglaubigten. Und „want dyt aldus myt vulboirt, wetten vnd willen vnser borgermestere vnd raidz vorscreuen gescheyn is“, setzten diese auch das städtische Sekretsiegel unter die Urkunde.60 Grundsätzlich konnten Träger wohl auch eigenmächtig und ohne unmittelbare Beteiligung der Provisoren im Namen der Institution Wirtschaftsverträge abschließen.61 In Anspruch genommen wurde dies allerdings nur sehr selten.62 Verträge im Sinne einer langfristigen Wirtschaftspolitik konnten die Provisoren in der Regel allein abschließen. Doch es gibt Ausnahmen. 1317 befreite das Kloster Asbeck ihre Eigenhörige Alheydis Elhardinch „ab omni servitutis iugo“ und gab sie „ad maniis consulum et scabinorum ac hospitalis civitatis Monasteriensis“.63 Obwohl die Provisoren den Empfang von Eigenhörigen durchaus selbständig bekunden konnten,64 wurde hier der Rat unmittelbar tätig. Offenbar hatte sich die Priorin des Klosters als Auswärtige direkt an den Rat gewandt, der daraufhin gemeinsam mit dem Hospital die Eigenhörige empfing.65 Ansonsten zogen die Provisoren vor allem bei größeren Kaufobjekten regelmäßig Vertreter des Rates hinzu.66 Darüber hinaus konnten Provisoren von Fürsorgeeinrichtungen unabhängig von der Trägerschaft vor dem Rat erscheinen und sich wie andere Personen auch eine Rechtshandlung, etwa eine Schenkung, bestätigen lassen. Faktisch erfuhren damit auch solche Rechtshandlungen eine implizite Zustimmung des Rates.67 Am 14. Januar 1423 erklärten Bürgermeister und Rat: „Wy borgermester vnd raed der stad to Munster bekennet vnd betuget openbar in dessen breue, dat vor vns gekomen sind Johan Egge vnd Johan Hesselman, vorwarer der armer lude in den hus vp der berchstrate, Johan van Werden vnn Bernd Slepestrate, vorwarer der armerlude in den hus ton Bussche by sunte Mertyns kerckhoue in vnser stad gelegen, vnd bekanden openbar, dat Styna wandages echte vrouwe selgen Dankelmans des potgeiters vmme godes 60 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 15, Urk. 69; Armenhaus Kinderhaus, Akten 161. 61 Allgemein vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 64. 62 Der einzige bekannte Fall betrifft die beiden Zwölfmännerhäuser. Ihr Träger – Dompropst, Domdechant und Domkapitel – übertrugen 1325 dem Kloster Vinnenberg vier Erbhöfe im Kirchspiel Milte und befreiten sie zugleich von allen Abgabenverpflichtungen, die die Höfe gegenüber den Zwölflingen hatten, ohne dass diese in irgendeiner Form – sei es durch ihren Vorgesetzten oder den jeweiligen Halter der Domobödienzen Lepperinch oder Gassel – vertreten gewesen wären. WUB 8, Nr. 1878. 63 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11v. 64 Vgl. etwa MUB 78 und MUB 233. 65 Ein solches Verfahren war allgemein üblich und selbst dann möglich, wenn das Armenhaus nicht in der Trägerschaft des Rates stand. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 68. 66 So befanden sich, als die Kinderhauser Provisoren 1422 den Hof Brüning kauften, mit Hinrik Warendorp und Engelbert van der Wieck mindestens zwei Ratsherren unter den Zeugen. MUB 491; MUB 492. Der Kauf des Oldehoffs durch das Magdalenenhospital geschah 1342 unter Zeugenschaft beider Bürgermeister. MUB 118. 67 Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 66.

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IV. Ökonomische Regulierung

wyllen vnd zelicheit erer zele guden wyllen hebe gegeuen den armen luden in den vorg. husen yarlike rente twe marck geldz pennynge to Munster genge vnd geue.“68

Bürgermeister und Rat agierten hier nicht als Träger des auf der Bergstraße gelegenen Armenhauses zur Aa – das Armenhaus Zumbusch befand sich in Kirchspielträgerschaft – sondern setzten ihr Sekretsiegel lediglich zum Zeugnis „dat dyt vor vns gescheyn ys“ und „vmme bede wyllen der vorgenompten partie“.69 Die Beaufsichtigung insbesondere der Ausgabenpolitik durch die Träger war nicht nur bei Fürsorgeinstitutionen üblich. Insbesondere die Kirchspielverwaltungen beaufsichtigten die ihnen unterstehenden bürgerlichen Kirchenräte nach ähnlichen Prinzipien.70

3. Rationalisierung der Rechnungsführung Die spätmittelalterlichen Fürsorgeinstitutionen finanzierten sich aus einer Vielzahl verschiedener Ansprüche, Einkünfte und Zustiftungen. Insbesondere letztere waren oftmals mit komplizierten Ausführungsbestimmungen verbunden, die für ewige Zeiten bindend waren. Wachsende Zahl und zunehmende Komplexität erforderten bald eine organisierte Erfassung.71 Erste Ansätze waren bereits im 12. Jahrhundert erkennbar. 1184 bestätigte Bischof Hermann II. urkundlich den Rentenbesitz des Magdalenenhospitals („isti sunt reditus hospitalis“) und schuf damit das erste Rentregister eines münsterischen Hospitals. Es enthält 20 Punkte: „[1] sex solidi et sex denarii de dote in Scuttorpe [2] quatuor solidi de curia comitis in Scuttorpe [3] quatuor solidi de curia Reinboldi de Baclo in Northorne [4] duo solidi de manso Rutgeri de Weteringen in Frildesdorpe [5] triginta denarii de Haurenbreke in parrochia Scopingen, ex quibus Ernestus et Aleidis predicte elemosine largitores statuerunt sex denarios ad uinum et oblatas et sex denarios in circumcisione ad pauperum refectionem, quando anniuersarius eius est [6] tres solidi de dote in Bulleren 68 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 42vf. 69 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 42vf. Ein ähnlich gelagerter Fall fand bereits 1314 statt, als Henricus de Lon, selbst Ratsherr, „de voluntate et consensu uxoris sue“ vor seinen Ratsgenossen erschien und den ebenfalls anwesenden Provisoren des Magdalenenhospitals eine Rente von 6 Schillingen schenkte. Nicht aufgrund seiner Trägerschaft, sondern „ad peticionem supradicti Hinrici nostri consocii et concivis ac provisorum dicti hospitalis“ setzte der Rat sein Siegel unter die Urkunde. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11r. 70 So benötigten die Templer der Lambertikirche 1426 zum Verkauf einer Rente die Zustimmung von Bürgermeister und Rat. Armenhaus Zurwieck, Urk. 2. Die Ratsleute der Überwasserkirche bedurften für Verkaufsgeschäfte der Zustimmung der Schöffen und Kirchspielherren von Überwasser. MUB 657; Armenkleidung Lamberti, Urk. 12. Und auch die Ratsleute von St. Servatii holten 1383 für den Verkauf einer Rente zuvor die Zustimmung ihrer Kirchspielleute ein. MUB 267. 71 Jakobi, Stiftungen, Caritas und Memoria, S. 69.

3. Rationalisierung der Rechnungsführung

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[7] duo sol. de dote in Unkincthorpe [8] decem et octo denarii de dote in Nortkircken [9] triginta sol. et duo de domibus infra ciuitatem Monasteriensem iacentibus [10] quarta pars lobii quod est iuxta sanctum Lambertum et octava pars de alio, quas Sifridus dederat [11] de area Meinhardi coriarii sex den. [12] de area Reinboldi carnificis III. den. [13] de area Adolfi pellificis V. den. [14] de area Liuekini que fuit Alebrandi III. den. [15] de prato Bertrammi filii Wicboldi mercatoris II. den. [16] de campo Sigeberti pellificis II. den. [17] de dote sancti Pauli quam colit Thitmarus II. den. [18] de area Ethelgeri I. den. [19] duo solidi quos [!] de duobus lobiis quos Humbertus dedit hospitali [20] tres solidi de dote in Saltesberge ad lumen singulis noctibus“72

Verglichen mit späteren Rentregistern ist das vorliegende insofern einzigartig, als dass es kein Verwaltungsschriftgut darstellt, das ohne größere Interaktion des Trägers angefertigt wurde, sondern eine direkt vom Träger ausgestellte Urkunde, die neben dem Register auch Bestimmungen zum Verhalten und zur Ausstattung des Priesters enthält. Absicht des Bischofs war es, „quod tam ista (…) erunt pro indiuiso“.73 Zwischen der Einkünftebestätigung des Bischofs und den ersten verwaltungstechnischen Rentregistern liegen über 150 Jahre. Erst aus der Zeit nach dem Pestausbruch von 1350 sind einige Exemplare überliefert. Zu ihnen gehört ein 1365 angelegtes Register des Leprosoriums Kinderhaus von 15 Blatt. Eine Sortierung nach den Kirchspielen, aus denen die jeweiligen Einkünfte stammten, gibt es nicht, doch wurden sie kurze Zeit nach der Abfassung am Rand nachgetragen. Neben den Naturaleinkünften weist das Register Geldeinkünfte in Höhe von 34 Mark und 5 Schillingen auf.74 Am 1. August 1435 wurde ein zweites Register angelegt. Naturalien 72 WUB 2, Nr. 443. Insgesamt betrugen die Einnahmen 65 Schillinge und 5 Pfennige. Die Punkte 1 bis 8 umfassen Einnahmen außerhalb, die Punkte 9 bis 17 Einnahmen innerhalb Münsters. Die Punkte 10 bis 20 könnten Nachträge sein, da sie einzeln aufgeführt und nicht in Punkt 9 zusammengefasst wurden. In diesem Fall wären die Punkte 1 bis 10 wohl einem früheren Verzeichnis entnommen worden. Ducornu (Magdalenenhospital, S. 86f.) hingegen interpretiert die Civitas in Punkt 9 als Kirchspiel Überwasser. Von außerhalb der Stadt kommen 28 Schillinge und 6 Pfennige, von innerhalb (inklusive der unsicheren Punkte 18 und 19) 36 Schillinge und 11 Pfennige. Insgesamt scheint der Betrag zu gering, als dass er zur Aufrechterhaltung des Hospitalbetriebs ausgereicht hätte. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 59. Tatsächlich handelt es sich hier auch nicht um sämtliche Einnahmen des Hospitals, sondern nur um die Renteneinkünfte. Der eigenhörige Hof Spital, der sich bereits 1183 in Hospitalsbesitz befand (WUB 2, Nr. 435), bleibt ungenannt. 73 „Dass jene vorgeschriebenen Punkte unteilbar seien“. WUB 2, Nr. 443. 74 Eingeleitet mit der Formel „Ave Maria gratia plena“, nennt es zunächst die eigenen Rentverpflichtungen. Es folgt eine Liste der „redditus et bona leprosorii thor Kinderehues siti prope civitatem Mon.“, dann eine Liste der ewigen Renten „de ortis, de agris suis et aliis bonis suis extra civitatem“, schließlich eine Liste der rückkaufbaren Renten. 56 Punkte

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IV. Ökonomische Regulierung

ausgenommen, verzeichnet es Einnahmen in Höhe von 63 Mark und 3 Schillingen. Damit hatte sich der Umsatz in 70 Jahren nominell mehr als verdoppelt. Inzwischen war man auch zu einem durchstrukturierten Verzeichnungssystem übergegangen.75 Das älteste Rentregister des Armenhauses zur Aa liegt in zweifacher Ausführung von zwei verschiedenen Händen vor. Angelegt worden ist es wohl während der Gründungsphase des Armenhauses 1354/67.76 Das 62 Punkte umfassende Register schlüsselt die Renten nach Zugehörigkeit zu den zum Armenhaus zur Aa zusammengelegten Armenhäusern auf. Faktisch ist es also eine Kompilation verschiedener Register. Entsprechend lautet die Überschrift: „Isti redditus infra scripti olim spectabant ad domos pauperum subscriptas; ad translacionem pauperum de eisdam domibus sunt translati ad usus pauperum existencium in domo fundata iuxta pontem s. Johannis in civitate Mon.“77

Die jährlichen Einnahmen betrugen abgesehen von geringfügigem Besitz an Garten- und Ackerland 19 Mark, 9 Schillinge und 9 Pfennige; sie lagen damit deutlich niedriger als die von Kinderhaus zur etwa selben Zeit. Nach Anlage des Registers wurden beide Versionen weitergeführt. Die letzten 24 Punkte des 62 Punkte umfassenden Registers sind vor 1375 verzeichnete Nachträge in Höhe von 19 Mark und 11 Schillingen. Der Jahresertrag konnte also binnen weniger als 20 Jahre verdoppelt werden.78 Am 29. Juni 1375 wurde, dieses Mal in mittelniederdeutscher Sprache, ein

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des 117 Punkte umfassenden Registers behandeln Renteinkünfte. Bei 39 handelt es sich um Ewigrenten, 17 sind Wiederkaufsrenten. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185; MUB 180; Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 6. 126 Punkte umfassend, behandeln 105 Punkte Rentverkäufe und lediglich 21 Einkünfte aus Land- und Gartenbesitz. Nach der Datumszeile und dem Titel „Redditus tor Kinderhus“ folgen die nach Kirchspielzugehörigkeit geordneten Rentansprüche, und zwar „primo in parrochia sancti Martini“ (25 Punkte mit 15 Mark, 10 Schillingen und 11 Pfennigen), dann in den Kirchspielen Lamberti (39 Punkte mit 24 Mark, 8 Schillingen und 6 Pfennigen), Servatii (2 Punkte mit 1 Mark und 6 Schillingen), Ludgeri (8 Punkte mit 11 Mark und 6 Pfennigen), Aegidii (8 Punkte mit 7 Mark und 10 Schillingen) und Überwasser (23 Punkte mit 15 Mark und 11 Schillingen). Unter der letzten Rubrik „Rente van lande unde van garden“ finden sich auch Zehnteinnahmen und die Abgaben der eigenhörigen Höfe. Armenhaus Kinderhaus, Akten 184, MUB 621. Da der älteste Nachtrag aus dem Jahre 1358 stammt (vgl. MUB 156, Nr. 42, Anm.), erfolgte die Abfassung wohl zuvor. Klötzer, Kleiden, S. 118, Fußnote 296. „Diese folgenden Renten gehörten einst zu den unten genannten Armenhäusern, bei der Überführung der Armen aus diesen Häusern wurden sie zum Nutzen der Armen übertragen, die in dem neben der Brücke St. Johannis in der Stadt Münster gegründeten Haus leben.“ MUB 156. Im Folgenden erwähnt werden die Einnahmen des Hauses Boterman mit 4 Mark, 3 Schillingen und 9 Pfennigen, des Hauses tor A mit 4 Mark und 2 Schillingen, des Hauses Tilbeck mit 2 Mark und 3 Schillingen und schließlich des Hauses Hoecker mit 9 Mark und 1 Schilling. MUB 156. Heute befinden sich beide Ausführungen zusammen mit zwei Abschriften der Gründungsurkunde, einer Hausrolle, einer Küchenordnung, dem Rentregister von 1375 und weiteren Urkundenabschriften in einer gemeinsamen Bindung. Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 4r–8v bzw. 12r–16v.

3. Rationalisierung der Rechnungsführung

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zweites Rentregister angelegt.79 Inzwischen war man, wie 1435 auch in Kinderhaus, zu einer kirchspielspezifischen Sortierung der Einkünfte übergegangen. Auffällig ist der hohe Betrag aus dem Kirchspiel Martini, in dem das Armenhaus selbst lag.80 Dies zeigt – trotz Ratsträgerschaft – die hohe Eingebundenheit in das Kirchspiel, die auch durch die Herkunft seiner Provisoren deutlich wird. Außerdem fällt auf, dass die Reihenfolge der Kirchspiele dieselbe ist wie im 1435 angelegten Register von Kinderhaus. Eine ähnliche Folge findet sich auch bei der Aufzählung der Leischaften anlässlich der Ratswahl von 1454.81 Tatsächlich folgte die Reihenfolge der Kirchspiele also einem allgemein gültigen Muster. „I(n Go)des namen amen. Kundich sy (al) den gheenen, de dessen breef z(un)t zyn ende horen lesen, dat wy, Dyderich van Wytenhorst, deeken, Herman Byscopinch, Herman Vorsthove, werclude der tymmeringhe, Gerd van der Wunne ende Johan Zycke(ma)n, aelmysseneyr der kerken van zunte Mertyn tho Munster, hebbet eendrechtelike ende myt ghuden berade verdraghen ende tho zamene ghescreven in enen bref ten yrsten de reente, de unse tymmeringhe allene hevet, daer na de renthe, de unse tymmeringhe met der meyn aelmyssen hevet, ende dan de renthe, de unse meyn aelmysse allene hevet.“82

Mit diesen Worten leiten Dechant, Werkleute und Almosener der Martinikirche ein am 13. Mai 1369 verfasstes Rentregister ein. Es ist bemerkenswert, dass hier tatsächlich der Dechant interagiert und nicht der den Werkleuten und Almosenern vorgesetzte Kirchspielrat. Jedenfalls ist die Ankündigung der Aussteller Programm. Es folgen zunächst mit 9 Mark und 7 Schillingen in 12 Punkten die Renten, „de unser tymmeringhe allene aen gheyt“, dann mit 8 Mark, 2 Schillingen und 4 Pfennigen in 8 Punkten die Renten „de horet der tymmerynghe ende der meyn aelmyssen tho sunte Mertyne tho zamen tho“. Den weitaus größten Betrag aber machen mit 20 Mark, 5 Schillingen und 8 Pfennigen in 38 Punkten jene Renten aus, „de horet der meyn ael­ myssen allene (tho)“. Mitunter wurden auch die zu erbringenden Gegenleistungen, meist Messen oder allgemeine Brotausteilungen, vermerkt. Tatsächlich verfügten die Almosener – und dies gilt wohl auch für die anderen Pfarrkirchen – über die finanzstärksten Kassen im Kirchenrat. Es zeugt von der engen Eingebundenheit des 79 „In den Namen des vaders und des sones und des hilligen gheystes. Na der bord Godes, alse men screif dusent jar drehundert jar in deme vyf und seventighesten jare tho s. Peters und s. Pauvels der apostole dach, do wart dyt boc ghescreven, dar de rente der armenlude, de dar wonen up der Berch strate aller nest der ersten brugen, inne steyt.“ Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 17r–23v. 80 26 Mark, 8 Schillinge und 10 Pfennige kamen aus dem Kirchspiel Martini, 5 Mark und 4 Schillinge aus Lamberti, 5 Mark und 11 Schillinge aus Ludgeri, 8 Mark und 3 Schillinge aus Aegidii, schließlich 5 Mark und 2 Schillinge aus Überwasser, sodass sämtliche Einkünfte 51 Mark, 4 Schillinge und 10 Pfennige ergaben. Die letzten drei Punkte des 62 Punkte umfassenden Registers sind dabei unberücksichtigt. Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 17r–23v; MUB 228. Vgl. Schulte, Armenhauses Elisabeth zur Aa, S. 17. 81 Zuerst genannt wurde auch hier die Martini-Leischaft, dann folgen Lamberti (zu der auch das kleine Kirchspiel Servatii gehörte), Ludgeri, Aegidii und schließlich die Leischaften Liebfrauen und Jodefeld, die zusammen das Kirchspiel Überwasser bildeten. Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 212. 82 MUB 197.

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IV. Ökonomische Regulierung

Almosenkorbes Martini in die Kirchenverwaltung, dass er nicht wie Armenhäuser ein eigenes Rentregister führte, sondern sich mit der Kirchenzimmerei eines teilte. Dies hatte nicht zuletzt einen praktischen Grund, verfügten beide Institutionen doch über gemeinsames Renteneinkommen, das fast ebenso hoch war wie die alleinigen Einkünfte der Zimmerei. Eine regelmäßige Abstimmung untereinander war also erforderlich. Deshalb hat man auch „der breve twe ghemaket ende de met unses kerspels inghezeghel bezeghelt“ – sodass wohl Zimmerherren und Almosener je ein Exemplar erhielten – um Vorsorge zu tragen „dat de vorghenomde renthe nycht verbystert ene werde ende ok mallich met den anderen wete, waer de renthe blyve, wente men der een deel weder copen mach ende een deyl ewich is“.83 Tatsächlich hatte die zunehmende Zahl von ablösbaren Renten die Wirtschaftsverwaltung verkompliziert und so Rationalisierungsmaßnahmen befördert. Um 1400 verfertigte man ein neues Rentregister. Bereits an der Überschrift wird deutlich, dass das Almosen inzwischen unabhängig von der Kirchenzimmerei wirtschaftete.84 Inklusive der Nachträge ergibt sich die vergleichsweise hohe Gesamtsumme von 93 Mark und 2 Schillingen.85 Wie zunächst der Almosenkorb Martini, so führte auch der Almosenkorb Aegidii kein eigenes Rentregister. Ein am 18. April 1411 angelegtes und später weitergeführtes Büchlein von 29 Blatt weist fünf verschiedene Rubriken auf.86 Am 28. Februar 1461 wurde ein weiteres Rentregister angelegt, dass ebenfalls Kirche und Almosen gemeinsam führten.87 Nur fünf Jahre später, am 21. Juni 1466, verfasste man unter 83 MUB 197. 84 „In nomine domini amen. Iste sunt redditus ad elemosinas pauperum ecclesie s. Martini in Mon. pertinentes.“ MUB 375. Es folgen 145 Punkte mit Einnahmen aus den Kirchspielen Martini (42 Mark, 2 Schillinge, 4 Pfennige), Servatii (12 Mark), Überwasser (15 Mark, 4 Schillinge), Aegidii (3 Mark, 6 Schillinge) und Lamberti (20 Mark, 1 Schilling, 8 Pfennige). Einnahmen aus Ludgeri gab es offenbar nicht. Die übliche Reihenfolge der Kirchspiele ist nicht verwendet worden. Einige Punkte sind Nachträge aus dem 15. Jahrhundert, die in der obigen Berechnung unberücksichtigt blieben. 85 MUB 375. Das Register ist undatiert. Da einer der Rentzahler, Hinricus de Detten, 1401 tot ist, datiert Prinz auf vor 1401. Prinz nennt außerdem zwei jüngere Register von 1458 und 1530 in derselben Bindung. Da die gesamte Originalquelle nicht auffindbar ist, muss auf ihre Diskussion leider verzichtet werden. So lässt sich nur feststellen, dass jenes Register von 1530 auch die Hausrolle des Armenhauses Zumbusch (MUB 372) enthielt. 86 „Hic sunt redditus ecclesie sancti Egidii Mon. (...)“ „Hij sunt redditus communis elemosine sancti Egidij (...)“ „1411 sabbato post pascha, sequntur redditus ecclesie sancti Egidij (...)” „Hii sunt redditus communis elemosine sancti Egidii (...)“ „Jtem dit is de rente, de de kerke vnd de alemyssener ut gheuet (...)” BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii von 1411, fol. 1r, fol. 4r, fol. 7r, fol. 17v, fol. 29r. Offenbar handelt es sich bei den ersten beiden Rubriken um ein älteres Register, dem 1411 in zwei weiteren Rubriken aktuelle Neuerungen hinzugefügt wurden. In einem dritten Schritt – der Wechsel vom Lateinischen ins Mittelniederdeutsche bei der letzten Überschrift weist darauf hin – errechnete man die gemeinsam zu leistenden Rentverpflichtungen. 87 Die ersten 12 Blatt des 23 Blatt umfassenden großformatigen Heftes verzeichnen die Renteinnahmen des Almosenkorbes, die sich insgesamt auf eine Höhe von 5 Gulden, 76 Mark, 6 Schillingen und 9 Pfennigen beliefen. Hinzu kamen 7 Scheffelsaat Getreide und 1 Malter Roggen. Es folgten auf 6 Blatt die Einnahmen der Aegidiikirche und schließlich

3. Rationalisierung der Rechnungsführung

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der Überschrift „Anno domini mo cccco lxo sexto sabbato post Viti martiris scripti sunt redditus communis elemosine ecclesie sancti Egidij“ ein aktualisiertes Rentregister. Eine Trennung von den Einkünften der Aegidiikirche war auch bisher nicht erfolgt, denn auf Blatt 13 des 23 Blatt starken Heftes lautet eine zweite Überschrift „Jtem dusse renthe gyft vith de kercke hyr na gescreuen“. Rentverpflichtungen seitens des Almosenkorbes bestanden offenbar nach wie vor nicht. Ein Einkünfteverzeichnis der Kirche Aegidii ist nicht enthalten.88 Die Aktualisierung des Registers nach nur fünf Jahren lässt auf einen erhöhten Normierungsbedarf schließen, der in Zusammenhang mit der Stiftsfehde 1450/57 stehen könnte. Auch der Konvent der Johanniter hatte unter der Fehde stark gelitten. Als Bernd van Schedelich, Balier des Steinfurter Mutterhauses, nach der Fehde in den Konvent kam, fand er dort „nyne register des huses, so dat de register vnd renthe vaste weren vorsturt“. Er versuchte daraufhin eine Rekonstruktion der Bücher „so vele als in syner macht was“.89 Möglicherweise stand die Aegidiikirche vor einem ähnlichen Problem. Alte Urkundenbelege mussten wiedergefunden, nicht mehr nachweisbare Ansprüche gestrichen und nicht mehr bezahlbare Renten quittgeschlagen werden. Offenbar hatte es zwischen 1461 und 1466 derart viele Veränderungen in den Einkünften gegeben, dass eine Neuabfassung gerechtfertigt schien. Aus gegebenem Anlass schritt man auch im Armenhaus Wegesende zur Tat. Gerdrut van der Wyck machte 1519 dem Armenhaus Zustiftungen, die offenbar so umfangreich waren, dass man sich zur Anlage eines kleinen Heftchens von 10 Blatt Umfang entschloss.90 Aus dem Jahr 1530 ist für den Heiliggeistkorb Lamberti ein Rentregister überliefert. Es bildet auf 17 Blättern die Einleitung eines zeitgleich angelegten Kopiars, war allerdings nicht das erste Register. So findet sich ein Renteintrag unter der Rudie Rubrik „jtem dusse renthe gift vth de kercke vnd meynealmisse“. Dass die letzten Worte später gestrichen wurden, lässt vermuten, dass das Almosen seine Rentverpflichtungen inzwischen abgelöst hatte. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii von 1461. 88 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii von 1466, insbes. fol. 1r, fol. 13r. 89 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. 90 In ihm sind zunächst Gerdruts Schenkungen – insgesamt 18 Gulden Rente – verzeichnet sowie die mit ihnen einhergehenden differenzierten Bedingungen. Auf Blatt 5 folgt ein Rentregister über insgesamt 3 Gulden und 16 Schillinge. Dies waren freilich nicht die gesamten Einkünfte des Hauses, sondern nur jener Teil, den die Armen selbst eintrieben. So lautet die Überschrift des Registers: „Dyt nabescreuen manen vnde boren de armen yn den huse soluest.“ Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 5r. Blatt 6 verzeichnet weitere Stiftungen der Gerdrut und ihrer Magd, die ebenfalls Gerdrut hieß. Daran schließt sich eine von anderer Hand nachgetragene und auf den 29. September 1533 datierte Küchenordnung an. Armenhaus Zurwieck, Akten 1. Wie die Akte in den Bestand des Armenhauses Zurwieck gelangte, ist unklar. Da zahlreiche Archivalien des Stiftungsarchivs Altsignaturen tragen, die 1855/60 innerhalb des Ratsarchivs eingeführt wurden, ist dem Archivar bei der Rückführung der Schriftstücke ins Stiftungsarchiv nach dem Prinzip der vermuteten Provenienz offenbar ein Fehler unterlaufen: Vom Namen der Zustifterin Gerdrut van der Wyck schloss er auf das Armenhaus Zurwieck.

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IV. Ökonomische Regulierung

brik „Nota, jn den olden pergamentz boke steyt gescreuen aldus so hyr na volget, dat solffte js ock tho meren steden angetekent“, zwei weitere tragen die Überschrift „Ock steyt gescreuen jn eynen olden kleynenn pergamentz boke aldus, doch dorgestrecken“.91 Die Renten sind nach Kirchspielzugehörigkeit geordnet. Man hielt sich weitestgehend an die übliche Reihenfolge der Kirchspiele; allein Servatii, das den geringsten Ertrag brachte, steht am Schluss. Die jährlichen Gesamteinkünfte beliefen sich, soweit berechenbar, auf 98 Gulden, 76 Mark, 1 Schilling und 3 Pfennige.92 Damit scheint der Heiliggeistkorb Lamberti – nicht geldwertbereinigt – nach dem Magdalenenhospital, das 1501 insgesamt 345 Gulden und 11 Schillinge eingenommen hatte,93 die einnahmenstärkste Fürsorgeinstitution Münsters gewesen zu sein. Kopiare erscheinen im Verwaltungsbetrieb münsterischer Fürsorgeinstitutionen erstmals in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Um 1454 wurde ein solches für das Leprosorium Kinderhaus angelegt.94 Ergänzend wurde um 1500 ein weiteres kleines Kopiar von selber Größe und 12 Blatt Umfang angelegt, in dem Urkundenabschriften von 1333 bis 1422 aufgenommen wurden.95 Das älteste Kopiar des Magdalenenhospitals wurde wohl um 1475 angelegt. Es scheint jedoch unvollständig. Die letzte Urkundenabschrift bricht mitten im Satz ab.96 1482 erhielt auch das Armenhaus zur Aa ein Kopiar. Es enthält auf 127 großformatigen Blättern 210 Urkunden ab 1338. Nachträge finden sich bis 1520. Es war wohl die große Zahl der Urkunden, die eine weitere Sortierung nahelegte. Man bediente sich dabei weitestgehend der üblichen Kirchspielfolge.97 Mit nur einer Urkundenabschrift deutlich weniger umfangreich 91 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 13r 92 Aus Martini kamen 6 Gulden, 35 Mark, 6 Schillinge und 3 Pfennige. Der tatsächliche Betrag dürfte aber höher gelegen haben, da eine Seite herausgeschnitten wurde. Auch die drei Blätter, auf denen die Einkünfte aus dem Lambertikirchspiel gestanden haben dürften, fehlen. Es folgt Ludgeri mit 13 Gulden, 13 Mark und 6 ½ Schillingen, dann Aegidii mit 6 Gulden, 15 Mark und 4 ½ Schillingen, Überwasser mit 5 Gulden, 7 Mark und 9 Schillingen sowie Servatii mit 2 Mark und 9 Schillingen. Interessant ist, dass die Einkünfte aus dem Überwasserkirchspiel, dessen Almosenkorb ebenfalls dem heiligen Geist geweiht war, vergleichsweise gering sind. Von außerhalb Münsters kamen 69 Gulden und 14 Schillinge, außerdem 13 1/3 Scheffel Roggen und Gerste, 1 Malter Hafer und 3 Scheffel Hülsenfrüchte. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 1r–17r. 93 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3rff. Vgl. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 85. 94 In einem Pergamenteinband von 15 x 21 cm und unter der Überschrift „Dyt boek hort den armen in der Kinderhus to“ folgen auf 171 Blatt 80 Urkundenabschriften. Zudem findet sich eine Küchenordnung aus dem Jahre 1447. Gelegentlich blieben einige Seiten unbeschrieben. Eine erste Schreiberhand verzeichnete Urkunden von 1342 bis 1454, drei weitere führten das Kopiar von 1459 bis 1480 fort. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186. Die Küchenordnung siehe fol. 142r–146v. 95 Armenhaus Kinderhaus, Akten 190. 96 Magdalenenhospital, Akten 41. Auf in Pergament eingebundenen großformatigen 33 Blatt sind 73 Urkunden verzeichnet, die bis in das Jahr 1176 zurückreichen. Einzelne Nachträge finden sich bis 1478. 97 Nach den Rentansprüchen aus Martini folgten die aus Lamberti, Servatii und Ludgeri. Dann allerdings kamen die Renten aus Überwasser und erst danach die aus dem Aegidii­ kirchspiel. Schließlich wurden die Renten außerhalb Münsters verzeichnet: Telgte, Ost-

3. Rationalisierung der Rechnungsführung

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ist ein nach 1503 angelegtes Kopiar der Speckpfründe Ludgeri.98 Bereits erwähnt wurde das 1530 angelegte Kopiar des Heiliggeistkorbes Lamberti.99 Neben die Rentregister und Kopiare trat im ausgehenden 15. Jahrhundert ein neuer Typus administrativer Schriftlichkeit. Die Gründungsurkunde der 1475 errichteten Elende Aegidii enthält die folgende Bestimmung des Rates: „De hueshoder sollen ock in schryfft nehmen vnd waren alle de reyschap, klennode vnd yuuinge des soluen huses, der schryffte dan ock de jnwoner sollen eyn ghelyck hebn, also dat dar jngeschreuen werde alle de reysschap vnd yuuinge, de in dat huss gegeuen offt geschicket wert, vnd men sall des jairs vakenn dar vpp seen, dat solicks nicht verloren off verbracht werde.“100

Obgleich nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch das ein oder andere Rentverzeichnis auf Veranlassung des Trägers geschrieben wurde, ist dies die erste nachweisbare Einflussnahme des Trägers auf die Organisation des Wirtschaftsbetriebes seit der Güterbestätigung Bischof Hermanns II. von 1184. Gefordert ist ein Inventarverzeichnis in zweifacher Ausführung. Dies erscheint sinnvoll für eine Elende, deren Insassen wie die anderer Armenhäuser ihr eingebrachtes Gut im Todesfall dort belassen mussten, jedoch zweifellos eine im Vergleich zu anderen Insassen höhere Mortalitätsquote aufwiesen. Ein Exemplar erhielten die Elender, das zweite bewahrten wohl die Provisoren oder der Rat auf, um die Elender im Zweifelsfall kontrollieren zu können. Das überlieferte Inventarverzeichnis entstand auf Anweisung von Johan Bolant, der zugleich Bürgermeister und Provisor der Elende war. So verkündete der Notar Albertus Lepeler am 29. Juli 1523: „Jtd is to wetten, dat jnt jaer vnses hernn dusentvyffhundertdreytwyntich, des gudens­ dages na sunte Jacobs, des hilligen apostels, vor my notario vnd tugen hyr nabeschreuen, is gescheit eyne bekantnysse vnd eyne beschryuynghe der klenode vnd allerleye hussgerait, de dar syn vnd alletyt blyuen sollen to behoff der krancken vnd jnwonners des huses der elende, belegen jn sunte Egidius kerspel, vth beuele vnd heyten des erbarn vorsychtigen hernn mester Johann Bolant, borgermester der stadt Munster.“101

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bevern, Warendorf, Everswinkel, Wolbeck, Beckum, Dülmen, Ahlen, Werne, Billerbeck, Lüdinghausen, Hövel und Handorf. Armenhaus zur Aa, Akten 41. Das kleine, 8 Blatt starke Heftchen enthält neben der Überschrift „Eyn copien boeck der renthe vnd vpkumpsten der armen tor speckprouen to sunte Ludger“ allein eine Urkundenabschrift über den Verkauf einer Rente von 6 Gulden an die Provisoren der Speckpfründe durch Diderich und Ideke van Horne. Da die Urkunde auf den 16. November 1503 datiert ist, erfolgte die Anlage des Kopiars wohl nur wenig später. BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, in Karton 35. 101 Blatt stark, führt es auf den ersten 17 Seiten ein Rentregister auf. Die anschließenden 90 Urkundenabschriften folgen derselben Kirchspielfolge wie das Register. Die jüngste Urkunde von erster Hand datiert auf den 30. April 1530, der älteste Nachtrag auf den 24. Dezember 1530. Damit lässt sich die Abfassung des Kopiars sicher auf das Jahr 1530 festlegen. Eingebunden ist das Kopiar in einen Pergamenteinband mit metallener Schließe. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, insbes. fol. 94v–95v, fol. 37r–38r. Elende Aegidii, Urk. 3a. „Yuuinge“ = jegliches; „vakenn“ = häufig. Elende Aegidii, Urk. 6.

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IV. Ökonomische Regulierung

Daraufhin bekannten die Elender den Besitz der in der anschließenden Liste aufgeführten Gegenstände, unter anderem Töpfe, Krüge, Möbel, Kissen und Werkzeug. Angefertigt wurden wie vorgegeben „twe gelick ludende (…) nottelen“, von denen eine Johan Bolant erhielt, die andere „de man vnd de vrouwe jn der elende“. Um die Identität beider Urkunden zu gewährleisten, wurden sie auf ein gemeinsames Blatt Pergament geschrieben und „vth eyn andernn gesneden dorch de bockstauen a b c d“.102 In der Elende Lamberti musste nur ein Exemplar eines Inventarverzeichnisses angefertigt werden. Hier waren es die Provisoren, die das gesamte Hausgerät „jn schrifften nemmen“ sollten. So hatten es Bürgermeister und Rat in der Gründungsurkunde von 1529 verfügt. Die Schrift sollten sie allein bei sich bewahren, „dat men de beth eyn vpsehent dar tho moge hebben, de soluen reisschap, clenode vnnd jndinge vnuerrucket verwart moge werden“. Mit ihr sollten die Provisoren die Elender einmal jährlich überprüfen.103 Ein Verzeichnis wurde zweifellos bald erstellt, ging dann aber in den Wirren des Täuferreiches verloren. Und so mussten die Provisoren 1539 ein neues Inventarverzeichnis anlegen, das auch überliefert ist.104

4. Prüfung der Rechnungsbücher Im ausgehenden 15. Jahrhundert entstand mit jährlich zu verfassenden Rechnungsbüchern ein neuer Typus pragmatischer Schriftlichkeit. Der Einfluss des Trägers auf die Finanzführung seiner Fürsorgeinstitution zeigt sich in besonderem Maße in der Durchführung einer jährlichen Rechnungsprüfung auf der Basis dieser Bücher.105 Einen ersten Hinweis auf Jahresrechnungen enthält die Gründungsurkunde der Elende Aegidii von 1475, in der der Stadtrat folgende Bestimmung erließ: „Vnd off god myt syner gnaden wolde, dat to dessem huse ichtes an jairlikes renthen eder anders gegeuen off toghekart worde, sollen de hueshoder dar aff jairlikes vnd alle jaer vor vns vnd vnsen nakomelinge rekenschap ouergheuen van vpboringe vnd vithgeuinge jn schryfft tusschen sunte Katherinen vnd mydwinters daghe, vpp dat so vele de beth gheachtet werden 102 103 104

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Elende Aegidii, Urk. 6. Elende Lamberti, Urk. 1. „Anno xvc xxxix, deß anderen daegeß na sunte Joneß Baptisten, js dyt naeboescreuen angeteckent dorch Johan Warendorp vnd Lambert Holthues, doe tor tyt prouisoren der elende Lamberti, weß daer jn dem huese gewest ys, dat de elende vnd den crancken yn to kaermede tyden to quaim.“ Elende Lamberti, Akten 1, fol. 13r. „Yn to kaermede tyden“ = in beklagenswerten Zeiten. Eine regelmäßige, oft jährliche Rechnungslegung vor den Provisoren oder dem Träger war durchaus üblich. Vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 110. Die Provisoren des Heiliggeistspitals in Werne etwa hatten dem Stadtrat jährlich am 22. Februar die Rechnung vorzulegen. Vgl. Eckelt, Werne, S. 18. Ähnliches forderten die Stadträte von Forchheim und Weismain. Vgl. Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit, S. 138. Auch außerhalb der Armenfürsorge war dies gängige Praxis. So waren die Templer der Martinikirche den Kirchspielschöffen von Martini zur jährlichen Rechenschaft verpflichtet. Vgl. BAM, Pfarrarchiv Martini, A 6.

4. Prüfung der Rechnungsbücher

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moghe to bewarenn, wat to dessenn huse ghegifftet offt toschicket worde, dat dat dar by blyue vnuerbracht.“106

Tatsächlich hatten die Haushälter der Elende weitgehenden Verfügungsspielraum über die Besitztümer der Elende. Die Gefahr der Entfremdung und persönlichen Vorteilnahme war entsprechend groß. Der jährliche Rechenschaftsbericht, der zwischen dem 25. November und 25. Dezember erfolgen sollte, war ein Instrument, dem entgegenzuwirken. Komplexer waren die Verantwortlichkeiten der Provisoren der Elende Überwasser.107 Vor den Schöffen des Kirchspiels Überwasser mussten sie Rechenschaft ablegen, allerdings nicht notwendig jährlich, sondern lediglich auf Nachfrage. Einen Sonderanspruch hatten auch die Äbtissin und der Dechant von Überwasser, die, obwohl sie keinerlei Einfluss auf die Ernennung der Provisoren hatten, das für die Trägerschaft typische Recht in Anspruch nehmen konnten, die Jahresrechnungen zu überprüfen. Nicht den Trägern, sondern lediglich den Provisoren gegenüber waren die Haushälter der Elende Lamberti rechenschaftspflichtig. Gemäß der Bestimmung des Rates von 1529 sollten sie ein Verzeichnis über die Besitzstände der Elende anlegen.108 Dabei war die Pflicht zur jährlichen Rechnungslegung durchaus nicht auf Institutionen unter magistraler und parrochialer Trägerschaft begrenzt. Das Armenhaus Jüdefeld unterstand der Aufsicht des Klosters Überwasser. Entsprechend heißt es in der Gründungsurkunde von 1542: „Bauen dem so sollen gemelten prouisores des suluen hospitails nutticheyt walfart vnd beterynge na eren vermogen, iedoch sunder eren schaden, forderen, vnd alle iair van allen vpkumpsten, nutticheit vnd renthen dessuluygen hospitails, vnd wess se der haluen ingeboirt vnd ock vthgegeuen, klare vnd luter rekenschopp doin, vnd dat vor bemelten werdyger vrouwen vnd decken tho Ouerwater vnd eren nakomelyngen.“109

Der genaue Termin der Rechnungsprüfung wurde hier noch nicht benannt, doch gibt die um 1560 abgefasste Hausordnung Aufschluss über diese Frage. Direkt Bezug nehmend auf die Bestimmungen der Gründungsurkunde ergänzt sie in Artikel 7: „So yst vor guidt angesehen, dat sollicht rechenschoff alle vnde yder jar vm

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Elende Aegidii, Urk. 3a. 1519 bestimmte der Stadtrat die Konditionen ihrer Rechnungslegung: „Provisores und verwahrers der elenden vors. sollen vor den scheppen des kerspels unser leven frowen Averwater, wanner und want den scheppen belevet, offt alle jar to secker, bekemer tydt doen und overgeven vullenkommene, klare beschreven reckenschap alles des gennes, der vors. huese in renten, klenoden und huesgerade thobehörige gegeven und angefallen is, upbörens und uthgevens, wo men dat benohmen mag. Der se ock alle guetwillige anrichtinge, verklaringe und nawysinge sollen doen der ehrwerdigen abdihsen und werdigen thor tydt decken tho Averwater vors., so wanner sie von en dazu gebedden und geeschet werden.“ BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. „Vnnd dar sollenn de jnwonnere des huses alle jaer den prouisoren reckenschap vnnd bewysinghe van doenn, by erer seylen selicheit vnnd by der vorgerorten verordinge vnnd wyllekoere.“ Elende Lamberti, Urk. 1. Die Formulierung „bei ihrer Seelen Seligkeit“ lässt vermuten, dass die Haushälter auch eidlich auf die Richtigkeit ihres Berichtes verpflichtet wurden. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 12.

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IV. Ökonomische Regulierung

trent Lucie virginis, korth darbeuor ader nach, clarlich vnde vnuortoglich geschehen sall.“110 1573 berichtete auch Kerssenbrock von der Gewohnheit des Rates, sich jedes Jahr von sämtlichen städtischen Armenhäusern die Rechnungen vorlegen zu lassen.111 Soweit die normative Theorie. Inwieweit diese vor der Errichtung des Täuferreiches in die Praxis umgesetzt wurde, bleibt für viele Institutionen unbeantwortbar, da insbesondere die Rechnungsbücher der Zerstörung durch die Täufer anheimfielen.112 Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Abfassung von Jahresrechnungen früher angesetzt werden muss, als sich durch die Überlieferung belegen lässt. Die ältesten Jahresrechnungen sind aus dem Almosenkorb Aegidii erhalten. Es handelt sich dabei um 15 zusammengebundene kleinformatige Hefte, die lückenlos die Jahre 1489 bis 1503 abdecken.113 Gerechnet wurde üblicherweise „na paeschen“, 1499 und 1501 etwa am Freitag „vor der krusen wecken“, 1501 am Freitag nach Christi Himmelfahrt.114 Auch in der Nachtäuferzeit rechneten die Provisoren noch „alle jaer van paesschen wente to paesschen“. Anders als zuvor finden sich hier auch erstmals Abhörvermerke. Nach der Eroberung der Stadt war eine organisierte Rechnungsführung offenbar zum Erliegen gekommen, die Bücher für die Jahre seit 1537 wurden erst am 2. Oktober 1543 erstellt. Am 17. April 1544 erfolgte dann die Rechnungsprüfung durch die Kirchspielleute von Aegidii als Träger der Institution. Die Prüfung fand also offenbar nicht jährlich statt, sondern wie in der Elende Überwasser auf Anfrage.115 Die frühesten belegbaren Rechnungsprüfungen erfolgten im Magda-

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Armenhaus Jüdefeld, Urk. 17. Vgl. Putz, Hausordnungen, S. 100. Der Festtag der heiligen Lucia war der 13. Dezember, der vor der Gregorianischen Kalenderreform auf die Wintersonnenwende fiel. 111 „Omnium pensionum et redditum ptochotrophiorum et xenodochiorum praefectus urbis, consules et senatus atque principis designatus in urbe quaestor ab oeconomis et procuratoribus earum domorum singulis annis oportuno tempore administrati officii rationes exigent dabuntque operam in primis et potissimum, ne bona pauperum dilapidentur neve in alium, quam oportet, usum conferantur.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 885. 112 Klötzer, Täuferherrschaft, S. 81; Klötzer, Kleiden, S. 4. 113 Anders als die älteren Rentregister sind sie unabhängig von den Einkünften der Aegidii­ kirche abgefasst und nach Kirchspielen (Aegidii, Ludgeri, Lamberti, Transaquas, Martini) geordnet. 1489 standen Einnahmen von 84 Mark, 5 Schillingen und 3 Pfennigen Ausgaben von 89 Mark und 2 Schillingen gegenüber. 1494 verzeichnete der Korb einen Gewinn von 25 Mark, 2 Schillingen und 9 Pfennigen, 1503 schließlich einen Gewinn von 44 Mark und 9 Schillingen. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii 1489/1503, RB 1489, fol. 4v, RB 1494, fol. 3v, RB 1503, fol. 5r. 114 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1489/1503), RB 1495, fol. 4r, RB 1496, fol. 6r; RB 1499, fol. 5r, RB 1501, fol. 5r; RB 1502, fol. 5v. Die „kruse wecke“ ist die Kreuzwoche, die zweite Woche vor Pfingsten. 115 In der entsprechenden Jahresrechnung heißt es: „Jtem vp dinxdach na Remigii anno xliij hebbenn vnsse almisseners reckenschop geholden van etlichenn jaren der vpboringe vnd vithgyffte, allens na wyderen jnholde der kercken registern. (…) Anno xliiij vp donderdach na paesschenn gereckendt myt prouisoren vnd kerspels ffrunde.” BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, fol. 49r.

4. Prüfung der Rechnungsbücher

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lenenhospital, dessen Jahresrechnungen von 1501 bis 1513 geschlossen vorliegen.116 Es sind dies großformatige Hefte von etwa 20 Blatt, deren Führung dem Amtmann oblag. Am Anfang einer jeden Rechnung berichtet er über die Rechnungsabnahme der Vorjahresrechnung. So beginnt die Rechnung des Jahres 1501 mit den Worten: „Jesus Maria Johannes. Datum anno domini mdj, des dinxtdages vor groten uastauent, reckende ick, Hinricks Scroder, amptman to der tyt ton hospitale tusschen den twen steenbruggen, jn by wesende her Iohan van der Tynnen, burgermester, und Iohan Messeman, rades man, Albert Cleyuorn und Iohan van Ossenbrugge, hues hodere des hospitalis vorg., also dat de upboringe unde vtgyffte gelick waß, dat ene tegen dat ander, vnd nu vort vp gebort vnde vt geuen, als hiir na uolget. Anno vt supra.“117

Die Rechnung von 1501 ist also nicht die erste. Bereits 1500 wurde ein Rechnungsbuch angelegt, dass allerdings nicht überliefert ist. Dem Bericht über die letzte Prüfung folgt eine Aufstellung der Ausgaben des laufenden Rechnungsjahres sowie gesondert der Ausgaben aus Rentverpflichtungen. Es folgen die Einnahmen, beginnend mit dem Termin Invocavit. Bezogen auf die Einnahmen war das Rechnungsjahr des Magdalenenhospitals damit identisch mit der Legislaturperiode der Ratsherren und der Provisoren, wenngleich die Ausgaben von Prüfungstermin zu Prüfungstermin verzeichnet wurden. 1508 erfolgte die Prüfung am Dienstag nach Valentin, 1509 am Dienstag auf Dorothea, und entsprechend rechnete man am letztgenannten Tag „van dinxdag na Valentinj anno xvc viij angaende, bes to den dinxdach sunte Dorotheen dage anno xvc ixo“.118 Weitere Rubriken bilden besondere Einkünfte wie Einnahmen aus nicht zum Eigenverzehr verwendeten Roggen und Gerste sowie Pachteinnahmen und Abgaben der eigenhörigen Höfe. Je eine eigene Rubrik erhielten auch die Renten, die an den beiden üblichen Terminen Ostern und Michaelis fällig wurden. Innerhalb dieser wurden die Renten nach Kirchspielzugehörigkeit sortiert, musste der Amtmann doch von Haus zu Haus gehen, um die Renten einzunehmen. Tatsächlich könnte die Reihenfolge der Renten den Rundgang beschreiben, den der Amtmann zu Ostern und Michaelis absolvierte, um seine Forderungen geltend zu machen. Die Reihenfolge der Kirchspiele jedenfalls – Überwasser, Martini, Lamberti, Ludgeri und Aegidii – folgt dem üblichen Muster, allerdings mit der Ausnahme, das das Kirchspiel Überwasser, in dem das Magdalenenhospital selbst lag, die erste Stelle einnimmt. Insgesamt beliefen sich die Einnahmen des Jahres 1501 auf 345 Gulden und 11 Schillinge.119 Damit war das Magdalenenhospital die finanzstärkste münsterische Fürsorgeinstitution. Den Abschluss des Registers bildet ein Abnahmevermerk des Kontrollgremiums, der in einer von der des Amtmann abweichen116

117 118 119

Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 78) vermutet völlig anachronistisch den Beginn der Jahresrechnungen im Jahre 1300, für das er fälschlich den ersten Beleg von Provisoren gegeben sieht. In Köln verpflichtete der Stadtrat die Provisoren erst 1513 zur jährlichen Rechnungslegung, wenn auch zunächst mit mäßigem Erfolg. Noch 1517 mahnte der Kölner Rat, binnen zwei Monaten die Jahresrechnungen vorzulegen. Vgl. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 304. Münster war hier ein wenig früher. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3r. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 150r. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 85.

170

IV. Ökonomische Regulierung

den und meist deutlich unordentlicheren Handschrift unter die Rechnung gesetzt wurde. Die Aufgabe übernahm ein niederrangiges Mitglied des Gremiums. Ab 1504 setzte der Schreiber regelmäßig seine Unterschrift unter den Vermerk, so erstmals – „betuget myn hantschrifft“ – der Ratsherr Johan Pruse.120 Damit wurde die Richtigkeit der Rechnung bestätigt, und das Rechnungsbuch bekam so den Charakter eines Rechtsdokuments.121 Eine Unterschrift findet sich im ersten Rechnungsbuch von 1501 allerdings noch nicht. Dort heißt es: „Anno domini xvc secundo, des donderdach na conuersionis sanctj Paulj, hefft Hinricus, de amptman, gereckent den hushodernn jn bywesen der borgermestere vnd Cemeners, so dat sich de vpboringe hoger leyp dan de vthgyffte xxj s iiij d, dat he den armen schuldich bleff.“122

Das Hospital verzeichnete hier also einen knappen Überschuss von 21 Schillingen und 4 Pfennigen. Diese blieb der Amtmann dem Hospital schuldig. Das heißt, er nahm den Betrag in Verwahrung und verzeichnete ihn unter den Einnahmen des laufenden Jahres. So lautet der erste Eintrag unter den nach Invocavit getätigten Einnahmen des Jahres 1508 „Jtem entfangen, dat ick schuldich bleyff, do ick reckende, xxj marck“.123 1512 bemerkte der Amtmann ausdrücklich, den überfälligen Betrag „sal men uynden in myn recepta“.124 Zu Beginn der nächsten Jahresrechnung referiert der Amtmann wieder das Ergebnis der letzten Rechnungsabnahme und nennt bei dieser Gelegenheit regelmäßig auch die Mitglieder der Prüfungskommission. So beginnt die Rechnung des Jahres 1502 mit den Worten: „Jhesus Maria Iohannes. Datum anno domini mo cccccijo, des donredages na sunte Pauli conuersionis, do reckende ick, Hinricks Scroder, amptman to der tyt, in by wesende her Johan van der Tynnen, her Iohan Kerckerinck, borgermestere, Iohan Warndorp, kemmener, Gerd Herdynck vnd Herman Herde, hueshoder, Wyllem Holtappell vnd mester Dirick, des stades secretarius, vpboringe vnde vtgyffte, dat ene tegen dat ander gereckent, dat ick dem conuent schuldich bleyff xxj schillinge vnd heb hiir na vp bort vnd vt geuen vt sequitur.“125

Wie notwendig die dezidierte Prüfung durch die Vorgesetzten war, wird gerade an diesem Beispiel deutlich. Denn statt der errechneten 21 Schillinge und 4 Pfennige nennt der Amtmann hier – ob mit oder ohne Vorsatz – nur noch 21 Schillinge und wird in der folgenden Rechnung auch nur diesen Betrag auszeichnen. 1505 erzielte der Amtmann 2 Schillinge und 1 Pfennig Überschuss, behauptete 1506 aber, „dat vpboringe vnd vtgyffte tegen eyn quam“ und führte den Betrag in der Rubrik der 120

121 122 123 124 125

Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 77r. Johan Pruse unterschrieb auch 1506 und 1507. Vgl. fol. 113r, fol. 131r. 1508 unterzeichnete der Stadtsekretär mit den Worten „Theodericus Hoyer, secretarius etc. manu propria scripsit“. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 150r. Auch 1509, 1510, 1511, 1512 und 1513. Vgl. fol. 168r, fol. 186v, fol. 204v, fol. 226r, fol. 245r. Nach Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 46) bekam der Stadtsekretär seine Tätigkeit später mit 1 Reichstaler vergütet. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 67. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 21r. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 138v. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 206r. Armut, Not und gute Werke (S. 120) interpretiert die Überschüsse fälschlich als Defizite, die der Amtmann vorstrecken musste. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 22r.

4. Prüfung der Rechnungsbücher

171

Einkünfte entsprechend auch nicht ab. Auch 1509 gab der Amtmann den Überschuss mit 26 Mark und 5 Schillingen insgesamt 10 Pfennige zu niedrig an, als zuvor errechnet wurde.126 Es gilt allerdings zu bemerken, dass es sich in allen Fällen um überaus geringe Beträge handelte, die möglicherweise toleriert wurden. Die Rechnungsprüfung fand an keinem festen Termin, für gewöhnlich aber zwischen Ende Januar und Mitte Februar statt.127 Üblich war der Dienstag vor Estomihi (dreimal), der Valentinstag (zweimal) oder der nachfolgende Dienstag (ebenfalls zweimal). Möglich war auch Conversio Pauli (einmal), der nachfolgende Donnerstag (zweimal), Dorothea oder Scholastica (je einmal). In allen Fällen lag der Termin vor der Ratswahl am Montag nach Invocavit, und damit waren es stets die beiden scheidenden Hospitalsprovisoren, die der Prüfungskommission angehörten, und nicht die neu gewählten.128 1501 musste sich der Amtmann vor vier Ratsherren verantworten, darunter ein Bürgermeister und beide Provisoren. Dies ist gewissermaßen die Minimalbesetzung des Aufsichtsgremiums, die sich in den Folgejahren immer mehr ausweitete. 1513 waren einschließlich des Amtmann gar elf Personen an der Rechnungsprüfung beteiligt, davon allein neun Ratsherren. Vertreten sind vor allem die höheren Ämter, häufig die Kämmerer, ab 1512 statt der Kämmerer – nun offenbar im organisierten Turnus – erst zwei Grutherren, dann zwei Richtherren, schließlich zwei Weinherren. Auch die konstant hohe Zahl weist auf ein inzwischen organisierteres Verfahren.

126 127 128

Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 95r, fol. 96r, fol. 102v, fol.150r, fol. 151r. Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 38) und Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 69) nennen als festen Prüfungstermin St. Johannis im Mittsommer und beziehen sich dabei offenbar auf frühneuzeitliche Quellen. Auch im Heiliggeistspital von Borken erfolgte die Rechnungsprüfung regelmäßig vor der Ratswahl. Pöpping, Borken, S. 166. Allein zwei Prüfungen des Magdalenenhospitals erfolgten nach Invocavit, und zwar 1507 an Apollonius und 1506 am nachfolgenden Dienstag. Es bleibt jedoch fraglich, ob in diesem Fall die geschiedenen Provisoren in das Gremium geholt worden wären, da in dieser Zeit kein Provisorenwechsel erfolgte.

172

IV. Ökonomische Regulierung

Tabelle 7: Termine, beteiligte Personen und Ergebnisse der Rechnungsprüfungen im Magdalenenhospital 1501 bis 1514.129 Jahr 1501 1502

1503

1504 1505 1506

1507 1508 1509

1510

1511

1512

1513

1514

129

Datum

Invo­ cavit 17. Feb. 28. Feb.

Beteiligte Personen

1 Bürgermeister, 1 Ratsmann, 2 Provisoren, Amtmann 27. Jan. 13. Feb. 2 Bürgermeister, 1 Kämmerer, 2 Provisoren, 1 Ratsfreund, 1 Stadtsekretär, Amtmann 14. Feb. 5. März 2 Bürgermeister, 2 Kämmerer, 2 Provisoren, 1 Ratsherr, 1 Stadtsekretär, Amtmann 13. Feb. 25. Feb. 1 Bürgermeister, 2 Provisoren, 2 Ratsfreunde, Amtmann 28. Jan. 9. Feb. 1 Bürgermeister, 2 Provisoren, 2 Ratsfreunde, Amtmann 28. Apr. 1. März 2 Bürgermeister, 1 Kämmerer, 2 Provisoren, 2 Ratsfreunde, 1 Stadtsekretär, Amtmann 21. Apr. 21. Feb. 2 Bürgermeister, 2 Provisoren, 5 Ratsfreunde, Amtmann 15. Feb. 12. März 1 Bürgermeister, 2 Kämmerer, 2 Provisoren, 2 Ratsherren, Amtmann 6. Feb. 25. Feb. 2 Bürgermeister, 2 Kämmerer, 2 Provisoren, 2 Ratsfreunde, 1 Stadtsekretär, Amtmann 31. Jan. 17. Feb. 2 Bürgermeister, 1 Kämmerer, 2 Provisoren, 2 Ratsfreunde, 1 Stadtsekretär, Amtmann 18. Feb. 9. März 2 Bürgermeister, 2 Provisoren, 4 Ratsherren, 1 Stadtsekretär, Amtmann 10. Feb. 29. Feb. 2 Bürgermeister, 2 Kämmerer, 2 Grutherren, 2 Provisoren, 1 Stadtsekretär, Amtmann 25. Jan. 13. Feb. 2 Bürgermeister, 2 Kämmerer, 2 Richtherren, 2 Provisoren, 1 Ratsmann, 1 Stadtsekretär, Amtmann 14. Feb. 5. März 1 Bürgermeister, 2 Kämmerer, 2 Weinherren, 2 Provisoren, 1 Ratsmann, 1 Stadtsekretär, Amtmann

Magdalenenhospital, Akten 82. M=Mark, s=Schilling, d=Pfennig.

Anzahl 5

Überschuss 0

8

11 s, 4d

9

3 M, 2s

6

25½ M

6

16 s

9

2 s, 1 d

10

70 M

8

21 M

10

26 M, 5 s, 10 d 50 M

9

10

29 M, 8s

10

65 M, 10 s, 6d 1M

11

10

10 M, 3s

4. Prüfung der Rechnungsbücher

173

Bestandteil der Rechnungsprüfungen waren umfangreiche Gelage auf Kosten des Hospitals,130 die sich regelmäßig als erster Eintrag in den Ausgabenrechnungen finden.131 Einzige Konstante der Bewirtung war Wein. Er kostete die Armen jährlich zwischen 15 und 28 Schillinge. Pro Person ergab dies ein respektabeles Weinkontingent von etwa 1,6 bis 3 Litern. Zweierlei gilt es dabei zu beachten. Zunächst handelt es sich hierbei nicht um die tatsächlich konsumierte, sondern lediglich um die erworbene Menge. Zweitens gilt die Vermutung, dass der Alkoholgehalt vergleichsweise niedrig gewesen sein dürfte. Dennoch scheinen die Zahlen darauf hinzudeuten, dass die Rechnungsabnahme eine eher langwierige Angelegenheit war.132 Gelegentlich wurden zusätzlich auch etwa 0,4 bis 0,9 Liter Bier pro Person eingekauft, so 1502 Bolborus-Bier, 1506 Einbecker Bier, 1507 Geyssemer Bier, 1509 Keutbier, 1510 Warburger Bier und 1513 Hamburger Bier. Feste Nahrung spielte eine eher untergeordnete Rolle.133 Bedient wurde man vom Küchengesinde, und entsprechend wurde gelegentlich auch die Vergabe von Bier oder Trinkgeld erwähnt.134 Mit dem Jahr 1513 brechen die Jahresrechnungen ab und setzen erst 1550 – mit verfeinerter Rubrizierung – wieder ein. Das Festmahl am Tag der Rechnungslegung wurde indes nicht nur beibehalten, sondern dehnte sich im Laufe der Zeit immer weiter aus. Während des Dreißigjährigen Krieges geriet das Magdalenenhospital in finanzielles Ungleichgewicht, man schloss 1636/37 die gemeinsame Küche, strich 1639 die vier Außenpfründerstellen und 1640 schließlich auch das Wochengeld der übrigen Pfründner. Das Festmahl blieb davon unberührt. 1630 kaufte man nicht weniger als 49 Quart Wein ein, 1659 gar 68 Quart. Erst 1661 verbot Fürstbischof von 130

131

132

133 134

Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 40) nennt den Tag der Rechnungsprüfung entsprechend einen Festtag für die Provisoren. Dass die Rechnungsabnahme auch ein Festtag für die Bewohner war (so Ducornu, Magdalenenhospital, S. 103), ist erst für die Nachtäuferzeit belegbar. So heißt es 1501 etwa „Jtem ton ersten, als [jck] reckende, vor braden vnde potharst xv s. Jtem tor solfften tyt vor wyn geuen xv s.“ Tatsächlich sind ähnliche Ausgaben anlässlich der Rechnungslegung für jedes Jahr nachweisbar. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3r, fol. 22r, fol. 42r, fol. 60r, fol. 78r, fol. 96r, fol. 114r, fol. 132r, fol. 151r, fol. 169r, fol. 187r, fol. 206r, fol. 227r. Tatsächlich waren die hohen Zahlen angesichts des Standes der Kommissionsteilnehmer durchaus nicht ungewöhnlich. Für die gehobenen bürgerlichen Haushalte in spätmittelalterlichen Großstädten Oberdeutschlands ist ein durchschnittlicher Weinverbrauch pro Tag und Kopf von 1,3 Litern errechnet worden. Auch hier handelte es sich wohl um relativ alkoholarme Weine. Diese Werte dürfen aber kaum auf die gesamte städtische Bevölkerung umgerechnet werden. Matheus, Wein, Sp. 2121. Auch anlässlich der münsterischen Ratswahl von 1480 verzeichnen die Grutamtsrechnungen eine erstaunliche Menge an Bier und Wein. Poeck, Rituale der Ratswahl, S. 113. Vgl. A II, Nr. 12a. Gab es 1501 Braten und Potharst für 15 Schillinge, so benötigte man 1504 26 Schillinge „for vlesch“. Auch 1505 wurden 21 Schillinge „vor potharst vnde braden“ ausgegeben, 1513 für das gleiche 22 ½ Schillinge. Andere Essenseinkäufe sind nicht belegt. 1502 verwendete man 3 ½ Schillinge „vor beer in de kocken“, 1503 und 1510 je 3 Schillinge, 1509 2 Schillinge, 1511 und 1512 gab der Amtmann „vnsen gesynne“ schließlich 4 Schillinge „to vordryncken“.

IV. Ökonomische Regulierung

Galen die Zechgelage und wies jedem beteiligten Ratsherrn stattdessen einige Taler Aufwandsentschädigung zu.135 Tabelle 8: Gesamtkosten der Bewirtung und Alkoholverbrauch pro Person anlässlich der Rechnungsprüfung im Magdalenenhospital.136 Jahr 1501

Gesamtkosten 30 s

1502

20 s, 6 d

1503

31 s, 6 d

1504

38 s, 6 d

1505

37 s

1506

26 s

1507

26 s

24 s [ca. 14,4 Quart]

1508

21 s

1509

27 s, 3 d

1510

29 s, 8 d

20 s [ca. 12 Quart] 2 M, 3 d für 14 Quart 25 s für 15 Quart

1511

29 s

1512

27 s

1513

50 s

135 136

Wein 15 s [ca. 9 Quart] 16 s [ca. 9,6 Quart] 28 s, 6 d [ca. 17,1 Quart] 22 s, 6 d [ca. 13,5 Quart] 16 s [ca. 9,6 Quart] 23 s [ca. 13,8 Quart]

2 M, 12 d für 15 Quart 23 s für 12 Quart 2 M, 3 s für 18 Quart

Bier

Personen 5

„bolborus beer“ 8 4 Quart für 12 d

Konsum pro Person [ca. 2,44 Liter Wein]

9

[ca. 1,63 Liter Wein] 0,68 Liter Bolborus-Bier [ca. 2,58 Liter Wein]

6

[ca. 3,05 Liter Wein]

6

[ca. 2,17 Liter Wein]

„emekers beer” 6 Quart für 3 s

9

„geyssemer beers“ 6 Quart für 2 s

10

[ca. 2,08 Liter Wein] 0,90 Liter Einbecker Bier [ca. 1,95 Liter Wein] 0,81 Liter Geyssemer Bier [ca. 2,04 Liter Wein]

8 „koytes“ 10 6 Quart für 12 d „warborges 9 ber“ 5 Quart für 20 d 10

„Hamburger ber“ 3 Quart für 2 ½ s

1,90 Liter Wein 0,81 Liter Keutbier 2,26 Liter Wein 0,75 Liter Warburger Bier 2,04 Liter Wein

10

1,63 Liter Wein

11

2,22 Liter Wein 0,37 Liter Hamburger Bier

Klötzer, Kleiden, S. 79; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 68; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 104ff. 1509 bekam man für einen Schilling 0,58 Quart Wein, 1510 und 1511 0,6 Quart, 1512 0,52 Quart, 1513 schließlich 0,66 Quart. Mit einem Näherungswert von 0,6 Quart lässt sich die Weinmenge der vorangegangenen Jahre schätzen. Es gilt (nach Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 358): 1 Quart = 2 Mengelen = 1,357 Liter.

4. Prüfung der Rechnungsbücher

175

Auch für andere Institutionen ist die Anlage von Jahresrechnungen für die Vortäuferzeit belegbar. Die Rechnungen des Armenhauses Speckpfründe Ludgeri etwa waren 1641 noch „vom jahr 1507 biß 1640 inclusive“ vorhanden.137 Das älteste bis auf den heutigen Tag überlieferte Register datiert allerdings erst auf das Jahr 1569.138 Die älteste Kinderhauser Jahresrechnung wurde „up paschen“ 1515 angelegt, ist kleinformatig und umfasst 23 Blatt. Nach der Invocatio „Jhesuß Maria Anna“ wurden die Einkünfte aus den Kirchspielen verzeichnet, und zwar in der bewährten Folge Martini, Lamberti, Servatii, Ludgeri, Aegidii und Überwasser. Es folgen Aufstellungen über Landbesitz und eigenhörige Höfe, dann Einkünfte außerhalb Münsters, schließlich Zehnteinnahmen und eigenhörige Personen. Ausgabenvermerke finden sich ebenso wenig wie ein Abhörvermerk. Erwähnenswert ist aber, dass man sich noch immer auf die Rentregister von 1365 und 1435 berief.139 Man darf hier also wohl von einer recht geschlossenen Überlieferung ausgehen. Die nächstälteste Jahresrechnung wurde 1536 angelegt, umfasste aber die drei Jahre „dusent vyffhundert veervndertych, vyffvndertych, sesvndertych“. Während der Täuferzeit wurde die Tradition der jährlichen Rechnungslegung also unterbrochen. Auch blieben in dieser Zeit zahlreiche Renten unbezahlt. Das 151 Blatt starke, kleinformatige Register beginnt mit den Restanten einzelner Renten aus den Vorjahren. Man beruft sich dabei auf die „reckenscop van den yaer xxxiij“, außerdem auf die Rechenschaften der Jahre 1529, 1530, 1531 und 1532.140 Die Jahre vor der Täuferzeit lagen also noch geschlossen in ihren Jahresrechnungen vor. Zweifellos verdankt sich die Quellenkontinuität der Tatsache, dass Kinderhaus außerhalb Münsters lag und seine Aufgaben relativ ungehindert fortsetzen konnte, wenngleich es freilich durch die Einnahmenunterbrechung aus der Stadt finanziell betroffen war.141 Den Restanten folgen die Jahresrechnungen der Jahre 1534 bis 1536, jeweils mit den Einnahmen und Ausgaben. Eine Prüfung erfuhr die von Amtmann Macharius Oldenzaal angelegte Rechnung am zweiten Dienstag der Fastenzeit 1537, also genau eine Woche nach dem Tag, an dem früher die Ratsämter verteilt wurden, und zwar durch die Provisoren Hinrich Droste und Jacob Stove.142 Der Dreijahresrechnung angeschlossen ist die Rechnung des Jahres 1537, das ebenfalls von einer Prüfung berichtet. Der Amtmann Macharius Oldenzaal vermerkt: 137 138 139

140 141 142

BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Handschriften Nr. 86, fol. 72, zitiert nach Klötzer, Kleiden, S. 124. Speckpfründe Ludgeri, Akten Nr 6. „Register vnd reckenschup der erberen vnd frommen Erasmus Otterstede vnd Phillipus Moderson als prouisores der armen in der speckprouene Ludgeri vp den Voesschepoel van den jare negenvndesestich“. So nennt die Rechnung als Abgabe des eigenhörigen Hofes Lammerding drei Malter Roggen und zwölf Hühner, „alß de olden regyster vt wyset“. Tatsächlich finden sich in beiden Rentregistern entsprechende Eintragungen. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 15r; MUB 180, Nr. 53; MUB 621, Nr. 123. Armenhaus Kinderhaus, Akten 2, fol. 3r–6r. Klötzer, Kleiden, S. 90. In der Folgezeit variierte der Termin jedoch. Offenbar in Analogie zu der wiedereingeführten Ratswahl an Antonius erfolgte die Rechnungslegung meist zu Jahresbeginn. Ratskommissionen sind erst seit 1579 belegt. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 90, S. 303.

176

IV. Ökonomische Regulierung

„Anno domini mo ccccco (xxx) viij gereckent myt den erberen Hynrick Droste enn Jacob Stoue, hushodere to der Kynderhus, yn der Prysesschen stauen van den yaer mo ccccco xxxvij, als hyr nae volget gesummert.“143

Man traf sich also in der Stube der Pruseschen. Es könnte sich dabei um das Armenhaus Prussen handeln, dass wie Kinderhaus im Kirchspiel Überwasser lag. Warum man aber gerade diesen Ort wählte, bleibt unklar. Vielleicht waren die Provisoren von Kinderhaus zugleich die des Armenhauses und führten beide Rechnungslegungen parallel aus. Das Rechnungsbuch schließt mit den Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1538. Die älteste Jahresrechnung des Armenhauses zur Aa datiert auf das Jahr 1516. Unter der Überschrift „Anno xvc vnd xvj. Dyt ys dat renteboeck der armen vp der berchstrate by der Aa yn Munster van den yaer vyftynhundert vnd seestyn.” stehen auf 15 kleinformatigen Blättern die Einnahmen – in der regulären Ordnung Martini, Lamberti, Ludgeri, Ägidii, Überwasser, Servatii und Einnahmen außerhalb Münsters – und Ausgaben des Jahres. Da die Ausgaben von einer anderen Hand geschrieben wurden, liegt die Vermutung nahe, dass hier kein Amtmann oder Emonitor am Werk war, sondern die beiden Provisoren, die sich ihre Aufgaben entsprechend aufteilten.144 Dieselben beiden Handschriften finden sich auch in der gleich starken Rechnung des Folgejahres.145 Die nächsten beiden Jahresrechnungen sind aus den Jahren 1526 und 1527 erhalten. 14 bzw. 11 Blatt stark, enthalten auch sie keinerlei Kontrollvermerk. Eine Überprüfung der Ausgaben und Einnahmen lässt sich erst für das Jahr 1537 feststellen. Zu Beginn der 29 Blatt starken großformatigen Rechnung dieses Jahres heißt es: „Anno xvc seuen vnnd dertich, des ffridages Appollonie virginis, synt daisse nabescreuen breue des armen huszes vpr berchstrate gnant vpr Aa vpgeteykent na vermoge dusses nafolgenden registers jn mede bywezen der erbaren vnnd ersamen Arndt vann Drolßhagen vnnd Joest Smythuses van raidzwegen, Hermen Hesselynck vnnd Johan Menneman als hueßhodere des vors. huses.“146

Die Kommission, die hier am 9. Februar 1537 zusammentraf,147 bestand also aus zwei Ratsherren in Vertretung des Stadtrates und den beiden Provisoren, die die Rechnungsbücher führten. Bedenkt man die Zahlen des Magdalenenhospitals, ist sie vergleichsweise klein. Die jährliche Überprüfung der Rechnungen war aber offenbar nicht üblich. So wurden die Rechnungen der Jahre 1536 bis 1545 von einer einzigen Kommission abgenommen, bestehend aus den beiden vom Rat dazu verordneten Ratsherren Hynrich Warendarp und Johan Langerman, den Provisoren Johann Menneman und – in Vertretung des inzwischen verstorbenen Hermen Hesselyng

143 144 145 146 147

Armenhaus Kinderhaus, Akten 2, fol. 97v. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1517. Armenhaus zur Aa, Akten 2, fol. 2r. Auch hier wechselte der Termin. 1552 fiel er auf den 6. Juni. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 299.

4. Prüfung der Rechnungsbücher

177

– Albrecht Mumme sowie der Witwe des Verstorbenen.148 Wurde hier ein Zeitraum von zehn Jahren überprüft, so lag der Abstand zwischen den früheren Rechnungen ebenfalls bei zehn Jahren. Möglicherweise war die Überprüfung des Armenhauses nur einmal in jeder Dekade bereits vor der Täuferzeit Tradition.149 Die Jahresrechnungen des Heiliggeistkorbes Überwasser waren 1584 noch seit 1518 erhalten. Der Provisor Gerhard Prunseken hatte damals „alle olte register, sunderlingh van jaire 18 ahn beß ufs 57.“ eingesehen.150 Das älteste überlieferte Register ist allerdings erst das „Registrum communis eleemosyne Transaquas ciuitatis Mon. sub anno domini 1.5.3.9.“. Der Provisor Mattheus Ympentz leitet es mit folgenden Worten ein: „Dusse reckenschop van dem xxxix. jair hebt Magnus Sticker alias Winckelseth vnd Mattheus Ympenth als prouisores (…) muntlich gedain vnd verlezen denn erbarn vnd achtbarn schepenn dussen zeluen kerspels, als nemptlich Euerwynn Drostenn, Hinrich Drosten vnd Herman Yonas, in bywezen Jaspar Jodeueldt vnd Hinrich Herdinck als kerckreden, vort Lambertus Ackwech vnd Bernt Westkercke, provisores pauperum upnn Honenkampe, acta et data feria quinta post pasche anno verttich, vt moris est.“151

Anwesend waren also neun Männer, neben den beiden Provisoren, die die Rechnung vorzulegen hatten, drei Schöffen des Kirchspiels Überwasser, zwei Kirchenräte und die beiden Provisoren des Armenhauses Zurwieck auf dem Honekamp, die ebenfalls zum Kirchspiel gehört haben dürften. Die Prüfung durch die Schöffen erfolgte allerdings lediglich in Anwesenheit der Kirchenräte und Zurwieck-Provisoren; die faktische Aufsicht über die Wirschaftsverwaltung des Korbes führten allein die Schöffen.152 Die Prüfung geschah üblicherweise im Haus eines Provisors des Armenhauses Zurwieck, und es ist wohl davon auszugehen, dass am selben Tag auch die Jahresrechnung von Zurwieck der Prüfung unterzogen wurde.153 Auch nichtbürgerliche Fürsorgeinstitutionen arbeiteten mit Jahresrechnungen. Das älteste Exemplar der Domelemosine stammt aus dem Jahr 1527/28.154 Geordnet ist die Rechnung nach Einnahmen und Ausgaben, weiterhin nach den Zustiftern, so dass deren Stiftungen in der Rechnungsführung volle Eigenständigkeit behielten und die Domelemosine damit gewissermaßen eine Sammelstiftung darstellte. Erst der dritte Sortierschlüssel ist die Ordnung nach Kirchspielen (Aegidii, Lamberti, 148 149

Armenhaus zur Aa, Akten 2, RB 1536, fol. 3r. Später erfolgte alle drei bis zwölf Jahre eine Überprüfung: 1552, 1561, 1568, 1571, 1576, 1588, 1600. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 109. 150 Almosenkorb Überwasser, Akten 3, RB 1584, fol. 16v, zitiert nach Klötzer, Kleiden, S. 45. 151 Almosenkorb Überwasser, Akten 1. 152 Klötzer, Kleiden, S.46. Entsprechend konnte die Prüfung der Rechnung von 1549/50 auch allein durch fünf Schöffen und Ratsherren erfolgen. 153 Klötzer, Kleiden, S. 47, S. 94. 154 Sie umfasst 18 großformatige Blätter und beginnt mit den Worten des Elemosinars: „Recepta redditum elemosinarum ecclesie Mon. per me, Bernardum Houeman, vicarium ac prouisorem eiusdem elemosine, ab crastino Karoli sub anno domini millesimoquinngentesimo vicesimoseptimo vsque ad crastinum Karoli anno proxime subsequentis jn hinc qui sequitur modum.“ BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, fol. 2r.

178

IV. Ökonomische Regulierung

Ludgeri, Martini, Servatii und Transaqua). Das Rechnungsjahr begann und endete am Tag nach dem Karlstag (27. Juli).155 Die Rechnungsbücher liegen bis zur Täuferzeit geschlossen vor, allerdings von unterschiedlicher Qualität und oftmals in doppelter Ausführung. Dies legt den Schluss nahe, dass der Elemosinar zunächst ein für den eigenen Gebrauch bestimmtes Arbeitsbuch angelegt hat, das den Verfasser nicht nennt und in eher nachlässiger Schrift gehalten ist.156 Auf dieser Basis erstellte der Elemosinar dann zur Vorlage vor dem Domkapitel ein repräsentativeres Exemplar mit ordentlicher Schrift und klarer Strukturierung.157 Für weitere Fürsorgeinstitutio­ nen ist das Anlegen von Jahresrechnungen erst für die Nachtäuferzeit belegbar.158 155 Tatsächlich hielten die Domherren in den Tagen um Jacobi (25. Juli) eines von zwei jährlichen Generalkapiteln ab, in dem unter anderem die Rechnungen der Domkellnerei und der Domburse geprüft wurden. Hier erfolgte wohl auch die Rechnungsprüfung der Domelemosine, wenngleich sich in den vortäuferischen Rechnungen kein Prüfungsvermerk findet. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 61. 156 Dazu gehören BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1528/29 (fol. 19–27), RB 1529/30 (fol. 55–74), RB 1531/32 (fol. 100–114), RB 1532/33 (fol. 137–160), RB 1533/34 (fol. 161–185) und RB 1534/35 (fol. 206–227). 157 Dazu gehören BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28 (fol. 1–18), RB 1528/29 (fol. 28–54), RB 1529/30 (fol. 75–99), RB 1530/31 (fol. 116–136), RB 1532/33 (fol. 186– 205), RB 1533/34 (fol. 228–245) und RB 1534/35 (fol. 246–256). 158 Die älteste Rechnung des Heiliggeistkorbes Lamberti betrifft das Rechnungsjahr 1536/37. Am Ende der Rechnung stellte Amtmann Everhard thor Borch fest: „Jtem summa summarum, vpboringe vnnd vythgyffte kegenn annder gekortheth, beloept syck de vpboringe hoger dann de vythgyffte vyfftehallff hunderth vnnd xxxv/marck, vyff s. vnnd ij d., all tyt tho guder reckenschup, dar ick denn prouisorenn vann reckennen sall.“ Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1536/37, fol. 25r. Waren es zunächst die Provisoren, die den Amtmann kontrollierten, lässt sich ab 1560 der Übergang zu einer Ratskommission feststellen. Klötzer, Kleiden, S. 303. Auch bei der Rechnungslegung des Heiliggeistkorbes Lamberti wurden regelmäßig mehrere Kannen Wein konsumiert. Vgl. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 35. – Die älteste Rechnung des Antoniushospitals stammt aus dem Jahr 1541 und beginnt mit dem Sonntag nach Johannis Baptiste. Am Freitag nach Antonius 1543 musste der Amtmann den Provisoren gegenüber entsprechende Rechenschaft ablegen. Zwischen 1561 und 1567 begann auch der Stadtrat, an der Prüfung teilzunehmen. Antoniushospital, Akten 25, insbes. fol. 1r, fol. 17v; Klötzer, Kleiden, S. 303. – Aus dem Jahre 1554 existiert eine Jahresrechnung des Armenhauses Jüdefeld, das dem Dechanten von Überwasser zur Prüfung vorgelegt wurde. Armenhaus Jüdefeld, Akten 1, RB 1554, insbes. fol. 1r. – Zwei Jahre später datiert ein erstes Register des Gasthauses. Gast- und Irrenhaus Martini, Akten 1, RB 1556. – Weitere zwei Jahre später kann auch die Elende Aegidii, die bereits bei ihrer Gründung 1475 zur jährlichen Rechnungslegung verpflichtet wurde, ein erstes Register vorlegen, das auch einen Abhörvermerk des Stadtrates enthält. Elende Aegidii, Akten 1, RB 1558, insbes. fol. 7v. – 1574 deputierte der Stadtrat die Schöffen der Leischaft Martini zur Rechnungsprüfung ins Armenhaus Wegesende. Klötzer, Kleiden, S. 113. – 1577 ist erstmals eine Jahresrechnung für das Armenhaus Zumbusch belegt. Armenhaus Zumbusch, Akten 21, RB 1577. – 1589 erfolgte eine erste Prüfung der Elende Lamberti durch die Schöffen von Lamberti. Klötzer, Kleiden, S. 301. – Für das Armenhaus Zurwieck schließlich sind während des gesamten 16. Jahrhunderts keine Jahresrechnungen nachweisbar. Die älteste erhaltene stammt aus dem Jahre 1608. Armenhaus Zurwieck, Akten 67, RB 1608.

5. Siegel und Archive

179

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass allein die durch Ratsherren verwalteten Institutionen tatsächlich jährlich geprüft wurden, andere Institutionen in Ratsträgerschaft jedoch nur unregelmäßig und oft erst nach vielen Jahren. Dort, wo nicht die Provisoren, sondern ein Amtmann die Finanzverwaltung führte, waren es zunächst die Provisoren, die die Rechnungen abnahmen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts nahm hier allerdings die Beteiligung von Ratsherren zu, wie der Rat auch insgesamt im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zunehmend größere und höherrangige Kommissionen in die seiner Trägerschaft unterstehenden Fürsorgeinstitutionen entsandte.159 Tabelle 9: Jahresrechnungen diverser Fürsorgeinstitutionen vor 1534 Institution Elende Aegidii

Überlieferungsbeginn (1475) 1558

Datum

Prüfungskommission

jährlich, 25. Nov. bis 25. Dez. auf Anfrage, nach Ostern jährlich, Ende Jan. bis Mitte Feb. ?

Stadtrat

Provisoren

(1519)

Zweiter Dienstag der Fastenzeit u. a. auf Anfrage, Feb. Donnerstag nach Ostern auf Anfrage

Almosenkorb Aegidii Magdalenenhospital Armenhaus Speckpfründe Ludgeri Kinderhaus

1489

Armenhaus zur Aa Heiliggeistkorb Überwasser Elende Überwasser Domelemosine

1516

1527

jährlich, ca. 25. Juli

Schöffen und Kirchenrat Überwasser Schöffen; auf Anfrage Äbtissin und Dechant Domkapitel

Elende Lamberti

(1529) 1589

jährlich

Provisoren

1501 (1507) 1569 1515

(1518) 1539

Kirchspielleute Aegidii Stadtrat ?

zwei Ratsherren

Das Verzeichnis orientiert sich an den mittelalterlichen Erstbelegen. Spätere Änderungen wurden nicht berücksichtigt. Quellennachweise finden sich im Text.

5. Siegel und Archive Als eigenenständige Institutionen führten einige Fürsorgeeinrichtungen ein eigenes Siegel. Das älteste bekannte Siegel ist das des Magdalenenhospitals. 1278 setzte es ein gewisser Lambertus, der Mitglied der Hospitalsbruderschaft war, unter eine Urkun159

Klötzer, Kleiden, S. 298, S. 304; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 100.

180

IV. Ökonomische Regulierung

de, mit der er dem Hospital seinen Besitz übertrug.160 Später waren die Provisoren – sie bedurften der Zustimmung des Rates wohl nur, insoweit auch die vorgenommene Rechtshandlung ihrer bedurfte – sowie mit Zustimmung der Provisoren der Amtmann und der Rektor zur Führung des Siegels berechtigt.161 Der Stadtrat selbst hingegen konnte das Siegel eigenmächtig führen. Im Juni 1372 bestätigte er den Kauf einer Rente durch das Magdalenenhospital. Der erhaltene Siegelabdruck an der Originalurkunde zeigt Maria Magdalena in Frontalansicht mit herabwallendem Haar und langem Gewand.162 1555 wurde ein neues Siegel gestochen, in das nun auch das Wappen der Stadt Münster integriert wurde.163 Das nächstälteste Siegel ist das des um 1330 eingegangenen Marienhospitals. Dieses zeigt unter der Jungfrau Maria mit dem Kinde den Wappenschild der Stadt Münster. Damit ist dies der älteste Beleg für das münsterische Stadtwappen überhaupt. Später ist das Siegel von den Provisoren des Antoniushospitals weitergeführt worden. Erhalten ist es durch einen Abdruck an einer Urkunde aus dem Jahre 1368, in der besagte Provisoren eine Schenkung von 24 Mark an den Rektor der Hospitalkapelle bekunden.164 Bereits 1511 scheint das Siegel nicht mehr existiert zu haben.165 160 161

162

163 164

165

Am Ende der nur in Abschrift erhaltenen Urkunde heißt es: „In testimonium premissorum presens scriptum sigillo hospitalis predicti petivi roborari.” Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r–10v. 1305 waren es der Kapellrektor und die Provisoren, die das Siegel des Hospitals unter eine Urkunde setzten. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 10r. 1330 siegelte der Amtmann mit Erlaubnis seiner Provisoren. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 16r–16v. 1457 verwendeten die Provisoren anlässlich eines Rentenverkaufs das Hospitalsiegel „my wetenn vnd vulborde der ersamen borgermester vnd raidz“, 1495 setzten sie ihr Siegel neben das Siegel des Rates unter einen Pfründnervertrag. Magdalenenhospital, Urk. 60, Urk. 83. Magdalenenhospital, Urk. 5. Auch die Siegelabdrücke der Urkunden vom Dezember 1372 und 1457 blieben erhalten, der von 1495 teilweise. Weitere Abdrücke aus der Vortäuferzeit existieren nicht. – Da der Rentenkauf einer langfristigen Finanzpolitik widersprach, bedurfte es der Ratszustimmung. „In signum nostri consensus“ verfügte er deshalb, das „sigillum predicti hospitalis“ an der entsprechenden Urkunde anzubringen. Auch als der Rektor im Dezember desselben Jahres eine Rente verkaufte, bestätigte dies der Rat unter Verwendung des Hospitalsiegels. Magdalenenhospital, Urk. 6. Magdalenenhospital, Akten 91, RB 1555, fol. 16; Hövel, Stadtwappen, S. 159. Der älteste Abdruck findet sich an einer Urkunde vom 28. September 1556. Magdalenenhospital, Urk. 166. Zur Bestätigung setzten sie, ohne dass eine Zustimmung des Rates vonnöten gewesen wäre, das „sigillum sepedicti hospitalis” unter die Urkunde. Antoniushospital, Urk. 4. 1398 verwendeten sie das Siegel erneut anlässlich eines Verkaufs von Land vor dem Jüdefelder Tor, 1408 zur Bekundung eines Rentverkaufs. Niesert, Urkundensammlung, Bd. 3, S. 54ff.; Kloster Ringe, Urk. 10. Ein zweiter Siegelabdruck findet sich an einer Urkunde, die die Provisoren 1441 anlässlich eines Hofverkaufs ausstellten. Archiv Haus Hülshoff (Dep. im LWL-Archivamt), Urk. 231. Am 14. August dieses Jahres bestätigten die Provisoren Diderick van Grolle und Jasper Merkanck den Erhalt von Renten zugunsten des Rektors. Dabei verwendeten sie jedoch nicht das Hospitalsiegel. Vielmehr setzte Diderick „vor my vnde vor Jasper, mynen medegesellen, vmme gebreck synes sulues segel“ sein Privatsiegel unter die Urkunde. Antoniushospital, Urk. 30.

5. Siegel und Archive

181

Auch anderen Armenhäuser fehlte ein eigenes Siegel. Zu ihnen gehörte das Armenhaus zur Aa. Als dessen Provisoren Johannes Heyne und Hinrick Lymber­ghe 1462 den Empfang eines Rentenbriefes bestätigen mussten, bedienten auch sie sich ihrer privaten Siegel.166 Ebenso verfuhr der Kinderhauser Provisor, als er 1487 den Erhalt einer Rente bestätigte.167 Alternativ war es den Provisoren auch möglich, den Träger ihrer Einrichtung um sein Siegel zu bitten.168 Tatsächlich waren die Kinderhauser Provisoren in der einmaligen Lage, auch auf eine dritte Alternative ausweichen zu können, die allerdings allein in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts belegbar ist. Zwar hatte Kinderhaus selbst kein eigenes Siegel, wohl aber der Kinderhauser Rektor. Es zeigt neben der Umschrift „S’ rectoris in kinderh’“169 die heilige Gertrud, Schutzpatronin der Kapelle, in einem langen Gewand mit Äbtissinnenstab und Kirchenmodell. Stilistisch verweist das Siegel auf das 14. Jahrhundert. Es könnte bereits bei Gründung des Leprosoriums für den ersten Rektor Wesselus de Perlincktorpe gestochen worden sein, der auch die Verwaltungsgeschäfte des Leprosoriums führte. Als diese Aufgabe ab 1529 von einem Amtmann wahrgenommen wurde, ging das Siegel wohl trotz der nun unpassenden Umschrift auf die Provisoren über. Erst als Kinderhaus seine Funktion als Leprosorium bereits weitestgehend verloren hatte, ließ der Bürgermeister Dr. Römer 1666 durch den Goldschmied Johann Scharlaken ein neues Siegel stechen. Dieses zeigt ebenfalls die heilige Gertrud, allerdings mit „S. LEPROSORY IN KINDERHAVS“ eine andere Umschrift.170 Die meisten Almosenkörbe verfügten über kein eigenes Siegel. Als die Provisoren des Almosenkorbes Ludgeri 1380 eine Leibrente verkauften, siegelten der Provisor der Kirchenfabrik Johannes Hovestad und der Bürgermeister Hinricus Warendorf für sie mit ihren Privatsiegeln.171 In der Regel wurde in einem solchen Fall aber auf das Kirchensiegel zurückgegriffen.172 Der Heiliggeistkorb Überwasser hingegen führte ein eigenes Siegel,173 das allerdings auch von anderen Vertretern des 166 167 168

Armenhaus zur Aa, Urk. 32. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 55. Dies taten die Provisoren Bertolt Bisschopynck und Everd van Kamen anlässlich eines Rentverkaufs im Jahre 1388: „Vnd des to tuchnysse hebbe wij vmb gebreck egens ingesegels dessen breff bidden bezegelen myt hemeliken ingesegele vnses stades vorg., des wij borgermestere vnd schepenen der stades tho Munstere bekennen, dat wij vmb erre beden willen dat gedan hebben.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 8v–9r. 169 Nach Klötzer, Gertrudensiegel, S. 2. 170 Dethlefs, Leprosenhaus-Werkhaus-Armenhaus, S. 9; Klötzer, Gertrudensiegel, S. 1ff. 171 Almosenkorb Ludgeri, Urk. 2. Vgl. MUB 255. 172 Dies taten auch die Almosener des Heiliggeistkorbes Lamberti, als sie 1476 eine Rente quittschlugen: „Dessen in tuchnisse der warheit hebn wy, vorgenompt verwarers des hilgen geistes to sunte Lamberte, der kercken ingesegel an dessen breff gehangen, des wy in dessen stucken plegen to bruken, vor vns vnd vnse nakomelingen.“ Almosenkorb Martini, Urk. 1. Das rote Siegel der Lambertikirche blieb erhalten. 173 Das Siegel des heiligen Geistes der heiligen Maria zu Münster zeigt den thronenden Christus mit zum Segen erhobener rechter Hand. Links und rechts des Hauptes finden sich die Buchstaben Alpha und Omega. Die Umschrift lautet „SIGILLVM SCI S(PC SCI MARIE) MONAS“. Klötzer, Kleiden, S. 95, nach einer Urkunde vom 14. Januar

182

IV. Ökonomische Regulierung

Kirchenrates verwendet wurde und damit faktisch die Funktion eines Kirchensiegels erfüllte.174 Allem Anschein nach ist das Siegel des heiligen Geistes in den Wirren der Täuferzeit jedoch verlorengegangen. Als die Provisoren des Armenhauses Zurwieck 1539 den Tausch von Eigenhörigen bestätigen mussten, besaßen sie es nicht mehr. „Vmb gebreck vnses segels“ baten sie deshalb „den erberen (Lücke im Text!)“ für sie zu siegeln. Tatsächlich wurde die Urkunde nie besiegelt.175 Ursprünglich hatte auch der Almosenkorb Martini ein eigenes Siegel. In der 1337 abgefassten Gründungsurkunde des Armenhauses Zumbusch bekannten seine Provisoren: „Et nos Christianus Frederkinch et Lubbertus Witgherwere, provisores elemosinarum dicte parrochie sancti Martini Monasteriensis recognoscimus, nos de scitu, iussu ac voluntate proborum virum parrochie sancti Martini Monasteriensis sigillum elemosinarum ibidem in testimonium premissorum presentibus appendisse.“176

Im Laufe des 14. Jahrhunderts ist allerdings auch dieses Siegel verloren gegangen. 1394 verwendeten die Almosener lediglich „vnses kerspels ingesegell“.177 Und auch an einer Urkunde des Jahres 1423 findet sich allein das „ingesegel des kersp(els) vnd

1353 (LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 74). Vgl. auch Prinz, Mimigernaford, S. 198. 174 1401 verkauften die vier „raetlude und verwarere noch tor tidt der tymmeringe unser leven frouwen kercken Overwater to Munster“ mit Zustimmung ihrer „kerspelude“ ein der Zimmerung gehöriges Haus und besiegelten die Urkunde mit dem Siegel der „almissen des hilligen geistz desser vorgenanten kercken, des wy to brukene pleget“. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 98v–99r. Vgl. MUB 376. 1408 verkaufte die Überwasserkirche gemeinsam mit der Lambertikirche, der Martinikirche und dem Antoniushospital eine Rente an den Konvent Ringe. Während das Hospital sein Hospitalsiegel verwendete, Lamberti- und Martinikirche ihre Kirchensiegel, siegelte die Überwasserkirche mit dem Siegel „der almissen des hilgen geystes“. Kloster Ringe, Urk. 10. Auch als die vier Ratsleute der Überwasserkirche 1438 einen Garten verkauften, verwendeten sie das „ingesegell deß hilligenn geistes der kerken Ouerwater, des wy pleget to brukene“. Allgemeine Urkundensammlung, Nr. 30. Prinz (MUB 657) bezieht sich hier fälschlich auf Allgemeine Urkundensammlung, Nr. 31. 1518 schließlich verkaufte mit zwei Templern, zwei Almosenern und den beiden inzwischen zum Kirchenrat gehörigen Provisoren des Armenhauses Zurwieck, auf die der Name des heiligen Geistes übergegangen war, offenbar der vollständige Kirchenrat eine Rente. Letztere waren es, die inzwischen das Siegel des heiligen Geistes führten. „So hebbe wy, Johan Kerckerynck vnd Rickquyn Meynershagen, prouisores des hilgen geystes der vors. vnser leuen vrouwen kercken Ouerwater, des vorgerorden hilgen geystes jngesegel vor vns vnd vnse nakomenn vnd ock mede vor de vorgerorden kerckraet vnd vorwarers der almyssen vors. vnd vor ere nakomenn an dussen breff gehangen, des wy semptliken hyr tho vnd in gelyken saken plegen to gebruken.“ Elende Überwasser, Urk. 2. 175 Armenhaus Zurwieck, Urk. 15. 176 „Und wir, Christianus Frederkinch und Lubbertus Withgerwere, Provisoren des Almosenkorbes in besagtem Kirchspiel St. Martini in Münster, bestätigen, dass wir mit Wissen, Anordnung und Wohlwollen erfahrener Männer des Kirchspiels St. Martini in Münster das Siegel des Almosenkorbes zum Zeugnis des Vorausgeschickten an die vorliegende (Urkunde) gehängt haben.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. 177 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 99r-v.

5. Siegel und Archive

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der kerspelkercken to zunte Mertine (…), dess wi, vorwarre vorg. to desser tit (bru) ket“.178 Die zunehmende Verwaltungsschriftlichkeit machte die Einrichtung eigener Archive bald unumgänglich. Dies waren kleine Aktenschränkchen, Laden oder Truhen,179 die beim Träger, bei den Provisoren, dem Amtmann oder in der Institution selbst aufbewahrt wurden. Das älteste nachweisbare Archivschränkchen hatte der Almosenkorb Aegidii. Gemäß eines Nachtrags im 1411 angelegten Rentregister des Korbes hatte Geseke Grases dem Almosen eine Renturkunde über 4 Gulden übergeben. „Vnd de breue ligget in der almissen kasten.“180 Zweifellos befand sich der Kasten in der Aegidiikirche, an der auch das Almosen angesiedelt war. Kein eigenes Archiv ist hingegen nachweisbar für den Almosenkorb des kleinen Kirchspiels Servatii. Belegt ist für das Jahr 1547 aber eine „kerspels kyste“,181 also ein Archiv der Kirchspielverwaltung Servatii. Es ist durchaus denkbar, dass hier auch die Urkunden des Almosenkorbes lagerten. Ein Kinderhauser Archiv ist erstmals durch eine im 15. Jahrhundert angefertigte Abschrift eines Wechselbriefes vom 1. April 1473 belegt. Sie enthält den Rückvermerk: „Desse bref, dar dyt ene copie af ys, de lycht yn den screne der armen.“182 1587 verpfändete Johan van Melschede zu Sarbeck Silber und vergoldete Trinkgefäße, die daraufhin in das Archiv der Leprosen auf die Schreiberei gebracht wurden.183 Hier zeigt sich die Trägerschaft des Rates, denn gemeint ist die städtische Schreiberei, die sich in einem um 1500 errichteten Backsteinbau hinter dem Rathaus befand und erstmals 1535 als bestehend erwähnt wurde.184 Möglicherweise stand das Kinderhauser Archiv hier bereits vor der Täuferzeit. Das Archiv des Antoniushospitals führte wohl der Amtmann. 1511 bestätigten die beiden Provisoren des Hospitals, dass sie gemeinsam mit dem Amtmann Hinricus Krone „twe breue“ über Renten von 2 Gulden und 9 Scheffel Roggen in Empfang genommen hätten. Beide Urkunden hätten sie „ouergeleuert Hinrico den ampt manne“, und zwar in der Absicht „dat de selue amptman vnde syne nakomelynge de breue by sick beholden sollen vnde de rente jarlinx vethmanen“.185 1653 ließ der

178 Armenhaus Zumbusch, Urk. 44. Ein weiteres Beispiel findet sich für das Jahr 1482. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3v–4r. 179 Armut, Not und gute Werke, S. 122. 180 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii von 1411, fol. 26v. Auch die Rentregister von 1461 und 1466 erwähnen Briefe „in der almissen kisten“ bzw. „in der almissen kysten“. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii 1461, fol. 10r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii 1466, fol. 7v–8r. 181 MUB 711. 182 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 50. „Screne“ meint Schrein oder Archiv nach dem lateinischen „scrinium“. 183 Armenhaus Kinderhaus, Akten 172. 184 Geisberg, Stadt Münster, Bd. 2, S. 411. 185 Antoniushospital, Urk. 30.

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IV. Ökonomische Regulierung

Amtmann einen neuen Schrein anfertigen, der danach wohl in seiner Dienstwohnung stand.186 Der Schrein der Elende Aegidii befand sich dagegen in der Elende selbst. Als die Elender 1523 auf Befehl des Bürgermeisters Johan Bolant ein Inventarverzeichnis anlegen mussten, befand sich unter dem aufgeführten Hausgerät auch „eyn sedelen schreynn“, also ein Zettelschrein.187 Der Schrein der Armen zur Aa schließlich wurde – zumindest in der Nachtäuferzeit – von den Provisoren verwahrt. Wie eine Notiz aus dem Jahre 1571 zeigt, wurde er ihnen auf Befehl des Trägers beim Amtsantritt übergeben. „Anno 71, denn 2 Augusti, hebbenn Wennemer Semmel vndt Berendt van Guilich in bywesenth vndt vth bouell eines erbarenn rades entfangenn vndt angenammenn der armen schreine vndt register jnn anuessent der erbarenn Diderich van Kordinck vndt der huisfrouwen Engelenn.“188

Ebenfalls erst für die Nachtäuferzeit belegt ist das Archiv des Magdalenenhospitals. Es befand sich in drei Abteilungen im Hospitalgebäude, möglicherweise in der 1631 belegbaren „schreiberey“. Beide Provisoren waren im Besitz je eines Archivschlüssels, den sie bei Ausscheiden aus dem Amt ihrem Nachfolger übergeben mussten. Eine Einsichtnahme in die Archivbestände war ihnen aber nur mit vorheriger Genehmigung des Rates gestattet.189 Zwei Schlüssel gab es auch von dem Archiv des Armenhauses Jodefeld, das sich allerdings nicht im Armenhaus selbst, sondern bei der Äbtissin des Klosters Überwasser als Trägerin des Hauses befand. Sie selbst sollte einen Schlüssel haben, einer der Provisoren, möglichst der seitens der Familie Jodefeld gestellte, den anderen. In der Gründungsurkunde wird ausführlich darüber berichtet. „Eth sollen oick alle breue vnd segell dessuluenn hospitails (…) sampt der fundatioin in eyner kysten myt twen vnglyken slotten dorch eyne werdyge vrouwe tho Ouerwater tor tydt verwart werden, myt dem bescheyde, dat der slottell eyn by erer werden vnd de ander by den prouisoren, sunderlynx so van den Jodeuelden vnd sus den oldesten der soluen syn sall, also vnd der gestalt, dat noch eyne werdyge vrouwe bemeltes cloisters noch oick gedachte prouisores alleyne sunder tho doin des anderen dar by nycht kommen konnen, dan samenderhandt.190

Tatsächlich war die Sicherung des Archivs durch verschiedene Schlösser auch außerhalb Münsters gängige Praxis und bereits im Mittelalter bekannt.191 Ein ähnliches 186 187 188 189 190 191

Klötzer, Kleiden, S. 119. Elende Aegidii, Urk. 6. Armenhaus zur Aa, Akten 2, RB 1536, fol. 2r. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 20, S. 38; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 48. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Vgl. LAV NRW W, Kloster Überwasser, Urk. 348. Vgl. auch Klötzer, Kleiden, S. 100. So wurde bei der Dotierung zweier Altäre in der Martinikirche 1425 bestimmt, dass das Kapitel die „parvulam cistulam“ mit den Urkunden der Stiftung verwahre, die Schlüssel aber die beiden Offizianten erhalten sollten. MUB 533. In Weismain wurde im 17. Jahrhundert eine Kiste mit zwei verschiedenen Schlüsseln in der Pfarrsakristei

5. Siegel und Archive

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Verfahren ist also wohl auch für die mittelalterlichen Fürsorgeinstitutionen anzunehmen. Vergleichsweise gut dokumentiert ist die Archivsituation der Elende Lamberti. Ihr wurde „dorch vnbekande heymelyke frunde“ eine Rente von 10 Gulden geschenkt, die durch die Provisoren aufzubewahren sei.192 Tatsächlich nahm einer der Provisoren die Verwahrung des Schriftguts der Elende auf sich. Vor dem Zugriff der Täufer schützte dies nicht. Wohl auf Geheiss des Propheten Jan Matthys entbrannte am 24. Februar 1534, einen Tag nach der Ratswahl, ein Bildersturm, bei dem Altäre und Heiligenbilder zerschlagen wurden. Im März wurden mit Ausnahme der Bibel auf dem Domplatz und dem Prinzipalmarkt sämtliche Bücher verbrannt, außerdem Musikinstrumente, Noten, Karten und Würfelspiele. Auch Schuldscheine, Akten und Urkunden einschließlich der städtischen Privilegien fielen den Flammen zum Opfer, die acht Tage lang gelodert haben sollen. Ein Großteil des Schriftgutes des Rathauses, der Kirchen und Klöster ging so verloren.193 Als die Täufer 1534 das Regiment übernahmen, waren Borchart Heerde und Johan Warendorp Provisoren der Elende Lamberti. Nach Eroberung der Stadt bat man sie um ihren Bericht. Der Berichts Johan Warendorps betrifft nur Ereignisse des Jahres 1527. Borchart Heerde aber erklärte, er habe Münster am 27. Februar 1534, also vier Tage nach der entscheidenden Ratswahl, verlassen. Weiterhin schreibt er: „Jck heb eyn bock vnd registere van allen gyften, wes vnss gude lude dar to gegheuen hebn vnd wy edder vth gegheuen vnd vortymmert hebn, gemaket vnd by my gehat. Dat solue is to der tydt in mynen huse myt mer ander bynnen Munster gebleuen vnd van den fromen luden myt meren mynen boken, breffen vnd segelen vorbrandt.“194

Das einzige, was Borchart Heerde retten konnte, war die Urkunde über eben jene 10 Gulden Rente, die ihm der Stadtrat zur Verwahrung übertragen hatte. „Dat solue sal men noch by my vynden in eynen lynen budel.” Dieser Leinenbeutel, in dem der Provisor auch „myn eghen gudt“ verwahrte, befand sich nun „bynnen Kosfelden by der moder vnd conuente in sunte Annen huess in eyn kleyn veteken“.195 Der Kaufbrief des Gebäudes aber, die vom Rat besiegelte Fundationsurkunde, das Buch über Einkünfte und Ausgaben, die Register und alles, was Borchart Heerde sonst verwahrte, „is alle bynnen gebleuen vnd nicht dar wedder van gevunden“.196

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untergestellt; einen Schlüssel erhielt der Amtmann, einen der Stadtrat. In Forchheim wurden die Archivtruhen auf dem Rathaus hinterlegt; Schlüssel für die drei verschiedenen Schlösser hatten der Schultheiß, der älteste Bürgermeister und der Verwalter. Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit, S. 152. In der Gründungsurkunde von 1529 bestimmte der Stadtrat: „Szo sall men den breiff van den theyn gulden geldes renthe alle tyt by den prouisoren vinden.“ Elende Lamberti, Urk. 1. Laubach, Reformation und Täuferherrschaft, S. 180, S. 187; Rothert, Reich der ‚Wiedertäufer‘, S. 14; Schulte, Haben die Wiedertäufer das Stadtarchiv Münster vernichtet?, S. 73f. Elende Lamberti, Akten 1, fol. 6r. Elende Lamberti, Akten 1, fol. 6r. „Veteken“ = Fässchen. Ein Annenkloster in Coesfeld ist mir nicht bekannt. Elende Lamberti, Akten 1, fol. 6r. „Bynnen“ meint in Münster.

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IV. Ökonomische Regulierung

1536 bat man ihn um einen zweiten Bericht. Nun will er bereits am 21. Februar, also zwei Tage vor Ratswahl, „vor den bosen handel vnd wedderdopere“ aus Münster geflohen sein.197 Weiterhin berichtet er, ein Teil des Hausstandes der Elende – nämlich Zinnwerk, Kissen, Laken, Decken und dergleichen mehr – habe bei seinem Mitprovisor Johan Warendorp „in twen kysten to geslaten in synen huse gestanden vnd dar jnne vorbleuen“. Als am 25. Juni 1535 die Stadt „voroffert vnd wedder vp geghaen“ war, habe man „dat huess ledich gevunden“. Und noch eine Neuigkeit weiß Borchart Heerde nun zu berichten: „Jtem de fundacie vp dat huess van den raede vorsegelt heb ick wedder erlanget, is in Hermen Crampen huess gefunden.“198 Borchart Heerde nahm die Urkunde wieder an sich, starb aber noch 1538/39 im Provisorat. Wohl da die Urkunde wieder in seinem Wohnhaus aufbewahrt wurde, befand sie sich nun zunächst in den Händen seiner „kyndeke“ Borchart und Johan. Diese übergaben sie schließlich den Provisoren Johan Warendorp und – als Nachfolger Borchart Heerdes – Lambert Holthuesen.199 Herman Crampe hingegen, in dessen Haus die Gründungsurkunde der Elende Lamberti gefunden wurde, war Täufer.200 Offenbar erfuhr das Bestreben, sämtliches Schriftgut vorbehaltlos zu zerstören, selbst unter den Täufern keine ungeteilte Zustimmung. Tatsächlich behielten einige Bürger trotz Verbot ihre Urkunden und Bücher zu Hause. Auch Möglichkeiten, an fremde Urkunden zu kommen, gab es wohl zur Genüge, denn wie Kerssenbrock berichtet, hätten Reste der Bücher in den Gassen gelegen. Doch ist die Überlieferung aus der Vortäuferzeit viel zu gut, als dass sie sich durch Einzelfälle erklären ließe. Erhalten blieben über 1000 Urkunden und 100 geschriebene Bücher aus den verschiedensten Bereichen. Insbesondere die Archive der Fürsorge­ institutionen sind vergleichsweise gut überliefert. Es scheint also denkbar, dass die Bücherverbrennungen weder besonders genau vorgenommen noch besonders scharf überwacht worden sind.201 Und so war es durchaus möglich, auch größere Archivbestände vor dem Zugriff der Täufer zu bewahren. Der Stadtrichter Arnold Belholt etwa hatte silberne Kirchengeräte und Wertpapiere des Kirchspiels Ludgeri, auch die des Almosenkorbes, mit Wissen der angesehensten Bürger des Kirchspiels vor den Täufern in Sicherheit gebracht. Anders als die Söhne des Borchart Heerde gaben die Erben des um 1538 verstorbenen Stadtrichters die geretteten Wertsachen aber nicht mehr heraus und wurden deshalb 1561/63 vom Dechanten und den Provisoren der Ludgerikirche verklagt.202 Obwohl also einige Akten das Feuer der Täufer über197 Es mag dies eine altersbedingte Verwirrtheit gewesen sein – Borchart Heerde starb zwei Jahre später – oder auch der Versuch, seine antitäuferische Haltung herauszustellen. Bemerkenswert: In der ersten Stellungnahme hatte er die Täufer noch weitaus neutraler als „frome lude“ bezeichnet. 198 Elende Lamberti, Akten 1, fol. 7r. 199 Elende Lamberti, Akten 1, fol. 15v. Huyskens (Lamberti-Elende, S. 200) kennt die Quittung, die die Provisoren über die Übergabe ausstellten. 200 Huyskens, Lamberti-Elende, S. 200; Schulte, Haben die Wiedertäufer das Stadtarchiv Münster vernichtet?, S. 74. 201 Schulte, Haben die Wiedertäufer das Stadtarchiv Münster vernichtet?, S. 74. 202 Speckpfründe Ludgeri, Akten 5.

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standen und offenbar sogar kurzfristige Absprachen über ihre Bewahrung möglich waren, dürften die Rettungsaktionen doch chaotisch und weit außerhalb eines geordneten Rahmens vonstatten gegangen sein. Weniger Glück als der Almosenkorb Ludgeri hatte das Armenhaus Zurwieck, dessen „zegel unde breve dorch myshandelinge der wederdoper ummegebracht und verloren“ waren. Ähnliche Erklärungen gaben die Armenkleidung und der Heiliggeistkorb Lamberti ab.203 Von letzterem konnte allein das erst 1530 angelegte Kopiar204 gerettet werden. Zur Rekonstruktion der Besitzstände des Korbes war das Kopiar zweifellos der wichtigste Bestandteil des Archivs, und dies mag darauf hindeuten, dass die Rettung in großer Eile geschah. Der Schrein selbst wurde zerstört. Und so gehörte neben den zweifellos langwierigen Zeugenvernehmungen und Recherchen, die nach der Eroberung der Stadt zur Rekonstruktion der Register wohl alle Fürsorgeinstitutionen anstellen mussten,205 für den Heiliggeistkorb auch die Anfertigung eines neuen Archivschränkchens zu den zu bewältigenden Aufgaben. Die Jahresrechnung von 1536 berichtet: „Jtem vyth bouell der prouisorenn eynen nye schreynn maken lathen, dar men segell vnnd breue solde jnn leggen, dar vor bot(alt) viij s. Jtem denn smede, nemptlich mester Clawes, vor dat boslach vnnd sloyt vor dat schreyn gegeuenn xxj s. Jtem noch twe kluster slotte gekoff vor das soluige schreynn tho hangen, bot(alt) x s.“206

6. Der Stadtrat als Vertragspartner War der Stadtrat auch Träger zahlreicher Fürsorgeinstitutionen, so konnte er sich dennoch nicht frei aus ihren Kassen bedienen. Deutlich wird die Regel insbesondere dann, wenn sie nicht eingehalten wurde. So erstattete der Rat 1560 dem Magdalenenhospital 600 Mark, „welche der böse Rath 1534 von dem hospital genommen“.207 Regulär musste der Rat, um bei einer seiner Institutionen einen Kredit aufzunehmen, wie andere Kreditnehmer eine Rente kaufen. Rat und Provisoren standen sich dabei als voneinander unabhängige Institutionen gegenüber.208 Tatsächlich übernahmen einige Fürsorgeinstitutionen für die städtische Bevölkerung die Funktion einer Bank und bildeten damit einen wichtigen und stabilisierenden Faktor auf dem städtischen Renten- und Kapitalmarkt. Zu den wichtigsten Vertragspartnern gehörte nicht nur in Münster, sondern auch in zahlreichen anderen Städten regelmäßig der Stadtrat.209 203 204 205 206 207 208 209

Kirchhoff, Die Täufer in Münster, S. 7. Speckpfründe Lamberti, Akten 1. Kirchhoff, Die Täufer in Münster, S. 7. Speckpfründe Lamberti, Akten 5, fol. 20v. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 99. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 73; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 99. Schmidt/Aspelmeier, Norm und Praxis, S. 19; Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit, S. 138; Boldt, Braunschweig, S. 94; Zechlin, Lüneburgs Hospitäler, S. 16; Meffert, Caritas und Krankenwesen, S. 316ff.; Knefelkamp, Gesundheits- und

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IV. Ökonomische Regulierung

Die erste nachweisbare städtische Rentverschreibung erhielt um 1373 das Leprosorium Kinderhaus. Das Rechnungsregister von 1365 berichtet in einem Nachtrag: „Vortmer de stat van Munstere 1 M., des wy eynen openen bref hebbet.“210 Noch vor 1435 nahm die Stadt dort eine weitere Rente von 4 Mark auf. Sie erscheint im Register des Jahres 1435 unter den Renten des Lambertikirchspiels und sollte aus der Kämmerei bezahlt werden.211 Nachfolgende Renten zahlte die Stadt üblicherweise aus dem Grutamt, so auch im Jahre 1448. Am 19. November verkauften „wy, Borgermestere vnd Raid der Stad Munster“ den Provisoren des Leprosoriums eine Jahresrente von 2 Mark und erhielten dafür ein Kapital von 36 Mark, „de wy vort hebbet gekart vnd gelacht jn kentlyk orbar vnd nutticheit vnsses stades“. Dies entsprach einem Zinssatz von 5,55  Prozent.212 Zahlen sollte die Rente „de vorwarer vnsses gruth vnd gruthuses“, und zwar „vth vnsses stades gruthuess“. Gesiegelt wurde mit „vnsses stades segell“.213 Wozu genau die Stadt die 36 Mark verwendete, bleibt ungenannt. Allgemein investierten die Städte seit dem Ende des 14. Jahrhunderts insbesondere in die Kriegsführung und den Stadtmauerausbau sowie in den Unterhalt diplomatischer Beziehungen.214 Und so muss es kein Zufall sein, dass die Stadt Münster das Geld aufnahm, nachdem nur ein Jahr zuvor die Soester Stiftsfehde, in der der münsterische Bischof Heinrich von Moers gegen die zunehmende Macht der Städte kämpfte, ihren Höhepunkt erreicht und die Stadt Münster den Rektor der Magdalenenkapelle 1448 zweimal nach Soest geschickt hatte.215 Besonders in Krisenzeiten griff der Stadtrat häufig auf das Kapital seiner Hospitäler zurück.216 Nach dem Tod Heinrichs von Moers am 2. Juni 1450 setzte sich die Soester Fehde in der Münsterischen Stiftsfehde fort. In der Fehde standen sich drei Bewerber auf den münsterischen Bischofsstuhl gegenüber, nämlich Walram von Moers, der von seinem Bruder, dem Kölner Erzbischof Dietrich, unterstützt wurde, Konrad von Diepholz, unterstützt von seinem Onkel Rudolf, dem Bischof von Utrecht, und schließlich Erich von Hoya, unterstützt von seinem Bruder Johann.

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Fürsorgewesen der Stadt Freiburg, S. 164. Stunz (Hospitäler im deutschsprachigen Raum, S. 131) spricht in diesem Zusammenhang von Hospitälern als „städtische Finanzreservoirs“ und vom „Großunternehmen Hospital“. MUB 222. MUB 621, Nr. 26. Ein Satz von etwa 5 Prozent war gängig. Vgl. auch Pauly, Fremdenherberge, S. 115. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 39. Das Grutrecht hatte die Stadt teilweise bereits 1266 vom Bischof übertragen bekommen, 1278 war sie vollständig in seinen Besitz gekommen. Ein großer Teil der städtischen Ausgaben wurden fortan aus der Gruteinnahme bestritten. WUB 3, Nr. 760; WUB 3, Nr. 1040. Vgl. Meckstroth, Verhältnis der Stadt, S. 43. Bingener e.a., Almosen und Sozialleistungen, S. 49. Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 27, S. 47. Stadtmuseum, Pest und Lepra, S. 19. Auch Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen machte nach der Eroberung Münsters 1661 in großem Umfang Anleihen bei diversen Stiftungen – zurückzahlen konnte er sie nicht. Wiemer, Leben in Münsteraner Armenhäusern, S. 10.

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Adolf von Kleve, ein vierter Kandidat, blieb weitestgehend bedeutungslos.217 Dies bedeutete für die Stadt Münster eine schwere finanzielle Belastung. Die wichtigste Unterstützung fand sie unter Rentenkäufern aus der münsterischen Bürgerschaft. Kreditgeber waren aber auch Fürsorgeinstitutionen, wenngleich sie insgesamt einen eher kleinen Teil ausmachten.218 Am 2. Mai 1451 verkaufte der Stadtrat für 135 Gulden und 54 Mark Renten an Kinderhaus, an den Heiliggeistkorb Lamberti und an den Almosenkorb Martini. Noch im selben Jahr nahm er 72 Gulden beim Heiliggeistkorb Lamberti, 36 Mark bei der Armenkleidung Lamberti und 36 Mark bei dem Heiliggeistkorb Überwasser auf. Im Oktober 1451 war der Rat der Stadt Münster bankrott und konnte seine Rentverpflichtungen nicht mehr bedienen. Am 19. Oktober verkündete er: „Anno domini mo cccco li des dynxtdages na Luce Euangeliste is dyt nabeschreuenn gesateth vnnd gebodden to holdenn gelick vnses stadtz recht, item dat borgeren vnnd inwonneren desser stadt geystlick vnnd wertlick sollen de ersten vnnd bowestenn syn, den desse stadt betalen wyll vnnd sall renthe vnnd pechte, de se verkofft heuet, vnnd na desser tydt verkopene werden, vnnd offt ock wall so swar last vnnd vnwille desser stadt vpstenden, dat men jenige renthe to solde eyne tytlanck schuldich moten bliuen, dat offt godt will numer gescheyn sall, so en sall men doch to vnser stadt borgeren vnde inwoneren geystlick vnnd wertlick ere renthe nynerleye wys weygeren, dan sunder jenigerleye indracht offt vertoch betalen, inseynde, dat der stadt vpkome van vnsen borgeren vnnd inwoneren her komet, vnnd se de genne synt, de vnse stadt myt denste vnnd vorder helpet holden vnde waren. Syt doch also, dat men negest vnsen borgern vnnd inwoneren, den buten luden ere schult vnde renthe, ock wyll godt, hyr vmme nycht wyll offt sall weygeren to betalenn.“219

Durch die Aufnahme in das Stadtrecht wurde dieser Selbstverpflichtung höchste Priorität eingeräumt, und in der Tat bedurfte der Rat vertrauensbildender Maßnahmen wie dieser, um weiterhin Abnehmer für seine Renten zu finden. Die Rentenverkäufe wurden in der Folgezeit zwar weniger, blieben insgesamt aber zahlreich. Zu den Kreditgebern gehörte neben Kinderhaus und dem Heiliggeistkorb Lamberti nun auch das Antoniushospital. Um weiteres Kapital zu generieren, sah sich der Rat zudem gezwungen, städtische Grundstücke zu veräußern.220 Die finanzielle Krise dürfte Johann von Hoya in die Hände gespielt haben. Er warb in Münster so erfolgreich für seinen Bruder Erich, dass höhere Bürger von Münster sich schließlich vor dem Rathaus versammelten und die Einsetzung Johanns als Schutzherrn des Hochstifts erzwangen. Der Versuch des Domkapitels, Walram von Moers einzusetzen, scheiterte schließlich am Widerstand des Stadtrates, der auf massiven inneren Druck seit 1454 im Sinne Hoyas agierte, und der Gilden, die durch ihre Unterstützung der Hoyapartei ihren Einfluss auch langfristig steigern konnten. In der Schlacht von 217 218 219 220

Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 132ff.; Homann, Gilden, S. 12f.; Jakobi, Bevölkerungsentswicklung, S. 495. Einen genaueren Überblick über die Geschehnisse während der Stiftsfehde bietet Hansen, Die Münsterische Stiftsfehde. A IX, Nr. 0. A I, Nr. 2 III, fol. 17v–18r. Dies relativiert die Annahme Blacks (Speckpfründe Lamberti, S. 49), eine Geldanlage im Gruthaus sei besonders sicher gewesen. A VIII, Nr. 1a.

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IV. Ökonomische Regulierung

Varlar am 18. Juli 1454 erlitt die Hoyapartei zwar eine Niederlage gegen Dietrich von Moers, behielt in der Stadt Münster aber dennoch die Oberhand.221 Keine drei Monate vor der Schlacht, in der 118 Münsteraner gefallen sein sollen, nahm der Rat beim Heiliggeistkorb Lamberti Kapital in Höhe von 216 Gulden auf. Es war der höchste Betrag, den er während der Fehde bei einer Fürsorgeinstitution aufnahm. Insgesamt gingen die städtischen Rentverkäufe nach 1452 aber stark zurück. Ein nach der Stiftsfehde angelegtes Verzeichnis über die bei Bürgern und Institutionen aufgenommenen Renten weist für 1453 keine Einträge auf, für 1454 drei, für 1458 zwei und für 1459 nur noch einen Eintrag.222 Die Stiftsfehde endete, ohne dass sich eine der drei Parteien durchsetzen konnte. 1457 ernannte Papst Calixt II. den Wormser Propst Johann von Bayern zum neuen Bischof. Johann und Erich von Hoya hingegen wurden mit den Ämtern in Sassenberg und Kloppenburg sowie dem Amt in Bevergern entschädigt.223 Die Stadt Münster ging finanziell geschwächt aus der Stiftsfehde hervor. Allein zwischen 1451 und 1453 hatte sie sich zu jährlichen Rentzahlungen von 126 ½ Gulden, 23 Mark und 24 ½ Malter Roggen verpflichtet.224 Bei Fürsorgeinstitutionen hatte sie in dieser Zeit 360 Gulden und 153 Mark Kapital aufgenommen und war ihnen damit an jährlichen Renten 17 ½ Gulden und 11 Mark schuldig. Die Stadt dürfte auch in der Folgezeit Schwierigkeiten gehabt haben, ihre Schulden zu bedienen, und so überrascht es nicht, wenn Bürger versuchten, ihre städtischen Renten abzustoßen. Eine elegante Möglichkeit war die Einbringung dieser Renten in Vikariestiftungen.225 Eine andere Option war der Weiterverkauf. So hatten Diderich Grove und seine Frau Gerdrut am 30. September 1452 von der Stadt eine Rente von 12 Gulden gekauft, die sie bereits am 27. April 1454 an die Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti weiterverkauften.226 Unter ökonomischen Gesichtspunkten war dies für den Korb sicherlich kein gutes Geschäft, und es scheint, dass er hier vielmehr im Interesse des Rates handelte. Dieser war es auch, der nach der Fehde gelegentlich die Umschichtung einer Rente auf ein unter seiner Trägerschaft ste-

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Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 132ff.; Homann, Gilden, S. 12f.; Jakobi, Bevölkerungsentswicklung, S. 495. 222 A IX, Nr. 0. 223 Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 132ff.; Homann, Gilden, S. 12f.; Jakobi, Bevölkerungsentswicklung, S. 495. 224 A IX, Nr. 0. 225 Das 1453 in der Antoniuskapelle errichtete Benefizium etwa wurde mit 28 Gulden Rente ausgestattet; davon sollten 12 Gulden aus dem Grutamt kommen. Antoniushospital, Urk. 9. Im selben Jahr erfolgte die Fundation der vierten Vikarie im Magdalenenhospital. 18 der zur Ausstattung bereitgestellten 21 Gulden Rente sollten aus dem Grutamt bezahlt werden. Magdalenenhospital, Urk. 59. Die 1459 gegründete Vikarie im Armenhaus zur Aa schließlich wurde mit 12 Gulden vollständig aus dem Grutamt finanziert. Armenhaus zur Aa, Urk. 30. 226 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 25r–25v. Ein weiteres Beispiel findet sich 1501. Vgl. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 98r-v.

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hendes Hospital initiierte.227 Doch nahm der Stadtrat nach der Stiftsfehde durchaus auch neue Kredite auf, so bereits 1458 aus dem Leprosorium Kinderhaus. Gezahlt werden sollte die Rente – wie auch 1464 – nicht aus dem Grutamt, sondern direkt aus bestimmten Renten.228 Offenbar wollte der Rat das Grutamt insbesondere in den Jahren nach der Fehde 1458/64 nicht weiteren finanziellen Belastungen aussetzen. Eine weitere Rente, inzwischen wieder aus dem Gruthaus, verkaufte der Stadtrat 1476 der Armenkleidung Lamberti.229 Um 1500 – also etwa zu der Zeit, als die Ratsherren begannen, durch die zunehmende Übernahme von Provisoraten das Fürsorgesystem verstärkt an sich zu binden – nahm die Zahl der städtischen Rentverschreibungen wieder zu. Dies zeugt von einer zunehmend angespannten Finanzsituation im Vorfeld der Täuferunruhen. Sie ging einher mit dem Verlust einer eigenständigen Ausgabenpolitik. Als Bürgermeister und Rat am 26. April 1499 der Armenkleidung Lamberti eine Jahresrente von 5 Gulden verkauften, handelten sie nicht unabhängig, sondern „myt guden vryen willen, vulborth vnd medeweten der olderlude vnd gemeynen mesterluden vnß stadz“.230 Die Meisterleute waren die Meisterleute der einzelnen Gilden, die Alderlude die beiden Vertreter der Gesamtgilde, zu der sich die Meisterleute der einzelnen Gilden zusammengeschlossen hatten. Die Gilden hatten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts als feste politische Größe etabliert. Bereits ab 1410 durfte keine Verhaftung eines Bürgers oder Nichtbürgers ohne Wissen der Alderleute und ältesten Gildemeister erfolgen. In der im Sinne Hoyas durchgeführten Ratswahl von 1454 erzielten Gildenbürger gegenüber den Erbmännern erstmals

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1464 bekannten Bürgermeister und Rat, dass die Provisoren des Armenhauses zur Aa dem Johan Hermoldinck mit 9 Mark eine Rente von ½ Mark quittgeschlagen hatten, die dieser zuvor „to vulleste syns schaden vnd vencknisse“ von der Stadt gekauft hatte. Der Rat übertrug den Provisoren dafür eine andere Rente von ½ Mark, die er aus dem Haus der Mette, Witwe Bertold Potters, hatte, behielt sich aber das Recht auf einen Rückkauf der Rente vor. Armenhaus zur Aa, Urk. 34. Ähnlich gestaltete sich der folgende Fall. 500 Gulden hatte der Stadtrat bei dem Knappen Matheus van Munster aufgenommen und sich entsprechend zu einer jährlichen Zahlung von 25 Gulden verpflichtet. Tatsächlich war er mit seinen Zahlungen längst im Rückstand. 1470 aber, so verkündete der Stadtrat, erließ Matheus ihm den Zins aus 100 Gulden und außerdem „alle versetene tyns vnd schaden“. Der Rest sollte „to behoff der armen ten hospitale tusschen den bruggen bynnen Munster vnd to der Kinderhuss“ verwendet werden, und zwar so, dass das Grutamt jährlich „yn ytlick hus“ je 10 Mark zahlte. Im Gegenzug verpflichteten sich die beiden Häuser, dem Matheus und seiner Frau Jutte auf Lebenszeit eine Leibzuchtrente in selber Höhe zu zahlen. Das Magdalenenhospital und das Leprosorium Kinderhaus wurden bei der Zahlung der Rente also faktisch zwischengeschaltet und garantierten so eine pünktliche Zinsabgabe „sunder yenich krot vnd schaden“. Als Gegenleistung verzichtete Matheus auf einen Teil seiner Ansprüche. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 10r–11v. Hier waren es jene, die der Rat „na jnholde vnses stadz renthebokes“ aus Masemans Haus, aus Johan Wulffards Haus, aus Uppendales Haus und aus Elsen Deyterdynges Haus beanspruchte. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 43. Armenkleidung Lamberti, Urk. 9. Armenkleidung Lamberti, Urk. 29.

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IV. Ökonomische Regulierung

die Mehrheit der Sitze.231 Nun hatten sie auch die städtischen Finanzen unter ihre Aufsicht gebracht.232 Eine zusätzliche finanzielle Belastung entstand dem Rat der Stadt Münster aus der expansiven Politik des Osmanischen Reiches, die sich nach dem Sieg über das ungarische Heer 1526 bald auf Wien konzentrierte. Am 21. Dezember 1528 verkauften „domdeckenn vnd capitell der kerckenn, edelman, ritterschap des stichz, borgermester, raidt, gilde vnd gemeynheit der stadt Munster“ in einer bisher einmaligen Allianz „vor de gemeyne landeschap“ den Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti eine Rente von 10 Gulden. Zu zahlen waren diese 10 Gulden aus der Burse und der Kellnerei des Doms, aus dem Gruthaus, sowie aus den Erbhöfen Hesselman, Ronderman, Renvert vnd Michels im Kirchspiel Ahlen, die dem Ritter Gerd van der Reck gehörten. Die Verkäufer erhielten dafür 200 Gulden, die sie „to etzligen handele vnd nottrofftigen geschefften desßemm gestichte vnd gemeiner landeschap bedreppenn“ angelegt hätten.233 Worin diese Geschäfte genau bestanden, bleibt ungenannt, doch eine ganz ähnliche Urkunde vom 14. August 1532 wird konkreter. Inzwischen war die erste türkische Belagerung der Stadt Wien gescheitert. Dennoch nahm sie Kaiser Karl V. zum Anlass, nun eine aktive Verteidigungspolitik zu betreiben. In diesem Zusammenhang ist jene Urkunde zu sehen, in der abermals Domkapitel, Ritterschaft und Stadt Münster dem Heiliggeistkorb Lamberti eine Rente verkaufen, dieses Mal in Höhe von 6 Gulden. Die im Gegenzug erhaltenen 120 Gulden haben sie „(...) thomm riches denste, so dessen lande vann keiserlichenn maiestet, vnsen aller genedigesten heren, weder de turcken vpgelacht vnd gekart vnd vthgegeuen (...).“234 Gezahlt werden sollte die Rente vom Dom und vom Stadtrat, namentlich „vth vnser kerken, bursenn vnd kelnerie vnd vth vnses stades gruthusze, ciszenn vnd vpkommenn“. Beglaubigt wurde die Urkunde wie schon die vorangegangene mit dem Siegel des Domkapitels, mit dem des Erbmarschalls Gerdt Morien im Namen der Edelleute und der Ritterschaft, sowie im Namen von Bürgermeistern, Rat, Gilde und Gemeinheit mit dem Stadtsiegel.235 Insgesamt sind 35 Renten nachweisbar, die der Stadtrat bis zur Errichtung des Täuferreiches direkt an Fürsorgeinstitutionen verkauft hat. Sie bedeuteten eine Kapitalaufnahme von 2927 Gulden und 746 Mark. Gemeinsam mit den erst später in den Besitz von Fürsorgeinstitutionen gelangten Grutamtsrenten ergab sich für den 231

Kirchhoff, Gesamtgilde, S. 240ff., Ehbrecht, Rat, Gilde und Gemeinde, S. 124ff.; Weikert, Erbmänner, S. 30; Zuhorn, Bürgertum, S. 123ff. 232 Entsprechend benötigte der Rat auch, als er 1507 der Armenkleidung Lamberti und Kinderhaus Renten verkaufte, ihre Zustimmung, ebenso als er 1512 dem Heiliggeistkorb Lamberti eine Rente aus der Kasse der Weinherren und 1518 Kinderhaus eine Rente „vth der nyen scharnen vnses stadz vnd vth den twen kelleren dar vnder belegen“ verkaufte. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 63; Armenkleidung Lamberti, Urk. 13; LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 573; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 72. 233 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 92v–93v. 234 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 95v–96v. 235 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 95v–96v.

6. Der Stadtrat als Vertragspartner

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Stadtrat damit eine jährliche Zinslast von insgesamt 121 Gulden und 61 Mark. Hinzu kamen 16 Gulden, deren Zahlung sich das Grutamt mit dem Domkapitel und der Ritterschaft teilte. Die Ablösung einer Rente ist nicht bezeugt. Die bedeutendsten Kreditgeber waren der Heiliggeistkorb Lamberti mit insgesamt elf Renten, einem Kapital von 1161 Gulden und einer sich daraus ergebenden Zinslast von 60 Gulden sowie das Leprosorium Kinderhaus mit neun Renten, 691 Gulden und 198 Mark Kapital sowie 21 Gulden und 30 Mark Zinslast. Der Armenkleidung Lamberti verkaufte der Rat vier Renten zu 314 Gulden und 9 Mark Kapital und 16 Gulden und ½ Mark Zinslast. Drei Renten verkaufte er dem Antoniushospital, je zwei dem Armenhaus Wegesende und – für immerhin 420 Gulden Kapital – dem Magdalenenhospital. Sie alle unterstanden der Trägerschaft des Rates. Lediglich je eine Rente kauften das Armenhaus zur Aa und das Gasthaus, beide unter Ratsträgerschaft, sowie die von Kirchspielen verwalteten Almosenkörbe Martini und Aegidii, der Heiliggeistkorb Überwasser und das Armenhaus Zumbusch. Damit gingen nur 8,6  Prozent der vom Stadtrat an Fürsorgeinstitutionen zu zahlende Renten an jene in nichtstädtischer Trägerschaft. Eine gezielte Rentenpolitik des Rates ist darin kaum zu sehen, vielmehr sind die Zahlen Ausdruck der Liquidität der einzelnen Institutionen. Dies erklärt auch die geringe Beteiligung des Magdalenenhospitals,236 das zwar einen hohen Jahresumsatz zu verzeichnen hatte, aber einen vergleichsweise geringen Jahresüberschuss.237 Tatsächlich zahlen konnte der Stadtrat diese Renten allerdings nur eingeschränkt. Das 1515 angelegte Rentenregister des Leprosoriums Kinderhaus verzeichnet die städtischen Renten unter den einleitenden Worten: „De gruthern der stat Monster synt jarlix schuldich den armen jn guden, bosegelden breuen dosse na bescreuen renthe, dar se langhe tyt nych aff botalt hebben vnd mercklyck vorsetten, dat se godde vnd den armen schuldich synt.“238

Der Heiliggeistkorb Lamberti hatte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Allein 1536 blieb er auf Rentenansprüchen aus dem Gruthaus in Höhe von 37 Gulden sitzen. Dasselbe galt für die beiden Vorjahre, für 1533 blieben 6 Gulden unbezahlt. Damit hatte der Korb 1536 Ausstände von 114 Gulden allein aus dem Grutamt.239 Unbezahlt blieb auch jene Rente, die der Stadtrat am 24. Juli 1533 dem Almosenkorb Aegidii aus dem Gruthaus verkauft hatte. 1572 richteten die Almosener ein schriftliches Gesuch an den Rat, dieser möge „nach so langen vnd nun etzliche jaer geharten bedencken sich gunstiglich ercleren“, die Rente zu bezahlen. Der Stadtrat hatte die Bezahlung bisher verweigert und argumentiert, dass er nicht verpflichtet sei, „die schulde, so die vffrorschen widdertauffere gemachet haben, (…) zu betzalen“. Die Almosener wiesen ihn nun darauf hin „daß men ihm jare drey vnd drissigh vff Jacobi bynnen Munster noch von keinen Widdertauffeschen vffroer hatt gewyssen“ und die besagte Rente deshalb nicht zu jenen Schulden und Beschwernissen gehörten, die 236 237 238 239

Diese war bereits Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 67) aufgefallen. Vgl. etwa Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 3r, fol. 22r, fol. 42r. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 4v. Speckpfründe Lamberti, Akten 5, fol. 6r.

194

IV. Ökonomische Regulierung

„den nachfolgenden wynther dorch etzliche vordechtige raedtzpersonen gemachet“ wurden, „als die rotterie der Weddertauffere offenbare geworden“. Deshalb baten sie den Stadtrat erneut, die Grutherren zur Bezahlung der ausstehenden Rentengelder anzuweisen. Ob der Rat dieser Bitte nachkam, ist unbekannt.240 Tabelle 10: Städtische Rentverschreibungen an Fürsorgeinstitutionen Datum

Käufer

Betrag

Jahreszins

Gezahlt aus

Kinderhaus

(18 Mark)

1 Mark

?

Kinderhaus

(72 Mark)

4 Mark

Kämmerei

1448 Nov 19 Kinderhaus

36 Mark

2 Mark

Gruthaus

1451 Mai 2244

Almosenkorb Martini

117 Gulden 6 ½ Gulden Gruthaus

1451 Mai 2245

Kinderhaus

54 Mark

3 Mark

Gruthaus

1451 Mai 2246

Heiliggeistkorb Lamberti

18 Gulden

1 Gulden

Gruthaus

1451 Juli 26247

Heiliggeistkorb Lamberti

36 Gulden

2 Gulden

?

1451 Sep 30248

Armenkleidung Lamberti

36 Mark

2 Mark

Gruthaus

241

um 1373 vor 1435242 243

240

Almosenkorb Aegidii, Akten 1. Es ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass der Rat dem Magdalenenhospital bereits 1560 600 Mark erstattete, die der täuferische Rat dem Hospital genommen hatte. Vgl. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 99. 241 MUB 222. Die Rente wurde noch um 1390 gezahlt. Vgl. MUB 180, Nr. 87. 242 MUB 621, Nr. 26. Die Rente wurde noch 1515 gezahlt. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 4v. 243 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 39. Die Rente wurde noch Ende des 15. Jahrhunderts gezahlt. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 184, fol. 4r. Auch noch 1515. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 4v. 244 Armenhaus Zumbusch, Urk. 58. Vgl. A IX, Nr. 0. 245 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 40. Vgl. A IX, Nr. 0. Die Rente wurde noch 1515 gezahlt. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 4v. 246 Das Rentverzeichnis der Stadt (A IX, Nr. 0) fasst diese Rentenschuld mit jener vom 26. Juli zusammen und nennt 3 Gulden. Die Rente wird noch 1530 gezahlt. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 25v. 247 Das Rentverzeichnis der Stadt (A IX, Nr. 0) fasst diese Rentenschuld mit jener vom 2. Mai zusammen und nennt 3 Gulden. Die Rente wurde noch 1530 gezahlt. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 26r. 248 Armenkleidung Lamberti, Urk 7. Vgl. A IX, Nr. 0. Am selben Tag verkaufte der Rat für 108 Gulden eine Rente von 6 Gulden an die Vikarie St. Jacobi in der Martinikirche. Kirche St. Martini, Urk. 9.

6. Der Stadtrat als Vertragspartner

195

Tabelle 10 (Fortsetzung) Datum

Käufer

Betrag

Jahreszins

Gezahlt aus

1451249

Heiliggeistkorb Überwasser

(36 Mark)

2 Mark

?

1451250

Heiliggeistkorb Lamberti

(36 Gulden) 2 Gulden

?

1452 Okt 5251

Kinderhaus

108 Gulden 6 Gulden

Gruthaus

1452252

Antoniushospital

(27 Mark)

1 ½ Mark

?

Heiliggeistkorb Lamberti

45 Gulden

2 ½ Mark

?

253

1452 Jul 8

1454 Apr 27254 Heiliggeistkorb Lamberti

216 Gulden 12 Gulden

Gruthaus

1458 Feb 14255

Kinderhaus

18 Mark

1 Mark

Renten

1464 Feb 20256

Armenhaus zur Aa

(9 Mark)

½ Mark

Rente

1470 Apr 30257 Kinderhaus

200 Gulden 10 Gulden

Gruthaus

258

200 Gulden 10 Gulden

Gruthaus

1470 Apr 30 Magdalenen- hospital 249 250 251

A IX, Nr. 0. A IX, Nr. 0. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 41. Die Rente wurde noch 1515 gezahlt. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 4v. 252 A IX, Nr. 0. 253 Die Rente wurde noch 1530 gezahlt. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 45r. Das Rentverzeichnis der Stadt (A IX, Nr. 0) verzeichnet ein Kapital von 54 Mark und einen Zins von 3 Mark. 254 Der Stadtrat verkaufte die Rente nicht direkt an den Heiliggeistkorb, sondern am 30. September 1452 an Diderike Groven und seine Frau Gerdrut. Diese verkauften sie 1454 dem Korb. Die Rente wurde noch 1530 gezahlt. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 25r–25v. 255 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 42. Gezahlt wurde aus Masemans Haus, aus Johan Wulffards Haus, aus Uppendales Haus und aus Elsen Deyterdynges Haus. 256 Armenhaus zur Aa, Urk. 34. Die Rente wurde gezahlt aus „Metten der Pottersche, seligen Bertolt Potters husfrouwen, huss“. 257 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 10r–11v. Die Rente wurde noch 1515 gezahlt. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 4v. 258 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 10r–11v.

196

IV. Ökonomische Regulierung

Tabelle 10 (Fortsetzung) Datum

Käufer

Betrag

Jahreszins

Gezahlt aus

1476 Jan 23259

Armenkleidung Lamberti

54 G., 9 Mark

3 G., ½ Mark

Gruthaus

1499 Apr 26260 Armenkleidung Lamberti

100 Gulden 5 Gulden

Gruthaus

1501 Sep 7261

(120 Gulden) 6 Gulden

Gruthaus

100 Gulden 5 Gulden

Gruthaus

1507 Mai 22 Armenkleidung Lamberti

160 Gulden 8 Gulden

Gruthaus

1512 Jul 1264

100 Gulden 5 Gulden

Weinakzise

Heiliggeistkorb Lamberti

1507 Mai 12262 Kinderhaus 263

Heiliggeistkorb Lamberti

283 Gulden 19 Mark 1518 Mai 22265 Kinderhaus 1523 Jul 31266

Heiliggeistkorb Lamberti

70 Gulden

Neue Scharne

3 ½ Gulden Gruthaus

1528 Dez 21267 Heiliggeistkorb Lamberti

200 Gulden 10 Gulden

Diverses

1532 Aug 14268 Heiliggeistkorb Lamberti

120 Gulden 6 Gulden

Diverses

259 260 261 262 263 264 265 266 267

268

Armenkleidung Lamberti, Urk. 9. Armenkleidung Lamberti, Urk. 29. Die Stadt hatte diese Rente ursprünglich an Claes Kerckerinck verkauft, nun verkaufen sie Metteke Trauelmans und ihr Sohn Cordt an den Heiliggeistkorb Lamberti. Sie wurde noch 1530 gezahlt. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 98r-v. Armenhaus Kinderhaus, Urk 62, Urk. 63 (zweifache Ausführung). Armenkleidung Lamberti, Urk. 13. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 573. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 72. Die Rente wurde noch 1530 gezahlt. Speckpfründe Lambert, Akten 1, fol. 27r. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 92v–93v. Die Rente verkaufte der Stadtrat nicht allein, sondern gemeinsam mit dem Domkapitel und der Ritterschaft des Stifts. Gezahlt werden sollte sie aus der Burse und Kellnerei des Doms, aus den vier Erbhöfen Hesselman, Ronderman, Renvert und Michels des Ritters Gerd van der Reck sowie aus dem Gruthaus. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 95v–96v. Auch diese Rente verkaufte der Stadtrat gemeinsam mit dem Domkapitel und der Ritterschaft des Stifts. Gezahlt werden sollte sie aus der Burse und Kellnerei des Doms sowie aus dem Gruthaus.

6. Der Stadtrat als Vertragspartner

197

Tabelle 10 (Fortsetzung) Datum

Käufer

Betrag

Jahreszins

Gezahlt aus

1532 Jan 17269

Antoniushospital

220 Gulden (11 Gulden) Gruthaus

vor 1533270

Armenhaus Zumbusch

(260 Mark)

13 Mark

Gruthaus

vor 1533271

Armenhaus Wegesende

(80 Mark)

4 Mark

Gruthaus

vor 1533272

Armenhaus Wegesende

(100 Mark)

5 Mark

Gruthaus

1533 Jul 24273

Almosenkorb Aegidii

40 Gulden

2 Gulden

Gruthaus

1533 Nov 11274 Heiliggeistkorb Lamberti

200 Gulden 10 Gulden

Gruthaus

1533 Nov 11275 Magdalenen- hospital

220 Gulden 11 Gulden

?

1533276

Antoniushospital

20 Gulden

(1 Gulden) Gruthaus

1533277

Gasthaus

20 Gulden

1 Gulden

269 270 271 272 273 274 275 276 277

Gruthaus

Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 188. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 215. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 215. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 215. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 188. Noch 1572 verweigerte der Stadtrat die Zahlung. Almosenkorb Aegidii, Akten 1. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 41v–42r. A IX, Nr. 53. Vgl. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 64. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 188. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 188.

199

V. Soziale Regulierung In der Frühneuzeitforschung ist der von Gerhard Oestreich geprägte Begriff der Sozialdisziplinierung heute weitgehend etabliert. Er meint eine durch Obrigkeiten unterschiedlichster Art forcierte Umerziehung insbesondere der untersten Schichten zu Fleiß, Arbeitsdisziplin und Gehorsam. Ihre – nicht unumstrittenen – Ursachen lagen im 15. und 16. Jahrhundet begründet und waren sowohl politischer, wirtschaftlicher als auch sozialer Natur. Die Städte emanzipierten sich zunehmend zu einer Obrigkeit, Teuerungsprozesse und Massenverelendung zwangen die städtischen Magistrate zu innovativen Maßnahmen und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Bettlern verschlechterte sich bis hin zu ihrer Kriminalisierung.1 Auch der Begriff der Sozialdisziplinierung selbst ist durchaus umstritten. So bleibt unklar, wie weit Norm und Praxis tatsächlich auseinanderlagen. Auch herrscht weder Einigkeit über seine genaue Definition noch über seine Reichweite. Kontrovers beurteilt wird etwa, inwieweit Almosenkörbe durch ihre vergleichsweise frühe Bindung an Gesetze und Verordnungen als Vorboten der Sozialdisziplinierung gelten können.2 In Abgrenzung zur Sozialdisziplinierung prägte Oestreich deshalb den Begriff der Sozialregulierung und sah in ihr eine der wesentlichen Vorstufen zur späteren Sozialdisziplinierung.3 Sozialregulative Aufgaben der Almosenkörbe sind für Münster erst nach der Täuferherrschaft nachweisbar. Das Zusammenleben von Hospitalinsassen war allerdings bereits im Spätmittelalter bei weitem nicht frei von Geboten und Verpflichtungen, sondern durchaus reguliert. Deutlich wird dies insbesondere durch die bereits im 14. Jahrhundert nachweisbaren Hausordnungen, unter denen die Institutionen geführt wurden, und die nicht selten auf Befehl des Stadtrates verfasst wurden. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass der Rat damit keine aktive obrigkeitliche Sozialpolitik betrieb, sondern lediglich in seiner Funktion als Träger die Bestimmungen des Stifters reaktiv den neuen Gegebenheiten anpasste. In diesem Sinne sei – bei aller berechtigten Kritik – auch hier der Begriff der Sozialregulierung verwendet.

1. Verabschiedung von Hausordnungen Hausordnungen waren Sammlungen von Verordnungen und Regeln, denen sich die Insassen von Armenhäusern in ihrem Alltag und ihren Lebensgewohnheiten zu unterwerfen hatten. Sie sind normative Quellen und zeugen damit weniger von der tat1 2 3

Sachße/Tennstedt, Armenfürsorge in Deutschschland, Bd. 1, S. 36ff.; Dreves, Das Armenwesen der StadtGoslar, S. 17f.; Bräuer, Kommunale Armut, S. 30. Fischer, Städtische Armut und Armenfürsorge, S. 241–260; Bingener e.a., Almosen und Sozialleistungen, S. 43; Klötzer, Kleiden, S. 12. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 342; Kleinknecht, Entstehung und Verwaltung, S. 22.

200

V. Soziale Regulierung

sächlich geübten Praxis als von der Erwartungshaltung ihrer Verfasser. Intention der Hausordnungen war die planvolle Ausgestaltung und Regulierung des Lebensbereiches Hospital.4 Sofern ein Armenhaus auf einen privaten Stifter zurückging, war es gewöhnlich dieser, der erste Bestimmungen für das alltägliche Zusammenleben der Insassen definierte und damit die wesentlichen inhaltlichen Vorgaben für eine Hausordnung machte.5 Als die Witwe Meynburg de Wessede 1302 ein Armenhaus stiftete, bestimmte sie in der vom Stadtrat besiegelten Fundationsurkunde nicht nur den Verwendungszweck – das Haus sollte armen Witwen Aufnahme gewähren – und die Unterbringung der Armen in separaten Kammern, sondern rief auch die künftigen Einwohnerinnen auf, ihr Erbe dem Armenhaus zu hinterlassen. Zudem sollten sie keine „zizaniam seu eiusmodi generis malitiam“6 säen, sonst drohe ihnen der Hausverweis. Tatsächlich sind die hier noch freiwillige Erbregelung und die Pflicht zum friedlichen Zusammenleben die beiden Kernpunkte späterer Hausordnungen. Auch als Wilhelmus de Busche 1337 das Armenhaus Zumbusch stiftete, erließ er zwar keine konkreten Regeln über das Zusammenleben der Insassen, bestimmte jedoch ihre Zahl und die Grundvoraussetzungen ihrer Aufnahme.7 Auch die Gründungsurkunde der Elende Aegidii, die auf eine Initiative des Macharius Veghesack, Amtmann des Magdalenenhospitals, zurückging, enthält gewisse „puncte“, die „vnuerbrecklick geholden werden“ mussten. Sie betreffen in erster Linie die beiden Elender, denen die Führung der Institution auferlegt wurde, setzen aber auch Regeln für die aufgenommenen Pestkranken. Diese sollten, sofern sie dazu in der Lage wären, für die Aufnahme und die Verpflegung bezahlen und ihren Besitz, wenn sie in der Elende verstarben, in derselben belassen.8 Gemäß der Gründungsurkunde des Armenhauses Jodefeld sollten sich die Armen ihr eigenes Brot backen und ihr eigenes Bier brauen. Weitere Regeln betrafen Messbesuche, regelmäßiges Beten, Nachtruhezeiten und das friedliche Zusammenleben sowie entsprechende Strafen bei Nichteinhaltung.9 Auch wenn dies nicht mehr in jedem Einzelfall nachweisbar ist, so dürfte die Abfassung einer Hausordnung Bestandteil des Gründungsprozesses eines Armenhauses gewesen sein. Sie oblag damit allgemein denjenigen Personen, die am Gründungsakt beteiligt waren, also insbesondere dem Stifter – sei es nun eine Privatperson oder der Stadtrat selbst – und dem vom Stifter bestimmten Träger. Nicht immer allerdings wird ihre Autorenschaft auch genannt. Die älteste münsterische Hausordnung stammt aus dem Armenhaus Wessede und datiert auf den 25. März 1302, also exakt eine Woche vor der Abfassung der Gründungsurkunde. Sie verkündet, dass das Haus „jn den nahmen vnsers herren Jesu Christi“ gegründet wurde, be4 5 6 7 8 9

Vgl. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 34; Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 199. Knefelkamp, Materielle Kultur, S. 97. „Zank oder die Bosheit ihres Geschlechts“. MUB 47. Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. Elende Aegidii, Urk. 3a. Ähnliche Bestimmungen enthalten die Fundationsurkunden der Elenden Überwasser und Lamberti. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r; Elende Lamberti, Urk. 1. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13.

1. Verabschiedung von Hausordnungen

201

stimmt seine genaue Funktion und die Anzahl der Aufzunehmenden und definiert im Weiteren die von den Verfassern erwarteten Verhaltensweisen der Armen und die von den Armen zu erwartenden Strafen bei Zuwiderhandlung. Auch auf die innere Organisationsstruktur wird eingegangen. Namentlich genannt werden die Verfasser nicht. Die Ordnung ist nicht in ihrer ersten Fassung, sondern unter der Überschrift „Rulle dero armen Zur Westen“ in einer Abschrift des Emonitors Henrich Storck aus dem Jahre 1643 überliefert. Zwar berief sich dieser direkt auf „anno 1302 vff Mariae Verkundigung“ als Abfassungsdatum, tatsächlich enthält die Rolle aber einige Nachträge und Aktualisierungen. Die ursprüngliche Regelung, 15 Personen aufzunehmen, wurde etwa im nachhinein relativiert durch den Einschub „impfall de renthe deß hauses eingetrieben werden kahn“.10 Eine durch eine konkrete Situation notwendig gewordene Ergänzung dürfte auch der folgende Punkt sein: „Auch soll niemandt in seiner kammeren ein absonderlich fedr von holtte boten, bey verluß seines biers vnnd brodes, viell weiniger im hause jemandt bier oder koitt browen laßen.“11

Derartige Aktualisierungen wurden nur selten als solche vermerkt, und so konnte trotz teilweise weitgehender Veränderungen das Datum der ersten Version maßgeblich bleiben.12 Neben einem inhaltlichen durchliefen die Rollen von Abschrift zu Abschrift auch einen sprachlichen Wandel. Zudem konnte es bei einem nachlässigen Schreiber zu Abschreibefehlern oder Paraphrasierungen kommen. Dies gilt es bei der Interpretation zu berücksichtigen. In der Regel aber erhielten sich die Ordnungen über Jahrzehnte und Jahrhunderte hinweg ohne größere Veränderungen und konnten sogar zum Vorbild für andere Institutionen werden. Als 1337 das Armenhaus Zumbusch gegründet wurde, entschloss man sich pragmatisch zur Übernahme der Ordnung des Hauses Wessede. Dass Wessede in Ratshand, Zumbusch aber in Kirchspielverwaltung war, stellte dabei offenbar kein Hindernis dar.13 Auch bei der Gründung des Armenhauses zur Aa entschloss sich der Rat, dieselbe Hausordnung zu übernehmen. Bekannt ist sie aus zwei Abschriften.14 Beide sind abgesehen von geringen orthographischen Fehlern identisch, und dasselbe Bild ergibt sich im Vergleich mit den Rollen der Armenhäuser Wessede und Zumbusch. Abgesehen von teilweise abweichenden Schreibweisen unterscheiden sich die Rollen lediglich in der 10 Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r. 11 Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v. „Fedr“ = Fuder. 12 Die Rolle des Antoniushospitals etwa stammt aus dem Jahre 1540. Ihre älteste Abschrift von 1668 umfasst 16 Punkte. Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. Eine weitere Abschrift von 1766 umfasst 27 Punkte, beruft sich aber allein auf das Jahr 1540. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 165, fol. 350r–360r. 13 Überliefert ist allerdings allein eine im Jahre 1530 angefertigte Abschrift unter der Überschrift „De rulle des huses ton Busche“. MUB 372. 14 Die ältere wurde Ende des 14. Jahrhunderts im Lagerbuch der Armen zur Aa niedergeschrieben, die jüngere entstand im 15. Jahrhundert auf Pergament. Sie tragen die Überschrift: „Hyr volget nu de rulle offte breiff, den men plecht den armen voer tho lesen, wan dar eyn nye suster in kumpt, dat sall se so loven tho holden, wan se de proven entfanget, na ynholde volgendes breves.“ Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 3r–3v; MUB 366.

202

V. Soziale Regulierung

Überschrift, die offenbar nicht mit tradiert wurde, in der Nennung von Namen und Ort der Institution und der Anzahl der Aufzunehmenden sowie in einzelnen Punkten, die spätere situative Ergänzungen gewesen sein dürften. Für Wessede waren dies die Aufnahme von Armen unter Finanzierungsvorbehalt und die Verbote, in den Kammern Holz zu horten und eigenmächtig Bier brauen zu lassen. Auch sollten hier, während in den Armenhäusern Zumbusch und zur Aa täglich 15 Pater Noster und Ave Maria gebetet wurden, „zum weinigsten“ soviel gebetet werden. Und im Armenhaus zur Aa – auch dies offenbar eine Reaktion auf aktuelle Gegebenheiten – sollten die Provisoren, wenn sie jemanden des Hauses verwiesen hätten, „nene bede, dar vor weder in thokomene, annemen“. Die orthographischen Abweichungen sind dahingehend auffällig, als dass, obwohl alle drei Frauenhäuser waren, die Rolle des Armenhauses Wessede vermehrt maskuline Pronomina verwendet, etwas weniger die des Armenhauses Zumbusch, am wenigsten jedoch die des Armenhauses zur Aa. Dies entspricht der zeitlichen Folge ihrer Gründung und legt die Übernahme der Rolle im jeweiligen Jahr der Gründung nahe.15 Größere Verfehlungen der Insassen machten mitunter eine vollständige Neufassung der Hausordnung erforderlich, die allerdings der Zustimmung des Trägers bedurfte. 1350 brach erstmals die Pest in Münster aus. Ihre psychosozialen Folgen waren gewaltig. Genusssucht und Luxus griffen um sich. Da das Morgen ungewiss war, suchte man die Lebensfreude kurzfristig im Jetzt. Die Ergebnisse waren zunehmende Kriminalität und ein allgemeiner Sittenverfall.16 1355 erließ der Rat der Stadt Münster Statuten über das Erbrecht, in denen er auch das Würfelspiel verbot und alle anderen Spiele, mit denen man Geld gewinnen oder verlieren konnte.17 Einen weiteren Akt der sozialen Regulierung stellte die Neuabfassung der Hausordnung des Magdalenenhospitals dar. Zu datieren ist sie wohl um das Jahr 1360.18 Auch hier 15 Prinz (MUB 372) hingegen datiert die Rolle des Hauses Zumbusch auf „um 1400?“, wohl aufgrund der Ähnlichkeit zur Rolle des Hauses zur Aa, dessen älteste bekannte Abschrift in das Ende des 14. Jahrhunderts fällt. Die Rolle des Hauses zur Aa wiederum datiert Schulte (Armenhaus Elisabeth zur Aa, S. 9) auf die Jahre zwischen der Stiftungsurkunde 1354 und dem zweiten Rentregister 1375. Schedensack hingegen konnte nachweisen, dass die Stiftungsurkunde tatsächlich in das Jahr 1367 gehört und plädiert entsprechend überzeugend für eine Abfassung Ende der 1360er Jahre. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 193. 16 Bergdolt, Der schwarze Tod, S. 152ff., S. 203. 17 MUB 157. 18 „Datum Anno Domini MCCCLX“. MUB 168. Der Text ist allerdings nur entstellt und lückenhaft in späteren Abschriften überliefert, die zum Teil datierte Nachträge enthalten. Der älteste Nachtrag ist ein Statut vom 21. Februar 1366, die älteste Fassung dürfte die ursprünglich undatierten Artikel umfasst haben. Diese erscheinen erst in späteren Abschriften unter dem Jahr 1360. Prinz (MUB 168) vermutet, dass die Zahl 1360 aus einem Abschreibefehler des Jahres 1366 resultierte, datiert aber mangels Alternativen auf „(1360)“. Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 94) hingegen vermutet – wohl fälschlich – eine Abfassung im Jahre 1366, also im selben Jahr des ersten Nachtrags. Ich neige wie Prinz zu einer Datierung vor 1366, halte eine Abfassung vor der Pest von 1350 aber für unwahrscheinlich, da der Prokurator hier als „ambtman“ erscheint, welche Formulierung sich vor 1350 kein einziges Mal findet, danach aber regelmäßig.

1. Verabschiedung von Hausordnungen

203

betrafen die ersten drei der zehn Artikel Erbrechtsangelegenheiten, genauer das Anfallsrecht des Hospitals. Aufgenommene sollten unter Eid ihren vollständigen Besitz in das Hospital bringen und innerhalb eines Monats auch alle Renten und Urkunden dem Hospital übergeben. Im Todesfall oder bei Verlassen des Hospitals fiele alles an das Hospital. Bei Nichtbefolgung drohte die Höchststrafe: Pfründentzug und Hausverweis. Bemerkenswert ist außerdem die Regel, dass jeder Präbender seine Pfründe persönlich in Empfang nehmen sollte. Offenbar gab es in Folge der Pest zahlreiche Versuche, sich widerrechtlich an den Pfründenausgaben, die zum Teil auch außerhalb des Hospitals lebende Arme bedachten, zu beteiligen. Denkbar wäre auch, dass einige Pfründner sich weigerten, regelmäßig im Hospital zu erscheinen. Wer, so der zehnte Artikel, fehle, wann es ihm bequeme, und sich in Drohungen ergehe, wenn er darum getadelt werde, dem solle man seine Präbende aussetzen. Insgesamt liest sich die Rolle neben der der drei Frauenhäuser vergleichsweise scharf. Jeder der zehn Artikel enthält differenzierte Strafandrohungen, allein dreimal wird ausdrücklich betont, die Strafe solle „sunder gnade“ erfolgen. Tatsächlich war die Abfassung der Rolle eine Folge zunehmender Verfehlungen sowohl unter den Ober- und Unterpfründnern als auch unter den nicht im Hospital wohnenden Präbendern. Gemäß der Präambel waren es die Provisoren und der Amtmann, die die Rolle verfasst hatten. Sie agierten auf Befehl des Rates als Träger des Hospitals. „Tho einer ewigen gedechtnisse, memorien und jnsate des hospitals sunte Marien Magdalenen tuschen den steenbruggen binnen Munster, van heite unde beuele der ehrsamen borgermester und raedt der stadt Munster, angesaen somminge gebrecke beth her tho in den selven hospitale boven und benedden und proventlude gewest sind, hebben wy, hußholder undt ambtman des selven hospitals, geordinert, gesat undt tho ewigen tyden bestediget tho holden enen ithliken prowenther bey penen gelick de provende herna beschreuen, dat dar inne tho holden und dat oick nimand affgescheiden sall syn, he hebbe de provende umme goddes willen oder mit gelde gekofft, eyn ithlick na synen stade ende undt geborts.“19

Komplex ist auch die Überlieferungsgeschichte der „Rulle der Armen zur Wieck aufm Honekamp“. Die älteste bekannte Abschrift findet sich in einem 1771 angelegten Kopiar mit diversen anderen Abschriften betreffend Benefizienstiftungen, Armenhausstiftungen und Hausordnungen. Sie beginnt mit den Worten: „In dem Jahr unsers herrn thausent fünfhundert acht, auf donnerstag vor Mittfasten, seyn überein gekommen und entlich verdragen die ehrsamen Herrn Her Everwin Droste, Bürgermeister, Everwin Steveninck, Kemner, und mit innen die anderen Herren Scheffen, Rathsfreunde und Amtsherren der Kerken tho Überwaßer mit Wissen und Belieben der Provisorn des heiligen Geistes, als der Ersamen Henrichen von Appeldornloe und Reckeuin Meinershagen, Vorstenderen und Hausholderen des armenhauses uff dem Honekamp, genannt das Haus thor Wieck, wie sich die armen in selbigem haus verhalten und schicken sollen, mann und frauen, nach Einhalt dieser befelen, wie hernach beschrieben stehet.“20

Den Entschluss zur Abfassung trafen also die vier Schöffen des Kirchspiels Überwasser als Träger des Armenhauses Zurwieck, die Provisoren des Armenhauses 19 MUB 168. „Gebrecke“ = Missstände, Streitigkeiten. 20 BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185r–185v.

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V. Soziale Regulierung

stimmten diesem Entschluss zu. Datiert ist die Rolle auf den 30. März 1508, also etwa zwei Wochen nach der Ratswahl – in der weder Everwin Droste zum Bürgermeister noch Everwin Steveninck zum Kämmerer gewählt wurden.21 Tatsächlich ist die Datierung falsch. Die einzigen Jahre, auf die diese Ämterkonstellation zutrifft, sind jene zwischen 1511 und 1515. Eine Aktualisierung erfuhr die Hausordnung aufgrund von „etzliche mangell und gebreck“, die sich „nach Eroberung der stadt togedragen haben“. Wieder waren es „die achtbahre und ersame Herren Scheffen des Kerspels, wie auch die zur Zeit provisorn“, die die Ordnung „notwendig geendert und gebeßert“ haben.22 In Ermangelung weiterer mittelalterlicher Hausordnungen soll der Untersuchungszeitraum hier ausnahmsweise auf die ersten Jahre der Nachtäuferzeit ausgedehnt werden. Es waren wohl die Täuferunruhen, die auch bei den Johannitern eine Rekonstruktion der vortäuferischen Dokumente erforderlich machte. 1538 wurde ein kleines Büchlein von 66 Blatt angelegt, betreffend die „aermen tho sunthe Johanne vp den berghe bynnen Monsther tho den gedemen genompth“. Enthalten sind neben einer Abschrift der Fundationsurkunde von 1472 und einer umfangreichen Küchenordnung auch eine Hausordnung. Zusammengetragen und abgeschrieben wurden die Dokumente „per me, Brunonem Eynhuesz, ordinis sancti Johanne“, dem aus dem Konvent gestellten Provisor des Armenhauses.23 Ein Vergleich zeigt, dass man sich auch hier trotz der Trägerschaft der Johanniter stark an der Rolle orientiert hat, die in den drei älteren Frauenhäusern galt.24 Wohl spätere Nachträge finden sich gelegentlich am Ende eines Artikels. So sollten die Armen „nycht vneerlyken gonghen tho frommen luden“, der Eid, den jede neu Aufgenommene leisten musste, wird besonders betont, und den ein oder zwei Hausfrauen aus dem Kreise der Armen sollte eine um ½ Pfund Butter erhöhte Präbende gewährt werden. Die Bestimmung der anderen drei Häuser, die Rolle regelmäßig zu verlesen fehlt hier allerdings. Die Artikel 8 bis 17 hingegen sind Neuschöpfungen. Sie regeln die Kirchgänge und Arbeitsverpflichtungen, die besondere Verwaltungsstruktur des Armenhauses, die Anbindung an den Johanniterkonvent und insbesondere das Verfahren

21 Zu Bürgermeistern gewählt wurden Johan von der Tinnen und Wilbrand Plönies, zu Kämmerern Everwin Droste und Engelbert Peick. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 151r. 22 Worin diese Änderungen bestanden und ob es bis 1771 noch weitere Änderungen gab, bleibt unbekannt. In ihrer überlieferten Form jedenfalls weist die Rolle 13 Punkte auf. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185v. 23 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 2r. Die Fundationsurkunde findet sich auf den Blättern 3r–5v, die Rolle 5v–10r, die Küchenordnung 12r–58r. 24 Erneut finden sich die für ein Frauenhaus eher unpassenden maskulinen Pronomina. Allerdings sind die Abweichungen insgesamt zahlreicher. So wurden die einzelnen Artikel bis zur Zahl 17 durchnumeriert. Die ersten sieben Artikel entsprechen weitestgehend der Vorlage, sind aber insgesamt genauer ausformuliert. Vor allem gilt dies für den ersten Artikel, der anders als seine Vorgänger explizit den Stifter des Armenhauses nennt.

1. Verabschiedung von Hausordnungen

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im Todesfall einer Insassin. Auch die Überschrift wurde – wie schon im Falle der drei Vorgänger – individuell gestaltet.25 Das Antoniushospital ist bei Beginn der Belagerung der Stadt Münster 1534 bis auf den Grund zerstört worden. 1540 befahlen die Träger, Bürgermeister und Rat der Stadt, das Armenhaus wieder aufzubauen. Zugleich verordneten sie die Abfassung einer neuen Hausordnung. Erhalten ist eine Abschrift aus dem Jahre 1668. Unter dem Titel „Tenor rullae ist folgenden inhalts“ und nach einer kurzen Beschreibung des Wiederaufbaus berichtet der zweite Teil der Präambel: „So ist dorch de ernfesten vndt erbaren heren burgermeisteren vndt semptlichen rade mit der huißhoedere thodaeht vndt des gesatten amptmans to einer ewigen memorien, gedechtnuße vndt sathe den gemeinen armen vndt eren nakomlingen deß hußes gemaket, gesatt, geordert duße nachbeschreuen clauselen vndt articulen vndt den soluigen armen eingestelt to ewigen tiden to holden, bestediget vndt bekreftiget ideren persohnen, man vndt frouwen, de selbigen alßo to vollentheinn.“26

Wie schon im Armenhaus Zurwieck wurde also auch diese Rolle verfasst von den Trägern unter Mitwirkung der inneren Hospitalsverwaltung. Hier waren es der Stadtrat mit den Provisoren und dem Amtmann des Hospitals.27 Insgesamt zeigt sich, dass der Umfang der Hausordnungen mit der Zeit immer mehr zunahm.28 Enthielten die Rollen der Armenhäuser Wessede, Zumbusch und zur Aa noch 8 bis 9 Artikel, die des Magdalenenhospitals um 1360 10 Artikel, so nannte die des Armenhauses Zurwieck 1511/15 bereits 13 Punkte, die des Johanniterarmenhauses 1538 17 Punkte und die des Antoniushospitals 16 Punkte. Nicht weniger als 50 Punkte weist die 1558 abgefasste Hausordnung des Leprosoriums Kinderhaus auf. Inhaltlich legt sie einen besonderen Schwerpunkt auf die Aufgaben des Amtmanns und auf die besonderen Regeln, die durch die Lepraerkrankung der Insassen notwendig waren. Auch hier waren es der Stadtrat als Träger und die Provisoren, die die Ordnung verabschiedeten, und die situativen Zustände, die eine Neuabfassung der Ordnung erforderlich machten. Niedergeschrieben wurde die Ordnung aber vom Kinderhauser Rektor Thomas Burmeister.29 Spätere Hausordnungen – um 1560 erließen die 25 „Regel doszen vorgescreuenen teyn armen, wo sze sich holden sollen“. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 5v–10r. Eine Paraphrase einer späteren Fassung bietet Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 108–110. 26 Antoniushospital, Akten 16, S. 1f. „Vollentheinn“ = vollziehen. 27 Insgesamt enthält sie 16 Punkte, die die Aufnahmebedingungen, das Anfallsrecht des Hospitals, Gehorsamspflicht, Friedsamkeit und Kirchengänge, die Nachtruhe und das Verhalten in der Stadt thematisieren. Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. Eine Transkription der Rolle bietet Putz, Hausordnungen, S. 84–90. 28 Vgl. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 197. 29 Jankrift, Streiflicht auf die Normsetzung, S. 10. Die Präambel lautet: „Im jaer 1558 ys, und dat uth orsaken ethlycker notrofftiger gebrecken, so an huse und armen gespuert, tho betteren van den erbarn heren burgemester und raedth der stad Munster myt tho d­aeth und meddewettenth der hueshoedere dusse nabescreven ordnungh und rulle ewelycken tho holden uthgesprocken und gepublicert.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 177, zitiert nach Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 362. Daselbst (S. 362–367) findet sich eine vollständige Transkription.

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V. Soziale Regulierung

Provisoren des Armenhauses Jüdefeld auf Befehl der Äbtissin und des Dechanten von Überwasser eine neue Ordnung,30 1589 erneuerte der Domkellner Wennemar von Aschebruch als Patronus des Zwölfmännerhauses Ludgeri dessen Rolle31 – sind nicht mehr Thema dieser Arbeit. Um sich an die verordneten Regeln halten zu können, mussten die Armen sie kennen. Und so lautet ein Punkt der Rolle des Armenhauses Wessede: „Vnd soll diese ordnungh, so offt alß eine nie suster inkombt, in gegenwart aller suisteren offentlich abgelesen werden, gefallet sie ihr, dan ist es gudt, so nichtt, proue sie ihr beeste.“32

Das Verlesen der Hausordnung war hier wie in den Armenhäusern Zumbusch und zur Aa also Bestandteil des Aufnahmerituals. Stimmte sie zu, wurde sie aufgenommen, tat sie dies nicht, forderte sie ihr Schicksal heraus, wurde also nicht aufgenommen. Nicht nur bei der Aufnahme, sondern auch zu allen vier Hochfesten sollte die Rolle des Antoniushospitals verlesen werden.33 Wohl auch unabhängig vom Alphabetisierungsgrad der Insassen machte es zudem Sinn, die Ordnung öffentlich im Hospital auszuhängen. Die um 1560 verfasste und durchaus repräsentativ gestaltete Hausordnung des Armenhauses Jüdefeld weist an ihrem unteren Rand kleine runde Löcher mit Rostcorona auf, die zweifellos durch die Befestigung an einer Wand entstanden sind. Auch im frühneuzeitlichen Magdalenenhospital wurde die Regel zur allgemeinen Einsicht auf einer Tafel im Hospital ausgehängt.34 Es bleibt zu bemerken, dass auch spätere Zustifter einen gewissen Einfluss auf die Lebensgewohnheiten der Armen nehmen konnten, wenn sie für die gestifteten Güter von den Armen Gegenleistungen erwarteten.35 Tatsächlich erreichten die Hand30 31 32 33

Armenhaus Jüdefeld, Urk. 17. Zur Datierung vgl. Klötzer, Kleiden, S. 340. Putz, Hausordnungen, S. 66; Klötzer, Kleiden, S. 76. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v. Der letzte Artikel der Rolle lautet: „Eht sall duße ordnungh dorch den amptman alle veerhochtidt deß jaers vor der maletidt den armen vorgelesen werden, oick so vake dar ein inkumpt, up dat sick ein itlick man vndt frouwe wette sick darna tho richten vndt voer schaden to verhoeden. Antoniushospital, Akten 16, S. 7. Eine ähnliche Formulierung fanden die Verfasser der Kinderhauser Hausordnung, die das Ritual auch begründeten. Thematisiert wird dies auch hier im letzten Punkt: „Item wy wyllen und gebeyden dem amptman offthe bevelheveren, dath se dusse ordenungh oder rulle alle jaer up de feste paeschen und nativitate mydwynther vor der maeltydt den armen voerlessen und oeck eynen ydern leprosen, so yn dyth hues sall begeven werden, up dath eyn yder synen schaden wetthe tho myden und vor broecke syck tho verhoeden.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 177, zitiert nach Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 367. Auch bei der Gründung des Armenhauses Warendorf 1607 wurde festgelegt, dass die Hausordnung zu Ostern, Pfingsten, Michaelis und Weihnachten von den Provisoren oder einem Emonitor verlesen werden sollte. Armenhaus Warendorf, Urk. 1. 34 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 17; Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 101. 35 So bestimmte – um nur ein Beispiel zu nennen – Gerdrut van der Wieck, selbst Hausfrau des Armenhauses Wegesende, 1519, dass alle Armen des besagten Hauses jeden Montag eine Messe in der Kapelle des Johanniterkonvents hören und für alle, die Gerdrut ihnen benenne, beten sollten. Eine zusätzliche Messe war zu besuchen, wenn den Armen Tuch ausgeteilt wurde, um sich selbst Kleidung zu nähen. Hinzu kamen „vyff pater noster

2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen

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lungsbefugnisse der Träger am Willen der Fundatoren und Zustifter ihre Grenzen.36 Die Erstabfassung einer Hausordnung dürfte im Normalfall mit der Gründung der Institution zusammengefallen sein und erfolgte entsprechend wohl in Abstimmung mit dem Stifter oder seinen Exekutoren. Aktualisierungen erließ der Stadrat, sofern er Träger der Institution war, in Reaktion auf bestimmte situative Missstände und weniger im Rahmen einer gezielten Fürsorgepolitik. Ohne dass bestritten werden soll, dass der Stadtrat von allen beteiligten Akteuren zweifellos über den größten Handlungsspielraum verfügte, so waren doch die Regeln des alltäglichen Zusammenlebens in den Fürsorgeeinrichtungen aufgrund der Vielzahl ihrer Gestalter – Träger, Provisoren, Fundatoren und Zustifter – vielmehr Ausdruck einer allgemeinen gesamtgesellschaftlichen Erwartungshaltung gegenüber den Armen.

2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen Die münsterischen Armenhäuser verfügten über unterschiedliche Funktionen und Kapazitäten. Ursprünglich multifunktional war das Magdalenenhospital.37 Dabei stand das Hospital sowohl Männern als auch Frauen offen.38 Doch wurde die Multifunktionalität des Magdalenenhospitals im Laufe der Zeit stark eingeschränkt. Nach der Kommunalisierung werden Kranke und Pilger nicht mehr als Insassen genannt, und es scheint, als habe sich die Funktion des Hospitals zu der eines Armenhauses gewandelt.39 Eine weitere Eingrenzung geschah im Gefolge des ersten Pestausbruchs. Am 21. Februar 1366 erließ der Stadtrat ein die Hausordnung ergänzendes Statut, nach dem fortan niemand mehr in das Hospital aufgenommen werden sollte, wenn er nicht geborener münsterischer Bürger wäre oder das Bürgerrecht seit mindestens fünf Jahren innehätte.40 Damit verlor das Magdalenenhospital insbesondere seine Funktion als Gast- und Pilgerhaus. 1528 schließlich war es nicht mehr als ein

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vnd vyff aue Marien“, die die Armen „vp sunte Symon vnd jn de mynen hilligen apostell dage“ beten sollten. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1v, fol. 2r, fol. 3v. Die Beobachtung Reickes (Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 61), die Stadträte hätten Spitalordnungen regelmäßig ohne Rücksicht auf den Stiftungsursprung durchgesetzt, lässt sich für Münster nicht bestätigen. Deutlich wird dies bereits anhand jener Episode, die um 1184/85 der Libellus über die Wunder des heiligen Liudger zu berichten weiß und in der ein schwer verletzter Armer Aufnahme und Versorgung findet. Diekamp, Vitae Sancti Liudgeri, S. 244–246. 1189 werden Arme, Kranke und Pilger („pauperibus, infirmis et peregrinis“) als Bewohner des Hospitals genannt. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2v–3r. 1247 erscheint es als „hospitali infirmorum“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3v. 1262 erhält das Hospital den Hof Sporck „ad usus infirmorum ibidem decumbentium“. „Zum Nutzen der daselbst darniederliegenden Kranken“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 8v–9r. So galt die um 1360 verfasste Hausordnung für „ithliken provent menschen, he sy man odder frowe“. MUB 168. Auch eine Rentverschreibung aus dem Jahre 1372 erwähnt Pfründer und Pfründnerinnen („prebendati et prebendate“). Magdalenenhospital, Urk. 5. Beck, Soziale Einrichtungen, S. 19. MUB 182.

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V. Soziale Regulierung

„armeludehuess“41 unter vielen. Dies änderte sich auch in der Nachtäuferzeit nicht mehr. Der Chronist Kerssenbrock rekapitulierte 1573: „Fuit olim tam xenodochium quam nosocomium, hoc est locus, in quo peregrini ac infirmi pauperes alebantur. Nunc vero est ptochodochium et gerontocomium vel receptaculum, ubi inopes et senes utriusque sexus e civium numero curantur, foventur et sustentantur. Nemo enim hisce temporibus in illud recipitur, nisi inopia oppressus iura civitatis ad aliquot annos habuerit.“42

Doch waren die Armen nicht die einzige Gruppe, die das Hospital beherbergte. Von Anbeginn befand sich hier auch eine Bruderschaft bürgerlicher Laien, deren Aufgabe die Versorgung der Armen war43 und die ihren Besitz bei Eintritt dem Hospital testamentarisch vermachen mussten. Zu ihr gehörten auch die jeweils amtierenden Prokuratoren und Rektoren.44 Ebenso stand die Bruderschaft Frauen offen.45 Es ist wohl davon auszugehen, dass die Bruderschaft bereits im 13. Jahrhundert im Obergeschoss des Hospitals wohnte, während die Armen im Erdgeschoss beherbergt wurden.46 Die Bruderschaft entwickelte sich schließlich zur Gruppe der Oberpfründner.47 Anders als eine gewöhnliche Pfründe, die um Gottes Willen vergeben 41 Magdalenenhospital, Urk. 135, Urk. 136. 42 „Es war vordem ein Pilger- und Krankenhaus, also ein Ort, worin Fremde und kranke Arme ernährt wurden, jetzt aber ist es ein Armenhaus und Altenheim oder eine Aufnahmestation, wo mittellose und alte Leute beiderlei Geschlechts aus der Bürgerschaft darin versorgt, gepflegt und unterhalten werden. Denn es wird gegenwärtig keiner darin aufgenommen, der nicht sehr arm und seit etlichen Jahren ein münsterischer Bürger ist.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 58. 43 WUB 2, Nr. 435. 44 So bezeichnete sich der Prokurator Hermannus dictus de Lovene 1309 als „conversus“, der Rektor Lambertus nannte Heinrich von Bulderen 1310 „noster confrater“. WUB 8, Nr. 484; MUB 53. Obwohl Lambertus hiermit erstmals als Rektor nachweisbar ist, trat er wohl schon 1278 in die Bruderschaft ein und vermachte ihr seinen Besitz.Das Rektorat kann er aber erst nach 1305 übernommen haben, da für dieses Jahr noch ein Theodericus belegt ist. MUB 34; MUB 49. Ebenso war der vor 1312 verstorbene Rektor Theodericus wohl Mitglied der Bruderschaft, da er dem Hospital seinen Nachlass überschrieb. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 15r–15v. 45 So schenkte die von Rektor Hermannus als „nostra soror“ bezeichnete Gertrudis dicta de Nyenberghe dem Hospital 1320 eine Rente von 3 Schillingen. MUB 61, vgl. MUB, S. 388. 46 1312 ist erstmals die Rede von den „pauperibus in inferiori domo degentibus“. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 15r–15v. Auch das Heiliggeistspital in Bern wies bereits bei seiner Gründung 1320 eine ähnliche Teilung auf. Während die „dürftigen“ unten beherbergt wurden, lebten die „dienherren“ oben. Städtischer Einfluss ist erstmals 1328 nachweisbar. Windemuth, Hospital, S. 80. 47 So hat sich für sie die Bezeichnung als „conversi“ erhalten. Ducornu, Magdalenenhospital, S. 93f.; Beck, Soziale Einrichtungen, S. 18. Die von Reicke (Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 203) beschriebene Koinzidenz von Kommunalisierung und Bruderschaftsauflösung scheint hier also nur bedingt zuzutreffen. Zumindest die Terminologie wurde weit über das Ende der Kommunalisierungsphase hinaus beibehalten. Noch 1646 ist von einer Bruderschaft die Rede. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 48. Obwohl ein Kausalzusammenhang zwischen Kommunalisierung und Verpfründung oftmals behauptet wird, steht eine genaue Untersuchung noch aus. Pauly, Fremdenherberge, S. 110. Das Beispiel

2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen

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wurde, kostete eine Oberpfründe Geld und war damit insbesondere für wohlhabendere Bevölkerungsgruppen interessant. Es lag also im wirtschaftlichen Interesse eines Hospitals, Oberpfründen möglichst zahlreich zu vergeben. Zugleich aber wurde durch zu viele Oberpfründner der eigentliche Stiftungszweck, nämlich zu Gunsten der Armen zu wirken, gefährdet. Der Stadtrat war sich dieses Dilemmas offenbar bewusst, als er 1330 nach eingehender Abwägung die Zahl der Oberpfründner im Magdalenenhospital festlegte und dennoch weiterhin Ausnahmen zuließ. Sich direkt auf seine Trägerschaft berufend, erließ er am 6. Februar, also knapp drei Wochen vor der nächsten Ratswahl, das folgende Statut: „Universis presentia visuris et audituris nos consules et scabini civitatis Monasteriensis hospitale civitatis Monasteriensis sub custodia tenentes notum facimus tenore presentium publice protestantes, quod nos considerata et pensata in hoc utilitate domus hospitalis iamdicti de communi consilio et consensu omnium nostrum ac aliorum discretorum virorum civitatis Monasteriensis predicte statuimus et ordinavimus, quod ad superiorem domum hospitalis predicti nulle persone ultra numerum decem personarum inibi de ceterorecipiantur, nisi talis utilitas seu profectus eiusdem domus in hoc considerati seu inveniri posset, quod ex eis prefata domus posset meliorari.“48

Der Rat begrenzte die Zahl der Oberpfründner also auf maximal zehn, erlaubte aber Ausnahmen im Falle besonders reicher Pfründner, von denen das Hospital entsprechend stark profitierte.49 Die grundsätzliche Trennung in Ober- und Unterhaus aber wurde beibehalten und blieb auch in der Folgezeit ein Spezifikum des MagdaleMagdalenenhospital zeigt, dass das Pfründenwesen zumindest auf der älteren Praxis der Bruderschaft aufbauen konnte. 48 „Wir, Bürgermeister und Schöffen der Stadt Münster, die wir das Hospital der Stadt Münster unter Aufsicht halten, machen hiermit allen, die die vorliegende (Urkunde) sehen und hören werden, bekannt und erklären öffentlich, dass wir zum überlegten und abgewogenen Nutzen des genannten Hospitals nach gemeiner Beratung und der Zustimmung unser aller und weiterer ausgezeichneter Männer der vorgenannten Stadt Münster beschlossen und angeordnet haben, dass in das Oberhaus des besagten Hospitals keine Person über die Zahl von zehn Personen hinaus daselbst aufgenommen werde, wenn nicht dem Haus dadurch ein so großer Nutzen oder Vorteil entstehen und zukommen könnte, dass das genannte Haus dadurch verbessert werden könne.“ Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11r–11v. In dem um 1475 abgefassten Kopiar trägt das Statut die Überschrift „Quot homines debeant ad superiorem domum“. Es fügt sich ein in ein Gesamtbild magistraler Verordnungen gegen die Vergabe von Oberpfründen im 14. Jahrhundert. 1316 etwa stoppte der Rat von Huys die Aufnahme von gesunden Schwestern im städtischen Leprosorium, 1327 auch die Aufnahme von Gesunden im Großen Spital, außer im Falle entsprechender Zuwendungen. 1357 senkte der Rat von Lüttich die Zahl der gesunden Pfründner im Leprosorium Cornillon von 31 auf 18. Pauly, Fremdenherberge, S. 112f. 49 Die Möglichkeit, mehr als zehn Oberpfründner aufzunehmen, bestand auch architektonisch. Spätestens in der Frühneuzeit existierten für die Oberpfründner acht Kammern im Oberhaus und weitere vier auf dem Hof. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 48f. – Die hohe Priorität, die der Rat der Sache einräumte, zeigt sich in der Zeugenliste des Statuts. Hier erscheinen nicht weniger als zehn Ratsherren namentlich. Insbesondere die höchsten Amtsträger – Bürgermeister, Kämmerer und Richtherren – sind geschlossen vertreten. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 11r–11v.

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nenhospitals.50 Auch die um 1360 erstellte Rolle unterschied zwischen Insassen, die „de provende umme goddes willen“ haben und „benedden“ im Hospital leben und jenen, die die Präbende „mit gelde gekofft“ haben und „boven“ wohnen. Demnach mussten Gottesarme ihren vollständigen Besitz in das Hospital einbringen, was für Oberpfründner nicht explizit gefordert war. Offenbar konnten Oberpfründnerverträge dem Aufgenommen also individuelle Spielräume lassen. Eine unterschiedliche Behandlung in den einzelnen alltäglichen Pflichten ist allerdings nicht erkennbar.51 Zumindest kleinere Unterschiede gab es jedoch in der den Insassen gewährten Verköstigung.52 Gewöhnlich berücksichtigten Zustiftungen aber Ober- und Unterpfründner gleichermaßen.53 Andere Zustiftungen suchten eine Angleichung der Lebensmittelrationen.54 Gespeist wurde an zwei verschiedenen Tafeln.55 Im Jahre 1502 bekam jeder „prouent her“ eine Spende von 4 ½ Pfennigen ausgeteilt. Da sich die Gesamtkosten dieser Verteilung auf 9 Schillinge und 10 Pfennige beliefen, lässt sich errechnen, dass im Magdalenenhospital zu diesem Zeitpunkt 24 Pfründner lebten.56 Mit der Begrenzung der Zahl der Oberpfründner auf zehn Personen hatte der Stadtrat also dafür gesorgt, dass ihr Anteil an der Gesamtbelegung immer unter der psychologisch wichtigen Grenze von 50 Prozent blieb, selbst wenn zum besonderen Vorteil des Spitals ein weiterer Oberpfründner aufgenommen werden sollte.57 50 1372 werden Präbender „superius et inferius“ im Hospital erwähnt, 1410 „menschen beneden unde boven in den convente“. Magdalenenhospital, Urk. 5, Urk. 10. Ducornu (Magdalenenhospital, S. 94), Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 20) und Geisberg (Magdalenenhospital, fol. 10v) verstehen unter Konvent allein das Unterhaus. 51 MUB 168. 52 1411 bestimmte Hinrich Monekeman, selbst Insasse des Magdalenenhospitals, im Rahmen einer Zustiftung, „dat men allen personen, de dar benedene provende hebben, vor zupen (…) nu vortmer geven sal alle vriedage mos, redelike gekoket, alz men dat dar boven gift“. Zitiert nach Ducornu, Magdalenenhospital, S. 121. Vgl. MUB 422. „Zupen“ = Suppe; „mos“ = Gemüse. Vgl. auch Krug-Richter, Alltag und Fest, S. 74. 53 1413 bestimmte Monekeman die Verteilung von Potharst an die präbendierten Armen „boven ofte benedene“ zusätzlich zu ihrer üblichen Präbende. MUB 434. In einem um 1420/30 angelegten Memorienbuch ist verzeichnet, dass „quilibet tam inferius quam superius prebendatus“ eine Brotspende erhalte. MUB 472, Nr. 7. Weitere Beispiele Nr. 10, Nr. 11, Nr. 17, Nr. 22, Nr. 25 sowie MUB 630. 54 So sollte gemäß des Memorienbuches von 1420/30 eine Rente von 2 Pfennigen an die Vikare gezahlt werden, die allerdings, sofern die Vikare den Messen fernblieben, den Ärmeren im Unterhaus („pauperiori inferius domus“) zukommen sollte. MUB 472, Nr. 16. 55 Das Memorienbuch von 1420/30 berichtet, dass anlässlich einer Memorie für Bertradis de Angelemude 14 Pfennige „in superiori mensa“ zu verteilen seien und dieselbe Summe „inferius“. MUB 472, Nr. 17. 56 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 23r. Dieselbe Zahl an Insassen ist für das Jahr 1532 belegt, als Hinrich Sternemann jedem in einem Armenhaus lebenden Armen einen Schilling zuwies und das Hospital „tusschen den bruggen“ entsprechend mit 2 Mark bedachte. LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 57 Als 1503 jedem Pfründner 3 ½ Pfennige ausgeteilt wurden, beliefen sich die Ausgaben auf 7 Schillinge und 3 ½ Pfennige, sodass derzeit also 25 Pfründner im Hospital weilten. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 44r. 1513 gab es 27 Pfründner. Bis 1556 stieg ihre

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Stand das Magdalenenhospital Männern und Frauen offen, so diente das 1302 gegründete Armenhaus Wessede allein der Beherbergung armen Witwen („pauperum viduarum“).58 Gemäß Gründungsurkunde sollte der Rat in Absprache mit der Stifterin ausschließlich „viduas, matronas humiles, honestas et probatas“ aufnehmen, und zwar „sine omni conditione sed solo ac puro dei intuitu“. Sie sollten auf Lebenszeit aufgenommen werden und im Armenhaus „unam cameram et unum cellarium“ zugewiesen bekommen.59 Genauere Bestimmungen gibt die im selben Jahr verfasste Hausordnung, nach der auch die persönliche Freiheit Voraussetzung zur Aufnahme war. Eigenhörige wurden, wohl aufgrund der möglichen Komplikationen mit dem Lehnsherrn, nicht aufgenommen.60 Gemäß eines späteren Nachtrages stand die Unterbringung und Beköstigung von 15 Armen allerdings unter Finanzierungsvorbehalt. Konnten die Renten des Hauses nicht rechtzeitig eingetrieben werden, war grundsätzlich auch eine geringere Zahl möglich.61 Die Praxis zeigt aber, dass auch höhere Belegungszahlen möglich waren.62 Auch das 1314 dem gleichnamigen Beginenkonvent unterstellte Armenhaus tor A nahm allein Frauen auf. Zielgruppe waren „alte und krancke frowenspersonen“, die weder Haus noch Herberge hatten und „durch kranckheit anderßwo kein heberge erlangen konnen“. Die beiden Jungfrauen des Konvents, denen die Führung des Hauses anvertraut wurde, sollten sie ohne jede Gegenleistung und also „frei und umb gottes willen“ aufnehmen. Die Unterbringung war allerdings, und dies ist ein recht unorthodoxes Verfahren, auf „ein halb jahr“ befristet. Wenn die Jungfrauen bis dahin eine Frau gefunden haben, die noch bedürftiger ist, konnten sie „die erste, welches mangel und armut so groß nicht ist, außweisen und urlaub geben und die andere armere inß hauß einnehmen“.63 Auch die später mit dem Haus tor A zum Armenhaus zur Aa zusammengelegten Häuser Tilbeck, Boterman und Hoeker waren Frauenhäuser und wurden von „pauperibus mulieribus“ bewohnt.64 Aussagen über ihre Belegungszahlen sind jedoch nicht möglich. Tatsächlich hatten Frauen ein erhöhtes Armutsrisiko. Insbesondere nach dem Tod des Ehemannes befanden sich viele Frauen in einer – aufgrund ihrer tendenziell höheren Lebenserwartung auch langfristig – prekären wirtschaftlichen Situation. Zu-

58 59 60 61 62 63 64

Zahl schließlich auf 30. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 104; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 100f. MUB 47. Noch 1444 erscheint es als „wedewen hueß“. Armenhaus Zurwesten, Urk. 12. „Witwen, bescheidene, ehrsame und verdiente Frauen“; „ohne alle Bedingung, sondern allein und ganz um Gottes Willen“; „eine Kammer und einen Keller“. MUB 47. „Desoluigen auerst, de in dem hause wohnen willen vmb gottes willen, alß weddewen, meggede vnnd arme frawens, die sollen frey wesen, vnd der zahll der personen soll sein funffzehen in der ehere gottes.“ Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r. So vermachte Hinrich Sterneman 1532 den 18 Armen „tor Wesede“ 18 Schillinge. LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. Zitiert nach Zuhorn, Beginen, S. 33. Armenhaus zur Aa, Urk. 3 (Tilbeck); Armenkleidung Lamberti, Urk. 1 (Boterman); Armenhaus zur Aa, Urk. 2 (Hoeker).

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dem hatten Frauen weniger Arbeitsmöglichkeiten und ein geringeres Einkommen.65 Hinzu kommt ein demographischer Faktor, war doch der Anteil von Frauen an der städtischen Gesamtbevölkerung vergleichsweise hoch.66 Und so verfügte auch der Stifter Wilhelmus de Busche 1337 bei der Gründung des Armenhauses Zumbusch, die alleinige Aufnahme von armen, kranken und freien Frauen.67 Die Vorstellung des Stifters von 36 Insassen war aber utopisch und lag weit über den räumlichen Kapazitäten des Hauses und den wirtschaftlichen Möglichkeiten der Stiftung. Die sicherlich noch im Zusammenhang mit der Fundierung oder nur wenig später abgefasste Hausordnung spricht von lediglich „twyntich“ aufzunehmenden Armen.68 1354/67 wurden die Armenhäuser tor A, Tilbeck, Boterman und Hoeker im Armenhaus zur Aa vereinigt. Bürgermeister und Rat bestimmten bei dieser Gelegenheit: „In quam quidem domum recipiende seu suscipiende sunt tantum pauperes et miserabiles persone utriusque sexus, tam virilis quam mulieris sexus, que ratione senii aut per egritudinem aut quovis alio modo a vigore naturali suorum corporum in tantem sunt destitute, quod mediantibus eorum laboribus suum victum et alia sue vite necessaria nequeant assequi vel adipisci.“69

Damit wurde erstmals Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung der Aufnahme benannt. Dies ist Ausdruck eines möglicherweise in den Pestzeiten gewachsenen gesellschaftlichen Bewusstseins für eine Differenzierung von verschuldeter und unverschuldeter Armut. Als Ratsgründung stand das Armenhaus grundsätzlich sowohl Männern als auch Frauen offen, faktisch allerdings lebten hier, da die Vorgängereinrichtungen Frauenhäuser waren, nur Frauen. Sollten dennoch einmal, so bestimmte 65 Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 34; Klötzer, Kleiden, S. 142; Fischer, Städtische Armut und Armenfürsorge, S. 23f.; Wunder, Unterschichten, S. 105. 66 Aders (Bürgerbuch, S. 12) fällt der hohe Anteil von Frauen auf, denen seit 1350 das Bürgerrecht verliehen wurde und führt sie auf den allgemein hohen Frauenanteil in der mittelalterlichen Bevölkerung zurück. 1591 lag das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Münster bei 1000:1322. Vgl. Bakker e.a., Bernhard Rothmann, S. 225. 67 „(…) ut mulieres pauperes et infirme, libere tamen a iure servitutis existentes, que hospicium alibi conducere non valent, numero triginta sex ad serviendum deo in ea recipiantur pure propter deum et in ea perpetuam habeant mansionem.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. 68 Die Frauen sollten gemäß Ordnung „wedewen und megede und arme vrouwen“ sein und „vry wesen“. MUB 372. Die Zahl von 20 Insassen konnte gehalten werden. 1423 berichtet eine Urkunde von „twintich personen, de in den vorg. hus ton Bussch sint wonnachtich“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 44. Auch noch um 1440/50 galt: „Numerus pauperum domus ibidem est determinatus ad numerum XX.“ MUB 720. Und als Hinrich Sterneman 1532 jedem Armenhausinsassen einen Schilling vermachte, erhielt das Armenhaus Zumbusch entsprechend 20 Schillinge. LAV NRW W, Domkapitel, Münster, Nr. 651, fol. 17r. 69 „In diesem Haus sind aber nur arme und bedürftige Personen beiderlei Geschlechts, sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts, an- oder aufzunehmen, die aufgrund ihres Alters oder wegen ihrer Krankheit oder auf irgendeine andere Weise von der natürlichen Lebenskraft ihres Körpers so sehr verlassen wurden, dass sie nicht mehr durch eigene Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten und anderes zum Leben Notwendige erlangen können.“ MUB 154.

2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen

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der Rat, Männer aufgenommen werden, so seien diese von den Frauen getrennt in einer eigenen Haushälfte unterzubringen.70 Wie in den Armenhäusern Wessede und Zumbusch bestand die Zielgruppe des Armenhauses zur Aa gemäß Hausordnung aus Witwen, Mägden und armen Frauen, die nicht eigenhörig waren. Aufgenommen wurden sie „umme goddes willen“. Festgesetzt wurde ihre Zahl auf 33.71 Um 1375 wies der Stadtrat die Provisoren an, das Anfallsrecht des Armenhauses durchzusetzen und betonte in diesem Zusammenhang noch einmal, dass die Aufgenommenen frei sein müssten und ihre Zahl die 33 nicht übersteigen dürfe.72 Wurde die Zahl der Insassen damit nach oben hin begrenzt, so waren doch zumindest nach unten hin Abweichungen möglich, die allein schon durch Todesfälle unter den Insassen unvermeidlich waren.73 Auch das Armenhaus Wegesende war ein Frauenhaus; es bot 13 Personen Unterkunft.74 Das Armenhaus der Johanniter hingegen wurde 1472 gegründet, um „teen vrouwen personen, junferen eder vrouwen“ Aufnahme zu gewähren, und zwar „vmme gods willen“.75 Auch 1532 lebten zehn Personen im Armenhaus,76 und dieselbe Zahl findet sich in der Hausordnung von 1538. Sie bestimmte „(…) dath daer teyn personen inne wonnen solth vnd gode deynen vnde dath solt weszen olde frouwenn personen vnde ghyne mansz, frigh vnd nummende myth eyghendome verbunden, daerbeneuen solth sze de borgerschap hebbenn bynnenn der stadth Monsther vnd deynen vnszenn leue hern daer truwelyke mer.“77

Ein Frauenhaus war auch das vor 1532 gegündete Armenhaus Prussen. Bestimmt war es ursprünglich für zwölf Frauen, 1532 erscheinen dort aber lediglich acht Arme. Ende 1535 schworen vier der Einwohnerinnen dem Täufertum ab.78 Zwölf Frauen lebten gewöhnlich im Armenhaus Speckpfründe Ludgeri auf dem Verspoel. 70 MUB 154. 71 „Unde der personen sollen wesen drei unde dertich yn de eher Goddes.“ Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 3r–3v. Dies ist wohl als Verweis auf die Lebensjahre Jesu zu interpretieren. 72 Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 24r. 73 1459 wurde ein geistliches Benefizium für die Armen im Armenhaus zur Aa gestiftet, „quorum triginta tres sunt numero uel circiter“. Armenhaus zur Aa, Urk. 30. 1519 befanden sich dann wieder genau 33 Frauen im Armenhaus, ebenso im Jahre 1532. Armenhaus zur Aa, Urk. 55; LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 74 Kerssenbrock zählt es unter die „gynetrophia“, bezeichnet es allerdings als „thor Wyck“ und „a Gertrude de Wyck“ gestiftet. Detmer, Kerssenbrock, S. 79. Tatsächlich war sie 1519 nur eine Zustifterin. Armenhaus Zurwieck, Akten 1. Um 1440/50 erscheint die Anzahl der Bewohner „determinatus ad XIII pauperes“. MUB 720. 1519 bestimmte die Zustifterin Gerdrut van der Wyck, dass „eyn jtlick des huses der Wegesenden vors., der druttheyne personen synt“, des Montags eine Messe hören sollte. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1v. Auch 1532 lebten im Armenhaus 13 Personen. LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 75 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. 76 LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 77 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 6r. 78 Detmer, Kerssenbrock, S. 79; Kirchhoff, Die Täufer in Münster, Nr. 32; LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r.

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V. Soziale Regulierung

Gemäß der 1612 verfassten Hausordnung war ein mindestens dreijähriges Bürgerrecht Voraussetzung. Bei seiner Ersterwähnung 1532 beherbergte es allerdings nur sieben Arme.79 Männern und Frauen hingegen stand das Armenhaus Zurwieck offen.80 Beide Geschlechter waren getrennt voneinander untergebracht.81 1532 beherbergte das Haus 31 Personen, gängig waren allerdings 30 Personen.82 Eine ähnliche Geschlechtertrennung existierte im 1542 fundierten Armenhaus Jodefeld. Der anlässlich der Gründung errichtete Neubau war „in twe deyle gedeylet“, hatte „eynen dubbelden schorstein“ und jeweils eine eigene Küche, einen Keller und eigene Kammern. Auch der Hof war in zwei Teile geteilt. Und so bestimmte die Fundationsurkunde, dass „(…) dat in der eyner vorbestempter wonnunge sollen syn twelff arme mans personen, vnd in den anderen twelff vrouwen personen, alle gudes namen edder geruchtz vmtrent vyfftich edder sestich iair olt off darbouen, in der stadt Munster wonafftich vnd sick de tydt eres leuens ers suren vnd swaren arbeydes ernerrt vnd beholpen offt so sus in blyntheit, lamheit eder ander eres lyues gebrecklicheit gescapen edder gefallen, der wegen se sich nycht erneren konnen.“83

Noch stärker als schon im Armenhaus zur Aa tritt hier die Unverschuldetheit der Armut als Aufnahmebedingung in den Vordergrund. Wesentliche Bedeutung kommt dabei der Arbeit zu. Berücksichtigt wurde nur, wer Zeit seines Lebens gearbeitet hat oder dies auf Grund seiner physischen Versehrtheit nicht konnte. Eine Unterscheidung zwischen selbstverschuldeter und struktureller Arbeitslosigkeit wurde offenbar nicht gemacht. Als die Fundationsurkunde 1542 abgefasst wurde, waren die beiden Wohnungen noch nicht voll bezugsfertig, sodass in den „ersten vyff edder sess iairen in eyner iden wonnunge alleyn sess edder achte persone (…) ingenomen werden“. Aufgenommen werden sollten sie „alleyne vmb gotz wyllen sunder ienych geneyt edder gewyn“.84 Die beiden Zwölfmännerhäuser in Ludgeri und Überwasser waren nach der Anzahl ihrer Insassen benannt. Als einzige Armenhäuser in Münster waren sie allein für Männer bestimmt. Das in Ludgeri gelegene Haus sollte die armen und kranken Diener der Domherren aufnehmen, das in Überwasser gelegene Haus in auf den

79 Black, Speckpfründe Ludgeri, S. 303, S. 308f.; LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 80 Als sich die Äbtissin von Überwasser 1471 über die dortige Errichtung einer Vikarie beschwerte, beschrieb sie das Armenhaus als „qandam domum prophanam inhabitatam per pauperes aut senes vtriusque sexus homines dictam communiter thor Wick“. LAV NRW W, Studienfonds Münster, Stift Überwasser, Urk. Nr. 211. 81 So bezog eine gewisse Kunna ton Mersche genannt de Swanesche 1540 zunächst bis auf weiteres eine Kammer des Hauses und sollte sie gebrauchen, „so lange eyne vrowenkamer jm soluyghe huyße to eren gefalle voerledigede“, also frei werde. Armenhaus Zurwieck, Urk. 17. 82 LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r; Klötzer, Kleiden, S. 96. 83 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. 84 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13.

2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen

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Landgütern des Doms in Not gefallene Eigenhörige.85 Die Zwölfzahl wurde allerdings nicht immer erreicht. 1532 befanden sich in beiden Armenhäusern nur je zehn Personen.86 Es bleibt noch auf jene Institutionen einzugehen, die einen besonders hohen Grad an Spezialisierung aufwiesen. So diente Kinderhaus der Aufnahme von Leprakranken. Gemäß Artikel 1 der 1558 vom Stadtrat verabschiedeten Hausordnung musste jeder Aufgenommene, sei er nun Mann oder Frau, seit mindestens vier Jahren münsterischer Bürger sein und zudem einen in Köln ausgestellten Leprabrief vorlegen können, der seine Erkrankung bestätigte.87 Eine feste Zahl von Leprosen nennt die Rolle nicht, und tatsächlich richtete sie sich wohl nach den gegebenen Erfordernissen. Um 1529/30 lebten fünf bis sieben Leprose in Kinderhaus, 1534 bis 1538 fünf, 1539 sechs und 1540 neun. Bis zur Auflösung des Leprosoriums entsprachen fünf bis acht Insassen der Durchschnittsbelegung.88 Im 16. Jahrhundert war die Lepra allerdings schon weitgehend zurückgegangen, sodass für frühere Zeiten eine höhere Belegungsrate denkbar wäre. Die Aufnahme von Leprosen war wohl auch Aufgabe des nur kurzfristig bestehenden Marienhospitals. Wohl weniger ein Leprosorium als ein Xenodochium dürfte das Hospital in der Venne gewesen sein, ebenso das 1398 ersterwähnte Gasthaus. Auch dieses nahm nach Kerssenbrock sowohl Männer als auch Frauen auf. Mittelalterliche Belegungszahlen lassen sich für das Gasthaus nicht finden, in späterer Zeit sind aber vier Plätze nachweisbar.89 Im Antoniushospital lebten 1532 gemäß den Testamentsakten des Hinrich Sterneman 24 Personen.90 Zeitpunkt, Lage und Patron des Hospitals, das nach 1350 unmittelbar vor dem Mauritztor gegründet wurde, deuten auf eine ursprüngliche Nutzung als Pesthaus. In der 1540 verfassten Hausordnung ist davon allerdings keine Rede mehr. Doch erwähnt sie „man vndt frouwen“ als Einwohner und fordert in Artikel  1: „Item wy willen, dat sall nemant in dat armenhus gestadet noch togelaten werden, he sy vor erst binnen der statt Munster drey iahr borger oder borgersche gewest.“91 Nachweislich der Unterbringung von Pestkranken dienten die drei vor der Täuferzeit gegründeten Elenden Aegidii, Überwasser und Lamberti. In der Elende des Aegidiikirchspiels sollten jene Aufnahme finden, die mit der Pest oder einer anderen ansteckenden Seuche infiziert waren, insbesondere Knechte und Mägde der weltlichen und geistlichen Einwohnerschaft, aber auch solche, die anderweitig keine Herberge finden konnten. Eine ähnliche Funktion hatten die Elenden Überwasser und 85 Detmer, Kerssenbrock, S. 78. Kerssenbrock bezeichnet beide als „anerothrophia“. Die Anzahl der Insassen wurde wohl in Analogie zu den zwölf Jüngern Jesu gewählt. Die Zahl findet sich auch in den Armenhäusern Prussen und Speckpfründe Ludgeri, die doppelte Belegung im Magdalenenhospital, Antoniushospital und Armenhaus Jüdefeld. 86 LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 87 Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. 88 Krug-Richter, Lebensstandard und Nahrungsgewohnheiten, S. 32; Klötzer, Kinderhaus 1534–1618, Tafel 2.1. 89 Detmer, Kerssenbrock, S. 78; Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 516. 90 LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 91 Antoniushospital, Akten 16, S. 1.

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Lamberti, nur dass man sich hier auf Einwohner des eigenen Kirchspiels begrenzte.92 Der Einzugsbereich der Elende Aegidii, die ursprünglich stadtweit zuständig war, dürfte sich entsprechend auf die anderen Kirchspiele verschoben haben. Die Elende Lamberti verfügte über 11 Betten, die Elende Aegidii 1523 über 28 Betten.93 Die Kapazitäten der Elende Überwasser sind unbekannt. Insgesamt fällt auf, dass der Anteil der Frauenhäuser – die Armenhäuser Wessede, Zumbusch, Wegesende, St. Johannis, Prussen, Speckpfründe Ludgeri, Jüdefeld und praktisch auch das Armenhaus zur Aa sowie seine Vorgänger – weitaus größer ist als der der Männerhäuser – hier allein die beiden Zwölfmännerhäuser. Sowohl Männern als auch Frauen standen das Magdalenenhospital, das Antoniushospital, das Gasthaus, Kinderhaus, Zurwieck, die drei Elenden und zumindest theoretisch auch das Armenhaus zur Aa offen. Damit weist keine einzige der auf Ratsinitiative hin gegründeten Institutionen, über die Aussagen betreffend einer geschlechtsspezifischen Aufnahmepolitik möglich sind – nämlich das Antoniushospital, das Gasthaus, Kinderhaus und das Armenhaus zur Aa – eine geschlechtliche Spezialisierung auf. Dass dahinter offenbar eine gezielte Politik stand, wird deutlich am Beispiel des Armenhauses zur Aa, das, obwohl dort von Anbeginn nur Frauen lebten, der Rat die Möglichkeit der Aufnahme von Männern grundsätzlich einräumte. Nicht allein auf Ratsinstitutionen begrenzt ist hingegen die Aufnahmebeschränkung auf Bürger. Neben dem Magdalenenhospital, Kinderhaus und dem Antoniushospital betrieben das Johanniterarmenhaus und das Armenhaus Jüdefeld dieselbe Politik. Sonderfunktionen nehmen durch ihren hohen Grad an Spezialisierung das Leprosorium Kinderhaus, das Gasthaus, die drei Elenden und wohl auch das Venner Hospital, das Marienhospital und das Antoniushospital ein. Nimmt man die Gesamtzahl der Pfründnerstellen in Münster in den Blick, so zeigt sich eine im zeitlichen Verlauf steigende Tendenz. Um 1300 sind 48 Stellen nachweisbar. Im Zuge der ersten Stiftungswelle ab 1300 stieg die Zahl bis zum Ausbruch der Pest um 1350 auf 146, zumindest unter der Annahme, dass das Armenhaus zur Aa ebensoviele Plätze hatte wie seine Vorgänger. Hinzu kam Kinderhaus mit fünf bis neun Leprosen. Zum Ende der zweiten Stiftungsphase und mit Beginn der Täuferherrschaft 1534 verfügte Münster schließlich – die 24 Insassen des Armenhaus Jüdefeld, dessen Gründungsphase sich bis 1542 hinzog, nicht mitgerechnet – über 217 Pfründnerstellen in Armenhäusern.94 Hinzu kamen fünf bis neun Leprose in Kinderhaus, vier Reisende im Gasthaus sowie die Pestkranken der drei Elenden, deren Gesamtkapazität mit etwa 60 angesetzt werden kann.95 Es gilt allerdings zu beachten, dass die in den Hausordnungen festgesetzten Belegungszahlen oftmals nur Richtwerte waren. Von ihnen konnte im Einzelfall nach unten hin abgewichen 92 Elende Aegidii, Urk. 3a; BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r; Elende Lamberti, Urk. 1. 93 Winzer, Pestkrankenhäuser, S. 282; Klötzer, Kleiden, S. 133. 94 Dies deckt sich mit dem Befund von Klötzer (Kleiden, S. 193), der um 1540 auf eine Zahl von ca. 225 Personen inklusive den Kinderhauser Leprosen kommt. 95 Jakobi (Bevölkerungsentwicklung, S. 516) vermutet für die ab 1561/73 existierenden vier Elenden eine Belegungszahl von 120 bis 130. Die Zahl dürfte zu hoch gegriffen sein.

2. Aufnahmeberechtigte und Anzahl der Insassen

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werden, wenn die entsprechenden Ressourcen fehlten, und nach oben hin, wenn dies dem Haus finanzielle Vorteile einbrachte. Die hier errechneten Zahlen stellen also lediglich einen Näherungswert dar. Aussagen zur demographischen Entwicklung der Stadt Münster bleiben unsicher. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Bevölkerung bis 1350 auf etwa 10.000 stieg. Im Zuge der ersten Pestwelle dürften wohl maximal 5.000 Menschen gestorben sein, doch könnte der Bevölkerungsverlust durch den Zuzug Auswärtiger abgemildert worden sein.96 Demnach wären vor der Pest etwa 1,53 Prozent der münsterischen Bevölkerung in Armenhäusern untergebracht gewesen, unmittelbar nach der Pest vielleicht 3,06 Prozent. Fortan stiegen die Bevölkerungszahlen wieder. Für die Täuferzeit lassen sich etwa 7.650 Einwohner errechnen.97 Das entspräche ohne Berücksichtigung der Elenden einer theoretischen Armenhausbelegung von 2,98 Prozent.98 Gemessen an den Zahlen der städtischen Armen sind die Werte allerdings gering. Es ist wohl davon auszugehen, dass in Münster wie in anderen mittelalterlichen Städten gut 50 Prozent der städtischen Bevölkerung am Rande des Existenzminimums lebte und etwa 10 bis 20 Prozent sich nicht ausreichend selbst versorgen konnten und auf Unterstützung angewiesen waren.99 Dies dürften vor 1350 etwa 1500 Personen gewesen sein, in den 1530er Jahren etwa 1150. Es gilt allerdings zu bedenken, dass die Zahlen in Zeiten einer wirtschaftlichen Krise, wie sie Anfang des 16. Jahrhunderts herrschte, deutlich höher gelegen haben dürften. Doch auch so zeigt sich, dass die Kapazitäten der Armenhäuser bei weitem nicht in der Lage waren, die städtische Armut existenzsichernd aufzufangen. Die Aufnahme in ein Armenhaus war vielmehr ein seltenes und begehrtes Privileg. Dabei waren durchaus nicht alle in Armenhäusern Aufgenommenen auch tatsächlich existenzgefährdend arm. Dies galt insbesondere für die Oberpfründner, die ihre Pfründe nicht um Gottes Willen erhielten, sondern für Geld kauften. Das Phänomen der reichen Pfründner war nicht allein auf das Magdalenenhospital beschränkt. Auch für das Antoniushospital und die Armenhäuser Zurwieck und Wegesende sind einzelne reiche Pfründner belegbar.100 Und wenn der Kauf von Renten als Ausdruck eines gewissen Wohlstandes gesehen werden darf, gilt dies auch 96 Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 494. Die überlieferten Zahlen zu den Pesttoten in Münster sind mit 11.000 im Jahre 1350 und 8.000 im Jahre 1382 zweifellos zu hoch gegriffen. Auch Jungnitz (Krankenhäuser, S. 22) spricht von 11.000 bis 12.000 Einwohnern im 14. Jahrhundert. 97 Bakker e.a. (Bernhard Rothmann, S. 225) sprechen von 1.800 Haushalten mit durchschnittlich je 4,24 Einwohnern. Hanschmidt (Armenpolizei, S. 659) geht von etwa 6.000 Einwohnern um 1540 aus. 98 Dies scheint ein vergleichsweise hoher Wert zu sein. Bielefeld kommt Anfang des 16. Jahrhunderts bei 2.000 Einwohnern und 30 Armenhausplätzen auf eine Quote von gerade 1,5  Prozent. Bachmann, Bielefeld, S. 53; vgl. Klötzer, Kleiden, S. 193. Um 1600 verfügte Münster über 10.000 Einwohner und 300 Plätze (Armut, Not und gute Werke, S. 92) und konnte damit die Quote von etwa 3 Prozent seit der Pest konstant halten. 99 Maschke, Unterschichten der mittelalterlichen Städte, S. 423; Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 172. 100 MUB 342; Armenhaus Zurwieck, Urk. 16; Armenhaus Zurwieck, Akten 1.

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für Kinderhaus und die Armenhäuser Zumbusch und zur Aa.101 Damit stellt sich die Frage, inwieweit mittelalterliche Armenhäuser überhaupt mittellosen und in ihrer Existenz gefährdeten Personen offenstanden und inwieweit sie lediglich den wirtschaftlichen Abstieg einer sozial gut integrierten Mittel- und Oberschicht kompensierten. Tatsächlich kam es allgemein immer wieder zu Kritik am Pfründenverkauf an Wohlhabende, da sie dem Willen der Stifter grundsätzlich widersprach.102 Es ist in diesem Zusammenhang immer wieder betont worden, dass das Gegenteil von „pauper“ nach mittelalterlichem Verständnis nicht „dives“, sondern „potens“ war. Als arm galt bereits, wer nicht an der Normalität seines Standes teilnehmen konnte.103 Weniger auf eine existenz- denn statusgefährdete Zielgruppe scheint auch eine Formulierung in den Hausordnungen der Armenhäuser Zumbusch, zur Aa sowie des Antoniushospitals zu weisen. Gemäß diesen sollten Arme „umme bede guder lude“ aufgenommen werden. Die „vorbitt guiter leuthe“ war auch zur Aufnahme in das Armenhaus Zurwieck erforderlich. Das Armenhaus Jüdefeld hingegen nahm nur Personen auf, die „gudes namen edder geruchtz“ waren.104 Die Aufnahme erfolgte also durch Kooptation und durch die Fürsprache hochstehender städtischer Persönlichkeiten. Die besten Chancen auf einen Platz hatte also, wer gemessen an den Gepflogenheiten seines Standes durchaus als arm galt, aber nach wie vor über eine standesgemäße soziale Vernetzung verfügte, die es nun zu aktivieren galt. Die Versorgung der Armen geschah nur zum kleinsten Teil durch die Armenhäuser. Wichtiger waren öffentliche Verteilungen von Brot, Speck, Geld und Kleidern durch die Almosenkörbe, die auch individuell Almosen verteilten.105 Wie umfangreich diese Verteilungen im Mittelalter waren, lässt sich nicht mehr eruieren. Einen Eindruck vermitteln aber Zahlen aus dem Heiliggeistkorb Lamberti. Spätestens seit 1458106 verteilte dieser jeden Sonntag nach dem Gottesdienst in der Lambertikirche ½ Pfund Speck an eine bestimmte Zahl eingeschriebener Armen. Die Praxis musste während der Täuferzeit unterbrochen werden, wurde danach aber wieder aufgenommen. 1537 wurden 88 Personen präbendiert. Noch im selben Jahr stieg die Zahl auf 96. 1544 waren es bereits 112 Personen, 1550 schließlich 128.107 Aussagen über die Gesamtkapazität der offenen Armenfürsorge finden sich erst später. 1599 berichtete der Rat von über 3000 Menschen, also gut 30 Prozent der damaligen Stadtbevölkerung, die eine öffentliche Fürsorgeleistung in Anspruch nahmen.108

101 102 103 104 105 106 107 108

Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 8v; MUB 342; Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 97v. Liese, Westfalens alte und neue Spitäler, S. 129f.; Matheus, Funktions- und Strukturwandel, S. XI; Pauly, Fremdenherberge, S. 116; Rexroth, Armenhäuser, S. 14. Raff, Bild der Armut, S. 9. MUB 372; MUB 366; Antoniushospital, Akten 16, S. 1; BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185r; Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Hanschmidt, Armenpolizei, S. 659f. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Familie Mensing, Urk. 23. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 54; Klötzer, Kleiden, S. 18. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 35.

3. Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht

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3. Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht Die Entscheidung über die Aufnahme oblag allgemein den Provisoren.109 Wurde ein Platz frei, machten sie dies bekannt, und die Interessierten bewarben sich bei ihnen. Sie prüften daraufhin, ob die Bewerber die erforderlichen Qualifikationen, etwa den Besitz des Bürgerrechtes, erfüllten.110 Oftmals notwendig, sicherlich aber immer hilfreich war dabei die Fürsprache angesehener Personen. Aufgenommen wurden sie um Gottes Willen111 oder durch den Kauf einer Pfründe.112 Insbesondere in letzterem Fall konnte auch ein Pfründnervertrag aufgesetzt werden. Ein besonderes Aufnahmeritual ist nur aus dem Antoniushospital bekannt, nach dem sich der von Provisoren und Amtmann Aufgenommene nach Erhalt der Zusage an mehreren Sonntagen auf dem Minoritenkirchhof in einen Korb setzen musste und erst am letzten Sonntag von dort ins Hospital geführt wurde.113 Bei Aufnahme in das Armenhaus erfolgte die Verlesung der Hausordnung. Der Hausrat musste von den Armen selbst miteingebracht werden.114 Gelegentlich wurden beim Einzug auch ge109 Vgl. Kap. II.1. Bemerkenswert ist, dass die Witwe Meynburg de Wessede zur Auswahl der Aufzunehmenden direkt den Stadtrat als Träger verpflichtete. MUB 47. Dieser dürfte die Aufgabe jedoch bald an die von ihm eingesetzten Provisoren delegiert haben. Im Magdalenenhospital allerdings zog der Rat die Vergabe von Oberpfründen 1579 gezielt an sich, gab die Kompetenz aber schon fünf Jahre später wieder an die Provisoren zurück. Klötzer, Kleiden, S. 305. Ursache könnte die Vielzahl der Bewerber gewesen sein. Als die Ratsherren von Soest 1515 Pfründen verteilten, ließen sie den Würfel entscheiden. Der Grund: „De weren so vele, de gebeden hatten“. Fleck, Insassen westfälischer Hospitäler, S. 32. 110 Gärtner, Magdalenenhospital, 1922, S. 9; Armut, Not und gute Werke, S. 118. 111 So etwa im Armenhaus Wessede. MUB 47. 112 So im Magdalenenhospital. MUB 168. 113 Antoniushospital, Akten 16, S. 2. 114 Im Magdalenenhospital waren dies mindestens zwei Pötte, ein Kessel, Kannen, Krüge, Kisten, Spinde, ein Bett und Bettzeug. MUB 168. Im Antoniushospital wurden ein Bett „mit dem puelle“, ein Kopfkissen, zwei Paar Laken, eine Decke, ein Stuhl mit Kissen, eine Kanne von einem Quart und ein irdener Pott von einem Quart verlangt. Antoniushospital, Akten 16, S. 2. Im Armenhaus Zurwieck erwartete man Bett und Bettzeug, eine Zinnkanne von einem Quart, einen Zinnkrug von einem Mengel sowie weitere Dinge „alß ihm der hausherr sagen wird“. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185vf. Ausführlich berichtet die Kinderhauser Rolle. In Artikel 2 verkünden Bürgermeister und Rat: „Item wy wyllen, dat de arme, so yn dyt vorgenompte hues sall bogeven werden, he sy dan man off frowe, sal yn dyt hues brengen i bedde myt polle und ii hovethkussen, iiii par laken, i deicke, ii stoell myth ii kussen, kyste, spynde, beddestedde, i quart kane, eyn ehren pot van i quart groeth, ii standen oder dryncken vater, eyn botter wetteken, i kettel van eynen emhmer natz, eyn mengeln kroess, eyn mengeln ehren poth, eyn molde, i kuven, eyn schottekorff myt schotteln, eynen yder armen ii s., eyne panne, den amptman und den volck ii s., den knechte, so se halth, eyn drynckpennynck, eyn schyveken offthe tafelken.“ Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. Wer sich eine entsprechende Grundausstattung nicht leisten konnte, dem half die offene Armenfürsorge. 1569 gab der Almosenkorb Aegidii einer Witwe Geld, um für ihren blinden Sohn, den sie im Magdalenenhospital unterbringen wollte, ein Bett zu kaufen. Armut, Not und gute Werke, S. 103f.

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V. Soziale Regulierung

wisse Geldleistungen fällig.115 Teil des Aufnahmeverfahrens war außerdem ein Eid, allen Besitz im Falle des Todes vollständig abzutreten.116 Die Übertragung hatte bald nach der Aufnahme zu erfolgen, doch behielten die Insassen bis zu ihrem Tode das Nutzungsrecht. Die Ursprünge dieser Besitzübertragung gehen bis in die Zeit vor der Kommunalisierung zurück. Bereits 1184 hatte Bischof Hermann II. bestimmt, dass weder der Priester noch irgendwer sonst aus der Bruderschaft seinen Besitz in fremde Hände legen dürfte, sondern ihn dem Hospital hinterlassen müsse.117 Dasselbe galt für die Unterpfründner. Gemäß der ersten Regel der um 1360 abgefassten Hausordnung sollten alle, „de der allmissen leven und de provende umb goddes willen besitten“, ihren Besitz nach der Aufnahme innerhalb eines Monats in das Haus bringen. Wer dem nicht nachkam, verlor seine Präbende und wurde des Spitals verwiesen. Auch wer dem Hospital zum Erhalt einer Pfründe Renten überwiesen hätte, so die zweite Regel, sollte die entsprechenden Urkunden „na rade undt meddewetten des ambtmans“ innerhalb eines Monats dem Hospital „ton erfftall“ übertragen, behalte aber das Nutzungsrecht auf Lebenszeit. Auch hier hieß die Bestrafung Pfründverlust. Insbesondere im Krankheitsfall und im Angesicht des Todes neigten Pfründner offenbar dazu, ihren Besitz aus dem Hospital zu schleusen. Dagegen war die dritte Regel gerichtet, die besagte, dass auch in diesem Falle nichts, „dat syn kledere, clenodde, nichts uthgescheiden klein oder groet“, das Haus verlassen dürfe. Wenn aber bekannt würde, dass dennoch jemand etwas herausgeschickt hätte, drohte ihm Pfründentzug und Hausverweis.118 Dieselbe Strafe erwartete die Armen im Antoniushospital, im Armenhaus Zurwieck und zur „straff des meynetz“ auch in Kinder115

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Ein im Antoniushospital Aufgenommener sollte ½ Mark in die Küche geben und jedem 4 Schillinge in die Hand. Außerdem sollte er jedem für 3 Schillinge Pottharst, ein „penninckwegge“ und ein Mengel Bier kaufen, „dat sick dan den armen mit den nienkommere vnder ein ander frolick macken“. Antoniushospital, Akten 16, S. 2. Auch im Armenhaus Zurwieck war die Ausrichtung eines Mahls gängig, die aber schließlich durch die Zahlung von 2 ½ Schillingen an jeden Insassen abgelöst wurde. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 186r. Ebenso mussten die Armen zur Aa bei Aufnahme ein „inghelde“ zahlen. Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 25r. Vgl. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 199. Von den Pfründnern von Kinderhaus musste „myt eyn eyde bevestiget werden“, dass sie all ihre Habe, „eth sy an kledern, klenodyen, gelde, nychts dar van uthgescheiden“, in das Haus bringen und nichts wieder herausführen, „eth sy heymlyck offthe appenbar, dorch se offthe eynen andern, frunde offthe verwante“, und zwar „by ehren vorygen gedanen ehde und seylen saliycheit“. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. Auch die Hausordnung des Johanniterarmenhauses spricht von einer „truwe vnd verplichtunghe“, die die Armen dem Haus und den Provisoren geleistet haben, „do sze in dath huesz qamen“. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 7r. Ebenso erwähnen die Rollen der Armenhäuser Wessede, Zumbusch und zur Aa diese „truwe“ im Zusammenhang mit dem Anfallsrecht. Armenhaus Zurwesten, Akten 12; MUB 372; MUB 366. Und auch im Antoniushospital verpflichteten sich die Armen mit einem „ede“. Antoniushospital, Akten 16, S. 2. Magdalenenhospital, Urk. 1. Vgl. Detmer, Kerssenbrock, S. 58. MUB 168.

3. Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht

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haus.119 Tatsächlich waren Pfründentzug und Hausverweis die schwersten Strafen, die ein Hospital verhängen konnte, und dies mag ein Hinweis auf die wirtschaftliche Bedeutung des Anfallsrechtes sein. Dennoch übernahm das erste auf einen privaten Stifter zurückgehende Armenhaus diese Praxis nicht unmittelbar. Als Meynburg de Wessede 1302 das gleichnamige Armenhaus fundierte, legte sie Wert auf die Freiwilligkeit der Leistung.120 Doch aus der Freiwilligkeit wurde auch hier bald eine Pflicht. Gemäß der Hausordnung mussten die aufgenommenen Frauen ihren gesamten beweglichen und unbeweglichen Besitz in das Haus bringen. Allerdings durften sie, solange sie lebten, das Nutzungsrecht für sich in Anspruch nehmen.121 Da sie sich nach der Rolle des Hauses Wessede orientierten, galt dasselbe für die Häuser Zumbusch und St. Johannis. In letzterem galt bereits gemäß Gründungsurkunde die Regel: „De armot, de se nalaten na eren dode, sal den armen luden blyuen yn den huse.“122 Ein Recht auf Nießbrauch kannte wohl auch das Armenhaus zur Aa, obwohl in seiner Rolle ein entsprechender Passus fehlt.123 Hier hatten Bürgermeister und Rat den Provisoren das Recht zur Aufnahme übertragen, allerdings unter dem Vorbehalt „(…) ne aliquas personas pauperes in dictam domum suscipiant, nisi sponte promittant, quod post obitum suum, si eas in dicta domo iuxta pontem positam predictam decedere contingerit, non velint quidquam de bonis suis post eorum obitum relictis de predicta domo alienare.“124

Dies erklärt auch, weshalb Eigenhörige hier wie auch in den Armenhäusern Wessede, Zumbusch und St. Johannis keine Aufnahme fanden. Ihre Herren konnten nach ihrem Tode Anspruch auf ihren Nachlass erheben. Entsprechend verfügte der Rat für das Armenhaus zur Aa, dass eine Person, die irgendwem „iure servitutis“ verbunden wäre, nur dann berücksichtigt würde, wenn ihr Herr ausdrücklich erklärte, im Falle des Todes auf das Erbe zu verzichten.125 Tatsächlich räumte der Rat dem Anfallsrecht höchste Priorität ein. Um 1375 erließ er, wohl nachdem entsprechende Verfehlungen der Provisoren vorausgegangen waren, das folgende Statut. „Kundich sy allen den ghenen, de dijt seyt ofte horet lezen, dat wy borg(emestere), schepene vnd de ghemeyne raet der stades van Munstere sijn des myt samenden rade over dreghen 119

Antoniushospital, Akten 16, S. 2; BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 186r; Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. 120 „Sed si aliqua huiusmodi viduarum sponte et proprio suo arbitrio viduis prefatis in victu, potu seu amictu aut aliquo solatio consimili cuperit subvenire, nullatenus est hoc ab aliquo recusandum.“ MUB 47. 121 Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r. 122 LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. 123 MUB 366. 124 „Dass sie nicht irgendwelche armen Personen in besagtes Haus aufnehmen, wenn diese nicht frei versprechen, dass sie nach ihrem Tod, wenn es ihnen in besagtem Haus gelegen neben der besagten Brücke zu sterben ankommt, nicht irgendetwas ihrer nach ihrem Tode zurückgebliebenen Güter aus vorgenanntem Haus entfernen wollen.“ MUB 154. 125 MUB 154.

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vnd beuelet den vor wareren des huses, daer de armenlude inne wonet vppe der Berchstrate by der eersten brugen tor vorderen hand, dat se nymande enen solen nemen in dat vorgescreven hues, he en sy vriy vnd he enen wyllekoere, dat wat he daer in brenghe, dat he dat anders nymande gheuen enen zole, mer he zal ed laten to des huses behoef na synen dode, oek so enen sal der lude, de daer wonen in den soluen hues, nicht meer wesen dan dre vnd dertich.“126

Grundsätzlich zeigen sich in den Armenhäusern in Bezug auf Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht kaum Abweichungen voneinander. Eine Ausnahme stellen allerdings die drei Elenden dar. In sie wurden die Pestkranken nicht auf Lebenszeit aufgenommen, sondern nur auf Dauer der Krankheit. Wer in eine der Elenden gesandt wurde, um den hatten sich die beiden Elender zu kümmern. Diese sorgten aber auch dafür, dass er ihnen bei Eintritt seine „kleder und klenode“ übergebe. Die Habe mussten sie „wall beschlotten, unvertogen, unverlohren“ bewahren und nicht entfremden. Die Versorgung geschah „myt vnd vpp kost vnd loen des krancken offt ander guder lude ghaue“. In Lamberti sollten auch die Elender essen und trinken, was die Kranken ihnen mitbrachten oder zusandten. Zudem mussten die dortigen Kranken ihnen unabhängig vom Ausgang ihrer Krankheit „tusschen dach vnnd nacht“ einen Schilling zahlen, allerdings nur, sofern diese „dat betalen konnen“. Die Bezahlung der eigenen Versorgung war also nicht verpflichtend. Vielmehr richtete sie sich nach den individuellen Möglichkeiten der Kranken. Während, wie es in der Gründungsurkunde der Überwasserelende heißt, „de rycken“ Bettlaken und Kost selbst bezahlen sollten, wurden „de armen“ um Gottes Willen versorgt. Wurde ein Pestkranker gesund, sollte er, um anderen die Aufnahme zu ermöglichen, umgehend des Hauses verwiesen werden, bekam aber seine bei Eintritt hinterlegten Besitztümer zurück. In der Elende Lamberti galt dies allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass der erwähnte Lohn auch bezahlt wurde. Starb er, sollte sein mitgebrachtes Hab und Gut „blyuen to des huses betteringe vnd beste“ und wurde von den Provisoren entweder langfristig angelegt oder den Elendern zur freien Verfügung zugewiesen.127 Der Grundsatz, dass eventuelles Eigentum in das Hospital eingebracht werden müsse, zeigte sich auch in der Praxis. Am 13. März 1525 erschien der Priester Franciscus Losschert vor dem Offizial, um als Handgetreuer des verstorbenen Everdt Rynsschen, Vikar an der Servatiikirche, dessen Testament zu vollstrecken. Gemäß dessen sollte seine Magd Drude Suntermans lebenslanges Wohnrecht in einem seiner Häuser erhalten sowie eine Rente von 10 Gulden, von der nach ihrem Tod die Hälfte an die Witwe des Pettehermans und ihre drei Töchter gehen sollte. Nun war Drude aber bereits tot. Zurück ließ sie ihren Mann Herman Spittaell, der nun lebenslang als Pfründner im Magdalenenhospital aufgenommen werden sollte. Deshalb überwies Franciscus den beiden Provisoren und dem Amtmann des Hospitals ein Drittel des 126 Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 24r. „Myt samenden rade“ = mit einmütigem Rat; „wyllekoeren“ = freiwillig versprechen. Die Datierung ergibt sich aus der Handschrift, die mit jener identisch ist, die das Rechnungsregister vom 29. Juni 1375 verfasste. Vgl. MUB 231. 127 Elende Aegidii, Urk. 3a; BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r; Elende Lamberti, Urk. 1.

3. Aufnahmeverfahren und Anfallsrecht

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Hauses und ein Drittel der verbleibenden 5 Gulden Rente. Und weiterhin wurde vereinbart: „Wes de solue Hermann Spyttael van huesgeraede, kledern, clenoden, gelde eder anders jn gude verouert, nichtz dar van vthgescheiden, louede he by den vorg. armen tolatenn, dat ock na synen doetlyken verscheydenn an dat vorg. hues des spyttaels vallen vnnd dar mede berechtiget werdenn solle.“128

Drei Jahre später nahm sich auch der münsterische Bürger Hinrich Kerstapel vor, „syn leuentlanck to wonnen vnd to endigen jn der armelude hus sunte Marien Magdalenen“. Deshalb überwies er vier verschiedene Renten in Höhe von insgesamt 2 Gulden, 1 Mark und 8 ½ Schillingen. Auf die 2 Gulden verzichtete er sofort, denn „de giffte des mensschenn, de geschuet by synenn leuen vth vrien willen, sy ser nutter vnd mer verdenstlich, dan de geschuet na dode eyns mensschnn“. Die anderen Renten wollte er Zeit seines Lebens weiterhin nutzen, und erst bei seinem Tode sollte all sein Besitz „by den genompten conuente“ verbleiben.129 Im selben Jahr erklärten die Bürgerin Margareta ton Menenhovell und ihr Vormund Ludger ton Brincke, dass Margareta den Rest ihres Lebens im Magdalenenhospital verbringen wolle. Sie schenkte dem Hospital dafür eines ihrer Häuser im Kirchspiel Überwasser. Ihre anderen Häuser durfte sie behalten und offenbar frei vererben, so dass in diesem Fall ein individuell ausgehandelter Pfründnervertrag selbst das Gebot des vollständigen Erbanfalls relativieren konnte. Die Miete („huer“) aus dem Haus wollte Margarete Zeit ihres Lebens selbst eintreiben, danach sollte dies der Amtmann tun. Zudem verlangte sie eine Gegenleistung: Die Armen sollten für sie und „de van demm geslechte verstorven werenn“ beten.130 Offenbar vererbungsberechtigt war auch Gerd Havekesbeck, dessen Testament auf den 17. Januar 1398 datiert. Gemäß diesem waren seine Erben Conrad tor Schuren und seine hinterlassene Witwe Dayeken Wullebroke. Dabei war Gerd Pfründner im Antoniushospital, denn beide Erben sollten sein Bett, „alzo alze dat steyt in de capellen vor s. Mauricius porten“, den Armen daselbst überlassen, sein weiteres Bettzeug („beddinghe“) aber in das Gasthaus geben. Dabei war Gerd durchaus nicht arm. Allein an Kapitalwerten verfügte er testamentarisch über 114 Mark.131 Es ist wohl davon auszugehen, dass er dem Antoniushospital bereits bei Aufnahme einen Teil seines Vermögens übergeben, sich zugleich aber die freie Verfügung über seinen weiteren Besitz ausgehandelt hatte. Über die Aufnahme und damit über das Schicksal der Anwärter verfügten in der Regel die Provisoren, und so bestand durchaus die Gefahr, dass sie ihre Wahl von persönlichen Neigungen abhängig machten und Personen aus ihrem näheren Umfeld begünstigten. Die Gründungsurkunde des Armenhauses Jüdefeld verfügte deshalb, dass die Aufnahme „sunder ienych geneyt“ erfolgen sollte.132 Dennoch war 128 129 130 131 132

Magdalenenhospital, Urk. 131. Magdalenenhospital, Urk. 136. Magdalenenhospital, Urk. 135. MUB 342. Vgl. Kirchhoff, Marienhospital, S. 139. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13.

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V. Soziale Regulierung

die Bevorzugung Nahestehender wohl gängige Praxis.133 Auch Schenkungen von Insassen an das eigene Armenhaus dürften im Zusammenhang mit der Aufnahme zu sehen sein.134 Aufgrund des Anfallsrechts, das im Rahmen eines Pfründvertrags freilich relativiert werden konnte, wird man es in den Armenhäusern grundsätzlich gern gesehen haben, wenn Einwohner auch nach ihrer Aufnahme noch wirtschaftlich aktiv waren, hatten die Institutionen doch eine Option auf die erwirtschafteten Werte.135 Möglich war aber auch, dass die Provisoren eine Rente stellvertretend für 133

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Am 31. Juli 1464 setzten die Provisoren des Magdalenenhospitals einen Pfründnervertrag auf. „Wetenen und vulbort borgermestere und raidz“ waren dazu erforderlich, die auch siegelten. Die Provisoren verkauften den Brüdern Macharies und Herman Nyehus eine Oberpfründe. Beide waren „Macharies Veghesacks, des vorg. hospitals amtmans, dochter kinderen“. Wohnung und Präbende sollten sie erst in zwölf Jahren erhalten, dafür aber „de oversten und besten“. Vor der Aufnahme sollte ihr Großvater, der Amtmann, oder, wenn dieser inzwischen verstorben wäre, Herman 160 Mark und 3 Schillinge an das Hospital zahlen. Weitere Zahlungen waren explizit nicht erforderlich. Allein wenn sie nach Antritt der Pfründe im Hospital stürben, sollten sie „bedden, kleyderen, kannen, potte und ketele“ dem Hospital als „rechte erffvolgers“ überlassen. „Und wes ze vorder hedn und naleten, mochten ze geven, erven und keren, wen dat se wolden.“ Magdalenenhospital, Urk. 83. Vgl. auch Geisberg, Magdalenenhospital, fol. 12r. Ob die Brüder, die wohl noch relativ jung waren, die Pfründe tatsächlich angetreten haben, ist unbekannt. Die Aufnahmegebühr dürfte dann allerdings Herman bezahlt haben, denn Macharies Veghesack ist spätestens im Januar 1474 tot. Elende Aegidii, Urk. 3. Wurden hier für eine Oberpfründe pro Person 80 Mark gezahlt, kostete eine solche 1563 40 Reichstaler, im Durchschnitt lag der Preis im 16. Jahrhundert bei etwa 100 Goldgulden. Dies war insgesamt recht niedrig. In Straßburg forderte man 300 Gulden, in Bern etwa 440 Gulden, in Lindau für zwei Oberpfründen 930 Gulden. Die Qualität einer Oberpfründe im Magdalenenhospital dürfte der einer Mittelpfründe in anderen Städten entsprochen haben. Klötzer, Kleiden, S. 79, S. 83; Krug-Richter, Alltag und Fest, S. 74. So beschenkte 1278 ein gewisser Lambertus, Bruder des Magdalenenhospitals und „in bona valitudine“ befindlich, dasselbe mit seinem Garten vor dem Mauritztor, und zwar „de mea libera et spontanea voluntate“, behielt sich aber zu Lebzeiten das Nutzungsrecht vor. MUB 34. 1349 bekundeten Provisoren und Amtmann des Hospitals, dass ihnen Gerwin Institur und seine Frau Alheyd, zur Zeit Bewohner des Oberhauses, zwei Äcker neben dem „Vredestene“ vor dem Ludgeri- und Servatiitor geschenkt haben, jedoch unter der Bedingung, dass sie, solange sie leben, die Nutznießung daran behalten würden. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 53. 1503 übertrug Grete to Erle den Provisoren des Armenhauses Wessede, in dem sie eine „stede“ hatte, eine Rente von ½ Mark und übergab ihnen auch die zugehörige Kaufurkunde. Armenhaus Zurwesten, Urk. 25. Auch die umfangreichen Schenkungen, die 1519 von Gerdrut van der Wyck und ihrer Magd gegenüber dem Armenhaus Wegesende getätigt wurden, waren wohl Folge einer kurz zuvor vonstatten gegangenen Aufnahme. Die Höhe der Zuwendungen – die gegebenen 18 Gulden Rente entsprachen einem Kapital von etwa 360 Gulden – und eine gemäß ihres hohen Standes gute Bildung dürften dafür gesorgt haben, dass Gerdrut sofort die Position der Hausfrau übernahm. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1r–6v. Die Zustiftung war so umfangreich, dass das Armenhaus fortan als „Zurwieck in der Wegesende“ firmierte. Klötzer, Kleiden, S. 113. So verkauften Johan „de bodekere“ und seine Frau Grete 1397 der Elseken Wasmodes eine Rente von 21 Pfennigen, und zwar „to behof des huses to den Busche“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 23. Gänzlich unabhängig von ihrem Armenhaus kaufte 1488 Else thor

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eine Einwohnerin entgegennahmen.136 Besonders gut dokumentiert ist der Fall des münsterischen Bürgers Hinrich Monekeman. Bereits 1399 war dieser wohl im Magdalenenhospital aufgenommen worden. Am 21. Februar schenkte er dem Hospital eine erst nach seinem Tode fällige Rente von 6 Mark. Diese sollte dann der Amtmann erheben und davon jedem Pfründer zweimal im Jahr 1 Mengel Wein, dem Kirchherrn und sich selbst aber je 1 Quart Wein kaufen. Neben zwei Gerichtsdienern bezeugen Godeke Travelman und Bernd Warendorp den Vorgang, die wohl die derzeitigen Provisoren waren und als solche die Aufnahme verantworteten. Am 5. Juni 1411 verkaufte der Stadtrat Monekeman, „de lange iare vnd tide slutere vnde deynre gewezen is vnß hospitales“, eine Rente von 4 Mark. Dahinter dürfte ein Verkaufspreis von immerhin 80 Mark gestanden haben. Monekeman, der als Pfründner entsprechende Aufgaben im Hospital wahrnahm, war also weit davon entfernt, arm zu sein. Die Rente bestimmte er umgehend zur Kostverbesserung für und Geldausgabe an seine Mitpfründner, sowie für je 6 Pfennige an Kirchherrn und Amtmann.

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Molen, „nu thor tyt wonafftych yn der armen lude hussen der Wegesende“, eine Rente von ½ Gulden. Verkäufer waren Bernd Holle und seine Frau Grete. Da sich die Urkunde aber in den Beständen des Armenhauses befindet, ist davon auszugehen, dass sie beim Tode der Käuferin in Hospitalsbesitz übergegangen ist. Armenhaus Wegesende, Urk. 53. Das gilt auch für einen ähnlichen Fall im Armenhaus zur Aa. Hier kaufte 1517 Aleke ton Mollenbrocke, die „vpr berchstrate jn der arme lude huess“ wohnte, ohne Beistand des Hauses eine Rente von ½ Gulden. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 97v. Elße Smytmanß, Einwohnerin desselben Hospitals, kaufte 1525 ebenfalls eine Rente von ½ Gulden, und zwar von dem Schneider Berndt tor Kulen und seiner Frau Grete. Einnehmen sollte sie die Rente „er leuenlanck“, nach ihrem Tode sollte diese aber an die Armen zur Aa fallen. Armenhaus zur Aa, Urk. 58. Ohne erkennbare Beteiligung seiner Vorgesetzten kaufte 1374 auch Lope van Hervelde, wohnhaft im Magdalenenhospital, eine Rente von 2 Schillingen. BAM, Generalvikariat, Urk. 284. 1442 erhielten die Provisoren des Armenhauses Wegesende 2 Gulden Rente zu Gunsten der Aleken Fynssinghes. Nach ihrem Tode sollte die Rente für die Armen verwendet werden. Armenhaus Wegesende, Urk. 28. Ähnlich interagierten die Provisoren des Armenhauses zur Aa 1526, als die Exekutoren des verstorbenen Goessen Bocholt ihnen 1 Gulden und ½ Mark Rente verkauften, die für Goessens Magd Aleke Stromberg und nach ihrem Tod für die anderen Armen daselbst verwandt werden sollten. Armenhaus zur Aa, Urk. 60. Komplizierter gestaltete sich der folgende Fall, in dem offenbar auch der Stadtrat mitwirkte. Dies ließe sich zumindest vermuten, berichtet doch ein – hier ziemlich deplazierter – Eintrag im Bürgerbuch der Stadt. Grund war wohl, dass der Vorgang über die Grenzen der Stadt Münster hinausging. Der auf das Jahr 1396 zu datierende Eintrag lautet: „8. die mensis Octobris data fuit littera hospitali s. Marie Magdalene supra pontem lapideum versus Daventriam pro bonis ibidem derelictis per mortem quondam Bernhardi Vernisseken alias dicti Clopperhode ad Bernhardum Kenchtorp prebendatum in dicto hospitali, quo in procuratorem suum ad hoc constituit d. Levoldum eius plebanum, et pro littera fidejusserunt: Everhardus Slutere et Godefridus Travelmannynch, provisores protunc de consulatu hospitalis memorati.“ Demnach wurde dem Hospital am 8. Oktober ein Brief nach Deventer gegeben, und zwar wegen Gütern, die der Pfründner Bernhardus Kenchtorp von Bernhardus Vernisseken genannt Clopperhode geerbt hatte. Kenchtorp setzte in dieser Sache als Prokurator Levoldus ein, den Rektor der Hospitalkapelle. Für den Brief bürgten die Provisoren. Aders, Bürgerbuch, S. 28.

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V. Soziale Regulierung

Zwei Jahre später, am 7. Februar 1413, verkaufte ihm der Rat eine weitere Rente von 2 Mark. Auch diese verwendete er zur Aufbesserung der Pfründe aller Bewohner sowie zu Gunsten von Rektor und Amtmann. Insgesamt brachte der reiche Pfründner Monekeman dem Hospital damit ein kleines Vermögen von etwa 240 Mark ein.137 Der Vorteil, der sich aus der Wirtschaftstätigkeit der Insassen ergab, war offenbar so groß, dass man selbst Leprosen den Kauf von Renten gewährte, obwohl diese eigentlich nur über einen begrenzten Rechtsstatus verfügten.138 In den Genuss der Besitztümer, die die Insassen bei Aufnahme dem Hospital zusicherten oder während des Aufenthaltes erwarben, kamen die Armenhäuser erst mit deren Tode. Was in diesem Fall zu geschehen hatte, beschreibt die Fundationsurkunde des Armenhauses Jüdefeld. Das „nagelaten der armen guedt“ sollten die Provisoren des Hauses „antasten vnd thom duyrsten laten verkopen“, also zum Höchstpreis versteigern lassen. Der so erzielte Gewinn sollte „to betterynghe dessuluen hueses“ verwendet werden, insbesondere aber zur „meronge der renthe“ langfristig angelegt werden. Wannimmer ein Insasse „in godt versteruet edder myt dode affgeyth“, sollten die Provisoren außerdem seine Pfründe wieder vergeben und eine andere Person in das Haus aufnehmen.139 Doch der Tod eines Pfründners brachte nicht nur Gewinne, sondern auch – wenngleich in zu vernachlässigendem Umfange – Ausgaben. Wenn der Nachlass zu gering war, übernahm das Hospital die Kosten der Beerdigung.140 137 MUB 346; Ducornu, Magdalenenhospital, S. 121; MUB 422; MUB 434. 138 Nach dem Sachsenspiegel (I, 4) durften Leprose weder belehnen noch vererben, es sei denn, die hätten Lehen oder Erbe bereits vor ihrer Erkrankung erhalten. Sie durften nicht Vormund oder Bürge sein, durften nicht vor Gericht erscheinen, nicht frei über ihr Eigentum verfügen und auch keine Rechtsgeschäfte abschließen. Vgl. auch Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 239; Niedermeier, Soziale und rechtliche Behandlung der Leprosen, S. 81. Dennoch verkauften Theodericus und Mecthild Segenhorn 1372 dem Ribbeken van Horstmar, der „in domo leprosorum dicta tor Kinderhus“ lebte, sowie seiner Verwandten Margarete, die hier möglicherweise als Rechtsbeistand agierte, zum Nutzen der Armen daselbst eine Rente von 12 Pfennigen. Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 8v. Und 1411 verkauften der Sporenmacher Hinrich van Stenvorde und seine Frau Elseke eine Rente von ½ Gulden an „Hughen van Bockrode, nv tor tid wonachtich tor Kynderhus, belegen vor Munster, vnd vort den ghemeynen armen luden, de holdere dusses breues solen wesen, vnd eren nakomelingen“. Nicht Hugo sollte also die Rente verwahren, sondern das Leprosorium. Eine Interaktion der Provisoren ist hier allerdings genauso wenig erkennbar wie im vorangegangenen Fall. Verwendet werden sollte die Rente für eine Memorie, in der der Kirchherr jedes Jahr für Hugo „vnd vor sine zeyle“ zu bitten hatte, sowie für den Unterhalt des Lichts, „dat in der kerken hanget tor Kynderhues“. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 38. 139 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Ähnliches fordert die 1538 abgefasste Hausordnung des Johanniterarmenhauses. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 5v–10r. Auch im frühneuzeitlichen Magdalenenhospital wurde die Kammer des Toten in Gegenwart von zwei Pfründnern vom Amtmann nach dem Nachlass durchsucht. Bargeld und Rentbriefe behielt das Hospital, die Kleidung wurde verkauft. Gärtner, Magdalenenhospital, 1922, S. 10. 140 Ein Eintrag des für 1516 angelegten Jahresregisters des Armenhauses zur Aa lautet: „Jtem geuen den doetgreuers, doe selge Swede Hotwelkers starff, iij den.“ Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 14r.

4. Verhaltensregeln

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Insgesamt bedeutete die Anfallsrechtregelung eine bedeutende Einnahmequelle. Dies stellte zugleich aber auch einen nicht zu unterschätzenden Interessenkonflikt dar. Denn einerseits wurden die Armenhäuser gegründet und gestiftet, um Armen Herberge zu geben, auf der anderen Seite profitierten die Stiftungen finanziell gerade dann, wenn sie den wohlhabenderen Bewerbern die Aufnahme gewährten. 141

4. Verhaltensregeln Die Hausordnungen thematisierten nicht nur das Anfallsrecht und die Kriterien der Aufnahme, sondern definierten in zahlreichen Artikeln auch die Regeln des alltäglichen Zusammenlebens. Besondere Bedeutung kam dabei der immer wiederkehrenden Forderung nach einem friedlichen Miteinander unter den Insassen zu. Bereits in der Gründungsurkunde des Armenhauses Wessede von 1302 bestimmte der Stadtrat in Absprache mit der Stifterin: „Preterea si aliqua viduarum receptarum inter huiusmodi sanctas et honestas matronas zizaniam seu eiusmodi generis malitiam seminaret, illam vel illas ejicere et destituere ac aliam vel alias resumere possumus ac debemus.“142

Präzisiert wurde dieses Gebot in der Hausordnung des Armenhauses. Gemäß dieser sollten sich die Armen „demodig“ halten, und zwar sowohl in ihrer Kleidung als auch in ihrem Handeln. Auch hatten sie „fredsamb mit malekandern“ umzugehen. Sie sollten sich nicht gegenseitig ihre Gebrechen vorwerfen oder sich außerhalb des Hauses übereinander beklagen, „sondern versonen sick mit malekanderen in dem hause“. Täten sie dies nicht, sollten „de herren prouisorn“ hinzugezogen werden. Dieselben Formulierungen finden sich in den Hausordnungen der Häuser Zumbusch, zur Aa und Johannis. Lediglich die letztere ergänzt im 13. Artikel, dass, so eine der aufgenommenen Schwestern „krancklycht“, sie von den anderen gepflegt werden sollte, und zwar nicht für Geld, sondern „puerlyken vme godz wyllen“. Ihr einziger Lohn dafür sei „dath loen, dath Martha vnd Maria Magdalena verkreghen“.143 Andere Hausordnungen forderten dasselbe, wählten aber andere Formulierungen. Die Rolle des Magdalenenhospitals gebot, dass „nemandt den anderen sall versprecken sein unglück oder leidt“. Vielmehr sollten alle „rastliken, broderliken und süsterliken“ miteinander leben und niemanden belügen („belegen“), verleumden („achterklappen“) oder seinen Ruf schädigen („syn gerochte benemen“). Wer dieses Gebote bräche, der sei für ein Jahr seiner Präbende verlustig, „wante wy 141 142

143

Vgl. auch Stunz, Hospitäler im deutschsprachigen Raum, S. 140, S. 147f. „Außerdem, wenn eine der aufgenommenen Witwen unter den heiligen und ehrenvollen Frauen Zank oder die Bosheit ihres Geschlechts säen sollte, können und müssen wir diese Witwe oder Witwen hinauswerfen und eine oder mehrere andere aufnehmen.“ MUB 47. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r; MUB 372; MUB 366; BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 6r–6v.

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V. Soziale Regulierung

willen, dat de allmissen, de vte den wunden unser leven Herrn Jesu Christi synt geflotten, myt raste unde fredde sallen werden gegetten“.144 Mit nahezu denselben Worten über die Wunden Christi begründet auch die Rolle des Antoniushospitals die Forderung nach Friedsamkeit. Vertraut klingt auch das Gebot, sich „vredelick, eindrechtich, broederlik, suesterlick“ zu verhalten. Doch wird man hier konkreter, denn niemand sollte mit den anderen „schelden, hadderen, tadderen, kieven ofte flocken“. Wer dennoch „twist vndt vnwille“ hervorrufe, den erwartete mit einem Pfründenentzug von 14 Tagen eine deutlich kürzere Strafe als im Magdalenenhospital.145 Ohne nennenswerte Abweichungen findet sich derselbe Artikel wörtlich auch in der Hausordnung des Leprosoriums Kinderhaus, und Artikel 32 ergänzt, dass alle „versprecken, scheltworth, verhoenungh, brocke“ von den Provisoren beigelegt und „tho der armen beste“ bestraft werden sollen.146 Die Wunden Christi waren ein Leitmotiv, das sich gleichermaßen in der Hausordnung des Armenhauses Zurwieck findet. Und auch in den anderen Bestimmungen folgt diese Hausordnung denen des Magdalenenhospitals, des Antoniushospitals und des Leprosoriums weitgehend wörtlich, fordert als Strafe allerdings sechs Wochen Pfründentzug. Im Folgenden korrigiert die Rolle die festgesetzte Strafe aber nach unten und differenziert: Wenn Streit „under zween oder mehren“ entstehe, solle der „anfenger“ und „ursacher“ für 14 Tage seiner Kost beraubt werden, der andere aber, der nicht nachgebe, sondern „das böse mit dem bösen“ vergelte, acht Tage. Zudem sollte niemand „clage thuen buten dem hause“, sei es aus Hass, Neid oder Unwillen. Wer in Streit geriete, der sollte es den Provisoren melden, auf dass diese den Streit schlichteten. Würde die Schlichtung von den Betroffenen nicht akzeptiert, dann sollten „die hausholdere die herrn scheffen dazu ziehen“. Nicht erlaubt hingegen war, die Klage persönlich oder durch andere „buten wissen und willen der hausholder“ direkt vor die Schöffen von Überwasser zu bringen. In diesem Fall drohten sechs Wochen Kostentzug. Die Streitschlichtung war also streng subsidiär geregelt und konnte im Ernstfall sogar von dem jeweiligen Träger als höchster Instanz vorgenommen werden.147 Wie hoch das friedliche Zusammenleben in den Häusern eingeschätzt wurde, zeigt die Ausführlichkeit, mit der die Gründungsurkunde des Armenhauses Jüdefeld den Punkt diskutiert. Gemäß dieser sollten die Einwohner „eyndrechtlycken tho samen leuen, sick vordregen, eyn den anderen beholplick, troistlick vnd na gelegenheidt bystendich“ sein. Wer sich aber „wedderspennych vnd vngehorsam“ zeige und sich „anders, dan sick geboirde“ verhalte, dem sollten die Provisoren nach eigenem Gutdünken die Pfründe streichen. Die „zanckhafftigen vnd moitwylligen“ sollten sie „thor eyndracht vnd gehorsamheit“ bringen. Die Armen standen damit voll „vnder gehorsam vnd dwanck der prouisoren“, die im äußersten Falle einen vollständigen Pfründentzug verhängen konnten.148 144 145 146 147 148

MUB 168. „Wante“ = denn. Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363, S. 365. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 187v–189r. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13.

4. Verhaltensregeln

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Die Armen sollten ein geordnetes Leben führen. Dazu gehörte insbesondere ein durchstrukturierter Tagesablauf. Das bedeutete gemäß der Gründungsurkunde des Armenhauses Jüdefeld „des nachtz in dem huse vnd wonnungen blyuen“, „des auendes by guder tytt to bedde gain“ und „des morgens vpstain“.149 Tagsüber durften sich die Armen der Häuser Wessede, Zumbusch, zur Aa und Johannis in der Stadt aufhalten, doch mussten sie abends wieder einkehren, und zwar im Winter um sieben Uhr, im Sommer um acht Uhr. Ausnahmen wurden nur gewährt, wenn der Betreffende eine „redlike entschuldigungh“ hätte und „de huißhoders vnd hußfrowe wusten, war se weren“, sodass sie – wie allein die Rolle des Johanniterarmenhauses ergänzt – „nycht vneerlyken gonghen tho frommen luden“.150 Auch die Armen des Hauses Zurwieck sollten im Sommer („als von Oistern bis Michaelis“) um acht Uhr und im Winter („als von Michaelis bis Ostern“) um sieben Uhr zu Hause sein. Und sie taten gut daran, die Zeiten einzuhalten, denn danach sollte das Haus inwendig zugeschlossen werden. Zudem drohten acht Tage Kostentzug. Ausnahmen konnten aber auch hier aus „erheblichen und nottürftigen ursachen“ von Hausherr und Hausfrau gewährt werden.151 Nur sehr begrenzte Ausgangsmöglichkeiten hatten die Insassen der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Institutionen Antoniushospital und Kinderhaus. Was blieb, war die Regelung der Schlafenszeiten. So verkündet die Rolle des Antoniushospitals: „Item wy willen oick geholden holden, dat de armen up de hilligen hochtidt van paschen an bet to sanct Lamberti tuschen acht und neggen uren schlaepen gaen vnd van sanct Lambert an bet up paschen to viij uren alle schlaepen sein, orsake, dat der einer dem anderen nicht sall versturen. We sulcks ungehorsam geuunden wert, sall iii dage siner maletidt careren.“152

Wörtlich angelehnt ist der entsprechende Artikel in der Kinderhauser Rolle, der sich insgesamt aber etwas ausführlicher zeigt. So waren mit „verloeff des ampthmans“ Ausnahmen möglich, dafür war die Strafe des Pfründverlusts mit vier Tagen ein wenig höher.153 Zu den täglichen Pflichten der Armen gehörten Kirchgang und Gebet. Im Armenhaus Wessede mussten sie „dagelikes gehen tho kercken vnd geuen sick tho ihrem gebedde“, eine Forderung, die sich ohne explizite Erwähnung der Kirche auch in den Rollen der Häuser Zumbusch, zur Aa und Johannis findet. Im Gedenken der „mannychfuldigen wunden unses leven herrn Jhesu Christi“ und für die Stifter, Wohltäter und Verstorbenen des Hauses waren täglich 15 Pater Noster und 15 Ave Maria zu beten. Zumindest galt dies für jene, die dazu gesundheitlich in der Lage waren. Im Johanniterarmenhaus sollten die Armen morgens und abends in die Kir149 150 151 152 153

Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r. Vgl. auch MUB 372; MUB 366; BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 5v–10r. Allgemein zur Ausgangsregulierung in Hausordnungen vgl. Rexroth, Armenhäuser, S. 11. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 186v–187r. Antoniushospital, Akten 16, S. 5. „Versturen“ = stören. An Lamberti, dem 18. September, erfolgte bei Handwerkern der Wechsel der Sommer- in die Winterarbeitszeit. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363.

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V. Soziale Regulierung

che – gemeint ist sicherlich die des Konvents – gehen und auch für die Verstorbenen aus dem Konvent beten sowie „vnszen leuen hernn truwelyken bydden vor de almissen, der sze dagelix bruken“.154 Etwas mehr Aufwand mussten die Insassen des Armenhauses Jüdefeld betreiben, die – vorbehaltlich ihres „olders edder swackheit“ – täglich eine Messe hören und am Nachmittag anstelle einer Vigilie immerhin 25 Pater Noster und Ave Maria beten sollten, all dies „myt ynnicheyt eres harten“, und zwar deshalb, weil „sick dath van gotz wegen geboirt“.155 Im Magdalenenhospital mussten alle Pfründner – Männer und Frauen, Ober- und Unterpfründner – jeden Freitag von zwei bis drei Uhr in der Hospitalskirche sein, ihre Vigilien lesen und ihre Gebete für die Zustifter sprechen. Blieb jemand ohne erkennbare Not und ohne Erlaubnis des Rektors fern, dann ging er für drei Tage seiner Pfründe verlustig. Jegliche Arbeit sollte dabei ruhen, sonst blieb am nächsten Tag die Pfründe aus.156 Auch im Armenhaus Zurwieck sollten die Insassen täglich inniglich und andächtig beten, nicht nur „in dem hauße“, sondern nach altem Brauch auch zu St. Jürgen, also in der Georgskommende des Georgsritterordens, und zwar „bey verlust ihrer prouende acht tage“. Auch mussten sie unter Anleitung des Hausherrn sonntags und an jedem anderen Tag der Woche „in unsers kerspels kirchen“, also der Überwasserkirche, „mette, miße, predigt und vesper“ hören und danach geordnet ins Armenhaus zurückkehren, um dort persönlich ihre Pfründe zu empfangen, die sie, wie nebenbei bemerkt wird, niemandem außerhalb des Hauses verkaufen sollten. An den vier Hochfesten sollten sie zudem das heilige Sakrament empfangen oder einen Monat lang ihrer Kost entbehren.157 Am Beispiel des Armenhauses Zurwieck wird deutlich, in welchem Maße die Armen gerade durch die Kirchgänge in der städtischen Gemeinde integriert waren. Auch die Armen im Wegesende verfügten Dank einer Stiftung ihrer Hausmutter über Sitzplätze in ihrer Pfarrkirche Martini.158 Sofern Hospitäler über eigene Kapellen verfügten, waren diese freilich Orte des Gebets. So mussten die Insassen des Antoniushospitals „in sunte Antonius capellen“ den Gottesdienst besuchen, wann immer dort eine Messe gehalten wurde, und darauf Sorge tragen, „titlick vor de miße“ da zu sein. Sofern keine Messe stattfände, sollten sie dennoch von zwei bis drei Uhr in der Kapelle „truwelick vndt mit andacht“ ihr Gebet verrichten und „gott allmechtig vndt Jesum Christum, seinen gebenedieden sonne“, für alle Zustifter und Wohltäter, zudem für alle christgläubigen Seelen, „de van dußen jamerdael geschieden sein“, bitten. Wer dem ohne „redelike orsake“ und ohne „orleff“ seitens Amtmann oder Provisoren nicht nachkomme, ging für acht Tage seiner Pfründe verlustig. Besonders betont wird, dass die Armen die Messe „van beginn beth tom ende“ hören, ihrem Pastor gehorsam sein und insbesondere an den Messen am Sonntag, an den Marientagen, an den Apostelfesten sowie an 154 155 156 157 158

Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v; MUB 372; MUB 366; BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 7v–8r. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. MUB 168. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185r–190v. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 6v; Armenhaus Wegesende, Urk. 60.

4. Verhaltensregeln

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den vier Hochfesten teilnehmen sollen, sonst drohe drei Tage Pfründentzug. Wie im Armenhaus Zurwieck sollten sich die Armen auch hier an allen vier Hochfesten auf den Empfang des „werdigen hilligen sacrament“ vorbereiten, sonst verfiele für einen Monat die Pfründe.159 Auch hier folgt die Rolle der Leprosen der des Antoniushospitals weitestgehend wörtlich, wenngleich sie grundsätzlich ausführlicher ist. Kirchgänge waren täglich von acht bis neun Uhr sowie von zwei bis drei Uhr vorgesehen. Beten sollten die Leprosen dabei auch „vor tytdlyke overycheith, geestlyck off wertlyck“. Ein Verweis auf das Jammertal fehlt allerdings.160 Befanden sich die Armen nicht in der Kirche, stand Arbeit auf dem Tagesplan. In den Häusern Wessede, Zumbusch, zur Aa und Johannis galt, dass „de eyne sall der anderen truwelicken helpen in dem arbeide des huses“.161 Die Armen des Johanniterkonvents sollten gleich nach dem Kirchgang „eer werck“ wieder aufnehmen und „myth fredde“ verrichten. Im Armenhaus „bruweth“ man und „kelteth“ und ging auch „anderen ghemeynen aerbeith“ nach. Insbesondere sollten die Armen aber, wenn die Not dies erforderte, dem Gesinde im Johanniterkonvent „hantrekynghe doen“ und ihm „in den aerue, vp den lande, vp den balcken, in den houe“ zur Hand gehen mit „wasschen“ und „plasschen“. Von der Arbeit entbunden sollten allein jene sein, die „szo alth“ oder „verkrenketh“ wären. Für sie sollten die anderen „myddelyden“ empfinden.162 Ein wichtiger Aspekt der Arbeit war die Selbstversorgung. Im Armenhaus Jüdefeld sollten die Provisoren einmal im Jahr 6 Malter Roggen münsterischen Maßes kaufen, „van welcken roggen se, de prouisoren, den armen broit sollen laten backen“. Ziel war, dass jeder Arme pro Woche drei Pfund Brot habe. Wäre aller Roggen „verbacken vnd verdain“, sollten die Provisoren neuen kaufen. Ebenso verfuhr man mit der Gerste, von der die Provisoren 8 Malter kaufen sollten, damit die Armen daraus Malz („molt“) herstellen und „verbrouwen“ könnten und jeder somit täglich ein Quart Dünnbier („conuents“) erhalte. Ausgenommen davon war aber, wer sich gerade nicht im Hospital aufhielt; das so verbleibende „beer“ sollte für „broit“ und andere „nutticheit“ verwendet werden.163 Arbeit gehörte auch zum Alltag der Kinderhauser Leprosen, die sich mit „browen, backen und der gelyken“ beschäftigten. Aufgrund ihrer Erkrankung waren ihre Arbeitsmöglichkeiten allerdings stark eingeschränkt. Es galt das Gebot, nichts anzutasten, was auch Gesunde zu gebrauchen pflegten.164 Darüber hinaus enthalten die jeweiligen Hausordnungen einige Artikel, die sich so nicht in anderen Rollen finden und wohl aus situativen Missständen hervorgegangene, nachträgliche Ergänzungen darstellen. Die Armen des Antoniushospitals 159 160 161 162 163

164

Antoniushospital, Akten 16, S. 3–5. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. MUB 366. Vgl. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r; MUB 372. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 5v–10r. Armenhaus Jüdefeld, Urk. 13. Der Begriff „conuent“ meint wörtlich Konventsbier, das zusammen mit Konventsbrot der täglichen Ernährung von Klosterbrüdern diente. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 187. Es ist dies ein Verweis auf die klösterliche Lebensgemeinschaft der Armen. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363f.

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V. Soziale Regulierung

sollten etwa, wenn sie zu Vigilien, Seelmessen oder an den Stadtgraben – das Hospital grenzte unmittelbar an denselben – gingen, „eindrechtliken vthgaen vndt oick eindrechtlick wedder to hueß gaen“ oder für einen Tag ihre Mahlzeit missen.165 Die Ordnung des Armenhauses Wessede betont ausdrücklich, dass niemand „ein absonderlich fedr von hollte boten“ sollte, sonst gehe er seines Biers und Brotes verlustig. Auch durfte man niemanden im Haus „bier oder koitt browen laßen“. Ziel beider Regeln war wohl die Verhinderung von Bränden.166 Im Magdalenenhospital galt die Regel, dass jeder seine Präbende persönlich zu empfangen habe und keine Stellvertreter schicken dürfe. Auf ein besonders renitentes Individuum scheint die folgende Bestimmung bezogen: „Item off wellick proventheren ut wesen hadde, undt wer vul, wan de in qweme, dat he darumb berispelt worde, noemede he dan eynen droeß, den sall man syne provende vpsetten sunder gnade.“167

Gegen Trunkenheit ist auch ein Artikel der Ordnung des Armenhauses Zurwieck gerichtet: „Zum siebenden, sie sollen nicht in tabernen zu bier gehen, oder in ander offenbare kröge, dar se drunecken drinken, daß sie strauchelen uft der straßen oder kranck davon werden, dar sie von ouergeven bey verluiß ihrer prouende drey wochen zeits.“168

Gewisse Sonderbestimmungen galten für die Insassen von Kinderhaus und des Antoniushospitals. Sie sind auf den hohen Grad der Spezialisierung beider Institutionen zurückzuführen und sollen in entsprechendem Zusammenhang diskutiert werden. Um ein geordnetes Zusammenleben zu ermöglichen, wurde außerdem Gehorsam gegenüber Höherstehenden erwartet.169 Die Armen hatten aber nicht nur Pflichten, sondern auch Rechte. Und so konnten sie sich bei den Provisoren – nicht 165 166

Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v. „Fedr“ = Fuder; „boten“ = anzünden; „koitt“ = Keutbier. 167 „Außerdem, wenn irgendein Präbender ausgewesen ist und voll wäre, wenn er einkäme, er darum getadelt werde und er dann eine Drohung nenne, dem soll man seine Präbende aussetzen ohne Gnade.“ MUB 168. 168 BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185r–190v. 169 So betont die Rolle des Magdalenenhospitals, dass wann immer der Kirchherr des Hospitals, „den de seyle dar beuollen synt to verwarende“, zum Gottesdienst rufe, die Armen ihm „horsamb“ sein müssen, oder sie verlören ihre Pfründe. MUB 168. Die Armen des Hauses Zurwieck waren dem Hausherrn und der Hausfrau Gehorsam schuldig und sollten ihnen „behülflich“ sein, wann immer sie es begehrten, dabei „nicht unwillig, verdrossen oder murrend seyn“, und zwar bei Strafe einer zweiwöchigen Kostberaubung. Im Gegenzug durften aber auch Hausherr und Hausfrau niemanden „überfallen“, keinen dem anderen vorziehen und niemanden „buten seine schuld“ Ärger machen, sonst verlören sie ihre Präbende, die sie ebenso wie die Armen bezogen, für vier Wochen. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 185r–190v. Auch die Armen des Antoniushospitals mussten gegenüber den Provisoren, dem Amtmann und dem „beuelhebber deß amptmans“ – gemeint ist wohl ein aus dem Kreise der Armen bestimmter Hausherr – „gehorsam vnd underdanich“ sein und ihrem „gebott vnd

4. Verhaltensregeln

233

jedoch direkt beim Stadtrat – auch über den Amtmann beschweren.170 Das wichtigste Recht aber war das Recht auf ihre Pfründe. Wie hoch die Pfründen bemessen waren, wurde in Küchenordnungen festgesetzt. Um 1375 findet sich eine solche etwa im Armenhaus zur Aa.171 Eine auf 1533 datierte Küchenordnung ist auch aus dem Armenhaus Wegesende überliefert. Zur Präbende der Armen gehörten demnach Pottharst, Fisch, Brot, Salz, Grutbier, Roggen, Gerste, Hopfen, Fett, Holz, Kohlen, aber immer wieder auch Bargeld.172 Eine umfangreiche Küchenordnung des Armenhauses der Johanniter ist aus dem Jahre 1538 überliefert.173 Besonders gut ist aber die Überlieferungslage für das Leprosorium Kinderhaus. Aus dem Jahre 1447 ist eine 69 Punkte umfassende Küchenordnung überliefert, ein weniger umfangreicher Vorgänger stammt aus dem Jahre 1365.174 Dieser ist damit die älteste bekannte Küchenordnung münsterischer Armenhäuser. Sie trägt die Überschrift „Dyt is der armenlude recht“, und die Formulierung legt nahe, dass die einzelnen Bestimmungen von den Insassen durchaus einklagbar gewesen sein dürften. Küchenordnungen definierten damit das Recht der Pfründner und zugleich die Pflicht der Spitalleiter. Durch die Verschriftlichung der Zusammensetzung der Pfründe war es den Insassen möglich, ihre Forderungsansprüche zu belegen. Entsprechend wurde auch vermerkt, wenn bestimmte Leistungen nicht einforderbar waren. So sollten die Leprosen etwa am Abend vor Martini ein Mengel Wein und ein Brot im Wert von einem Heller erhalten. Die Küchenordnung von 1365 vermerkte dazu: „Dat ys nyn recht, dan genade“.175

verbott“ folgen, oder sie würden für 14 Tage ihre Pfründe verlieren. Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. 170 Wurde im Antoniushospital „de clage auer den amptman mit warheit beuunden“, würden die Provisoren ihn entsprechend bestrafen. Andernfalls aber würden sie den „anbrenger“ der Klage bestrafen. Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. Teilweise wörtlich angelehnt, insgesamt aber ausführlicher zeigt sich die Rolle der Leprosen. Auch sie hatten bei Ungehorsam mit 14 Tagen Pfründentzug zu rechnen, konnten sich bei den Provisoren aber auch über den Amtmann sowie über die Knechte und Mägde beschweren. Sprächen sie die „waerheith“, waren diese entsprechend zu bestrafen, brächte jemand eine Klage aber „myth loeggen“ an, so sollte er selbst von den Provisoren „myth den scharpsten gestraffet“ werden. Zudem galt, dass sich niemand ohne Wissen der Provisoren „hoger“ beschweren, sich also direkt an den Stadtrat wenden durfte, sonst wurde er von den Provisoren für seine „solffherycheit“ (Selbstherrlichkeit, Eigenmächtigkeit) bestraft. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 366. 171 Ihre Überschrift lautet: „Hyr steyt bescreuen, wat men den armenluden gheuen zal des iares van eren inghelde vppe dat minneste, vnd dyt machmen en beteren, mer men en zals en nicht ergheren.“ Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 25r–25v, hier fol. 25r. Die Datierung erfolgt über die Handschrift, die identisch ist mit jener, die das Rentregister von 1375 verfasste. MUB 232. Vgl. MUB 228. 172 Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 7v–10v. 173 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 12r–58r. 174 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142r–146v; Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 4v–5v. 175 Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 4v.

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V. Soziale Regulierung

Am Recht der Insassen setzte auch ihre Bestrafung an. Wie bereits deutlich geworden ist, bestand die gängige Strafe in den allermeisten Fällen im Entzug der Pfründe für eine bestimmte Zeit. Die Strafgewalt lag dabei beim Amtmann oder, als nächsthöherer Instanz, bei den Provisoren.176 Entsprechend bestimmt die Hausordnung des Armenhauses Wessede, und die Rollen der Häuser Zumbusch und zur Aa folgen dem weitgehend wörtlich: „Vnnd were eth sake, daß jemandt von den suistern diese ordnungh übertretten wurde, die sollen nach gudt duncken der herrn prouisorn ihres biers vnnd brodes ein dagh, zwey, drey oder vier, darna dat gebreck grodt ist, entberen, vnnd so jemandt daß nicht holden wolde, dieselbige sollen die herrn prouisorn deß hauses verwysen vnd entsetzen.“177

Höchstmögliche Strafe war also die Verweisung aus dem Haus. Im Johanniterarmenhaus verhielt es sich ähnlich. Bereits in der Gründungsurkunde von 1472 wurde gefordert, dass wenn sich eine Person „vnuerdrecklick“ zeige, dies „gehen ende“ nehme und sie sich „nicht seggen en lete“, dann solle man sie „myt errer pluserie“ aus dem Haus weisen.178 Die 1538 abgefasste Hausordnung konkretisierte: Wer die Regeln der Rolle breche, der entbehre für ein Mal seines Bieres und seiner Butter; wer sich danach immer noch nicht an die Regeln hielte, den sollten die Provisoren aus dem Haus setzen, und zwar „myth den ghennen, sze daer in ghebracht hebbet“, also mit ihrem eingebrachten Gut.179 Wie die anderen Träger, so hatte auch der Stadtrat Einfluss auf die Hausordnungen der ihm unterstehenden Armenhäuser. Damit hatte er – unter Wahrung der Interessen des Stifters – durchaus die Möglichkeit, in diesen Häusern ein eigenes politisches Sozialprogramm umzusetzen. Die Ähnlichkeiten, die die Hausordnungen unabhängig von ihrer Trägerschaft untereinander aufweisen, lassen die Existenz eines solchen Programms allerdings fraglich erscheinen. Eine obrigkeitlich organisierte soziale Kontrolle und damit erste Ansätze einer Sozialdisziplinierung sind für Münster erst ab 1550 belegbar.180 176

177 178 179 180

Grundsätzlich konnte der Stadtrat als Träger wohl auch selbst Strafen verhängen. 1584 sollte einem Insassen des Magdalenenhospitals nach einem Streit mit den Provisoren auf Ratsbeschluss für 14 Tage seine Schüssel umgedreht, also die Pfründe entzogen werden. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 99. Vgl. auch Gärtner (Magdalenenhospital, 1921, S. 101f.), der betont, dass der Rat über die Pfründner des Magdalenenhospitals als Bürger der Stadt ohnehin volle Jurisdiktion hatte. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v–2r. LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. „Pluserie“ = Plunder, Besitz. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 7v. In diesem Jahr erließ Bischof Franz von Waldeck mit Zustimmung des Domkapitels und des Stadtrates armenpolizeiliche Richtlinien, die die Vorgaben der 1548 erneuerten Reichspolizeiordnung von 1530 umsetzten und nach denen alle Bettler und Müßiggänger sich in ihren Kirchspielen zu versammeln hatten, um über ihre Lebensverhältnisse Auskunft zu geben. Wer sich dem verweigerte, verlor jeden Anspruch auf Bettelei und Almosenempfang und hatte sofort das Land zu verlassen. Wer aber als berechtigter Armer anerkannt wurde, der musste ein Bettelabzeichen tragen und hatte sich alle drei Monate vom Pastor des jeweiligen Kirchspiels einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. Weiterhin wurde die Bettelei stark eingeschränkt. Das Betteln in Kirchen war

4. Verhaltensregeln

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fortan ebenso verboten wie das Betteln außerhalb der gesetzten Zeiten zwischen 8 und 10 Uhr sowie 17 und 18 Uhr. Auffällig ist, dass der Grundgedanke dieser Ordnung weniger fördernden als restriktiven Charakter hatte. Hanschmidt, Armenpolizei, S. 661ff. Auch in zahlreichen anderen Städten zeigten sich nun ähnliche Tendenzen. Ursachen waren wohl die Arbeitsmoral des Protestantismus, ein rational-pragmatisch ausgerichteter Humanismus, ein Umdenken im Katholizismus (Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 31ff.) und nicht zuletzt die Wirtschaftskrise des frühen 16. Jahrhunderts. Damit wurde die Armenfürsorge neben dem Militär und dem ökonomischen Großbetrieb zum dritten – von Max Weber nicht näher untersuchten – „Erzieher zur Disziplin“. Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 686. Vgl. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 360; Sachße/Tennstedt, Armenfürsorge in Deutschland, Bd. 1, S. 31ff.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung Im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit wurden die rechtlichen Grundlagen analysiert, von denen der Stadtrat und andere Institutionsträger ihre Handlungsbefugnisse ableiteten. In den darauffolgenden vier Kapiteln wurde durch einen Vergleich der einzelnen Institutionen gezeigt, wie der Stadtrat und andere Träger diese Befugnisse in administrativer, ökonomischer und sozialer Hinsicht konkretisierten. In den folgenden drei Kapiteln soll nun ein überinstitutioneller Ansatz verfolgt und das Fürsorgesystem in seiner Gesamtheit in den Blick genommen werden. Zunächst geht es dabei um den Spezialisierungsgrad des Systems.1 Am Anfang der städtischen Fürsorge stand das multifunktionale Hospital, dessen Position in Münster das Magdalenenhospital einnahm, das sowohl Armen als auch Pilgern und Kranken offenstand.2 Doch zeigte sich hier parallel zu anderen Städten3 bereits seit dem 13. Jahrhundert eine Tendenz zur Spezialisierung. Mit der Gründung weiterer Hospitäler übernahmen diese neuen Einrichtungen Teilfunktionen des Magdalenenhospitals, bis dieses schließlich kaum mehr war als ein Armenhaus unter vielen. Damit erweist sich die Spezialisierung als ein dialektischer Prozess. Je höher der Grad der Spezialisierung war, um so größer war die Möglichkeit des Niedergangs bei Ausbleiben der Zielgruppe. Wollte man ein Eingehen der Institution vermeiden, so musste ein Funktionswandel eingeleitet werden, der entweder in einer Spezialisierung auf eine andere Gruppe bestand oder in einer allgemeinen Generalisierung. Die Erscheinungsformen der Spezialisierung sind vielfältig. Am grundlegendsten ist wohl die Trennung in Institutionen der offenen und der geschlossenen Fürsorge. Mit der offenen Fürsorge waren acht Institutionen befasst. An ihren jeweiligen Parrochialkirchen angesiedelt waren die Almosenkörbe Überwasser, Martini, Aegidii, Ludgeri und Servatii. Auch der Dom verfügte über eine eigene Elemosine. An der Lambertikirche befanden sich mit dem Heiliggeistkorb Lamberti und der Armenkleidung Lamberti gleich zwei Einrichtungen der offenen Armenfürsorge. Sie leisteten immer wieder situative Einzelhilfe. Ihre wichtigste Aufgabe aber – abgesehen von der Domelemosine – bestand in der Verteilung von Spenden an ihrer 1

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Der Begriff der Spezialisierung, der hier auch auf die offene Armenfürsorge angewendet werden soll, ist neben dem der Kommunalisierung längst zu einem Schlagwort innerhalb der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hospitalsforschung geworden. Matheus (Funktions- und Strukturwandel, S. X) verwendet ihn ebenso wie Boedecker (Die Entwicklung der Hamburgischen Hospitäler, S. 387f.), Klein (Das Saarbrücker Spitalwesen, S. 178) und Schedensack (Armenhaus zur Aa, S. 175). Seltener ist der Begriff der Differenzierung, der von Brans (Hospitäler, Siechen- und Krankenhäuser, S. 7), Bog (Arme und Armenfürsorge in Oberdeutschland, S. 987) und ebenfalls von Matheus (Funktionsund Strukturwandel, S. X) verwendet wird. In eine ähnliche Richtung geht Jütte (Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 334), wenn er die Tendenz, Leistungen zunehmend von den individuellen Bedürfnissen der Empfänger abhängig zu machen, als einen Prozess der Individualisierung bezeichnet. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2v–3r. Matheus, Funktions- und Strukturwandel, S. X.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Parrochialkirche.4 Den höchsten Spezialisierungsgrad zeigte dabei die Armenkleidung Lamberti, die sich – wie der Name sagt – auf die Austeilung von Kleidung an Bedürftige konzentrierte. Anders als Institutionen der offenen Fürsorge verfügten jene der geschlossenen Fürsorge über eigene Bauten und boten den Bedürftigen – oftmals lebenslang – Unterkunft und ein gesichertes Auskommen. Die Tendenzen einer weitergehenden Spezialisierung treten hier deutlicher zutage. So wird etwa unterschieden zwischen wohlhabenden Oberpfründnern und gratis präbendierten Gottesarmen, eine Differenzierung, die besonders in der Teilung des Magdalenenhospitals in Oberhaus und Unterhaus deutlich wird. Weiterhin wurde unterschieden in Armenhäuser für Männer und für Frauen, wobei Ratsinstitutionen zumindest grundsätzlich beiden Geschlechtern offenstanden. Ein weiteres Unterscheidungskriterium waren Bürger und Nichtbürger sowie Gesunde und Kranke. Für letztere gab es wiederum unterschiedliche Institutionen für Leprose und Pestkranke. Institutionen, die sich speziell um die Versorgung von Kindern bemühten, fehlten im spätmittelalterlichen Münster. Erst 1592 wurde im Wegesende ein Waisenhaus eingerichtet.5 Bis dahin waren Waisenkinder auf familiäre Netzwerke und die situative Unterstützung von Almosenkörben angewiesen.6 4

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An der Martinikirche geschah dies um 1400 mit etwa einmonatigem Abstand zehn Mal im Jahr. Die Austeilungen erfolgten an Epiphanias Domini (6. Januar), Cathedra s. Petri (22. Februar), Annunciatio Marie (25. März), Inventio Crucis (3. Mai), Ascensio Domini (zwischen 30. April und 3. Juni), Johannes Baptist (24. Juni), Mariae Himmelfahrt (15. August), Exaltacio Crucis (14. September), Allerheiligen (1. November) und Andreas (30. November). MUB 373. Weitaus häufiger erfolgten die Austeilungen des Heiliggeistkorbes an der Lambertkirche. Als dieser nach der Eroberung der Stadt die Brotverteilungen 1537 wieder aufnahm, ließ er sie an jedem Sonntag stattfinden und bezahlte dem Powell Becker dafür jedes Mal 11 ½ Schillinge. Speckpfründe Lamberti, Akten 5, fol. 22v. Spätestens ab 1458 betätigte sich der Heiliggeistkorb Lamberti außerdem in der Vergabe von Speck an eine feste Empfängergruppe. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Familie Mensing, Urk. 23. Seinem Vorbild folgte spätestens 1503 auch der Almosenkorb Ludgeri. BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Karton 35, Kopiar der Speckpfründe Ludgeri. Waisenhaus Wegesende, Urk. 7. So erließ der Stadtrat am 21. Dezember 1371 wohl in Reaktion auf den Normierungsdruck, den die Pest ausgelöst hatte, Statuten, die auch die Vormundschaft von Waisenkindern regelten. Demnach sollte niemand Vormund von Kindern werden, „den er vader unde er moder afstorven“, außer der nächste Verwandte „van der swertsyden“, also männlicherseits. Dieser sollte die Kinder zu sich nehmen und gut versorgen und den Verwandten („maghen“) eine Versicherung leisten, dass er deren Besitz nicht begehrte. Von diesem sollte er sich allein zur Finanzierung der täglichen Ausgaben „vor kost und kledere“ bedienen. Darüber sollte der Vormund den Verwandten jährlich Rechenschaft ablegen. Entstanden Streitigkeiten, waren Bürgermeister und Schöffen hinzuzuziehen. Fand sich in patrilinearer Abstammung kein geeigneter Vormund, sollte der Rat zwei fähige Männer dazu verpflichten, bis das Kind „to synen jaren bequeme“. MUB 212, Artikel 11–14. Unterstützung seitens der offenen Armenfürsorge erhielten Waisenkinder außerhalb der Stadt im Jahre 1540. Der entsprechende Eintrag in der Jahresrechnung der Domelemosine lautet: „Jtem adhuc pro pauperibus pueris orphanis extra ciuitatem xvj s.“. BAM, Domarchiv XIV, A 36/1, RB 1540, fol. 13r. Nach Auffassung des Pfarrers

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Zumeist werden unter dem Begriff der Spezialisierung nur jene Institutionen mit einem besonders hohen Spezialisierungsgrad gefasst, der andere Funktionen ausschloss. Dies trifft insbesondere auf Institutionen für Leprose und Pestkranke zu, die aufgrund ihrer Erkrankung von anderen Bedürftigen isoliert untergebracht werden mussten, aber auch auf Institutionen für Pilger und Reisende, die nur für kurze Zeit eine Unterkunft benötigten und denen viele andere Einrichtungen aufgrund deren Spezialisierung auf Bürger der Stadt nicht offenstanden.7 In Münster dürften in diesem engeren Sinne acht Institutionen als Spezialeinrichtungen zu bezeichnen sein. Es sind dies das Hospital in der Venne, das Marienhospital, Kinderhaus, das Antoniushospital, das Gasthaus und die drei Elenden. Tatsächlich scheint es, dass das münsterische Fürsorgesystem gerade aufgrund seines dezentralen Charakters ein hohes Maß an Spezialisierung ermöglichte. Sechs der acht Institutionen befanden sich unter der Aufsicht des Stadtrates und waren stadtweit tätig, fünf von ihnen waren wohl Ratsgründungen. Allein die drei Elenden gingen auf die Initiativen einzelner Stifter zurück. Die Elenden Überwasser und Lamberti unterstanden dabei, wenngleich ihre Gründungsurkunden vom Stadtrat ausgefertigt wurden, der Trägerschaft ihres jeweiligen Kirchspiels und waren auch nur innerhalb der Grenzen desselben aktiv. Die erste Elende aber, die im Kirchspiel Aegidii gegründet wurde, stand unter Ratsträgerschaft und war stadtweit tätig. Die Gründung der Elenden Überwasser und Lamberti zeigt also weniger eine Schwächung der Gestaltungsmöglichkeiten des Rates als eine vom Rat durchaus gewollte parrochiale Spezialisierung nach dem Prinzip der Subsidiarität. Grundsätzlich besetzte der Rat damit als Träger alle relevanten Positionen des Fürsorgesystems. Hätten alle nicht unter seiner Trägerschaft stehenden Institutionen niemals existiert, so wäre dies quantitativ zwar ein großer Mangel gewesen, eine bezüglich der funktionalen Breite qualitative Einschränkung des Systems hätte dies allerdings kaum bedeutet. Damit erweist sich die Spezialisierung insbesondere als ein Projekt des Stadtrates.8

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W. Mennemann deute der Name Kinderhaus auf eine Auffangstation für Kinder mit ansteckenden Krankheiten. Schütte, Patrozinien der alten Pfarrkirchen, S. 65ff. Tatsächlich ist in Deutschland kein einziges Leprosorium belegbar, das allein Kinder aufnahm. Der Name verweist vielmehr auf die Aufnahme von armen oder kranken Menschen, die im Mittelalter aufgrund ihrer Unselbständigkeit als Kinder bezeichnet werden konnten. Schulze, Kinderhaus im Wandel der Zeiten, S. 18; Crabus, Kinderhaus 1333–1533, S. 80. Klein (Das Saarbrücker Spitalwesen, S. 178) nennt in diesem Zusammenhang Leprosorien, Elenden und Pfründnerhäuser, Brans (Hospitäler, Siechen- und Krankenhäuser, S. 7) nennt Pilgerhospitäler, Pfründnerhäuser und Institutionen für Kranke. Im Bereich der Krankenpflege spricht Matheus (Funktions- und Strukturwandel, S. X) von Leprosorien, Pest- und Blatternhäusern. Krug-Richter (Fasten und Festmahl, S. 41) nennt für Münster die Elenden und das Gasthaus „spezielle Einrichtungen“, Black (Speckpfründe Ludgeri, S. 299) nennt Leprosen-, Pest-, Gast- und Waisenhäuser. Entsprechend ist Bog (Arme und Armenfürsorge in Oberdeutschland, S. 987) also eindeutig zuzustimmen, wenn er schreibt: „Es ist wahrscheinlich, dass sich die Hypothese bestätigen ließe, die Differenzierung der Funktionen dokumentiere schon im 14. Jahrhundert den planenden Einfluss der städtischen Verwaltung.“

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

1. Die Zielgruppe der Pilger, Fremden und Reisenden In der Mitte des 13. Jahrhunderts betrieben die Fürsten und Bischöfe einen massiven Ausbau der Landesherrlichkeit. Immer wieder kam es zu Fehden, die nicht zuletzt das städtische Bürgertum bedrohten. 1245 schlossen sich die Bischöfe von Münster und Osnabrück in einem Bündnis zusammen, das insbesondere gegen die Städte gerichtet war. Hinzu kamen zunehmende Übergriffe seitens der Ritterschaft auf reisende Bürger. Als Reaktion auf diese Gefahrenlage kam es 1246 zu einem Bündnis zwischen Münster und Osnabrück, dem später auch Minden beitrat. Zudem schlossen sich in Reaktion auf die Fehde zwischen den Bischöfen von Köln und Soest, die ganz Westfalen in Mitleidenschaft zog, die Städte Münster, Dortmund, Soest und Lippstadt 1253 zum Werner Bund zusammen, der nur zwei Jahre später im Rheinischen Bund aufging.9 In diesem Zusammenhang ist wohl auch die Gründung des Hospitals in der Venne zu sehen. Am 8. Juli 1242 übertrugen der „nobilis vir“ Wicboldus de Holte und sein Sohn Hermannus dem Magdalenenhospital die beiden Höfe Westendorpe und Bentlaghe. Die Höfe hatte ihnen zuvor ihr Lehnsmann, der Ritter Ludolphus de Amelincburen, mit Zustimmung seiner Erben aufgelassen. Der Hof Benthlage lag im Kirchspiel Amelsbüren und in der Bauerschaft Wilbrenning.10 Er dürfte fortan zum Unterhalt des Venner Hospitals gedient haben. Etwa fünf Kilometer südsüdwestlich, aber noch im selben Kirchspiel befand sich wohl der Hof Westendorpe, auf dessen Grund in der Folgezeit das Hospital selbst errichtet worden sein dürfte.11 Das damit angestoßene Projekt konnte auf einem breiten Konsens von Stadtrat, Domkapitel und Ritterschaft aufbauen.12 Auch scheint das Unternehmen nicht gegen den Willen des Bischofs Ludolf de Holte (1226/47) gewesen zu sein.13 9 Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 37–40. 10 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 5r–5v; MUB 8; WUB 3, Nr. 398; MUB, S. 336. 11 So auch Börsting/Schröer, Handbuch des Bistums Münster, Bd. 1, S. 13. Eine Identität mit dem noch einmal zehn Kilometer in südsüdwestlicher Richtung entfernten und noch heute existenten Gut Westrup ist aufgrund der hohen Entfernung wohl auszuschließen. 12 Wicboldus de Holte (1221/56) war Bruder des Wilhelmus de Holte, der von 1238 bis 1257 Dompropst in Münster war. Tatsächlich wurde die Kaufurkunde nicht nur von Wicboldus, sondern auch von Wilhelmus besiegelt. Präsenz zeigt der Dom außerdem durch die Zeugenschaft des Franco celarius und des prepositus Hermannus. Anwesend waren zudem die Ritter Hermannus de Mase und Henricus de Emesbroke, ein gewisser Bertrammus, Kanoniker an der Martinikirche, sowie ein „Lutbertus civis Monasteriensis, qui dicitur clericus“. Es dürfte sich dabei um Lubbertus Clericus (Kerckerinck) handeln, der 1239 und 1250 als Schöffe belegt ist und diese Funktion wohl auch bei Abfassung der Urkunde erfüllt hat. WUB 3, Nr. 356; MUB 14. Lambacher (Patronatsrecht, S. 21) stellt dagegen die Frage, ob er identisch mit dem 1255 erstbelegten Lutbertus, Priester in der Venne, gewesen sein könnte. 13 Dies ist nicht nur anzunehmen, weil der Bischof ein Bruder des Wicboldus de Holte war, der sich, handelte er gegen den Bischof, durchaus in familiäre Verlegenheit gebracht hätte, sondern auch, weil der Bischof wohl noch weitestgehend die Trägerschaft über das Magdalenenhospital innehatte. Zu den Verwandtschaftsverhältnissen der Familie von Holte siehe WUB 3, Register, S. 63f.

1. Die Zielgruppe der Pilger, Fremden und Reisenden

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Das Jahr 1245 stellte durch das Bündnis der Bischöfe von Münster und Osnabrück gegen die Städte zweifellos einen Wendepunkt dar, der auch die Zugriffsmöglichkeiten des Bischofs auf das Magdalenenhospital beschränkt zu haben scheint. Die Ausstattung des Venner Hospitals wurde aber weiter betrieben. Die Initiative lag dabei offenbar beim Magdalenenhospital, das in den Kreisen des Adels um Unterstützung warb. Am 7. März 1247 verkaufte Thidericus, Graf von Isenberg, dem „hospitali infirmorum in Monasterio sito“ für 54 Mark drei Häuser in Westrup im Kirchspiel Amelsbüren samt ihren Eigenhörigen und Zubehörigkeiten. Er handelte dabei, wie es in entsprechender Urkunde heißt, „ad instanciam provisoris eiusdem Alexandri“.14 Neben dem Haupthof Westendorpe war das Magdalenenhospital nun also auch im Besitz dreier weiterer Häuser auf dem Hofgut. Spätestens jetzt wurde das Hospital errichtet und dem Patronat Johannes des Täufers unterstellt. Erstmals Erwähnung findet es anlässlich der Gewährung weiterer Rechte für einen bereits dort installierten hospitaleigenen Geistlichen im Jahre 1249. Wilhelmus, Propst zu Sankt Mauritz und Archidiakon in Amelsbüren, sowie Godefridus de Rechethe, Vicedominus der Kirche zu Münster, verkündeten urkundlich: „Sciant presentes et posteri non ignorent, quod nos ducti pietatis affectu et proborum virorum precibus inclinati de consensu et voluntate Lutberti pastoris in Amelincburen hospitali beati Johannis, quod situm est in loco, qui dicitur Vene, in parrochia Amelincburen auctoritate iuris nostri duximus indulgendum, ut sepultura et baptisterio gaudeat speciali ea forma, ut sacerdos eidem loco deputatus homines morientes in domibus dicti hospitalis sepelire et parvulos ibidem natos licite valeat baptizare.15

Besiegelt wurde die Urkunde nicht nur von den beiden Ausstellern, sondern auch vom Rat der Stadt Münster, der inzwischen den bedeutendsten Machtfaktor innerhalb der Stadt darstellte. Tatsächlich waren die erwähnten rechtschaffenen Männer, auf dessen Betreiben die Rechte gewährt wurden, wohl die Ratsherren. Sie waren es auch, die fortan das Präsentationsrecht ausübten16 und zweifellos auch für die Ausstattung des Benefiziums verantwortlich zeichneten.17 Die Zustimmung des Amels14 „Auf Drängen dessen Provisors Alexander“. Zuvor hatte er sich die Zustimmung seiner „dominorum et patruorum“ eingeholt. Dies waren Engelbertus, Bischof von Osnabrück, Bruno, der Propst der Osnabrücker Kirche, Philippus, kölnischer Thesaurar, Wilhelmus de Isenberg und Adolphus de Holte, der Bruder der bereits genannten Wicboldus, Ludolfus und Wilhelmus. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 3v; WUB 3, Nr. 465; MUB 10. 15 „Die Lebenden sollen wissen und die Künftigen sollen nicht missachten, dass wir, geleitet vom Gefühl der Frömmigkeit und wohlgestimmt durch die Fürbitten rechtschaffener Männer, mit Einvernehmen und Zustimmung des Lutbertus, Pastor in Amelsbüren, dem Hospital des heiligen Johannes, das gelegen ist am Orte genannt Vene im Kirchspiel Amelsbüren, im Einklang mit unseren Vollmachten nachsichtig verfügt haben, dass man sich über das Begräbnisrecht und das Taufrecht freuen möge, in dieser besonderen Weise, dass der diesem Ort zugewiesene Priester in der Lage sei, die in den Häusern des genannten Hospitals versterbenden Menschen zu beerdigen und die ebendort geborenen Kinder rechtmäßig zu taufen.“ Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 1. 16 Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4. 17 Lambacher, Patronatsrecht, S. 23.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

bürener Pastors war erforderlich, da der Akt eine Einschränkung seiner bisherigen Pfarrrechte bedeutete. Erstmals erwähnt ist hier der Name Venne, der sich aus dem nahegelegenen Moor ableitete. Die gewährten Rechte lassen erste Rückschlüsse auf die Funktion des Hospitals zu. Die Lage – isoliert im Venner Moor, weit außerhalb der Stadt Münster, aber an der stark frequentierten Straße nach Dortmund, die das Sammeln von Almosen erlaubte – scheint auf den ersten Blick für eine Nutzung als Leprosorium zu sprechen. Auch das Patrozinium Johannes des Täufers ist für andere Leprosorien belegt.18 Doch werden Leprose in der Venne, anders als etwa in Kinderhaus, wo dies regelmäßig geschieht, kein einziges Mal erwähnt, ja nicht einmal irgendeine dauerhaft dort lebende Gruppe von Bedürftigen. Für ein Leprosorium ungewöhnlich sind auch die mit 14 Kilometern sehr große Entfernung zur Stadt und die sonst obligatorische, hier aber fehlende Nähe zu einem Bachlauf.19 Auch die Gewährung des Taufrechtes scheint eher gegen eine Nutzung als Leprosorium zu sprechen. Eine Taufe von Leprosen dürfte kaum anzunehmen sein, waren Leprose doch – auch wenn man die Regel in der Frühneuzeit lockerer handhabte – zu unbedingter Enthaltsamkeit verpflichtet.20 Wahrscheinlich bezog sich das Taufrecht nicht auf die Hospitalinsassen, die wohl im 1242 erhaltenen Hofgebäude untergebracht waren, sondern auf die Eigenhörigen der dem Hospital unterstehenden Häuser, die 1247 erworben wurden und der Ausstattung des Hospitals dienten. Auch dies ist in Bezug auf eine Deutung als Leprosorium problematisch, widerspricht es doch dem auf dem Dritten Laterankonzil von 1179 erlassenen Gebot, das für Leprosorien einen eigenen Geistlichen forderte, der, um die Infektion Gesunder zu vermeiden, nicht darüber hinaus tätig werden sollte. Mit der 1249 gewährten Bestimmung dürfte eine hinreichende Isolation der Leprosen schlicht nicht mehr möglich gewesen sein.21 Es ist deshalb ein anderer Zweck des Hospitals anzunehmen, wie zu zeigen sein wird. In der Folgezeit erfuhr das Hospital weitere wirtschaftliche Unterstützung seitens des Domkapitels und des Adels. Am 7. August 1250 wiesen der Propst Wilhelmus, der Dechant Stephanus und das gesamte Domkapitel, geleitet vom Gefühl der Frömmigkeit („ducti pietatis affectu“), dem „hospitali sancti Johannis in Vene“ einen Acker zu, der einem dem Dom eigenhörigen Hof in Albachten zugehörig war. Als Gegenleistung sollte das Hospital jährlich auf Martini 4 Schillinge an den Hof in Albachten zahlen. Das Domkapitel stellte dabei eine aufschlussreiche Bedingung:

18 Tibus, Stadt Münster, S. 313; Risse, Leprahäuser im Raume Münster, S. 193, der hier das erste Leprosorium Westfalens sieht. 19 Belker, Lepra und Leprosenhäuser, S. 672. Tibus (Stadt Münster, S. 311) spricht von einer 2 ½ stündigen Entfernung. 20 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 252–256; Niedermeier, Soziale und rechtliche Behandlung der Leprosen, S. 83. Heuer (750 Jahre Venne, S. 13) und Börsting/Schröer (Handbuch des Bistums Münster, Bd. 1, S. 13) schlussfolgern also wohl fälschlich, Le­ prose hätten hier mit ihren Familien gelebt. 21 Menn, Deutschlands erstes Lepramuseum, S. 146; Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 4f. Dies ist freilich nur ein normatives Argument. Inwieweit man sich dem in der Praxis verpflichtet fühlte, bleibt dahingestellt.

1. Die Zielgruppe der Pilger, Fremden und Reisenden

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„Verumtamen si divinum officium in hospitali predicto non substiterit, volumus, ut dictus ager ad ecclesiam nostram sine contradictione qualibet revertatur.“22

Die Sorge des Domkapitels erscheint nachvollziehbar, denn noch verfügte das Hospital über keine eigene Kapelle. Der Hospitalspriester, dessen Rechte 1249 auf die umliegenden Häuser ausgeweitet wurden, hielt seinen Gottesdienst im Hospitalgebäude.23 Eine langfristige und adäquate geistliche Betreuung sowohl der Insassen als auch der Eigenhörigen des Hospitals schien damit nicht ausreichend gesichert. Die Befürchtungen des Domkapitels waren letztlich dieselben, die 1285 Bischof Everhardus im Falle des Magdalenenhospitals äußerte. In Anbetracht der Trägerschaft des Rates befürchtete dieser eine sich aus der Trägerschaft des Rates ergebende Säkularisierungstendenz zum Nachteil der Kirche.24 Und in der Tat befand sich auch das Venner Hospital trotz Unterstützung von verschiedensten Seiten in Ratsträgerschaft.25 Die Befürchtungen des Domkapitels erwiesen sich indes als unbegründet; die finanzielle Ausstattung des Priesters nahm Gestalt an, als Engelbertus, „comes de Marcha“, am 2. März 1252 auf Bitten des Hinricus, „burchravius de Rechede“, der „capelle in Vene“ das Eigentumsrecht an dem Haus des erwähnten Hinricus übertrug.26 Die Gründung des Venner Hospitals ist nicht isoliert zu sehen. Am 17. Juli 1253 schlossen sich die Städte „Munster, Dorpmunde, Soist und Lippe“ im Werner Bund zusammen. Dies geschah „umb mannichvoldiger noet und reddelycker saeke willen, de uns stedeliken yn gevengnissen, berovyngen und vellen anderen unrechtverdingen besweryngen ofte lasten anverdighende eder tokomen synd“. Einer der Artikel, auf die man sich einigte, lautet wie folgt: „Vortmer weret, dat unser borger desser sted(e) vorgeroert yn eyne ander unser vorg. stede welck queme, de umb openbaer fruchten willens synes lyves und gudes van dannen

22 „Wenn aber der Gottesdienst in vorgenanntem Hospital nicht mehr gehalten wird, wollen wir, dass besagter Acker an unsere Kirche ohne irgendeinen Widerspruch zurückgegeben wird.“ Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 2; WUB 3, Nr. 625 (mit falscher Datierung); MUB 13. 23 Dagegen sieht Heuer (750 Jahre Venne, S. 107) gerade hier die Existenz einer Kapelle belegt. 24 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 6v–7r; WUB 3, Nr. 1264; MUB 40. Vgl. Kap. I.2. 25 Dies beweist eine Urkunde, die auf den 10. Juni 1252 datiert ist. Sie bezeugt, dass Propst, Dechant und Kapitel des Doms zu Münster dem Hospital zum heiligen Johannes in der Venne ein zu ihrem Hof Suthof gehöriges Torfmoor („palus Strietland“) übergeben haben. Dafür sollten die Provisoren des Hospitals – gemeint sind wohl parallel zum ursprünglichen Verwaltungsmodell des Magdalenenhospitals der Priester und ein Prokurator – am Martinstag an besagten Hof eine Abgabe von 3 Schillingen leisten. Als Aussteller und Verkäufer setzte der Dompropst sein Siegel unter die Urkunde. Da sich das Hospital aber zu einer langfristigen Zahlung verpflichtete, ist hier auch die Zustimmung des Trägers zu erwarten, und in der Tat findet sich neben dem Siegel des Dompropstes das des Stadtrates. WUB 3, Nr. 538. Den Stadtrat als eigentlichen Gründer des Hospitals sehen auch Lahrkamp (Patronatsrecht, S. 216) und Kirchhoff (Marienhospital, S. 131). 26 Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 3; WUB 3, Nr. 551; MUB 15.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

nicht teyn en dorste, de borger der stat, dar he also ynne bevruchtet wer, sullen en geleiden und vortbrengen wynte up de stede, dar en syne eigene medeborger secker entfaen mogen.“27

Bürger, die sich vor Übergriffen in eine der verbündeten Städte flüchteten, sollten demnach „wynte up de stede“ gebracht werden, wo sie von ihren eigenen Bürgern empfangen würden. Die lateinische Entsprechung für „stede“ ist „locus“, und tatsächlich lag das Hospital „in loco qui dicitur Vene“.28 Damit könnte das Hospital tatsächlich ein Übergangsquartier für bedrohte Bürger aus der eigenen Stadt gewesen sein, eine Funktion, die durchaus auch schon vor dem Bündnisschluss praktiziert worden sein könnte. Die Verbindung des Hospitals mit einer Kapelle dürfte dabei wohl auch mit dem Ziel erfolgt sein, die Flüchtlinge mit kirchenrechtlichen Mitteln vor Übergriffen zu schützen. Die Argumentation ist allerdings nur stichhaltig, wenn für die Bündnisstädte ähnliche Einrichtungen nachweisbar sind. Dortmund verfügte seit 1250 über ein „Gracht“ genanntes Leprosorium. Es war eine Ratsgründung und lag einen Kilometer vor dem Ostentor und damit am Hellweg in Richtung Soest. Auch das Soester Leprosorium wurde 1250 gegründet. Es lag zwei Kilometer vor der Stadt am Hellweg in Richtung Dortmund. Es sind dies tatsächlich die ältesten Leprosorien ihrer Region. Umso erstaunlicher sind ihre Gemeinsamkeiten. Nicht nur lagen alle drei Institutionen an einem Hellweg und waren einander zugewandt – das Münsterische und Soester Hospital nach Dortmund, das Dortmunder nach Soest – auch das Patrozinium war mit dem Einsiedler Johannes dem Täufer in allen drei Fällen identisch und durchaus passend gewählt. Zudem standen alle drei Hospitäler in Ratsträgerschaft.29 Es scheint, als sei die Zusammenarbeit der Städte Münster, Soest und Dortmund bereits 1250 in die Wege geleitet worden, als Soest und Dortmund dem älteren Vorbild Münsters folgend eine Auffangstation für die eigenen Bürger schufen. Wenngleich der langfristige Aufenthalt in Leprosorien für einen gesunden Bürger ein Problem dargestellt hätte, so nahmen die Städte Soest und Dortmund einen kurzfristigen Aufenthalt wohl billigend in Kauf. Nicht so die Stadt Münster. Auch wenn das Hospital in der Venne ähnlich seinen Nachahmern ursprünglich als Le­ prosorium geplant gewesen sein mag, so scheint man dieses Ziel doch spätestens seit 1249 nicht weiter verfolgt zu haben. Es ist durchaus möglich, dass das Hospital in 27 „Fortmehr wäre, dass wenn ein Bürger dieser vorgenannten Städte in eine andere unserer vorgenannten Städte käme, aus der er sich aus offenbarer Furcht um sein Leben und sein Gut nicht von dannen zu ziehen getraue, die Bürger der Stadt, in der ihn die Furcht überkam, ihn geleiten und fortbringen sollen bis zu der Stätte, an der ihn seine eigenen Mitbürger sicher empfangen mögen.“ MUB 16. Da der Fall im Singular geschildert wird („he“, „en“), steht zweifellos auch „stede“ im Singular und ist also mit „Stätte“ und nicht mit „Städte“ zu übersetzen. Für diesen Hinweis danke ich Dr. Ralf Klötzer. 28 Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 1. 29 Belker/Menn, Lepra in Westfalen, S. 11; Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 4f.; Weyland, Lepra- und Pesthäuser, S. 18, S. 24f., S. 34f.; Jankrift, Streiflichter auf die Normsetzung, S. 10; Liese, Westfalens alte und neue Spitäler, S. 149. Lippstadt beteiligte sich an der Kooperation offenbar nicht. Erst 1365 ist ein Leprosorium mit Matthiaskapelle belegbar. Weyland, Lepra in Westfalen, S. 56.

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der Venne ebenso wie seine Parallelgründungen ursprünglich als Leprosorium geplant war. Dies könnte auch die anfängliche Intervention des Magdalenenhospitals erklären, das seine Multifunktionalität zunehmend aufgab und insbesondere an der Auslagerung von im Magdalenenhospital nur begrenzt isolierbaren Leprosen interessiert gewesen sein dürfte. Spätestens im Zuge der Auseinandersetzungen mit dem Bischof verschob sich bis 1249 allerdings die Interessenlage, und der Schwerpunkt wurde nun allein auf den Schutz gefährdeter Reisender gelegt. Es mag der zu hohe Spezialisierungsgrad ein Grund gewesen sein, weshalb das Hospital in der Venne nur kurzfristig Bestand hatte. Es scheint geschlossen worden zu sein, als der Werner Bund 1255 – wohl auf Initiative der Stadt Münster – im Rheinischen Bund aufging.30 Im selben Jahr verkündete Willelmus, Propst von Sankt Mauritz, in seiner Funktion als Archidiakon von Amelsbüren: „Propter incrementum capelle sancti Johannis Baptiste, que sita est in Vene, necnon propter commodum hominum ibidem degentium, ut ei devociores et frequenciores in divino persistant officio, de voluntate pariter et consensu Lutberti rectoris ecclesie in Amelincburen statuimus et ordinamus, ut domus iuxta Kanen sita, quam Richardus inhabitavit, et alie domus sive case inter Kanen et Vene posite vel ponende pertineant ad capellam memoratam, et inhabitatores earundem a sacerdote ipsius capelle recipiant ecclesiastica sacramenta, et post obitum ibidem habeant ecclesiasticam sepulturam.“31

Da das Hospital offenbar nicht mehr bestand – es wird weder hier noch irgendwann wieder erwähnt – hatte man sich also entschlossen, dem dort ansässigen Priester einen eigenen Pfarrbezirk einzurichten, der nicht nur die dem einstigen Hospital eigenhörigen Häuser umfasste, sondern bis an das nahe Münster gelegene Haus Kannen heranreichte.32 Das Ende des Hospitals bedeutete auch, dass Hospitals- und Kirchenvermögen voneinander getrennt und die Ausstattung des Priesters neu or30 Börsting/Schröer (Handbuch des Bistums Münster, Bd. 1, S. 14f.) vermuten hingegen, dass das Hospital sich im Besitz des Rektorats befand, im Zuge des Rückgangs der Lepra im 16. Jahrhundert einging und die ehemaligen Bewohner zu Pächtern und Eigenhörigen des Pastorats geworden sind. Die später in der Venne erwähnten „armen hueßlüden“ (Heuer, 750 Jahre Venne, S. 13) sind keine Hospitalinsassen, sondern verarmte Hausbewohner. 31 „Zum Wachstum der Kapelle St. Johannis Baptist, die in der Venne gelegen ist, wie auch zur Bequemlichkeit der dort lebenden Menschen, da sie mit häufigen Bitten auf dem Gottesdienst bestehen, beschließen wir und ordnen mit dem Wohlwollen und der Zustimmung Lutberts, des Rektors der Kirche in Amelsbüren, an, dass das neben Kannen gelegene Haus, das Richardus bewohnte, und die anderen zwischen Kannen und der Venne gelegenen oder zu errichtenden Häuser oder Wohngebäude der erwähnten Kapelle zugeteilt werden und ihre Einwohner vom Priester dieser Kapelle die kirchlichen Sakramente erhalten und nach ihrem Tod daselbst ein kirchliches Begräbnis haben sollen. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 5; WUB 3, Nr. 582; MUB 17. 32 Dies bedeutete eine weitere Einschränkung des Amelsbürener Pfarrers, der deshalb seine Zustimmung erteilen musste. Der Umfang der Pfarrei blieb mit 1338 Morgen gering. 1809 umfasste sie gerade elf Haushalte mit 55 Personen, entwickelte sich bis 1372 aber zum bestausgestatteten Benefizium, das der Stadtrat zu vergeben hatte. Tibus, Gründungsgeschichte, S. 685; Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 216; Börsting/Schröer, Handbuch des Bistums Münster, Bd. 1, S. 16. Offenbar war der hier vollzogene Akt eine Notlösung.

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ganisiert werden musste. Der Stadtrat beauftragte den von ihm eingesetzten Inhaber des Priesteramtes, einen gewissen Lutbertus, mit der Aufsetzung einer entsprechenden Urkunde und bestätigte das Resultat am 4. Oktober 1255 in der Ratsversammlung („in nostro consistorio”) mit dem Stadtsiegel.33 Während die Einkünfte des Hofes Bentlaghe dem Priester zukommen sollten, fiel der Hof Westendorpe, auf dem wohl das Hospital errichtet war, gemeinsam mit den drei dabei gelegenen Häusern zurück an das Magdalenenhospital. Noch 1501 befand er sich – anders als Bentlaghe – in dessen Besitz.34 Zur weiteren Ausstattung des Priesters gehörte unter anderem die Hälfte der Spenden an Wachs und Weihrauch („cera et thure“), die aus zwei nicht überlieferten Stiftungen stammten. Nicht mit eingerechnet war dabei, was für das Licht in der Kapelle verwendet werde. Die übrigen Spenden sollten zur Verbesserung des Weges („in emendationem vie“) verwendet werden. Ebenfalls der Wegbefestigung – und nicht etwaigen Hospitalinsassen! – sollten alle Spenden dienen, die „ibidem in truncum“ anfielen. Gemeint ist ein Spendenblock, an dem die auf dem Hellweg zwischen Münster und Dortmund verkehrenden Reisenden und Pilger ein Opfer bringen konnten. Über ähnliche Einrichtungen verfügten auch das Antoniushospital und das Leprosorium Kinderhaus, die ebenfalls außerhalb der Stadtmauern lagen. Der schlechte Zustand des Weges, dessen regelmäßige Wiederherstellung einen Großteil der anfallenden Spenden band, impliziert einen weiteren Grund für das schnelle Ende des Venner Hospitals: Es lag an einem nur begrenzt zu befestigenden Straßenabschnitt zwischen dem Venner Moor im Westen und dem Feuchtgebiet der Davert im Osten, sodass der Verkehr durch Überschwemmungen oft beeinträchtigt gewesen sein dürfte.35 33 Demnach sollte Lutbertus ein Anrecht auf die vierte Garbe aus dem Haus haben, das zur Zeit ein gewisser Hinricus bewohnte. Zweifelsfrei handelt es sich dabei um Hinricus de Rechede, der sein Haus 1252 explizit der Kapelle übergeben hatte. Das Wohnrecht behielt sich Hinricus offenbar vor, und so sollte die vierte Garbe auch in dessen Haus verbleiben. Lutbertus erhielt dafür als Ersatz jährlich zwei Strohwagen, könne aber auch, wenn dies besser wäre, zwei Stück Vieh davon weiden lassen. Die vierte Garbe des „alterius vero domus ibidem site“ könne er aber lagern, wo er wolle. Dieses zweite eigenhörige Haus dürfte der Hof Bentlaghe gewesen sein. Die Hälfte all dessen, was Lutbertus selbst in sein Benefizium eingebracht habe und was er in Zukunft noch erwerben werde, das sollte nach seinem Tode dem heiligen Johannes, also der seinem Patronat unterstehenden Kapelle zukommen. Über die andere Hälfte seines Besitzes dürfe er testamentarisch frei verfügen, und so bestimmte Lutbertus seine Verwandten Herman, Gerhard und Gertrud zu seinen alleinigen Erben. Kapelle/Pastorat Venne, Urk. 4; WUB 3, Nr. 581; MUB 18. Heuer (750 Jahre Venne, S. 14) und Lambacher (Patronatsrecht, S. 23) sehen hierin zugleich die Einsetzung des Priesters Lutbertus. Die Urkunde ist aber auch dahingehend lesbar, dass hier lediglich die Konditionen, unter denen Lutbertus eingesetzt wurde, neu definiert wurden. Beide Ansätze sind möglich. 34 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 21v. 35 Börsting/Schröer, Handbuch des Bistums Münster, Bd. 1, S. 13. Dieses Problem bestand auch im 17. Jahrhundert noch. 1682 beklagte sich der dortige Pfarrer Bueren: „Wenn nicht der Schein trügt, versetzen die Venner Sümpfe eine an sich gesunde Natur in einen Zustand steter Krankheit, besonders aber, wenn Winter und Regengüsse kommen.“ Zitiert nach Risse, Leprahäuser im Raume Münster, S. 192.

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Die Auflösung des Hospitals hatte ein juristisches Nachspiel. Die wirtschaftliche Grundlage der Institution war 1242 durch die Schenkung des Ritters Ludolphus dictus de Amelincburen gelegt worden. Dies war freilich in der Annahme geschehen, das Magdalenenhospital würde die beiden Höfe zur Unterstützung des Hospitals verwenden. Nach Schließung des Hospitals fiel Westendorpe aber zurück an das Magdalenenhospital und der Hof Bentlaghe wohl gemäß einer paritätischen Teilung an die Priesterstelle. Egidius, Sohn des Ritters Ludolphus, forderte die Höfe deshalb vom Magdalenenhospital zurück. So erschienen er und Johannes de Kluse, Prokurator des Magdalenenhospitals, am 8. Dezember 1281 vor dem Dechanten der Oldenzaaler Kirche sowie den Richtern und Schöffen Oldenzaals und bestimmten gemeinsam acht Schiedsleute, um ihren bereits lange währenden Streit („discordia iam dudum inter ipsos mota“) um die beiden Höfe, die Egidius nach Erbrecht („hereditario iure“) für sich beanspruchte, endgültig beizulegen. Die Schiedsleute entschieden dahingehend, dass Egidius von der Bedrängung der beiden Höfe ablassen sollte. Ausschlaggebend dürfte gewesen sein, dass es sich seinerzeit um eine Schenkung gehandelt hatte und nicht um eine Stiftung mit entsprechender Zweckbestimmung. Jedenfalls verzichteten Egidius und seine Frau Elisabeth schließlich auf alle Ansprüche an den Höfen Bentlaghe und Westendorpe.36 Aus einer ganz anderen Situation erfolgte die Errichtung eines Gasthauses innerhalb der Stadtmauern. Der Ausbruch der Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts stürzte die mittelalterliche Gesellschaft in eine tiefe Krise. Eine Folge der Pest war die sprunghafte Zunahme von Migrationsbewegungen. Diese entstanden nicht nur, weil Einwohner infizierter Städte auf das Land oder in andere Orte flüchteten. Wirtschaftlich gesehen bedeuteten die zahlreichen Toten einen Kaufkraftverlust, der mittel- und langfristig eine agrarische Überproduktion und damit ein Einbrechen der Preise von Agrarprodukten zur Folge hatte. Dadurch fielen auf dem Lande die Löhne, während die ländliche Arbeitslosigkeit dramatisch anstieg. Aus wirtschaftlicher Not zogen Bauern und Landarbeiter in die Städte, wo, nachdem die durch den Pesttod vakanten Arbeitsplätze besetzt waren, soziale Spannungen entstanden. Die Stadträte reagierten mit Restriktionen, die die Zuwanderung kontrollieren und drosseln sollten.37 Seit 1350 wurde in Münster – wohl vom Stadtsekretär – ein Bürgerbuch geführt, das alle in die Stadt als Bürger aufgenommenen Personen und ihre Bürgen verzeichnete. Damit ließ sich der Zuzug von Fremden steuern.38 Noch im 36 MUB 35; WUB 3, Nr. 1147. 37 Bergdolt, Der Schwarze Tod, S. 195–201. Die seinerzeit vielbeschworene Faulheit der Bauern (Ebd., S. 196) findet ihre Parallele in dem im 16. Jahrhundert verbreiteten Vorwurf, Bettler seien arbeitsscheu. Massenarmut und Inflation führten auch im 16. Jahrhundert zu einer restriktiven Einwanderungspolitik und zu Abwehrmaßnahmen gegen fremde Bettler seitens der Stadträte. Vgl. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 359. Soziale Regulierungsmechanismen des Spätmittelalters und soziale Disziplinierungsmechanismen der Frühneuzeit erscheinen damit gleichermaßen als Reaktion auf wirtschaftliche Krisen. 38 Klocke, Ratswahlbuch, S. 11; Aders, Bürgerbuch, S. 3; Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 109.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

selben Jahr verfügte der Rat, Brautzeugen sollten „unse borgere syn unde nene geste“, außer im gemeinsamen Einvernehmen der Brautleute. Ein Jahr darauf verabschiedete der Stadtrat Statuten betreffend den Erhalt und Verlust des Bürgerrechtes. So sollte etwa, wer eine Bürgerin heiratete, innerhalb von 14 Tagen auf dem Rathaus um sein Bürgerrecht ersuchen.39 1366 schließlich beschränkte der Rat die Aufnahme in das Magdalenenhospital auf Bürger der Stadt. Am 21. Februar, also zwei Tage vor der nächsten Ratswahl, erließ der scheidende Rat das folgende Statut. „Anno domini mccclxvj, des ersten saterdages in der vasten, hebben de borgemestere und scheppen geordenet, dat se vortan na dessen dage gynen menschen prouende en willen geven vp den hospitale tusschen den bruggen edder dar under, he sy unse geborne borger edder he hebbe vyff iaere unse borger gewesenn.“40

Auf Erlass des Rates verlor das Magdalenenhospital damit seine seit Gründung41 bestehende Funktion als vorübergehende Unterkunft für Gäste, Pilger und Reisende. Damit gab es in Münster für diese Gruppe keine Möglichkeit einer in Einzelfällen sicherlich nach wie vor auch vom Stadtrat gewollten stationären Versorgung mehr. Die Funktionsänderung dürfte also einhergegangen sein mit der Errichtung eines Gasthauses, das speziell auf die Bedürfnisse der im Magdalenenhospital ausgeschlossenen Personengruppe angelegt war.42 Ob eine solche Gründung allerdings zugleich mit dem Statut von 1366 erfolgte oder erst mit einem gewissen zeitlichen Abstand nach sich aus dem Statut ergebenden praktischen Erfahrungen, bleibt unklar. Der erste Nachweis für das Gasthaus fällt in das Jahr 1398.43 Auch der Fundator des Gasthauses ist nicht bekannt, doch wäre, da es sich hier um eine gesamtstädtische Interessenlage handelte, eine Initiative des Stadtrates zu erwarten. Zu demselben Ergebnis kommt der Chronist Kerssenbrock, der schreibt: „Unum autem xenodochium in platea horsthana a senatu, ut dicitur, erectum peregrinos tam mares quam feminas praesidiis et viatico destitutas recipit.“44

39 MUB 145; MUB 148. 40 MUB 182. Auch im Coesfelder Heiliggeistspital erfolgte die Pfründenvergabe nach einem Ratsbeschluss von 1358 nur noch an Einheimische. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 89. 41 Bereits 1189 wurden Peregrini im Hospital erwähnt. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 2v–3r. 42 Auch in Dortmund wurde 1358 ein „Neues Gasthaus“ gegründet. Gimpel, Gast- und Irrenhaus, S. 57. In Lübeck wurde 1360 ein Gasthaus auf dem Spitalgelände errichtet. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 301. Ähnliche Maßnahmen sind aus Venedig und Rom bekannt. Bergdolt, Der Schwarze Tod, S. 200. 43 MUB 342. Auch Gimpel (Gast- und Irrenhaus, S. 57) vermutet eine frühere Errichtung als 1398. 44 „Ein, wie man sagt, vom Rat errichtes Fremdenhaus auf der Hörsterstraße aber nimmt an Fremden sowohl Männer als auch Frauen auf, die von ihren Beschützern und Weggefährten alleingelassen wurden.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 78. Auch Aussagen über die konkrete Nutzung des Gasthauses sind erst in der Nachtäuferzeit möglich. 1567 hielt sich hier ein verletzter Junge auf, 1574 brachte eine Niederländerin hier ihr Kind zur Welt. Armut, Not und gute Werke, S. 94. Weitere Fälle aus dem 16. Jahrhundert und

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Das Gasthaus war nur eine kleine und gering ausgestatte Institution. Noch 1398 fehlte es offenbar am Nötigsten. Am 17. Januar 1398 setzte Gerd Havekesbeck, münsterischer Bürger und Pfründner des Antoniushospitals, sein Testament auf und vermachte sein Bett dem Antoniushospital, das zugehörige Bettzeug aber dem Gasthaus.45 Dies ist allerdings die einzige bekannte Gabe, die das Gasthaus im Mittelalter aus bürgerlichen Händen erhalten hat. Der Grund mag sein, dass das Bewusstsein für die Bedürftigkeit von Fremden in der städtischen Bevölkerung weitaus weniger entwickelt war als für die eigene Bedürftigkeit, zumal der Pestausbruch und seine Folgen eine gewisse Fremdenfeindlichkeit ausgelöst hatten. Jedenfalls findet das Gasthaus in der Folgezeit zumeist nur dann Erwähnung, wenn es als Nachbarschaftsbeleg für ein anderes Grundstück herangezogen wurde.46 Immerhin finden sich so gelegentliche Hinweise auf den Immobilienbesitz des Gasthauses. So war das Gasthaus 1468 oder wenige Jahre zuvor um einen beheizbaren Wohnraum erweitert worden.47 Vielleicht hatten – bei grundsätzlich niedriger Frequentierung48 – situativ wechselnde Belegungszahlen eine Ausweitung der Kapazitäten erforderlich gemacht. Und so verfügte das Gasthaus trotz seiner geringen Präsenz in den Quellen außerdem über ein halbes Haus.49 Zumindest in geringem Umfange war das Gast-

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die finanziellen Schwierigkeiten bei ihrer Versorgung dokumentiert Klötzer (Kleiden, S. 126). „Oick wyl ich in dessen zelven testamente, dat Conrad und Dayeke vorg. endrechtlike solen gheven myn bedde, alzo alze dat steyt in de capellen vor s. Mauricius porten, den armen und myne anderen beddinghe in der pelegrimen hus up der Horsterstrate.“ MUB 342. Conrad tor Schuren und Dayeken, Witwe des Gerd Wullebrocke, hatte Gerd Havekesbeke zu seinen Haupterben bestimmt. Vor 1401 lag das Haus eines gewissen Johannis Ketelers „apud domum peregrinorum“, das Haus des Hinrich Apperlo stand 1461 „vp der Horsterstrate by den gasthues ouer“. MUB 375, Nr. 23; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii von 1461, fol. 7v. 1470 lag auch das Haus des Bäckers Johan Querenbernt „teghen den Gast­ huse over“. Tibus, Stadt Münster, S. 337; Huyskens, Das große Gasthaus, S. 191. Das Kinderhauser Rentenregister von 1515 erwähnt „Slyterß husse teghen den gast husse“ und „Johan Essynck, de holscher achter den gast husse“. Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 3rf. Deitert Poick verkaufte 1518 mit seiner Frau Anna eine Rente aus ihrem Haus im Martinikirchspiel neben dem „lütke gasthues“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 80. 1468 verkaufte Bernd Holscher dem Johan Mellinckhus und seiner Frau Drude sein Wohnhaus, das direkt an das Gasthaus angrenzte. Vom Verkauf ausgeschlossen sein sollte aber die dazugehörige „kemenade“, da diese mitsamt ihrem Grundstück zuvor schon „dem gasthmesteren to behoff des gasthuses“ verkauft worden war. Gast- und Irrenhaus Martini, Urk. 2. Auch als das Ehepaar Mellinckhus 1483 das erworbene Haus an die Tochter des verstorbenen Bernd Holscher zurück verkauften, war die Kemenate noch im Besitz des Gasthauses. Gast- und Irrenhaus Martini, Urk. 3. Auch für die Nachtäuferzeit vermutet Klötzer (Kleiden, S. 126) nur geringe Besucherzahlen. So musste „de procurator yn den gasthuse“ – gemeint ist der Gastmeister – 1516 und auch noch 1526 dem Armenhaus zur Aa jährlich 1 Mark „vth Butendorpes haluen huse belegen by Schonynckhuys“ zahlen. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 3r, sowie RB 1526, fol. 3r. Vermutlich war Butendorp der Vorbesitzer des dem Gasthaus zugefallenen halben Hauses.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

haus auch auf dem städtischen Rentenmarkt aktiv.50 Erst nach der Täuferherrschaft erfolgte eine Aufwertung des kleinen Gasthauses.51

2. Die Zielgruppe der Leprosen Die Lepra breitete sich insbesondere im Gefolge der Kreuzzüge in Europa aus und erreichte hier im 13. Jahrhundert ihren Höhepunkt.52 Es ist vorstellbar, dass Leprose ursprünglich im Magdalenenhospital Aufnahme fanden und vielleicht getrennt von den Gesunden in einer kleinen Isolierstation auf dem Hospitalgelände untergebracht wurden. Die spezielle Lage des Magdalenenhospitals auf einer künstlichen Insel hätte in gewissem Maße für eine zusätzliche Isolation von der Stadtbevölkerung gesorgt. Ob die Sequestrationsmöglichkeiten aber ausreichend waren, bleibt dahingestellt. Auch das Hospital in der Venne könnte Leprose beherbergt haben, doch ist dies aufgrund der über das Hospital hinausgehenden Pfarrrechte des dortigen Priesters eher unwahrscheinlich. Nicht zwingend, aber doch mit größerer Wahrscheinlichkeit kann das Marienhospital als Leprosorium angesehen werden. Belegbar ist das Marienhospital allein durch einen Siegelabdruck aus dem Jahre 1368. Es zeigt die Jungfrau Maria mit dem Kinde über dem Wappen der Stadt Münster. Die Umschrift des Siegels lautet: „S(igillum) HOSPITALIS SANTE MARIE EXTRA PORTA(M) SANTI MORIC(II)“.53 50 1500 bezogen die „armen im gasthues“ von Johan Bisscopinck eine Rente von 2 Gulden und eine weitere von 1 Mark. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 519. 1506 zahlte das Magdalenenhospital „int gasthues“ 2 Gulden und 1508 einen weiteren Gulden. Ziel war wohl die Ablösung einer damit quittgeschlagenen Rente. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 102r, fol. 138r. 1539 schließlich erwarben Hinrik Lystigh und Macharius Schenckinck als Provisoren des Gasthauses von Johan Peyck und seiner Frau Lotegardt für 12 Gulden eine Rente von 1 Mark. Gast- und Irrenhaus Martini, Urk. 4. 51 1550 erwarben Johan Bolant und Johan Herde als Provisoren des „grotenn Gasthuses bynnen Munster an der Horsterstraten“ eine dem Gasthaus direkt angrenzende halbe wüste Hausstätte auf dem Lappenbrinck im Kirchspiel Martini. Gast- und Irrenhaus Martini, Urk. 6. Geisberg (Stadt Münster, Bd. 4, S. 573) identifiziert die Hausstätte als Hörsterstraße Nr. 14/16. Aus dem Jahre 1556 stammt schließlich die erste erhaltene Jahresrechnung über die „vpkumpste der armen thom Gasthuse bynnen Munster bi sunte Mertens kerckhaue“. Angelegt wurde sie wohl vom Gastmeister, der seinen vorgesetzten Provisoren Johan Herden und Henrich Swartarns Rechenschaft geben musste. Gast- und Irrenhaus Martini, Akten 1, RB 1556, fol. 1r. Offenbar geschah die Rechnungslegung im Rahmen einer umfangreicheren Überprüfung der Finanzen des Gasthauses, denn wie die letzte Seite der Rechnung vermerkt, befand sich dessen Kopiar („vnse principal boeck“) bei Abfassung der Rechnung noch „by dem fiscael“ – wohl ein städtischer Wirtschaftsprüfer – und bei dem Kämmerer Johan Bolant und wurde erst später zurückgeliefert. „By dem fiscael“ befanden sich auch die Jahresregister von 1537 und 1539, doch sind auch sie später „beyde wedder by gekomenn“. Gast- und Irrenhaus Martini, Akten 1, RB 1556, fol. 8v. 52 Jungnitz, Krankenhäuser, S. 18; Windemuth, Hospital, S. 119. 53 Antoniushospital, Urk. 4. Eine Abbildung findet sich bei Klötzer, Kleiden, S. 118. Ein zweiter Siegelabdruck findet sich unter: Archiv Haus Hülshoff (Dep. im LWL-Archiv­

2. Die Zielgruppe der Leprosen

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Mit dem erhaltenen Siegelabdruck wurde allerdings keine Urkunde des Marienhospitals, sondern eine des Antoniushospitals besiegelt, in der die vom Rat bestellten Provisoren dieses Hospitals den Empfang einer Rente durch ihren Hospitalpriester bezeugen. Dies weist darauf hin, dass das Antoniushospital Rechtsnachfolger des Marienhospitals war, und so lohnt ein exkursorischer Blick auf das Antoniushospital. 1350 brach die Pest in Münster aus. Ein Versuch, die Folgen der Seuche einzudämmen, darf in der Errichtung einer dem Pestheiligen Antonius geweihten Kapelle auf dem Friedhof am Mauritztor gesehen werden, mit dem wohl auch die Reaktivierung des Friedhofes verbunden gewesen sein dürfte. Tatsächlich war es während der Pest ein großes Problem, Platz für die Beerdigung der Pesttoten zu finden. Die Wiedererrichtung von Kapelle und Friedhof bot hier zumindest eine vorübergehende Lösung. Bereits jetzt oder wenige Jahre später wurde hier auch das Antoniushospital errichtet, dessen ursprüngliche Aufgabe wohl in der Aufnahme von Pestkranken bestand. Die Antoniuskapelle am Mauritztor war allerdings keine Urgründung, sondern wurde „de novo“ errichtet.54 Es bestand also schon zuvor an selber Stelle eine der Maria geweihte Kapelle, die offenbar geschlossen worden war.55 Auch ein Friedhof gehörte zum Areal, sollte die neue Kapelle 1350 doch „in cimiterium“, also auf einem bereits dort bestehenden Friedhof errichtet werden.56 Das Siegel des Marienhospitals weist in seiner Umschrift zudem darauf hin, dass die Anlage nicht nur der Jungfrau Maria geweiht war, sondern zu dem Komplex aus Kapelle und Friedhof auch ein Hospital gehörte.57 Errichtet wurde der Komplex möglicherweise auf einem Grundstück des „Magheromes kote“, eines Kottens, der am Weg zwischen Mauritztor und Mauritzkloster lag und sich später im Besitz des Antoniushospitals wiederfindet.58 Es stellt sich nun die Frage nach dem Alter des Marienhospitals. Immerhin möglich ist wohl, in ihm den unmittelbaren Nachfolger des Hospitals in der Venne zu sehen, das 1255 geschlossen wurde. Sollte dieses tatsächlich ein Leprosorium gewesen

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amt), Urk. 231. Das Siegel verwendeten die Provisoren auch 1398, doch blieb der Abdruck nicht erhalten. Niesert, Urkundensammlung, Bd. 3, S. 54ff. Antoniushospital, Urk. 1. Auch in der Folgezeit blieb man sich dessen bewusst. So gab Herman Voghel gemäß seines auf den 30. September 1375 datierten Testaments Geld „ad hospitale novum situm extra portam sancti Mauricii“ und vermachte dem „rectori novi hospitalis extra portam sancti Mauricii“ einen Anteil an einer Rente von 10 Schillingen. Antoniushospital, Urk. 6. Noch 1453 erscheint Maria neben Antonius als Patronin der Kapelle. In der Stiftungsurkunde der ersten Vikarie wird sie beschrieben als „capella beate Marie virginis et sancti Anthonij extra et prope portam sancti Mauricij extra muros Mon. situata“. Antoniushospital, Urk. 9. 1511 stellen sich die Ratsherren Diderick van Grolle und Jasper Merkanck vor als Provisoren „der armen lude vor sunte Mauricius porten buten vnde vor der stad Monster der capellen vnser leuen frowen vnde sunte Antonius“. Antoniushospital, Urk. 30. Antoniushospital, Urk. 1. Kirchhoff (Marienhospital, S. 131) weist darauf hin, dass ein vor dem Stadttor gelegenes cimiterium ohnehin nur zu einem Hospital gehört haben kann. Seine Aufgabe sieht Kirchhoff allerdings in der Aufnahme von ortsfremden Kranken oder Reisenden. MUB 191. Vgl. Kirchhoff, Marienhospital, S. 136.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

sein, wäre so eine lückenlose Versorgung der Leprakranken gewährleistet gewesen. Die Stadt Münster hätte damit der Verpflichtung des Städtebündnisses weiterhin nachkommen können. Während das Hospital in der Venne südlich von Münster am Hellweg in Richtung Dortmund gegründet worden war, lag das Marienhospital östlich der Stadt und damit in Richtung des Bündnispartners Lippstadt. Die Stechung des Siegels müsste dann allerdings erheblich später erfolgt sein. Das dort verwendete Wappen der Stadt Münster entstand nach dem Vorbild des Stiftswappens, das wiederum erstmals für das Jahr 1270 nachweisbar ist. Das Stadtwappen – es ist auf besagtem Siegel tatsächlich zum ersten Mal belegt – dürfte jünger sein. Die durchaus selbstbewusste Integration des eigenen Wappens in das Siegel seines Hospitals durch den Stadtrat lässt vielleicht vermuten, dass die Ausgestaltung des Wappens erst nach dem für die Stadt vorteilhaften Friedensschluss mit Bischof Everhard im Jahre 1278 erfolgte.59 Die Ausstattung mit einem Benefizium, die gewöhnlich am Ende der Gründungsphase erfolgte,60 deutet darauf hin, dass das Marienhospital tatsächlich in Betrieb genommen worden und nicht bereits in der Vorbereitungsphase gescheitert ist. Anders als bei dem Hospital in der Venne, spricht im Fall des Marienhospitals wenig gegen eine Nutzung als Leprosorium. Im Gegenteil machen die besondere Lage außerhalb der Stadtmauern, die die Isolation der Kranken ermöglichte, und die Nähe zu der belebten Verkehrsstraße in Richtung Telgte und Warendorf die Aufnahme von Leprösen geradezu wahrscheinlich. Durch den Stadtgraben ist auch hier wie bei vielen Leprosorien die Nähe zum Wasser gegeben.61 Auch das Patrozinium der Maria war für ein Leprosorium durchaus nicht ungewöhnlich, wenngleich sie oftmals nur den zweiten Platz nach dem Hauptpatron einnahm.62 Eine Auffangstation für Reisende und Pilger war am Mauritztor jedenfalls nicht erforderlich. Diese Funktion übernahm bereits das an der selben Straße, nur etwas weiter vor der Stadt gelegene Kloster St. Mauritz.63 59 MUB 32. Hövel (Stadtwappen, S. 143f.) vermutet, die Konzeption des Stadtwappens sei zwischen 1270 und der Verleihung des Stadtrechts an Rheine 1327, nach der Rheine bald ebenfalls ein eigenes Siegel führte, erfolgt und damit etwa im zweiten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts. Kirchhoff (Marienhospital, S. 137) vermutet eine Gründung des Hospitals um oder vor 1300. Als terminus ante quem dürfen die Jahre 1320/30 gelten. Vgl. auch Klötzer, Wappen, S. 2; Klötzer, Für ewige Zeiten, S. 406; Lambacher, Stiftungen, S. 127. 60 1176 existierte das Magdalenenhospital bereits, die Kapelle befand sich aber noch im Bau. MUB 1. Auch in der Venne bestand das Hospital schon, als der Priester das Taufund Begräbnisrecht erhielt. MUB 11. 61 Zu den üblichen topographischen Charakteriska von Leprosorien vgl. Belker, Lepra und Leprosenhäuser, S. 672. 62 Die Kapelle des Unnaer Leprosoriums etwa war Maria und Elisabeth geweiht, das Le­ prosorium von Soest war neben Johannes dem Täufer auch Margareta und Maria geweiht. Das Detmolder Leprosorium stand unter dem Patronat von Gertrud und Maria. Dieselben Heiligen hatte auch das Leprosorium Kinderhaus. Weyland, Lepra- und Pesthäuser, S. 34, S. 39, S. 52; A XIII, Nr. 258. 63 Der Chronist Kerssenbrock berichtet über besagte Straße: „(…) ad coemiterium Mauritianum usque est protensa, quae mira quadam voluptate defatigatos iam peregrinantes excipit et omnis lassitudinis oblitos in urbem deducit.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 19. Es

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Das Stadtwappen auf dem Siegel zeigt, dass es der Stadtrat war, der die Trägerschaft über die Institution inne und wohl auch ihre Gründung initiiert hatte.64 Er war bereits führend an der Errichtung des Hospitals in der Venne beteiligt gewesen. Als erste Ratsgründung war dieses nach nur wenigen Jahren gescheitert. Die zweite Ratsgründung ereilte nur Jahrzehnte später dasselbe Schicksal. Das Marienhospital lag, wie später auch das Antoniushospital, direkt hinter dem ersten Stadtgraben und etwa 50 bis 60 Meter nördlich des Mauritztores.65 In den 1320/30er Jahren betrieb der Stadtrat, der die Stadtbefestigung bereits seit 1278 vollständig in Händen hatte,66 zum Schutz gegen die neuartigen Pulvergeschütze den Ausbau derselben, ließ einen zweiten Graben um den ersten ausheben und jenen Außenwall aufwerfen, der heute die Promenade bildet. Das Marienhospital musste deshalb aufgegeben und abgebrochen werden.67 Sein Benefizium aber bestand offenbar – wenn auch an anderem Orte – fort. Es scheint kein Zufall zu sein, dass zur selben Zeit, in der das Marienhospital geschlossen wurde, der Stadtrat mit der Gründung des Leprosoriums Kinderhaus begann. Am 16. Januar 1326, 25 Tage vor der nächsten Ratswahl, verkündete der Knappe Hermannus de Ydenbroke, dass er mit Zustimmung seiner Frau Heylewigis und seiner Kinder Godefridus, Gerhardus und Elysabet dem münsterischen Bürger Udo von der Tinnen den Hof Ydenbroke im Kirchspiel Überwasser verkauft habe, und zwar „cum arboribus, agris cultis et incultis, aquis, pratis, pascuis et omnibus suis pertinencijs“. Der Kaufpreis betrug 88 Mark. Besiegelt wurde die Urkunde vom Aussteller, von seinem Schwiegervater Gerhard Ramesberg sowie von seinem ist in diesem Zusammenhang bemerkenswert, dass 1291 unter demselben Patronat der Jungfrau Maria im Turm der Mauritzkirche auf der späteren Orgeltribüne ein Altar gestiftet wurde. BAM, Generalvikariat, Urk. 90. Vgl. WUB 3, 1437. Vgl. auch BösterlingRöttgermann, Das Kollegiatstift Sankt Mauritz-Münster, S. 207. Eine Identität mit dem Benefizium des Marienhospitals schließt sich aufgrund der Lage freilich aus, doch die möglicherweise etwa zeitgleiche Gründung könnte darauf hinweisen, dass man sich aneinander orientierte. 64 So vermerkt auch Hövel (Stadtwappen, S. 155): „Am städtischen Charakter des Hospitals kann kein Zweifel sein.“ 65 Vgl. den Alerdinckplan von 1636. Sammlung Karten und Pläne, Nr. 2044. 66 MUB 32. Vgl. Meckstroth, Verhältnis der Stadt Münster, S. 43ff., S. 49, S. 60ff.; Ehbrecht, Rat, Gilden und Gemeinde, S. 106, S. 123. 67 In dem 1332 aufgesetzten Testament des Goswin von Klanktorp, der darin alle städtischen Fürsorgeinstitutionen bedenkt, wird das Marienhospital nicht mehr erwähnt. Kirche St. Martini, Urk. 1. Vgl. Kirchhoff, Marienhospital, S. 131f.; Dethlefs, 650 Jahre Kinderhaus, S. 19. Das Areal aus Friedhof und neuer Kapelle wurde 1350 als im vor der Stadt gelegenen Kirchspiel St. Mauritz liegend beschrieben. Es befand sich aber seit 1320/30 als Teil der Stadtbefestigung auf städtischem Gebiet. Die Lagebezeichnung war offenbar eine Übernahme aus der Zeit vor 1320/30, zu der das Hospital also schon bestand. Kirchhoff, Marienhospital, S. 135. Auch dass das Antoniushospital noch im 16. Jahrhundert Grundeigentum im Festungsbereich der Stadt hatte und nicht anzunehmen ist, dass die Stadt Teile der eigenen Festungsanlage verkaufte, weist auf eine Existenz des Marienhospitals vor 1320/30. Kirchhoff, Marienhospital, S. 136. Abweichend von Kirchhoff datiert Geisberg (Stadt Münster, Bd. 1, S. 174) die Errichtung des Außenwalls auf das Jahr 1447.

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Freund, dem münsterischen Bürger Gottfried Martini. Der Kaufakt geschah „apud Ydenbroken super strata regia“ und in Anwesenheit des Bürgermeisters Godefridus Biscop, der Brüder Bernhardus und Hinricus Stevening, der Brüder Wescelus und Bernhardus de Tinnen, des Hinricus de Tylbeke, des Godefridus de Offerhus, des Johanne genannt Buc, der Brüder Rotcherus, Bernhardus und Alexander de Losingen sowie weiterer Zeugen.68 Wenngleich hier nicht erwähnt, war auch Bernhardus Stevening Bürgermeister (1224/32). Als Schöffen nachweisbar sind außerdem Bernhardus de Tinnen (1330/35) und Johan Buc (1354). Ratsfähig waren außerdem die Familien Tilbeck, Offerhus und wohl auch Losingen. Die Anzahl der namentlich genannten Zeugen beträgt elf, und es liegt nahe, hier den Stadtrat am Werke zu sehen. Der zwölfte Schöffe könnte vielleicht Udo von der Tinnen selbst gewesen sein. Demnach hätte der Rat einen Mann aus seiner Mitte, mindestens aber den Verwandten eines Ratsherrn beauftragt, den Hof Idenbrock zu kaufen.69 Udo von der Tinnen, so berichtete Bischof Ludwig 1342, hatte den Hof zwischen 1326 und 1342 gemeinsam mit dem Hof des Herman tor Helle, dem Hof Dyderkinch und dem Hof Wernherinch im Kirchspiel Altenberge den „leprosis“ übergeben.70 Das Leprosorium wurde aber wohl nicht auf Pertinenzien des Idenbrockhofes errichtet,71 sondern auf Ländereien des nahegelegenen und Kinderhaus später eigenhörigen Hofes Brüning. Am 27. September 1376 verkaufte die Besitzerin des Brüninghofes Elsebe van der Wyck gemeinsam mit ihren Kindern Alf, Albert und Gezeke den Kinderhauser Provisoren für 16 Mark ihren Eigenhörigen Johan Swartekoten und außerdem „de vijf schillinge ewiges geldes, de wi vnd vnse olderen vnd vorvaren her to gehat vnd alle iar geboret hebbt vte huse der vorgenomden armen lude“.72 Die Urkunde kann dahingehend interpretiert werden, dass das Grundstück, auf dem das Leprosorium errichtet wurde, gegen eine jährliche Zahlung von 5 Schillingen gepachtet worden war, 1376 aber dieser Grundzins abgelöst und das Grundstück erworben wurde. Bei einer üblichen Verzinsung von 5 Prozent betrug der Wert des Grundstückes 8 Mark, also genau die Hälfte des für Ablösung und Eigenhörigen bezahlten Preises. Der Kaufpreis des Idenbrockhofes hatte 1326 88 Mark betragen, sodass hier wohl von nicht mehr auszugehen ist als einer kleinen, brachliegenden Fläche, auf der Hospitalgebäude und Kapelle ausreichenden Platz finden konnten. Auf eine bestehende Hofstruktur baute Kinderhaus offenbar nicht auf. Dass bereits Elsebes „olderen 68 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 1. 69 Der Hof war Teil eines größeren Siedlungskomplexes gleichen Namens. Insgesamt vier Höfe mit der Bezeichnung Idenbrock lassen sich für das Mittelalter nachweisen. Zu ihnen gehörte neben dem dem Magdalenenhospital eigenhörigen Gut Spital auch das Haus Kucklenburg, mit dem der hier verkaufte Hof zweifellos identisch ist. Woelm, Entwicklung des Stadtteils Kinderhaus, S. 8; Gimpel, Mildtätige Stiftung; Gärtner, Magdalenenhospital, 1922, S. 6; Prinz, Mimigernaford, S. 64f. 70 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 3. 71 Diese These vertreten Alliger, Die mittelalterliche Gesellschaft, S. 50; Pieper, MünsterKinderhaus, S. 3; Schulze, Die Entstehung von Kinderhaus, S. 18f. Der Hof wurde allerdings 1342 dem Benefizium zugeschlagen, was im Falle einer fundierenden Stiftung kaum möglich gewesen wäre. Vgl. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2. 72 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 9.

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vnd vorvaren“ die Rente bezogen hatten, legt nahe, dass der zu Grunde liegende Vertrag tatsächlich bereits in der frühen Gründungsphase geschlossen worden war. Elsebe war die Witwe Alberts van der Wyck, der zwischen 1357 und 1368 im Rat saß und mehrfach das Amt des Bürgermeisters versah. Angehörige der Erbmännerfamilie Zurwieck sind seit 1330 im Stadtrat nachweisbar, und so könnte auch der Vertrag über die 5 Schillinge auf eine Vermittlung des Rates zurückgehen. Doch bleibt grundsätzlich auch eine Interpretation der Quelle möglich, nach der es sich nicht um ein Pachtgeschäft, sondern um eine gewöhnliche Geldrente handelte. Die These, dass Kinderhaus auf dem Land des Brüninghofes errichtet wurde, bleibt damit anzweifelbar. Es lassen sich in der Anfangsphase des Leprosoriums weitere Zuwendungen seitens der Bürgerschaft nachweisen. So vermachte der münsterische Bürger Goswin von Klanktorp in seinem Testament vom 14. November 1332 den „leprosis extra civitatem” 9 Mark.73 Diese Gruppe von Leprosen bezeichnet zweifellos das neu gegründete Kinderhaus, und nicht das inzwischen eingegangene Marienhospital. Eine weitere Spende fällt wohl in die Gründungsphase von Kinderhaus. Das um 1365 verfasste Lagerbuch des Hospitals verzeichnet als 23. Eintrag die folgende Einnahme: „Item provisores elemosinarum s. spiritus in par. s. Lamberti redditus 6 s. perpetue, quos donavit eis Wilhelmus thon Busche.“74 Bereits am 12. Januar 1327 hatte derselbe Wilhelmus thon Busche dem Heiliggeistkorb Lamberti seine Äcker „in den Dale“ vor dem Ludgeritor geschenkt. Im Gegenzug verpflichteten sich die Provisoren des Korbes mit Zustimmung des Stadtrates zu einer Zahlung von 6 Schillingen Rente.75 Offenbar schenkte Wilhelmus die Rente bald darauf dem Leprosorium. Wilhelmus thon Busche dürfte auch von Amtswegen die Schließung des Marienhospitals und die Gründung von Kinderhaus aus nächster Nähe miterlebt haben. Als er 1338 zum Bürgermeister gewählt wurde,76 hatte er wohl schon eine längere Ratskarriere hinter sich. Ein Jahr zuvor, 1337, gründete er das Armenhaus Zumbusch und unterstellte es dem Almosenkorb Martini. Zugleich bestimmte er „(…) quod si consules et scabini civitatis Monasteriensis dictam domum et pauperculas in ea residentes ad alium locum transponerent, extunc volo, quod dicti provisores elemosinarum et senior meus consanguineus civis Monasteriensis de latere gladii ipsam domum ac alia omnia ipsis pauperculis mulieribus per me legata vendant et pecuniam exinde provenientem in pios usus convertant, prout saluti anime mee noverint melius expedire.“77

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Kirche St. Martini, Urk. 1. MUB 180, Nr. 23. LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v. A II, Nr. 17, fol. 102v. „Dass wenn die Bürgermeister und Schöffen der Stadt Münster besagtes Haus und die darin lebenden Bedürftigen an einen anderen Ort verlegen sollten, ich von Anfang an will, dass die besagten Almosenprovisoren und mein nach Schwertseite ältester blutsverwandter Bürger Münsters dasselbe Haus und alles andere den bedürftigen Frauen von mir Vermachte verkaufen und das so eingenommene Geld zu frommen Zwecken

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Eine Ursache dieser Willenserklärung dürfte die Verlegung der Leprosen des Marienhospitals nach Kinderhaus gewesen sein, die wohl ähnlich vonstatten gegangen war. Die gesamte Ausstattung des Marienhospitals wurde verkauft und in Kinderhaus investiert. Dies erklärt auch das völlige Fehlen eines Urkundenbestandes. Da das Siegel des Marienhospitals später nicht von den Provisoren von Kinderhaus, sondern des Antoniushospitals geführt wurden, lässt sich allerdings schwerlich von einer Nachfolge im juristischen Sinne sprechen. Vielmehr war Kinderhaus eine eigenständige Neugründung. Eine rechtliche Kontinuität blieb nicht gewahrt. Auch das Patrozinium der Kinderhauser Kapelle lag nicht bei Maria, sondern bei Gertrud, wenngleich Maria als Beiheilige beibehalten wurde.78 Ein neues Benefizium wurde für die Kinderhauser Kapelle allerdings nicht geschaffen. Gemäß des 3. Laterankonzils bedurfte das Leprosorium einer eigenen Priesterstelle. Das Marienhospital, da mit einer eigenen Kapelle ausgestattet, verfügte über ein Benefizium, über das der Stadtrat wohl auch das Patronatsrecht hatte, das allerdings nach der Schließung des Hospitals keinen Zweck mehr erfüllte. Für den Stadtrat lag es also nahe, eine Verlegung des Benefiziums anzustreben. Dies stieß seitens der Äbtissin von Überwasser, die in der Verlegung eines Benefiziums in das Kirchspiel Überwasser einen Eingriff in ihren Pfarrbereich gesehen haben dürfte,79 und vielleicht auch seitens des Bischofes auf Widerstand. Dennoch erreichte der Stadtrat am 20. Juni 1333 sein Ziel. An diesem Tag verkündete Bischof Ludwig: „Nos, Lodewicus, dej gratia Monasteriensis ecclesie episcopus, vniuersis presentia visuris et audituris notumfacimus, quod nos propter bonum pacem et concordiem auctoritatem nostram et consensum nostrum expressum adhibemus ad hoc, quod beneficium deputatum ad leprosorium domus dicte tor Kinderhus nostre diocesis vnacum bonis ad ipsum beneficium pro suj dote assignatis et sacerdote, videlicet Wesselo de Perlincktorpe ad dictum beneficium nominato presentato et inuestito, ad alium locum nostre diocesis congruum de nostro scitu et consilio transferatur, volentes si quorumcumque vel cuiuscumque consensus ad hoc necessarius fuerit vel oportunus nostram ad hoc adhibere diligenciam nostram et sollicitudinem cum effectu, ut res ipsa debitum sortiatur effectum.“80

verwenden, auf dass sie es für mein Seelenheil besser und erneut anlegen.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. 78 Der 1450 geweihte zweite Altar wurde der Jungfrau Maria geweiht. A XIII, Nr. 258. 79 Beck, Soziale Einrichtungen, S. 37. 80 „Wir Lodewicus, von Gottes Gnaden Bischof der Münsterschen Kirche, machen allen bekannt, die die vorliegende (Urkunde) sehen und hören werden, dass wir wegen des guten Friedens und der Eintracht unseren Auftrag und unsere ausdrückliche Zustimmung dazu geben, dass das für das Haus der Leprosen genannt „tor Kinderhus“ in unserem Bistum bestimmte Benefizium mitsamt den Gütern, die zu diesem Benefizium für seine Ausstattung angewiesen wurden, und dem Priester, nämlich Wesselus de Perlincktorpe, der zu diesem Benefizium benannt, vorgestellt und eingesetzt worden ist, an einen anderen geeigneten Ort der Diözese mit unserem Wissen und Rat verlegt werden soll. Und wir wollen, wenn irgendwelcher oder irgendeines Zustimmung dazu notwendig oder sinnvoll sein sollte, unsere Unterstützung und unseren wirksamen Einsatz gewähren, damit die Sache selbst den nötigen Erfolg erhalte.“ Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 7v. Die Urkunde wurde in der Literatur breit diskutiert. Zu den verschiedenen

2. Die Zielgruppe der Leprosen

257

In der Formulierung „propter bonum pacem et concordiem“ wird der Druck deutlich, den der Stadtrat in dieser Sache ausgeübt zu haben scheint. Teil dieser Politik war wohl auch die noch vor der Verlegung erfolgte Besetzung der Priesterstelle mit Wesselus de Perlincktorpe. Wesselus starb erst am 11. September 137681 und kann deshalb bei der Verlegung noch nicht alt gewesen zu sein. Die Besetzung durch den Stadtrat82 erfolgte also wohl nur kurz zuvor. Auch erscheint das Benefizium bereits voll ausgestattet. Die Formulierung, dass das Benefizium bereits für Kinderhaus bestimmt sei, ist oftmals dahingehend ausgelegt worden, dass auch der Vorgänger denselben Namen getragen haben müsse. Zwar ist durchaus vorstellbar, dass für das Marienhospital neben der lateinischen Bezeichnung „hospitale sanctae Mariae“ im Volksmund parallel der Name „Kinderhus“ gebräuchlich war – auch das Armenhaus zur Aa hatte gerade in der Anfangsphase eine Vielzahl von Bezeichnungen83 – doch ist wahrscheinlicher, dass der Rat selbst diese Bestimmung bereits in irgendeiner Form vollzogen hatte. Am 7. März 1342 erfolgte die Erhebung der Priesterstelle zum Rektorat. Der Akt ist in drei weitestgehend gleichlautenden Urkunden dokumentiert, die jeweils von einer der drei beteiligten Interessengruppen besiegelt wurden. Es waren dies der Bischof von Münster, der Rat der Stadt Münster, der sowohl die Trägerschaft über das Hospital als auch das Patronatsrecht über das Benefizium innehatte, sowie Jutta von Sayn und Johannes Pepperkorn als Äbtissin und Dechant von Überwasser, die der Beschränkung ihrer Pfarrrechte zustimmen mussten und dies „ad preces reuerendi in Christo patris ac domini nostri domini Lodowici episcopi Monasteriensis” auch taten.84 Der Kinderhauser Priester sollte sich demnach allein um die Leprosen kümmern. Auch verfügte er nicht über das Taufrecht. Und damit wurden hier – anders als im Falle des Hospitals in der Venne – alle Vorgaben des dritten Laterankonzils von 1179 erfüllt.85 Das Patronatsrecht über den Rektor sollte der Stadtrat ausüben, Kollation und Investitur aber beim Dechanten der Überwasserkirche verbleiben. Gegenüber dem Dechanten sollte der Rektor außerdem einen Treueeid leisten. Gemäß der Bestimmung des Bischofs Ludwig wurde die Ausstattung des Rektors zudem erheblich verbessert, und zwar auf Kosten der Leprosen. Diese sollten die Schenkung – mit einer zweckbestimmten Stiftung wäre ein solches Verfahren

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Thesen über den Vorgänger von Kinderhaus und ihren Schwierigkeiten vgl. Crabus, Leprosorium Kinderhaus, S. 8–12. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 2r. Der Rat hatte das Patronatsrecht auch in der Folgezeit inne. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2. Vgl. Kap. VII.3. Bestimmt wurde, „quod sit rector specialis tantum leprosorum domus leprosorij tor Kijnderhus prope ciuitatem Monasteriensem in parochia beate Marie predicti situati, qui ecclesiam dicti leprosorij regat dictorumque leprosorum tantum curam gerat eisque tamquam proprius eorum sacerdos ecclesiastica sacramenta tam in audiendis confessionibus in communione eucharistie in extrema invnctione quam et ecclesiasticam sepulturam in cimiterio dicte ecclesie leprosorij tor Kijnderhus perpetue solummodo amministret.“ Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2; vgl. auch Urk. 3, Urk. 4. Belker, Lepra im Mittelalter, S. 13; Dethlefs, 650 Jahre Kinderhaus, S. 14.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

sicherlich nicht möglich – die sie einst von Udo von der Tinnen empfangen hatten, nämlich die Höfe Ydenbrock, tor Helle, Dyderkinch und Wernherinch, als eine „dotacionem“ der Kinderhauser Kapelle übertragen.86 Der Stadtrat, der als Träger des Leprosoriums in den Vorverhandlungen seine Zustimmung zu dieser Transaktion gegeben haben muss, scheint bereit gewesen zu sein, dieses durchaus nicht unbedeutende Opfer – die vier Höfe dürften für Kinderhaus die wichtigste Einnahmequelle dargestellt haben – zu bringen. Eine weitere Bedingung, die gefordert wurde, war, dass in der Leprosenkapelle nur ein einziger Altar stehen sollte, eine Regel, die nicht nur für den Rektor galt, sondern auch für die „prouisores seu procuratores domus leprosorij“, die damit erstmals erwähnt wurden und von einer inzwischen bestehenden Verwaltungsstruktur des Hospitals zeugen.87 Die Praxis zeigt, dass der Rektor nicht nur gegenüber dem Dechanten, sondern auch gegenüber dem Stadtrat zu einem Gehorsamseid verpflichtet war. Wesselus de Perlincktorpe kam dieser Pflicht am 25. September 1343 nach, indem er dem Rat versprach, eigenmächtig keine Eingriffe in das Vermögen des Benefiziums vorzunehmen. Galt für andere städtische Benefizianten, dass sie für derartige Aktionen die Zustimmung des Rates benötigten, so delegierte der Rat diese Aufgabe hier an 86 Armenhaus Kinderhaus, Urk. 3. 87 Da die Errichtung des Rektorates für die Überwasserkirche einen Verlust an Spendeneinnahmen bedeutete, musste sich der Rektor zudem verpflichten, alle am Altar der Kapelle anfallenden Schenkungen der Äbtissin und dem Dechanten von Überwasser auszuhändigen, und zwar regelmäßig alle 15 Tage und gemäß des zu leistenden Treueeides. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 2. Dass die Spendenabgabe so häufig erfolgen sollte, lässt wohl weniger auf die Erwartung hoher Spendenaufkommen schließen, als auf die Absicht, eine unverzügliche Spendenabgabe zu gewährleisten. Am 13. Juli 1352, also genau zehn Jahre nach der Rektoratsgründung, beschlossen die Äbtissin Jutta von Sayn und der Dechant Johannes Pepperkorn „ohne zwingenden Punkt der Notwendigkeit“(„nullo cogente neccessitatis articulo“) eine Änderung der Regeln beschlossen, denen sich der Rektor zu unterwerfen hatte. Die Änderung bestand darin, dass sie fortan auf die regelmäßigen Abgaben der in der Leprosenkapelle anfallenden Spenden verzichtet wollten. Wesselus de Perlincktorpe und seine Nachfolger sollten ihnen stattdessen eine Rente von 6 Schillingen bezahlen, und zwar jährlich am Martinstag. Als Sicherheit diente mit dem Haus Ydenbroke der wohl größte Besitz des Benefiziums. Wenn diese 6 Schillinge aber eines Tages nicht mehr aus dem Hof Ydenbroke bezahlt würden, so sollte der derzeitige Rektor selbst die Rentenschuld übernehmen. Armenhaus Kinderhaus, Urk. 5. Dies scheint ein übliches Verfahren gewesen zu sein. Auch der Rektor der Antoniuskapelle musste gemäß eines im Zuge der Errichtung des Rektorates 1350 erlassenen Statuts dem Dechanten von St. Mauritz die an seinem Altar anfallenden Spenden übergeben. 18 Jahre später wurde diese Pflicht durch eine Zahlung von 1 Mark Rente ersetzt. Antoniushospital, Urk. 1, Urk. 3. Das Ziel war wohl, über einen längeren Zeitraum die Spendeneinnahmen des jeweiligen Altars zu beobachten, um danach einen jährlich zu zahlenden Mittelwert festzusetzen. Der Vorteil bestand darin, dass die Zahlung einer regulären Rente für alle Beteiligten mit weitaus weniger Aufwand verbunden war. Die tatsächlich in der Leprosenkapelle anfallenden Spendengelder waren also verglichen mit der Antoniuskapelle gering bemessen. Das Beispiel der Lambertikirche zeigt, welche Finanzkraft hinter einem Altar stehen konnte. An ihrem Hochaltar wurden allein zwischen Juni 1392 und Mai 1393 83 Mark, 9 Schillinge und 11 Pfennige eingenommen. MUB 316. Selbst für den Hochaltar einer Pfarrkirche dürfte dies allerdings ein hoher Wert sein.

2. Die Zielgruppe der Leprosen

259

die Kinderhauser Provisoren, denn Wesselus sollte derlei Geschäfte allein „de scitu prouisorum dictj leprosorij pro tempore ibidem existencium“ tätigen.88 Mit dem Treueeid des ersten Kinderhauser Rektors darf die Gründungsphase als abgeschlossen gelten. Anders als in den Fällen des Hospitals in der Venne und des Marienhospitals besteht über die Nutzung von Kinderhaus als Leprastation kein Zweifel. Bereits 1333 wurde es als „leprosorium“ bezeichnet.89 Zudem finden sich während des gesamten Mittelalters immer wieder Formulierungen, die die Insassen als leprös beschreiben.90 Mit den Besonderheiten der Lepra gingen besondere Verhaltensregeln einher, an die die Leprosen anders als die Bewohner anderer Hospitäler gebunden waren. Darüber berichtet die Hausordnung von 1558, auch wenn diese den Leprosen nach einem weitgehenden Abklingen der Lepra möglicherweise mehr Freiräume bot als ihre mittelalterlichen Vorgänger. So waren den Leprosen Stadtgänge ohne ausdrückliche Zustimmung der Provisoren selbst „yn groter und noethwendyger saken“ bei Strafe eines ganzen Jahres Pfründenentzug verboten. Ganz allgemein sollten sie „alle platze und stedde“ meiden, auf denen „de gesunden lude“ verkehrten. Insbesondere „yn gemeynen herbergen off kroegen“ sollten sie sich nicht sehen lassen. Auch auf dem Kirchhof oder der Straße zu liegen, die die Kapelle von der Hospitalanlage trennte, war untersagt. In der Küche sollten sie nichts berühren, sondern sich „wacken, saltz, water und der gelyken“ vom Koch aushändigen lassen. Zwar sollte jeder Lepröse, soweit er dies „unverhyndert myt syner kranckheit“ könne, arbeiten, dabei jedoch „nychts antasten offthe gebrueken, dat gesunde knechte offthe meggede tho bruken pleggen“. Einige Arbeiten waren vollständig untersagt, so etwa dreschen, mähen, fahren, Wasser aus dem Brunnen ziehen und Schweine hüten. Grund war, dass sie dafür Flegel, Schlüssel und andere Dinge in die Hand nehmen müssten, die auch Gesunde gebrauchten. Auch sollte der Amtmann davon absehen, sie zu Botendiensten heranzuziehen. Wem befohlen worden sei, die Heiligenstandbilder in der Kapelle zu kleiden und zu schmücken – „dar men de gesundesten plecht tho gebrueken“ – der sollte sie nicht selbst vom Altar holen, nicht den Chor betreten, vor allem nicht „up de altaer stygen und lyggen“. Vielmehr sollte der Küster die Heiligen herunterholen und sie nach der Schmückung zurückbringen. Die Leprosen mussten zudem ihre eigenen Stühle und Bänke in der Kirche gebrauchen und durften weder Glockenseil, Weihwedel, Weihsalz noch Altartuch oder Kirchenbücher berühren. In die Kirche sollten die leprösen Frauen ihren Mantel („hoiken“) tragen und nicht unverdeckten Hauptes gehen, und auch die Männer waren zum Tragen ihres Mantels („mantelen“) verpflichtet. Insbesondere, wenn sie mit Gesunden reden müssten, sollten sie 88 Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 8r. 89 Armenhaus Kinderhaus, Akten 190, fol. 7v. 90 Sie erscheinen als „de armen kranken lude tor Kinderhues“, als „de armen vthsetteschen menschen“ oder als „de armen zechen“. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 152r; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 63; MUB 305. Lateinische Quellen nennen sie „leprosi“, „pauperi leprosi“ oder „infirmi“, einmalig auch „miserabiles personae leprosorii dicti thor Kindere Hus“. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 154r; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 8, Urk. 20; A XIII, Nr. 258.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

ihr „angesychts“ und den ganzen Leib „verdeckt und verborgen“ halten und kein Zeichen ihrer „gebrecklyckheit“ erkennen lassen. Eltern, Freunde und Verwandte durften sie empfangen, allerdings nur mit Zustimmung des Amtmanns. Sollten die Leprosen jedoch einmal „tho kyndelbeer, gyldebeer, hyligendregen“ (Kindelbier, Gildebier, Heiligentracht) von ihren nächsten Nachbarn – also den Bauern der umliegenden Höfen – „tho gaste gebedden“ werden, sollten sie ihre eigenen „drynckvater“ mitbringen, an einer eigenen Tafel sitzen, sich nicht unter die Gäste mischen, nicht zu gierig sein, das übriggebliebene Essen in eigenen Gefäßen mitnehmen, außerdem nicht „dantzen, syngen offthe spryngen“ und spätestens um 17 Uhr wieder zu Hause sein.91 Aufgenommen wurde in das Leprosorium nur, wer seine Erkrankung nachweisen konnte. Er musste dazu, wie Artikel 1 der Hausordnung festlegt, „uthgewyst tho Coln“ sein.92 Tatsächlich war das Kölner Melatenhaus als größtes Leprosorium im deutschsprachigen Raum ein überregionales Untersuchungszentrum.93 Seit 1477 wurde die Lepraschau zudem von der medizinischen Fakultär Köln durchgeführt.94 Unter Vorlage eines die Krankheit bestätigenden Leprabriefes wurde man in Kinderhaus aufgenommen – sofern man Bürgerin oder Bürger der Stadt Münster war. Nicht zuletzt diese Beschränkung sorgte dafür, dass ein Großteil der Leprosen nicht in Hospitälern untergebracht, sondern zu einem – auch für ihre Umwelt nicht unproblematischen – Vagantenleben gezwungen war.95 Kinderhaus gewährte ihnen zumindest eine kurzfristige Unterkunft, doch durften „de uthemeschen und froemeden melaten oder leprosen“ lediglich zwei Nächte lang bleiben, sofern ihnen „de bedde tho Munster gestadeth werth“, andernfalls nur eine Nacht lang. Sie hatten allerdings sofort schlafen zu gehen und sollten nicht „vull und douhne“ aus der Stadt kommen oder mit mitgebrachtem Bier den Abend vertrinken. Nach altem Brauch sollten sie vielmehr demjenigen Insassen, der seine Pfründe bereits am längsten bezieht, einen Pfennig dafür geben, dass er ihnen das Bett macht. Darüber hinaus galten die Hausregeln auch für die fremden Leprosen. Insbesondere sollten sie weder untereinander noch mit jemandem im Hause „senck, hader, kyven, unwyllen, krutzen offthe krachten“ haben.96 91 Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363ff., Artikel 9–19, 47–49. 92 Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. 93 Die Lepraschau übernahmen hier die sechs jeweils ältesten Insassen. Uhrmacher, Köln als Zentrum der Lepraschau, S. 5f.; Bremen, Lepra-Untersuchungen, S. 77; Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 262; Asen, Leprosenhaus Melaten, S. 69. 94 Aderlass, Blutanalyse und eine gründliche Körperinspektion waren hier Teil der für den Patienten durchaus kostspieligen Untersuchung. Auch eine mündliche Befragung des Lepraverdächtigen unter Eid war möglich. Schließlich erhielt er einen Leprabrief, der auf gesund und unschuldig oder auf krank und schuldig lautete. Wenn die Untersuchung zu keinem eindeutigen Ergebnis führte, wurde ein entsprechender Brief ausgestellt. Bremen, Lepra-Untersuchungen, S. 70ff.; Asen, Leprosenhaus Melaten, S. 69f.; Belker, Lepra und Leprosenhäuser, S. 675; Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 275ff. 95 Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 2, S. 248. 96 Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363ff., Artikel 24–26.

3. Die Zielgruppe der Pestkranken

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Auch in der Lage des Leprosoriums spiegelt sich das Bestreben wieder, die Kranken zu isolieren. Wie für Leprosorien üblich, lag Kinderhaus außerhalb der Stadtmauern. In unmittelbarer Nähe verlief der Kinderbach, in dem die Leprosen ihre Wäsche waschen und Abfälle entsorgen konnten. Der gesamte Hospitalkomplex war außerdem von einer steinernen Mauer umgeben, die zum Teil noch heute steht, seinerzeit aber die Leprosen von der Außenwelt trennen sollte. Kinderhaus lag zudem – auch dies ist typisch für Leprosorien – am stark frequentierten Hellweg, der Münster mit Friesland verband. Dies war eine wichtige Voraussetzung für das Sammeln von Almosen.97 Wie jedes außerhalb der Stadtmauern Münsters liegende Hospital – für das Marienhospital ist dies freilich nicht nachweisbar – verfügte Kinderhaus über einen am Straßenrand aufgestellten Spendenkasten, der passierenden Händlern, Reisenden und Pilgern Gelegenheit zu einem Almosen gab. Die Hausordnung erwähnt ihn als einen „stock“. Sollten die Leprosen einmal „vor der porten“ Almosen finden, sollten sie sie nicht für sich allein behalten, sondern „yn den stock werpen“, damit sie allen Leprosen zukämen. Der Amtmann aber war durch die Hausordnung gehalten, dass er jedes Jahr auf Ostern und Michaelis in Anwesenheit der Provisoren „den stock upslite“ und alle darin befindlichen Almosen unter die Insassen verteile.98 Integriert war der Opferstock in dem heute sogenannten Lazarushäuschen, einem 9 Quadratmeter großen und 4,45 Meter hohen, überdachten Bauwerk, in dem Statuen der heiligen Gertrud und des heiligen Lazarus Aufstellung fanden. Wann das Lazarushäuschen gebaut wurde ist unbekannt. Erste Nachrichten finden sich 1618, als das „Heiligenheußlein“ renoviert oder vollständig neu aufgebaut wurde. Es steht noch heute vor der inzwischen Josef geweihten ehemaligen Gertrudiskapelle.99

3. Die Zielgruppe der Pestkranken „Item temporibus suis anno m.ccc.l. viguit in universo mundo mortalitas hominum permaxima successive, que epydimia vocabatur, ita quod vix unus homo alium sufficiebat sepelire. Et exinde plures Iudei in multis terris sund interfecti, quibus illud nephas pestilencie imponebatur.“100

97 Belker, Lepra und Leprosenhäuser, S. 672; Crabus, Kinderhaus 1333–1533; Crabus, Leprosorium Kinderhaus, S. 32–34. 98 Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 364, Artikel 20–21. 99 Dethlefs, 650 Jahre Kinderhaus, S. 20; Klötzer, Kinderhaus 1534–1618, Tafel 6.6; Pieper, Münster-Kinderhaus, S. 13; Just, Lazarushäuschen, S. 15. 100 „Auch herrschte zu seinen Zeiten im Jahre des Herrn 1350 auf der ganzen Welt nacheinander eine sehr große Sterblichkeit der Menschen, die man Epidemie nannte, so dass kaum ein Mensch den anderen begraben konnte. Und hierauf wurden die meisten Juden in vielen Ländern getötet, denen man die Schuld an dieser Pest zuschob.“ Zitiert nach Detlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 12. „Seine Zeiten“ sind die des Bischofs Ludwig II. von Hessen (1310/57). Eine später verfasste mittelniederdeutsche Version findet sich bei Hechelmann, Elenden, S. 360. Vgl. auch Stadtmuseum, Pest und Lepra, S. 31.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Mit diesen Worten beschreibt die um 1370/80 verfasste münsterische Bischofs­ chronik den ersten Ausbruch der Pest in Münster im Jahre 1350. Köln hatte die Epidemie bereits zur Jahreswende 1349/50 erreicht, Bremen Mitte Juni. In Münster erfolgte der Ausbruch also wohl im Frühjahr und dauerte vielleicht ein halbes Jahr an.101 Die städtische Obrigkeit sah sich damit schlagartig mit zwei verschiedenen Problemen konfrontiert: der Isolation der Kranken und der Beerdigung der Toten. So erfuhren etwa die Friedhöfe der Überwasser- und Aegidiikirche eine Erweiterung.102 Die Wiedererrichtung der Marienkapelle vor dem Mauritztor hingegen versprach eine Verbesserung in beiderlei Hinsicht. Initiatoren der Aktion waren die Ratsherren und Schöffen der Stadt Münster.103 Auf ihre Bitten hin gaben der Propst Conradus, der Dechant Hermannus, der Scholaster Ecbertus und das gesamte Kapitel der Kirche St. Mauritz am 3. August 1350 ihre Zustimmung „(...) quod reverendus in Christo pater ac dominus noster episcopus Mon. erigat de novo capellam in cimiterium infra limites parrochie nostre ecclesie s. Mauricii infra fossata intra portas sancti Mauricii et Horsterporten eiusdem civitatis Mon.“104

Bereits vor der Pest hatte an selbiger Stelle eine der Maria geweihte Kapelle mit Friedhof und Hospital gelegen, die seit dem Ausbau der Festungsanlage 1320/30 aber nicht mehr bestand. Der jetzige Neubau der Kapelle erfolgte auf dem Grund des brachliegenden Friedhofs, dessen Reaktivierung wohl mit dem Neubau einherging.105 Als Initiator des Projekts sorgte der Stadtrat auch für die finanzielle Ausstattung des Benefiziums und versprach, das Benefizium mit jährlichen Renten in Höhe von 8 Mark zu versehen. Im Gegenzug erhielt er dafür das Patronats- und Präsentationsrecht. Die Investitur verblieb indes beim Dechanten der Mauritzkirche. Sollte der Rat aber jemanden vorschlagen, der ungeeignet wäre, sollten Dechant und Kapitel selbst einen Kandidaten benennen. Ähnlich wie schon bei der Kinderhauser Rektoratserhebung im Jahre 1342 sollte auch der Rektor der Antoniuskapelle alle „ad capellam et cimiterium“ anfallenden Spendengelder nicht für sich behalten, sondern regelmäßig alle 15 Tage dem Dechanten überbringen. Auch die Beschränkung auf nur einen Altar findet sich hier wieder.106 Der Rektor war an seine Mutter101 102 103

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Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 8. Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 8. Auch Black (Speckpfründe Lamberti, S. 74, S. 87) und Klötzer (Kleiden, S. 117) sehen im Rat den Initiator. Andere nennen den Bischof oder das Mauritzstift als Gründer. Vgl. Kirchhoff, Marienhospital, S. 129. Liese (Westfalens alte und neue Spitäler, S. 162) hingegen plädiert für eine Antoniusbruderschaft. „Dass unser hochwürdiger Vater und Herr in Christo, der Bischof von Münster, erneut eine Kapelle auf dem Friedhof innerhalb der Grenzen des Kirchspiels unserer Kirche St. Mauritz zwischen den Gräben zwischen den Toren der Stadt Münster St. Mauritz und Hörstertor errichtet“. Antoniushospital, Urk. 1. Kirchhoff, Marienhospital, S. 133. Der Friedhof war tatsächlich aktiv. 1974 fand man bei einer Grabung Grabplatten und Gebeine, außerdem einen zum Hospital gehörenden Brunnen. Kirchhoff, Marienhospital, S. 134. Antoniushospital, Urk. 1. Überhaupt weisen die Rektoratsurkunden von Kinderhaus und Antoniuskapelle so viele, teilweise auch wörtliche Gemeinsamkeiten auf, dass die Vermutung naheliegt, man habe sich 1350 an der Kinderhauser Urkunde orientiert.

3. Die Zielgruppe der Pestkranken

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kirche auch dahingehend gebunden, dass er, sofern es ihm möglich sei, regelmäßig, vor allem aber an allen vier Hochfesten, die dortige Messe besuchen solle. Damit war ausgeschlossen, dass der Rektor in seiner Kapelle an den spendenintensiveren Tagen ebenfalls die Messe las und so in Konkurrenz zur Mauritzkirche trat. Besiegelt wurde die entsprechende Urkunde neben dem Kapitel von St. Mauritz, dem Dechanten Hermannus und dem Scholaster Ecbertus auch von Bischof Ludwig sowie von der Stadt Münster.107 Bemerkenswert ist die Urkunde insbesondere durch die Themen, die sie nicht behandelt. Der Aufgabenbereich des Rektors etwa – hatte er das Recht zur Taufe und Beerdigung, was war sein Einzugsbereich? – bleibt anders als im Falle Kinderhaus undefiniert. Es ist nur zu vermuten, dass seine wesentliche Aufgabe zunächst in der kirchlichen Betreuung der Pestkranken und der Bestattung der Pesttoten auf dem reaktivierten Friedhof bestehen sollte. Auch ein Inhaber der Stelle bleibt unerwähnt. Eine Besetzung war offenbar noch nicht erfolgt. Tatsächlich erscheint ein Inhaber des Benefiziums erst 1363.108 Es stellt sich also die Frage, ob das Benefizium während des ersten Pestausbruchs überhaupt schon besetzt wurde. Sofern die Aufgabe des Priesters tatsächlich in der Beerdigung von Pesttoten gelegen haben sollte, dürfte die Stelle sicherlich nicht leicht zu besetzen gewesen sein. Auch das Patrozinium der Kapelle wird nicht genannt,109 ebenso ein Hospital, und möglicherweise existierte ein solches tatsächlich noch nicht. Mit Sicherheit entstand ein Hospital aber in den folgenden Jahren.110 Seine früheste Erwähnung findet das Hospital allerdings erst in dem 1358 abgefassten Rentregister des Armenhauses zur Aa.111 Damit lässt sich die

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Wie in Kinderhaus, so hielt man sich allerdings auch hier nicht an die Regel, es bei nur einem Altar zu belassen, denn 1445 wurde in der Antoniuskapelle ein zweiter, den heiligen drei Königen geweihter Altar errichtet. Antoniushospital, Urk. 9. Antoniushospital, Urk. 1. Am 1. Oktober dieses Jahres verkauften die Eheleute Albertus und Elyzabeth van der Wieck dem „Franco rectori capelle novi hospitalis infra fossata civitatis Monasteriensis“ für 18 Mark eine Rente von 9 Schillingen. Antoniushospital, Urk. 2. Erst 1453 erscheint die Kapelle als „capella beate Marie virginis et sancti Anthonij extra et prope portam sancti Mauricij extra muros Mon. situata“. Antoniushospital, Urk. 9. In diesem Punkt unterscheidet sie sich allerdings nicht von der Kinderhauser Kapelle, deren Schutzheilige Gertrud erst 1450 erstmals Erwähnung findet. A XIII, Nr. 258. Am 11. Februar 1354 übertrugen Bernhard Knokell und seine Kinder dem Henricus Vore und dem Godeken Stove vor den Bürgermeistern Johan Steveninck und Lambert Bocholt, den Richtherren Wilbrand Voghet und Godefridus Travelmanninck und weiteren Schöffen eine Mühle, die „extra portam s. Mauritii“ lag. MUB 153. Es ist vorstellbar, dass der Rat hier die Ausstattung des Antoniushospitals vorantrieb. Darauf weist nicht nur die Nähe der Mühle zum Hospital, sondern auch die für Provisoren typische Zweizahl der Empfänger. Der 38. und damit ursprünglich letzte Punkt – alle anderen Punkte sind spätere Nachträge – berichtet von einer Schenkung an das Armenhaus. „Item agros capientes unum molt ordei, quos contulit eis Hassele Proles, sitos iuxta sleten dyecke, de quibus dabuntur annuatim 8 s., et pauperes hospitalis extra s. Mauritii portam in hiis agris habebunt terciam partem.“ MUB 156, Nr. 38. Zur Datierung des Registers vgl. Klötzer, Kleiden, S. 118, Fußnote 296.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Errichtung des Antoniushospitals auf die Zeit zwischen 1350 und 1358 festlegen. Seine Aufgabe bestand wohl insbesondere in der Unterbringung von Pestkranken. Sie zu sequestrieren war das einzige wirksame Mittel gegen die Pest. Die isolierte Lage machte das Hospital, da Kinderhaus als Leprosorium genutzt wurde, zur derzeit einzigen Institution, die diese Voraussetzungen erfüllen konnte. Genau hierin lag zweifellos die bei seiner Gründung intendierte Funktion. Darauf weist auch das Patrozinium des Pestheiligen Antonius. Demnach dürfte das Hospital parallel zur Einrichtung der Priesterstelle im August 1350 oder nur wenig später gegründet worden sein.112 Zur Grundausstattung des Antoniushospitals – wie zuvor vielleicht schon des Marienhospitals – gehörte dabei der sogenannte „Magheromes koten“.113 Am 28. Juli 1368 erklärten der Propst Engelbertus Fransoys, der Dechant Wescelus Droste, der Scholaster Ecbertus Byscopinch und das gesamte Kapitel der Kirche St. Mauritz, dass sie sich 18 Jahre „post fundacionem seu erectionem capelle hospitalis extra dictos muros ciuitatis Monasteriensis“ zur Änderung einer der seinerzeit abgefassten Artikel entschlossen hätten. Alle anderen Artikel der Fundationsurkunde sollten davon unberührt bleiben. Der Artikel, der nun geändert werden sollte, betraf die Pflicht des Rektors zur regelmäßigen Abgabe aller anfallenden Spendengelder, und die Absicht des Domkapitels war dieselbe, die 1352 bereits das Kloster Überwasser gegenüber dem Kinderhauser Rektor verfolgt hatte.114 Die fortan fällige 1 Mark Rente dürfte den Durchschnitt der in den vergangenen Jahren angefallenen Spendengelder darstellen, der damit doppelt so hoch ausfiel wie in Kinderhaus, wo man nur 6 Schillinge zahlen musste. Zuvor hatten Kapitel und Kirche von St. Mauritz nicht nur auf die in der Kapelle anfallenden Spendengelder Anspruch erhoben, sondern auf sämtliche innerhalb des Areals gegebenen Spenden, selbst wenn sie nicht 112

Darauf weist auch eine Formulierung der Vertreter des Mauritzkapitels hin, die 1368 berichteten, 1350 wäre die Gründung einer „capelle hospitalis“ erfolgt. Antoniushospital, Urk. 3. 113 Am 14. August 1368 bestätigten Jordanus Ghelekyngh und Johannes Zickeman als von den Bürgermeistern deputierte Provisoren des Hospitals, dass der Priester Johannes Rutyngh dem Rektor der Kapelle und den Armen des Hospitals 24 Mark für den Erwerb von 1 Mark Rente zugewiesen habe. Eingetrieben werden sollte die Rente vom Hospital, das dafür dem Rektor Franco jährlich die Hälfte der Rente abtreten würde. Gezahlt werden sollte diese halbe Mark „ex quadam casa eidem hospitali pertinente dicta Magheromes kote, ab ista parte quando itur de villa sancta Mauricij ad ciuitatem Mon. sita“. Antoniushospital, Urk. 4. 114 Konkret sah die Änderung so aus, „quod de cetero rector capelle et prouisores hospitalis predictis seu hospitale predicte oblaciones vniversas et singulas intra seu infra et ante capellam et hospitale seu domum hospitalis ac pertinencias earundem necnon inter portas scilicet magnam et veram ciuitatis vocatam sancti Mauricii et aliam portam dictam voreporte quocumque modo provenientes tollant, percipiant, habeant necnon prefatis oblacionibus perpetuis temporibus gaudeant et fruantur libere pro omni suo libitu voluntatis, in quarum quidem oblacionum restantum et compensam rector capelle et prouisores hospitalis predicti et hospitale predictum redditus vnius marce denariorum Mon. legalium singulis annis perpetuis temporibus decano et suis coadiutoribus in festo pasche expedite et sine protractione soluent seu ministrabunt.“ Antoniushospital, Urk. 3. Vgl. MUB 150.

3. Die Zielgruppe der Pestkranken

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für die Kapelle, sondern für das Hospital bestimmt waren. Im Auge hatte man dabei zweifellos einen Spendenkasten, der auch für das Hospital in der Venne und für das Leprosorium Kinderhaus nachweisbar ist und damit für alle außerhalb der Stadt gelegenen Hospitäler obligatorisch war. Für das Antoniushospital ist er erstmals 1483 belegt, als der Amtmann Wynandus Wrede bestätigte, vom ersten Vikar der Kapelle Johannes Dreyer 8 Pfund Wachs zur Herstellung von vier Standlichtern erhalten zu haben, die für die Memorien der Insassen gebraucht werden sollten. Dabei durfte keinerlei Schaden für die Priester der Kapelle entstehen, die hinzufügten: „So van dar der armen lude tor capellen eyn vth vorsteruet, so vakene alz dat schuet, sal vns de amptman gheuen xii den. van synen nalate vnd dat lecht, dat ghesant wert tor capellen vthe der stad, van der penninck pase to ludenn, dar wy de veir stadelechte mede stane holden wilt in der ere godes.“115

Es verhielt sich wohl so, dass Verwandte und Freunde des Verstorbenen mit einer kleinen brennenden Kerze aus der Stadt in die Kapelle kamen, wo die Leiche aufgebahrt worden war, um sie danach zu Grabe zu tragen. Die Kerzen hat man danach wohl in das Pfennigmal geworfen und so den Armen gespendet. Die Leerung des Mals wie auch die Nachlassverwaltung des Verstorbenen oblagen dabei dem Amtmann.116 Am 4. Dezember 1368, also etwa vier Monate nach der Änderung des Abgabenartikels, wurde das Rektorat erneut bestätigt und es wurden weitere Änderungen vorgenommen. Es versammelten sich zu diesem Zweck Bischof Florencius, Propst Engelbertus Fransoys, der Dechant Wesselus Drozete, der Scholaster Ecbertus Byscopinch und das gesamte Kapitel der Kirche St. Mauritz, der Rektor der Hospitalkapelle Franco sowie die Ratsmänner und Schöffen der Stadt Münster. Sie erklärten, dass Bischof Ludewicus seinerzeit die „capellam hospitalis et cimiterium eius inter limites parrochie predicte ecclesie sancti Mauricii instaurauit et erexit“117 und bestätigten die darüber abgefasste und hier als Transsumpt eingefügte Fundationsurkunde von 1350 sowie die im Juli beschlossene Abgabenänderung. Ein weiterer Artikel der Fundationsurkunde wurde dahingehend geändert, dass der Rektor fortan nicht mehr zur Teilnahme an den Gottesdiensten der Mauritzkirche angehalten war. Erneut wurden dem Stadtrat das Patronatsrecht und dem Dechanten von St. Mauritz 115

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„Wenn dort von den armen Leuten zur Kapelle einer verstürbe, so oft dies geschieht, soll uns der Amtmann 12 Pfennige aus dessen Nachlass und die Kerzen geben, die zur Kapelle aus der Stadt gesandt werden und für das Pfennigmal bestimmt sind, wovon wir die vier Standlichter in Stand halten wollen zur Ehre Gottes.“ Antoniushospital, Urk. 19. Für „pas“ und „to-luden“ vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, S. 271, S. 409. Für die Diskussion dieser Frage danke ich Dr. Ralf Klötzer. Der Spendenkasten existierte auch 1602 noch. In diesem Jahr wurde dem Rektor Heinrich Wermeling seine geistliche Würde aberkannt, weil er den Opferkasten bestahl und außerdem keine geistliche Kleidung trug. Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 226. „Instaurare“ heißt„errichten“, aber auch „instandsetzen“ und „erneuern“. Es ist dies ein weiterer Hinweis, dass die Antoniuskapelle auf bereits bestehende Strukturen aufbaute.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

das Investiturrecht bestätigt. Darüber hinaus bekundeten die Beteiligten, dass die Handgetreuen der verstorbenen Elizabeth Herinch alias Synkinch die Kapelle mit 100 Mark beschenkt hätte und der Rektor dafür Memorien für Elizabeth und ihre Verwandten halten sollte. Bereits in der Fundationsurkunde von 1350 hatten sich die Ratsherren außerdem zu einer Dotierung des Benefiziums mit 8 Mark Rente bereiterklärt. Nun bestätigten sie ihre Verpflichtung. Die 8 Mark sollten jährlich „per nos seu camerarios nostros“ ausgezahlt werden, und zwar mit je 4 Mark zu Ostern und Michaelis. Empfänger der Rente sollten der derzeitige Rektor Franco und seine Nachfolger sein. Diese Regelung sollte solange gelten „donec dictarum octo marcarum redditus in loco congruo competenti et habili per nos fuerint comparati“.118 Der Rat hatte also das Kapital noch gar nicht in Renten angelegt, sondern zahlte die versprochenen 8 Mark noch aus der eigenen Kasse. Da dieses Verfahren eine vermeidbare finanzielle Belastung der Kämmerei bedeutete, ist wohl nicht davon auszugehen, dass es bereits seit längerer Zeit angewendet wurde, sondern vielmehr eine kurzfristige Übergangslösung darstellte. Die Formulierung, das Geld Franco und seinen Nachfolgern zu zahlen, lässt außerdem darauf schließen, dass Franco tatsächlich der erste Inhaber des Benefiziums war.119 Beide Aspekte könnten wiederum darauf hindeuten, dass eine erste Besetzung des Benefiziums im Pestjahr 1350 noch gar nicht erfolgt war. Einen schweren Einschnitt bedeutete die Täuferherrschaft für das Antoniushospital. Wie der Chronist Kerssenbrock berichtet, kam es am Tag nach der Wahl des neuen Rates am 24. Februar 1534 zu Verteidigungsvorbereitungen, bei denen die Kapelle am Mauritztor abgebrochen wurde: „Sacellum d. Antonio iuxta portam Mauritianam concecratum ereptis bonis mobilibus demoliuntur.“120 Tatsächlich ließ der Täuferrat den gesamten Gebäudekomplex abtragen, um in Anbetracht der Belagerung das Mauritztor zu verstärken.121 Erst 1540 begann man auf Befehl von Bürgermeistern und Rat „dat armelude hueß to sanct Antonius“ wieder „to restaureren“, nachdem es „dorch de kettersche vproersche wedderdoe­ persche secte waß gar vndt all verdoruen vndt in den grundt destruerth“ worden war.122 1541 besahen beide Bürgermeister und die Ratsfreunde die Zimmer der wiedererrichteten Anlage und zahlten den Zimmerern und Maurern ein Trinkgeld von 6 Schillingen und 6 Pfennigen.123 Das Antoniushospital hatte zu diesem Zeitpunkt seinen Charakter als Aufnahmestation für Pestkranke längst verloren und war zu ei118

„Solange bis die Renten für besagte 8 Mark von uns an geeigneter Stelle zuverlässig und handhabbar angelegt worden sein werden“. Antoniushospital, Urk. 5. 119 Nachweisbar ist er allerdings erst seit 1363. MUB 174. 120 „Die dem heiligen Antonius geweihte Kapelle nahe an dem Mauritztor machten sie, nachdem sie vorher alle beweglichen Güter daraus weggeschafft hatten, dem Erdboden gleich.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 521. Übersetzung in Anlehnung an Widmann, Kerssenbrock, S. 510. 121 Klötzer, Kleiden, S. 119; Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 64. 122 Darüber berichtet die noch im selben Jahr abgefasste Hausordnung. Antoniushospital, Akten 16, S. 1. 123 Geisberg, Stadt Münster, Bd. 1, S. 174.

3. Die Zielgruppe der Pestkranken

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nem einfachen Armenhaus geworden. Dennoch zeugen einige Regeln der Hausordnung von der einstigen Funktion. Punkt 12 der 16 Punkte umfassenden Rolle lautet: „Item eth sollen van den armen, man vnd frouwe, des tages nicht in de statt gaen vndt aldaer in malckens husere dar beneffen straeten vndt gaßen loepen; we daer ungehorsamlick gevunden werth, sall ein wecke seine proeue entsatt sein.“124

Anders als die Insassen anderer Armenhäuser durften die des Antoniushospitals die Stadt also nicht betreten. Der Zweck einer solchen Regel dürfte in der Isolation der Insassen gelegen haben. Wurde das Hospital tatsächlich als Pesthaus genutzt, war diese Regel sinnvoll. Die einzige andere Institution mit einer ähnlichen, allerdings weniger scharfen Einschränkung war das Leprosorium Kinderhaus. Dort bedurften die Insassen für einen Stadtgang der Genehmigung der Provisoren.125 Da die Notwendigkeiten einer Isolation allerdings längst nicht mehr bestanden, erlaubte die Rolle des Antoniushospitals auch Ausnahmen. So waren den Armen Stadtgänge an Sonn- und Feiertagen erlaubt, sofern sie den Besuch von Predigtgottesdiensten beabsichtigten.126 Nach einer ersten Welle im Jahre 1350 brach die Pest in Münster 1382/84 erneut aus und forderte zahlreiche Opfer, zumal zeitgleich ein Stadtbrand große Schäden anrichtete.127 In der Folgezeit kam es immer wieder zu kleineren Pestausbrüchen. Auch die Insassen von Armenhäuser litten unter ihnen. So standen auf dem Hof des Magdalenenhospitals kleine „krankenhäuschen“ mit eigener Feuerstelle, in denen man während einer Pestepidemie 1554/55 das kranke Gesinde unterbrachte.128 Auch das Leprosorium Kinderhaus bot sich aufgrund seiner isolierten Lage zur Aufnahme von Pestkranken an. Nachweisbar ist eine solche Praxis für zahlreiche andere mittelalterliche Leprosorien, für Münster allerdings erst für das Jahr 1666. Als die Elenden überfüllt waren, brachte man damals die pestkranken Soldaten, Knechte, Mägde und mittellosen Einwohner in Kinderhaus unter.129 Sowohl Kinderhaus als auch das Magdalenenhospital könnten im Mittelalter ähnlich genutzt worden sein. Die Rekonstruktion von Pestausbrüchen während des 15. Jahrhunderts gestaltet sich allerdings schwierig. Anzunehmen ist ein solcher um 1429. In diesem Jahr wurde im

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Antoniushospital, Akten 16, S. 6. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363, Art. 9. Artikel 14 lautet: „Item eth sollen von unß verloeuet sien, we van den armen willen den hilligen sundages, veerhochtidt, vnser leuen frouens, apostel dage oder sunst festdage wil prediken horen, dar tho sollen se gestadet sein vndt sollen des sommertides to vi uren wedder to hueß sien, den winter tidt to veer uren; we dar unghorsamlick in gefunden wert, sall sine proeuen iij dage careren.“ Antoniushospital, Akten 16, S. 6. Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 9; Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 494. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 49. Kegel/Hamelmann, Kinderhaus 1660–1760, S. 23ff.; Weyland, Lepra- und Pesthäuser, S. 1, S. 9, S. 14f., S. 18, S. 64; Hakenes, Lepra im Mittelalter, S. 46; Dethlefs, Leprosenhaus-Werkhaus-Armenhaus, S. 8, Gimpel, Fürstbischof Galen; Schulze, Kinderhaus im Wandel der Zeiten, S. 20f.; Schulze, Zeugen einer vergangenen, leidvollen, schweren Zeit.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Armenhaus Zurwieck eine Vikarie errichtet, damit ein Priester dort für die „debiles et pauperes“ die Messe halten könnte. Tatsächlich waren die Bewohner „(…) languentes diversarum pestium ac infirmitatum generibus oppressi adeo, quod pro audiendis missis ac officiis divinis ecclesiam suam parrochialem extra dictam domum nullatenus attingere possint.“130

Da das Armenhaus im Falle eines Pestausbruchs isoliert werden musste und der Kirchgang der Kranken damit nicht mehr möglich war, sollte nun also ein fest angestellter Priester vor Ort die Messe lesen. Offenbar erfolgte kurz nach der Stiftsfehde ein weiterer Seuchenausbruch. 1459 wurde erstmals im Armenhaus zur Aa ein Benefizium errichtet, und in der Fundationsurkunde begründete man dies mit denselben Worten wie 1429 im Falle des Armenhauses Zurwieck. Auch hier waren es die kranken und armen Insassen, die aufgrund ihrer Erkrankung nicht an den Messen und Gottesdiensten ihrer Pfarrkirche – in diesem Fall nicht die Überwasserkirche, sondern die Martinikirche – teilnehmen konnten.131 Trotz der formelhaften Wiederholung der Passage ist wohl tatsächlich von einer ansteckenden Krankheit – wenngleich vielleicht nicht der Pest – um 1458/59 auszugehen, denn auch ein Eintrag in den Kämmereirechnungen weist in diese Richtung. Nach diesem bezahlte die Kämmerei 1458 Knechte dafür, dass sie „de doden vissche, de storven weren, uith den graven toghen“.132 Eine nachhaltige institutionelle Auseinandersetzung mit der Pest erfolgte – vielleicht in Reaktion auf die Seuche von 1458/59 – erst durch die Errichtung der ersten Elende im Jahre 1475.133 Tatsächlich wurden Pläne zur Gründung von Pesthäusern im 15. Jahrhundert vermehrt von den Städten diskutiert, doch kam es aus finanziellen Gründen nur selten zur Realisierung. Nach Abebben der Pest wurden die Pläne meist wieder verworfen.134 Ganz ähnlich dürfte es sich zunächst in Münster verhalten haben, wo der Stadtrat nach der Stiftsfehde finanziell zu geschwächt war, um die Gründung selbst zu vollziehen.135 Stifter der Elende war entsprechend auch nicht der Stadtrat, sondern Macharius Veghesack, der von 1453 bis 1464 als Amtmann im Magdalenenhospital nachweisbar ist und als solcher auch dem Stadtrat unterstand. Die Vorbereitungen zur Fundation begannen 1474. Am 11. Januar dieses Jahres 130

„Durch Arten verschiedener Pestilenzien und Krankheiten ermattet und dergestalt bedrückt, als sie für die zu hörenden Messen und Gottesdienste ihre Parrochialkirche außerhalb des genannten Hauses keineswegs erreichen können.“ A XIII, Nr. 284, fol. 3r. 131 Armenhaus zur Aa, Urk. 30. 132 Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 81. 133 Weyland (Lepra- und Pesthäuser, S. 28) geht auf Grund der Elendengründung von einer Pest im Jahre 1475 aus, Hövel (Bevölkerungsgeschichte, S. 480) von einer Pest im Jahre 1474. Winzer (Pestkrankenhäuser, S. 243) kritisiert dies zu Recht, vermutet aber eine prophylaktische Gründung ohne spezifischen Anlass. „Elend“ bedeutet ausländisch oder fremd. Moeller, Elendenbruderschaften, S. 142. 134 Konstanzer Arbeitskreis, Arbeitstagung 2002, S. 86. 135 Zur Errichtung von Pesthäusern kam es 1495 in Cellem und 1499 in Bremen. Klötzer, Kleiden, S. 128.

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erwarben die Handgetreuen des verstorbenen Macharius136 ein Haus und Hof im Kirchspiel Aegidii.137 Dass Macharius Veghesack bereits testamentarisch das Kirchspiel Aegidii als Bestimmungsort der Elende festgelegt hatte, ist unwahrscheinlich, zumal er selbst im Kirchspiel Überwasser gewohnt hatte. Vielmehr dürften seine Exekutoren stadtweit nach einem geeigneten Objekt gesucht haben.138 Verwenden wollten sie es „(…) to behoeff vnd to troeste armer ellendiger verlatenn lude, de in pestilencie befallen vnd nyne eighenn husynge en hebn, dan dar jnnen kranck to bedde to liggenn vnd waringe to hebbenn, dar dat ock to ewighen daghen by blyuen sall, alse selige Macharius vorg. dat versatet heuet.“139

Macharius Veghesack hatte nicht nur die Seuche von 1458/59 persönlich miterlebt, sondern war als langjähriger Amtmann des Magdalenenhospitals zweifellos genauestens mit der Fürsorgesituation der Stadt Münster vertraut. Deutlich wird dies daran, dass bisher keine auf einen privaten Stifter zurückgehende Fürsorge­ institution einen derart hohen Spezialisierungsgrad aufweisen konnte wie die hier gegründete Elende. Wer über eigenen Hausbesitz verfügte, der konnte im Falle einer Pesterkrankung in seiner eigenen Wohnung isoliert werden. Anders verhielt es sich bei Knechten und Mägden, die im Falle einer Infektion wohl oftmals des Hauses ihres Dienstherrn verwiesen wurden. Nicht nur zur Pflege dieser Personengruppe, sondern auch zum Schutz der gesunden Bevölkerung war eine Isolierstation durchaus notwendig. In der Folgezeit ließen die Handgetreuen das Haus „myt hulpe vnd ghaue guder lude gheistlick vnd wertlick“ aufzimmern und verbessern, sodass am 6. März 1475 die offizielle Gründung erfolgen konnte. In der über diesen Tag ausgestellten Fundationsurkunde verkündeten Bürgermeister und Rat der Stadt Münster, dass Macharius Veghesack „vth gotliker medelydent der armen ellenden knechte vnd meghede, de in pestilencien off ander beklyueden zuken in vnser stad befallen“, einen Teil seines Gutes für eine „herberghe, tovlucht vnd waringe“ vermacht habe. Die „hoede“ über diese Herberge sollten der Stadtrat selbst und – solange sie lebten – die vier Handgetreuen des Macharius haben. Auch die Einsetzung der Elender,140 die den aufgenommenen Kranken „nyner waringe off troestes weighernn“ sollten, oblag beiden Parteien. Die „eirsten hueshoder“ sollten aus dem Kreis der Handgetreu-

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Nach Liese (Westfalens alte und neue Spitäler, S. 164) ist Veghesack allerdings erst 1478 gestorben. 137 Als Handgetreue agierten Conradus Polman, Bernd Haghedorn, Johan Plonyes und Johan Totter, Verkäufer waren Johan van Lubbeke und seiner Frau Fenne. Das Haus lag zwischen Häusern der Elseke tor Helle und des verstorbenen Willebrand Voghedes und hatte zuvor Mette Kleyhorst gehört, davor Johan Koepman. Belastet war es mit Wortgeld sowie 3 Mark Rente. Elende Aegidii, Urk. 3. 138 Winzer, Pestkrankenhäuser, S. 243. 139 Elende Aegidii, Urk. 3. 140 Die Elender erscheinen in diesen frühen Quellen gewöhnlich als „inwoner“. Um Verwechselungen mit den Insassen zu vermeiden, soll hier die erst später gängige Bezeichnung „Elender“ Verwendung finden. Vgl. Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 9.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

en bestimmt werden.141 Nach ihrem Tod aber würde die Besetzung der Provisoren dem Stadtrat zukommen. Damit lag die Elende bei vorübergehendem Mitspracherecht der Nachlassverwalter in der Hand des Rates. Er war es auch, der die Elende von allen städtischen Lasten befreite. Aufgenommen werden sollten „de krancken, in pestilencien offt andernn beklyueden zueken beuallen, van ghesynde vnses stades jnwonern, gheistlick vnd wertlich“. Wer von ihnen in die Elende gesandt wurde, den sollten die Elender „guetlick entfaen, herberghen vnd verwaren“, soweit die Mittel des Kranken und der Elende dies ermöglichten. Erst wenn darüber hinaus noch Kapazitäten frei wären, sollten die Elender auch „ander ellende armen kranken, watterleye kunne de syn, de nyn herberghe off woninge hebben moghen“, Aufnahme gewähren. Primäre Aufgabe der Elende war also die Unterbringung des städtischen Gesindes, mit der zugleich ihre – wohl mehrheitlich bürgerlichen – Diensthaushalte entlastet wurden. Der Aktionsradius der Elende umfasste dabei die gesamte Stadt. Dabei sollten sich die Elender durchaus auch um Pestkranke außerhalb des Hauses kümmern. Sei es, dass „jenich vnser jnwoner, gheistlick off wertlick“ in seinem Hause einen Kranken habe, „watterleye zueke dat were“, und er die Elender anfordere, so sollten sie oder einer von ihnen, sofern sie in der Elende abkömmlich wären, auch „den krancken, de buten dessen huse leghe“, gutwillig umsorgen.142 Die geistliche Betreuung der pestkranken Insassen war ein Problem, oder, wie die Fundationsurkunde es ausdrückt, eine „sunderlinx groit noet“, denn weder konnten sie die Elende verlassen, um in der Stadt den Gottesdienst zu besuchen, noch gab es eine in der Elende angesiedelte Priesterstelle. Man versuchte, diesem Problem auf zweierlei Weise zu begegnen. Zunächst beauftragte man tatsächlich einen Priester mit der geistlichen Betreuung der Insassen, doch war sein Benefizium nicht in der Elende selbst, sondern in der Pfarrkirche Aegidii angesiedelt.143 Seine Aufgabe bestand wohl darin, die Kranken gelegentlich in der Elende zu besuchen. Unklar ist jedoch, ob man zu diesem Zweck ein eigenes Benefizium errichtete oder den Aufgabenbereich des Inhabers einer bereits an Aegidii bestehenden Vikarie erweiterte. Da in der Aegidiikirche keine einzige Vikarie unter Ratspatronat bekannt ist, dürfte auch diese nicht unter Ratspatronat gestanden haben. Da es nur einen einzigen Beleg für einen für die Elende Aegidii zuständigen Priester ist, scheint man von dieser Praxis bald Abstand genommen zu haben, zumal für spätere Elenden nichts Vergleichbares nachweisbar ist. Damit blieb nur die Möglichkeit, die geistliche Betreuung Laien zu überlassen, nämlich den beiden Elendern. Gemäß Gründungsurkunde sollten sie „in schrifft hebn vnd leeren, dat se vth den gheistliken sterffboken weten“, um damit die Kranken, so gut sie nur könnten, „ynnichlike to troestenn“. Deshalb sollte man bei der Auswahl der Elender auch mehr auf „gotlyck gherochte 141 142 143

Einer von ihnen, Conradus Polman, war tatsächlich noch 1484 als Provisor tätig. Elende Aegidii, Urk. 4. Elende Aegidii, Urk. 3a. Eine vollständige Transkription bietet Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 2, S. 1ff. Es ist für den 7. Juni 1501 eine Rente von 5 Gulden bezeugt, die „an de vicarie des huses der armen tor elende, belegen in sunte Egidij kercken, dar nu her Hinrich Blanckebile possessor van is“, bezahlt wurde. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Urk. 57.

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vnd nutticheit“ achten denn auf „gunst eder vruntschapp“. Tatsächlich wurde der geistlichen Betreuung der Insassen also hohe Bedeutung beigemessen, denn „sunder barmherticheit godes mach nyn mensche salich vnd zeeker blyuen van den ewighen verdoemnisse“. Barmherzigkeit ist ein Schlüsselbegriff der Fundationsurkunde. 14 Mal wird er verwendet. Und so nimmt es auch nicht wunder, dass das Haus selbst „dat huss der barmherticheit“ heißen sollte.144 Rentengeschäfte oblagen den Provisoren, doch abgesehen davon sollten die Elender das Hausgut und die Einkünfte der Elende frei gebrauchen können und davon auch „de waringe der krancken“ bestreiten. Über ihre Ausgaben sollten sie allerdings jährlich Rechenschaft ablegen und auch über ihren Hausstand genau Buch führen.145 Tatsächlich ist ein solches Inventarverzeichnis aus dem Jahre 1523 überliefert. Demnach gehörten zur Einrichtung der Elende Pötte verschiedener Größe, Gemüseschüsseln, ein Tiegel zum Eiersieden, Messingbecher, Weinflaschen, Bierkrüge, Pfeifenkrüge und weitere flache Krüge, außerdem eine Zinnkanne, ein dreifüßiger Kessel, weitere Kessel, ein Brandbock, Kesselhaken und Pfannen. Der Beherbergung der Kranken dienten 17 kleine und große Betten, die meisten von ihnen mit Kopfkissen und Decken, elf „span bedde“, neun Stuhlkissen und 18 Schulterkissen. Außerdem waren eine Tafel, ein Kleiderschrank, zwei Spinde, Stühle, ein Schlüsselschrank, ein Zettelschrein, verschiedene Tücher, eine Schöpfschüssel und ein Waschbecken vorhanden sowie an Werkzeug ein Beil, eine Axt und eine alte Säge.146 In der Praxis dürfte sich bald gezeigt haben, dass, während die Elende pestfreien Zeiten weitgehend leer war, die Kapazitäten in Pestzeiten kaum ausreichten. Eine Reaktion darauf mag gewesen sein, dass man sich in den Folgejahren bemühte, umliegende Grundstücke anzukaufen.147 Diese konnten dann bei Bedarf mit Pestkran144 Elende Aegidii, Urk. 3a. 145 Elende Aegidii, Urk. 3a. 146 Elende Aegidii, Urk. 6. „Span bedde“ sind zusammenlegbare Bettgestelle. Lübben, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, S. 364. 147 Wohl recht bald nach der Gründung, vielleicht sogar noch als Teil der Gründungsvorbereitungen kaufte Johan Plonyes, einer der vier Testamentsexekutoren, drei Gademe, die als „by den graven“ zwischen Ludgeri- und Aegidiitor beschrieben wurden und wohl unmittelbar an die Elende angrenzten. Belastet mit 10 Schillingen Rente, hatten sie bis 1436 Elseke van Otmynctorpe gehört, danach Bernd Spane und seiner Frau Elseke. Johan Plonyes kaufte sie schließlich von Martin zur Stege. Überliefert ist lediglich die Kaufurkunde vom 22. Dezember 1436 und der Rückvermerk „Johan Plonyes gekoft das hauß bei dem graben von Martin zur Stege von wegen der armen.“ Elende Aegidii, Urk. 1. 1484 kauften Wilbrand Plönies und Conrad Polman als Provisoren des Hauses der armen, elenden Kranken „tor barmhertzigkeitt“ von Hermannus Vaget, Prokurator des Hofes zu Münster, vier Gademe und kleine Häuser, die zwischen dem Haus und Hof der Elende und dem Haus des Kerstien Löer lagen. Die Gademe waren mit 2 Mark Rente belastet und hatten vordem dem verstorbenen Priester Hillebrand Vaghet gehört. Für eines der Häuschen hielt sich Hermannus Vaghet lebenslanges Nutzungsrecht vor. Elende Aegidii, Urk. 4; LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Manuskripte Nr. 89, fol. 6v–7v. Eine ähnliche Politik betrieb die Elende Lamberti. Abgesehen von ihrem Haupthaus (Winkelstraße 10/11) besaß sie – teilweise nur kurzfristig – im 16. und 17. Jahrhundert die Grundstücke Winkelstraße 5, 7, 9, 12 und

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ken belegt, in pestfreien Zeiten aber vermietet oder anderweitig genutzt werden. Tatsächlich scheint der Bedarf an freien Plätzen groß gewesen zu sein. Ein Pestausbruch, der 1506/07 auch das Augustinerinnenkloster Niesinck heimsuchte,148 mag der Anlass gewesen sein, dass 1519 im Kirchspiel Überwasser eine zweite Elende errichtet wurde. Den Anfang machte bereits einige Jahre zuvor Johan van Hervorde genannt Steverman. In vielseitiger Absprache hatte er sich nach einer „bekeme stedde“ im Überwasserkirchspiel umgesehen, um auf ihr ein „elenden huiß“ zu errichten. Unterstützung erhielt er dabei insbesondere von Johan Prusen, Oldermann der Gilde, und von Johan tor Möllen, Dechant und Archidiakon des Kirchspiels. Gemeinsam mit den Schöffen und dem Kirchspielrat traten diese drei „vor den sittende rhade“, um ihn um „rhat, hülpe, bystand, tholatinge und forderinge“ zu bitten. Fortan förderten auch Bürgermeister und Rat sowie Oldermänner und Gildemeister das Unternehmen. Auf Vermittlung des Rates hin gelang es, vom Magdalenenhospital ein geeignetes Haus in der Nähe der Stadtmauer zu kaufen. Dieses war nach dem Tode des Pfründners Herman von Freden, der „in der provene versterven is“, an das Hospital gefallen. „Mit vel ten schwaren sorglicken arbeide und mit groter kost“ ließ Johan van Hervorde daraufhin die „hofstedde“ des Hauses aufzimmern, indem er „ein bequeme nie hueß“ errichtete, „dat olde hueß“ verbesserte, außerdem den Hof aufschüttete und mit einem Zaun versah. Die Bauarbeiten währten vom 22. Dezember 1516 bis zum Fastabend 1517. Starke Unterstützung kam auch von den Schöffen und dem Kirchenrat von Überwasser, die den Bau des „gemein elenden hueß“ maßgeblich „uth der gratien und gaven des hilligen geistes“, also aus den in der Überwasserkirche für die Armen anfallenden Spendengeldern finanzierten.149 In der Folgezeit erfuhr das Projekt weitere Unterstüzung durch die Überwasserkirche und das Armenhaus Zurwieck,150 außerdem durch größere Einzelspenden zahlreicher Privatpersonen. 151 13, Arztkarrengasse 1, 2 und 4 sowie Telgter Straße 18 und 20. Klötzer, Alter Steinweg, S. 650. Mit Ausnahme von Winkelstraße 5 und 7 bildete der Grundbesitz einen geschlossenen Komplex. 148 Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 9; Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 1, S. 2. 149 BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. Vgl. Kollmeier, Überwasser-Elende, S. 96. Eine vollständige Transkription bietet Winzer, Pestkrankenhäuser, S. 289–294. 150 Am 22. Mai 1518 verkauften die Templer und Almosener der Überwasserkirche sowie die Provisoren des Armenhauses Zurwieck mit Zustimmung ihrer Schöffen und Kirchspielleute dem Kleriker Hinrich Apperloe eine Rente von 2 ½ Gulden. Im Gegenzug hatten sie von den Handgetreuen seiner Stiefmutter, der verstorbenen Grete Apperloe, bereits Kapital in Höhe von 50 Gulden erhalten. Templer, Almosener und Provisoren – alle drei je doppelt besetzten Positionen waren „kercken ampte“ – hatten das Geld bereits Johan Steverman übergeben, und zwar zur teilweisen Bezahlung von 100 Gulden, „de he an den huse der nyen elende vortymmert had“. Die sechs Kirchenverwalter versicherten, dem Hinrich die besagte Rente alljährlich zu zahlen, und zwar „vte den vorgenompten nyen hospitale vnser leuen vrouwen, der elende“. Die Lage der neuen Elende wurde angegeben mit auf dem Lappenbrinck zwischen Häusern des Frederich van Beveren und des Schröders Herman Focke. Elende Überwasser, Urk. 2. 151 So gaben Dirick van Ascheberg, Margarete Brockhagen und die Erben des Ritters Goddert Ketteler je 10 Gulden, der Kaplan von Überwasser Hinrich Eckman gab 40

3. Die Zielgruppe der Pestkranken

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Am 2. Mai 1519 konnte der Stadtrat schließlich die offizielle Gründung vollziehen. Dieser berichtete von der „(…) groten, elendeliken betroffnüße, last, moy und sorge, die die borger und gemeinen jnwohneren des kerspels tho Averwater mit den gemeinen volcke, knechten unnd megeden, scholeren und klercken in der bedrovenden, anfallende, beklieflicken suicken der pestilencie und anderen beklieflicken, schuwenden kranckheiden ein deile jahre hebben gehat und geleden und daglix liden werden.“152

Offenbar hatte es also in den vorangegangenen Jahren einen Pestausbruch gegeben, den die Elende Aegidii allein nicht ausreichend auffangen konnte. Hierin lag der Grund zur Errichtung einer weiteren Elende, deren Einzugsbereich allerdings nicht mehr stadtweit, sondern auf das Kirchspiel Überwasser begrenzt sein sollte. Entsprechend übernahm der Rat auch nicht selbst die Aufsicht über die Elende, sondern befahl sie den Schöffen von Überwasser.153 Somit waren es auch die „scheppen und gemeinen vorstenders und amtluide“ des Kirchspiels, die aus ihrem Kirchspiel die Provisoren bestimmen sollten. Dies war keine leichte Aufgabe, denn in Anbetracht der Vielzahl von Unterstützern galt es diverse Interessen zu befriedigen. So sollten sie nicht nur zwei Provisoren ernennen, sondern drei, nämlich „einen von den scheppen, einen uth den gilden und den derden van der gemeinheit“. Das komplizierte Auswahlverfahren der Provisoren wurde bei der ersten Besetzung tatsächlich eingehalten. Schöffen und Kirchspielleute bestimmten mit Richquin Meinershagen und Johan Prusen zwar zwei Männer „von den scheppen“, doch war Prusen zugleich Oldermann der Gilde. Seitens der Gemeinheit erschien der eigentliche Initiator Johan von Hervorde. Alle drei sollten, wann immer es „den scheppen belevet“, vor ihnen Rechenschaft über Einnahmen, Ausgaben und Hausgerät ablegen. Rechenschaftspflichtig waren die Provisoren aber auch – und hier zeigt sich erneut ein Interessenkonflikt der zahlreichen Unterstützer – der Äbtissin und dem Dechanten von Überwasser, sofern diese darum bäten. Die Abfassung einer Hausordnung befahl der Rat aber den Schöffen als eigentlichen Trägern der Institution sowie den Provisoren, nur sollten sie dabei „vorsichtiglicke“ verfahren. Bereits in derselben Fundationsurkunde wurde diese Hausordnung inseriert. „Orloff der provisors entfangen“ und in das Haus aufgenommen werden sollten demnach die „gemeinen jnwonners“ des Kirchspiels Überwasser, seien sie nun geistlich oder weltlich, sowie ihr Hausgesinde, ihre Knechte und Mägde, Schüler und Kleriker und alle anderen, „die sie in eren hueßen und herbergen sonder groth perikel und schaden nicht laten en können“. Um der Wohltaten willen, die das Kloster Überwasser der

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Gulden, Marie Ehings stiftete ihr Haus auf der Frauenstraße und Lambert Gysekerke spendete 10 Mark. 110 Gulden und Inventar für die Elende stellte Johan Stöters zur Verfügung. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. „Ock so hebbe wy des vors. kerspels unsen scheppen avergewyset, befohlen und upgelegt, deßulven elenden hueses hebben in ewigen tyden ein unvergatten, unverdrotten gemeine upseyen up die bowinge, vorderinge und bewahringe alles desjenes, dat gegeven werdet, nun und in tho kommenden tyden.“ BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. Vgl. Winzer, Pestkrankenhäuser, S. 289–294.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Elende getan hatte und „vorder doen mögen“, sollte auch dessen Gesinde Aufnahme finden, ebenso „uht frundschap und gueden gunsten“ das Gesinde der Herren und Priester auf dem Domhof, sofern sie darum bäten und der Dechant es erlaubte. Die Unterschiede zur Elende Aegidii liegen auf der Hand. Anders als diese war die Elende Überwasser nicht stadtweit tätig, sondern konzentrierte sich auf das eigene Kirchspiel. Dafür war der Aufnahmekreis weiter gefasst, der nicht nur Knechte und Mägde und erst in zweiter Instanz andere Bedürftige mit einschloss, sondern sämtliche gemeine Einwohner wie auch das Gesinde des Überwasserklosters und des Doms. Auch hierin wird die Unterstützung der Elende von den verschiedensten Seiten deutlich. Zweifellos war die Errichtung einer zweiten Elende von gesamtgesellschaftlichem Interesse.154 Bereits einige Monate vor der offiziellen Gründung der Elende Überwasser begann der Stadtrat mit den Vorbereitungen zur Gründung einer dritten Elende im Kirchspiel Lamberti. „To behoff des kerspels“ sollte Borchart Heerde mit Hilfe des ihm vom Stadtrat beigestellten Ratsherrn Willem Holtappel „eyn huess vnd hoff“ kaufen, das „in sunte Lambertz kerspel gelegen“ war und „vor arme ellende lude in den kerspele wonaftich“ bestimmt sein sollte. Am 19. Juli 1519 wurden beide fündig und kauften von Bernd Karnebrock und seiner Frau für 155 Goldgulden ein geeignetes Grundstück. Es lag, wie der Stadtrat später verkündete, „tegen vnses stades muren“ zwischen dem Servatiitor und dem Mauritztor. Belastet war es mit einer Rente von 8 Schillingen an das Leprosorium Kinderhaus. Das auf dem Grundstück stehende Haus haben die beiden Männer daraufhin „affgebrocken vp den grundt vnd wedder vp gebouet“. In den Folgejahren nahm die neue Institution immer mehr Form an. Am 26. Mai 1527 wurden Borchart Heerde und Johan Warendorp von den Schöffen des Kirchspiels Lamberti zu Provisoren ernannt. Unterstützt wurden sie in ihrer Arbeit „myt guder lude almyssen“. Am 6. Juni führten sie „ene gemeyne bedde (…) ouer dat heile kerspel“ durch, an der auch Bertold Travelman, Schöffe von Ludgeri, und Coert Boelant, Schöffe von Lamberti, sowie der Kaplan Herman, der Diener des Gerichtsschreibers Johan und Dyrick Poetter beteiligt waren. Die Einnahmen aus dem öffentlichen Spendenaufruf nahm der Provisor Borchart Heerde in Verwahrung. Durch „vnbekande heymelyke frunde“ kam außerdem eine Rente von 10 Gulden als Almosen „tho behoeff der krancken“ an die Elende. Auch sie ver154

Nach weiteren Punkten der Ordnung sollten die Provisoren Elender benennen, die das Haus zu ihrer eigenen Notdurft gebrauchen konnten, den Provisoren gegenüber aber rechenschaftspflichtig waren. Aufnehmen sollten diese jeden, dem das zuvor von den Provisoren erlaubt worden war, ihn nach seiner Gesundung aber umgehend wieder entlassen. Zudem sollten sie „dat olde hueß“ nicht vermieten, sondern als Wasch- und Bergehaus für „der kranken kleder“ benutzen. Würden die Elender sich an die ihnen vorgegebenen Regeln nicht halten, sollten sie nach mehrmaliger Ermahnung des Hauses verwiesen werden. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–163r. Die Fundationsurkunde schließt mit den Worten von Bürgermeistern und Rat, dass sie auf Bitten der Schöffen und des Kirchspiels Überwasser die vorgenannten Punkte konfirmierten und die Elende von allen städtischen Lasten befreiten. „Mit behach der olderlüde und gemeinen gilden“ setzten sie schließlich das große Stadtsiegel unter die Urkunde.

3. Die Zielgruppe der Pestkranken

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wahrten fortan die Provisoren. Das Geld ermöglichte die Einrichtung der Elende, sodass dort schließlich elf Betten standen. Hinzu kamen Zinnwerk, Laken, Decken und Kissen, die allerdings im Wohnhaus des Provisors Johan Warendorp „in twen kysten to geslaten“ gelagert wurden und die Täuferzeit nicht überstanden.155 Am 4. Oktober 1529 konnte der Rat schließlich die Fundationsurkunde ausstellen,156 in der er dem nachvollziehbaren Begehren der Bürger des Lambertikirchspiels stattgab und die Errichtung der Elende bestätigte, waren doch „vnse borgere vnnd gemeyne inwonners des kerspels“ von dem pestkranken „gemeynen volcke, knechten vnnd megeden, scholeren vnd klercken“ besonders belastet. Offenstehen sollte die Elende aber auch für „andere frombde arme elende lude jn demm vorgerorten kerspele“. Sie sollte „dat huesß der barmhertycheit“ heißen und trug damit den selben Namen wie die Elende Aegidii und einen ähnlichen wie die Elende Überwasser.157 Entsprechend ihres Einzugsbereichs und parallel zur Elende Überwasser übergab der Rat die Aufsicht „den schepenn vnd anderen frommen luden des kerspels“. Diese sollten zwei Bürger zu Provisoren bestimmen, die „gude getruwe vpsicht“ über die Elende, ihre Renten und ihren Hausrat haben und zur Führung des Hauses Elender einstellen sollten. Diese wiederum sollten den Provisoren gehorsam sein und konnten von ihnen auch des Hauses verwiesen werden. Aufgabe der Elender war es, den Besitz der Elende zu wahren. Gutwillig empfangen sollten sie „alle de genne, de alße vorgerorth jn dessen kerspele tho sunte Lamberte jn der elenden kranckheit der pestilentzie vnnd ander beclyuende sueken beuallen“ sind und von den Provisoren entsprechende Erlaubnis hatten. Ihnen sollten die Elender dienen und helfen und dafür Sorge tragen, dass sie „myt den sacramenten der hilligen kercken verwart“ werden. „Jn der sterfflyken noith“ aber sollten sie die Kranken „troisten vnd stercken“ und „dorch ansehent des bytteren lydens vnnd dodes vnses heren vnd verlosers Christi Jhesu“ zur Gelassenheit mahnen. Gebrauchen sollten sie dieselbe Kost wie die Kranken, von jedem Insassen aber – sofern diese es vermochten – täglich einen Schilling erhalten. Außerdem sollten sie die Kleider der Kranken bei der Aufnahme in Empfang nehmen. Gesundeten sie, erhielten sie ihren Besitz zurück und hatten baldigst das Haus zu verlassen. Wie das Gasthaus gewährten also auch die Elenden nur kurzfristige Aufnahme. Starben die Kranken, fiel ihr Besitz an die Elende. Die Provisoren 155 Elende Lamberti, Akten 1, fol. 1r, fol. 6r, fol. 7r; Elende Lamberti, Urk. 1. 156 Elende Lamberti, Urk. 1. Eine Transkription bietet Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 2, S. 4ff. 1529 brach, wie Kerssenbrock berichtet, der Englische Schweiß in Münster aus. Ausgangspunkt war Ende Juli die Stadt Hamburg. Münster erreichte die Epidemie Mitte August, allein in der ersten Nacht erkrankten 100 Menschen. Von hier breitete sich die Krankheit nach Greven, Coesfeld, Vreden und Burgsteinfurt aus. Püschel, Der Englische Schweiß, S. 57ff. Die von Huyskens (Zeiten der Pest, Teil 1, S. 2), Tibus (Stadt Münster, S. 320), Hechelmann (Elenden, S. 363) und Jungnitz (Krankenhäuser, S. 21) geäußerte Annahme, die Errichtung der Lambertielende 1529 stehe in Zusammenhang mit dieser Epidemie, ist irrig, da erste Maßnahmen zur Gründung bereits zuvor ergriffen worden waren. Winzer, Pestkrankenhäuser, S. 247. 157 Die Elende Überwasser stand „under und in den namen des troistes der gebenedieden moder godes Marien edder Marien der barmhertigkeit“. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 150v.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

aber sollten ein Inventarverzeichnis anlegen und „de schryfft by sick holden“, um sie mit der Rechenschaft abzugleichen, die die Elender ihnen gegenüber alljährlich abzulegen hatten.158 Da „de borgere vnnd jnwonnere des stades Munster jmm kerspele to sunte Lamberte“ die Elende „vor ere gesynde, knechte vnd megede“ errichtet hatten, sollten diese und „ander dessoluen kerspels armen lude“ aufgenommen werden. Da aber auch die „herrn van sunte Mauritius buten vor Munster“ ein „gunstigen almysse“ dazugegeben hatten, konnten auch die Herren und Vikare von St. Mauritz ihr Hausgesinde, sofern es „myt der pestilentien kranckheit vnnd ander beclyuende suekede“ befallen wäre, in das Haus senden, doch benötigten auch sie wie alle anderen dazu die Zustimmung der Provisoren. Wer aber von den Bürgern und anderen Einwohnern des Kirchspiels seine Kranken in die Elende bringen wollte, der sollte ihnen ein paar Bettlaken mitgeben. „Vmme flytige bede wylle der schepen vnnd gemeyne kerspellude des kerspels to sunte Lamberte“ bestätigte der Stadtrat schließlich die Stiftung der Elende, befreite sie mit Zustimmung der Alder- und Meisterleute von allen städtischen Lasten und setzte sein Siegel unter die Urkunde.159 Damit waren zwischen 1475 und 1529 drei Elenden entstanden. 1566/73 wurde eine vierte im Kirchspiel Martini errichtet.160 Dies lässt auf den hohen Bedarf an derartigen Einrichtungen schließen. Konnten Bürger mit Hausbesitz bei einer Infektion innerhalb ihres Wohnhauses isoliert werden, so war die Bereitschaft, bei dem eigenen Gesinde ebenso zu verfahren, gering. Vielmehr dürften sie oftmals des Hauses verwiesen worden sein, auf der Straße aber stellten sie eine Bedrohung für die gesamte städtische Gesellschaft gar, zumal sich die Pest insbesondere in den dichtbesiedelten Städten schnell ausbreiten konnte. Dies erklärt auch die Vielzahl an institutionellen und privaten Zustiftern, die die Gründung der Elenden begleitete. Schließlich garantierten die Elenden nicht nur die Verpflegung der Kranken, sondern auch ihre Isolation. Zwar lagen alle drei Elenden innerhalb der Stadt, doch immer in recht kleinen Seitengassen und in der Nähe der Stadtmauern.161 Ähnlich begründet auch der Chronist Kerssenbrock die Notwendigkeit der Elenden. „Habent praeterea populosiores parochiae sua nosocomia, quo peste aliove contagioso morbo correpti deferuntur, quorum nosocomi ad hoc delecti curam gerunt, quod optimum profecto et salutare est inventum in tanta hominum colluvie, ut infecti sanorum consortio eri158 159 160 161

Elende Lamberti, Urk. 1. Ein Inventarverzeichnis der Provisoren aus dem Jahre 1539 ist überliefert. Elende Lamberti, Akte 1, fol. 13rff. Elende Lamberti, Urk. 1. Elende Martini, Urk. 2, Urk. 3. So befand sich die Elende Aegidii auf der Krummen Straße am Südrand der Stadt, die Elende Überwasser direkt an der Stadtmauer zwischen dem Jüdefelder und dem Liebfrauentor, die Elende Lamberti schließlich südlich des Mauritztores an der Winkelstraße. Winzer, Pestkrankenhäuser, S. 250; Armut, Not und gute Werke, S. 99. Für eine zusätzliche Isolation der Elende Lamberti sorgte der Umstand, dass ihre Hofzufahrt nicht an der Winkelstraße lag, sondern nur über die schmale Arztkarrengasse erreichbar war, die damals noch eine Sackgasse bildete. Der Name „Arskarre“ bezeichnete wohl diesen von hinten heranführenden Zufahrtsweg zur Elende. Klötzer, Alter Steinweg, S. 35.

4. Funktionswandel und Generalisierung

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piantur, ne malum contagione latius serpat neve pauperiores amicorum ope destituti prorsus deserantur et humano praesidio carentes fame sitique contabescant.162

Bezüglich ihrer Trägerschaft unterscheiden sich die Elenden von anderen Spezialinstitutionen. Alle vor 1475 errichteten Hospitäler, die einen hohen Spezialisierungsgrad aufwiesen, befanden sich nicht nur in magistraler Trägerschaft, sondern wurden wohl auch unmittelbar vom Stadtrat gegründet. Die Initiative zur Elendengründung aber ging nicht allein vom Rat, sondern auch von Privatpersonen und den Kirchspielverwaltungen aus. Ursache dürfte die seit der Stiftsfehde stark dezimierte Finanzkraft des Rates gewesen sein. Träger ist der Rat lediglich für die erste Elende im Kirchspiel Aegidii, die stadtweit agierte. Der Einzugsbereich der Elenden Überwasser und Lamberti aber endete an den Grenzen ihrer Kirchspiele, und entsprechend übernahm der Rat die Trägerschaft nicht selbst, sondern übertrug sie nach dem Subsidiaritätsprinzip den entsprechenden Schöffen und Kirchspielverwaltungen.

4. Funktionswandel und Generalisierung Die Funktion der meisten Fürsorgeinstitutionen Münsters blieb während des Spätmittelalters konstant. Allein das Magdalenenhospital erfuhr einen Funktionswandel im Sinne einer Spezialisierung. Indem es im 13. Jahrhundert zunehmend Kranke ausschloss, wurde es zu einem Armenhaus. Indem es nach dem Pestausbruch von 1350 auch Pilger und Reisende ausschloss, wurde es zu einem Bürgerarmenhaus.163 Einen Funktionswandel im Sinne einer Generalisierung durchlief offenbar das Antoniushospital. Es ist wohl davon auszugehen, das seine ursprüngliche Funktion in der Aufnahme von Pestkranken bestand. Doch bereits nach Abklingen der ersten Pestwelle scheint es sich in ein einfaches Armenhaus gewandelt zu haben. 1368 wurden als Insassen nicht Pestkranke, sondern „pauperes“ genannt.164 Entgegen dem Bestreben des Stadtrates, die ihm unterstehenden Häuser zumindest theoretisch beiden Geschlechtern offenzuhalten, hatte sich im Antoniushospital eine ausschließliche Belegung mit Männern durchgesetzt.165 Über die Frage, wie sich der Funkti162

„Die dichtbesiedelten Kirchspiele haben ihre Hospitäler, wohin die von der Pest oder einer anderen ansteckenden Krankheit Befallenen gebracht werden, um die die dazu unterhaltenen Hospitäler Sorge tragen, da das Beste an Fortschritt und Heilung bei einer so großen Zusammenkunft von Menschen gefunden wird, wenn die Kranken der Gemeinschaft der Gesunden entrissen werden, damit sich das Übel nicht durch Berührung kriechend ausbreitet oder die von der Hilfe der Freunde zurückgelassenen Ärmeren immer mehr vernachlässigt werden und die der menschlichen Aufsicht Entbehrenden arm und bettlägerig hinschwinden.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 78. 163 MUB 182; Detmer, Kerssenbrock, S. 58. 164 Antoniushospital, Urk. 4. Auch in der Hausordnung von 1540 erscheint das Hospital als „armelude hueß“, das Männern und Frauen offenstand, die seit mindestens drei Jahren Bürger der Stadt Münster waren. Antoniushospital, Akten 16, S. 1. 165 1573 bezeichnete der Chronist Kerssenbrock es als „gerontocomium Antonianum“, also Altmännerspital. Detmer, Kerssenbrock, S. 106.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

onswandel hin zu einem Armenhaus vollzogen hatte, könnte ein Ritual Aufschluss geben, das ebenfalls in der Hausordnung von 1540 beschrieben wurde. Deren zweiter Artikel lautet: „Item wy willen, als van den hueßhoederen vndt amptmanne einem, dem de prouende, he sy man oder frouwe, um gottes willen vndt vmb bedde willen guter lude de proeue gegeuen iß, de sal vor erst ton broderen der naest folgende sontage na der tosage yn einem korue vp dem kerckhove sitten, van seuen uhren an biß to teinen, vndt bidden um gottes willen, vndt tom lesten sontage in dem solvigen korue vp eine sledde gesatt werden vndt in de capelle geuoret.“166

Wem also der Erhalt einer Pfründe zugesichert wurde, der musste sich vor seiner Aufnahme in das Hospital auf dem Hof der Minoritenkirche – heute die Apostelkirche an der Neubrückenstraße – von 7 bis 10 Uhr in einen Korb setzen und um Spenden bitten. Dies galt es, beginnend mit dem Sonntag unmittelbar nach der Zusage, an mehreren Sonntagen zu wiederholen.167 Am letzten Sonntag sollte man ihn mitsamt Korb auf einen Schlitten setzen und in die Kapelle fahren. Ein solcher Brauch ist in Münster einmalig und für ein gewöhnliches Armenhaus absolut unüblich, bedeutete er doch einen rituellen Ausschluss aus der städtischen Gemeinde. Insassen eines Armenhauses aber waren nicht ausgeschlossen und konnten das Haus auf Wunsch auch wieder verlassen. Zweifellos ist der Ritus bereits viel früher eingeführt worden und hatte seine eigentliche Funktion im 16. Jahrhundert längst verloren.168 So wenig wie für ein Armenhaus scheint das Ritual für ein Pesthaus angemessen. Die öffentliche Zurschaustellung und ein Zug durch die halbe Stadt waren wohl kaum geeignet, die im Falle einer Pesterkrankung notwendige Isolation zu garantieren. Zumal war die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Infizierter die mehrwöchige Frist zwischen Zusage und Aufnahme überhaupt nicht überlebte. Immerhin möglich ist, dass das Ritual auf Leprakranke verweist. Tatsächlich waren derartige „rites de passage“ für Leprosorien durchaus nicht ungewöhnlich.169 Das Ritual ginge demnach also auf das Marienhospital zurück, das wohl tatsächlich als Leprosorium genutzt worden war. Es stellte sich dann allerdings die Frage, warum es bei der Wiedererrichtung des Hospitals um oder kurz nach 1350 beibehalten wurde. Ein Korb und ein Schlitten spielten im Ritual eine bedeutsame Rolle. Der Schlitten könnte identisch sein mit einem 1563 erstmals erwähnten „kleynen rullewagen“, an dem auch ein Wappen der Stadt angebracht war. Seine Funktion ist unbekannt. Vielleicht diente er in der Strafgerichtspflege dem Hinausfahren jener, die mit einem

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Antoniushospital, Akten 16, S. 1. Die „nächstfolgenden Sonntage“ und der „letzte Sonntag“ lassen insgesamt drei Sonntage vermuten. Dennoch konnte sich der Stadtrat auch 1582, nachdem er für einen einzelnen Pfründner die Aussetzung des Rituals gestattet hatte, nicht zur grundsätzlichen Abschaffung durchringen. Klötzer, Kleiden, S. 120. Eine spätere Abschrift der Rolle berichtet von drei Sonntagen, an denen das Ritual vollzogen werden sollte. Klötzer, Kleiden, S. 119. In Teilen Südwestdeutschlands etwa war im Rahmen der Aufnahme eine Totenmesse für den jeweiligen Leprosen vorgesehen. Menn, Alltag im Leprosenhaus, S. 28.

4. Funktionswandel und Generalisierung

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Stadtverweis bestraft worden waren.170 Denkbar ist auch ein fahrbares Rollhäuschen, ein Holzkäfig, wie er nach einem Plan von 1716 auf dem Prinzipalmarkt stand.171 Ähnlich dürfte auch der im Ritual erwähnte Korb ausgesehen haben, unter dem wohl weniger ein offener Korb, als eine geschlossene und käfigartige Konstruktion zu verstehen ist.172 Es ist wohl kaum davon auszugehen, dass das Antoniushospital Straffällige und Verbrecher aufgenommen hat, zumal die Plätze in der geschlossenen Armenfürsorge durchaus begehrt waren. Es stellt sich also die Frage, welche gesellschaftliche Gruppe noch in derartigen Käfigen ausgestellt werden konnte. Jedenfalls dürfte die ursprüngliche Intention des Rituals keine Bestrafung gewesen sein, auch wenn sie im 16. Jahrhundert sicherlich so empfunden wurde und jeder Aufgenommene nach einer Aussetzung gestrebt haben dürfte. Vielmehr dürfte das Ritual ein Verweis auf die vormaligen Lebensumstände gewesen sein. Anders als die Lepra ist die Pest kein kontinuierliches Phänomen, sondern tritt in Wellen auf. Für Pesthäuser bedeutete dies, dass sie in Pestzeiten hohe Kapazitäten benötigten, in pestfreien Zeiten allerdings leerstanden. Die damit ungenutzten Ressourcen standen der Bedürftigkeit anderer Gruppen gegenüber. Auch die Elenden waren mit diesem Problem konfrontiert und reagierten mit einem temporären Funktionswandel. Sie gingen bald dazu über, in seuchenfreien Jahren Behinderte und Kranke aufzunehmen, um ihnen Unterkunft zu geben und sie medizinisch zu versorgen.173 Behinderte gab es auch im Mittelalter. Gemäß seines 1411 abgefassten Rentregisters empfing der Almosenkorb Aegidii eine Mark Rente aus Ländereien vor dem Hörstertor, die ihm „erflike“ gegeben worden waren. Damit verbunden war allerdings eine bestimmte Bedingung: „Wer sake, dat doren in der casten weren tusschen sunt Yliens porten, de arm van gude weren, de solen de almisnere besorghen mit viij s., wo en dat best dunket.“174 170 171 172 173 174

Hövel, Stadtwappen, S. 215. Geisberg, Darstellung des Prinzipalmarktes, S. 8. Dort findet sich auch ein Abdruck des Plans. Vgl. Hövel, Stadtwappen, S. 215. Klötzer, Kleiden, S. 119. Dies geschah durchaus gegen den Willen des Stadtrates. 1666 ordnete er an, dass alle Elenden in pestfreien Zeiten leerstehen müssten. Armut, Not und gute Werke, S. 99; Weyland, Lepra- und Pesthäuser, S. 29. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii von 1411, fol. 22v. Aus einem weiteren Kamp stand dem Almosenkorb eine Rente von 3 Schillingen zu. 2 Schillinge sollten davon „in de dorenkasten“ gehen, der dritte Schilling an den Küster von Aegidii, damit er am Freitag die Betglocke läutete. Täte er dies nicht mehr, ginge sein Schilling „in den kasten“. Mit den selben Bestimmungen war eine Rente von ½ Mark aus den beiden Häusern des Lubbertes Cleynsorgen ausgestattet. Gemäß eines Nachtrags erhielten die Almosener außerdem eine Mark Rente „vte der Kemenadesschen huse“, von der ebenfalls 8 Schillinge „in den doren kasten tusschen sunte Ylien porten“ gegeben werden sollten. Diese Rente wurde mit der selben Bestimmung auch 1461 gezahlt, inzwischen allerdings aus Ludiken Wytgerwers Haus. Im Rentregister von 1461 ist auch eine weitere Rente von 1 Mark verzeichnet, die „vte Gosebrinkes hus“ kam und die Bestimmung „de hort in de kasten“ enthielt. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii von 1411, fol. 22v, fol. 24v; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii von 1461, fol. 7v, fol. 8v. Vgl.

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

Die Dorenkästen waren Kästen oder Käfige, in denen sich Menschen mit geistiger Behinderung befanden. Auch Spendengelder konnten sie so sammeln.175 Der hier beschriebene Kasten standen im Kirchspiel Aegidii zwischen dem Haupttor und dem Vortor des Aegidiitores am Stadtgraben. Eine ähnliche Lage hatte das Antoniushospital, das zwischen Haupt- und Vortor des Mauritztores stand. Regelmäßig belegt waren die Kästen offenbar nicht. Überhaupt befanden sie sich eher auf einer protoinstitutionellen Stufe. Es gab keine erkennbare interne Verwaltung und keine Tätigkeit auf dem Rentenmarkt. Lediglich Renten einnehmen konnten die Geisteskranken in gewissem Umfange offenbar selbst. Diesem Rechtsstand geschuldet ist wohl, dass die sie betreffenden Rechtsgeschäfte über andere Einrichtungen erfolgten. Hier war es das Kirchspiel Aegidii, und zwar insbesondere der Almosenkorb, aber auch die Kirchenzimmerei. Dies legt die Vermutung nahe, dass auch der Einzugsbereich des zwischen den Aegidiitoren stehenden Kastens auf das Kirchspiel Aegidii beschränkt war. Der Kasten im Aegidiikirchspiel war allerdings nicht der einzige in Münster. Ein weiterer befand sich auf der Bergstraße im Kirchspiel Überwasser.176 Ein dritter Dorenkasten könnte im Kirchspiel Martini gestanden haben, und zwar auf dem Hof der Minoritenkirche. Gemäß der städtischen Armenordnung von 1584, die in Reaktion auf die hohen Zahlen auswärtiger Armer erlassen worden war, die seit Anfang der 1580er Jahre in die Stadt strömten, sollten die Prachervögte Personen, die zum wiederholten Mal ohne entsprechende Berechtigung der Bettelei Gimpel, Gast- und Irrenhaus, S. 63. Ein weiteres Mal wurde der Kasten am 30. September 1421 erwähnt, als die beiden Werkmeister der Aegidiikirche den Erhalt von zwei Kapitalbeträgen aus den Händen der Exekutoren des Johan Clunsevoet, des verstorbenen Sieglers des Hofes zu Münster, bestätigten. Der eine hatte eine Höhe von 5 Mark und war für die „tymmeringhe“ der Kirche bestimmt. Der andere betrug 10 Mark. Von ihm sollte eine Rente von ½ Mark gekauft und verwandt werden „to nut vnde behoeff den doren in der casten tusschen den porten to zuntylien to Monster vorg., vnd weren in der casten vorg. nyne doren, so sollen desse rente eyne halue marck geldes boren vnd manen vnd vallen vppe de vorwarren der meyn almissen jn desser vorgescr. kercken to zuntylien vorgerort, bet so langhe, dat dar doren in der casten vorg. quemen vnd wanner dar doren in der casten vorg. zynt, de sollen de rente boren, so hyr vorg. is.“ BAM, Pfarrarchiv Aegidi, Urk. 12. 175 Gimpel, Gast- und Irrenhaus, S. 63. Lübben (Mittelniederdeutsches Wörterbuch, S. 169) definiert einen „kast“ unter anderem als Aufbewahrungsort oder -kammer, aber auch als Loch oder Gefängnis. „Doren“ sind Tore oder Narren. Ebd., S. 82. 176 Am 24. August 1429 verkauften die Kinder des verstorbenen Jacob Veghe eine Rente aus dem „in der scharnen“ genannte Haus des Gherlach Nagel. Dessen Lage wurde beschrieben als „by zunte Johans berghe bi der kasten und tusschen der brucgen an de Aa und bi huse hern Diderick Grael“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 53. Prinz (MUB, S. 381) definiert den Kasten als ein „Irrenhaus an der Bergstraße“. Nagels Haus stand wohl auf dem Grundstück Bergstraße 28 und damit am westlichen Rand der künstlichen Insel, auf der auch das Magdalenhospital lag. Häuserbuch und münsterische Stadtgeschichte (Sammlung Kirchhoff), Aktenordner „Bergstraße. Westseite und Südseite“. Anders als der Großteil der Bergstraße gehörte dieser Abschnitt nicht zum Kirchspiel Martini, sondern zum Kirchspiel Überwasser. Vgl. Kirchhoff, Stadtgrundriss, S. 449. Auch der Dorenkasten dürfte zwar an der Kirchspielgrenze, aber noch im Kirchspiel Überwasser gelegen haben.

4. Funktionswandel und Generalisierung

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nachgingen, zur Strafe in „das vincken bur“ sperren. Dieser „Finkenbauer“ stand auf dem Kirchhof des Minoritenklosters.177 Diese Form der Bestrafung dürfte nicht älter sein als die verschärften Restriktionen gegen Bettler, die nicht nur für Münster, sondern auch für andere Städte typische Erscheinungen des 16. Jahrhunderts waren. Der „Finkenbauer“ selbst aber könnte älteren Ursprungs und identisch mit dem „kasten“ der Geisteskranken und dem „korve“ des Aufnahmerituals sein. Demnach wäre das Antoniushospital ebenso wie in späteren Zeiten die Elenden in pestfreien Zeiten ursprünglich eine Aufnahmestation für Behinderte und Geisteskranke gewesen. Das Ritual verfolgte wohl den Zweck, die Aufnahme auf genau diese Personengruppe zu begrenzen. Dass sich das Antoniushospital dennoch in ein gewöhnliches Armenhaus verwandeln konnte, zeigt, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde. Es ist auffällig, dass mit Ausnahme des Magdalenenhospitals nur Institutionen einen Funktionswandel durchliefen, die hochgradig spezialisiert waren. Keinen Funktionswandel durchlaufen haben dagegen das Marienhospital und das Hospital in der Venne. Beide bestanden allerdings nur kurzfristig. Alle anderen hochgradig spezialisierten Institutionen – das Antoniushospital, das Gasthaus, das Leprosorium Kinderhaus und die Elenden – änderten ihre Funktionen im Laufe der Zeit. Tatsächlich war ein hoher Spezialisierungsgrad zwar effektiv, langfristig gesehen für den Fortbestand einer Institution aber durchaus risikoreich. Ein Ausbleiben der vergleichsweise kleinen Zielgruppe – etwa in pestfreien Zeiten oder bei Rückgang der Lepra – war sehr schnell existenzgefährdend. Dafür legt insbesondere die weitere Entwicklung des Fürsorgesystems in der Frühneuzeit beredtes Zeugnis ab.178 177 Klötzer, Kleiden, S. 314, S. 317. 178 Für die Frühneuzeit sind vier Dorenkästen belegt, die unter der Oberaufsicht von Bürgermeistern und Rat bald in Personalunion mit dem Gasthaus verwaltet wurden. Schließlich übernahm das Gasthaus neben seiner ursprünglichen Funktion als Fremdenherberge auch die eines Irrenhauses. 1634 wurde es auf die Neubrückenstraße verlegt und nahm fortan zunehmend Geisteskranke auf. Untergebracht wurden sie wohl in Kästen, die im Hinterhaus des Gebäudes standen. Der endgültige Übergang in ein Irrenhaus vollzog sich schließlich im 18. Jahrhundert. 1828 wurde das Haus durch den Stadtrat aufgelöst, seine Funktion wurde vom Clemenshopital übernommen. Gimpel, Gast- und Irrenhaus, S. 63ff., S. 76. Auch die Elende Überwasser durchlief einen Wandel. Im Jahre 1665 wurden hier kranke Soldaten behandelt. Spätestens 1779 wurde es als Militärhospital der Münsterschen Garnison genutzt. Die offizielle Genehmigung durch den Kurfürsten erfolgte 1784. Die Elende war vom Stadtrat zur Verfügung gestellt worden. Dennoch bemühten sich die Kriegsräte um eine bessere Unterkunft. So wurde auch ein Militärhospital im Armenhaus zur Aa diskutiert, dessen Baumängel allerdings einen Neubau erforderlich gemacht hätten. Nicht zuletzt aus finanziellen Gründen blieb es damit bei der Elende Überwasser. Kollmeier, Überwasser-Elende, S. 96–100. Bereits im 16. Jahrhundert waren die Zahlen der Leprakranken rückläufig. 1615 war zwischenzeitlich nur noch ein Lepröser in Kinderhaus, 1661 lebten dort ein Mann und eine Frau. Sie verstarb 1663, er erlag 1666 den Folgen seiner Pestinfektion. Dethlefs, Leprosenhaus-Werkhaus-Armenhaus, S. 5. Danach endete die Nutzung als Leprosorium. Ab 1671 wurden in Kinderhaus 42 verarmte Kinder in der Weberei und Textilherstellung unterrichtet, doch wurde das finanziell verlustreiche Projekt bald wieder eingestellt. Auch der Versuch, 1675 eine Wollmanufaktur zu errichten, scheiterte 1682 mit dem Tod des Unternehmers. 1686 richtete der Stadtrat in Kinder-

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VI. Spezialisierung und Generalisierung

haus ein Armenhaus für 14 Personen ein. Nach einer zwischenzeitlichen Nutzung als städtisches Altenheim werden die Wohnungen auf dem historischen Gelände heute vermietet. Seit 1986 ist dort außerdem ein Heimatmuseum sowie ein Lepramuseum in Trägerschaft der Gesellschaft für Leprakunde e.V. ansässig. Kegel/Hamelmann, Kinderhaus 1660–1760, S. 21ff., S. 53ff., S. 85ff.; Gimpel, Fürstbischof Galen; Dethlefs, Pest und Lepra, Beiheft, S. 7; Schulze, Kinderhaus im Wandel der Zeiten, S. 22, Klötzer, Mit dem Archiv ins Museum, S. 4; Menn, Deutschlands erstes Lepramuseum, S. 150; Oerter, Besuch aus aller Welt; Jünemann, Besucher kommen aus der ganzen Welt; Just, Aussatz in Kinderhaus, S. 136f.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung Die hervorstechendste Besonderheit des Fürsorgesystems der Stadt Münster ist sein stark dezentraler Charakter. Nicht weniger als 33 Institutionen der offenen und geschlossenen Fürsorge lassen sich bis zum Beginn der Täuferherrschaft belegen. Zwar wiesen auch zahlreiche andere Städte – so etwa Köln oder Ulm – eine dezentrale Fürsorgestruktur auf,1 doch bleiben die münsterischen Dimensionen einmalig. Dabei blieb die Zahl der Fürsorgeinstitutionen im Verlauf der Zeiten freilich nicht konstant. Neue Einrichtungen wurden errichtet, alte geschlossen oder zusammengelegt. Um die Zusammenlegung von Institutionen, aber auch von Kompetenzen zu beschreiben, hat sich in der Hospitalforschung der Begriff der Zentralisierung bewährt.2 Hier sei Zentralisierung allerdings nur in seiner institutionellen Bedeutung verwendet und auf die Zusammenlegung von Hospitälern bezogen. Zudem soll ihm der Begriff der Dezentralisierung dialektisch gegenüber gestellt werden. Dezentralisierungsphasen sind Stiftungsphasen. In Münster lassen sich zwei dieser Phasen unterscheiden. Die erste begann 1302 mit der Stiftung des Armenhauses Wessede und endete spätestens mit dem Ausbruch der Pest im Jahre 1350. Die zweite nahm nach der Stiftsfehde mit der Gründung des Armenhauses St. Johannis 1472 ihren Anfang und fand mit dem Beginn der Täuferherrschaft 1534 ihren vorläufigen Abschluss. Fraglich sind die Ursachen dezentraler Fürsorgestrukturen. Dass sie in der schlechten Vermögenslage der multifunktionalen Hospitäler gelegen haben,3 ist wohl eher unwahrscheinlich, zumal dies ja gerade ein Anreiz gewesen wäre, diesem Hospital zuzustiften, statt eine neue Institution ins Leben zu rufen. Weiterführend ist, die Ursachen in der Prosperität und dem Selbstbewusstsein der Bürgerschaft zu suchen. Stiftungsbasierte Fürsorge bezieht ihre Dynamik aus gesellschaftlicher Ungleichheit. Genauso wie sie bedürftige Empfänger benötigt, bedarf es auch einer wohlhabenden Schicht potenzieller Spender. Erst bei entsprechendem Grund- und Rentenbesitz ist die Stiftung einer neuen Institution realisierbar. Hinzu kommt, dass eine bald vergessene Zustiftung an ein bereits bestehendes Hospital weitaus weniger presti1 2

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Windemuth, Hospital, S. 88; Muschel, Das Spital der reichen Siechen, S. 167; Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 43. Jütte (Obrigkeitliche Armenfürsorge, S. 40ff.) verweist auf die Zentralisierungsfunktion von Armenordnungen, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die Gesamtverantwortung der Fürsorge in den Händen der städtischen Obrigkeiten zu konzentrieren suchten. Kleinknecht (Entstehung und Verwaltung, S. 20) hingegen spricht im institutionellen Sinne von Zentralisierung und beschreibt damit die Konzentrierung von Institutionen in Großspitälern und Sammelstiftungen. Verwendung findet der Begriff auch bei Muschel (Das Spital der reichen Siechen, S. 167ff.) und Klötzer (Kleiden, S. 12). Diese Vermutung äußert Muschel (Das Spital der reichen Siechen, S. 167ff.) für die Stadt Ulm und bezieht sich dabei auf eine Kreditaufnahme des Heiliggeistspitals bei der Stadt 1515 und einem gescheiterten Versuch 1524. Tatsächlich dürften alle Stiftungen aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage im frühen 16. Jahrhunderts unter ähnlichen Problemen gelitten haben. Ein Hinweis auf eine grundsätzliche Unterausstattung des Heiliggeistspitals ist dies wohl nicht.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

geträchtig war als die Fundation eines eigenen Armenhauses, zumal dieses oftmals über Jahrhunderte hinweg den Namen des Stifters in seiner Bezeichnung bewahrte. Das dezentrale System ist also wohl nicht Ausdruck der Schwäche des multifunktionalen Hospitals, sondern vielmehr Beleg für ein entwickeltes und selbstbewusstes Bürgertum. Der Nachteil des dezentralen Systems lag darin, dass das Stiftungsvermögen in seiner Gesamtheit auf viele Einzelstiftungen zersplittert war. Insbesondere in wirtschaftlichen Krisen waren Institutionen, die finanziell nur dürftig ausgestattet waren, schnell in ihrer Existenz bedroht. Dies – und weniger ein grundsätzliches Bestreben des Stadtrates, die Fürsorge unter seiner Kontrolle zu vereinen – dürfte der wesentliche Grund dafür gewesen sein, dass in zahlreichen mittelalterlichen Städten eine vom Rat ausgehende Tendenz zur Zentralisierung feststellbar ist. Grundsätzlich Schwierigkeiten bereitete dabei oftmals der Stiftungscharakter der Institution, denn nur in den seltensten Fällen besaßen Stifter die Weitsicht, Bestimmungen über die Möglichkeit einer Verlegung oder Zusammenlegung zu erlassen. Auch die Ausstattung mit einer geistlichen Stelle dürfte eine Verlegung verkompliziert haben, zumal sie den Kreis der mitspracheberechtigten Interessengruppen erheblich erweiterte.4 Eine institutionelle Zentralisierung vollzog sich gewöhnlich als Inkorporation in ein bereits bestehendes größeres Hospital. In Münster hingegen zeigt sich der seltene Fall, dass mehrere Armenhäuser miteinander vereinigt und als eine eigenständige Institution neu fundiert wurden.

1. Die erste Stiftungsphase: Dezentralisierung nach 1300 Um 1300 existierten wohl sechs Institutionen der offenen wie der geschlossenen Fürsorge. Bereits 1217 lassen sich zwei als Spendenbrüder bezeichnete Gruppen von Armen diesseits und jenseits der Aa nachweisen,5 die später als Zwölfmännerhäuser zwei eigenständige Institutionen bildeten. Das Zwölfmännerhaus Überwasser lag am Katthagen auf dem Grund der domkapitularischen Obödienz Gassel im Kirchspiel Überwasser.6 Die ursprüngliche Lage des Zwölfmännerhauses Ludgeri hingegen ist unbekannt. Ab 1324 jedenfalls wohnen die Zwölflinge auf einem Grundstück der Domobödienz Lepperinch im Kirchspiel Ludgeri.7 Auch der Heiliggeistkorb Lamberti existierte bereits, 1287 ist er erstmals belegbar. Angesiedelt war er an der Lambertikirche.8 Wenngleich erst 1327 erstmals erwähnt, dürfte der Heiliggeistkorb Überwasser ein ähnliches Alter wie der Lambertikorb aufweisen und damit eben-

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Reicke (Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 276) sieht diesbezüglich gar ein grundsätzliches Problem in der Rechtsnatur als kirchliche Anstalten. WUB 3, Nr. 105. Heute Katthagen 12. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 423. Kirchhoff, Marienhospital, S. 130; Klötzer, Kleiden, S. 74; Armut, Not und gute Werke, S. 134. Heute Windthorststraße 33–35. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 423. WUB 3, Nr. 1319; Armut, Not und gute Werke, S. 135.

1. Die erste Stiftungsphase: Dezentralisierung nach 1300

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falls bereits 1300 existiert haben.9 Das Magdalenenhospital hingegen lag auf einer künstlichen Insel im Kirchspiel Überwasser.10 Die topographische Verteilung der Institutionen folgte damit einem strengen Muster, das sich am Verlauf der Aa orientierte. Jeweils diesseits und jenseits der Aa befanden sich je ein Zwölfmännerhaus sowie ein Heiliggeistkorb. Zwar im Kirchspiel Überwasser, doch durch die Lage auf der Aainsel genau auf der Grenze zwischen den Stadtteilen lag das stadtweit tätige Magdalenenhospital.11 Unter dem Einfluss privater Stifter änderte sich dieses Muster in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts zugunsten einer Konzentration in den nördlichen Kirchspielen, hier insbesondere im Kirchspiel Martini.12 Den Anfang machte die Witwe und münsterische Bürgerin Meynburg de Wessede. 1302 stiftete sie ihr Wohnhaus, zu dem auch ein kleiner Fußweg gehörte, der zur Martinikirche führte. Damit lag das Haus hinter dem Kirchhof auf dem Lappenbrink im Kirchpiel Martini.13 Zwölf Jahre später errichteten Herman und Dedradis tor A, Eheleute und münsterische Bürger, ein Beginenhaus und ein Armenhaus tor A auf der „bredenstegge“, also auf

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MUB 67. Auch Kirchhoff (Marienhospital, S. 131) geht für den Heiliggeistkorb Überwasser von einer Errichtung gleichzeitig mit dem von Lamberti aus. Heute Spiekerhof 30–40. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 423. Die Bedeutung der Aa spiegelt sich auch in dem Pfarrsystem wieder, dass sich im 11. Jahrhundert etabliert hatte, indem sie die Grenze zwischen den Kirchspielen Überwasser und Lamberti vorgab. Auch als Ludgeri, Martini, Aegidii und Servatii im letzten Drittel des 12. Jahrhunderts von Lamberti abgepfarrt wurden, blieb der Aaverlauf als Grenze relevant. Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 25; Kirchhoff, Marienhospital, S. 129; Schulze, Liebfrauen-Überwasser, S. 104f.; Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 103. Tatsächlich nahm Überwasser innerhalb Münsters eine Sonderposition ein. So verfügte es als einziges Kirchspiel über ein eigenes Gericht, einen eigenen Markt und einen eigenen städtischen Bierkeller. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 3; Schulte, Verfassungsgeschichte, S. 48. In der Topographie der Fürsorgeinstitutionen spiegelt sich diese politische Zweiteilung der Stadt wider. Das Hospital in der Venne und das Marienhospital, die beide als Sonderhospitäler außerhalb der Stadtmauern lagen, fallen aus dieser Betrachtung freilich heraus. – Zur Topographie diesseits und jenseits der Aa vgl. auch Kirchhoff (Marienhospital, S. 129ff.), der das Überwasserkirchspiel im Westen und die Kirchspiele Lamberti und Mauritz im Osten betont, ebenso wie die beiden Zwölfmännerhäuser und die beiden Heiliggeistkörbe. Kritisch ist, dass er auch im Magdalenenhospital (westlich) und Marienhospital (östlich) zwei Antipoden sieht, ebenso in Kinderhaus (westlich) und dem Venner Hospital (östlich), das er als Leprosorium definiert. Das Marienhospital lag nicht zentral in der Stadt, sondern davor, hatte weit geringere Kapazitäten und sicherlich auch eine viel spezialisiertere Funktion. Das Venner Hospital hingegen dürfte wohl nicht als Leprosorium genutzt worden sein und existierte zudem zu keinem Zeitpunkt parallel zu Kinderhaus. Hinzu kommt, dass die topographische Dialektik der Fürsorgeinstitutionen nicht im Aaverlauf begründet war, sondern in der alten Kirchspielstruktur von Lamberti und Überwasser, deren Grenzen sich an der Aa orientierten. Das Marienhospital lag aber im Kirchspiel St. Mauritz, das Venner Hospital im Kirchspiel Amelsbüren. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 419. MUB 47; Armenhaus Zurwesten, Urk. 22. Heute Stiftsherrenstraße 45/46. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 423.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

der Breiten Gasse nahe der Aegidiikirche und im gleichnamigen Kirchspiel.14 In der Fundationsurkunde erscheint unter den bürgerlichen Zeugen ein gewisser „Johannis Engenebrot“.15 Er könnte identisch sein mit dem Stifter jenes Armenhauses, dass der Stadtrat 1354/67 als „domum Johannis dicti hern Engelbrathes tho Weghesende“ bezeichnete.16 Möglicherweise handelte es sich auch um einen gleichnamigen Verwandten. Das Armenhaus Engelbracht könnte demnach um 1314 oder – wenn es sich um eine testamentarische Stiftung handelte – wenig später errichtet worden sein und wird in der Wegesende genannten Gasse im Kirchspiel Martini gestanden haben. Ein weiteres 1354/67 erwähntes Armenhaus war das des „Johannis dicti Tylbeke“. Ein „Johan de Tylbeke“ erscheint bereits 1318 als Zeuge eines Häuserverkaufs. 1329/30 und 1330/31 saß er als Schöffe im Stadtrat.17 In dieser Zeit dürfte er auch das Armenhaus Tilbeck errichtet haben. Erstmals erwähnt wird es 1333.18 In dasselbe Jahr fallen auch die Ersterwähnungen der Häuser Boterman und Hoeker. Beide lagen im Kirchspiel Martini, letzteres auf dem Bült („up den Bulthe“).19 Einen umfassenden Einblick in die Fürsorgelandschaft der 1330er Jahre gewährt das Testament des münsterischen Bürgers Goswin von Klanktorp. Obwohl seine Testamentsexekutoren sich bereits am 18. Oktober 1330 in seinem Namen für die Errichtung einer Vikarie einsetzten,20 datiert es auf den 14. November 1332. Unter anderem werden darin folgende Institutionen bedacht: „Item ad sanctum spiritum in ecclesia sancti Lamberti tam ad elemosinas quam ad vestimenta do similiter et lego decem et octo marcas. Item ad sanctum spiritum transaquas sancte Marie quatuor marcas. Item leprosis extra civitatem novem marcas. Item ad hospitale duas marcas. Item fratribus minoribus quinque marcas. Item sex domibus magnis pauperum hominum cuilibet domo tres marcas. Item minori domo tres marcas.“21

Die namentlich genannten Institutionen lassen sich sicher zuordnen. Erwähnt werden der Heiliggeistkorb und die Armenkleidung Lamberti – letztere tritt hier 14 Zuhorn, Beginen, S. 33. Vgl. Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage. Tibus (Stadt Münster, S. 329) schließt aus der Lage im Aegidiikirchspiel fälschlich auf ein Haus in der Aegidiistraße. 15 Zuhorn, Beginen, S. 34. Das Original ist verschollen. Es sind durchaus Lesefehler möglich. 16 MUB 154. 17 MUB 60; MUB 70; MUB 76. 18 Armenhaus zur Aa, Urk. 3. 19 MUB 156, Nr. 1; Armenkleidung Lamberti, Urk 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 2. 1341 erhielten die Armenhäuser tor A, Hoeker, Boterman und Tilbeck von Everhardus Brune, Dechant der Martinikirche, Renten. Die Armen tor A, die im Kirchspiel Aegidii wohnten, sollten für ihn in der Aegidiikirche beten, die Armen des Hauses Boterman für seine Mutter in der Martinikirche, die Armen der Häuser Hoeker und Tilbeck für seine Mutter bzw. seinen Vater in der Lambertikirche. Die Schlussfolgerung, Tilbeck hätte deshalb im Kirchspiel Lamberti gelegen, ist schwierig, da die Armen des Hauses Hoeker in Martini wohnten, jedoch in der Lambertikirche beten sollten. MUB 111, MUB 112; MUB 113; MUB 114. Vgl. Armut, Not und gute Werke, S. 41. 20 BAM, Generalvikariat, Urk. 136. 21 Kirche St. Martini, Urk. 1.

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erstmals als eine vom Korb getrennte Einrichtung in Erscheinung. Weiterhin wird der Heiliggeistkorb Überwasser bedacht. Mit den Leprosen außerhalb der Stadt ist zweifellos Kinderhaus gemeint, das allerdings erst ein Jahr später namentlich genannt wird.22 Das „hospitale“ schließlich bezeichnet das Magdalenenhospital. Schwieriger gestaltet sich die Identifikation der sechs großen und des einen kleinen Hauses. Sie alle erhielten je 3 Mark. Fest steht jedenfalls, dass die Formulierung auch für Zeitgenossen nur auflösbar war, wenn die sieben Armenhäuser eine definierte Gruppe umrissen. Sicherlich bezeichnete sie die Gesamtheit aller existenten und noch nicht genannten Armenhäuser.23 Das kleine Haus dürfte das 1314 gegründete Armenhaus tor A meinen. 1354/67 bezeichnete es der Rat als „parvam domum tho der A“.24 Die sechs großen Häuser waren sicherlich das 1302 gegündete Armenhaus Wessede, die 1333 als bestehend erwähnten Armenhäuser Tilbeck, Boterman und Hoeker sowie die beiden Zwölfmännerhäuser. Demnach ergibt sich für das Armenhaus Engelbracht, obwohl sein vermuteter Gründer bereits 1314 aktiv war, eine Gründung nach 1332.25 Neben den Armenhäuser bedachte Goswin von Klanktorp außerdem eine Gruppe von Armen, die er als Hausarme bezeichnete. Drei Mark gab er den „pauperibus dictis husarmen“.26 Es ist allerdings fraglich, ob man daraus bereits auf eine minimale Organisation einer bestimmten Gruppe von Armen schließen darf.27 Hausarme waren nicht bettelnde Bedürftige, meist aus dem unteren Bürgertum, die zwar eine eigene Unterkunft besaßen, auf Grund ihrer Armut aber dennoch auf Unterstützung seitens der offenen Armenfürsorge angewiesen waren.28 Die Aufgabe der Testamentsexekutoren war also wohl, die Verteilung entweder selbst auszurichten oder den Heiliggeistkörben von Lamberti und Überwasser nach eigenem Ermessen die 22 MUB 89. Teile der Anlage stehen unter der Adresse „Kinderhaus 15“ noch heute. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 423. 23 So auch Kirchhoff, Marienhospital, S. 140. 24 MUB 154. Dass er diesen Namen in Abgrenzung zum parallel entstehenden Armenhaus zur Aa verwandte, ist unwahrscheinlich, da letztere Institution diesen Namen erst später annahm. Hier bezeichnete der Rat es noch gemäß seiner Lage als „domus iuxta pontem“. MUB 154. Wahrscheinlicher ist, dass der Name in Abgrenzung zum benachbarten Beginenhaus verwandt wurde, das auf dieselben Stifter zurückging. Dieses war wohl auch gemeint, als das spätere Armenhaus zur Aa nach 1358 eine Rente „ex magna domo thor A“ bezog. MUB 156, Nr. 39. 25 Schedensack (Armenhaus zur Aa, S. 189f.) und ihr folgend Black (Speckpfründe Lamberti, S. 75) vermuten für die beiden letzten Häuser das erst 1346 verifizierbare Armenhaus Zurwieck und ein Armenhaus „by dem berghe“, das aber identisch mit dem 1354/67 errichteten Armenhaus zur Aa sein dürfte. Vgl. Kap. VII.3. 26 Kirche St. Martini, Urk. 1. 27 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 67. 28 Klötzer, Kleiden, S. 322. So teilte die Domelemosine 1527/28 gemäß eines Legats 3 Mark und 9 Schillinge an „pauperibus dictis husarmen“ aus, gemäß eines weiteren Legats erhielten sie im selben Zeitraum zusätzliche 18 Mark und 11 Pfennige. BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 8r, fol. 8v. 1540 kaufte die Domelemosine für 2 Mark Brote, um sie Heiligabend unter den „huesarmen“ zu verteilen. BAM, Domarchiv XIV, A 36/1, RB 1540, fol. 10r.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

vermachten 3 Mark zu übergeben, auf dass die Körbe sie an die ihnen bekannten Hausarmen weiterleiteten.29 Auch die Außenpfründner des Magdalenenhospitals kamen als Empfänger in Frage. Die letzte sicher datierbare Gründung eines Armenhauses vor dem Ausbruch der Pest erfolgte am 2. Dezember 1337 auf Initiative des Wilhelmus de Bussche. Nach ihm erhielt das Haus den Namen Zumbusch. Wie das Armenhaus Wessede lag es nahe der Martinikirche.30 Befand sich Wessede allerdings in Ratsträgerschaft, gab Wilhelmus de Bussche die „curam et custodiam“ über sein Haus den „duobus provisoribus elemosinarum parrochie sancti Martini“.31 Es ist dies die erste Erwähnung des Almosenkorbes Martini. Zwei weitere Almosenkörbe – Aegidii und Ludgeri – finden erstmals im Pestjahr 1350 Erwähnung.32 Die Anfänge beider Körbe sind aber wohl ebenso wie die des Korbes von Martini im frühen 14. Jahrhundert zu suchen. Dasselbe könnte für den Almosenkorb Servatii gelten, der allerdings erst 1394 erwähnt wird.33 Am 27. Oktober 1346 bekundeten Bertradis de Unna und ihre Nichte Gertrudis de Unna in zwei verschiedenen Urkunden, dass Johannes de Unna, verstorbener Onkel der Bertradis, mit ihrer Zustimmung ihren Neffen, den Brüdern des Predigerordens Johannes und Hermannus de Unna je eine lebenslängliche Rente von 2 Mark überschrieben hätte. Nach ihrem Tode sollten die Renten aber münsterischen Armenhäusern zufallen. Die Leibrente des Johannes sollte „ad quatuor domos pauperum mulierum“ fallen, und zwar an „thon Busche, Hoekers hus, Tylbeke et Lamberti Boterman“. Auch die Rente des Hermannus sollte „ad quatuor domos pauperum mulierum“ fallen. Diese waren allerdings „Wescede, tor Aa, Hesenmekerschenhus et thor Wyck“. Aufgeteilt werden sollte die Rente dergestalt, dass jedes der Häuser fortan 6 Schillinge beziehen sollte.34 Das Armenhaus Zurwieck wurde hier zum ersten Mal erwähnt, gegründet wurde es wohl erst nach dem Testament des Goswin von Klanktorp von 1332. Es lag auf dem Honekamp im Süden des Kirchspiels Überwasser.35 Nicht nur erstmalig, sondern einmalig erscheint außerdem das „Hesenmekerschenhus“, deren Stifterin offenbar selbst Hosenmacherin oder Witwe 29 Diese Praxis beschreibt Klötzer (Kleiden, S. 217) aus dem 16. Jahrhundert. 30 Zur Verfügung stellte er dafür „domum meam quondam dictam Hanereyeschenhus, quam quondam Willikinus Slabart inhabitabat, cum suis attinenciis, prout prope cimiterium ecclesie sancti Martini Monasteriensis sita est et consistit.“ MUB 99. Heute Martinikirchplatz 1. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 424. 31 MUB 99. 32 Im Mai dieses Jahres bestätigten Wessel de Duvel als Almosener von Aegidii und Conrad de Ringenbecker als Almosener von Ludgeri den Erhalt einer Schenkung aus den Händen des Conrad Scape. Dieser hatte den Armen von Ludgeri 7 Scheffel Saatland auf der Ossenbecke übergeben, den Armen von Ludgeri aber 5 Scheffel Saatland bei dem Galgen. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf. 33 MUB 328. 34 Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Einheftung zwischen fol. 15 und fol. 16; Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 27f. 35 Antoniushospital, Urk. 6; MUB 230. Heute Krummer Timpen 34. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 424.

1. Die erste Stiftungsphase: Dezentralisierung nach 1300

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eines Hosenmachers war. Es mit einem bereits bestehenden Haus gleichzusetzen, fällt auf Grund der Vielzahl der parallel genannten Häuser schwer. Von den durch Privatpersonen errichteten Häusern fehlt hier allein das Armenhaus Engelbracht, das allerdings auf einen männlichen Stifter zurückging. Es scheint also, als sei das „Hesenmekerschenhus“ tatsächlich erst jüngst errichtet worden. Vielleicht stand es sogar noch unter der persönlichen Verwaltung der Hosenmacherin und war noch nicht in eine Stiftung transformiert worden. Dass das Haus auch später nicht erwähnt wird, lässt vermuten, dass es an den Folgen der Pest von 1350 eingegangen ist.36 Damit dürften zwischen 1302 und 1350 insgesamt 15 Fürsorgeinstitutionen errichtet worden sein. Zu ihnen gehörten vier in Kirchspielträgerschaft stehende Almosenkörbe, die entsprechend ihrer Ansiedlung an ihre jeweiligen Pfarrkirchen gleichmäßig über den Stadtraum verteilt waren. Damit wurde die wohl schon im 13. Jahrhundert bestehende zweigliedrige Ordnung der offenen Armenfürsorge zu einer mehrgliedrigen, kirchspielorientierten Ordnung erweitert. An der Lambertikirche zeigt sich neben dem Heiliggeistkorb mit der Armenkleidung zudem erstmals eine zweite Institution der offenen Armenfürsorge, die wie der Heiliggeistkorb dem Stadtrat als Träger unterstand. Auch über das Leprosorium Kinderhaus hatte der Rat wie über die meisten Sonderinstitutionen die Aufsicht. Es lag – wie für Leprahäuser üblich – außerhalb der Stadt. Neun Armenhäuser gingen auf private Stifter zurück. Sie alle waren Frauenhäuser. Unter der Trägerschaft des Rates stand, soweit sicher nachweisbar, mit dem Armenhaus Wessede allein das älteste. Über die nach dem Vorbild Wessedes fundierten Armenhäuser übernahmen andere Gruppen die Trägerschaft, so etwa die Beginen tor A über das gleichnamige Haus oder die Kirchspiele Martini und Überwasser über die Häuser Zumbusch und Zurwieck. Topographisch lassen sich von ihnen nur sieben Häuser bestimmen. Je eins lag in Aegidii und Überwasser, die anderen fünf im Kirchspiel Martini. Das Übergewicht der nördlichen Kirchspiele zeigt sich auch in der Gesamtschau. Im Zuge der ersten Stiftungsphase stieg die Zahl der Fürsorgeinstitutionen von sechs auf zwanzig. Sieben lagen in Martini, vier in Überwasser. Je zwei befanden sich in Lamberti, Ludgeri und Aegidii. Lediglich eine Institution – sofern der Almosenkorb überhaupt schon existent war – befand sich im kleinen Servatii-Kirchspiel. Es ist bemerkenswert, dass diese Reihenfolge weitestgehend jener der Ratswahlliste von 1454 entspricht, nur dass dort die Leischaften Liebfrauen und Jodefeld, die gemeinsam das Kirchspiel Überwasser bildeten, auf Grund der Sonderstellung dieses Kirchspiels zuletzt genannt werden.37 Aufschlussreich ist auch ein Blick auf die Höhe der kirchspielspezifischen Einnahmen früher Rentverzeichnisse. Auch hier zeigt sich dieselbe Reihenfolge.

36 Klötzer (Für ewige Zeiten, S. 356; Orte der Fürsorge, S. 416) vermutet hingegen eine Inkorporation des Hesenmekerschenhuses ins Armenhaus Zurwieck und hält entsprechend eine Lage im Kirchspiel Überwasser für möglich. 37 Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 212. Die Reihenfolge lautet: Martini, Lamberti, Ludgeri, Aegidii, Liebfrauen, Jodefeld.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

Tabelle 11: Rentregister des Armenhauses zur Aa, des Almosenkorbes Martini und des Leprosoriums Kinderhaus. Einnahmen aus den Kirchspielen.38

Martini Lamberti Überwasser Aegidii Ludgeri Servatii Summe

Armenhaus zur Aa (1375) 26 M,   8 s, 10 d   5 M,   4 s   5 M,   2 s   8 M,   3 s   5 M, 11 s – 51 M,   4 s, 10 d

Almosenkorb Martini (vor 1401) 42 M, 2 s, 4 d 20 M, 1 s, 8 d 15 M, 4 s   3 M, 6 s – 12 M 93 M, 2 s

Leprosorium Kinderhaus (1435) 15 M, 10 s, 11 d 24 M,   8 s,   6 d 15 M, 11 s   7 M, 10 s 11 M,   6 d   1 M,   6 s 63 M,   3 s

Summe

  84 M, 10 s,   1 d   50 M,   2 s,   2 d   36 M,   5 s   19 M,   7 s   16 M, 11 s,   6 d   13 M,   6 s 207 M,   9 s, 10 d

Die Zahlen sind freilich durch die Größe und die Besiedlungsdichte der Kirchspiele sowie durch die Lage der Fürsorgeinstitutionen beeinflusst. Ein weiterer Faktor könnte aber die höhere Finanzstärke der nördlichen Kirchspiele sein.39 Zur Gründung einer fundierenden Stiftung bedarf es dieser auch. Neben finanziellen Kapazitäten wurde gewöhnlich auch Hausbesitz zur Verfügung gestellt.40 Die Konzentration von Armenhäusern in den nördlichen Kirchspielen resultiert also wohl aus dem Umstand, dass sich die Lage einer Stiftung oftmals aus der Herkunft der Stifter ergab.

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa Ein dezentrales Fürsorgesystem hatte Vorteile. Es erlaubte etwa eine sehr weitgehende Spezialisierung einzelner Institutionen. Zudem war die Aufrechterhaltung der Fürsorgeleistungen im Falle des Niedergangs einer einzelnen Institution weitaus besser gewährleistet als bei einer stark zentralisierten Fürsorge. Der große Nachteil eines dezentralen Fürsorgesystems bestand aber in der Gefahr, dass das Stiftungsvermögen einiger Institutionen nicht ausreichte, den Fortbestand der Stiftung langfristig zu garantieren. Konkret werden konnte diese Gefahr insbesondere während gesamtwirtschaftlicher Krisen. In der ersten Stiftungsphase entstanden mindestens 38 Armenhaus zur Aa: MUB 228; Almosenkorb Martini: MUB 375; Leprosorium Kinderhaus: MUB 621. 39 Auch Kirchhoff (Marienhospital, S. 131) sieht den Grund für das Ende der topographischen Zweiteilung des Fürsorgesystems um 1300 in der unterschiedlich schnellen wirtschaftlichen Entwicklung beider Stadtteile. 40 So gab die Witwe Wessede etwa ihr Wohnhaus („domum suam, quam inhabitat“). MUB 47. Und auch Wilhelmus de Bussche und das Ehepaar tor A brachten ihr Haus ein, um auf dessen Grund das jeweilige Armenhaus zu errichten. Zuhorn, Beginen, S. 31–34; MUB 99.

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa

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vier Armenhäuser, die in dieser Hinsicht gefährdet waren. Es waren dies die Armenhäuser Hoeker, Tilbeck, Boterman und tor A. Am 21. Oktober 1314 gründeten Herman tor A, Amtmann im Aegidiikloster, und seine Frau Dedradis in ihrem Wohnhaus auf der Breiten Gasse im Kirchspiel Aegidii den Beginenkonvent tor A.41 Zugleich stifteten die Eheleute das Armenhaus tor A. 1314 bestand es bereits, bisher allerdings unter der Aufsicht der Dedradis tor A. Nun wurde es in eine Stiftung umgewandelt. Die „sorge und aufsicht“ über das Haus sollte dabei „zween verstendigen junffern“ des Beginenkonventes obliegen.42 Die Trägerschaft des Armenhauses lag damit – auch wenn der Stadtrat die Stiftungsurkunde bezeugte und besiegelte – bei diesem Konvent. Ungewöhnlich ist die extrem niedrige Ausstattung des Armenhauses mit Einkünften, die wohl nur schwerlich die Aufrechterhaltung des Betriebes ermöglichen konnte.43 Wohl noch vor 1332 erfolgte mit Hoeker, Tilbeck und Boterman die Errichtung von drei weiteren Armenhäusern.44 Belegbar sind sie erst für das darauffolgende Jahr. Am 3. März 1333 ließen die Schöffen Adolfus de Wiech, Alhardus Dives, Emelricus de Lon und Wilhelmus de Steghe sowie die Provisoren des Heiliggeistkorbes Überwasser Bernardus de Schuren und Hermannus Beates vier Urkunden ausstellen. In ihnen überwiesen sie mit Zustimmung des Kirchspielrates Überwasser jedem einzelnen der vier von „pauperibus mulieribus“ bewohnten Armenhäuser – namentlich der „domo dicta Tilbeke“, der „domo dicta des Hokers hus sita in parrochia sancti Martini Monasteriensis“, der „domo dicta thor A in parrochia sancti Egidii Monasteriensis“ und der „domo Lamberti dicti Boterman“ – eine Rente von je 12 41 Aufgenommen werden sollten Jungfrauen, und tatsächlich befanden sich dort bereits einige Jungfrauen aus der „freundtschaft“ der Stifter. Zuhorn, Beginen, S. 31–34. Zum Beginenhaus tor A vgl. Zuhorn, Beginen, S. 13ff.; Kohl, Beginen, S. 131f. 42 Zuhorn, Beginen, S. 33. Wie das Beginenhaus befand sich auch das Armenhaus auf der „bredenstegge“. Eingerichtet war es in einem Neubau, den die Stifter „gebowet haben zu nutz und brauch der armen“. Aufgenommen werden sollten „alte und krancke frowenspersonen, welche kein hauß odder herberge bedingen oder heuren und durch kranckheit anderßwo kein heberge erlangen konnen“, und zwar ohne jegliche Gegenleistung, sondern allein „frei und umb gottes willen“. Die Aufnahme oblag den beiden das Haus führenden Beginen, „nemlich daß sie ein jetweder arme frowe ein halb jahr in gemeltes hauß sollen aufnehm(en). Wann dieselbe zeit oder termin verflossen wirt sein, so sie ein ander welche m(ehr) bedürfftig und mangelhafftig worden sein, erfinden werden, konnen sie die erste, welches mangel und armut so groß nicht ist, außweisen und urlaub geben und die andere armere inß hauß einnehmen.“ Zuhorn, Beginen, S. 33. Das Verfahren ist ungewöhnlich, denn gemeinhin währte der Aufenthalt einer aufgenommenen Armen ihr Leben lang. 43 So verkündeten die Stifter: „Weiters geben wir legiren und theilen mit zu steur und hulff dissen hause ein marck iährlicher renthe odder pension auß Henrich Wackers haus, gelegen in St. Aegidii kerspel, alle jahr zu ewigen zeiten zu betzalen, welche renthen oder auffkumpften außtheilung wir benenten zween junfferen gleichfals befehlen, daß dieselbige diese marck iehrlicher renthe also außtheilen gleichwie es den gemeinen nutz des benompten hauses und den armen, welche da sein werden ihrer notdurfft am dienlichesten und nützlichesten sein wirt.“ Zuhorn, Beginen, S. 33. 44 Kirche St. Martini, Urk. 1. Vgl. Kap. VII.1.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

Pfennigen. Auf den Kaufpreis der vier Renten – wohl etwa 6 Mark und 8 Schillinge – verzichteten sie, vielmehr wurde die Summe „in usus pauperum“ ausgelegt. Empfänger der Renten waren allerdings nicht die Armen selbst, sondern in allen vier Fällen die münsterische Witwe Alheydis gnt. Holemanninch. Ihr sollten die jeweils amtierenden Provisoren des Heiliggeistkorbes Überwasser jährlich am Tag Johannes des Täufers die 4 Schillinge Rente für alle vier Häuser auszahlen, auf dass sie die Summe daraufhin unter den Armen austeile. Die hier vollzogene Schenkung bedeutete eine Unterstützung aus den Mitteln des Heiliggeistkorbes Überwasser.45 Da dies für den Korb selbst eine finanzielle Belastung darstellte, bedurfte es der Zustimmung seines Trägers, der Schöffen und Kirchspielleute von Überwasser. Bereits 1333 waren also die finanziellen Schwierigkeiten, mit denen die vier Häuser zu kämpfen hatten, offensichtlich. Einen ersten Schritt zur Entspannung der Situation hatte man schon zuvor getan. Er bestand in der Unterstellung aller vier Armenhäuser unter eine gemeinsame Verwaltung, die hier durch die Hausfrau Alheydis Holemanninch präsentiert ist. Die beiden Beginen aus dem Konvent tor A hatten die Verwaltung des Armenhauses tor A also nicht mehr inne. Die so erreichten Synergieeffekte senkten nicht nur den Verwaltungsaufwand, sondern zweifellos auch die aufzuwendenen Betriebskosten. Der Fortbestand der vier Häuser war mit der Schenkung derart kleiner Renten freilich noch nicht gesichert. Und so bestand immer noch die Gefahr einer endgültigen Schließung. Entsprechend verkündeten Schöffen und Almosener in allen vier Urkunden, was hier am Beispiel des Hauses Tilbeck wiedergegeben werden soll: „Quod quidem domus Tilbeke si in posterus destructa fuerit, ita quod ibidem alique paupercule mulieres non sint commorantes in eadem, extunc predicti redditus duodecim denariorum per provisores antedictos sancte spiritus pro tempore existentes ad vestimenta pauperum convertentur.“46

Offenbar rechnete man mit dem baldigen Niedergang. Ihn abzuwenden war das Ziel weiterer Unterstützungsleistungen. Insbesondere das Armenhaus tor A profitierte von zahlreichen Zuwendungen,47 die sich zweifellos daraus erklären, dass es 45 Es ist bemerkenswert, dass ausgerechnet der Überwasserkorb Hilfe leistete, lag das Armenhaus tor A doch in Aegidii, die Armenhäuser Boterman und Hoeker in Martini. Das Haus Tilbeck könnte demnach, auch wenn seine Armen in der Lambertikirche für den Vater des Everhardus Brune beten sollten (MUB 114), in Überwasser gestanden haben. Damit wäre der Fortbestand der Häuser von stadtweitem Interesse gewesen. 46 „Wenn aber das Haus Tilbeck in Zukunft niedergerissen worden sein wird, sodass irgendwelche unbemittelten Frauen nicht mehr darin leben, werden die vorgenannten Renten von 12 den. von den vorgenannten derzeit amtierenden Provisoren des heiligen Geistes zur Einkleidung der Armen verwendet. Armenhaus zur Aa, Urk. 3 (Tilbek). Vgl. auch Armenkleidung Lamberti, Urk. 1 (Boterman), Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage (tor A); Armenhaus zur Aa, Urk. 2 (Hoeker). 47 Am 25. Januar 1335 verkauften die Witwe Elisabeth van der Are und ihre Kinder Albert und Gerburg mit Zustimmung ihres Miterben Bernhard einer gewissen Alheyd, Tochter des verstorbenen Kristian, eine Rente von 4 Schillingen. Die Empfängerin dürfte identisch sein mit der Hausverwalterin Alheydis Holemanninch, die damit nun denselben Betrag erhielt wie zwei Jahre zuvor vom Heiliggeistkorb. Bezahlt werden sollte die Ren-

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa

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nicht nur eine aktive Stifterfamilie im Rücken hatte, sondern als wohl kleinstes der Häuser besonders unterstützenswert erschien. Doch auch die anderen drei Häuser erfuhren Unterstützung, wie vier Schenkungen bezeugen, die 1341 alle vier Häuser gleichermaßen begünstigten.48 Sie alle standen jedoch unter einem bestimmten Vorbehalt. „Hoc specialiter adiecto, quod si dictam domum pauperum destrui seu desolari continget, ita quod memoria predicta ut promittetur non seruaretur vel ipsi pauperes in servatione huiusmodi negligentes forent, quod absit, extunc do et concedo presentibus manufidelibus et heredibus meis plenam potestatem et mandatum speciale disponendi et ordinandi, ut de predictis redditibus dicta memoria simili modo vel alio perpetuo peragetur, quod si amodo fieri non poterit, extunc per ipsos manufideles seu heredes meos dicti redditus vendantur et pecunia inter communes pauperes nomine communis stipe distribuatur.“49

Auch 1341 war die Gefahr eines möglichen Niedergangs aller vier Häuser also noch nicht gebannt. Fünf Jahre später, am 27. Oktober 1346, wurde den vier Häusern und mit ihnen vier weiteren Armenhäusern zum letzten Mal eine Unterstützung in

te aus dem Haus der Verkäufer auf der Breiten Gasse, das also in unmittelbarer Nachbarschaft des Beginenkonvents und des Armenhauses stand. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 8, fol. 55r–57r. Am 22. Juli 1338 schenkte die Stifterin „vrou Drechdrat van der Aa“ ihrem Armenhaus zwei weitere Renten. Die eine betrug 12 ½ Schillinge und sollte vom Heiliggeistkorb Lamberti bezahlt werden, die andere betrug 13 ½ Schillinge und kam aus dem Haus des Hermannus Mauricies nahe des Johanniterkonvents. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 22vf. Ein Jahr später, am 28. September 1339, verkaufte Christina, die Witwe des Albertus de Camperdesbeke, den Armen „in domo dicta thor Aa“ für 3 Mark eine weitere Rente von 2 Schillingen. MUB 109. Am 23. November 1345 schließlich erwarben die Armen tor A von Henricus und Christina Keghel für 6 Mark eine Rente von 4 Schillingen. MUB 127. 48 Am 27. Oktober 1341 schenkte Everhardus Brune, Dechant an der Martinikirche, den Armen der vier Häuser jeweils eine Rente von 4 Schillingen. Die Armen tor A sollten dafür an seinem Sterbetag am Hochaltar der Aegidiikirche eine Messe lesen lassen, die Armen des Hauses Boterman sollten für seine verstorbene Mutter am 8. April in der Martinikirche eine Messe lesen. Die Armen von Hoeker und Tilbeck sollten dafür für seine verstorbene Mutter am 8. April beziehungsweise für seinen verstorbenen Vater am 27. April in der Lambertikirche jeweils eine Messe lesen lassen. Das Übrige der genannten Renten sollten die Armen zur Verfügung haben. Armenhaus zur Aa, Urk. 5 (Tilbeck); Armenhaus zur Aa, Urk. 4 (Hoeker); Armenhaus zur Aa, Urk. 6 (Boterman); Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 43v–44r (tor A). 49 „Dies füge ich insbesondere hinzu, dass, wenn es dazu kommt, dass das Armenhaus niedergerissen wird oder verödet, sodass die vorgenannte Memorie nicht mehr wie vor­ ausgeschickt bewahrt wäre, oder jene Armen in der Abhaltung nachlässig sein werden, was fern liege, ich von Anfang an meinen Handgetreuen und Erben die Vollmacht und den Auftrag gebe und überlasse, insbesondere zu regeln und zu verordnen, dass aus den vorgenannten Renten die besagte Memorie auf ähnliche oder andere Weise auf ewig ausgeführt werde, und dass, wenn sie so nicht bestehen kann, die besagten Renten sofort durch die Handgetreuen selbst oder meine Erben verkauft werden und das Geld unter den gemeinen Armen im Rahmen einer allgemeinen Spende verteilt werde.“ Zitiert nach Armenhaus zur Aa, Urk. 5 (Tilbeck).

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Aussicht gestellt.50 Ob die vier Häuser allerdings je in den Genuss dieser Renten kamen, ist unklar, standen sie doch 1346 nur wenige Jahre vor ihrer Auflösung. Der Ausbruch der Pest erschütterte Europa nicht nur in kultureller, moralischer und religiöser Hinsicht, er leitete auch eine ökonomische Krise ein, die weit bis ins 15. Jahrhundert hinein anhielt. Sie äußerte sich in einer vor allem auf dem Lande um sich greifenden Armut, in zu niedrigen Löhnen sowie in einer stark schwankenden, insgesamt aber steigenden Inflation, die die Reallöhne zusätzlich senkte.51 Damit drohte vielerorts auch der städtische Rentenmarkt zu kollabieren. Um dem entgegenzuwirken, erließ der münsterische Stadtrat „umme dat gemeyne beste“ am 29. Februar 1384 – zweifellos in Reaktion auf den zweiten Pestausbruch von 1382 – acht Statuten. Bisher hatte der übliche Zinssatz einer Rente bei etwa 5,5 bis 6,25 Prozent gelegen,52 sodass sich die Rente für den Rentkäufer nach 16 bis 20 Jahren ammortisiert hatte. Durch die Inflation aber sank die Kaufkraft der sukzessiv zu zahlenden Renten im Verhältnis zum sofort zu zahlenden Rentenkapital. Damit der Kauf von Renten dennoch attraktiv blieb, galt es also, für den Zinssatz eine Untergrenze festzulegen. Deshalb fixierte der Stadtrat den Zinssatz auf 5,55  Prozent, sodass man fortan „de marck kopen sal vor xviij marck und nicht hoger“. Gleichzeitig schuf er weitere Anreize für die Rentenkäufer, deren Risiko er kalkulierbarer machte, indem er bei Strafe von 20 Mark oder Stadtverweis jeden Rentenverkäufer zur Angabe der sonstige Belastungen der Immobilie anhielt, die man mit der Rente belastete. Das als Pfand gesetzte Gut musste zudem „up den hues vor der tafelen“ oder „openbaer in gerychte“ öffentlich gemacht werden. Der zunehmende Kaufkraftverlust des Geldes machte außerdem die Regelung erforderlich, dass alle fälligen Zahlungen innerhalb eines Monats geleistet werden sollten. Durch das Nebeneinander von weltlichem und geistlichem Recht war die Durchsetzungsfähigkeit der Statuten allerdings gefährdet. Der Rat verfügte deshalb, dass der Verkauf von Renten und Immobilien fortan nicht mehr von geistlichen Gerichten besiegelt werden sollte. Zudem bestimmte er, dass man bei Androhung des Bürgerrechtsverlustes „upper vryeth nyne herberge hebben“ sollte. Offenbar hatten sich zahlreiche Bürger, die ihren Rentzinsverpflichtungen nicht nachkommen konnten oder wollten – bei Inflation arbeitete die Zeit schließlich für sie – auf die Domimmunität oder andere Freiheiten geflüchtet, wo sie vor dem Zugriff weltlicher Gerichte geschützt waren. Wer dennoch vor seinen Gläubigern in eine geistliche Immunität flüchtete, dem drohte der Stadtrat mit der Einschaltung eines geistlichen Gerichts. Auch die Stadt zu verlassen war ein probates Mittel, sich seinen Zahlungsverpflichtungen zu entziehen. Deshalb durfte 50 An diesem Tag bestätigten Bertradis de Unna und ihre Nichte Gertrudis de Unna die durch Johannes de Unna, den verstorbenen Onkel der Bertradis, getätigte Überschreibung von zwei Renten von je 2 Mark an ihre Neffen und Dominikanerbrüder Johannes und Hermannus de Unna. Nach deren Tode sollten beide Renten zu gleichen Anteilen acht münsterischen Armenhäusern zufallen. Unter ihnen waren auch die Häuser tor A, Boterman, Tilbeck und Hoeker. MUB 130; MUB 131. 51 Bergdolt, Der schwarze Tod, S. 191, S. 198, S. 204f. 52 Kirchhoff, Marienhospital, S. 137, basierend auf MUB 54, MUB 94, MUB 109, MUB 122 und MUB 134.

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa

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fortan niemand „yn eynyge reyse riden“, wenn nicht mit Erlaubnis des Stadtrates. Würde durch eine Reise eine Zahlung verzögert oder unterlassen, so hatte der Reisende für den entstandenen Schaden aufzukommen.53 Waren die Statuten Reaktionen auf die zweite Pestwelle, so waren die wirtschaftlichen Folgen der Pest freilich bereits durch die erste Pestwelle eingetreten. Für ohnehin nur mäßig ausgestattete Armenhäuser stellten sie eine zusätzliche Gefährdung dar. Die Fürsorgeinstitutionen waren durch die Inflation in besonderer Weise gefährdet. Ihre Finanzierung erfolgte maßgeblich durch den Kauf von Renten. Es waren also Einnahmen aus langfristig angelegtem Kapital, die ihren Fortbestand sicherten. Durch die pestbedingte Inflation blieb der Nominalwert des Stiftungsvermögens zwar konstant, der Realwert aber fiel ebenso stark wie die Realwerte der aus den Kapitalien einkommenden Renten. Hinzu kam, dass viele der Schuldner die Renten aufgrund eigener wirtschaftlicher Probleme nicht mehr zahlen konnten oder sich durch eine Flucht der Zahlung entzogen. Gut dokumentiert sind die Folgen einer Inflation, unter der im 30jährigen Krieg das Armenhaus Zurwieck litt. 1635 verkündeten seine Provisoren, dass „wegen bißhero erstandener beschwerlicher kriegsempörungh, auch eingefallene theure iahren“ die Rentzahlungen und sonstigen Einkünfte ausgeblieben waren, sodass sie selbst „ein ansehentliches“ aus ihrem Privatvermögen zum Unterhalt des Hauses zur Verfügung stellen mussten, was ihnen fortan aber „bey ietzigen schwirigen zeiten zu continuiren“ nicht mehr möglich wäre. Es war der Stadtrat, der mit einer hohen Rente den Fortbestand des Armenhauses Zurwieck sicherte54 und damit dieselbe Politik betrieb, die das Kirchspiel Überwasser schon 300 Jahre zuvor für die Armenhäuser tor A, Tilbeck, Boterman und Hoeker verfolgt hatte, die nach dem Ausbruch der Pest aber nicht weiter fortgesetzt wurde. Stattdessen strebte der Stadtrat nun die Zusammenlegung der finanziell angeschlagenen Häuser an.55 Der Vorteil einer Konzentration lag dabei vor allem in den Synergieeffekten. Der Verwaltungsaufwand sank, ebenso die Kosten an Wohnraum und Personal.56 In Ansätzen war dieser Plan bereits vor der Pest realisiert worden, indem man die vier Häuser unter der Verwaltung einer gemeinsamen Hausfrau konzentrierte. Darüber hinausgehende Maßnahmen hatte man vielleicht schon damals ins Auge gefasst. Doch befand sich mit dem Armenhaus tor A mindestens ein Haus nicht, vielleicht sogar kein einziges Haus in der Trägerschaft des Stadtrates. Zudem war in den Stiftungsurkunden der Fall einer Verlegung oder Zusammenlegung

53 MUB 271. 54 Armenhaus Zurwieck, Urk. 44. 55 Der Chronist Kerssenbrock nahm fälschlich an, das Armenhaus zur Aa sei „per Joannem et Hinricum thor Ae, fratres ac coriarios“ gegründet worden. Detmer, Kerssenbrock, S. 78. Die Fundationsurkunde war ihm offenbar nicht bekannt. Institutionelle Zentralisierung als Reaktion auf die Pest kennt auch Bog (Arme und Armenfürsorge in Oberdeutschland, S. 993). 56 Vgl. Muschel, Das Spital der reichen Siechen, S. 170, S. 176; Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 191.

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gewöhnlich nicht vorgesehen.57 Interessenkonflikte der Träger wie auch die Sorge um einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Stifters – immerhin sollten die Stiftungen „perpetue“ fortbestehen – hatten wohl eine Zusammenlegung vor der Pest verhindert. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch, dass Wilhelmus de Bussche, der nicht nur Zeuge der Schwierigkeiten bei der Verlegung des Kinderhauser Benefiziums gewesen war, sondern auch der finanziellen Nöte und der Verwaltungszusammenlegung der vier Armenhäuser, als er selbst 1337 das Armenhaus Zumbusch gründete, eine eventuelle Verlegung des Hauses durch den Stadtrat – und nicht durch den Träger! – ausdrücklich genehmigte.58 Die Zusammenlegung der Armenhäuser bestätigte der Rat mit einer auf das Jahr 1354 datierten Urkunde. Tatsächlich ist die Datierung falsch.59 Vielmehr wurde die Urkunde 1367 als Schlusspunkt der Gründungsphase ausgestellt, während das Jahr 1354 auf die Anfänge der Gründung verweist. Die Ursache für die Fehldatierung könnte ein Szenario erklären, nach dem eine erste Gründungsurkunde tatsächlich bereits 1354 abgefasst worden war. Diese sah allerdings nur eine Zusammenlegung der vier auch schon zuvor unter gemeinsamer Verwaltung stehenden Armenhäuser tor A, Boterman, Tilbeck und Hoeker vor, nicht aber des Armenhauses Engelbracht. Dies erklärt, weshalb Engelbracht anders als die anderen Häuser im Rentregister von vor 1358, in dem das neue Armenhaus bereits als „fundata“ erscheint,60 keine Erwähnung findet. Erst später ließen die finanziellen Probleme des Armenhauses 57 Zu den aus dem Stiftungsrecht erwachsenden Schwierigkeiten für eine Zusammenlegung vgl. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 276. 58 Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. Auch Black (Speckpfründe Lamberti, S. 74) schließt aus der Verfügung des Wilhelmus de Bussche, dass bereits zu dieser Zeit Zentralisierungsversuche des Rates eingeleitet worden waren. Beck (Soziale Einrichtungen, S. 26) vermutet, dass sich Bussche gar an einem Präzedenzfall orientierte. Eine ähnliche Bestimmung erließen 1607 die Stifter des Armenhauses Warendorf. Sofern eine Änderung der Stiftung vonnöten wäre, sollte sie hier dem ältesten Provisor obliegen, gegebenenfalls mit Unterstützung des Rates. Armenhaus Warendorf, Urk. 1. 59 Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 186. Darauf weist eine Liste der anwesenden Ratsherren hin, deren Ausführlichkeit die Wichtigkeit der hier getroffenen Bestimmungen betont. Sie nennt die Bürgermeister Johannes Cleyvorne und Albertus van der Wych, die Richtherren Johannes Steveninch und Hermannus Dusaes, die Grutherren Henricus Schenkinc und Gerhardus Albrandinc sowie die Kämmerer Johannes Buc und Lamberto de Warendorpe. Um die Fehldatierung zu belegen, bezieht Schedensack (Armenhaus zur Aa, S. 186) fälschlich vier für den 11. Februar 1354 belegte Ratsherren auf das Wahljahr 1354, das allerdings erst am 3. März 1354 begann. Tatsächlich sind die Ratsherren des Wahljahrs 1354 unbekannt, doch weist die Kombination der beiden Bürgermeister alternativlos in das Wahljahr 1367. Aders, Bürgerbuch, S. 20; Kindlinger, Münsterische Beiträge, Bd. 4, S. 469. Ein weiterer Hinweis spricht für das Jahr 1367. Die Datumszeile der Urkunde lautet: „Datum et actum anno domini millesimo tricentesimo quinquagesimo quarto, feria quinta proxima post festum beati Michaelis archangelis.” MUB 154. Demnach wurde die Urkunde ausgestellt an dem auf den 29. September folgenden Tag, welcher ein Donnerstag war. Der 30. September fiel 1354 allerdings auf einen Dienstag, 1367 aber auf einen Donnerstag. Klötzer, Kleiden, S. 108. Prinz (MUB 154) errechnete als Datum hingegen den 2. Oktober 1354. 60 MUB 156.

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa

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Engelbracht seine Inkorporation erforderlich erscheinen. Deshalb ließ der Rat 1367 eine zweite Gründungsurkunde erstellen, die sich weitestgehend an die Vorlage von 1354 hielt. Änderungen betrafen die Einfügung des Namens Engelbracht, die Ratsherrenliste und die Tagesdatierung. Die Jahresdatierung aber wurde beibehalten, da dem Armenhaus zur Aa und dem in selbiger Urkunde erlassenen Stiftungsverbot andernfalls jegliche Rechtsfähigkeit für die Jahre zwischen 1354 und 1367 entzogen worden wäre.61 Der Verlauf der Gründungsphase lässt sich dank der Fundationsurkunde relativ klar rekonstruieren. Initiator des Projektes war der Stadtrat. Er handelte nach eigener Aussage „utilitate et commoditate pauperum et miserabilium personarum diligenter perpensata et pro communi bono nostre civitatis“.62 Der Rat legitimierte seine Handlungen also nicht (oder nicht nur) über die Trägerschaft – da er zumindest für das Armenhaus tor A die Trägerschaft nicht inne hatte,63 konnte er dies auch gar nicht – sondern berief sich auf das Wohl der Stadt und handelte damit als Vertretung der städtischen Gemeinde. Als solcher hatte er die Gründung eingeleitet, indem er erklärte „(…) quod provisores elemosinarum sancti spiritus ecclesie sancti Lamberti nostre iam dicte civitatis unam magnam domum et spaciosam hospitalem sitam iuxta pontem versus orientem in itinere seu strata, qua itur de platea dicta Spikerhof ad montem sancti Johannis, cum pecunia elemosinarum sancti spiritus ad usus pauperum comparaverunt, in quam quidem domum recipiende seu suscipiende sunt tantum pauperes et miserabiles persone utriusque sexus, tam virilis quam mulieris sexus, que ratione senii aut per egritudinem aut quovis alio modo a vigore naturali suorum corporum in tantem sunt destitute, quod mediantibus eorum laboribus suum victum et alia sue vite necessaria nequeant assequi vel adipisci.“64 61 Das Szenario stellt eine Kombination aus den von Schedensack (Armenhaus zur Aa, S. 188) und Klötzer (Kleiden, S. 109) geäußerten Thesen dar. 62 „Zum sorgfältig erwogenen Nutzen und Wohlergehen der armen und beklagenswerten Personen und zum allgemeinen Wohl unserer Stadt“. Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. Die Urkunde liegt innerhalb derselben Akte ohne nennenswerte Abweichungen in einer zweiten Abschrift vor. Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 9v–11r. Eine Synopsis bietet MUB 154. 63 Dieses unterstand zweifellos nach wie vor den Beginen tor A. Noch 1381 war das Beginenhaus existent. Am 15. Februar dieses Jahres wurde eine Frau namens Ebela „in domo puellarum tor Aa“ erwähnt. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 8, fol. 46v–47r. Es ist bemerkenswert, dass die Beginen bei der Auflösung ihres Armenhauses nicht einmal anwesend zu sein scheinen. Kohl (Beginen, S. 132) sieht den Letztbeleg des Beginenhauses fälschlich bereits im Jahre 1361. Für Beck (Soziale Einrichtungen, S. 28f.) sind alle zusammengelegten Armenhäuser in Ratsträgerschaft. 64 „Dass die Provisoren der Almosen des heiligen Geistes der Kirche St. Lamberti in unserer bereits genannten Stadt ein großes Haus und geräumiges Hospital, gelegen östlich neben der Brücke auf dem Weg oder der Straße, die von der Straße genannt Spiekerhof zum Berg des heiligen Johannes führt, mit Geld aus den Almosen des heiligen Geistes zum Nutzen der Armen eingerichtet haben, in welchem Haus aber nur arme und beklagenswerte Personen beiderlei Geschlechts, sowohl männlichen als auch weiblichen Geschlechts, beherbergt oder aufgenommen wurden, die aufgrund ihres Alters oder wegen ihrer Krankheit oder auf irgendeine andere Weise von der natürlichen Lebenskraft ihres Körpers so sehr verlassen wurden, dass sie nicht mehr durch eigene Arbeit ihren Lebens-

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

Ähnlich wie bei dem Hospital in der Venne, dessen Errichtung vom Magdalenenhospital vorangetrieben worden war, wurde also auch dieses Mal eine bereits bestehende Fürsorgeinstitution mit der Realisierung betraut. Hier war es der in Ratsträgerschaft stehende Heiliggeistkorb Lamberti, der auf der Bergstraße im Kirchspiel Martini das – so allerdings noch nicht bezeichnete – Armenhaus zur Aa einrichtete. Danach erfolgte die Übersiedlung der armen Frauen, die in den vier Armenhäusern des Henricus Hoeker, des Johannes Tilbeck, des Lambertus Boterman und der Eheleute tor A wohnten. Dasselbe galt für die Einwohnerinnen eines fünften Armenhauses, das hier erstmals erwähnt wurde. Es ist das Haus des „Johannis dicti hern Engelbrathes tho Weghesende”.65 Der Stifter oder ein Verwandter war bereits 1314 als „Johannis Engenebrot“ erwähnt worden.66 Das Haus selbst dürfte 1354 also bereits seit einiger Zeit existiert haben. Spätestens durch die pestbedingte Inflation scheint es ebenfalls in finanzielle Schieflage geraten zu sein. Alle fünf Häuser sowie weitere ihnen ähnliche Häuser („et eis consimiles“) wurden vom Stadtrat zurückgerufen, ungültig gemacht, eingezogen und geräumt („revocamus, irritamus, cassamus et evacuamus“). Die Formulierung lässt offen, ob tatsächlich weitere Armenhäuser, etwa das „Hesenmekerschenhus“, geschlossen und überführt wurden und nur deshalb nicht namentlich aufgeführt wurden, weil sie nicht mehr über eigene Arme oder Finanzmittel verfügten, oder ob sich der Rat vorbehielt, spätere Gründungen einzuziehen. Die eigentliche Räumung jedenfalls gestaltete sich so „(…) quod dicti pauperes de hiis domibus cassatis et irritatis eliminandi et exterminandi in predictam domum iuxta pontem sunt transferendi et locandi et qualibet personarum iuxta aliam in confiniorem locum in dicta domo simul et invicem poni et locari debebit, prout dicte pauperes et miserabiles persone de dictis domibus per nos cassatis et irritatis sunt translate, videlicet quod de domo Henrici dicti Hoeckere iuxta se, de domo Johannis Tylbeke iuxta se locentur et sic de aliis aliarum domorum evacuatarum personis intelligendo.“67

Die überführten Armen sollten ihre Kammern also in der Weise beziehen, dass sie möglichst dieselben Nachbarinnen hätten wie vor dem Umzug. Die Einheit der alten Häuser wurde so innerhalb des neuen in gewisser Weise bewahrt. Dies hatte wohl nicht zuletzt das psychosoziale Ziel, die in ihrer Mehrheit wohl recht alten Frauen möglichst wenig in ihren bewährten Gewohnheiten zu stören und den unterhalt bestreiten und anderes zum Leben Notwendige erlangen können.“ Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. 65 Tibus (Stadt Münster, S. 329) geht fälschlich von einem Stifter namens Johann Engelbert Tolergesende aus. 66 Zuhorn, Beginen, S. 34. 67 „Dass besagte Arme aus ihren eingezogenen und geschlossenen Häusern ausgewiesen und ausgesperrt und in das vorgenannte Haus neben der Brücke überführt und einquartiert werden, und zwar so, dass die Personen in dem besagten Haus jeweils an die benachbarte Stelle neben den anderen gelegt und einquartiert werden müssen, ähnlich wie besagte arme und bemitleidenswerte Personen aus den durch uns eingezogenen und geschlossenen Häusern überführt worden sind, und zwar so, dass die aus dem Haus des Henricus genannt Hoeker nebeneinander, aus dem Haus Johannes Tylbeke nebeneinander einquartiert werden, und so, versteht sich, auch die anderen Personen der anderen entleerten Häuser.“ Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r.

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa

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Umzug durch eine schnelle Eingewöhnung zu erleichtern. Tatsächlich hatte es wohl Frauen gegeben, die sich einer Umquartierung vehement widersetzten. Und so erließ der Stadtrat auch den folgenden Beschluss: „Et si alique pauperes persone de prefatis domibus per nos pro communi bono cassatis et irritatis nollent propter earum protervitatem eliminari seu exterminari, ita quod vellent uti et gaudere suis commodis ad usus vite sue in eisdem domibus evacuatis et cassatis, ille persone cuiuscunque conditionis, sexus, etatis existerent, deberent statim privari distribucionibus cottidianis sibi de elemosinis sancti spiritus dicte ecclesie ministrandis.“68

Die angesprochenen Verteilungen ergaben sich aus einer weiteren Bestimmung des Rates, nach der jede in das neue Armenhaus zur Aa aufgenommene Person täglich ihre Verpflegungsration aus den Mitteln des Heiliggeistkorbes Lamberti beziehen sollte. Die Aufgaben des Korbes begrenzten sich also nicht allein auf Hilfestellungen bei der Gründung, sondern beinhalteten auch langfristige Verpflichtungen. Für die finanziellen Kapazitäten des Armenhauses zur Aa und seiner Vorgänger lässt sich daraus folgern, dass diese durch die Pest derart dezimiert worden waren, dass offenbar nicht einmal die Grundverpflegung der Insassen sicher gewährleistet war. Die Trägerschaft für das neue Armenhaus übernahm der Rat selbst und bestimmte fortan auch die beiden Provisoren.69 Alle im neuen Armenhaus zusammengeschlossenen Häuser waren Frauenhäuser gewesen. Dennoch blieb der Rat seinem Grundsatz treu, nach dem alle von ihm fundierten Armenhäuser sowohl Frauen als auch Männern offenstehen sollten. Entsprechend verfügte er außerdem, dass wenn einmal „persone virilis sexus“ im Armenhaus zur Aa aufgenommen werden sollten, diese auf der einen, die Frauen aber getrennt von ihnen auf der anderen Seite des Hauses unterzubringen seien. Ein rechtliches Problem bei der Zusammenlegung der Stiftungen bestand darin, dass diese gemäß Stifterwillen „perpetue“ Bestand haben sollten.70 Entsprechend galt es, nicht nur die Einwohner zusammenzuführen, son68 „Und wenn irgendwelche armen Personen aus den genannten von uns zum allgemeinen Wohle eingezogenen und geschlossenen Häusern wegen ihrer Widersetzlichkeit nicht ausgewiesen und ausgesperrt werden wollen, so dass sie ihre Bequemlichkeiten in denselben entleerten und eingezogenen Häusern nutzen und sich zum Nutzen ihres Lebens an ihnen erfreuen wollen, müssen jene Personen, welcher Verfassung und wessen Geschlechts und Alters sie auch immer seien, sofort der ihnen aus den Almosen des heiligen Geistes dargereichten täglichen Verteilungen beraubt werden.“ Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. 69 Weitere Bestimmungen folgen. So hatten die Provisoren die Freiheit, nach eigenem Ermessen über die Aufnahme und die Entlassung der Armen zu entscheiden. Dennoch hatten sie sich an einige vom Rat gesetzte Vorgaben zu halten. Aufnehmen sollten sie nur, wer das Anfallsrecht des Hospitals für den Todesfall eidlich bekräftigte und nicht im Angesicht des Todes versuchte, sein Hab und Gut aus dem Hospital zu entfernen versuchte. Da Eigenhörige nicht voll erbberechtigt waren, sollten sie keine Aufnahme finden, sofern nicht ihr Lehnsherr ausreichend Kaution gebe, dass er das Erbe seines Eigenhörigen nicht beanspruchen werde, sodass es nach dessen Tod ohne Schwierigkeiten dem Hospital zufalle. Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. 70 Zum Ewigkeitsanspruch von Stiftungen vgl. Kleinknecht, Entstehung und Verwaltung, S. 13; Klötzer, Für ewige Zeiten, S. 351.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

dern auch die rechtliche Kontinuität der einzelnen Stiftungen zu wahren. Damit also die „donatio“ der Stifter nicht „sub silentio“ verginge und in Vergessenheit gerate, verfügte der Stadtrat, dass alle Renten und Einnahmen („redditus et emolimenta“) der kassierten und geschlossenen Häuser zum Nutzen und Wohl der Insassen des Armenhauses zur Aa verwendet werden sollten, und zwar „in perpetuum“.71 In Erfüllung dieser Bestimmung wurde noch vor 135872 – die Übersiedlung der Armen war inzwischen vollzogen worden – ein Rentregister angelegt, das die Stiftungsvermögen der Armenhäuser Hoeker, Tilbeck, Boterman und tor A aufführte, die alle „translati ad domum pauperum iuxta pontem“ worden waren. Allein das Armenhaus Engelbracht fehlt in dieser Aufstellung, was den Schluss nahelegt, dass es 1358 noch nicht in das Armenhaus zur Aa integriert worden war oder niemals integriert wurde. Dass es im Rentregister unerwähnt bleibt, weil es über keinerlei finanzieller Ausstattung verfügte, ist in Anbetracht seiner Stiftungsnatur wohl eher unwahrscheinlich. Das Register trägt die Überschrift: „Isti redditus infra scripti olim spectabant ad domos pauperum subscriptas; ad translacionem pauperum de eisdam domibus sunt translati ad usus pauperum existencium in domo fundata iuxta pontem s. Johannis in civitate Mon.“73

Im Folgenden wurden die Einnahmen des Armenhauses zur Aa gemäß ihrer Herkunft aus den ursprünglichen Stiftungsvermögen aufgezeichnet. Das vom Armenhaus Boterman eingebrachte Vermögen umfasste demnach zwölf Posten mit jährlichen Renteneinnahmen von 4 Mark, 3 Schillingen und 9 Pfennigen. An Immobilien kamen zwei verpachtete Äcker hinzu sowie ein Garten. Als Gegenleistung für Äcker und Garten sollte eine Memorie für Heylwigis Bothermanninch gehalten werden. Sie gehörten also vielleicht schon zur Grundausstattung des einstigen Armenhauses. Eine Gegenleistung wurde auch für den Empfang einer Rente von 6 Pfennigen erwartet. „Omnes recepti in dictam domum iuxta pontem supplentes locum illorum pauperum, qui de domo Bothermanninch sunt translati, debebunt interesse vigiliis et misse animarum, et unus de predictis pauperibus sacrificabit ad altare unum cuneum et unam anfram cervisie cum uno cereo de quartali unius talenti.“74 71 Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. 72 Der älteste Nachtrag des Registers datiert auf 1358, das Register selbst wird also davor angelegt worden sein. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 118; Schulte, Armenhaus Elisabeth zur Aa, S. 3. 73 „Diese folgenden Renten gehörten einst zu den unten genannten Armenhäusern, bei der Überführung der Armen aus diesen Häusern wurden sie zum Nutzen der Armen übertragen, die in dem neben der Brücke St. Johannis in der Stadt Münster gegründeten Haus leben.“ Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 4r–8v. Eine zweite Version findet sich in derselben Akte auf den Blättern 12r–16v. Eine Synopsis bietet MUB 156. 74 „Alle in dem genannten Haus neben der Brücke Aufgenommenen, die den Ort jener Armen belegen, die aus dem Haus Bothermanninch überführt wurden, müssen den Vigilien und der Seelenmesse beiwohnen, und einer der vorgenannten Armen werde am Altar einen Wecken und eine Kanne Bier opfern mit einem Wachsstück von dem Viertel eines Talents.“ MUB 156, Nr. 6.

2. Die Errichtung des Armenhauses zur Aa

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Nicht nur in der Kammerbelegung und in der Vermögensfrage wurde der Zusammenlegung zum Trotz also Kontinuität gewahrt, sondern auch in der Aufrechterhaltung von vor der Zusammenlegung übernommenen religiösen Verpflichtungen. Der Ewigkeitsanspruch der Stiftungen bewirkte so, dass die einzelnen Armenhäuser auch innerhalb des Armenhauses zur Aa mittelfristig eine gewisse Eigenständigkeit behielten. Noch 1375 sollten alle, „de in dyt vorgescreven hues ghenamen syn, de daer vorvullen de stede der armenlude, de ute Batermanningh in dyt hues ghenamen worden“, am Freitag vor Martini die Vigilie und eine Seelmesse besuchen.75 Viele der 1354/67 ins Armenhaus zur Aa umgesiedelten Frauen dürften inzwischen gestorben sein. Ihre Verpflichtungen gingen auf jene über, die ihnen in ihren Kammern nachgefolgt waren. Auch eine Verpflichtung der Armen tor A blieb erhalten. Für eine Rente von 12 Schillingen mussten die Armen, die innerhalb des neuen Armenhauses „in locum domus thor A“ Quartier bezogen hatten, eine Memorie in der Aegidiikirche halten, indem sie am Altar ¼ Pfund Wachs, eine Kanne Bier, einen Wecken und einen Viertelpfennig opferten.76 Insgesamt waren die Einkünfte des Hauses tor A mit auf zwölf Posten verteilten 4 Mark und 2 Schillingen etwas niedriger als die des Hauses Boterman. Über Immobilienbesitz verfügte es ebenso wenig wie das Armenhaus Tilbeck, das jährliche Renten von gerade 2 Mark und 3 Schillingen miteinbrachte. Einer der fünf Posten nennt eine Rente von 4 Schillingen „ex domo dicta vorhues tho Tylbeke“, die vielleicht schon Teil des Fundationsvermögens gewesen war. Mit nur acht, aber vergleichsweise hohen Posten erscheint das Armenhaus Hoeker als die finanziell bestausgestattete Institution. Es verfügte über jährliche Renten von 9 Mark und 1 Schilling sowie weitere 8 Schillinge aus Äckern mit einer Gesamtgröße von 1 Malter Gerste. Insgesamt besaß das neu errichtete Armenhaus zur Aa damit Renten in Höhe von 19 Mark, 9 Schillingen und 9 Pfennigen – ein nach wie vor vergleichsweise geringer Betrag. Die im Rentregister niedergeschriebenen Nachträge zeigen allerdings, dass das Vermögen in den folgenden Jahren auf 39 Mark, 8 Schillinge und 9 Pfennige Jahreseinkommen anstieg und sich damit etwa verdoppelte. Am 29. Juni 1375 wurde ein neues Rentregister angelegt. Die Einkünfte wurden hier nicht mehr nach ihrer Herkunft aus den einzelnen Vorgängerhäusern aufgeführt, sondern, dem Beispiel anderer Fürsorgeinstitutionen folgend, nach ihrer Herkunft aus den Kirchspielen Martini, Lamberti, Ludgeri, Aegidii und Überwasser. Einnahmen brachte inzwischen auch das Gebäude des einstigen Armenhauses Hoeker.77 Insgesamt verzeichnet das Register einen weiteren Anstieg der Einkünfte auf nun 51 Mark, 4 Schillinge und 10 Pfennige.78 Das Unternehmen des Stadtrates, die in der ersten Stiftungsphase entstandenen, finanziell schwachen Armenhäuser durch eine Zusammenlegung zu stärken und langfristig überlebensfähig zu machen, hatte also Erfolg. 75 MUB 228, Nr. 62. 76 MUB 156, Nr. 24. 77 „Ute des Hoeckers schuren“ bezogen die Armen nun 1 Mark, „und de schure steyt uppe den Bulte“. MUB 228, Nr. 25. „Schuren“ = Scheune. 78 Armenhaus zur Aa, Urk. 1, fol. 17r–23v; MUB 228.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

3. Das Stiftungsverbot des Rates Die Fundationsurkunde des Armenhauses zur Aa enthält nicht nur Bestimmungen bezüglich der Auflösung der Armenhäuser Tilbeck, Boterman, tor A, Hoeker und Engelbracht und ihrer Neubegründung im Armenhaus zur Aa, sondern auch zur Regulierung des Stiftungsverhaltens. „Nullas autem alias communes domus hospitales pauperum infra muros nostre civitatis Mon. esse volumus, nec denuo erigi nec fundari nec dotari, sed omnes tales domos ammodo a tempore donacionis presentium computando fieri prohibemus ab hiis saltem, qui nostro conciviatu uti voluerint et gaudere. Et domos hospitales omnes ad hospitalitatem pauperum et miserabilium personarum infra muros Mon. deputatas infrascriptas et eis consimiles, videlicet domum Henrici quondam dicti Hoekere, domum Johannis dicti Tylbeke, domum dicti Buttermans, domum Johannis dicti hern Engelbrathes tho Weghesende et parvam domum tho der A, nostrorum amicorum de concilio revocamus, irritamus, cassamus et evacuamus easque et alias eis consimiles in hospitalitate cassas, vacuas et irritas presenti pagina decernimus et pronunciamus nullius esse debere firmitatis et momenti, domibus infrascriptis, videlicet domo tho der Wyeck, domo hospitali sancte Marie Magdalene, sitis in limitibus par. s. Marie virginis, domo thor Wescede et prenarrata domo iuxta pontem dumtaxat exceptis, in quibus acceptari possunt pauperes et miserabiles persone secundum cuiuslibet domorum predictarum sibi in­ stitutum et preordinatum vivendi modum.“79

Dieses Verbot stellte in der Tat den einzigen Versuch des Stadtrates dar, der Dezentralisierung des münsterischen Fürsorgesystems entgegenzuwirken und das Stiftungsverhalten seiner Bürger zu reglementieren. Zugleich bedeuteten die Bestimmungen einen systematischen und institutionenübergreifenden Eingriff in das Fürsorgewesen, dessen Reichweite alle bisherigen Regulierungsmaßnahmen, die institutionsspezifisch geblieben waren, deutlich übertraf. Eine vollständige Zentralisierung der Fürsorgeeinrichtungen wurde damit freilich nicht vollzogen. Vielmehr 79 „Wir wollen aber, dass da keine weiteren öffentlichen Armengasthäuser innerhalb der Mauern unserer Stadt Münster seien, weder neu errichtet noch fundiert oder gestiftet, sondern wir verbieten alle solche Häuser gewissermaßen vom Zeitpunkt der Aufgabe der vorliegenden (Urkunde) an gerechnet, und zwar selbst jene, die unserer Mitbürgerschaft nutzen und sie erfreuen werden wollen. Und alle zur Beherbergung armer und beklagenswerter Personen abgestellten folgenden und ihnen ähnlichen Gasthäuser innerhalb der Mauern Münsters – und zwar das Haus des verstorbenen Henricus genannt Hoeker, das Haus des Johannes genannt Tylbeck, das Haus des genannt Butterman, das Haus des Johannes genannt Herr Engelbrathes tho Weghesende und das kleine Haus tho der A – rufen wir nach Beratung mit unseren Freunden zurück, machen sie ungültig, ziehen sie ein und räumen sie, und wir beschließen mit der vorliegenden Urkunde, dass sie und die anderen ihnen in der Beherbergung ähnlichen (Häuser) eingezogen, geräumt und geschlossen seien, und verkünden mit Kraft und Gewicht, dass keines existieren dürfe ausgenommen ganz allein die folgenden Häuser, und zwar das Haus tho der Wyeck, das Gasthaus St. Maria Magdalena, gelegen in den Grenzen des Kirchspiels der Jungfrau Maria, das Haus thor Wescede und das vorgenannten Haus neben der Brücke, in denen arme und bemitleidenswerte Personen aufgenommen werden können gemäß der sich eingerichteten und vorgeschriebenen Lebensweise der vorgenannten Häuser.“ Armenhaus zur Aa, Akten 1, fol. 1r–3r. Vgl. MUB 154.

3. Das Stiftungsverbot des Rates

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wurde die Pluralität des Systems festgeschrieben.80 Entsprechend ist auch nicht davon auszugehen, dass die Zentralisierung einem allgemeinen politischen Programm des Rates entsprach, sondern dass er situativ auf die finanziellen Belastungen der kleinen Institutionen reagierte und auch nur im Rahmen dieser Problematik eine Lösungsstrategie entwickelte. Wenngleich die kleinen und finanziell schwachen Häuser zusammengelegt wurden, sollten die drei größeren und finanziell offenbar stärkeren Häuser fortbestehen. Es waren diese das Magdalenenhospital sowie die beiden Armenhäuser Zurwieck und Wessede. Neben ihnen sollte als viertes Armenhaus allein das neu gegründete und hier mit seiner Lage „iuxta pontem“ bezeichnete Armenhaus zur Aa existieren. Das Armenhaus Zurwieck befand sich in der Trägerschaft der Schöffen und des Kirchspiels von Überwasser. Da die Schöffen Ratsmitglieder waren, sah der Stadtrat in ihm aber durchaus ein eigenes Hospital und bezeichnete es andernorts als „domo hospitalis nostri“.81 Die Gruppe der „communes domus hospitales pauperum“ umfasste also durchaus nicht alle Armenhäuser, sondern nur jene in Ratsträgerschaft.82 Entsprechend bleiben die beiden dem Domkapitel unterstehenden Zwölfmännerhäuser und das dem Kirchspiel Martini unterstehende Armenhaus Zumbusch von den Bestimmungen unberührt. Das Stiftungsverbot galt also ausschließlich für Fundationen in der Trägerschaft des Rates, nicht aber für jene unter parrochialer, monastischer oder domkapitularischer Trägerschaft. Eine weitere Einschränkung ergibt sich in topographischer Hinsicht. Das Stiftungsverbot betraf ausdrücklich nur das Gebiet innerhalb der Stadtmauern. Das Leprosorium Kinderhaus weit nördlich der Mauern und das sicherlich schon bestehende Antoniushospital vor dem Mauritztor bleiben entsprechend unerwähnt, auch wenn beide in Ratsträgerschaft standen.83 Die Gestaltungsmöglichkeiten des Rates blieben also offenbar auf jene Befugnisse begrenzt, die aus seiner Trägerschaft ableitbar waren. In der jüngeren Forschung wurde die Ansicht vertreten, dass dem Stiftungsverbot des Rates in der Praxis kaum Beachtung geschenkt wurde. Als Argumente werden insbesondere ein noch vor 1395 errichtetes Armenhaus Wegesende, ein 1364 ersterwähntes Armenhaus „bi dem Berge“ und ein einmalig 1426 belegtes angebliches Armenhaus „Vier Stadtlichter“ angeführt. Im Folgenden soll die gegenteilige These vertreten werden. Nach Darstellung des Chronisten Kerssenbrock wurde das Armenhaus Weges­ ende „a Gertrude de Wyck“ gegründet.84 Gertrud de Wyck war allerdings nicht die Stifterin, sondern machte dem Armenhaus 1519 lediglich eine bedeutsame Zustiftung.85 Am 26. Juli 1395 verkauften die münsterischen Bürger Hinrich und Grete 80 81 82 83

Klötzer, Kleiden, S. 77. A XIII, Nr. 284, fol. 3r. Vgl. Tibus, Stadt Münster, S. 330. Entgegen Klötzer (Kleiden, S. 109) lässt die Nichterwähnung des Antioniushospitals also keineswegs auf seine Nichtexistenz schließen. 84 Detmer, Kerssenbrock, S. 78. Kerssenbrock nennt es nach ihr das Armenhaus „thor Wyck“, was nicht zu verwechseln ist mit dem Armenhaus Zurwieck im Kirchspiel Überwasser, das Kerssenbrock als „a nobili familia de Wyck“ begründet erwähnt. Vgl. S. 79. 85 Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1rff.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

van Detten den Provisoren des Almosenkorbes Martini eine Rente von ½ Mark. Verwenden sollten sie diese „to behof der meynen almyssen und der armer lude to weges ende“.86 Dies wird gemeinhin als Erstbeleg des Armenhauses Wegesende angesehen.87 Diesem Ansatz folgend, könnte als Terminus post quem für die Gründung eine auf den 8. April 1369 datierte Urkunde angeführt werden. In ihr überweisen Hinrich Scekel und seine Frau Mette den Jungfrauen des Klosters Ringe eine Rente von 1 Mark aus ihrem Haus „tho wegesende“ im Kirchspiel Martini, das bereits mit 3 Schillingen und 3 Pfennigen vorbelastet ist. Gemäß eines um 1500 ergänzten Rückvermerks sollte diese Mark Rente inzwischen „ute der armen lude hus tho Weghesende“ gezahlt werden.88 Man folgerte daraus, dass es sich bei Scekels Haus um das spätere Armenhaus Wegesende handeln müsste, das demnach erst nach 1369 gegründet worden sein konnte. Dem widerspricht allerdings die in derselben Urkunde festgesetzte Bestimmung, dass die Rente nicht an dieses Haus gebunden sei, sondern auf ein anderes Haus übertragen werden könne. Eine solche Bestimmung ist ungewöhnlich und wäre hier kaum eingefügt worden, wenn nicht eine entsprechende Absicht bestand. Der Rückvermerk lässt also auch die Lesart zu, dass die Rente irgendwann von einem dem Armenhaus gehörigen Haus auf das Haupthaus übertragen worden war. Anfang des 16. Jahrhunderts besaß das Armenhaus Wegesende neben dem Haupthaus zwei Grundstücke im Wegesende. Das erste lag auf der Westseite der Gasse in Richtung Spiekerhof und grenzte unmittelbar an das Armenhaus; es lässt sich für unsere Fragestellung ausschließen.89 Das zweite Grundstück lag dem Armenhaus gegenüber auf der Ostseite der Gasse in Richtung Bergstraße. Auf ihm stand „dat hus ton Sode“ mit drei weiteren Gademen. 1376 gehörten es mit den Beihäusern Bernd Picenbroc genannt van Alen und seiner Frau Dellike. Mit seinem Tode vor 1401 ließ er sie als alleinige Besitzerin zurück. Ab 1416 erscheint Herman Ecbertes genannt Plattenek als Eigentümer, danach Herman Ecke genannt de Spleter. Herman de Spleter war Provisor des Armenhauses Wegesende (1438/39). 1447 schenkte er gemeinsam mit seiner Frau Neyte die vier Gademe dem Armenhaus, behielten sich aber das lebenslängliche Nutzungsrecht für jenes Gadem 86 Armenhaus Wegesende, Urk. 5. 87 Kirchhoff, Marienhospital, S. 141; Klötzer, Kleiden 113; Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 82. Schwarz (Wohltätigkeitssinn, S. 87) und Tibus (Stadt Münster, S. 333) sehen den Erstbeleg im Testament des Gerd Havekesbeck von 1398. Vgl. MUB 342. 88 Kloster Ringe, Urk. 4. 89 Bis 1453 hatte das Haus Johan Koddeken und seiner Frau Cunne gehört, ging dann aber zu Gunsten der Witwe Hermans van Kampen an Johan van Dorsten über. Nach ihrem Tod wohnte dort die Tochter des Henning Schysen. Mit dem Tod der Gerdrudt Hennyngz fiel das Haus an den Domherrn Hinrich Voss, der es 1517 an das Armenhaus Wegesende verkaufte. Die beim Verkauf angegebene Belastung des Hauses umfasste je einen Gulden Rente an Aegidii und das Kloster Niesing. Armenhaus Wegesende, Urk. 40, Urk. 57, Urk. 59, Urk. 60. Eine Rentbelastung von 3 Schillingen und 3 Pfennigen bleibt unerwähnt, und damit sind Hinrich und Mette Scekel als ehemalige Besitzer dieses Hauses wohl auszuschließen. Die Rente an Aegidii wurde 1519 abgelöst. Gertrud van der Wyck bezeichnete das Haus in diesem Zusammenhang als „luttyken huse“. Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 1r.

3. Das Stiftungsverbot des Rates

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vor, das dem „koelkasten“ am nächsten stand. Als ihre Bürgen traten die vormaligen Besitzer Herman Ecbertes und seine Frau Aleke auf.90 Da es sich um eine Schenkung handelte, musste die Belastung der Gademe nicht genannt werden. Zwar gab es eine „rente, de dar nv tor tid vtgeit“, doch wurde sie nicht genauer definiert. Damit erscheint es durchaus möglich, dass das Grundstück mit einer Rente von 3 Schillingen und 3 Pfennigen belastet war, die um 1500 auf das Armenhaus übertragen wurde, und Hinrich und Mette Scekel damit 1369 nicht das spätere Armenhaus, sondern das Haus ton Sode besessen hatten. Direkt hinter dem Haus ton Sode lag das Grundstück Bergstraße 12, auf dem im 15. Jahrhundert eine dem Heiliggeistkorb Lamberti gehörige Badestube errichtet wurde. Besitzer dieses Hauses war um 1350 aber noch ein gewisser Schekel. Um 1365 firmierte das Gebäude als Haus Schekel. 1369 wurde es als „Scaernemans hus upper Berichstrate, dat wandaghes Scekels hus heete“ erwähnt.91 Tatsächlich dürfte Schekel also beide Grundstücke besessen haben, die er erst um 1369 durch Teilverkäufe an Scaerneman, Picenbroc und möglicherweise weiteren Personen voneinander trennte. Dies erklärt, warum in der Urkunde vom 8. April 1369 eine Bestimmung zur Übertragbarkeit der Rente erforderlich war. Damit spricht nichts mehr gegen die Vermutung, das Armenhaus Wegesende hätte bereits 1369 existiert. Tatsächlich ist im Wegesende – die Gasse bot nur wenigen Häusern Platz – vor 1369 ein weiteres Armenhaus belegt. Es war dies jenes Haus, das dort wohl nach 1332 von „hern“92 Johannes Engelbracht gegründet worden war. Offenbar war es finanziell besser aufgestellt als die Häuser tor A, Tilbeck, Boterman und Hoeker, denn während der Rat diese 1354 im Armenhaus zur Aa zusammenzulegen begann, blieb es eigenständig. Dies erklärt auch, warum das vor 1358 abgefasste Rentregister des neuen Hauses die Einkünfte des Hauses Engelbracht nicht verzeichnete. Erst in den 1360er Jahren geriet das Haus Engelbracht offenbar derart in Bedrängnis, dass auch dieses gemäß der Fundationsurkunde von 1367 inkorporiert werden sollte.93 Wenn aber das „domus Johannis dicti hern Engelbrathes tho Weghesende” von 1367 identisch ist mit dem Haus „der armen lude to weges ende“ von 1395, wurde die Inkorporation niemals vollzogen. Tatsächlich gibt es keinen Hinweis darauf, dass eine solche je stattfand. Ein Grund mag sein, dass eine Zusammenlegung – vielleicht wegen der finanziellen Unterstützung eines Zustifters – nicht mehr erforderlich war. Denkbar ist aber auch, dass es Komplikationen gab, die in der Trägerschaft des Hauses begründet lagen. Immerhin erhielt das Armenhaus Weges­ ende die ihr am 26. Juli 1395 zugewiesene Rente nicht direkt, sondern durch den Almosenkorb Martini.94 Es ist denkbar, dass die Verwaltung des Korbes lediglich diese eine Rente betraf.95 Ebenso ist allerdings möglich, dass das Armenhaus selbst ähnlich 90 MUB 235; MUB 375, Nr. 81; MUB 443; Armenhaus Wegesende, Urk. 33. 91 Sammlung Kirchhoff, Aktenordner „Bergstraße, Westseite und Südeseite“, Haus Nr. 12. Vgl. MUB 197, Nr. C6. 92 MUB 154. Da er als Herr bezeichnet wurde, war er wohl Ratsherr oder Priester. 93 MUB 154; MUB 156. 94 Armenhaus Wegesende, Urk. 5. 95 Ein ähnlicher Fall ist aus dem Jahre 1503 bekannt. Die Armenhäuser Wegesende und zur Aa erhielten eine Rente, die Provisoren des Hauses Wegesende übernahmen die Rente

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

wie das Armenhaus Zumbusch von den Almosenprovisoren von Martini mitverwaltet wurde.96 Tatsächlich sind für das Armenhaus Wegesende erst ab 1417 eigene Provisoren bekannt.97 Nach dieser Lesart hätte es ursprünglich in der Trägerschaft des Kirchspiels Martini gestanden und wäre erst später, sicherlich aber vor 158998 auf den Stadtrat übergegangen. Da es jedoch keinerlei Hinweise auf einen Trägerschaftswechsel gibt, darf als wahrscheinlicher gelten, dass das Armenhaus Wegesende bereits in Ratsträgerschaft gegründet wurde.99 Nach aktuellem Forschungsstand war ein weiteres Armenhaus, dessen Errichtung entgegen dem Stiftungsverbot des Rates erfolgte, das in Ratsträgerschaft stehendes Armenhaus „by dem berghe“ im Kirchspiel Überwasser. Dieses sei 1364 erstmals erwähnt100 und damit vielleicht um 1360 gegründet worden. Als Terminus post quem wird das Jahr 1338 angeführt, in dem „Hermannes hus Mauricies, dat by den berghe to sunte Johannes belegen ys“ erwähnt wurde.101 In diesem Haus sei später das Armenhaus eingerichtet worden. Noch fünf Mal sei das Armenhaus bis 1398 genannt worden.102 Das Ausbleiben weiterer Erwähnungen und der Umstand, dass sich alle allein das Armenhaus betreffenden Urkunden als Abschriften im Kopiar des

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vollständig und verkauften dem Haus zur Aa eine weitere Rente in der Höhe des ihnen zubestimmten Anteils. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 89v–90v. So kauften dieselben Almosener nur wenige Tage später, am 2. August 1395, eine Rente von 3 Schillingen zu Behuf der Armen „van den Busche“, dessen Haus sie gemeinsam mit dem Almosenkorb verwalteten. MUB 338. Dieser Interpretation folgt Prinz (MUB, S. 339), der in den am 26. Juli tätigen Almosenern zugleich Provisoren des ArmenhausesWegesende sieht. MUB 446. In diesem Jahr setzte der Rat einen neuen Provisor ins Amt. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 113. Tibus (Stadt Münster, S. 333) bringt das Armenhaus Wegesende in Zusammenhang mit einer am Niemannschen Haus im Wegesende gelegenen und mit der Jahreszahl 1581 versehenen Kapelle. Hinter dem Haus befand sich ein Saal, an dessen sandsteinernen Außenwand sich die Inschrift „1435 – Hinrick Korbeke“ fand. Tatsächlich wurde am Armenhaus aber niemals ein Benefizium angesiedelt. Vielleicht handelte es sich um eine Privatkapelle der Familie Korbeke. 1443 besaßen Johannes Korbecke und seine Frau Elseke ein Haus im Wegesende zwischen den Häusern des Herman van dem Hamme und Meister Bernt Steynbicker. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3r. 1491 verkaufte Else Witwe Meister Johan Korbecken, genannt Meler, mit ihren Söhnen Heinrich und Herman eine „husstede“ mit Aazugang im Wegesende. BAM, Pfarrarchiv Lamberti, Urk. 12. MUB 175. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 58v–59r; MUB 103. 1369 empfing ein Provisor „der armen lude by sunte Johannes berghe“ eine Rente von 3 Schillingen. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 58f.; MUB 194. Zwei Jahre später kauften die Provisoren „der armen lude in den hus bi den berghe“ eine weitere Rente von 8 ½ Schillingen. Armenhaus zur Aa, Urk. 8; MUB 209. Eine weitere Rente erhielt das Armenhaus „supra monte“ 1372. Armenhaus Zumbusch, Urk. 7; MUB 215. Drei Jahre später wurde seine Lage als „prope montem iuxta amnem“, also bei der Aa, beschrieben. Antoniushospital, Urk. 6; MUB 230. Letztmalig erwähnt wurde das Armenhaus „by den berghe“ im 1398 abgefassten Testament des Gerd Havekesbeck. MUB 324.

3. Das Stiftungsverbot des Rates

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Armenhauses zur Aa finden, wird dahingehend gedeutet, dass das Armenhaus „bi dem berghe“ nach 1398 in das Armenhaus zur Aa inkorporiert wurde. Gelegentlich wurde auch eine Ortskontinuität mit dem 1472 gegründeten Armenhaus der Johanniter betont, das entsprechend als Nachfolgeinstitution oder Neugründung angesehen wurde.103 Eine Ortskontinuität bestand allerdings gar nicht, befand sich das Armenhaus der Johanniter doch nicht „by dem berghe“, sondern „uppen berghe“.104 Auch aus der Identität der Lagebezeichnung des Herman Mauricies mit der des Armenhauses auf eine Identität beider Häuser zu schließen, ist kaum überzeugend, standen doch zahlreiche Häuser in der Nähe des Berges, auf dem sich der Johanniterkonvent niedergelassen hatte. Auch die – durchaus bebaute – Bergstraße, an der das Armenhaus zur Aa lag,105 erhielt ihren Namen wegen ihrer Nähe zu eben jenem Berg. Die Lagebeschreibung „by dem berghe“ traf also auch auf das Armenhaus zur Aa zu. Die Bezeichnungen dieses Hauses waren durchaus vielfältig. Tatsächlich setzte sich der Name „zur Aa“, der sich nicht wie beim Armenhaus tor A auf die Stifter, sondern auf die Lage nahe des Aalaufs bezog, erst relativ spät durch. Im vor 1358 angelegten Rentenregister wurde es noch als „iuxta pontem s. Johannis“ beschrieben,106 in der Fundationsurkunde erschien es als „sitam iuxta pontem versus orientem in itinere seu strata, qua itur de platea dicta Spikerhof ad montem sancti Johannis“.107 Eine Kurzform dieser Beschreibung war „by dem berghe“. Für eine Identität beider Häuser spricht auch der Umstand, dass beide Häuser niemals nebeneinander erwähnt wurden.108 Auffällig sind auch die Provisoren des Armenhauses „by dem 103

104 105 106 107 108

Tibus, Stadt Münster, S. 334f.; Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 190; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 76, S. 97; Kirchhoff, Marienhospital, S. 140; Klötzer, Kleiden, S. 105f., S. 356; Klötzer, Für ewige Zeiten, S. 402, S. 406. Schedensack und Black sehen das Armenhaus bereits als eines der 1332 im Testament des Goswin von Klanktorp erwähnten Armenhäuser an. So bereits Klötzer, Kleiden, S. 104. Heute Bergstraße 66. Vgl. Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 182. MUB 156. „Gelegen östlich neben der Brücke auf dem Weg oder der Straße, die von der Straße genannt Spiekerhof zum Berg des heiligen Johannes führt“. MUB 154. 1372 verkauften Hildebrandus van Reyne und seine Frau Blideke van Erte dem Almosenkorb Martini sowie den Armenhäusern Wessede und „supra monte“ eine Rente von 1 Mark; das Armenhaus zur Aa bleibt unerwähnt. Armenhaus Zumbusch, Urk. 7; MUB 215. 1375 erscheinen im Testament des Herman Voghel der Heiliggeistkorb Überwasser, das Antoniushospital, das Armenhaus Zurwieck und das Armenhaus „prope montem iuxta amnem“, nicht aber das Armenhaus zur Aa. Antoniushospital, Urk. 6; MUB 230. 1383 verkaufte Leneke van Olflon eine Rente von 1 Mark „in vere armer lude huse belegen bynnen Munster, alz by der brugghen an der Berchstrate, ton Bussche vnd tor Wessede by sunte Mertyne und thor Wyck vppe den Honekampe Ouer­water“; ein Armenhaus „by dem berghe“ erscheint nicht. Armenhaus zur Aa, Urk. 9; MUB 266. Gerd Havekesbeck bedachte 1398 in seinem Testament neben der Kinderhauser und der Antonius-Kapelle auch die Armenhäuser „ton Bussche, tor Wessede, by den ber ghe, to Weghesende und tor Wiick Overwater“, nicht aber das Armenhaus zur Aa. MUB 342. 1404 schließlich überwies Hinricus Vorschove eine Rente von 18 Schillingen an die Armenhäuser „ton Bussche, tor Wessede und upper Borchstrate“, ein Armen-

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

berghe“. Tatsächlich waren sie mit denen des Armenhauses zur Aa identisch.109 Und schließlich finden sich drei Renten, die das Armenhaus „by dem berghe“ 1364, 1369 und 1371 erworben hatte, nicht erst nach 1398, dem Terminus post quem der angeblichen Auflösung, in den Beständen des Armenhauses zur Aa, sondern waren bereits Bestandteil des 1375 angelegten Rentenregisters.110 All dies lässt nur den Schluss zu, dass das Armenhaus „by dem berghe“ niemals existierte, sondern vielmehr identisch war mit dem Armenhaus zur Aa. Ein Bruch mit dem Stiftungsverbot des Rates liegt also auch hier nicht vor. Tabelle 12: Die Provisoren des Armenhauses zur Aa und des angeblichen Armenhauses „by dem berghe“ zwischen 1358 und 1423.111 Jahr

Provisor im Armenhaus zur Aa Provisor im Armenhaus „by dem berghe“

Provisor im Armenhaus zur Aa Provisor im Armenhaus „by dem berghe“

1358 1364 1369 um 1371 1371 1372 1393 1394 1411 1423

Brunsten Handorp Brunsten Handorp

Heyneman van Woltorp Heyneman van Woltorp Heyneman de ledersnydere Heyneman van Woltorp Heyneman van Woltorp Heyneman de ledersnydere

Bernhardus Stelle Bernd Stelle Herman Vorschove Herman Vorschove Johan Egge Johan Egge

Hinrich Hesselman Johan Hesselman Johan Hesselman

Am 26. April 1426 verkauften Godeke Hegeman und seine Frau den drei Testamentsexekutoren der verstorbenen Geze Ludgers als „vorwaren tor tyd veyr stade lecht, de desse selue Gese vorg. heuet gemaket to nut vnd behoff armen luden, zo we desser vorg. stade lechte noet ys“ eine Rente von 3 Schillingen. Anwesend waren auch zwei Bürgen, die den Exekutoren und „vorwarren semptliken vnd to gelike desser vorg. veyr stade lechte to nuth vnd behoff armen luden vorg. vnd eren nakomen“ Gewährschaft leisteten. Die betreffende Urkunde ist nicht im Original über-

haus „by dem berghe“ nannte er nicht. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 132. 109 Dies war bereits Klötzer (Kleiden, S. 105) aufgefallen, der daraus allerdings folgerte, dass das Armenhaus „by dem berghe“ von den Provisoren des Armenhauses zur Aa mitverwaltet wurde. 110 MUB 175 siehe MUB 228, Nr. 45; MUB 194 siehe MUB 228, Nr. 33; MUB 209 siehe MUB 228, Nr. 7. 111 MUB 164; MUB 175; Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 58r.; MUB 156, Nr. 38; MUB 209; MUB 215; MUB 318; MUB 326; MUB 421; MUB 496.

3. Das Stiftungsverbot des Rates

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liefert, sondern als Abschrift im 1481 angelegten Kopiar der Armen zur Aa.112 Dies wurde dahingehend interpretiert, als dass 1426 ein Armenhaus „Vier Stadtlichter“ existiert habe, das noch vor 1481 in das Armenhaus zur Aa inkorporiert worden wäre.113 Tatsächlich dürfte hier aber weniger ein Armenhaus gemeint sein, als eine Kerzenstiftung.114 Geze Ludgers hatte ihren Handgetreuen also den Auftrag erteilt, vier der „semptliken“ in ihrem Besitz befindlichen Standlichter an ein Armenhaus zu überweisen, das dieser bedürfe. Die von ihnen erworbene Rente sorgte dafür, dass die Lichter nicht niederbrannten, sondern immer wieder mit Wachs ausgebessert werden konnten. Im Armenhaus zur Aa bestand offenbar Bedarf, und so wurde ihm auch die Rente überwiesen. Als ein entgegen der vom Stadtrat erlassenen Richtlinien gegründetes Armenhaus scheiden die „veyr stade lecht“ damit aus. Dennoch kam es zwischen dem ersten Ausbruch der Pest 1350 und der Stiftsfehde von 1450/57 zu einer weiteren Stiftung. Vielleicht kurz nach 1366 gegründet, existierte spätestens 1398 das dem Stadtrat unterstehende Gasthaus. Es lag im Kirchspiel Martini auf der Hörsterstraße an der Ecke zur Stiftsherrenstraße.115 Das Gasthaus diente allerdings der kurzfristigen Unterbringung von Fremden und Gästen und fiel damit nicht in die Kategorie der vom Rat verbotenen Armenhäuser.116 Dennoch muss festgestellt werden, dass der Stadtrat, der das Gasthaus wohl selbst und aus eigener Initiative gegründet hat, damit die Regeln seines nur kurz zuvor erlassenen Stiftungsverbots mindestens großzügig auslegte. Die Notwendigkeit eines Gasthauses, die wohl aus der 1366 erfolgten Aufnahmebeschränkung des Magda112 Hier findet sich auch der Vermerk, dass die Rente 1513 von einer gewissen Gerdrut Werne bei den Provisoren des Armenhauses zur Aa abgelöst wurde. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 74v–75r. 113 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 96f. 114 Klötzer, Kleiden, S. 108. Die Stiftung von Renten, mit denen Öl und Wachs für den Unterhalt von Lampen und Kerzen gekauft werden sollten, war durchaus üblich. So bezog das Leprosorium Kinderhaus eine halbe Mark Rente „to den oleye to der lampen, de vor den sacramente bernet“. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 5v. Auch das Magdalenenhospital erhielt regelmäßig Spenden „ad lampam coram sacramentum ardentem“ und „zu behuf der luchtinge der armen unten im convente“. MUB 472, Nr. 9; Magdalenenhospital, Akten 44, S. 22, vgl. S. 18, S. 27, S. 32f. Der Amtmann des Antoniushospitals nahm 1483 acht Pfund Wachs an sich, um „veir stadelechter“, also Standlichter, herzustellen, die bei Memorien und Leichenbegängnissen von den Priestern und den Armen in der Kapelle verwendet werden sollten. Antoniushospital, Urk. 19. Auch im Armenhaus zur Aa gab es solche Standlichter. So bezogen seine Provisoren nach 1358 eine Rente von 8 Schillingen, mit der sie „unum lumen singulis noctibus in dicta domo pauperum conburendum“ aufrecht erhalten sollten. MUB 156, Nr. 39. 115 Klötzer, Kleiden, S. 126. Heute Hörsterstraße 14/16. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 424. 116 Entsprechend zählte es der Chronist Kerssenbrock auch nicht zu den Armenhäusern. Nach ihm gab es in Münster 1573 fünfzehn Armenhäuser („ptochodochia“). Zwei von ihnen waren Männerhäuser („anerotrophia“), acht Frauenhäuser („gynetrophia“), vier standen sowohl Männern als auch Frauen offen. Als fünfzehntes Armenhaus nennt er Kinderhaus, das er als „leprosorum receptaculum“ bezeichnet. Auch das Gasthaus („xenodochium“) erwähnt er in diesem Zusammenhang, nimmt es aber nicht mit in den Kreis dieser fünfzehn Armenhäuser auf. Detmer, Kerssenbrock, S. 78f.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

lenenhospitals auf Bürger resultierte, war 1354/67 offenbar noch nicht abzusehen. Bemerkenswert ist allerdings, dass abgesehen vom Gasthaus für über hundert Jahre tatsächlich keine Fürsorgeinstitution – sei es unter städtischer oder anderer Trägerschaft – gegründet wurde. Die Bürgerschaft hatte offenbar die Gefahren eines allzu dezentralen Fürsorgesystems erkannt. In anderen Bereichen jedenfalls war ihre Stiftungstätigkeit ungebrochen.117 Nach der Stiftsfehde ließ allerdings auch bezüglich der Armenhäuser die Stiftungszurückhaltung nach.

4. Die zweite Stiftungsphase: Dezentralisierung nach der Stiftsfehde „So als twist vnd grot vngelucke was tusschen dem erwerdighen capitell van Monster vnd der stat Monster vmme enen bisscop to werdenn des stichtes to Monster, wente dat capittel endrechtichliken gekoren hadnn den edelen heren Walrauen van Morse vnnd confirmert van vnsen hilligen vader den pawes, so hadde de stat vorg. myt erre partye, de nicht cleen was, vp geworpen hern Erike van der Hoye, wellick vngelucke stont bouen seuen jare, so versath de hemelsche konynck dorth syne grote gnade, dat dat to enen guden ende quam na gelegenheit der sake vor de hilligen kerken, also dat mallick weder quam by dat syne.“118

Mit diesen Worten beschrieb Bernd van Schedelich, Komtur der Steinfurter Johanniter, die Stiftsfehde, die Münster zwischen 1450 und 1457 in Mitleidenschaft zog. Unter ihr hatte auch die münsterische Niederlassung der Johanniter „geheten vp den berch“ schwer gelitten. Bei der Rekonstruktion der verlorengegangenen Register des Ordens stieß der Komtur auf „en hus, geheten de gedeme, mede in errer emuniteten geleghen“. Am 23. Mai 1472 erschien er vor dem Offizial, um in diesen Gademen ein Armenhaus zu errichten.119 Damit war er der erste, der nach der Fundation des Gasthauses wieder eine Fürsorgeinstitution ins Leben rief und so die zweite Stiftungsphase einleitete, die erst durch die Täuferherrschaft wieder beendet werden sollte. Gelegen auf der Bergstraße, aber noch innerhalb der Immunität des Ordens, unterstand das Armenhaus fortan den Johannitern. Ein Bruch mit dem Stiftungsverbot des Rates, das sich allein auf Armenhäuser unter der Trägerschaft des Rates bezog, erfolgte also nicht. Aufgrund der Lage innerhalb der Immunität waren die Einspruchsmöglichkeiten des Rates ohnehin begrenzt. Der Komtur reagierte damit zweifellos auf eine durch die Stiftsfehde von 1450/57 und die Seuche von 1458/59 hervorgerufene Notlage. Insbesondere die Schlacht von Varlar, in der am 18. Juli 1454 118 Münsteraner gefallen sein sollen,120 hatte viele Frauen zu Wit-

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118 119 120

Zwischen 1371 und 1449 entstanden allein in münsterischen Hospitälern nicht weniger als sieben Vikarien. Dies entspricht der allgemeinen Beobachtung, dass die Stiftungstätigkeit in der Folge der Pest grundsätzlich zunahm. Bog, Arme und Armenfürsorge in Oberdeutschland, S. 985. Allein in Münster galt dies für den Bereich der fundierenden sozialen Stiftungen nicht. LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. LAV NRW W, Fürstbistum Münster, Urk. 2026. Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 495.

4. Die zweite Stiftungsphase: Dezentralisierung nach der Stiftsfehde

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wen gemacht, die nun in ein vorgerücktes Alter gekommen und auf Unterstützung angewiesen waren. Auch die Domelemosine, eine am Dom angesiedelte Sammelstiftung unter domkapitularischer Trägerschaft, hat wohl erst im Rahmen der durch die Fehde notwendig gewordenen Rationalisierungsmaßnahmen eine institutionelle Form gewonnen, wenngleich das älteste von ihr verwaltete Legat bereits zwischen 1410 und 1413 erfolgte. Entsprechend ist eine interne Verwaltungsstruktur erst anlässlich der Zustiftungen der Domkanoniker Hinrich und Engelbert Fransoys im Jahre 1473 erkennbar.121 Als Institution der offenen Armenfürsorge innerhalb der Domimmunität unter domkapitularischer Aufsicht widersprach auch sie nicht den Bestimmungen des Rates von 1354/67. 1475 wurde auf Initiative des Macharius Veghesack, Amtmann des Magdalenenhospitals, im Kirchspiel Aegidii die erste Elende gegründet. Sie lag „by den graven“ zwischen Ludgeri- und Aegidiitor und auf der Krummen Straße zwischen den Häusern des Hilbrandt Voghet und der Else tor Helle.122 Neben dem Gasthaus war sie die einzige Fürsorgeinstitution, über die der Rat nach seinem Stiftungsverbot und vor Beginn der Täuferherrschaft die unmittelbare Trägerschaft übernahm. Beide waren keine typischen Armenhäuser, sondern hochspezialisierte Sonderinstitutionen. Dem Vorbild Veghesacks folgend, wurde 1519 eine zweite Elende gegründet. Sie lag im Kirchspiel Überwasser zwischen dem Frauentor und dem Jüdefelder Tor und „by den Lappenbrincke“ zwischen Häusern des Frederich van Beveren und dem Schröder Herman Focke.123 Zehn Jahre später wurde im Lambertikirchspiel eine dritte Elende fundiert. Die 1529 vom Rat ausgestellte Gründungsurkunde beschreibt ihre Lage als „tegen vnses stades muren tusschen sunte Seruaess vnnde sunte Mauritius porten“.124 Damit lagen alle drei Elenden zwar innerhalb der Stadt, allerdings in ihren Randbereichen nahe der Stadtmauer. Es war wohl die ab etwa 1500 wachsende Zahl von Armen, die Anfang des 16. Jahrhunderts zur Stiftung weiterer Armenhäuser animierte. Bereits 1525 hatte man mit den Vorbereitungen zur Errichtung des Armenhauses Jüdefeld begonnen, die allerdings während der Täuferzeit ruhen mussten. So gelang die Fundierung erst nach einem zweiten Anlauf im Jahre 1542. Johannes Kock, Vikar des Bischofs Franz von Waldeck, legte die Aufsicht über das Haus bei dieser Gelegenheit in die Hände des Klosters Überwasser und der Stifterfamilie Jüdefeld. Es befand sich im Kirchspiel

121 Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 27vf. 122 Elende Aegidii, Urk. 1, Urk. 3a. Heute Krumme Straße 35/36. Vgl. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 487. Hechelmann (Elenden, S. 362) vermutet fälschlich eine Lage an der Grünen Stiege. 123 Elende Überwasser, Urk. 2; BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 153r. Vormals Hindenburgplatz 40/41, heute etwa Schlossplatz 34. Vgl. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 490. 124 Elende Lamberti, Urk. 1. Heute Winkelstraße 10/11. Vgl. Klötzer, Alter Steinweg, S. 506ff., S. 511ff.

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VII. Zentralisierung und Dezentralisierung

Überwasser, und zwar „jn den broigell tegen den buddentorne vnd der heren hoff tho sunthe Johannen ouer“.125 Spätestens 1503 hatte der Almosenkorb Ludgeri mit der Speckpfründe eine eigene Kasse eingerichtet, die vielleicht schon 1503, sicherlich aber vor 1532 die finanzielle Grundlage für ein gleichnamiges Armenhaus wurde. In diesem Jahr lebten bereits sieben Arme in dem „vp dem Vorschepoell“ gelegenen Armenhaus.126 Träger war das Kirchspiel Ludgeri. Zwischen 1526 und 1532 wurde schließlich das Armenhaus Prussen errichtet und der Trägerschaft der Schöffen und des Kirchspiels Überwasser übergeben. Es lag direkt bei der Elende Überwasser auf dem Lappenbrink im Kirchspiel Überwasser.127 Arme Frauen waren es, die hier Aufnahme fanden. Damit war es ein typisches Armenhaus. Zudem unterstand es denselben Trägern wie das Armenhaus Zurwieck, das der Stadtrat als „unser Hospital“ bezeichnen konnte128 und deshalb auch als eines der vom Stiftungsverbot ausgenommenen Armenhäuser aufführte. Wenngleich also sämtliche anderen Fürsorgeinstitutionen, die seit der Stifsfehde gegründet worden waren, bei genauer Auslegung keinen Bruch mit dem Stiftungsverbot des Rates darstellten, so wurde es spätestens mit der Errichtung des Armenhauses Prussen etwa 170 Jahre nach seiner Verkündung erstmals eindeutig verletzt. Damit entstanden in der zweiten Stiftungsphase zwischen 1472 und 1533 acht neue Fürsorgeinstitutionen. Den Anfang machten das Johanniterarmenhaus und die Domelemosine, die beide zwar innerhalb der Stadt, jedoch jenseits des städtischen Einflussbereichs in geistlichen Immunitäten lagen. In der Folge entstanden drei Institutionen im Kirchspiel Überwasser und jeweils eine in den Kirchspielen Aegidii, Lamberti und Ludgeri. Topographisch bedeutet dies, dass die während der ersten Stiftungsphase entstandene relative Konzentration auf das Kirchspiel Martini sich damit um den nördlichen Teil des Kirchspiels Überwasser im Nordwesten der Stadt erweiterte.129 Zugleich sorgten die Elende Aegidii und das Armenhaus Speckpfründe Ludgeri für eine zunehmend ausgeglichene Verteilung von Fürsorgeinstitutionen über das gesamte Stadtgebiet, die sich durch mehrere Gründungen im Süden und Südosten der Stadt während einer dritten Stiftungsphase von 1565 bis 1615 noch verstärkte.130 Waren die Institutionen der offenen Fürsorge an den Pfarrkirchen und dem Dom angesiedelt, so lagen die Institutionen der geschlossenen Fürsorge gewöhnlich in kleineren Gassen und in der Peripherie der Stadt. Deutlich wird dies insbesondere an den drei Elenden, aber auch die Armenhäuser Prussen, Jüdefeld, Speckpfründe Lud125 126 127 128 129 130

Armenhaus Jüdefeld, Urk. 7. Kerssenbrock beschreibt seine Lage als „am Maueranger beim Turm der Geister“ („iuxta pomerium apud turrim a larvis“). Detmer, Kerssenbrock, S. 78. Heute Bergstraße 30/31. Der Turm der Geister meint den Buddenturm. LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. Armenhaus Preußen, Urk. 3. Heute Brinkstraße 6. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 424. A XIII, Nr. 284, fol. 3r. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 419. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 419.

4. Die zweite Stiftungsphase: Dezentralisierung nach der Stiftsfehde

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geri und das Zwölfmännerhaus Ludgeri lagen keine 100 Meter von der Stadtmauer entfernt. In Sackgassen hingegen befanden sich das Armenhaus Wegesende und die Elende Lamberti. An zu den Stadttoren führenden Hauptstraßen lagen allein das Magdalenenhospital und das Gasthaus, die beide zunächst der Aufnahme von Reisenden dienten. An wichtigen Handelswegen außerhalb der Stadtmauern und damit in einer Spenden begünstigenden Lage befanden sich das Hospital in der Venne, das Leprosorium Kinderhaus, das Marienhospital und das Antoniushospital.131 Nimmt man die gesamte Entwicklung des Fürsorgesystems in den Blick, so fällt auf, dass der Stadtrat zu keinem Zeitpunkt tatsächlich über die Trägerschaft der Mehrheit der Fürsorgeeinrichtungen verfügte. Im 13. Jahrhundert existierten sechs Institutionen, von denen zwei dem Domkapitel, eine einem Kirchspiel, zwei weitere dem Rat und eine letzte zunächst dem Bischof, dann dem Rat unterstand. Damit waren 50 Prozent der Institutionen in Ratshand, 16 Prozent in parrochialer Hand. In der ersten Stiftungsphase verschob sich das Verhältnis zu Gunsten der Kirchspiele. 1350 bestanden 20 Institutionen. Sechs wurden vom Rat beaufsichtigt, sieben von Kirchspielen, zwei vom Domkapitel, eine von den Beginen tor A. Über vier lassen sich keine eindeutigen Aussagen treffen. Lässt man sie außer Acht, hatte der Rat einen Anteil an 37,5  Prozent der Institutionen, die Kirchspiele verfügten gemeinsam über 43,75 Prozent. Die Zusammenlegung von Armenhäusern senkte die Zahl der Kirchspielhäuser wieder, zugleich entstanden mit dem Antoniushospital, dem Armenhaus zur Aa und dem Gasthaus weitere Häuser in Ratsträgerschaft. So existierten 1450 wieder 18 Institutionen. Die Hälfte von ihnen unterstand dem Rat, 38,89 Prozent waren in parrochialer Hand, lediglich die beiden Zwölfmännerhäuser unterstanden dem Domkapitel. Mit der zweiten Stiftungsphase kehrten weitestgehend die Verhältnisse von 1350 wieder ein. Von den 26 Institutionen, die 1533 existierten, unterstanden zehn dem Rat, elf den Kirchspielen, drei dem Dom und jeweils eine den Johannitern und dem Kloster Überwasser. Damit verfügte der Rat über einen Anteil von 38,46 Prozent, die Kirchspiele über einen Anteil von 42,31 Prozent. Mit den Dezentralisierungsphasen der Fürsorgeinstitutionen ging also jedesmal auch eine Dezentralisierung ihrer Verwaltung einher. Je dezentraler das System aufgestellt war, um so geringer war der Anteil des Rates und um so höher war der der Kirchspiele. Mit der Zentralisierung des Systems, die der Stadtrat 1354/67 bewirkte und langfristig festsetzte, nahm entsprechend die Einflussnahme der Kirchspiele ab, die des Rates hingegen – die Gründung des Armenhauses zur Aa, des Antoniushospitals und des Gasthauses durch ihn bezeugen dies – nahm zu. Die Zentralisierungsmaßnahmen aber, die der Stadtrat 1354/67 ergriffen hatte, blieben für das Mittelalter einzigartig. Erst in späterer Zeit kam es immer wieder zu Zusammenlegungen.132

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Armut, Not und gute Werke, beiliegende Karten Nr. 6.2.1 und 6.2.2. Vgl. Klötzer, Orte der Fürsorge, S. 417. Vgl. auch Kirchhoff, Marienhospital, S. 137f. Im Detail siehe Klötzer, Für ewige Zeiten. Zur Genese der heute noch existenten Stiftungen: http://www.stiftungen-muenster.de. Stand vom 1. Mai 2012.

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VIII. Interaktion und Kooperation In einem letzten Schritt soll nun das Verhältnis der Fürsorgeinstitutionen untereinander in den Blick genommen werden.1 Tatsächlich interagierten Armenhäuser und Almosenkörbe auf Grund gemeinsamer Interessenlagen und Agitationsräume auf unterschiedlichste Weise miteinander. Ihnen allen gemeinsam war ihr Finanzierungsmodell, das vorsah, dass freiwerdende finanzielle Kapazitäten auf dem Rentenmarkt angelegt wurden. Zugleich waren sie gelegentlich aber auch Rentenzahler, sei es, weil sie zur Kapitalaufnahme Renten selbst verkauft oder mit Renten belastete Immobilien übernommen hatten. So konnten Fürsorgeinstitutionen insbesondere auf dem Renten-, aber auch auf dem Immobilienmarkt zu Vertragspartnern werden. Auch das administrative Modell, das an der Spitze der Verwaltung zwei Provisoren vorsah, war den allermeisten Institutionen gemein. Da die jährliche Neubesetzung der Provisorate trotz oftmaliger Wiederwahl insgesamt eine bemerkenswerte Fluktuation aufwies, war die Beauftragung von Personen, die durch ihre Provisorentätigkeit in anderen Institutionen bereits über entsprechende Erfahrungen verfügten, durchaus vorteilhaft. Das Resultat war, dass sich die alltägliche Aufsichtsführung der Provisoren von Institution zu Institution wohl nur unwesentlich unterschieden haben dürfte. Eine sehr viel weitergehendere Form interinstitutioneller Annäherung lag administrativ in der Einrichtung einer gemeinsamen Verwaltung und ökonomisch in der Einrichtung einer gemeinsamen Kasse. Beide Strategien bewirkten Synergieeffekte, ohne dass die beteiligten Einrichtungen ihren Charakter als selbständige Institutionen dadurch aufgegeben hätten. Wenngleich die Fürsorgeinstitutionen verschiedene Grade und Formen der Spezialisierung aufwiesen, so waren sie doch durch das gemeinsame Ziel der Fürsorge miteinander vereint. Dies war die Voraussetzung für eine koordinierte und aufeinander abgestimmte Zielverfolgung, die sich in Form von Gründungspatenschaften und Aufgabenteilungen, insbesondere aber in Form von kooperativen Zusammenschlüssen zeigten. Nicht zuletzt die Interaktions- und Kooperationsfähigkeit des spätmittelalterlichen Fürsorgewesens ist es schließlich, die es berechtigt erscheinen lässt, von einem System zu sprechen.

1. Institutionen als Vertragspartner Als der münsterische Bürger Goswin von Klanktorp am 14. November 1332 sein Testament abfasste, bedachte er darin neben Kapellen, Priestern, Klöstern und Beginenhäusern auch zwölf verschiedene Institutionen der offenen und geschlosse-

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Bereits 2002 stellte Neithard Bulst auf der Arbeitstagung des Konstanzer Arbeitskreises die Frage nach dem „Mit-, Neben- und Gegeneinander“ von Fürsorgeinstitutionen. Konstanzer Arbeitskreis, Arbeitstagung 2002, S. 81. Dieser Ansatz soll hier weiter verfolgt werden.

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VIII. Interaktion und Kooperation

nen Armenfürsorge.2 Der Fall bildet keine Ausnahme. Insbesondere in testamentarischen Verfügungen erscheinen Fürsorgeinstitutionen oftmals in großer Zahl als Empfänger von Wertgegenständen, Kapitalien und Renten nebeneinander.3 Nicht immer jedoch erlaubte die Umsetzung des Testaments, dass jede begünstigte Institution eine eigene Rente in der zubestimmten Höhe zugewiesen bekam. Mitunter mussten sich mehrere Armenhäuser eine Rente teilen.4 Freilich geschahen Rentverkäufe an mehrere Fürsorgeinstitutionen nicht nur im Rahmen der Umsetzung eines Testaments.5 In jedem Fall erforderte die Situation aber gelegentliche Absprachen mit den beteiligten Partnern.6 Zweifellos von Vorteil war da der Umstand, dass die gemeinsam begünstigten Institutionen oftmals im selben Kirchspiel, meist dem der

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Kirche St. Martini, Urk. 1. Gerd Havekesbeck, selbst Pfründer im Antoniushospital, vererbte 1398 nicht nur den Kapellen von Kinderhaus und Antoniushospital je ein Messgewand, sondern auch den Armenhäusern Zumbusch, Wessede, zur Aa, Wegesende und Zurwieck eine Rente von je einer Mark. MUB 342. Auch das 1518 aufgestellte Testament des Domthesaurars Hinricus Schenckynck nennt nicht weniger als elf Fürsorgeinstitutionen, unter ihnen auch beide Zwölfmännerhäuser, die Domelemosine und das Armenhaus der Johanniter. Scholz, Alter Dom, Nr. 549. Als sein Nachfolger Ludolphus tho Meer 1530 starb, befanden sich unter den Erben auch die Insassen des Antoniushospitals, der Elenden Aegidii und Überwasser sowie die der Armenhäuser Wessede, zur Aa und Wegesende. Scholz, Alter Dom, Nr. 655. Und bevor der Domvikar Hinrich Sterneman 1532 starb, hatte er verfügt, „yn alle armeludehueße“ – insgesamt zwölf an der Zahl – „ytlichen armen“ einen Schilling zu geben. LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. 1474 war Macharius Veghesack, Amtmann des Magdalenenhospitals und Stifter der Elende Aegidii, bereits tot. In Erfüllung seines Testaments verkauften seine Nachlassverwalter den Provisoren des Armenhauses zur Aa und des Armenhauses Wegesende gemeinsam eine Rente von 2 Gulden aus dem Besitz des Verstorbenen. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 35r–35v. Erbe der 2 Mark Rente des Hinrich Keteler war Johan Helmer, der allerdings die Auflage hatte, davon eine halbe Mark dem Armenhaus zur Aa und „den twelfflinghen“ zu überweisen, eine weitere halbe Mark den Armenhäusern Zumbusch und Wessede und eine dritte halbe Mark den Armen zur Aa. 1483 verkaufte er den Armen zur Aa die ihm verbleibende halbe Mark gleich mit. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 12r. Auch ohne erkennbaren testamentarischen Hintergrund verfügten über gemeinsame Rentenansprüche etwa der Almosenkorb Martini und die Armenhäuser Wessede und zur Aa (Armenhaus Zumbusch, Urk. 7), die Armenhäuser Zumbusch, Wessede und zur Aa (LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 132; Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 7v), die Armenhäuser zur Aa und Wegesende (Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 98v–99r), der Almosenkorb Martini und die Armenhäuser Zumbusch, Wessede, Wegesende, zur Aa, Zurwieck und St. Johannis (Armenhaus Zumbusch, Urk. 74) sowie die Armenhäuser Zurwieck, zur Aa und Zumbusch (Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 115r–115v). Deutlich wird dies etwa am Beispiel einer Rente an die Armenhäuser Wegesende, Zumbusch und Wessede. Der Rentenzahler Johan Kakesbecke erklärte ihnen, dass ihm die betreffende Urkunde abhanden gekommen wäre. Zwar erließen die drei Armenhäuser ihm daraufhin selbst im Falle der Wiederauffindung die Zinszahlungen, doch bestand er darauf, ihnen weiterhin seine jährlichen 15 Schillinge zu leisten. Armenhaus Zurwesten, Urk. 28.

1. Institutionen als Vertragspartner

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Martinikirche, lagen.7 In der Regel waren es die Rentenverkäufer, die den Käufern eine Urkunde ausstellten. Gelegentlich wurde aber auch – auf dem gemeinsamen Bestreben der begünstigten Institutionen hin – eine Empfangsbestätigung beurkundet.8 In den folgenden Fall war auch der Stadtrat involviert: Wohl im Rahmen der Stiftsfehde hatte der Rat bei Matheus van Munster 500 Gulden aufgenommen, konnte die anfallenden Zinsen von 25 Gulden 1470 aber längst nicht mehr zahlen. Matheus überschrieb nun den beiden städtischen Institutionen Magdalenenhospital und Kinderhaus je 200 Gulden, sodass das Grutamt fortan beiden jährlich je 10 Gulden überweisen sollte. Hospital und Leprosorium hatten Matheus dafür ihrerseits eine Rente von je 10 Gulden zu zahlen, die mit seinem Tode allerdings verfallen sollte. So war dem Matheus eine sichere Zahlung seiner Rente garantiert, den Fürsorgeinstitutionen eine wenn auch nicht kurzfristige, so doch langfristige Einnahmequelle gesichert, und der Stadtrat profitierte, indem Matheus ihm 5 Gulden Rente sowie alle Zahlungsrückstände quittschlug.9 Der gemeinsame Empfang von Renten verlangte von den Provisoren allerdings eine Zusammenarbeit und gegenseitige Abstimmung, die weit über den Tag der eigentlichen Transaktion hinausging. So stellte sich etwa die Frage, wer von den Rentenkäufern die ausgefertigte Urkunde an sich nehmen sollte. 1456 verkaufte Styne Lubberdes den Provisoren der Armenhäuser Zurwieck, Wegesende und zur Aa eine Rente von 3 Gulden und übergab ihnen auch den bereits 1425 über diese Rente ausgestellten Prinzipalbrief. Im Gegenzug verpflichteten sich die sechs Provisoren in drei verschiedenen Urkunden, ihr dafür drei Leibzuchtrenten in Höhe von je 1 Gulden zu zahlen.10 Außerdem einigten sie sich darauf, den Prinzipalbrief den Provisoren des Armenhauses Zurwieck mitzugeben. Ihre Partner benötigten freilich eine Kopie. Und so findet sich im Kopiar der Armen zur Aa eine Abschrift dieses Briefes unter der folgenden Überschrift:

7

Es gibt allerdings auch Ausnahmen von dieser Regel. So zahlte Conegundis, Tochter des Sattlers Reyner, den Almosenkörben Aegidii und Ludgeri 6 Schillinge, nämlich „tres sol. ad sanctum Ludgerum et alios tres sol. ad sanctum Egidium“. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 5r. Und im vor 1401 angelegten Rentregister des Almosenkorbes Martini findet sich der Eintrag: „8 s., de gaed ute 8 scepelzede landes, beleghen upper Horst, unde (de) helfte hort in de meynen almisse der kercken to zunte Ylien.“ MUB 375, Nr. 143. 8 Am 14. Januar 1423 erschienen Johan Egge und Johan Hesselman, „vorwarer der armer lude in den hus vp der berchstrate“, sowie Johan van Werden und Bernd Slepestrate, „vorwarer der armerlude in den hus ton Bussche“, vor den Bürgermeistern und dem Rat der Stadt Münster und bestätigten, dass Styna, Witwe des Pottgießers Dankelman, ihnen „vmme godes wyllen“ eine Rente von 2 Mark gegeben hat, allerdings unter dem Vorbehalt, dass sie die Rente erst nutzen sollten, wenn Styna „van dodes wegnn verstoruenn ys“. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 42v–43r. 9 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 10r–11v. 10 Armenhaus zur Aa, Urk. 28; Armenhaus Zurwieck, Urk. 5; Armenhaus Wegesende, Urk. 43.

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VIII. Interaktion und Kooperation

„Dyt is eyn copije eynes breues up dre rinsche gulden jarlix renthe, de gaff zelige Lubbert Meler den armen luden der huse uppen Honekampe, to Weghesende und upper Berchstrate, und den breff hebt de vorwarre uppen Honekampe to behoff erer aller.“11

Und ebenso verfuhren sie mit dem 1456 ausgestellten Willebrief der Verkäuferin: „Dussen rechten willebreff myt den principaels kopbreue hebt de vorwarre der armen lude vppen Honekampe.“12 1485 überwies der Konvent des Fraterhauses ton Springborn den Provisoren der Häuser zur Aa und Wegesende eine Rente von 2 Gulden, übergab ihnen auch den entsprechenden Prinzipalbrief und erhielt dafür im Gegenzug eine ebenso hohe Rente, die beide Häuser einst von dem inzwischen verstorbenen Bernt Vollen gekauft hatten. Bereits 1488 löste der Konvent die Rente wieder ab, und die vier Provisoren legten den erhaltenen Betrag von 36 Gulden erneut in eine gemeinsame Rente an, die sie von Johan Tunneken erwarben. Die Provisoren der Armen zur Aa vermerkten: „Vnde de eyne gulden, de hort den armen in der Wegesende to, vnde de breue lyget by vns.“13 Doch auch diese Rente wurde 1501 abgelöst. Diesmal sah man allerdings davon ab, das Geld noch einmal gemeinsam zu investieren. Stattdessen kauften sich die Provisoren des Armenhauses zur Aa für ihren Anteil von 18 Gulden bei Berent Burman eine eigene Rente.14 Auch in der Frage der Einnahme der Renten neigten Fürsorgeinstitutionen zur Kooperation. Tatsächlich bedeutete die Einnahme durchaus einen gewissen Aufwand.15 Es lag nahe, die Eintreibung der Rente nur einem der Beteiligten zu überlassen, der die anderen Partner danach – gegebenenfalls gegen eine Aufwandsentschädigung – auszahlte.16 Nicht eine gemeinsame Rente, sondern Renten aus derselben 11 12 13 14 15

Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 77r. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 77r. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 79v–80r. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 67v–68r. Dies zeigt das Beispiel einer Rente von einer Mark, die die Handgetreuen des Domvikars Herman Provynck 1484 den Armenhäusern zur Aa und Zurwieck verkauften. Diese sollte so aufgeteilt werden, dass „jn alich huyss eyne halue marck geldz“ gehe, und zwar „vp erer beyder kost vnd arbeyt“. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 66r. 16 Von einer Mark Rente sollte das Leprosorium Kinderhaus 1365 9 Schillinge haben, um den Leprösen davon Öl und Gewürz für ihr Gemüse zu kaufen. Die drei verbleibenden Schillinge aber standen den Armen Zurwieck für Bier zu. Die Kinderhauser Provisoren trieben die Rente vollständig ein und überwiesen den Zurwieck-Armen ihren Anteil. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 16r. Sie zahlten die 3 Schillinge auch 1454 noch. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 181v. Ähnlich verfuhren die Armen zur Aa. Sie hatten aus einem Godeken Bleken gehörigen Kamp eine Rente von 4 Schillingen und 4 Pfennigen. Davon sollten die Provisoren jedem von ihnen auf Mittwinter einen Pfennig geben, und die Provisoren des Armenhauses Wessede sollten von ihnen genug erhalten, um mit ihren Armen ebenso verfahren zu können. MUB 228, Nr. 22. 1375 bedachte Herman Voghel unter anderem die drei Söhne der Mechtild de Beysten mit 12 Schillingen Rente. Sollten sie inzwischen verstorben sein, ginge die Rente an das Antoniushospital und die Armenhäuser zur Aa und Zurwieck. Eintreiben würde die Rente dann aber der Rektor des Antoniushospitals, der sie „equaliter et manualiter“ aufteilen sollte und dafür 12 Pfennige „pro laboris suis“ für sich behalten dürfte. Antoniushospital, Urk. 6.

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Immobilie hatten hingegen das Armenhaus zur Aa und das Antoniushospital. Auch dies führte zu einer Interessenkoinzidenz. So wie Godeke Trippelvot und Egbert Ummegrove bezogen sie Renten aus Masemans Haus auf der Hundestiege, die allerdings längst nicht mehr bezahlt werden konnten. Egbert und die beiden Armenhäuser verlangten deshalb, dass Godeke als größter Renteneigner das Haus übernehme und die Schulden gegenüber den Armenhäusern begleiche. Doch der lehnte ab, und so fand man sich 1479 vor dem Stadtrat ein, der die „schellinge“ schlichten sollte. Der entschied dahingehend, dass Godeke das Haus tatsächlich annehmen, aufbessern und die bisher angefallenen Schulden zahlen sollte, die anderen aber sollten auf alle weiteren Forderungen verzichten.17 Häufig waren Fürsorgeinstitutionen untereinander zur Zahlung von Renten verpflichtet. Gegenseitige Rentansprüche lassen sich bis 1539 in 61 Fällen nachweisen. Dahinter stand eine jährliche Zinslast von 84 Mark, 6 Schillingen und 9 Pfennigen, was einem Kapital von etwa 1690 Mark entsprochen haben dürfte. Mit jährlich über 47 Mark war die Domelemosine der wichtigste Rentenzahler. Die hohe Summe ergab sich aus den Bestimmungen der verschiedenen Legate, die sie verwaltete. Von ihren Zahlungen profitierten insbesondere Institutionen der geschlossenen Fürsorge. Lässt man die Domelemosine außer Acht, so finden sich unter den Rentenzahlern 19 Fürsorgeinstitutionen. Die meisten Renten – insgesamt elf bzw. neun – zahlten mit einem Gesamtvolumen von 1 Mark und 8 Schillingen bzw. 3 Mark und 4 Schillingen die Heiliggeistkörbe Überwasser und Lamberti.18 Die Anzahl der Rentenempfänger – auch hier die von der Domelemosine Begünstigten nicht mitgerechnet – betrug 16. Mit elf erhielt die meisten Renten das Armenhaus zur Aa (13 Mark, 8 Schillinge), gefolgt vom Almosenkorb Aegidii (acht Renten von 4 Mark, 4 Schillingen, 6 Pfennigen), dem Armenhaus Zurwieck (fünf Renten von 4 Mark, 3 Schillingen) und dem Auch das Testament der Ermeken Dreyhus begünstigte die Armen, und zwar die Armen zur Aa und im Wegesende. Beide „to samenn“ erhielten im Juni 1503 von ihren Handgetreuen eine Rente von einem Gulden und den zugehörigen Kaufbrief. Sechs Monate später bestätigten die Provisoren des Armenhauses Wegesende den Empfang. Sie hätten den Provisoren der Armen zur Aa inzwischen die Hälfte der Rente weiterverkauft, sodass diese sie fortan „sunder der armen des huses thor Wegesende bisprake vnd insage“ nutzen könnten. Im darauffolgenden Jahr aber zahlten die Armen zur Aa den Armen im Wegesende 10 Gulden, erwarben damit deren Anteil an der Rente und besaßen sie nun vollständig. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 89v–90v. Nicht nur die Einnahme der Rente, sondern auch die Aufbewahrung der Urkunde oblag hingegen den Almosenprovisoren von Martini im Falle einer Rente von 1 Mark, die sie 1462 nicht für sich, sondern für die vier Armenhäuser Zumbusch, Wessede, Wegesende und zur Aa kauften. Armenhaus Zumbusch, Urk. 63. 17 LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Urk. 390. 18 Es folgen das Antoniushospital mit sieben Renten zu 5 Mark und 11 Schillingen, der Almosenkorb Martini mit fünf Renten zu 2 Mark und 6 Schillingen und das Armenhaus zur Aa mit vier Renten zu 3 Mark, 3 Schilling und 7 Pfennigen. Lediglich zwei Renten zahlten das Magdalenenhospital mit immerhin 6 Mark und 4 Schillingen, das Armenhaus Zurwieck mit 3 Mark, das Armenhaus Zumbusch mit 1 Mark und 3 Schillingen sowie das Gasthaus mit demselben Betrag. Die anderen zehn Institutionen waren nur zur Zahlung einer Rente verpflichtet.

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VIII. Interaktion und Kooperation

Leprosorium Kinderhaus (vier Renten von 4 Mark).19 Rechnet man Einnahmen und Ausgaben gegeneinander auf, so zeigt sich, dass das Magdalenenhospital mit 5 Mark und das Antoniushospital mit 4 Mark, 10 Schillingen und 10 Pfennigen die höchsten Beträge an andere Fürsorgeinstitutionen zahlten. Zwischen 2 und 2 ½ Mark machten das Armenhaus Wessede sowie der Heiliggeistkorb und die Armenkleidung Lamberti Verlust. Zu den Profiteuren zählten hingegen das Gasthaus mit einem Plus von 3 Mark und 5 Schillingen, Kinderhaus mit 3 Mark und 9 Schillingen, der Almosenkorb Aegidii mit 4 Mark, 5 Schillingen und 6 Pfennigen, vor allem aber das Armenhaus zur Aa mit einer positiven Bilanz von 10 Mark, 4 Schillingen und 5 Pfennigen. Nicht immer ist feststellbar, wie es zu einer gegenseitigen Rentverpflichtung kam. Eine Möglichkeit war ein direkter Verkauf oder eine Schenkung.20 Doch derartige Fälle blieben selten, da der Rentenverkauf der langfristigen Wirtschaftspolitik der Fürsorgeinstitutionen entgegenlief. Häufiger war es, dass Institutionen eine Rentverpflichtung mit dem Erwerb oder der Schenkung einer Immobilie übernahmen.21 So war auch das Grundstück, auf dem das Armenhaus Jüdefeld errichtet wurde, belastet. Als es Johan thor Mollen, Johan Knipperdollinck und Gerd Provesting „toe nuth vnd behoiff eyner armeludehuess eder hospitaels” 1525 erwarben, teilte man ihnen mit, dass darauf „eyne halue marck geldz“ lagen, „welcker de armen vppn Honekampe daruth hebn, des de verkopers nicht en wetten, wer de loeslick sy eder nycht“. Überhaupt zeigten sich die Verkäufer – Hinricus Goesswini und seine Frau Else – nicht übermäßig gut informiert. So berichteten sie weiter, dass außerdem die

19 Die anderen zwölf Institutionen bezogen ein bis vier Renten, die, wenn überhaupt, die Höhe von 1 Mark nur knapp überstiegen. 20 Mit einer solchen unterstützte der Heiliggeistkorb Überwasser etwa im Jahre 1333 die finanziell angeschlagenen Armenhäuser Boterman, Tilbeck, Hoeker und tor Aa. Armenkleidung Lamberti, Urk. 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage; Armenhaus zur Aa, Urk. 2, Urk. 3. 1483 bestätigten die Provisoren des Antoniushospitals, dass die Provisoren des Armenhauses zur Aa vor einiger Zeit von ihnen eine Rente von 3 Mark gekauft hätten. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 10r–10v. Und 1538 traten die Provisoren der Elende Überwasser an die Provisoren des Heiliggeistkorbes Überwasser eine Rente ab, die sie von den Testamentsvollstreckern des Kinderhauser Pastors Gerd Kremer erhalten hatten. Almosenkorb Überwasser, Urk. 6. 21 So bezog Kinderhaus etwa eine Rente von 4 Schillingen aus einem Garten vor dem Mauritztor, der Anfang des 15. Jahrhunderts offenbar in den Besitz des Heiliggeistkorbes Lamberti überging. Jedenfalls zeichnete er fortan für die Bezahlung der Rente verantwortlich. MUB 180, Nr. 49. Bereits 1435 bezogen die Kinderhauser Leprosen eine Rente von 8 Schillingen aus einem Haus „by den graven“ im Lambertikirchspiel. Indem Wilhelm Holtappel und Borchart Heerde eben dieses Haus 1519 für 155 Gulden kauften, um darin die Elende Lamberti zu errichten, übernahmen sie und die ihnen nachfolgenden Provisoren damit auch die Verpflichtung, „achte schillinge geldes ewich den armen tor Kinderhuess“ zu zahlen. MUB 621, Nr. 40; Elende Lamberti, Akten 1, fol. 7r. Ähnlich erging es der Elende Aegidii. Ihre Provisoren erwarben 1484 vier direkt der Elende angrenzende Gademe, die mit 2 Mark Rente belastet waren. Einer der Rentenempfänger war mit einem Anteil von ½ Mark der Almosenkorb Aegidii. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Manuskripte, Nr. 89, fol. 6v–7v.

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Äbtissin von Überwasser „vermenth“, aus dem Grundstück „eynen schillinck eder twe“ zu haben, was ihr die Verkäufer aber bisher nicht zugestanden hätten.22 Die Frage, ob eine Rente ablösbar war oder nicht, war durchaus bedeutsam für Institutionen, die langfristige finanzielle Belastungen nur ungern auf sich nahmen. So formulierten schon die Schöffen von Überwasser in der Gründungsurkunde von 1519 das Ziel, dass ihre Elende „van renten gefryet werd“.23 Auch in der Praxis setzten Fürsorgeinstitutionen dieses Ziel um. 1476 erklärten die Verwahrer des Heiliggeistkorbes, dass die beiden Provisoren des Almosenkorbes Martini und des Armenhauses Zumbusch von ihnen eine Rente von 1 Mark „qwytgekofft, ghelediget vnd affghelost“ hätten, die sie „na vthwisinge der register“ bisher aus dem Almosenkorb Martini „ghemant vnd ghebort“ hätten. Sie hätten von den Martinialmosenern „dat hovet gud myt allen verseten“, also den Kapitalbetrag und alle ausstehenden Leistungen empfangen und wollten das Geld nun neu anlegen. Weiterhin erklärten sie, dass sie „vorder nyne renthe (…) vth der meyn almissen to sunte Mertyn“ hätten. Sollte dennoch später „jenigh breiff, register offt ander kentlick bewys (...) vp desse renthe sprekende“ aufgefunden werden, so sollte er hiermit „ghelediget, gedempet, machtloes, vnbundich vnd in den rechten van nynen ghewerde“ sein.24 Neben der Ablösung einer Rente war eine weitere Möglichkeit der Rententausch. Dies bot sich insbesondere für Fürsorgeinstitutionen an, da sie in der Regel Empfänger zahlreicher Renten waren. Tauschgeschäfte sind bekannt zwischen den Armenhäusern Zumbusch und zur Aa,25

22 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 7. 23 BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 159r. 24 Almosenkorb Martini, Urk. 1. Ein weiterer Fall betraf die Armenhäuser Zumbusch und Wessede. Beide erhielten am 29. November 1531 von den Handgetreuen des Priesters Bernd Isfordinck eine Rente von 1 Gulden. Anstatt die Rente jedoch gemeinsam zu beziehen, entschlossen sich die Provisoren der beiden Häuser einige Montate später, am 19. August 1532, zu einer Alternative. Die Provisoren des Hauses Zumbusch zahlten denen des Hauses Wessede eine Summe von 10 Gulden und damit die Hälfte des Rentkapitals. Im Gegenzug verzichteten die Empfänger auf ihren Anteil, sodass die Provisoren des Hauses Zumbusch die Rente fortan „allene boren vnd beholden“ konnten. Armenhaus Zumbusch, Urk. 83, Rückvermerk. 25 Die Provisoren von Zumbusch hatten einst eine Rente von 3 Gulden gekauft, sich nach einer Zustiftung der inzwischen verstorbenen Gese Veghe aber 1481 dazu verpflichtet, den Armen zur Aa daraus ½ Gulden abzutreten. Sie trieben die drei Gulden also weiterhin allein „vp ere kost“ ein. Wenn sie den Armen zur Aa danach aber ihren Anteil brachten, sollte man ihnen dort „to drynckgelde sess pennynghe vor eren arbeyt“ geben. Später gaben die Provisoren zur Aa den darüber ausgestellten Brief jedoch zurück, und die Rente von ½ Gulden wurde „qwyt gescolden“. Im Gegenzug erhielten sie von den Provisoren des Zumbuschhauses einen Rentenbrief in gleicher Höhe zurück, der sie gegenüber ihnen verpflichtet hatte, und leisteten ebenfalls Verzicht. All dies geschah „vmme des bestnn wyllen“, und tatsächlich bedeutete es für alle Beteiligten eine eindeutige Aufwandserleichterung. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3v–4r.

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VIII. Interaktion und Kooperation

Kinderhaus und dem Almosenkorb Martini26 sowie dem Antoniushospital und dem Heiliggeistkorb Lamberti.27 Doch nicht nur auf dem Rentenmarkt, auch auf dem Immobilienmarkt konnten Fürsorgeinstitutionen als Partner auftreten. Dank Hassele Proles verfügte das Armenhaus Hoeker und später das Armenhaus zur Aa über Äcker von 1 Malter Gerste, doch stand auch dem Antoniushospital ein Drittel des Landes zu. Spätestens ab etwa 1370 verfuhr man hier nicht anders, als man es bei einer Rentverschreibung getan hätte. Das Land wurde verpachtet und die Pacht vom Armenhaus zur Aa eingenommen. Daraus bezahlten die Provisoren dann denen des Antoniushospitals den ihnen zustehenden Anteil von 6 Mark.28 Auch die Almosenkörbe verfügten über gemeinsamen Landbesitz.29 Ein Stück Saatland von gerade einem Malter Größe, das vor dem Servatiitor lag, befand sich gar im Besitz aller sechs Almosenkörbe.30 Sofern Institutionen über eine umfangreichere Landwirtschaft verfügten, erschien es mitunter günstig, untereinander Ländereien zu tauschen. Bereits 1365 besaß das Leprosorium Kinderhaus einen Acker, genannt „Badenrot“, dass es gemeinsam mit zwei Hausstätten für 2 Mark jährlich verpachtete. Es lag vor dem Mauritztor und gegenüber der Propstei zu St. Mauritz.31 Das Magdalenenhospital hingegen war im Besitz eines Kamps, genannt „de Weggekamp“, gelegen vor Münster an der Kreuzstiege („Cruce stegge“).32 1531 entschloss man sich zum Tausch. Und so 26 Kinderhaus bezog eine ewige Rente von 6 Schillingen aus dem Haus des Lambert Tymmerman. Später wurde sie von Evert Smyt bezahlt, dann vom Almosenkorb Martini. An sie trat man die Rente schließlich auch ab. So lautet ein die Rente betreffender Nachtrag im Kinderhauser Rentregister von 1435: „Dyt ys vorbuttet myt den armiseners to sunte Merten.“ MUB 621, Nr. 7. „Vorbuttet“ = getauscht, gewechselt. 27 1485 verkündeten die Provisoren des Antoniushospitals, „dat wy hebben gedaen vnd doen eyn bute“, und zwar mit den Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti. Dazu hatten sie „gegeuen vnd ouergewiset eyne halue marck ewiges geldes vth Bernde Velen huess“ und erhielten im Gegenzug eine ebenso hohe Rente aus dem Hause des Bernd Schelle, „so dat wy der bute vp beiden syden wall tho vrede synt“. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 48r–48v. 28 MUB 156, Nr. 38. Ein weiteres Beispiel: 1350 bestätigten Wessel de Duvel, Almosener von Aegidii, und Conrad de Ringenbecker, Almosener von Ludgeri, gemeinsam, von Conrad Scape Ländereien erhalten zu haben, nämlich 7 Scheffel Saatland auf der Ossenbecke für den Ludgerikorb und 5 Scheffel Saatland bei dem Galgen für den Aegidiikorb. Unter den Zeugen befand sich auch Herman Ysermanninck, Amtmann des Magdalenenhospitals. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf. 29 So hatten die Körbe von Aegidii und Martini dank einer Schenkung Johans des Hillighen gemeinsam zwei Stücke Land von 8 Scheffel Gerste vor dem Hörstertor. Den darüber ausgestellten Brief hielten die Almosener von Martini in Verwahrung. Verpachtet wurde das Land für 6 oder 12 Schillinge an Clawes Kerckerink. MUB 197, Nr. C16; BAM, Pfarr­archiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 4r. Es ist unklar, ob die 6 Schillinge die volle Pacht oder nur den Anteil des Almosenkorbes Aegidii bezeichnen. 30 MUB 197, Nr. C32. 31 MUB 180, Nr. 64. 32 Es könnte dies jener Kamp sein, den das Magdalenenhospital bereits 1435 von Herman Ecke genannt de Spleiter und seiner Frau Neteke gekauft hatte. Seine Lage wurde be-

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verkündeten die Provisoren und Amtmänner von Kinderhaus und Magdalenenhospital in jeweils eigenen, aber gleichermaßen auf den 21. Februar datierten Urkunden, dass sie miteinander „eyne rechte bute gedaen hebben“, sodass Kinderhaus also das Badenrot übergab und „jnn wedderstadinge“ den Weggekamp „wedder entfangenn“ hat, „szo dat wy der buthe to beiden syden gudt benoygent hebben“. Auch die Besitzurkunden wechselten ihren Besitzer. Beide Interessengruppen benötigten für diesen Tausch die Zustimmung ihres jeweiligen Trägers. In beiden Fällen war dies der Stadtrat, der am Ende der Tauschurkunden verkündete: „Vnnd want wy, borgermestere vnnd raidt der stadt Munster, sodane vorgerorten buthe vmme nutticheit der beider husere vnnd der armen beleuet vnd befulbordet hebbenn, szo hebben wy dusses jnn orkunde vnnd tuchnissze der warheit vnsses stades secreyt segell vor vns vnnd vnsze nakomelingen vnnd mede vor de vorbenompten prouisore vnnd hueßhodere an dussen breyff doenn hangenn.“33

Der vom Stadtrat betonte Nutzen lag für Kinderhaus auf der Hand, war doch die Entfernung des Leprosoriums zum Weggekamp viel geringer als zum Badenrot. Weniger klar ist, welchen Vorteil das Magdalenenhospital davontrug, befanden sich seine eigenhörigen Höfe doch fast alle westlich und südlich der Stadt.34 Vielleicht besaß es vor dem Mauritztor aber bereits einzelne Landparzellen. Zumindest im Falle des Leposoriums wird jedenfalls das zweifellos auch von anderen Institutionen geteilte Bestreben deutlich, Landbesitz möglichst zu zentralisieren. Nicht nur das Magdalenenhospital, auch Kinderhaus verfügte über einige – wenn auch weitaus weniger – eigenhörige Höfe und damit auch über Eigenhörige. Wenn diese von einer in eine andere Grundherrschaft ziehen wollten, mussten sich die Grundherren darüber einig werden, welcher Eigenhörige im Gegenzug in die eine Grundherrschaft zurückkehrte. Einen solchen Wechsel („vessel“) vollzogen 1462 die Provisoren der beiden Hospitäler, in dessen Zuge Stine, eine Tochter aus dem Hause des dem Magdalenenhospital eigenhörigen Hofes Große Beckmann („to der groten Beke“), in die Eigenhörigkeit des Leprosoriums wechselte.35 Die wirtschaftlichen Interaktionen zwischen den verschiedenen Fürsorgeinstitutionen waren also durchaus vielfältig. Sie waren nicht nur gemeinsame Empfänger von Renten und Eigentümer von Ländereien, sondern schlossen auch gegenseitig Verträge ab und verkauften und tauschten miteinander Renten, Ländereien und Eigenhörige. Damit einher ging oftmals auch die Notwendigkeit, sich untereinander abzustimmen und Handlungsweisen gemeinsam zu koordinieren. Fraglich bleibt allerdings, inwieweit diese Formen der Zusammenarbeit der Regel entsprachen und inwieweit sie auf eine besondere Zusammenarbeit der Fürsorgeinstitutionen hindeuten. Die interinstitutionelle Vernetzung der Provisoren macht es aber zumindest

schrieben als bei der Gerlinckheide vor dem Kreuztor unweit des Leprosoriums Kinderhaus. MUB 630. 33 Magdalenenhospital, Urk. 138; Armenhaus Kinderhaus, Urk. 80. 34 Vgl. Gärtner, Magdalenenhospital, 1921, S. 117. 35 Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 151v.

VIII. Interaktion und Kooperation

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wahrscheinlich, dass derartige Abstimmungen verglichen mit denen anderer Akteure des Renten- und Immobilienmarktes relativ unkompliziert zu treffen waren. Tabelle 13: Gegenseitige Rentverpflichtungen der münsterischen Fürsorgeinstitutionen bis 1556 Datum Rentenzahler 36

Rentenempfänger Rentenhöhe

vor 1358

Almosenkorb Aegidii

Armenhaus tor A

12 d.

vor 136937

Almosenkorb Martini

Almosenkorb Aegidii

4 s.

vor 1369

Almosenkorb Martini

Almosenkorb Ludgeri

4 s.

148139

Almosenkorb Martini

Armenhaus zur Aa

½ G.

Almosenkorb Martini vor 136940

Heiliggeistkorb Lamberti

4 s.

Almosenkorb Martini vor 136941

Heiliggeistkorb Überwasser

4 s.

141142

Almosenkorb Servatii

Almosenkorb Aegidii

½ M.

nach 1375

Antoniushospital

Armenhaus Zurwieck

4 s.

nach 137544

Antoniushospital

Armenhaus zur Aa

4 s.

vor 1483

Antoniushospital

Armenhaus zur Aa

3 M.

vor 151646

Antoniushospital

Armenhaus zur Aa

½ G.

38

43

45

36 MUB 156, Nr. 21. 37 MUB 197, Nr. C13. Auch noch 1411, 1461, 1466, 1488, 1538 und 1539. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 6r, fol. 20v; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1461), fol. 6r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 4r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1488/1503), RB 1489, fol. 3r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, RB 1538, fol. 10r; Schularme Martini, Akten 20, RB 1539, fol. 7v. 38 MUB 197, Nr. C13. 39 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3v–4r. Die Rente wurde 1500 abgelöst. 40 MUB 197, Nr. C13. 1539 wurden nur noch 2 Schillinge gezahlt. Schularme Martini, Akten 20, RB 1539, fol. 7v. 41 MUB 197, Nr. C13. Auch noch 1539. Schularme Martini, Akten 20, RB 1539, fol. 7v. 42 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 22r. Auch 1466 und 1488. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 5r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1488/1503), RB 1489, fol. 3r. 43 Antoniushospital, Urk. 6. 44 Antoniushospital, Urk. 6. 45 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 10r–10v. 46 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 4v. Auch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 4r.

1. Institutionen als Vertragspartner

325

Tabelle 13 (Fortsetzung) Datum Rentenzahler

Rentenempfänger Rentenhöhe

vor 151647

Antoniushospital

Armenhaus zur Aa

3 s.

vor 150148

Antoniushospital

Magdalenenhospital

2 s.

vor 150149

Antoniushospital

Magdalenenhospital

8 s.

vor 135850

Armenhaus Hoeker

Antoniushospital

2 s. 8 d.

51

Armenhaus Jüdefeld

Armenhaus Zurwieck

½ M.

Armenhaus Wegesende

Armenhaus zur Aa

½ G.

Armenhaus Wessede

Armenhaus zur Aa

1 G.

Armenhaus Zumbusch bis 147654

Heiliggeistkorb Lamberti

1 M.

vor 151655

Armenhaus Zumbusch

Armenhaus zur Aa

3 s.

vor 137556

Armenhaus zur Aa

Armenhaus Wessede

13 d.

bis 150057

Armenhaus zur Aa

Almosenkorb Martini

½ G.

vor 151658

Armenhaus zur Aa

Armenhaus Zurwieck

18 s.

vor 151659

Armenhaus zur Aa

Antoniushospital

6 ½ s.

vor 151660

Armenhaus Zurwieck

Armenhaus zur Aa

1 G.

1525 150352 53

vor 1516

47 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 4v. Auch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 4r. Auch noch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 4r. 48 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 17r. Auch 1513. Ebd. fol. 234r. 49 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 17r. Auch 1509. Ebd. fol. 164r. 50 MUB 156, Nr. 38. 51 Armenhaus Jüdefeld, Urk. 7. 52 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 89v–90v. Die Rente wurde bereits 1504 abgelöst. 53 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 1r. Ein Jahr später findet sich der Eintrag „Prouisors tor Weszede, nu Herman Bruninck“. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1517, fol. 1r. 54 Almosenkorb Martini, Urk. 1; Armenhaus Zumbusch, Akten 6. 55 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 3r. Auch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 3r. 56 MUB 228, Nr. 22. 57 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3v–4r. 58 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 12v. 59 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 12v. 60 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 7v. Auch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 7r.

VIII. Interaktion und Kooperation

326

Tabelle 13 (Fortsetzung) Datum Rentenzahler

Rentenempfänger Rentenhöhe

vor 151661

Armenhaus zur Aa

8 s.

Armenkleidung vor 148862 Lamberti

Almosenkorb Aegidii

1 G.

vor 150163

Magdalenenhospital

6 s.

Armenhaus Zurwieck

Domelemosine

Domelemosine 6 Armenhäuser vor 152764

3 M. 11 s. 6 d.

vor 152765

Domelemosine

7 Armenhäuser

5 M. 6 s.

vor 152766

Domelemosine

7 Armenhäuser

7 M. 11 s.

vor 152767

Domelemosine

8 Armenhäuser

2 M. 10 s.

vor 152768

Domelemosine

9 Armenhäuser

14 M. 3 s.

vor 152769

Domelemosine

11 Armenhäuser

12 M. 6 s.

70

Elende Aegidii

Almosenkorb Aegidii

½ M.

Elende Lamberti 151971

Leprosorium Kinderhaus

8 s.

vor 151672

Gasthaus

Armenhaus zur Aa

1 M.

vor 155673

Gasthaus

Antoniushospital

3 s.

1484

61 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 7v. Auch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 7r. 62 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1488/1503), RB 1489, fol. 3r. 63 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 17v. 64 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 7r. 65 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 7r. 66 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 8r. 67 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 7r. 68 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 6v. 69 BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 7v. 70 LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Manuskripte Nr. 89, fol. 6v–7v; Elende Aegidii, Urk. 4. 71 Elende Lamberti, Akten 1, fol. 7r, fol. 9v. 1531 war die Elende mit den Zahlungen bereits drei Jahre im Rückstand, löste mit 1 Mark aber nur die Hälfte der Schulden ab. 72 Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1516, fol. 3r. Auch 1526. Armenhaus zur Aa, Akten 1, RB 1526, fol. 3r. 73 Gasthaus, Akten 1, RB 1556, fol. 5v. Unbezahlt blieben Ausstände von 2 ½ Mark.

1. Institutionen als Vertragspartner

327

Tabelle 13 (Fortsetzung) Datum Rentenzahler

Rentenempfänger Rentenhöhe

Heiliggeistkorb 141174 Lamberti

Almosenkorb Aegidii

18 d.

nach 141175 Heiliggeistkorb Lamberti

Almosenkorb Aegidii

3 s.

nach 141176 Heiliggeistkorb Lamberti

Almosenkorb Aegidii

3 s.

Heiliggeistkorb vor 153977 Lamberti

Almosenkorb Ludgeri

18 d.

Heiliggeistkorb vor 135878 Lamberti

Armenhaus Boterman

3 s. 6 d.

Heiliggeistkorb vor 135879 Lamberti

Armenhaus Boterman

12 d.

Heiliggeistkorb vor 135880 Lamberti

Armenhaus tor A

12 s. 6 d.

Heiliggeistkorb vor 143581 Lamberti

Leprosorium Kinderhaus

10 s.

Heiliggeistkorb vor 143582 Lamberti

Leprosorium Kinderhaus

4 s.

74 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 4r. 75 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 26v. Auch 1461, 1466, 1488 und 1538. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1461), fol. 11r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 8r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1488/1503), RB 1489, fol. 3r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, RB 1538, fol. 10r. 76 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 26v. Auch 1466 und 1488. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 8v; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1488/1503), RB 1489, fol. 3r. 77 Schularme Martini, Akten 20, RB 1539, fol. 7v. 78 MUB 156, Nr. 3. 79 MUB 156, Nr. 4. 80 MUB 156, Nr. 14. 81 MUB 621, Nr. 33. 82 MUB 621, Nr. 113.

328

VIII. Interaktion und Kooperation

Tabelle 13 (Fortsetzung) Datum Rentenzahler

Rentenempfänger Rentenhöhe

Heiliggeistkorb 141183 Überwasser

Almosenkorb Aegidii

3 s.

Heiliggeistkorb vor 153984 Überwasser

Almosenkorb Ludgeri

3 s.

Heiliggeistkorb 133385 Überwasser

Armenhaus Boterman

1 s.

Heiliggeistkorb vor 135886 Überwasser

Armenhaus Boterman

1 s.

Heiliggeistkorb 133387 Überwasser

Armenhaus Hoeker

1 s.

vor 1358?88 Heiliggeistkorb Überwasser

Armenhaus Hoeker

1 s.

Heiliggeistkorb 133389 Überwasser

Armenhaus Tilbeck

1 s.

Heiliggeistkorb vor 135890 Überwasser

Armenhaus Tilbeck

1 s.

83 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 6v, fol. 20r. Auch 1461, 1466, 1488, 1538 und 1539. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1461), fol. 5v; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 3v; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Almosen Aegidii (1488/1503), RB 1489, fol. 3r; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, RB 1538, fol. 10r. Schularme Martini, Akten 20, RB 1539, fol. 7v. 84 Schularme Martini, Akten 20, RB 1539, fol. 7v. 85 Armenkleidung Lamberti, Urk. 1. Auch 1358 als einer von zwei gezahlten Schillingen. MUB 156, Nr. 10. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58. 86 Einer von zwei gezahlten Schillingen. MUB 156, Nr. 10. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58. 87 Armenhaus zur Aa, Urk. 2. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58. 88 Obwohl diese Rente im Rentregister des Armenhauses zur Aa von 1358 nicht erscheint, zahlte der Heiliggeistkorb sie wohl ähnlich wie auch den Häusern Boterman, Tilbeck und tor A. Alle acht Einschillingrenten der vier Häuser erscheinen als 8 Schillinge im Rentregister des Armenhauses zur Aa von 1475. MUB 228, Nr. 58. 89 Armenhaus zur Aa, Urk. 3. Auch 1358 als einer von zwei gezahlten Schillingen. MUB 156, Nr. 27. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58. 90 Einer von zwei gezahlten Schillingen. MUB 156, Nr. 27. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58.

2. Provisoren in wechselnden Institutionen

329

Tabelle 13 (Fortsetzung) Datum Rentenzahler

Rentenempfänger Rentenhöhe

Heiliggeistkorb 133391 Überwasser

Armenhaus tor A

1 s.

Heiliggeistkorb vor 135892 Überwasser

Armenhaus tor A

1s.

Heiliggeistkorb Leprosorium vor 150693 Überwasser Kinderhaus

6 s.

Leprosorium Armenhaus vor 136594 Kinderhaus Zurwieck

3 s.

Magdalenenhospital vor 150195

Armenhaus Zurwieck

20 s.

150696

Gasthaus

2 G.

Magdalenenhospital

2. Provisoren in wechselnden Institutionen Bis zur Täuferzeit sind etwa 360 Personen nachweisbar, die als Provisoren in den unterschiedlichen Fürsorgeinstitutionen verpflichtet waren. Die meisten von ihnen lassen sich nur in einer Institution nachweisen. 60 Personen aber – also etwa jeder sechste – hatten in zwei oder mehreren Institutionen ein Provisorat inne.97 Mit 41 Personen waren etwa zwei Drittel von ihnen – sei es vor, während oder nach ihrer nachweislichen Provisorenschaft – Ratsmitglieder, obwohl die Ratsherren selbst nur ein gutes Drittel aller Provisoren stellten.98 Der Anteil der Ratsherren unter den 91 Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage. Auch 1358 als einer von zwei gezahlten Schillingen. MUB 156, Nr. 13. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58. 92 Einer von zwei gezahlten Schillingen. MUB 156, Nr. 13. Danach Armenhaus zur Aa. MUB 228, Nr. 58. 93 Armenhaus Kinderhaus, Akten 1, fol. 10r. Bereits 1508 existierten Ausstände von 18 Schillingen. Auch 1509, 1510, 1511 und 1514 zahlte der Korb die Rente nicht. 94 Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 16r. Auch 1454. Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 181v. 95 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 10r. Auch 1513. Ebd. fol. 241r. 96 Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 102r. Der Betrag wurde auch 1508 gezahlt. 1509 war es nur noch 1 Gulden. Ebd. fol. 138r. Danach setzt die Zahlung aus. 97 Nicht mitgerechnet sind dabei jene Provisoren, die sowohl im Almosenkorb Martini als auch im Armenhaus Zumbusch ihr Amt versahen, da beide Institutionen grundsätzlich in Personalunion geführt wurden. 98 Vgl. Kap. II.2.

330

VIII. Interaktion und Kooperation

mehrfach verpflichteten Provisoren war also doppelt so hoch, wie gemeinhin zu erwarten gewesen wäre. Mit 48 an der Zahl waren die allermeisten der mehrfach beschäftigten Provisoren in lediglich zwei Institutionen tätig. Immerhin acht Provisoren übernahmen Provisorate in drei verschiedenen Institutionen. Abgesehen von Johannes Zickeman, der 1368 im Antoniushospital und zwischen 1369 und 1377 im Almosenkorb Martini tätig war und parallel 1372 das Armenhaus Wessede mitverwaltete, waren alle anderen sieben Männer Ratsmitglieder.99 Lediglich vier Personen – Hinrich Bischopinck,100 Herman Heerde,101 Herman Rodde102 und Johan de 99

Der Ratsherr Bernd van Aken (1426/53) etwa war zunächst im Heiliggeistkorb Lamberti, dann in Kinderhaus und schließlich im Magdalenenhospital tätig. Zunächst Provisor des Magdalenenhospitals, dann des Leprosoriums Kinderhaus und schließlich des Almosenkorbes Martini und Armenhauses Zumbusch war der Richtherr Hinrich Jonas (1502/46). Johan Bolant (1505/26) übernahm 1503 zunächst ein Provisorat in Kinderhaus, führte dann parallel die Armenkleidung Lamberti und die Elende Aegidii und machte zugleich im Rat als Richtherr und Bürgermeister Karriere. Der Richtherr und Kämmerer Diderich Grolle (1511/42) ist sowohl im Antoniushospital wie auch im Magdalenenhospital und im Armenhaus Speckpfründe Ludgeri nachweisbar. Bernd Gruter (1517/37) saß für das Kirchspiel Lamberti im Stadtrat und führte entsprechend den Heiliggeistkorb Lamberti, ist aber auch für das Magdalenenhospital und das Armenhaus zur Aa belegt. Der Grutherr Johan Langerman (1529/43) hingegen war für das Armenhaus Wessede, die Armenkleidung Lamberti und das Antoniushospital aktiv. Besonders erwähnenswert sind die Tätigkeiten des Johan Pruse (1505/20), die stark auf das Kirchspiel Überwasser konzentriert waren. Für dieses saß er von 1514 bis 1520 – unter anderem als Richtherr seines Kirchspiels – im Stadtrat. Noch vor 1508 war er Provisor des Armenhauses Zurwieck geworden. Zugleich führte er von 1505 bis 1509 das Magdalenenhospital und um 1516/19 die Elende Überwasser. Direkt neben der Elende besaß er zwei Häuser, in denen seine Witwe einige Jahre nach seinem Tod das Armenhaus Prussen einrichtete und es den Schöffen und dem Kirchspiel Überwasser unterstellte. LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r; Kirchhoff, Die Täufer in Münster, Nr. 32. 100 Hinrich Bischopinck (1499/1533) wohnte auf der Ludgeristraße im gleichnamigen Kirchspiel. Er begann seine Karriere 1499 bis 1501 als Provisor des Heiliggeistkorbes Überwasser und wechselte im folgenden Jahr ins Magdalenenhospital, wo er für zwei Jahre das Provisorat übernahm. 1503 besetzte er im Stadtrat erstmals das Amt des Richtherrn, das er bis 1514 innehatte. Ebenfalls 1503 erscheint er erstmals als Provisor der Speckpfründe Ludgeri, eine Funktion, die er auch noch (oder wieder) 1533 ausführte. Parallel zu seiner Ratstätigkeit, die bis 1527 währte, übernahm er von 1506 bis 1508 das Amt des Kinderhauser Provisors. 101 Herman Heerde (1499/1523) saß von 1505 bis 1522 für die Leischaft Martini im Stadtrat, unter anderem als Grutherr und als Kämmerer. In Martini nahm seine Laufbahn auch ihren Anfang. Von 1499 bis 1511 führte er das Armenhaus zur Aa. Allmählich erweiterte sich jedoch sein Aufgabenbereich. 1502 und 1503 war er Provisor im Magdalenenhospital, 1503 auch in der Armenkleidung Lamberti. Von 1507 bis 1510 schließlich führte er die Aufsicht über den Heiliggeistkorb Lamberti. 102 Herman Rodde (1487/1515) führte ab 1487 für drei Jahre den Heiliggeistkorb Lamberti. 1495 übernahm er kurzzeitig die Armenkleidung Lamberti. Von 1501 bis 1511 war er Provisor des Armenhauses zur Aa. Außerdem erscheint er 1504 als Provisor des Magdalenenhospitals. Von 1505 bis 1512 ist er wieder für die Armenkleidung nachweisbar. Seine Ratskarriere entwickelte sich parallel. Bereits 1492 hatte er einen Sitz im Rat. Zwischen 1509 und 1515 bekleidete er regelmäßig das Amt des Richtherrn.

2. Provisoren in wechselnden Institutionen

331

Rokelose103 – sind in vier verschiedenen Fürsorgeinstitutionen als Provisor nachweisbar. Insgesamt gab es auf der Provisorenebene damit 96 Kontakte zwischen 17 Institutionen.104 Von diesen Institutionen hatte die weitaus meisten Verbindungen zu anderen Einrichtungen das Magdalenenhospital mit 40 Kontakten, gefolgt von Kinderhaus mit 30 Kontakten. Der Heiliggeistkorb und die Armenkleidung Lamberti hatten 22 bzw. 21 Verbindungen. Alle vier standen in Ratsträgerschaft. Die am besten vernetzte Institution in Kirchspielträgerschaft war der Almosenkorb Martini mit 14 Kontakten. Ebenso viele konnte das Armenhaus zur Aa aufweisen. Diese Zahlen sind freilich abhängig von der Überlieferungssituation und bedürfen einer entsprechenden Relativierung. Tatsächlich finden sich insbesondere für die Provisoren von Kinderhaus, des Armenhauses zur Aa, des Magdalenenhospitals und des Heiliggeistkorbes Lamberti überdurchschnittlich viele Jahresbelege. Recht gut ist die Überlieferung auch für den Almosenkorb Martini, die Armenhäuser Wegesende und Wessede sowie für die Armenkleidung Lamberti. Gerade die Vielzahl der untereinander auf Provisorenebene verbundenen Fürsorgeinstitutionen legt den Schluss nahe, dass die Verteilung der Kontakte sehr viel breiter war, als die Zahlen erkennen lassen. Dennoch lässt sich ein wesentlicher Schluss ziehen, denn auch der Almosenkorb Aegidii verfügt über zahlreiche Jahresbelege,105 ist mit gerade sieben Außenkontakten aber vergleichsweise isoliert. Auch die recht gut dokumentierten Armenhäuser Wessede und Wegesende haben lediglich sechs bzw. zwei Außenkontakte. Das Antoniushospital hingegen ist trotz eher schlechter Quellenüberlieferung106 mit neun Außenkontakten überraschend gut vernetzt. Grundsätzlich scheint es also, als seien die größeren Institutionen in Ratsträgerschaft in der Regel besser vernetzt als kleinere und jene in Kirchspielträgerschaft. Und es ist bemerkenswert, dass mit dem Magdalenenhospital, dem Antoniushospital, dem Leprosorium Kinderhaus und der Armenkleidung Lamberti gerade jene vier Institutionen besonders kontaktfreudig waren, deren Provisorate 1532 in Ratsämter umgewandelt wurden.

103

Johan de Rokelose (1435/48) ist zunächst im Jahre 1435 als Provisor des Leprosoriums Kinderhaus nachweisbar. Von 1441 bis 1444 hatte er die Aufsicht über das Magdalenenhospital, von 1446 bis 1448 auch über die Armenkleidung Lamberti. Parallel dazu versah er 1448 sein Amt als Provisor des Almosenkorbs Aegidii. Rokelose ist der einzige der vier in vier verschiedenen Fürsorgeinstitutionen nachweisbaren Provisoren, für den keine Ratstätigkeit nachweisbar ist. Da er aber auch im Magdalenenhospital ein Provisorat übernahm, das wohl grundsätzlich nur Ratsmitgliedern zugänglich war, war wohl auch er Ratsherr. 104 Beteiligt waren die Almosenkörbe Aegidii, Ludgeri und Martini, die Heiliggeistkörbe Lamberti und Überwasser, die Armenkleidung Lamberti, das Antoniushospital, Kinderhaus, das Magdalenenhospital, die Elenden Aegidii, Lamberti und Überwasser sowie die Armenhäuser zur Aa, Speckpfründe Ludgeri, Wegesende, Wessede und Zurwieck. 105 Mit 70 Belegen vor der Täuferzeit sind die Provisoren des Almosenkorbes Aegidii am drittbesten dokumentiert. Vor ihm liegen nur Kinderhaus mit 87 Belegen und das Armenhaus zur Aa mit 80 Belegen. 106 Insgesamt 13 Jahresbelege vor der Täuferzeit.

332

VIII. Interaktion und Kooperation

Ein Blick auf die Kombinationen, nach denen Institutionen personell miteinander verbunden waren, bestätigt diese These. Insgesamt 41 Kombinationen lassen sich feststellen. Die meisten von ihnen sind nur einmalig belegbar. Zweimaliger und dreimaliger Kontakt ist je fünf bzw. sechs Mal nachweisbar, viermaliger Kontakt vier Mal. Die engsten Kontakte pflegten das Magdalenenhospital und Kinderhaus. Neun Provisoren waren in beiden Häusern tätig. Sechs Kinderhauser Provisoren führten außerdem den Heiliggeistkorb Lamberti, in dem auch sechs Provisoren des Magdalenenhospitals nachweisbar sind. Je fünf Kontakte bestanden zwischen der Armenkleidung und dem Heiliggeistkorb Lamberti sowie zwischen der Armenkleidung und dem Magdalenenhospital. Vier Kontakte sind unter anderem für die Armenkleidung und Kinderhaus belegt. Es zeigt sich also, dass Ratsinstitutionen offenbar nicht nur allgemein über zahlreiche Außenkontakte verfügten, sondern sie insbesondere untereinander pflegten. Eine Ausnahme stellt hier allerdings wohl nicht zuletzt auf Grund seiner Überlieferungsituation das Antoniushospital dar. Lediglich zwei seiner Provisoren lassen sich im Magdalenenhospital nachweisen, nur einer in der Armenkleidung Lamberti. Mit drei Kontakten überraschend gut waren hingegen die Beziehungen zum Armenhaus Wessede, das zwar auch in Ratsträgerschaft stand, dessen Provisorate aber nie Ratsämter wurden. Die Beobachtung, dass sich gerade jene Personen in zahlreichen Institutionen wiederfinden, die Provisorate in ihrer Funktion als Ratsherren wahrnahmen, hatte wohl einen einfachen Grund. Anders als die Provisorate der Kirchspielinstitutionen, die oft über viele Jahre hinweg von denselben Personen besetzt wurden, herrschte in den mit einem Sitz im Rat verbundenen Provisoraten eine vergleichsweise hohe Fluktuation. Dies betraf das Magdalenenhospital, das Antoniushospital, das Leprosorium Kinderhaus, die Armenkleidung und in gewissem Umfange auch den Heiliggeistkorb Lamberti.107 Zugleich – und das galt nicht nur für Ratsinstitutionen, sondern grundsätzlich – war es für das Wohl einer Institution von Vorteil, die Provisorate mit Personen zu besetzen, die die dafür nötigen Qualifikationen mitbrachten. Dazu gehörten nicht nur der Besitz der Bürgerschaft, ein guter Leumund und eine entsprechende Bildung, sondern insbesondere auch Erfahrung. Von diesem Interesse geleitet handelten auch die Institutionsträger. Zweifellos war es eine besondere Empfehlung, wenn ein Kandidat durch seinen Dienst in einer anderen Institution bereits mit den praktischen Gepflogenheiten und den alltäglichen Problemen der Provisorentätigkeit vertraut war. Ein interessanter, in seiner Wirkung allerdings wohl auch nicht zu überschätzender Nebeneffekt dieses Phänomens war sicherlich, dass sich die Handhabung und Ausrichtung der Institutionsführung in allen Fürsorgeeinrichtungen – mit Ausnahme der drei Fürsorgeeinrichtungen des Domkapitels – einander sehr ähnelten. Die untereinander kaum differierenden Verwaltungsstrukturen, die die Träger und Fundatoren bereits bei der Gründung normativ festgesetzt hatten, wurden so in der Praxis perpetuiert.

107

Vgl. Kap. II.2.

333

3. Gemeinsame Kassen und gemeinsame Verwaltung Die Zusammenlegung mehrerer Armenhäuser im Armenhaus zur Aa 1354/67 war ein in Münster einmaliger Akt der Zentralisierung. Häufiger war es, Fürsorgeinstitutionen unter eine gemeinsame Verwaltung zu stellen oder aus einer gemeinsamen Kasse zu finanzieren.108 Die betroffenen Einrichtungen bestanden dadurch weiterhin nebeneinander fort, und somit handelte es sich hier weniger um eine institutionelle Zentralisierung als um eine Form der Kooperation. Ebenso möglich war eine umgekehrte Entwicklung, bei der innerhalb einer Institution eine zweite Kasse eingerichtet wurde, die sich schließlich zu einer eigenständigen Institution entwickeln konnte. Die Armenhäuser Hoeker, Tilbeck, Boterman und tor A hatten sich bereits vor ihrem Zusammenschluss im Armenhaus zur Aa unter einer gemeinsamen Verwaltung befunden. Obwohl das Armenhaus tor A ursprünglich von zwei Beginen geführt werden sollte,109 empfing bereits 1333 Alheydis Holemanninch als Hausmutter aller vier Häuser Renten. Ausgestellt wurden dazu allerdings vier Urkunden, die auf nur je ein Armenhaus lauteten. Eine gemeinsame Kasse gab es also offenbar nicht.110 Dies ist der einzige Fall einer gemeinsamen Verwaltung von Institutionen der geschlossenen Fürsorge. Es war wohl die räumliche Trennung, die derartigen Zusammenschlüssen im Wege stand. Anders verhielt es sich mit Institutionen der offenen Armenfürsorge. Sie waren insofern beweglicher, als sie weniger stark an einen Ort gebunden waren. Administrative und ökonomische Kooperationen finden sich hier entsprechend häufiger. Almosenkörbe waren an allen sechs münsterischen Pfarrkirchen angesiedelt. Wenngleich auch sie auf dem Kapital- und Immobilienmarkt aktiv waren, stellten Spenden, die im Rahmen der in den Pfarrkirchen gehaltenen Gottesdienste anfielen, ihre ursprüngliche Einnahmequelle dar. Nach diesen gemeinen Almosen wurden auch die Körbe als „meine almissen“ benannt.111 Von den Besuchern des Gottesdienstes gegeben und von den Körben an die Armen verteilt wurden die Spenden im Namen des zur Nächstenliebe anleitenden heiligen Geistes.112 Entsprechend war der heilige Geist regulärer Namensbestandteil der Heiliggeistkörbe Lamberti und Überwasser sowie der Armenkleidung Lamberti. Zweifellos wurde auch für die anderen Almosenkörbe im Namen des heiligen Geistes gespendet, doch drückte sich dies in ih108

109 110 111 112

Dieses Phänomen ist auch andernorts bekannt. In Aachen etwa wurden in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts ein Leprahaus und zwei Gasthäuser einer Kommission von sechs Provisoren unterstellt, ohne die vermögensrechtliche Eigenständigkeit der Häuser anzutasten. Reicke, Das deutsche Spital, Bd. 1, S. 276. Zuhorn, Beginen, S. 33. Armenkleidung Lamberti, Urk. 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage; Armenhaus zur Aa, Urk. 2, Urk. 3. Klötzer, Kleiden, S. 147; Armut, Not und gute Werke, S. 74. Klötzer, Kleiden, S. 24. Auch die Elende Überwasser wurde unter anderem „uth der gratien und gaven des hilligen geistes“ finanziert. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 150r.

334

VIII. Interaktion und Kooperation

rer Bezeichnung üblicherweise nicht aus.113 Von Anbeginn führte der Almosenkorb Lamberti den heiligen Geist in seinem Namen. Zunächst erscheint er als eine in sich geschlossene Einrichtung.114 1332 aber wird erstmals eine Differenzierung innerhalb der Institutionsstruktur erkennbar. In diesem Jahr verfasste Goswin von Klanktorp sein Testament. Unter anderem verfügte er: „Item ad sanctum spiritum in ecclesia sancti Lamberti, tam ad elemosinas quam ad vestimenta, do similiter et lego decem et octo marcas.“115 Unter dem Dach des heiligen Geistes befanden sich inzwischen also zwei Institutionen, mindestens aber zwei voneinander getrennte Kassen. Beide finanzierten sich nach wie vor aus den im Namen des heiligen Geistes gegebenen Spendengeldern, verfolgten aber nicht mehr dieselbe Ausgabenpolitik. Aus der einen wurden weiterhin gemeine Spenden, etwa von Brot, finanziert, die andere hatte sich auf den Einkauf und die Verteilung von Tuch spezialisiert.116 Entsprechend gaben Zustifter fortan auch die nähere Bestimmung ihrer Spende an.117 Noch 1327 hatten die Einnahmen 113

So sprechen die Grutamtsrechnungen von 1480 etwa von dem „hilghen gheiste to suncte Lamberte“, von „vnses stades kleydinge ton hilghen geiste“ und dem „hilgen geyste Ouerwater“, zugleich aber von den „almysseners to suncte Ylien“ und dem „meynalmyssen to suncte Merten“. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 171–176. Der heilige Geist von Überwasser bezieht sich zu diesem Zeitpunkt wohl nicht mehr auf den Almosenkorb, sondern auf das Armenhaus Zurwieck. – Allein die Verwahrer des Almosenkorbes Martini wurden 1371 und 1372 je einmal als Provisoren „sancti spiritus ecclesie sancti Martini“ und als Provisoren „elemosinarum sancti spiritus“ bezeichnet. MUB 208; MUB 215. Die Insassen des Armenhauses Speckpfründe Ludgeri, das sich aus dem Almosenkorb entwickelt hatte, erschienen 1679 als die „armen s. spiritus“. Klötzer, Kleiden, S. 124. 114 1287 bestätigte der Rat den Empfang einer Rente und erklärte, sie zur Verbesserung der im Namen des heiligen Geistes verteilten Almosen („ad augmentationem elemosine, que in ecclesia sancti Lamberti Monasteriensis nomine sancti spiritus offerri consuevit“) zu verwenden. Verteilen sollten die Rente die „provisores elemosine sancti spiritus“. WUB 3, Nr. 1319. 1312/13 gab Theodor von Linden, Propst von St. Mauritz, nach Ausweis seines Testaments eine Mark „ad sanctum spiritum“. WUB 8, Nr. 740. 1316 bestimmte Bischof Ludwig, dass wenn die Kollation der neueingerichteten Vikarie in der Lambertikirche nicht rechtzeitig erfolge, die Einkünfte des Vikars „in usus et refectionem pauperum in nomine sancti spiritus“ verwendet werden sollten. WUB 8, Nr. 1036. Und 1327 beurkundete der Stadtrat die Einziehung einer Rente durch die Provisoren „rerum ac bonorum sancti spiritus apud sanctum Lambertum“. LAV NRW W, Msc. VII, Nr. 1016, fol. 70v. 115 Kirche St. Martini, Urk. 1. 116 In der Nachtäuferzeit wurde von Ratswegen aus ihrem Fonds Wolltuch gekauft und vor Beginn des Winters stadtweit an die Armen verteilt. Klötzer (Kleiden, S. 43) schätzt den Empfängerkreis auf 500 bis 600 Personen. 117 So bestimmte Wylhelmus van den Broke 1346 testamentarisch eine Rente von 6 Schillingen zu Ehren des heiligen Geistes „apud ecclesiam sancti Lamberti“, die „ad elemosinas inter pauperes distribuendas“ verwendet werden sollte. MUB 129. Auch Bernhard Blomenzaet, Pfarrer von Lamberti, vermachte dem heiligen Geist von Lamberti nach 1351 Renten von insgesamt 18 Pfennigen „ad communem elemosinam“. BAM, Pfarrarchiv Lamberti, Notata bursae Lambertinae, fol. 71r. Vgl. Findbuch J 015b, S. 13f. Und die Witwe Margareta tor A überwies dem heiligen Geist 1361 den vierten Teil

3. Gemeinsame Kassen und gemeinsame Verwaltung

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des heiligen Geistes unter nur einem Provisorenpaar gestanden. Spätestens 1358 aber hatte auch hier eine Differenzierung eingesetzt, denn fortan zeichnen die Provisoren nur noch für den Korb verantwortlich.118 Tatsächlich hatte die Armenkleidung wohl entweder von Anbeginn, also seit etwa 1327/32 eine eigene Verwaltung, oder eine solche wurde vor 1358 in Reaktion auf die Pest und damit in jener Reformphase eingerichtet, in der der Stadtrat auch das Armenhaus zur Aa und das Antoniushospital gründete. Sind eigene Provisoren für den Heiliggeistkorb recht früh belegt, so ist dies für die Armenkleidung allerdings erst ab 1381 der Fall.119 Während der Stiftsfehde von 1450/57 oder nur kurze Zeit danach scheint der Stadtrat die Armenkleidung enger an sich gebunden zu haben.120 Der Ratsbezug wurde fortan zum Namensbestandteil. So wurden ihre Provisoren vom Rat 1476 als „verwarere des hilgen geistes kledinge vnsses stadz“ bezeichnet, die Institution selbst 1480 als „vnses stades kleydinge ton hilghen geiste“.121 Auch die Bezeichnungen für den Heiliggeistkorb durchliefen einen Wandel. Wurden seine Provisoren zunächst gewöhnlich als Verwahrer des Almosens des heiligen Geistes bezeichnet, so setzte sich im zweiten Viertel des 15. Jahrhunderts die Bezeichnung „vorwarer des hilgen geistes vnd der meyn almyssen“ durch.122 Dies mag darauf hindeuten, dass der Heiliggeistkorb nicht nur die Almosenverteilungen organisierte, sondern auch die Spendensammlungen im Namen des heiligen Geistes durchführte und der Armenkleidung ihren Anteil abtrat. Jedenfalls konnte der Korb auch ohne Verweis auf das Almosen schlicht als „hilghen gheiste to suncte Lamberte“ bezeichnet werden, wähdes Hofes Huvyngh im Kirchspiel Roxel, dessen Einnahmen „vsibus elemosinarum“ verwendet werden sollten. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 13r. 118 Wie das vor diesem Jahr aufgestellte Rentenregister des Armenhauses zur Aa ausweist, hatte das Armenhaus Boterman bereits vor seiner Auflösung von den „provisores elemosinarum sancti spiritus in ecclesia sancti Lamberti“ eine Rente von 3 Schillingen und 6 Pfennigen bezogen. MUB 156, Nr. 3. Kinderhaus bezog 1365 von den „provisores elemosinarum sancti spiritus in parrochia sancti Lamberti“ eine Rente von 6 Schillingen. MUB 180, Nr. 23. Und Johannes Porthenere, seine Frau und seine Söhne verkauften 1378 dem Hinricus Scotelmannynch und dem Johannes den Bleken als „provisoribus elemosinarum sancti spiritus in ecclesia sancti Lamberti“ eine Rente von einer Mark. MUB 246. 119 Am 26. April dieses Jahres bekannten Gertrudis Melies und ihre Tochter Gertrudis, dass ihnen für eine Rente von 14 Schillingen die Ratsherren Johannes Travelmanning und Joannes Hoynch als „provisores vestitus pauperum sancti spiritus in ecclesia sancti Lamberti“ auf ihrer beider Lebenszeit ein der Armenkleidung gehörendes Haus im Kirchspiel Aegidii verpachtet hätten. MUB 258. 1437 kauften Lubbert Travelman und Johannes Prumbome als Verwahrer des heiligen Geistes „thor kleidung“ von Aleke, Witwe des Johannes de Voggedes, und ihren Kindern eine Rente von 4 Mark. MUB 644. 1448 erschienen Johan de Rokelose und Johan van Grolle als vom Stadtrat ernannte „verwarre der cledinge der armen“, Egbert Cleyvorn und Johan Wulfardes 1451 als „vorwarernn der cledinge de hilgen geistes to sunte Lamberte“. Armenkleidung Lamberti, Urk. 6, Urk. 7. 120 Klötzer, Kleiden, S. 43f. 121 Armenkleidung Lamberti, Urk. 9; Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 176. 122 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 51r. Vgl. MUB 631 (1436); MUB 659 (1438); Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 54v (1448), fol. 63r (1456).

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VIII. Interaktion und Kooperation

rend für die Kleidung die Bezeichnung „kleydinge ton hilghen geiste“ obligatorisch blieb.123 Spätestens nach der Stiftsfehde und während der Seuche von 1458/59 kam für den Heiliggeistkorb eine weitere Bezeichnung hinzu. Am 19. August 1458 versprachen Bernt Gruter und Johan Heyne, Verwahrer der Lambertikirche, die Zahlung einer Rente von einem Gulden. Empfänger der Rente sollten Johannes Wulfardes und Johannes Liderman sein, Verwahrer des heiligen Geistes der Speckpfründe („speckproven“) und des gemeinen Almosens. Auch verwenden sollten sie sie für die Speckpfründe und das Almosen.124 Erneut war also unter dem Dach des heiligen Geistes eine eigene Kasse aufgemacht worden, die der Verwaltung des Heiliggeistkorbes unterstand. Diese dritte Kasse war so bedeutend, dass die Speckpfründe in der Folgezeit zum wesentlichen Namensbestandteil des Korbes wurden.125 Da die Almosenkasse parallel weiter bestand, war es wieder erforderlich, bei Spenden und Zustiftungen den genaueren Verwendungszweck anzugeben, nämlich ob sie „to behoff der soluen almyssen“126 oder „to behoiff derseluen speckprouende“127 verwandt werden sollten. Die Funktion der neuen Kasse bestand darin, einer festgeschriebenen Zahl von Armen eine regelmäßige Leistung (Pfründe) in Form von Speck zu erbringen. Verteilt wurde der Speck am Sonntag in der Lambertikirche. Anders als bei den nach wie vor durchgeführten allgemeinen Verteilungen aus der Almosenkasse standen diese Leistungen also nicht jedem Armen offen, sondern lediglich einer eng umrissenen und in den Rechnungsbüchern verzeichneten Gruppe von Armen. Als die Vergabe der Speckpfründen nach der Täuferzeit wieder aufgenommen wurde, waren 1537 zunächst 88 Arme empfangsberechtigt, doch steigerte sich die Zahl noch im selben Jahr auf 96. 1544 und 1545 waren 112 Arme in den Listen eingeschrieben, in den darauffolgenden Jahren 115 bis 118. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhun-

123 124 125

126 127

Beide Beispiele sind den Grutamtsrechnungen des Jahres 1480 entnommen. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 171, S. 176. LAV NRW W, Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.), Familie Mensing, Urk. 23. 1476 bestätigten die „verwarers der almissen des hilligen geistes to sunte Lamberte tor speckprouende“, dass die Provisoren des Almosenkorbes Martini von ihnen eine Rente quittgekauft hätten, sodass „de speckprouende vnd verwarers des hilgen gheistes to sunte Lamberte“ fortan keine Rentenansprüche mehr aus dem Martinialmosen hätten. Almosenkorb Martini, Urk. 1. Dies galt bisher als Erstbeleg der Speckpfründe. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 22. 1481 erschien der Korb als „meynalmyssen des hilgen geistes speckproende in sunte Lambertz kercken“, ein Jahr darauf als „speckproende to sunte Lamberte“, 1489 schließlich als „speckproende des hilgen geistes“. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 18v, fol. 19r, fol. 34v. – Klötzer (Kleiden, S. 24) kritisiert zu Recht, dass Black (Speckpfründe Lamberti, S. 24) den Begriff Speckpfründe bereits auf das 13. und 14. Jahrhundert anwendet. Entsprechend wurde in dieser Arbeit der Begriff des Heiliggeistkorbes geprägt, der den Formulierungen dieser Jahrhunderte näherkommt. Um die terminologische Kontinuität zu wahren, wurde der Begriff hier ebenso auf die Zeit nach der Stiftsfehde angewandt, obwohl er der zeitgenössischen Terminologie fortan eigentlich nicht mehr entspricht. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 19r. Beispiel von 1482. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 30v. Beispiel von 1490.

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derts schwankten die Zahlen zwischen 113 und 149 Berechtigten.128 Der Anlass zur Verpfründung eines Teils der Einnahmen ist wohl in der Stiftsfehde zu suchen. Am 18. Juli 1454 starben 118 Münsteraner in der Schlacht bei Varlar.129 Etwa ebenso viele Frauen dürften an diesem Tag zu weitestgehend einkommenslosen Witwen geworden sein. Damit war eine klar umgrenzte Gruppe von unschuldig und dauerhaft Bedürftigen entstanden, die in ihrer Größe eben jener Zahl entsprach, die auch noch nach der Täuferherrschaft beköstigt wurde. Damit bestanden an der Lambertikirche im ausgehenden 15. Jahrhundert mit der Armenkleidung und dem Heiliggeistkorb zwei Institutionen der offenen Armenfürsorge, wobei letzterer den Almosenkorb und die Speckpfründe unter sich vereinte. Im Verlauf des 16. Jahrhunderts änderte sich dies. Nach der Eroberung Münsters 1535 schaffte der Bischof die Ratswahlen ab und bestimmte nun selbst über seine Zusammensetzung. Erst ab 1554 fanden wieder freie Ratswahlen statt.130 Im selben Jahr beschloss der Rat die administrative Zusammenlegung von Armenkleidung und Heiliggeistkorb, die zwar noch getrennt voneinander die Rechnungsführung betrieben, fortan aber in Personalunion von denselben Provisoren und Emonitoren verwaltet wurden.131 Wie im Kirchspiel Lamberti, so war auch im Kirchspiel Überwasser der Almosenkorb dem heiligen Geist geweiht. Er dürfte sich damit ursprünglich aus in der Überwasserkirche anfallenden Spenden finanziert haben.132 Ähnlich wie der Heiliggeistkorb Lamberti hatte er seinen Ursprung wohl bereits im 13. Jahrhundert, wo er die Spenden für die Armen jenseits der Aa organisierte, während der Lambertikorb diesseits der Aa aktiv war. Erstmals erwähnt wird der Heiliggeistkorb Überwasser allerdings erst 1327.133 1334 finanzierten die „provisores et dispensatores reddituum et bonorum sancte spiritus parrochie sancte Marie” vier Renten von je einem Schilling für die Armenhäuser tor A, Tilbeck, Boterman und Hoeker. Würden die Häuser einmal niedergerissen werden oder leerstehen, dann sollten die „provisores antedictos sancte spiritus“ die Renten jedoch anderweitig verwenden, nämlich „ad

128

Speckpfründe Lamberti, Akten 5, S. 25f., S. 31ff.; Klötzer, Kleiden, S. 20, S. 25f.; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 56, S. 112f. 129 Jakobi, Bevölkerungsentwicklung, S. 495. 130 A II, Nr. 0, fol. 56r–56v. 131 Klötzer, Kleiden, S. 335f.; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 67. 132 Außerdem gab es in Überwasser eine Heiliggeistbruderschaft. Die ehemalige Täuferin Hille Konnincks bezeichnete sich in ihrem Testament 1539 als Mitglied derselben. Kirchhoff, Die Täufer in Münster, Nr. 335. In wieweit ein Zusammenhang mit dem Heiliggeistkorb bestand, ist unbekannt. 133 Am 29. August dieses Jahres verpachtete ein gewisser Thidericus als „officiatus sancti spiritus“ unter der Zeugenschaft eines Arnoldus, „exercente agriculturam ad sanctum spiritum“, einen vor dem Frauentor gelegenen Kamp genannt „Gherlichescamp“ auf zwölf Jahre an einen Johannes und seine Frau Aleydis. MUB 67. Thidericus und Arnoldus waren wohl die Provisoren des Korbes. Vgl. MUB, S. 334. 1332 erschien der Heiliggeistkorb Überwasser im Testament des Goswin von Klanktorp: „Item ad sanctum spiritum Transaquas sancte Marie quatuor marcas.“ Kirche St. Martini, Urk. 1.

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VIII. Interaktion und Kooperation

vestimenta pauperum“.134 Auch der Heiliggeistkorb Überwasser verwendete also einen Teil seiner Einnahmen für die Einkleidung der Armen, doch führte dies anders als bei seiner Schwestereinrichtung im Kirchspiel Lamberti nicht zur Herausbildung einer eigenen Institution. Ein Grund dafür war wohl die Errichtung des Armenhauses Zurwieck, das die Einnahmen des Korbes langfristig band. Erstmals 1346 als Armenhaus „thor Wyck“ erwähnt,135 ging es zweifellos auf eine private Stiftung eines Mitglieds der Erbmännerfamilie Zurwieck zurück. Der Stifter war wohl entweder Adolphus de Wyck, der von 1330 bis 1342 unter anderem als Richtherr für das Kirchspiel Überwasser im Stadtrat saß, oder Engelbrecht van der Wieck, der 1346 und 1348 als Bürgermeister belegt ist.136 Das Armenhaus dürfte zunächst von den Provisoren des heiligen Geistes mitverwaltet worden sein,137 eigene Provisoren hatte es vorerst offenbar nicht. 1518 aber zeigte sich eine ganz andere Verwaltungsstruktur, denn inzwischen bestand der Kirchenrat aus drei Ämtern, nämlich den Templern, den Almosenprovisoren und den Provisoren des Armenhauses, die zugleich die Einnahmen und das Siegel des heiligen Geistes verwalteten.138 Es stellt sich also die Frage, wann der Kirchenrat dahingehend umgebaut worden war, dass das Armen134

Armenkleidung Lamberti, Urk. 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage; Armenhaus zur Aa, Urk. 2; Urk. 3. 135 Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 27r–27v. 136 MUB 70; Schedensack, Armenhaus zur Aa, S. 230; Schmitz-Kallenberg, Inventare Coesfeld, Nachträge, S. 349. Klötzer (Kleiden, S. 93, S. 296) geht hingegen von einer Kirchspielgründung aus dem Fonds des heiligen Geistes aus. Auch Prinz (Mimigernaford, S. 198) und Black (Speckpfründe Lamberti, S. 76) vermuten, das Armenhaus sei aus dem Pfarrvermögen der Überwasserkirche hervorgegangen. Die Bezeichnung des Hauses weist aber klar auf eine private Stiftung. Vgl. Liese, S. 162. Prinz (Mimigernaford, S. 198, S. 200) führt den Namen Zurwieck auf eine im 12. Jahrhundert bestehende kleine Vorsiedlung des Bispinghofes zurück – für die es keinerlei Hinweise gibt – oder alternativ auf Engelbertus van der Wyck, einer der vier Stifter des 1429 eingerichteten geistlichen Offiziums. Tatsächlich führte das Armenhaus diesen Namen aber bereits 1346. 137 Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 85; Black, Speckpfründe Lamberti, S. 75. 138 Am 22. Mai dieses Jahres verkauften Ludger ton Bryncke und Hinrich Roede als Templer und Kirchenräte, Johan Kerckerinck und Rickquyn Meynershagen als Provisoren „des hilgen geystes vnd der armen vppen Honekampe des huses tor Wyck“ und Herman Nyehoff und Severinus Horstman als Verwahrer „der gemeynen almyssen vnser leuen vrouwen kercken Ouerwater“ eine Rente von 2 ½ Gulden an den Kleriker Hinrich Apperloe. Die sechs „templerers, prouisores vnd almysseners“ räumten Apperloe weiterhin ein, die Rente fortan „vt vnd van vpkumpst der vorgerorden dryer vnser kercken ampte“ einzufordern. Als Sicherheit sollte das Grundstück der neu errichteten Elende Überwasser dienen, für die die Kapitalsumme von 50 Gulden verwendet wurde. Besiegelt wurde die Urkunde von den Verwahrern des heiligen Geistes mit „des vorgerorden hilgen geystes jngesegel“. Elende Überwasser, Urk. 2. Eine ähnliche Verwaltungsstruktur des Kirchenrates zeigt sich in der ältesten Jahresrechnung des Almosenkorbes von 1539. Hier legten die beiden „prouisores“ des Korbes den Schöffen des Kirchspiels in Anwesenheit der beiden „kerckreden“ und der beiden „prouisores pauperum upnn Honekampe“ die Rechnung vor. Almosenkorb Überwasser, Akten 1, fol. 1r.

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haus zwei eigene Provisoren zugesprochen bekam und die Einnahmen des heiligen Geistes vom Almosenkorb auf das Armenhaus übertragen wurden. In der Mitte des 14. Jahrhunderts befanden sich die Einnahmen des heiligen Geistes noch in der Hand der Almosener. Gemäß des vor 1358 abgefassten Rentenregisters des Armenhauses zur Aa erhielten die Armenhäuser Boterman und tor A je eine Rente von 2 Schillingen von den „provisores elemosinarum sancti spiritus in parrochia sancte Marie“.139 Und noch 1382 erschienen Hinrich Honekampe und Johan Schilde als Verwahrer „der almissen des hillighen gheystes in unser vrowen kerken over water“.140 Spätestens 1428 aber hatte das Armenhaus zwei eigene Provisoren, die bereits den heiligen Geist verwalteten. Erwähnt werden sie als „verwarre des hilgen geistes in unser leyven vrowen kerspele und der armer lude tor Wyck up den Honekampe“.141 Ein Jahr später bestätigte der Stadtrat die Einrichtung einer Priesterstelle, deren Inhaber an einem Tragaltar im Armenhaus für die Armen die Messe lesen sollte. Geweiht war der Altar dem heiligen Geist.142 In Folge des Übergangs des heiligen Geistes auf das Armenhaus erschien der Heiliggeistkorb fortan lediglich als einfacher Almosenkorb.143 Bereits im 1411 angelegten Rentenregister des Almosenkorbes Aegidii wurde der Korb lediglich als „elemosina Transaquas“ und als „meynalmissen Ouerwater“ bezeichnet.144 Die Verwaltungsreform dürfte also zwischen 1382 und 1411 vonstatten gegangen sein. Doch der Zeitraum lässt sich noch genauer einschränken, denn für das Jahr 1406 ist mit Henrich Marquardingh erstmals ein Provisor für das Armenhaus belegt.145 Fraglich bleibt allerdings, ob der Kirchenrat ursprünglich vier Personen umfasste und nun erweitert wurde oder ob die Verwaltungsreform lediglich in einer Neuordnung der Aufgabenbereiche bestand. Den Anlass für den Umbau gaben aber wohl der zweite Pestausbruch von 1382 und der große Stadtbrand von 1383. Beide Ereignisse brachten zahlreiche Menschen in Münster in eine Notlage, die es erforderlich machte, die Armenfürsorge im Kirchspiel Überwasser aufwändiger zu betreiben, als es bisher der Fall gewesen war. Wurde das Armenhaus Zurwieck in den ersten Jahren seines Bestehens vom Heiliggeistkorb Überwasser mitverwaltet, so orientierte man sich an einem Modell, das auch auf das Armenhaus Zumbusch angewendet wurde. Als der Ratsherr Wilhelmus de Busche es 1337 stiftete, bestimmte er: 139 140 141 142 143

MUB 156, Nr. 10, Nr. 13. MUB 262. Prinz, Mimigernaford, S. 199. A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v; Armenhaus Zurwieck, Akten 2. So firmierten Johannes Dickenberge und Gerlage Raterdes 1438 als Verwahrer des gemeinen Almosens der Überwasserkirche. MUB 662. Auch in der ältesten Jahresrechnung des Korbes von 1539 erscheint er schlicht als „communis eleemosyne Trans­ aquas“. Almosenkorb Überwasser, Akten 1, Deckblatt. Auch für den Almosenkorb Überwasser ist der Begriff „Heiliggeistkorb“ also ab dem 15. Jahrhundert anachronistisch, wurde hier aus Gründen der Nachvollziehbarkeit aber dennoch beibehalten. 144 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 6v, fol. 20r. 145 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Urk. 22.

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VIII. Interaktion und Kooperation

„Cuius domus curam et custodiam duobus provisoribus elemosinarum parrochie sancti Martini predicti et seniori meo consanguineo, civi Monasteriensis, de latere gladii, pro tempore existentibus committo, qui huismodi pauperculas mulieres domum recipiant ad candem, cum opus fuerit, sed tamen numerum predictum excedere non debebunt.“146

Der Almosenkorb Martini wird hier erstmalig genannt, weist mit zwei Provisoren aber bereits die übliche Verwaltungsstruktur auf. Träger der Institution war das Kirchspiel Martini. Es bedurfte also der Zustimmung seiner Vertreter, als die Provisoren der Gründung des Armenhaus zustimmten und – auch dies spricht für eine voll ausgebildete Verwaltung – die Fundation mit dem dem Almosenkorb eigenen Siegel bestätigten.147 Tabelle 14: Provisoren des Almosenkorbes Martini und des Armenhauses Zumbusch Jahr

Provisor Almosenkorb Martini Provisor Armenhaus Zumbusch

1339 1369 1372 1377 1394 1394/99 1411/12 1411/14 1416/17 1420 1423 1425/26 1428 1429 1432

Kerstianus Frederking Lubbertus de Horstmaria Gerd van der Wunne Johan Zyckeman Herman Vorsthove Gerd tor Wunne Johan Zickeman Herman Bokemole, Johan de Pape, Hinrich van den Busche Herman Bokemole Johan de Pape Johan van Werden Johan de Pape Johan van Werden Johan de Pape Johan van Werden Bernd Dethardinck Johan van Werden Bernd Dethardinck Johan van Werden Bernd Slepestrate Johan van Werden Bernd Slepestrate Johan van Werden Bernd Slepestrate Johan van Werden Johan van Werden Hinrich van Kamen

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Provisor Almosenkorb Martini Provisor Armenhaus Zumbusch

„Die Sorge und Aufsicht über dieses Haus übergebe ich den beiden Almosenprovisoren des vorgenannten Kirchspiels Sankt Martini und meinem ältesten Blutsverwandten nach Schwertseite (d.i. patrilinear), Bürger von Münster, wer diese derzeit auch sein werden, die die unbemittelten Frauen in das Haus zum Lobe (Gottes), wenn es nötig ist, aufnehmen sollen, aber die vorgenannte Zahl dennoch nicht überschreiten dürfen.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1. „Et nos Christianus Frederkinch et Lubbertus Witgherwere, provisores elemosinarum dicte parrochie sancti Martini Monasteriensis, recognoscimus, nos de scitu, iussu ac voluntate proborum virum parrochie sancti Martini Monasteriensis sigillum elemosinarum ibidem in testimonium premissorum presentibus appendisse.“ Armenhaus Zumbusch, Urk. 1.

3. Gemeinsame Kassen und gemeinsame Verwaltung 1444 1448/51 1462 1462 1466/68 1466/68 1469/73 1472 1476/79 1476/79 1481 1481 1487 1489 1496 1497/1513 1497/1513 1515/19 1522 1530 1530/32 1538 1538

Johan van Werden Bernd Kerkerinck Johan Bischopinck Johan Bischopinck Peter Hubertz Peter Hubertz Johan Bischopinck Johan Bischopinck Johan Koddeken Johan Koddeken Hinricus van den Beuerghern Hinricus van den Beuergern Kerstien Kerkerinck Kerstien Kerkerinck Heidenrich Kerkerinck Bernd (Gert) Kerkerinck Bernd (Gert) Kerkerinck Bernd (Gert) Kerkerinck Hinrich Messeman Henrich Rodtgers Henrich Rodtgers Herman Redegelt Herman Redegelt

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Heidenrich Kerkerinck Hinrich Hilgensnider Hinrich Hilgensnider Hinrich Hilgensnider Hinrich Hilgensnider Hinrich Hilgensnider Kerstien Kerkerinck Kerstien Kerkerinck Kerstien Kerkerinck Kerstien Kerkerinck Herman tor Helle Herman thor Helle Herman tor Helle Herman thor Helle Herman tor Helle Herman tor Helle Herman thor Helle Anthonius (Thonyes) Yonaes Anthonius (Thonyes) Yonaes Anthonius (Thonyes) Yonaes Anthonius (Thonyes) Yonaes Hinrick Yonaes Hinrick Yonaes

Die Bestimmungen des Stifters, das Armenhaus Zumbusch von drei Provisoren führen zu lassen, wurden nur mittelfristig erfüllt. Allein 1394 erscheint neben den Almosenern Herman Bokemole und Johan de Pape mit Hinrich van den Busche auch ein Mitglied der Stifterfamilie.148 Doch bereits bei der zweiten Erwähnung im Jahre 1411 standen mit Johan de Pape und Johan van Werden nur noch die Almosener im Provisorat.149 Anders als im Falle des Armenhauses Zurwieck blieb diese gemeinsame Verwaltungsstruktur von Almosenkorb Martini und Armenhaus Zumbusch während des gesamten Mittelalters unverändert. Die Almosener des Korbes waren immer zugleich Provisoren des Hauses.150 Entsprechend häufig erscheinen

148 Sie werden erwähnt als „hoderen des huses der armen lude van den Busche, dat beleghen is bi den kerchove to zunte Mertine“. Armenhaus Zumbusch, Urk. 19. Im selben Jahr verkauften Hinrich und seine Frau Mette dem Almosenkorb Martini eine Rente von 1 Mark. Armenhaus Zumbusch, Urk. 21. Sein Siegel mit der Umschrift „SIGILLV(M) hINRICII DE BVSSChE“ ist noch gut erhalten. 149 MUB 419. 150 Für das 16. Jahrhundert vgl. Klötzer, Kleiden, S. 56, S. 337.

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VIII. Interaktion und Kooperation

sie in den Quellen als „almisseners der kercken to sunte Mertyn vnd verwarers des huses ton Bussche“.151 Doch nicht nur wurden beide Fürsorgeinstitutionen in Personalunion geführt, auch die Verwaltung und Wirtschaftsführung beider Institutionen wurde zusammengelegt. Ein 1530 angelegtes Rentenregister des Almosenkorbes enthielt etwa die Hausordnung des Armenhauses.152 Und in dem vor 1401 angelegten Rentenregister des Almosenkorbes finden sich auch die Einnahmen des Armenhauses.153 Fraglich ist hingegen, ob auch das Armenhaus Wegesende in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens von den Provisoren des Almosenkorbes Martini mitverwaltet wurde. Einziges Indiz hierfür ist eine 1395 ausgestellte Urkunde, nach der die Almosener eine Rente „to behof der meynen almyssen und der armen lude to Wegesende“ kauften.154 Doch wahrscheinlich handelte es sich hier lediglich um eine auf beide Institutionen sprechende Rente, die vom Almosenkorb auch im Namen des Armenhauses Wegesende eingenommen wurde, zumal die ab 1417155 belegten Provisoren des Armenhauses keinerlei Überschneidungen mit denen des Korbes aufweisen. Zudem gibt es keinerlei Hinweise, dass das Armenhaus Wegesende, das im 16. Jahrhundert nachweislich dem Stadtrat unterstand, zwischen 1395 und 1417 oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt einen Trägerwechsel durchlief. Dafür wies der Almosenkorb Martini seinerseits eine hohe Einbindung in die Strukturen der Kirche auf. Als 1369 ein Rentenregister für die Martinikirche erstellt wurde, geschah dies nicht nur durch den „deeken“ und die beiden „werclude der tymmeringhe“, sondern auch durch die beiden „aelmysseneyr“. Sie verzeichneten zunächst „de rente, de unse tymmeringhe allene hevet“, danach „de renthe, de unse tymmeringhe met der meyn aelmyssen hevet“ und schließlich „de renthe, de unse meyn aelmysse allene hevet“. Die gemeinsame Registerführung war also insbesondere deshalb von Vorteil, weil Kirchenzimmerei und Almosenkorb regelmäßig gemeinsame Renten zugesprochen bekamen.156 Das bereits erwähnte Rentenregister von vor 1401 zeigt allerdings, dass sich Zimmerei und Korb schon bald voneinander

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Almosenkorb Martini, Urk. 1. Urkunde vom 20. April 1476. Der Almosenkorb wurde grundsätzlich vor dem Armenhaus genannt. MUB 372. „De domo quodam Gerhardi Roven 16 s. Tercia pars ibit ad domum pauperum dictam ten Busche.“ „Johan de nagelsmyt de domo sua 9 s. annuatim. Tercia pars pertinet ad pauperibus ton Busche.“ „De domo Hermanni Horters 1 M geldes. De helfte is der armen ton Busche.“ „Arnd up den Oerde 18 s., des solen hebben de armen lude ten Busch 6 s., ut des hilligen kampe.“ „Dat de almese hebbe ute Hermans hus des Hortters, de belghen is vo(r) sunte Mauricius porten, ene marck geldes, dey erme lude hallef is to den Busche“. MUB 375, Nr. 15, Nr. 40, Nr. 42 (Nachtrag 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts), Nr. 74, Nr. 144 (Nachtrag Mitte des 15. Jahrhunderts). Armenhaus Wegesende, Urk. 5. MUB 446. MUB 197.

3. Gemeinsame Kassen und gemeinsame Verwaltung

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emanzipierten. Bereits 1383 kauften beide Institutionen letztmalig eine gemeinsame Rente.157 1399 verkaufte die Zimmerei dem Korb gar eine Rente von 18 Schillingen.158 Auch der Almosenkorb Ludgeri war in hohem Maße in die Strukturen seines Kirchspiels integriert. So wurde das Almosenprovisorat spätestens 1572 in Personalunion mit der Wegemeisterei wahrgenommen. Beide verfügten über eine gemeinsame Kasse, aus der sowohl die Ausgaben für die Armen wie auch für den Wegebau bestritten wurden.159 Erstmals erwähnt wurde ein Almosener in der Ludgerikirche im Mai 1350.160 Nach dem Vorbild des Heiliggeistkorbes Lamberti richtete der Almosenkorb vielleicht schon in Reaktion auf die Stiftsfehde eine eigene Kasse für Speckpfründner ein. Belegbar ist sie allerdings erst für das Jahr 1503.161 Überliefert ist die entsprechende Urkunde in einer von dem Notar Johan Kremer angefertigten Abschrift, die der einzige Eintrag in einem später angelegten Kopiar ist, in dem die „renthe vnd vpkumpsten der armen tor speckprouen to sunte Ludger“ verzeichnet werden sollten.162 Warum das Kopiar nicht weitergeführt wurde, ist unklar. Der Grund ist aber wohl darin zu suchen, dass die Speckpfründe Ludgeri in der Folgezeit die Umwandlung von einer Institution der offenen in eine der geschlossenen Armenfürsorge durchlief. Spätestens 1532 war dieser Funktionswandel vollzogen, als Hinrich Sterneman alle Insassen der münsterischen „armeludehueße“ in seinem Testament bedachte und entsprechend auch jedem der sieben Armen „vp dem Vorschepoell“ einen Schilling vermachte.163 Ein drittes und letztes Mal vor Beginn der Täufer­herrschaft wurde die Speckpfründe Ludgeri erwähnt, als Hinrich Modersohn und seine Frau Margarete, die selbst im Ludgerikirchspiel wohnten, am 26. März 1533 den Provisoren und Verwahrern der „speckprouen Ludgeri“ eine Rente verkauften.164 Eine administratorische Verbindung mit dem Almosenkorb Ludgeri bestand zu dieser Zeit sicherlich nicht mehr, denn agierten hier Hinrich Bispinck und Egbert Volbert als Provisoren, so waren 1531 nicht sie die Almosener 157 158 159 160

MUB 267. MUB 356. Vgl. Black, Speckpfründe Ludgeri, S. 311. Klötzer, Kleiden, S. 57. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf. Im Juni 1375 schenkte die Witwe Cristina Cleve den „provisoribus elemosinarum ecclesie sancti Ludgeri“ eine Rente von 3 Schillingen „ad communes elemosinas“. Almosenkorb Ludgeri, Urk. 1. Und im Oktober 1380 erschienen Hermannus Wenth und Lambertus Hoboldynch als „provisores communis elemosine ecclesie sancti Ludgeri“. Almosenkorb Ludgeri, Urk. 2. 161 Am 16. November dieses Jahres verkauften Diderich van Horne und seine Frau Ideke dem Hinrich Byspinck und dem Johan Mummen als „vorwarers nutortyt der speckpro­uende tho sunte Ludger bynnen Monster“ für 120 Gulden eine Rente von 6 Gulden. BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Karton 35, Kopiar der Speckpfründe Ludgeri, fol. 2r–3v. 162 BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Karton 35, Kopiar der Speckpfründe Ludgeri, fol. 1r. 163 LAV NRW W, Domkapitel Münster, Nr. 651, fol. 17r. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 122ff. Auf dem Verspohl ist das Armenhaus in späterer Zeit belegt. Vgl. Armut, Not und gute Werke, S. 130. Jakobi e.a. (Stiftungen und Armenfürsorge, S. 7) sehen den Beleg für ein Armenhaus erst in der Nachtäuferzeit. 164 Speckpfründe Ludgeri, Urk. 2. Das Ehepaar erfüllte damit ein Vermächtnis über 40 Goldgulden des verstorbenen Herman Beerhorst zu Gunsten der Speckpfründe.

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VIII. Interaktion und Kooperation

von Ludgeri, sondern Godeke Travelman und Herman Garthus.165 Entsprechend erscheinen beide Funktionen auch später als zwei voneinander getrennte Ämter.166 Spätestens 1507 betrieb die Speckpfründe außerdem eine eigenständige Rechnungsführung.167 Als Stifterin des Armenhauses nennt der Chronist Kerssenbrock die „vidua Swenthovelsche“.168 Sie war es, die den Beziehern der Speckpfründe ein Wohnhaus im Verspohl zur Verfügung stellte.169 Anna Swichtenhovel war die Frau des zwischen 1504 und 1520 verstorbenen Herman Swichtenhovel.170 1535 wurde aus Annas Besitz, weil sie als Täuferin galt, eine Rente beschlagnahmt und dem Armenhaus zur Aa zugeschlagen.171 Zum Zeitpunkt der Stiftung, die vor 1532 erfolgt sein muss, lebte sie also noch. Es ist demnach davon auszugehen, dass Anna Swichtenhovel, nachdem ihr Mann verstorben war, ihr Wohnhaus auf dem Verspohl nach 1520 der Speckpfründe Ludgeri übergab, um danach vielleicht in das Armenhaus zur Aa überzusiedeln. Denkbar ist auch, dass sie sich bei der Stiftung des Hauses verpflichtete, die Rente, mit der das Haus belastet war, weiterhin zu zahlen. In diesem Fall wäre die Stiftung vor 1520 möglich und dann wohl auf 1507 anzusetzen, da mit diesem Jahr die Jahresrechnungen einsetzten.172 Die Speckpfründe nutzte das Haus fortan, um dort, sofern sie dessen bedurften, Speckpfründner unterzubringen. Die Zahl der Insassen stieg deshalb nur allmählich. Waren es 1532 noch sieben Frauen, sollten es bald kontinuierlich zwölf Frauen sein.173 Die eigentliche Funktion, näm-

165 166

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 14. Als 1608 ein Verzeichnis über die Pflichten und Aufgaben der Provisoren an der Ludgerikirche aufgestellt wurde, unterschied man zwischen „zwie prouisoren der kirchenn“, „zwie almissenerer vnd weghmeistere“, „zwie prouisoren der speckprouenn“ und „zwie prouisoren vnser l. frauwenn“. BAM, Pfarrarchiv Ludgeri, Handschriften Nr. 86, fol. 3r. 167 Noch 1641 waren die Rechnungen „vom jahr 1507 biß 1640 inclusive“ vorhanden. Klötzer, Kleiden, S. 124. 168 Detmer, Kerssenbrock, S. 79. 169 Belastet war das Haus mit einer Rente von 6 Schillingen an das Antoniushospital. Entsprechend lautet ein Eintrag in der 1542 angelegten Jahresrechnung des Hospitals: „Item de Swichtenhovelsche, nu de speckproven Ludgeri 6 s.“ Klötzer, Kleiden, S. 123. 170 Von ihm bezog das Aegidiikloster 1503 und 1504 eine Rente, die 1520 von der „Swychtenhovelschen“ bezahlt wurde. Kohl, Aegidii-Kloster, S. 164. 171 Kirchhoff, Die Täufer in Münster, Nr. 692. Klötzer (Kleiden, S. 123) vermutet deshalb, dass Anna Insassin dieses Hauses war. Vgl. auch Armut, Not und gute Werke, S. 42f. Es war wohl diese Rente, die das Armenhaus zur Aa später aus dem Haus eines Johan Swichtenhovel auf dem Verspohl einnahm. Kirchhoff (Die Täufer in Münster, Nr. 692) nimmt daher an, nicht Hermann, sondern Johan sei Annas Mann gewesen. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Armenhaus der Speckpfründe aber bereits. Wahrscheinlicher ist wohl, in Johan einen Verwandten Annas zu sehen, der ein ihr ursprünglich ebenfalls gehöriges Nachbarhaus bewohnte. 172 Black (Speckpfründe Ludgeri, S. 301) hält eine Gründung des Armenhauses um 1503/07 für wahrscheinlich. 173 Black, Speckpfründe Ludgeri, S. 303, S. 308f.

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lich die Vergabe von Speckpfründen, verlor die Institution damit, wenngleich sie im Namen des Armenhauses weiterlebte.174 Der Almosenkorb Aegidii wurde 1350 erstmals erwähnt.175 Wie die anderen Körbe, so war auch der des Aegidiikirchspiels stark in die Strukturen der Kirchenverwaltung eingebunden. Das 1411 angelegte Rentenregister verzeichnet entsprechend nicht nur die „redditus ecclesie sancti Egidii“ sondern auch die „redditus communis elemosine sancti Egidij“. Die Rentverpflichtungen von Kirche und Almosen waren gar in einer gemeinsamen Rubrik zusammengefasst.176 Die enge Verbindung zwischen Almosenkorb und Kirche wird auch in der Ämterbesetzung deutlich, denn während die Almosener von Aegidii in anderen Fürsorgeinstitutionen kaum vertreten waren, so erschienen sie um so häufiger früher oder später als Templer der Aegidiikirche.177 Der Almosenkorb Aegidii bildete weder eine Armenkleidung noch eine Speckpfründe aus und beteiligte sich auch nicht an der Führung eines Armenhauses. Erwähnenswert ist aber die Unterstützung, die der Korb dem Dorenkasten seines Kirchspiels gewährte. Gemäß der drei Rentenregister zahlte er ihm aus sechs Renten einen jährlichen Gesamtbetrag von immerhin 3 Mark und 2 Schillingen. Es ist allerdings fraglich, ob sich daraus auch eine administrative Aufsicht ableiten lässt.178 Von allen Kirchspielen war Servatii das mit Abstand kleinste, und entsprechend verfügte auch sein Almosenkorb über nur begrenzte Kapazitäten. Dies spiegelt sich auch in der Überlieferung wider. Provisoren etwa sind für das gesamte Mittelalter in keinem einzigen Fall namentlich belegt. Der erste Hinweis auf die Existenz des Korbes fällt auf den 13. Mai 1369. Auf diesen Tag ist das Rentenregister der Martinikirche datiert, das unter anderem den folgenden Punkt enthält: „Item (ut eyn stucke van ey)n moltghesede landes buten zunte Servaes poerten, dat ghegheven is vj meyn

174 175

Klötzer, Kleiden, S. 125. Verwaltet wurde er in diesem Jahr von Wessel de Duvel, der im Mai von Conrad Scape 5 Scheffel Saatland in Empfang nahm. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14r– 14v. Am 9. August desselben Jahres verkauften Godscalcus ten Beclen und seine Frau Alheydis dem Aegidiialmosen eine Rente von 4 Schillingen. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 9. Und gemäß des vor 1358 angelegten Rentenregisters des Armenhauses zur Aa hatte schon das Haus tor A von den „provisores elemosinarum communium de parrochia sancti Egidii“ eine Rente von 12 Pfennigen bezogen. MUB 156, Nr. 21. 176 BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Kirche und Elemosine Aegidii (1411), fol. 4r, fol. 1r, fol. 29r. Ganz ähnlich war das zweite, 1461 angelegte Rentenregister aufgebaut, das allerdings zuerst die Renteneinahmen der „elemosine“ und dann erst die weniger umfangreichen der „ecclesie“ aufführt. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1461), fol. 1v, fol. 13r. Nur fünf Jahre später wurde ein drittes Register angelegt, das allerdings nur die Renteneinnahmen des Almosenkorbes und die Rentenverpflichtungen der Kirche verzeichnet. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register der Elemosine Aegidii (1466), fol. 1r, fol. 13r. 177 So waren etwa, um nur zwei Beispiele zu nennen, die Almosener Gert Botmeister (1462/66) und Dyrick Voß (1459/62) 1469 Templer. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findbuch J068a, Nr. 104. Ebenda finden sich zahlreiche weitere Beispiele. 178 Vgl. Kap. VI.4.

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VIII. Interaktion und Kooperation

alemyssen tho Munster.“179 Zuvor waren nur für die Kirchspiele Martini, Lamberti, Ludgeri, Aegidii und Überwasser Almosenkörbe nachweisbar. Der sechste der hier erwähnten Körbe ist zweifellos der des Kirchspiels Servatii. Erstmals namentlich erwähnt wurde der Almosenkorb Servatii am 16. August 1394, als die Almosener von Martini „in de gemeynen almissen to seess kercken to Munsteren“ eine Rente verkaufte. Eines der Almosen war das „to sunte Seruase”.180 Wegen der geringen Größe ist wohl davon auszugehen, dass der Almosenkorb um so stärker in die Strukturen der Kirchenverwaltung eingebunden war. 1679 waren die Almosenprovisoren identisch mit den Kirchenprovisoren.181 Dies mag auch im Mittelalter schon der Fall gewesen sein. Entsprechend häufig waren wohl gemeinsame Renten mit anderen Kircheneinrichtungen.182 Als Anfang des 19. Jahrhunderts zahlreiche Stiftungen im Generalarmenfonds zusammengefasst wurden, war als einziger Almosenkorb der der Servatiikirche nicht betroffen, da er bereits um 1700 im Pfarrvermögen der Kirche aufgegangen war.183 Insgesamt zeigen die Almosenkörbe damit verglichen mit den Armenhäusern eine erstaunliche Interaktionsfähigkeit. Durch die Mitgliedschaft ihrer Provisoren im Kirchenrat waren sie alle in hohem Maße in die Kirchspielverwaltungen inte­ griert. Außerdem konnten sie mit ihren Einnahmen eine zweite Kasse finanzieren, wie dies etwa im Falle der Armenkleidung Lamberti und der Speckpfründen Lamberti und Ludgeri geschehen ist. Zweimal stand am Ende der Entwicklung sogar eine von ihrem Almosenkorb unabhängige Einrichtung. Für die Speckpfründe Ludgeri bedeutete dies zugleich die Umwandlung zu einer Institution der geschlossenen Fürsorge. Und schließlich konnten Almosenkörbe die Verwaltung und Wirtschaftsführung von Armenhäusern vollständig übernehmen. In dieser Weise war insbesondere das Armenhaus Zumbusch an den Almosenkorb Martini gebunden.

4. Interinstitutionelle Kooperation Die Fürsorgeinstitutionen der Stadt Münster waren durch ihr gemeinsames Ziel der Armenfürsorge geeint. Es lag entsprechend nahe, einander zu unterstützen und untereinander zu kooperieren, zumal die Zusammenarbeit durchaus häufig zum gegenseitigen Vorteil war. Erste Ansätze einer Kooperation konnten bereits bei der Gründung durch die Unterstützung seitens einer bereits etablierten Institution erfolgen. Die Elende Aegidii etwa wurde vom Amtmann des Magdalenenhospitals begründet.184 Die Elende Überwasser wurde auf einem Grundstück errichtet, das 179 180 181 182 183 184

MUB 197, Nr. C 32. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 99r–99v. Klötzer, Kleiden, S. 59. So verkauften Johan Wessels und seine Frau Elisabeth der Servatiikirche 1438 eine Rente von ½ Mark. Verwendet werden sollte sie „thor nut und behoef der timmeringe, tor lucht und thor den gemeinen almissen“. MUB 663. Klötzer, Für ewige Zeiten, S. 368, S. 406. Elende Aegidii, Urk. 3a.

4. Interinstitutionelle Kooperation

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man vom Magdalenenhospital erworben hatte. Einen Teil der Kaufsumme hatten der Heiliggeistkorb Überwasser und das Armenhaus Zurwieck zur Verfügung gestellt.185 Von einer regelrechten Gründungspatenschaft ist im Falle des Hospitals in der Venne auszugehen. 1242 übertrugen Wicboldus de Holte und sein Sohn Hermannus im Namen des Ritters Ludolphus de Amelincburen die Höfe Bentlaghe und Westendorpe an das Magdalenenhospital. Beide Höfe stellten die wirtschaftliche Grundausstattung des Venner Hospitals dar, das auf dem Hof Westendorpe schließlich auch errichtet wurde. Da die Familie Amelincburen die Höfe nach der Schließung des Hospitals zurückforderte, ist wohl davon auszugehen, dass die Höfe bereits von dem Schenker Ludolphus zur Errichtung des Hospitals bestimmt worden waren. Das Magdalenenhospital hatte damit die Rolle eines Gründungspaten, dem die praktische Durchführung der Fundation oblag. Dies unterstreicht nicht zuletzt auch die führende Rolle, die das Magdalenenhospital noch im 13. Jahrhundert innerhalb des Fürsorgesystems der Stadt Münster eingenommen hatte.186 Bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts kam diese Position dem Heiliggeistkorb Lamberti zu. Seinen Provisoren oblag die Realisierung des Armenhauses zur Aa. In der 1354/67 abgefassten Gründungsurkunde verkündete der Stadtrat, dass die „provisores elemosinarum sancti spiritus ecclesie sancti Lamberti nostre iam dicte civitatis“ bereits ein geräumiges Haus auf der Bergstraße als Hospital eingerichtet hätten. Bezahlt hatten dies die Provisoren „cum pecunia elemosinarum sancti spiritus“. Es ist bemerkenswert, dass das Armenhaus zur Aa nicht im Kirchspiel Lamberti, sondern in Martini lag. Der Heiliggeistkorb Lamberti agierte also nicht nur innerhalb seines Kirchspiels, sondern stadtweit und verfügte damit unter allen Almosenkörben über die weitgehendsten Aktionsmöglichkeiten. Tatsächlich dürfte er bereits jetzt eine Art Oberaufsicht über das städtische Armenwesen innegehabt haben.187 Die Verpflichtungen des Lambertikorbes gegenüber dem Armenhaus zur Aa erschöpften sich allerdings nicht in einer situativen Gründungspatenschaft. Nach dem Willen des Rates war er außerdem zu langfristigen Unterstützungsleistungen verpflichtet. So bestimmte der Rat: „Istis autem miserabilibus et pauperibus personis in dictam domus receptis et suscipiendis ministrande et distribuende sunt distribuciones cottidiane et elemosine consuete, dari de sancto spiritu ecclesie sancti Lamberti nostre civitatis.“188

Allein wenn sich eine der armen Frauen der Evakuierung ihres alten Armenhauses entzöge und die Umsiedlung in das Armenhaus zur Aa verweigerte, sollte diese der „distribucionibus cottidianis sibi de elemosinis sancti spiritus dicte ecclesie

185 186 187 188

BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 152v; Elende Überwasser, Urk. 2. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 5r–5v; WUB 3, Nr. 1147. Vgl. Kap. VI.1. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 71f. „Jenen in besagtes Haus aufgenommenen und aufgefangenen mitleidswürdigen und armen Personen sind tägliche Verteilungen und gewohnte Almosen anzudienen und zu verteilen, zu geben aus dem heiligen Geist der Kirche St. Lamberti unserer Stadt.“ MUB 154.

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VIII. Interaktion und Kooperation

ministrandis“189 verlustig gehen, und zwar „statim“.190 Auch Insassen des Antoniushospitals bezogen regelmäßig Unterstützung aus den Mitteln des Heiliggeistkorbes Lamberti.191 Andererseits profitierte der Heiliggeistkorb Lamberti aber auch vom Armenhaus zur Aa und vom Antoniushospital. Dort ließ er spätestens in der Nachtäuferzeit den zur Vergabe der Speckpfründe erforderlichen Speck räuchern und lagern. Das Pökeln und Räuchern erledigten die Insassen der Häuser. Der Speck und das Salz aber wurde aus den Mitteln des Korbes zur Verfügung gestellt.192 Besorgte der Heiliggeistkorb Lamberti die tägliche Versorgung der Insassen des Armenhauses zur Aa, so sandte dieses gelegentlich „aet“ in das Magdalenenhospital. Gemeint ist Treber, ein als Tierfutter verwendeter Restbestandteil aus der Maische, die den Grundstoff beim Bierbrauen darstellte.193 Da das Armenhaus zur Aa keine Landwirtschaft betrieb, hatte es für den Treber keinerlei Verwendung. Nach Auskunft der von 1501 bis 1513 überlieferten Jahresrechnungen des Hospitals zahlte das Magdalenenhospital vier bis acht Mal im Jahr „vor aet van der berchstrate vt der armelude hues“, gelegentlich auch für „aet vnd ber“.194 Oftmals waren es sich nacheinander wiederholende Beträge von etwa 20 Pfennigen oder 4 Schillingen. Scheinbar neigte man also dazu, die Höhe des Preises im Vorhinein für mehrere Zahlungen immer wieder neu auszuhandeln. So konnte der innerhalb eines Jahres aufgewandte Betrag

189 „Der ihnen aus den Almosen des heiligen Geistes ministrierten täglichen Verteilungen“. MUB 154. 190 Der Heiliggeistkorb Lamberti war auch anderweitig auf der Bergstraße engagiert. Spätestens seit 1472 lag direkt gegenüber dem Armenhaus zur Aa eine vom Lambertikorb geführte Badestube, die im Zuge der Eroberung der Stadt 1535 offenbar stark beschädigt wurde. 1536/38 organisierte der Korb den Wiederaufbau, kaufte Dielenbretter, „dellenn negell“ und „spiker negell“, neue Schlösser, außerdem Mauersteine, Kalk, Sand und zwei Fuder „stelholtes“, um das Haus zu stützen. Er bezahlte weiterhin einen Zimmermann, Dachdecker und einen weiteren Arbeiter zur Anbringung einer neuen Lehmverkleidung, ließ neue Glasfenster und einen Windfang anfertigen, das Dach mit Strohbündeln und Dachpfannen decken und kaufte schließlich eine neue Inneneinrichtung, so etwa einen Wasserbottich oder wörtlich „eyn kleyn steynnen kumpeken, dar men dat water myt jnnden stouen guyt“. Schließlich bezahlte der Korb an „her Kueman“ das Wortgeld, das er „jarlix vyth denn stouenn hefft“, ihm aber seit 1533 nicht mehr bezahlt worden war. Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1536, fol. 20r–21v, sowie RB 1537, S. 36–39, S. 44. 1575 verkaufte der Korb die Badestube an Bernt und Anne Suisinck, allerdings unter der Auflage, dass sie weiter betrieben werden müsse und das Badegeld nicht ohne Wissen des Stadtrates erhöht werden dürfe. Sammlung Kirchhoff, Aktenordner „Bergstraße, Westseite und Südseite“, Haus Nr. 12. 191 So erhielten sie am Antoniusabend 1537 „vyth bouell der prouisoren“ des Korbes eine Mark. Noch im selben Jahr veranlassten Bürgermeister und Provisoren, den drei Kranken „thor capellen“ je 3 ½ Schillinge zu geben. Kurze Zeit später überwies ihnen der Korb erneut Geld. Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1536, fol. 21r, sowie RB 1537, S. 42, S. 47. 192 Black, Speckpfründe Lamberti, S. 34f.; Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1537, S. 31, S. 34. 193 Vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 24. 194 Magdalenenhospital, Akten 1, fol. 44v, fol. 26v.

4. Interinstitutionelle Kooperation

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mit 1 bis 2 Mark durchaus stark schwanken.195 Die in den Jahresrechnungen aufgeführten Einträge der Ausgabenaufstellung sind chronolgisch geordnet, aber nur unregelmäßig datiert. Abgesehen von oftmaligen Zahlungen um Weihnachten und Ostern lassen sich aber keine festen Zahlungstermine eruieren. Offenbar bezahlte man das Essen aus der Bergstraße nur unregelmäßig und je nach Erfordernis. Den Treber hingegen scheint der Amtmann des Magdalenenhospitals „tytlikes“ bezogen zu haben, also zu festgesetzten Zeiten.196 „Titlikes“ bezog man auch „aet vnd ber“ von „den armen in der Wegesenden“. Sie wurden aber nur einmal im Jahr mit etwa 1 Mark bezahlt. 1501 war dies bereits seit längerem nicht mehr geschehen, und so zahlte man für vier Jahre 3 ½ Mark.197 Bezog also das Magdalenenhospital einen Teil des Viehfutters aus den Armenhäusern zur Aa und Wegesende, so wurde es selbst 1579 vom Stadtrat dazu verpflichtet, täglich eine Mahlzeit in das nur unzureichend ausgestattete Armenhaus Prussen zu geben.198 Fürsorgeinstitutionen unterstützten sich aber nicht nur mit Naturalien, sondern auch mit Geld. Bereits mehrfach erwähnt wurde die Urkunde von 1333, in der sich die Provisoren des Heiliggeistkorbes Überwasser ohne entsprechende Gegenleistung zur Zahlung von vier Einschillingrenten an die finanziell angeschlagenen Armenhäuser Boterman, tor A, Tilbeck und Hoeker verpflichtete.199 Bis 1358 hatte sich dieser Betrag um einen weiteren Schilling pro Haus erhöht.200 Unterstützung erfuhren die Armenhäuser Boterman und tor A auch seitens des Heiliggeistkorbes Lamberti, und zwar in Form von 4 ½ bzw. 12 ½ Schillingen Rente.201 Es ist unklar, ob das Haus Boterman seine Renten erwerben musste oder gratis bezog. Die Rente des Armenhauses tor A jedenfalls ging auf eine Schenkung der „vrou Drechdrat van der Aa“ zurück, einer Verwandten der Stifter. Sie übergab den Armen 1338 „drutteynde halven schilling geldes, de de hillighe gheist to sunte Lamberte jarlikes sal uth geven“. Der Lambertikorb war damit entweder der Verwalter der Rente und musste sie andernorts eintreiben, um sie den Armen zu übergeben, oder er hatte sich selbst gegen eine von Drechdrat erhaltene Kapitalsumme zur Zahlung der Rente verpflichtet.202 Tatsächlich war der Heiliggeistkorb Lamberti auch in einem weiteren Fall Verwalter einer Rente und nahm damit eine Mittlerfunktion zwischen Rentenzahler 195

196 197 198 199 200 201 202

So zahlte das Magdalenenhospital 1501 1 Mark und 4 Pfennige, 1502 1 Mark und 10 Schillinge, 1503 1 Mark, 6 Schillinge und 6 Pfennige, 1504 schließlich 1 Mark, 10 Schillinge und 10 Pfennige. Magdalenenhospital, Akten 1, fol. 3r–6r, fol. 22r–27r, fol. 42r– 47r, fol. 60r–65v. Magdalenenhospital, Akten 1, fol. 44v. Vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 405. Magdalenenhospital, Akten 1, fol. 3v, fol. 42v. Klötzer, Kleiden, S. 98; Armut, Not und gute Werke, S. 102. Armenkleidung Lamberti, Urk. 1; Armenhaus zur Aa, Urk. 1, Beilage; Armenhaus zur Aa, Urk. 2, Urk. 3. MUB 156, Nr. 10; MUB 156, Nr. 13; MUB 156, Nr. 27. Zum Armenhaus Hoeker vgl. MUB 228, Nr. 58. MUB 156, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 14. Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 22v–23r.

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VIII. Interaktion und Kooperation

und Rentenempfänger ein. Am 23. März 1426 verkündeten Berndt Warendorp und Berndt van Aken als Provisoren des Korbes, dass sie „myt willen der erszamen borgermester vnde des raides to Munster“, die die Urkunde auch besiegeln, zwei Rentenbriefe über 3 Mark und ½ Mark von Asselen van der Wick und Elseken Leppinges erhalten hätten.203 Verwenden sollten sie die Einnahmen „to behoeff vnd nottrofft der seken brodre in dem zekenhuss des conuentz der mynnerbrodere orden bynnen Monster“.204 Der Korb selbst sollte „nyeleye recht“ an den Renten haben, ebensowenig der „guardian“ des Klosters, sondern allein „de vorscreuen seken brodere vnd dat zeken huss“. „Dusse vorgescreuen veyrdehalue marck rente solle wy in dusser wys deylen, wan uns kundich wert gedaen van den broderen, dat dar jenich seck broder bynnen deme huyss is liggende, so solle wy versaten vnd bestellen, dat alle dage drey pennynge komen vor dat sekenhuss deme krancken brodere, so lange als men dat hebben mach van dusser vorgescreuen rente, vnd darvmme den seken nicht to vermynnende ere prouende vnd des men emm schuldich is to done van rechte vnde van godes wegenn vth deme con-uente. Vnd also mannich broder dar kranck licht, so mennige dre pennynge sal men dar senden den krancken broderen, also lange als de vorgescr. rente warnn mach.“205

Solange aber alle Minoriten gesund wären, sollten die Renten angespart und erst wieder ausgegeben werden, bis dass „zeke brodere in dat huess komen“. Für diese Unterstützung der Minoriten waren diese wiederum zu einer Gegenleistung verpflichtet. Zum Lohn für ihre Verwaltung durften die Almosener und ihre Nachfolger zur Zeit eines Interdikts in der Minoritenkirche die heilige Messe hören, sofern sie nicht selbst im Bann wären.206 Der Heiliggeistkorb Lamberti kam seiner Verpflichtung tatsächlich nach. Die älteste erhaltene Jahresrechnung des Korbes verzeichnet 1536 unter den Ausgaben: „Jtem eynen krancken monneke, nemptlich broder Gerdt, gegeuen vp fridach vor pinxsten vj s.“207 Der gezahlte Betrag lässt darauf schließen, dass Bruder Gerdt nur zwei Tage lang darniederlag. Auch im folgenden Jahr erfolgte eine Zahlung an einen kranken Mönch, einige Zeit später an mehrere.208 Überhaupt waren die Minoriten dem Stadtrat und den ihm unterstehenden Fürsorgeinstitutionen recht eng verbunden. Der Rat stellte ihnen Grund und Boden 203 Assele van der Wick und Elseke Leppinges hatten die Rente von ½ Mark 1420 von Bernd Dusas gekauft, die Rente von 3 Mark 1425 von Gerdrudt, Witwe des Bürgermeisters Johan Kerckerinck. MUB 466; MUB 520. Assele selbst war die Schwester des derzeitigen Kämmerers und späteren Bürgermeisters Engelbertus van der Wyck. Beide hatten sich stark für die Errichtung einer Vikarie im Armenhaus Zurwieck eingesetzt. MUB 717. 204 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 65r–65v. Dieses Siechenhaus war kein institutionalisiertes Armenhaus, sondern lediglich eine für kranke Minoriten eingerichtete Krankenstation auf dem Gelände des Klosters. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 220. 1435 kauften die Minoriten Renten zu Gunsten des Siechenhauses („zekenhuses“) und der Sakristei der Klosterkapelle („gerwekameren“). MUB 628. 205 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 65r–65v. 206 Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1536, fol. 21v. 207 Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 65r–65v; MUB 534. 208 Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1537, S. 40, S. 46.

4. Interinstitutionelle Kooperation

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zur Verfügung und trat als ihr Schutzherr auf. Im Gegenzug konnten Ratsherren das Kloster gelegentlich als Versammlungsort und seinen Friedhof als Begräbnisstätte nutzen. Letzteres galt insbesondere für die Gefallenen der Schlacht von Varlar.209 Im Magdalenenhospital predigten die Minoriten bereits um 1420/30. Ein überlieferter Memorienkalender erwähnt Cantate Domino als Tag der „dedicacionis fratrum minorum“.210 In den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts kam einer der Mönche am Karsamstag und auf Maria Magdalena in die Hospitalskirche, um dort zu predigen. Dafür erhielt er regelmäßig ein Quart Wein im Wert von 15 Pfennigen, gelegentlich auch Braten und Pottharst.211 Am Osterdienstag hingegen lud man einen Bruder des Minoritenklosters nach Kinderhaus ein, um dort vor der Kapelle einen öffentlichen Gottesdienst abzuhalten. Aus den an diesem Tag gesammelten Spenden erhielt der Mönch dafür 12 Pfennige.212 Auf dem Kirchplatz des Minoritenklosters stand zudem der Korb, in den sich jeder künftige Pfründner des Antoniushospitals vor seiner Aufnahme setzen musste.213 Eine wesentliche finanzielle Unterstützung erhielten die Armenhäuser der Stadt Münster durch die Domelemosine. Sie war eine Sammelstiftung und verwaltete als solche verschiedene testamentarische Legate. Das älteste Legat ist das des zwischen 1410 und 1413 verstorbenen Lubbert von Roddenberg, Vicedominus und Rektor der Clemenskapelle am Dom. In den nächsten Jahren folgten weitere. Eine Institutionalisierung der Einzelstiftungen und ihre Zusammenfassung in einer geordneten Verwaltung erfolgte aber wohl erst in Reaktion auf die Stiftsfehde von 1450/57.214 Danach wuchs die Zahl der Zustifter ständig. In der Jahresrechnung von 1540 erscheinen nicht weniger als 48 Stifter mit einer jeweils eigenen Rubrik. Die meisten von ihnen entstammten dem höheren und niederen Domklerus und waren zu Lebzeiten Domdechanten, Thesaurare, Scholaster, Domkellner oder Domvikare. Aber auch Adelige und Bürgerliche finden sich unter den Namen, mit Margarete Broeck-

209 210 211 212

213 214

Black, Speckpfründe Lamberti, S. 44; Hsia, Gesellschaft und Religion, S. 39; Schütte, Minoriten, S. 75. Noch heute zeugt eine Gedenktafel an der einstigen Minoriten- und heutigen Apostelkirche von den Gefallenen. Vgl. Crabus, Kinderhaus 1333–1533, S. 49. MUB 472, Nr. 17. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 4r, fol. 43r, fol. 45r, fol. 60v, fol. 62v. Belegt ist dieser Brauch nicht nur in den Küchenordnungen von 1365 und 1447, sondern auch in der Hausordnung von 1558. Armenhaus Kinderhaus, Akten 185, fol. 4v–5v; Armenhaus Kinderhaus, Akten 186, fol. 142v–143r, Punkt 13; Armenhaus Kinderhaus, Akten 177, Hausordnung, Punkt 46. Antoniushospital, Akten 16, S. 2. Nachweisbar wird sie erst 1473 mit den Zustiftungen der Domkanoniker Hinrich und Engelbert Fransoys. Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 78; Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 27vf.

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VIII. Interaktion und Kooperation

hagens und Elizabeth van Gronyngen sogar zwei Frauen.215 Nicht alle von ihnen bedachten auch Armenhäuser, aber doch einige.216 215 Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 62ff.; Schmedding, Fürsorge, S. 23. 1540 namentlich aufgeführt wurden Herr Lubbert de Rodenborch, Dechant Theodericus Ffransoys, Dechant Valcken, Alhardus Dryell, Herr Everhardus Moerbroick, Dechant Theodericus Schaden, Herr Hinricus Hughen, die Herren Johannes Pentlinck, Gerhardus Scholden, Rodolphus de Langen, Hinricus Plantstaken, Arnoldus Ffollen und Bernardus Engelberti, die Herren Johannes und Wennemarus de Beveren, Theodericus Staell, Wennemarius Voeth, Everhardus de Velmete, Johannes Dobben, Boldewinus de Kuckem, die Vikare Lodowin Soerbecken und Hinricus Verynck, Hinricus und Engelbertus Ffransoys, die Herren Theodericus Hauer, Swederus Byspinck, der Dechant Bernhardus de Messchede, Lambertus Bruckhorst, Hermannus Koeck, Hinricus Koer de und Margarete Broeckhagens, die Kanoniker Hermannus Schenckinck und Theodericus de Heyden, der Dechant Hermannus de Langen, der Scholaster Wennemarus de Horst, die Herren Bernhardus de Lytell, Florentius de Langhen, Johanes Cluvers, Christianus Slunckraven, Hinricus Verinck und Augustinus Canters, die Herren Hinricus Haken, Dechant, Rotger Dobben, Scholaster, und Rychardus Bonentorpe, die Herren Johannes Ffresenhusen, Hinricus Sterneman, Bertoldus Byscopinck und Bernhardus Honeman, sowie Elizabeth van Gronyngen. Weitere Stifter wurden nicht namentlich genannt, da ihre Stiftungen inzwischen miteinander vereinigt worden waren. BAM, Domarchiv XIV, A 36/1, RB 1540, fol. 2r–6r. 216 Der 1471 verstorbene Domkellner Hinrich Ffransoys etwa bestimmte eine Rente von 6 Gulden für die Häuser Kinderhaus, Antoniushospital, zur Aa, Zumbusch, Zurwieck und Wegesende. Seine Testamentsexekutoren hatten den Rentbrief 1473 „ouergewiset vnd ouergeleuert in de gemeynen almissen des domes“, auf dass der „elemosinarius offt de verwarer der vorg. almyssen“ die Rente jedes Jahr „manen vnd boren“ und in jedes der fünf erstgenannten Häuser 1 Gulden senden würde. Den sechsten Gulden sollten sich Zumbusch und Wegesende teilen. Je einen Schilling von jedem Gulden durfte er allerdings als Lohn „vor syn arbeyt“ für sich behalten. Die Armen hingegen sollten sich von dem Geld Pottharst kaufen. Dieselben Exekutoren verwalteten auch den Nachlass von Hinrichs Bruder, des 1469 verstorbenen Domherrn Engelbert Ffransoys, und überwiesen dem Elemosinar deshalb eine weitere Rente von 3 ½ Mark. Davon sollte dieser jedes Jahr je 6 Schillinge in die Häuser Zurwieck, Magdalenenhospital, Weges ende, zur Aa, Zumbusch und Antoniushospital geben. Magdalenenhospital, Akten 41, fol. 27vf. Der 1429 verstorbene Domvikar und Subdiakon Everhard Moerbrock hatte den Armenhäusern Zumbusch, Wegesende, Zurwieck und Wessede sowie dem Antoniushospital und dem Zwölfmännerhaus Überwasser eine Rente von 12 Mark vermacht, sodass jede Institution vom Elemosinar jährlich 16 Schillinge bekam. Der Dechant Theodericus Schaden, der 1521 verstorben war, bedachte die Armenhäuser Zumbusch, Wessede, Wegesende, Zurwieck, zur Aa, Antonius und Johannis mit Renten von insgesamt 4 Mark und 8 Schillingen. Im Namen des 1484 verstorbenen Dechanten Herman de Langen überwies der Elemosinar den Häusern Zurwieck, zur Aa und Antonius jährlich zusammen 4 Mark, den Häusern Zumbusch, Wegesende und Johannis aber 2 Mark und 8 Schillinge. Domvikar Lodowicus Soerbecken bedachte die Armenhäuser Zumbusch, Zurwieck und zur Aa mit zusammen 2 Mark, die Häuser Wegesende, Wessede und Johannis aber mit 16 Schillingen. Dank des Domkämmerers Hinricus Hugen bezogen die Häuser Zumbusch, Wessede, zur Aa und Zurwieck eine gemeinsame Rente von 2 Mark und Wegesende, Antonius sowie beide Zwölfmännerhäuser eine gemeinsame Rente von 10 Schillingen. Alle Positionen stehen unter der Überschrift „Expositas ad domos pauperum ob memoriam dominorum diuersorum“. BAM Domarchiv XIV A 36/1, RB 1540, fol. 13v. Lebensdaten und Funktion der Stifter

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Tabelle 15: Höhe der jährlichen Spenden der Domelemosine für einzelne Armenhäuser der Stadt Münster vor der Täuferzeit und Belegungszahl der begünstigten Armenhäuser.217 Begünstigtes Armenhaus

Jährliche Spende der Domelemosine

Armenhaus zur Aa Armenhaus Zumbusch Antoniushospital Armenhaus Zurwieck Armenhaus Wessede

75 s. 67 s. 63 s. 60 s. 56 s. 10 d. 50 s. 10 d. 21 s. 8 d. 18 s. 18 s. 17 s. 6 s.

Armenhaus Wegesende Armenhaus der Johanniter Zwölfmännerhaus Ludgeri Zwölfmännerhaus Überwasser Leprosorium Kinderhaus Magdalenenhospital

Belegungszahl des begünstigten Armenhauses 33 Insassen 20 Insassen 24 Insassen 30 bis 31 Insassen 15 bis 18 Insassen 13 Insassen 10 bis 12 Insassen 10 bis 12 Insassen 10 bis 12 Insassen 5 bis 9 Insassen 24 Insassen (14 Arme und 10 Pfründer)

Gemäß der Jahresrechnung von 1527/28 beliefen sich die Rentzahlungen, die die Domelemosine an Armenhäuser der Stadt Münster leistete, auf eine Gesamthöhe von nicht weniger als 47 Mark, 5 Schillingen und 6 Pfennigen.218 Betrachtet man die institutionsspezifischen Spendenleistungen der Domelemosine, so fällt auf, dass ihre Höhe weitestgehend mit den Belegungskapazitäten der begünstigten Armenhäuser korreliert. Eine Orientierung nach der Trägerschaft liegt jedenfalls nicht vor. Begünstigt wurden Ratsinstitutionen wie das Armenhaus zur Aa ebenso wie das Kirchspielarmenhaus Zumbusch, das Armenhaus der Johanniter oder die domkapitularischen Zwölfmännerhäuser. Bemerkenswert ist allerdings, dass das Magdalenenhospital trotz relativ hoher Belegungszahlen kaum bedacht wurde. Der Grund mag darin zu suchen sein, dass 10 der 24 Insassen reiche Oberpfründner waren und

217 218

nach Klötzer, Kleiden, S. 67 und Schwarz Wohltätigkeitssinn, S. 90. Der 1449 verstorbene Domthesaurar Alhardus Dryell vermachte dem Zwölfmännerhaus Ludgeri eine jährliche Spende von 40 Ellen Wolltuch. Klötzer, Kleiden, S. 67. Lubbert von Roddenberg schließlich, der erste Stifter, sorgte dafür, dass die Insassen aller Armenhäuser für 3 Mark jährlicher Kosten jede Woche in der Fastenzeit ein kleines Brot erhielten. Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 86. Höhe der jährlichen Spenden berechnet auf der Basis von Schwarz, Wohltätigkeitssinn, S. 86–92. Für die Belegungszahlen vgl. Kap. V.2. BAM, Domarchiv XIV, A 36/15, RB 1527/28, fol. 6v–8r.

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VIII. Interaktion und Kooperation

das Hospital damit insgesamt als wenig unterstützenswert galt.219 Nicht bedacht wurden freilich jene Institutionen, die erst wenige Jahre vor der Täuferzeit errichtet wurden, so die Armenhäuser Prussen und Speckpfründe Ludgeri sowie die Elenden Überwasser und Lamberti. Es fällt auf, dass auch das vor 1398 gegründete Gasthaus und die 1475 fundierte Elende Aegidii unberücksichtigt blieben. Da beide Institutio­ nen auf die Versorgung nichtbürgerlicher Bedürftiger spezialisiert waren, liegt die Vermutung nahe, dass der Domklerus neben seinen eigenen Zwölfmännerhäusern insbesondere die Institutionen des städtischen Bürgertums förderte, die Belange von Fremden aber weitgehend ignorierte. Dies passt zu der Beobachtung, dass das Gasthaus auch seitens der münsterischen Bürgerschaft nur vergleichsweise geringe Unterstützung erfuhr. Jenseits wirtschaftlicher Kooperationen arbeiteten Fürsorgeinstitutionen auch im sozialen Bereich miteinander. Besonders deutlich wird dies im Falle der Hausordnungen, deren Abfassung bei Gründung eines neuen Armenhauses obligatorisch war. Gewöhnlich griff man dabei auf eine bereits bestehende Ordnung zurück, die von einem anderen Armenhaus für eine Abschrift zur Verfügung gestellt wurde. Zwei Traditionslinien lassen sich hier unterscheiden.220 Die jüngere nahm ihren Anfang in der nach dem ersten Ausbruch der Pest abgefassten Rolle des Magdalenenhospitals.221 Ihr folgten die weitaus ausführlicheren und einander sehr viel ähnlicheren Rollen des Antoniushospitals von 1540222 und des Leprosoriums Kinderhaus von 1558.223 Alle drei Institutionen unterstanden dem Stadtrat und nahmen sowohl Männer als auch Frauen auf. Entsprechend galten die einzelnen Regeln – und dies wird in allen drei Rollen mehrfach hervorgehoben – für alle, „se syn man off frowen“. Anders als andere Ordnungen bestimmten alle drei Rollen außerdem auf das genaueste, was neue Insassen in das Haus mitzubringen hatten. „Thom ersten willen wy, dat alle degenne, se syn man off frowen, de der allmissen leven und de provende umb goddes willen besitten, de sollen er gut (…) in dat convent und hueß brengen, is tom minnesten twe pötte, einen kettel, kannen, kroeß, kysten, spinden, bedde mit synen thobehoringe.“224 „Item et sall der armer in dat hueß brengen ein bedde mit dem puelle, ein hoeuetkueßen, twe par laecken, ein decke, ein stoel mit einem kueßen, ein quarte kanne, einen erden pott von einer quarte groet vndt in de kocken geuen eine halbe marck (…).“225 219

220 221 222 223 224 225

Klötzer (Kleiden, S. 239) beobachtet grundsätzlich eine vergleichsweise geringe Unterstützung des Magdalenenhospitals in den testamentarischen Legaten des 16. Jahrhunderts und sieht denselben Trend für Kinderhaus und die beiden Zwölfmännerhäuser. Im Falle Kinderhaus könnte der Grund in der geringen Belegungszahl liegen, im Falle der Zwölfmännerhäuser in der Tatsache, dass ihre Zielgruppe außerhalb des münsterischen Bürgertums stand. Einen dritten Typus von Hausordnungen stellten die der beiden Zwölfmännerhäuser dar, die allerdings erst in späterer Zeit belegt sind. Vgl. Putz, Hausordnungen, S. 136. MUB 168. Antoniushospital, Akten 16, S. 1–7. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 362–367. MUB 168. Rolle des Magdalenenhospitals, Art. 1. Antoniushospital, Akten 16, S. 2. Rolle des Antoniushospitals, Art. 3.

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„Item wy wyllen, dat de arme, (…) he sy dan man off frowe, sal yn dyt hues brengen i bedde myt polle und ii hovethkussen, iiii par laken, i deicke, ii stoell myth ii kussen, i quart kane, eyn ehren pot van i quart groeth, ii standen oder dryncken vater, eyn botter wetteken, i kettel van eynen emhmer natz, eyn mengelen kroess, eyn mengelen ehren poth, eyn molde, i kuven, eyn schottekorff myt schotteln (…).“226

Die Liste der thematischen und stilistischen Ähnlichkeiten ließe sich fortsetzen. Doch auch Unterschiede fallen ins Auge. Zunächst ist die Rolle des Magdalenenhospitals mit 10 Punkten deutlich kürzer als die des Antoniushospitals mit 16 Punkten und die des Leprosoriums mit 50 Punkten. Insbesondere zum Ende der Rolle nehmen die thematischen Abweichungen zu. Die ersten Artikel allerdings, die den thematischen Kern der Rolle ausmachen, orientieren sich stärker aneinander. Doch auch diese bilden kein festgefügtes Corpus, das jeder neuen Rolle zu Grunde gelegt wurde. Alle drei Ordnungen wurden durchaus selbständig verfasst. Lediglich in einzelnen Artikeln zog man ältere Vorläufer zu Rate und übernahm einzelne Formulierungen. Dies erklärt auch, weshalb trotz zum Teil sehr ähnlicher Wortwahl die Numerierung der Artikel meist leicht voneinander abweicht. Besonders weitgehend sind die stilistischen Ähnlichkeiten in jenem Punkt, der das friedliche Zusammenleben der Insassen vorschreibt. Alle drei Ordnungen begründen dies mit den Almosen, die aus den Wunden Christi geflossen sind.227 Die zweite Traditionslinie scheint älter zu sein. Bereits für das Armenhaus Wessede ist dieser Typus 1302 nachweisbar.228 Das 1337 gegründete Armenhaus Zumbusch übernahm die Rolle von Wessede. Abgesehen von kleineren grammatikalischen Un226 227

228

Krug, Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. Kinderhauser Rolle, Art. 2. Rolle des Magdalenenhospitals, Art. 5: „Thom viffte wyllen wy und gebeiden eynen itliken provent menschen, dat sy sollen myt melkandern rastliken, broderliken und süsterliken leuen, nemand sall den ander belegen, achterklappen off syn gerochte benemen. So ducke undt vaken dat vereschet wert, dat sulckes gescheuet, den sall man syne provende ein jahr vpsetten sunder gnade, want wy willen, dat de allmissen, de vte den wunden unser leven Herrn Jesu Christi synt geflotten, myt raste unde fredde sallen werden gegetten.“ MUB 168. – Rolle des Antoniushospitals, Art. 8: „Item wy willen, dat gemelte armen sollen vredelick, eindrechtich, broederlik, suesterlick to samen sich holden vndt leuen, eth en sal sick nemant met den anderen schelden, hadderen, tadderen, kieven ofte flocken, so dar de welck bevunden worden, de dar en boeuen deden vndt den anderen uthalde, dar twist vndt vnwille van queme, oft ein den anderen ein droeß vloekede, wen man dar schuldich in vint, de sal sine proeue entberen xiiij dage sunder gnade, wente wy willen, das de almißen, de uth den wunden unsers herren Christi sint gefloetten, mit raste, vredde vndt dancksagung sollen angenommen vndt gegetten werden.“ Antoniushospital, Akten 16, S. 4. – Kinderhauser Rolle, Art. 6: „Item wy wyllen, dat gemelthe arhmen sollen vredelyck, eyndrechtychlyck, broederlyck, susterlyck tho samen syck holden und leben, eth en sall syck nemanth myt den anden schelden, haddern, taddern, kyven offthe floeken. So we overst eynen anderen uthalde, daer twyst oder unwylle van queme, offthe do eyne den andern eynen droess vloekede, sal syne proven 14 (daghe) kereren sunder genande, wanthe wy wyllen, dat de almissen uth den wunden Christi Jesu geflotten, myth raste, vredde und danckzagung sollen angenommen und gegetten werden.“ Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 363. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1r–2r.

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VIII. Interaktion und Kooperation

regelmäßigkeiten sind beide Rollen identisch. Allein ein im Armenhaus Wessede wohl erst später hinzugefügten Brauverbot findet sich in der Zumbusch-Ordnung nicht.229 Als der Stadtrat 1354/67 das Armenhaus zur Aa gründete, übernahm er diese Rolle, ohne dass größere Abweichungen erkennbar wären.230 1472 errichteten die Johanniter ein eigenes Armenhaus innerhalb ihrer Immunität. Auch hier stand die inzwischen bewährte Hausrolle Pate. Tatsächlich bildeten unterschiedliche Trägerschaften also keinerlei Hinderungsgrund für die Übernahme. Obgleich die erste Abfassung 1302 durch den Stadtrat erfolgt sein dürfte, wurde die Rolle auch von Armenhäusern übernommen, die in Trägerschaft des Kirchspiels Martini und der Johanniter standen. Entscheidender dürfte die Funktion der Häuser gewesen sein, denn alle vier waren auf die Aufnahme von Frauen spezialisiert. Stellte die Abfassung der Rolle des Johanniterhauses die jüngste Übernahme dieses Rollentypus dar, so zeigen sich in ihr auch die größten Abweichungen. Zunächst ist sie ausführlicher. 17 Artikel umfassend, geben lediglich die ersten sieben Artikel die Bestimmungen der anderen Häuser wieder. Die Reihenfolge der Regeln wurde beibehalten, doch wurden sie erstmals durchnumeriert. Einige Regeln wurden ergänzt oder genauer definiert, andere hingegen blieben unverändert.231 Ein Beispiel für den letzteren Fall sind die Bestimmungen zu den Betverpflichtungen der Insassen. „Auch sollen sie dagelikes gehen tho kercken vnnd geuen sick tho ihrem gebedde vnnd zum weinigsten funfftehen Pater Noster vnnd Aue Maria betten zur gedächtnuß der vielfalttigen wunden vnsers lieben herrn Jesu Christi, vnnd solches deß dages ein maell, die daß vermagh, fur diegenne welche dith hauß gestifttet hebben vnnd de ennen guidtgedaen oder iegenwurttigh thuen, mit worten oder mit wercken, auch fur dieselbige, welche auß diesen hause verstorben sein vnnd ihre truweliche dienste dem hause bewiesen.“232 „Und se sollen syck dagelyg geven tho eren gebede und by namen vyfftheyn Pater Noster und Ave Marien den mannychfuldigen wunden unses leven herrn Jhesu Christi des dages eyns, de dat vermach, vor de genne, de dyt hueß gestichtet hebben und de enne guth doen myt worden offt myt wercken, und vor de genne, de uth dessen huse verstorven synt und eren suren arbeyth hyr truweliken inne gelaten hebben.“233 „Unde se sollen sick daglikes geven tho orem gebede unde bi namen XV Pater Noster unde Ave Maria den mannichvoldigen wunden unses heren Jhesu Christi des dages eins, de dat vermach, vor de gene, de dit hus gestichtet hebben unde de em guid doen mit worden off mit werken, unde vor de gene, de ut dussen huse verstorven sint unde oren suren arbeit truweliken inne laten hebben.“234 „Viffte artickel. Vorder sollen sze sich dagelikes gheuen tho erhen ghebedde vnd by namen xv Pater Noster vnd xv Aue Marien in de erhe der manychfoldighen wunden vnszes heren Jhesu Christi des daghes eyns, de dath vermach, vor die ghenne, de dath huesz gestichtet hebben vnd de em gueth gedaen hebben vnd doen myth woerden vnd wercken, vnd vor de 229 230 231 232 233 234

MUB 372. MUB 366. BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 5v–10r. Armenhaus Zurwesten, Akten 12, fol. 1v. MUB 372. MUB 366.

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ghenne, de veth den huesze verstoruen syn vnd erhen suren aerbeyth daer nu welyken in ghebracht vnd ghelaten hebben.“235

Nicht nur im Bereich der Hausordnungen orientierten sich Armenhäuser aneinander. Auch die vom Stadtrat ausgestellten Gründungsurkunden der Elenden Aegidii, Überwasser und Lamberti zeigen starke thematische und stilistische Überschneidungen. Wieder war es die identische Funktion der drei Einrichtungen, die es nahelegte, sich an die bewährte Vorgehensweise zu halten, die man bei den älteren Vorgängern angewendet hatte. Einander durchaus ähnlich zeigen sich die drei Urkunden – um nur ein Beispiel zu nennen – schon in der Invocatio. „In den namen, to eren, to denste godes barmherticheit.“236 „In dem namen, tho ehren und tho love der saliger und barmhertiger junkfrowen moder godes Marien.“237 „Jn den namen vnd tho eren vnd tho denste der barmherticheyt godes.“238

Auch als 1350 die Antoniuskapelle wiedererrichtet wurde, hielt man sich in weiten Teilen an Formulierungen, die bereits 1342 bei der Erhebung des Kinderhauser Priesters zum Rektor Verwendung gefunden hatten.239 Und als der Rat 1459 bekundete, dass im Armenhaus zur Aa fortan ein Geistlicher an einem Tragaltar die Messe für die Insassen lesen würde, tat er dies mit denselben Worten, mit denen er schon 1429 im Armenhaus Zurwieck die Stelle eines Geistlichen eingerichtet hatte.240 Eine weitere Form der Kooperation betraf Absprachen bezüglich der Funktionsaufteilung oder – im Falle ähnlicher Funktionen – des Aktionsradius einzelner Fürsorgeinstitutionen. Ein Beispiel für das erste Phänomen ist die Beschränkung auf Bürger im Magdalenenhospital und die etwa gleichzeitig oder nur wenig später erfolgte Errichtung des Gasthauses. Ein Beispiel für das zweite Phänomen stellten die Almosenkörbe dar. Die beiden älteren Körbe von Lamberti und Überwasser begrenzten ihren Aktionsraum zweifellos auf die Gebiete diesseits bzw. jenseits der Aa. Mit dem Entstehen weiterer Almosenkörbe an den Pfarrkirchen übernahmen diese die Armenversorgung innerhalb der Grenzen ihrer Kirchspiele. Der Heiliggeistkorb Überwasser tat dies ohnehin längst, umfasste sein Kirchspiel doch das gesamte westlich der Aa gelegene Gebiet. Der Heiliggeistkorb Lamberti hingegen blieb zwar den eigenen Kirchspielarmen verpflichtet, entwickelte sich aber zunehmend zu einer stadtweit operierenden Institution fort.241 Es ist allerdings fraglich, inwieweit die aufeinander abgestimmten Aufgabenbereiche tatsächlich interinsti­ tutionelle Absprachen erforderten. Tatsächlich entsprachen sie wohl mehr den 235 BAM, Generalvikariat, Münster, Armenwesen, A 19, fol. 7r–7v. 236 Gründungsurkunde der Elende Aegidii. Elende Aegidii, Urk. 3a. 237 Gründungsurkunde der Elende Überwasser. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r. 238 Gründungsurkunde der Elende Lamberti. Elende Lamberti, Urk. 1. 239 MUB 115; MUB 116; MUB 117; MUB 142. 240 A XIII, Nr. 284, fol. 3r-v; Armenhaus zur Aa, Urk. 30. 241 Zum Einzugsbereich der Almosenkörbe vgl. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 53, S. 61; Jakobi e.a., Stadtarchiv Münster, S. 59.

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VIII. Interaktion und Kooperation

gewachsenen Strukturen der Kirchspiele. Anders sah es im Falle der Elenden aus. Auch sie hatten untereinander eine ähnliche Funktion, nämlich die Aufnahme von nichtbürgerlichen Pestkranken. Die erste Elende, die 1475 im Kirchspiel Aegidii gegründet wurde, war noch stadtweit tätig. Sie sollte sich um das pestkranke „ghesynde vnses stades jnwonern, gheistlick vnd wertlich“ kümmern sowie um „ander ellende armen kranken, (…) de nyn herberghe off woninge hebben moghen“.242 Die zweite Elende wurde 1519 im Kirchspiel Überwasser gegründet. Sie reagierte auf die Probleme, die „die borger und gemeinen jnwohneren des kerspels tho Averwater mit den gemeinen volcke“ hätten. Ihr Aktionsradius beschränkte sich also auf das Kirchspiel Überwasser, und entsprechend lag die Trägerschaft auch nicht beim Rat, sondern bei den Schöffen des Kirchspiels.243 Der Einzugsbereich der Elende Aegidii dürfte sich entsprechend auf die Kirchspiele diesseits der Aa zurückgezogen haben.244 Damit herrschte für wenige Jahre eine ähnliche Dialektik, wie sie im 13. Jahrhundert zwischen den beiden Heiliggeistkörben bestanden haben dürfte. Nur zehn Jahre später zog Lamberti mit dem Kirchspiel Überwasser gleich. Mit annähernd denselben Worten, die schon die Überwasserelende begründet hatten, berief man sich auch 1529 auf die „last, moye vnnd sorge“, die „vnse borgere vnnd gemeyne inwonners des kerspels tho sunte Lamberte vnses stades“ mit dem pestkranken gemeinen Volke hätten, und zwar Knechten, Mägden, Schülern und Klerikern.245 Die Elende Aegidii dürfte damit allein noch für die Pestkranken der Kirchspiele Aegidii, Ludgeri, Servatii und Martini verantwortlich gewesen sein. Die Zeit der Täuferherrschaft verhinderte die Errichtung weiterer Elenden. Erst einige Jahre nach der Wiedereinführung der Ratswahl 1556 begannen 1561 die Vorbereitungen zur Errichtung einer vierten Elende im Kirchspiel Martini.246 Auch ihr Einzugsbereich sollte auf ihr Kirchspiel begrenzt sein. Nur die Einwohner des Kirchspiels und „neimant anders“ sollten ihre Kranken in die Elende bringen. Grund für die Errichtung war, dass die im Martinikirchspiel wohnhaften Pestkranken über „straten und markede“ der Stadt getragen und „bis in die elende zu sunt Egidii“ gebracht, im Falle ihres Todes aber ihre „doden corpora und lichname“ zum Begräbnis auf den Martinikirchhof zurückgeführt werden müssten. Dies war nicht nur für das Kirchspiel Martini „beschwerlich“, sondern mancher hätte sich auch vor dem Anblick der Pestkranken „endtsettet“, zumal so Straßen und Plätze kontaminiert wurden, wo zuvor „geine kranken gewesenn“. Die Errichtung der Martinielende war damit eine die ganze Stadt betreffende Notwendigkeit. Entsprechend war ein Großteil des zur Gründung erforderlichen Geldes vom Rat zur Verfügung gestellt worden, der 1573 auch die Fundationsurkunde ausstellte. Doch auch andere Interessen waren berührt. Für die Aegidiielende bedeutete die Neugründung sowohl in finanzieller 242 243 244 245 246

Elende Aegidii, Urk. 3a. BAM, Generalvikariat, Handschriften Nr. 175, fol. 149r–149v. Klötzer, Kleiden, S. 129f. Elende Lamberti, Urk. 1. Klötzer, Kleiden, S. 133. Der fundierende Hauskauf erfolgte 1566. Elende Martini, Urk. 2.

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wie auch in logistischer Hinsicht eine deutliche Entlastung. Unterstützt wurde die Martinielende deshalb auch mit 200 Reichstalern „uth der elende to sunt Jlien, damidt sie der beschwerlichen gerechtigheit des kerspels sunt Mertenn als vurgesch. enthaven“. Die Aegidiielende kaufte sich damit faktisch von der Pflicht los, die Pestkranken von Martini weiterhin aufzunehmen. Anders als im Falle der Almosenkörbe ist die Tatsache, dass hier die Einzugsbereiche und Handlungsspielräume von den Institutionen untereinander direkt abgesprochen wurden, unmittelbar belegbar. Auch das Kirchspiel Lamberti hatte von der Neugründung einen entscheidenden Vorteil. Pestkranke des Martinikirchspiels mussten auf dem Weg zur Aegidiielende das Lambertikirchspiel kreuzen. „Ut sunt Lamberts elende“ wurden deshalb weitere 150 Reichstaler zur Verfügung gestellt, „auf dat die sunt Mertens kranken durch ihr kerspell to leiden und to tragen darmidt verschont werden“.247 Insgesamt zeigen die Elenden damit eine gute und effektiv aufeinander abgestimmte Organisation. Aus einer einzelnen zentralen Aufnahmestation für Pestkranke hatte sich nach dem Vorbild der Almosenkörbe ein weitgehend kirchspielspezifisch orientiertes Netz von vier Stationen entwickelt, denen in Folge gezielter Absprachen und Vereinbarungen feste Bezirke zugeordnet waren. Kooperationen mit Fürsorgeinstitutionen außerhalb des städtischen Einflussbereiches sind selten. Für Münster lässt sich eine solche allein in einem Fall vermuten. Gemeint ist jenes Bündnis, das das nach 1242 gegründete Hospital in der Venne offenbar mit den Leprosorien von Dortmund und Soest verband, die beide 1250 errichtet wurden. Auch das Venner Hospital könnte als Leprosorium geplant gewesen sein. Alle drei Institutionen lagen an einem Hellweg jenseits der Mauern ihrer Städte und einander zugewandt, wurden in etwa derselben Zeit als im näheren Umfeld erste ihrer Art gegründet, befanden sich in städtischer Trägerschaft und waren alle Johannes dem Täufer geweiht. Vereint dürften sie zudem durch ihre gemeinsame Aufgabe gewesen sein, jenen Bürgern ihrer Städte Unterkunft zu gewähren, die zuvor aus Furcht vor Übergriffen in eine der verbündeten Städte geflüchtet waren. Tatsächlich waren die Städte Münster, Soest und Dortmund zusammen mit Lippstadt seit 1253 im Werner Bund vereint.248 Das Hospital in der Venne ging nach nur wenigen Jahren ein, die Leprosorien von Soest und Dortmund aber existierten fort. Spätestens in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts befanden sie sich in einer Genossenschaft von fünf Leprosorien. Weitere Mitglieder dieses Bündnisses waren die Leprosorien von Lippstadt sowie von Arnsberg und Mark.249 Vielleicht ist in dieser Vereinigung ein direkter Nachfolger des im 13. Jahrhunderts geschlossenen Bündnisses zu sehen. An ihr partizipierte Münster allerdings nicht mehr. Umfasste die Leprosengenossenschaft ein Gebiet, das südöstlich von Münster lag, wurde das Leprosorium Kin247 248 249

Elende Martini, Urk. 3. Zitate nach der Transkription von Huyskens, Zeiten der Pest, Teil 2, S. 7–10. Die Elende Martini lag auf dem Grundstück Herrenstraße 20/22. Dethlefs, Pest und Lepra, S. 9; Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 489. Vgl. Kap. VI.1. Allinger, Die mittelalterliche Gesellschaft, S. 51; Schulze, Kinderhaus im Wandel der Zeiten, S. 18; Schulze, Die Entstehung von Kinderhaus, S. 21.

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derhaus nördlich der Stadtmauern errichtet. Östlich der Genossenschaft schloss sich 1504 mit der Gertruden-Bruderschaft ein weiteres Bündnis von Leprosorien zusammen. An ihm beteiligt waren die Leprosorien von Herford, Paderborn, Lemgo, Brakel, Geismar, Borgentreich, Blomberg, Einbeck, Uslar und Höxter.250 Die Ursache dafür, dass alle diese Zusammenschlüsse allein Leprosorien betrafen, ist wohl darin zu suchen, dass die meisten Fürsorgeinstitutionen ihren Handlungsraum auf die eigene Stadt beschränkten, während Leprosorien immer wieder von fremden Leprosen aufgesucht wurden, die bettelnd über Land zogen.251 Um mit diesem Problem umgehen zu können, war es für Leprosorien zweifellos von Vorteil, miteinander zu kooperieren und Handlungsweisen aufeinander abzustimmen. Eine Vereinigung innerhalb der Stadt Münster betraf zwar nicht die Fürsorgeinstitutionen als solche, dafür aber eine Vielzahl der an den Armenhäusern angesiedelten Rektoren und Vikare. Nach dem Vorbild der Vikare und Altaristen des Doms, die bereits 1421 in einer Genossenschaft vereint waren,252 taten sich 1433 auch die städtischen Benefizianten zusammen und gründeten in der Lambertikirche eine Bruderschaft unter dem Patrozinium der heiligen Thekla.253 Zum Zeitpunkt ihrer Gründung standen alle sieben an Armenhäusern angestellten Priester unter dem Patronat des Stadtrates und waren damit Mitglieder. Die Bruderschaft verfügte offenbar auch über eine eigene Kasse. Um 1497 bestätigten der Propst von Aegidii, der Priester des Klosters Niesing sowie die Rektoren des Magdalenenhospitals, des Leprosoriums Kinderhaus und der Venne zusammen mit den anderen Benefizianten der Stadt Münster den Erhalt von 2 Gulden Kapital und ½ Mark Rente.254 Wurde die Bruderschaft hier noch von einem Fünfergremium vertreten, oblag die Führung in späterer Zeit zwei Provisoren.255 Die Bruderschaft bot nicht nur die Möglichkeit, gemeinsame Interessen vor dem Stadtrat geschlossen zu vertreten, sondern zweifellos auch den persönlichen Kontakt untereinander zu pflegen. Dieses soziale Netzwerk konnte situativ aktiviert werden und begünstigte so die Zusammenarbeit zwischen den Benefizianten. Gemäß des um 1440/50 angelegten Einkünfteregisters der ersten Vikarie des Armenhauses Zurwieck war dem Vikar von Johannes van Grollo nicht nur eine Rente von 6 Schillingen geschenkt worden, sondern auch „unum calicem deauratum“. Doch der Vikar besaß bereits einen Kelch, den er von Elizabeth Cle250 251

Hentschel, Der Siechen Last, S. 76ff. Vgl. die Kinderhauser Hausordnung von 1558, Art. 23, 24, 25, 26. Krug-Richter, Fasten und Festmahl, S. 365. 252 MUB 480. Vgl. auch MUB 503. 253 Lahrkamp, Patronatsrecht, S. 221. 254 A XIII, Nr. 465. 255 So bekundeten 1546 Johan Becker, Vikar an St. Lamberti, und Johan Hylmerinck, Rektor der Kapelle des Armenhauses Zurwieck, als „provisores der belehnden stades presteren to Münster“, dass der Stadtrat ihnen eine Rente von ½ Mark abgelöst habe, die Gerdt van Wyntersberge einst den „stades presteren“ zur Beschaffung von Brot geschenkt hatte und bisher vom Stadtrat aus dem städtischen Brothaus und dem Scho­haus bezahlt worden war. Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 136. Ein Gerdt Winterßberg ist für das Jahr 1424 belegt. MUB 507. Die Rente scheint der Bruderschaft bereits zur Gründung zugesprochen worden zu sein.

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horst erhalten hatte. Er besprach sich darüber mit Johannes, und man einigte sich darauf, dass der Vikar „in consensu suo“ den Kelch „in usus alios pios domus“ verwenden dürfe. Welches der mit einer Priesterstelle ausgestatteten Armenhäuser den Kelch daraufhin erhielt, ist allerdings nicht bekannt.256 Das einzige Bündnis zwischen Fürsorgeinstitutionen innerhalb der Stadt Münster war der Ring der Almosenkörbe. 1382 brach in Münster zum zweiten Mal die Pest aus. Im nächsten Jahr entzündete sich bei der Servatiikirche ein Feuer, das weite Teil der Kirchspiele Ludgeri und Aegidii in Asche legte.257 Die beiden Ereignisse führten auch zu einer politischen Krise. So bemerkt das münsterische Bürgerbuch für die Jahre 1383 und 1385, dass viele die Dauerherrschaft des Stadtpatriziats im Stadtrat nur schwer ertrugen.258 Als Reaktion auf Pest und Brand wurde spätestens 1385 die Große Prozession gestiftet, die alljährlich am Montag vor Margarethe (13. Juli) durch alle Stadtteile von Pfarrkirche zu Pfarrkirche führte und in der Bürgerschaft, Stadtrat und Geistlichkeit gemeinsam um Frieden und die Abwendung von Pest, Krankheiten und Katastrophen baten.259 Verbunden war die Prozession mit einer öffentlichen Brotspende, die von allen an den Pfarrkirchen angesiedelten Almosenkörben organisiert wurde. Erstmals belegt ist der Ring der Almosener260 für 1394. Am 16. August dieses Jahres erklärten die Almosener von Martini, dass sie ein Kapital von 18 Mark in Empfang genommen haben, die „in de gemeynen almissen to seess kercken to Munsteren“ gegeben wurden, und zwar – im Uhrzeigersinn von Westen nach Süden – „to vnser leuen vrouwen, tho sunte Mertine, to sunte Lamberte, to sunte Seruase, to sunte Ludgeren vnd to sunte Iligen“. Mit Zustimmung ihrer Ratsleute verkauften sie den sechs Almosenkörben für diese 18 Mark eine Rente von 1 Mark aus den Einkünften ihres Korbes. Dass die Almosener von Martini das Kapital den Mitbegünstigten nicht anteilig überweisen, sondern in eine Rente investieren, die sie allen sechs Körben – also auch sich selbst – zuweisen, zeigt, dass hier keine situative Zusammenarbeit vorliegt, sondern der Ring als ein den Institutionen übergeordnetes Gremium bereits Bestand hat. Bezahlen würden die Martinialmosener und ihre Nachfolger die Rente fortan am Tag der Großen Prozession, also „des maendages vor sunte Margareten dage, wan men vnses heren lichamen drecht vmme de kercken in der stat“, und zwar in der Form, dass sie die Rente zur Lambertikir-

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MUB 720. Geisberg, Stadt Münster, Bd. 6, S. 242. Aders, Bürgerbuch, S. 9. Dethlefs, Pest und Lepra, S. 9 sowie Blatt 7. So führte sie etwa auch über das „cimite­ rium“ der Lambertikirche. MUB 599. In der Prozession nahmen die Minoriten, die, nachdem alle übrigen Geistlichen vor der Pest geflohen waren, die städtische Seelsorge und das Predigtamt im Dom versehen hatten, eine hervorgehobene Stellung ein. Schütte, Minoriten, S. 75. Die in den Quellen gebräuchliche Bezeichnung ist „crinck“ oder „krynge“ und bedeutet soviel wie Ring oder Kreis. Almosenkorb Überwasser, Akten 1; BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, fol. 39v, fol. 10r. Vgl. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 189.

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che bringen, „dat de marck dar dan rede sy“.261 Ein zweiter Hinweis auf den Ring der Almosener betrifft das Wohnhaus des Gerd Havekesbeck, das nach dessen Tod 1398 der Zimmerei der Überwasserkirche zugefallen war. Diese verkaufte es 1401 an Johan Oldebergh. Eine Abschrift der Kaufurkunde ist in dem 1530 angelegten Kopiar des Heiliggeistkorbes Lamberti überliefert. Kommentiert wird sie dort mit den folgenden Worten: „Copie eyns husbreffs van den kerckmesterenn to Ouerwater, buten vp den breue steit gescreuen aldus. Item hebnn de seuen almisseners vth behold eyne ewige marck geldz, de plegenn to brengenn de gemeynen almisseners de mandages van sunte Margareten, als de toszamen etten.“262

Spätestens 1530 bezog der Ring also eine Rente aus dem Haus. Eingenommen wurde sie von den Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti, die sie am Tag der Großen Prozession zur Versammlung der Almosenkörbe mitbrachten. Verbunden war das Treffen mit einem gemeinsamen Mahl der Provisoren. Erstaunlich ist, dass hier einmalig nicht von sechs, sondern von sieben Almosenkörben die Rede ist. Möglicherweise war der siebte Korb die Armenkleidung. Denkbar ist aber auch die Domelemosine, wurde doch auch sie regelmäßig als „almyssen“ oder „gemeyner almyssen“ bezeichnet.263 Später bestand der Ring jedenfalls wieder nur aus sechs Körben. Von ihnen berichtet auch das älteste überlieferte Rechnungsbuch des Rings. Angelegt wurde es 1539 in wohl sechs Ausführungen. Überliefert ist aber allein jenes Exemplar, das „ad vsum communium pauperum ecclesiae s. Martini“ angelegt wurden. Der Ring besaß also eine eigene Kasse, in die die Almosener aller sechs Pfarrkirchen gleichermaßen Einblick hatten. Die Einleitung des Buches berichtet genauestens über die Aufgaben und Tätigkeiten des Rings. „Idt is tho wetten, dat des negesten maendagess vor sanct Margareten, als men dat hillige sacrament vmme de stadt plecht tho dregen, so kommen tho samen alle de verwarers der gemeinen armissen semptlicken van den kercken tho Auerwater, tho sanct Ludger, tho sanct Merten, tho sanct Ylien, tho sanct Seruaiß jn de kercken tho sanct Lamberte tho den verwarers des hilligen geistes darsuluest tho s. Lamberte, de dar dan armißeners sindt, vnd dar gifft men dan eine gemeine armissen, itlicken armen einen penningk wegge, vnd dat broit latet de verwarers semptlick backen, itlick synen deill, vnd sendet dat dan jn sanct Lamberts kercken vp den vorg. maindagh.“264

Diese Praxis lässt sich auch aus den Jahresrechnungen der Almosenkörbe belegen. Der Aegidiikorb etwa kaufte 1537 vom Bäcker Johan Rotman für 20 Schillinge Brot, „dat men to sunt Lamberte gaff vp mandach vor Margareten“. Im folgenden Jahr gab man Rotman 15 Schillinge „vor broet, dat to sunte Lamberte qwamm vp 261 262 263 264

„Dass die Mark dort dann bereit sei/bar vorliege“. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 99r–99v. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 98v. BAM, Domarchiv, Urk. 193. Schularme Martini, Akten 20, fol. 3r. Es war dies nicht das erste Rechnungsbuch des Rings. So ist in ihm vermerkt, dass „alle register vnd bewiß“ der aufgeführten Renten „van den wedderdoperen jn belegerungh der stadt Munster sindt vmbracht“. Ebd., fol. 6v.

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mandach vor Margareten“.265 Auch der Heiliggeistkorb Lamberti kaufte 1537 anlässlich der Prozession für 20 Schillinge Brot. 1536 bezahlte er Swart Arennde „vor broyt, dat gegeuen wort vp mayndach vor Margarethe“ mit 15 Schillingen. An selbigem Tag zahlte der Korb zwei Männern ihren Lohn, deren Aufgabe es vielleicht war, das Brot der sechs Körbe unter den Armen zu verteilen. Zudem spendierte er den beiden Turmhütern der Lambertikirche die Mahlzeit und ließ außerdem auf Befehl des Provisors Bernt Gruter, „als men dat hillige sacrament droych vmm de stadt“, einen Schinken auf das Gruthaus schicken.266 Dort fand ein Festmahl des Rates anlässlich der Prozession statt. So kaufte man aus den Mitteln des Grutamtes 1533 von Ludger Mummen Fleisch, „dat men van eme had halen laten des maendages vor Margarete, als men dath sacramenth plach vmme to dregen“.267 Ebenso trafen sich die Almosener der sechs Pfarrkirchen zu einem gemeinsamen Mahl. So berichtet das Rechnungsbuch des Rings: „Vnd vp deme soluigen maendagh so etten vort tho samen alle de verwarers vorgeschre­ uen, vnd de kost motten vorsorgen de verwarers des hilligen geistes tho sanct Lamberte. Vnd de tho bereiden vp den so luigen maindagh, so bidden alle de vorg. verwarers tho der gemeinen armissen jtlick vor siner kercken jn den soluigen kerspel, vnd allent dat se dar dan biddet, dat brenget se tho samen, war se dan etten.“268

Das gemeinsame Mahl war das konstituierende Element des Ringes. Nicht nur das Brot, das die einzelnen Körbe zuvor gekauft hatten, wurde mitgebracht, sondern auch die Einnahmen aus den öffentlichen Spendenausrufen, die sie zuvor vor ihren jeweiligen Pfarrkirchen veranstaltet hatten.269 Hinzu kamen die Renten, die die Almosenkörbe dem Ring selbst zu leisten oder in seinem Namen zuvor eingenommen hatten.270 Einige Renten wurden aber auch direkt vom Ring verwaltet und von den Rentzahlern am Prozessionstag geleistet.271 Insgesamt beliefen sich die am Montag 265 266 267 268 269

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BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, fol. 4r, fol. 11v. Speckpfründe Lamberti, Akten 5, RB 1537, fol. 41r, sowie RB 1536, fol. 19v. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 208. Schularme Martini, Akten 20, fol. 3r–3v. Dies erklärt wohl auch den Vermerk „Noch van demm lestenn auersfall j s.“ in der den Ring betreffenden Rubrik der Jahresrechnung des Almosenkorbes Aegidii von 1538. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, fol. 10r. „Overvallen“ bedeutet neben „überfallen“ auch „bittend angehen“. Lübben, Mittelniederdeutsches Handwörterbuch, S. 266. So bezog der Ring etwa eine Mark Rente aus der Domburse, die der Lambertikorb erhob und mitbrachte, „wan se dan to samen etten“. Auch die Urkunde über eine Rente von 5 Gulden wurde im Namen des Rings bei den „prouisoren des hilligen geistes“ aufbewahrt. In ähnlicher Weise verwahrten die Almosener von Überwasser und Martini und wohl auch die der anderen Kirchspiele Rentenbriefe, deren Erträge sie zum Mahl mitbrachten. Schularme Martini, Akten 20, fol. 3v, fol. 4r, fol. 4v. So zahlte der Zimmermann Herman Sickman etwa 1 Mark Rente, Meister Johan Melling 1 Gulden. Auch die Stadt Münster unterstützte die Brotverteilungen mit jährlich 6 Gulden aus dem Gruthaus sowie seit spätetstens 1448 mit 2 Mark aus der Kämmerei, das Armenhaus zur Aa mit einer Rente von 1 Mark. Das Geld einzutreiben war Aufgabe eines zu diesem Zweck eingestellten Emonitors, der als Lohn 6 Schillinge erhielt. Schularme Martini, Akten 20, fol. 4r, fol. 4v, fol. 5r, fol. 8r; Jappe Alberts, Kämmereirechnungen, S. 38.

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vor Margarethe zusammenkommenden Einnahmen auf etwa 13 Gulden und 8 ½ Mark. Hinzu kamen die am selben Tag fälligen Pachteinnahmen von 25 Scheffel Saatland vor dem Servatiitor, mit denen „de kost“ bezahlt wurde, „de de vorg. verwarers tho samen vordroit, vnd dat oueringe gelt delen de verwarers semptlicke gelick“.272 Die Ausgaben des Ringes betrafen allerdings nicht nur die Brotverteilungen und das eigene Mahl. Auch den Stabträgern und Glockenläutern im Dom gab man je 7 Pfennige. Die städtischen Botmeister erhielten „vor twelff penninge broit“. Und schließlich wurde wie erwähnt das Mahl der Ratsherren unterstützt. Davon berichtet auch das Rechnungsbuch des Rings. „Item de gemeinen armisseners der stadt Munster geuen den borgemestern vnd kemmeners vp den vorbenompten maindagh, wanner se tho samen etten, twe gebraden honder vnd ein schottel mit besteiden fleisch vnd ein schincken, dat soluige doet men guder gewonheit vnd nicht van rechte.“273

Fand der geschäftliche Teil der Ringversammlungen wohl größtenteils in der Lambertikirche statt, so traf man sich offenbar danach im Haus einer der Provisoren des Heiliggeistkorbes Lamberti.274 Entsprechend galt es, der Frau des Gastgebers „vor ungemaeck“ ein halbes Viertel Wein mitzubringen. Auch der Koch erhielt „vor syn arbeit vnd loen“ dieselbe Menge Wein, und die Mägde des Hauses erhielten einen Schilling „tho drinkgelde“.275 Die Zusammenkunft diente allerdings nicht nur der Geselligkeit und der Regelung von den Ring betreffenden Angelegenheiten. Sie wurde von den Almosenern auch ganz pragmatisch dazu genutzt, gegenseitige Rentverpflichtungen zu erfüllen.276 Die Provisoren des Heiliggeistkorbes nahmen innerhalb des Rings eine Führungsposition ein.277 Sichtbar wird dies etwa an dem Ort des Treffens, der zunächst in der Lambertikirche, dann im Privathaus einer der Lambertialmosener lag. Tasächlich bildete die Lambertikirche das Zentrum des Rings, von dem aus die Brotverteilungen koordiniert wurden. Auch für das vom Ring ausgerichtete Mahl der Ratsherren zeichneten die Almosener von Lamberti verantwortlich. Ihnen oblag wohl auch

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Schularme Martini, Akten 20, fol. 5v. Schularme Martini, Akten 20, fol. 7r. 1538 versammelten sich die zwölf Almosener „jn Bernd Gruters huse“, der von 1536 bis 1542 Almosener von Lamberti war. Als er aus dem Amt geschieden war, traf man sich 1543 erstmals „in Goddeken Rodden hus“, der das Provisorat des Heiliggeistkorbes bereits im Vorjahr übernommen hatte. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, fol. 10r, fol. 39v. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 335. Schularme Martini, Akten 20, fol. 8r. So zahlten die Almosener von Martini jenen von Lamberti im Zuge des Treffens von 1539 eine Rente von 2 Schillingen, die wiederum denen von Ludgeri 18 Pfennige zahlten. Die Almosener von Ludgeri und Aegidii erhielten von den Almosenern von Überwasser hingegen je 3 Schillinge, die Almosener von Aegidii und Überwasser aber je 4 Schillinge von den Almosenern von Martini. Schularme Martini, Akten 20, fol. 7v–8r. Vgl. auch BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, fol. 10r. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 33.

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die Führung der gemeinsamen Kasse.278 Mit der Einnahme der Renten und der Führung der Rechnungsbücher des Rings war als Emonitor zudem der Amtmann des Heiliggeistkorbes Lamberti beauftragt.279 Die führende Stellung des Heiliggeistkorbes Lamberti wird auch deutlich, als die Ausgaben des Rings in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts stiegen, der Mehrbedarf aber insbesondere von dem Lambertikorb getragen wurden.280 Doch auch jenseits des Rings nahm der Heiliggeistkorb Lamberti eine Vorrangstellung ein. Als einziger der an den Pfarrkirchen angesiedelten Almosenkörbe war er stadtweit tätig.281 Deutlich wird dies nicht nur an der Vergabe der Speckpfründen, sondern schon an der Gründungspatenschaft, die der Korb gegenüber dem Armenhaus zur Aa einnahm, dessen Insassen auch über den eigentlichen Gründungsakt hinaus zumindest in der Anfangsphase die täglichen Lebensmittel aus den Mitteln des Lambertikorbes finanziert bekamen. Die Führungsrolle des Korbes war nicht zuletzt dadurch begründet, dass er an der Lambertikirche angesiedelt war, der Hauptkirche der städtischen Bürgerschaft und der Kirche des Stadtrates.282 Somit unterstanden seine Provisoren auch nicht dem Kirchspiel, sondern als neben der Armenkleidung Lamberti einzige Institution der offenen Fürsorge unmittelbar dem Stadtrat. Als der Almosenkorb bei Wiedereinführung der Ratswahl 1554 mit der Armenkleidung zusammengelegt wurde, deren Provisorate mit einem Sitz im Rat verbunden waren, stieg ihre Bedeutung noch weiter. Kerssenbrock beschrieb 1573 die Aufgaben der als Kleiderherren im Stadtrat sitzenden Provisoren folgendermaßen: „Duo item eleemosynarchae a vestiendis pauperibus nomen habent, qui etiam omnium ptochodochiorum totius urbis provisoribus ac praefectis publicarum eleemosynarum, quae per singulas paroecias distribuntur, praesunt.“283

Zumindest Ansätze einer derartigen Führungsposition, die sowohl die Oberaufsicht über die Almosenkörbe der Kirchspiele als auch über die Armenhäuser der Stadt umfasste, waren bereits im Spätmittelalter erkennbar. Schon mit der Errich278 279

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Black, Speckpfründe Lamberti, S. 65. Tatsächlich finden sich beide den Ring betreffenden Urkunden allein als Abschriften im Kopiar des Heiliggeistkorbes. Von 1535 bis 1563 war Everhard thor Borch, genannt Leyendecker, in dieser Funktion tätig. So zahlte der Almosenkorb Überwasser 1539 „vermidtz Euert Leyendecker“ 4 Schillinge „in den crinck“. Er hatte dafür ein Register geschrieben, „dat he uns noch presenteren zall“. Almosenkorb Überwasser, Akten 1, RB 1539, fol. 16r. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 27. Ein Jahr später beteiligte sich der Almosenkorb Aegidii mit 4 Schillingen an seiner Lohnzahlung, nachdem er ein Kopiar für die „gemeinen almissen“ angelegt hatte. BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, RB 1540, fol. 5v. Vgl. Klötzer, Kleiden, S. 27. Auch jener Emonitor, der 1539 für das Eintreiben der Renten des Rings 6 Schillinge erhielt, war wohl Evert Leyendecker. Klötzer, Kleiden, S. 28. Black, Speckpfründe Lamberti, S. 61. Zur Vorrangstellung der Lambertikirche vgl. Jakobi, Schwieriges Erbe, S. 311. „Die Almosener aber haben ihren Namen von den einzukleidenden Armen. Sie stehen auch den Provisoren aller Armenhäuser in der gesamten Stadt vor sowie den Vorständen der öffentlichen Almosen, die durch die einzelnen Kirchspiele verteilt werden.“ Detmer, Kerssenbrock, S. 107.

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tung des Armenhauses zur Aa als Reaktion auf die Pest von 1350 hatten sich erste Tendenzen einer allmählichen Hierarchisierung des Fürsorgesystems gezeigt, die im 16. Jahrhundert weiter ausdifferenziert wurden. Da aber der Heiliggeistkorb Lamberti der Trägerschaft des Stadtrates unterstand, bedeutete die Führungsposition, die der Korb bereits im Spätmittelalter innerhalb des Fürsorgesystems im allgemeinen und des Almosenrings im Besonderen eingenommen hatte, auch eine Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten des Rates.

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Zusammenfassung Ziel der vorliegenden Arbeit war eine Analyse des spätmittelalterlichen Fürsorgesystems der Stadt Münster unter besonderer Berücksichtigung der Handlungsspielräume des Rates. Verfolgt wurde dieses Ziel in drei Schritten. In einem ersten Schritt wurden die Anfänge der institutionellen Fürsorge und die Träger der einzelnen Institutionen dargestellt. Danach wurden die internen Strukturen der Institutionen in administrativer, ökonomischer und sozialer Hinsicht untersucht und miteinander verglichen. Und schließlich wurden die Positionen der einzelnen Fürsorgeinstitutionen innerhalb des Systems bestimmt, indem auf ihre unterschiedlichen Funktionen, ihre topographische Situation sowie auf Inkorporationen und interinstitutionelle Kooperationen eingegangen wurde. Die Anfänge des münsterischen Fürsorgesystems gehen bis in das 12. Jahrhundert zurück. Hier liegen nicht nur die Wurzeln der beiden dem Domkapitel unterstehenden Zwölfmännerhäuser, die in ihrer Funktion auf das nähere und weitere Umfeld des Doms beschränkt waren, sondern auch die des im Siedlungskern der Stadt gelegenen Magdalenenhospitals, das auf Grund seiner ursprünglichen Multifunktionalität bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts das Zentrum der städtischen Fürsorgepolitik darstellte. Zunächst stand es in der Trägerschaft des bischöflichen Stadtherrn und ging in der Mitte des 13. Jahrhunderts in die Hände des Stadtrates über, der damit innerhalb des städtischen Fürsorgesystems zum entscheidenden Machtfaktor wurde und dies über die Jahrhunderte auch blieb. So befanden sich auch das nur kurzlebige Hospital in der Venne, der Heiliggeistkorb Lamberti und – da die aus dem Kirchspiel Überwasser in den Rat entsandten Schöffen zugleich dem Kirchspiel selbst vorstanden – zumindest indirekt auch der Heiliggeistkorb Überwasser, die wohl alle drei in der Mitte des 13. Jahrhunderts errichtet wurden, unter der Aufsicht des Rates. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts entstand mit der privaten Stiftung von Armenhäusern ein neues Phänomen der städtischen Fürsorge. So entstanden bis zum Beginn der Täuferzeit nicht weniger als 33 Institutionen der offenen und geschlossenen Fürsorge, die zwar nicht alle parallel existierten, aber dennoch den extrem dezentralen Charakter des münsterischen Fürsorgesystems prägten. Viele von ihnen unterstanden durchaus nicht dem Stadtrat, sondern einzelnen Kirchspielen, einem Kloster oder dem Domkapitel, und auch die Familien der Stifter konnten an der Leitung einer Einrichtung partizipieren. Das städtische Nebeneinander unterschiedlicher Herrschaftsstrukturen fand damit auch in der Fürsorgepolitik ihren Niederschlag. Dennoch zeigen sich in der internen Verwaltung der einzelnen Institutionen nur wenige Unterschiede. Grundsätzlich wurden sie von zwei Provisoren verwaltet, die bei einer entsprechend entwickelten Verwaltungsstruktur einen mit der Rechnungsführung betrauten Amtmann unter sich hatten. In Institutionen der geschlossenen Fürsorge fand sich außerdem oftmals eine Hausfrau oder ein Hausherr, die insbesondere für die Haushaltsführung verantwortlich zeichneten. Die Aufsichtsfunk-

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tion der Träger äußerte sich hier insbesondere in der Ernennung der Amtmänner und Provisoren. Letztere hatten nicht selten selbst Ratserfahrung oder nahmen das Provisorat in ihrer Funktion als Ratsherr wahr. Von dieser Grundstruktur wichen insbesondere die drei dem Domkapitel unterstehenden Institutionen ab, diese waren vielmehr in die Verwaltungsstrukturen des Doms integriert. Neben dem weltlichen Personal fand sich in Institutionen der geschlossenen Fürsorge oftmals auch geistliches. Es waren Kapellrektoren und Vikare, deren Aufgabe darin bestand, für die Insassen Messen zu halten und sie geistlich zu betreuen. Sämtliche mit einem geistlichen Benefizium ausgestatteten Armenhäuser unterstanden dem Stadtrat in seiner Gesamtheit oder den Schöffen von Überwasser. Auch hier konnte der Stadtrat seinen Einfluss geltend machen, indem er zunächst für sämtliche Benefizien das Patronatsrecht wahrnahm. Durch die Errichtung von Blutsvikarien nach der Stiftsfehde wurde dieses Monopol in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts allerdings gebrochen. Fürsorgeinstitutionen waren Wirtschaftsbetriebe, die auf dem städtischen Renten- und Immobilienmarkt hohe Bedeutung erlangen konnten. Insbesondere bei Kapitalaufnahmen oder Verkäufen bedurften die Provisoren allerdings der Zustimmung ihres vorgesetzten Trägers. Seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert prüften die Träger zudem die jährlich anzufertigenden Rechnungsbücher. Doch interagierte der Stadtrat nicht nur in seiner Eigenschaft als Träger mit Institutionen der Fürsorge, sondern auch als Rentenverkäufer. Tatsächlich boten ihm vor allem die größeren Institutionen die Möglichkeit einer umfassenden Kapitalaufnahme. Vor allem während der Stiftsfehde, die den Stadtrat finanziell stark forderte, machte er von dieser Möglichkeit regen Gebrauch. In sozialer Hinsicht konnte der Stadtrat auf die ihm unterstehenden Institutionen insbesondere im Rahmen der das Zusammenleben der Insassen regelnden Hausordnungen Einfluss nehmen, aber auch durch unmittelbare und situativ erlassene Ratsbeschlüsse. Unterschiede zu den Programmatiken anderer Träger existierten dabei kaum. Eine Besonderheit magistraler Armenhäuser bestand allerdings da­ rin, dass sie grundsätzlich sowohl Männern als auch Frauen offenstanden, während andere Institutionen sich oftmals in die eine oder andere Richtung spezialisierten. Zwei Varianten von Hausordnungen sind überliefert. Die eine ist erstmals im Magdalenenhospital nachweisbar. Dessen Rolle wurde in einzelnen Punkten auch bei der Abfassung der Hausordnungen des Antoniushospitals und des Leprosoriums Kinderhaus zur Rate gezogen. Die zweite Variante findet sich erstmals in dem 1302 errichteten Armenhaus Wessede und wurde dann weitestgehend wörtlich von den Armenhäusern Zurwieck, zur Aa und mit zahlreichen Ergänzungen schließlich auch vom Armenhaus St. Johannis übernommen, obwohl die Häuser in magistraler, parrochialer oder monastischer Trägerschaft standen. Wesentlicher als die Trägerschaft war offenbar die Funktion der Häuser. Alle vier nahmen ausschließlich Frauen auf. Die Dezentralität des münsterischen Fürsorgesystems erlaubte eine weitgehende funktionale Spezialisierung der einzelnen Instutionen. Differenziert wurde zwischen offener und geschlossener Fürsorge, zwischen reichen Oberpfründnern und um Gottes Willen aufgenommenen Armen sowie zwischen Männern und Frauen.

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Einen besonders hohen Grad an Spezialisierung zeigten aber die Xenodochien, Leprosorien und Elenden. Das Mitte des 13. Jahrhunderts in der Venne errichtete Hospital mag tatsächlich ein Leprosorium gewesen sein, doch spricht das Taufrecht des dortigen Priesters gegen eine solche Annahme. Zumindest eine Zusatzfunktion des Hospitals dürfte darin bestanden haben, den Bürgern Münsters, die sich aus Furcht vor Übergriffen in verbündete Städte geflüchtet hatten, kurzfristige Unterkunft zu bieten. Innerhalb der Stadtmauern entstand ein Gasthaus, nachdem das Magdalenenhospital in Reaktion auf die Pest seine Tore für Pilger und Reisende schloss und ihnen damit die Möglichkeit einer hospitalischen Versorgung in Münster nahm. Die Aufgabe, Leprosen Unterkunft zu bieten, oblag dem um 1330 errichteten Kinderhaus. Davor fanden Leprose wohl im Marienhospital Aufnahme, das aufgelöst wurde, als Kinderhaus entstand. Zur Anlage des Marienhospitals gehörte ein Friedhof, der 1350 reaktiviert wurde, um die große Zahl der Pesttoten beerdigen zu können. Verbunden war dies wohl mit der Wiedererrichtung des nun nach dem Pestheiligen Antonius benannten Hospitals, dessen Aufgabe zunächst die Versorgung von Pestkranken gewesen sein dürfte. Schon bald allerdings vollzog sich der Wandel in ein einfaches Armenhaus. Eine kontinuierliche Versorgungsmöglichkeit von Pestkranken schufen erst die seit 1475 begründeten Elenden. Alle im 13., 14. und 15. Jahrhundert errichteten hochspezialisierten Fürsorgeinstitutionen waren stadtweit tätig und standen unter Ratsträgerschaft. Erst als 1519 und 1529 zwei Elenden in den Kirchspielen Überwasser und Lamberti entstanden, deren Einzugsbereich auf ihr jeweiliges Kirchspiel beschränkt blieb, stellte der Rat sie in parrochiale Trägerschaft. Die Gestaltung der geschlossenen Fürsorge durch mehrere Institutionen – meist in Form eines zentralen, multifunktionalen Hospitals und einiger hochspezialisierter kleinerer Institutionen – war in spätmittelalterlichen Städten durchaus üblich. Die Ursache für das stark dezentrale System Münsters liegt in der regen Stiftungstätigkeit seiner Bürgerschaft, die nicht nur bestehende Institutionen unterstützte, sondern zahlreiche auf einzelne Stifterpersönlichkeiten zurückgehende Armenhäuser ins Leben rief. Dezentralisierungsphasen sind Stiftungsphasen. Eine erste erlebte Münster in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, die mit dem Einbruch der Pest 1350 aber jäh unterbrochen wurde. Der Nachteil eines dezentralen Systems liegt in der Gefahr, dass einzelne Institutionen nicht über die für den Fortbestand erforderlichen finanziellen Kapazitäten verfügten. Insbesondere eine pestbedingte Inflation brachte vier Armenhäuser in derartige Bedrängnis, dass der Rat sie 1354/67 im neugegründeten Armenhaus zur Aa zusammenfasste. Dies stellte in der Tat den einzigen Zentralisierungsakt dar, der allerdings dahingehend gefestigt wurde, dass der Rat zugleich ein Verbot erließ, weitere Armenhäuser zu stiften. Erst nach der Stiftsfehde von 1450/57 wurde dieses Verbot im Zuge einer zweiten Stiftungsphase gebrochen, die mit dem Beginn der Täuferherrschaft 1534 ihr Ende fand. Die einzelnen Fürsorgeinstitutionen waren einander nicht nur verbunden, wenn sie denselben Trägern unterstanden, sondern sie interagierten und kooperierten auch direkt miteinander. Da alle Institutionen in mehr oder weniger großem Umfang auf dem Renten- und Immobilienmarkt tätig waren, begegneten sie sich hier, kauften Renten voneinander, tauschten Ländereien und empfingen gemeinsam Renten und

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Immobilien. Gerade Letzteres erforderte über den Tag des Geschäftsschlusses hinausgehende Absprachen. Begünstigt wurden diese durch die Lebensläufe der Provisoren. Ein gutes Drittel aller in münsterischen Fürsorgeinstitutionen nachweisbaren Provisoren verfügte über Erfahrungen aus anderen Institutionen. Besonders hoch ist der Anteil unter den Ratsherren, der wohl aus den vergleichsweise schnell wechselnden Ämterübernahmen der jeweiligen Ratsherren resultierte. Dies hatte zur Folge, dass insbesondere die Provisoren der Ratsinstitutionen in andere dem Rat unterstehende Institutionen einen recht genauen Einblick hatten. Auch die Schaffung einer gemeinsamen Kasse oder einer gemeinsamen Verwaltung, bei denen die rechtliche Selbständigkeit der betroffenen Institutionen unangetastet blieb, stellten eine Form interinstitutioneller Interaktion dar. Besonders die örtlich weitgehend ungebundenen Institutionen der offenen Armenfürsorge hatten hier weitreichende Möglichkeiten. Und schließlich begünstigte die gemeinsame Zielrichtung aller Institutionen, die durch die Fürsorge der Bedürftigen definiert war, gemeinsame Kooperationen und Unterstützungen. So übernahm der Heiliggeistkorb Lamberti etwa die Gründungspatenschaft für das Armenhaus zur Aa und war seinen Insassen durch die Zahlung der täglichen Pfründe auch über den Gründungsakt hinaus verpflichtet. Eine besondere Form der Zusammenarbeit stellte aber der Ring der Almosener dar, ein Zusammenschluss der sechs an den Pfarrkirchen angesiedelten Almosenkörbe, dessen Aufgabe in der Verteilung von Brot während der Großen Prozession bestand. Innerhalb des Rings erfüllte der Heiliggeistkorb Lamberti die Rolle eines „primus inter pares“. Und auch darüber hinaus kam ihm unter den Fürsorgeinstitutionen eine hervorgehobene Position zu. In der Gesamtschau zeigt sich das münsterische Fürsorgewesen des Spätmittelalters als ein System, das nicht nur ein einheitliches Ziel verfolgte, sondern auch Strukturen aufwies, die die langfristige Verfolgung dieses Ziels ermöglichten, das sich neuen Erfordernissen anpassen konnte und durch Aufgabenteilung und Kooperation der einzelnen Institutionen Zusammenhalt schuf.1 Wenngleich zahlreiche Institutionen unterschiedliche Zielgruppen bedienten, so waren sie doch alle durch eine gemeinsame Aufgabe vereint, nämlich der Versorgung und Unterstützung von Bedürftigen. Die Möglichkeit zur langfristigen Verfolgung dieses Ziels wurde bereits bei der Gründung festgelegt. Dies geschah in Form von Fundationsurkunden, in denen Stifter und Träger die Ziele der Institution definierten und der Nachwelt geboten, sie dauerhaft zu verfolgen. Der Rechtscharakter war der einer prinzipell auf ewig angelegten Stiftung, zu deren Grundausstattung ein Kapital gehörte, dessen Erträge den Fortbestand der Institution gewährleisteten. Auch die Trägerschaft an sich war ein Verwaltungsmodell, das die Langfristigkeit der Stiftung garantieren sollte, wurden doch gewöhnlich der Stadtrat, Kirchspiele oder Klöster zu Trägern bestimmt, Körperschaften also, die generationenübergreifenden Bestand 1

So nennt Talcott Parsons (Das System moderner Gesellschaften, S. 12f.) als Hauptfunktionen und damit als Grundvoraussetzungen eines dauerhaften sozialen Systems die Fähigkeit zur Normenerhaltung, zur Integration, zur Zielverwirklichung und zur Anpassung.

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hatten. Auch Hausordnungen und Küchenordnungen, die sich über Jahrhunderte hinweg oft nur unwesentlich änderten, stellten ein Instrument dar, die Erfüllung des definierten Ziels langfristig zu gewährleisten. Und schließlich existierte eine fast alle Fürsorgeinstitutionen umfassende Verwaltungsstruktur, die den Zusammenhalt des Systems festigte und seinen Fortbestand garantierte. Trotz seiner festen Verwaltungsstrukturen war das münsterische Fürsorgewesen in der Lage, sich immer wieder den sich verändernden Gegebenheiten seiner Umwelt anzupassen. Es sind insbesondere äußere Umbrüche und Krisen, die interne Veränderungen des Fürsorgesystems bewirkten. Die Auseinandersetzungen zwischen Bischof und Stadtrat in der Mitte des 13. Jahrhunderts etwa förderten die Kommunalisierung des Magdalenenhospitals, die zunehmenden Übergriffe auf städtische Bürger bestimmten zur gleichen Zeit die Funktion des Hospitals in der Venne. Der Ausbruch der Pest 1350 und die mit ihm einhergehende Wirtschaftskrise leiteten nicht nur das Ende der ersten Stiftungsphase ein, sondern bedeuteten insbesondere für die finanziell schlechter aufgestellten Armenhäuser eine existenzielle Bedrohung, auf die der Stadtrat mit dem Zusammenschluss dieser Häuser reagierte. Zugleich erließ er ein Stiftungsverbot für weitere Armenhäuser innerhalb der Stadt, errichtete außerhalb der Stadt aber zugleich das Antoniushospital, dessen Funktion zunächst wohl in der Aufnahme von Pestkranken bestand. Die Pest verursachte zudem eine verstärkte Migration, auf die der Stadtrat antwortete, indem er die Aufnahme in das Magdalenenhospital auf münsterische Bürger beschränkte. Der zweite Pestausbruch von 1382 hingegen bewirkte die Stiftung der Großen Prozession und damit indirekt auch den Zusammenschluss der sechs Almosenkörbe in einem gemeinsamen Ring. Die Stiftsfehde von 1450/57 bedeuteten für die Fürsorgeinstitutionen insofern eine große finanzielle Herausforderung, als der Stadtrat von ihnen hohe Summen an Kapital aufnahm. Vermutlich aus Anlass der Fehde wurde zudem die Speckpfründe Lamberti gegründet, deren ursprüngliche Aufgabe vielleicht in der Versorgung der Witwen der in der Schlacht von Varlar gefallenen münsterischen Bürger lag. Und auch die Errichtung des Johanniterarmenhauses ist letztlich eine Folge dieser Fehde. Mit diesem begann die zweite Stiftungsphase, die sich in der Wirtschaftskrise des frühen 16. Jahrhunderts fortsetzte und mit den Täufern ihr Ende fand. Der Zusammenhalt des Systems schließlich wurde nicht nur durch gemeinsame Verwaltungsstrukturen geschaffen, sondern auch durch eine relative personelle Geschlossenheit der bürgerlichen Provisoren. Interinstitutionelle Zusammenarbeit und Kooperation verstärkten die Integration der einzelnen Institutionen in das Gesamtsystem. Insbesondere der Ring der Almosener förderte die Kohäsion unter den Institutionen der offenen Fürsorge. Eine wesentliche Komponente der Integration stellten aber gemeinsame Trägerschaften dar. Zwar unterstanden von den 33 Institutionen im spätmittelalterlichen Münster nur zwölf Institutionen unmittelbar dem Stadtrat, doch waren dies die für die Aufrechterhaltung des Ziels entscheidenden, also gewissermaßen systemrelevanten Institutionen. Mit dem multifunktionalen Magdalenenhospital und dem stadtweit tätigen Heiliggeistkorb Lamberti hatte der Stadtrat bereits im 13. Jahrhundert die zentralen Einrichtungen der offenen und geschlossenen Fürsorge in seiner Hand. Auch als 1302 das erste auf private Initiative

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zurückgehende Armenhaus Wessede fundiert wurde, übernahm der Rat die Trägerschaft. Erst als weitere Häuser desselben Typs entstanden, übernahmen auch Kirchspiele und andere Träger die Aufsicht. Ähnlich verhielt es sich mit den Elenden. Die Kontrolle über die erste, 1475 im Kirchspiel Aegidii gegründete und stadtweit tätige Elende zog der Rat selbst an sich, die beiden späteren und nur kirchspielweit tätigen Gründungen unterstellte er parrochialen Trägern. Abgesehen von diesen beiden Ausnahmen unterstanden tatsächlich alle hochspezialisierten Institutionen dem Stadtrat. Sie alle gingen auf die Initiative des Rates zurück. Doch nicht nur mit der Gründung von Sonderinstitutionen hat der Stadtrat das System aktiv gestaltet, sondern auch mit der Errichtung des Armenhauses zur Aa, das ebenfalls dem Rat unterstand. Sie fiel in eine Phase wirtschaftlicher Schwäche, in der private Stifter die angeschlagenen Armenhäuser auf Grund eigener finanzieller Engpässe nicht retten konnten. Handlungsfähig blieb allerdings der Rat, der gegen den allgemeinen Trend nicht nur das Armenhaus zur Aa errichtete, sondern auch das Antoniushospital. Anders als bei den eher situativ-zufällig entstehenden Institutionen privater Stifter zeigt sich in den Ratsgründungen, auch wenn ihnen im Falle des Hospitals in der Venne und des Marienhospital die langfristige Perspektive fehlte, ein stadtweit planender Geist. Tatsächlich befanden sich nur drei Institutionen in Ratsträgerschaft, die auf die Initiative privater Stifter zurückgingen. Mit zunehmender Hierarchisierung der Armenfürsorge war es entsprechend auch eine Ratsinstitution, die innerhalb der Fürsorgeinstitutionen eine Führungsrolle einnahm. Im 16. Jahrhundert unterstanden dem inzwischen mit der Armenkleidung vereinigten Heiliggeistkorb Lamberti sowohl die Institutionen der offenen als auch der geschlossenen Armenfürsorge. Allein das Magdalenenhospital, das Antoniushospital und das Leprosorium Kinderhaus wurden wie der Korb selbst von Provisoren geleitet, die ihre Aufgabe unmittelbar als Ratsamt wahrnahmen. Hätte das spätmittelalterliche Fürsorgesystem der Stadt Münster allein aus den Institutionen des Rates bestanden, so wäre es in qualitativ-funktionaler Hinsicht doch voll ausgebildet gewesen. Jede der verschiedenen Gruppen von Bedürftigen hätte weiterhin versorgt werden können. Quantitativ allerdings – und hier insbesondere im Bereich der Frauenarmenhäuser und der offenen Armenfürsorge – stellten die Institutionen in anderen Trägerschaften eine wesentliche und durchaus entscheidende Bereicherung dar, ohne die das Ziel einer für den Erhalt des sozialen Friedens ausreichenden Armenfürsorge kaum zu erreichen gewesen wäre. Heute tragen Stiftungen nicht mehr die Hauptlast der sozialen Fürsorge, sondern setzen erst dort an, wo die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Staates sichtbar werden.2 So wie das mit der Aufklärung einhergehende Erstarken des Staates ein Stiftungssterben auslöste,3 so nimmt die Zahl der Stiftungen und Initiativen privater Wohltätigkeit unter der heutigen Politik der Deregulierung, Liberalisierung

2 3

Borgolte, Stiftung, Staat und sozialer Wandel, S. 12. Borgolte, Stiftung, Staat und sozialer Wandel, S. 11.

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und Privatisierung wieder stark zu.4 Längst sind die sozialen Sicherungssysteme des Staates im Rückbau begriffen,5 und Rufe nach eigenverantwortlicher Vorsorge und sogar nach privater Mildtätigkeit anstelle staatlicher Fürsorge werden laut.6 Die spätmittelalterliche Fürsorgepolitik zeigt die Möglichkeiten, sehr deutlich aber auch die Grenzen eines auf freiwilligen, zufälligen und konjunkturabhängigen Spenden basierenden Sozialsystems.

4 5 6

So entstanden in Deutschland seit 1993 fast 900 Tafeln. http://www.tafel.de/die-tafeln. html. Stand vom 1. Mai 2012. Matheus (Funktions- und Strukturwandel, S. VII) sieht in den derzeitigen Diskussionen um die sozialen Sicherungssysteme einen Grund für das nach wie vor hohe Interesse an mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Hospitälern. So etwa Peter Sloterdijk in der ZEIT vom 8. Dezember 2010. Wolfgang Justus Mommsen bemerkte: „Wenn der Wohlfahrtsstaat überlebt, dann nicht in seiner jetzigen Form, sondern unter Rückgriff auf ältere, subsidiäre, autonome Strukturen.“ Zitiert nach Kleinknecht, Entstehung und Verwaltung, S. 14. Auch Borgolte (Stifung, Staat und sozialer Wandel, S. 11) diskutiert in Anbetracht der zunehmenden Übernahme von Aufgaben der Fürsorge und Bildung durch private Institutionen die Frage nach einem „neuen Mittelalter“, beantwortet sie letztlich aber negativ.

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Quellen und Literatur 1. Ungedruckte Quellen Archiv Haus Hülshoff (Dep. im LWL-Archivamt) Archiv Itlingen (Dep. im LWL-Archivamt) Bistumsarchiv Münster (BAM) Domarchiv Fraterherrenhaus Münster ad fontem salientem Generalvikariat, Handschriften Generalvikariat, Münster, Armenwesen Pfarrarchiv Aegidii Pfarrarchiv Liebfrauen-Überwasser Pfarrarchiv Ludgeri Pfarrarchiv Martini Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen (LAV NRW W) Altertumsverein, Abt. Münster (Dep.) Domkapitel Münster Fürstbistum Münster Haus Kaldenhof Johanniter-Commende zu Steinfurt-Münster-Borken Kloster Überwasser Landsberg-Velen Msc. I Msc. VII Studienfonds Münster Stadtarchiv Münster Allgemeine Urkundensammlung Gerichtsarchiv, Testamente Kirchen und Klöster, Kapelle/Pastorat Venne Kirchen und Klöster, Kirche St. Lamberti Kirchen und Klöster, Kirche St. Martini Kirchen und Klöster, Kloster Ringe Ratsarchiv, A I Ratsarchiv, A II Ratsarchiv, A III Ratsarchiv, A IX

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Quellen und Literatur

Ratsarchiv, A VIII Ratsarchiv, A XIII Ratsarchiv, A XV Ratslisten, Bd. 1 Ratslisten, Bd. 2 Sammlung Karten und Pläne Stadtgeschichtliche Dokumentation, Häuserbuch und münsterische Stadtgeschichte (Sammlung Kirchhoff) Stadtgeschichtliche Dokumentation, Urkundenregesten Münster 1441–1534 (Notizen von Joseph Prinz zum zweiten Halbband des Münsterischen Urkundenbuches) Stiftungsarchiv, Almosenkorb Aegidii Stiftungsarchiv, Almosenkorb Ludgeri Stiftungsarchiv, Almosenkorb Überwasser Stiftungsarchiv, Antoniushospital Stiftungsarchiv, Armenhaus Jüdefeld Stiftungsarchiv, Armenhaus Kinderhaus Stiftungsarchiv, Armenhaus Preußen Stiftungsarchiv, Armenhaus Warendorf Stiftungsarchiv, Armenhaus Wegesende Stiftungsarchiv, Armenhaus Zumbusch Stiftungsarchiv, Armenhaus zur Aa Stiftungsarchiv, Armenhaus Zurwesten Stiftungsarchiv, Armenhaus Zurwieck Stiftungsarchiv, Armenkleidung Lamberti Stiftungsarchiv, Elende Aegidii Stiftungsarchiv, Elende Lamberti Stiftungsarchiv, Elende Martini Stiftungsarchiv, Elende Überwasser Stiftungsarchiv, Gast- und Irrenhaus Martini Stiftungsarchiv, Magdalenenhospital Stiftungsarchiv, Schularme Martini Stiftungsarchiv, Speckpfründe Lamberti Stiftungsarchiv, Speckpfründe Ludgeri Stiftungsarchiv, Stiftung Rave Stiftungsarchiv, Waisenhaus Wegesende Stiftungsarchiv, Zwölfmännerhaus Ludgeri

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2. Gedruckte Quellen und Literatur Aders, Günter: Das verschollene älteste Bürgerbuch der Stadt Münster. Sonderdruck aus der Westfälischen Zeitschrift, Band 110, Münster 1960. Allinger, Martina: Die mittelalterliche Gesellschaft und ihre Pest- und Leprakranken. Anregungen für eine mentalitätsgeschichtliche Unterrichtsreihe, Würzburg 1997. Aristoteles: Politik. Nach der Übersetzung von Franz Susemihl. Mit Einleitung, Bibliograhie und zusätzlichen Anmerkungen von Wolfgang Kullmann (Rowohlts Enzyklopädie), Reinbek bei Hamburg 2003. Asen, Johannes: Das Leprosenhaus Melaten bei Köln, Diss., Bonn 1908. Bachmann, Jutta: Das Spitalwesen in Bielefeld im Spätmittelalter, in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg 73 (1981), S. 29–54. Bakker, Willem de/Driedger, Michael/Stayer, James: Bernhard Rothmann and the Reformation in Münster 1530–35, Kitchener/Ontario 2009. Beck, Hans Peter: Die sozialen Einrichtungen der Stadt Münster im Mittelalter, Diss., Münster [1958]. Belker, Jürgen: Lepra im Mittelalter, in: Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk, Aktionsgemeinschaft Münster/Gesellschaft für Leprakunde e.V. (Hg.): Münster-Kinderhaus. Eine alte Leprastation, o.O. 1989, S. 8–15. Belker, Jürgen: Lepra und Leprosenhäuser. Ein historischer Überblick, in: Kaspar, Fred/Krug, Barbara/Belker, Jürgen: Zum funktionalen Wandel karitativer Einrichtungen. Interdisziplinäre Studien zum Leprosorium Münster-Kinderhaus, in: Bringéus, Nils-Arvid/Meiners, Uwe/Mohrmann, Ruth-E./Sauermann, Dietmar/ Siuts, Hinrich (Hg.): Wandel der Volkskultur in Europa. Festschrift für Günter Wiegelmann zum 60. Geburtstag (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 60/II), Münster 1988, S. 669–695, hier S. 670–676. Belker, Jürgen/Menn, Rudolf: Lepra in Westfalen, in: Toellner, Richard (Hg.): Lepra – Gestern und Heute. 15 wissenschaftliche Essays zur Geschichte und Gegenwart einer Menschheitsseuche. Gedenkschrift zum 650-jährigen Bestehen der Rektorats Münster-Kinderhaus, Münster 1992, S. 8–13. Bergdolt, Klaus: Der schwarze Tod in Europa. Die Große Pest und das Ende des Mittelalters, München 1994. Besold-Backmund, Marlene: Stiftungen und Stiftungswirklichkeit. Studien zur Sozialgeschichte der beiden oberfränkischen Kleinstädte Forchheim und Weismain (Schriften des Zentralinstituts für Fränkische Landeskunde und Allgemeine Regionalforschung an der Universität Erlangen-Nürnberg 27), Neustadt an der Aisch 1986. Bingener, Andreas/Fouquet, Gerhard/Fuhrmann, Bernd: Almosen und Sozialleistungen im Haushalt deutscher Städte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, in: Johanek, Peter (Hg.): Städtisches Gesundheits- und Fürsorgewesen vor 1800 (Städteforschung. Veröffentlichungen des Instituts für vergleichende Städtegeschichte in Münster, Reihe A, Bd. 50), Köln e.a. 2000, S. 41–62.

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Quellen und Literatur

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2. Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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2. Gedruckte Quellen und Literatur

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Geisberg, Max: Eine Darstellung des Prinzipalmarktes um 1716, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i.W., Bd. 3, Münster 1927, S. 1–8. Gerchow, Jan (Hg.): Das Jahrtausend der Mönche. Klosterwelt Werden 799–1803, Köln 1999. Gestrich, Andreas: Städtische Armenfürsorge vom späten Mittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, in: Borst, Otto (Hg.): Die alte Stadt. Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege, Jg. 27/2000, S. 88–96. Gimpel, Klaus: Das Gast- und Irrenhaus in Münster, in: Historia Hospitalium 14 (1981/82), S. 57–77. Gimpel, Klaus: Fürstbischof Galen machte 1672 in Kinderhaus Besuch. Die Eroberung der Stadt durch Christoph Bernhard hatte für das Leprosenhaus positive Folgen, in: Westfälische Nachrichten vom 10. März 1988. Gimpel, Klaus: Mildtätige Stiftung für Leprakranke in Kinderhaus. Unbekannter Bericht des städtischen Armensekretärs aus dem Jahre 1856, in: Westfälische Nachrichten vom 18. Februar 1988. Gros, Beate Sophie: Das Hohe Hospital in Soest (ca. 1178 bis 1600). Eine prosopographische und sozialgeschichtliche Untersuchung (Urkunden-Regesten der Soester Wohlfahrtsanstalten 5), Münster 1999. Gründer, Horst: Arme, Armut und Armenwesen in der Stadt Münster im 19. Jahrhundert, in: Westfälische Zeitschrift 139 (1989), S. 161–178. Hakenes, Jutta: Lepra im Mittelalter mit Beispielen aus dem Münsterland, unveröffentl. Diss. (StdtAMs, 4 HSS 081), Münster 1988. Hanschmidt, Alwin: Zur Armenpolizei der Stadt Münster im ausgehenden 16. Jahrhundert, in: Jäger, Helmut/Petri, Franz/Quirin, Heinz (Hg.): Civitatum Communitas. Studien zum europäischen Städtewesen. Festschrift Heinz Stoob zum 65. Geburtstag, Bd. 2, Köln/Wien 1984, S. 655–682. Hansen, Joseph: Westfalen und Rheinland im 15. Jahrhundert, Bd. 2. Die Münsterische Stiftsfehde (Publikationen aus den k[öniglich]-preußischen Staatsarchiven 42), Leipzig 1890. Hatje, Frank: „Gott zu Ehren, der Armut zum Besten“. Hospital zum Heiligen Geist und Marien-Magdalenen-Kloster in der Geschichte Hamburgs vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Hamburg 2002. Hechelmann, A.: Die Elenden (Elendae) der Stadt Münster, in: Westfälische Zeitschrift 27 (1867), S. 360–366. Hengst, Karl: Art. „Münster – Johanniter“, in: Hengst, Karl (Hg.): Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil 2: Münster – Zwillbrock (Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Münster 1994, S. 71–74. Hensel-Grobe, Maike: Das St.-Nikolaus-Hospital zu Kues. Studien zur Stiftung des Cusanus und seiner Familie (15.–17. Jahrhundert) (Geschichtliche Landeskunde 64), Stuttgart 2007. Hentschel, Hermann: Lepra – der Siechen Last. Ergänzung zur Sonderausstellung der Gesellschaft für Leprakunde e. V. Münster und des Deutschen AussätzigenHilfswerks e. V., Lemgo 1990.

382

Quellen und Literatur

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2. Gedruckte Quellen und Literatur

383

Jankrift, Kay Peter: Etlicker notropftiger gebreckenn tho betteren... Streiflichter auf die Normsetzung im Leprosorium Münster-Kinderhaus zur Mitte des 16. Jahrhunderts, in: Die Klapper. Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e.V. 9 (2001), S. 10–11. Janssen, Joh. (Hg.): Die münsterischen Chroniken von Röchell, Stevermann und Corfey (Die Geschichtsquellen des Bistums Münster 3), Münster 1856. Jappe Alberts, W. (Hg.): Die Kämmereirechnungen der Stadt Münster über die Jahre 1447, 1448 und 1458 (Fontes Minores Medii Aevi 11), Groningen 1960. Jetter, Dieter: Das europäische Hospital. Von der Spätantike bis 1800, Köln 1986. Jetter, Dieter: Geschichte des Hospitals, Bd. 1. Westdeutschland von den Anfängen bis 1850 (Sudhoffs Archiv, Beiheft 5), Wiesbaden 1966. Jetter, Dieter: Grundzüge der Hospitalsgeschichte (Grundzüge 22), Darmstadt 1973. Jünemann, Katrin: Besucher kommen aus der ganzen Welt. Deutschlands einziges Lepramuseum wird 20 Jahre alt, in: Westfälische Nachrichten vom 4. Januar 2006. Jungnitz, Bernhard: Die konfessionellen Krankenhäuser der Stadt Münster im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert, Diss., Aachen 1981. Just, Ivo: Aussatz in Kinderhaus. Lepramuseum und andere Aufgaben der Gesellschaft für Leprakunde, in: Bürgervereinigung Kinderhaus e.V./Begegnungsstätte Sprickmannstraße (Hg.): 650 Jahre Leben in Kinderhaus 1342–1992. Festschrift, Münster-Kinderhaus 1992, S. 136–137. Just, Ivo: Das Lazarushäuschen in Münster-Kinderhaus, in: Die Klapper. Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e.V. 9 (2001), S. 15. Jütte, Robert: Disziplinierungsmechanismen in der städtischen Armenfürsorge der Frühneuzeit, in: Sachße, Christoph/Tennstedt, Florian: Soziale Sicherheit und soziale Disziplinierung, Frankfurt 1986, S. 101–118. Jütte, Robert: Obrigkeitliche Armenfürsorge in deutschen Reichsstädten der Frühen Neuzeit. Städtisches Armenwesen in Frankfurt am Main und Köln, Köln e.a. 1984. Kegel, Leonie/Hamelmann, Julia: Kinderhaus 1660–1760. Der frühere Leprosenhof der Stadt Münster als Erziehungshaus und als Armenhaus. Ausstellung im Le­ pramuseum Münster-Kinderhaus, Münster 2010. Kerssenbroch, Hermanni a: Anabaptistici Furoris Monasterium inclitam Westphaliae metropolim evertentis Historica Narratio, Bd. 1. Herausgegeben von Heinrich Detmer (Geschichtsquellen des Bisthums Münster 5/1), Münster 1900. Kerssenbrock, Hermann von: Geschichte der Wiedertäufer zu Münster in Westfalen. Übersetzt von Simon Peter Widmann, Münster 1929. Kindlinger, Nikolaus: Münsterische Beiträge zur Geschichte Deutschlandes, hauptsächlich Westfalens Münster, Bd. 2, Münster 1790. Kindlinger, Nikolaus: Münsterische Beiträge zur Geschichte Deutschlandes, hauptsächlich Westfalens Münster, Bd. 3, Münster 1793. Kindlinger, Nikolaus: Münsterische Beiträge zur Geschichte Deutschlandes, hauptsächlich Westfalens Münster, Bd. 4, Münster 1793. Kirchhoff, Karl-Heinz: Der Prinzipalmarkt mit Michaelisplatz, Gruetgasse, Syndikatgasse und Syndikatplatz (Häuserbuch der Stadt Münster 1), Münster 2001.

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Quellen und Literatur

Kirchhoff, Karl-Heinz: Die Täufer in Münster 1534/35. Untersuchungen zum Umfang und zur Sozialstruktur der Bewegung (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung 12), Münster 1973. Kirchhoff, Karl-Heinz: Die Unruhen in Münster/Westf. 1450–1457. Ein Beitrag zur Topographie und Prosopographie einer städtischen Protestbewegung, in: Ehbrecht, Winfried (Hg.): Städtische Führungsgruppen und Gemeinde in der werdenden Neuzeit, Köln u.a. 1980, S. 153–312. Kirchhoff, Karl-Heinz: Gesamtgilde und Gemeinheit in Münster (Westf.) 1410 bis 1661. Zur Entwicklung einer bürgerschaftlichen Vertretung innerhalb der Ratsverfassung, in: Petri, Franz/Schöller, Peter/Stoob, Heinz/Johanek, Peter (Hg.): Forschungen zur Geschichte von Stadt und Stift Münster, Warendorf 1988, S. 235–279. Kirchhoff, Karl-Heinz: Gilde und Gemeinheit in Münster/Westf. 1525–1534. Zur legalen Durchsetzung einer oppositionellen Bewegung, in: Ehbrecht, Wilfried/ Schilling, Heinz (Hg.): Niederlande und Nordwestdeutschland. Studien zur Regional- und Stadtgeschichte Nordwestkontinentaleuropas im Mittelalter und in der Neuzeit. Franz Petri zum 80. Geburtstag, Köln/Wien 1983, S. 164–179. Kirchhoff, Karl-Heinz: Marienhospital und Antoniuskapelle vor dem Mauritztor zu Münster, in: Jakobi, Franz-Josef/Klötzer, Ralf/Lambacher, Hannes (Hg.): Strukturwandel der Armenfürsorge und der Stiftungswirklichkeiten in Münster im Laufe der Jahrhunderte (Studien zur Geschichte der Armenfürsorge und der Sozialpolitik in Münster 4), Münster 2002, S. 127–143. Kirchhoff, Karl-Heinz: Stadtgrundriß und topographische Entwicklung, in: Jakobi, Franz-Josef (Hg.): Geschichte der Stadt Münster, Bd. 1, Münster 1994, S. 447– 484. Klein, Hanns: Das Saarbrücker Spitalwesen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 1 (1975), S. 177–214. Kleinknecht, Thomas: Entstehung und Verwaltung von Stiftungen als Gegenstand historischer Forschung, in: Jakobi, Franz-Josef/Lambacher, Hannes/Metzdorf, Jens/Winzer, Ulrich (Hg.): Stiftungen und Armenfürsorge in Münster vor 1800 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 17/1), Münster 1996, S. 9–25. Klocke, Friedrich von: Nachrichten aus dem untergegangenen ältesten Ratswahlbuch (1354–1531), in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i.W., Bd. 3, Münster 1927, S. 107–116. Klötzer, Ralf: Alter Steinweg. Mit Lambertikirchplatz, Kirchherrngasse, Bolandsgasse, Asche, Julius-Voos-Gasse, Arztkarrengasse, Winkelstraße (Häuserbuch der Stadt Münster 4), Münster 2010. Klötzer, Ralf: Das Gertrudensiegel des Leprosoriums Münster-Kinderhaus. Neue Funde, in: Die Klapper. Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e.V. 11/12 (2003/04), S. 1–3. Klötzer, Ralf: Das Wappen der Stadt Münster, Münster 2007. Klötzer, Ralf: Die Täuferherrschaft von Münster. Stadtreformation und Welterneuerung (Reformationsgeschichtliche Studien und Texte 131), Münster 1992.

2. Gedruckte Quellen und Literatur

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Klötzer, Ralf: Für ewige Zeiten? Zusammenlegungen und Auflösungen sozialer Stiftungen in Münster, in: Jakobi, Franz-Josef/Klötzer, Ralf/Lambacher, Hannes (Hg.): Strukturwandel der Armenfürsorge und der Stiftungswirklichkeiten in Münster im Laufe der Jahrhunderte (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 17/4), Münster 2002, S. 351–411. Klötzer, Ralf: Kinderhaus 1534–1618. Das Leprosenhaus der Stadt Münster von der Täuferherrschaft bis zum Dreißigjährigen Krieg. Ausstellung im Lepramuseum Münster-Kinderhaus, Münster 2001. Klötzer, Ralf: Kinderhaus 1648. Das Leprosenhaus der Stadt Münster in Krieg und Frieden. Ausstellung im Lepramuseum Münster-Kinderhaus zum Jubiläum 350 Jahre Westfälischer Frieden, Münster 1998. Klötzer, Ralf: Kleiden, Speisen, Beherbergen. Armenfürsorge und soziale Stiftungen in Münster im 16. Jahrhundert (1535–1588) (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 17/3), Münster 1997. Klötzer, Ralf: Mit dem Archiv ins Museum. Eine Ausstellungsfolge des Lepramuseums in Münster in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv über das Leprosenhaus Kinderhaus im 16. und 17. Jahrhundert, Diplomarbeit, Münster 2001. Klötzer, Ralf: Orte der Fürsorge. Topographie der sozialen Stiftungen in Münster, in: Jakobi, Franz-Josef/Klötzer, Ralf/Lambacher, Hannes (Hg.): Strukturwandel der Armenfürsorge und der Stiftungswirklichkeiten in Münster im Laufe der Jahrhunderte (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 17/4), Münster 2002, S. 413–426. Knefelkamp, Ulrich: Das Gesundheits- und Fürsorgewesen der Stadt Freiburg im Breisgau im Mittelalter (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 17), Freiburg i. Br. 1981. Knefelkamp, Ulrich: Materielle Kultur und religiöse Stiftung in Spätmittelalter und Reformationszeit. Das Beispiel des Spitals, in: Jaritz, Gerhard (Hg.): Materielle Kultur und religiöse Stiftungen im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs 12), Wien 1990, S. 95–108. Kohl, Wilhelm: Art. „Münster – Beginen ton olden Susterhus“, in: Hengst, Karl (Hg.): Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil 2: Münster – Zwillbrock (Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Münster 1994, S. 131–132. Kohl, Wilhelm: Das Domstift Sankt Paulus zu Münster, Bd. 1 (Germania Sacra NF 17,1), Berlin u.a. 1987. Kohl, Wilhelm: Das Domstift Sankt Paulus zu Münster, Bd. 2 (Germania Sacra NF 17,2), Berlin u.a. 1982. Kohl, Wilhelm: Das Domstift Sankt Paulus zu Münster, Bd. 3 (Germania Sacra NF 17,3), Berlin u.a. 1989. Kohl, Wilhelm: Urkundenregesten und Einkünfteregister des Aegidii-Klosters (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, NF 3), Münster 1966.

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Quellen und Literatur

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2. Gedruckte Quellen und Literatur

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Quellen und Literatur

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2. Gedruckte Quellen und Literatur

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Pöpping, Karl: Die Geschichte der Hl.-Geist-Kirche und des Armenwesens in Borken (Aus der Geschichte unserer Stadt 8), Borken o.J. Pott, Lorenz/Schulze, Friedbert/Woelm, Irmgard: Höfe und Häuser, in: Heidbrink, Heinrich/Kaufmann, Friedrich/Pott, Bernhard/Wilken, Helmut/Wilken, Wolfgang (Hg.): Kinderhaus gestern-heute-morgen. Portrait eines Stadtteils, Münster 1972, S. 31–62. Prinz, Joseph: Mimigernaford-Münster. Die Entstehungsgeschichte einer Stadt (Geschichtliche Arbeiten zur westfälischen Landesforschung 4), Münster 1960. Prinz, Joseph: Münsterisches Urkundenbuch. Das Stadtarchiv Münster. 1. Halbband 1176–1440 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 1), Münster 1960. Probst, Christian: Der Deutsche Orden und sein Medizinalwesen in Preußen. Hospital, Firmarie und Arzt bis 1525 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 29), Marburg 1969. Püschel, Erich: Untersuchungen über die Verbreitung einer epidemischen Krankheit in Westfalen. Der Englische Schweiß des Jahres 1529, in: Westfälische Forschungen 10 (1957), S. 57–63. Putz, Lars Willibald: Die Hausordnungen Münsteraner Armenhäuser und Hospitäler vom Spätmittelalter bis ins 17. Jahrhundert. Magisterarbeit (StdtAMs, 4 HSS 638), Münster 2007. Queckenstedt, Hermann: Die Armen und die Toten. Sozialfürsorge und Totengedenken im spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Osnabrück (Kulturregion Osnabrück 8), Osnabrück 1997. Rabeler, Sven: Karitatives Handeln, Stiftungswirklichkeiten und Personenbeziehungen. Überlegungen zu einer Sozialgeschichte der Armenfürsorge im mittelalterlichen Lübeck, in: Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde 85 (2005), S. 11–24. Raff, Thomas: Das Bild der Armut im Mittelalter, in: Oexle, Otto Gerhard (Hg.): Armut im Mittelalter. Vorträge und Forschungen (Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte 58), Ostfildern 2004, S. 9–26. Ratzinger, Georg: Geschichte der kirchlichen Armenpflege, Freiburg i. Br. 1884. Reicke, Siegfried: Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, Bd. 1. Das deutsche Spital. Geschichte und Gestalt (Kirchenrechtliche Abhandlungen 113), Stuttgart 1932. Reicke, Siegfried: Das deutsche Spital und sein Recht im Mittelalter, Bd. 1. Das deutsche Spitalrecht (Kirchenrechtliche Abhandlungen 114), Stuttgart 1932. Rexroth, Frank: Armenhäuser. Eine neue Institution der sozialen Fürsorge im späten Mittelalter, in: Matheus, Michael (Hg.): Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich (Geschichtliche Landeskunde 56), Stuttgart, 2005, S. 1–14. Risse, Adolf: Die Leprahäuser im Raume Münster, in: Westfälischer Heimatbund (Hg.): Westfälischer Heimatkalender 1955. Ausgabe Münster-Stadt und -Land, 9. Jg., Münster 1954, S. 192–197.

390

Quellen und Literatur

Rolevinck, Werner: De laude antiquae Saxoniae nunc Westphaliae dictae. Ein Buch zum Lobe Westfalens, des alten Sachsenlandes. Der Text der lateinischen Erstausgabe vom Jahre 1474 mit deutscher Übersetzung herausgeg. von Herm. Bücker, Münster 1953. Rothert, Hermann: Das Reich der ‚Wiedertäufer‘ zu Münster, überarbeitet von Karl-Heinz Kirchhoff, Münster 1982. Sachße, Christoph/Tennstedt, Florian: Geschichte der Armenfürsorge in Deutschland. Bd. 1: Vom Spätmittelalter bis zum Ersten Weltkrieg, Stuttgart 1980. Schäfers, Gottfried: Kinderhaus in alten Ansichten, Zaltbommel/Niederlande 1993. Schaub, Franz: Die katholische Caritas und ihre Gegner, Mönchengladbach, 1909. Schedensack, Christine: Die Anfänge des Armenhauses zur Aa. Zur Frühphase der „Kommunalisierung“ der Armenfürsorge in Münster, in: Jakobi, Franz-Josef/ Lambacher, Hannes/Metzdorf, Jens/Winzer, Ulrich (Hg.): Stiftungen und Armenfürsorge in Münster vor 1800 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 17/1), Münster 1996, S. 169–239. Scheutz, Martin: Europäisches Spitalwesen. Institutionelle Fürsorge in Mittelalter und Früher Neuzeit (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung, Ergänzungsbd. 51), Wien u.a. 2008. Schlot, Udo e.a.: Münster-Kinderhaus, Münster 1984. Schmedding: Fürsorge für Arme und Kranke in Münster, in: Münsterische Heimatblätter. Beiträge zur Kulturgeschichte und Heimatkunde der westfälischen Lande und Nachbargebiete, Münster 1914, S. 16–26. Schmidt, Sebastian/Aspelmeier, Jens (Hg.): Norm und Praxis der Armenfürsorge in Spätmittelalter und früher Neuzeit (Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 189), Stuttgart 2006. Schmitz-Kallenberg, Ludwig: Inventare der nichtstaatlichen Archive des Kreises Borken (Inventare der nichtstaatlichen Archive der Provinz Westfalen 1/2), Münster 1901. Schmitz-Kallenberg, Ludwig: Inventare der nichtstaatlichen Archive des Kreises Coesfeld (Inventare der nichtstaatlichen Archive der Provinz Westfalen 1/3), Münster 1904. Schmitz-Kallenberg, Ludwig: Inventare der nichtstaatlichen Archive des Kreises Steinfurt (Inventare der nichtstaatlichen Archive der Provinz Westfalen 1/4), Münster 1907. Schmitz-Kallenberg, Ludwig: Nachträge zu den Inventaren der nichtstaatlichen Archive des Kreises Coesfeld. Archiv Manderscheid, Blankenheim in Dülmen u.a. (Inventare der nichtstaatlichen Archive der Provinz Westfalen 1/4a), Münster 1908. Scholz, Klaus: Die Urkunden des Kollegiatstifts Alter Dom in Münster (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen 37,2), Münster 1978. Schoppmeyer, Heinrich: Die städtischen Patrimonialbenefizien in Münster i. W. bis 1802, unveröffentl. Diss. (StdtAMs, 4 HSS 528), Münster 1923.

2. Gedruckte Quellen und Literatur

391

Schulte, Eduard: Bürgermeister der Stadt Münster, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i.W., Bd. 3, Münster 1927, S. 66–70. Schulte, Eduard: Die ältesten Quellen zur Geschichte des Armenhauses Elisabeth zur Aa, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bd. 2, Münster 1924/26, S. 1–24. Schulte, Eduard: Die Münsterische Ratswahl, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i.W., Bd. 3, Münster 1927, S. 62–66. Schulte, Eduard: Eine Londoner Liste von Münsterschen Erbmännern, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bd. 4, Münster. 1931, S. 325–338. Schulte, Eduard: Haben die Wiedertäufer das Stadtarchiv Münster vernichtet?, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster i.W., Bd. 3, Münster 1927, S. 73–75. Schulte, Gottfried: Die Verfassungsgeschichte Münsters im Mittelalter, in: Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster, Bd. 1, Münster 1898, S. 1–160. Schulze, Friedbert: Die Entstehung von Kinderhaus, in: Deutsches AussätzigenHilfswerk, Aktionsgemeinschaft Münster/Gesellschaft für Leprakunde e.V. (Hg.): Münster-Kinderhaus. Eine alte Leprastation, o.O. 1989, S. 18–22. Schulze, Friedbert: Kinderhaus im Wandel der Zeiten, in: Heidbrink, Heinrich/ Kaufmann, Friedrich/Pott, Bernhard/Wilken, Helmut/Wilken, Wolfgang (Hg.): Kinderhaus gestern-heute-morgen. Portrait eines Stadtteils, Münster 1972, S. 15–27. Schulze, Friedbert: Zeugen einer vergangenen, leidvollen, schweren Zeit. Die einzige noch erhaltene Leprosenkirche in Kinderhaus feiert 500. Jubiläum – Das älteste Spital Münsters, in: Neuer Westfälischer Kurier vom 19. August 1949. Schulze, Rudolf: Das adelige Frauen- (Kanonissen-) Stift der Hl. Maria (1040–1773) und die Pfarre Liebfrauen-Überwasser zu Münster Westfalen. Gegründet 1040. Ihre Verhältnisse und Schicksale, Münster 1952. Schulze, Wilhelm: Lepra in Schleswig-Holstein und Hamburg, in: Die Klapper. Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e.V. 1 (1986), S. 3–7. Schürle, Wolfgang W.: Das Hospital zum Heiligen Geist in Konstanz. Ein Beitrag zur Rechtsgeschichte des Hospitals im Mittelalter, Sigmaringen 1970. Schütte, Albert: Die Patrozinien der alten Pfarrkirchen der Stadt Münster, in: Auf Roter Erde. Beiträge zur Geschichte des Münsterlandes und der Nachbargebiete, Jg. 9, Nr. 9, in: Münsterischer Anzeiger vom 29. Juni 1934, S. 65–67. Schütte, Leopold: Art. „Münster – Minoriten“, in: Hengst, Karl (Hg.): Westfälisches Klosterbuch. Lexikon der vor 1815 errichteten Stifte und Klöster von ihrer Gründung bis zur Aufhebung, Teil 2: Münster – Zwillbrock (Quellen und Forschungen zur Kirchen- und Religionsgeschichte 2), Münster 1994, S. 74–80. Schwarz, Wilhelm Eberhard: Der Wohltätigkeitssinn der Münsterischen Domgeistlichkeit im 15. Jahrhundert und die Stiftung der Dom-Elemosine, in: Westfälische Zeitschrift 77 (1919), 1. Abt., S. 46–105.

392

Quellen und Literatur

Seigel, Rudolf: Spital und Stadt in Altwürttemberg. Ein Beitrag zur Typologie der landstädtischen Spitäler Südwestdeutschlands (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Tübingen 3), Tübingen 1966. Singer, Samuel/Liver, Ricarda (Hg.): Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi, Lexikon der Sprichwörter des romanisch-germanischen Mittelalters, Bd. 11, Berlin e.a. 2001, S. 16f. Słon´, Marek: Die Spitäler Breslaus im Mittelalter, Warszawa 2001. Spiegeler, Pierre de: Les hopitaux et l‘assistance a Liège (Xe-XVe-siecles). Aspects institutionelles et sociaux, Paris 1987. Stadtmuseum Münster (Hg.): Pest und Lepra in Münster. Ausstellung der Jugendarbeitsgemeinschaft für Stadtgeschichte beim Stadtmuseum Münster in Zusammenarbeit mit dem Institut für vergleichende Städtegeschichte, Universität Münster und der Gesellschaft für Leprakunde e. V., Münster-Kinderhaus, Münster 1985. Stunz, Holger R.: Hospitäler im deutschsprachigen Raum im Spätmittelalter als Unternehmen für die caritas. Typen und Phasen der Finanzierung, in: Matheus, Michael (Hg.): Funktions- und Strukturwandel spätmittelalterlicher Hospitäler im europäischen Vergleich (Geschichtliche Landeskunde 56), Stuttgart, 2005, S. 129–159. Tibus, Adolph: Die Stadt Münster. Ihre Entstehung und Entwicklung bis auf die neuere Zeit, Münster 1882. Tibus, Adolph: Gründungsgeschichte der Stifter, Pfarrkirchen, Klöster und Kapellen im Bereiche des alten Bisthums Münster mit Ausschluß des ehemaligen friesischen Theils, Münster 1885. Treue, Wilhelm: Wirtschaft, Gesellschaft und Technik vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (Gebhardt 12), München 1999. Tschuschke, Volker: Studien zur Geschichte der Fürsorge in Vreden. Das Gasthaus zum Heiligen Geist, das Leprosenhaus, das Waisenhaus, das St. Marien-Hospital und das Alten- und Pflegeheim St. Ludger (Beiträge des Heimatvereins Vreden zur Landes- und Volkskunde 44), Vreden 1994. Ueberfeld, Matthias: Von der Leprosenkapelle zur Gemeindekirche. Ein Beitrag zur Bau- und Kunstgeschichte St. Josef Kinderhaus, in: Bürgervereinigung Kinderhaus e. V./Begegnungsstätte Sprickmannstraße (Hg.): 650 Jahre Leben in Kinderhaus 1342–1992. Festschrift, Münster-Kinderhaus 1992, S. 13–27. Uhlhorn, Gerhard: Die Christliche Liebesthätigkeit, Stuttgart 1895. Uhrmacher, Martin: So vinden wyr an euch als an eynen krancken und seichen manne... – Köln als Zentrum der Lepraschau für die Rheinlande im Mittelalter und früher Neuzeit, in: Die Klapper. Mitteilungen der Gesellschaft für Leprakunde e.V. 8 (2000), S. 4–6. Ulshöfer, Kuno: Spital und Krankenpflege im späten Mittelalter, in: Württembergisch Franken. Jahrbuch des Historischen Vereins für Württembergisch Franken, Schwäbisch Hall 1978, S. 49–68. Utsch, Karl: Die Kultusabteilung des Stadtarchivs Münster. Urkunden und Regesten, Diss., Münster 1937.

2. Gedruckte Quellen und Literatur

393

Vahle, Johannes: Das städtische Armenwesen Münsters vom Augange der fürstbischöflichen Zeit bis zum Beginne der französischen Herrschaft einschließlich. Ein Beitrag zur Geschichte des Armenwesens im Zeitalter der Aufklärung, in: Zeitschrift für vaterländische Geschichte und Altertumskunde, Bd. 71 (1913), Teil 1, S. 331–494. Veddeler, Peter: Das münsterische Balkenwappen. Entstehung und Entwicklung eines regionalen Wappens (Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 69), Münster 1991. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie. Besorgt von Johannes Winckelmann. Studienausgabe, Tübingen 51980. Weikert, Wolfgang: Erbmänner und Erbmännerprozesse. Ein Kapitel Münsterischer Stadtgeschichte, Münster/New York 1990. Wellschmied, Karl: Die Hospitäler der Stadt Göttingen. Ihre Entwicklung, Verwaltung und Wirtschaft von den Anfängen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (Studien zur Geschichte der Stadt Göttingen 4), Göttingen 1963. Weyland, Ute: Neue Untersuchungen über Lepra- und Pesthäuser in Westfalen und Lippe. Versuch eines Katasters (Diss.), Bochum 1983. Wiemer, Sigrid: Das Leben in Münsteraner Armenhäusern während des 19. Jahrhunderts (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland 71), Münster 1991. Wilkens, Albrecht: Versuch einer allgemeinen Geschichte der Stadt Münster, oder historisch-topographische Darstellung der Stadt seit ihrer Entstehung, Vergrößerung und Vollendung. Nebst einer Nachweise über ihre merkwürdigsten Stiftungen vom Jahr 799 bis 1534, nach beigefügten Urkunden entworfen, Hamm/ Münster 1823. Wilmans, Roger (Hg.): Die Urkunden Westfalens vom Jahre 1201 bis 1300 (Westfälisches Urkundenbuch 3), Münster 1859. Windemuth, Marie-Luise: Das Hospital als Träger der Armenfürsorge im Mittelalter (Sudhoffs Archiv 36), Stuttgart 1995. Winzer, Ulrich: „to troeste armer ellendiger verlaten lude, de in pestilencie befallen“. Zu den Pestkrankenhäusern der Stadt Münster in der Frühen Neuzeit, in: Jakobi, Franz-Josef/Lambacher, Hannes/Metzdorf, Jens/Winzer, Ulrich (Hg.): Stiftungen und Armenfürsorge in Münster vor 1800 (Quellen und Forschungen zur Geschichte der Stadt Münster NF 17/1), Münster 1996, S. 240–298. Woelm, Irmgard: Die Entwicklung des Stadtteils Kinderhaus bis zum Beginn der städtischen Bebauung, unveröffentl. Diss. (StdAMs, 4 HSS 159), Münster 1967/68. Wunder, Gerd: Unterschichten der Reichsstadt Hall, in: Maschke, Erich/Sydow, Jürgen (Hg.): Gesellschaftliche Unterschichten in den südwestdeutschen Städten. Protokoll über die V. Arbeitstagung des Arbeitskreises für südwestdeutsche Stadtgeschichtsforschung, Schwäbisch-Hall 11.–13. November 1966 (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg B/41), Stuttgart 1967, S. 101–118. Zechlin, Erich: Lüneburgs Hospitäler im Mittelalter (Forschungen zur Geschichte Niedersachsens 1, Heft 6), Hannover/Leipzig 1907.

394

Quellen und Literatur

Zuhorn, Karl: Die Beginen in Münster. Anfänge, Frühzeit und Ausgang des münsterischen Beginentums, in: Westfälische Zeitschrift 91 (1935), S. 1–149. Zuhorn, Karl: Vom Münsterischen Bürgertum um die Mitte des XV. Jahrhunderts, in: Westfälische Zeitschrift 95 (1939), S. 88–193. Zymner, Bernd: Das Heilig-Geist-Hospital in Brakel von seinen Anfängen bis zum Dreißigjährigen Krieg, in: 700 Jahre Krankenhaus Brakel. Vom Heilig-Geist-Spital 1304 zum St. Vincenz-Hospital, Brakel 2004, S. 13–64.

395

Verzeichnis der Amtsträger Die eingeklammerten Zahlen im Titel belegen das Gründungsjahr der Institution, des Rektorats oder der Vikarie. Die kursiv gedruckten Namen der Provisoren markieren eine Mitgliedschaft im Stadtrat vor, während oder nach der Provisorentätigkeit.

1. Almosenkorb Aegidii (vor 1350) Provisoren Jahr Provisor

Provisor

Quelle

1350 Wessel de Duvel

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf.

1367 Gerardus Hesse Henricus van Dulmen

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 12a

1406 Bernd ton Berghe Johannes Dudingh

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 22

1410 Bernd ton Berghe Johan de Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 22c

1413 Bernd ton Berghe Johan de Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 23a

1419 Bernd ton Berghe Johan de Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 30a

1420 Hinrich Yaghevrese Johan de Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 31

1423 Hinrich Yaghevrese Herman Kotelstrate

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 36, Nr. 37

1425 Johan Strobuck Herman Kotelstrate

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 41

1429 Johan Strobuck Herman Kotelstrate

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 46a

1430 Johan Strobuck Herman Kotelstrate

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 50

1437 Hinrich Stove Lubbert Dobbe

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 57a

1440 Johan Lossen Conrad Vingerlot

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 61a

396

Verzeichnis der Amtsträger

1441 Johan Lossen Johan Gosebrinck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 61b, Nr. 61c

1444 Conrad Vingerlot Johan Gosebrinck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 65a

Johan Rokelose 1448Apr Bertold Voß

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 70b

1448Nov Passchen van Bulren Johan Gosebrinck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 70a

1449 Passchen van Bulren Johan Gosebrinck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 72

1459 Johan tor Hege Diderick Voß

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 78a

1461 Johan tor Hege Diderick Voß

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 79

1462 Gerd Botmester Dirick Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 79b, Nr. 79c

1463 Gerd Botmester Arnd de Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 79d

1464 Gerd Botmester Arnd de Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 83a

1465Apr Gerd Botmester

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 88a

Dirick Rokelose 1465Jun Gerd Botmester

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 89

1466 Gerd Botmester

Johan tor Heghe (Hegemann)

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 93

1467 Conrad Potman

Johan tor Heghe (Hegemann)

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 95

1468 Conrad Potman

Johan tor Heghe (Hegemann)

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 99a

1471Apr

Johan tor Heghe (Hegemann)

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 104a

Johan Averdunck 1471Aug Johan van Werden

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 107

1472 Johan van Werden Johan Averdunck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 108a

1474 Johan Averdunck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 110

Verzeichnis der Amtsträger

397

1476

Johan tor Heghe Johan Averdunck (Hegemann)

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 112a, Nr. 114a

1479

Hinrich Hinrich de Venthe Buddelmecker

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 121

1480

Hinrich Hinrich de Venthe Buddelmecker

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 121a

1483 Dirick Rokelose Johan Averdunck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 132a

1484 Dirick Rokelose Johan Averdunck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 134a, Nr. 134e

Hinrich 1489 Johan Moderson1 Knipperdollinck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register 1488/1503, RB 1489, fol. 6r

1490Mai Johan Moderson

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 141a

Hinrich Knipperdollinck

1490 Johan Moderson Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register 1488/1503, RB 1490, fol. 1r

Johan Smale 1491Apr Johan Moderson

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 145a

1491 Hinrich Johan Smale Knipperdollinck

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register 1488/1503, RB 1491, fol. 1r

1492 Johan Moderson Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register 1488/1503, RB 1492, fol. 1r

1493 Johan Moderson Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 150a

1494 Johan Moderson Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 151a

1495 Johan Moderson Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 152a

1496 Bertolt Voß Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 27, Register 1488/1503, RB 1496, fol. 1r

1497 Bertolt Voß Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 157

1

Ratsherr. Magdalenenhospital, Akten 82, fol. 42r; Kohl, Aegidii-Kloster, R 140.

398

Verzeichnis der Amtsträger

1498Mär Bertolt Voß Johan Smale

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 160a

Bertolt Voß 1498Mai Johan Rokelose2

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 160b

1499 Johan Rokelose Bertolt Voß

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 162b

1500

Johan Rokelose

Bertolt Voß

Kloster Ringe, Urk. 24

1501 Johan Rokelose Bertolt Voß

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 164a

Bertolt Voß 1502Feb Johan Rokelose

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 164d

Bertolt Voß 1502Mai Johan Buteman3

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 165b

1503 Johan Buteman Wenemar van Heiden

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 167a

1505 Johan Buteman Wenemar van Heiden

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 168a

1507 Johan Buteman Hinrich Yserman

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 171

1508 Johan Buteman Hinrich Yserman

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 172a

1509 Johan Buteman Johan Olyesleger

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 173a

1510 Johan Buteman Johan Olyesleger

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 173b

1517 Bertolt Voß Herman Venth

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 182a

1519 Bertolt Voß Herman Venth

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 184a

1520 Bertolt Voß Herman Venth

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 186a

1522

Elende Aegidii, Urk. 5

Bertolt Voß

Herman Venth

1523 Bertolt Voß Herman Venth

2 3

Ratsherr. A II, Nr. 17, fol. 2r. Ratsherr. A II, Nr. 0, fol. 49r–56r.

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 190a

Verzeichnis der Amtsträger

399

1524 Bertolt Voß Herman Venth

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 191a, Nr. 191c

1526 Bertolt Voß Merten ton Schuren

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 192a

1527 Bertolt Voß Merten ton Schuren

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 192b

1531 Johan Prosekesen Merten tor Schmer

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Findb. J068a, Nr. 198a

1537 Berndt Bolandt Johan Melies

BAM, Pfarrarchiv Aegidii, A 103, RB 1537, fol. 1r

2. Almosenkorb Ludgeri (vor 1350) Provisoren Jahr Provisor 1350

Provisor

Conrad de Ringenbecker

Quelle BAM, Pfarrarchiv Aegidii, Akten 97, fol. 14rf.

1375 Lambertus Hoboldinck

MUB 227

1380 Lambertus Hoboldinck

Hermannus Wenth

MUB 255

1391

Johan gnt. de costere van Everswinckele

MUB 310

Richardus gnt. de schulte van Ludinchusen

~1474/ Ludger Broyelman Herman Hovinck 1482

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 7

1476

Ludger Broyelman

Herman Hovinck

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 8

1480

Bernd Bruse

Herman Hovinck

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 9

1484

Bernd Bruse

Herman Hovinck

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 10

1486

Bernd Bruse

Herman Hovinck

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 11

4

1524

Bertold Travelman

Herman Garthus

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 13

1531

Godeke Travelman

Herman Garthus jun.

Almosenkorb Ludgeri, Urk. 14

1551

Heine Peick

4

Ratsherr. A II, Nr. 0, fol. 49r–56r.

Klötzer, Kleiden, S. 337

400

Verzeichnis der Amtsträger

3. Almosenkorb Martini (vor 1337) Provisoren Jahr

Provisor

1337

Kerstianus (Christi- Lubbertus anus) Frederking Withgerwere

MUB 99

1339

Kerstianus (Christi- Lubbertus de anus) Frederking Horstmaria

MUB 107

1369 Gerd van der Wunne

Provisor

Johan Zyckeman

Quelle

MUB 197

1372

Herman Vorsthove

MUB 215

1377

Gerd tor Wunne

Johan Zickeman

MUB 245

1394

Herman Bokemole

Johan de Pape

MUB 327; MUB 328

1395

Herman Bokemole

Johan de Pape

MUB 337; MUB 338

1399

Herman Bokemole

MUB 350

1411

Johan van Werden

Johan de Pape

MUB 419; MUB 423

1412

Johan van Werden

Johan de Pape

MUB 432

1414

Johan van Werden

Johan de Pape

MUB 436

1416

Johan van Werden

Bernd Dethardinck

MUB 444

1417

Johan van Werden

Bernd Dethardinck

MUB 449

1425

Johan van Werden

Bernd Slepestrate

MUB 526; MUB 530

1426

Johan van Werden

Bernd Slepestrate

MUB 535

1429

Johan van Werden

Hinrich Hilgensnider6 1448 Bernd Kerkerinck5 1449

Bernd Kerkerinck

Hinrich Hilgensnider

1451 Bernd Kerkerinck Hinrich Hilgensnider 1462

Johan Bischopinck

Hinrich Hilgensnider

Zuhorn, Bürgertum, S. 119 Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 104vff.; Urk. 57 Almosenkorb Martini, Urk. 2 Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 10ff. Armenhaus Zumbusch, Urk. 63

1466 Peter Hubertz Hinrich Hilgensnider

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 71rff.

1467 Peter Hubertz Hinrich Hilgensnider

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 89vff.

5 6

Ratsherr. Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 172. Ratsherr. Kirchhoff, Unruhen in Münster, S. 212.

Verzeichnis der Amtsträger

401

1468 Peter Hubertz Hinrich Hilgensnider

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 91vff.

1472 Johan Bischopinck Kerstien Kerkerinck

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 81rf.

1476

Johan Koddeken

Kerstien Kerkerinck

Almosenkorb Martini, Urk. 1

1477

Johan Koddeken

Kerstien Kerkerinck

Armenhaus Zumbusch, Urk. 71

1479

Johan Koddeken

Kerstien Kerkerinck

Armenhaus Zumbusch, Urk. 72

1481

Hinricus Herman tor Helle van den Beuerghern

Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 3v

1487

Kerstien Kerkerinck Herman tor Helle

Armenhaus Zumbusch, Urk. 75

1496

Heidenrich Herman tor Helle Kerkerinck7

Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 16v

1497

Bernde Herman tor Helle Kerkerinck [sic!]8

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 78ff.

1503

Berde Herman tor Helle Kerkerinck [sic!]

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 65vf.

1504

Berde Herman tor Helle Kerkerinck [sic!]

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 88rf.

1513

Gerde Herman tor Helle Kerkerinck [sic!]9

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 109vf.

1515

Bernde Kerkerinck [sic!]

Armenhaus Zumbusch, Akten 5

Anthonius (Thonyes) Yonaes10

1519 Gert Anthonius (Thonyes) Kerkerinck [sic!] Yonaes

Armenhaus Zurwieck, Akten 1, fol. 7r; Armenhaus Wegesende, Urk. 60

153011 Henrich Rodtgers

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 26vff.

Anthonius (Thonyes) Yonaes

1538 Herman Redegelt Hinrick Yonaes12

7 8 9 10 11

Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 96vff.

Ratsherr. A II, Nr. 17, fol. 2r. Ratsherr. A II, Nr. 17, fol. 2r. Ratsherr. Aders, Bürgerbuch, S. 42. Ratsherr. A II, Nr. 0, fol. 49rff. Eine auf den November des Jahres 1500 datierte Urkundenabschrift (Armenhaus Zumbusch, Akten 5, fol. 28rff.) nennt als Provisoren Anthonius Jonas und Henrich Rodtgers und gehört damit wohl in das Jahr 1530. 12 Ratsherr. A II, Nr. 0, fol. 49r–56r.

Verzeichnis der Amtsträger

402

Emonitor Jahr Emonitor

Quelle

1538Mär Peter Hackfort

Kirche St. Martini, Urk. 16

4. Antoniushospital (vor 1358) Provisoren Jahr Provisor

Provisor

Quelle

1354 ? Henricus Vore

? Godeken Stove

MUB 153

1368 Jordanus Ghelekyngh

Johannes Sickeman

MUB 191

~1370 Jordanus Preco

Johannes Sickeman

MUB 156, Nr. 38

1398

Lambert Hoboldinch

Gize van Tekeneborch de olde

Niesert, Urkundensammlung, Bd. 3, S. 54ff.

1408

Godeke van der Sungere14



Kloster Ringe, Urk. 10

1433 Diderich Cleyvorn

Herman Egbertes gnt. Plattensese

MUB 609

1441 Hinrick Cleyvorn15

Herman Egbertes gnt. Plattensese

Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 5v

1472

Otto Peeck

Hinrich Heerte

Antoniushospital, Urk. 13

1475

Otto Peeck

13

Antoniushospital, Urk. 14 16

1483 Gerwyn Buck 1485

Herman Gerwyn Buck Warendorp17

Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 10rf. Speckpfründe Lamberti, Akten 1, fol. 48r

13 Beide Männer empfangen unter Ratsbeteiligung eine Mühle vor dem Mauritztor. Das Hospital wird nicht explizit genannt. 14 Godeke van Sungere verkauft im Namen des Antoniushospitals am 13. März 1408 neben vielen anderen dem Kloster Ringe eine Rente. Da er das Hospitalssiegel führt, handelt es sich wohl eher um einen allein agierenden Provisor denn um einen Amtmann, zumal ein solcher erstmals für das Jahr 1475 belegt ist. Die von Prinz (MUB 399) behauptete Ratsmitgliedschaft Godekes erschließt sich aus der Urkunde nicht. 15 Ratsherr. Ratslisten, Bd. 1, S. 116. 16 Am 3. Juli 1483 bezeugt der Provisor Gerwyn Buck neben Godeke Brockman und Henderyck van der Wyck eine Schenkungsbestätigung durch den Amtmann. Antoniushospital, Urk. 19. Möglicherweise ist einer der beiden Zeugen Gerwyns Mitprovisor. 17 Ratsherr. Aders, Bürgerbuch, S. 42.

Verzeichnis der Amtsträger Jasper Merkanck18

1511

Diderick van Grolle19

1533

Mester Evert Johan van Deventer20 21 Glandorpe

1541 Lambert Buck22

403

Antoniushospital, Urk. 30 Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 188 Antoniushospital, Akten 25, RB 1541, fol. 17v

Amtmann Jahr Amtmann Quelle 1475Okt

Herman

Antoniushospital, Urk. 14

Wynandus Wrede 1483Jul

Armenhaus zur Aa, Akten 41, fol. 10rf.; Antoniusospital, Urk. 14

1505Mär bis 1511Aug

Antoniushospital, Urk. 25, Urk. 30

Hinricus Krone



Wessel Wessinck 1541Jun bis 1561

Antoniushospital, Akten 25, RB 1541; Klötzer, Kleiden, S. 344

Rektor der Antoniuskapelle (1350) Jahr Rektor Okt

1363

Aug

Franco

MUB 174; MUB 190; MUB 191

1426Jun

Herman de Halffwassene

MUB 539; A XIII, Nr. 303

1443Dez bis 1453Sep

Hinricus Hesselman23

Antoniushospital, Urk. 8, Urk. 9

Sep

bis 1368

Quelle

Herman Hesselman 1467 bis 1482

18 19 20 21 22 23

Antoniushospital, Urk. 11; A XIII, Nr. 305; Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 72

Ratsherr. Antoniushospital, Urk. 30. Ratsherr. Antoniushospital, Urk. 30. Ratsherr. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 183. Ratsherr. Eberhardt, Grutamtsrechnungen, S. 183. Ratsherr. A II, Nr. 1, fol. 9vf. In seinem am 20. Dezember 1443 geleisteten Amtseid sagt Hinricus Hesselman zu, zu Gunsten des Herman Hesselman, Brudersohn des Johan Hesselman, zu resignieren, sobald dieser alt genug sei. Antoniushospital, Urk. 8.

Verzeichnis der Amtsträger

404

1494Nov bis 1531Aug Herbert Meynershagen

Antoniushospital, Urk. 23, Urk. 39, Akten 18, Akten 19

Johan Herckendorp 1547Mai bis 1589

Antoniushospital, Urk. 41, Urk. 43; A XIII, Nr. 311

1. Vikar: Trium Regum primae portionis (1445) Jahr Vikar

Quelle

vor oder in 1453Sep

Antoniushospital, Urk. 9

Sep

Johannes Bisschopinch

Apr

24

Conradus Polman jun. 1453 bis 1459

Antoniushospital, Urk. 9, Urk. 10

Johan Dreyer 1475Okt bis 1483Jul

Antoniushospital, Urk. 14, Urk. 18, Urk. 19; A XIII, Nr. 356, fol. 16r

Herman Hecker25 1487Mär bis 1499Feb

Antoniushospital, Urk. 21, Urk. 24; A XIII, Nr. 356, fol. 11v

Johan Gosebrinck 1510Jan bis 1539Feb

A XIII, Nr. 356, fol. 12r, fol. 13v; Antoniushospital, Urk. 29, Urk. 39

Jodocus ten Brincke 1544Feb bis 1574

Antoniushospital, Urk. 40; Schoppmeyer, Patrimonialbenefizien, S. 61

2. Vikar: Trium Regum secundae portionis (Hyronimus et Elisabeth) (1467) Jahr Vikar Okt

Jul

1475 bis 1483 Bernt Redegelt

24

Quelle Antoniushospital, Urk. 14, Urk. 18, Urk. 19

Conradus Polman jun. war bei seiner Präsentation erst zwölf Jahre alt. Die Amtsführung oblag einem Tauschpartner (compermutans). Die Kollation Polmans erfolgte erst am 21. Juli 1458. Antoniushospital, Urk. 9; A XIII, Nr. 356, fol. 6vf.; A XIII, Nr. 50, fol. 7r. 25 Ob Herman Hecker noch im Amt war, als er am 3. April 1502 dem Stadtrat eine Rente zu Gunsten der Dreikönigsvikarie verkaufte, ist unklar. Sicher ist aber, dass er diese Position nicht bis an sein Lebensende innehatte. So erscheinen am 14. Januar 1510 die Handgetreuen des „zeligen hernn Herman Heckers, canonici do he leuede der vors. kercken to sunte Luidger“. A XIII, Nr. 356, fol. 12r.

Verzeichnis der Amtsträger

405

3. Vikar: Georgii primae portionis (