Gesundheits-Brevier oder was haben wir zu tun und zu lassen, um uns gesund zu erhalten bezw. um gesund zu werden?: Grundzüge einer populären Gesundheitslehre 9783111653600, 9783111269665


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German Pages 63 [64] Year 1907

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
I. Die Ernährung einschließlich Atmung
II. Die Unterkunft
III. Die Kleidung
IV. Körperpflege im engeren Sinne
V. Körperliche und geistige Arbeit
VI. Ruhe und Schlaf
Inhaltsübersicht
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Gesundheits-Brevier oder was haben wir zu tun und zu lassen, um uns gesund zu erhalten bezw. um gesund zu werden?: Grundzüge einer populären Gesundheitslehre
 9783111653600, 9783111269665

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GchHrits-Kmitt oder

Was haben wir pt tun und pt lassen, um uns gesund pt erhal­ ten bepv. um gesund pt werden? GrundMge

einer populären Grsundheitslehre von

Spohr Oberst a. D.

4.—8. Tausend

Verlag von Alfred Töprlmann in Gießen 1907

Vorwort Die nachstehende Schrift ist eine Neubearbeitung und Vervollständigung

der zuerst 1893 erschienenen Schrift: „Was haben wir zu tun und zu lassen um unsgesund zu erhalten bezw. um gesund zu werden?"

Dieselbe

fand

Beifall und wurde

unter den Anhängern der Naturheilkunde großen in größerer Stnzahl von bedeutenden Naturheilanstalten,

wie der H. Goßmann'schen (Wilhelmshöhe), I. Glau'schen (Johannisbad) u. s. w. für ihre Patienten gelaust. Die letzten 600 Exemplare entnahm eine große bayerische Fabrik für ihre Arbeiter, womit das Bedürfnis einer Neuausgabe hervortrat. Die Schrift soll, wie es der neue Titel andeutet, ihren Lesern in aller

Kürze diejenigen Faktoren vorführen, welche die Grundlagen unserer Gesund­ Sie legt die vielen Fehler, welche wir gewohnheitsmäßig gegen dieselben begehen und deren üble Folgen dar, gibt die Mittel zu ihrer Ab­

heit bilden.

stellung und regt zu eigenem Nachdenken über die Erweiterung Und Verall­

gemeinerung dieses Strebens an. Sie wird dadurch auch

wesentlich dazu betragen,

den

noch vielfach

herrschenden Aberglauben bezüglich der Heilkräfte giftiger Arzneien, der mystischen Wirkungen von Bazillen als angeblicher Krankheitserreger, wie die damit zu­ sammenhängende widersinnige Serumtherapie, Jmpferei u. s. w. zu bekämpfen.

Wer in dieser Beziehung eingehendere Aufklärung sucht, findet dieselbe in meiner 1906 beiK. Lentze (Leipzig) erschienenen Schrift: „Die Naturheil­ kunde und ihre Gegner" (Preis 1,60 M.) I, Kap. 2 und II, Kap. 2—8.

Die naturgemäßen Grundlagen der Gesundheit führen folgerichtig auch zu einer naturgemäßen Heillehre, welche allen jenen Aberglauben ausschließt.

Möge denn das Schriftchen, wie bisher, auch ferner eine segensreiche Aufklärung verbreiten! Gießen, den 24. Oktober 1906.

Der Berfasser.

vte Inhaltsübersicht befindet sich auf Seit« 64.

Einleitung. ES ist ein ungemein umfassendes Thema, welches mir hier vorliegt. Denn «S umfaßt im Grunde eine vollständige Gesundheits- und Heillehre. Es ist daher in einem populären Schriftchen nur möglich, die ein­ schlägigen Hauptpunkte zu berühren und auf manches aufmerksam zu machen, was im gewöhnlichen Leben nur zu oft übersehen wird oder in Vergefsenheit gerät. Es dürfte dies aber genügen, um meine verehrten Leser zum eignen Denken und Prüfen der hier wiedergegebenen Ideen zu veranlassen und damit einen guten Grund zu einem hygieinisch vernünftigen Lebenswandel zu legen. Denn, wenn irgendwo, so heißt «S hier: „Selbst ist der Mann." Wer fortwährend am Gängelbande der -ntorität irgend eine- ander«, nud wäre dieser nach so weise nad ge­ lehrt, seine Lrbensführnng gestalten wollte, würde der Gefahr verfallen, fort­ während Fehler z« begehe« «ad deren Verbesserung meist mit Schaden, ost mtter de« verhängnisvollen Zeichen: „An ffrät" vornehmen zu müssen.

Zu selbständigem Denken und Durchprüfen aller einschlägigen Verhält­ nisse anzuleiten, das allein kann der Zweck dieser Zeilen sein. Treten wir daher zunächst der Frage näher, welche das gesamte Thema beherrscht: „Was ist Gesundheit?" Es ist namentlich für die Jetztzeit ebenso charakteristisch, wie verhäng­ nisvoll geworden, daß man sich fast gewähnt hat, unter „Gesundheit" einfach einen von Schmerz und sichtlich hervortretende» „Krankheitszeichen" freien Zustand zu verstehen, in welchem man im allgemeinen Herr seiner Glieder und Sinne, wie im Stande ist, zu essen, zu trinken, zu schlafen und seinen Berufspflichten, oft nur in sehr mäßiger Weise, zu genügen. Diese Anschauung ist dann einer Heilkunst zu statten gekommen, welche stch im besten Falle begnügte, Schmerzen zu beseitigen oder zu lindern, offene und zur Entscheidung drängende d. h. akute Krankheiten in verborgene (latente) und schleichende (chronische) umzuwandeln, indem sie von Fall zu Fall mit sogen. Heilmitteln (Arzneien) vorgeht, deren sogar für den gesunden Orga­ nismus schädliche Wirkungen sie- zwar selbst eingesteht, aber heuchlerisch als Nebenwirkungen bezeichnet, während sie vernünftigerweise als deren Haupt Wirkungen betrachtet werden müssen. Diese Heilkunst, die Medizin, schämt sich denn auch nicht, von Heilung und Genesung da zu sprechen, wo nur jene Verwandlung einer klar zu Tage tretenden Krankheit in einen ver­ borgenen, auf baldigen Wiederausbrnch in dieser oder jener Form lauernden, Krankheitszustand vorliegt.

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Dem entgegen müssen wir uns gewöhnen, unter „Gesundheit" einen Zustand des Körpers und Geistes zu verstehen, welcher nicht nur bk normale Betätigung aller Sinne und Glieder des gesamten körperlichen Organismus sichert, sondern auch mit dem Gefühle der Widerstandsfähigkeit dieses Zu­ standes gegen atmosphärische und sonstige Ginflüsse des Lebens in solchem Grade verbunden ist, daß man dasselbe als „Gesundheitssreudigkeit" empfindet d. h. als die Zuversicht, daß dieser Zustand nicht so leicht eine Verschlechterung erfahren könne und daß, wenn eine solche durch ein besonders unglückliches Zusammentreffen von Schädlichkeiten dennoch eintreten sollte, der Organismus in sich selbst die Kraft trage, bald wieder zur völligen Gesund­ heit zu gelangen. Einem solchen Zustande von Gesundheitsfreudigkeit ist dann in ber Regel auch ein richtiger Instinkt d. h. ein feines Gefühl für daS, was der Gesundheit förderlich und was ihr schädlich ist, zugesellt. Dieser Instinkt bildet dann den besten Führer auf unserem Lebenswege. Zunächst aber gilt e6, uns denselben zu erringen, da er infolge gesundheitsschädlicher Gewohnheiten meistens verloren gegangen. Denn im Grunde ist er doch nichts anderes, als eine scharfe Empfindung aller unserer Sinne für das ihnen Nützliche oder Schäd­ liche. Sinne aber, die sich schon seit Jahren an Schädlichkeiten in dem Maße gewöhnt haben, daß ihnen diese als etwas natürliches, ja zum Teil als Genüffe erscheinen, sind in ihren Empfindungen abgestumpft oder krankhaft um­ gestaltet. Ich begnüge mich an dieser Stelle, in ersterer Beziehung tut die Gewöhnung unseres Geruchssinnes an die Atmosphäre menschenüberfüllter Ball- oder Festräume, in zweiter an die Gewöhnung des Geschmackes an Alkohol, Tabak und scharfe Gewürze zu erinnern. Wolle»» wir aber erfahren, wie wir unsere Sinne und Einpsindungen wieder zur Natur zurückzuführen imstande sind, so müssen wir alle innern und äußern, unsern Gesundheitszustand bestiminenden Faktoren einer kurzen Untersuchung daraufhin unterziehen, wie sie für gewöhnlich gehandhabt werden und wie sie gehandhabt werben sollten. Als solche, unsere Gesundheit bestimmende Faktoren erscheinen nun: 1. Die Ernährung, wozu auch die Atmung gehört; 2. Unterkunft; 8. Klei­ dung, 4. Körperpflege im engeren Sinne; 6. Geistige und körperliche (Muskel­ betätigung) Arbeit; 6. Ruhe und Schlaf. Nach einer für unsere Zwecke hinreichenden Betrachtung derselben in eben so vielen Abschnitten, werden wir dann imstande sein, am Schluffe ein abwägendes Urteil über unsere Gewohnheiten und' deren Nützlichkeit oder Schädlichkeit für unsere Gesundheit, zu fällen.

1. Die Ernährung einschließlich Atmung. Die Ernährung soll den verbrauchten Körperstoff recht­ zeitig ersetzen, im Wachstumsalter auch dem Wachstum des Körpers dienen. Da treten uns nun zunächst 2 allgemein verbreitete Nährstoffe entgegen, deren Wichtigkeit, obgleich man sie seit Jahrtausenden kennt, erst in neuerer Zeit die gebührende Beachtung geschenkt wird: ich meine Luft und Wasser.

5 1. Die Lust. Allem andern voran steht die L u f t. Während wir ohne feste Speisen, sobald uns nur Lust und Wasser in genügendem Maße zu Gebote stehen, 4—6 Wochen zu leben imstande sind und selbst die weitere Entziehung des WafferS uns erst in 5—6 Tagen das Leben abschneidet, müssen wir schon sterben, wenn unS die Luft nur wenige Minuten entzogen wird.

Die Luft ist ein Gemenge von Gasen und besteht in der freien Natur hauptsächlich aus *lt Stickstoff und '/, Sauerstoff, denen noch eine größere oder geringere Menge Wasserdunst und etwa */« Tausendteil Kohlensäure bei» gemischt ist. Wie es scheint, hat der Slickstoff, in welchem alles organische Leben erlischt, in der Luft hauptsächlich die Bestimmung, die Wirkungen des Wärme erzeugenden Sauerstoffes zu mitdern, welche sonst den Körper so rasch verzehren würd«, daß ein rechtzeitiger Ersah des verzehrten Stoffes nicht mög­ lich wäre. Außerdem dient der Stickstoff zur Bildung der Eiweißstoffe in den Pflanzen und mittelbar durch diese auch zur Bildung des tierischen Körpers. Ob er auch unniittelbar durch Aufnahme mittelst der Lungen- und Hautatmung zur Bildung des KörperS beiträgt, ist durch Versuche noch nicht genügend festgestellt, aber doch wahrscheinlich.

Kttckstsß.

Am wesentlichsten für eine gesunde AtmungSluft ist deren Durchlichtung durch die Sonne und ihre Reinheit d. h. Freiheit von andern Gasen und festen Stoffen: Erd-, Kohlen- und anderem aus festen Körpern gebildeten Staube. Die Einwirkung der Sonne auf den Sauerstoff der Luft scheint die SauerßeßWirkung eineß Teiles desselben ju steigern. Man hat diesen seines deut­ lichen säuerlichen Geruchs halber Ozon. d. h. Riechstoff genannt. Man schreibt *t**. dieser ozonisierten Luft eine besonders belebevde Wirkung auf den Organismus von Pflanzen und 'Tieren zu. Vielleicht beruht diese Wirkung auf einer Steigerung der elektrischen Wirkung der Luft durch Sonnenwärme und Sonnen­ licht. Außerdem hat das Sonnenlicht dann noch eine zersetzende Wirkung auf MiaSinen d. h. schädliche Gase, welche aus gährenden und verwesenden Stoffen entstehen. Nicht minder werden viele der heutzutage fälschlich als selbständige Krankheitserreger angesehenen Mikroorganismen, d. h. kleinsten Lebewesen durch das Sonnenlicht in kürzester Frist vernichtet, so z. B. der bekannte Kommabazillus. Jedenfalls eignen sich Orte, welche von der Sonne gar nicht oder nur wenig beschienen werden, nicht zur Anlage menschlicher Wohnungen. Eine weitere Wirkung der Sonnenwärme bedingt auch den Gehalt der ISasserdnnft. Luft an Wasser. Es ist zunächst klar, daß je mehr Wasser der Wirkung der Sonnenwärme ausgesetzt ist, umso mehr durch Verdunstung desselben der Wasser» gehalt der Lust zunchmen muß. Daher ist derselbe am bedeutendsten auf und am Meere, dann in der Nähe großer Seen und Flüsse. Dieser große Feuchtigkeitsgehalt der Luft ist nun erfahrungsgemäß für unsere Lungen, rote die Haut umso zuträglicher, je reiner dieser Wassergehalt selbst und die von ihm erfüllte Luft von andern Beimengungen und schädlichen Gasen, Staub usw. ist. Das ist wiederum bei der Seeluft am meisten der Fall, die auch am freiesten von der schädlichen Kohlensäure und vo>r staubigen Bestandteilen ist. Daher die belebende und stärkende Wirkung der Seeluft auf den mensch­ lichen Körper, von welcher ja bekanntlich auch zur Heilung von Lungenkrank­ heiten ausgiebiger Gebrauch gemacht wird.



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Eine ähnliche, wenn auch nicht ganz so günstige Beschaffenheit zeigt die Luft auf und an großen Seen und rasch dahinfließenden großen Flüssen. Dagegen ändert sich die Sache sehr unvorteilhaft da» wo Wassermengen stagnieren und mit organischen Stoffen, Tier» und Pflanzenresten vermischt sind. Sumpfgegenden, träge dahin fließende, wenig tiefe Flüsse erfüllen unter solchen Umständen die Luft mit schädlichen Gasen, Miasmen aller Art. Diese werden zwar von der Sonne allmählich zerstört, aber, da der Nachschub aus dem verunreinigten Wasser meist größer ist, als jene Vernichtung, so treten in solchen Gegenden ganz bestimmte Krankheiten auf, welche als Malaria, Sumpffieber, kaltes Fieber bezeichnet werden. Daß in diesem Falle daS Sonnenlicht eine ausgleichende und mildernde Rolle spielt, hat die Erfahrung bewiesen, indem in solchen Gegenden die Nachtluft sich entschieden schädlicher zeigt, als die Tagesluft. Austrocknen von Sümpfen, Anlage von mit raschem Gefälle versehenen Kanälen, Reinigung des Wassers von organischen Stoffen durch Pflanzen und Filtrieranlagen sind die Mittel, vermöge welcher der Mensch «S in der Hand hat, eine solche ungesunde Gegend allmählich in eine gesunde zu verwandeln. So war z. B. in Gießen noch vor 50—60 Jahren Typhus und kaltes Fieber epidemisch. Durch Austrocknung und Ausfüllung von Sümpfen, wie Kanalisierung des Flüßchens Wieseck und des Klingelbachs hat sich das vollständig geändert, Typhus und Fieber sind fast vollständig verschwunden. Ein zu geringer Wassergehalt der Luft ist aber ebenfalls schädlich. Auf großen, von Wasserläusen gar nicht oder nur spärlich durchzogenen, Land­ strecken, namentlich über Sandflächen, nimmt die Luft eine große Trockenheit an, welche einen entzündlichen Reiz auf die Atmungswerkzeuge ausübt, der meist noch durch die Beimischung von Sand und Staub und deren mechanische Einwirkung auf die Lungen gesteigert wird. Unter solchen Verhältnissen und namentlich, wenn dieses nicht durch reichliches gutes Trinkwasser oder stark wasserhaltige Früchte» Melonen, Trauben usw. ausgeglichen werden kann, entstehen dann leicht entzündliche Krankheiten, Lungen-«, Gehirn-Entzün­ dungen usw. Haben wir bisher, nur Verhältnisse betrachtet, bei welchen die von Menschenhand und Verstand noch nicht geordnete Natur die mehr oder minder gute Beschaffenheit der Atmungsluft bedingt, von welcher wieder zürn größten Teile neben den Wärmeverhältnissen die mehr oder minder günstige Beschaffen­

Pi«

heit dessen, was wir unter Klima verstehen, abhängt, Verhältnisse, die zu ändern fast niemals in die Hand des Einzelnen gegeben ist, der ihnen nur ausweichen kann, falls er seinen Wohnort zu wechseln imstande ist, so wollen wir nun diejenigen mehr oder minder schädlichen Einwirkungen betrachten, welche unser „zivilisiertes" Leben selbst auf unsere Atmungsluft auSübt. Zuvor aber und, um einen Einblick in diese Wirkungen zu erlangen, müssen ivir uns kurz mit den Vorgängen, welche bei der Atmung in unserem Körper stattfinden, bekannt machen. Die Atmung ist es, welche den Wärmeprozeß in uns, durch den der ganze Stoffwechsel bedingt ist, und ohne welchen wir nicht leben könnten, in unserm Körper unterhält. Indem wir atmen und dadurch die Luft in die Millionen Bläschen unserer Lunge einführen, tritt sie dort in Berührung mit dem dunklen kohlenhaltigen Blut der Venen oder Blutadern und, indem der Sauerstoff der Luft den Kohlengehalt dieses Blutes zu Kohlensäure verbrennt.

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verwandelt er es in hellrotes oder arterielles Blut, welches durch die Schlag­ adern allen Körperteilen zugeführt, deren verbrauchte Stoffe zu ersetzen fähig ist. Die Kohlensäure wird nun beim Ausatmen in die Luft entfernt. Mit chr zugleich aber wird die, durch Wafferdunst und mancherlei gasartige ver­ brauchte Stoffe verunreinigte, Luft ausgehaucht. Es liegt auf der Hand, daß durch diesen Vorgang die Lust geschlossener Räume allmählich nicht nur an Sauerstoff, der ja durch die menschlichen Lungen verbraucht wird, immer ärmer, sondern auch an schädlichen Gasen, Kohlensäure usw. in entsprechendem Maße reicher wird. Hat man doch in Schulen und in Ball- und WirtSlokalen statt des */, bis '/, Tausendteils an Kohlensäure bis zu 13, ja 20 Tausendteile gefunden. Run hat aber die Kohlensäure wieder glücklicher­ weise eine gute Eigenschaft: sie ist bedeutend schwerer, als die atmosphärische Luft, und sinkt daher bald zu Boden. Dort aber sammelt sie sich an und ich möchte daher hier die Bemerkung einschalten, daß wenn schon auS diesen» Grunde sehr niedrige Schlafstätten in geschlossenen Räumen gesundheitsschädllch sind, dieS noch mehr von dem Schlafen auf dem Fußboden selbst gilt. Mir sind Fälle aus dem Feldzuge 1870—71 bekannt, wo dieses Schlafen auf dem Fußboden bei Massenquartieren im Winter bis zur Bewußtlosigkeit gehende Kohlensäurevergiftungen erzeugte, die nicht anders zu erklären waren, da die betreffenden Räume keinerlei Heizvorrichtungen besaßen. Schlimmer noch, als die Wirkungen der Kohlensäure, sind die der übrigen gasförmigen Verbrauchsstoffe, welche bei der Ausatmung entweichen und welche man in neuerer Zeit als Ptomaine, d. h. Leichengifte ober Anthro-potoxine, d. h. Menschengifte, bezeichnet. Wenn man bedenkt, daß die Lunge eines erwachsenen Menschen in der Stunde etwa 600 Liter frischer Luft bedarf und, daß davon 100 Liter Sauerstoff sind, welche in den Lungen mehr oder weniger verbraucht werden, so sieht man ein, wie rasch diese Lust, indem an Stelle des Sauerstoffs, die Kohlensäure und die oben ermähnten Leichengase — so können wir sie nennen, da sie in der Tat verbrauchte, tote Stoffe unseres Körpers darstellen — treten, in geschlossenen Räumen in eine Art Luftkloake verwandelt werden würde, wenn nicht durch die Eigenschaften der äußern Atmosphäre und unserer Wohnräume selbst für eine stetige Er­ neuerung der Luft von außen her gesorgt würde. Die in dieser Beziehung hauptsächlich in Betracht kommenden Eigen­ schaften der atmosphärischen Luft sind zunächst 2, welche sie mit allen Gasen gemein hat, nämlich: 1. die Eigenschaft, sich durch Wärme auszudehnen und also verhältnismäßig leichter zu werde«, und 2. die, nicht nur alle leeren Räume auszusüllen, sondern sich auch mit andern Gasen in jedem Verhältnis zu vermischen. Infolge der ersten Eigenschaft wird die auszuatmende Luft, erwärmt und erleichtert, wie sie durch den Atmungsprozeß ist, in die Hohe streben und durch die von außen cindringende kühlere Lust in den unteren Schichten ersetzt werden. Daher die Erscheinung, daß die Luft in abge­ schlossenen, menschenüberfüllten Räumen in den höheren Schichten stets wärmer und mit gasartiger Menschenausdünstung stärker verseht ist, als in den untern. Infolge der zweiten Eigenschaft aber verdünnt die Luft sofort alle die durch den Atmungsprozeß entstandenen schädlichen Gase (Kohlensäure, Leichen­ gifte u. s. w.). Da nun außerdem die Wände unserer Wohnungen stets mehr oder weniger durchlässig (porös) sind, so ist ein steter Austausch zwischen der äußern frischen,

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Wnßwcft.

und der innern, mehr ober weniger verbrauchten Lust unserer Wohnräume die Folge. Dieser wird ein um so regerer fein, je größer der Unterschied in der Temperatur der äußern und der innern Luft ist. So wird im Winter durch das Heizen und Beleuchten unserer Wohnräume zwar ebenfalls Sauer­ stoff der Lust in bedeutendem Maße verzehrt, auf der andern Seite aber durch die Erhöhung der Wärme der Zimmerlust ein vermehrter Austausch derselben gegen die kältere Außenlust bewirkt, wozu noch die schnellere Ab­ führung eines großen Teils der verbrauchten Zimmerluft durch die Kamine mitwirkt. Daraus folgt, daß in der kalten Jahreszeit geheizte Räume unter sonst gleichen Verhältniffen in der Regel bessere Lust haben werden, als ungeheizte. Es ist daher auch nicht richtig, wenn man sich etwas darauf zu Gute tut, in kalten Räumen zu schlafen. Das, worauf es ankommt, ist die gute Luft. Diese aber kann in kalten Räumen nur durch offene Fenster hergestellt werden, während ohne diese der Austausch der verbrauchten durch frische Luft stockt, da der durch die Atmung erzeugte Unterschied zwischen der Innen» und Außen-Temperatur zu gering ist, um jenen in genügendem Maße herbeizuführen. Daß daher im geschloffenen Schlafzimmer eine mäßige Heizung vorteilhafter ist, liegt auf der Hand, zumal sie auch eine leichtere Bedeckung der Schlafenden gestattet. Das Ideal wäre ein geheiztes Schlaf­ zimmer mit hinreichend, d. h. der Außentemperatur entsprechend geöffneten Fenstern. Hier dürfte es auch am Platze fein, das weitverbreitete Vorurteil, daß die Nachtluft schädlich sei, mit einigen Worten abzufertigen. Worin unterscheidet sich denn die Nachtluft von der Tagesluft? Sie ist in der Regel kühler, feuchter, weil die an dem wärmern Erdboden haftende Feuchtigkeit in der kühlern Luft sich nicht so rasch verflüchtigt; sie ist zwar nicht durchlichtet, dafür aber auch freier von Staub, Kohlenrauch und den zahlreichen Gerüchen, welche bet Tagesverkehr mit sich bringt und verbreitet. Tas einzige, was man ihr vorwerfen könnte, baß sie nämlich bes Sonnenlichtes unb baher auch einer gewissen erregenben Wirkung auf das Nervensystem des Körpers ent» kehrt, ist genau genommen ebenfalls ein von der Natur weise herbeigeführter Vorteil, indem er Ruhe unb Schlaf begünstigt, wie ja jedermann weiß, daß kein Tagesschlaf die volle Erquickung gewährt, wie die Nachtruhe. Alles, was man von der Schädlichkeit der Nachtluft so häufig reden hört, beschränkt sich auf den oben schon berührten Punkt, daß in Sumpfgegenden und feuchten Niederungen mit dem vermehrt in der Nachtluft schwebenden Wafferdunst auch Gase, welche von faulenden und gährenden Stoffen herrühren, sich ver» breiten. Wo man vorübergehend in solchen Gegenden sich aufhalten muß, sind im Freien offne Holzfeuer, in geschlossenen Räumen mäßige Heizung das beste Gegenmittel, weil sie die nächste Atemluft trocken halten und jene schädliehen Gase verzehren. Nicht minder ist das Offenhalten ober wenigstens häufigere Oeffnen der Fenster in den wärmern Jahreszeiten zu empfehlen, da der Austausch der frischen und verbrauchten Lust durch die Wände hindurch schon für wenige Menschen nicht zur Beschaffung der erforderlichen Atmungsluft ausreicht, noch weniger aber da, wo viele Menschen in geschloffenen Räumen versammelt sind. In neuerer Zeit wurden zwar eine Menge künstlicher Ventilations(Lüftungs)-Systeme ersonnen, welche das einfachere Oeffnen der Fenster ersetzen sollen. Derselben sind so viele, daß man ein Buch über ihre Bor» und Nach-

9 teile schreiben könnte. Ich habe in luxuriösesten Palästen, die mit solchen Einrichtungen versehen waren, zu wohnen Gelegenheit gehabt und gefunden, daß die alte Regel Niemeyers, „geschlossene Türen, offene Fenster" durch kein noch so sinnreiches Dentilationssystem zu ersetzen ist, zumal da letztere ja immer auf Vermeidung des unter Umständen absolut erforderlichen Durchzuges berechnet sind. Nun gibt es aber im Hochsommer Witterungszustände, wo bei tiefem Barometerstände eine hohe Temperatur und große Luftstille herrscht, was wir mit „drückender Schwüle" bezeichnen. Dann findet eigentlich gar kein Austausch zwischen der verbrauchten Zimmer- und der Außenluft statt. Selbst die Kamine fungieren nicht mehr, der Küchenherd will nicht brennen, weil die drückend heiße Luft, welche über dem Kamine lagert, kaum an Hitze von der.Kaminluft übertroffen wird und den Kohlenrauch selbst zurückhält. Gerade in solchen Zeiten gibt es keine andere Hilfe, um einigermaßen frische Luft herbeizuführen, als durch Oeffnen mehrerer Fenster, im Notfälle selbst durch sog. Pumpen mit der Türe, d. h. durch anhaltendes Auf- und Zu­ machen derselben, Durchzug zu erzeugen. Was nun den so viel verklagten Durchzug anbelangt, so kann man Aurchzng «»b allgemein sagen: „Ohne Durchzug keine Lüftung" (Ventilation). Es kann sich immer nur darum handeln, den Durchzug in solchen Grenzen jit halten, daß keine allzustarke Temperaturerniedrigung dadurch entsteht, bezw. nicht einzelne Körperteile von letzterer anhaltend und über ihre Widerstands­ kraft hinaus abgekühlt werden. Daß dazu in erster Reihe die Erhöhung dieser Widerstandskraft selbst, also eine gewisse Abhärtung nötig ist, liegt auf der Hand und wird hiervon späterhin noch mehrfach die Rede sein. Nur noch das vielverbreitete Vorurteil soll hier berührt werden, wonach wenn „ein Gewitter in der £nft" ist, das Oeffnen der Fenster den Blitz her­ beiziehen soll. Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Wenn man bei schwüler Gewitterluft die Fenster geschloffen erhält, so bilden sich innerhalb und außer­ halb verschiedene elektrische Spannungen, die, indem sie sich auszugleichen streben, leicht eine sog. Entladung, d. h. den Blitzschlag herbeiführen. Erst, wenn der Gewitterregen niederrasselt und damit eine Abkühlung der Tempe­ ratur eintritt, kann man diejenigen Fenster schließen, welche sonst dem Regen Eintritt gewähren würden. Wie sehr unsere Atemluft nun auch außerhalb unserer Wohnungen, yenmrefitfnamentlich in großen Städten durch die mannigfachsten Stoffe, Rauch, Asche, Ausdünstungen von Aborten, Kanälen, chemischen * Fa briken u. s. w. verunreinigt wird, ist allgemein bekannt und wird leider, als von Industrie und Verkehr unzertrennlich, als unab­ änderliches Fatum hingenommen. Das ist nun aber keineswegs richtig und, wenn wir die großen Einrichtungen, welche die Natur getroffen hat, um unsere Atmungsluft zu reinigen und den verbrauchten Sauerstoff zu ersetzen, einer kurzen Betrachtung unterziehen, dann werden wir finden, daß wir diese natürlichen Einrichtungen auch vielfach künstlich zu unterstützen und nachzuahmen imstande sind. Der Ersatz des, durch den atmenden Menschen- und Mebrr-rmg Tierkörper verbrauchten, Sauerstoffs findet durch die^r^fti« Pflanzen, vor allem die Blattpflanzen und Bäume statt. **>••*•

Diese bedürfen der „Kohlensäure", saugen diese ein, zersetzen sie und, indem sie den Kohlenstoff in ihrem Haushalt verwenden, hauchen sie den

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Sauerstoff wieder auS. Wenn dieser Vorgang nun auch bei Tage unter dem Einfluß des Sonnenlichtes besonders rege vor sich geht, so steht er auch in der Nacht nicht stille. Es erscheint auch wahrscheinlich, daß es die Pflanzen sind, welche die Luft von andern gasigen Auswurfstoffen der Menschen und Tiere reinigen, indem sie jene sich aneignen, assimilieren. Darauf deuten mancherlei Vorgänge hin, wie sie bei Verwertung von Am­ moniak, Baldriansäure u. s. w. durch Pflanzen beobachtet werden. Auch liegt im Pflanzenreiche eine gewaltige Kraft verborgen, Sumpf­ gase zu zersetzen, den Boden auszutrocknen u. s. w. So ist z. B. die Sonnen­ blume mit großem Vorteil verwendet worden, um sumpfige Gräben auSzutrocknen und deren Atmosphäre zu reinigen. Um nun die Luft von den durch menschliche Tätigkeit erzeugten stoff­ lichen Verunreinigungen, Rauch, Kohlen- und anderem Staube zu reinigen, dienen die bekannten atmosphärischen Niederschläge, der Regen und der Schnee. Daher sind im allgemeinen diejenigen Klimate am gesundesten, wo ein ziem­ lich regelmäßiger Wechsel zwischen nasser und trockener Witterung stattfindet, wogegen solche, wo dieser Wechsel sich nur in längeren Zwischenräumen ab­ spielt, wie z. B. in den Tropen, meist der Gesundheit weniger zuträglich sind. Endlich sind es die Stürme und Winde, welche das uns umgebende Luftmeer reinigen. Indem sie denjenigen Teil der Atmosphäre, der bis dahin über großen Landstrecken stand, dort austrocknete und sich mit allerhand festem und gasigem Unrat erfüllte, über den Ozean treibt, sie mit neuer Feuchtigkeit schwängert und ihre festen staubförmigen Bestandteile dadurch ausfällt, sendet sie uns die, durch Wassergehalt und vermehrten Sauerstoff unseren Lungen so viel zuträglichere, Luft der Meere zu, um uns neu zu erquicken. Das Alles kennen wir seit Jahrhunderten und doch, wie weit entfernt sind wir noch, es auch im Kleinen künstlich nachzuahmen und unsere Städte und Wohnorte dadurch gesünder und angenehmer zu machen! Wären es nicht nützlichste nationalökonomische Arbeiten, unsere Flußzlet»lg»«g laufe durch Sammelteiche und Kanäle mit starkem Gefälle zu regulieren, uns der jxft durch dadurch vor den jährlich wiederkehrenden Ueberschwemmungen zu schützen und t^ßkchechd«-gleichzeitig die Luft zu reinigen? Können wir nicht durch Springbrunnen und

-«fikenr«.

Spritzdouchen den wohltätigen Regen nachahmen und die Luft in Zeiten der Trockenheit vom Staube reinigen? Die moderne Straßenreinigung durch fahr­ bare Spritzwagen ist ja etwas Aehnliches, doch sollten dieselben so eingerichtet sein, daß die Wasserstrahlen mindestens 4—6 Meter über dem Straßendamm die Luft durchspülten. Endlich müßten Baumparks und geeigneter Pflanzen­ wuchs dem Innern der Städte neuen Sauerstoff zuführen. Eins der wich­ tigsten Mittel aber, unsere Atmungsluft von festen Beimengungen zu reinigen, harrt noch der Lösung; es ist die Erfindung eines wirklich rauchverzehrenden Schornsteins. Die Vernachlässigung solcher Einrichtungen aber hat doch sehr deutliche und unangenehme Folgen. Wir brauchen z. B. bei einer Jnfluenzaepid e m i e nicht nach einem Ansteckungsstoff zu fahnden. Er besteht in unsern eigenen Ausdünstungen, die, durch eine, den großen Luftozean in stag­ nierende Luftkloaken verwandelnde, Witterung zusammengehalten, uns all­ mählich selbst vergiften. Wenn längere Zeit eine wind-, regen- und schnee­ lose Witterung bei herrschendem Nebel die obengeschilderten wohltätigen Wechsel der Lustmeere verhindert, dann werden die Nachteile auf die davon betroffenen

11 ©egertben um so stärker einwirken, je mehr sich dort abgängige Stoffe, sowohl durch unsere Atmung selbst, als durch Unreinlichkeit jeder Art» faulende or­ ganische Materie, Straßenkehricht und sich stauende Kanäle aufgehäuft haben. So erklärt beut. znsetzen, hat auch irgend eine mit vermieseit em Schwanenhälse oder vielleicht mit. ebenso schönem, wie durch leibärztliche Künste verkränkeltem Halse versehene vornehme Dame den hohen, steifen Kragen erfunden, welcher den weib­ lichen Hals wie ein Ofenrohr einzwängt. Sehr hochgeboren muß diese Mode jedenfalls sein, sonst würde sich die natürliche weibliche Eitelkeit der jüngeren Damenwelt doch schon dagegen gewehrt haben, es sei denn, daß unsere er­ bärmliche Jmpferei und die damit unzweifelhaft in Verbindung stehende Degeneration schon eine so allgemeine Halsangst hervorgerufen, daß man in Spohr. Gesundheit-brevier.

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34 dem Halsangstrohr wohl gar einen besondern Schuh gegen Erkältungen er­ blickt. Weiß man nicht, daß es kein besseres Mittel gegen Halserkältungen Areigetroge- gibt, als ihn stets, Sommer und Winter, frei zu tragen, von der »er Luft, warmen, kühlen oder kalten, frei umspielen zu lassen itnb daß dadurch, wie schon schwerste Halsleiden allein geheilt worden sind, so tausende und hunderttausende derselben vermieden werden würden? Weiß man nicht, wie schädlich auch der leiseste Druck auf die großen Blut- und Schlagadern des Halses wirkt, wie jeder Druck auf die Schilddrüse — der beliebte Ort, um recht festsitzende Halsschnallen, sog. Broschen anzubringen — Stimme und Atmung schädigt und vielfältige Hals-, Luftröhren- und Lungenleiden vorbereitet? Ein stets freigetragener Hals erhält ge­ sund und gewöhnt sich so sehr an Wärmeerzeugung, daß man an ihm auch in kältesten Wintertagen die erstarrten Finger wieder zu erwärmen vermag. Darum fort ritit dem hohen Kragen, und die Jacke (Taille) sei weit ausge­ schnitten, so weit, daß die ganze Basis des Halses frei wird, hinten ein­ schließlich des Nackenknochens (7. Halswirbels), vorne einschließlich des oberen Teils des Brustbeines. Dann schwindet auch Kopfschmerz und Migräne. Zckcke Was die Form der Jacke (Taille) betrifft, so muß sie die Brust züchtig «•Ute), verhüllen, aber doch plastisch hervortreten lassen, den Einschnitt des Körpers

oberhalb der Hüften, die sog. Taille, schmiegsam, aber durchaus nicht schnürend oder pressend umfassen. Die Aermel aber sollten, welche Form ihnen die Abgöttin Mode auch geben 11109, bei jüngern Damen — das Prädikat „jung" immer auf das Aussehen, nie in als auf den Geburts- oder Taufschein, bezogen — immer nur bis zum halben Ober­ arm reichen, der Rest der Arme einschließlich der schönen Hände in den wärmeren Jahreszeiten nackt getragen und nur bei Kälte mit gestrickten Aermeln bedeckt werden. Handschuhe, wie schön der Herr Handschuhmacher sie auch fertigen mag, sind ein sehr zweifelhafter, d. h. Zweifel erregender Zierrat und sollten gerade umgekehrt, wie es jetzt Mode ist, nicht in Bankettsälen, sondern in der Küche, bei der Hausarbeit und im Felde getragen werden. Dann würde man auch wieder Handküsse und nicht Ha ndsch uh kü s se zu verabreichen Gelegenheit haben. Kock nnb Was fangen wir aber mit dem langen Rock und den Unterröcken an? Anterrock. ledere werfen wir ganz fort, den Oberrock aber kürzen wir bis auf eine

Armet.

Handbreit über dem Knie, da, wo die Stärke des Oberschenkels sich zum Gelenk verjüngt. Tort legen wir ihn um jedes Bein einzeln nach innen um, ihn in der Mitte auf Handlänge trennend, so daß er in ein Paar kurze Oberschenkelbeinkleider cmsläuft, welche sich mit ihren Mündungen der be­ ginnenden Stärke der Oberschenkel anschmiegen. Dieser Beinkleiderrock kann dann an der Jacke festgenestelt oder mit elastischen Bändern befestigt werden, so daß alles Festhalten durch Gürtel oder Hosenträger vermieden wird. IBrinlTdbrr. Daß mit einem solchen kurzen Oberrock auch Beinkleider verbunden sein müssen, ist klar. Diese werden den Schutz der Beine vor Kälte, Nässe und Staub je nach der Jahreszeit besser erfüllen, als die jetzigen weiten Röcke und wieder in der wärmeren.Jahreszeit Unterbeinkleider überflüssig machen. Sie müßten zweckmäßig bis zum Knie reichen und entweder oberhalb desSkrÜMpfe. selben mit einem durch Oesen des bis dorthin gehenden Strumpfes hindurch­ gezogenen Schnallbändchen, dessen Schnalle noch als Zierrat dienen könnte,

35 locker befestigt oder dort mir handbreiten gekräuselt eingesetzten Spitzen- oder Zeugrändern versehen werden, die das Knie herabfallend verhüllten und da­ mit zugleich zwei an der innern und äußern Seite angebrachte elastische Bändchen, bestimmt, den Strumpf hochzuhalten. Durch diese Einrichtungen, mag man die eine oder andere wählen, wird dann auch das ungesunde, die Waden oder den Oberschenkel einschnürende und so oft Krampfadern hervor­ rufende Strumpfband vermieden. Die Befestigung der Hosen an der Jacke hätte, wie die des Rockbeinkleides, zu geschehen.

Ktnarpf» IMet*

Daß manche ehrbare Frauen und Mägdlein diese Tracht „theatralisch" finden werden, darauf bin ich gefaßt. Aber das hat nichts zu sagen: gehen wir nur mal zunächst darauf aus, sie in natürlicher Weise wieder kunstgemäß schön zu machen oder auch nur so erscheinen zu lassen, dann werden sie, besonders wenn wir die Herren Impfer und Giftmischer abschaffen, auch wieder natürlich schön werden. Diese Tracht ist aber auch praktisch, geeignet, die Beintätigkeit der Frauen zu befreien und zu heben, und gestattet endlich, sowohl natürliche Reize in dezenter Weise hervortreten zu lassen, als — was im Augenblick wohl auch hie und da vonnöten sein dürfte — Schwächen zu verbergen. Die kurzen Rockbeinkleider machen es möglich, jeden Oberschenkel schön erscheinen zu lassen, die gekräuselten Spitzenund Zeugränder decken and) weniger schöne Kniee, imb daß Strümpfe, außer durch Waden von Fleisch und Blut, sich auch sonst noch ausfüllen lassen, dürfte nicht bloß Bühnengeheimnis sein. Die Zeug- und Tuchfabrikanten aber, welche allerdings manchen Meter Zeug weniger absetzep werden, der jetzt unnütz an den Leibern des schönen Geschlechts herumschlampert, mögen sich ebenfalls trösten. Wohlhabende werden mehr Anzüge, Arbeits-, Ge- **$*•*• s el lschafts-, Besuchs-, Pro m en ade- und sonstige Anzüge machen lassen und auch die jetzt aus praktischen Gründen leichter Befleck- und Ver­ letzbarkeit verpönten Hellen und sanften Farben werden wieder zu Ehren konunen. Aermere aber werden eine ebenso zweckmäßige, wie ohne Rücksicht auf die Grobheit oder Wohlfeilheit des Stoffes an sich schöne Tracht erhalten. Ueber die Stoffe spreche ich später im allgemeinen, nachdem ich auch Aste, die Herrenkleiduug gemustert, ebenso über die Fußbekleidung und Strümpfe im allgemeinen. Ueber die Hüte aber, welche ich am liebsten der natürlichen Krone aller Fraueuschönheit, dem herrlichen Kopfhaar und seiner ganz indivi­ duell dem Schönheitssinn aller einzelnen Schönen überlassenen.Anordnung weichen sehen möchte, sage ich nur: sie sollen ja weder warm halten, noch vor Sonne (was der Sonnenschirm besorgt oder der Garten Hut) noch vor Regen (das besorgt der Regenschirm) schützen, also sind sie nur Zierrat. Als solcher aber dürfen sie weder den Kopf unnütz beschweren, noch ein­ zwängen, noch durch Hitze belästigen oder eine zwangvolle und unschöne Haar­ frisur zum Feststecken erfordern. Ganze Tiere (Vögel, Kolibris) oder Garten­ beete darauf herumzutragen, ist unschön und geschmacklos. Ich bin überzeugt, je schöner und herrlicher das Haupthaar, desto kleiner und leichter werden die Hüte werden uni) umgekehrt! Damit wende ich mich der He rt en tracht zu, welche weniger unnatürlich, jimeitatt als die Tamenkleidung, doch der Geschmacklosigkeiten und Gesundheitsschädlichleiten immer noch genug enthält. Den unschönen und sinnlosen Frack, diesen Schreibfederrock oder Schnippel, mit seinen hinten herumhängenden unnützen 3*

36 Schwalbenschwänzen verurteilt man allgemein und — behält ihn bei. Frei­ lich ist der lange bis auf die Kniee oder gar Waden reichende Gehrock (wohl so genannt, weil er dein jN e h e n h i n d e r l i ch ist) nicht weniger unschön. Die Schöße hindern vorne die Bewegung, hinten das Sitzen, wes­ halb man ihn ebenso passend auch Sitzrock nennen könnte. Diese Kleidungs­ stücke mit einem griechischen „Gewände" zu vertauschen, welches die mensch­ liche Gestalt in einen malerisch drapierten Mantelstock verwandelt, wie einige Exzentriker es sich ausgetüftelt, dazu liegt in unserem Klima und bei dem vielfältigen Gebrauch, welche selbst „Philosophen" bei uns noch von ihren Gliedern machen müssen, kein Grund vor. Mimrr. Kehren wir doch einfach zu dem mittelalterlichen „Wams" zurück, welches eine Hand lang über die Hüften herabreichend vorn den Unterleib, hinten den Rücken bis zum Steißknochen deckt, das Gesäß beim Sitzen von selbst frei macht und den Beinen volle Bewegungsfreiheit gönnt. Nachdem, wie wir noch sehen werden, vorzüglich durchlässige Stoffe in schmiegsamem Maschengewebe (Trikot) in Wolle, Baumwolle und Leinwand angefertigt werden, können solche „Wämser" je nach der Jahreszeit aus Wolle oder aus Baumwolle und Leinwand, zwei- oder einknöpfig, ebenso zweckmäßig, wie für festliche Gelegenheit je nach der größern oder geringern Wohlhabenheit ihrer Inhaber, aber immer gleich geschmackvoll, aus Seide, echtem Seiden- oder Baumwollsammt, aus feinen oder groben Woll-, feinen oder gröbern Leinwand- und Baumwollstoffen hergestellt werden. Ein niedriger Umschlagkragen, verschiedene Taschen und ihre Zierraten, eine kürzere oder längere (Rabatte) Umkrägelung der obern Ränder werden der immer auf Veränderung bedachten Mode einen großen Spielraum und Fantasieschneidern Gelegenheit ju Erfindungen geben. Allen Wärmeerhaltungs- und Wärme­ minderungszwecken aber würde ein solches Wams durch Wahl des Stoffes und speziellen Schnitt: eine oder zwei Reihen Knöpfe, einfacher dünner oder dickerer, event, wattierter Stoff u. s. w. sich anpassen, es würde schöne Körperverhältnisse mehr hervortreten lassen, unschöne leichter verbergen, als dies unsere heutigen Röcke und Fräcke tun, daneben unserer Körperbewegung bei Arbeit jeder Art, wie bei körperlichen Uebungen: Reiten, Fechten, Rudern, Tanzen u. s. w. völlige Freiheit gewähren. Hetalfcit. Auch das heutige Herrenbeinkleid, die »lange oder Schneider-Hose", ist nichts weniger, als schön und zweckmäßig. Wird sie weit getragen, ivie gegenwärtig, so ist sie bei leichten Stoffen im Sommer zwar bequem, obgleich sie vielmehr Zeug am Leibe herumtragen läßt, als nötig ist, auch dadurch als Staub-- und Schmutzfang dient. Im Winter aber sind solche Pumphosen schon wegen chres senkrechten Luftdnrchzuges (vertikalen Ventilation) sehr un­ zweckmäßig, ein Punkt, in welchem Professor Jäger unzweifelhaft im Rechte Mitose. ist. Seitdem dessen Grundidee, die Lüftung des menschlichen Körpers durch die Durchlässigkeit der Bekleidungsstoffe der Organisation unsere Schweiß­ poren selbst anzupassen, d. h. letztern die Ausführung ihrer Auswurfsgase auf dem kürzesten Wege, aso in der Querrichtung unseres Körpers und seiner Teile (transversale Ventilation) zu ermöglichen, zum Durchbruch gelangte, ist die ganze Bekleidungsfrage in ein neues Stadium getreten und höchst vor­ teilhaft ihrer Lösung näher geführt. Je durchlässiger die Maschen eines Stoffes und je elastischer dieser letztere ist, umso niehr stellt er nur eine künstliche Haut dar, geeignet, die

37 natürliche mehr oder weniger z« unterstützen, ohne ihre Ausdünstung auf den langen Weg von unten nach oben hinzuweisen. Die Weite der Bekleidung ist daher auch bei Anwendung solcher Stoffe nur in geringem Maße der Bequeinlichkeit günstig, darüber hinaus entschieden ungünstig, schon indem sie das Gewicht der Kleidung unnötig vermehrt. Auf der andern Seite ist eine trikotartig schließend anliegende Bekleidung der Glieder nur zu einzelnen Verrichtungen, wie z. B. an den Beinen beim Reiten zur Vermeidung jeden Faltenwurfs, zweckmäßig, im allgemeinen wird ein freier Bewegungsraum von etwa 1 (Zentimeter (also nur um 1 (Zenti­ meter größerer Durchmesser der betreffenden Bekleidung, als des betreffenden Gliedes) bei den Gliedern genügen, mährend das elastische Wams und die Weste dem Oberkörper durchaus a»liegen darf. Die Bedeutung der queren (transversalen) Durchlässigkeit der Stoffe be­ ruht eben darin, daß der Austausch der Ausdünstung mit der frischen Luft auf dem kürzesten Wege in der unmittelbaren Richtung der Hautporen er­ folgt, daß derselbe jede erforderliche Modifikation durch die größere oder ge­ ringere Dicke der Stoffe oder deren übereinander angeordnete aufzuknöpfende oder zu schließende Schichten gestattet, niemals aber solcher Stoff den Zutritt der Luft entweder ganz abschließt oder plötzlich auf den Weg des senkrechten Luftzuges von unten nach oben, iuic bei Damenröcken oder weiten Bein­ kleidern verweist. Daß durch letztere eine Menge sog. Unterleibserkältungen bei weichlichen oder kränklichen Personen herbeigeführt werden, ist un­ zweifelhaft. Ebenso vermeiden diese durchlässigen und mehr anliegenden Stoffe jede plötzliche Temperaturveränderung des Körpers und härten andrerseits den­ selben bind) die beständige Zuführung frischer Luft auf zweckmäßigste Weise ab. Bei der Verwendung dieser allein zweckmäßigen Stoffe aber gibt es für -»ießast den Mann nur e i n rationelles Beinkleid, wie für die Frau, nämlich die von unsern Altvordern schon getragene sehr zweckmäßige Kniehose. Sie allein macht, mag man sie nun oberhalb des Knies abschneiden lassen, oder dasselbe mit einem geschlitzten oder mit Schnalle versehenen Teil noch mit umfassen lasten, die Kniebewegung frei und gestattet, den Unterschenkel und Fuß leicht, aber doch so zu bekleiden, daß nur der Lust, aber nicht dem Schmutz und Staub Zutritt gewährt wird. Daß die K n i e h o s e in Verbindung mit Strumpf oder elastisch-durchlässiger Gamasche (Wadenstrümpfe) auch die schönste Be­ kleidung darstellt, so lange das menschlid)e Bein noch nicht zur Hasenstelze herabgesunken ist, liegt wohl auf der Hand. Daß man den Bestrebungen Kaiser WilhelmsII. die Kniechose mit Wadenstrumpf in das Gesellschaftsleben wieder einzuführen, welcher Einführung dann die in das Werk- und Alltags­ leben wohl folgen dürfte, spöttelnd entgegentritt, erscheint nur aus dem Oppo­ sitionsgeist erklärlich, der auch das Gute verwirft, wenn es mit gedankenlos angenommenen Gewöhnungen in Widerspruck) tritt. Ist nicht eine aus feinem Tuch oder Sammet hergestellte mit silberner Knieschnalle — die sich bei dem heutigen Silbersturz auch jeder Arbeiter leisten kann für einige Dutzend ersparter Schnäpse — ein viel schöneres und ge­ schmackvolleres Bekleidungsstück, als die heutige auf der Stiefelwichse und dem Straßenpflaster sich abschleifende Schneiderhose? Und wer keine plastischen Beine mehr hat, der helfe vorläufig mit Watte nach. Die menschliche Stelze im weiten Beinkleid sieht man doch.

38 Auch als Reithose ist eine lederne Kniehose, welche, außen ge­ schlitzt das Knie noch mitbedeckt, imb deren Schnallband durch Oesen der Reit­ gamaschen oder im innern Schaft des hohen Reiterstiefels durchgezogen, diese IsfeickrLger. in ihrer Lage erhalten, durchaus zweckmäßig. — Als Hosenträger, die unbedingt der Gesundheit zuträglicher sind, als Gurte, verwende man nur den ebenso elastischen, als durchlässigen „Acaric", dessen Metallbeschläge auch ebenso zweckmäßig, als haltbar und leicht sind. Die Knöpfe aber zum Anknöpfen der Hosenträger sind vorne möglichst zurück und hinten möglichst vor zu rücken, so daß sie oberhalb der Hüfte nur handbreit auseinanderstehen. Dadurch laufen die Hosenträger nur um die Schulter herum, Brust und Rücken werden freier und auch auf den Magen ^wird kein Druck ausgeübt. Durch Einrichtung der Weste zum Anknöpfen der Hosen würden Hosenträger gänzlich überflüssig werden. Neste. Tie Weste ist ein bequemes Kleidungsstück zur Unterbringung von Uhr, Zwicker, Zahnstocher u. s. w., in der roärniern Jahreszeit überflüssig, im Winter öfter angenehm, jedenfalls, wenn sie aus durchlässigem Stoff gefertigt, gesünder, als irgend welche Unterjacke. Der Hals bedarf, schon wegen des Bartes, beim Mann noch weniger der Bekleidung, als bei der Frau. Wollte Gott, daß die unseligen Schlipse und Binden bald wieder dahin wanderten, woher sie gekommen, in die Schneiderhölle. Denn offenbar hat sie ein industrieller Damenschneider erfunden, um die durch seine Schere gefallenen Seidenfetzen zu verwerten. «stLlskrause. In Gesellschaften und bei Besuchen mag eine Halskrause, weit und niedrig, aus feinsten Spitzen oder einfachem Maschenbaumwllstoff je nach den Mitteln der Betreffenden, gestattet sein, im gewöhnlichen Leben und bei der Arbeit ist jede Halsbekleidung oder Halsverzierung vorn Uebel, allenfalls möchte ein niedriger, vorn weit offener leinener Stehkragen (zum Anknöpfcn) hingehen. Jin Winter müßte auch dein Weichlichsten der aufgeschlagene Kragen des Wamses oder Mantels als Halsschutz genügen. AspsDie Kopfbedeckung hat beim Manne eine etwas größere Bedeutung, als ßebechu»-. bet der Frau, da er sich des Sonnenschirms noch .herkömmlich nicht bedienen

Narrtet.

darf, was ich sehr gerechtfertigt finde, und des Regenschirms nicht immer be­ dienen kann. Sie soll also vor Sonne und Regen schützen, aber leicht und lüftbar sein und dem Auge nicht mißfallen. Für die kältere Jahreszeit wird ein weicher, niedriger, breitkrämpiger mit Ventilationslöchern an beiden Seiten (welche bei großer Kälte und Wind durch das bis dahin zurückgeschlagene inwendige Futter verdeckt werden können) versehener Filzhut oder Hut aus Jägerwollstoff am zweckmäßigsten sein, der einen ledernen Jnnenrand allerdings nicht besitzen darf, da dieser die Blutgefäße abschnürt. Im Sommer habe ich die neuen Loofahmützen, welche durchlässig sind, den Regen mir in feinster Stäubung sehr angenehm durchlassen, aber ihre Form durch Naß- und Trockenwerden nicht verändern, sehr zweckmäßig gefunden, weit vorzuziehen dem undurch­ lässigen oder völlig durchbrochenen und dann dem Regen offenen, durch Nässe sofort verdorbenen Strohhut. Was sollte hindern, auch aus Loofah jede Form des bisherigen Strohhutes herzustellen Vom Mantel rede ich nicht. Bei richtiger Bekleidung braucht ein Ge­ sunder keinen, und, wer ihn braucht, mag ihn nach seinem Geschmack als Ueber» zieher, als Mantelkragen (Mantille) oder als Kaisermantel bis auf die Füße tragen.

39 Bevor ich nun den beiden Hauptfragen: 1. der innern Bekleidung: Hemd, Unterjacke, Unterhose und Strümpfe nach Form und Stoff, 2. der richtigen Fußbekleidung näher trete, möge mir noch die Bemerkung gestattet sein, daß wir uns schon ganz von selbst meinen Bckleidungsansichten nähern. Die Alpinisten mit ihren Joppen, Kniehosen und Wadenstrümpfen, die Reiter mit ihren Wämsern, anliegenden Hosen und hohen Reitstiefeln, die Jäger mit Joppe und Gamaschen, ganz besonders aber die Rakfahrertracht sind alle mehr oder weniger angenäherte Muster. Kaiser Wilhelms II. Be­ strebungen aber zur Umänderung der Hofkleidung geben den Ton an für die Wandlung des Gesellschaftsanzuges. Bei den Damen aber, deren Röcke doch auch schon kürzer geworden sind, während einzelne Städte, z. B. Meran die Schleppe schon verboten haben, handelt es sich nur darum, daß einmal einige hohe oder höchstgestellte Personen mehr der eignen Einsicht und dem eignen Geschmack, als ihren Leibärzten und der Mode folgen, dann wird sich alles weitere von selbst ergeben. Durchschlagend aber wird die prinzipielle Lösung der Stoff frage, d. h. der durchlässigen Ma schenstoffe wirken. Run zur Unterkleidung! Dieselbe stellt eine doppelte Bekleidung dar. Notwendig, d. h. im Sinne des Anstandes, der Gesundheit und

ZlalerEtetd«»-.

Bequemlichkeit ist nur das Hemd, schon um bei den Oeffnungen der Ober­ kleider das Durchgucken des nackten Körpers 311 verhindern. Es ist aber auch zweckmäßig, wenn und insofern es der Reinlichkeit und Gesundheit zu Gute kommt. Diese Anforderung aber schließt das Woll Hemd entschieden aus. Wolle reizt die Hallt unaufhörlich, verdichtet die fettigen und riechenden Be­ standteile des Schweißes und saugt sich von ihnen voll, sie schrumpft bei der Wäsche um so dichter zusammen, je lockerer und maschiger sie ursprünglich gewebt ist und verfilzt endlich so völlig, daß ihre ursprüngliche Durchlässigkeit ganz verloren geht. Besser eignet sich die Bau lnw olle zur unmittel- NarOtListge baren Hautbekleidung, besonders, wenn man ihr die von H. Goß- NEmmaaT-

mann erstrebte Durchlässigkeit durch die Webeart verleiht. Baumwolle ist am meisten neutral, reizt die Haut nicht so, wie Wolle, und kältet nicht so, wie naßgewordene Leinwand. Die porösen Goßmann'schen Baum­ wollstoffe, wie sie Dick L Schrei ter in Schöneck i. V. herstellen, verhüten das zu schnelle Naßwerdey durch Schweißverdichtung und lassen die ent­ standene Feuchtigkeit allmählich und fast unmerklich, ohne durch rasche Ver­ dunstung so zu kälten, wie Leinwand, wieder entweichen. Ich kann aus nunmehr 12 jähriger Erfahrung dem Goßmann'scheu Baumwollstoff das Zeugnis geben, daß er sich bei heißer, wie kalter Witterung gleich angenehm trägt, von allen Stoffen, die ich kenne, die gleichlnäßige Haut­ tätigkeit am meisten befördert. Ich habe Hemden aus diesem Stoffe auf Märschen bei glühender Mittagssonne in den Südteilen der Alpen, wie über Gletscher und Schneefelder und beim Reiten in 10 — 15 Gr. Kälte gleich wohltuend empfunden. Für Hemden glaube ich daher den Goßmann'schen Banmwollmaschenstoff der früher empfohlenen S chönherrschen gezwirnten Leinwand vorziehen zu müssen. Die Länge eines zweckmäßigen Hemdes muß his zum Knie, aber nicht über dasselbe herabreichen, da die größere Länge durchaus unnützer, in dem Gesäßteil der Hose aufzustapelnder Ballast ist.

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Die Brust wird am besten einfach aus demselben Stoffe hergestellt, kann aber zu Gesellschaften durch einzulegende Falten oder durch ein anzu­ knöpfendes feines Krausenvorhemd (Jabot) aus Battistleinwand verschönert werden. Kragen und Manschetten aus glatter Leinwand mögen, wo und wenn es die Mode gebietet, gestattet sein. Aiüerjicke. Was nun die Unterjacke betrifft, so halte ich eine solche, da sie für eine, mit Hemde, Weste und Wams bekleidete Brust eine vierte Be­ deckung darstellt, selbst für unsere kältesten Winrertage entbehrlich. Nur wer durch Tragen von Woll- und Baumwolltrikot-Unterjacken verwöhnt ist, möge sich derselben zunächst durch Goßm an nasche Netz-Filet-Jacken entwöhnen. Aitterß-fe. Ebenso halte ich Unterhosen zum Gehen in wärmerer und mittlerer Jahres­ zeit für entbehrlich, da auch der einzige für sie angeführte Nutzen: die Erhaltung der Reinlichkeit durch nahezu anschließende aus durchlässigem Stoff hergestellte Kniehosen und Wadenstrümpfe hinreichend gewahrt wird. Ueberhaupt aber halte ich es für nützlicher, die Reinlichkeit durch öfteres Waschen, als durch passive Abwehr von Staub re. mittels einer Bekleidung zu erzielen, welche für die Hautausdünstung bei warmer und mittlerer Temperatur nur ein unnützes, zu überflüssiger Wärmeanhäufung führendes Hindernis darstellt. Wo es sich dagegen, wie in der kälteren Jahreszeit, um einen Schutz gegen zu schnellen Wärmeverbrauch oder, wie beim Reiten, gegen Reibung handelt, muß ich die Lahinann'schen Baumwolltrikot-Unterhosen empfehlen, welche weiche Schmiegsamkeit mit hinreichender Durchlässigkeit verbinden. Ter Hemden-Maschenstoff führt bei Reitern, welche viele Stunden zu Pferde sitzen, zum Durchreiten. Letzteres durch wildlederne Unterhosen zu ver­ meiden, kann ich wegen deren großen Undurchlässigkeit für die Hautausdünstung nicht empfehlen. Kir»«Pfe «nd Damit fomme ich zu den S t r ü m p f e n. Als W a d e n str ü m p fe oder W a d e n strupfen (Gamaschen) habe ich dieselben schon als Ergänzungsbekleidung zu *""**ke. ben Kniehosen empfohlen. Das schließt jedoch nicht ihre Empfehlung als

Fußbekleidung ein. Unmittelbar auf der Haut sollte man auch, wie aus allem Gesagten hervorgeht, nur baumwollene Strümpfe tragen. Wo das Wärmebedürfnis wollene Strümpfe erfordert — in kalter Jahreszeit oder bei Hochgebirgswanderungen — trage man dann wollene Wadenstrümpfe oder Gamaschen über den baumwollenen. Die Füße selbst aber mit Strümpfen zu bekleiden, habe ich 20 Jahre lang für überflüssig gehalten und mich beim Gehen mit nackten Füßen in bequem sitzenden Schuhen oder Stiefeln stets wohl befunden. ' Der Fußstrumpf krumpft, infolge des Anziehens der Stiefel oder Schuhe die Zehen unnatürlich zusammen, behindert den Blutumlauf in den Füßen und führt zu der äußerst schädlichen Fußkälte, bildet, wenn weit, unvermeidlich Falten und gibt dadurch zum Durchgehen Veranlassung." Es ist richtig, daß der dicke wo llene Strumpf alle diese Fehler infolge seiner großen Weichheit und Elastizität weniger zeigt, dafür macht er die Füße schweißig, verweich­ licht die Haut und begünstigt auf diese Weise wiederum die Fußkälte, ganz besonders noch, wenn er naß geworden, weit mehr, als dies bei baumwollenen der Fall ist. K«htLP»e«. Alle diese Fehler vermeidet der baumwollene (barchentene) oder leinene Fußlappen. Er läßt sich in sehr verschiedener Weise umlegen.

41 so daß man unbequeme Falten vermeiden, empfindliche Stellen der Fuße stets schonen kann. Er weitet sich beim Gehen aus und paßt sich dem Fuße be­ quem an, so daß er diss natürliche Bewegung der Fuße (siehe unten) weit weniger hemmt, als der Strumpf. Durch sein Material, Baumwolle oder Leinwand kann man die Wärme regulieren, er ist billiger, leichter und gründ­ licher 311 waschen, als Strümpfe, deren Flicken und Stopfen die größten Un­ zukömmlichkeiten für die Füße zeitigt. Nur einen Nachteil wüßte ich den Fußlappen nachzusagen: es ist etwas umständlicher, sie anzulegen, wenn man nicht als zweiten ihren unschön klingenden Namen: „Fußlappen" an­ sehen will. Jedenfalls sind sie zur Beseitigung von Hühneraugen, Frost­ beulen, Fernhalten von Blasen und Durchgehen geeigneter, als der Strumpf und werden in dieser Beziehung nur übertroffen vom Barfuß geben ohne oder mit äußerer „Fußbekleidung" (Stiefel oder Schuhe). Ueber die Vorzüge des Bar fuß gehens für die Gesundheit darf ich N«rf»tgche«. die Leser dieser Blätter wohl für besser unterrichtet halten, als den Professor Herrn Büchner (Darmstadt). Ein Punkt aber wird dabei meist ganz über­ setzen oder doch zu wenig gewürdigt; die natürliche Beuge- und Streckbewegung der Zehen und des gesamten Vorderfußes. Unser Fuß ist ein Greif-Fuß und darauf eingerichtet, durch Bewegung der Zehen mit diesen gleichsam den Boden zu greifen, sich an ihm festzusaugen, durch Strecken der Zehen und Beugung derselben nach oben uns wieder vom Boden zu lösen und äbzustoßen. Diese natürliche Bewegung des Fußes ist die Quintessenz aller Lehren und Maßregeln zum Warmhalten der Füße. Wer sie beachtet, der allein wird sich immer und unter allen Umständen warme Füße erhalten, da sich diese Muskel­ bewegung unter allen Umständen, z. B. auch beim Reiten und selbst im S t i l l s i tz e n ausführen läßt und dadurch den Fuß warm erhält, wozu manche andere Mittel der Naturheilkunde zwar vorübergehend, aber nicht dauernd verhelfen können. Nun können wir aus vielen Gründen nur vorüber­ gehend zu Gesundheitszwecken barfuß gehen, auf Wiesen, sandigen Wegen rc. Aber auch die uns zum Schutze der Füße auf steinigen, schmutzigen, sumpfigen Wegen und aus Reinlichkeits- und Anstandszwecken nötige äußere Fußbekleidung darf uns nicht an dieser zur Gesundheit unum­ gänglichen M u s k e l b e w e g u n g der Füße hindern. Das erfordert eine gerade gerichtete w «gerechte einigermaßen biegsame Sohle, eine», Oberschuh, der den Fuß nur anliegend aber nicht pressend, u m s ch l i e § t und ben Zehen Raum für ihre natürliche Bewegung gestattet. Kanbatm» Sandalen also, welche die Zehen durch eine Kappe oder einen Riemen umfassen, daneben eine steife Sohle haben, entsprechen dieser Anforderung keineswegs, sind auch aus vielen Gründen sehr unpraktisch, wenigstens in unserem Klima und für unsere Wege. Sie geben beni Staube und feuchtem Schmutze Zutritt zum Fuße, lassen Sand und Steinchen unter die Fußsohle geraten und machen, im Winter wenigstens, schon wegen des Schutzes gegen die Kälte, eine dicke innere Fußbekleidung umso mehr erforderlich, als die zur Befestigung dienenden Riemen und Bänder eben wegen ihrer nur örtlichen Wirksamkeit, wenn das ganze Ding nicht schlampen und klappern und dadurch den Tritt ganz unsicher machen soll, umso fester geschnürt werden müssen.

42 Daß Regen und Nässe ungehindert Zutritt von oben erhalten und durch die Sohle aufgehoben und aufbewahrt werden, ist ebenfalls weder gesundheits­ förderlich noch angenehm. Ich kann also die Sandale wohl für eine primi­ tive, für orientalische, namentlich palästinische und Wüstenverhältnisse, aber keineswegs für die unserigen passende Bekleidung ansehen und muß eine praktische Lösung derFußbekleidungsfrage auf dieser Grund­ lage für durchaus ausgeschlossen erklären. Wenn diese Fußbe­ kleidungsfrage auch bis jetzt noch praktisch nicht völlig gelöst ist, so stehen doch die theoretischen Anforderungen fest, und, sie in die Praxis überzuführen^ Amfsrde- wird der heutigen Technik sicher bald gelingen. Die theoretischen Anforde^rungen sind: I. Unter allen Umständen: 1. eine wagerechte, oben für den Ballen des Fußes mäßig ausgehöhlte, gegliederte und dadurch bewegliche» gegen Druck von Steinen und Unebenheiten des Bodens den Fuß schützende Sohle und ein Oberschuh, welcher dadurch, daß er Fuß und Fessel be­ quem, aber völlig umschließt, einerseits die M u s k e l b e w e g u n g des Vorderfußes und der Zehen gestattet, andererseits nirgends drückt oder preßt. Dieser Anforderung kann nur ein Schnürschuh gerecht werden, d. h. ein solcher, welcher nach Belieben um ein gewisses Maß verengt oder erweitert werden kann, da der Fuß selbst bei längerer An­ strengung anschwillt, alsosichvergrößert, bei längerer Ruhe wieder a bschwillt, beim Berg ab gehen festerer Sitz an der First, beim Berg steigen an der Ferse erforderlich ist; 2. ein den natürlichen Linien des Fußes entsprechender Sohlengrundriß (Meyer"scher Leisten); II. Je nach den Gebrauchs­ zwecken oder der Jahreszeit: 1. ein mehr oder weniger festes, starkes, widerstandsfähiges Material für die Sohle und 2. ein mehr oder minder durchlässiges für den Ober schuh. Für Berg- und Soldaten­ schuhe also in ersterer Beziehung zweckmäßige Benagelung, für Tanzschuhe dünnere, aber nicht gerade glatte Sohlen, für beit Reitstiefel starke, aber rauhe Sohlen ohne Nägel; in zweiter Beziehung sind im Sommer durch­ lässige leinene oder baumwollene, im Winter Filz- oder Lederstoffe zulässig. Daß der Reitstiefel einen bis zum Knie reichenden, engen tmd weichen, dem Unterschenkel sich anschmiegenden Schaft verlangt, der aber durch eine starke zweck­ mäßige lederne Wadenstrupfe (Gamasche) ersetzt werden taun, will ich nur zur Belehrung derjenigen erwähnen, welche noch immer von einer Universal - FußAls Einlage, damit auch die F u ß s o h l e eine, sie vor zu st a r k e r Erhitzung wie zu großer Abkühlung schützende, freie Luftschicht erhält, habe ich für große Märsche die Loofahsohle, die daneben durch ihre Elastizität ange­ nehm wirkt, zweckmäßig gefunden. In neuerer Zeit hat mich die unglückselige Gerberei des Leders mit Quebracho-Gerbstoff, einer äußerst beißenden und ätzenden Gerbsäure, welcbe den nackten Fuß direkt schädigt, wieder zur Anlegung baumwollener Fuß­ lappen bezw. aus dünner Baumwolle gewebten, nur den Vorderfuß unb die Sohle bedeckenden Fußstrümpfen zurückgezwungen. Letztere sind etwas teurer (20—30 Pfennig pro Paar), als Fußlappen, gestatten aber ebenso, wie jene, freie Zehenbewegung und haben noch den Vorzug, sich schneller an- und ausziehen zu lassen. Da selbst die Loofah-Einlagesohlen die Fußsohlen nicht völlig vor der Einwirkung der Quebracho-Gerbsäure schützen, so habe ich diese Fußstrümpfe in neuerer Zeit recht wohltuend und praktisch gefunden.

43 Wenn man aber durch anderes z. B. weißgares Leder als inneren Belag der Fußbekleidung jede weitere innere Fußbekleidung vermeiden sann, gebe ich dem Fortfall derselben auch davor den Vorzng. Dem, der mir ent­ gegenhält, daß Reinlichkeitsgründe eine solche innere Fußbekleidung stets er­ forderten, erwidere ich, daß ich die durch öfteres Waschen der Füße erzeugte Reinlichkeit für größer und gesünder halte, als die durch dauernde Einhüllung erhaltene. Wir waschen uns die Hände doch mehrmals täglich, warum nicht auch die Füße? Geschähe dies, wie viele Fuß leid en nicht nur, sondern auch Herz-, Hals- und Kopf lei den würden vermieden werden? Und die Gewohnheit macht uns dabei so fix und schnell, wie beim Hände­ waschen, der reine Fuß aber hält auch den Stiefel oder Schuh rein! Daß alles vorstehend über innere und äußereFußbekleidung Gesagte für beide Geschlechter paßt, will ich doch noch ausdrücklich betonen. Bei der ganzen Bekleidungsangelegenheit lege ich bezüglich der Stofffr age darauf Gewicht: 1. daß die zunächst auf der Haut getragenen Stoffe so durchlässig als möglich, wenn auch schmiegsam, doch weder der Haut anklebend noch sie künstlich reizend (Wolle) und durch Waschen leicht, voll­ ständig und ohne schädliche Veränderung zu reinigen seien. Diesen An­ forder ungengen ügtMaschen bäum wolleambe st en. 2. daß dickere, schlechter Wärme leitende Stoffe (Wolle), nur zur äußeren Bekleidung und nach Maßgabe des Wärmebedürfnisses verwendet, auch sie aber möglichst durchlässig durch besondere Gewebsart (Trikot- oder StrumpfMaschengewebe) hergestellt, die Wärmeerhaltung mehr durch ihre Dicke als Dichtigkeit angestrebt werde, damit die quere (transversale) Aus­ dünstung nie gestört werde. 3. Leder diene der Haltbarkeit für gewisse Zwecke (Reiten, Bergsteigen). 4. Sammet und Seide sind schöne Prunk stosse, deren Herstellung in dem gewünschten Gewebe nichts im Wege steht. Meine in der ersten Auflage näher dargelegten günstigen Erfahrungen mit einem Anzuge aus Schön Herr'scher Maschenleinwand bei einer größeren Bergpartie durch Schnee und Eis sowohl, als bei starker Hitze beruhten doch auf meiner überhaupt im Laufe des Lebens erlangten Abhärtung und hatten für weitere Kreise deshalb keine allgemeine Geltung, worüber mich Erfahrungen anderer belehrten. Der Grundsatz: sich im allgemeinen so zu kleiden, daß man sich unter den gegebenen Verhältnissen in behaglicher Wärme befindet, bleibt

auch für abgehärtete Personen bestehen, wenn diese sich dabei auch nach verschiedenen Richtungen Abweichungen gestatten dürfen, die weniger Abgehärtete schon mit Gesundheitsschädigungen zu büßen haben würden. Damit schließe ich meine, wenn auch nicht vollständigen, doch wohl das Wesentlichste enthaltenden Bemerkungen über Bekleidung und knüpfe daran zum Schluffe die oben in Aussicht gestellte Erörterung über unsere Lager­ stätte, das Bett! Wer meinen Ansichten gefolgt, wird sich nicht wundern, wenn ich auch $ »varm

Kptte» Kchkase»******

essen — das Gegenteil „zu kalt essen", kommt heutzutage kamn vor — welches Zähne »ind Schleimhäute der Verda»»ungswerkzeuge schädigt. Auch das „zu viel essen" ist eine Gewohnheit und sehr schädlich. Es dehnt den Magen aus, macht faul und träge und gibt nicht, sondern nimmt Kraft und Ausdauer. Man überwacht sich am besten dadurch, daß man sich nach jeder Mahlzeit die Frage vorlegt: „Bist du nun frisch und tatenlustig?" Ist das nicht der Fall, so hat man zu viel gegessen. Eine Folge davon ist auch der stets schädliche Nachinittagsschlaf, der wiederum den Nachtschlaf beeinträchtigt. Sehr angestrengte seit frühem Morgen tätig Gewesine mögen — Stunden vor dem Mittagessen ruhen und schlafen, ebenso Schwache, Kranke und Genesende. Ein solcher Vor- dem EssenSchlaf ist recht »vohltätig und befördert die spätere Verdauung, die durch das Schlafen nach dem Essen stets leidet. Zu Viel zu essen ist auch der Fehler manches angehenden Vegetariers uhb selbst älterer. Bei ersteren erklärt es sich zuweilen aus dem Vorurteil, die mangelnde Fleischkost müsse durch ein bedeutendes Mehr von Pflanzen­ speisen ausgeglichen werden. Wie unrichtig dieser Gedankengang ist, ergibt leicht eine Berechnung der wirklich in dem Genossenen enthaltenen Nähr­ stoffe. Dazu kommt aber »»och, daß unsere rohen Nahrungsmittel viel nahr­ hafter sind, als die gekochten, gebaekenen u. s. w. auch nur in geringerer Quantität genossen z»» werden brauchen. Die Lehre von der „Spannkraft" der Nährmittel ist doch „fein leerer Wahn"! Ohne näher auf dieses noch vieler Aufklärung bedürftige Kapitel einzugehen, habe ich für mich seit Jahren und »viederholt sestgestellt, daß: 1 Psd. Weizen- oder Roggenschrotbrot (Pumpernickel) mehr als Ersatz leistet für l’/a Pfd. gebeuteltes Roggenbrot (sog. Landbrot), dagegen jenes seinerseits wieder voll vertreten wird durch 260 g (>/, Pfd.) rohes Weizen- ober Roggenschrotmehl. Das sollte uns doch in unserer vielen Anwendung des Feuers zum Kochen, Backen :c. etwas stutzig machen! Darüber ein anderes Mal mehr! Das späte Schlafengehen ist vielfach durch die heutige übermäßig angestrengte Geschäftstätigkeit veranlaßt, wohl auch durch die schlechte Gewohnheil, seine Erholung in späten Abendgesellschaften, in Kasinos, Klubs, Restau­ rationen und Kneipen z»» suchen.

Es schädigt die Nachtruhe und veranlaßt

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zum Morgenschlaf, — wohl dem, der da noch von Schlaf reden kann — meist „Morgens, im Bett liegen", im meist mit erregenden Traumbildern verbundenen Halbschlaf. Ein solcher hebt die Erquickung des wirklichen Schlafs zum Teil wieder auf. Wenn ein Liebhaber solchen Morgenschlafs das lateinische: aurora musis amica (der Frühmorgen ist der Freund der Musen) übersetzte: Des Morgens schläft sich am besten", so wurde das zwar viel belacht, wer aber die Laune des Herrn Vorgesetzten unmittelbar nach den» „besten Morgenschlafe" einmal ausgekostet hatte, der hütete sich, ihm wieder Gelegenheit zu geben, diese Wirkung seines „Morgenschlafes" losznlassen. Zu dichte und dicke Bekleidung, Zug- und Luftscheue habe ich schon am geeigneten Ort erwähnt. Sie sind Folgen unregelmäßiger Lebensweise, wo­ durch der Körper verweichlicht, zum Teil auch Ausflüsse krankhafter Laune oder von medizinischen Leibärzten genährter Vorurteile. Von andern mehr individuellen, durch Mangel tut Aufsicht in der Jugend und Selbstbeherrschung ini späteren Alter genährten üblen Angewohnheiten, wie dem Kauen an den Nägeln, dem Krauen in Bart und Haar, Spielen mit den Fingern it. dgl., glaube ich hier absehen zu dürfen, sie haben, von dem oft sehr üble Folgen zeitigenden Nägelkauen abgesehen, kaum eine gesundheitliche Bedeutung. Niel seltener sind gute Gewohnheiten anzutreffen, aber es gibt A»te *#ihrer und so will ich die wichtigsten derselben kurz hier aufzählen. Da ist »«lufrar*. zunächst die Mäßigkeit in Speise und Trank eine Beschützerin vor vielen Krankheiten, selbst für diejenigen, .welche noch nicht Fleisch und Alkohol voni Genufle ausschließen. Frühaufstehen und Frühschlafengehen macht tüchtig zur Arbeit und bewahrt vor dem Kneipengehen. Schnelle leb­ hafte Bewegungen, namentlich beim Gehen, regen Blutumlauf und Nerventätigkeit an und halten manche Krankheit fern. Auch die Gewohnheit, sich täglich die Hände recht oft kalt zu waschen, hat eine größere Tragweite, als Viele glauben. Habe ich doch feststellen können, daß man viele Schmerzen und Leiden, z. B. Zahnschmerzen, Migräne, Hinterkopf­ schmerzen durch anhaltendes ins Kalte-Wassertauchen und Wiederherausziehen der Hände beseitigen kann. Dieses „Wassertreten" mit den Händen, geeflfartrd««. wie ich es nennen möchte, ist für manche Leiden der oberen Körperteile (Kopf, Brust und Arme) ebenso wichtig und nützlich, wie das von Kneipp emp­ fohlene „Wassertreten mit den Füßen" für Unterleib und Beine. Wie nützlich die sehr seltene Gewohnheit, sich auch die Füße täglich öfter kalt zu waschen, sein nmß, ergibt sich demnach von selbst. Auch über die gute Gewohnheit, nicht unter zu warmer Bedeckung zu schlafen und sich nicht zu warm anzuziehen, sich vor'm „Zug­ wind" nicht zu fürchten u. s. w., brauche ich nichts Besonders zu sagen. Damit schließe ich meine Betrachtungen mit dem Bekenntnis, daß diese „Grundzüge ein er allge mein en G es undhei ts lehre" wohl noch manche Lücke, besonders hinsichtlich ihrer wiffenschaftlschen Begründung, aufweisen mögen, aber doch im engsten Rahmen das enthaltend, was durch die Erfah­ rung, auch am eignen Körper des nun im V9. Lebensjahre stehenden Ver­ fassers, erprobt, jeder für seine und der Deinigen Gesundheit aufrichtig und im rechten Sinne besorgte Deutsche wissen sollte.

Gießen, im Juni 19Q6. Der Verfasser.

Inhaltsübersicht. Vorwort S. 2 Einleitung S. 3 L Die CmiltMM fbitiMldMUÄ lfmia .................................. . 4—26 1. Die Luft. Sticksto^ Sauerstoff, Ozon. Wafferdunst. Die g Atmung. Nachtluft. Dllrchzug und Zugluft. Verunreinigungen der Luft. Reinigung der Luft: in der Natur, durch künstliche Einrichtungen. Influenza. Masern. Röteln, Pocken, Scharlach. Tabakrauch....................................... S. 5—11 2. Das Wasser. Das Wasser als Nahrungsmittel. Gutes und schlechtes Wasser. Gesundheitsgemäßes Trinken. Verbesserung schlechten Wassers und Ersatz durch Fruchte. Anderweite Getränke. Fleischbrühe S. 11—16 3. Vegetarische und gemischte Kost- Der Vegetarismus und seine Begründung. Vorzüge der Pflanzenkost. Minderwertige tterische Nahrung. Die Fleischnahrung. Gicht. Fische. Fleisch der Säugettere. Geflügel. Zu­ bereitung von Fleisch und Fisch. Ganzbrot: Pumpernickel, Weizenschrot­ oder Grahambrot. Nährwert der Gemüse. Tierische, aber vollwerttge Nährmittel: Milch, Eier, Käse, Butter, Honig. Gewürze. Nutzen der vegetarischen Lebensweise. Leistungsfähigkeit der Vegetarier. Geistige Leistungen '..................................................... S. 16—26 II. AiS. 26—82 Zweck, Lage, Baugrund und Material. Luftraum. Keller. Fenster. Doppelfenster. Höhe der Räume. Fußboden. Wand- und Fensterbekleidung. Speicher. Dach. Treppen. Küche. Aborte. Stockwerke. Lüftung und Wärme. Heizeinrichtungen. Baderäume. Speisekammer. Speiseschrank. III. Me jUdb**e ....................................S. 32-44 Zweck und Anforderungen. Damentracht und ihre Reform. Schleppe und Reifrock. Schnürhrust (Korsett). Halsbeklerdung. Freigetraaener Hals. Jacke (Taille). Ärmel. Handschuhe. Rock und Unterrock. Bein­ kleider. Strümpfe. Strumpfbänder. Anzüge. Hüte. Herrentracht und ihre Reform. Warnst Beinkleid. Maschenstoffe. Kniehose und Waden­ strumpf. Hosenträger. Weste. Halsbinden. Halskrause. Kopfbedeckung. Mantel. Sportanzüae. Unterkleidung. Durchlässige Baumwollstoffe. Unterjacke. Unterhose. Strümpfe und Wadenstrümpfe. Fußlappen. Barfußgehen. Sandalen. Anforderungen an die äußere Fußbekleidung. Universal-Fußbekleidung. Tas Bett.

IV. A-rperpffege t* engern» Kim»e................................................................... S. 46—56 Die Haut. Anatomische Beschaffenheit. Lederhaut, Schleimhaut, Ober­ haut (Epiderrnis). Hühneraugen. Kein Universalrezept für Hautpflege. Wassertemperaturen. Bespritzungen (Douchen). Allgemeine Waschungen. Abhärtung. Licht- und Luftbäder. Warme Bäder. Ganzabwascyungen. Tritteilwaschungen. Waschlappen, Loofah, Bürsten. Handwaschungen. Seife. Mandel- nnd Weizenkleie. Spiritus iinb Terpentin. Teilwaschungen. Freiübungen. Nichtabtrocknen. Schneeabreibungen. Kalte Brausen. Damvfbäder. Mund- und Zahnpflege. Schneide,» der Nägel. Harte Hautstellen und Hühneraugen. Haar- und Barttracht. Rasieren.

V. jtiryerfi* **t geistige Mett........................................................................ S. 57-69 Körperliche Tätigkeit. Geistige Ueberanstrengung. Schule und Unterricht. Erholung und geistige Genüsse. Gesang. Kneipenunwesen. Tabak xmb Alkohol.

VI. Mutze

Schlaf.

............................................................................................ S. 59—63

Gesunder Schlaf. Schlaflosigkeit und ihre Gründe. Naturgemäße Schlaf mittel. Fehlerhafte Äewohnheiten. Alkohol und narkotische Mittel. Zn warm und zu kalt essen. Spätes Schlafengehen. Gute Gewohnhetten. Wassertreten. Hof- und Univerfitäts-Druckerei (Dtto Kindt) Gießen.