Geschichtswissenschaft im Geist der Demokratie: Wolfgang J. Mommsen und seine Generation 9783050089775, 9783050049328

Obwohl die Zeitgeschichtsschreibung in der Bundesrepublik inzwischen die Schwelle zu den 1970er Jahren überwinden konnte

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German Pages 364 Year 2010

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Geschichtswissenschaft im Geist der Demokratie: Wolfgang J. Mommsen und seine Generation
 9783050089775, 9783050049328

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Geschichtswissenschaft im Geist der Demokratie

Christoph Cornelißen (Hg.)

Geschichtswissenschaft im Geist der Demokratie Wolfgang J. Mommsen und seine Generation

Akademie Verlag

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf Einbandgestaltung unter Verwendung eines Fotos von Wolfgang J. Mommsen, 1982; Quelle: Dr. Georg Siebeck

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-05-004932-8 © Akademie Verlag GmbH, Berlin 2010 Das eingesetzte Papier ist alterungsbeständig nach DIN/ISO 9706. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie, Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache übertragen oder übersetzt werden. Einbandgestaltung: Ingo Scheffler, Berlin Druck und Bindung: Druckhaus »Thomas Müntzer«, Bad Langensalza Printed in the Federal Republic of Germany

Inhalt

Vorwort Christoph Cornelißen Wolfgang J. Mommsen - der Repräsentant einer Historikergeneration?

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I. Generation und Forschungsinteresse Jost Dülffer Politische Geschichtsschreibung der »45er-Generation« Von der Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs zur kritischen Zeitgeschichte (1950-1970)

45

Holger Afflerbach Wolfgang J. Mommsen - ein Erneuerer der deutschen Außenpolitikgeschichtsschreibung?

61

Rita Aldenhoff-Hübinger Liberale Strömungen im Deutschen Kaiserreich im Blickpunkt bundesdeutscher »45er«

71

Stig Förster Militär und Krieg im gesellschaftlichen Umfeld Zivile Geschichtsschreibung zu einem heiklen Themenkomplex

85

Gerd Krumeich Kriegs-(Un-)Kultur? Zur deutschen und französischen Forschung über eine Kulturgeschichte des Ersten Weltkriegs

99

6 Friedrich Lenger »Historische Sozialwissenschaft«: Aufbruch oder Sackgasse?

Inhalt

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II. Werk- und Rezeptionsanalysen Gerhard Hirschfeld Wolfgang J. Mommsen und der Erste Weltkrieg

137

Dirk Blasius Deutsche Kontinuitäten Wolfgang J. Mommsens Buch »Max Weber und die deutsche Politik« von 1959

147

Boris Barth Whatever happened to Imperialism? Wolfgang J. Mommsen und die Imperialismustheorien

159

Roger Chickering Die »45er« und ihr Bild des deutschen Kaiserreichs

175

III. Zur Max-Weber-Rezeption Thomas Kroll Zur Max-Weber-Rezeption in der westdeutschen Historiographie

189

Edith Hanke/Gangolf Hübinger/Wolfgang Schwentker Die Entstehung der Max Weber-Gesamtausgabe und der Beitrag von Wolfgang J. Mommsen

207

Dittmar Dahlmann Max Weber und Russland

239

Andreas Anter Die westdeutsche Max-Weber-Diskussion und die Begründung der parlamentarischen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg

257

Inhalt

7

IV. Der Blick von »außen« Christof Dipper Keine Neigung, die »Väter in die Pfanne zu hauen« Der Jahrgang 1943 im Feld der deutschen Historiker

277

Mary Fulbrook Wissenschaftler und Parteigänger Ost- und westdeutsche Historiker in den 1970er und 1980er Jahren

293

Ian Kershaw Die Mommsen-Brüder: Einige persönliche Eindrücke

309

Stefan Wiederkehr (Bearb.) Schriftenverzeichnis von Wolfgang J. Mommsen

319

Abkürzungsverzeichnis

353

Autorinnen- und Autorenverzeichnis

354

Personenregister

356

Vorwort

Obwohl die Zeitgeschichtsschreibung in der Bundesrepublik inzwischen die Schwelle zu den 1970er Jahren überwinden konnte und erste Entwürfe für eine Historiographie der Zeit nach dem großen Boom vorliegen, ist die Selbstthematisierung der Fachgeschichte bislang kaum über die Mitte der 1960er Jahre hinausgelangt. Zwar haben die Debatten über die Rolle der deutschen Historiker im Nationalsozialismus vor allem seit dem Frankfurter Historikertag im Jahr 1998 ein Licht auf ausgewählte >Gründerväter< der westdeutschen Geschichtswissenschaft geworfen, aber über die Angehörigen der sogenannten Generation der »45 er« (A. Dirk Moses) liegen bislang kaum wissenschaftliche Arbeiten vor. Fast scheint es so zu sein, dass die Historiographiegeschichte dauerhaft dazu verurteilt sei, jeweils erst spät ein Terrain zu betreten, das bereits andere vorher in Augenschein genommen haben. Eine solche Lage ist jedoch in vielfacher Hinsicht unbefriedigend: Zum einen entspricht sie tatsächlich nicht dem Anspruch auf eine laufende Selbstreflexion der eigenen Fachtraditionen, darunter eben auch derjenigen der jüngsten Zeit. Zum anderen ist bereits seit längerem die kritische Sicht auf eine Historikergeneration überfällig, deren Angehörige vielfach schon mit ihrem Namen sowohl für die >Verwestlichung< der deutschen Geschichtswissenschaft als auch für eine fundamentale Demokratisierung der öffentlichen Geschichtsbilder in der Bundesrepublik stehen. Vor diesem Hintergrund unternimmt der vorliegende Band den Versuch, ausgewählte Entwicklungen der westdeutschen Geschichtswissenschaft in den 1970er und 1980er Jahren zu ergründen. Im Mittelpunkt steht das weit gespannte wissenschaftliche und publizistische Werk des Düsseldorfer Historikers Wolfgang J. Mommsen (1930-2004), von dem wesentliche Impulse sowohl für die Erforschung des Deutschen Kaiserreichs als auch für die Auseinandersetzung mit dem Werk Max Webers ausgegangen sind. Daneben steht Mommsen, der über mehrere Jahre das Deutsche Historische Institut in London leitete, mit seinem Namen für die Internationalisierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft. Der Band rückt somit einen der bekanntesten deutschen Historiker in den Mittelpunkt, um die Hauptdeutungslinien, die Wirkungsmechanismen und die generationellen Prägungen in der neueren Geschichtswissenschaft seit den 1970er Jahren näher auszuloten.

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Vorwort

Der Band beruht im Wesentlichen auf den Beiträgen von Schülerinnen und Schülern Wolfgang J. Mommsens, denen sich verschiedene Kolleginnen und Kollegen aus dem Aus- und Inland angeschlossen haben. Obwohl sich viele den Anregungen des früheren akademischen Lehrers oder auch Kollegen weiterhin verpflichtet fühlen, geht es in den nachfolgenden Aufsätzen im Kern darum, die Studien Mommsens im Kontext der Arbeiten seiner Generationsgenossen und ausgewählter intellektueller Strömungen der Zeit kritisch zu verorten und zu bewerten. Ein solches Vorhaben ist selbstverständlich ein Wagnis, weil die Absicht vielfach von persönlichen Loyalitäten oder anderen, teilweise nur schwer zu kontrollierenden Faktoren beeinflusst wird. Gleichwohl, gerade im Hinblick auf die Frage nach dem Einfluss generationeller Bestimmungsfaktoren erwies sich diese Konstellation als ausgesprochen erkenntnisreich. Die Drucklegung des Bandes und die Abhaltung einer Tagung im Deutschen Literaturarchiv in Marbach war nur möglich dank der großzügigen finanziellen Förderung durch die Gerda Henkel Stiftung in Düsseldorf. Sie ließ sich auf das Wagnis ein, die Drucklegung des Tagungsbandes schon vor Abhaltung einer Tagung zu ermöglichen, was nicht nur auf die Einhaltung von Terminen ausgesprochen disziplinierend wirkte, sondern zugleich ein kritisches Echo garantierten sollte. Denn das Ziel der Tagung bestand nicht zuletzt darin, den Ertrag des vorliegenden Bandes in dem lebhaften Geist zu diskutieren, mit dem Wolfgang J. Mommsen über mehrere Jahrzehnte die internationale wissenschaftliche Diskussion zu bereichern verstand. Zusätzliche materielle Hilfen wurden uns bei der Vorbereitung des Bandes und der Durchführung der Tagung von den Freunden und Förderern der Heinrich-Heine-Universität und der Anton-BetzStiftung in Düsseldorf sowie dem Deutschen Historischen Institut in London unter der Leitung von Prof. Dr. Gestrich zuteil. Auch der Verlag Mohr Siebeck in Tübingen beteiligte sich mit einer nennenswerten Spende an dem Vorhaben. Seinem Leiter, Dr. Georg Siebeck, spreche ich dafür ebenfalls meinen Dank aus. Last but not least bedanken wir uns bei Prof. Dr. Ulrich Raulff für die freundliche Aufnahme in den Räumen des von ihm geleiteten Deutschen Literaturarchivs in Marbach. Die drucktechnische Vorbereitung sowie umfangreiche Korrekturarbeiten übernahmen in gewohnt professioneller Weise die Hilfskräfte am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte an der Christian-Albrechts-Universität. Stefan Bichow, Lena Cordes, Nils Fieselmann, Roland Lammers, Julian Magdanz, Birte Meinschien und Sarah Peignard spreche ich hiermit meinen herzlichen Dank aus. Kiel, im Juli 2010 Der Herausgeber

CHRISTOPH CORNELMEN

Wolfgang J. Mommsen - der Repräsentant einer Historikergeneration?

Als Wolfgang J. Mommsen am 3. Februar 1970 seine Düsseldorfer Antrittsvorlesung hielt, leitete er sie mit einem Zitat von Max Weber ein, dem er nicht nur für sein eigenes wissenschaftliches Denken, sondern auch für eine neue Historikergeneration einen außerordentlich hohen Wert einräumte. So sah er die Zukunftsfähigkeit der »Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus« nicht allein in dem Tatbestand begründet, dass sie immer wieder im Lichte gegenwärtiger Bedürfnisse umgeschrieben werde, sondern sie erwachse »vielmehr in erster Linie aus stetiger kritischer Überprüfung der methodologischen und theoretischen Grundlagen ihres eigenen Tuns«.1 Obwohl der damals knapp 40-jährige Historiker nicht explizit von einem Generationenprojekt sprach, stechen in der Rückschau auf seinen bekenntnisreichen Vortrag zahlreiche »Wir«-Formeln ins Auge, mit denen er als ein Vertreter des wissenschaftlichen Nachwuchses seine wissenschaftstheoretisch »neue« Position in klarer Abgrenzung zu den Vorvätern markierte. Mit all der ihm eigenen Entschiedenheit beklagte Mommsen zu Beginn der 1970er Jahre das Unzureichende der überkommenen Historiographie, und er ergänzte unmissverständlich: »Angesichts der geschichtlichen Katastrophen, die hinter uns liegen, haben wir die letzten Reste des Glaubens an den Sinn der Geschichte verloren«.2 Nicht allein in der klaren Abgrenzung vom vermeintlich überlebten Historismus, sondern ebenso in der insgesamt optimistischen Einschätzung der Zukunftsfahigkeit der Geschichtswissenschaft, der nach dem Abschütteln der »Eierschalen ihrer romantischidealistischen Ursprünge« und der Hinwendung zu den Sozialwissenschaften ein breites Aufgabenspektrum bevorstehe, treten in Mommsens Antrittsvorlesung zwei Kernargumente in den Vordergrund, denen für das Selbstverständnis einer in der Bundesrepublik der 1950er und 60er Jahre akademisch sozialisierten Historikergeneration einige Repräsentativität zugesprochen werden darf.3 Jedenfalls finden sich zahlreiche Bekundungen seiner Altersgenossen, die ebenfalls die Abkehr von der »rein individualisierenden Heu1

2 3

Wolfgang J. Mommsen, Die Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus, in: Jahrbuch der Universität Düsseldorf 1969/70, S. 69-80, hier S. 69. Der Text wurde in erweiterter Fassung 1971 und dann erneut in teilweise korrigierter Variante im Folgejahr im Droste Verlag in Düsseldorf publiziert. Ebd., S. 72. Ebd., S. 73. Vgl. dazu den Beitrag von Thomas Kroll in diesem Band.

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Christoph

Cornelißen

ristik des klassischen Historismus« und ihre Ersetzung durch eine Analyse »übergreifender gesellschaftlicher Entwicklungen« als einen Befreiungsschlag empfanden.4 Dass mit einer solchen Richtungsanzeige zugleich strategische beziehungsweise karrieretechnische Positionskämpfe verbunden waren, bekannte Mommsen allerdings erst viel später, als die Auseinandersetzungen über die NS-Vergangenheit von Angehörigen seiner akademischen Lehrergeneration in den 1990er Jahren zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte aufgerückt waren: »Wir waren damals natürlich auch geneigt«, heißt es burschikos formuliert in einem Interview aus dem Jahr 2000, »unsere Väter-Generation in die Pfanne zu hauen«.5 Hierbei handelt es sich keineswegs nur um eine flapsige Formel, sondern sie bekräftigt einmal mehr seine Einschätzung der schwierigen Ausgangslage, die aus seiner Sicht und der vieler seiner Altersgenossen den Beginn ihrer Forschungstätigkeit bestimmte. Die damals jüngere Generation der Historiker sei sich deswegen Ende der 1950er Jahre darin einig gewesen, »die auf das Prinzip des Verstehens gestützte suggestive und irrationale Rhetorik des Historismus ein für alle Mal zu überwinden«. Nachdem genau diese »die ältere Generation der Historiker gegenüber den Versuchungen des Nationalsozialismus wehrlos gemacht« habe, weil »sie für die grundlegenden Wertprobleme, die sich im Zuge der Konstitution des historischen Gegenstands sowie seiner narrativen Präsentation einstellen, gleichsam blind waren«, sei es der jüngeren Generation darum gegangen, Historiographie im Sinne Max Webers mit einer eindeutigen rationalen Begrifflichkeit zu schreiben. Erneut also das Bekenntnis zu einer »Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus«, jetzt aber getüncht durch die Begegnung mit neuen thematischen Interessen, theoretischen Zugängen und methodischen Zugriffen zwischen den 1970er und den 1990er Jahren sowie ebenfalls geprägt von der Einsicht, mittlerweile selbst zum Repräsentanten einer älter gewordenen Historikergeneration zu gehören, die in die Kritik des akademischen Nachwuchses geraten war.6

Hier sei nur exemplarisch verwiesen auf Hans-Ulrich Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Torp, München 2006, S. 61: »Und dann dachten wir alle sehr optimistisch und selbstbewusst in den Kategorien des offenen Wettbewerbs [...]«. Siehe aber auch ebd., S. 86: »Im Grunde enthielt unser Angriff auf diese Spielart aber ein ungerechtes Urteil über das, was der Historismus zu leisten im Stande war«. Sehr viel abgewogener fiel bereits das zeitgenössische Urteil Emst Schulins (Jahrgang 1929) aus: »Es ist einfach, ihn [Meinecke] und sein Buch wegen seines Individualismus und seiner irrationalen Weltanschauung abzuwerten. [...] Und was das Individualitätsprinzip betrifft, so können wir nur dankbar sein, daß es ein Historiker einmal so lebenslang, konsequent und ausdrücklich vertreten hat«. Ernst Schulin, Das Problem der Individualität. Eine kritische Betrachtung des Historismus-Werkes von Friedrich Meinecke [1963], in: Ders., Traditionskritik und Rekonstruktionsversuch, Göttingen 1979, S. 97-116, hier S. 116. Interview mit Jens Hacke/Julia Schäfer, in: Rüdiger Hohls/Konrad H. Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, Stuttgart 2000, S. 214. Wolfgang J. Mommsen, Die Geschichtswissenschaft am Ende des 20. Jahrhunderts, in: Christoph Cornelißen (Hg.), Geschichtswissenschaften, 4. Aufl., Frankfurt 2009, S. 26-38, hier S. 36.

Wolfgang J. Mommsen - der Repräsentant einer

Historikergeneration?

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So sehr Mommsens Gegenüberstellung zwischen einer »alten« und einer »neuen Generation« auf den ersten Blick zu überzeugen weiß, zumal sie viel über die subjektiven Befindlichkeiten in den geschichtswissenschaftlichen Positionskämpfen seit den 1960er Jahren aussagt, so sehr ist die Verständigung darüber, wer tatsächlich an der Schwelle von den 1960er zu den 1970er Jahren zu der einen oder anderen Historikergeneration gerechnet werden kann und welches jeweils ihre charakteristischen Merkmale ausmachen, vage geblieben. Vielleicht kann dies auch gar nicht anders sein bei einem Begriff, der in den letzten beiden Jahrzehnten eine auffallende Hochkonjunktur bis hin zu seiner Trivialisierung erfahren hat.7 Im Gegensatz dazu überwiegen bei den Begriffsangeboten der wissenschaftlichen Literatur zu den um 1930 geborenen Wissenschaftlern weiterhin die politischen Anklänge, ungeachtet aller Nuancen. Zu ihnen gehören neben der Rede von der »skeptischen Generation« (Helmut Schelsky), der »Flakhelfergeneration« (Heinz Bude/Rolf Schörken), der »Generation der Hitler-Jugend« (Arno Klönne) und der »langen Generation« (Paul Nolte) die Bezeichnung »Jahrgang 1929« (Jürgen Habermas), vor allem aber das Konzept der »45er« (A. Dirk Moses).8 Welche Geburtsjahrgänge hiervon wiederum konkret erfasst werden und welche nicht, bleibt davon abhängig, welche Akzente die Autoren jeweils setzen. Während Schelsky alle zwischen 1920 und 1942 Geborenen zur »skeptischen Generation« zählt, folgt Moses einer Empfehlung des Literaturwissenschaftlers Joachim Kaiser, die »45er« auf die Geburtsjahrgänge zwischen 1922 und 1932 einzuschränken, wobei er eine verbindende Klammer zwischen diesen Intellektuellen in ihrem »radikalen Misstrauen gegen ererbte Tradition«, ihrer pädagogischen Selbstverpflichtung sowie der Konzentration auf die Frage nach dem Aufkommen des Nationalsozialismus erkennt. Der dem Konzept gegenüber anfanglich skeptisch eingestellte Hans-Ulrich Wehler wiederum grenzte sein Begriffsverständnis später auf die Jahrgänge 1926/27 bis 1943/44 ein, um nur kurze Zeit darauf den Rahmen noch etwas enger zu fassen. Denn mit dem Jahrgang 1928/29 müsse ein klarer Einschnitt angesetzt werden, weil alle davor Geborenen »fundamental andere Erfahrungen als meine Generation gemacht« hätten.9 Die ausgebliebene Erfahrung des Fronteinsatzes trenne sie, so Wehler, von so bekannten Namen wie Rudolf Vierhaus (Jahrgang 1922) und Reinhart Koselleck (1923-2006). Ähnliches gilt 7

8

9

Auf die Beliebigkeit von Begriffsschöpfungen wie »Generation Reform« oder »Generation Golf« beziehungswiese ähnliche publizistisch inspirierte Wendungen gehe ich hier nicht näher ein. Grundlegend Jürgen Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München 2003, sowie Kaspar Maase, Farbige Bescheidenheit. Anmerkungen zum postheroischen Generationsverständnis, in: Michael Wildt/Ulrike Jureit (Hg.), Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Hamburg 2005, S. 220-242. A. Dirk Moses, German Intellectuals and the Nazi Past, Cambridge 2007, bes. S. 77-74; ders., Die 45er - Eine Generation zwischen Faschismus und Demokratie, in: Neue Sammlung 40 (2000), S. 233-263. Dort auch die Hinweise auf die alternativen Deutungen der »45er«. Hans-Ulrich Wehler, Wolfgang J. Mommsen 1930-2004, in: GG 31 (2005), S. 132-145, hier S. 138 f.; ders., Kampfsituation, S. 61, sowie ders., Deutsche Gesellschaftsgeschichte. BRD und DDR 1949-1990. Bd. 5, München 2008, S. 185-191; vgl. dazu den Beitrag von Christof Dipper in diesem Band.

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demgemäß auch fur zahlreiche weitere deutsche >SoldatenhistorikerZunft< vermittelt. Selbst auf dem Feld der quantitativ eingrenzbaren akademischen Gruppen taugt die Kategorie der Generation als universales Deutungskonzept schon allein deswegen nicht, weil die Lebenswege und Orientierungen bei genauerer Sichtung eine derart große Streubreite aufweisen, so dass sich kaum direkte Beziehungen zwischen generationellen Prägungen und weiterem Lebensweg ermitteln lassen. Davon zeugen ebenfalls die biographischen Stationen und die akademische Karriere Wolfgang J. Mommsens. Beide lassen sich zweifelsohne nicht problemlos in ein vorgegebenes Generationen-Passe10 11

Vgl. dazu den Beitrag von Jost Dülffer in diesem Band. Vgl. dazu den Beitrag von Christof Dipper in diesem Band.

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partout einpassen. Überdies zeigt das Fallbeispiel seiner Gruppe, wie schwierig es grundsätzlich bleibt, das Verhältnis der öffentlich auftretenden Aktivisten im Verhältnis zur schweigenden Mehrheit genau zu bestimmen.12 Gleichwohl, angesichts der zuhauf nachweisbaren Fremd- und Selbstthematisierungen der »45er«-Generation bietet es sich an, nicht rundweg auf diese Kategorie zu verzichten, sondern sie nachfolgend als idealtypisches Konstrukt für eine Skizze zu nutzen, das hier auf die Gruppe der Neuzeitprofessoren und ihre nur wenigen Kolleginnen in Westdeutschland bezogen wird. Wenn man die Formierung von Generationenkohorten innerhalb akademischer Disziplinen wie auch über deren Grenzen hinaus primär als die Folge der Ausbildung spezifischer Forschungsinteressen und der Austragung wissenschaftlicher Kontroversen begreift, bei denen die lebensprägenden Erfahrungen als intervenierende Variable schon bei der Konstitution der Forschungsfragen eine wichtige Rolle spielen, so bietet es sich grundsätzlich an, ein weiteres Begriffsverständnis der »45er« von einem engeren zu unterscheiden. Zur engeren Gruppe sind all diejenigen Historiker zu zählen, die um 1930 geboren wurden, damit also nicht mehr zum Soldaten gemacht worden waren, wohl aber im »Dritten Reich« ihre ersten politischen Erfahrungen in der Hitler-Jugend gemacht hatten. Gemeint sind damit die Jahrgänge zwischen 1927/28 und 1935, die im Folgenden als die »29er« bezeichnet werden, wobei die Älteren unter ihnen teilweise noch als Flakhelfer eingesetzt worden sind. So sehr sie sich von den nachfolgenden Jahrgängen, die nach 1945 allenfalls über rudimentäre Kindheitserinnerungen an den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg verfügten, unterschieden, so sehr lässt sich in der Nachkriegszeit manches Verbindende über die Binnengrenzen dieser »intellektuellem Generation ausmachen. Ähnliches gilt für die Beziehungen der »29er« zu den Älteren, also den Geburtsjahrgängen der frühen 20er Jahre bis 1927/28. Für unsere Belange ist hierbei entscheidend, dass für die Zeit direkt nach dem Krieg zunächst noch überhaupt nicht von einer Geburtskohorte oder gar einer Generation gesprochen werden kann, die ihre wie auch immer gearteten Gemeinsamkeiten zu einem politischen oder gesellschaftlichen Thema gemacht habe. Dafür sorgten im Grunde erst die sich anschließenden Erfahrungsschichten der Nachkriegszeit in Verbindung mit den sich seit den 1960er Jahren intensivierenden geschichtswissenschaftlichen und politischen Kontroversen. Erst als diese offen oder versteckt ausgetragen wurden, stellte sich unter den Angehörigen der »45er« das Gefühl einer generationellen Verbundenheit ein, was dann der Selbsthematisierung einen deutlichen Auftrieb geben sollte.13 In Übereinstimmung mit dieser Definition beziehen sich die nachfolgenden Betrachtungen auf eine Historikergruppe, die primär als eine forschende und streitende Diskursgemeinschaft verstanden wird. Dass bei einer solchen Konstruktion erneut all den12

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Vgl. Ulrich Herbert, Drei politische Generationen im 20. Jahrhundert, in: Reulecke, Generationalität, S. 95-114, hier S. 95. Vgl. dazu jetzt Barbara Stambolis, Leben mit und in der Geschichte. Deutsche Historiker Jahrgang 1943, Essen 2010, S. 25-35.

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jenigen, die während der 1970er und 1980er Jahre sowohl in den geschichtswissenschaftlichen als auch geschichtspolitischen Debatten deutlich vernehmbar hervorgetreten sind, eine besondere Beachtung zukommt, liegt in der Natur der Quellen begründet, entspricht jedoch zugleich dem Selbstverständnis einer akademischen Generation, deren Angehörige sich nie allein als universitäre Historiker verstanden, sondern mit ihren öffentlichen Einlassungen die politische Debatten und das intellektuelle Klima in der Bundesrepublik mitzugestalten beanspruchten. Um es nochmals in den eher geradlinigen Worten Wolfgang J. Mommsens aus dem Jahr 2000 zum Ausdruck zu bringen: Es sei die Aufgabe seiner Generation gewesen, »den alten Zopf« abzuschneiden, eben ein Geschichtsbild zu entwickeln, »das im Einklang mit den westlichen Traditionen steht und das zu einer demokratischen Ordnung paßt«.14 Imanuel Geiss (Jahrgang 1931), dem Wolfgang J. Mommsen seit der Fischer-Debatte ausgesprochen kritisch gegenüberstand, hatte sich in dieser Hinsicht nur wenige Jahre zuvor mehr oder minder gleichlautend geäußert: Das Geschichtsstudium seiner Altersgenossen sei von der Mission erfüllt gewesen, alles zu tun, um die Wiederkehr dessen zu verhindern, was Friedrich Meinecke im Jahr 1946 als »Die deutsche Katastrophe« bezeichnet hatte.15 Die Fragestellung, ob es sich bei diesem Vorhaben jedoch tatsächlich um ein generationsverbindendes Projekt gehandelt hat, richtet den Blick im Folgenden zunächst noch einmal auf die in der neueren Forschung stark beachtete Generationenproblematik. Zweitens geht es um ein kollektivbiographisches Kurzprofil ausgewählter Vertreter der »45er«-Generation, deren Angehörige seit Mitte der 1960er Jahre in die damals frei werdenden beziehungsweise zusätzlich geschaffenen Professuren der an vielen Orten neu gegründeten oder ausgebauten Universitäten aufrückten. Dem schließt sich, drittens, eine Abhandlung zum Wechselspiel von historiographischen und politischen Aufbrüchen an, wobei die Frage der Selbstthematisierung der »29er«-Generation im Zentrum steht. In einem vierten und letzten Abschnitt werden die Studien Wolfgang J. Mommsens zum Deutschen Kaiserreich - seinem wichtigsten Forschungsschwerpunkt dahingehend befragt, ob und in welchem Maße sie als das Resultat spezifischer Interessenschwerpunkte der um 1930 geborenen westdeutschen Historiker begriffen werden können. Dass damit angesichts der immensen wissenschaftlichen und publizistischen Produktivität gerade der Angehörigen dieser Gruppe - allein Mommsens Schriftenverzeichnis umfasst ohne die Berücksichtungen der Rezensionen mehr als 500 Einträge nur ausgewählte Tendenzen gemeint sind, die in Zukunft eingehender individual- und kollektivbiographischer sowie breiter gefasster wissenschaftsgeschichtlicher Untersuchungen unterzogen werden müssten, dürfte sich von selbst verstehen.

Jarausch/Hohls, Versäumte Fragen, S. 213. Siehe dazu Moses, German Intellectuals, S. 57.

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1. Politische Generation und »Erzählgemeinschaft« Wie auch immer die konkrete Bestimmung der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen ausfällt, eines sticht bei sämtlichen Selbst- und Fremdthematisierungen direkt ins Auge: Die konjunkturelle Kurve der Begriffsverwendung weist seit den 1980er Jahren deutlich in die Höhe. Mehrere Faktoren spielten hierbei eine Rolle. In einem weiteren gesellschaftlichen Rahmen führte das fortlaufende Ausscheiden all derjenigen aus dem aktiven Berufsleben, die bis zur Mitte der 1920er Jahre geboren worden waren, damit also ihre Kindheit und junge Erwachsenenzeit im »Dritten Reich« durchlebt hatten, zu einer Intensivierung der öffentlichen Debatten über ihre persönlichen Erfahrungen in dieser Zeit und die Erinnerungen daran, wobei beides nicht deckungsgleich sein musste. Dass hierbei die Fragen danach, inwiefern das NS-Regime zeitweilig von einem populären Konsens getragen worden war und was die deutsche Bevölkerung vom Holocaust - der Begriff war Anfang der 1980er Jahre in der Bundesrepublik neu! - gewusst habe, in den Vordergrund rückten, war nahe liegend. Aus der Rückschau drängt sich in diesem Zusammenhang der Eindruck auf, dass die Einlassung des Sozialphilosophen Hermann Lübbe (Jahrgang 1926) vom Anfang der 1980er Jahre, wonach die Zurückhaltung in der öffentlichen Thematisierung der NS-Vergangenheit in den ersten beiden Jahrzehnten der Bundesrepublik die Funktion ausgeübt habe, die Subjekte dieser Zeit in den neuen demokratischen Staat zu integrieren, zumindest teilweise der Selbstverständigung dieser spezifischen Alterskohorte diente. Auch der seit Mitte der 1980er Jahre von Martin Broszat (1926-1989) ausgegebene Appell nach einer »Historisierung des Nationalsozialismus« enthält Anklänge an persönliche Erfahrungen im »Dritten Reich«, ohne dass die hierdurch ausgelösten Debatten und Kontroversen auf Prägungen dieser Art reduziert werden dürfen, wie dies zeitweilig der Fall gewesen ist.16 Die bemerkenswerte Konjunktur des Generationenbegriffs seit den 1980er Jahren verdankte sich jedoch neben biographischen ebenso verschiedenen innerwissenschaftlichen Anstößen.17 Nachdem erste Tagungen das Interesse am Generationenkonzept schon zu Beginn der 1980er Jahre erneut geweckt hatten, kam - wenn ich recht sehe der Darstellung von Detlef Peukert über die Weimarer Republik eine Schlüsselrolle zu, enthält doch das erstmals 1987 erschienene Buch an prominenter Stelle ein Kapitel zu vier politischen Generationen, die zwischen 1919 und 1933 an verantwortlicher Stelle gehandelt und damit den Entwicklungsgang der Republik maßgeblich beeinflusst hatten. Zwar war sich Peukert der Problematik in der Konstruktion politischer Generationen im Sinne Karl Mannheims durchaus bewusst, doch wies er mit Emphase auf die besondere Rolle der Frontgeneration sowie der »überflüssigen Generation« aus der Zeit 16

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Zu der namentlich von Nicolas Berg provozierten Diskussion vgl. Norbert Frei (Hg.), Martin Broszat, der »Staat Hitlers« und die Historisierung des Nationalsozialismus, Göttingen 2007. Erste Anstöße in diese Richtung gehen auf den Historikertag in Berlin im Jahr 1984 zurück, der eine Sektion zum Thema Generationenkonstellationen und Jugendprotest in Deutschland 1890 bis 1933 integrierte; zahlreiche weitere wissenschaftliche Tagungen zum Generationenansatz folgten noch im gleichen Jahrzehnt; vgl. hierzu Reulecke, Generationalität, S. XIV.

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des Ersten Weltkriegs für den Untergang der Weimarer Republik hin. Angesichts der Tatsache, dass in der Zwischenkriegszeit sowohl die faschistischen als auch die kommunistischen Bewegungen im Wesentlichen von den Angehörigen der Kriegsteilnehmer· und Kriegskindergeneration des Ersten Weltkriegs getragen worden waren, wirkte Peukerts knappe Generationenskizze direkt oder indirekt auf zahlreiche weitere Studien dieser Art anregend. Zu den ernüchternden Erkenntnissen der nachfolgenden theoretisch und empirisch ausgerichteten Generationenforschung gehört jedoch die Einsicht, dass im Kontinuum der aufeinanderfolgenden Geburten, Jahrgangsgruppen oder gar Generationen sich letztlich keine eindeutig markierbaren »objektiven Einheiten« ergeben. Generationen sind nicht, sondern sie werden gemacht, sie werden konstruiert, um einen heute in Mode gekommenen Terminus aufzugreifen. Im Kern handelt es sich bei ihnen um subjektive Deutungskonstrukte, denen freilich, darauf hat Jürgen Reulecke wiederholt mit Nachdruck hingewiesen, in ausgewählten historischen Zusammenhängen eine erhebliche Wirkungskraft zuwachsen könne. 18 Dass diese Annahme für die hier diskutierte Gruppe der »29er« unter den westdeutschen Historikern, die seit Mitte der 1960er Jahre auf die frei werdenden beziehungsweise neu geschaffenen Professuren nachrückten, durchaus relevant ist, drängt sich nicht nur wegen ihrer umfassenden und zugleich gewichtigen historiographischen Produktion dieser Jahrzehnte, sondern auch wegen ihrer beträchtlichen medialen Präsenz in der bundesdeutschen Öffentlichkeit geradezu auf. Manche unter ihnen entwickelten sich sogar zu so etwas wie einem >Markennamenklassischen< Generationenbegrifflichkeit Mannheims aus ihrem Entstehungskontext seit den 1920er Jahren sowie die dadurch bewirkte bürgerliche und männliche Überdetermination der Genera-

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Reulecke, Generationalität, S. VIII f. Siehe jetzt auch Lutz Niethammer, Die letzte Gemeinschaft. Über die Konstruierbarkeit von Generationen und ihre Grenzen, in: Bernd Weisbrod (Hg.), Historische Beiträge zur Generationsforschung, Göttingen 2009, S. 13-38. Hans-Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, in: Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur »Geistigen Situation der Zeit«. Bd. 2 Politik und Kultur, Frankfurt a. M. 1979, S. 709-753, hier S. 724.

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tionenproblematik deutlich herausgestellt hat, scheint Vorsicht geboten. Und doch fällt es ausgesprochen schwer, sich dem seduktiven Charakter der eingängigen Kategorien Mannheims im Fall einer Historikergruppe zu entziehen, deren Fremd- und Selbstthematisierungen oft genug die verbindenden politischen Bezüge im Sinn der Mannheimschen Trias Generationslagerung, Generationszusammenhang und Generationseinheit betont haben. Und auch an der Männlichkeit der hier näher betrachteten Kohorte dürfte wohl kaum zu zweifeln sein. Zwar ist in den letzten Jahren mit dem Begriff der »Erzählgemeinschaft« als alternativer Kategorie eine wichtige Deutungsvariante ins Spiel gebracht worden, die den Vorteil aufweist, die subjektive Aneignung in der Fremd- und Selbstbeschreibung von Generationen stärker zu betonen.20 Aber dennoch weist die öffentliche Wirkung der »29er« als einer eben nicht »stillen Generation« (Bernd Weisbrod), sondern im Gegenteil: einer aktivistischen und politisierenden Generation darauf hin, dass die Abkehr von Mannheims Kategorien in diesem Fall kaum reicht.21 Man wird wohl eher von einem von Fall zu Fall abzuwägenden Mischungsverhältnis aus politischer Formation und erzählter, möglicherweise sogar erfundener generationeller Vergemeinschaftung sprechen müssen, die den Betroffenen das Gefühl gemeinsamer Überzeugungen, Gefühls- und Handlungsweisen vermittelte. Schon Mitte der 1950er Jahre hatte der Göttinger Historiker Reinhard Wittram diesen Sachverhalt in der aufschlussreichen Bemerkung zugespitzt, wonach die Gegner innerhalb ein und desselben Zeitalters einander oft ähnlicher seien als jeder von ihnen den Sozialgenossen, die einer anderen Generation angehörten.22 Dass angesichts der Lebenswege von Angehörigen einer Generation, die in vielen Fällen von Mitgliedern der Hitler-Jugend zu überzeugten Anhängern der bundesrepublikanischen Demokratie wurden, der politischen Erfahrung als Definitionsmerkmal eine herausgebende Bedeutung zukommt, dürfte letztlich kaum von der Hand zu weisen sein. Der Politikwissenschaftler Christian Graf von Krockow brachte das 1979 auf die eingängige Formel: »Ich gehöre - Jahrgang 1927 - zur sogenannten Flakhelfergeneration. Sie war alt genug, um den Krieg, die Macht und den Fall des Dritten Reiches bewusst mitzuerleben; sie war jung genug, um neu anzufangen«.23 Sicher, in dieser Selbstcharakterisierung scheint erneut eine selbststilisierende Beschreibung auf, aber sie bringt gerade damit das Selbstverständnis zahlreicher »29er« anschaulich zum Aus20

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Jürgen Zinnecker, »Das Problem der Generationen«. Überlegungen zu Karl Mannheims kanonischem Text, in: Reulecke, Generationalität, S. 33-58, hier S. 41 f.; Bernd Weisbrod, Cultures of Change. Generations in the Politics and Memory of Modern Germany, in: Stephen Lovell (Hg.), Generations in Twentieth Century Europe, Basingstoke 2007, S. 19-35. Bernd Weisbrod, Generation und Generationalität in der Neueren Geschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (2005), H. 8, S. 3-9. hier S. 5; vgl. Björn Bohnenkamp/Till Manning/Eva-Maria Sillies (Hg.), Generation als Erzählung. Neue Perspektiven auf ein kulturelles Deutungsmuster, Göttingen 2009. Reinhard Wittram, Das Interesse an der Geschichte, Göttingen 1958, S. 25 f. Christian Graf von Krockow, Das Missverhältnis der Erfahrungen - Versuch zu einem Dialog, in: Claus E. Richter (Hg.), Die überflüssige Generation. Jugend zwischen Apathie und Aggression, Königstein i. Ts. 1979, S. 205.

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druck, wie sie in den »intellektuellen Wortergreifungen« der hier näher interessierenden Historiker und ebenso von Vertretern benachbarter Wissenschaften zuhauf nachgewiesen werden können. Hierbei wäre etwa an Ralf Dahrendorf (1929-2009) oder auch Jürgen Habermas (Jahrgang 1929) zu denken sowie an die Schule der liberalkonservativen Philosophie um Joachim Ritter mit seinen Schülern Hermann Lübbe (Jahrgang 1926) und Odo Marquard (Jahrgang 1928), daneben an den Sozialwissenschaftler M. Rainer Lepsius (Jahrgang 1928) oder den Rechtswissenschaftler ErnstWolfgang Böckenförde (Jahrgang 1930).24 Aber, es sind nicht die wie auch immer gearteten Namensverzeichnisse bekannter »29er«, die uns an dieser Stelle weiterhelfen, sondern zwei grundlegende Ausgangshypothesen. Zum einen die, dass die Angehörigen dieser Kohorte sich im Grunde erstmals seit den 1960er Jahren als eine eng miteinander kommunizierende Gruppe definierten, als Erzählgemeinschaft, die von einer doppelten politischen Sozialisation geprägt worden sei: das Hineingeborenwerden in das »Dritte Reich«, gekoppelt an die HJ-Phase und ihre Ideale, sowie die spätere politische Wende, verbunden mit dem dauerhaften Bekenntnis zur bundesrepublikanischen Demokratie. Zum anderen die Einsicht, dass die westdeutschen Historiker dieser Jahrgänge tatsächlich nur ein Glied in einem übergreifenden Generationen-Projekt der »45er« darstellten, das neben Wissenschaftlern aus den unterschiedlichen Disziplinen viele namhafte Intellektuelle und Künstler, aber ebenso Politiker, Unternehmer oder Gewerkschaftler umfasste. Genau dieses >interkulturelle< Moment sollte den Angehörigen dieser Generation eine immense intellektuelle Stoßkraft verleihen. Zugleich bildete es eine hervorragende Grundlage für ihre langfristige Ausstrahlung in Politik und Gesellschaft der Bundesrepublik.

2. Die westdeutschen »29er«-Historiker - ein biographisches Gruppenprofil Für die Prägung einer Generation ist es immer wichtig, wie sich die Vor- und VorVorgänger zu den Nachgeborenen verhalten. Oder anders ausgedrückt: Generationen sind »durch komplizierte Gewebe gegenseitiger Abhängigkeit miteinander verbunden«. 25 Für unsere konkrete Fragestellung ist dies insofern von erheblicher Bedeutung, als direkt nach 1945 Teile der kompromittierten Doppelgeneration der Kriegskinderund Kriegsjugendgeneration des Ersten Weltkriegs - zumindest zeitweilig - zurücktreten mussten zugunsten deijenigen, die ihre politischen Prägungen schon im Kaiserreich erfahren hatten und in der Weimarer Republik zu den Stützen von Politik und Gesellschaft aufgestiegen waren. Überdies sorgte die Dezimierung der vorangegangenen Geburtsjahrgänge, also der Geburtsjahrgänge aus den 1920er Jahren, die noch in die 24

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Vgl. Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberal-konservative Begründung der Bundesrepublik, Göttingen 2006, bes. S. 27-35, sowie Franz-Werner Kersting/Jürgen Reulecke/ Hans-Ulrich Thamer (Hg.), Die zweite Gründung der Bundesrepublik. Generationswechsel und intellektuelle Wortergreiftingen 1955-1975, Stuttgart 2010. Vgl. Moses, 45er, S. 263.

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Wehrmacht eingezogen worden waren, und die Diskreditierung vieler Überlebender für Freiräume, welche die Angehörigen der nachfolgenden Geburtskohorten langfristig zu nutzen wussten. Im überschaubaren Feld der Geschichtswissenschaft war daher direkt nach Kriegsende die zeitweilige Dominanz der älteren Historiker um Gerhard Ritter (1888-1967), Hans Rothfels (1891-1976) oder Hans Herzfeld (1892-1982), um nur einige bekannte Namen anzuführen, alles andere als einen Zufall. Entscheidend war, dass sie früh ein Bündnis mit den Angehörigen der sogenannten »Flakhelfergeneration« oder »skeptischen Generation« eingingen, die ihre wesentlichen politischen Prägungen im Nationalsozialismus erfahren hatten, danach aber angesichts ihrer fundamentalen Enttäuschung durch das NS-Regime, speziell dem fehlgeleiteten Idealismus der HitlerJugend und der hier erfahrenen militärisch-politischen Vorsozialisation, einen radikalen Kursschwenk vornahmen.26 Mit einiger Verzögerung umschloss dieses einigende Band ebenfalls diejenigen, die im »Dritten Reich« zu den politisch besonders stark radikalisierten Jahrgängen gehört hatten. Das erklärt unter anderem, dass Theodor Schieder (1908-1984), Werner Conze (1910-1986) oder der gleichaltrige Karl Dietrich Erdmann (1910-1990) schon Ende der 1940er beziehungsweise bis Mitte der 1950er Jahre in der Bundesrepublik den Ruf auf eine Professur erhielten, von denen aus sie eine gezielte akademische und außerakademische Karriereförderung betreiben konnten. Wesentliche Impulse für die Neuorientierung der »29er« gingen nach Kriegsende von der Erfahrung der »Zusammenbruchsgesellschaft« aus, jedoch ebenso von politischen Initiativen der Siegermächte. Im Westen Deutschlands führte die Konstellation dazu, dass sich viele von ihnen aktiv an der »Westernisierung« von Politik und Gesellschaft beteiligten, während sie im Osten die »Sowjetisierung« der DDR unterstützten, wobei sich im deutsch-deutschen Vergleich eine zeitliche Phasenverschiebung auftut. Während die Angehörigen der »skeptischen Generation« sich angesichts der Reintegration vieler NS-Belasteter im Westen in Geduld üben mussten, erfuhren ihre Altersgenossen im Osten einen insgesamt rascheren Karrierestart, ja noch mehr: Das Bündnis mit den Patriarchen gestaltete sich im Westen seit den 1960er Jahren weitaus spannungsreicher.27 Genau darin kann man, bezogen auf die westdeutschen Historiker, einen entscheidenden Einschnitt in ihrer generationellen Selbstverortung erkennen, möglicherweise auch eine Ursache für die zögerliche Selbstthematisierung. In diesem Zusammenhang lohnt besonders der Blick auf die Übergänge seit 1945, also den Weg, der die »29er« aus den NS-Jahren in die grundstürzend neuen Bedingungen unter der Herrschaft der Besatzungsmächte und der allmählich in der Bundesrepublik etablierten Demokratie führte. Zwar wissen wir hierüber meist nur wenig von den 26

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Wehler, Kampfsituation, S. 28: »Bei einer Selbstanalyse würde ich sagen, im Endeffekt ist die AntiStellung gegenüber dem >Dritten Reich< Übriggeblieben, die sich in diesem Frühjahr 1945 herausbildete«. Zu seiner HJ-Zeit siehe ebd., S. 20 f.; vgl. Thomas Nipperdey, Eine bürgerliche Jugend 1927-1945, in: Der Aquädukt 1763-1988. Ein Almanach aus dem Verlag C. H. Beck im 225. Jahr seines Bestehens, München 1988. Vgl. dazu Lutz Niethammer, Sind Generationen identisch?, in: Reulecke, Generationalität, S. 1 16, hier S. 3.

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betroffenen Historikern selbst, und doch können wir davon ausgehen, dass neben den »Alltagsmühen, Schikanen und Entbehrungen« (Karl Ferdinand Werner) die »Wucht der Mitteilungen seit den Nürnberger Prozessen« und die Proteste gegen die Wiederbewaffnung in der Bundesrepublik nicht nur im Fall Wehlers zu wichtigen Orientierungspunkten bei der Entfaltung demokratischer Grundüberzeugungen zählten.28 Helga Grabing hat dies für die Zeit schon seit Anfang 1945 plastisch beschrieben: »Anfang 1945 (belegbar) beginnt die Distanzierung vom Nationalsozialismus (alles Lug und Trug; dennoch war die Einsicht in den Terrorcharakter des Nationalsozialismus seit April 1945 ein Schock). Erst im Januar 1946 ist es geschafft. H[elga] G[rebing] will nicht mehr zu der Jugend gehören, >die abseits stehtspäten GeburtGeneration 1945< zwischen deutscher Historie, >Fach< und Geschichte, in: Hartmut Lehmann/Otto Gerhard Oexle (Hg.), Erinnerungsstücke. Wege in die Vergangenheit. Rudolf Vierhaus zum 75. Geburtstag gewidmet, Köln 1997, S. 237-248, hier S. 240: »Gemeinsam war auch allen der Schock des jetzt bekannt gewordenen Ausmaßes der Verbrechen und der primären Reaktion darauf: eine Abwendung von der nationalen Vergangenheit und ihrem Geschichtsbild, das in die Katastrophe, vor allem die moralische, hineingeführt hatte, und eine Hinwendung zur europäischen Gegenwart und Zukunft.« Vgl. dazu Anne Christine Nagel, »Der Prototyp der Leute, die man entfernen soll, ist Mommsen«: Entnazifizierung in der Provinz oder die Ambiguität moralischer Gewissheit, in: Jahrbuch zur Liberalismus-Forschung 10 (1998), S. 55-91.

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Und doch waren sie Zöglinge des deutschen Bildungsbürgertums, wovon unter anderem die Wahl ihres Studiengangs und die Zuordnung ihres akademischen Mentors (Wolfgang J. Mommsen bei Theodor Schieder in Köln; Hans Mommsen bei Hans Rothfels in Tübingen) zeugen. Hier wie dort ordneten sie und ihre Altersgenossen sich der Autorität ihrer akademischen Lehrer in den weiterhin überschaubaren Gemeinschaften an den Universitäten und Akademien unter. Wohl kaum zufällig spricht Wolfgang J. Mommsen davon, er habe zwölf Jahre bei Theodor Schieder »gedient«. Gleichzeitig nahmen sie in beträchtlichem Ausmaß die revitalisierte »bürgerliche Kultur« der 1950er in sich auf.30 Das nachfolgend abgedruckte Foto, das den Germanisten Wilhelm Emrich (links) und Wolfgang J. Mommsen (Mitte) bei der Verabschiedung Thomas Manns und seiner Frau Katia Ende August 1954 am Kölner Bahnhof zeigt, vermittelt eine Ahnung davon, wie sehr die Jüngeren in dieser Zeit Anstöße bei den >Geistesheroen< der neuen Epoche suchten.

Abb. 2: (von links) W. Emrich, Martens, W. J. Mommsen, R. Heuer, H.-G. Rappl [Quelle: Sabine Mommsen] Weiteres aber musste hinzukommen, damit aus den Reihen deijenigen, die ja mehrheitlich nicht als Republikaner und Demokraten gestartet waren, nach dem Zweiten Weltkrieg überzeugte Befürworter des neuen politischen Systems heranwachsen sollten. Zum einen verdankte sich dieses Resultat den sich seit 1949 in der Bundesrepublik relativ rasch stabilisierenden politischen Rahmenbedingungen, denen aus Sicht der Vgl. dazu die Selbstauskünfte ausgewählter westdeutscher Historiker zu ihren Familienverhältnissen in Jarausch/Hohls, Versäumte Fragen, sowie Manfred Hettling/Bernd Ulrich (Hg.), Bürgertum nach 1945, Hamburg 2005; Peter Köpf Die Mommsens. Von 1848 bis heute - die Geschichte einer Familie ist die Geschichte der Deutschen, Hamburg 2004.

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»29er« ein fast einhellig abgelehntes Regime unter sowjetischer Vorherrschaft im Osten gegenüberstand. Überhaupt sorgten die Konstellationen im aufziehenden Kalten Krieg dafür, dass die jungen Historiker sich auch emotional rasch im >Westen< zuhause fühlten. Zum anderen schlug die ökonomische Erfolgsgeschichte der bundesdeutschen Volkswirtschaft zu Buche, waren doch damit in den Jahren des großen Booms zugleich attraktive Karrieremöglichkeiten verbunden.31 Wohl kaum eine andere akademische Generation fand im gesamten 20. Jahrhundert in Deutschland ihren Optimismus mit derart reichhaltigen akademischen Stellenangeboten belohnt wie die Angehörigen der Geburtsjahrgänge um 1930. Sie waren - in den Worten Wehlers - die Empfänger der »außergewöhnlichen Gunst der Expansionsphase«.32 In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies: Bereits im Jahr 1973 gehörte fast die Hälfte der Lehrstuhlinhaber des Faches Geschichte im Gefolge der fortlaufenden »ruckartigen Elitenveijüngung« in der Bundesrepublik den Jahrgängen zwischen 1929 und 1941 an, war also zwischen 32 und 44 Jahre alt.33 Die singuläre generationelle Erfolgsgeschichte spiegelt sich in einem weiteren Rahmen auch darin, dass die Angehörigen dieser »Aufsteigergeneration« über eine lange Zeit das »Führungspersonal der westdeutschen Gesellschaft« (H. Bude) stellten. Sowohl in ihren wissenschaftlichen Interessen als auch im akademischen Habitus legten die westdeutschen Historiker dieser »langen Generation« erhebliche Unterschiede zu ihren Vorgängern an den Tag, rückten doch westlich geprägte Leitbilder in den Vordergrund. Erfahrungen im - meist angelsächsisch geprägten - Kulturraum hatten dafür die neuen Maßstäbe vermittelt. Hieraus erklärt sich zum Teil ihre »Option für den Westen«, das Bewusstsein, einer »atlantischen Generation« anzugehören. Auf dieser Grundlage stellten sie danach die Positionen der überkommenen Historiographie in Frage, wobei gerade das unbekümmerte Fragen, ja die Bereitschaft, »radikaler zu fragen«, von Mommsen selbst als der eigentliche Gewinn dieser Phase begriffen wurde.34 Gleichzeitig tritt ein generationsbestimmender politischer Konsens darin zutage, dass das Bekenntnis zu den verfassungsrechtlichen Fundamenten der Bundesrepublik und ihrer sich erst allmählich konsolidierenden politischen Kultur zum unverrückbaren Kernbestand ihres politischen Selbstverständnisses aufrückte. Genau in diesem Sinn sind die »29er« zur ersten politischen Generation des westdeutschen Staates geworden.

Vgl. Wehler, Kampfsituation, S. 34. Ebd., S. 64: »Wenn uns irgendetwas überrascht hat, dann diese vehemente Expansion in den 60er Jahren, als es auf einmal 1000 Stellen gab.« Siehe auch ebd., S. 78. Werner Conze, Die deutsche Geschichtswissenschaft seit 1945, in: HZ 225 (1977), S. 1-28; Paul Nolte, Die Historiker der Bundesrepublik, in: Merkur 53 (1999), S. 413^132, hier S. 418. Wolfgang J. Mommsen, »Wir sind wieder wer.« Wandlungen im politischen Selbstverständnis der Deutschen, in: Jürgen Habermas, Stichworte zur »Geistigen Situation der Zeit«. Bd. 1 Nation und Republik, Frankfurt a. M. 1979, S. 185-210, hier S. 200; vgl. dazu auch die Ausführungen zum Selbstverständnis der westdeutschen Journalisten aus der gleichen Generationskohorte von Christina von Hodenberg, Politische Generationen und massenmediale Öffentlichkeit. Die »45er« in der Bundesrepublik, in: Jureit/Wild, Generationen, S. 266-294, hier S. 278.

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Abb. 3: Verwestlichung von Lebensstilen Hochzeitsreise in die Provence, 1965 [Foto: Sabine Mommsen]

Abb. 4: Verwestlichung von Lebensstilen Familienurlaub in Holland, 1973 [Foto: privat]

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Welche Konsequenzen sich daraus im Einzelfall ergaben, demonstriert die hier nicht detailliert wiedergegebene Auswertung der biographischen Daten einschlägiger Gelehrtenlexika. Im Hinblick auf die akademisch Erfolgreichen unter den Geburtsjahrgängen der »29er« treten darin mehrere Faktoren deutlich zum Vorschein, wobei wir uns hier auf das Feld der Professoren und wenigen Professorinnen der Neueren und Neuesten Geschichte konzentrieren. Die Mehrheit von ihnen absolvierte ihr Studium in der Regel im Laufe der 1950er Jahre und schloss ihre Promotion oft bei bekannten Doktorvätern ab: Theodor Schieder (Köln), Hans Rothfels (Tübingen), Hans Herzfeld (Berlin) und Werner Conze (Heidelberg) bildeten die Spitzengruppe. Darüber hinaus habilitierten sich die meisten zügig, und manche - dazu gehört auch Mommsen - erhielten den Ruf auf eine Professur direkt nach Abschluss der Habilitation, manche andere, ohne eine vollgültige Habilitation abgeschlossen zu haben. Dies bedeutet ein im Vergleich zu den späteren Kohorten frühes Berufungsalter und eine Karriereleiter, die vielen im weiteren Verlauf ihrer akademischen Lebensweges attraktive Stellen bescherte. Für den in dieser Generation vorherrschenden Optimismus und ihr ausgeprägtes Selbstbewusstsein dürften all diese Faktoren von erheblicher Bedeutung gewesen sein. Zudem verbindet sie mit ihren Zukunftsentwürfen und dem entschiedenen Willen zum Umbau der deutschen Geschichtswissenschaft im Geist der Demokratie vieles mit der Orientierung von Angehörigen der Funktionseliten aus anderen gesellschaftlichen oder politischen Feldern, die in der >Epoche der Planbarkeit< staatlichen oder gesellschaftlichen Institutionen eine große Steuerungskompetenz zubilligten. Ein Indikator hierfür ist die Sprache besonders all der »29er«-Historiker, die sich den Sozialwissenschaften gegenüber geöffnet hatten, sticht doch in ihren Abhandlungen der Hang zur Abstraktion und Entpersonalisierung in Kongruenz mit einer theoretischen Selbstbestimmung sehr deutlich ins Auge, die der Narrativität des Historismus entschieden misstraute. Sicher, viele ihrer Altersgenossen sind diesen Weg nicht gegangen, oder sie haben sich im Laufe der Zeit vom Projekt einer »Historischen Sozialwissenschaft« wieder abgekehrt. Und doch enthält das Bild von der »stilistischen Askese«, die in mancher Hinsicht der Vorherrschaft der ungegenständlichen Malerei in den 1950er Jahren entsprach, manches nicht nur von dem, was den Duktus der Arbeiten Wolfgang J. Mommsens treffend beschreibt. Jedenfalls kennzeichnet es den Stil seiner frühen Arbeiten, teilweise auch den seiner späteren Aufsätze zum Deutschen Kaiserreich.

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3. Zur Fremd- und Selbstthematisierung der »29er«-Generation Wo aber können Einschnitte angesetzt werden, die zur Bewusstwerdung einer generationellen Gemeinschaft unter den jüngeren Historikern führten, bei gleichzeitiger Abkehr von den akademischen Vätern? Im Hinblick darauf sind einige markante Wendepunkte 35

Siehe dazu Patrick Bahners, Wir nehmen die Notbrücke, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.8.2004, S. 39.

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und Entwicklungen zu erkennen. So liegt es aus vielerlei Gründen nahe, den Debatten um das Buch Fritz Fischers über Deutschlands »Griff nach der Weltmacht« aus dem Jahr 1961 eine Schlüsselrolle zuzuweisen. Denn an dieser Publikation entzündete sich rasch sowohl in der westdeutschen Geschichtswissenschaft als auch in der breiteren politisch-historisch interessierten Öffentlichkeit ein mehrschichtiger und langwieriger Konflikt, der nicht nur den Kampf gegen die »irrationale Rhetorik des Historismus« über Jahre befeuern sollte, sondern in der westdeutschen Geschichtswissenschaft die klare Abkehr der Jüngeren von den geschichtspolitischen Positionen der Älteren markierte. Auch wenn die geschichtswissenschaftliche und politische Bedeutung der Kontroversen um Fischers Buch insbesondere aus dem Kreis seiner Schüler zuweilen »grandios überschätzt« worden ist, ergibt sich für unsere Generationenproblematik dennoch ein ziemlich eindeutiges Bild. So standen seit Anfang der 1960er Jahre die Älteren, also beispielsweise Ritter, Herzfeld, Schieder, Erdmann und Conze, in einem klaren Gegensatz zu den Jüngeren um Imanuel Geiss, Wolfgang J. Mommsen oder Klaus Epstein (1927-1967) und Fritz Stern (Jahrgang 1926). Mommsen selbst sprach später mit Blick auf die Fischer-Kontroverse vom »Schwanengesang der älteren Formen einer nationalpolitischen Historiographie«, der notwendigerweise zu Attacken auf die ältere Generation geführt habe.36 Dass ausgerechnet Fischers methodisch letztlich wenig innovatives und fast rein politikhistorisch angelegtes Buch über den deutschen Kriegsimperialismus eine derart scharfe Wendung der Jüngeren gegen die überkommenen Geschichtsdeutungen auslösen sollte, mag wie eine Ironie der Geschichtswissenschaft wirken, aber das Ergebnis bleibt eindeutig. Die Debatten bildeten einen ersten und entscheidenden Kulminationspunkt in der Abkehr der jüngeren Historiker von überkommenen Deutungsmustern. Der Sachverhalt tritt noch deutlicher zum Vorschein, wenn all die kritischen Stimmen aufmerksam registriert werden, die vorher oder auch im zeitlichen Umfeld von Fischers Buch gegen den historiographischen Traditionalismus zu hören waren. Neben Karl Dietrich Brachers Arbeit über »Die Auflösung der Weimarer Republik« (1955) gehörten hierzu im nachfolgenden Jahrzehnt Kurt Sontheimers »Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik« (1962), Hermann Lübbes »Politische Philosophie in Deutschland« (1963) oder Ralf Dahrendorfs Buch über »Gesellschaft und Demokratie in Deutschland« aus dem Jahr 1965, das wiederum bei Mommsen und vielen seiner Altersgenossen einen tiefen Eindruck hinterlassen sollte. Für die Selbstverständigung der Nachwachsenden und die Bewusstwerdung gemeinsamer generationeller Interessenlagen waren das die Schlüsseltexte. Obwohl die Auflagenzahl von Wolfgang J. Mommsens Dissertation über »Max Weber und die deutsche Politik« (1959) im Vergleich dazu nie die gleiche Höhe erreichen konnte, leistete der Autor mit seiner politikgeschichtlichen Studie dennoch eine ausgesprochen wichtige Positionsbestimmung sowohl für den in dieser Phase besonders wichtigen Austausch zwischen den Geschichts- und Sozial36

Wolfgang J. Mommsen, Gegenwärtige Tendenzen in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik, in: GG 7 (1981), S. 149-188, hier S. 162.

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Wissenschaften als auch für die Geschichte der deutschen Gelehrtenkultur im Deutschen Kaiserreich. 37 Weitere wichtige Impulse fur die politische Selbstverständigung der »29er« sind seit den 1960er Jahren von den öffentlich ausgetragenen Kontroversen um die Spiegel-Affäre und die Jaspers-Debatte ausgegangen, bei denen die Jüngeren zwar noch nicht den Ton angaben, wohl aber sich erstmals vernehmbar in die öffentlichen Diskussionen einschalteten. In historiographiegeschichtlicher Hinsicht sticht in diesem Zusammenhang ins Auge, wie scharf Wolfgang J. Mommsen bereits Mitte der 1960er Jahre die methodischen Schwächen Fritz Fischers brandmarkte und daraus weitergehende Konsequenzen zog. Jedenfalls warf er dem Hamburger Kollegen eine »rein gesinnungsethische Interpretation« vor, die zwar an verschiedenen Stellen mit sozialökonomischen und interessenpolitischen Erklärungsmodellen vermengt werde, »ohne jedoch viel von ihrem moralistischen Grundton zu verlieren«. Tatsächlich aber kündige sich, so argumentierte er im Jahr 1966, eine Formverwandlung unseres [!] historisch-politischen Denkens an, die nicht länger mit dem Zeitbewusstsein der Jahre 1914-1918 verknüpft bleiben dürfe, »das in unserem historischen Bewusstsein noch nachwirkt«. Das war, kurz gesprochen, eine Volte gegen die Generation der akademischen Lehrer! 38 Was bei Wolfgang J. Mommsen oder Hans-Ulrich Wehler in Form der eingeforderten »Ideologiekritik« eine teilweise politisierte Zuspitzung erfuhr, erhielt in den Worten eines anderen Angehörigen dieser Gruppe, des Freiburger Historikers Ernst Schulin, noch eine weit grundsätzlichere Note. Zwar sprach Schulin erst später von »Traditionskritik«, die er neben der Rekonstruktion als einen der beiden Hauptwege des modernen geschichtlichen Erkennens herausarbeitete, und doch zeigte er mit seinen frühen historiographiegeschichtlichen Arbeiten über Ranke und Meinecke, wozu die Traditionskritik in der Praxis trotz aller Wertschätzung der Älteren notwendigerweise führen musste. So sei Meineckes Bedeutung, wie Schulin im ersten Band der im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag publizierten Reihe »Deutsche Historiker« konstatierte, wegen der längst fälligen methodischen Neuorientierung in Richtung auf strukturvergleichende und sozialwissenschaftliche Erkenntnisse definitiv im Sinken begriffen. Und auch sonst können viele Beiträge dieser von Hans-Ulrich Wehler seit 1971 herausgegebenen Serie als Teil einer kritischen Selbstverständigung von vorwiegend »jüngeren Historikerinnen und Historikern« über das Erbe des Historismus, insbesondere aber die Leistungen der »Außenseiter« verstanden werden, um der deutschen Geschichtswissenschaft einen »größeren Horizont« zu erschließen. Darin markiert unter anderem Andreas Dorpalen das Werk Gerhard Ritters als überlebt, denn er habe Geschichte zu sehr aus der Perspektive

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Vgl. dazu die Beiträge von Dirk Blasius und Thomas Kroll in diesem Band. Siehe in diesem Zusammenhang auch die nachfolgenden Ausführungen von Edith Hanke, Gangolf Hübinger und Wolfgang Schwentker zu den Anfängen der Max Weber-Edition. Wolfgang J. Mommsen, Die deutsche Kriegszielpolitik 1914—1918. Bemerkungen zum Stand der Diskussion, in: Walter Laqueur/George Mosse (Hg.), Kriegsausbruch 1914, München 1988, S. 60-100, hier S. 61,74.

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der Herrscher und Sieger geschrieben, und Helmut Berding (Jahrgang 1930) würdigt Rankes Leistung in formal-methodischer Hinsicht, stellt aber gleichzeitig fest, dieser sei »nicht ganz unschuldig an der (zutiefst theoriefeindlichen) Einstellung vieler deutscher Historiker, daß die Beachtung der quellenkritischen Grundsätze bereits die Wissenschaftlichkeit garantiere«.39 Andere aus der gleichen Historikergruppe haben sich an dieser theoretischen und methodischen Grundlagenverständigung kaum oder gar nicht beteiligt, aber auch sie leisteten ihren Beitrag zu einer umfassend verstandenen Traditionskritik. Zu ihnen zählt beispielsweise der Ritter-Schüler Klaus Schwabe (Jahrgang 1932), der mit seiner Untersuchung über die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkriegs aus dem Jahr 1969 eine Studie vorlegte, die in durchaus historistischer Manier die Interventionen zahlreicher deutscher Wissenschaftler aus dieser Zeit untersuchte und damit eben auch die Lehrer seines eigenen Mentors einer grundlegenden Kritik aussetzte.40 Was in diesem Zusammenhang zählt, ist die Tatsache, dass über die Diskussionen um die Rolle des Deutschen Reiches vor und im Ersten Weltkrieg unter den jüngeren Historikern ein informelles geistiges Bündnis zwischen den liberalkonservativen und politisch eher links von ihnen stehenden Kräften geschmiedet wurde, das zunächst stärker wirkte als die durchaus anhaltenden politischen Gegensätze oder die voneinander abweichenden Vorlieben für unterschiedliche methodische Ansätze. Deutlich wird dies vor allem am Beispiel Thomas Nipperdeys, der in der Rückschau auf die Fischer-Kontroverse zwei Punkte hervorhob: Zum einen die Tatsache, dass »kein Historiker meiner Generation«, so führte er 1978 im Streit mit Hans-Ulrich Wehler aus, »wie die drei berühmtesten anti-nationalsozialistischen Historiker, [...] Friedrich Meinecke, Gerhard Ritter oder Ludwig Dehio, davon sprechen [würden], daß >wir< Deutsche 1870 oder 1890 das oder das taten oder dachten.«41 Zum anderen sei über die FischerKontroverse die Zeitgeschichte als eine nationalkritische »Oppositionshistorie« konstituiert, damit also die westdeutsche Geschichtswissenschaft aus den Traditionen der nationalpolitischen Historie im Stil der vorangegangenen Generationen förmlich befreit worden. Wenn die Fischer-Kontroverse ein erster wichtiger Anstoß für eine generationelle Selbstverortung der »29er« gewesen ist, so boten die sich daran nahtlos anschließenden Debatten um den Charakter der Revolution in Deutschland 1918/19 eine Gelegenheit, die entsprechenden >Frontstellungen< weiter auszubauen. Das zeigt sich daran, dass in diesem Fall die Jüngeren um Eberhard Kolb (Jahrgang 1933) und Heinrich August Winkler (Jahrgang 1938) zusammen mit weiteren »45ern« um Peter von Oertzen

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Andreas Dorpalen, Gerhard Ritter, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Deutsche Historiker. Bd. 1, Göttingen 1971, S. 98; Helmut Berding, Leopold von Ranke, in: Ebd., S. 12. Klaus Schwabe, Wissenschaft und Kriegsmoral. Die deutschen Hochschullehrer und die politischen Grundfragen des Ersten Weltkrieges, Göttingen 1969. Thomas Nipperdey, 1933 und die Kontinuität der deutschen Geschichte, in: Ders., Nachdenken über die deutsche Geschichte, München 1986, S. 186-205, hier S. 186.

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(1924-2008) gegenüber der älteren Revolutionsforschung aus der Feder Karl Dietrich Erdmanns eine deutliche Gegenposition einnahmen. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass mit einigem Zeitabstand Wolfgang J. Mommsen eine für ihn nicht untypische mittlere Position in der Kritik an den >Revisionisten< der 1960er Jahre vornahm, weil er das behauptete konstruktive Neuordnungspotential der Rätebewegung in den Quellen nicht nachgewiesen fand.42 Dass die generationellen Gemeinsamkeiten dieser ersten geschichtswissenschaftlichen Kontroversen mit stark politischem Anklang jedoch tatsächlich nicht von langer Dauer waren, zeigen zum einen die sich seit Ende der 1960er Jahre einstellenden Sezessionsbewegungen. Sie führten viele ursprünglich mit der Sozialdemokratie sympathisierende Intellektuelle wie Thomas Nipperdey (Jahrgang 1930), Kurt Sontheimer (Jahrgang 1928) oder Wilhelm Hennis (Jahrgang 1923) wegen ihrer dezidierten Ablehnung des »linken Radikalismus« an den westdeutschen Universitäten auf die Seite der Unionsparteien und in deren intellektuelles Umfeld.43 Zum anderen wirkten die Ostpolitik und die innenpolitischen Reformansätze der 1972 erneut im Amt bestätigten sozialliberalen Koalition wie Schockwellen in die Gruppe der westdeutschen »45er«-Historiker hinein, teilweise sogar noch darüber hinaus, so dass politische Konfrontationen nicht lange ausbleiben konnten. Schon im Frühjahr 1972 hatte Hans Mommsen eine Erklärung zugunsten der Ostpolitik der Regierung Brandt-Scheel initiiert, an der sich bezeichnenderweise sogar sein akademischer Lehrer Hans Rothfels oder auch Reinhard Wittram zustimmend beteiligten, während unter den Jüngeren gleichzeitig Dissens, zumindest ein Gutteil Abstinenz, feststellbar war.44 Von diesen Links-Rechts-Verschiebungen wurden - teilweise noch von konfessionellen Gegensätzen verstärkt - die historiographischen Debatten rasch erfasst, wovon an vorderster Stelle der Streit um Wehlers Darstellung des Deutschen Kaiserreichs zeugt. Das erstmals im Jahr 1973 im Vandenhoeck & Ruprecht Verlag erschienene Buch zeichnet ein in der Summe betont kritisches Bild des deutschen Obrigkeitsstaates und seiner repressiven Tendenzen, was nicht nur in den Reihen der »45er« zu einer ausgesprochen lebhaften Debatte führte, sondern gerade auch aus ihrer Gruppe eine heftige Gegenkritik provozierte. Erneut nahm Thomas Nipperdey hierbei eine führende Rolle ein, warf er doch Wehler eine viel zu große Einseitigkeit vor, ja er sprach sogar von einem »Treitschke redivivus«, da dieser mit seinem dichotomischen Erklärungsmodell die relative Stabilität des politischen Systems nicht hinreichend zu erklären vermöge. Dagegen forderte Nipperdey »mit der Gerechtigkeit des Historismus« eine alternative 42

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Siehe dazu die weiterführenden Hinweise in Eberhard Kolb, Die Weimarer Republik, 6. Aufl., München 2002, S. 166-178. Vgl. in diesem Zusammenhang die nachfolgenden Ausführungen von Rita Aldenhoff-Hübinger zu den geschichtswissenschaftlichen Ortsbestimmungen des deutschen Liberalismus seit Mitte der 1970er Jahre. Hacke, Philosophie, S. 25. Erklärung zur Ostpolitik, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.4.1972 (Anzeige), mit über 200 Unterschriften westdeutscher Historiker, Sozialwissenschaftler und Politikwissenschaftler; vgl. dazu Wehler, Kampfsituation, S. 190, der von einer »scharfen Polarisierung« spricht.

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Deutung ein, die sehr viel mehr die »Leistungen« und »Alternativen« von Politik und Kultur im Kaiserreich berücksichtigen müsse. 45 Was sich an dieser Stelle als ein grundlegender Deutungs- und Methodenstreit ankündigte, intensivierte sich im Laufe der Sonderwegsdebatten der 1970er Jahre, bei denen Fritz Fischer erneut die Rolle eines Katalysators spielte, ohne jedoch den inhaltlichen Auseinandersetzungen selbst Wesentliches aufprägen zu können. Aber seine im »Griff nach der Weltmacht« zunächst nur hingeworfene These einer Kontinuität vom Ersten Weltkrieg bis in das »Dritte Reich«, die er danach in seinem erstmals 1969 veröffentlichten Buch »Krieg der Illusionen« sowie in weiteren Publikationen zu erhärten suchte, beförderte eine Serie schier endloser Großdebatten, deren Kernargument einer langfristigen politisch fatalen Kluft zwischen der Dynamik der sozioökonomischen Entwicklung im Deutschen Kaiserreich und den retardierten, politisch semikonstitutionellen Strukturen die politische Spaltung der »45er«-Generation sukzessive weiter vorantrieb. Die Polemik dieser Auseinandersetzungen wird allein dann verständlich, wenn ihr enges Wechselverhältnis zu den zeitgenössischen politischen Konflikten jeweils berücksichtigt wird. Tatsächlich entwickelte sich die enge Verquickung politischer und historiographischer Kontroversen im Laufe der 1970er Jahre zu einem der wichtigsten Merkmale in der Selbst- und Fremdthematisierung der »29er«. Aus der Rückschau ist hierbei bemerkenswert, dass davon ebenfalls die innerfachlichen methodischen Debatten in starkem Maße überformt worden sind. Bei der Option für die »historische Sozialwissenschaft« auf der einen Seite oder für einen methodisch geläuterten und ideologisch »entmythologisierten Historismus« auf der anderen Seite, wie ihn namentlich Nipperdey favorisierte - er selbst bezeichnete sich als einen »skeptischen >SemihistoristenKursesGeistigen Situation der Zeitbacklashfestliefen< - der Streit zwischen den »Intentionalisten« und »Strukturalisten« in der NS-Forschung gehört hierzu - , andererseits innovative Aufbrüche wohl eher behindert wurden. Denn während aus England der Ruf nach der Rückkehr zur Erzählung (Norman Stone) aufkam und die französische Annales-Schule in deutscher Übersetzung zu einem zumindest temporären Siegeszug in den deutschen Buchläden ansetzte, engagierten sich viele »29er« in der Bundesrepublik in teilweise erregt geführten Debatten um die geschichtspolitischen Initiativen der Regierung Helmut Kohls. Ob über die Frage der Legitimität und Ausgestaltung der historischen Museen in Bonn und Berlin oder auch die politischen Strategien der konservativ-liberalen Regierung zur Stärkung der »nationalen Identität« - über all diese Streitpunkte wurde öffentlich heftig gestritten, ohne dass die jeweiligen Lager zu Positionsveränderungen gelangt wären.53 Gleichwohl, viele Jüngere und Ältere unter den »45ern arbeiteten in dieser Phase daran mit, das Fundament für eine theoretisch umfassend erneute Geschichtswissenschaft zu legen, wobei seit 1975 die Studiengruppe »Theorie der Geschichte« unter Beteiligung Wolfgang J. Mommsens wesentliche Anstöße leistete. Die Verwissenschaftlichung der 52 53

Mommsen, Geschichtswissenschaft, S. 35-37. Vgl. dazu die Debattenbeiträge in Christoph Stölzl (Hg.), Deutsches Historisches Museum. Ideen - Kontroversen - Perspektive, Frankfurt a. M. 1988.

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historischen Forschung ist dadurch erheblich befördert worden. Dennoch erzielten die entsprechenden Diskussionen tatsächlich keinen Durchbruch, denn die Rezeption der entsprechenden Grundsatzdebatten blieb selbst unter den Neuzeithistorikerinnen und -historikern auf überschaubare Kreise beschränkt. Überdies wird man in Zukunft noch genauer prüfen müssen, inwiefern die Politisierung selbst methodischer Fragen, wie sie in dieser Phase sowohl von linksintellektueller Seite als auch von ihren Gegnern verfochten worden ist, für die produktive Fortentwicklung der westdeutschen Geschichtswissenschaft abträglich gewesen ist. Die erst späte Wiederentdeckung der »neuen Politikgeschichte« oder die nur verzögerte Wiederkehr der Militärgeschichte weisen in eine solche Richtung. 54 Hier ist weder der Raum, dem Fortgang der einschlägigen Debatten nachzugehen, noch die Einzelheiten des »Historikerstreits« von 1987 nachzuzeichnen, welcher endgültig auf Seiten der Gegner des Berliner Historikers Ernst Nolte die Befürchtung nährte, es könne einer mächtigen Koalition von Konservativen gelingen, den Nationalsozialismus zu relativieren.55 Für uns ist an dieser Stelle allein maßgeblich, dass in der von Nolte ausgelösten Debatte abgesehen von Richard Löwenthal (1908-1991) und Micha Brumlik (Jahrgang 1947) alle Beteiligten den »45ern« angehörten, aber sie finden sich

Abb. 6: Von links W.J. Mommsen, K.D. Erdmann, Erich Millecker (Bundespräsidialamt), Richard von Weizsäcker; 10. Mai 1990 [Quelle: Sabine Mommsen] eben, worauf Christof Dipper in seinem Beitrag zu diesem Band mit Recht hinweist, auf beiden Seiten der Kontroverse. Genau das aber ist nicht verwunderlich, denn es stellte 54 55

Vgl. dazu die Beiträge von Stig Förster, Gerhard Hirschfeld und Gerd Krumeich in diesem Band. Wehler, Kampfsituation, S. 202.

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das Resultat eines mehr als zehnjährigen Reifungsprozesses innerhalb der westdeutschen Geschichtswissenschaft dar, der - so hat es Hans Mommsen gefasst - in mancher Hinsicht nur eine Stellvertreterdebatte für die Bruchlinien in der deutschen politischen Kultur und fur den Konflikt zwischen »autoritären«, wohl genauer: konservativen Demokratiepostulaten auf der einen und »reformistischem Republikanertum« auf der anderen Seite darstellte. Genau diese Konstellation drückte bis 1989/90 den geschichtswissenschaftlichen Kontroversen ihren Stempel auf, um danach unter dem Eindruck des Untergangs der Deutschen Demokratischen Republik auf allen Seiten vorsichtigen Revisionen Platz zu machen. Jedenfalls bleibt Hans Mommsens Einschätzung bemerkenswert, wonach im Unfeld des Historikerstreits die in vielem ungeklärte politische Identität der Angehörigen jener Generation zur Austragung gekommen sei, die noch im »Dritten Reich« sozialisiert wurde - also vor allem der um 1930 Geborenen.56

4. Zur Repräsentativität der Forschungsinteressen Wolfgang J. Mommsens Akademische Generationenprojekte enden nicht selten als gescheiterte Projekte. Die Ursachen dafür sind - wie immer - vielschichtig, hatten doch schon die Älteren um Gerhard Ritter und Franz Schnabel in den 1920er Jahren zum Aufbruch geblasen, ohne jedoch die damals selbst gesetzten Ziele zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer akademischen Karriere zu erreichen. Und wie auch immer die Entwicklung der Volksgeschichte seit dem gleichen Jahrzehnt sowie ihre Transformation zur Sozialgeschichte bis in die 1950er Jahre bewertet werden, die vollmundigen Erwartungen ihrer Begründer wurden oft gerade nicht eingelöst. Vielmehr blieb eine eklatante Diskrepanz zwischen dem Bekenntnis zur Interdisziplinarität bei relativer methodischer Kontinuität und einer weitreichenden politischen Instrumentalisierung kennzeichnend. Auch einige Exponenten der »29er«-Historikergeneration traten bereits früh mit einem weitreichender Anspruch hervor, strebten sie doch danach, die herkömmliche politische Geschichte in ihrem narrativ-idealistischen Gewand durch eine stärker analytische Darstellungsweise auf Basis der rationalen Kategorienlehre Max Webers abzulösen. Sicher, hier gab es von Fall zu Fall erhebliche Abweichungen, und doch darf man dem Tenor von Wolfgang J. Mommsens Düsseldorfer Antrittsvorlesung gerade an diesem Punkt erneut einige Repräsentativität für seine Altersgenossen zusprechen. In begrifflicher Hinsicht mündete er in das Bemühen um einen möglichst nüchternen, selbstreflexiven und abstrakten Stil, der sich in starkem Maße der Sprache der Sozialwissenschaften bediente. Dass hierin die Zukunft der Geschichtswissenschaft liege, hatte Mommsen vor allem bei Theodor Schieder lernen können, der mit Übernahme eines Lehramtes an der Universität Köln in mehreren Grundlagenbeiträgen die Kombi56

Hans Mommsen, Aufarbeitung und Verdrängung. Das Dritte Reich im westdeutschen Geschichtsbewusstsein, in: Dan Diner (Hg.), Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit, Frankfurt a. M. 1993, S. 74-88.

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nation einer genetisch-narrativen Darstellung und einer idealtypischen Strukturanalyse als ein Projekt deklarierte, fur das er unter seinen Studenten massiven Zuspruch fand. Vielleicht gehört Wolfgang J. Mommsen in dieser Hinsicht sogar zu den gelehrigsten Schülern seines akademischen Mentors. Denn mit der Kombination institutionengeschichtlicher und ideengeschichtlicher Methoden unter Berücksichtigung sozialgeschichtlicher Aspekte übernahm er schon in seiner Biographie über Max Weber eine Anregung, die danach für große Teile seines eigenen Werkes stilbildend werden sollte. In Kurzform war das - in Mommsens eigenen Worten - »politische Sozialgeschichte«. 57 Es mutet allerdings erneut wie eine Ironie der Geschichtswissenschaft an, dass entgegen der weit zielenden Ankündigung einer »Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus« sowohl die Narrativität als auch die Politikgeschichte sehr viel stärker bestimmende Elemente seiner Geschichtsschreibung blieben, als sich dies Wolfgang J. Mommsen zu seinen Lebzeiten selbst eingestanden hat. Das gilt keineswegs nur für seine späten, großflächig angelegten Synthesen zur Geschichte des Deutschen Kaiserreiches im Propyläen Verlag, sondern ebenso für zahlreiche weitere Abhandlungen aus seiner Feder. Gleichwohl, das Ergebnis ist keineswegs singulär, sondern es spiegelt sich in mancher Hinsicht in den Handbuchdarstellungen Nipperdeys zur Geschichte des 19. Jahrhunderts oder den Arbeiten Heinrich August Winklers zur Geschichte der Weimarer Republik. Selbst Wehlers Gesellschaftsgeschichte weist trotz der auf systematische Achsen bezogenen mehrschichtigen Analyse und argumentativ begründeten Darstellungsweise eine Schlagseite zur Politikgeschichte auf, die von Band zu Band immer deutlicher in den Vordergrund getreten ist.58 Wenn man den Gründen für dieses an sich zunächst überraschende Ergebnis nachgeht, so drängt sich als eine entscheidende Erklärung dafür die Ausrichtung der Geschichtsschreibung dieser Generation auf den Fluchtpunkt 1933 auf, der bei allen Nuancierungen im Einzelnen wie ein historisch-politischer Fixstern durch unzählige Arbeiten hindurch schimmert. 59 Außerdem warfen ihre historischen Bilder immer wieder Schatten auf ein besonders langes 19. Jahrhundert, weil so überhaupt erst eine solche Perspektivierung möglich wurde. Zwar setzen die Autoren in zeitlicher Hinsicht die Akzente für die Ursachen des deutschen Niedergangs durchaus unterschiedlich an, also entweder beginnend mit dem Scheitern der Revolution von 1848, der Gründung des 57

58

Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Vom Beruf des Historikers in einer Zeit beschleunigten Wandels. Theodor Schieders historiographisches Werk, in: VfZ 33 (1985), S. 387^*05. Vgl. Paul Nolte, Darstellungsweisen deutscher Geschichte. Erzählstrukturen und »master narratives« bei Nipperdey und Wehler, in: Christoph Conrad/Sebastian Conrad (Hg.), Die Nation schreiben. Geschichtswissenschaft im internationalen Vergleich, Göttingen 2002, S. 236-268.

59

Siehe dazu Jürgen Habermas, Jahrgang 1929, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.05.2009: »Er [Ralf Dahrendorf] lebt, denkt und schreibt aus der Erfahrung einer Generation, der es nicht möglich war, zur Zäsur von 1945 nicht Stellung zu nehmen.« Ähnlich aufschlussreich der Kommentar von Wehler: »Lepsius hat einmal gesagt, wir seien alle Generationengeschädigte und wollten nur herauskriegen, wie 1933 passieren konnte.« Wehler, Kampfsituation, S. 160 f.

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Kaiserreichs 1870/71 oder erst in der Phase der Weltpolitik unter Wilhelm II. Und doch bestand die communis opinio darin, dass es einen deutschen »Sonderweg« in Abweichung von einem europäischen Normalpfad tatsächlich gegeben habe. Insgesamt können wir Wolfgang J. Mommsen zu einem der wortmächtigsten Verfechter dieser Überlegungen zählen, denn neben seinen Monographien veröffentlichte er auf der Basis seiner ungedruckt gebliebenen Habilitationsschrift über Theobald von Bethmann Hollweg in den 1970er Jahren mehrere Grundlagenaufsätze, die im Kern zu zeigen versuchten, warum das Kaiserreich auf die schiefe Ebene einer unbalancierten Machtpolitik geraten sei und schließlich die »Flucht nach vorn« in den Ersten Weltkrieg betrieben habe.60 In einem argumentativ gehaltenen Stil und einer Mischung aus politikund verfassungshistorischen Methoden arbeitet er darin die autoritären Elemente des deutschen Nationalstaats heraus, wobei seiner Ansicht nach besonders im Wilhelminismus eine fatale Orientierung am preußisch-deutschen Machtstaat die Oberhand über kulturnationale und emanzipatorische Traditionen gewonnen hätten. Gleichzeitig verschwieg Mommsen keineswegs, dass das Kaiserreich ebenso als die Phase eines auf liberalen Grundsätzen beruhenden Rechtssystems mit institutionellen Rahmenbedingungen für den Aufstieg des Kapitalismus und den Aufbau eines leistungsfähigen Bildungssystems gesehen werden könnte. Aus seiner Gesamtsicht aber stelle es bis 1914/18 einen autoritär verformten Nationalstaat dar, wobei das Spannungsverhältnis von autoritärer Staatsführung und freiheitlicher parlamentarischer Willensbildung sämtliche Lebensbereiche durchwirkt habe. Als Erklärung hierfür bediente er sich einer Variante der Bonapartismusthese, wonach nicht nur die Außen- sondern auch die Innenpolitik schon unter der Ägide Bismarcks als das Resultat einer »relativen Paralysierung der gesellschaftlichen und politischen Lager, die sich innerhalb eines komplizierten Systems pluralistischer Machtverteilung rivalisierend gegenüberstanden«, begriffen werden müsse. Das Deutsche Reich Bismarcks könne demgemäß nur als ein »halbkonstitutionelles System mit parteienstaatlichem Zusatz« bezeichnet werden. Hier und in vielen anderen Arbeiten steht immer wieder die Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Eliten im Zentrum. Denn die Verengung und Abkapselung politischer und gesellschaftlicher Führungsschichten stelle, so argumentierte Wolfgang J. Mommsen, stets und immer wieder ein Symptom des Niedergangs dar und trage die Gefahr in sich, zerstörerische Kräfte freizusetzen, die nicht nur den eigenen Staatsverband, sondern auch das internationale System zerstören könnten. Dass sein Bruder im Hinblick auf den Untergang der Weimarer Republik sehr ähnlich argumentiert, sei hier nur am Rande vermerkt.61 60

61

Vgl. dazu die einschlägigen Aufsätze in: Wolfgang J. Mommsen, Innenpolitische Bestimmungsfaktoren der deutschen Außenpolitik vor 1914 [1973], in: Ders., Der autoritäre Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur des deutschen Kaiserreiches, Frankfurt 1990, S. 316-357; ders., Die latente Krise des Wilhelminischen Reiches. Staat und Gesellschaft in Deutschland 1890-1914, in: Ebd., S. 287-315. Vgl. dazu den Beitrag von Holger Afflerbach in diesem Band. Siehe dafür exemplarisch: Wolfgang J. Mommsen, Preußisches Staatsbewusstsein und deutsche Reichsidee, in: GWU 1984, S. 685-705, hier S. 705.

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Dass Wolfgang J. Mommsen ebenfalls bei der Interpretation der Triebkräfte des deutschen Imperialismus zu einer funktionalistischen Interpretation neigte, passt insgesamt zu einer Erklärungsstrategie, die generell der Rolle »strategischer Cliquen« für das politische Entscheidungshandeln (Gilbert Ziebura) eine ausgesprochen hohe Bedeutung einräumt. Die besondere Beachtung des funktional-strukturellen Ansatzes mit seiner Konzentration auf die Funktionen und Dysfunktionen der Verfassungs- und Herrschaftssysteme unter dem Einfluss vielfältigster gesellschaftlicher Kräftekonstellationen gehörte zur dem Konzept, das er im Grunde seit den Anfängen seiner wissenschaftlichen Karriere bis an sein Lebensende verfolgte, wobei er in einer ihn auszeichnenden Mischung aus eklektischem Methodenbewusstsein, weberianisch geschulter Begrifflichkeit und profunder Quellenkenntnis sowohl gegen die Moralisierung eines Fritz Fischer als auch gegen die aus seiner Sicht zu einseitigen Interpretation der sogenannten »Kehriten«, konkret der Bielefelder Schule wandte, deren negative Akzentuierung der kaiserlichen Geschichte er für überzeichnet befand. Er positionierte sich jedoch immer mit ihnen auf einer Linie, wenn es um die Ausdeutung der geschichtswissenschaftlichen Lehren für das westdeutsche Nationsverständnis ging. Diesbezüglich vertrat Mommsen in einer kritischen Bewertung der konservativ-liberalen Regierungspolitik in der Kanzlerschaft Helmut Kohls spätestens seit Anfang der 1980er Jahre die Ansicht, dass das kleindeutsche Bismarckreich kaum länger als Referenzmodell »unseres Nationsverständnisses« herhalten könne. Obwohl ein solcher Anspruch völkerrechtlich gut begründet sei, war aus seiner Sicht zu diesem Zeitpunkt die Geschichte der deutschen Frage in ihre »Normallage« zurückgekehrt, in der sie sich über Jahrhunderte hinweg befunden habe. Er bejahte deswegen ausdrücklich die »Existenz einer deutschen Kulturnation in der Mitte Europas, die in mehrere deutsche Staatsnationen gespalten ist«. Gleichwohl, Mommsen hielt sich eine Hintertür offen, wollte er doch bereits im Jahr 1983 nicht ausschließen, dass »auf mittlere Frist die sowjetische Vorherrschaft über Ostmitteleuropa zerbröckeln wird«. Sollte es jedoch tatsächlich zu einer Wiederherstellung des deutschen Staates in den 1945 etablierten Grenzen kommen, fürchtete er Spannungen zwischen der deutschen Kulturnation und der deutschen Staatsnation, die allenfalls in einer generellen Neuordnung Europas auf62

gehoben werden könnten. Wenn man diese Positionsnahmen auf ihre Repräsentativität für die Historikergruppe der »29er« befragt, so steht hierbei letztlich nicht so sehr das fachwissenschaftliche Urteil im Mittelpunkt, das in mancher Hinsicht von den nachfolgenden KaiserreichDebatten modifiziert, zuweilen sogar revidiert worden ist, sondern vielmehr die beharrliche Konzentration auf eine negativ akzentuierte Sonderweg-These. Für unsere Fragestellung ist hierbei entscheidend, dass es eben nicht nur die fachliche Erkenntnis war, welche die Grundlage für eine solche Zuspitzung bot, sondern dass in der kritischen Rückschau auf das Kaiserreich ebenfalls die persönlich gelebte Geschichte eine wichti62

Wolfgang J. Mommsen, Wandlungen der nationalen Identität, in: Werner Weidenfeld (Hg.), Die Identität der Deutschen, Bonn 1983, S. 170-102, hier S. 185, 191.

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ge Rolle spielte. Denn für die beiden Mommsens - wie für viele ihrer Altersgenossen nahm die Kritik an den deutschen Traditionen im und seit dem Deutschen Kaiserreich immer wieder auch die Funktion einer Stellvertreterdebatte ein. Sie bot ihnen die Möglichkeit, ihre eigenen Erfahrungen als Jugendliche und junge Erwachsene im »Dritten Reich« kritisch in den Gang der deutschen Geschichte einordnen, ohne jedoch dieser Epoche, mit der sie persönlich auch über ihre Eltern auf das Engste verwoben waren, die forscherische Aufmerksamkeit zu schenken, wie dies für die Zeit bis 1933 der Fall sein sollte. Sicher, hiervon gab es Ausnahmen, unter den »29ern« an vorderster Stelle Hans Mommsen und Martin Broszat sowie, unter der weiter gefassten Generationenkohorte, so bekannte Namen wie Hans-Adolf Jakobsen (Jahrgang 1925), Hans Buchheim (Jahrgang 1922) oder Wolfgang Schieder (Jahrgang 1935), der mit seinen zahlreichen Arbeiten zur Faschismusforschung wichtige Anstöße für einen international vergleichenden Blick vermittelte. Dennoch weist der forscherische Drang der Geburtenkohorte insgesamt in eine andere Richtung, wobei der Überhang gelebter Geschichte in der historiographischen Produktion der hier diskutierten Fachvertreter viel zu offensichtlich ist, als das man ihn stillschweigend übergehen dürfte. Genau darin dürfte eine der wichtigsten Ursachen für den starken Fokus insbesondere der »29er« auf der Ergründung der jüngeren deutschen Vergangenheit liegen, wobei ohne Zweifel die andauernde Frontstellung gegenüber der marxistisch inspirierten Geschichtswissenschaft Ostdeutschlands ein zusätzliches Motiv abgab. Diese Konstellationen mündeten im Westen Deutschlands in das >interkulturelle< Projekt der »29er-Generation«, in der die Historiker zwar nicht die Funktion einer Leitgruppe ausübten, ihnen aber dennoch das Verdienst zugesprochen werden kann, die Demokratisierung der öffentlich verhandelten Geschichtsbilder in der Bundesrepublik erreicht zu haben. Ihrem Einwirken war es letztlich zu verdanken, dass zum einen multiperspektivische Zugänge in der modernen Geschichtswissenschaft zu einer Selbstverständlichkeit wurden. Zum anderen erreichte das Niveau der theoretischen und methodischen Selbstreflexion eine völlig neue Höhe. Gleichzeitig wäre es jedoch verfehlt, das »radikale Misstrauen« der »29er« gegenüber den deutschen Traditionen unbesehen auch auf die Jüngeren zu übertragen, wie Roger Chickering in diesem Band zu Recht argumentiert. Auffallend bleibt jedenfalls, dass die Jüngeren sich früher als ihre Vorgänger für die Erforschung auch außerdeutscher Themen zu interessieren begannen. Außerdem fehlt ihnen meist der optimistische, zuweilen sogar missionarische Grundzug, den so manche der Älteren an den Tag legten. Vielleicht sollten diese Argumente den Anlass dazu geben, sich von der Vorstellung einer kohärenten »45er«-Historikergeneration zu verabschieden, eben weil die politischen und weltanschaulichen, aber auch die in diesem Beitrag nur wenig beachteten konfessionellen Orientierungen tatsächlich erheblich voneinander abwichen, mit weit reichenden Konsequenzen für die jeweilige historiographische Deutung. Überdies lässt sich nicht übersehen, dass viele Angehörige dieser Generation sich unter dem Eindruck der Geschehnisse in der Bundesrepublik wie auch in der weiteren Welt bereits seit den 1970er Jahren von ihren ursprünglich nationalkritischen Positionen abwandten. Dass

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sogar die engere Grenzziehung bezogen auf die »29er« bei genauerer Sichtung des Einzelfalles nur bedingt hilfreich ist, demonstriert das Beispiel Wolfgang J. Mommsens. Wir enden daher mit der ernüchternden, aber deswegen vielleicht treffenden Erkenntnis, wonach der Düsseldorfer Historiker in vielfacher Hinsicht als der Repräsentant einer ungemein wirkungsmächtigen linksintellektuellen Historikergruppe in der Bundesrepublik erscheint, ohne jedoch in ihr aufzugehen. Zu seinen großen Leistungen zählt, dass er die biografische Verwobenheit des Einzelnen in den historischen Erkenntnisprozess im Blick auf die Parteilichkeit und die Standortgebundenheit des Historikers immer wieder systematisch reflektierte. Seine teils theoretisch, teils historiographiegeschichtlich angelegten Beiträge sorgten außerdem dafür, dass er sein eigenes wissenschaftliches Urteil immer wieder auf wohltuende Weise temperierte. Es dürfte gerade dieses Moment sein, das den streitlustigen Debattenredner in der Sache meist zu einem eher nüchtern und abwägend urteilenden Historiker machte, der zudem das Aufkommen neuer Richtungen in der Geschichtswissenschaft fortlaufendend aufmerksam registrierte und diese in seine eigenen Arbeiten produktiv zu integrieren verstand. Die nachfolgend abgedruckten Beiträge demonstrieren diesen Sachverhalt ein um das andere Mal. Da Mommsen ebenfalls schon früh über den Tellerrand der europäischen Geschichte hinausblickte, kam für ihn die seit den 19s90er Jahren verbreitete Einsicht in die Pluralität von Entwicklungspfaden zur Moderne nicht wirklich überraschend. Er verband sie umso dezidierter mit einem Anspruch, den er in ähnlicher Form schon in der Düsseldorfer Antrittsvorlesung kundgetan hatte: »Gerade weil die künftigen Zielrichtungen des historischen Prozesses weniger denn je zuverlässig antizipierbar sind, bedarf es in einer Welt, in der die bisher herrschenden Ideologien weithin ihre Überzeugungskraft verloren haben, geschichtlicher Orientierung«.63 Als akademischer Lehrer war ihm dies eine der wichtigsten Botschaften am Ende seiner wissenschaftlichen Laufbahn.

Mommsen, Geschichtswissenschaft, S. 27.

Abb. 7: Wolfgang J. Mommsen im Kreis seiner Schülerinnen und Schüler im Jahr 1990 [Quelle: Sabine Mommsen; Foto: Walter Pehler]

I. Generation und Forschungsinteresse

JOST DÜLFFER

Politische Geschichtsschreibung der »45er-Generation« Von der Militärgeschichte des Zweiten Weltkriegs zur kritischen Zeitgeschichte (1950-1970)

Zu den Meistererzählungen bundesdeutscher Historiographie gehört es, dass sich aus der in der NS-Zeit groß gewordenen Volksgeschichte nach dem Krieg in den folgenden zwei Jahrzehnten eine moderne Sozialgeschichte ausgebildet habe, die mit dem Primat der Politikgeschichte gebrochen und damit ein lange gängiges und konservatives bis reaktionäres Paradigma abgelöst habe. So ein gerader Weg in die historische Sozialwissenschaft als Fortschrittsnarrativ oder Ausweis von Modernisierung ist nicht unbedenklich und bedarf mancher Ergänzung. Daher wird hier eine andere Richtung in den Blick genommen. Gemeint sind einige Historiker der sogenannten »45er-Generation«,' die eine bemerkenswerte Entwicklung durchmachten. Sie erwarben noch in der letzten Kriegszeit militärische Erfahrungen und kämpften, gerieten kurz- oder langfristig in Kriegsgefangenschaft und begannen dann Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre mit dem Studium, das sie Mitte des Jahrzehnts mit der Promotion abschlossen. Sie lassen sich nur lose als Gruppe auffassen, bildeten eher ein Netzwerk thematischer Orientierung, das sich zunehmend mit der >Zunft< verband und deren Teil wurde. Eine zentrale Erfahrung dürfte das eigene militärische Erleben im Krieg gewesen sein, sodann die alliierte Besatzung und die alliierten Kriegsverbrecherprozesse, mit deren Urteilen ja historisch über Personen der NS-Zeit gerichtet wurde. Gemeint sind Jürgen Rohwer (1924-), Andreas Hillgruber (1925-1989), Hans-Adolf Jacobsen (1925-), Klaus-Jürgen Müller (1930—). Dazu rechnen lassen sich aus unterschiedlichen Gründen noch Manfred Messerschmidt (1926-), Eberhard Jäckel (1929-) und Wilhelm Deist (1931-2003). Sie wechselten zum Teil die Universität, aber sie promovierten alle bei drei Professoren: in Freiburg bei Gerhard Ritter (Messerschmidt, Jäckel, Deist), in Göt-

A. Dirk Moses, The Forty-Fivers. A Generation Between Fascism and Democracy, in: German Politics and Society 50 (1999), S. 95-127; zusammengefasst jetzt: Ders., German Intellectuals and the Nazi Past, Cambridge u. a. 2009, bes. S. 55-73; Rolf Schörken, Die Niederlage als Generationserfahrung. Jugendliche nach dem Zusammenbruch der NS-Herrschaft, München 2004, S. 11-70. Interviews wurden geführt mit Hans-Adolf Jacobsen, Eberhard Jäckel, Manfred Messerschmidt, Hans Mommsen, Klaus-Jürgen Müller, Jürgen Rohwer, Gottfried Schramm, Februar/März 2010.

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tingen bei Percy Ernst Schramm (Hillgruber, Jacobsen) oder in Hamburg bei Egmont Zechlin (Rohwer und Müller). Sie gehörter einer Generation an, wenn auch in der Bandbreite von knapp einem Jahrzehnt. Hillgruber, Jacobsen und Rohwer waren selbst Soldaten gewesen, die beiden Letzteren hatten den Offiziersrang erreicht, die beiden Ersteren waren danach noch lange in Kriegsgefangenschaft gewesen - Hillgruber drei Jahre bei den Franzosen, Jacobsen vier Jahre in der Sowjetunion. Messerschmidt2 war vom Flakhelfer noch kurzzeitig zum Soldaten geworden. Jäckel hatte noch in einem Wehrertüchtigungslager Uniform getragen und die Gefangennahme erlebt, Müller im Jungvolk gedient. Deist als Jüngster dieser Gruppe hatte ab 1942 die Reichsführerschule der NSDAP in Feldafing besucht. Sie waren somit »45 er«, wie Dirk Moses und andere danach ihre Generation beschrieben.

1. Die »45er«, ihre Lehrer und frühe Netzwerke Von einer eigentlichen Schule Gerhard Ritters zu Themen der damals jüngsten Geschichte wird man nicht sprechen können.3 Ritter war in den Fünfzigerjahren einfach einer der führenden und konservativ-protestantischen Historiker. Messerschmidt schrieb über das britische Deutschlandbild seit dem 19. Jahrhundert, Jäckel promovierte über Thomas Morus, während Deists Schrift sich auf die deutsche Haltung zur Abrüstungskonferenz verlegte: Die ersten beiden lassen sich der Ideengeschichte zurechnen, letztere der Außenpolitik. Nur Messerschmidts Arbeit wurde als Buch gedruckt und in einem Vorwort bescheinigte der Freiburger Ordinarius dem Autor, er habe sich mit »jugendlichem Schwung an die Quellen selbst gehalten«.4 Der Wissenschaftler hatte in der Promotionszeit in Großbritannien prägende Erfahrungen gemacht, etwa durch die Offenheit, mit der ein bekannter Historiker wie G. P. Gooch ihn über das Wissenschaftliche hinaus betreut hatte. Messerschmidt suchte einen Gelderwerb in der Industrie und in der Versicherungswirtschaft und arbeitete an verschiedenen Orten in der Bundesrepublik. Er studierte nebenher Jura und bewarb sich dann um 1962 als Jurist bei der Bundeswehr. Weil er in Südwestdeutschland bleiben wollte, entsprach es seinen Wünschen,

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Messerschmidts Selbstzeugnis: Typische und untypische Kriegserlebnisse im Ruhrgebiet, in: Alfred Neven Dumont (Hg.), Jahrgang 1926/27, Köln 2007, hier TB München 2009, S. 159-166; ders., Meine Erfahrungen als Soldat 1944/45, in: Ders., Militarismus, Vernichtungskrieg, Geschichtspolitik. Zur deutschen Militär- und Rechtsgeschichte, Im Auftrag des MGFA hrsg. v. Hans Ehlert, Arnim Lang, Bernd Wegner, Paderborn 2006, S. 383-394. Zum Gesamtkomplex Christoph Cornelißen, Gerhard Ritter. Geschichtswissenschaft und Politik im 20. Jahrhundert, Düsseldorf 2001; Klaus Schwabe/Rolf Reichardt (Hg.), Gerhard Ritter. Ein politischer Historiker in seinen Briefen, Boppard 1984. Manfred Messerschmidt, Deutschland in englischer Sicht. Die Wandlungen des Deutschlandbildes in der englischen Geschichtsschreibung, Düsseldorf 1955, S. 5 (Diss, von 1954). Interview mit Messerschmidt Freiburg, 20.2.2010.

Politische

Geschichtsschreibung

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beim jungen Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) angestellt zu werden. Das erst brachte ihn in die Geschichtswissenschaft zurück. Anders Jäckel, der bis zur Promotion in Freiburg bereits in Tübingen, Göttingen sowie in Gainesville, Florida, und in Paris am Institut d'Études politiques studiert hatte. Er fand bemerkenswerte Lehrer auch außerhalb der Geschichtswissenschaft, so in Nicolai Hartmann, aber auch in Wilhelm Grewe. Nach einem Zwischenspiel bei Arnold Bergsträsser in Frankfurt gelangte Jäckel nach Kiel zu dem Völkerrechtler Eberhard Menzel und erhielt eine Assistentenstelle bei Karl Dietrich Erdmann. Das öffnete für einen sich eher links verortenden jungen Historiker (er trat der SPD 1967 bei) die Chance, auch bei dem CDU-Mitglied, der aktive Bildungspolitik machte, wissenschaftlich weiter zu arbeiten. In Hamburg lehrte Egmont Zechlin gelegentlich über den Zweiten Weltkrieg, bildete jedoch gleichfalls hierzu nicht gezielt einen Schülerkreis. Jürgen Rohwers Thema vom Februar 1954 waren die deutsch-amerikanischen Beziehungen 1937 bis 1941, die als erster Teil deklariert waren, dessen Fortsetzung aber nie erschien. Bei Klaus-Jürgen Müller war es das deutsch-britische Verhältnis während des Frankreichkriegs 1940. Andere ließen sich hinzufügen wie Karl Klee, später Offizier. Er promovierte bei Zechlin 1957 über den deutschen Operationsplan gegenüber Großbritannien 1940. Diese Themenwahl lässt sich am ehesten durch die damals erste wissenschaftliche Edition, die von einer (west-)alliierten Historikerkommission herausgegebenen Akten zur deutschen auswärtigen Politik, erklären.5 Eingedenk der endlosen Kriegsschulddebatten im Gefolge des Ersten Weltkriegs setzte diese mit der Serie D zur unmittelbaren Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs ein. Die Autoren hatten allesamt keine Schwierigkeiten mit einer Sicht, die der Schweizer Historiker Walther Hofer bereits 1954 in einem Buch auf den Begriff brachte, »die Entfesselung des Zweiten Weltkriegs«. Das war geschichtspolitisch von nicht geringer Bedeutung. Anders war die Situation in Göttingen bei Percy Ernst Schramm.6 Ähnlich prominent wie Ritter, aber ausgewiesener Mediävist, promovierte er ungefähr zehn Doktoranden mit Themen zum engeren und weiteren Bereich des Zweiten Weltkriegs. Das war auf seine Tätigkeit als Kriegstagebuchfiihrer des Oberkommandos der Wehrmacht (KTB OKW) in den Jahren 1943 bis 1945 zurückzuführen. Er hatte in dieser Tätigkeit große Gestaltungsfreiheit gehabt, fasste oft erst nachträglich und somit als erster Historiker die eingegangenen Meldungen zusammen. Da er zuvor in der Wehrmachtpropaganda diente und auch auf der Krim eingesetzt war, ist es wahrscheinlich, dass ihm der besondere Charakter des Krieges zumindest bekannt war. Auch in seiner Stellung im OKW gingen seine Informationen weit über die kämpfende Truppe hinaus und dürften damit auch 5

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Astrid M. Eckert, Kampf um die Akten. Die Westalliierten und die Rückgabe von deutschem Archivgut nach dem Zweiten Weltkrieg, Stuttgart 2004. Zur Vita: Joist Grolle, Der Hamburger Percy Ernst Schramm - ein Historiker auf der Suche nach der Wirklichkeit, Hamburg 1989; Kurzform auch in: Die Zeit, 13.10.1989, S. 49 f. (Grolle wurde 1958 von Schramm promoviert und war 1974—1976 niedersächsischer Wissenschaftsminister, 1978-87 Hamburger Schulsenator).

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Züge des Vernichtungskriegs eingeschlossen haben. Doch machte er hiervon keinen Gebrauch bei der ganz überwiegend operativ-politischen Berichterstattung.7 Wichtiger aber noch dürfte die Tatsache gewesen sein, dass aus dieser Tätigkeit in der Nachkriegszeit eine andere Rolle erwuchs: Der Wissenschaftler fertigte bereits im Juni 1945 eine lange Aufzeichnung an für die Verteidigung des Chefs des Wehrmachtführungsstabes, Alfred Jodl, deren Kern er im Verhör für den Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess ausführte: dieser sei ein rein unpolitischer Fachmann, eben Militär, gewesen.8 Weitere Aussagen, Gutachten für die Verteidigung, eidesstattliche Erklärungen schlossen sich in Vorbereitung und Durchführung anderer alliierter Verfahren an, so unter anderem zu Kesselring, den »Südostgeneralen« Lanz und von Geithner, später auch Warlimont, Remer u. a. Das zog sich bis in die 1950er Jahre hin. Die meisten der Generale waren wegen Kriegsverbrechen angeklagt, also wegen Vorwürfen, deren Inhalt Schramm spätestens zu diesem Zeitpunkt bekannt wurde. Aber auch hier handelte er nach dem Grundsatz, jeweils deren militärfachlichen Handlungsansatz und Kompetenz herauszustellen. Der scheinbar objektive Historiker stellte sich in den Dienst einer Sache, deren positiver Werthaftigkeit er sich offensichtlich nicht entziehen wollte. Schramm befand sich noch bis 1947 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft/Internierung, in der er sich mit anderen handelnden Personen der NS-Zeit im »Prominentencamp« in Oberursel austauschen konnte und bereits ein umfängliches Manuskript »>1945prinzipientreuen< Radikalliberalismus« (Beispiel: Eugen Richter und die Freisinnige Volkspartei, die ihre prinzipielle Gegnerschaft zu Kolonialpolitik und Imperialismus erst 1904 aufgab), als »pragmatischen Antiimperialismus des entschiedenen Liberalismus« (Ludwig Bamberger, Heinrich Rickert, Theodor Barth und die Freisinnige Vereinigung, die zwar die staatliche Kolonialpolitik ablehnten, aber den privat getragenen, informellen Imperialismus befürworteten), als »liberalen Imperialismusrealpoliti6 7 8

9

Karl Holl, Krieg und Frieden und die liberalen Parteien, in: Ebd., S. 72-88; das Zitat: S. 72. Ebd., S. 78 f. Wolfgang J. Mommsen, Wandlungen der liberalen Idee im Zeitalter des Imperialismus, in: Ebd., S. 109-147. Lothar Gall, »Sündenfall« des liberalen Denkens oder Krise der bürgerlich-liberalen Bewegung? Zum Verhältnis von Liberalismus und Imperialismus in Deutschland, in: Ebd., S. 148-158, hier S. 148.

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sehen Imperialismus< der Nationalliberalen« (Gustav Stresemann).10 Mit der Ausgangsthese, dass es sich um eine in ganz Westeuropa »auf dem Boden strukturell bedingter Wachstumskrisen des industriellen Kapitalismus« erwachsene »imperialistische Ideologie« handele, relativierte und entdramatisierte er die problematische Beziehung der überwiegenden Mehrheit des deutschen Liberalismus zum Imperialismus. Er rückte die imperialistische Orientierung in eine westeuropäische Perspektive, durch die die reformorientierte, innenpolitische Seite besonders der »liberalen Imperialisten« aufgewertet wurde. Der Imperialismus Friedrich Naumanns und Max Webers erschien aus dieser Perspektive als Initialzündung für das Aufbrechen verkrusteter Herrschaftsstrukturen und als Beginn einer »durchgreifende[n] Liberalisierung der deutschen Verfassungsund Gesellschaftsordnung«; zu dieser »krafitvollefn] Weltpolitik nach englischem Vorbild, getragen von den breiten Massen der Nation« gehörten nicht nur verfassungspolitische Reformen, sondern auch die »dauerhafte Integration der Arbeiterschaft in den nationalen Staat«. Der Imperialismus sollte dafür die ökonomischen Voraussetzungen schaffen und den Liberalismus und das Bürgertum für ein Zusammengehen mit der revisionistischen Sozialdemokratie vorbereiten.11 Insgesamt wertete Mommsen die mehrheitliche Orientierung der liberalen Parteien an der imperialistischen Ideologie »als zeitweilige Überfremdung«, als »Verfremdung« und als den wohl »schwerwiegendste[n] Sündenfall«, da die Auswirkungen dieser Orientierung nirgends so verhängnisvoll wie in Deutschland gewesen seien.12 Lothar Gall fasste in seinem Kommentar die imperialistische Orientierung des Liberalismus dagegen nicht als einen einmaligen »Sündenfall«, als »Verfremdung« oder »Überfremdung« auf, sondern sah in ihr vielmehr einen konstitutiven Bestandteil des Liberalismus im Kaiserreich. Thesenartig zugespitzt, leitete er den liberalen Nationalismus und Imperialismus aus dem Scheitern des gesellschaftspolitischen Leitbilds des vormärzlichen Liberalismus ab: »Es war die Erwartung, dass sich im Zuge der Emanzipation der Gesellschaft aus den Fesseln der korporativen Ordnung eine klassenlose Bürgergesellschaft >mittlerer Existenzen< herausbilden werde [...] Die integrative Kraft dieser sozialen Zukunftserwartung [...] schwand [...] in dem Maße, in dem die tatsächliche wirtschaftliche und soziale Entwicklung diese Zukunftserwartung zunehmend als unrealistisch und letztlich utopisch erscheinen ließ.« 13

Dieser Prozess habe bereits unmittelbar nach 1850 eingesetzt. Infolgedessen hätten sich die bis dahin den Liberalismus tragenden Teile des Mittelstands entweder ganz, wie der agrarische Mittelstand, oder teilweise, wie das Handwerk, abgewandt. Zur Kompensation seiner »schwindenden politischen und sozialen Integrationskraft« habe der Liberalismus daraufhin, bis auf wenige Ausnahmen, einen »emotionalisierten Nationalismus«

10

Mommsen, Wandlungen, S. 122-132.

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Ebd., S. 123 (mit allen Zitaten). Ebd., S. 109 f.

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Gall, »Sündenfall«, S. 150.

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entwickelt.14 In Bezug auf Friedrich Naumann und Max Weber könne man gar von einer »Depravierung der liberalen Ideenwelt« sprechen; nicht die Liberalisierung im Innern sei das erste Ziel gewesen, um derentwillen der Imperialismus hätte instrumentalisiert werden sollen, sondern man müsse eher umgekehrt »von einer Instrumentalisierung des Liberalismus zur Durchsetzung nationalistischer und imperialistischer Ziele sprechen.«15 Nicht nur Wolfgang J. Mommsen als besonderen Kenner der Schriften Friedrich Naumanns zur Verfassungspolitik und Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik16 sowie als Autor »der« Weber-Biographie, deren zweite Auflage gerade im Erscheinen begriffen war,17 musste ein solcher Vorwurf ins Mark treffen, wurde doch nicht nur den »liberalen Imperialisten«, sondern dem gesamten Liberalismus seit Mitte des 19. Jahrhunderts durch Galls Thesen jegliche Anschlussfähigkeit auf der Suche nach Lösungsstrategien für Probleme, die mit der hochindustrialisierten und demokratisierten Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts verbunden waren, von vornherein abgesprochen. Auf dem kurz darauf folgenden 30. Historikertag in Braunschweig vom 2. bis 5. Oktober 1974 stand der Liberalismus erneut im Zentrum des Interesses. Hier ging es aber nicht um die Beziehung zum Imperialismus im Wilhelminischen Reich, sondern, genereller, um das Verhältnis zu »Modernisierung« und »bürgerlicher Gesellschaft«. An der von Reinhard Rürup geleiteten Sektion zum Thema »Liberalismus und bürgerliche Gesellschaft in Deutschland bis zur Krise der 1870er Jahre« beteiligten sich neben KarlGeorg Faber und Lothar Gall als Referenten Thomas Nipperdey und Heinrich August ι o

Winkler als Kommentatoren. Als Lothar Gall den auf der Grundlage seiner dort vorgetragenen Thesen ausgearbeiteten Aufsatz »Liberalismus und »bürgerliche Gesellschaft« ein Jahr später veröffentlichte, stellte er ihm eine den kämpferischen Zeitgeist sehr treffende Vorbemerkung voran:

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Ebd., S. 150 f., S. 155. Gall zählte zu den Ausnahmeliberalen Georg Gottfried Gervinus und Hermann Schulze-Delitzsch, die, gerade weil sie am vormärzlichen Leitbild einer klassenlosen Bürgergesellschaft festhielten, mehr Demokratie und soziales Engagement vom Liberalismus einforderten. Ebd., S. 153. Vgl. Friedrich Naumann, Werke, Bd. 2, Politische Schriften, hrsg. v. Theodor Schieder (= Schriften zur Verfassungspolitik, bearbeitet von Wolfgang J. Mommsen), Köln/Opladen 1966 und Bd. 3, Politische Schriften, hrsg. v. Theodor Schieder (= Schriften zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, bearbeitet von Wolfgang J. Mommsen), Köln/Opladen 1966. Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, 2. Aufl., Tübingen 1974. Vgl. Bericht über die 30. Versammlung deutscher Historiker in Braunschweig, in: GWU Beiheft (1976), S. 79-82.

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Rita Aldenhoff-Hiibinger »Die thesenhaft zuspitzende Form des Beitrags wurde im Interesse der Fortführung der dort erstmals seit langem wieder in Gang gekommenen allgemeineren Diskussion über Charakter und Rolle der bürgerlich-liberalen Bewegung in Deutschland bewußt beibehalten.« 19

Die Thesen, die Gall erstmals auf dem Historikertag einem großen Kreis vorstellte, brachen nicht nur mit der vorherrschenden Interpretation des Liberalismus als einem Teil des deutschen Sonderweges, sondern überhaupt mit der Sicht des Liberalismus als der politischen Weltanschauung des aufsteigenden, wirtschaftlich expandierenden Bürgertums.20 Gall negierte den Liberalismus als ernst zu nehmende politische Kraft angesichts der sich stellenden zentralen sozialen und wirtschaftlichen Probleme, die mit der Industrialisierung verbunden waren. Er deutete den Liberalismus vielmehr als eine »in der Tradition der antiabsolutistischen Aufklärung« verankerte Reformbewegung, die »ihre eigenen sozialen Zukunftserwartungen weitgehend aus ihrer unmittelbaren lebensweltlichen Erfahrung« ableitete, das heißt einer »vorrevolutionären Umwelt verhaftet« war. Das auf dieser Basis entwickelte Zukunftsmodell sei das einer »klassenlosen Bürgergesellschaft >mittlerer< Existenzen, einer, rückblickend formuliert, vorindustriellen, berufsständisch organisierten Mittelstandsgesellschaft auf patriarchalischer Grundlage.« Dieses Erwartungsmodell sei angesichts der Industrialisierung, das heißt zumindest tendenziell bereits seit den 1850er Jahren, »zur bloßen Klassenideologie, der Liberalismus selber zur Klassenpartei mit stark sozialkonservativen Zügen« degeneriert.21 Diese Thesen, die hier bewusst nach dem zeitnah erstellten Bericht des Historikertags referiert werden, bargen enormen Sprengstoff in sich. Zum einen mutete es ja außerordentlich ideologiekritisch und provokant an, wenn vom Liberalismus rundweg als von einer degenerierten Klassenpartei gesprochen wurde. Zum anderen jedoch wurde durch die weltanschauliche und lebensweltliche Verortung im Vormärz der Liberalismus für tot erklärt, bevor er überhaupt politisch nachhaltig aktiv werden konnte. Es verwundert also kaum, dass der Widerspruch nicht lange auf sich warten ließ. In seinem Kommentar stellte Heinrich August Winkler als erstes unumwunden fest: »Der westeuropäische Liberalismus ist als breite politische Bewegung ein postrevolutionäres Phänomen.« Das spezifische Dilemma des deutschen Liberalismus habe darin gelegen, dass sich in der 19

20

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Lothar Gall, Liberalismus und »bürgerliche Gesellschaft«. Zu Charakter und Entwicklung der liberalen Bewegung in Deutschland, in: HZ 220 (1975), S. 324-356, Zitat: S. 324; unter demselben Titel auch in: Lothar Gall (Hg.), Liberalismus (= Neue Wissenschaftliche Bibliothek 85), Köln 1976, S. 162-186 [2. erweiterte Aufl., Königstein 1980; 3. erweiterte Aufl., Königstein 1985], sowie in: Lothar Gall, Bürgertum, liberale Bewegung und Nation. Ausgewählte Aufsätze, hrsg. v. Dieter Hein/Andreas Schulz/Eckhart Treichel, München 1996, S. 99-125. Karl-Georg Faber führte in seinem einleitenden Referat das Scheitern des Liberalismus im 20. Jahrhundert nicht auf immanente Schwächen zurück, sondern sah es in der »fragwürdigen Symbiose von Obrigkeitsstaat und bürgerlicher Gesellschaft« angelegt. Vgl. 30. Versammlung deutscher Historiker, S. 79 f. Die ausgearbeitete Fassung wurde unter dem Titel veröffentlicht: Strukturprobleme des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert, in: Der Staat 14 (1975), S. 201-227. 30. Versammlung deutscher Historiker, S. 80 f.

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1848er-Revolution der Machtanspruch des Bürgertums nicht habe durchsetzen können und demzufolge der Liberalismus mit dem Widerspruch zwischen (westlicher) postrevolutionärer Ideologie und (faktischer, deutscher) vorrevolutionärer Umwelt habe kämpfen müssen. Die sich daraus ergebende Spannung zwischen linkem (demokratischem) und rechtem Liberalismus habe die Bewegung dauerhaft geprägt. Das Votum für den deutschen Nationalstaat unter preußischer Führung sei aber weder auf der rechten noch gar der linken Seite mit einem Votum für den Obrigkeitsstaat identisch gewesen. Obwohl Winkler Gall unhistorisches Vorgehen vorwarf, da er »eine frühe vormärzliche Erscheinungsform des Liberalismus zum normativen Idealtypus« hochstilisiere, »dem gegenüber sich dann selbst der >klassische Liberalismus< als Degenerationserscheinung« deuten ließe, gibt auch er selbst dem Liberalismus nur eine wenig verlängerte Lebensdauer. »Von einer Kapitulation des LiberalismusAugustbegeisterung< unverantwortlicher beziehungsweise leichtfertiger Kriegsenthusiasmus gewesen sei,12 so hat die deutsche und internationale Forschung hier doch seit einiger Zeit eine neue Perspektive entwickelt. Es zeigt sich insgesamt deutlich, dass die Erwartungen und Befürchtungen der meisten Deutschen doch eher - ganz ähnlich wie in Frankreich - von einer Art »drückender Schwüle« beherrscht waren, einer nicht mehr erträglichen Spannung, die sich dann im Moment der Mobilmachungen und Kriegser-

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Wolfgang Kruse, Krieg und nationale Integration. Eine Neuinterpretation des sozialdemokratischen Burgfriedensschlusses 1914/15, Essen 1993. Gerd Krumeich, Aufrüstung und Innenpolitik in Frankreich vor dem Ersten Weltkrieg, Mainz 1980; Eugene Weber, The Nationalist Revival in France. 1905-1914, Berkeley 1959, [2. Aufl., Berkeley 1968], Eine systematische Untersuchung steht aus, vgl. Gerd Krumeich, »Einkreisung«. Zur Entstehung und Bedeutung eines politischen Schlagwortes, in: Sprache und Literatur in Wissenschaft und Unterricht 20 (1989), S. 99-104; Ute Daniel, Einkreisung und Kaiserdämmerung oder: Ein Versuch, der Kulturgeschichte der Politik vor dem Ersten Weltkrieg auf die Spur zu kommen, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? (= Beiheft 35 der ZHF), Berlin 2005, S. 279-328. Wolfgang J. Mommsen, Die Urkatastrophe Deutschlands, Der Erste Weltkrieg 1914-1918, in: Bruno Gebhardt (Hg.), Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 17, 10. Aufl., Stuttgart 2001, S. 113-134. Zuletzt: Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.), August 14. Ein Volk zieht in den Krieg, Berlin 1989.

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klärungen in einem als ganz neu und revolutionär empfundenen Gemeinschaftserlebnis (die Gemeinschaft der belagerten Festung) äußerte, und wohl örtlich auch zu den früher zu stark verallgemeinerten >BegeisterungsVerteidigungs-Topos< in Deutschland während des Ersten Weltkriegs. Was die Soldaten angeht, so scheinen sie aber insgesamt angetrieben, beziehungsweise >bei den Fahnen gehalten< worden zu sein durch die tiefgreifende Überzeugung, einen vorgeschobenen Verteidigungskrieg zu führen. Immer wieder wird in ihren Briefen und Publikationen - den Frontzeitungen - der Begriff der »Wacht an der Somme«,14 die Metapher vom »Wall von Eisen und Feuer«15 und anderem mehr verwendet. Und immer wieder wird die Zufriedenheit darüber geäußert, dass man der Heimat durch diesen Vorposten-Einsatz die immensen Zerstörungen des Krieges erspart habe.16 Die alliierte Kampagne gegen die deutsche Brutalität war aus deutscher Sicht völlig unsinnig. »Sind wir die Barbaren?«, fragte ein offizielles deutsches Plakat 1914 in naiver Tonart. Und solch ein überdidaktischer und hölzerner Diskurs sagt viel aus über die deutsche Mentalität, die nicht zu einem echten >Krieg der Kulturen< geeignet war. Das zeigt ein weiterer von Wolfgang J. Mommsen vorgelegter, interdisziplinär orientierter Sammelband »Kultur und Krieg«, der sich mit der Haltung der kulturellen Eliten im Krieg befasst und besonders die Stellungnahmen von Historikern, Sozialwissenschaftlern, Künstlern und Schriftstellern zum Kriegsgeschehen beleuchtet.17 Das zentrale Motiv dieser Kulturträger aller Provenienz war und blieb die These, dass Deutschland einen gerechten Krieg führe, weil es seine Existenz gegen hassvolle und neidische Nachbarn verteidige. Dieses Motiv war ein Konstrukt, es brauchte daher stetige Nahrung, eine Wiederholung der zugrundeliegenden Prinzipien. Doch es fehlten ihm der Elan und damit die nötige Durchschlagskraft. Während die Alliierten ohne Unterlass behaupten konnten, der »Thor le plus barbare« (so der Titel eines berühmten französischen Plakats) tobe sich in den besetzten Gebieten aus, blieb der deutschen Propaganda nur der stete Widerspruch. Offensiv ging die Propaganda nur gegen die Engländer vor. Ihr zufolge hegte die britische Kultur nur schlechte Absichten, der »Tommy« führte dumm und unwissend die dunklen Pläne des englischen Kapitalismus aus, der seit den Tagen des den Deutschen besonders verhassten Königs George V.

Christian Geinitz, Kriegsfurcht und Kampfbereitschaft. Das Augusterlebnis in Freiburg; eine Studie zum Kriegsbeginn 1914, Essen 1998; Roger Chickering, Freiburg im Ersten Weltkrieg. Totaler Krieg und städtischer Alltag 1914-1918, Paderborn 2009; Jeffrey Verhey, Der »Geist von 1914« und die Erfindung der Volksgemeinschaft, Hamburg 2000. Der Titel der Feldzeitung der 1. Armee lautete beispielsweise »Die Somme-Wacht«. Georg Wegener (Hg.), Der Wall von Eisen und Feuer, 3 Bde., Leipzig 1915-1920. Vgl. Gerhard Hirschfeld/Gerd Krumeich/Irina Renz, Die Deutschen an der Somme, Essen 2006. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München 1996.

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neidisch auf den deutschen Aufstieg geblickt hatte und diesen aufhalten wollte.18 Das wichtigste Beispiel hierfür war Werner Sombarts »Händler und Helden« von 1915. Hierin stellte der damals führende deutsche Nationalökonom den britischen und deutschen Kaufmannsgeist gegeneinander. Natürlich stand der deutsche Kaufmann weit über der Antikultur des englischen Kapitalismus. Deutschland sei »der letzte Damm gegen die Schlammflut des [englischen] Kommerzialismus«.19 Mommsens »Kultur und Krieg« zeigt auch, was >Kriegskultur< damals für die katholische und evangelische Kirche in Deutschland bedeutete. Für beide Kirchen war der Kriegsausbruch gleichbedeutend mit »religiösem Erwachen«. Der Kriegsenthusiasmus schien zum Teil heilige Züge aufzuweisen. So begrüßten die Hirtenbriefe der Bischöfe den Krieg als ein Ereignis, dessen »mächtiger Wind die ungesunde Atmosphäre einer rein materiellen Kultur reinigte«. Man sei Gott dem Herrn zu Dank verpflichtet für die »großartigen Erfolge und Siege, für die der Himmel unsere Waffen gesegnet hat«. Es ist allerdings bemerkenswert, dass die Hirtenbriefe weniger auf den Stolz der Deutschen als vielmehr auf das Gebet, die Buße und die Sühne rekurrierten. Sie bekräftigten - trotz des gesunden Enthusiasmus einer Nation - die Menschlichkeit des Feindes »als Kinder Gottes« und die Charakteristik des Kriegs als eine Strafe Gottes für diejenigen, die allzu sehr vergessen hatten, dass Gott allein der Herr ist.20 Während man der Zivilbevölkerung - auch den Kindern - in Frankreich einen barbarischen Feind und die konkreten Gräueltaten des Besetzers präsentierte (vgl. dazu weiter unten), fand sich auf deutscher Seite nichts Vergleichbares, mit Ausnahme der Erregung über die kurzfristige russische Besetzung Ostpreußens zu Beginn des Krieges. Die Arbeiten von Gudrun Fiedler, Ute Daniel, Christa Hämmerle und Andrew Donson21 zeigen vielmehr deutlich auf, dass die deutschen Autoritäten bemüht waren, die Kinder »aus dem Kampfgetümmel« herauszuhalten. Natürlich spielten die deutschen Jungen Krieg, doch es fehlte die systematische Vermittlung des Hasses auf den Gegner. Man >mobilisierte< den Nachwuchs in erster Linie, um die gewonnenen Schlachten zu feiern (nach Bekanntgabe von großen Siegen durch das Hauptquartier gab es >schulfreiBarbar< bezeichnet. Während die westlichen Demokratien mit ihrer Erfahrung in politischer Polemik die Medien aggressiv zu nutzen wussten, fehlten dem halb-konstitutionellen und autoritären Kaiserreich dafür Gespür und Erfahrung. Die Militärzensur trug vielmehr Sorge, die deutsche Öffentlichkeit nicht allzu sehr in Wallung zu versetzen, man fürchtete eine Art Demokratisierung der Propaganda. Die deutsche >Kriegskultur< wurde aus diesem Grund in erster Linie von Intellektuellen bestimmt, von Akademikern, Schriftstellern, Theologen, gar Priestern. Durch ein Milieu also, welches gewohnt war, sich öffentlich zu äußern und politische Diskussionen zu führen. Erstaunlich ist die Inbrunst, mit der Dichter und Schriftsteller den deutschen Burgfrieden priesen und - meist gegen England - Hasstiraden verbreiteten. All das, was seit 1900 in diesen Milieus gedacht und gesagt worden war, schien sich im Krieg zu bewahrheiten: Die englische Heimtücke, deren verlängerter Arm Frankreich war, um das dynamische Deutschland zu ersticken. Der Hass auf England war das Leitmotiv der deutschen >KriegskulturKriegskulturen< gab es deutliche Unterschiede, entsprechend verschieden waren die Ausdrucksformen. Die Tatsache, dass das Vaterland angegriffen und zu Teilen besetzt war, rief in Frankreich einen Diskurs hervor, dessen Extremismus und Gewalttätigkeit Ausdruck dieser direkten Nähe des Krieges und der daraus resultierenden Ängste und Phantasmen waren. Die staatliche Propaganda benötigte hier keine besonderen Anstrengungen, um die Franzosen von der Brutalität des Feindes und seiner Kultur zu überzeugen. Der erste, der diese Problematik auf wissenschaftlicher Ebene ausformulierte, war Jean-Jacques Becker, dessen große Arbeit über die Mentalitäten der Franzosen in der 22

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Nicolas Beaupré, Écrire en guerre, écrire la guerre, Paris 2006; dagegen Benjamin Ziemann, Front und Heimat. Ländliche Kriegserfahrungen im südlichen Bayern 1914-1923, Essen 1997; Anne Lipp, Meinungslenkung im Krieg. Kriegserfahrungen deutscher Soldaten und ihre Deutung 1914— 1918, Göttingen 2003. Wolfgang J. Mommsen, Kriegsalltag und Kriegserlebnis im Ersten Weltkrieg, in: Ders., Der Erste Weltkrieg. Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters, Frankfurt a. M. 2004, S. 137-154, Zitate S. 146 und 147.

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unmittelbaren Vorkriegszeit und bei Kriegsbeginn 1914 ausdrücklich der Frage gewidmet war: »Pourquoi ont-ils tenu«? Warum haben die Franzosen - Zivilisten wie Soldaten - die keineswegs >begeistert< in den Krieg zogen, wie so lange stereotyp angenommen, dann doch trotz aller Proteste und Krisen - etwa die Soldaten-Meutereien und die Streiks von 1917 - kollektiv ausgehalten? Beckers Antwort war ebenso einfach wie eindeutig: man habe den Krieg ausgehalten, weil man ganz überwiegend von Anfang bis Ende des Krieges der Überzeugung war und blieb, dass es um die Verteidigung des Vaterlandes gehe, dass es darum gehe, den »boche« aus Frankreich zu veijagen. Noch in der letzten Publikation Beckers, gemeinsam mit dem Verfasser dieses Artikels als eine erstmalige vergleichende deutsch-französische Reflexion über den Ersten Weltkrieg verfasst, ist diese trotz der inzwischen vergangenen 35 Jahre Geschichtsschreibung zum Ersten Weltkrieg weiterhin forschungsleitende Überzeugung folgendermaßen festgehalten worden: »Wie kann man dieses Verhalten der Soldaten erklären, das praktisch vom Anfang bis zum Ende des Krieges anhielt und was diesem Krieg einen >so rätselhaften Charakter< (J. B. Duroselle) gibt? Die einfachste Erklärung ist, dass die Soldaten tatsächlich von einem Nationalgefühl durchdrungen waren [...] Dieses Gefühl der eigenen Zugehörigkeit zur Nation ist ein zentrales Element der Erklärung. Die Soldaten sind zu dem, was sie getan haben, nicht gezwungen worden, sondern sie waren damit einverstanden. [...] Dieses Grundgefühl hat die Soldaten nicht davon abgehalten, permanent über die Bedingungen, unter denen sie zu leiden hatten, zu murren. Ebenso offensichtlich wäre es vollkommen absurd zu glauben, dass die Männer begeistert gewesen wären, unter der Kälte, oder der Hitze, dem Hunger, dem Durst, dem Schlamm, der Vergiftung durch Gas zu leiden; hinzu kam noch die ständige Gefahr, verletzt, verstümmelt oder getötet zu werden. Die Solidarität unter Kameraden hat in kleinen Gruppen ebenfalls eine große Rolle gespielt, ebenso wie auch die Unfähigkeit aufzugeben, wenn man schon so viele Opfer gebracht hat. Das Wesentliche jedoch war, dass die Soldaten keine Niederlage akzeptieren wollten. Sie waren entschlossen - oder hatten sich damit abgefunden - bis zum Letzten zu kämpfen«. 24

Es kann nicht verwundern, dass diese Art zu denken und zu schreiben als »nationalistisch« kritisiert worden ist.25 Schnell - zu schnell - wurde geschlossen, dass Beckers These eine Rückkehr des chauvinistischen Patriotismus in die Geschichtswissenschaft signalisiere, eine Art von »bleu horizon«-Nationalismus, wie er in bürgerlichen Kreisen der 1920er und 1930er Jahren üblich gewesen war und auch noch in den 1960er Jahren etwa im Umkreis der französischen Verdun-Kämpfer durchaus gängig blieb.26 Aber wie das ausfuhrliche Zitat zeigt: Becker ist keineswegs auf Verherrlichung des Patriotismus der Soldaten aus, seine Analyse redet auch den Krieg nicht schön. Er sagt im Grunde nur, was in Frankreich (auch auf der Linken!) Grundkonsens der Historiographie zum 24

25

26

Jean-Jacques Beckerl Gerd Krumeich, Der Große Krieg, Deutschland und Frankreich im Ersten Weltkrieg 1914-1918, Essen 2010, S. 240 f. So zuletzt noch Nicolas Offenstadt, Der Erste Weltkrieg im Spiegel der Gegenwart. Fragestellungen, Debatten, Forschungsansätze, in: Amd Bauerkämper/Elise Julien (Hg.), Durchhalten! Krieg und Gesellschaft im Vergleich 1914-1918, Göttingen 2010, S. 54-80. Hierzu näher Prost/Winter, The Great War in History, S. 85 ff.

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Ersten Weltkrieg war, ungeachtet des seit den 1920er Jahren immer wieder aufbrechenden Streites über die Kriegsursachen und Kriegstreibereien (etwa Poincarés). Aber selbst die französischen Kritiker des »kriegstreiberischen Imperialismus« und des Zynismus der Bourgeoisie, der vorgeblich aus Profitgier zugelassen hat, dass Millionen von Soldaten umkamen oder schrecklich verwundet wurden, haben im Grunde nie daran gezweifelt, dass es im »Großen Krieg« von 1914 bis 1918 um die Verteidigung des französischen Vaterlandes gegen die »Hunnen« oder den »boche« gegangen ist.27 Das macht beispielsweise die Analyse des Verhaltens der französischen Kommunisten gegenüber Deutschland - ja sogar gegenüber den deutschen Kommunisten im Rahmen der 3. Internationale - überaus deutlich.28 Eine andere Frage als die des Patriotismus und der Vaterlandsverteidigung ist die, ob die Soldaten sich gleichermaßen aktivistisch im Krieg eingegraben haben, ob sie angetrieben waren und blieben durch Hass auf den »boche« und ob Grausamkeit und Tötenwollen ihr Verhalten bestimmt haben. In dieser Hinsicht hat sich Stéphane AudoinRouzeau, Schüler von Jean-Jacques Becker, recht weit vorgewagt und relativ extreme Thesen vertreten, die viel Aufmerksamkeit erregt haben, aber selbst bei seinen Freunden und Weggefährten auf Skepsis stießen und bei seinen Gegnern wie ein Flächenbrand wirkten. Audoin-Rouzeau hatte zunächst eine Thèse de doctorat über die »combattants des tranchées« verfasst. Hier hatte er - und das war ein wissenschaftlicher Dammbruch - mit der genauen Analyse der echten Schützengraben-Zeitungen der französischen Soldaten herausgefunden, dass trotz der Beschwerlichkeiten und Unmenschlichkeiten des Schützengraben-Alltags ganz unvermindert und ungebrochen dieser Hass auf den »boche« und die Überzeugung über vier Jahre hinweg erhalten blieb, dass es gelte, diesen zu verjagen. Immer wieder fand sich hier auch ein Aktivismus des Tötenwollens, der in der bisherigen Leidensliteratur des soldatischen Kriegserlebnisses, wenn nicht ganz ausgespart, so doch sehr verdrängt worden war. Audoin-Rouzeau hatte dann in einem zweiten innovativen Buch über »Den Krieg der Kinder« gezeigt, wie die Kinder und Jugendlichen Frankreichs für den Krieg instrumentalisiert worden sind, wie sich Lehrer, Priester und die entsprechenden Institutionen (mit wechselndem Erfolg) bemühten, die Kinder mit Hass zu erfüllen und damit die »Heimatfront« zu stärken. Dieses - auch partiell international vergleichend angelegte - Buch zeigte deutlich, wie stark das republikanische Frankreich tatsächlich von einer >Kriegskultur< erfasst war, tatsächlich den Krieg totalisieren, das heißt alle Franzosen darin einbeziehen und ideologisch auf den Krieg fixieren wollte. Ganz anders als das eher konservative Deutsche Reich, wo trotz aller Appelle an die Innere Front und deren Einbeziehung etwa in das »Hindenburg-Programm« der Weltkrieg doch so weit irgend möglich von der Zivilbevölkerung ferngehalten werden sollte. Zensur und Verbote er27

28

Vgl. Jacques Droz, Les causes de la Première guerre mondiale - essai d'historiographie, Paris 1973. Joachim Schröder, Internationalismus nach dem Krieg. Die Beziehungen zwischen deutschen und französischen Kommunisten 1918-1923, Essen 2008.

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setzten hier, was in Frankreich die maßlose Kriegspropaganda direkt versuchte: wirklich alle Staatsbürger, auch die Frauen und Kinder, in den Krieg zur Rettung des Vaterlands einzubeziehen. Die Arbeiten von Annette Becker, der Tochter Jean-Jacques Beckers, sind in dieselbe Richtung gegangen. Mit ihrem wegweisenden Buch über die Kriegs-Religiosität wollte sie nachweisen, wie stark die französische Bevölkerung, Soldaten wie Zivilisten, in die >Kriegskultur< eingebunden wurde. Ganz anders als in Deutschland diente hier die Religion während des Krieges quasi als verlängerter Arm der entfesselten Kriegspropaganda 29

- ganz im Unterschied wiederum zu Deutschland, wie gezeigt werden konnte. Stéphane Audoin-Rouzeau und Annette Becker zusammen haben dann im Jahre 2000 eine »Summa« ihrer Ansichten veröffentlicht.30 Dieses äußerst provokative Buch hat den bis dahin nur untergründig schwelenden Dissens zwischen den >linken< und den >rechten< französischen Historikern zum Brand entfachen können. Ein Hauptstrang der Argumentation der beiden Autoren zielt gegen die traditionelle und seit der Arbeit von Norton Cru (s. u.) quasi kanonisierte Leidensgeschichte der (französischen) Soldaten im Krieg.31 Ausgehend von der einfachen Beobachtung, dass es im Ersten Weltkrieg keine »trêve des brancardiers« mehr gegeben habe, also keine Feuerpause zum Einsammeln der Toten und Verwundeten des Schlachtfelds, versuchen die Autoren zu zeigen, dass es keineswegs allein die »Maschinisierung« des Krieges gewesen sei, die diesem eine neue Qualität als »totalem« Krieg verliehen habe, sondern zumindest genau so sehr die Identifizierung der Soldaten mit den großen Themen der Kriegspropaganda. Gegen die Anonymität des Leidens und des Sterbens der Soldaten setzten sie die Erfahrung des Nahkampfes, »la guerre des matraques«, bei Audoin-Rouzeau auch in späteren Veröffentlichungen immer wieder fokussiert auf die Messer, mit denen die Soldaten »regimentär« ausgerüstet waren, deren Gefährlichkeit sie aber vielfach noch individuell steigerten (Wellenschliff usw.). Aber auch darüber hinaus habe es eine Gesamt-Brutalisierung im und während des Krieges gegeben: so hätten die Deutschen einen regelrechten »Krieg gegen die Zivilisten« geführt, systematisch Grausamkeiten begangen. Aber auch die anderen Kriegfiihrenden hätten die Zivilisten in welcher Form auch immer in den Krieg hineingezogen, quasi für den totalen Krieg mobilisiert und re-mobilisiert. Die >Kriegskultur< habe darin bestanden, dass die Mobilisierung der Geister immer weiter fortgeschritten sei, bis hin zum »Kreuzzug« gegen die deutschen »Barbaren«, die auszurotten die Rettung der Welt bedeute. An den manchmal aus präziser Beobachtung, manchmal aus Lust am Fortdenken entstandenen Thesen über die Totalisierung und Brutalisierung des Krieges auf allen Ebenen ist in der innerfranzösischen Diskussion vor allem letzteres festgehalten - und vehement bestritten worden. Dies nicht zuletzt aus dem Grunde, dass die beiden jungen 29 30 31

Krumeich, »Gott mit uns«. Stéphane Audoin-Rouzeau!Annette Becker, 14-18. Retrouver la Guerre, Paris 2000. Hierzu auch Prochasson, 14-18, bes. Teil VI, S. 167-278.

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Autoren sich explizit gegen die Tradition der antimilitaristischen und linksorientierten Sicht >von unten< auf das soldatische Leben und Leiden im Kriege wandten. Tatsächlich war diese Tradition alt und im Grunde in der französischen Gesellschaft bis dahin unbestritten gültig. Jean Norton Cru, ein Gymnasiallehrer und selbst Soldat des Ersten Weltkriegs, hatte in den 1920er Jahren die massenhaft entstandene und der Glorifizierang der Soldaten dienende Erinnerungsliteratur einer kritischen - sezierenden - Analyse unterworfen. Die große Masse dieser Literatur strotzte, so Crus Urteil, von Unrichtigkeiten und Unwahrhaftigkeiten. Redeten die Souvenirs nicht auch von »Strömen von vergossenem Blut und Leichenbergen«, wo in Wirklichkeit keine oder kaum Verluste gewesen waren? Norton Crus »Témoins« war (und ist) seither das wichtigste Referenzwerk der demokratisch-antimilitaristischen Linken in Frankreich geblieben, woran auch die große Diskussion, in die es in den letzten Jahren geraten ist, wenig ändert.32 Norton Cru jedenfalls hätte sicherlich die von Audoin/Becker publizierten Quellen über Tötungslust und »Brutalisierung« der Soldaten als leeres Geschwätz, als nicht mit der soldatischen Erlebniswelt übereinstimmenden bourrage de crâne durch interessierte Kreise, Medien und Herrschaftsinteressen und -praxen verurteilt. Und nicht von ungefähr wird von den Kritikern der Arbeiten von Stéphane Audoin-Rouzeau und Annette Becker immer wieder Norton Cru eingebracht. Eine der führenden Persönlichkeiten dieses Gegenlagers - inzwischen auch mit dem leicht polemisch-politisch klingenden Titel als CRID institutionalisiert34 - ist Rémy Cazals, der 1978 die über Jahrzehnte als »emblematisch« geltenden Memoiren des einfachen Soldaten Louis Barthas entdeckte und publizierte. Louis Barthas ist ein Mann aus dem Volk, ein »tonnelier« (Tonnenmacher, Küfer), der aus der Erinnerung mit ungeheurer Präzision über den ihm aufgezwungenen und ihn daher mit Abscheu erfüllenden Krieg in allen Einzelheiten berichtet. Barthas ist prototypisch für den schlichten »poilu«, der nicht versteht, der verachtet und hasst, was die Oberen aller Art ihm an Kriegszwängen oktroyieren. Barthas war und ist auch heute noch als Quelle keineswegs unumstritten: Es handelt sich um eine nachträgliche Kriegserzählung, aber diese war »aus einem Guss« gefertigt.35 Zudem erschien das Buch bei Maspéro, also in einem antimilitaristischen Verlag. Gegen die pazifistische Botschaft anzudenken oder gar der neuen These zu folgen, dass sich unter den Soldaten eine kulturell überhöhte, gleichsam positive Besetzung des Kriegserlebnisses verbreitet haben soll, stellte nicht nur für kritische Intellektuelle eine große Herausforderung dar. Hatte nicht bereits die Bibel der 32 33

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Die Gesamtdiskussion in ebd. Frédéric Rousseau, Le Procès des témoins de la Grande Guerre. L'Affaire Norton Cru, Paris 2003; ders. (Hg.), Jean Norton Cru, Témoins, nouvelle édition Nancy 2006. »Collectif de recherche international et de débat sur la guerre de 1914-1918«. Rémy Cazals (Hg.), Les carnets de guerre de Louis Barthas, tonnelier, 1914—1918, Paris 1978; zum Einfluss dieses Buches: Prochasson, 14—18, S. 43 f.; vgl. hierzu auch die Aufzeichnungen des auf deutscher Seite dienenden elsässischen Bauern Dominik Richert: Dominik Richert, Beste Gelegenheit zum Sterben. Meine Erlebnisse im Krieg 1914-1918, hrsg. v. Bernd Ulrich/Angelika Tramitz, München 1989.

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Wissenschaft vom soldatischen Kriegserlebnis, Norton Crus erwähnte Sammlung der »Témoins«, ein für allemal konstatiert, dass nur wenige Ideologen und »Überzeugungstäter« (abgesehen vom großen Heer der Drückeberger) das soldatische Kriegserlebnis verherrlicht hatten, nicht aber der Poilu, der gemeine Frontsoldat? Die Gegner der Argumentation von Audoin-Rouzeau und - weniger - von Annette Becker äußern sich zumeist in rechts-links Schablonen und versuchen nachzuweisen, dass die »gewöhnlichen Soldaten« (C. Jahr) in keiner Weise durch den Krieg »brutalisiert« worden seien. Nicht nationalistische Überzeugung, Patriotismus oder gar Freude am Krieg und am Töten des »boche« hätten sie im wahrsten Sinne »bei der Stange« gehalten, sondern allein der Zwang. 36 Eine differenzierte Position hat bislang vor allem Antoine Prost in einem wegweisenden Beitrag über »die Grenzen der Brutalisierung« vorgelegt. 37 Prost, durch seine monumentale »Thèse« über die Mentalitäten und Politik der »Anciens combattants« als wohl bester Kenner der soldatischen Mentalitäten ausgewiesen, 38 hat gezeigt, wie sinnlos es ist, zu versuchen, über die Analyse einzelner Soldatenbriefe und anderer Ego-Dokumente einen irgendwie stichhaltig generalisierenden Nachweis zu führen. Für ihn besteht kein Zweifel daran, dass diejenigen Soldaten, die Freude am Töten des »boche« gehabt haben, in verschwindend kleiner Minderzahl waren. Auch hätten die militärischen Oberen grundsätzlich darauf geachtet, dass es zu keinem wie auch immer lustbesetzten Morden am Gegner gekommen sei - und sei es allein aus Gründen der Aufrechterhaltung der Disziplin. Dass der Krieg also geholfen habe, dass Mörder ihre Mordgesinnung austoben konnten, sei eine für den Ersten Weltkrieg in keiner Weise zutreffende Behauptung. 39 Prost methodisch sichere Grenzziehung dürfte auch auf Dauer unwidersprochen bleiben. Was man allerdings weiter überprüfen sollte, ist die in der bisherigen - und noch zu polemischen - Auseinandersetzung überhaupt noch nicht thematisierte Problematik, welchen Platz die Anonymität nicht des Getötetwerdens, sondern dieselbe Anonymität des Tötens in der Aufrechterhaltung der Kampfmoral gehabt hat. Es sind beispielsweise vielfach Fotos und Filmsequenzen vorhanden, die Soldaten beim >Füttern< der Geschütze mit Munition aller Kaliber zeigen, wobei dies zumeist mit Arbeit, vergleichbar mit Hochofenarbeit assoziiert wird. Immer wieder zeigen diese Filmszenen aber auch eine gewisse >Freude an der Arbeitkulturellen< Konsequenzen des Ersten Weltkriegs, wie stark haben Massenverluste und Massenschmerz auf die Gefühlswelt und die Ideologien der Nachkriegsjahre eingewirkt? Wie stark ist schließlich das Trauma des verlorenen beziehungsweise auch das Trauma des nur mit äußerster Anstrengung und riesigem Blutzoll gewonnenen Krieges für die Entwicklung extremistischer Strömungen, vor allem des Nationalsozialismus anzusetzen? Es sind diese >kriegskulturellen< Fragestellungen, die tatsächlich erst seit den 1990er Jahren >an breiter Front< aufgekommen sind und inzwischen zu riesigen Forschungsfortschritten geführt haben. An diesen Arbeiten war das Historial de la Grande Guerre in Pérenne führend beteiligt 42 In der ersten gemeinsamen Publikation dessen Centre de Recherche wurden 1993

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George Mosse, Fallen soldiers. Reshaping the memory of the World Wars, Oxford/New York 1990 [dt. Ausgabe: Gefallen fur das Vaterland. Nationales Heldentum und namenloses Sterben, Stuttgart 1993], Hierzu Dirk Schumann, Gewalterfahrungen und ihre nicht zwangsläufigen Folgen. Der Erste Weltkrieg in der Gewaltgeschichte des 20. Jahrhunderts, (http://www.zeitgeschichte-online.de/ md=EWK-Schumann). Vgl. hierzu jetzt die große Studie von Thomas Thiemeyer, Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln. Die beiden Weltkriege im Museum, Paderborn 2010, mit der älteren Literatur.

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die Ergebnisse einer Tagung des Forschungszentrums veröffentlicht, die unter dem seinerzeit provozierenden, aber noch ein wenig fragenden Titel »Guerre et Cultures« stand. Die sofort einsetzende Kritik hat wohl - bewusst oder unreflektiert - die gewählte Pluralform »Cultures« nicht beachtet. 43 Die Herausgeber und Autoren sprachen indes ganz bewusst damals (und sie tun dies noch heute) von verschiedenen und zudem höchst unterschiedlichen >Kriegskulturenkulturellen< Manifestationen und Auswirkungen des Krieges angedeutet als auch die international differente Beschaffenheit der Durchführung und Bewältigung des Krieges an den unterschiedlichen Kriegs- und Heimatfronten unterstrichen. Die Einleitung (Avant-Propos) des Bandes war deshalb zugleich ein Manifest: »Pour une histoire culturelle comparée du premier conflit mondial«. Dabei ging es darum, übrigens ganz im Sinne von George F. Kennans seinerzeit noch nicht strapazierter Formel, die »kulturellen« Dimensionen der »Urkatastrophe« (Great Seminal Catastrophe) Europas im 20. Jahrhundert genauer zu bestimmen. Insgesamt scheint mir der aktuelle »Grabenkrieg« 45 zwischen den französischen Historikern auf die Tatsache zu verweisen, dass der Erste Weltkrieg in Frankreich - mehr noch als in England oder den USA - kein in die Geschichte zurückgetretenes Ereignis ist, sondern ein fester Bestandteil des historisch-politischen Kontextes. Er gehört schlicht zum >Wir< der französischen Nation. Die Auseinandersetzung ist deshalb nur im geringen Maße eine Auseinandersetzung um historische Tatsachen, sondern eher ein gegenseitiges Abgrenzen der Lager. Die Anhänger der These, dass nicht Patriotismus und Deutschenhass, sondern Zwang und Drohung die Soldaten in den Schützengräben gehalten hätten, verstehen sich zugleich als Wahrer der Erinnerung der in den Krieg geworfenen >kleinen Leutepopulären< Republikanismus, es durchzieht die ganze Geschichte Frankreichs zumindest seit der Französischen Revolution, kann jederzeit historisch aufgeladen und politisch aktualisiert werden. 46 Kein Wunder also, dass die historischen Verteidiger des »kleinen Mannes« auch ihre Gegner sogleich massiv verdächtigen, Hand in Hand mit den »Mächtigen« zu arbeiten, beziehungsweise in deren Sold zu stehen.47 Allerdings gehört zu diesen politisch motivierten Scharmützeln auch ein anderer Aspekt, den man einbeziehen muss, will man diesen merkwürdigen Streit 43 44

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Becker, Guerre et Cultures. Daran ändern auch nichts die sophistischen Einwände von Offenstadt, Der Erste Weltkrieg, S. 58 f. So der Titel eines aufsehenerregenden Artikels in Le Monde: Jean Birnbaum, 1914-1918: guerre de tranchées entre historiens, in: Le Monde, 11.3.2006; vgl. hierzu auch Pierre Purseigle, A very French Debate: the 1914-1918 >warculturevon unten< auf den Krieg und die Lebenswelt der Frontsoldaten analog zu den französischen Forschungsinteressen behandeln. Genau so wenig im Übrigen, wie die kontrovers, aber sachlich diskutierte Frage des sog. »Augusterlebnisses« von 1914.49 Es ist kaum vorstellbar, dass die Verfechter und Kritiker der >Augustbegeisterung< sich öffentlich polemisch - etwa in der FAZ - mit denjenigen auseinandersetzen, die der Auffassung sind, dass es diese Begeisterung nur sektoral gegeben habe und dass die Bereitschaft, in den Krieg zu ziehen, im Allgemeinen geprägt war von Entschlossenheit zur Pflichterfüllung für das bedrohte Vaterland. Sind diejenigen, die Letzteres betonen, deshalb konservativ oder apologetisch? An einem solchen Streit würde sich die kritische Öffentlichkeit kaum beteiligen wollen, weil eben der Erste Weltkrieg für die Deutschen unendlich viel weiter in die Geschichte gerückt ist als für die Franzosen - und kein Gegenstand der Diskussion über die Verfasstheit des Gemeinwesens mehr ist. Ließe sich ein ähnliches Szenario hier denken, was in Frankreich entstand und noch bis heute publizistischen und wissenschaftlichen Nachhall hat, wie die von Regierungschef Jospin 1998 geforderte Revision der Prozesse gegen der Meuterei überführte oder bezichtigte Soldaten des Ersten Weltkriegs?50 Über die Gründe hierfür ist hier nicht zu

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Stanley Hoffmann, Sur La France, Paris 1976. Vgl. oben. André Bach, Fusillés pour l'exemple 1914-1915, Paris 2003; Nicolas Offenstadt, Les Fusillés de la Grande guerre et la mémoire collective, Paris 1999; André Loez, 14-18. Les refus de la guerre. Une histoire des mutins (= Folio Histoire 174), Paris 2010; vgl. google-Suche nach »mutineris-

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spekulieren, es mag bei der Tatsachenfeststellung bleiben. Jedenfalls hat das von Bernd Ulrich und Angelika Tramitz herausgegebene Erinnerungsbuch eines einfachen elsässischen Soldaten, Dominik Richert, das von Entstehen und Topik dem französischen Kriegserlebnis-Kultbuch »Louis Barthas« überaus ähnlich ist, in Deutschland keinerlei Kontroverse erzeugt.51 Die intellektuelle Mobilisierung verlief also während des Krieges in Frankreich und Deutschland keineswegs in vergleichbaren Dimensionen. Erst als vier Jahre später Franzosen und Belgier das deutsche Rheinland besetzten, ergriff die Deutschen die Wut auf die »schwarze Schande«, auf die Gewalttätigkeiten der Besatzungstruppe. Erst dann erlebte Deutschland eine Art Hass-Mobilisierung, und es entstand ein ähnlicher Kriegskultur-Diskurs wie im Frankreich der Jahre 1914-1918, als es darum ging, alle Kräfte zu bündeln, um den Aggressor wieder aus dem Lande herauszuwerfen. 52 Jetzt fanden auch deutsche Intellektuelle, Journalisten und politische Gruppen zu Vorstellungen und Handlungen, die vom unbedingten Hass auf den Aggressor geprägt waren. Nunmehr wurden interessanterweise auch in Deutschland Phantasmagorien von schändenden schwarzen - Soldaten und verstümmelten Kindern entwickelt, wie sie in Frankreich während des Krieges geläufig gewesen waren. Es entstand insgesamt eine Nachkriegs(Un-)Kultur. Die bereits erwähnte und in der Kriegskultur-Forschung vieldiskutierte »Mosse-These« über die »Brutalisierung« Europas durch den Ersten Weltkrieg lässt sich wohl am ehesten auf Seiten der Verliererstaaten, soweit sie denn nach dem Ersten Weltkrieg überhaupt noch bestanden, verifizieren. Die Frustration über die nicht verstandene und nicht akzeptierte Niederlage führte, das hat auch Wolfgang J. Mommsen immer wieder betont, 53 in Deutschland zu kollektiven emotionalen Verwerfungen, in denen unter anderem antisemitische Phobien eine zuvor nie gekannte Vemichtungsenergie erhielten. Von dieser Nachkriegs-Kultur haben schließlich die Nationalsozialisten entscheidend profitiert. Die >Machtergreifiing< hatte viele Ursachen - aber entscheidend war, dass Hitler die durch den Ersten Weltkrieg und die Niederlage erweckten Emotionen wie Hass und Frustration instrumentalisieren konnte, indem er den Deutschen versprach, das Trauma des verlorenen Krieges zu lösen. Nationalsozialistische Kulturpolitik - vor und nach 1933 - bestand in erster Linie darin, die >Kriegskultur< des Ersten Weltkriegs zu verlängern und den Deutschen zu versprechen, dass sie diesen ungerechterweise und durch Verrat verlorenen Krieg schließlich doch noch gewinnen würden. 54

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Jospin«, wo gleich auf aktuelle Seiten beispielsweise der »communistes révolutionnaires« verwiesen wird. Richert, Beste Gelegenheit zum Sterben. Gerd Krumeich/Joachim Schröder (Hg.), Der Schatten des Weltkrieges. Die Ruhrbesetzung 1923, Essen 2004. Zuletzt in seinem Beitrag zu Gerd Krumeich (Hg.), Versailles 1919. Ziele - Wirkung - Wahrnehmung, Essen 2001. Vgl. hierzu insgesamt Gerd Krumeich (Hg.), Nationalsozialismus und Erster Weltkrieg, Essen 2010.

FRIEDRICH LENGER

»Historische Sozialwissenschaft«: Aufbruch oder Sackgasse?

1. Aufbruch: Die Formierung der Historischen Sozialwissenschaft in den 1970er Jahren Die »Historische Sozialwissenschaft« als das Projekt einer Historikergeneration zu betrachten und dessen Schicksal zu bewerten, erfordert zunächst einmal eine Gegenstandsbestimmung, schon weil einige beteiligte Protagonisten selbst seit den 1970er Jahren die Geschichte dieses Projektes immer wieder umgeschrieben haben. Ein naheliegender Ausgangspunkt einer solchen Rekonstruktion ist das erste Heft von »Geschichte und Gesellschaft«, mit dem diese »Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft« 1975 an die Öffentlichkeit trat und den bis dahin wenig gebräuchlichen Begriff etablierte.1 Geprägt hatte ihn 1916 Werner Sombart in der Neuauflage seines »Modernen Kapitalismus«, der er vorausschickte, dass »die Nationalökonomie eine historische Sozialwissenschaft sei«.2 Darauf nahmen die Herausgeber, deren Geburtsjahre um das Jahr 1930 streuten und unter denen sich neben je einem Ökonomen und Politologen zwei Soziologen sowie zwölf Neuzeithistoriker fanden, jedoch keinen Bezug. Ihr knappes Vorwort stellte vielmehr den interdisziplinären Charakter der Zeitschrift und das Ziel an den Anfang, in enger Verbindung mit den systematischen Sozialwissenschaften, »historisch-hermeneutische und sozialwissenschaftlich-analytische Verfahrensweisen produktiv miteinander zu verbinden«. Gegenstand der Zeitschrift sollte für die Zeit seit dem späten 18. Jahrhundert »die Geschichte sozialer, politischer, ökonomischer, sozio'

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Vgl. aber schon Hans-Ulrich Wehler, Geschichte als Historische Sozialwissenschaft, Frankfurt a. M. 1973, ein Band, der im Kern die Einleitungen zu den in Anm. 17 und 18 genannten, von ihm herausgegebenen Sammelbänden enthält. Werner Sombart, Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfangen bis zur Gegenwart, Bd. 1/1: Die vorkapitalistische Wirtschaft, unveränd. Nachdr. der 2., neugearb. Aufl., München 1987, S. 21; m. W. hat Gerhard A. Ritter, Die neuere Sozialgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland, in: Jürgen Kocka (Hg.), Sozialgeschichte im internationalen Überblick. Ergebnisse und Tendenzen der Forschung, Darmstadt 1989, S. 19-88, hier S. 41 erstmals auf diese Begriffsprägung aufmerksam gemacht.

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kultureller und geistiger Phänomene [sein], die in bestimmten gesellschaftlichen Formationen verankert sind.«3 Daneben gelte es erkenntnistheoretische und methodische Fragen zu beantworten, die eine als Historische Sozialwissenschaft verstandene Geschichtswissenschaft aufwerfe. Diese wurden nicht weiter präzisiert, sondern Methodenpluralismus und Offenlegung jedweder theoretischer Prämissen sowie die Funktion von Geschichtswissenschaft, zur Selbstaufklärung der Gegenwart beizutragen, als Charakteristika der neuen Zeitschrift benannt. Ein Gründungsmanifest wird man in diesem knappen Vorwort schwerlich sehen können, doch folgte in einer bemerkenswerten Parallele zur gut siebzig Jahre zuvor erfolgten Gründung des »Archivs fur Sozialwissenschaft und Sozialpolitik« auf eine knappe Stellungnahme der Herausgeber ein programmatischer Aufsatz eines ihrer fuhrenden Vertreter.4 Es war nur angemessen, dass Jürgen Kocka gleichsam als Max Weber der neuen Zeitschrift fungierte, hatte er doch schon ein Jahrzehnt zuvor einen grundlegenden und bis heute ungemein beeindruckenden methodologischen Vergleich zwischen Karl Marx und Max Weber publiziert, auf den er in späteren programmatischen Arbeiten zurückgriff.5 In seinem Einleitungsaufsatz ging Kocka von der Forderung nach »mehr Theorie« aus und machte die Historismuskritik als Kontext dieser Forderung deutlich. Der historische Prozess, so hieß es unter Berufung auf Habermas, gehe nicht in dem auf, »was die Menschen wechselseitig intendieren«.6 Dem daraus abgeleiteten Theoriebedarf könne man auf dreierlei Wegen Rechnung tragen: durch die Anwendung von Begriffen und Modellen aus den Nachbarwissenschaften, die Übernahme szientifischer Verfahren wie aus dem Bereich der Ökonometrie oder aber mit Hilfe der von Kocka favorisierten idealtypischen Methode Max Webers. Angebote für entsprechende Theorien gebe es im Bereich des Historischen Materialismus, der Konjunkturtheorie und bei den durchaus kritisch bewerteten Modernisierungstheorien. Sie seien — entsprechende Flexibilität vorausgesetzt - allesamt in idealtypischer Manier fruchtbar zu machen, hätten aber auch den Nachteil gemeinsam, primär politische Institutionen und Prozesse erklären zu wollen, ohne das Feld sozialer Strukturen und Prozesse zu öffnen. Der wohl jüngste der Herausgeber machte so deutlich, dass für ihn neben der Theoretisierung durch Versozialwissenschaftlichung auch die Erschließung 3 4

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Vorwort der Herausgeber, in: GG 1 (1975), S. 5-7, hier S. 5. Vgl. zum »Archiv« Friedrich Lenger, Werner Sombart 1863-1941. Eine Biographie, München 1994, S. 143 f.; die dort für das Geleitwort herausgearbeitete und zwischenzeitlich von Wilhelm Hennis und Dirk Käsler apodiktisch bestrittene Autorschaft Sombarts ist nun ausführlich belegt durch Peter Ghosh, Max Weber, Werner Sombart and the Archiv für Sozialwissenschaft. The authorship of the »Geleitwort«, in: History of European Ideas 36 (2010), S. 71-100. Der in Bd. 122 (1966) der Zeitschrift für die Gesamte Staatswissenschaft publizierte Aufsatz ist in überarbeiteter Form u. a. in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Geschichte und Ökonomie, 2. Aufl., Königstein i. Ts. 1985 [1. Aufl., Köln 1973], S. 54-84 abgedruckt und die Grundlage von Jürgen Kocka, Sozialgeschichte. Begiff-Entwicklung-Probleme, Göttingen 1977, S. 9-47. Jürgen Kocka, Theorien in der Sozial- und Gesellschaftsgeschichte. Vorschläge zur historischen Schichtungsanalyse, in: GG 1 (1975), S. 9^12, hier S. 11.

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des Sozialen als Gegenstand der Geschichtswissenschaft ganz oben auf der Tagesordnung stand. Inwieweit seine Mitherausgeber auch dieses Anliegen teilten, lässt sich nur schwer einschätzen. Von den Historikern unter ihnen wird man wohl kaum die Hälfte als eigentliche Sozialhistoriker bezeichnen können, auch den in diesem Band gewürdigten Wolfgang J. Mommsen nicht.7 Den engen Konnex zum internationalen Boom der Sozialgeschichte machte Kocka als Herausgeber des ersten Heftes der neuen Zeitschrift schon dadurch deutlich, dass die meisten Beiträge von nordamerikanischen und französischen Autoren stammten, die den deutschen Lesern vor allem die historische Analyse sozialer Mobilität näherbringen sollten.8 Das brachte den Entwicklungsrückstand der Sozialgeschichte in der Bundesrepublik deutlich zum Ausdruck, die Kocka ihrerseits vor den Gefahren des Positivismus oder der Ausblendung des Politischen gefeit sah, wie sie in England und Nordamerika Mitte der 1970er Jahre bereits heftig diskutiert wurden.9 Allen nationalen Unterschieden zum Trotz stand der Aufbruch zu einer Historischen Sozialwissenschaft eben im Zusammenhang eines sozialgeschichtlichen Booms, der neben Nordamerika weite Teile Europas erfasst hatte und unschwer mit den gesellschaftlichen Entwicklungen der 1960er und 70er Jahre in Beziehung gesetzt werden könnte. Die Historische Sozialwissenschaft in Deutschland war einerseits nur ein Teil des sozialgeschichtlichen Feldes, griff andererseits aber über dieses Feld hinaus, da im bundesrepublikanischen Kontext Eric Hobsbawms Insistieren offene Türen einrannte, Sozialgeschichte könne nicht auf den Status einer Teildisziplin reduziert werden, sondern sei als Gesellschaftsgeschichte zu konzipieren.10 Der hier an der Gründung einer neuen Zeitschrift festgemachte Aufbruch der 1970er Jahre war alles andere als voraussetzungslos. Das gilt zunächst fur die in Deutschland bis in die Zwischenkriegszeit starke Tradition einer historisch verfahrenden Nationalökonomie und einer ebensolchen Soziologie. Und die von Hans-Ulrich Wehler von 1971 bis 1982 in neun schmalen Bänden herausgegebene Reihe »Deutsche Historiker« machte deutlich, dass man hieran anzuknüpfen gedachte: Von 63 dort porträtierten Wissenschaftlern kann man mit Gustav Schmoller, Max Weber, Otto Hintze, Robert Michels, Kurt Breysig, Werner Sombart, Joseph Alois Schumpeter, Lujo Brentano und Eberhard Gothein mehr als ein Siebtel dieser Richtung zuordnen, wobei prominente Vertreter anderer Nachbardisziplinen wie Lorenz von Stein, Ernst Troeltsch, 7

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Das gilt ungeachtet seiner für die Methodologie einer historischen Sozialwissenschaft wichtigen Arbeiten zu Max Weber; vgl. dazu nur Wolfgang J. Mommsen, Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt a. M. 1974, bes. 182-232. Die unbedingt sinnvolle, durchgängig vergleichende Einbeziehung der französischen, britischen und nordamerikanischen Entwicklung erlaubt der Umfang dieses Beitrags leider nicht. Vgl. nur Herbert G. Gutman, Slavery and the Numbers Game. A Critique of Time on the Cross, Urbana (IL) 1975 oder Elizabeth Fox-Genovese/Eugene Genovese, The Political Crisis of Social History: A Marxian Perspective, in: Journal of Social History X (1976), S. 205-220. Vgl. E. J. Hobsbawm, From Social History to the History of Society, in: Michael W. Flinn/Thomas C. Smout (Hg.), Essays in Social History, Oxford 1974, S. 1-22 (zuerst 1971); deutsch in: Wehler, Geschichte und Soziologie, S. 331-353.

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Wilhelm Dilthey, Wilhelm Heinrich Riehl, Bernhard Groethuysen, Adolf Hamack, Hugo Preuss, Sigmund Neumann, Otto von Gierke, Franz Neumann oder Eugen Rosenstock-Huessy ebenso wenig mitgezählt sind wie die Vertreter des historischen Materialismus von Marx und Engels über Karl Kautsky, Eduard Bernstein, Franz Mehring, Gustav Mayer, Arthur Rosenberg oder Otto Bauer bis zu Rudolf Hilferding. Die fachgeschichtliche Rückversicherung sollte also auch der Horizonterweiterung dienen, und dies nicht zuletzt durch die Einbeziehung (politischer) Außenseiter. Neben der historischen Schule der Nationalökonomie und der aus ihr hervorgegangenen Soziologie bot die jüngere Tradition einer deutschen Volksgeschichte Anknüpfungspunkte, die indessen erst seit den 1990er Jahren deutlicher herausgearbeitet wurden.11 Das Beschweigen dieser Kontinuitätslinie ist angesichts des Umstandes, dass eine Mehrheit der am Zeitschriftenprojekt beteiligten Historiker von Volkshistorikern promoviert worden war, und der vielfach belegten Sprachlosigkeit zwischen Schülern und Lehrern die etwaige NS-Vergangenheit der Letzteren betreffend, wenig überraschend.12 Es spielt in unserem Zusammenhang auch nur insofern eine Rolle, als einzelne Vertreter der Historischen Sozialwissenschaft wie insbesondere Hans-Ulrich Wehler das Aufklärungsbedürfnis jüngerer Historiker als Versuch missverstanden haben, ihr sozialgeschichtliches Projekt zu desavouieren, als ob die Nähe von Theodor Schieder oder Werner Conze zum Nationalsozialismus automatisch den Aufbruch ihrer Schüler kontaminiere. Die Strategie, die belasteten Doktorväter aus der Ahnengalerie der historischen Sozialwissenschaft zu tilgen und an ihre Stelle zunächst den zur Emigration gezwungenen Hans Rosenberg und zuletzt den spätgeborenen Gerhard A. Ritter zu setzen, ist jedenfalls allzu durchsichtig und steht einer angemessenen Rekonstruktion der jüngeren Fachgeschichte im Weg.13 Das zeigt schon der erneute Blick auf die erste Hälfte der 1970er Jahre. Denn wenngleich die Verfechter einer Historischen Sozialwissenschaft mit der Betonung ihrer Theorieorientierung - der Vergleich stand zunächst nicht im Vordergrund - ihre Eigenheit im Feld der Sozialgeschichte zu markieren suchten und

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Vgl. dazu mit der älteren Literatur Friedrich Lenger, Eine Wurzel fachlicher Innovation? Die Niederlage im Ersten Weltkrieg und die Volksgeschichte in Deutschland - Anmerkungen zu einer aktuellen Debatte, in: Horst Carl u. a. (Hg.), Kriegsniederlagen. Erfahrungen und Erinnerungen, Berlin 2004, S. 41-55 sowie zuletzt Jan Eike Dunkhase, Werner Conze. Ein deutscher Historiker im 20. Jahrhundert, Göttingen 2010. Vgl. dazu nur die Interviews in Rüdiger Hohls/Konrad H. Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, Stuttgart 2000. Vgl. zur empfundenen »Kampfsituation« Hans-Ulrich Wehler, Nationalsozialismus und Historiker, in: Winfried Schulze/Otto Gerhard Oexle (Hg.), Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1999, S. 306-339, bes. S. 307 f.; zu Rosenberg Hans-Ulrich Wehler, Einleitung, in: Ders. (Hg.), Europäischer Adel 1750-1950, Göttingen 1990, S. 9-18, hier S. 13 und zu Ritter ders., Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Torp, München 2006, S. 73; sehr viel umsichtiger und gelassener: Jürgen Kocka, Sozialgeschichte in Deutschland seit 1945. Aufstieg - Krise - Perspektiven (= Gesprächskreis Geschichte, Heft 47), Bonn 2002.

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sich insbesondere von der als methodisch konventionell gebrandmarkten Fischer-Schule abgrenzten, versuchten sie doch zugleich, ein möglichst breites Spektrum sozialgeschichtlich Interessierter hinter ihrer Fahne zu versammeln. 14 So eröffnete denn auch ein Sammelband mit Arbeiten Wolfram Fischers die 1972 begründete und von Jürgen Kocka und Hans-Ulrich Wehler gemeinsam mit Helmut Berding und Hans-Christoph Schröder herausgegebene Reihe der »Kritischen Studien zur Geschichtswissenschaft«. Zwei Jahre später folgten die gesammelten Aufsätze des ehemaligen Ipsen-Assistenten und Conze-Schülers Wolfgang Köllmann. Diese Bücher bildeten fast schon den Abschluss einer Bestandsaufnahme des Anschlussfähigen, die vor allem Hans-Ulrich Wehler in der von ihm betreuten geschichtlichen Abteilung der »Neuen Wissenschaftlichen Bibliothek« unermüdlich vorangetrieben hatte. Dazu gehörte, wie die Sammlung »Moderne Deutsche Sozialgeschichte« aus dem Jahre 1966 dokumentiert, vieles. Die von der Landvolksoziologie Gunther Ipsens beeinflusste Dorfforschung eines Hans Linde stand neben einem Auszug aus Habermas' »Strukturwandel der Öffentlichkeit«, Reinhart Kosellecks Vormärzanalysen neben Rudolf Stadelmanns Lesart der 1848er-Revolution, und je zwei Beiträge von Eckart Kehr und Hans Rosenberg unterstrichen, dass Wirtschaft und Gesellschaft primär in ihren Auswirkungen auf die Politik interessierten.15 1972/73 folgten Bände, die systematisch das Verhältnis von Geschichte und Soziologie sowie von Geschichte und Ökonomie auszuleuchten suchten.16 Sie beförderten die für die Formierung der historischen Sozialwissenschaft so wichtige Diskussion um das Verhältnis zu den systematischen Sozialwissenschaften nachhaltig, während das 1971 erschienene Gegenstück »Geschichte und Psychoanalyse« weniger folgenreich war. 17 Insgesamt aber bildeten sich bis in die Mitte der 1970er Jahre die Konturen einer eigenständigen Sozialgeschichte nur sehr allmählich aus. Der Stand der Entwicklung bei der Gründung von »Geschichte und Gesellschaft« lässt sich vielleicht am besten an den beiden Festschriften für Hans Rosenberg und 18

Werner Conze ablesen. Dass es sich in beiden Fällen inhaltlich wie methodisch um bunte Blumensträuße handelte, war genretypisch und verhinderte nicht, dass unterschiedliche Konzeptionen von Sozialgeschichte in Umrissen sichtbar wurden. In der programmatisch »Sozialgeschichte heute« betitelten Rosenberg-Festschrift gab es einige Beiträge wie die von Frederick D. Marquardt, Lawrence Schofer und Hartmut Kaelble, die sich in Richtung der von Jürgen Kocka mit dem ersten Heft von »Geschichte und 14 15 16

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Vgl. nur Kocka, Theorien, S. 10, mit Anm. 4. Vgl. Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Moderne deutsche Sozialgeschichte, 5. Aufl., Köln 1976. Vgl. ders. (Hg.), Geschichte und Soziologie, Königstein Ts. 1984 (zuerst Köln 1972) sowie ders. (Hg.), Geschichte und Ökonomie. Vgl. ders. (Hg.), Geschichte und Psychoanalyse, Frankfurt a. M. 1974 [1. Aufl., Köln 1971], Vgl. ders. (Hg.), Sozialgeschichte heute. Festschrift für Hans Rosenberg zum 70. Geburtstag, Göttingen 1974 sowie Ulrich Engelhardt/Volker Sellin/Horst Stoke (Hg.), Soziale Bewegung und politische Verfassung. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt. Werner Conze zum 31. Dezember 1975, Stuttgart 1978.

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Gesellschaft« propagierten Geschichte sozialer Mobilität und sozialer Klassen und Schichten bewegten, zahlreicher aber waren Aufsätze, die man der »politischen Sozialgeschichte« zurechnen könnte. Nicht nur methodisch repräsentativ für diese ganz maßgeblich von dem Geehrten geforderte Richtung war die Interpretation handwerklichen Antisemitismus in der »Großen Depression« von Seiten seiner Schülerin Shulamit Angel-Volkov.19 Zum einen teilte sie mit zahllosen Arbeiten dieses Genres und dieser Zeit die Ausrichtung der Grundfragestellung auf die nationalsozialistische Machtergreifung und implizit - in der Buchfassung auch explizit - die These eines deutschen Sonderwegs sowie die Konzentration auf die Geschichte des Kaiserreichs.20 Zum andern und in unserem Zusammenhang wichtiger teilte sie auch die methodische Herangehensweise mit einer ganzen Reihe anderer politischer Sozialhistoriker. Denn die Wurzeln des Antisemitismus suchte sie zwar in der Gesellschaft, das heißt konkret bei den Handwerksmeistern, doch kam sie weitgehend ohne eine tiefergehende sozialgeschichtliche Analyse dieser sozialen Gruppe aus. Vielmehr ließ sie diese Gruppe durch die Vertreter ihrer Verbände sprechen, ohne sich allzu sehr für die Frage zu interessieren, welchen Teil der Gesamtgruppe diese Verbände eigentlich repräsentierten. Für den Positionswechsel dieser Organisationen von liberalen Positionen in den frühen 1870er Jahren hin zu Antisemitismus und Protektionismus machte die Autorin nicht zuletzt den Konjunkturverlauf verantwortlich, auch das eine zeit- und genretypische Denkbewegung. Eine so knappe kritische Rekonstruktion wird der Differenziertheit der Volkovschen Arbeit sicherlich in keiner Weise gerecht. Ihr Ziel ist indessen auch nur herauszuarbeiten, in welcher Weise die »politische Sozialgeschichte« gesellschaftliche Prozesse in ihre Erklärungsmuster einbezog. Und hier wird man sagen dürfen, dass dies primär über die Verbände und Interessenorganisationen geschah, die einerseits die Brücke zwischen den nicht näher untersuchten gesellschaftlichen Gruppen und den Institutionen des politischen Systems im engeren Sinne bildeten und andererseits einen problemlosen Zugriff auf die Mentalität sozialer Gruppen zu ermöglichen schienen. Wie eng um die Mitte der 1970er Jahre zumindest in der Bundesrepublik Sozial- und Politikgeschichte aufeinander bezogen blieben, signalisierte auch der Titel der Festschrift für Werner Conze: »Soziale Bewegung und politische Verfassung«. Dennoch trugen die sozialgeschichtlichen Beiträge zu ihr ein etwas anderes Gepräge. Soweit sie nicht gewerkschaftsgeschichtlicher Natur waren, behandelten sie entweder ein mit »Bevölkerungsentwicklung, Arbeitskräftepotential und soziale Schichtung« umschriebenes Feld des Sozialen, das zumeist keiner politikgeschichtlichen Anbindung bedurfte, oder leisteten Beiträge zur konzeptionellen Entwicklung eines Typus von Sozialgeschichte, der tendenziell den Rahmen der Historischen Sozialwissenschaft in Richtung der späteren Alltagsgeschich19

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Vgl. Shulamit Angel-Volkov, The Social and Political Function of Late 19th Century AntiSemitism: The Case of the Small Handicraft Masters, in: Wehler (Hg.), Sozialgeschichte heute, S. 416-431. Vgl. Shulamit Volkov, The Rise of Popular Antimodernism in Germany. The Urban Master Artisans, 1873-1896, Princeton, New Jersey 1978.

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te überschritt. Das gilt sowohl für Dieter Grohs die Verwendung sozialwissenschaftlicher Theorien kritisch musternde Skizze einer an Basisprozessen ansetzenden Sozialgeschichte als auch fur Lutz Niethammers mikrohistorische Studie zur Urbanisierung in 21 »Preußens größtem Industriedorf«. Denn was die Historische Sozialwissenschaft aus dem für die Mitte der 1970er Jahre soeben umrissenen Gesamtbereich der Sozialgeschichte heraushob, war die spezifische Form der Theorieverwendung und wenig später das damit eng zusammenhängende Plädoyer für den Vergleich. Damit war ein Zugewinn an begrifflich-theoretischer Klarheit verbunden, der kaum zu überschätzen ist. Was das jenseits aller programmatischen Forderungen konkret bedeutete und die von der Historischen Sozialwissenschaft ausgehende Faszinationskraft miterklärt, lässt sich am besten anhand zweier Bücher aus dem Jahre 1973 zeigen. In dem methodisch anspruchsvolleren der beiden legte Jürgen Kocka eine deutsche Sozialgeschichte von 1914 bis 1918 vor, der ein an Marx orientiertes klassengesellschaftliches Modell zugrundelag, aus dem sich die Hypothesen zunehmender Polarisierung sowie verschärfter klassengesellschaftlicher Spannungen im Kriegsverlauf ableiten ließen.22 Dabei ging es dem Autor nicht um Bestätigung oder Widerlegung des Modells, sondern um eine Beschreibung des Abstands zwischen empirisch fassbarer Realität und idealtypischer Erwartung. Dieser Abstand war beträchtlich und trieb den Verfasser, wie dieser offen bekannte und als methodisch durchaus problematisch empfand, immer wieder über den Rahmen des Ausgangsmodells und dessen Kategorien hinaus. Gleichwohl erlaubte der flexible Umgang mit dem idealtypischen Modell einerseits, den Bedeutungsgewinn des Stadt-Land-Gegensatzes auf Kosten des industriellen Klassengegensatzes deutlich werden zu lassen, und andererseits lenkte das Modell überhaupt erst den Blick auf die Polarisierung des Mittelstandes. Die heuristische Fruchtbarkeit des Kockaschen Vorgehens stand also außer Frage, ohne dass der zugunsten der idealtypischen Vorgehensweise ins Felde geführte Vergleich mit anderen kriegführenden Ländern hier schon eingelöst worden wäre.23 Auch Wehlers Kaiserreich nahm die Gesamtgeschichte der Epoche in den Blick, wobei hier weder die Angemessenheit seiner stets pointierten Einzelurteile noch die Bezüge zu einzelnen Sozialwissenschaftlern wie Alexander Gerschenkron oder Barrington Moore diskutiert werden können. Interessieren soll allein, wie Wehler sozialgeschichtliche Dimensionen konzeptualisierte, wo er über eine den sozioökonomischen Strukturwandel einbeziehende Politikgeschichte hinausging. »Außer autoritären Verfassungsnormen und bonapartistischer Verfassungsrealität, außer Parteienohnmacht und Verbändeegoismus, außer politischen Herrschaftstechniken und konservativen Dauerbündnissen sorgten zusätzliche Integrationsklammern, die sich aufs engste mit die-

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Beide in: Engelhardt/Sellin/Stuke (Hg.), Soziale Bewegung. Jürgen Kocka, Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914-1918, 2. Aufl., Göttingen 1978. Vgl. aber ders., Angestellte zwischen Faschismus und Demokratie. Zur politischen Sozialgeschichte der Angestellten. USA 1890-1940 im internationalen Vergleich, Göttingen 1977.

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sen Elementen verzahnten, dafür, daß das gesamtgesellschaftliche Ordnungsgefüge möglichst lange im Sinne der herrschenden Klassen erhalten blieb.«24

Diese Integrationsklammern funktionierten in Anlage und empirischer Durchführung wie Talcott Parsons Subsystem der Normenerhaltung.25 Und wie in dessen strukturfunktionalistischer Systemtheorie gab es auch in Wehlers Kaiserreich keinen wirklichen Wandel. Vielmehr wirkten Ideologien wie Nationalismus und Antisemitismus als Mittel der Ausgrenzung ebenso zuverlässig systemstabilisierend wie die Religion als Legitimationsideologie und sämtliche Sozialisationsinstanzen von der Familie über die Schule bis zur Universität. Von daher erklärt sich auch die eigentümliche Stasis, die allein von einer als cäsaristisch, später dann als charismatisch begriffenen Figur wie Bismarck durchbrochen wurde. - Man wird heute diesen theoretischen Rahmen so wenig überzeugend wie seine empirische Ausfüllung finden. Doch wird er hier nicht in denunziatorischer Absicht vorgeführt. Viel bemerkenswerter scheinen mit Blick auf die frühen 1970er Jahre die beiden Wurzeln seiner beträchtlichen Attraktivität, zum einen das Versprechen, den Gesamtzusammenhang historischer Phänomene systematisch in den Blick zu nehmen, so unbefriedigend dessen Einlösung rückblickend auch scheinen mag, sowie zum andern die rigorose Vergangenheitskritik, die Wehler als Absage formulierte an einen »Eskapismus, der die nationalsozialistische Politik als angeblich illegitimes Ergebnis der deutschen Geschichte verdrängen wollte, statt sie zuerst einmal als ein Resultat tief verwurzelter Kontinuitäten eben dieser Geschichte anzuerkennen.«26

Sie hatte in den 1970er Jahren etwas ungemein Befreiendes, dürfte als politisches Generationenprojekt die Verfechter einer Historischen Sozialwissenschaft über den Kreis der Herausgeber von »Geschichte und Gesellschaft« hinaus stärker zusammengeschweißt haben als jeder positive Programmentwurf und mag zudem dazu beigetragen haben, dass die Historische Sozialwissenschaft in der Bundesrepublik noch energisch verteidigt wurde, als einige ihrer Aporien in der internationalen Diskussion längst offengelegt waren.

2. Sackgassen, Neuaufbrüche, Lichtblicke: Die bundesrepublikanische Sozialgeschichte seit der Mitte der 1970er Jahre Man muss die alternativen konzeptionellen Angebote der bundesrepublikanischen Geschichtswissenschaft in der ersten Hälfte der 1970er Jahre nicht als ideengeschichtliche Höhenkammwanderungen und konventionelle Kabinettsgeschichte verzeichnen, um den 24

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Hans-Ulrich Wehler, Das Deutsche Kaiserreich 1871-1918 (= Deutsche Geschichte, Bd. 9), 2. Aufl., Göttingen 1975, S. 105; vgl. zur hier nicht vertieften allgemeineren KaiserreichDiskussion mit weiterer Literatur den Beitrag von Rita Aldenhoff-Hübinger in diesem Band. Vgl. z. B. Talcott Parsons, Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S. 20. Wehler, Kaiserreich, S. 16.

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Reiz zu verstehen, den sowohl eine theorieorientierte Historische Sozialwissenschaft als auch eine ständig neue Gegenstandsbereiche aufschließende Sozialgeschichte auf jüngere Historiker und Historikerinnen ausübten.27 Ihr Interesse galt vor allem einzelnen sozialen Klassen, Gruppen und Schichten, die sie in Regional- oder Lokalstudien mit Blick auf Einkommensverhältnisse und Besitzstrukturen, soziale Mobilität und Heiratsverhalten detailliert untersuchten, während die im Vorwort zu seinem Kaiserreich-Buch angekündigte »Deutsche Gesellschaftsgeschichte« Hans-Ulrich Wehlers ein monumentales Einmannprojekt blieb, dessen erste Bände 1987 erschienen, das in seiner Grundkonzeption bis zum Abschluss 2008 unverändert blieb und deshalb nicht allein in seiner Reduktion von Kultur auf Kulturinstitutionen nach mehreren Jahrzehnten »kulturalistischer Wende« methodisch überholt wirken musste, zugleich aber die sozialgeschichtlichen Defizite der Forschung zur Bundesrepublik offenlegte.28 Meilensteine auf dem von der Schülergeneration eingeschlagenen Weg zu einer Sozialgeschichte der Klassen und Schichten waren insbesondere die in den späten 1970er Jahren in Bielefeld eingereichten Dissertationen von Heinz Reif zum westfälischen Adel und von Josef Mooser, der die ländliche Klassengesellschaft im östlichen Westfalen sezierte.29 Zu ihnen gesellte sich an selber Stelle schon bald die Arbeit von Karl Ditt zur Bielefelder Arbeiterschaft, die wie die vorgenannten in einem von Jürgen Kocka geleiteten Forschungsprojekt verankert war.30 Ohnehin rückten bald Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung wie zuvor bereits in Frankreich, Großbritannien und den USA ganz ins Zentrum des Interesses. Klaus Tenfeldes »Sozialgeschichte der Bergarbeiterschaft an der Ruhr« hatte hier schon 1976 wichtige Anstöße gegeben, und ein 1981 erschienener Sammelband sowie die Bände des »Archivs für Sozialgeschichte«, der neben »Geschichte und Gesellschaft«

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Wie eng beides beieinanderlag, zeigt der Titel des historische Demographie, Familienforschung, Bildungsforschung und Anthropologie vorstellenden Bandes von Reinhard Rürup (Hg.), Historische Sozialwissenschaft. Beiträge zur Einführung in die Forschungspraxis, Göttingen 1977. Vgl. Hans-Ulrich Wehler, Deutsche Gesellschaftsgeschichte, 5 Bde., München 1987-2008; eine Gesamtwürdigung würde den hier gesetzten Rahmen sprengen und muss deshalb unterbleiben. Heinz Reif, Westfälischer Adel 1770-1860. Vom Herrschaftsstand zur regionalen Elite, Göttingen 1979; Josef Mooser, Ländliche Klassengesellschaft 1770-1848. Bauern, Unterschichten, Landwirtschaft und Gewerbe im östlichen Westfalen, Göttingen 1984; der Sprung zur Schülergeneration der um 1930 Geborenen verkürzt unzulässig, mit Blick auf den vorgegebenen Umfang aber unvermeidlich den Beitrag der um 1943 Geborenen, zu denen ja so eminente Sozialhistoriker wie Heinz-Gerhard Haupt, Dirk Hoerder oder Dieter Langewiesche zählen; vgl. dazu jetzt: Barbara Stambolis, Leben mit und in der Geschichte. Deutsche Historiker Jahrgang 1943, Essen 2010. Karl Ditt, Industrialisierung, Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung in Bielefeld 1850-1914, Dortmund 1982; vgl. Jürgen Kocka u. a., Familie und soziale Plazierung. Studien zum Verhältnis von Familie, sozialer Mobilität und Heiratsverhalten an westfälischen Beispielen im späten 18. und 19. Jahrhundert, Opladen 1980; indem er die zentrale Rolle Kockas insbesondere als Lehrer und Anreger ausblendet, beantwortet Frank Becker, Mit dem Fahrstuhl in die Sattelzeit? Koselleck und Wehler in Bielefeld, in: Sonja Asal/Stephan Schlak (Hg.), Was war Bielefeld? Eine ideengeschichtliche Nachfrage, Göttingen 2009, S. 89-110 die Leitfrage des Sammelbandes recht einseitig.

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wichtigsten Zeitschrift auf diesem Gebiet, zeigen deutlich, dass wichtige Beiträge zur Lebensweise der Arbeiterschaft an einer Vielzahl von Orten entstanden und keineswegs mehrheitlich Bielefelder Provenienz waren.31 Einerseits verstärkte die Ausweitung der Themenfelder etwa durch die systematische Einbeziehung der Arbeiterfrauen in den Dissertationen von Ute Daniel und Karen Hagemann diese Heterogenität noch.32 Andererseits ähnelten sich die in den 1980er Jahren in großer Zahl vorgelegten Lokalstudien zunehmend darin, dass sie wirtschaftliche, soziale und politische Dimensionen des Klassenbildungsprozesses unterschieden, ganz so wie dies im Jahrzehnt zuvor etwa John Foster in England oder Yves Lequin in Frankreich getan hatten.33 Im deutschen Sprachraum gab es hierfür zwei Vorbilder, die gleichfalls der sozialen Dimension des Klassenbildungsprozesses breiten Raum gaben. Das eine hatte Hartmut Zwahr in seiner Analyse der Konstituierung des Leipziger Proletariats entwickelt, die 1978 in Buchform erschien, aus der aber bereits 1971 ein umfangreicher Aufsatz gedruckt worden war, der die argumentative Logik offenlegte. Der in der Bundesrepublik lange nur zögerlich rezipierte Leipziger Historiker zeigte zunächst für wichtige Arbeitergruppen, wie im Verlaufe der industriellen Revolution der Klassengegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat immer klarer hervortrat, indem er zunehmend der älteren ständisch-handwerklichen Einbettungen entkleidet wurde. Auch auf der sozialen Ebene konstatierte er eine immer klarere proletarische Identität, die er u. a. an der zunehmenden Vererbung der Klassenzugehörigkeit und einer wachsenden Konzentration der sozialen Beziehungen von Arbeitern auf die eigene Klasse festmachte, wie sie seine ingeniöse Analyse der Entwicklung von Patenschaftsbeziehungen auswies. Dazu passte gut, dass auch die politisch-ideologische Konstituierung des Leipziger Proletariats im von den 1830er bis zu den ausgehenden 1860er Jahren reichenden Untersuchungszeitraum erhebliche Fortschritte machte. Konkret ließ er sie in der Herausbildung der Stadt Leipzig als Führungszentrum der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei kulminieren.34 Und in der damit nahegelegten und von der marxistischen Theorie ja auch postulierten Zwangsläufigkeit dieses letzten Schritts wollte ihm sein früher und aufmerksamer bun-

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Klaus Tenfelde, Sozialgeschichte der Bergarbeiterschaft an der Ruhr im 19. Jahrhundert, Bonn 1977; vgl. Dieter Langewiesche/Klaus Schönhoven (Hg.), Arbeiter in Deutschland. Studien zur Lebensweise der Arbeiterschaft im Zeitalter der Industrialisierung, Paderborn 1981. Ute Daniel, Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg, Göttingen 1989; Karen Hagemann, Frauenalltag und Männerpolitik. Alltagsleben und gesellschaftliches Handeln von Arbeiterfrauen in der Weimarer Republik, Bonn 1990. John Foster, Class Struggle and the Industrial Revolution. Early industrial capitalism in three English towns, London 1974; Yves Lequin, Les ouvriers de la région lyonnaise (1848-1914), 2 Bde., Lyon 1977; eine hier nicht zu leistende Bestandsaufnahme bietet - zeitlich auf dem Höhepunkt des Forschungsbooms und fast 900 Seiten stark - Klaus Tenfelde (Hg.), Arbeiter und Arbeiterbewegung im Vergleich, München 1986. Vgl. Hartmut Zwahr, Zur Konstituierung des Proletariats als Klasse. Strukturuntersuchung über das Leipziger Proletariat während der industriellen Revolution, Berlin 1978; der oben angesprochene Aufsatz ist erneut abgedruckt in: Langewiesche/Schönhoven, Arbeiter, S. 37-80.

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desrepublikanischer Leser Jürgen Kocka bei aller in den 1960er und 70er Jahren vorhandenen Offenheit gegenüber dem historischen Materialismus, die erst retrospektiv 35

von der alleinigen Weberverehrung verdrängt worden ist, gerade nicht folgen. Zwar fand er sich in seiner 1983 erschienenen Skizze »Lohnarbeit und Klassenbildung« wie zehn Jahre zuvor in »Klassengesellschaft im Krieg« bereit, aus der Klassenlage latente oder objektive Interessen abzuleiten, weigerte sich aber, diese in Bezug zu einem richtigen Bewusstsein zu setzen und dieses als in der sozialistischen Theorie gegeben anzunehmen. Expliziter als zuvor plädierte er deshalb für die »Weberianische Verwendung eines Marx'schen Klassenbegriffs«.36 Diese hatte den Vorzug der Entteleologisierung und erlaubte die Analyse von Klassenbildungs- wie -entbildungsprozessen. Zugleich löste sie jeden Automatismus etwa zwischen sozialer Kohäsion der Arbeiterklasse und ihrer politischen Vertretung auf und öffnete so das Untersuchungsfeld. Diese Vorzüge wurden indessen mit einem von Kocka klar erkannten Formalismus erkauft, der für Bewusstseinsinhalte und Deutungsmuster wenig Platz ließ. »Lohnarbeit und Klassenbildung« war als Vorstudie zu einem mehrbändigen Werk zur Frühgeschichte von Arbeiterschaft und Arbeiterbewegung in Deutschland gedacht gewesen, und es scheint als Eingeständnis des selbst empfundenen Ungenügens eines solchen Formalismus, dass von diesem Werk nur die ersten beiden sozialgeschichtlichen Bände (1990), nicht aber die Darstellung der frühen Arbeiterbewegung erschienen sind.37 Seit den späten 1980er Jahren und verstärkt durch den Zusammenbruch des »realen Sozialismus« fristete die Arbeiter- und Arbeiterbewegungsgeschichte ein Schattendasein, und die sie nicht nur in Deutschland ablösende Bürgertumsgeschichte wurde nur höchst selten als Klassenbildung konzipiert, so dass auch von dieser Seite die Frage nach Klassenbeziehungen weitgehend außen vor blieb.38 Es wäre einseitig, dies lediglich als Defizit zu beklagen, wurden nun doch wie in Ute Freverts Duell-Buch ganz neue Dimensionen sozial- und kulturgeschichtlicher Forschung erschlossen.39 Die Dominanz der Sozialgeschichte gehörte jedenfalls der Vergangenheit an, und auch die wichtigsten Referenztheoretiker wie die in diesem Aufsatz nicht näher gewürdigten Michel Foucault und Niklas Luhmann waren längst nicht mehr die der Aufbruchsjahre einer Historischen Sozialwissenschaft.

Diese Offenheit dokumentiert u. a. das Nachwort zur Methode in: Kocka, Klassengesellschaft. Ders., Lohnarbeit und Klassenbildung. Arbeiter und Arbeiterbewegung in Deutschland 18001875, Berlin 1983, S. 21. Vgl. ders., Weder Stand noch Klasse. Unterschichten um 1800, Bonn 1990 sowie ders., Arbeitsverhältnisse und Arbeiterexistenzen. Grundlagen der Klassenbildung im 19. Jahrhundert, Bonn 1990. (Teil-)Bilanzen bieten Peter Lundgreen (Hg.), Sozial- und Kulturgeschichte des Bürgertums. Eine Bilanz des Bielefelder Sonderforschungsbereichs (1986-1997), Göttingen 2000 und Dieter Hein/Andreas Schulz (Hg.), Bürgerkultur im 19. Jahrhundert. Bildung, Kunst und Lebenswelt, München 1996. Vgl. Ute Frevert, Ehrenmänner. Das Duell in der bürgerlichen Gesellschaft, München 1991.

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Zu den Gründen für den Terrainverlust der Sozialgeschichte zählten einige Grundprobleme einer strukturgeschichtlich verfahrenden Historischen Sozialwissenschaft, die zu diesem Zeitpunkt auch in Deutschland längst diskutiert wurden und von denen zwei angesprochen werden sollen. Das erste könnte man unter der Überschrift »agency« abhandeln. Den vielleicht am besten mit »Handlungsfähigkeit der Subjekte« zu übersetzenden Begriff hatte in den späten 1970er Jahren Ε. P. Thompson in einer wütenden Polemik gegen die in der englischen Neuen Linken Popularität gewinnende strukturalistische Marx-Interpretation Louis Althussers erneut stark gemacht. Die dort zu findende Anklage »Systems and sub-systems, elements and structures, are drilled up and down the pages pretending to be people« aber galt Neil Smelser, einem Soziologen, der in den Anmerkungsgräbern der Historischen Sozialwissenschaft ebenso wie Reinhard Bendix, Seymour M. Lipset u. a. eine prominente Rolle zu spielen pflegte.40 In der bundesrepublikanischen Diskussion spielte der anglomarxistische Kontext von Thompsons Plädoyer für »agency« kaum eine Rolle, doch dürfte es manchen an den Titel seines wichtigsten Buches erinnert haben, der ja »The Making of the English Working Class« lautete, weil Thompson dieses »Making« als Prozess begriff »which owes as much to agency as to conditioning«.41 In der bundesrepublikanischen Diskussion griff vor allem Hans Medick den Thompsonschen Begriff auf, und zwar im Rahmen einer 1984 in »Geschichte und Gesellschaft« veröffentlichten Kritik der Historischen Sozialwissenschaft, die sich gegen deren Konzentration auf Industrialisierung, Urbanisierung etc. als Kernprozesse einer eurozentrisch konzipierten Modernisierung wandte, der die Wiedergewinnung subjektiver Deutungsdimensionen mit Hilfe dichter Beschreibungen im Sinne der Kulturanthropologie entgegengesetzt werden sollte.42 Die auch aus der gesellschaftlichen Situation der 1980er Jahre heraus zu verstehende Kritik an der Reifizierung gesellschaftlicher Großprozesse lässt sich rückblickend mit der allgemeineren Dekonstruktion von Meistererzählungen in Beziehung setzen und kann hier nicht in seinen Implikationen für die Überwindung des Nationalstaats als Untersuchungseinheit diskutiert werden.43 Dagegen forderte die Forderung nach einer Anthropologisierung der Geschichtswissenschaft die Ausbildung der Alltagsgeschichte, der zu diesem Zeitpunkt aber

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Edward P. Thompson, The Poverty of Theory & Other Essays, New York, New York 1978, S. 1 210, hierS. 75. Ders., The Making of the English Working Class, New York, New York 1966 [1. Aufl. 1963], S. 9; vgl. zum Kontext ζ. Β. Gareth Stedman Jones, Anglo-Marxism, Neo-Marxism and the Discursive Approach to History, in: Alf Liidtke (Hg.), Was bleibt von marxistischen Perspektiven in der Geschichtsforschung?, Göttingen 1997, S. 149-209, bes. S. 161-170. Vgl. Hans Medick, »Missionare im Ruderboot«? Ethnologische Erkenntnisweisen als Herausforderung an die Sozialgeschichte, in: GG 10 (1984), S. 295-319. Vgl. dazu vor allem Jürgen Osterhammel, Geschichtswissenschaft jenseits des Nationalstaats. Studien zu Beziehungsgeschichte und Zivilisationsvergleich, Göttingen 2001.

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sowohl empirisch - u. a. von Franz-Josef Brüggemeier und Michael Grüttner - wie auch programmatisch - nicht zuletzt von Alf Liidtke - längst vorgearbeitet war. 44 Beides kann hier nicht weiterverfolgt werden. Stattdessen soll es um die Implikationen für die Historische Sozialwissenschaft gehen. Sie bestanden zum einen in der Notwendigkeit, das Verhältnis von handelndem Menschen und konditionierender oder limitierender Struktur neu zu überdenken. Das war primär ein Problem der praktischen Umsetzung und Einlösung und musste den konzeptionellen Rahmen der Historischen Sozialwissenschaft nicht sprengen. Marx' vielzitiertes Diktum »Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht unter selbstgewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen« bot auch mehr als anderthalb Jahrhunderte nach seiner Formulierung einen möglichen Anknüpfungspunkt. 45 Und ganz ähnlich hatte fünfzig Jahre nach Marx der Namensgeber der Historischen Sozialwissenschaft insistiert, »daß wir uns niemals verleiten lassen sollten, als letzte Ursachen, auf die wir sociales Geschehen zurückfuhren wollen, etwas anderes anzusehen, als die Motivation lebendiger Menschen.« 46 Das konnte man in den 1980er Jahren bei Anthony Giddens präziser formuliert finden, aber grundsätzlich neu war es nicht. 47 Zum andern warf die Medicksche Kritik erneut die Frage nach dem Verhältnis zwischen historisch-hermeneutischen und sozialwissenschaftlich-analytischen Ansätzen auf, welche die Historische Sozialwissenschaft zu vermitteln beanspruchte. Sie wurde von ihren Vertretern zunächst nicht direkt angegangen, war aber ein wichtiger Ansatzpunkt kulturgeschichtlicher Kritiker der Historischen Sozialwissenschaft wie Ute Daniel. 48 Stattdessen konnte man schon kurze Zeit nach Medicks Attacke vorsichtige Eingemeindungsversuche erfahrungsgeschichtlicher Ansätze erleben, ohne dass die schon bei Thompson problematisch gebliebene Kompatibilität der Erfahrungskategorie mit klassentheoretischen Modellen grundsätzlicher erörtert worden wäre. 49 44

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Der Wiederabdruck von Medicks Aufsatz eröffnet denn auch den vom Herausgeber eingeleiteten Band: Alf Lüdtke (Hg.), Alltagsgeschichte. Zur Rekonstruktion historischer Erfahrungen und Lebensweisen, Frankfurt a. M. 1989; vgl. auch die frühe Skizze von: Ders., Alltagswirklichkeit, Lebensweise und Bedürfnisartikulation, in: Gesellschaft. Beiträge zur Marxschen Theorie 11, Frankfurt a. M. 1978, S. 311-350. Karl Marx, Der achtzehnte Brumaire des Louis Napoleon [1852], wieder in: Ders./Friedrich Engels, Werke, Bd. 8, Berlin 1978, S. 111-207, hier S. 115. Werner Sombart, Der Moderne Kapitalismus, Leipzig 1902, Bd. 1, S. XVIII. Vgl. nur Thomas Welskopp, Der Mensch und die Verhältnisse. »Handeln« und »Struktur« bei Max Weber und Anthony Giddens, in: Ders./Thomas Mergel (Hg.), Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft. Beiträge zur Theoriedebatte, München 1997, S. 39-70, bes. S. 56-66. Vgl. nur das Schlusskapitel in: Ute Daniel, Hoftheater. Zur Geschichte des Theaters und der Höfe im 18. und 19. Jahrhundert, Stuttgart 1995, bes. S. 450-458. Vgl. Jürgen Kocka, Sozialgeschichte zwischen Strukturgeschichte und Erfahrungsgeschichte, in: Wolfgang Schieder/Volker Sellin (Hg.), Sozialgeschichte in Deutschland. Entwicklungen und Perspektiven im internationalen Zusammenhang, Göttingen 1986, Bd. 1, S. 67-88, ungleich offener: Dieter Langewiesche, Sozialgeschichte und Politische Geschichte, in: Ebd., S. 9-32, bes. S. 20 ff.; eine wissenssoziologische Fundierung des Erfahrungsbegriffs erfolgte erst sehr viel spä-

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Das scheint die beiden wohl begabtesten Schüler Jürgen Kockas aus dessen Berliner Wirkungszeit nicht recht überzeugt zu haben. Jedenfalls gingen Thomas Welskopp und Sven Reichardt in den 1990er Jahren energisch daran, neue Wege der Vermittlung von Mensch und Struktur sowie von sozialer Position und Bewusstsein zu erproben.50 Insbesondere Sven Reichardt knüpfte dabei sehr explizit an Pierre Bourdieus in einer ethnologischen Studie zur kabylischen Gesellschaft entwickelten Praxistheorie an, deren Habitusbegriff den Gegensatz zwischen Akteur und Struktur insofern aufzuheben versprach, als dem Habitus des Akteurs gesellschaftliche Strukturen gleichsam eingeschrieben sind und umgekehrt diese Strukturen einzig aus der Praxis der Akteure erwachsen.51 Zudem erlaubte Bourdieus relationale Klassentheorie mit der Thematisierung von Lebensstilen, Konsummustern etc. eine angemessenere Einbeziehung der kulturellen Dimension, ohne die Sozialstrukturanalyse aufgeben oder vernachlässigen zu müssen.52 Reichardt war sich indessen bewusst, dass insbesondere in den stets von außen angestoßenen Veränderungen des als Struktur-Praxis-Scharnier fungierenden Habitus bei Bourdieu ein Element des von ihm kritisierten Strukturrealismus weiterlebte, vermochte aber in seiner Dissertation eindrucksvoll zu demonstrieren, dass ein an Bourdieu orientierter Theorierahmen eine sehr viel angemessenere Vermittlung von faschistischen Sinnsystemen und faschistischer Gewaltpraxis erlaubte als konkurrierende Erklärungsansätze. Nicht zuletzt schloss er damit die expressive Dimension dieser Gewalt auf, die eben mehr war als etwa bloße Kompensation sozialer Deprivation, sondern vor allem Ausdruck eines eine spezifische Form von Männlichkeit und Jugendlichkeit privilegierenden Habitus. Dass eine dergestalt praxeologisch gewendete, kultursoziologisch informierte und gleichwohl vergleichend durchgeführte Sozialgeschichte eine kaum zu überschätzende Fortentwicklung des Feldes bedeutete, steht außer Frage. Zweifelhaft ist indessen, ob damit allein schon sämtliche Kritikpunkte gegen die Historische Sozialwissenschaft im engeren, die Sozialgeschichte im weiteren Sinne ausgeräumt waren. Schließlich hatte

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ter, vgl. z. B. Nikolaus Buschmann/Horst Carl, Zugänge zur Erfahrungsgeschichte des Krieges: Forschung, Theorie, Fragestellung, in: Dies. (Hg.), Die Erfahrung des Krieges. Erfahrungsgeschichtliche Perspektiven von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg, Paderborn 2001, S. 11-26. Vgl. vor allem Thomas Welskopp, Das Banner der Brüderlichkeit. Die deutsche Sozialdemokratie vom Vormärz bis zum Sozialistengesetz, Bonn 2000 und Sven Reichardt, Faschistische Kampfbünde. Gewalt und Gemeinschaft im italienischen Squadrismus und in der deutschen SA, Köln 2002. Vgl. Pierre Bourdieu, Entwurf einer Theorie der Praxis auf der ethnologischen Grundlage der kabylischen Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1979, bes. S. 164 ff. Vgl. auch Sven Reichardt, Bourdieu für Historiker? Ein kultursoziologisches Angebot an die Sozialgeschichte, in: Mergel/Welskopp (Hg.), Geschichte, S. 71-93; skeptischer: Ingrid GilcherHoltey, Kulturelle und symbolische Praktiken: das Unternehmen Pierre Bourdieu, in: Wolfgang Hardtwig/Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Kulturgeschichte Heute, (= GG-Sonderheft 16) Göttingen 1996, S. 111-130.

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sich diese Kritik weder im Vorwurf des Strukturdeterminismus, den man letztendlich wohl auch gegen Bourdieu noch erheben könnte, noch in der Klage über die einseitige Privilegierung von Klassenidentitäten gegenüber Geschlechteridentitäten, ethnischnationalen u. a. Identitäten erschöpft. Der radikale Kern aller kulturalistischen Angriffe bestand vielmehr im Insistieren darauf, dass die Wirklichkeit einzig in der Form von Zeichensystemen primär sprachlicher Natur zugänglich, ja überhaupt erst durch Kommunikation konstruiert sei und deshalb keine diesen Sprachen und Bedeutungsgeweben vorgängige Realität vorausgesetzt werden könne. Es ging ihr darum, in der historiographischen Praxis die Konsequenzen aus einer hier nicht in ihren linguistischen und philosophischen Kontexten zu verfolgenden Theorie zu ziehen, »in which language is conceived of as a self-contained system of >signs< whose meanings are determined by their relation to each other, rather than by their relation to some >transcendental< or extralinguistic object or subject.« Daraus aber folgte zugleich, »that meanings do not simply mirror or represent but actually constitute or create the reality experienced by human beings.«53 Die immense Attraktivität einer solchen nichtreferentiellen Sprachund Kulturtheorie insbesondere für die Geschlechtergeschichte liegt auf der Hand, befreite sie doch die Kategorie »Geschlecht« von jedweder Rückführung auf »Natur«, indem sie »gender« und »sex« systematisch voneinander löste.54 Aber auch auf dem Gebiet der Arbeiter- und Arbeiterbewegungsgeschichte hatte etwa Gareth Stedman Jones schon Anfang der 1980er Jahre das Potential derartiger Ansätze demonstriert. In einer viel diskutierten Neuinterpretation des Chartismus plädierte er energisch dafür, dessen Forderungen nicht länger als Ausdruck einer Unzufriedenheit zu verstehen, »whose true sources and remedies lay elsewhere«, sondern sich stattdessen ganz auf die Analyse der politischen Sprache des Chartismus zu konzentrieren.55 Auch hier kann es nicht um die Angemessenheit der Stedman Jones'schen Chartismusdeutung gehen.56 Die Grundsätzlichkeit, mit der die ihr zugrundeliegende Sprachund Kulturtheorie die Ansätze der Historischen Sozialwissenschaft und ihrer Nachfolger in Frage stellte, scheint deutlich genug: nach dem Strukturrealismus wurde nun der Realismus überhaupt in Frage gestellt. Weniger klar scheint, was daraus fur die Sozialgeschichte folgt. Dabei gilt es zunächst einmal, die Unhintergehbarkeit sprachlich53

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John E. Toews, Intellectual History after the Linguistic Turn. The Autonomy of Meaning and the Irreducibility of Experience, in: American Historical Review 92 (1987), S. 879-907, hier S. 882 und S. 885. Vgl. nur die Bilanz von Hans Medick/Anne-Charlott Trepp (Hg.), Geschlechtergeschichte und Allgemeine Geschichte. Herausforderungen und Perspektiven, Göttingen 1998. Gareth Stedman Jones, Rethinking Chartism [1982], wieder in: Ders., Languages of Class. Studies in English Working Class History 1832-1982, Cambridge 1983, S. 90-178, hier S. 97; dt. in: Ders., Klassen, Politik und Sprache. Für eine theorieorientierte Sozialgeschichte, Münster 1988, S. 133-229. Einflussreich war die Kritik von Joan Wallach Scott, Über Sprache, Geschlecht und die Geschichte der Arbeiterklasse [1987], wieder in: Christoph Conrad/Martina Kessel (Hg.), Geschichte schreiben in der Postmoderne. Beiträge zur aktuellen Diskussion, Stuttgart 1994, S. 283-309.

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kultureller Deutungsmuster in ihrer ganzen Radikalität anzuerkennen.57 Schließlich mangelt es nicht an ganz konkreten empirischen Untersuchungen, die bis in den Arkanbereich der Historischen Sozialwissenschaft, die historische Statistik, hinein, die Konstruiertheit von zentralen Untersuchungskategorien nachgezeichnet haben.58 Wehlers Prognose der späten 1970er Jahre, die Begriffsgeschichte werde »schon auf mittlere Sicht in die historistische Sackgasse führen«, dürfte von daher zu den krasseren Fehleinschätzungen zählen.59 Was aber bedeutet dies für die sozialgeschichtliche Praxis? Sicherlich nicht, dass man wie Andreas Rödder für den Bereich der Politikgeschichte die sprach- und kulturtheoretische Herausforderung mit vagen Hinweisen auf einen die realistische gegen eine konstruktivistische Weltsicht rettenden common sense beiseite schiebt.60 Gleichwohl liegt auf der Hand, dass man in der Paralyse fortgesetzter Dekonstruktion erstarrt, wenn man keinen Begriff und keine Zahl ungeprüft meint verwenden zu dürfen. Das gilt nicht allein, aber insbesondere dort, wo wie bei Synthesen nicht nur globalgeschichtlichen Zuschnitts eigene Deutungen unvermeidlich auf Informationen zweiter oder dritter Hand gegründet sind. Hier scheint eine pragmatische Vorgehensweise unverzichtbar, die dergleichen Hinweise behandelt, als ob sie auf eine vorgängige Realität verwiesen, ohne diesen Vorbehalt aus dem Blick zu verlieren. Dass dergestalt gewonnene Ergebnisse ihrerseits unter dem Vorbehalt späterer Dekonstruktion stehen, versteht sich von selbst. Eine solche Vorläufigkeit ist indessen jeder wissenschaftlichen Praxis zu eigen. Will man das Risiko eines solchen »als ob« genauer einschätzen, findet man in der aktuellen philosophischen Diskussion eine gewisse Beruhigung. Diese ist zwar weit davon entfernt, hinter konstruktivistische Einsichten in einen naiven Realismus zurückzufallen, beharrt aber gegenüber einem überzogenen Konstruktivismus darauf, dass unsere Konstruktionen die Orientierung unserer lebensweltlichen Praxis gewährleisten müssen.61 Und insofern ist auch der Begriff der Nichtreferentialität letztlich irreführend. Denn anzuerkennen, dass sich »Bedeutungen und Sinnzusammenhänge [...] nicht aus dem Signifikat, sondern aus der Differenz zwischen den Signifikanten ergeben« und insoweit die Beziehung zwischen dem Bezeichnenden und dem Bezeichneten arbiträr ist, setzt ja keineswegs die Überzeugung voraus, zwischen sprachlichen Bedeutungen sowie kulturellen Sinnzusammenhängen und Lebens57

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Hierzu scheint Thomas Welskopp, Die Sozialgeschichte der Väter. Grenzen und Perspektiven der Historischen Sozialwissenschaft, in GG 24 (1998), S. 173-198, bes. S. 174 f. und S. 184 ff. in seinem ansonsten sehr anregenden Plädoyer nicht bereit. Vgl. nur die Beiträge von J. Adam Tooze und Benedicte Zimmermann, in: Peter Wagner/Claude Didry/Benedicte Zimmermann (Hg.), Arbeit und Nationalstaat. Frankreich und Deutschland in europäischer Perspektive, Frankfurt a. M. 2000. Hans-Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, in: Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur >Geistigen Situation der ZeitMaschine< oder führerlose Demokratie, das heißt: die Herrschaft der >Berufspolitiker< ohne Beruf, ohne die inneren, charismatischen Qualitäten, die eben zum Führer machen.«11

Dass die Leitung der Parteien durch plebiszitäre Führer die >Entseelung< der Gefolgschaft, ihre geistige Proletarisierung bedinge, nahm Weber in Kauf. Um für den Führer als Apparat brauchbar zu sein, müsse diese blind gehorchen.12 Mommsen hat sich in seinen Anmerkungen zu den Nachwirkungen Max Webers nicht gescheut, das verfängliche Problem anzupacken, ob dieser trotz seiner einzigartigen intellektuellen Gaben und seiner charakterlichen Größe für Deutschlands Weg nicht doch der falsche Prophet gewesen sei.13 Bei diesen Überlegungen tauchte nicht zufällig Carl Schmitt als Bezugsgröße auf. Mommsen hat sich mit dem verfassungstheoretischen Werk Schmitts aus den späten Weimarer Jahren vertraut gemacht und plausible Verbindungslinien zwischen Weber und Schmitt gezogen. Er griff auf die Schriften »Verfassungslehre« (1928), »Der Hüter der Verfassung« (1931) und »Legalität und Legitimität« (1932) zurück. Im »Hüter der Verfassung«, darauf verweist Mommsen zu Recht, ist vielleicht am stärksten die 9 10 11

12 13

Fraenkel, Rezension Mommsen, S. 421 f. Mommsen, Weber 1959, S. 379-386. Max Weber, Politik als Beruf, in: Ders., Gesammelte politische Schriften, hrsg. v. Johannes Winckelmann, mit einem Geleitwort von Theodor Heuss »Max Weber in seiner Gegenwart«, 2. Aufl., Tübingen 1958, S. 493-548, hier S. 532. Ebd. Vgl. Fraenkel, Rezension, S. 422.

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Nachfolge des Reichspräsidentengedankens zu spüren, wie ihn Max Weber am Ende des Kaiserreichs mit Wucht und Überzeugungskraft vertreten hatte. Hier verwirft Schmitt die »komplizierte Organisation des Deutschen Reiches«, seine »heutige konkrete Verfassungslage«, als »ein pluralistisches und polykratisches Gebilde« und plädiert für die Unabdingbarkeit der »neutralen Gewalt« des Reichspräsidenten mit ihrer vermittelnden und regulierenden Funktion im pluralistischen Parteienstaat.14 Weiter heißt es in polemischer Zuspitzung der Ausgangsthese: »Es ist ganz selbstverständlich, daß in einem pluralistischen Parteienstaat jede Partei die >Autorität< des Staates geltend macht, wenn sie den Staat im Augenblick auf ihrer Seite hat, und daß sie umgekehrt das ganze Pathos liberaler Freiheitlichkeit anschlägt, und von Diktatur, Obrigkeitsstaat, Reaktion, Fascismus oder Bolhscewismus usw. spricht, wenn die staatliche Entscheidung der Gegenpartei zugute kommt.«

Das alles gehöre zur Natur des pluralistischen Parteienstaates, dessen Gruppierungen nur so lange alle Vorteile der Staatlichkeit ausnutzen könnten, »als nicht von irgendeiner Seite her eine Entscheidung fallt; sei es aus den trotzdem noch vorhandenen Kräften des staatlichen Ganzen, sei es durch den Übergang zum Ein-Parteien-Staat, der einer Partei das Risiko des Politischen aufzwingt.« 15

Hier klingt der Schwebezustand, aber auch die Existenznot der Weimarer politischen Ordnung in den Jahren 1930-1932 an, als die Präsidialkabinette Brüning, Papen und Schleicher die auf den Reichspräsidenten gestützte Staatsautorität gegen einen nicht mehr mehrheitsfähigen Reichstag ausspielten. Mommsen hat durchaus das Nichtverrechenbare zwischen Schmitt und Weber angesprochen; doch er hielt es aus Gründen intellektueller Redlichkeit für angebracht, den Blick auch auf jene »Umdeutung im antidemokratischen Sinne« zu lenken, die die Ausrichtung der Verfassungsideale Max Webers ermöglichte.16 Hier liegt eine Unentschiedenheit des historischen Urteils, das sich schwer damit tat, die Verknotung von nationalem Machtstaat wilhelminischer Prägung und nationalsozialistischem Weltanschauungsstaat aufzulösen. Mommsen nennt Schmitt einen »gelehrigen Schüler Max Webers«;17 wenn er dies war, hätten die Argumente tiefschürfender sein müssen. Schmitt hatte bei seinem Aufstieg im Nationalsozialismus mit der Gedankenwelt Max Webers gebrochen; er sprang in das Flussbett einer rassistischen Tradition der deutschen Geschichte. Das war die Fortsetzung deutscher Kontinuität auf anderer Ebene. Zwar schreibt Mommsen, Weber hätte den Schritt in den autoritären Führerstaat nie getan; die Wendung des plebiszitären Führergedankens gegen den Parteienstaat überhaupt, geschweige denn seine Fortentwicklung zur totalen Herrschaft des charismatischen Politikers Hitler und seiner sich mit dem Staat identifizierenden Gefolgschaftspartei der NSDAP habe er

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Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, Tübingen 1931 [2. Aufl., Berlin 1969], S. 140 f. Ebd., S. 147 f., Anm. 1. Mommsen, Weber 1959, S. 386. Ebd., S. 380.

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niemals wollen können und in aller absehbaren Zeit für möglich gehalten. Doch in dem Schlusskapitel des Buches »Vom liberalen Verfassungsstaat zur plebiszitären Führerdemokratie« stehen auch folgende Sätze: »Das Jahr 1933 brachte dann die charismatisch-plebiszitäre Führerherrschaft >mit Maschinen wenn auch in ungleich anderer Form, als Weber dies im Sinn hatte. Gleichwohl wird man ehrlicherweise feststellen müssen, daß Webers Lehre von der charismatischen Führerherrschaft, verbunden mit ihrer radikalen Formalisierung des Sinns der demokratischen Institutionen, ihren Teil dazu beigetragen hat, das deutsche Volk zur Akklamation der Führerstellung Adolf Hitlers innerlich willig zu machen.«19

Mommsen zitiert an dieser Stelle Karl Löwith, der als von der NS-Herrschaft Betroffener 1939/40 in der Zeitschrift »Maß und Wert« Carl Schmitt in der Nachfolgeschaft Webers gesehen hatte.20 In der Formel »Führerdemokratie mit Maschine« sah Löwith die »Antinomie von Webers politischer Wissenschaft« angelegt, so dass dieser zum ungewollten »Wegbereiter von Deutschlands politischer Zukunft« geworden sei.21 Doch Löwith beschloss seinen Artikel mit folgenden Worten: »Es gehört zur Tragik des deutschen politischen Lebens, daß ein wissender Mann wie Weber während der Krise der Bismarckschen Gründung niemals zur Tat kommen konnte, wogegen ein talentierter Streber wie Schmitt einen kaum zu überschätzenden Einfluß auf das politische Denken und die Gesetzgebung des Dritten Reiches gewann.«22

Der talentierte Herr Schmitt verstand es, noch im Jahr 1933 durch eine Reihe von Schnellfeuertexten die Webersche »Führerdemokratie« durch den »Führerstaat« einzutauschen. Seiner im Herbst 1933 verfassten Schrift »Staat, Bewegung, Volk« ging ein Vortrag auf dem Deutschen Juristentag in Leipzig am 3. Oktober voraus. Carl Schmitt stellte die »Dreigliedrigkeit« der neuen politischen Ordnungsstruktur in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. »Der heutige deutsche Staat und sein Verfassungsrecht besteht in drei Elementen: Staat, Bewegung, Volk.« Doch Schmitt fügte in Erweiterung seiner bisherigen Auslassungen hinzu, dass es die Voraussetzung jedes nationalsozialistischen Staats- und Verwaltungsrechts sei, »diese drei Begriffe im richtigen Verhältnis zu sehen«. Im »Dreiklang« von Staat, Bewegung und Volk sollte die Bewegung den Ton angeben. »Die Gruppierung, die zwischen den drei Elementen notwendig ist, wird dadurch hergestellt, daß die nationalsozialistische Bewegung nicht nur die staatstragende - als solche ist sie längst erkannt - , sondern auch die volktragende Größe ist. Die Dreiheit - Staat, Bewegung, Volk wird demnach von der Bewegung getragen. Die Bewegung ist der führende Teil. So erkennen wir das erste große Grundgesetz des heutigen nationalsozialistischen Staates, das Gesetz des

18 19 20

21 22

Ebd., S. 383 sowie S. 386. Ebd., S. 410. Karl Löwith, Max Weber und seine Nachfolger (1939/40), in: Ders., Sämtliche Schriften, Bd. 5, Stuttgart 1988, S. 4 0 8 ^ 1 8 . Ebd., S. 413. Ebd., S. 418.

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unbedingten Vorranges der politischen Führung, wie es sich in der nationalsozialistischen Bewegung unter ihrem Führer Adolf Hitler darstellt.«23

In seinem Vortrag auf dem Leipziger Juristentag präsentierte sich Schmitt als homme fori des jungen »Dritten Reiches«. Sein Denken rankte sich am Weltanschauungsgerüst des NS-Staates empor. Er sprach im Plural: »Wir wissen: Führen ist nicht Kommandieren, Führen ist nicht Diktatur, Führen ist etwas, das auf Artgleichheit zwischen Führer und Gefolgschaft beruht«.24 An anderer Stelle heißt es: »Wir kennen den Wert genereller Normierungen, aber auch den Rechtswert des konkreten Befehls des wahren Führers. Wir lassen uns nicht durch eine sophistische Antithese von Politik und Recht und Recht und Macht darüber beirren, daß der Wille des Führers Recht ist. Dem Willen eines Führers zu folgen ist, wie uns Heraklit gesagt hat, ebenfalls ein nomos.«15

Diese Sätze bilden den Grundstock für Schmitts rabulistischen Umgang mit den Unrechtstaten des Führerstaates. Carl Schmitts brauner Biographieabschnitt war in den 50er Jahren, im Unterschied zu den vielen verschwiemelten Darstellungen heute, noch real präsent. In einem Buch über Max Weber musste die Nennung seines Namens und der hergestellte Bezug als Zumutung empfunden werden. Ernst Fraenkel sah diese Gefahr und stellte sich schützend vor Mommsen: »Auch die tiefste Verehrung für einen der Großen im Reiche des Geistes entbindet den Historiker jedoch nicht von der Verpflichtung, die Wirkungen aufzudecken, die sein Wirken ausgelöst haben mag - stets vorausgesetzt, daß eine solche Untersuchung mit dem Takt und mit dem Sinn für den Unterschied zwischen subjektiver Verantwortung und objektiver Verursachung erfolgt, den Mommsen in so vorbildlicher Weise an den Tag gelegt hat.«26

Der Takt im Umgang mit Max Weber wurde Mommsen von einer Gelehrtengeneration abgesprochen, die mit Weber noch persönliche Erinnerungen verband. Reinhard Bendix (1916-1991), Paul Honigsheim (1885-1963) und Karl Loewenstein (1891-1973) hatten in den 1930er Jahren in die USA emigrieren müssen und sich dort einen internationalen Ruf als Sozial- und Staatswissenschaftler erworben. Im Œuvre dieser drei Persönlichkeiten blieb Weber bis zu deren Lebensende die Ankerperson.27 In ihrer emotional gefärbten Kritik an Mommsens Buch fanden sie in der Kölner Zeitschrift für Soziologie 23

24 25 26 27

Carl Schmitt, Der Neubau des Staats- und Verwaltungsrechts, in: Deutscher Juristentag, Ansprachen und Fachvorträge. Vierte Reichstagung des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen, bearb. v. Rudolf Schraut, Berlin 1933/34, S. 242-252, hier S. 245; vgl. ders., Staat, Bewegung, Volk. Die Dreigliederung der politischen Einheit, 2. Aufl., Hamburg 1934. Schmitt, Der Neubau, S. 250. Ebd., S. 252. Fraenkel, Rezension Mommsen, S. 424. Vgl. Reinhard Bendix, Max Weber - Das Werk. Darstellung, Analyse, Ergebnisse. Mit einem Vorwort von René König, München 1964, engl. Max Weber. An Intellectual Portrait, New York 1960; Paul Honigsheim, The Unknown Max Weber. Edited and with an introduction by Alan Sica, New Brunswick, New Jersey 2000; Karl Loewenstein, Max Webers staatspolitische Auffassungen in der Sicht unserer Zeit, Frankfurt a. M. 1965.

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und Sozialpsychologie ein prominentes Forum. 1961 veröffentlichte das von René König herausgegebene Organ drei hintereinander geschaltete Rezensionen von Bendix, Honigsheim und Loewenstein.28 Der Generaleinwand der drei Rezensenten lässt sich auf die Formel bringen, Mommsen habe auf dem delikatesten Feld des Weberschen Gedankenguts eine falsch angesetzte »Abrechnung« geliefert.29 Es werde ein unvollständiges Gesamtbild Webers gezeichnet, das »Retouchen« in den beschriebenen Wertpositionen (Religion; Nation; Demokratie) erforderlich mache.30 Am schärfsten ging Karl Loewenstein mit Mommsen ins Gericht und nahm sich den »Schlußteil des Buches« vor. Dem Gedanken, dass Webers Lehre von der charismatischen Führerherrschaft das deutsche Volk zur Akklamation der Führerstellung Hitlers innerlich willig gemacht haben könnte, setzte er polemisch den eigentlichen Willigmacher entgegen: Carl Schmitt. »Ich spreche von Herrn Carl Schmitt, dem Mephisto der deutschen VorHitlerzeit, der sich dann als ideologischen Geburtshelfer des Tausendjährigen Reiches so verdient gemacht hat.«31 Max Weber, so Loewenstein, ein kompromisslos Gerechter, möge er auch oft geirrt haben, werde verunglimpft, wenn man ihn zusammen mit Schmitt, diesem ebenso begabten wie verderblichen Opportunisten, in die »geistige Ahnenreihe« von Hitlers Reich einordne. Es ist sicherlich nachvollziehbar, wenn sich Mommsen, damals noch ein »der breiteren Öffentlichkeit unbekannter junger Gelehrter« (Ernst Fraenkel), von solcher Art Hiebe getroffen fühlte. Er antwortete auf diese Anwürfe zwei Jahre später ebenfalls in der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie.32 Mommsen stellte Max Weber als einen der »Ahnherren der deutschen parlamentarischen Demokratie« vor und wies ihm in der an großen demokratischen Persönlichkeiten nicht eben reichen Vorgeschichte der deutschen Demokratie einen »Ehrenplatz« zu. »Ohne jeden Zweifel war er eine der eindruckvollsten Persönlichkeiten, die die deutsche Linke je hat aufweisen können.«33 Obwohl klar zwischen Traditionslinien der Linken und der Rechten unterschieden werden müsse, hielt Mommsen weiterhin an dem Standpunkt fest, dass es angemessen sei, Webers demokratisches Credo auf seine verschiedenen Schichten und Entwicklungsstufen hin »kritisch zu durchleuchten«. Gerade weil der Nationalsozialismus in Deutschland nicht als deus ex machina zur Macht gekommen sei, habe eine eindringliche historische Untersuchung auch danach zu fragen, »ob nicht gerade auch 28

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33

Reinhard Bendix, Einige Bemerkungen zu einem Buch von Wolfgang Mommsen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 13 (1961), S. 258-262; Paul Honigsheim, Max Weber und die deutsche Politik. Bei Gelegenheit des gleichnamigen Buches von Wolfgang Mommsen, in: Ebd., S. 263-274; Karl Loewenstein, Max Weber als »Ahnherr« des plebiszitären Führerstaats, in: Ebd., S. 275-289. Bendix, Einige Bemerkungen, S. 258 f. Honigsheim, Max Weber, S. 268-270. Loewenstein, Weber als »Ahnherr«, S. 287 f. Wolfgang J. Mommsen, Zum Begriff der »plebiszitären Führerdemokratie« bei Max Weber, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 15 (1963), S. 295-322. Ebd., S. 295 f.

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im demokratischen Lager potentielle Einbruchsteilen autoritären Denkens vorhanden gewesen sind«.34 In seinem Beitrag zerpflückte Mommsen den Vorwurf Loewensteins, er habe Weber die Postulierung des plebiszitären Führerstaats Hitlerscher Prägung »imputieren«, das heißt zurechnen wollen.35 Er machte am Begriffsumfeld von »plebiszitärer Führerdemokratie« deutlich, dass dieses Konzept in keiner Beziehung dem Schmittschen Führerstaat vorgelagert sei, es sich vielmehr auf zwei sich gegenseitig ergänzende Legitimierungsprinzipien habe gründen wollen - die verfassungsmäßige Legalität des parlamentarischen Gesetzgebungsstaates und eben die Legitimität des volksgewählten Reichspräsidenten als eines charismatischen Führers.36 So substantiell und in der Argumentation schlüssig Mommsens Abhandlung auch war, sie behielt ihre Angriffsflächen, weil an der Zuspitzung des Weber-Buches auf Carl Schmitt festgehalten wurde. Die »Nachwirkungen der Lehre Max Webers vom Reichspräsidenten als politischem Führer« allein auf Schmitt zu beziehen, schärfte durch Verknappung zwar die Perspektive, ließ aber auch Wesentliches, nicht nur der Wirkungsgeschichte von Webers Führerdemokratie, außer Acht. Mommsen schreibt im Vorwort zur zweiten Auflage seines Buches, dass es in einer Situation verfasst wurde, »in der es darum ging, sich mit den großen Katastrophen der jüngeren deutschen Vergangenheit, insbesondere dem Aufstieg und der Herrschaft des Nationalsozialismus, kritisch auseinanderzusetzen und die geistigen und moralischen Grundlagen für eine starke und stabile deutsche Demokratie zu legen.« 37

Carl Schmitt gehörte als eine besonders hervorstechende Person der deutschen Katastrophengeschichte im 20. Jahrhundert an. Sein historisches Gewicht wurde von Mommsen falsch eingeschätzt. Die Aussage über Schmitt als »Fortsetzer bestimmter, bei Weber bereits angelegter Tendenzen« hätte differenzierter vorgebracht werden müssen, um nicht gerechtfertigter Polemik zu entgehen. »Daß Schmitts Folgerungen nicht im Sinne Webers gewesen sind«, dieser Hinweis reichte nicht aus. 38 '

3. Der Heidelberger Soziologentag 1964: Polemik und Verteidigung Mit seiner Weber-Schmitt-Verquickung hatte sich Mommsen in eine Verteidigungsstellung manövriert. Auf dem Heidelberger Soziologentag 1964 aus Anlass des hundertsten Geburtstages von Max Weber traf er auf seine schärfsten Kritiker. Für sie zählte das Stichwort >Carl Schmitt^ nicht die Zahl der »Belege für Webers konsequentes Be34 35 36 37 38

Ebd., S. 296. Vgl. Loewenstein, Weber als »Ahnherr«, S. 278. Mommsen, Führerdemokratie, S. 319 f., Anm. 62; vgl. ders., Weber 1959, S. 283. Ders., Weber 1974, S. XI. Ders., Führerdemokratie, S. 321, Anm. 85.

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kenntnis zum deutschen Nationalstaat als obersten Richtpunkt seines politischen Verhaltens.«39 In seinem Diskussionsbeitrag zum Sektionsthema »Max Weber und die Machtpolitik«, das von Raymond Aron einleitend in seiner ganzen Breite behandelt worden war, verwies Mommsen darauf, dass Weber »alle politischen Phänomene fast ausschließlich als freilich überaus vielgestaltige Modifikationen der Machtausübung deutete, eine Auffassung, die in Carl Schmitts Dezisionismus eine einseitige radikale Fortbildung erfahren hat.«40 Jürgen Habermas, der auf dem Kongress Grenzen des »Postulats der Wertfreiheit« in den Sozialwissenschaften anmahnte, war der Einzige, der Mommsen an die Seite trat. Er bezweifelte die Möglichkeit einer uneingeschränkten »liberalen Rezeption Max Webers«. Dessen »militanter Spätliberalismus«, wie Mommsen ihn nachgewiesen habe, sei fur die »Periode der Weimarer Zeit« nicht folgenlos geblieben: »Wir können nicht daran vorbei, daß Carl Schmitt ein legitimer Schüler Max Webers war«, oder, wie Habermas sich in einer anderen Formulierung ausdrückte, ein »natürlicher Sohn«.41 Nicht Habermas, sondern Mommsen zog massive Kritik auf sich. Es sei ungerecht und historisch nicht richtig, Max Weber »mit Carl Schmitt zu behängen«, so Adolf Arndt.42 Der Weber-Forscher Eduard Baumgarten empörte sich, Mommsen decke »mit der Hand des Staatsanwalts in den Sprachweisen des Angeschuldigten [...] diejenigen Stellen zu, die Antworten enthielten gegen seine Verdikte; hätte er sie vorgelesen, so wäre des öfteren das Verdikt >schuldig< als untriftig und ungerecht widerlegt worden.« 43

Auch Aron, der in seinem Referat Mommsens Mut gewürdigt hatte, »wunde Punkte« anzusprechen, formulierte in seinem Schlusswort leicht distanzierend: »Ich habe [...] nicht die Zeit, mich gegen alle Einwände zu verteidigen, auch nicht, mich gegen meinen Verteidiger, Dr. Mommsen, zu verteidigen, denn er ist in meiner Richtung so weit gegangen, daß ich natürlich [...] etwas mit ihm polemisieren würde.« 44

4. Carl Schmitt: Rezipient und Rezensent Die Vorwürfe auf dem Heidelberger Soziologentag haben Mommsen »tief getroffen«, weil, wie er dort ausführte, »ich diesen letzten großen Liberalen der Neuzeit sehr vereh39

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Ders., Diskussionsbeitrag in der Sektion »Max Weber und die Machtpolitik«, in: Otto Stammer (Hg.), Max Weber und die Soziologie heute. Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages, Tübingen 1965, S. 130-138, hier S. 132; Referat und Diskussion zum Thema »Max Weber und die Machtpolitik«, in: Ebd., S. 103-156. Mommsen, Diskussionsbeitrag, in: Ebd., S. 135; vgl. das Referat Arons, in: Ebd., S. 103-120. Jürgen Habermas, Diskussionsbeitrag in der Sektion »Wertfreiheit und Objektivität«, in: Stammer, Verhandlungen, S. 74-81, hier S. 81 . Adolf Arndt, Diskussionsbeitrag in der Sektion »Max Weber und die Machtpolitik«, in: Ebd., S. 150-154, hierS. 152. Eduard Baumgarten, Diskussionsbeitrag, in: Ebd., S. 145-150, hier S. 146. Raymond Aron, Schlusswort in der Sektion »Max Weber und die Machtpolitik«, in: Ebd., S. 155.

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re.«45 Carl Schmitt war kein Liberaler, doch er nahm es dankbar entgegen, mit einem Liberalen Weberschen Zuschnitts in einem Atemzug genannt zu werden. Über Schmitt wurden in der Nachkriegszeit keine Veranstaltungen abgehalten. Dieser brachte sich vielmehr auf seine Weise in die politische Kultur der Bundesrepublik ein, in der er reüssierte.46 Die Kreise, die sich um ihn versammelten, pflegten das »Gespräch« als Medium intellektueller Einflussnahme. Sie mögen durch die These vom Fortsetzer Webers in ihrer Auffassung bestärkt worden sein, in Carl Schmitt mehr zu sehen als den Ahnherren des Führerstaates. Schmitt hat sich die Gelegenheit zur Selbststilisierung, die ihm Mommsens Weber-Buch verschaffte, nicht entgehen lassen. Er hat es intensiv gelesen und rezensiert. Das Nachlass-Exemplar dokumentiert eine geradezu süchtige Lektüre des Kapitels, das sich mit Niederlage und Revolution 1918/19, Webers Tätigkeit fur die Deutsche Demokratische Partei und der durch den Versailler Vertrag verstellten »Zukunft Deutschlands in der Welt« beschäftigt.47 Darüber hinaus findet sich in ihm eine Sentenz mit einem auf den ersten Blick überraschenden Sinngehalt. Das Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 führte Schmitt in der Nachkriegszeit immer wieder als Alibi für sein »Mitmachen bei Hitler« an. Mommsens Darstellung der politischen Überzeugungen Max Webers brachte er in einen Zusammenhang mit seinem Eintritt ins »Dritte Reich«. Schmitt schrieb auf die Innenseite von Mommsens Buch: »Wenn man dieses Buch liest, wird einem klar, warum das Ermächtigungsgesetz zustande kam; die Zustimmung Theodor Heuss, d.h. der [...] Reste der bürgerlichen Demokratie liegt bei Max Weber bereits >drinmen on the spoU mit ihren divergierenden Vorstellungen und die verschiedenen christlichen Missionen mit ihren ebenfalls eigenständigen und heterogenen Motiven. Einen Höhepunkt stellte sicherlich das Auftreten des französischen Altmeisters Henri Brunschwig dar. Der einige Jahre später publizierte Sammelband ist weiterhin ein Standardwerk zum Thema, auch wenn man sich heute eine etwas stärkere Berücksichtigung der überaus heterogenen afrikanischen Seite wünschen würde, die 23

keineswegs nur als Objekt der Europäer agierte. Für die Theoriefragen noch bedeutender war möglicherweise die ebenfalls prominent besetzte Tagung »Imperialism and after«, die zwei Jahre zuvor im September 1982 in der Werner-Reimers-Stiftung in Bad Homburg stattgefunden hatte und an der fast alle bedeutenden englischsprachigen Imperialismustheoretiker teilgenommen hatten. Die Konferenz bewegte sich auf sehr hohem theoretischen Niveau, stellte doch Ronald Robinson die letzte, verbesserte Fassung seiner Imperialismustheorie vor. Diese Tagung und der daraus entstandene Sammelband bündelten die gesamte internationale Forschung der 1970er Jahre und gaben eine Reihe neuer Themen vor.24 Danach ging Mommsens Interesse an der Imperialismusforschung langsam zurück, auch wenn er kontinuierlich als scharfsinniger und auch scharfzüngiger Rezensent tätig blieb. Vor diesem Hintergrund kann sein Schlussvortrag, den er als scheidender Präsident des Verbandes der Historiker Deutschlands auf dem Historikertag in Hannover hielt, als Summe und Abschluss seines Interesses am Imperialismus gelten.25 Angesichts der Geschichte von 500 Jahren europäischer Expansion erteilte er den Thesen von der Weltgeschichte Europas eine programmatische Absage und hob hervor, dass die Mehrzahl der bisherigen Imperialismusthesen wegen ihrer Monokausalität die wirklichen Begebenheiten nur unzulänglich erfassten. Zusätzlich warf er die bisher nur unzureichend erforschte Frage nach der konkreten Wirkung von Herrschaft auf und betonte die beständige asymmetrische Interaktion und den permanenten Akkulturationsprozess, der weiterer Forschung bedürfe. Historiographiegeschichtlich stand dieser Vortrag exakt zwischen den Imperialismustheorien der 1970er Jahre und dem neu entstehenden Feld der Globalisierungsforschung, deren Konturen zum Zeitpunkt dieses Historikertages (September 1992) allerdings noch nicht einmal in vagen Umrissen erkennbar waren. In den Büchern, die er danach vor allem mit dem Schwerpunkt auf das deutsche Kaiserreich verfasste, fand nur noch das deutsche Kolonialreich seinen Platz. Auch hat er im Gegensatz zu Albertini nur wenige seiner Schüler für Imperialismusthemen interessieren 23

24

25

Vgl. Stig Förster/Wolfgang J. Mommsen/Ronald Robinson (Hg.), Bismarck, Europe and Africa. The Berlin West Africa Conference 1884-85 and the Onset of Partition, Oxford 1988. Vgl. Wolfgang J. Mommsen/'Jürgen Osterhammel (Hg.), Imperialism and After. Continuities and Discontinuities, London 1986. Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Europa und die Außereuropäische Welt, in: 39. Versammlung deutscher Historiker in Hannover, Stuttgart 1994, S. 415^137.

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können. Neben Stig Förster, Wolfgang Mock und Boris Barth ist Kirsten Zirkel zu nennen, deren mehrfach umgearbeitete Studie erst nach Mommsens Tod erschien.26 Jürgen Osterhammel stieß erst 1982 in London zu Mommsen und präzisierte - aufbauend auf Robinson/Gallagher und Mommsen - die Theorie des informellen Imperialismus.27 Mommsen war sich des großen Problems der europazentrischen Interpretationen, die sich sowohl aus der Verfügbarkeit und Zugänglichkeit schriftlicher Quellenbestände als auch aus der fortbestehenden institutionellen Dominanz des Westens ergaben, vollständig bewusst, hat aber letztlich keine grundsätzliche Lösung gefunden, wie eine wirklich gleichwertige Perspektive hergestellt werden könnte. Auch deshalb begrüßte er die Idee, auf dem Bamberger Historikertag das Thema der europäischen Expansion und die Geschichte der außereuropäischen Welt zum Thema zu machen, und organisierte eine eigene, anspruchsvolle Sektion. Auch wenn er selbst aus seinen Arbeiten heraus nur wenig Konkretes zur jeweiligen Geschichte der außereuropäischen Regionen beitragen konnte, sah er sich doch als einen Generalisten im positiven Sinne, der helfen konnte, der Forschung neue Perspektiven zu öffnen.

2. Imperialismustheorien heute Vordergründig sind seit den späten 1980er Jahren die großen Debatten um die Imperialismustheorien an ein Ende gekommen. Dies hat mehrere, teilweise sich überschneidende Gründe. Erstens scheint ein Charakteristikum aller bedeutenden historischen Kontroversen darin zu bestehen, dass nach mehreren Jahren - oder wie in diesem Falle Jahrzehnten - der intensiven Debatten die wesentlichen Argumente ausgetauscht sind und sich entweder eine gewisse Erschöpfung bemerkbar macht oder ein Generationswechsel in der Historikerschaft andere Fragen in den Vordergrund rücken lässt. Zweitens fiel durch den Zusammenbruch des Ostblocks die bis dahin bestehende marxistische Herausforderung fort, die konstant und in mehr oder weniger dogmatischer beziehungsweise monologisierender Verhärtung versucht hatte, die Leninsche Interpretation des Imperialismus fortzuschreiben. Dabei hatte nicht so sehr der Versuch im Mittelpunkt gestanden, neue marxistische Perspektiven zu eröffnen, sondern eher pauschal den angeblichen westlichen Neoimperialismus politisch zu diffamieren. Deshalb konnten auch westliche Historiker diese Debatten, die zunehmend als steril angesehen wurden, endlich einstellen, die Erträge der bilateralen Auseinandersetzungen zwischen westlicher und sowjet-marxistischer Sichtweite waren seit Ende der 1970er Jahre ohnehin gering. 26

27

Vgl. Stig Förster, Die mächtigen Diener der East India Company, Stuttgart 1992; die schon erwähnte Arbeit von Boris Barth zum Finanzimperialismus; ferner Wolfgang Mock, Imperiale Herrschaft und nationales Interesse, Stuttgart 1982; Kirsten Zirkel, Vom Militaristen zum Pazifisten. General Berthold von Deimling - eine politische Biographie, Essen 2008. Vgl. Jürgen Osterhammel, Semi-Colonialism and Informal Empire in Twentieth-Century China. Towards a framework of analysis, in: Mommsen/Osterhammel, Imperialism and after, S. 290314.

Whatever happened to Imperialism?

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Drittens haben - salopp gesprochen - die westlichen Imperialismushistoriker, angefangen bei Robinson und Gallagher, endend bei Mommsen und einigen anderen, derart umfassend theoretisch reflektiert, dass innerhalb dieser spezifischen Interpretationsrahmen kaum offene Fragen übrig geblieben sind. Der langfristige Ertrag dieser Debatten ist längst zum Allgemeingut geworden und viele Termini werden entweder explizit oder implizit ganz selbstverständlich verwendet, ohne dass die Historizität der jeweiligen Begriffe noch allgemein bewusst wäre. Hierzu gehört beispielsweise die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Herrschaft, die Rolle der >men on the spot< für expansive Prozesse an der kolonialen Peripherie, der Begriff der viktorianischen official mindDritten Welt< nach dem Abschluss der Dekolonisation nicht so sehr aus ihrer strukturellen sozioökonomischen Abhängigkeit von den ehemaligen Kolonialmächten, sondern gerade daraus, dass sich im Westen niemand fur ihre Wirtschaft interessierte und dringend notwendige Investitionen ausländischer Finanz- und Industriegruppen ausblieben. Dies schloss keineswegs aus, dass einzelne Firmen oder Interessengruppen in den sogenannten Metropolen zu den Verlierern der Dekolonisation gehörten, oder andere - vor allem im Bereich der strategischen Rohstoffe - vereinzelt quasi Monopole errichteten, die nicht nur die ökonomische, sondern auch die politische Unabhängigkeit einiger der neuen Staaten direkt wieder bedrohten. Mommsen schienen die Metropole/Peripherie-Ansätze, die eine entscheidende Prämisse für Wallersteins Theoriegebäude waren, zu statisch zu sein, um gerade die Dynamik imperialer Prozesse hinreichend zu erklären. Zudem hielt Mommsen Wallersteins Prämisse, dass die Austauschbedingungen zwischen Zentrum und Peripherie notwendigerweise immer ungleich sein mussten, für grundsätzlich falsch. Auch wenn heute einige dieser Theorien veraltet sind, keine Deutungskraft mehr beanspruchen können und ernsthaft auch nicht mehr vertreten werden, so handelt es sich bei Mommsens Buch dennoch um eine zeitlose Analyse. Mit bestechender Präzision wurden die jeweiligen politischen Hintergründe, die die jeweiligen Imperialismustheorien für die Zeitgenossen und für die Fachwelt attraktiv machten, dargelegt. Wer sich mit der Geschichte der Historiographie oder mit der Wissenschaftsgeschichte des

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20. Jahrhunderts befasst, wird kaum vermeiden können, Mommsens Buch über die Imperialismustheorien genau zu lesen. Gerade wegen ihrer sprachlichen und inhaltlichen Genauigkeit, des Bemühens um Fairness in der manchmal durchaus scharfen Kritik, dem internationalen Blickwinkel und der Fähigkeit, Mikro- und Makroebene miteinander zu verzahnen, handelt es sich immer noch um eine überaus anregende Lektüre. Abschließend soll der Bogen zu den heutigen Debatten geschlagen werden und der Frage nachgegangen werden, was damals zeitbedingt fehlte, heute aber für eine neue Deutung des Imperialismus unverzichtbar ist. Mommsen wäre sicherlich von den Möglichkeiten, die inzwischen durch kulturgeschichtliche Instrumentarien entstanden sind, begeistert gewesen. Dies gilt sowohl für die Frage der kulturellen Triebkräfte des Imperialismus als auch für die einer stärkeren Berücksichtigung kultureller Faktoren im kolonialen Alltag. Eine rein kultur- oder diskurstheoretische Deutung imperialer Expansion hätte er aber mit Sicherheit abgelehnt beziehungsweise als vorübergehende Überinterpretation abgetan, die die typische Schwäche vieler neuartiger Forschungsrichtungen darstellt. Stattdessen hätte er für einen klaren Vorrang des Politischen, eventuell integriert in übergreifende sozio-ökonomische Prozesse, plädiert. Wahrscheinlich konnte er aus diesem Grunde auch mit der Orientalismus-Debatte nur wenig anfangen, die in den späten 1970er Jahren begann und die bis heute die Forschungen zu Perzeptionen und Fremdbildern stark beeinflusst. Mommsen hat nicht gesehen, ob und inwieweit sich diese Themen in politikgeschichtliche Fragestellungen integrieren ließen. Aus heutiger Perspektive ist aber nur schwer nachvollziehbar, wie wenig in den theoretischen Debatten der 1970er und 1980er Jahre Fragen der kulturellen Interaktion eine Rolle spielten, die sich ja keineswegs in einem Aktiv-Passiv-Schema nur zwischen den Akteuren der Kolonialmächte einerseits und den jeweiligen Indigenen als Rezipienten andererseits fassen lassen. Ferner haben die meisten der damaligen Imperialismus- und Kolonialismustheoretiker, vielleicht abgesehen von Rudolph von Albertini oder Horst Drechsler in der DDR, die Frage der Kolonialkriege und der kolonialen Gewalt fast vollständig ignoriert. Mentalitäten und kollektive Denkschemata hingegen wurden in Großbritannien schon in den 1960er Jahren unter dem Schlagwort der viktorianischen nmperial mind< ausführlich untersucht, lange bevor die sogenannte Mentalitätsgeschichte in Deutschland überhaupt zur Kenntnis genommen wurde. Im Bereich der Imperialismustheorien fand sich nur sehr wenig zum Thema Rassenvorstellungen und Rassismus. Aus heutiger Sicht machten die teilweise sozialdarwinistisch inspirierten Hierarchisierungen der kolonialen Gesellschaftsstrukturen einen der zentralen Punkte imperialer Herrschaft aus, beginnend bei den bis heute wirksamen Ethnisierungen und Klassifizierungen von sozialen Unterschieden, über die Architektur des europäischen Städtebaus in Übersee, endend bei den alltäglichen Hierarchisierungen in der Arbeitswelt. Die Versuche, den Imperialismus insgesamt durch zusammenfassende Theorien zu deuten, sind heute weitgehend zum Erliegen gekommen. Den letzten großen Versuch hierzu unternahmen am britischen Beispiel Peter Cain und Anthony Hopkins mit ihrer

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These des gentlemanly capitalism, ein Konzept, das sich aber nur schwerlich auf andere Länder anwenden oder übertragen lässt.31 Auch sind in Deutschland nur wenige Studien erschienen, in denen musterhaft eine Kulturgeschichte des Kolonialismus oder des Imperialismus realisiert worden wäre, beziehungsweise beschränkten sich diese Studien fast ausschließlich auf das Kaiserreich.32 Die sogenannte new colonial history ist nur zögernd rezipiert worden. Keiner der Historiker der jüngeren Generation setzte sich an die Spitze einer neuen Schule, wie dies Albertini und vor allem auch Reinhard getan hatten. Dadurch entstand auch nichts, das der britischen Richtung um John MacKenzie vergleichbar gewesen wäre.33 Selbst die postkoloniale Kulturgeschichte wurde im Wesentlichen auf dem Umweg über die USA importiert.34 Themen wie crossing cultures, die etwa von Lynn Zastoupil erfolgreich bearbeitet wurden, sind in Deutschland wenig bekannt, sieht man von dem integrativ angelegten Buch ab, das Reinhard Wendt kürzlich verfasst hat.35 Auch das Problem der Zivilisierungsmissionen wird in Deutschland erst seit kurzer Zeit diskutiert.36 Seit der Studie von Bernard Semmel über die Imperialismustheorien des 19. Jahrhunderts, das heißt seit fast 20 Jahren, ist kein zusammenfassendes Werk über Imperialismustheorien mehr erschienen.37 Zwar sind seit der dritten Auflage von Mommsens Buch kaum neue Theorien hinzugekommen, dennoch lässt sich erneut ein wachsendes Interesse an der Geschichte der Expansion Europas feststellen, das bereits zu Mommsens Lebzeiten aufgekommen ist. Beispielsweise wurden im Zuge des sogenannten spatial turn Großräume als Forschungsobjekt entdeckt, die nur jenseits der jeweiligen Nationalgeschichtsschreibungen und auch jenseits der nationalen Imperien analysiert werden können. Horst Pietschmann,

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Peter J. Cain/Anthony G. Hopkins, British Imperialism 1688-2000, 2. Aufl., Harlow 2002. Vgl. Birthe Kundrus (Hg.), Phantasiereiche. Zur Kulturgeschichte des deutschen Imperialismus, Frankfurt a. M. 2003; dies., Die imperialistischen Frauenverbände des Kaiserreichs. Koloniale Phantasie- und Realgeschichte im Verein, Basel 2005; kulturtheoretische Erwägungen auch bei Dirk van Laak, Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880— 1960, Paderborn 2004. Vgl. vor allem die von John MacKenzie vor mehr als 20 Jahren gegründete und herausgegebene Reihe »Studies in Imperialism«, in der bei Manchester University Press inzwischen über 50 gewichtige und auch theoretisch weiterführende Bände erschienen sind; ferner: John MacKenzie, Imperialism and Popular Culture, Manchester 1986; ders., Orientalism. History, theory, and the arts, Manchester 1998; ders., The Victorian Vision. Inventing new Britain, London 2001. Vgl. Susanne Zantop, Colonial Fantasies. Conquest, family, and nation in precolonial Germany 1770-1870, Durham 1997; Nina Berman, Impossible Missions? German economic, military, and humanitarian efforts in Africa, Lincoln (NE) 2004. Lynn Zastoupil, Intimacy and Colonial Knowledge, in: Journal of Colonialism and Colonial History 3 (2002), 2, Ejournal; Reinhard Wendt, Vom Kolonialismus zur Globalisierung. Europa und die Welt seit 1500, Paderborn 2007. Vgl. Boris Barth/Jürgen Osterhammel (Hg.), Zivilisierungsmissionen. Imperiale Weltverbesserung seit dem 18. Jahrhundert, Konstanz 2005. Vgl. Bernard Semmel, The liberal Ideal and the Demons of Empire. Theories of imperialism from Adam Smith to Lenin, Baltimore 1993.

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den Mommsen sowohl als wissenschaftlichen empire-builder, als auch als präzisen Kenner der >harten< Politikgeschichte schätzte, befasste sich beispielsweise ausführlich mit dem >seascape< des Atlantik, der vor allem unter migrationshistorischen Aspekten bearbeitet wurde, ein Bereich, der Mommsen weniger interessiert hat.38 Zudem leisteten die europäische Integration, die Auflösung von Sowjetimperium und Sowjetunion und die Politik der USA unter George W. Bush dem Übergang von einer Geschichte des Imperialismus zu einer Geschichte der Imperien Vorschub. 39 Zwar ist noch nicht genau erkennbar, welche vergleichenden Parameter sich in Zukunft als sinnvoll für einen Vergleich von Imperien erweisen werden, aber mittlerweile ist die Geschichte der Imperien ein wachsendes Feld geworden.40 Zwar erreicht dieses nicht immer das theoretische Niveau der 1970er Jahre, stellt aber eine deutliche Entwicklung über die Mikro-Kulturgeschichte hinaus dar. Das Konzept des Imperiums hat den Vorteil, auf Mikro-Sichtweisen nicht verzichten zu müssen und sie stattdessen sogar sehr gut integrieren zu können. Anders als die klassischen ökonomischen oder machtstaatlich fundierten Imperialismustheorien kann die neue Imperiengeschichte Faktoren wie Ethnizität und vor allem auch Religion problemlos einbeziehen. Wolfgang J. Mommsen hätte sich wohl ohne Mühe damit anfreunden können und wäre - wie stets - als Warner vor Routine und unscharfem Nachdenken aufgetreten. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren scheint heute eine vertiefte Analyse der Geschichte der ökonomischen, politischen und kulturellen Globalisierung am ehesten geeignet, neue theoretische Felder integrativ zu erschließen. Mommsen hat selbst keine geschlossene Theorie des Imperialismus entwickelt und selbst angegeben, warum dies so schwierig, wenn nicht unmöglich ist. Er lieferte aber Bausteine, die er ausdrücklich als Beiträge einer pluralistischen Theorie verstand - er dürfte der erste deutsche Historiker gewesen sein, der sich auf die Suche nach einem pluralistischen Erklärungsansatz jenseits der monokausalen Theorien begab. Auch Robinson/Gallagher haben bereits in den 1960er Jahren jeden einseitigen Theorieansatz nachdrücklich und entschieden als zu einfach verworfen. 41 Dieses Problem besteht bis heute und hat sich nur verschoben: Globalisierung ist nun in aller Munde. Die Geschichte der Globalisierung ist sehr viel mehr als nur die Geschichte des Imperialismus oder besser: der Imperialismen, aber jede Theorie der Globalisierung muss auch den Imperialismus an prominenter Stelle mindestens berücksichtigen. 38

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Vgl. Horst Pietschmann (Hg.), Atlantic History. History of the Atlantic System 1580-1830, Göttingen 2002. Vgl. Jürgen Osterhammel, Imperialgeschichte, in: Christoph Cornelißen (Hg.), Geschichtswissenschaften. Eine Einführung, Frankfurt a. M. 2000, S. 221-232; Boris Barth, Internationale Geschichte und europäische Expansion, in: Wilfried Loth/Jürgen Osterhammel (Hg.), Internationale Geschichte. Themen - Ergebnisse - Aussichten, München 2000, S. 309-327. Vgl. Herfried Münkler, Imperien. Die Logik der Weltherrschaft vom alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten, Berlin 2005; Jörn Leonhard/Ulrike von Hirschhausen, Empires und Nationalstaaten im 19. Jahrhundert, Göttingen 2009. Vgl. Ronald Robinson/John Gallagher/Alice Denny, Africa and the Victorians. The Official Mind of Imperialism, New York 1965, S. 471.

ROGER CHICKERING

Die »45er« und ihr Bild des deutschen Kaiserreichs

»Ob nicht in einer sozialgeschichtlich erfassbaren Tiefenschicht die Gemeinsamkeiten und Kontinuitätselemente in der Geschichte der preußisch-deutschen Großmacht seit Königgrätz überwiegen«?1 Mit dieser rhetorischen Frage leitete Michael Stürmer 1970 einen bahnbrechenden, von ihm herausgegebenen Band ein, in dem eine Gruppe meist jüngerer deutscher Historiker ihre neuen wissenschaftlichen Forschungen zum deutschen Kaiserreich vorlegte. Ein Jahrzehnt früher wäre eine solche Fragestellung mit einem derartigen Nachdruck auf die sozialgeschichtlichen Tiefenfaktoren und die historischen Kontinuitäten zwischen 1866 und 1945 in der Bundesrepublik schier unvorstellbar gewesen. Mancher Zug, nicht zuletzt der Hinweis auf eine »Krise des überlieferten Geschichtsbilds« und den hier erhobenen Anspruch, »künftigen Arbeiten Fragestellungen und Impulse« zu vermitteln, verlieh dem Band den Charakter eines Manifests einer neuen Historikergeneration.2 Die meisten der beteiligten Historiker gehörten allerdings der Generation der »45er« nicht an, wenn man wie etwa A. Dirk Moses unter dieser Rubrik die Kohorte definiert, die zwischen 1922 und 1932 geboren wurde.3 Diese Kohorte wurde zwar unter anderen von Hans-Ulrich Wehler (geb. 1931), Manfred Messerschmidt (geb. 1926) und Wilhelm Deist (geb. 1931) vertreten, aber die Mehrzahl - von Hans-Jürgen Puhle (geb. 1940), Volker Berghahn (geb. 1938) und Jürgen Kocka (geb. 1941) bis zum Herausgeber selbst (geb. 1938) - war nicht nur jünger, sondern wurde danach als eine Generationsgruppe mit der Kaiserreichforschung in Verbindung gebracht. Diese Sachlage bedeutet nicht, dass das Kaiserreich eine periphere Rolle im Geschichtsbild der »45er« spielte, sondern sie deutet eher auf das kompliziertere Verhältnis zwischen Kaiserreich, Generation und Geschichtsverständnis im Westdeutschland der Nachkriegsjahre. Das Erlebnis der NS-Zeit ließ die methodischen Grundsätze der deutschen Geschichtswissenschaft als erschüttert, unzureichend oder gar unhaltbar erscheinen. Um das Problem kurz und schematisch zu fassen: es handelte sich vor allem um die narrativen Umrisse der deutschen Geschichte - mit dem, was man heute wohl als die deutsche >Meistererzählung< kennzeichnet, was sich aber auch damals auf die Brüche und Konti1

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Michael Stürmer, Das kaiserliche Deutschland. Politik und Gesellschaft 1870-1918, Düsseldorf 1970, S. 12. Ebd., S . l l . A. Dirk Moses, German Intellectuals and the Nazi Past, Cambridge 2007, S. 56.

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nuitäten der jüngsten deutschen Vergangenheit bezog. Wie waren der Nationalsozialismus, seine Ursprünge und Gewaltverbrechen historisch zu verorten und sinnvoll zu verstehen? Ließ sich diese Frage überhaupt beantworten, wenn man mit den herkömmlichen Methoden operierte, die sich auf Ranke oder Meinecke berufen konnten und den Staat als den eigentlichen, die großen Ideen der Geschichte verkörpernden und der Vergangenheit allein Sinn stiftenden Gegenstand der Geschichtswissenschaft auffasste? Konnte man, wenn es um den Staat Hitlers ging, mit einem hermeneutischen Deutungsverfahren des »Einfuhlens« die Entwicklung der Staatsverfassung und der internationalen Beziehungen als Prozesse verstehen, die intentional, von autonomen, moralisch freien historischen Persönlichkeiten geleitet wurden? War nicht eher, wie Gerhard Ritter feststellte, eine »totale Umstellung unseres deutschen Geschichtsdenkens«4 nötig? Dank der einschlägigen Forschungen, die die Arbeit Winfried Schulzes eingeleitet hat, sind sowohl das Ausmaß als auch die Grenzen der Bestrebungen der deutschen Historiker gut erforscht, die in den späten 1940er Jahren mit diesen Fragen rangen und sich mit der Möglichkeit bzw. der Notwendigkeit einer grundsätzlichen Revision der historischen Methode auseinandersetzten. Das Projekt einer »totalen Umstellung« blieb jedoch, wie Schulze merkt, »eine bloße Forderung«.5 Die westdeutschen Lehrstühle wurden in der Regel wieder von methodisch konservativen Historikern besetzt, die in den alten Traditionen ausgebildet worden waren. Die Stimmen, die ein alternatives Geschichtsbild entwickelten, blieben peripher. Dazu gehörte etwa die Vorstellung einer Geschichte des Abendlandes als überstaatliches Gebilde, wie diese in katholischen Kreisen entworfen wurde, aber mit Ausnahme der Ludwig-Maximilians-Universität keinen Eingang in die historischen Seminare der Universitäten finden konnte. In den Anfangsphasen des Kalten Krieges galt dasselbe aus nahe liegenden politischen Gründen umso mehr für ein Geschichtsbild, das, wie es bei marxistischen Historikern in der SBZ vorkam, die Politik unter dem Wirken materieller Strukturen subsumieren wollte, aber auch die >Annales-SchuleSoziologismus< wenn nicht des Marxismus anhaftete, wurde aus ähnlichen Gründen abgelehnt.6 Dass die westdeutschen Historiker schließlich in der Lage waren, auf der alten Methodologie zu beharren, hatte in erheblichem Maße mit einem narrativen Meistersprung über den Nationalsozialismus zurück ins Kaiserreich zu tun. Namentlich in Verbindung mit der anhaltenden Diskussion des Bismarck-Problems, die, wie Schulze feststellt, für »die in abstrakter Form offensichtlich unmögliche Generaldebatte über den Verlauf der deutschen Geschichte« ein Ersatz war, entstand ein Bild des deutschen Kaiserreichs als

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Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989, S. 207. Ebd., S. 221. Lutz Raphael, Trotzige Ablehnung, produktive Missverständnisse und verborgene Affinitäten. Westdeutsche Antworten auf die Herausforderung der »Annales« Historiographie (1945-1960), in: Heinz Durchhardt/Gerhard May (Hg.), Geschichtswissenschaft um 1950, Mainz 2002, S. 6580.

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Maßstab, als End- und Höhepunkt der >normalen< deutschen Geschichtsentwicklung.7 Aus dieser Sicht hatten die von Bismarck errichteten Grundlagen des deutschen Staatsgebildes trotz zugegebener (und wiederum von peripheren Stimmen wie Erich Eycks betonter) Defizite - vor allem des unterentwickelten Parlamentarismus und der Unberechenbarkeit des dritten Kaisers - doch eine effiziente Regierung und eine erfolgreiche, durch eine weitsichtige Sozialversicherungspolitik geprägte Anpassung an die Herausforderungen der Industrialisierung mit sich gebracht, sowie schließlich auch die Gewähr für den europäischen Frieden. Um dieses Bild zu untermauern, konnten westdeutsche Historiker auf die von ihren Vorgängern während der Kriegsschulddebatte der 1920er Jahre behauptete deutsche Unschuld zurückgreifen, als sie das Argument weiterführten, die Katastrophe, die nach dem Ende des Kaiserreichs einsetzte, hätte ihre Ursprünge in der allgemeinen europäischen Krise der Nachkriegszeit. Die Vorstellung, dass Bismarck, in Ritters Worten, »durch eine ganze Welt« von Hitler getrennt war, lud zu dem Schluss ein, wonach das Ende des Ersten Weltkriegs einen fundamentalen Bruch in der deutschen Geschichte darstellte. Die alttradierte historische Methode blieb für die Analyse der Zeit vor 1914 oder 1919 gültig, bis Historie durch Dämonologie überholt wurde.8 Die ersten, tentativen Versuche einer methodischen Erweiterung haben dieses Kaiserreichbild zwar kritischer beleuchtet, aber im Grunde nicht verdrängt. Diese Versuche spiegelten jedenfalls die anhaltende Überzeugung jüngerer Historiker wider, dass die alte Methodologie nicht nur außerstande sei, >die deutsche Katastrophe< hinreichend zu erklären, sondern ebenfalls zur Isolation der deutschen Historiographie gegenüber methodischen Fortschritten namentlich in Frankreich und den USA beitrage. Die Einflüsse, die in den späten 1940er und frühen 50er Jahren zur methodischen Neuerung in Westdeutschland führten, kamen buchstäblich aus der Peripherie - aus Königsberg und den USA. Sie konzentrierten sich vor allem in vier institutionellen Knotenpunkten: in Tübingen, Westberlin, Heidelberg und Köln. In allen ging es darum, den Staat aus seiner historiographisch exklusiven Vorrangstellung zu verdrängen und in den breiteren soziökonomischen, kulturellen und ethischen Kontexten seiner historischen Entwicklung und Auswirkung zu verankern. Obwohl in der Praxis den herkömmlichen Methoden am nächsten stehend, spielte Hans Rothfels in Tübingen, der diese beiden Peripherien verkörperte, vor allem deshalb eine Schlüsselrolle, weil er eine narrative Einteilung der deutschen Geschichte entwarf, die nicht nur eine methodische Erweiterung in die Wege leitete, sondern auch das tra-

Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 225; Sebastian Conrad, Auf der Suche nach der verlorenen Nation. Geschichtsschreibung in Westdeutschland und Japan 1945-1960, Göttingen 1999, S. 6288. Zit. n. Ebd., S. 80; zu Ritter, Christoph Cornelißen, Gerhard Ritter. Geschichtswissenschaft und Politik im 20. Jahrhundert, Düsseldorf 2001, S. 484-560.

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dierte Bild des Kaiserreiches zu schonen versuchte.9 Die Idee der >Zeitgeschichteganze WeltSektorengrenzen< des Politischen, des Wirtschaftlich-Sozialen und des Geistigen zu überwinden«.11 Sowohl Rothfels' Position als auch ihrer Institutionalisierung im Münchener Institut für Zeitgeschichte lag aber die Vorstellung zugrunde, dass sich die Kräfte, die nach 1917 die Welt in die Katastrophe gestürzt hatten, gewissermaßen von außen kamen. Sie waren keineswegs als deutsche Sondererscheinung darzustellen, so wenig ihre Wurzeln in der deutschen Tradition vor 1917 zu suchen waren. Wäre es Rothfels mit dem Begriff der Zeitgeschichte auf diese Weise gelungen, das Deutsche Kaiserreich vom späteren Verlauf der deutschen Geschichte abzuschirmen, blieb die Frage offen, ob die damit geschlossene »Koalition von Zeit- und Strukturgeschichte«12 auch für andere Zeiträume vor der epochalen Grenzscheide 1917 anwendbar wäre. Wollte man dies aus den Arbeiten beurteilen, die gleichzeitig in mehreren anderen Universitäten unternommen wurden, so fíele die Antwort positiv aus. Die Seminare etwa, die Hans Rosenberg 1949/50 an der Freien Universität in Berlin veranstaltete, boten eine Einführung in die sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Methoden, die er selbst schon in den 1930er Jahren aufgenommen und in der amerikanischen Emigration wesentlich vertieft hatte.13 In Heidelberg und Köln, wo Werner Conze und Theodor Schieder dank der Vermittlung Rothfels' die Lehrtätigkeit aufnehmen konnten, kam der methodische Anstoß eher aus den Königsberger Erlebnissen der 1920er und 30er Jahre. Die Wurzeln der sogenannten >StrukturgeschichteVolksgeschichte< und darüber hinaus über Günther Ipsen und Hans Freyer nach Leipzig und zu dort entwickelten Konzepten der Kulturgeschichte zurückverfolgen. 14 Das gemeinsame Element war die Feststellung der übergreifenden Strukturen der modernen Gesellschaft, der sozialen und kulturellen Rahmenbedingungen, in denen die Geschichte jedes Staates eingebettet war. Auf diese Weise konnten sozial-, wirtschafts- und kulturgeschichtliche Ansätze eine positive Aufnahme bzw. eine institutionelle Verankerung in Westdeutschland erzielen. Das Merkwürdigste war aber wohl die Tatsache, dass es, trotz der anhaltenden Skepsis führender deutscher Historiker wie Ritter, ohne einen großen methodischen Konflikt, wie einen erneuten »Lamprecht-Streit«, zu diesem Ergebnis gekommen war. 15 Die Gründe waren mehrere. Zum einen war es Rothfels zu verdanken. Diesem aus dem Exil zurückgekehrten jüdischen, ehemals nationalkonservativen Historiker, der den versöhnlichen Neubeginn der westdeutschen Historiographie nicht nur symbolisierte, sondern auch großenteils ermöglichte, stand enormes politisches Kapital auf beiden Seiten der Diskussionen zur Verfügung. Zum anderen spielte der unpolemische Ton der Auseinandersetzungen eine Rolle. Dieser Ton widerspiegelte jedenfalls die Tatsache, wie Thomas Etzemüller treffend vermerkt hat, dass die westdeutschen Sozialhistoriker »keine Bilderstürmer« waren. 16 Vergleichsweise bescheiden waren die Ziele der neuen Sozialgeschichte, die, anders als in der Ära Lamprechts, die alte politische Geschichte und ihre methodischen Grundsätze nicht überwinden wollte und, teilweise aus diesem Grund, den Vorwurf, sie sei dem Marxismus anheim gefallen, glaubhaft zurückweisen konnte. Es handelte sich vielmehr darum, wie Sebastian Conrad konstatiert, »additiv« vorzugehen, um die Wechselbeziehungen zwischen Sozial- und Staatsgeschichte, zwischen Strukturen und Handlungen herauszuarbeiten, wobei in den meisten Fällen die letzten Faktoren noch als die Entscheidenden angesehen wurden. 17 Es galt, wie Hans Herzfeld die Tagesordnung hoffnungsvoll charakterisierte, die »offene Revisionsbereitschaft gegenüber einer krisenhaften Gegenwart mit entschiedener Verwurzelung im 18 tiefen Erdreich gewachsener Geschichte« zu bewahren. Diese Position konnten Historiker in beiden Lagern gutheißen. Schließlich akzeptierten die Vertreter der neuen Sozialgeschichte die chronologischen Voraussetzungen der Zeitgeschichte und erhoben die Frage nach den strukturellen Kontinuitäten zum Nationalsozialismus nicht über die Grenzscheide 1917.

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Vgl. Willi Oberkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung in der deutschen Geschichtswissenschaft 1918-1945, Göttingen 1993; Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 281-301. Thomas Etzemüller, Sozialgeschichte als politische Geschichte. Werner Conze und die Neuorientierung der westdeutschen Geschichtswissenschaft nach 1945, München 2001, S. 231-233. Ebd., S. 233. Conrad, Verlorene Nation, S. 278. Zit. n. Schulze, Geschichtswissenschaft, S. 213-214.

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Im Ergebnis führte dies zu einer aufgeschlossenen Atmosphäre an mehreren historischen Seminaren, wo Vertreter der »45er« ihre wissenschaftliche Ausbildung aufnahmen. In Berlin profitierten mehrere Mitglieder dieser Kohorte von der Liberalität und Weitsichtigkeit Rosenbergs. Dies trifft vor allem auf Gerhard A. Ritter zu, der sich mit sozialgeschichtlichen Arbeiten über das Kaiserreich profilieren und wiederum einen nachhaltigen Einfluss auf spätere Generationen deutscher Historiker ausüben sollte. Sofern es sich aber um die »45er« und die Kaiserreichproblematik handelt, nahm das Kölner Seminar Theodor Schieders eine Sonderstellung ein, sofern die großartigen wissenschaftlichen Werke, die am Ende des Jahrhunderts die Forschungen mehrerer Historikergenerationen zum Kaiserreich zusammenfassen sollten, hier ihre Ursprünge fanden. Die Frage von Schieders Vergangenheit spielt in dieser Beziehung nur soweit eine Rolle, als die »braune« Königsberger Zeit in ihm, wie in Conze, die Empfänglichkeit erzeugte für das, was nach 1945 als Strukturgeschichte bekannt wurde. Er blieb aber ebenso wie Conze von der Gültigkeit der hermeneutischen Tradition der deutschen Geschichtswissenschaft mit ihrer Hervorhebung der Macht der Ideen und des frei handelnden Individuums überzeugt. Neigte Conze dazu, teilweise dank seines »produktiven Umdenken[s]« der Arbeiten Braudels, den mitgestaltenden Einfluss der sozialen und kulturellen Strukturen gegenüber der individuellen Freiheit zu betonen, so sah Schieder die Verhältnisse umgekehrt, sodass man eher in seinem Fall von einer »strukturgeschichtlichen Ergänzung des Historismus« reden kann.19 Die Strukturgeschichte war jedenfalls viel weniger ausgeprägt in seinen historischen Forschungen als in seinen theoretischen Aufsätzen. Er blieb aber, wie sich Wolfgang J. Mommsen erinnerte, in seiner »klar konservativ-liberale[n] Grundposition« durchaus »tolerant gegenüber alternativen Auffassungen«.20 Sowohl in den Seminaren, die er leitete, als auch in den unabhängigen Diskussionen, die die Mitglieder des >Kölner Kreises< unter sich führten dazu gehörten unter anderen Wolfgang J. Mommsen, Elisabeth Fehrenbach, HansUlrich Wehler, Thomas Nipperdey und Lothar Gall - , wurden historische Methodologien erörtert. Auf Anregung Schieders las man de Tocqueville, den jungen Marx, Droysen, Dilthey, Max Weber, Hintze und Burckhardt. Fragen des historischen Vergleichs und somit Probleme der Typisierung und der Normativierung beherrschten die Tagesordnung, ebenso Fragen nach dem Verhältnis zwischen Politik und Gesellschaft, Hermeneutik und empirischer strukturanalytischer Forschung.21 Besonders geeignet als praktischer Einstiegspunkt in diesen breiten Fragenkomplex erschien in Schieders Augen die Geschichte der politischen Parteien - nicht als Verkörperungen politischer

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Etzemiiller, Sozialgeschichte, S. 49-52; vgl., Raphael, Ablehnung, S. 76; Conrad, Verlorene Nation, S. 280. Interview mit Wolfgang J. Mommsen, in: Rüdiger Hohls/Konrad H. Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, Stuttgart 2000, S. 194. Lothar Gall, Elitenkontinuität in Wirtschaft und Wissenschaft. Hindernis oder Bedingung für den Neuanfang nach 1945? Hermann Josef Abs und Theodor Schieder, in: HZ 279 (2004), S. 6 5 9 676, hier S. 669-670.

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Ideen, sondern als organisierte Strukturen des politischen Handelns. »Bei den modernen politischen Parteien haben wir es mit Gebilden zu tun«, wie Schieder 1954 in einem wichtigen Aufsatz schrieb, »die am deutlichsten die Wechselbeziehung politischer und 22

gesellschaftlicher Verfassung zeigen«. Es war nur folgerichtig, dass derartige methodische Überlegungen eine unmittelbare Rolle in der Auswahl und Ausführung der Dissertationsprojekte spielten. Dass in den meisten Fällen das Kaiserreich als Forschungsthema gewählt wurde, ergab sich aus anderen Überlegungen, einschließlich der Archivlage und den Präferenzen Schieders selbst, der sich, wie Wehler es formulierte, »im 19. Jahrhundert am wohlsten fühlte«, nicht zuletzt deshalb, weil es gewissermaßen die letzte »normale« Epoche der deutschen Geschichte darstellte.23 Zu den Entscheidungen trug wohl aber auch die implizite Arbeitsteilung bei, die in den 1950er Jahre einsetzte, als zeitgeschichtliche Themen namentlich die Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs als Sonderbereich des Instituts für Zeitgeschichte und anderer außeruniversitärer Forschungseinrichtungen angesehen wurden. Allerdings hatten, wie Sebastian Conrad bemerkt, bis 1960 nur acht Prozent der Dissertationen an westdeutschen Universitäten das »Dritte Reich« als Thema aufgegriffen. 24 Die Dissertationen, die unter Schieders Betreuung geschrieben wurden, unterzogen das Kaiserreich allerdings einer kritischen Analyse. Außerdem untersuchten Gerhard A. Ritter in Berlin sowie Wehler und Nipperdey parteipolitische Themen aus einer strukturanalytischen Perspektive. Wehlers Studie über das Nationalitätenproblem in der deutschen Sozialdemokratie der Vorkriegszeit betonte wiederholt die »Schikanen des preußi25

sehen Obrigkeitsstaates«. Nipperdey, der als promovierter Philosoph erst die Habilitationsschrift bei Schieder vorbereitete, legte eine Arbeit über die Organisation der deutschen politischen Parteien vor 1918 vor, in der soziologische, staatsrechtliche und politikwissenschaftliche Betrachtungsweisen vor allem in dem schematischen ersten Teil der Schrift seinen Versuch anleiteten, die Geschichte der Parteien »aus dem Wandel der gesellschaftlichen Strukturen, aus dem Übergang zur industriellen Massengesellschaft« zu verstehen.26 Das Fazit lautete, dass das Scheitern der Weimarer Republik zum Teil aus parteipolitischen Schwächen erklärt werden sollte, die ihre Wurzeln in der Zeit vor 1918 hatten. Wolfgang J. Mommsens Dissertation dokumentierte noch eindeutiger ihre eigene Entstehungsgeschichte. Seine Studie der Politik Max Webers beleuchtete nicht nur die 22

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Theodor Schieder, Das Verhältnis von politischer und gesellschaftlicher Verfassung und die Krise des bürgerlichen Liberalismus, in: HZ 177 (1954), S. 49-74, hier S. 65. Hans-Ulrich Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Torp, München 2006, S. 87. Conrad, Verlorene Nation, S. 235. Hans-Ulrich Wehler, Sozialdemokratie und Nationalstaat. Nationalitätenfragen in Deutschland 1840-1914, 2. Aufl., Göttingen 1971, S. 9. Thomas Nipperdey, Die Organisation der deutschen Parteien vor 1918, Düsseldorf 1959, S. 6; vgl. ders., Eine bürgerliche Jugend (1927-1945), in: Der Aquädukt 1763-1988. Ein Almanach aus dem Verlag C.H. Beck im 225. Jahr seines Bestehens, München 1988, S. 135.

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Roger Chickerìng

mannigfachen Defekte, etwa das nachhaltige Übergewicht der obrigkeitsstaatlichen Tradition, die in Webers Analyse das soziopolitische System des Kaiserreichs plagte; noch kontroverser, Mommsen behauptete auch, dass die von Weber selbst vorgeschlagenen Lösungen dieser Probleme, vor allem der Begriff der plebiszitären Führerdemokratie, eine schwere historische Nachwirkung hatten. So müsste man ehrlicherweise feststellen, wie Mommsen schlussfolgerte, »daß Webers Lehre von der charismatischen Führerherrschaft [...] ihren Teil dazu beigetragen hat, das deutsche Volk zur Akklamation eines Führers, und insofern auch Adolf Hitlers, innerlich willig zu machen«.27 Diese kritischen Ausführungen schienen Max Weber »in die Ahnenreihe Adolf Hitlers« zu stellen und Mommsen selbst in ein Bündnis mit den radikal-kritischen Theoretikern um Theodor Adorno und Jürgen Habermas zu rücken.28 Mommsens Dissertation richtete sich jedoch eher gegen die unkritische Rezeption Webers unter den Soziologen als gegen die Stellung des Kaiserreichs in der noch herrschenden Meistererzählung der 29

deutschen Geschichte. Weber war schließlich alles andere als eine repräsentative Gestalt. Auch die Studien von Wehler und Nipperdey rüttelten nicht an diesem Kaiserreichbild, denn auch sie gingen kaum über die schon in den 1940er Jahren geübte Kritik am politischen System des Kaiserreichs hinaus. So sehr die Blockierung der parlamentarischen Demokratie vor 1914 das Weimarer Experiment mit einer schweren politischen Hypothek belastete, sie schien in keinem glaubhaften historischen Kontinuum mit den Schrecken der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu liegen. Es war eine Ironie, dass die Sozialgeschichte, wie sich diese in Köln und anderen westdeutschen Seminaren entwickelt hatte, das überlieferte Kaiserreichbild nicht angreifen konnte, solange sie die Geschichte der Außenpolitik, das Kerngebiet der alten Historiographie, vernachlässigte. Die Lage veränderte sich schlagartig im Jahr 1959. Mit Bezug auf die moderne Geschichte konnte das historische Seminar in Hamburg bislang keinen prominenten Platz in den methodischen Auseinandersetzungen der Nachkriegsjahre beanspruchen. Fritz Fischer und Theodor Schieder waren gleichaltrig, aber vor der Veröffentlichung der ersten Salven in der großen Kontroverse über die Ursprünge des Ersten Weltkriegs, waren Fischers methodische Ansichten viel konventioneller. Die Arbeit seines Studenten, Imanuel Geiss, der eindeutig zur Kohorte der »45er« gehörte, war mindestens in methodologischer Hinsicht auch eher konventionell, insoweit es sich um die Geschichte politischer Entscheidungen handelte.30 Die von Geiss und Fischer (wieder)entdeckte 27

28 29

30

Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, 2. Aufl., Tübingen 1974, S. 437. Ders., in: Hohns/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 194. Vgl. Ute Gerhardt, Der Heidelberger Soziologentag 1964 als Wendepunkt der Rezeptionsgeschichte Max Webers, in: Dies. (Hg.), Zeitperspektiven. Studien zu Kultur und Gesellschaft. Beiträge aus der Geschichte, Soziologie, Philosophie und Literaturwissenschaft, Wiesbaden 2003, S. 232-266. Imanuel Geiss, Zur Fischer-Kontroverse - 40 Jahre danach, in: Martin Sabrow u. a. (Hg.), Zeitgeschichte als Streitgeschichte. Große Kontroversen nach 1945, München 2003, S. 41-57; Imanuel Geiss in: Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 218-239.

Die »45er« und ihr Bild des deutschen Kaiserreichs

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September-Denkschrift gab dennoch den Drehpunkt einer methodischen Umwälzung ab, die mitten im politischen Tumult der 1960er Jahre einsetze. Denn dieses Dokument legte es nahe, dass die expansionistischen Kriegsziele des Deutschen Kaiserreiches nicht nur eine verblüffende Ähnlichkeit mit denjenigen Nazideutschlands aufzeigten, sondern auch als Produkt einer innenpolitischen Krise vor 1914 entstanden waren. Damit zerstörte es die narrative Hauptprämisse der Zeitgeschichte und somit den methodischen Frieden, den Rothfels' Position gefordert hatte. Die im Schicksalsjahre 1917 bzw. 1919 gesetzte Grenze, die die deutsche Nationalgeschichte vor 1914 von der darauf folgenden universal- und zeitgeschichtlichen Epoche getrennt hatte, wurde in Hamburg niedergerissen. Das Kaiserreich gehörte nunmehr eindeutig zur Zeitgeschichte. Falls Fischer Recht hatte, konnte man das Kaiserreich nicht mehr von der Geschichte der Katastrophen ausklammern, vielmehr war das Kaiserreich das erste Kapitel in dieser Geschichte. Vor diesem Hintergrund erschien gleichzeitig die Anwendung sozialgeschichtlicher Methoden auf die Geschichte des Kaiserreichs in einem ganz neuen Licht. In diesem Bezug hat Geiss völlig Recht mit der Feststellung, »Deutsche Kontinuität 1871 bis 1945 war ohne wirtschafts- und sozialgeschichtliche Faktoren nicht darzulegen«.31 Die methodischen Affinitäten zwischen Fischers Position und der Strukturgeschichte wurden noch deutlicher im Verlauf der 1960er Jahre mit den weiteren Versuchen Fischers und seiner Studenten, das »Primat der Innenpolitik« und die sozialen und innenpolitischen Bedingungen einer aggressiven deutschen Außenpolitik vor 1914 zu dokumentieren. Dennoch waren die ersten Reaktionen der zur Sozialgeschichte neigenden Historiker auf die Provokation aus Hamburg nicht freundlich. Die Kritik hing sowohl mit der Ablehnung von spezifischen Behauptungen Fischers, namentlich in Bezug auf die Person und Politik Bethmann Hollwegs, als auch mit seinem nie systematisch thematisierten methodischen Ansatz zusammen. Gegenüber ihren Studenten machten Schieder und Conze ihre Sympathien für Gerhard Ritter, den Hauptkontrahenten Fischers, klar.32 1966 kritisierte Wolfgang J. Mommsen Fischers Ansichten gerade im Lichte einer altmodischen Methodologie. So reduziere Fischers Interpretation von Bethmann Hollwegs Kriegszielpolitik, schrieb Mommsen, »noch einmal auf eine Frage der politischen AnsichtenKölner< waren trotzdem am tiefsten von der nun einsetzenden Debatte über Fischers Arbeit und ihren Implikationen berührt. Es kam weni31 32 33

Ders., Fischer-Kontroverse, S. 49. Mommsen, in: Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 205; Etzemüller, Sozialgeschichte, S. 318. Wolfgang J. Mommsen, The Debate on German War Aims, in: Walter Laqueur/George L. Mosse (Hg.), 1914. The Coming of the First World War, New York 1966, S. 53; vgl. John A. Moses, The Politics of Illusion. The Fischer Controversy in German Historiography, London, 1975; Volker Berghahn, Die Fischerkontroverse - 15 Jahre danach, in: GG 6 (1980), S. 403-19; Cornelißen, Ritter, S. 597-622.

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ger auf die Richtigkeit oder Irrtümer Fischers an, als auf die Stellung des Kaiserreichs im weiteren Kontinuum der modernen deutschen Geschichte. Dies ließ sich vor allem an den Kölner Habilitationen ablesen, die mitten in der Kontroverse geschrieben wurden und als Beiträge zu derselben betrachtet werden können. Mommsens Studien zur Politik Bethmann Hollwegs, die nur als Aufsätze erschienen, stellten seine Antwort auf Fischer dar. Er kam zu vorsichtigeren und nuancenreicheren Ergebnissen, die besonders bemerkenswert waren, weil sie den Einfluss seiner Arbeiten in Großbritannien über den Imperialismus widerspiegelten und auch zeigten, wie sehr er nun die politischen Ansichten Max Webers zur deutschen Politik übernommen hatte in dem Versuch, die strukturellen Widersprüche des kaiserlichen politischen Systems zu analysieren. Wehlers Habilitation über Bismarcks Imperialismus spiegelte die Nachwirkungen eines Auslandsaufenthalts wider, diesmal in den USA. Hier begegnete er dem Einfluss der amerikanischen Sozialwissenschaften, vor allem einem >amerikanisierten< Max Weber, dessen Theorien auf die empirische Sozialforschung und die praktische Anwendung idealtypischer Forschungshypothesen ausgerichtet waren. Besonders mit dem Modernisierungsmodell fand Wehler nicht nur den theoretischen Rahmen fur seine Arbeit über die sozialen und innenpolitischen Bedingungen des kaiserlichen Imperialismus, sondern auch die >vormodernen< strukturellen Grundlagen, die das Kaiserreich wesentlich mit dem Nationalsozialismus koppelten und die Kontinuitäten entlang einem deutschen Sonderweg prägten. Die Fischer-Kontroverse war eine Generationsangelegenheit.34 Wie spätestens auf dem Berliner Historikertag 1964 offenbar wurde, sympathisierten jüngere Historiker überwältigend mit Fischers Kaiserreichbild gegen den Widerstand der alten Garde um Gerhard Ritter und Egmont Zechlin. Die Aufbruchsstimmung der 1960er Jahre, die die Universitätsreform, die Studentenbewegung und die Bonner sozialliberale Koalition begleitete, trug das Ihrige zum Durchbruch einer historiographischen Position bei, die vornehmlich von Wehler, Mommsen und Kocka als >Historische Sozialwissenschafit< systematisiert wurde. Diese betonte die langfristigen strukturellen Kontinuitäten der deutschen Geschichte und forderte die Anwendung sozialgeschichtlicher Methoden als die am Besten geeigneten analytischen Mittel. Die beteiligten Historiker verstanden sich als Vertreter einer jüngeren Generation und redeten von einem »neuen Paradigma«, das seine praktische und symbolische Institutionalisierung in Bielefeld und in der Zeitschrift »Geschichte und Gesellschaft« fand.35 Wie aber bald klar wurde, etwa in der Auseinandersetzung zwischen Nipperdey und Wehler in Folge von Wehlers Kaiserreichbuch, gingen die Ansichten über das Kaiserreichs und die historiographischen Präferenzen auch unter den ehemaligen Kölner Historikern weit auseinander. Wie dem auch sei, am Kaiserreich war nicht mehr vorbei zu gehen. Dass es als der Dreh- und Angelpunkt des 34

35

Konrad H. Jarausch, Der nationale Tabubruch. Wissenschaft, Öffentlichkeit und Politik in der Fischer-Kontroverse, in: Sabrow, Zeitgeschichte, S. 27. Wehler, Kampfsituation, S. 78-79; vgl. Geoff Eley, Die »Kehrites« und das Kaiserreich. Bemerkungen zu einer aktuellen Kontroverse, in: GG 4 (1978), S. 91-107.

Die »45er« und ihr Bild des deutschen

Kaiserreichs

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neuen kritischen Geschichtsverständnisses, als das Hauptfeld der historischen Forschungen in den 1970er Jahren auftrat, war schon anhand der großartigen Bände abzulesen, die Nipperdey, Wehler und Mommsen in den 1990er Jahren als Überblicke über dieses kaum mehr übersehbare Forschungsfeld vorlegen konnten.36 Was war das aber für eine Historikergeneration, deren Lernprozesse derart vom Kaiserreich zentral geprägt wurden? Die Verfasser der großen Synthesen gehörten alle zu den »45ern«. Wie aber die Anmerkungen in diesen Bänden klar zeigten, beruhte die Kaiserreichforschung nach 1960 prominent, wenn nicht überwiegend auf den Arbeiten noch jüngerer Historiker. Diese waren eher die Studenten der »45er«, vor allem Gerhard A. Ritters. Diese Gruppe schloss Wissenschaftler wie Jürgen Kocka, Hans-Jürgen Puhle, Heinrich-August Winkler und Hartmut Kaelble mit ein, die ebenfalls wesentlich durch den Einfluss Max Webers und durch Aufenthalte im Ausland, namentlich in den USA, wissenschaftlich geprägt worden waren. Problematisch ist dieser Sachverhalt insofern, als er die Frage aufwirft, ob die Auseinandersetzung mit dem Kaiserreich eine spezifische, in Kriegs- und Diktaturerlebnissen verwurzelte Generationserfahrung widerspiegelte - ein »existential predicament«, wie Α. Dirk Moses schreibt, das seinen Ausdruck in »einem radikalen Misstrauen gegen ererbte Tradition« fand, sowie in einer ausgesprochenen pädagogischen Selbstverpflichtung, die auf dem »mit moralischer Energie aufgeladenen Bemühen« basierte, »die Frage zu beantworten, wie die deutsche Geschichte an >1933< gelangte«.37 Dass diese Motive die wissenschaftliche Entwicklung Wehlers, Mommsens, Geiss' und anderer »45er« prägten, lässt sich anhand autobiographischer Zeugnisse beweisen.38 Weniger klar ist, ob diese Verallgemeinerung auch für die nächste Kohorte der Kaiserreich-Forscher gilt, die in den späten 1930er und frühen 40er Jahren geboren wurde und Diktatur und Krieg allenfalls als Kleinkinder erlebte. Von einer >langen< Generation zu reden, die beide Kohorten umfasst, geht von einer bejahenden Antwort auf diese Frage oder mindestens von der Annahme aus, die Studenten der »45er« hätten sowohl das radikale Misstrauen gegen die Tradition als auch die moralische Energie ihrer Lehrer übernommen.39 Plausibel ist aber auch die Annahme, wonach erst die Fischer-Kontroverse als generationsbildendes Phänomen für deutsche Historiker funktionierte, mindestens in dem Sinne, dass diese Kontroverse ein Kaiserreich hervorbrachte, das den Schlüssel zum »deutschen Problem« in der modernen Geschichte barg und als Symbol funktionierte, dessen kritische Auslegung die Erlebnisse beider Kohorten organisierte. 36

37 38

39

Vgl. Roger Chickering, Drei Gesichter des Kaiserreiches. Zu den großen Synthesen von Wolfgang J. Mommsen, Hans-Ulrich Wehler und Thomas Nipperdey, in: Neue Politische Literatur 41 (1996), S. 364-75. Moses, Intellectuals, S. 56. Wehler, Kampfsituation, S. 82; Mommsen, in: Hohls/Jarausch, Versäumte Fragen, S. 213; Imanuel Geiss, A German Historian Looks at His Century, in: The Poppy and the Owl 19 (1996), S. 3-7. Vgl. Paul Nolte, Die Historiker der Bundesrepublik. Rückblick auf eine >lange Generation^ in: Merkur 53 (1999), S. 413^32.

III. Zur Max-WeberRezeption

THOMAS KROLL

Zur Max-Weber-Rezeption in der westdeutschen Historiographie

1. Einleitung Die neue Richtung der Sozialgeschichte, die sich in der Bundesrepublik Deutschland seit den späten 1960er Jahren als »Historische Sozialwissenschaft« herausbildete, ist eng mit dem Namen von Max Weber verbunden. In keinem programmatischen Text der 1970er und 1980er Jahre fehlt ein Hinweis auf die Relevanz des internationalen Klassikers der Soziologie. Auch in den ersten historiographiegeschichtlichen Selbstdarstellungen der sogenannten Bielefelder Schule, die bereits in den frühen 1990er Jahren herauskamen, wird die Rezeption des Werkes von Weber als wichtige theoretische Grundlage der Etablierung einer »wahrhaft modernen Sozialgeschichte«1 und als besonderes Kennzeichen eines neuen historiographischen Paradigmas präsentiert, mit dem sich eine jüngere Generation von Historikern von dem »politisch-moralisch gezähmten Historismus«2 der bundesdeutschen Nachkriegszeit abgesetzt habe.3 In der Tat bezogen sich etwa Hans-Ulrich Wehler oder Jürgen Kocka immer wieder auf Weber, um die Historische Sozialwissenschaft theoretisch zu untermauern und sie auf diesem Wege >posthistoristisch< zu legitimieren.4 Aber auch in der geschichtstheoretischen Diskussion um die Chancen und Gefahren von »Objektivität« und »Parteilichkeit« der Historie, die in den späten 1970er Jahren von der Studiengruppe »Theorie in der Geschichte« gefuhrt worden ist, spielte die Rezeption der Schriften Webers eine außerordentlich

2 3

4

Hans-Ulrich Wehler, Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung, Göttingen 1980, S. 374. Ernst Schulin, Traditionskritik und Rekonstruktionismus, Göttingen 1979, S. 131. Horst Walter Blanke, Historiographiegeschichte als Historik, Stuttgart-Bad Cannstadt 1991, S. 694—701; vgl. ferner Mathias Midell/Frank Hader, Challenges to the History of Historiography in the Age of Globalization, in: Q. Edward Wang/Franz L. Fillafer (Hg.), The Many Faces of Clio. Cross-cultural Approaches to Historiography. Essays in Honor of Georg G. Iggers, New York 2007, S. 292-306, hier S. 295. Hans-Ulrich Wehler, Geschichte als Historische Sozialwissenschaft, Frankfurt a. M. 1973.

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Thomas Kroll

große Rolle.5 Ferner wurden Webers Arbeiten zur Wirtschafts- und Rechtsgeschichte oder auch seine Religionssoziologie als Beiträge zur Historie im engeren Sinne diskutiert, so etwa im Bereich der Mediävistik, wo die Städtetypologie des Soziologen eine überaus innovative Rolle spielte.6 Auch in der Alten Geschichte hat das Werk des Soziologen über Jahrzehnte hinweg Aufmerksamkeit gefunden.7 Beispielsweise hat Alfred Heuss schon 1965 Webers »Agrarverhältnisse im Altertum« als die »originellste, kühnste und eindringlichste Schilderung« bezeichnet, welche »die Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte des Altertums jemals erfahren hat«.8 Ferner wurde Max Weber bereits in den 1950er Jahren in eigener Person zum Gegenstand historischer Forschung. Zuvorderst ist Wolfgang J. Mommsens Dissertation zum politischen Wirken und Denken Webers zu nennen, die erstmals 1959 publiziert wurde und noch heute als maßgeblich gelten kann. Obwohl das Buch eine scharfe Debatte auslöste, weil Mommsen den politischen Weber in einer für die Zeitgenossen ungewohnt kritischen Form interpretierte und die möglichen Bezüge seines Denkens zum Nationalsozialismus nicht unter den Teppich kehrte, forderte die biographisch angelegte Studie die Rezeption Webers unter den Historikern insgesamt erheblich.9 Letztere beteiligten sich seit den 1970er Jahren vermehrt an der wissenschaftlichen Aufarbeitung des gesamten Werkes von Weber, und zwar nicht nur in der Form der Gesamtausgabe (MWG), die erstmals eine philologisch solide Diskussionsbasis bereitstellte, sondern auch mittels Stellungnahmen in den Kontroversen der 1980er Jahre, die um die geschichtsphilosophischen Implikationen und die Einheit des Werkes geführt wurden.10 5

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Vgl. dazu Wolfgang J. Mommsen, Die Mehrdeutigkeit von Theorien in der Geschichtswissenschaft, in: Jürgen Kocka/Thomas Nipperdey (Hg.), Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979, S. 334-370, hier S. 352-354. Ebenfalls von großer Bedeutung war die Diskussion über die »Protestantische Ethik« und die Ursprünge des Kapitalismus. Vgl. Hartmut Lehmann, Max Webers »Protestantische Ethik«, Göttingen 1996; Hinnerk Bruhns/Wilfried Nippel (Hg.), Max Weber und die Stadt im Kulturvergleich, Göttingen 2000 sowie bereits Klaus Schreiner, Die mittelalterliche Stadt in Webers Analyse und die Deutung des okzidentalen Rationalismus, in: Jürgen Kocka (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 119-150. Zum althistorischen Werk vgl. vor allem die zahlreichen Studien von Wilfried Nippel, beispielsweise: Wilfried Nippel, Methodenentwicklung und Zeitbezüge im Werk Max Webers, in: GG 16 (1990), S. 355-375; ders., Die antike Stadt in Max Webers Herrschaftssoziologie, in: Edith Hanke/Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studie zu Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001, S. 189-201. Alfred Heuss, Max Webers Bedeutung für die Geschichte des griechisch-römischen Altertums, in: Historische Zeitschrift 201 (1965), S. 529-556, hier S. 538. Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, Tübingen 1959 und die Stellungnahme zur Debatte namentlich des Deutschen Soziologentages von 1964; ders., Universalgeschichtliches und politisches Denken bei Max Weber, in: HZ 201 (1965), S. 557-612 sowie Harvey Goldman, Max Weber in German History and Political Thought, in: The Journal of Modern History 62 (1990), H. 2, S. 346-352. Vgl. etwa Wolfgang J. Mommsen, Max Webers Begriff der Universalgeschichte, in: Jürgen Kocka (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 51-72.

Zur Max-Weber-Rezeption

in der westdeutschen

Historiographie

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Obwohl dem Soziologen in der bundesdeutschen Geschichtsschreibung unbestritten große Bedeutung zukommt und dies im europäischen Kontext als »westdeutsche« Besonderheit gelten darf,11 ist die Rolle der Rezeption Webers für die Entwicklung der Historiographie nach 1945 bislang noch nicht systematisch untersucht worden. Diese Leerstelle ist zunächst darauf zurückzuführen, dass die Rezeption Webers in der Historie ebenso vielfaltig oder fragmentarisch ist wie dessen Werk selbst und sich folglich verallgemeinernde Aussagen für das gesamte Fach nur nach umfassenden Studien zur Historiographie der 1970er und 1980er Jahre treffen lassen, die jedoch erst in jüngster Zeit als historischer Forschungsgegenstand betrachtet wird. Auch die Formierung Max Webers zu einem soziologischen »Klassiker«, die in den 1980er Jahren zum Abschluss kam, spielte eine Rolle, denn die Etablierung einer regelrechten werkgeschichtlichen und exegetischen Forschungsindustrie in Europa und den USA differenzierte die Interpretationen Webers so weit aus, dass das fachübergreifende Gespräch der Historie mit der Soziologie, welches eine Rezeption maßgeblich gefordert hatte, immer schwieriger wurde. Wichtiger noch könnte allerdings eine fachimmanente Entwicklung der Geschichtswissenschaft gewesen sein, denn Weber verlor Anfang der 1990er Jahre rasant an Anziehungskraft, als die »Krise« der klassischen Sozialgeschichte einsetzte.12 Mit der kulturalistischen sowie der linguistischen Wende der Geschichtswissenschaft übernahmen Pierre Bourdieu, Michel Foucault oder Clifford Geertz die Rolle wegweisender Theoretiker, die - oftmals in entschlossener Distanzierung von Weber - für die wissenschaftstheoretische Selbstvergewisserung und Legitimation der neuen Richtungen in Anspruch genommen wurden.13 Weber rückte in das zweite Glied und schon bald schien der >Säulenheilige< der Historischen Sozialwissenschaft auf eine vergangene Epoche der Geschichte der Sozialhistorie zu verweisen, in der objektivistisch gefassten gesamtgesellschaftlichen Strukturen sowie anonymen Prozessen und Mächten eine allzu große Bedeutung eingeräumt worden war. Auch die theoretischen Köpfe der Historischen Sozialwissenschaft, wie namentlich Hans-Ulrich Wehler, gingen in den 1990er Jahren zunehmend selbstkritisch auf Distanz, hoben die kulturgeschichtliche »An-

Vgl. dazu Thomas Kroll, Historiographiegeschichte als Zeitgeschichte. Die Sozialhistorie Westeuropas seit den 1960er Jahren, in: Hamid Reza Yousefi u. a. (Hg.), Wege zur Geschichte. Konvergenzen - Divergenzen - Interdisziplinäre Dimensionen, Nordhausen 2010, S. 165-194; André Burguière, L'École des Annales. Une histoire intellectuelle, Paris 2006; Hartmut Kaelble, Sozialgeschichte in Frankreich und der Bundesrepublik. Annales gegen historische Sozialwissenschaft, in: GG 13 (1987), S. 77-93. Vgl. dazu Gérard Noiriel, Sur la crise de l'histoire, Paris 2005 sowie Lutz Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme, München 2003, S. 173-195. Vgl. dazu Georg G. Iggers, Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein kritischer Überblick im internationalen Zusammenhang, Göttingen 2007, S. 101-110.

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Thomas

Kroll

schlussfahigkeit« Webers hervor und bemühten sich um eine intensive, abwägende Auseinandersetzung mit den neuen Theoretikern.14 In dieser oder ähnlicher Weise ließe sich eine Geschichte der Weber-Rezeption skizzieren, die weitgehend der zeitgenössischen Selbstdarstellung der Protagonisten folgt. Ob eine solche Interpretation der Weber-Rezeption, die spiegelbildlich den Konjunkturen und Modernisierungsschüben der bundesdeutschen Sozialgeschichte folgte, tatsächlich dem Umgang mit Weber bis zum Ende der 1980er Jahre gerecht wird, muss allerdings noch überprüft werden. Schon in den späten 1970er Jahren hat ein so scharfsinniger Beobachter der bundesdeutschen Historikerzunft wie Georg G. Iggers abwägend darauf hingewiesen, dass die Geschichtsschreibung Bielefelder Provenienz nicht vorschnell als »weberianisch« abgestempelt werden dürfe.15 Abgesehen von der politisch-emanzipatorischen Stoßrichtung der Bielefelder Schule, die sich für Iggers mit Webers Postulat der »Wertfreiheit« nicht vereinbaren ließ, finden sich in den programmatischen Texten der Historischen Sozialwissenschaft in der Tat nicht nur Hinweise auf Weber, sondern auf viele andere Theoretiker oder als Vorbilder betrachtete Historiker, allen voran Karl Marx, aber auch auf Otto Hintze, Hans Rosenberg, Eckart Kehr, Jacob Burckhardt, Reinhard Bendix, Alexander Gerschenkron oder die Vordenker der Modernisierungstheorie. Auf den Umstand, dass die Rezeptionsgeschichte Webers durchaus verwickelt war und dessen Rolle in der deutschen Sozialgeschichte differenziert betrachtet werden sollte, verweisen nicht zuletzt autobiographische Äußerungen Wehlers, der jüngst fast beiläufig in einem Interview unterstrich, dass viele Historiker, die aus der Bielefelder Schule hervorgingen, keineswegs vom Denken Webers inspiriert worden seien: »Im praktischen Betrieb, bei den wirklich auffallig guten Arbeiten, da spielte Weber explizit eigentlich keine große Rolle. Deshalb ist das auch in gewisser Hinsicht eine Stilisierung oder Entstellung, wenn man das jetzt nachträglich als Webersche Kaderschmiede bezeichnet. Denn dass jemand sich längere Zeit für ihn interessiert hat, das war bei den meisten nicht der Fall.« 16

Um hier in einem ersten Versuch herauszuarbeiten, welche Rolle die Rezeption des Weberschen Werkes für die Entwicklung der Sozialgeschichtsschreibung von den späten 1960er Jahren bis Mitte der 1980er Jahre spielte, sollen die programmatischen und theoretischen Texte sowie Hauptwerke der Historischen Sozialwissenschaft untersucht werden. Auch wenn damit nur ein kleiner Ausschnitt der bundesdeutschen Historiographie in den Blick genommen wird, lassen sich auf dieser Basis dennoch die wichtigsten Tendenzen und ein >Funktionswandel< der Weber-Rezeption seit den 1960er Jahren 14

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16

Hans-Ulrich Wehler, Kommentar, in: Thomas Mergel/Thomas Welskopp (Hg.), Geschichte zwischen Kultur und Gesellschaft, München 1997, S. 351-366, hier S. 355 sowie ders., Die Herausforderung der Kulturgeschichte, München 1998. Georg G. Iggers, Neue Geschichtswissenschaft. Vom Historismus zur Historischen Sozialwissenschaft, München 1978, S. 122. Hans-Ulrich Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Toro, München 2006, S. 129.

Zur Max-Weber-Rezeption

in der westdeutschen

Historiographie

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nachzeichnen. Bevor die >Gründeijahre< der Historischen Sozialwissenschaft in den Blick genommen werden, gilt es jedoch zunächst zu ermitteln, inwieweit die Bielefelder Schule an eine westdeutsche Weber-Rezeption unter den Historikern der 1950er Jahre anknüpfen konnte.

2. Die Weber-Rezeption in den 1950er und frühen 1960er Jahren Die Rezeption Max Webers in den 1960er Jahren gilt als »fruchtbarer historiographischer Gewinn«, den die Historische Sozialwissenschaft als Leistung verbuchen könne, weil sie auf diesem Wege die bewusste Anwendung von Theorien und Modellkonstruktionen in der Praxis des Historikers eingeführt habe.17 Ferner wird angenommen, die jungen Sozialhistoriker hätten sich auf eine strukturfunktionalistische Interpretation des Weber'sehen Werkes stützen können, die nach 1945 aus den USA importiert worden sei und die Einwurzelung Webers in die geistige Landschaft Deutschlands eigentlich erst ermöglicht habe.18 Dabei wird allerdings übersehen, dass die Generation der Lehrer, welche in den 1930er Jahren die Volksgeschichte etabliert hatte, maßgeblich zur Aufwertung Webers in der historischen Methodendiskussion der Nachkriegszeit beigetragen hat. Anders als in der völkisch-rassistischen Soziologie des »Dritten Reichest in der Weber keineswegs in Vergessenheit geraten war,19 spielte sein Werk in der methodologischen Debatte der Volkshistoriker freilich keine Rolle. So lehnte beispielsweise Theodor Schieder die idealtypische Methode Mitte der 1930er Jahre noch ab, weil das »Volk« auf diesem Wege nicht als unmittelbarer Forschungsgegenstand etabliert werden könne. Konsequenterweise fand auch der von Weber maßgeblich geprägte Ansatz einer typisierenden Verfassungsgeschichte von Otto Hintze keine Anhänger.20 Eine nennenswerte Rezeption der Werke Max Webers setzte unter westdeutschen Historikern erst nach dem Ende des Kriegs ein. Sie orientierte sich allerdings nicht an der strukturfunktionalistischen Lesart von Talcott Parson, sondern knüpfte nun an die Vorarbeiten von Hintze an. Eine prominente Stellung im Kreise der neuen Anhänger Webers nahm Schieder ein, der für eine Kooperation mit der Soziologie plädierte, weil er darin die Chance einer Neuorientierung und einen Ausweg aus der Krise der im »Dritten Reich< in hohem Maße kompromittierten deutschen Historiographie sah. Um dem drohenden Bedeutungsverlust der Historie entgegenzutreten, plädierte der Kölner

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Vgl. Willi Oberkrome, Volksgeschichte. Methodische Innovation und völkische Ideologisierung der deutschen Geschichtswissenschaft 1918-1945, Göttingen 1993, S. 18. Detlef J. K. Peukert, Die Rezeption Max Webers in der Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik, in: Jürgen Kocka (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 264-277, hier S. 265; ArnoldZingerle, Max Webers historische Soziologie, Darmstadt 1981, S. 7, S. 13. Carsten Klingemann, Soziologie im Dritten Reich, Baden-Baden 1996, S. 171-216. Vgl. dazu Ingo Haar, Historiker im Nationalsozialismus, Göttingen 2000, S. 280, 345; Otto Hintze, Soziologie und Geschichte, hrsg. v. Gerhard Oestreich, 3. Aufl., Göttingen 1982.

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Thomas

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Historiker schon Anfang der 1950er Jahre dafür,21 das auf Staat und Nation fixierte klassische historiographische Programm des Historismus vorsichtig zu revidieren: »[...] unsere geschichtliche Existenz ist so fragwürdig geworden, die Sorge vor einem endgültigen Verfall bedrückt uns so sehr, daß wir unser Schicksal nicht mehr allein aus dem Ablauf unserer einmaligen, singulären geschichtlichen Entwicklung zu begreifen vermögen. Wir suchen uns zu vergewissern, indem wir unsere Kultur mit anderen vergleichen und durch die Herausarbeitung typischer Züge des geschichtlichen Lebens ein Bewußtsein von uns selbst und unserer Lage gewinnen.« 22

Von solchen Erwägungen ausgehend forderte Schieder 1952 den bewussten Einsatz von Idealtypen, welche das Individualitätsprinzip des Historismus mildern und »Generalisierungen« des Geschichtsprozesses ermöglichen sollten. Damit hoffte Schieder, die kritischen Voraussetzungen der wissenschaftlichen Forschung zu schärfen, freilich ohne die überkommenen historischen Denkformen zu sprengen oder der Gefahr einer Soziologisierung der Historie anheim zu fallen. Folglich hielt er an der Überzeugung fest, mit der Konstruktion von Idealtypen gehe die geschichtliche Wirklichkeit nicht verloren, sondern sie komme darin vielmehr in gedanklich rationalisierter und geraffter Form zur Geltung.23 Idealtypen veranschaulichten nach Schieder insofern komplexe Vorgänge und ermöglichten die Verwendung vergleichend-analytischer Methoden, ohne die hermeneutischen Verfahren des Historismus preiszugeben. Auch wenn in einer solchen, von Weber inspirierten methodologischen Neukonzeption, die Schieder jedoch nur programmatisch aufwarf, noch keineswegs eine theoriegeleitete Geschichtswissenschaft zu sehen ist, haben die Schüler des Kölner Historikers Wehler und Mommsen wiederholt betont, dass sie ihrem Lehrer sowohl das Interesse an Weber als auch eine entsprechend analytische Schulung des historischen Denkens zu verdanken hätten.24 Allerdings sollte man die Rezeption Webers keineswegs als eine Besonderheit des Historischen Seminars in Köln betrachten. Denn obwohl die Grenzen der methodologischen Innovationen Schieders auf der Hand liegen und andere namhafte Historiker wie Otto Brunner, Reinhard Wittram oder Werner Conze weitaus weniger Begeisterung für die Verwendung von Idealtypen zeigten,25 machte er Weber und damit

Wolfgang J. Mommsen, Gegenwärtige Tendenzen in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik, in: GG 7 (1981), S. 149-188, hier S. 155 f. Theodor Schieder, Der Typus in der Geschichtswissenschaft, in: Ders., Staat und Gesellschaft im Wandel unserer Zeit. Studien zur Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, München 1958, S. 172-187, hier S. 177; ders., Zur Neuauflage des Werkes von Max Weber: »Wirtschaft und Gesellschaft«, in: GWU 9 (1958), S. 649-654. Ders., Zum gegenwärtigen Verhältnis von Geschichte und Soziologie, in: GWU 3 (1952), S. 2 7 32, hier S. 29 f. Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation, S. 127 spricht sogar davon, dass Schieder und auch René König einen großen »informellen Druck« ausgeübt hätten, sich mit Weber intensiv zu beschäftigen. Vgl. dazu Jörn Riisen, Konfigurationen des Historismus. Studien zur deutschen Wissenschaftskultur, Frankfurt a. M. 1993, S. 390 sowie Thomas Etzemiiller, Sozialgeschichte als politische

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auch eine Kooperation von Historie und Soziologie in der Methodendiskussion der westdeutschen Historiographie quasi salonfähig. Die Vorstellung von einer »theoretischen Geschichtswissenschaft« verbreitete sich (in einem bislang wenig erforschten Prozess) erstaunlich schnell, obwohl die Mehrheit der bundesdeutschen Historiker an den Grundannahmen des Historismus festhielt.26 Schon Mitte der 1960er Jahre vermochte Karl Bosl immerhin in der »Historischen Zeitschrift« zu erklären, dass sich die Entfaltung einer Sozialgeschichte, die sich nicht vornehmlich mit dem Staat, sondern mit der Gesellschaft befasse, in erster Linie der Rezeption Max Webers verdanke: »Max Weber hat die Historie auf einen neuen Begriff des geschichtlichen Seins und des geschichtlichen Menschen hingelenkt und ist dadurch der Vater einer deutschen Sozialgeschichte im weitesten Sinne geworden. Wir Deutsche mußten vorher schon erkennen, dass der Begriff selbst des autonomen, allmächtigen Staates nicht alle Bereiche des Lebens, der Kultur umfaßt. Weil sachlich umfassender und universaler, bot sich darum der Gesellschaftsbegriff als hermeneutisches Prinzip an.«27

Ob diese Öffnung für das Werk Webers und die sich daraus ergebende Verwendung von Idealtypen in der Geschichtsschreibung tatsächlich als »politisch-reflexiver Lernprozess« zu sehen ist, mit der die ältere Generation auf eigene Fehlleistungen unter dem Nationalsozialismus reagierte, werden wohl nur biographische Detailstudien klären können.28 Fest steht allerdings, dass Weber keineswegs allein »im frischen Gewände des soziologischen Theoretikers der Moderne« aus den USA übernommen wurde,29 sondern dass die Protagonisten der Historischen Sozialwissenschaft auf einer fachspezifischen Rezeption Webers aufbauen konnten, die in der westdeutschen Historiographie schon in der Nachkriegszeit begonnen und in den 1960er Jahren erstaunliche Fortschritte gemacht hatte.

3. Die Anfänge der Historischen Sozialwissenschaft: Weber und Marx Als die Vordenker der Historischen Sozialwissenschaft ab Mitte der 1960er Jahre das Programm einer »Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus« entwickelten,30

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Geschichte, München 2001, S. 197 ff. sowie ders., »Ich sehe das, was Du nicht siehst«. Wie entsteht historische Erkenntnis?, in: Ders.Dm Eckel (Hg.), Neue Zugänge zur Geschichte der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2007, S. 27-68, hier S. 62 f. Vgl. Othmar F. Änderte, Theoretische Geschichte, in: HZ 185 (1958), S. 1-54, hier S. 43 und ferner Ernst Pitz, Geschichtliche Strukturen, in: HZ 198 (1964), S. 265-305. Karl Bosl, Der »soziologische Aspekt« in der Geschichte. Wertfreie Geschichtswissenschaft und Idealtypus, in: HZ 201 (1965), S. 613-630, hier S. 618. Hans-Ulrich Wehler, Nationalsozialismus und Historiker, in: Winfried Schulze/Otto Gerhard Oexle (Hg.), Deutsche Historiker unter dem Nationalsozialismus, 4. Aufl., Frankfurt a. M. 2000, S. 306-339, hierS. 333. Detlev J. K. Peukert, Max Webers Diagnose der Moderne, Göttingen 1989, S. 5. Vgl. Wolfgang J. Mommsen, Die Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus, 2. Aufl., Düsseldorf 1972, S. 18-22.

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beriefen sie sich zunächst in erster Linie auf die methodologischen Schriften Webers, um eine weitreichende »Verwissenschaftlichung« der Historie voranzutreiben.31 Strukturen könnten ohne Theorien nicht erfasst werden, lautete eine ihrer immer wieder vorgebrachten Grundüberzeugungen. Der Rückgriff auf Weber, so unterstrich Wehler, könne den Grad der Rationalität der historischen Interpretation erhöhen und dem »Eskapismus vor präzisen Fragestellungen unter Historikern« vorbeugen.32 In der Verwendung von Idealtypen und in einer Theoretisierung, die sich aus einem Dialog mit den systematischen Sozialwissenschaften speiste, sahen sie eine Chance, die Fragestellungen der Geschichtswissenschaft aus dem Horizont der Gegenwartsgesellschaft zu begründen und zugleich das Spektrum der historischen Methoden zu erweitern.33 Dies gilt in besonderem Maße für die vielfach geforderten, in der Praxis tatsächlich aber gar nicht so häufig angewandten quantifizierenden Verfahren. Thematisch wählten die jungen Sozialhistoriker Probleme der Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts und griffen damit die wenige Jahre zuvor von Conze formulierte Anregung auf, das Schwergewicht der sozialhistorischen Forschung auf die Triebkräfte und das Aufkommen der modernen Industriegesellschaft zu legen.34 Eine Vorreiterrolle kommt in dieser Entwicklung namentlich Wehler und Kocka zu, wobei Letzterer in seiner Dissertation über das Verhältnis von Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft bei Siemens wohl als Erster dezidiert weberianisch argumentierte. So plädierte Kocka dafür, Fragestellungen der Weber'schen Soziologie zu rezipieren, weil diese es dem Forscher ermöglichten, sich sowohl über seine Voreinstellungen als auch über seine theoretischen Bezugspunkte klar zu werden. Konkret arbeitete Kocka mit Webers idealtypischem Bürokratiemodell, dessen Begrifflichkeit der aufstrebende Doktorand genügend »Historizität und Flexibilität« zuschrieb, um innerbetriebliche Herrschaftsstrukturen und den Wandel des »kapitalistischen Industrieunternehmens« im späten 19. und 20. Jahrhundert differenzierend untersuchen zu können. Die Vorzüge der idealtypischen Verfahrensweise sah Kocka vor allem darin, dass einerseits Webers Modell pragmatisch modifiziert und für die konkrete historische Analyse angepasst werden konnte, andererseits aber die Ergebnisse der eigenen Studie aus der Sphäre des »NurBesonderen« herausgehoben, bis zu einem gewissen Grad generalisiert und für eine übergreifende Sozialgeschichte der Industriegesellschaft fruchtbar gemacht werden 31

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34

Vgl. dazu auch Paul Nolte, Historische Sozialwissenschaft, in: Joachim Eibach/Günther Lottes (Hg.), Kompass der Geschichtswissenschaft, Göttingen 2002, S. 53-68, hier S. 59. Hans-Ulrich Wehler, Fragen an Fragwürdiges. Eine gedämpfte Replik auf Golo Manns »Plädoyer«, in: Jürgen Kocka/Thomas Nipperdey (Hg.), Theorie und Erzählung in der Geschichte, München 1979, S. 57-60, hier S. 59. Vgl. dazu auch Thomas Mergel, Geschichte und Soziologie, in: Hans-Jürgen Goertz (Hg.), Geschichte. Ein Grundkurs, Reinbek bei Hamburg 2007, S. 688-717, hier S. 694-699. Werner Conze, Die Strukturgeschichte des technisch-industriellen Zeitalters als Aufgabe für Forschung und Unterricht, Köln 1957; vgl. auch Wolfgang Schieder, Sozialgeschichte zwischen Soziologie und Geschichte. Das wissenschaftliche Lebenswerk von Werner Conze, in: GG 13 (1987), S. 244-266, hier S. 241.

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konnten.35 Ganz bewusst theoriegeleitet war auch Wehlers Kölner Habilitationsschrift zum Thema »Bismarck und der Imperialismus«, die sich ebenfalls auf Weber berief, aber sehr viel weniger an der idealtypischen Methode orientiert war als Kockas Unternehmensstudie.36 Trotz der beachtlichen Ergebnisse dieser Studien, die in der Zunft große Aufmerksamkeit erregten, bewegte sich die Weber-Rezeption der jungen Historiker zunächst noch weitgehend in den Bahnen der 1950er und frühen 1960er Jahre. Eine neue Qualität und Dynamik gewann der Rekurs auf Weber insofern nicht durch eine innovative Exegese des soziologischen Klassikers, sondern weil Wehler und Kocka die Ansätze Webers in einer eklektisch wirkenden Verfahrensweise mit den Theorien von Marx anreicherten. Darin kann man durchaus eine Reaktion auf die »Renaissance marxistischer Gedanken« und auf »verbreitete intellektuelle Bedürfnisse« des Zeitgeistes in der Epoche der Studentenrevolte sehen.37 Wichtiger noch dürfte aber gewesen sein, dass die historischen Sozialwissenschaftler den sozioökonomischen Wandlungsprozessen eine übergeordnete Geschichtsmächtigkeit zuschreiben wollten, die sich mit Webers Werken nicht begründen ließ. So arbeitete etwa Wehler in seiner Imperialismusstudie mit dem Weber'schen Konzept des »Weltbildes«, konzipierte dieses aber quasi marxistisch, indem er das Weltbild als eine Ideologie fasste, die auf ihre sozialökonomischen Grundlagen zurückzuführen sei.38 Auch Kocka bemühte sich um eine Vermittlung von Weber und Marx, für die er bereits in einem 1966 publizierten theoretisch-programmatischen 39

Aufsatz plädiert hatte. Umgesetzt hat er dieses Vorhaben vor allem mit der Studie »Klassengesellschaft im Krieg« (1973), die den Versuch einer »gesamtgesellschaftliche[n] Geschichtsschreibung mit marxistischen Kategorien« darstellte. Allerdings verwendete Kocka das »klassengesellschaftlich-dichotomische Modell« in einem idealtypischen Sinne und löste es aus dem Kontext des Marxschen geschichtsphilosophischen Denkens, dessen teleologische Stoßrichtung er scharf ablehnte.40 Trotz dieses differenzierenden Umgangs mit dem Marxismus wird deutlich, dass die Weber-Rezeption in den Gründerjahren der Historischen Sozialwissenschaft als eine Art Legitimationsinstanz oder Schutzschild für eine Einführung des unorthodoxen Marxismus in die westdeutsche Geschichtsschreibung fungierte. Darauf verweist nicht zuletzt der Umstand, dass Wehler sich gegen jegliche »Polemik mit dem Marxismusverdacht« 35

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Jürgen Kocka, Unternehmensverwaltung und Angestelltenschaft am Beispiel Siemens 18471914. Zum Verhältnis von Kapitalismus und Bürokratie in der deutschen Industrialisierung, Stuttgart 1969, S. 23; vgl. ferner Josef Meran, Theorien in der Geschichtswissenschaft, Göttingen 1985, S. 69. Hans-Ulrich Wehler, Bismarck und der Imperialismus, Köln 1969. Jürgen Kocka, Klassengesellschaft im Krieg. Deutsche Sozialgeschichte 1914-1918, Göttingen 1973, S. 142. Wehler, Bismarck, S. 112 f. Der in der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft veröffentliche Aufsatz findet sich in überarbeiteter Form in: Jürgen Kocka, Sozialgeschichte, 2. Aufl., Göttingen 1986, S. 9-47. Kocka, Klassengesellschaft, S. 3, 150.

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zur Wehr setzte, indem er sich als engagierter Weberianer präsentierte. So hielt er noch 1979 in einer Replik Golo Mann entgegen: »Ich rechne mich zu denen in der westdeutschen Geschichtswissenschaft, die auch von Marx unbefangen das lernen möchten, was von ihm zu lernen ist, so wie wir von Weber (von ihm in erster Linie), von Hintze, Sombart, Schumpeter, Gerschenkron u.a. lernen.«41

Auch wenn Wehler an dieser Stelle Weber als Kronzeugen aufruft, waren Manns Hinweise auf die Relevanz marxistischer Gedanken in der Programmatik der neuen Sozialgeschichte durchaus begründet. Noch in der Schrift »Geschichte als historische Sozialwissenschaft« lehnte Wehler die Weber'sehe Erkenntnistheorie und die Wirklichkeitskonzeption, die notwendigerweise mit dem Idealtypus verbunden ist,42 vehement ab. So verwahrte sich der Wortführer der neuen Sozialgeschichte gegen die neokantianische Erkenntnistheorie und gegen die Auffassung Webers, die Vergangenheit sei als ungeordnetes Chaos zu fassen, in das erst der Bezug auf politische oder kulturelle Wertideen eine Ordnung zu bringen vermöge. Stattdessen betonte Wehler in hegelianischer Tradition, die Vergangenheit besitze unabhängig vom erkennenden Subjekt eine Struktur, welche durch einen Pluralismus konkurrierender Interpretationen erschlossen werden könne. Werde die Existenz solcher Strukturen nicht eingeräumt, fehle die Prüfungsinstanz für jede historische Theorie: »Völlige Beliebigkeit - je nach der Vorentscheidung durch verpflichtende Wertbezüge - ist dadurch ausgeschlossen, der Interpretationspluralismus kann daher nicht unendlich groß sein.«43 Auch Kocka setzte sich mit dem Problem des Wertedezisionismus bei Weber auseinander und plädierte für eine Korrektur der Weber'sehen Erkenntnistheorie mit Hilfe marxistischer Überlegungen. So wies er die von Weber geforderte strikte Trennung von »analysierendem Wissenschaftler« und »zu analysierender Wirklichkeit« zurück.44 Wenn man wie Weber die Wirklichkeit als unendlich komplex, mannigfaltig und chaotisch verstehe, sei nur »Partialerkenntnis« möglich, die hinter den Erkenntnismöglichkeiten der von Marx konzipierten historischen Totalität zurückbleibe. Die Strukturen der »menschlich-geschichtlichen Wirklichkeit« seien dem Historiker vorgegeben. Man dürfe sich die Wirklichkeit nicht als ungeordnete Größe vorstellen, die allein durch den Konstruktionsakt des Wissenschaftlers unter Gesichtspunkten eine strukturelle Ordnung erhalte, die sich aus den Wertideen und Wertsetzungen des Historikers speisten. Die Erkenntnisgesichtspunkte des Historikers, so distanzierte sich Kocka behutsam von Weber, ergäben sich jedoch auch aus der Sache selbst und dürften keineswegs beliebig sein. Denn folgte man an diesem Punkt voll und ganz Weber, stünden dem Forschenden 41 42

43 44

Wehler, Fragen an Fragwürdiges, S. 59. Vgl. dazu Wolfgang J. Mommsen, »Verstehen« und »Idealtypus«. Zur Methodologie einer historischen Sozialwissenschaft, in: Ders., Max Weber: Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt a. M. 1974, S. 208-232. Wehler, Geschichte als Historische Sozialwissenschaft, S. 32 f. Kocka, Sozialgeschichte, S. 12; vgl. auch ders., Kontroversen über Max Weber, in: Neue Politische Literatur 21 (1976), S. 281-301, hier S. 284.

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keine Kriterien bereit, mit denen er die Angemessenheit der Untersuchungskategorien beurteilen könnte. Vielmehr werde die Entscheidung über deren Auswahl willkürlich getroffen. Darum müsse die von Webers Wertedezisionismus induzierte »Zufälligkeit der Gesichtspunktwahl« in der Praxis der neuen Sozialgeschichte unbedingt ausgeschlossen werden.45 Trotz dieser Kritik hob Kocka allerdings auch hervor, dass man von dem von »dezisionistischen Konsequenzen« befreiten Weber gleichwohl lernen könne, dass der Wissenschaftler stets aufmerksam reflektieren müsse, in welcher Weise seine spezifischen Erkenntnisgesichtspunkte mit der gesellschaftlichen und politischen Situation verflochten seien.46 Ein weiterer Grund für die Adaption marxistischer Gesichtspunkte war die Überlegung, dass sich mit Weber keine »Gesamtgeschichte« begreifen lasse. Mit Weber lasse sich Geschichte nur als »heteronomes Kontinuum« erfassen, dessen Einheit dem Historiker verborgen bleibe, obwohl eine historische Erscheinung nicht ohne Begriff vom Ganzen interpretiert werden könne.47 Auch wenn es nicht die Aufgabe der Historie sein könne, Gesetzeswissen zu ermitteln, dürfe man nicht auf »Substanzeinsicht« verzichten, das heißt darauf, die von oberflächlichen Phänomenen verhüllte Kerngestalt einer historischen Epoche freizulegen. Eine ähnliche Position nahm auch Hans-Ulrich Wehler ein, der noch Mitte der 1970er Jahre formulierte: »Von Marx lernt man nachhaltiger als von Weber, auf der Erkenntnis des >Wesens< hinter der Oberfläche der äußeren Erscheinungen zu beharren, die Suche nach [...] den auf Dauer gestellten institutionellen Regelungen des gesellschaftlichen Lebens nicht zu früh aufzugeben.« 48

Diese Betonung marxistischer Perspektiven beruhte auf der Überzeugung, dass sich aus der Weber'schen Wirklichkeitsauffassung kein Fortschritt ableiten lasse49 und die Erkenntnistheorie des Soziologen insofern nicht das fiir die jungen Sozialhistoriker fundamentale politische Problem löste, wie man »in nach-historistischer Zeit aus der Analyse des Seins zur Erkenntnis des vernünftigen Sollens« kommen konnte. Ohne die Hilfe von Marx sahen die jungen Weberianer die Praxis des Historikers einer »dezisionistisch-willkürliche[n] Methodologie« ausgeliefert, mit der sich die Zielsetzungen und das Streben nach gesellschaftspolitischem Fortschritt nicht legitimieren lassen würden.50

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Kocka, Sozialgeschichte, S. 33-37. Ebd., S. 36. Ebd., S. 34. Hans-Ulrich Wehler, Vorüberlegungen zu einer modernen deutschen Gesellschaftsgeschichte (1978), in: Ders., Historische Sozialwissenschaft und Geschichtsschreibung, Göttingen 1980, S. 161-180, hier S. 178 f. Kocka, Sozialgeschichte, S. 33-37. Ders., Kontroversen, S. 285, 289.

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4. Die Modernisierungsgeschichte Wehlers und Max Weber In den 1970er Jahren spielte die Gegenüberstellung von Marx und Weber in den theoretisch-programmatischen Texten der Historischen Sozialwissenschaft weiterhin eine große Rolle. Allerdings verkehrten sich allmählich die Fronten, da Weber trotz aller Differenzierung im Detail zum unbestrittenen »Theoriespender«51 wurde, der in fast allen Diskussionszusammenhängen zur Entwicklung neuer Fragestellungen sowie zur Legitimierung der eigenen Position herangezogen wurde. Dabei übernahm Weber allmählich die Funktion eines »bürgerliche[n] Antipodefn] zu Marx«,52 dessen Theorien eine größere Erklärungskraft und »Realitätsadäquanz« zuzuschreiben sei, wie Wehler in zahlreichen Aufsätzen mit rationalistischem Pathos hervorhob: »Webers Werk erleichtert es, die Perspektive zu wechseln, um der historischen Realität sachangemessen gerecht zu werden.«53 Dieser Perspektivwechsel lässt sich gewiss aus dem Kontext der Zeit als »Immunisierung« und Abwehrhaltung der nunmehr etablierten Sozialhistoriker gegen den Neomarxismus der 1970er Jahre erklären, doch scheinen neben den politischen Motiven wissenschaftsimmanente Faktoren und Bedürfhisse der Geschichtsschreibung im engeren Sinne ebenso wichtig gewesen zu sein. So konstatiert Wehler im Rückblick auf die 1970er Jahre: »Eigentlich ist die Option für Weber auch das Ergebnis pragmatischer Erfahrung.«54 Die Soziologie Webers bekam zunehmend größere Relevanz, weil sie sich für die Entwicklung eines Forschungsprogrammes eignete, das auf eine Gesamtgeschichte der Moderne zielte. So steht die Weber-Rezeption der 1970er Jahre in einem engen Zusammenhang mit der Wendung zahlreicher Sozialhistoriker hin zur Modernisierungstheorie, die in den 1970er Jahren großen Einfluss entfaltete.55 Hatte Wehler zunächst Weber noch heftig kritisiert, weil die idealtypisierende Methode stets in der Gefahr stehe, bei »relativ statischen Querschnitten oder bei der Annäherung an eine gedankliche Konstruktion« stehen zu bleiben,56 so eröffnete ihm die Rezeption der soziologischen Spezialforschung den Blick dafür,57 dass sich mit Webers Theorie die 51 52

53 54 55 56 57

Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation, S. 82. Ders., Max Webers Klassentheorie und die neuere Sozialgeschichte, in: Ders., Aus der Geschichte lernen?, München 1988, S. 152-160, hier S. 159; vgl. dazu auch Peukert, Diagnose, S. 9. Wehler, Max Webers Klassentheorie, S. 156. Ders., Eine lebhafte Kampfsituation, S. 128. Ders., Modernisierungstheorie und Geschichte, Göttingen 1975. Ders., Vorüberlegungen, S. 179. Zu nennen sind vor allem die Werke von Wolfgang Schluchter und Reinhard Bendix, auf die Wehler, Modernisierungstheorie, S. 80 an verschiedenen Stellen seiner Texte verwies: »Es gibt in der Modernisierungsdebatte nicht etwa nur eine Weber-Renaissance, sondern mindestens zwei von Weber herkommende Schulen: die hochabstrakt verallgemeinernde von Parsons und die historisch-restriktive von Bendix, um das mit zwei repräsentativen Namen abzukürzen. Beide können legitim an zwei bei Weber vorhandene Komponenten anknüpfen: an den Allgemeinheitsanspruch der soziologischen Kasuistik des Spätwerks bzw. an die historisch vergleichenden Studien vorher.« Vgl. Reinhard Bendix, Max Weber. Das Werk. Darstellung - Analyse - Ergebnisse,

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okzidentalen Evolutionsprozesse erschließen ließen: »Ohne das Prokrustesbett einer anachronistischen Geschichtsphilosophie bietet sie dem Historiker unter anderem auch ein evolutionstheoretisches Potential ohne schwerwiegende Verengung an.«58 In diesem Zusammenhang knüpfte Wehler an Webers These von der okzidentalen Rationalisierung an und führte die (in mancher Hinsicht von dem amerikanischen Strukturftinktionalismus übernommene) historisch-komparative Modernisierungsforschung auf Max Weber zurück.59 Dieser habe nämlich jene Begriffe und Instrumente entwickelt, mit denen die historische Eigenart des Okzidents und dessen universalgeschichtlich einmaliger Entwicklungssprung erfasst werden könnten. Anfanglich standen die Ursachen für den Siegeszug des westlichen Industriekapitalismus im Fokus, später trat die Modernisierung als ein die gesamte Gesellschaftsgeschichte des Okzidents betreffender Prozess in den Blick, der sich mit marxistischen Kategorien allein nicht mehr begreifen lasse. Dagegen habe Webers »Idealtypus eines Modernisierungsprozesses«, welcher den Weg aus der traditionalen in die moderne Welt beschreibt, den gesamtgesellschaftlichen Wandel der modernen Gesellschaft als Forschungsproblem der Historie kenntlich gemacht. Die Historische Sozialwissenschaft, so lautete Wehlers Plädoyer, müsse die Arbeit Webers energisch fortsetzen und eine »historische Modernisierungstheorie« entwickeln, um damit letztendlich die moderne Gesellschaft realitätsadäquater verstehen und erklären zu können, als es der an Marx orientierten Geschichtswissenschaft jemals möglich gewesen sei.60 Am Ende des Forschungsprozesses sollte eine scharf typisierende Entwicklungsgeschichte des Okzidents etabliert werden, welche den »Ballast historischer Missionen« und normativer Festlegungen des Marxismus endgültig abwerfe.61 Aus Webers universalgeschichtlicher Analyse des Okzidents wurde insofern ein »genetisch-struktureller Ansatz« abgeleitet, mit dem sich gerichtete Evolutionsprozesse der Moderne identifizieren ließen.62 Diesen Zugriff arbeitete Wehler für seine deutsche »Gesellschaftsgeschichte« weiter aus, indem er sich unter Verweis auf Weber von der bei Marx entlehnten These löste, dass sozialökonomischen Prozessen eine vorgeordnete geschichtsmächtige Rolle zukäme. Im Gegensatz zu allen Theorien, welche qua »Glaubensakt« einem spezifischen »Modernisierungszentrum« größere historische Erklä-

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München 1964; Wolfgang Schluchter, Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Gesellschaftsgeschichte, Tübingen 1979; ders., Aspekte bürokratischer Herrschaft, München 1972. Die Aussage Wehlers ist auf die Klassentheorie Webers gemünzt, lässt sich aber verallgemeinern; vgl. Wehler, Max Webers Klassentheorie, S. 155. Vgl. dazu auch Thomas Welskopp, Grenzüberschreitungen. Deutsche Sozialgeschichte zwischen den dreißiger Jahren und den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts, in: Christoph Conrad/Sebastian Conrad (Hg.), Die Nation schreiben, Göttingen 2002, S. 296-322, hier S. 319. Wehler, Vorüberlegungen, S. 164 ff. Ders., Max Webers Klassentheorie, S. 159. Ders., Modemisierungstheorie, S. 14; ders., Einleitung, in: Ders. (Hg.), Geschichte und Soziologie, 2. Aufl., Königstein/Ts. 1984, S. 11-30, hier S. 20.

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rungskraft zubilligten, ging Wehler nun von einer »Gleichrangigkeit der drei Fundamentaldimensionen Herrschaft, Wirtschaft, Kultur« aus, die er in einem nicht immer werknahen Prozess der Interpretation auf Webers Variante einer okzidentalen Gesellschaftsgeschichte zurückführte: »Im Anschluß an die >Säkulartheorien< [...], die Max Weber für seine universalhistorischen Studien entwickelt hat, um - das war die ursprüngliche Antriebskraft - die Eigenart des okzidentalen Gesellschaftstyps durch den Vergleich mit anderen Kulturkreisen möglichst präzis zu erfassen, lassen sich drei gleichberechtigte, kontinuierlich durchlaufende Dimensionen von Gesellschaft analytisch unterscheiden.«63

Um die einzelnen Dimensionen angemessen erforschen zu können, verwendete Wehler eine ganze Bandbreite von Theorien, welche häufig (aber keineswegs immer) an Max Webers Herrschaftstypologien und dessen Klassentheorie anknüpften. 64 Auf diese Weise sollte idealiter eine Totalgeschichte möglich werden, welche die Modernisierungsprozesse umfassend darstellen konnte. Diese Form der Modernisierungsgeschichte hatte normative Züge, die sich mit Webers Erkenntnistheorie nur bedingt vereinbaren ließen. Obwohl die Evolution eine gewisse Bandbreite habe und die Zukunft immer offen bleiben müsse, formulierte Wehler unter Verweis auf seine eigene Weberinterpretation »Modernisierungsziele«. Zwar wurden diese als »erkenntnisleitende Interessen« präsentiert, doch offenbaren sie gleichwohl den politischen Charakter der Geschichtsschreibung Wehlers. So machte der Bielefelder Historiker vier »Richtungskriterien für den Evolutionsverlauf« aus. Als »Evolutionsziel« und explizit als »Fortschritt« 65 definierte er die »Durchsetzung des Kapitalismus«, die »Durchsetzung marktbedingter Klassen«, die »Durchsetzung des bürokratisierten Anstaltsstaats«, schließlich die »Durchsetzung der >RationalisierungReligion< als prägende Kraft im Alltagsleben interessiert, weil an ihr jene >historische Dynamik< besonders einprägsam verfolgt werden kann, die kulturelle Faktoren entfalten können, warum wird dann das noch immer nicht ausgeschöpfte riesige Potential der Religionssoziologie Max Webers, dessen Rationalismus Alltagshistoriker so gern schmähen, nicht ausgenutzt?«70

Noch bedeutsamer erschien es Wehler allerdings zu sein, dass die Alltagshistoriker die Weber zu verdankende Einsicht in die »Kraft der gesamtgesellschaftlichen Strukturen und Prozesse« verrieten und insofern »neohistoristischen Illusionen« verfielen. Die politischen Folgen lagen für Wehler auf der Hand, denn die von den Alltagshistorikern vorgebrachte Kritik an den Rationalisierungsprozessen der Moderne münde in ein »mächtiges zivilisationskritisches Ressentiment gegen die Modernisierung« an sich, das fatalerweise den »Fortschritt« insgesamt blockieren könnte. Die alltagshistorische Modernisierungskritik erschien Wehler auch deshalb als völlig plausibel, weil der Weg in die Moderne eine Leistung des Okzidents darstelle, den man im Grunde nicht überschätzten könne. Die Schattenseiten von Modernisierung und Rationalisierung änderten daran nichts, zumal die »Ambivalenz der Modernisierung« von den etablierten Sozialhistorikern oder gar von Weber selbst nicht geleugnet oder vernachlässigt worden seien: »[...] Weber etwa wäre der allerletzte, auf den dieser Vorwurf zuträfe.« 71 Und so führte Wehler den Soziologen als Kronzeugen für seine eigene Schlussfolgerung an, dass man den »ungeheuren Entwicklungssprung«, der sich der »okzidentalen Rationalität« zu verdanken habe, gegen den »billigen Defätismus« der Alltagsgeschichte ebenso wie gegen den traditionellen Historismus verteidigen müsse. Diese Sichtweise teilte auch 69

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Jürgen Kocka, Klassen oder Kultur? Durchbrüche und Sackgassen in der Arbeitergeschichte, in: Merkur 36 (1982), S. 955-965, hier S. 957. Hans-Ulrich Wehler, Alltagsgeschichte. Königsweg zu neuen Ufern oder Irrgarten der Illusionen, in: Ders., Aus der Geschichte lernen?, München 1988, S. 130-151, hier S. 139. Ders., Alltagsgeschichte, S. 145.

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Jürgen Kocka, der seine wissenschaftliche und politische Position legitimierte, indem er diese in Analogie zur Lage Webers im Wissenschaftsbetrieb des Kaiserreichs setzte: »Im Grunde stand Weber in einer doppelten Frontstellung, in der sich mancher Historiker auch heute befindet.«72 Vor diesem Hintergrund ist es nicht überraschend, dass Wehler dem wissenschaftlichen Potential der Alltagsgeschichte wegen eines »unübersehbaren prinzipiellen theoretischen Defizits« jede »Synthesefähigkeit« absprach. Darum bot sich aus seiner Sicht allein die Lösung an, die Alltagsgeschichte in die von Weber inspirierte »Gesellschaftsgeschichte« zu integrieren und Letztere damit an deren Außenrändern zeitgemäß zu ergänzen und zu erweitern.73 Der Rekurs auf Weber bekam in dieser Argumentationsstrategie die fast schon symbolische Funktion, die Überlegenheit der Historischen Sozialwissenschaft zu demonstrieren und die politischen Wertsetzungen der Bielefelder Schule gegen die fortschrittsskeptischen Kritiker aus der eigenen Zunft zu verteidigen. Allerdings gab es eine Reihe von bundesdeutschen Historikern, die das alltagsgeschichtliche Unbehagen an den sozialgeschichtlichen Theorienangeboten nicht mit dem Gestus der Überlegenheit zurückwiesen, sondern fur eine Revision der Weber'sehen Theorie der okzidentalen Rationalisierung eintraten. In dieser Gruppe ragte Detlev J. K. Peukert heraus, der in einer weiteren Renaissance Webers die Chance für eine Modernisierung der bundesdeutschen Sozialhistorie sah: »Es lohnt sich, auch aus den gegenwärtigen Fragstellungen zur Alltagsgeschichte heraus, den Altvater der Sozialgeschichte, Max Weber, neu zu lesen.«74 Im Kontext dieses Unterfangens wies Peukert die allein auf den Fortschritt zentrierte Weberinterpretation der Bielefelder Spielart zurück und hob in einem 1986 in »Geschichte und Gesellschaft« veröffentlichten Diskussionsbeitrag hervor, dass Webers Haltung gegenüber den Entwicklungstendenzen der Moderne durchaus widersprüchlich gewesen sei. Mit Hilfe einer Analyse des Einflusses von Nietzsche auf Weber arbeitete Peukert heraus, dass die Sicht des Soziologen auf die Moderne kulturkritische Züge aufwies und dieser stets befürchtete, Individualität, Kreativität, Freiheit und Leidenschaft des Menschen könnten mit dem Fortschreiten des Rationalisierungsprozesses erstickt werden. Die von Weber herausgearbeitete Anatomie des okzidentalen Rationalisierungsprozesses entwerfe insofern gleichzeitig eine »Pathogenese der Moderne«.75 Auf diese Weise habe Weber selbst den »Fortschritt« von der »Moderne« konzeptionell entkoppelt. Dies mache seine Theorie der okzidentalen Rationalisierung wiederum gerade auch für Alltagshistoriker interessant, denn in diesem 72

73 74

75

Jürgen Kocka, Max Webers Bedeutung für die Geschichtswissenschaft, in: Ders. (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 13-27, hier S. 22; vgl. ferner ders., Sozialgeschichte zwischen Struktur und Erfahrung. Die Herausforderung der Alltagsgeschichte, in: Ders., Geschichte und Aufklärung, Göttingen 1986, S. 29-44. Wehler, Alltagsgeschichte, S. 146. Detlev J. K. Peukert, Ist die neuere Alltagsgeschichte theoriefeindlich?, in: Hertha NaglDocekal/Franz Wimmer (Hg.), Neue Ansätze in der Geschichtswissenschaft, Wien 1989, S. 7-17. Detlev J. K. Peukert, Die »letzten Menschen«: Beobachtungen zur Kulturkritik im Geschichtsbild Max Webers, in: GG 12 (1986), S. 425^42, hier S. 425 429.

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Rahmen ließen sich vielfältige Facetten des alltäglichen Lebens der kleinen Leute in eine übergeordnete Strukturgeschichte integrieren, ohne den Fokus »ethnozentristisch« auf die Modernisierung zu richten. Weber könne der Alltagsgeschichte sogar »theoretisch beflügelte Schuhe« anpassen, die ihn zum Boten einer erneuerten Historischen Sozialwissenschaft machten, welche die Pathologie und die Fortschritte des okzidentalen Rationalisierungsprozesses gleichermaßen ernst nehme.76 Ein derart interpretierter Weber hätte in den 1990er Jahren durchaus als »Ideenspender« einer kulturwissenschaftlich erneuerten Sozialgeschichtschreibung dienen können. Dass die westdeutsche Historiographie andere Wege ging, hängt nicht in erster Linie mit dem Werk Webers selbst zusammen, sondern vielmehr mit der Tatsache, dass sich die neue Kulturgeschichte in dem von der älteren Generation dominierten Wissenschaftsbetrieb am effizientesten durchsetzen konnte, indem sie sich von dem modernisierungstheoretisch interpretierten Weber entschlossen absetzte.

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Peukert, Alltagsgeschichte, S. 17.

EDITH HANKE/GANGOLF HÜBINGER/WOLFGANG SCHWENTKER

Die Entstehung der Max Weber-Gesamtausgabe und der Beitrag von Wolfgang J. Mommsen

1972, im Ausklang der '68er-Bewegung mit ihren intellektuellen Kontroversen, begannen die Planungen zu einer Max Weber-Gesamtausgabe (MWG). 1984 erschienen die ersten Bände. Wolfgang J. Mommsen, der gerade die erheblich erweiterte zweite Auflage seiner Studie »Max Weber und die deutsche Politik« zum Druck brachte,1 war von Beginn an einbezogen, »anleitend und ausführend, kritisierend und koordinierend«. Zehn Bände edierte er bis zu seinem Tod als alleiniger oder als Mitherausgeber. Ein im Manuskript weit fortgeschrittener Band erschien postum.3 Dem erfolgreichen Fortschreiten der MWG widmete Mommsen im Verlauf von 30 Jahren den wohl größten Teil seiner wissenschaftlichen Energien und seiner Arbeitszeit. Unser Beitrag gilt dem wissenschaftsgeschichtlichen Ort der MWG, bezogen auf die schwierige Entstehungsphase zwischen 1972 und 1984. Er konzentriert sich in sechs Schritten auf die Krise der Sozial- und Geschichtswissenschaften nach 1968 in der überspitzten Polarisierung »Marx oder Weber« (1); auf die ersten Anstöße durch den Soziologen Horst Baier (2); auf die Bildung einer Initiativgruppe, die Interessen der 1

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Das Vorwort ist datiert auf den 23. September 1973, Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, Tübingen 1974, S. XV. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen und die Max Weber-Gesamtausgabe, in: Karl-Ludwig Ay/Knut Borchardt (Hg.), Das Faszinosum Max Weber. Die Geschichte seiner Geltung, Konstanz 2006, S. 12. In der Abfolge des Erscheinens gab Mommsen heraus: MWG 1/15 »Zur Politik im Weltkrieg«, in Zsarb. mit Gangolf Hübinger, 1984; 1/16 »Zur Neuordnung Deutschlands«, in Zsarb. mit Wolfgang Schwentker, 1988; 1/10 »Zur Russischen Revolution von 1905«, in Zsarb. mit Dittmar Dahlmann, 1989; II/5 »Briefe 1906-1908«, hrsg. mit M. Rainer Lepsius, in Zsarb. mit Birgit Rudhard und Manfred Schön, 1990 (die Edition dieses Bandes wurde mit dem Amalfi-Preis ausgezeichnet); 1/17 »Wissenschaft als Beruf 1917/1919 - Politik als Beruf 1919«, hrsg. mit Wolfgang Schluchter, in Zsarb. mit Birgitt Morgenbrod, 1992; 1/4 »Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik«, in Zsarb. mit Rita Aldenhoff, 1993; II/6 »Briefe 1909-1910«, hrsg. mit M. Rainer Lepsius, in Zsarb. mit Birgit Rudhard und Manfred Schön, 1994; II/7 »Briefe 1911-1912«, hrsg. mit M. Rainer Lepsius, in Zsarb. mit Birgit Rudhard und Manfred Schön, 1998; 1/22-1 »Wirtschaft und Gesellschaft« - Teilband »Gemeinschaften«, in Zsarb. mit Michael Meyer, 2001; II/8 »Briefe 1913-1914«, hrsg. mit M. Rainer Lepsius, in Zsarb. mit Birgit Rudhard und Manfred Schön, 2003; postum: III/l »Allgemeine (>theoretischeHandschrift< von Wolfgang J. Mommsen als Editor und als Weber-Interpret (4); auf den gewählten Editionstypus einer Gesamtausgabe nach historisch-kritischen Grundsätzen (5); abschließend auf Weber und die MWG in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit (6).

1. Die Krise der Sozial- und Geschichtswissenschaften nach 1968 Wer sich in den späten sechziger und zu Beginn der siebziger Jahre um Weber bemühte, sich gar auf seine Schultern stellte, stieß auf viel Ablehnung. Selbst der hochkarätig besetzte Soziologentag in Heidelberg 1964, der Webers 100. Geburtstag gewidmet war, 4 führte nicht dazu, dass für das »enge Geflecht von Wissenschaft und kultureller Selbstvergewisserung moderner Gesellschaften« 5 dem Rückgriff auf Weber eine zentrale Bedeutung zuerkannt wurde. In der politischen Philosophie des konservativen Denkmilieus stand Weber nicht hoch im Kurs; ihm wurde die verhängnisvolle Trennung von Ethik und Politik angelastet. Zu den beiden vorrangigsten Problemen, einer wissenschaftlichen Legitimation der demokratischen Ordnung und einer Rezeptur gegen die »Unregierbarkeit des Staates«, sei von der Lektüre seiner Schriften wenig zu erwarten. 6 Hans Maier hatte zu Webers 100. Geburtstag mit einem Vortrag über »Max Weber und die deutsche Politikwissenschaft« hier entscheidende Weichen gestellt und Weber zum Monument einer überholten Wissenschaftstradition erklärt,7 bevor er später unter eher wissenschaftspolitischen Gesichtspunkten die Edition seiner Werke förderte. Und noch in das vom Münsteraner Philosophen Joachim Ritter begründete »Historische Wörterbuch der Philosophie« ist Max Weber lexikalisch eingegangen als jemand, der zeitbedingte Denkmuster lediglich o

in »hochreflektierte Theorieentwürfe« umgeschrieben hätte. Auch Wilhelm Hennis, der sich nach seiner New Yorker »Entdeckung« Webers von 1977/78 so vehement unter die

Zu Wolfgang J. Mommsens Teilnahme an diesem Soziologentag siehe unten, S. 231, Anm. 73. Paul Nolte, Soziologie und kulturelle Selbstvergewisserung. Die Demokratisierung der deutschen Gesellschaft nach 1945, in: Steffen Sigmund u. a. (Hg.), Soziale Konstellation und historische Perspektive. Festschrift für M. Rainer Lepsius, Wiesbaden 2008, S. 1 8 ^ 0 , hier S. 19. Vgl. Jens Hacke, Der Staat in Gefahr. Die Bundesrepublik der 1970er Jahre zwischen Legitimationskrise und Unregierbarkeit, in: Ders./Dominik Geppert (Hg.), Streit um den Staat. Intellektuelle Debatten in der Bundesrepublik 1960-1980, Göttingen 2008, S. 188-206. Hans Maier, Max Weber und die deutsche politische Wissenschaft, in: Karl Engisch/Bernhard Pfister/Johannes Winckelmann (Hg.), Max Weber. Gedächtnisschrift der Ludwig-MaximiliansUniversität München zur 100. Wiederkehr seines Geburtstages, Berlin 1966, S. 163-183, Wiederabdruck in: Ders., Politische Wissenschaft in Deutschland, München 1969, S. 69-88. Ernst Vollrath, Artikel »Politik«, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 7, Basel 1989, S. 1063.

Die Entstehung der Max

Weber-Gesamtausgabe

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Weberinterpreten mischte, bewegte sich zuvor noch ganz in diesem Denkstil des Desinteresses.9 In den Gesellschaftstheorien des linken Milieus war die Beschäftigung mit Weber wesentlich intensiver und die Ablehnung entschieden radikaler. Hier diente Weber als Gegenpol in der alles beherrschenden Streitfrage »kritische Gesellschaftstheorie oder affirmative Sozialtechnologie«. Prominente Vertreter der »Kritischen Theorie« schärften ihr Profil mit einer ausdrücklichen Widerlegung des Weber'schen Positivismus. Herbert Marcuse, die große Autorität der '68er, sah in Webers universalhistorischem Konzept des abendländischen »Rationalismus« und dem Gebot einer werturteilsfreien Wirklichkeitswissenschaft mit »formaler« Begriffsbildung einen kritisch zu überwindenden bürgerlichen Klassenstandpunkt.10 In präziserer Argumentationsführung erklärte Jürgen Habermas Webers szientistisch halbierten Rationalismus in den entscheidenden Aspekten für unzureichend, um die Legitimitätsprobleme spätkapitalistischer Gesellschaftsordnungen zu bewältigen und Einsichten in soziale Prozesse mit praktischem Handeln zu vermitteln. Einer auf Weber gründenden Soziologie fehlten die Mittel, um die Legitimität sozialer und politischer Ordnungen an einer »auf Grundnormen der vernünftigen Rede zurückfiihrbare[n] Universalmoral« orientieren zu können.11 Der stichwortgebende Titel »Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus« erschien 1973 im Suhrkamp-Verlag. Suhrkamp entwickelte sich zu einem Distributionszentrum der Weberkontroversen. Hier versammelten sich Autoren, welche die Weber-Kritik kleinarbeiteten oder vergröberten. Manche Debatten wurden schlicht unter die Alternative »Marx oder Weber« gestellt.12 Suhrkamp brachte aber auch die Gegenrede, wie 1974 Wolfgang J. Mommsens Aufsatzsammlung »Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte«. Darin enthalten ist der Beitrag »Kapitalismus und Sozialismus. Die Auseinandersetzung mit Karl Marx«. Dieser beruht auf dem Vortrag »Max Weber als Kritiker des Marxismus«, mit dem sich Mommsen in der Kontroverse engagierte und Weber hinsichtlich der Auffassung von Dynamik und »Natur der kapitalistischen Ge13 sellschaft« als »Antipoden« von Marx diskutierte. 9

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Vgl. Stephan Schlak, Wilhelm Hennis. Szenen einer Ideengeschichte der Bundesrepublik, München 2008. Vgl. differenziert Johannes Weiß, Max Weber und die Kritik der Kritischen Theorie, in: Ay/Borchardt, Faszinosum Max Weber, S. 301-312. Jürgen Habermas, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, Frankfurt a. M. 1973, S. 131, 137. Wolfgang Lefèvre, Zum historischen Charakter und zur historischen Funktion der Methode bürgerlicher Soziologie. Untersuchungen am Werk Max Webers, Frankfurt a. M. 1971. Wolfgang J. Mommsen, »Kapitalismus und Sozialismus«, in: Ders., Max Weber. Gesellschaft, Politik und Geschichte, Frankfurt a. M. 1974, S. 144-181, hier S. 160, 181. Der Erstdruck unter dem Titel »Max Weber als Kritiker des Marxismus«, in: Zeitschrift für Soziologie 3 (1974), S. 256-278. Über den Vortrag an der Universität München berichtete der Münchner Merkur vom 21./22.7.1973 unter der Überschrift »Der Kapitalismus ist eine revolutionäre Macht. Prof. Wolfgang Mommsen über Max Weber als Kritiker der Moderne«.

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Schon 1972 war Wolfgang Schluchters Studie »Aspekte bürokratischer Herrschaft« mit ihrer systematischen Marcuse-Kritik im List-Verlag erschienen, blieb dort zuerst aber vergleichsweise wenig beachtet. Gegenüber Marcuses eindimensionaler Weberdeutung lasse sich an Webers Werk selbst viel prägnanter aufzeigen, wie die Verabsolutierung formal-bürokratischer Rationalität zur »Dominanz technologischer Lebensideale« führe und »das Ende des Kulturmenschentums« bewirke. In der Auseinandersetzung mit den neomarxistischen Strömungen war dies als ein berechtigtes Plädoyer zu lesen, die Weber'sehe Problemebene zur Analyse fortgeschrittener Industriegesellschaften und ihrer historischen Voraussetzungen erst einmal wiederzugewinnen. 14 Allein dieses kurze Schlaglicht auf die intellektuelle Streitkultur der frühen 1970er Jahre verdeutlicht einen Charakterzug der »Generation '45«, der Wolfgang J. Mommsen wie M. Rainer Lepsius, Wilhelm Hennis oder Jürgen Habermas angehörte. 15 Die gemeinsame Erfahrung des Nationalsozialismus beförderte bei den Kultureliten der Geburtsjahrgänge 1926-1931 das engagierte Eingreifen in die öffentlichen Belange mit den Mitteln des wissenschaftlichen Arguments und mit Wertvorstellungen der >richtigen< demokratischen Lebensordnung. Wie ein gemeinsamer generationeller Erfahrungszusammenhang zu sehr unterschiedlichen Reaktionen und geistigen Positionen führen kann, 16 dafür liefern die Ideenkämpfe dieser Epoche ein aufschlussreiches Beispiel. Vor diesem Hintergrund trifft es nicht zu, wie immer zu lesen ist, die Max WeberGesamtausgabe in ihrer Entstehung sei primär als eine politische Antwort auf das Großunternehmen der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA) und damit als Fortführung des Kalten Krieges mit editorischen Mitteln zu sehen. 17 Zuletzt hat noch Dirk Kaesler die beiden Editionen auf solche Weise verkoppelt: »Zu Beginn der 1970er Jahre ergriff auf der anderen Seite der >Zonengrenze< eine kleine Zahl westdeutscher Intellektueller die Initiative zu einem Vorhaben, in dem man unschwer ein Parallelunternehmen zu den Entwicklungen jenseits der innerdeutschen Grenze erkennen konnte.

Wolfgang Schluchter, Aspekte bürokratischer Herrschaft. Studien zur Interpretation der fortschreitenden Industriegesellschaft, Frankfurt a. M. 1984 [1. Aufl. List 1972], hier S. 266. Zu typischen Repräsentanten im Umfeld von Mommsen vgl. den Nachruf von Hans-Ulrich Wehler, Wolfgang J. Mommsen 1930-2004, in: GG 31 (2005), S. 135-143, hier S. 139. Zur Verwendung der Generationen-Kategorie für die Untersuchung wissenschaftlicher und politischer Eliten und ihrer Wertorientierungen vgl. M. Rainer Lepsius, Artikel »Generationen«, in: Martin Greiffenhagen/Sylvia Greiffenhagen (Hg.), Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl., Opladen 2002, S. 162-165; ders.: Kritische Anmerkungen zur Generationenforschung, in: Ulrike Jureit/Martin Wildt (Hg.), Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Hamburg 2005, S. 45-52. Bewusst entschieden sich die Herausgeber für das Kürzel »MWG«, »um Anspielungen an die MEGA zu vermeiden«. Vgl. das Protokoll der 14. Sitzung des Herausgeberkreises der historischkritischen Max Weber-Gesamtausgabe (MWG) vom 15.5.-16.5.1981 in der Werner-ReimersStiftung Bad Homburg, Max Weber-Arbeitsstelle, BAdW München.

Die Entstehung der Max

Weber-Gesamtausgabe

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Dem ideologischen Tanker der Ostberliner MEGA sollte eine durchaus auch politisch gemeinte Antwort des Westens in Gestalt eines stolzen Segelschulschiffes erteilt werden.« 18

Keine Frage, der philologische Aufwand eines historisch-kritischen Editionstypus, wie ihn die MEGA betrieb, und übrigens auch die Nietzsche-Gesamtausgabe seit 1972, hat auch die M WG beeinflusst. Aber die Konstellationen, in denen 1973 erste Pläne einer Weber-Gesamtausgabe entworfen wurden, waren durch umfassendere westliche Diskussionen um Vergangenheit, Gegenwartslage und Zukunft moderner Industriegesellschaften geprägt. Der abebbende Marxismus in Westdeutschland, wie in ersten Anzeichen im Osten, wurde von der Beobachtung begleitet, Marxisten, die ihren Glauben verlören, würden zu Weberianern.19 Dieser Suchbewegung nach neuen Kriterien gesellschaftlicher Selbstbeobachtung jenseits einer geschlossenen Geschichtsphilosophie gesellte sich in Deutschland ein »konservativer« Impuls hinzu, im öffentlichen Streit auf das Reizwort von der »Tendenzwende« verkürzt. Wissenschaftspolitisch wurde dadurch eine Zusammenführung unterschiedlicher Interessen an einer neuen Weberlektüre zweifellos begünstigt. Als 1979 Band 1000 der edition suhrkamp erschien und in zwei Teilbänden »Stichworte zur >Geistigen Situation der ZeitBundes Freiheit der Wissenschaft« hätten zur Überwindung der Ideen von 1968 »so etwas wie einen paramilitärischen Einsatz an der semantischen Bürgerkriegsfront« gefuhrt.20 Wie unser zweiter Abschnitt zeigen wird, haben Lübbe, Schelsky, auch Hans Maier, in der allerersten Planungsphase der MWG eine gewisse Rolle gespielt. So wenig aber, wie sich die MWG zum Gegenpol des DDR-Marxismus stilisieren lässt, lässt sie sich für eine konservative Tendenzwende der Bundesrepublik vereinnahmen, nachdem diese sich mit den neuen Herausforderungen stagnierender Wirtschaft und politischer Gewalt konfrontiert sah. Auch das wäre ein ideologischer Kurzschluss. Allerdings wird erst aus heutiger Distanz ersichtlich, durch welche globalen Probleme die frühen siebziger Jahre eine »Zeit des Übergangs«21 von unbegrenzten Wohlstandserwartungen zu schicksalsmächtigen Krisen der Industriegesellschaften von ganz neuer Qualität waren. 18

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Dirk Kaes 1er, Zwei Denker aus Deutschland. Eine deutsch-deutsche Editionsgeschichte, in: Leviathan 36 (2008), S. 590-596, hier S. 592. Zdzislaw Krasnodebski unterstreicht bei seiner Untersuchung verschiedener Phasen der WeberAufnahme in Polen die These der Marx-Weber-Konversion von Alasdair Maclntyre (After Virtue. A Study in Moral Theory, London 1981, S. 103): Die Max Weber-Rezeption in Polen, in: Johannes Weiß (Hg.), Max Weber heute. Erträge und Probleme der Forschung, Frankfurt a. M. 1989, S. 187-199, hier S. 196. Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur >Geistigen Situation der ZeitJugendsünde< durch eine Zweitauflage nochmals redupliziert«.39 Da Baier sich diesen Affront gegen Mommsen nicht zu eigen machen wollte und an Mommsen als Hauptherausgeber festhielt, gab Winckelmann seinen Widerstand gegen eine Beteiligung Mommsens vorübergehend auf, so dass Baier diesem am 29. Dezember 1973 mitteilen konnte, dass er »nach einigem zermürbenden Hin und Her die Zustimmung von Herrn Winckelmann« habe, »mit Ihnen und mir zusammen die historisch-kritische Gesamtausgabe der Schriften und Briefe in Angriff zu nehmen«.40 Wenige Tage später stimmte auch Mommsen zu, in der betreffenden personellen Konstellation an dem Unternehmen mitzuwirken und »eine historisch-kritische Gesamtausgabe Webers zustande zu bringen«.41 Das schwierige Problem, die beiden schärfsten Kontrahenten in der deutschsprachigen WeberForschung im Interesse der Gesamtausgabe in ein gemeinsames Boot zu holen, schien damit fürs Erste gelöst.

3. Die Initiativgruppe und die Institutionalisierung der MWG Vor den Toren Frankfurts traf am 24./25. Mai 1974 erstmals eine zehnköpfige Gruppe zur vorbereitenden Beratung »einer Gesamtausgabe der Schriften und Briefe Max Webers« zusammen.42 Die konstituierenden Beratungen des Herausgeberkreises fanden im großbürgerlichen Ambiente der Werner-Reimers-Stiftung in Bad Homburg statt. In den folgenden Jahren wurde die Stiftung zur Heimstatt fur die oft lebhaften Sitzungen des sogenannten »Arbeitskreises«. Gemäß der Stiftungsstatuten war zunächst daran gedacht, durch die Übernahme der Tagungs- und Reisekosten die »Anbahnung einer >Historisch-Kritischen< Gesamtausgabe der Werke von Max Weber« zu fordern. Nach insgesamt sechs Sitzungen in den Jahren 1974 bis 1976 galt die »Konstituierungsphase« als abgeschlossen.43 In dieser Zeitspanne wurden die wesentlichen personellen und organisatorischen Weichenstellungen getroffen, die die Arbeit der MWG über Jahrzehnte hinweg prägen sollten. Allerdings erforderte die Ausarbeitung der editorischen Grundsätze weitergehende Beratungen, wie der 5. Abschnitt zeigen wird. Geladen wurden zur ersten Zusammenkunft als potentielle Herausgeber: Johannes Winckelmann - wegen seiner Verdienste um das Werk Max Webers im Einladungsschreiben an erster Stelle genannt - , Hermann Lübbe, Wolfgang J. Mommsen, Gerhard 39

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Brief Johannes Winckelmanns an Horst Baier vom 18. Dezember 1973, zitiert nach dem Durchschlag des Briefes in Nl. Winckelmann, Nr. 321, BAdW München. Zitiert nach Baier, Wolfgang J. Mommsens Beitrag, S. 2. Ebd. Vgl. Einladungsschreiben von Horst Baier vom 28. April 1974, Nl. Winckelmann, Nr. 322, BAdW München. Vgl. den Bericht in: Die Werner-Reimers-Stiftung. Tätigkeitsbericht 1972-1976, Bad Homburg v.d.H. 1977, S. 52. Die MWG-Herausgeber kamen bis zur Schließung der Tagungsstätte im Jahr 2001 insgesamt 34 Mal zu ihren Beratungen nach Bad Homburg.

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Oestreich, Günther Roth und der einladende Horst Baier, sowie »als Gäste«: Eduard Baumgarten, M. Rainer Lepsius, Wolfgang Schluchter und Hans Henrik Bruun.44 Was zeichnet diese Initiativgruppe aus? Beginnen wir mit Johannes Winckelmann, dem passionierten Weber-Herausgeber und -Sammler. Als »selbstbewußter akademischer Außenseiter«45 hatte sich der damals 74-Jährige durch seine Weber-Neuausgaben in den Nachkriegsjahren und die Begründung eines Weber-Archivs, dann des Max WeberInstituts in München in der internationalen Forschung einen festen Platz gesichert. Schon im Vorfeld der ersten Homburger Tagung hatte der ausgebildete Jurist und Verwaltungsfachmann deutlich gemacht, dass ihm eine leitende Position in dem neuen Unternehmen zustehe und die entsprechenden Fäden im Hintergrund gezogen. Hermann Lübbe, als Philosoph und Politiker den »Liberalkonservativen« zuzurechnen und in das Netzwerk der Werner-Reimers-Stiftung durch die Zugehörigkeit zu weiteren Studiengruppen eingebunden,46 war ein Wunschkandidat von Baier und Winckelmann. Als ehemaliger Staatssekretär des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Heinz Kühn sollte er (zusammen mit Wolfgang J. Mommsen) die Türen zur »RheinischWestfälischen Akademie der Wissenschaften« in Düsseldorf öffnen. Gerhard Oestreich, bekannt wegen der Verknüpfung von verfassungs-, rechts- und sozialhistorischen Ansätzen und ausgewiesen durch die Herausgabe der Gesammelten Abhandlungen Otto Hintzes,47 war Winckelmanns Wunschkandidat, da er das historische Feld ungern Mommsen allein überlassen wollte. Der deutsch-amerikanische Soziologe Günther Roth war über Reinhard Bendix mit dem Werk Max Webers in Kontakt gekommen und genoss bereits durch seine mit Claus Wittich verantwortete Ausgabe von »Economy and Society« den Ruf eines genauen und kenntnisreichen Weber-Editors.48 Seine Präsenz legte die Idee einer englischen Parallelausgabe der Gesamtausgabe nahe. M. Rainer Lepsius saß am Konferenztisch weniger in seiner Funktion als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Soziologie oder als wissenschaftlicher Beirat der Reimers-Stiftung, 44

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Vgl. Einladungsschreiben von Horst Baier vom 28. April 1974, Nl. Winckelmann, Nr. 322, BAdW München. M. Rainer Lepsius, In memoriam Johannes Winckelmann (29. März 1900 - 21. November 1985), in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie (KZfSS) 38 (1986), S. 414-416, hier S. 414. Vgl. Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik, Göttingen 2006, bes. S. 14. Lübbe gehörte der Studiengruppe »Poetik und Hermeneutik«, mit Mommsen der Studiengruppe »Theorie der Geschichte« und zusammen mit Lepsius dem »Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte« an, der seit 1975 von der Reimers-Stiftung gefördert wurde. Lübbe nahm nur an den beiden beratenden Sitzungen im Jahr 1974 teil. Bernhard vom Brocke, Artikel »Oestreich, Gotthold Herbert Gerhard«, in: NDB, Bd. 19 (1999), S. 463 f. Er nahm an den ersten vier beratenden Sitzungen 1974/75 teil, dann nicht mehr. Vgl. Guenther Roth/Claus Wittich (Hg.), Max Weber, Economy and Society. An Outline of Interpretive Sociology, 3 Bde., New York 1968; M. Rainer Lepsius, Guenther Roth zum 75. Geburtstag (12. Januar 2006), in: KZfSS 58 (2006), S. 189 f. - Roth nahm an den ersten drei beratenden Sitzungen teil, dann sporadisch. Roth war auch Mitglied der Max Weber-Gesellschaft. Der MWG ist er als Berater und Förderer eng verbunden geblieben.

Die Entstehung

der Max

Weber-Gesamtausgabe

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vielmehr als Vorsitzender der Max Weber Gesellschaft, die zur Förderung von Winckelmanns Münchener Max Weber-Institut 1965 gegründet worden war. Winckelmann schwebte vor, dass die Gesellschaft die Schirmherrschaft über die Gesamtausgabe übernehmen sollte, weshalb die Anwesenheit des Vorsitzenden für ihn unabdingbar war. Wolfgang Schluchter, seit 1973 Professor für Soziologie an der Universität Düsseldorf, wurde auf Vorschlag von Baier und Mommsen zur Herausgebersitzung eingeladen. Auch Winckelmann stimmte dem freudig zu, da er Schluchter »von der jüngeren Generation ganz besonders hoch schätze, wissenschaftlich sowohl wie menschlich«.49 Baier hatte die Idee, ihm die »Edition der >harten Soziologie< Max Webers« zu übertragen.50 Der dänische Politikwissenschaftler Hans Henrik Braun war durch die Arbeiten zu seiner Dissertation über Max Webers Methodologie in Kontakt zu Winckelmann getreten und hatte im Zentralen Staatsarchiv der DDR in Merseburg Zugang zu den Korrespondenzen Max Webers erhalten, weshalb er für die Bearbeitung der wissenschaftlichen Briefe vorgesehen war.51 Als letzter in der Runde zu nennen ist der Weber-Neffe Eduard Baumgarten, der als Philosoph und Soziologe trotz einiger Differenzen und biographischer Umwege dem Leben und Werk seines Onkels verbunden blieb und als Teilerbe über Weberiana in seinem sogenannten Ebneter Archiv verfügte.52 Bei den so unterschiedlichen Interessen und Temperamenten konnte es nicht ausbleiben, dass bei dem Treffen eine untergründige Spannung zu spüren war. Mit hintergründiger Ironie gab Baumgarten gegenüber Johannes Winckelmann die Stimmung nach der ersten Sitzung wieder: »Ich empfand darnach, wie schwer Ihnen Homburg I ins Gemüt geschlagen haben muß [...]. Da haben ja alle neben Ihnen ihre anzuerkennende Stimme: der verkehrte Mommsen, der wirre Neffe, der fluchwürdige Baier.«53 Baumgarten, 1898 geboren und damit der Älteste in der Runde, mahnt den zwei Jahre jüngeren Winckelmann an das gleiche Recht aller Versammelten, und in der Tat repräsentierte die Runde 49

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Vgl. Brief Johannes Winckelmanns an Horst Baier vom 20. Februar 1974, Nl. Winckelmann, Nr. 322, BAdW München. Bereits 1971 hatte Schluchter die einflussreiche Studie Wertfreiheit und Verantwortungsethik. Zum Verhältnis von Wissenschaft und Politik bei Max Weber, Tübingen, publiziert. Parallel zur Edition führte er Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre in der Werner-Reimers-Stiftung seine international und hochkarätig besetzten Konferenzen zur Vergleichenden Analyse der Kulturreligionen bei Max Weber durch; die Tagungsbeiträge erschienen in fünf Bänden im Suhrkamp-Verlag 1981-1987. Vgl. Brief Horst Baiers an Johannes Winckelmann vom 8. Februar 1974, Nl. Winckelmann, Nr. 322, BAdW München. Hans Henrik Bruun, Science, Values and Politics in Max Weber's Methodology, Copenhagen 1972, und als erweiterte Neuauflage: Aldershot 2006. - Er nahm an den ersten vier beratenden Sitzungen 1974/75 teil und schied dann zugunsten einer Karriere im Auswärtigen Dienst aus der Weber-Forschung aus. Eduard Baumgarten, Max Weber. Werk und Person, Tübingen 1964. Zu seiner Biographie vgl. Internationales Soziologenlexikon, Bd. 2, S. 53 f., sowie zu seiner Rolle während der NS-Zeit: Carsten Klingemann, Soziologie im Dritten Reich, Baden-Baden 1996, bes. S. 179 ff. Brief Eduard Baumgartens an Johannes Winckelmann vom 18. Oktober 1974, Nl. Winckelmann, Nr. 322, BAdW München.

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eine Mischung von fachlicher, institutioneller und »archivalischer« Kompetenz. Wichtiger als die Frage, was die Teilnehmer dieser ersten Beratungsrunde trennte, ist die Frage, was sie trotz aller fachlichen und persönlichen Differenzen einte. Es war der Wille, durch eine historisch-kritische Gesamtausgabe einen fundierten Beitrag zur internationalen Weber-Renaissance zu leisten, die liberale Wissenschaftstradition Deutschlands zu stärken und in der fachübergreifenden Zusammenarbeit sowohl für die Soziologie als auch für die Geschichtswissenschaft einen spezifischen Beitrag zu erbringen. Auf dem Weg zur Institutionalisierung der MWG markiert die 4. »Sitzung des Herausgebergremiums« am 4. und 5. Dezember 1975 einen wesentlichen Meilenstein. Hier waren neben der Initiativgruppe erstmalig auch der Verlag Mohr Siebeck und als wissenschaftlicher Mitarbeiter Manfred Schön beteiligt. Das von Rainer Lepsius unterzeichnete Protokoll liest sich wie ein Statut der MWG. Erstmalig wurden darin die »Organe der MWGA« (so das damalige Kürzel der MWG) - Herausgeberkreis, Editoren, Mitarbeiter, Redaktor, Beirat - benannt und institutionell-rechtliche Funktionsbestimmungen des Herausgebergremiums zur Bayerischen Akademie der Wissenschaften und zum Verlag fixiert.54 Festgeschrieben wurde nun auch die personelle Besetzung des Herausgeberkreises auf Baier, Lepsius, Mommsen, Schluchter und Winckelmann. Die Geschäftsführung wurde Lepsius für ein Jahr übertragen, wodurch er zum entscheidenden Verhandlungsführer für den zwischen Verlag, Akademie und Herausgebern 1976 abgeschlossenen Vertrag und die Errichtung einer zentralen Geschäftsstelle der MWG in München wurde. Der Vertrag von 1976 bildet bis heute die rechtlich bindende Grundlage für die Herausgabe der Max Weber-Gesamtausgabe. Mit der Fixierung der Kerngruppe ging auch unter generationsspezifischem Blickwinkel eine Klärung einher. Die Max Weber-Gesamtausgabe wurde zu einem Unternehmen der mittleren und jüngeren Generation. Im Herausgeberkreis nahmen insbesondere die Jahrgänge ab 1928 das Ruder in die Hand, während Johannes Winckelmann (Jg. 1900) sich in seinem Führungsanspruch zurückgesetzt fühlte. Als ihm im Sommer 1976 die Leitung der Münchener Arbeitsstelle verwehrt wurde, meinte er gekränkt, »den Stuhl vor die Tür« gesetzt bekommen zu haben, weshalb Günther Roth versuchte, ihn versöhnlich auf die altersgemäße Funktion einer »advisory capacity« einzustimmen.55 In der Kommission fur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften ging Ende 1974 der Vorsitz vom Emeritus für bayerische 54

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Vgl. das Protokoll der Sitzung des Herausgebergremiums für eine Gesamtausgabe der Werke Max Webers vom 4. bis 5. Dezember 1975 in der Werner Reimers-Stiftung, Bad Homburg, Max Weber-Arbeitsstelle, BAdW München. Vgl. Brief Johannes Winckelmanns an Wolfgang Schluchter vom 28. April 1978, Nl. Winckelmann, Nr. 379a, BAdW München, in dem er sich auf die Vorgänge bei der 5. Sitzung im Sommer 1976 bezieht, sowie der Brief von Günther Roth an Johannes Winckelmann vom 22. Juni 1976, ebd. - Die Akademie schloss mit Winckelmann im Juli 1976 einen Vertrag, der ihn als wissenschaftlichen Berater der Max Weber-Arbeitsstelle bei der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte einsetzte.

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Landesgeschichte Karl Bosl an den Ökonomen und Wirtschaftshistoriker Knut Borchardt (Jg. 1929) über. Und im Verlag Mohr Siebeck übergab Hans Georg Siebeck (Jg. 1911) im Jahr 1976 die Geschäftsleitung an seinen Sohn Georg (Jg. 1946), den er schon vorher in die Verantwortung für die Gesamtausgabe eingebunden hatte. Zurück zu den institutionellen Säulen der MWG - diese sind: das Herausgebergremium, die Bayerische Akademie der Wissenschaften, der Verlag Mohr Siebeck in Tübingen und die Arbeitsstellen. a) Das Herausgebergremium. Ihm »obliegt die wissenschaftliche und organisatorische Gesamtverantwortung« für die MWG.56 Es bestellt Editoren für die Herausgabe einzelner Bände entweder aus dem Gremium selber oder ausgewiesene Fachwissenschaftler, wie zum Beispiel Sinologen und Musikwissenschaftler. Herausgeber und Editoren arbeiten - dies sollte man in Zeiten zunehmender Ökonomisierung betonen ehrenamtlich. Die Entscheidungen des Gremiums werden nach dem Konsensprinzip getroffen,57 so dass es oft zu sehr langen (mühsamen) und kontroversen Debatten kam, die jedoch - in langfristiger Perspektive - zur Qualitätssicherung der Ausgabe entscheidend beigetragen haben. Möglich war und ist dies nur durch einen starken Moderator, der Spannungen aushält, Argumente abwägt und schließlich zu einem Beschluss führt. In der Verstetigung der Geschäftsführung hat M. Rainer Lepsius diese Rolle mit der Kraft seiner Persönlichkeit und intellektuellen Präsenz ausgefüllt, auch wenn er diese Leistung selbst ironisch distanznehmend als »psychotherapeutisches Management« darzustellen pflegt. b) Die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Sie bietet und garantiert den institutionellen Rahmen für die Arbeit an der Max Weber-Gesamtausgabe.58 Die Bände werden - wie es bereits im dreiseitigen Vertrag von 1976 und auf dem linken Titelblatt heißt - »Im Auftrag der Kommission für Sozial- und Wirtschaftgeschichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften herausgegeben von...«. Durch die sogenannte Akademielösung waren die Alternativmodelle einer Stiftungs- oder Vereinslösung hinfällig geworden. Die Anbindung der MWG an die Bayerische Akademie gestaltete sich aber schwieriger als von allen Beteiligten erhofft. Bei den ersten Vorgesprächen, die Horst Baier und Johannes Winckelmann mit dem Präsidenten der Bayerischen Akade56 57

58

Protokoll der Sitzung des Herausgebergremiums vom 4. bis 5. Dezember 1975, S. 2. Dies ganz im Gegensatz zu den Erwartungen von Johannes Winckelmann, der ganz selbstverständlich vom Mehrheitsprinzip ausgegangen war und in dieser Annahme seine Kooptationsstrategie für das Herausgebergremium ausgerichtet hatte. Im Zweifel sollten die von Mommsen vertretenen Positionen überstimmt werden können. Anders als zu Beginn gedacht, kamen der Akademie mit den Jahren zunehmend die Verwaltung der finanziellen Mittel sowie die vertragliche Betreuung der hauptamtlich tätigen Mitarbeiter zu. Hierdurch wurde der Vorsitzende der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Knut Borchardt, vielfach zum Antragsteller und Dienstherren für die Mitarbeiter. Das betraf zunächst ab 1990 die gebündelten DFG-Anträge zu den Editionsbereichen »Wirtschaft und Gesellschaft«, Briefe und Vorlesungen, dann (seit 1997/98) die Verantwortung fiir die Förderung durch das Akademienprogramm.

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mie der Wissenschaften im Dezember 1973 geführt hatten, bekundete der damalige Akademiepräsident Hans Raupach, selbst ein Kenner der Schriften Webers, umgehend »großes Interesse« an einer Gesamtausgabe. Als Volkswirt schlug er die Brücke zu einer Anbindung der Gesamtausgabe an die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, deren Mitglied er war. 59 Nach Sondierungsgesprächen mit Winckelmann und Lepsius im Frühjahr 1974 erklärte der damalige Kommissionsvorsitzende Karl Bosl ebenfalls mit den Schriften Max Webers vertraut - gegenüber dem Kultusminister Hans Maier die Bereitschaft der Kommission, »sich an einer Gesamtedition der Werke Max Webers zu beteiligen« und auch Räumlichkeiten bereitzustellen. 60 Um die Institutionalisierung zu regeln, lud Hans Maier für den 22. Juli 1974 ins Kultusministerium ein: Vertreter der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, des potentiellen Herausgebergremiums der MWG, der Max Weber Gesellschaft sowie des Max Weber-Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität, die Herren Baier, Bosl, Helle, Lepsius, Lübbe, Raupach, Sieveking und Winckelmann. 61 Ein Protokoll dieser Besprechung ist leider nicht überliefert, die anschließenden Korrespondenzen zeigen jedoch, dass die Frage der Anbindung der Max Weber-Gesamtausgabe an die Akademie mit der Verortung des von Winckelmann errichteten und an der Universität angesiedelten Max Weber-Instituts des Öfteren vermischt worden ist. Die Transferierung der von ihm gesammelten Archivund Forschungsbestände, einschließlich der Personal- und Sachmittel, an die Akademie erschien Winckelmann als eine gute Möglichkeit, sein Lebenswerk fortzuführen und sich als Mitherausgeber der MWG zugleich die Leitung der in Aussicht genommenen Münchener Arbeitsstelle zu sichern. Durch diese Interessensvermengung wurde die Errichtung der MWG-Geschäftsstelle an der Akademie über Monate blockiert. Schließlich wurden der Akademie Ende 1975 durch eine Anordnung des Kultusministeriums die personellen und sachlichen Mittel des Max Weber-Instituts sowie seiner Bestände übertragen. 62 1975, im Jahr der Weichenstellungen, wurde der enge Zusammenhang von Akademie und Gesamtausgabe durch die Kooptation von Winckelmann und Lepsius in die Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte institutionell bekräftigt. 63

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Dies geht zusammenfassend und deutlich aus dem Rundschreiben von Rainer Lepsius an die Mitherausgeber der MWG vom 9. Juli 1976 nach den abschließenden Verhandlungen in Kommission und Akademie hervor, Nl. Winckelmann, Nr. 379a, BAdW München. Brief von Karl Bosl an den Staatsminister für Unterricht und Kultus Hans Maier vom 1. Juli 1974, Durchschlag in Akten der Kommission für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, BAdW München. Einladungsschreiben vom 12. Juli 1974, ebd., und in Nl. Winckelmann, Nr. 377, BAdW München. Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 12. Dezember 1975, ebd. Vgl. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 1975, München 1975, S. 44. Nach dem Tod Johannes Winckelmanns 1985 vertrat Rainer Lepsius als Geschäftsführender Herausgeber die MWG in der Kommission. Im Juni 2007 wurde Gangolf Hübinger als Mitherausgeber der

Die Entstehung der Max Weber-Gesamtausgabe

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Umgekehrt nahm der Kommissionsvorsitzende Knut Borchardt 1984 zum ersten Mal an einer Herausgebersitzung teil.64 c) Der Verlag Mohr Siebeck. Er trägt die unternehmerische Verantwortung für die Max Weber-Gesamtausgabe und verwaltet die Rechte an der Ausgabe. Dies betraf zunächst die bestehenden Urheberrechte an den gedruckten Schriften und Manuskripten Max Webers. Auch die Kontakte zur Familie und Erbengemeinschaft sind über den Verlag hergestellt und gepflegt worden. Bereits in den ersten Vorgesprächen, die Horst Baier im Juni 1973 und dann Wolfgang J. Mommsen ein Jahr später mit Hans Georg Siebeck geführt haben, hat sich der Verlag für das Unternehmen »Max WeberGesamtausgabe« offen gezeigt. Wie Georg Siebeck sich erinnert,65 habe ihn sein Vater sofort zu den Gesprächen hinzugebeten, weil diese Ausgabe ein Zukunftsprojekt sei. Weber war seit 1895 nicht nur Hausautor, sondern auch der größte Lizenzautor des Verlages. Für die Entscheidung, in hohem Maße Kräfte und Mittel an die große Edition langfristig zu binden, sei aber die damalige Bedeutung Max Webers für den japanischen Buchmarkt gewesen. Seit 1984 wurden bis zum Einbruch des Yen rund »zwei Drittel« der Gesamtausgabe nach Japan verkauft.66 Die beiden Verleger Siebeck senior und junior trugen seit der Herausgebersitzung 1975 maßgeblich zur Beschleunigung der Institutionalisierung der MWG bei. Bereits im Vorfeld der Sitzung war das Modell einer Verlagsgemeinschaft im Einvernehmen mit anderen Verlegern abgelehnt und Siebeck zum alleinigen Verleger bestimmt worden.67 Mit Energie betrieben die beiden Siebecks die Aufstellung des Vertragswerks, das nach mehreren Entwürfen und Verhandlungen im September/Oktober 1976 vom Präsidenten der Akademie Raupach, dem Verleger Hans Georg Siebeck und den fünf Herausgebern unterzeichnet worden ist.68 Großzügig unterstützte der Verlag die Editionsarbeiten auch durch die Bereitstellung

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MWG (seit 2005) ebenfalls in die Kommission kooptiert. Vgl. Jahrbuch der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 2007, München 2008, S. 260. Die Teilnahme an den Herausgebersitzungen war zunächst sporadisch. Inhaltlich aktiv wurde Borchardt durch die Herausgabe von MWG 1/5: Max Weber, Börsenwesen. Schriften und Reden 1893-1898, in Zusammenarbeit mit Cornelia Meyer-Stoll, Tübingen 1999/2000. Seit 2003 ist er zunehmend in die Begutachtung und aktive Unterstützung der Arbeiten an den Vorlesungsbänden eingebunden. Gespräch mit Edith Hanke in Tübingen am 22. Februar 2010. Vgl. Wolfgang Schwentker, Max Weber in Japan. Eine Untersuchung zur Wirkungsgeschichte 1905-1995, Tübingen 1998, S. 307. Hans Georg Siebeck hatte mit dem Verleger Enke und nach Übernahme durch den ThiemeVerlag mit dessen Leiter die beiderseitigen Interessen abgeklärt. Im Verlag Ferdinand Enke waren Max Webers Dissertations- und Habilitationsschrift erschienen. Vgl. Brief von Hans Georg Siebeck an Horst Baier vom 20. November 1975, VA Mohr Siebeck, Tübingen (seit Juni 2010: Staatsbibliothek zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz), Nr. 675. Ein Exemplar des Verlagsvertrages findet sich in der Max Weber-Arbeitsstelle, BAdW München. Die Vertragsentwürfe befinden sich - ζ. T. mit Gegendarstellungen Winckelmanns - in Nl. Winckelmann, Nr. 379a, BAdW München, die Korrespondenzen zur Entwurfsgeschichte in VA Mohr Siebeck, Tübingen, Nr. 685, unter Lepsius.

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Edith Hanke/Gangolf Hübinger/Wolfgang

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der Verlagskorrespondenzen - Wolfgang Mommsen erhielt zunächst Kopien,69 dann wurden die Originale im Juni 1980 als Deponat der Bayerischen Staatsbibliothek der Edition zur Verfügung gestellt. Zugleich konnte der Verleger den Adoptivsohn und Erben Max Weber-Schäfer zu einer ähnlichen Bereitstellung bewegen. d) Die Arbeitsstellen. Sie verkörpern das von Horst Baier schon anfanglich geforderte Prinzip der dezentralen Bearbeitung. Es charakterisiert den Tatwillen und strategischpraktischen Sinn Wolfgang J. Mommsens, dass er - noch bevor die Institutionalisierung des Gesamtunternehmens gesichert war - den Aufbau seiner Düsseldorfer Arbeitsstelle betrieb. Am 25. Juli 1974 stellte er bei der DFG den ersten Antrag zur Finanzierung der »Vorbereitung einer historisch-kritischen Edition der politischen Briefe und der politischen Schriften Max Webers«.70 Sein Schüler Manfred Schön wurde mit der Sammlung und Erfassung der Briefe Max Webers beauftragt. Er wurde zum besten Handschriftkenner und »wandelnden Weber-Lexikonerster Blick< in Webers >ideale BibliothekWeber und TolstoiGeist< des Kapitalismus, hrsg. u. eingel. v. Klaus Lichtblau und Johannes Weiß, Bodenheim 1993, S. 153 ff.

Max Weber und Russland

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wusst gewählt worden war. Von Otto Hoetzsch, Martin Schlesinger und Anton Palme aus den 1910er Jahren zieht sich eine fast direkte Linie zu Manfred Hagen und Marc Szeftel bis in die 1970er und 1980er Jahre. Der Begriff wurde aus seinem Kontext gelöst und als Etikett ge- oder missbraucht. Hagen verstieg sich sogar, für einen Historiker mehr als erstaunlich, zu der Bemerkung, Weber habe den Begriff aus dem Repertoire der Konstitutionellen-Demokraten übernommen. 77 Webers Begrifflichkeit ist jedoch im Zusammenhang mit der Verfassungsdiskussion in Deutschland, wie sie seit dem Vormärz gefuhrt wurde, zu sehen. Als Jurist war Weber der historische Kontext des Begriffes vertraut. Als scheinkonstitutionell wurden im deutschen Vormärz jene Verfassungen bezeichnet, die als einseitiger Oktroi von Seiten des Herrschers erlassen wurden, ohne dass einem Parlament oder dem Volk die Möglichkeit eingeräumt wurde, daran mitzuwirken. 78 Sie waren, wie dies sowohl für die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 als auch für die des Russischen Reiches vom 23. April 1906 gilt, nicht an die Zustimmung einer Verfassunggebenden Versammlung gebunden und vor dem Zusammentritt einer Volksvertretung als einseitiger Herrschaftsakt durch den Souverän erlassen worden. Das Parlament besaß aufgrund des Verfassungstextes keine Möglichkeit, die Verfassung zu verändern. Begriff und Kontext waren den deutschen Radikalen und Liberalen stets voll bewusst. 79 Weber wandte ihn mit guten Gründen auf die Verhältnisse in Deutschland und Russland zur Beschreibung 80

der Verfassungswirklichkeit an. Im Kontext des Weber'sehen Werkes sind die Abhandlungen von 1906 vor allem unter zwei Aspekten von Bedeutung: 1) der Frage nach dem Charakter der bürgerlichen Gesellschaft und damit unmittelbar zusammenhängend nach dem Phänomen der Klasse und des Konflikts zwischen den verschiedenen Klassen der Gesellschaft und 2) als ers77 78

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Vgl. dazu Einleitung zu MWG 1/10, S. 47 ff. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 1, 2. Aufl., Stuttgart 1967, S. 88-91 und 120; Hans Boldt, Parlament, parlamentarische Regierung, Parlamentarismus, in: Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck (Hg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Bd. 4, Stuttgart 1978, S. 649-676, hier S. 657 ff. und 662 ff.; vgl. auch Dieter Grimm, Verfassung (II.). Konstitution, Grundgesetze, in: Ebd., Bd. 6, Stuttgart 1990, S. 863-899, hier S. 882 ff. Friedrich Engels, Zur Wohnungsfrage, in: Karl Marx/Friedrich Engels, Werke, Bd. 18, Berlin 1962, S. 259; Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 3, Stuttgart u. a. 1963, S. 337; ders., Bd. 4, Stuttgart u. a. 1969, S. 131 f. und S. 332 f.; vgl. auch Carl Welcker, Staatsverfassung, in: Carl von Rotteck/Carl Welcker (Hg.), Das Staats-Lexikon. Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, Bd. 12, 2. Aufl., Altona 1848, S. 363-387, hier S. 382 ff. Vgl. zu Webers Gebrauch des Begriffes in Bezug auf das Deutsche Reich unter anderem: Brief an Friedrich Naumann vom 14.12.1906, in: Ders., Gesammelte Politische Schriften, Tübingen 1921, S. 451 f. und in: MWG II/5, S. 203 f.; Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Soziologie und Sozialpolitik, hrsg. v. Marianne Weber, 2. Aufl., Tübingen 1988, S. 400; MWG 1/15, S. 245; Wolfgang Schluchter in Zusammenarbeit mit Peter Kurth (Hg.), Max Weber. Wirtschaft, Staat und Sozialpolitik. Schriften und Reden 1900-1912, Tübingen 1998, S. 268.

Dìttmar Dahlmann

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ter Versuch, die Frage des Verhältnisses von Politik und Ethik, die später in sein Konzept von Gesinnungs- und Verantwortungsethik mündete, zu klären. Dabei spielte seine Beschäftigung mit den Ideen Tolstojs, seinen sozialen und politischen Überzeugungen, seinem Apolitismus, wie Weber es nennt, eine entscheidende Rolle. Was den Stellenwert Russlands in Webers Theorien über die Entwicklung der modernen Gesellschaft anbetrifft, etwa seine Rationalismusthese, so bin ich gänzlich anderer Auffassung als Hubert Treiber, den ich anfangs zitierte. Auch wenn Weber davon sprach, dass Russland keine historischen Traditionen besitze, so war er doch davon überzeugt, dass es mit dem Beginn seiner kapitalistischen Entwicklung den Weg der Moderne eingeschlagen habe. Webers Gegenmodelle dazu blieben im Wesentlichen Indien und China. Nur wer bewusst oder unbewusst an der Dichotomie Europa versus Russland festhält, kann zu einer solchen Einschätzung wie Treiber gelangen. Für Weber gehörte Russland zum christlichen Kulturkreis unzweifelhaft hinzu und war zudem vom römischen Recht durchdrungen und geprägt. »Russland tritt«, schrieb Weber am Ende von »Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Russland«, »so schwer die Rückschläge in nächster Zeit auch sein mögen, dennoch endgültig in die Bahn spezifisch europäischer Entwicklung.« 81

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ANDREAS ANTER

Die westdeutsche Max-Weber-Diskussion und die Begründung der parlamentarischen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg

Max Weber gehört zu den engagierten Wegbereitern der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Seine verfassungspolitischen Artikel fanden in der spätwilhelminischen und frühweimarer Zeit weithin Beachtung und hatten in einigen Punkten zudem Einfluss auf die Weimarer Verfassung, zumal Weber selbst als Berater am Verfassungsentwurf mitwirkte.1 Als er im Juni 1920 unerwartet starb, verlor die junge Republik einen ihrer wichtigsten Mentoren. Da Weber mit der verfassungspolitischen Entwicklung eng verbunden war, wurden seine Positionen sowohl in Weimar als auch später in der Bundesrepublik durchaus rezipiert, auch wenn die Rezeption in der Nachkriegszeit zunächst zögerlich war. Umso nachhaltiger hat Weber sich inzwischen in die politische Geistesgeschichte der Bundesrepublik eingeschrieben. Seine Grundbegriffe sind in den verschiedensten Disziplinen präsent; seine Theorien sind Ausgangspunkt sozialwissenschaftlicher Forschung; seine Positionen zu Staat und Politik, Herrschaft und Legitimität, Parlament und Regierung prägen die Diskussion bis heute. So wird Weber von vielen Disziplinen als einer der ihren beansprucht. Ob Politikwissenschaft oder Soziologie, Geschichtswissenschaft, Nationalökonomie oder Rechtswissenschaft - die Zahl der Fächer, die ihn für sich reklamieren, dürfte ähnlich groß sein wie die der Städte, die behaupten, die Vaterstadt Homers zu sein.2 In seinem Rezeptionserfolg könnte in Deutschland allenfalls Carl Schmitt mit Weber konkurrieren. Während Schmitts einschlägige Wirkung in Monographien und Einzelstudien inzwischen gut sichtbar gemacht worden ist,3 kann man dies 1

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Vgl. Max Weber, Beiträge zur Verfassungsfrage anläßlich der Verhandlungen im Reichsamt des Innern vom 9. bis 12. Dezember 1918, in: Ders., Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918-1920, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Wolfgang Schwentker, Tübingen 1988 (MWG 1/16), S. 56-90. So die Formulierung von Wilhelm Hennis, Max Weber und Thukydides. Nachträge zur Biographie des Werks, Tübingen 2003, S. 7. Vgl. Frieder Günther, Denken vom Staat her. Die bundesdeutsche Staatsrechtslehre zwischen Dezision und Integration 1949-1970, München 2004, bes. S. 112 ff. und 264 ff.; Jan-Werner Müller, A Dangerous Mind. Carl Schmitt in Post-War European Thought, New Haven 2003; Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesge-

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Andreas

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von Weber jedoch nicht behaupten. Eine umfassendere Darstellung seiner Wirkung auf die Geistesgeschichte der jungen Bundesrepublik steht noch aus. 4 Eine besondere Rolle spielt hier die 1959 erschienene Dissertation Wolfgang J. Mommsens, die wie ein Katalysator wirkte, vor allem hinsichtlich der Diskussion um Webers verfassungspolitischen Einfluss. Welche Bedeutung hatte die Weber-Debatte in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik? Welche Parallelen lassen sich zwischen den Konstruktionsprinzipien des Grundgesetzes und Webers verfassungspolitischen Positionen ziehen?

1. Die Weber-Kritik in der Politikwissenschaft der Nachkriegszeit In den westdeutschen Geistes- und Sozialwissenschaften gehörte Weber in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst nicht zu den prominenten Autoren. Einige Fächer wie die neugegründete Politikwissenschaft pflegten zu ihm sogar ein ausgesprochen reserviertes Verhältnis. Dies gilt insbesondere für die philosophisch-normative Schule, die sich in den fünfziger Jahren um ihren Mentor Arnold Bergstraesser in Freiburg formierte. 5 Sie orientierte sich in ihrem Weberverständnis insbesondere an transatlantischen Fixsternen wie Leo Strauss und Eric Voegelin - und übernahm dabei auch deren stark verzerrtes Weberbild. Der Pauschalvorwurf bei Leo Strauss lautete, Webers Sozialwis-

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schichte der frühen Bundesrepublik, 2. Aufl., Berlin 2002; Reinhard Mehring, Carl Schmitt und die Verfassungslehre unserer Tage, in: Archiv des öffentlichen Rechts 120 (1995), S. 177-204; Ulrich K. Preuß, Political Order and Democracy. Carl Schmitt and his Influence on the Legal Discourse of the Federal Republic of Germany, in: Poznan Studies in the Philosophy of the Sciences and the Humanities 33 (1993), S. 91-116; gleichlautend ders., Vater der Verfassungsväter? Carl Schmitts Verfassungslehre und die verfassungspolitische Diskussion der Gegenwart, in: Politisches Denken. Jahrbuch 1993, S. 117-133; Hans Lietzmann, Vater der Verfassungsväter? Carl Schmitt und die Verfassungsgründung in der Bundesrepublik, in: Klaus Hansen/Hans Lietzmann (Hg.), Carl Schmitt und die Liberalismuskritik, Opladen 1988, S. 107-118; Reinhard Mußgnug, Carl Schmitts verfassungsrechtliches Werk und sein Fortwirken im Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, in: Helmut Quaritsch (Hg.), Complexio Oppositorum. Über Carl Schmitt, Berlin 1988, S. 517-528. Vgl. Andreas Anter, Max Weber und die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik Deutschland, in: Karl-Ludwig Ay/Knud Borchardt (Hg.), Das Faszinosum Max Weber. Die Geschichte seiner Geltung, Konstanz 2006, S. 353-373 (auf diesen Aufsatz greift die folgende Darstellung an mehreren Punkten zurück); Gangolf Hübinger/Jürgen Osterhammel/Wolfgang Welz, Max Weber und die Wissenschaftliche Politik nach 1945. Aspekte einer theoriegeschichtlichen Nicht-Rezeption, in: Zeitschrift für Politik 37 (1990), S. 181-204; Detlev J. K. Peukert, Die Rezeption Max Webers in der Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik Deutschland, in: Jürgen Kocka (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 264-277. Wegweisend auch hier Wolfgang J. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik (1959), 2. Aufl., Tübingen 1974. Zur Entwicklung der Freiburger Schule siehe Horst Schmitt, Politikwissenschaft und freiheitliche Demokratie. Eine Studie zum »politischen Forschungsprogramm« der »Freiburger Schule« 19541970, Baden-Baden 1995.

Die westdeutsche

Max-Weber-Diskussion

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senschaft fehle es an festen normativen Maßstäben, weshalb ihre Konsequenzen relativistisch, ja nihilistisch seien. Strauss behauptete, »daß Webers These mit Notwendigkeit zum Nihilismus oder zu der Ansicht führt, daß die Vernunft außerstande ist, zwischen dem Bösen, Gemeinen oder Unsinnigen und deren Gegenteil zu entscheiden«. Er ging sogar noch einen Schritt weiter, wenn er meinte, dass die »nihilistischen Konsequenzen« von Webers Wertlehre im »Schatten Hitlers« endeten.6 Nahm man solche Äußerungen damals für bare Münze und verstand die Politikwissenschaft zudem als Demokratiewissenschaft,7 dann musste Weber in der Tat als unsicherer Kantonist erscheinen, jedenfalls als ungeeignete Identifikationsfigur für den Wiederaufbau der westdeutschen Demokratie. Wie stark hier das Kriterium der Normativität ins Gewicht fiel, zeigt Bergstraessers Behauptung, man finde bei Weber »keinen normgebenden Halt gegen die Entmenschlichung des Politischen, die wir erlebt haben und erleben«.8 Aus diesem Grund war Weber für ihn schlicht nicht mehr up to date. Er glaubte, dass »die Besinnung über die Wahrheitsgehalte des Naturrechts für Soziologie und Politik heute wesentlicher geworden sind, als Max Weber hätte ahnen können«.9 Bergstraesser unterschied sich zwar insofern von Voegelin10 oder Strauss, als es ihm nicht darum ging, Weber als erledigten Fall vorzuführen, aber man erkennt bei ihm dennoch das typische Freiburger Bestreben, Weber als altmodisch und gestrig erscheinen zu lassen. Noch deutlicher ist dieses Bestreben bei seinem Schüler Hans Maier zu beobachten; er meinte, Weber sei »zu einer historischen Figur geworden, deren Zeitbedingtheit heute immer schärfer ins Licht tritt«.11 Ähnlich distanzierend fiel das Urteil bei Bergstraesser-Schülern wie Kurt Sontheimer12 und Manfred Hättich13 aus. Auch der

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Leo Strauss, Naturrecht und Geschichte, Stuttgart 1956, S. 44. Zum Verhältnis Strauss/Weber vgl. Nasser Behnegar, Leo Strauss, Max Weber, and the Scientific Study of Politics, Chicago 2003; ders., Leo Strauss's Confrontation with Max Weber: A Search for a Genuine Social Science, in: The Review of Politics 59 (1997), S. 97-125. Dazu Wilhelm Bleek, Geschichte der Politikwissenschaft in Deutschland, München 2001, S. 265 ff. Arnold Bergstraesser, Max Weber, der Nationalstaat und die Politik, in: Ders., Politik in Wissenschaft und Bildung, Freiburg 1961, S. 72. Vgl. auch ders., Die Macht der Ordnungen: Max Weber (1959), in: Ders., Die Macht als Mythos und als Wirklichkeit, Freiburg 1965, S. 93-117. Ders., Max Webers Antrittsvorlesung in zeitgeschichtlicher Perspektive, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 5 (1957), S. 209-219, hier S. 219. Vgl. Eric Voegelin, Die Neue Wissenschaft der Politik, München 1959, S. 41 ff.; vgl. auch ebd., S. 33 ff. Zum Verhältnis Voegelin/Weber vgl. Hans-Jörg Sigwart, Wirklichkeitswissenschaft und Ordnungswissenschaft. Eric Voegelins Auseinandersetzung mit Max Weber, in: Zeitschrift für Politik 54 (2007), S. 379^107; Peter J. Opitz, Max Weber und Eric Voegelin, in: Eric Voegelin, Die Größe Max Webers, hrsg. v. Peter J. Opitz, München 1995, S. 105 ff.; Michael Henkel, Eric Voegelin zur Einfiihrung, Hamburg 1998, S. 129 ff. Hans Maier, Max Weber und die deutsche politische Wissenschaft (1964), in: Ders., Politische Wissenschaft in Deutschland, München 1969, S. 69-88, hier S. 87. Kurt Sontheimer, Zum Begriff der Macht als Grundkategorie der politischen Wissenschaft, in: Dieter Oberndörfer (Hg.), Wissenschaftliche Politik, 2. Aufl., Freiburg 1966, S. 197-209, 200 ff.

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junge Wilhelm Hennis, wenngleich mit der Freiburger Schule nur lose verbunden, verurteilte das politische Denken Webers als wertlos, leer und autoritaristisch.14 Nachdem er sein Weberbild Jahrzehnte später radikal revidierte,15 erinnerte er sich selbstkritisch daran, wie strikt sich die Politikwissenschaft damals »unter Meinungsfiihrerschaft ihrer maßgeblichen >Gründerväter< einer positiven Rezeption Webers« verweigerte.16 Diese Verweigerungshaltung prägte eine ganze Generation der Nachkriegspolitologie. Nicht weniger deutlich ist die Haltung bei Dolf Sternberger zu erkennen, wenn er von einer »Verblendung« Max Webers sprach.17 In der Nachkriegszeit gab es nur vergleichsweise wenige Köpfe, die auf Weber setzten; unter den deutsch-amerikanischen 18

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Autoren vor allem Karl Loewenstein, Arnold Brecht oder Franz L. Neumann, die zugleich den Wiederaufbau der deutschen Politikwissenschaft unterstützten. Die meisten Gründerväter aber waren von vornherein darum bemüht, Weber als »Feindbild« aufzubauen;21 man glaubte, ihn als »Positivisten« entlarvt zu haben, und da man im Positivismus den wissenschaftlichen Gegner erblickte, war die Weberkritik ein Bestandteil des eigenen wissenschaftlichen Selbstverständnisses. Das war auch der Grund, weshalb man diesem Gegner trotz der vernichtenden Kritik einen so breiten publizistischen Raum gab. Man hielt ihn für theoriegeschichtlich bedeutsam und warnte zugleich vor den unheilvollen Konsequenzen seiner Lehre.22 Von einer wirklichen »Weber-Diskussion« aber kann man, insbesondere bei der Freiburger Schule, nicht sprechen, denn die Auseinandersetzung war in der Regel pejorativ. Man bezog sich überdies nur auf einen schmalen Ausschnitt seines Werks - falls man überhaupt das Werk selbst heranzog und sich nicht mit Zitaten aus zweiter Hand 13

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Manfred Hättich, Der Begriff des Politischen bei Max Weber, in: Politische Vierteljahresschrift 8 (1967), S. 40-50. Wilhelm Hennis, Zum Problem der deutschen Staatsanschauung, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 7 (1959), S. 1-23, 20 f.; ders., Aufgaben einer modernen Regierungslehre, in: Politische Vierteljahresschrift 6 (1965), S. 422-441, hier S. 431. Ders., Max Webers Fragestellung, Tübingen 1986, S. 97. Ders., Max Weber und Thukydides, S. 5. Dolf Sternberger, Max Webers Verblendung (1967), in: Ders., Herrschaft und Vereinbarung, Frankfurt a. M. 1986, S. 19-20. Vgl. Karl Loewenstein, Max Webers staatspolitische Anschauungen in der Sicht unserer Zeit, Frankfurt a. M./Bonn 1965. Dazu Andreas Anter, Karl Loewenstein, Max Weber und der politikwissenschaftliche Realismus, in: Robert Chr. van Ooyen (Hg.), Verfassungsrealismus. Das Staatsverständnis von Karl Loewenstein, Baden-Baden 2007, S. 85-101. Vgl. Arnold Brecht, Politische Theorie. Die Grundlagen politischen Denkens im 20. Jahrhundert, Tübingen 1961, S. 268 ff. Kritisch listet er die Weber-Missverständnisse bei Voegelin und Strauss auf (Ebd., S. 315 ff.). Vgl. Franz L. Neumann, Die Wissenschaft von der Politik in der Demokratie (1950), in: Ders., Wirtschaft, Staat, Demokratie, hrsg. v. Alfons Söllner, Frankfurt a. M 1978, S. 7-56. So das treffende Urteil von Wolfgang Welz (Hübinger/Osterhammel/Welz, Max Weber und die Wissenschaftliche Politik, S. 187). Dies ist vor allem bei Eric Voegelin zu erkennen. Vgl. Eric Voegelin, Die Größe Max Webers, hrsg. v. Peter J. Opitz, München 1995.

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Max-Weber-Diskussion

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begnügte. So kann man weder bei dieser Schule noch bei den anderen Richtungen von einer unbefangenen Weber-Rezeption sprechen, geschweige denn von einer systematischen Weber-Interpretation. 23 Zu den vergleichsweise wenigen, die in der Nachkriegszeit auf Weber setzten, gehörte auch Theodor Heuss. Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik hatte Weber persönlich gekannt 24 und sich über Jahrzehnte mit seinem Werk beschäftigt. 25 So steuerte er auch 1958 zur Neuauflage von Webers »Gesammelten Politischen Schriften« das Vorwort bei, 2 6 das er zugleich als Sonderdruck durch das Bundespräsidialamt an in- und ausländische Politiker und Wissenschaftler verschicken ließ 27 und überdies in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung als Vorabdruck veröffentlichte. 28 Damit trug Heuss dazu bei, Webers Präsenz in der bundesdeutschen Öffentlichkeit etwas zu erhöhen. Insgesamt aber war Heuss in den späten fünfziger Jahren ein eher einsamer Rufer in der Wüste. Wie sehr ihm an seinem Weber-Engagement lag, zeigen nicht zuletzt seine Briefe an Konrad Adenauer, 29 dem er im April 1958 bereits das Manuskript seines Vorworts 30

schickte, nicht ohne belehrende Erläuterungen, die Adenauer mit einer gewissen Nonchalance beantwortete. 31 Zumindest in der Chefetage der Bundesrepublik war Weber also präsent, weit weniger hingegen in der öffentlich-wissenschaftlichen Diskussion. 23

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In dieser Schule wurden Webers Schriften, wie Wolfgang Welz aus sozusagen >postfreiburger< Perspektive sagt, »immer nur selektiv rezipiert. Man bemühte sich weder um eine systematische Interpretation des Gesamtwerks noch um die Weiterentwicklung seiner wissenschaftstheoretischen und methodologischen Erkenntnisse« (Hübinger/Osterhammel/Welz, Max Weber und die Wissenschaftliche Politik, S. 189). Theodor Heuss, Erinnerungen 1905-1933, Frankfurt a. M 1965, S. 145 und 151. Ders., Zu Max Webers Gedächtnis, in: Der österreichische Volkswirt, 31. Juli 1920, abgedruckt in: René König/Johannes Winckelmann (Hg.), Max Weber zum Gedächtnis, 2. Aufl., Opladen 1985, S. 60-64; Ders., Max Weber, in: Deutsche Politik 5 (1920), abgedr. ebd., S. 71-74; Ders., Max Weber zum 10. Todestag (1930), ebd., S. 157-159; Ders., Max Weber in seiner Gegenwart, in: Max Weber, Gesammelte Politische Schriften, 2. Aufl., Tübingen 1958, S. VII-XXXI; Ders., Max Weber, in: Ders., Deutsche Gestalten, München 1975, S. 245-250. Ders., Max Weber in seiner Gegenwart, S. VII-XXXI. Ders., Brief an Hans Georg Siebeck vom 10. April 1958, Verlagsarchiv Mohr Siebeck, Tübingen, Kt. 554. Ders., Max Weber in seiner Gegenwart, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10.09.1958, S. 11. Ders., Brief an Konrad Adenauer vom 22. Dezember 1957, in: Theodor Heuss/Konrad Adenauer, Unserem Vaterland zugute. Der Briefwechsel 1948-1963, München 1992, S. 284. Ders., Brief an Konrad Adenauer vom 3. April 1958, in: Ebd., S. 295. »Verehrter, lieber Herr Bundeskanzler! Es ist mir nicht deutlich, ob der Name Max Weber Ihnen viel sagt. Er ist für mein Gefühl die größte menschliche und wissenschaftliche Erscheinung der Deutschen nach der Jahrhundertwende.« Konrad Adenauer, Brief an Theodor Heuss vom 11. April 1958, in: Ebd., S. 305. »Sehr geehrter, lieber Herr Bundespräsident! Max Weber sagt mir viel. Er ist - ich weiß nicht, ob ich sagen würde - die größte menschliche und wissenschaftliche Erscheinung der Deutschen nach der Jahrhundertwende, aber er ist sicher - auch nach meiner Meinung - einer der größten.«

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2. Die Debatte um die »plebiszitäre Führerdemokratie« Dies änderte sich schlagartig im folgenden Jahr. Die weitaus heftigste Weber-Debatte der jungen Bundesrepublik wurde über die Frage geführt, ob und inwieweit Weber mit seinen Positionen zur »plebiszitären Führerdemokratie« ein Wegbereiter des autoritären Führerstaats war. Diese Debatte wurde maßgeblich ausgelöst durch die These in der Dissertation von Wolfgang J. Mommsen, Weber habe mit seinen Positionen zur »plebiszitären Führerdemokratie« dazu beigetragen, »das deutsche Volk zur Akklamation der Führerstellung Adolf Hitlers innerlich willig zu machen«. 32 Diese These wurde als Provokation empfunden, vor allem seitens derjenigen, die sich als Weber-Schüler verstanden und ihren Lehrer, im Gegenteil, als Wegbereiter der Demokratie sahen. Die heftigste Replik formulierte Karl Loewenstein, der mit einer Emotionalität und Entschiedenheit reagierte, die die Debatte erst richtig entfachte. 33 Der Streit um die These Mommsens fand nicht zuletzt deshalb so große Aufmerksamkeit, weil hier die geistesgeschichtlichen Grundlagen der Bundesrepublik zur Debatte standen. Im Jahr der Publikation der Dissertation, zehn Jahre nach der Gründung der Bundesrepublik, war unvermindert die Frage aktuell, in welcher ideengeschichtlichen Kontinuität die Bundesrepublik und die sie tragenden politischen Kräfte standen. Gehörte Weber zu ihren Leitfiguren? Oder standen seine Lehren im Dienst antidemokratischer Ziele? Ein führender zeitgenössischer Politikwissenschaftler wie Ernst Fraenkel konnte in seiner Rezension des Mommsen-Buchs nur erstaunt feststellen, es habe »sich nur höchst selten zugetragen«, dass »die Dissertation eines der breiteren Öffentlichkeit bisher unbekannten jungen Gelehrten zum Gegenstand« einer großen »wissenschaftlichen Diskussion gemacht« werde, »an der sich mehrere international bekannte Gelehrte beteiligten«. 34 In der Tat glückte Mommsen mit seiner Dissertation ein phänomenaler Erfolg; sie gehörte zu den meistrezensierten historischen Büchern der jungen Bundesrepublik und wurde von prominenten Rezensenten in allen großen Zeitungen und Zeitschriften besprochen. 35 Selbst wer Mommsens These ablehnte, rühmte die außerordentliche Leis32

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So die Formulierung in der ersten Auflage des Buchs von 1959. In der zweiten Auflage von 1974 schwächt Mommsen die These etwas ab: Weber habe dazu beigetragen, »das deutsche Volk zur Akklamation eines Führers, und insofern auch Adolf Hitlers, innerlich willig zu machen« {Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 437). Mommsen folgte damit einem Formulierungsvorschlag von Ernst Nolte. Loewenstein, Max Weber als »Ahnherr« des plebiszitären Führerstaats, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 13 (1961), S. 263-289 (zugleich in: Ders., Beiträge zur Staatssoziologie, Tübingen 1961, S. 311-328). Ernst Fraenkel, Rezension Mommsen, in: HZ 196 (1963), S. 418-424, hier S. 418. Zur Bedeutung von Mommsens Werk vgl. jetzt Hinnerk Bruhns, Max Weber et le politique: retour sur l'œuvre de Wolfgang J. Mommsen, in: Ders./Patrice Duran (Hg.), Max Weber et le politique, Paris 2009, S. 31^46. Vgl. beispielsweise Carl Schmitt: Rezension Mommsen, in: Das Historisch-Politische Buch 8 (1960), S. 180-181; Kurt Sontheimer, Max Weber als Politiker, in: Neue politische Literatur 5

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tung der Arbeit, die rasch zu einem der bedeutendsten Werke der Weberliteratur, ja zu einem unverzichtbaren Standardwerk avancierte. Dennoch, auch aus heutiger Perspektive ist Mommsens These weit überspitzt, denn theoretische oder ideengeschichtliche Entwicklungslinien, die von Webers »plebiszitärer Führerdemokratie« zu Hitlers Führerstaat fuhren, sind nicht ersichtlich. Unter den NS-Autoren gab es keinen, der sich auf Weber gestützt hätte; die Weber-Rezeption kam generell 1933 in Deutschland zum Erliegen. Mommsen machte mit seiner These nicht zuletzt deshalb Furore, weil er eine verfassungspolitische Kontinuität, ja ein filiatorisches Verhältnis zwischen Max Weber und Carl Schmitt postulierte: Schmitt habe »als gelehriger Schüler Max Webers die Konzeption des volksgewählten Reichspräsidenten als politischer Führer aufgegriffen und bis zur äußersten Grenze des Möglichen fortentwickelt, unter weitgehender Zurückdrängung jener Verfassungselemente, die bei Weber dazu bestimmt waren, dessen charismatische Führungsbegabung fortwährend zur Bewährung zu zwingen. Seine Theorie von der plebiszitären Autorität des Reichspräsidenten als des Repräsentanten des politischen Gesamtwillens des Volkes [...] ist eine zwar einseitige, aber in dessen Begrifflichkeit durchaus angelegte Weiterentwicklung von Webers diesbezüglichen Forderungen.«36

Wenn diese These richtig war, dann war Weber verfassungspolitisch mit Vorsicht zu genießen. Er konnte jedenfalls nicht mehr ohne weiteres als Wegbereiter der deutschen Demokratie gelten. Mommsens These implizierte zugleich den Vorwurf, Weber habe, wenn auch unbeabsichtigt, verfassungspolitisch zu Hitlers Aufstieg beigetragen. Umso erbitterter fielen die Reaktionen derjenigen aus, die Weber auf die Seite der reinen Demokratie wissen wollten. Mommsen stellte zwar ausdrücklich klar, Weber selbst habe »natürlich eine solche Wendung des plebiszitären Führergedankens gegen den Parteienstaat überhaupt, geschweige denn seine Fortentwicklung zur totalen Herrschaft des charismatischen Politikers Hitler und seiner sich mit dem Staates identifizierenden Gefolgschaftspartei niemals intendiert«

und »unter gar keinen Umständen gebilligt«,37 aber seine Innerlich-willig-macher-These blieb ebenso im Raum stehen wie seine korrespondierende Weiterentwicklungsthese. Diese These betraf Carl Schmitt. Die Debatte wäre vermutlich nicht mit solcher Emotionalität geführt worden, wenn Mommsen in seiner Argumentation nicht den Namen Carl Schmitts ins Spiel gebracht hätte, der als Mephisto der deutschen Staatsrechts-

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(1960), S. 278 ff.; Reinhard Bendix, Einige Bemerkungen zu einem Buch von Wolfgang Mommsen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 13 (1961), S. 258-262; Paul Honigsheim, Max Weber und die deutsche Politik. Bei Gelegenheit des gleichnamigen Buches von Wolfgang Mommsen, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 13 (1961), S. 263-274; Joachim H. Knoll, Rezension Mommsen, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 14 (1962), S. 303-304; Rudolf Vierhaus, Rezension Mommsen in: VSWG 50 (1963), S. 273-277; Ernst Fraenkel, Rezension Mommsen, in: HZ 196 (1963), S. 4 1 8 ^ 2 4 . Weitere zahlreiche Nachweise bei Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 442 f. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 407-409. Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 414.

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lehre über Jahrzehnte reflexhafte Reaktionen auslöste.38 So verhielt es sich auch hier. Mommsens Bemerkung, Schmitt habe sich als »gelehriger Schüler« Webers erwiesen, wurde vor allem von jenen zurückgewiesen, die sich, wie Karl Loewenstein, selbst als »Schüler« Webers verstanden. Entsprechend fand der Begriff »Schüler« sofort Widerhall, zuerst bei Carl Schmitt selbst, der sie in seiner Rezension des Mommsen-Buchs mit spürbarer Verwunderung aufgriff und sofort prognostizierte, sie werde »den heftigsten Widerspruch vieler Freunde und Verehrer hervorrufen«.39 Auch er selbst war mit der Kategorisierung als Weber-Schüler keineswegs einverstanden. In seiner Rezension reagierte er noch mit Verwunderung, aber schon wenige Jahre später wehrte er sich aggressiv dagegen, als »Max-Weber-Epigone« eingestuft zu werden.40 Die Weber/Schmitt-Debatte erreichte ihren Höhepunkt auf dem Heidelberger Soziologentag von 1964, wo Jürgen Habermas der These Mommsens beipflichtete und sie auch noch verstärkte, indem er postulierte, Carl Schmitt sei »ein legitimer Schüler Max Webers«.41 In einer nachträglichen Ergänzung steigerte er sie noch einmal, indem er nachschob, Schmitt sei ein »natürlicher Sohn« Webers.42 Mit dieser Drehung wollte er die Formel eigentlich relativieren; er erreichte aber das genaue Gegenteil, denn er formulierte den filiatorischen Aspekt jetzt ja nur noch plastischer. Seither zieht sich die Schüler/Sohn-Formel durch die Weber- und Schmitt-Literatur43 und wurde zu einer prominenten Wendung in der Geistesgeschichte der Bundesrepublik. Die Weber-Diskussion jener Zeit litt, soweit sie auf den politischen Weber bezogen war, an der reductio ad Hitlerum. Einige Historiker und Sozialwissenschaftler in der 38

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Carl Schmitt selbst riet seinen Schülern noch Anfang der siebziger Jahre händeringend davon ab, sich auf seinen »euphemistisch gesprochen >umstrittenen< Namen« zu berufen (Schmitt, Brief an Ernst Forsthoff vom 13. September 1971, in: Briefwechsel Ernst Forsthoff - Carl Schmitt (1926— 1974), hrsg. von Dorothee Mußgnug, Reinhard Mußgnug und Angela Reinthal, Berlin 2007, S. 323). Schmitt, Rezension Mommsen, S. 181. Ders., Der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin 1963, S. 14 (Vorwort von 1963). Diese Einstufung liest er aus der theoriegeschichtlichen Einordnung seines »Begriffs des Politischen« in Otto Brunners »Land und Herrschaft« heraus. Jürgen Habermas, Diskussionsbeitrag, in: Otto Stammer (Hg.), Max Weber und die Soziologie heute. Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages, Tübingen 1965, S. 74-81, hier S. 81. Ebd. Etwa Joachim Radkau, Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens, München 2005, S. 467; Christoph Schönberger, »Staatlich und politisch«, in: Reinhard Mehring (Hg.), Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen. Ein kooperativer Kommentar, Berlin 2003, S. 25; Dirk van Laak, Gespräche in der Sicherheit des Schweigens. Carl Schmitt in der politischen Geistesgeschichte der frühen Bundesrepublik, 2. Aufl., Berlin 2002, S. 81; Catherine Colliot-Thélène, Carl Schmitt contre Max Weber: rationalité juridique et rationalité économique, in: Carlos-Miguel Herrera (Hg.), Le droit, le politique, Paris 1995, S. 205-227, 205 f.; Gary L. Ulmen, Politischer Mehrwert. Eine Studie über Max Weber und Carl Schmitt, Weinheim 1991, S. 19 und 29; Pier Paolo Portinaro, Max Weber e Carl Schmitt, in: Sociologia del diritto 8 (1981), S. 155-182, hier S. 156; Fritz Loos, Zur Wert- und Rechtslehre Max Webers, Tübingen 1970, S. 87; Klaus F. Röhl, Das Dilemma der Rechtstatsachenforschung, Tübingen 1974, S. 93.

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Nachkriegszeit hielten Weber schon allein deshalb für problematisch, weil sie ihn als Stichwortgeber Carl Schmitts einordneten. Dabei geriet die geistesgeschichtliche Bedeutung des Verhältnisses Weber/Schmitt zumeist überhaupt nicht in ihr Blickfeld, obwohl das Verhältnis zu den interessantesten Kapiteln der Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts gehört.44 Schmitt hat sich zeitlebens mit Weber auseinandergesetzt, von einer seiner ersten Publikationen im Jahr 191245 bis zu seiner buchstäblich letzten Veröffentlichung im Jahr 1978.46 Es gibt keinen anderen Autor, der sich über eine solche Zeitspanne - über sechseinhalb Jahrzehnte hinweg - so kontinuierlich mit Weber beschäftigt hätte, in Büchern und Aufsätzen, in Rezensionen,47 Tagebuchnotizen48 und Korrespondenzen.49 In seiner Zeit als Dozent an der Münchner Handelshochschule war Schmitt Mitglied in Webers »Dozentenseminar«, hörte Webers Münchner Reden, vor allem »Politik als Beruf«, und Webers Münchner Vorlesung zur Wirtschaftsgeschichte,50 nicht zuletzt steuerte er nach Webers Tod einen Beitrag zur »Erinnerungsgabe für Max Weber« bei.51 Insbesondere seine Schriften der Weimarer Zeit sind von einer intensiven Weber-Rezeption geprägt - von der »Diktatur« und der »Politischen Theologie« über die »Geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus« und die »Verfassungslehre« bis hin zum »Begriff des Politischen« und zu »Legalität und Legi-

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Vgl. etwa Kjell Engelbrekt, What Carl Schmitt picked up in Weber's Seminar: A historical Controversy revisited, in: European Legacy 14 (2009), S. 667-684; Colliot-Thélène, Carl Schmitt contre Max Weber, S. 205-227; Gottfried Eisermann, Max Weber und Carl Schmitt, in: Der Staat 33 (1991), S. 76-103; Ulmen, Politischer Mehrwert, S. 22 f. (mit weiteren Nachweisen); ders., The Sociology of the State: Carl Schmitt and Max Weber, in: State, Culture, and Society 1 (1985), S. 3-57; Reinhard Mehring, Politische Ethik in Max Webers >Politik als Beruft und Carl Schmitts >Der Begriff des Politischem, in: Politische Vierteljahresschrift 31 (1990), S. 608-626; Portinaro, Max Weber e Carl Schmitt, S. 155-182. Carl Schmitt, Gesetz und Urteil. Eine Untersuchung zum Problem der Rechtspraxis (1912), Neudr. d. 2. Aufl., München 2009, S. 94. Ders., Die legale Weltrevolution. Politischer Mehrwert als Prämie auf juristische Legalität und Superlegalität, in: Der Staat 17 (1978), S. 321-339, hier S. 322 f. Ders., Rezension Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, in: Das Historisch-Politische Buch 4 (1956), S. 195-196; ders., Rezension Johannes Winckelmann, Gesellschaft und Staat in der verstehenden Soziologie Max Webers, in: Das Historisch-Politische Buch 6 (1958), S. 102; ders., Rezension. Mommsen, S. 180-181. Ders., Glossarium. Aufzeichnungen der Jahre 1947-1951, hrsg. v. Eberhard Freiherr von Medem, Berlin 1991, S. 113. Etwa Ders., Briefwechsel mit einem seiner Schüler, hrsg. v. Armin Möhler, Berlin 1995, passim. Reinhard Mehring, Carl Schmitt, München 2009, S. 118; Gangolf Hübinger, Editorischer Bericht, in: Max Weber, Allgemeine Staatslehre und Politik (Staatssoziologie), MWG III/7, hrsg. v. Gangolf Hübinger in Zusammenarbeit mit Andreas Terwey, Tübingen 2009, S. 50; Ulmen, Politischer Mehrwert, S. 20. Carl Schmitt, Soziologie des Souveränitätsbegriffes und Politische Theologie, in: Melchior Palyi (Hg.), Hauptprobleme der Soziologie. Erinnerungsgabe für Max Weber, Bd. 2, München/Leipzig 1923, S. 3-35.

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timität«. Einige Werke, insbesondere »Legalität und Legitimität«, sind Antworten auf Weber und wären ohne ihn gar nicht denkbar. Dennoch kann man Weber nicht als den geistigen Vater Schmitts bezeichnen oder auch nur eine demokratietheoretische Kontinuitätslinie vom einen zum anderen ziehen. Vielmehr besteht, in demokratietheoretischer wie in normativer Hinsicht, eine prinzipielle Divergenz zwischen beiden. Die »plebiszitäre Führerdemokratie« spielt bei Schmitt so gut wie keine Rolle; seine Wendung zum Nationalsozialismus 1933 ist zugleich eine Wendung gegen Max Weber. Hier lässt sich also keine Brücke konstruieren. In Webers politischen Schriften tritt uns ein normativ argumentierender, an Prinzipien orientierter Autor entgegen, der sich zudem in den späten Jahren selbst in der Politik engagiert. Als zentrales Motiv seines verfassungspolitischen Engagements erscheint stets das Kriterium der »Pflicht«, die Pflicht gegenüber der politischen Gemeinschaft, die Verantwortung vor der Geschichte. Wenn die Politische Wissenschaft ein »Kind der Sorge« ist, wie Wilhelm Hennis sagt,52 dann ist Weber ein im besonderen Sinn »Politischer Wissenschaftlern All dies unterschied ihn deutlich von Schmitt, der gegenüber Werten und Normen ein ressentimentgeladenes Verhältnis hatte. Dieses Ressentiment stachelte ihn zu seinem späten Kampf gegen die »Tyrannei der Werte« an.53 Eine Orientierung an Idealen war für ihn bereits verdächtig: Zu einem geflügelten Wort wird sein vielfach variierter Satz »Wer Menschheit sagt, will betrügen.« 54 Entsprechend reserviert stand Schmitt dem Bonner Grundgesetz gegenüber. Seine spontane Reaktion nach der Lektüre der frisch gedruckten Verfassung im Sommer 1949 war höhnisches Gelächter. 55

3. Weber, die parlamentarische Demokratie und das Grundgesetz Wie aber stehen Webers demokratietheoretische und verfassungspolitische Positionen zur Konstruktion des Grundgesetzes? Und wie lassen sie sich im Blick auf die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik einordnen? Webers Äußerungen zur Demokratie lassen sich nicht umstandslos auf einen Nenner bringen. Entsprechend vielfaltig sind die unterschiedlichen Deutungen seines Demokratieverständnisses. Manche sehen in Weber einen liberalen Vertreter, andere den Vertreter eines autoritären Kon-

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Wilhelm Hennis, Dankrede anlässlich der Verleihung des Theodor-Eschenburg-Preises der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft auf dem Politologentag in Kiel am 24. September 2009. Carl Schmitt, Die Tyrannei der Werte. Überlegungen eines Juristen zur Wertphilosophie, Privatdruck 1960 (veröffentlicht in: Carl Schmitt/Eberhard Jüngel/Sepp Schelz, Die Tyrannei der Werte, Hamburg 1979, S. 9-43). Ders., Der Begriff des Politischen, S. 55. Er sagt, es sei ein »von Proudhon geprägtes Wort«. Das Zitat lässt sich indes bei Proudhon nicht nachweisen. Ders., Glossarium, S. 259 und 315 f.

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zepts, wieder andere einen Radikaldemokraten. 56 Für jede der Varianten lassen sich in seinem Werk Anhaltspunkte finden, denn seine Demokratieauffassung ist kein konsistentes Programm, sondern enthält heterogene und widersprüchliche Momente. Weber war hier äußerst nüchtern - eine Formel wie der »Wille des Volkes« gehörte fur ihn zu den großen »Fiktionen«51

- , aber er unterschied sich v o n der großen Mehrheit der wil-

helminischen Staatsdenker darin, dass er ein engagierter »Parteigänger d e m o k r a t i s c h e n Institutionen« war 5 8 und entschieden gegen jene auftrat, die das gleiche Wahlrecht als »Zifferndemokratie« abtaten. 59 Blickt man auf die Debatten im Parlamentarischen Rat und die anschließende Konstruktion des Grundgesetzes, dann ist unschwer eine Affinität zu Webers verfassungspolitischen Positionen zu erkennen, insbesondere hinsichtlich der Stärkung des Parlaments, der Festigung des Repräsentationsprinzips, des Verhältnisses v o n Föderalismus und Unitarismus und der Legitimierung der politischen Parteien. Sieht man Weber als Verfechter direktdemokratischer Verfahren, dann könnte man meinen, das Grundgesetz hätte ihm zu w e n i g plebiszitäre Elemente enthalten, denn die bundesdeutsche Verfassung ist an diesem Punkt nahezu abstinent und kennt das Plebiszit auf Bundesebene nur 56

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Vgl. Jean-Marie Vincent, Max Weber ou la démocratie inachevée, Paris 2009; Manfred G. Schmidt, Demokratietheorien, 4. Aufl., Wiesbaden 2008, S. 176 ff.; Christoph Schönberger, Max Webers Demokratie, in: Andreas Anter/Stefan Breuer (Hg.), Max Webers Staatssoziologie. Positionen und Perspektiven, Baden-Baden 2007, S. 157-173; Stefan Breuer, Typen und Tendenzen der Demokratie, in: Ders., Max Webers tragische Soziologie, Tübingen 2006, S. 112-145; Anter, Max Weber und die parlamentarische Demokratie, S. 353-373; Furio Ferraresi, Il fantasma della comunità. Concetti politici e scienza sociale in Max Weber, Milano 2003, S. 418 f i ; Alan Scott, Capitalism, Weber and Democracy, in: Max Weber Studies 1 (2000), S. 33-55; Sven Eliaeson, Max Weber and Plebiscitary Democracy, in: Ralph Schroeder (Hg.), Max Weber, Democracy and Modernization, Houndmills, Basingstoke 1998, S. 47-60; Andreas Anter, Max Webers Theorie des modernen Staates, 2. Aufl., Berlin 1996, S. 83 f f ; Peter Breiner, Max Weber and Democratic Politics, Ithaca, New York 1996, S. 158 ff.; Stefan Breuer, Die vier reinen Typen der Demokratie. Ein Vorschlag zur Systematisierung, in: Ders., Bürokratie und Charisma. Zur politischen Soziologie Max Webers, Darmstadt 1994, S. 176-187; Giorgio Rebuffa, Nel crepuscolo della democrazia. Max Weber tra sociologia del diritto e sociologia dello Stato, Bologna 1991, S. 165 ff.; David Beetham, Max Weber and the Theory of Modem Politics, 2. Aufl., Cambridge 1985, S. 95 ff. u. 264 ff.; J. J. R. Thomas, Weber and direct democracy, in: British Journal of Sociology 35 (1984), S. 216-240; Johann Baptist Müller, Max Webers Demokratiekonzeption, in: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 51 (1977), S. 1-26; Dolf Sternberger, Max Weber und die Demokratie (1967), in: Ders., Herrschaft und Vereinbarung, Frankfurt a. M 1986, S. 54-70; Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 186 f f , 356 ff., 416 ff. Max Weber, Brief an Robert Michels, 4. August 1908, in: Weber, Briefe 1906-1908, hrsg. v. M. Rainer Lepsius und Wolfgang J. Mommsen, Tübingen 1990 (MWG II/5), S. 615. Ders., Zur Lage der bürgerlichen Demokratie in Rußland (1906), in: Ders., Zur Russischen Revolution von 1905. Schriften und Reden 1905-1912, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Dittmar Dahlmann, Tübingen 1989 (MWG 1/10), S. 270. Ders., Wahlrecht und Demokratie in Deutschland (1917), in: Ders., Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, hrsg. v. Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Gangolf Hübinger, Tübingen 1984 (MWG 1/15), S. 368.

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im Fall der Neugliederung von Bundesländern (Art. 29 GG). Zudem entschied der Parlamentarische Rat sich bewusst gegen ein direkt gewähltes Staatsoberhaupt. Steht diese Abstinenz im Gegensatz zu Webers Positionen? Um diese Frage zu beantworten, ist zunächst zu prüfen, inwieweit Weber tatsächlich ein Anhänger »plebiszitärer« Konzepte war. Einige seiner Bemerkungen zur »plebiszitären Führerdemokratie« bewirkten, dass dieses Etikett dauerhaft an ihm haften blieb und über Jahrzehnte das Weberbild prägte.60 Dabei war das Plebiszit für Weber gar kein Wert an sich, sondern nur ein bedingt taugliches Mittel zum Zweck. Er sprach sich in einer bestimmten historischen Situation, in der Gründungsphase der ersten deutschen Demokratie, für plebiszitäre Elemente aus, um die Macht der Bürokratie zu begrenzen, Parlament und Demokratie zu stärken, für politische Beweglichkeit zu sorgen und politischer Erstarrung entgegenzuwirken.61 Generell aber blieb er gegenüber dem Plebiszit skeptisch. Er glaubte nicht, dass die parlamentarische Arbeit durch Referenden ersetzt werden könnte, und erst recht glaubte er nicht an eine segensreiche Wirkung von Plebisziten. Im Gegenteil, er stellte immer wieder klar, dass sie in komplexen Fragen die Gesetzgebung eher behindern62 und im Übrigen »nach allen Erfahrungen ein durchaus konservatives politisches Mittel« seien.63 Weber blieb gegenüber Plebisziten schon allein deshalb skeptisch, weil sie die Kompromissbildung verhindern: »Mit dem Referendum kann man politisch und technisch befriedigend nur Fragen lösen, auf die glatt mit >Ja< oder >Nein< zu antworten ist.« In allen anderen Fällen werde verhindert, »daß überhaupt etwas zustande kommt«.64 Er hielt das Plebiszit nur sehr begrenzt für sinnvoll, weil es keine Kompromisse erlaube, auf denen ja »in jedem Massenstaat mit starken regionalen, sozialen, konfessionellen und anderen Gegensätzen [...] unvermeidlich die Mehrzahl aller Gesetze beruht«.65 Demgegenüber sei es »die spezifische Leistung des Parlaments: daß es ermöglicht, durch Verhandlung und Vergleich das >relativ< Beste zustande zu bringen«. Diese »rein technische Überlegenheit parlamentarischer Gesetzgebung« sei »durch nichts zu ersetzen«.66 Selbst

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Dazu Beetham, Max Weber and the Theory of Modern Politics, S. 226 ff.; Müller, Max Webers Demokratiekonzeption, S. 19 ff.; Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 416 ff. Wenn Weber für plebiszitäre Formen votierte, dann stets aufgrund seiner Aversion gegenüber der Beamtenherrschaft. Vgl. etwa Max Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland (1918), in: Ders., Zur Politik im Weltkrieg, S. 451. Ders., Deutschlands künftige Staatsform (1919), in: Ders., Zur Neuordnung Deutschlands, S. 134; ders., Wahlrecht und Demokratie in Deutschland, S. 395. Ders., Deutschlands künftige Staatsform, S. 134. Dies bestätigt sich bis heute in westlichen Demokratien, etwa in der Schweiz und in den USA. Ders., Wahlrecht und Demokratie, S. 395. Ders., Parlament und Regierung, S. 544. Ders., Wahlrecht und Demokratie, S. 395 f.

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in der Frage der Direktwahl des Reichspräsidenten wog Weber die Vorzüge und Nachteile gegeneinander ab.67 Angesichts dieser Positionen ist das herrschende Weberbild vom Verfechter der »plebiszitären Führerdemokratie« zu relativieren. Weber machte vielmehr die klaren Vorzüge der repräsentativen Demokratie deutlich. Dabei kommen seine Vorstellungen durchaus der späteren Konstruktion des Grundgesetzes nahe. Dies zeigt sich bereits in seiner Unterscheidung von »freier« und »gebundener« Repräsentation. Wenn er das Wesen der »freien« Repräsentation darin sieht, dass die Abgeordneten »an keine Instruktion gebunden, sondern [...] nur an sachliche eigene Ueberzeugungen« gebunden sind,68 dann entspricht dies dem Repräsentationsverständnis des Grundgesetzes, wo die Abgeordneten »an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen« sind (Art. 38 GG).69 Bei der »gebundenen« Repräsentation hingegen sieht Weber die Entscheidungsfreiheit des Abgeordneten »durch imperative Mandate und Abberufungsrecht [...] begrenzt und an die Zustimmung der Vertretenen gebunden«. Diesem Typus steht er abschätzig gegenüber, denn deren »Repräsentanten« seien »in Wahrheit: Beamte der von ihnen Repräsentierten«.70 Auch der Parlamentarische Rat entschied sich klar gegen eine solche Form »verbeamteter« Repräsentation. Das Grundgesetz der Bundesrepublik kennt kein imperatives Mandat, schaltet fast alle plebiszitären Elemente aus und ist, mit Weber zu reden, eine »rein repräsentative« Verfassung.71 Der Regierungschef wird durch das Parlament bestellt; die Kompetenzen des Staatsoberhaupts sind radikal beschnitten und beschränken sich weitgehend auf Repräsentationsaufgaben. Webers Repräsentationsverständnis steht in engem Zusammenhang zu seiner Bewertung des Parlamentarismus. Da Demokratisierung und Parlamentarisierung für ihn zwei Seiten einer Medaille sind,72 hält er nicht sonderlich viel von der verbreiteten

Ein direkt gewählter Reichspräsident habe zwar eine größere Autorität, aber dies liege eher im Interesse »straff sozialistischer Organisation« (ders., Deutschlands künftige Staatsform, S. 127 f.). Vgl. auch ders., Der Reichspräsident (1919), in: Ders., Zur Neuordnung Deutschlands, S. 220 ff. Ders., Wirtschaft und Gesellschaft, hrsg. v. Johannes Winckelmann, 5. Aufl., Tübingen 1985, S. 172 (Hervorhebung entfernt). Vgl. bereits Art. 21 WRV: »Die Abgeordneten sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.« Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 172. Ebd., S. 173. Zum bundesdeutschen Repräsentationsverständnis klassisch Ernst-Wolfgang Böckenförde, Demokratie und Repräsentation, in: Ders., Staat, Verfassung, Demokratie. Studien zur Verfassungstheorie und zum Verfassungsrecht, Frankfurt a. M. 1991, S. 379-405; Gerhard Leibholz, Die Repräsentation in der Demokratie, Neudruck der 3. Aufl., Berlin/New York 1973. Die Demokratisierung der politischen Institutionen sei ein »unentbehrliches Mittel der Erhaltung der Einheit der Nation«, die Parlamentarisierung eine »Garantie der Einheitlichkeit in der Führung« (Max Weber, Die Lehren der deutschen Kanzlerkrisis (1917), in: Ders., Zur Politik im Weltkrieg, S. 302).

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»Schwärmerei für die >Demokratie ohne Parlamentarismus«^73 einer Schwärmerei, die oft mit plebiszitären Idealen korrespondiert. Solche Ideale beruhen wiederum auf einer Prämisse, die Ernst Fraenkel deutlich macht: Man geht nämlich »von der stillschweigenden Voraussetzung eines einheitlichen Volkswillens aus, von dem a priori angenommen wird, daß er mit dem Gesamtinteresse identisch sei«.74 Da in der Bevölkerung sich in Wahrheit aber sehr verschiedene Interessen und konträre Einstellungen gegenüberstehen, kann von einem einheitlichen »Willen des Volkes« nur sehr bedingt die Rede sein. Webers zentrale Frage war: »wie macht man das Parlament fähig zur Macht?« Die konsequente Parlamentarisierung, für die er sich stark machte, wurde im Grundgesetz insofern realisiert, als der Bundeskanzler stets von der Parlamentsmehrheit abhängig ist. In der politischen Praxis hingegen bietet sich zumeist ein anderes Bild. So hat sich der Bundestag nur selten als wirksamer Gegenspieler der Regierung erwiesen und kann dies strukturell auch gar nicht sein, denn da die Mehrheit im Bundestag die Regierung stellt, sind deren potentielle Gegenspieler von vornherein in der Minderheit. Umso größeres Gefallen hätte Weber an der Verankerung des Enqueterechts im Grundgesetz gefunden: dem Recht der parlamentarischen Minderheit, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, um Regierung und Verwaltung zu Auskünften zu zwingen.76 An diesem Punkt hat Max Weber mittelbar Einfluss auf die Konstruktion des Grundgesetzes genommen, denn das Enqueterecht der parlamentarischen Minderheit war eine seiner Forderungen, die schon in die Weimarer Verfassung Eingang gefunden hatte.77 Mit seinem vehementen Plädoyer, das Kontrollinstrument der Untersuchungsausschüsse in der Verfassung zu verankern, setzte er sich in den Verfassungsberatungen durch.78 Nachdem seine Forderung fast wörtlich bereits in der Weimarer Verfassung konstituiert wurde, übernahm man sie dreißig Jahre später auch ins Grundgesetz, so dass Weber als 79

verfassungsrechtlicher Wegbereiter dieses Kontrollinstruments gesehen werden muss. Dabei kam es ihm vor allem darauf an, dass dieses Recht auch einer parlamentarischen Minderheit zustehen müsse. Er sah das »eidliche Kreuzverhör der Beteiligten als Zeugen vor einer Parlamentskommission« als wirksames Mittel der Verwaltungskontrolle Ders., Wahlrecht und Demokratie, S. 394. Ernst Fraenkel, Die repräsentative und die plebiszitäre Komponente im demokratischen Verfassungsstaat, Tübingen 1958, S. 6 f. Weber, Parlament und Regierung, S. 501. Art. 44 GG: »Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt.« Art. 34 WRV: »Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen.« Vgl. Weber, Beiträge zur Verfassungsfrage anläßlich der Verhandlungen im Reichsamt des Innern, S. 380 ff. Als solcher gilt er unbestritten. Vgl. etwa den Beitrag »Parlamentarische Untersuchungsausschüsse - Kampfmittel der Parteien«, in: Der Spiegel Nr. 43, 21.10.1985, S. 40.

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Max-Weber-Diskussion

und hielt bereits die Existenz dieses Instruments für »eine Rute, deren Vorhandensein die Verwaltungschefs zwingt, in einer Art Rede zu stehen, die seine Anwendung unnötig macht«.80 Die Geschichte der Bundesrepublik hat gezeigt, wie wichtig dieses parla81

mentarische Instrument ist, keineswegs nur als Drohinstrument. Webers Plädoyer für dieses Instrument beruhte nicht zuletzt auf seiner Aversion gegen die Bürokratie und auf seiner Furcht vor der Erstarrung der Politik. Die politische Bewegungsfreiheit schien ihm als ein Wert an sich. Nach dem Zweiten Weltkrieg indes waren die Gründerväter der parlamentarischen Demokratie nicht sonderlich am Kriterium der Beweglichkeit interessiert. Sie hatten im Nationalsozialismus unmittelbar zuvor eine Überdosis politischer »Bewegung« erfahren. So setzte man im Parlamentarischen Rat nicht auf Beweglichkeit, sondern auf Sicherheit82 und Ordnung.83 Das Grundgesetz war zwar zunächst als Provisorium gedacht, als vorläufige Verfassung für den westdeutschen Teilstaat, sollte aber umso kraftvoller die demokratische Ordnung sichern und vor potentiellen Feinden schützen,84 mit Wesensgehaltsgarantie, Ewigkeitsklausel und wehrhafter Demokratie. Dabei richtete sich der Blick im Parlamentarischen Rat naturgemäß zurück auf Weimar, auf die Erfahrung des Scheiterns. Diese Erfahrung blieb ein negativer Fixpunkt im Prozess der Verfassunggebung, zumal viele Vertreter des Parlamentarischen Rates die Weimarer Krisenjahre noch unmittelbar vor Augen hatten und mit den verfassungstheoretischen Grundfragen des Staatsrechts vertraut wa-

Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, S. 488 f. Sein Vorbild war das englische Parlament. Der Bundestag hat von diesem Recht oft genug Gebrauch gemacht und setzte Dutzende von Untersuchungsausschüssen ein, vor allem bei Korruptionsaffáren oder verfehltem Regierungshandeln. Zu den prominenten Beispielen gehören der Flick-Parteispendenausschuss und der VisaAusschuss. Vgl. allgemein Dieter Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 2. Aufl., Heidelberg 1991. Zu diesem Signum der Bundesrepublik siehe Eckart Corize, Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 45 ff.; Andreas Anter, Die politische Idee der Sicherheit. Theoriegeschichte und Staatspraxis eines modernen Konzepts, in: Jahrbuch Öffentliche Sicherheit 2008/2009, S. 14-25. Zum Ordnungsaspekt allgemein Anselm Doering-Manteuffel, Konturen von »Ordnung« in den Zeitschichten des 20. Jahrhunderts, in: Thomas Etzemüller (Hg.), Die Ordnung der Moderne. Social Engineering im 20. Jahrhundert, Bielefeld 2009, S. 41-64; Andreas Anter, Die Macht der Ordnung. Aspekte einer Grundkategorie des Politischen, 2. Aufl., Tübingen 2007. Von diesem Willen waren nicht nur die Mitglieder des Parlamentarischen Rates beseelt, sondern auch die Alliierten Militärgouverneure, die den Prozess der Verfassungsgebung streng überwachten. Vgl. Michael F. Feldkamp, Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Die Entstehung des Grundgesetzes, 2. Aufl., Göttingen 2008; Karlheinz Niclauß, Der Weg zum Grundgesetz, Paderborn 1998; Udo Wengst, Es war kein freier Entschluß, sondern eine Staatsgründung auf Befehl, in: Das Parlament Nr. 32-33, 31.7./7.8.1998, S. 2; Erhard H. M. Lange, Die Würde des Menschen ist unantastbar. Der Parlamentarische Rat und das Grundgesetz, Heidelberg 1993; Rudolf Morsey, Verfassungsschöpfung unter Besatzungsherrschaft. Die Entstehung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat, in: Die Öffentliche Verwaltung 42 (1989), S. 471^182.

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ren. Auch die Verfassungspolitik der jungen Bundesrepublik war von einem spezifischen Ordnungswollen geprägt, 86 bis hinein in die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. 87

4. Abschließende Bemerkung Betrachtet man die Konstituierungsphase der parlamentarischen Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg, dann wird deutlich, wie viele der verfassungspolitischen Positionen Webers unvermindert aktuell blieben. Dies gilt bereits für die Grundrechte, denen wir, wie Weber sagt, »nicht viel weniger als Alles verdanken, was heute auch dem Reaktionärstem als Minimum seiner individuellen Freiheitssphäre vorschwebt«. 8 8 Webers Aktualität zeigt sich auch bei der Frage »Föderalismus oder Unitarismus«, 89 nicht zuletzt im Blick auf die Siegermächte, die weder 1919 noch 1949 einen Einheitsstaat geduldet hätten. Weber, bei weitem kein Föderalist, trat zwar für eine »möglichst unitarische Lösung« ein, 90 war sich aber darüber im Klaren, dass ein Einheitsstaat mit Blick auf die innen- und außenpolitische Lage unrealistisch war. So votierte er in den Verfassungsberatungen für einen unitarischen Föderalismus. 91 Selbst seine Positionen zur Frage der Neugliederung der Länder 92 und zur problematischen Konstruktion des Bundesrates, 93 85

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Vgl. nur Carlo Schmids Bemerkungen zum staatsrechtlichen Horizont seiner Kollegen in Herrenchiemsee (Carlo Schmid, Erinnerungen, Bern/München/Wien 1986, S. 335). Vgl. Günther, Denken vom Staat her, bes. S. 191 f. Vgl. Andreas Anter, Ordnungsdenken in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Wertordnung, Ordnungsmacht und Menschenbild des Grundgesetzes, in: Robert Chr. van Ooyen/Martin Möllers (Hg.), Das Bundesverfassungsgericht im politischen System, Wiesbaden 2006, S. 307-320. Max Weber, Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, Bd. 1, Tübingen 1920, S. 135. - Im Grundgesetz wurden die Grundrechte erstmals als »unmittelbar geltendes Recht« (Art. 1 Abs. 3 GG) verankert. Vgl. Bodo Pieroth/Bernhard Schlink, Grundrechte, 25. Aufl., Heidelberg 2009; Volker Epping, Grundrechte, 4. Aufl., Berlin/Heidelberg 2010; Ernst-Wolfgang Böckenförde, Grundrechte als Grundsatznormen, in: Ders., Staat, Verfassung, Demokratie, S. 159-199. Vgl. Weber, Deutschlands künftige Staatsform, S. 111 ff. Ebd., S. 136. Ders., Beiträge zur Verfassungsfrage anläßlich der Verhandlungen im Reichsamt des Innern, S. 57: »Es muß soviel Unitarismus als möglich in eine föderalistische Verfassung aufgenommen werden.« Dazu Mommsen, Max Weber und die deutsche Politik, S. 358 ff. und 381 ff. Weber meinte, die »Zwergstaaten« sollten »entweder durch Zusammenschluß (Thüringen?) oder Einverleibung ihr sinnloses Dasein beschließen« {ders., Deutschlands künftige Staatsform, S. 119). Nach 1945 handelten die Alliierten also ganz im Sinne Webers, als sie eine neue, weitaus kompaktere Länderstruktur schufen. Angesichts der weiterhin bestehenden Probleme einiger »Zwergstaaten« indes liegt die Aktualität von Webers Forderung auf der Hand. Während Weber 1918/19 für eine parlamentarische Kammer plädierte (Weber, Deutschlands künftige Staatsform, S. 120 ff.; ders., Beiträge zur Verfassungsfrage anläßlich der Verhandlungen im Reichsamt des Innern, S. 74), hat sich die Konstruktion des Bundesrats als Exekutivorgan letztlich als Fehlkonstruktion erwiesen.

Die westdeutsche Max- Weber-Diskussion

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eine der strittigsten Fragen im Parlamentarischen Rat, blieben unvermindert aktuell. Nur das Preußen-Problem, an dem sich Weber noch abzuarbeiten hatte, hatte sich 1947 mit der Auflösung Preußens durch den Alliierten Kontrollrat erledigt. Die Weber-Debatten der Nachkriegszeit berührten jedoch nicht die allgemeinen verfassungspolitischen Positionen, sondern entzündeten sich immer nur an jenen virulenten Punkten, die elementar das Selbstverständnis der westdeutschen Gesellschaft berührten.

IV. Der Blick von »außen«

CHRISTOF DIPPER

Keine Neigung, die »Väter in die Pfanne zu hauen« Der Jahrgang 1943 im Feld der deutschen Historiker

1. Wie Historiker ihre eigene Geschichte erzählen »Wir waren damals natürlich auch geneigt, unsere Väter-Generation in die Pfanne zu hauen«, versicherte Wolfgang J. Mommsen 1999 seinem Interviewer auf die Frage, weshalb im Augenblick ein Generationenkonflikt das Fach beherrsche. Es gehe um Deutungen und diese versuche man eben im Konflikt durchzusetzen.1 Die Geschichte der Historiographie wird offenbar gerne als Abfolge von Paradigmenwechseln erzählt. Sie ist dann erfüllt von Kämpfen, Niederlagen und Siegen und folglich eine Geschichte von Helden und, wenn schon nicht von Schurken, so jedenfalls von Ewiggestrigen. Altmodisch, wie das sich gerne als »Zunft« verstehende Fach nun einmal ist, sitzen die Chefs nicht in der Etappe, sondern reiten Adjutanten, Hilfstruppen und Tross mutig in die Schlacht voran. Einer der bekanntesten Vertreter seines Faches bilanzierte vor kurzem sein gesamtes Berufsleben als »lebhafte Kampfsituation«.2 Hans-Ulrich Wehler, der seiner Mit- und Nachwelt offenbar als ewiger Kämpe im Gedächtnis bleiben möchte, steht damit nicht allein. Der knapp dreißig Jahre jüngere Götz Aly gibt sich ebenfalls als unentwegter Streiter, bevorzugt aber das Bild von David, der den Riesen Goliath - das Kollektiv der »deutschen Chefhistoriker« - besiegt,3 wenn er nicht gerade auf seinen politischen Fehlstart im Jahre 1968 zurückblickt, wo es eher »krawallig« zugeht und er sich nicht scheut, seinem Buch den zweideutigen Titel »Unser Kampf« zu geben.4

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Wolfgang J. Mommsen, »Die Jungen wollen ganz unbefangen die alte Generation in die Pfanne hauen.« Interview mit Jens Hacke/Julia Schäfer, in: Rüdiger Hohls/Konrad H. Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, Stuttgart/München 2000, S. 214. Hans-Ulrich Wehler, Eine lebhafte Kampfsituation. Ein Gespräch mit Manfred Hettling und Cornelius Torp, München 2006. Götz Aly, Willige Historiker. Bemerkungen in eigener Sache, in: Ders., Macht - Geist - Wahn. Kontinuitäten deutschen Denkens, Berlin 1997, S. 153-183. Götz Aly, Unser Kampf: 1968 - ein irritierter Blick zurück, 2. Aufl., Frankfurt a. M. 2009.

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Wehler und Aly stehen hier nicht nur als Individuen, sondern als Verkörperungen, Wortführer sozialer Gruppen, die sich als Generation verstehen und tief in das intellektuelle und kulturelle Leben der Bundesrepublik eingegriffen haben. Im Falle Alys sind das die sogenannten 68er, deren Entzauberung als Massenphänomen mit dem erfolgreich angestrebten Ziel einer Neugründung Westdeutschlands seit einiger Zeit im Gange ist.5 Mit seiner öffentlichen Bußübung versuchte Aly nur, den Trend nicht zu verpassen. Wehler repräsentiert die sogenannte Flakhelfergeneration, neuerdings die »45er« genannt, um die These plausibler zu machen, die damals 15- bis 20-jährigen seien zwar nicht die politischen Gründerväter der Bundesrepublik, um so mehr aber die Urheber der Trends zu Liberalisierung und Verwestlichung. Der fast um eine Generation ältere, mit ihr freilich sympathisierende Schelsky hat ihr bereits im Moment ihrer Selbstkonstitution den gesellschaftswissenschaftlichen Ritterschlag erteilt.6 Inzwischen ist diese von vielen geteilte Sicht auf die Dinge ebenfalls einer kritischen Nachprüfung unterzogen und verworfen worden. 7 Die von Wehler und seinen Kampfgenossen bewirkten historiographischen Leistungen werden dadurch nicht in Frage gestellt, wohl aber, dass es sich dabei um ein Generationenprojekt handle, das so nur in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft zu finden sei. Erstens8 lässt sich Vergleichbares, d. h. die in den 1960er Jahren zu beobachtende Hinwendung zur Sozialgeschichte als neuem, aber keineswegs alles beherrschenden Denkstil, in der ganzen westlichen Welt beobachten. Denn zweitens entwickelt sich in diesen Weltgegenden, wo es keine politische Einflussnahme von oben gibt, die Geschichtswissenschaft bruchlos in Gestalt permanenter Auseinandersetzung mit den >VäternHeranwachsenden< als den ernsthafteren Konkurrenten, ohne dass dabei die Pluralität von Ansätzen leiden würde, im Gegenteil. Weil in unserem Fach die Methodik einheitsstiftend ist und die meisten Historiker einen eher lockeren Umgang mit der Theorie pflegen, sind Kontroversen eher Konflikte um Ressourcen, Macht und Einfluss in Institutionen und in der fachinternen Öffentlichkeit. Ohne die von Robert Picht besonders folgenreich verkündete »Bildungskatastrophe« und ohne den als Antwort darauf vom Wirtschaftsboom ermöglichten Ausbau der Universitätslandschaft zwischen 1954 und 1975 wäre der mit den »45ern« in Verbindung gebrachte >Siegeszug< der Historischen Sozialwissenschaft undenkbar. Aber wer sind denn nun wirklich die »45er«? Organisatorische Zentren und Selbstaussagen geben schon auf den ersten Blick zu erkennen, dass es sich um eine kleine 5 6

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Wolfgang Kraushaar, 1968 als Mythos, Chiffre und Zäsur, Hamburg 2000. Helmut Schelsky, Die skeptische Generation. Eine Soziologie der deutschen Jugend, 1. Aufl., Düsseldorf 1957. Schelsky rechnete dazu zwar alle zwischen 1920 und 1942 Geborenen, weil dagegen aber wichtige Einwände erhoben wurden, hat es sich eingebürgert, die Flakhelfer als die Kerngruppe der >Skeptischen< zu betrachten. Jens Hacke, Philosophie der Bürgerlichkeit. Die liberalkonservative Begründung der Bundesrepublik, 2. Aufl., Göttingen 2008. Das Folgende nach Lutz Raphael, Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden und Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart, München 2003.

Keine Neigung,

die » Väter in die Pfanne zu

hauen«

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Gruppe mit festem Kern handelt. Das ursprüngliche Herausgebergremium der 1975 gegründeten Zeitschrift »Geschichte und Gesellschaft«, in dem sich die Neuerer zusammenfanden, liefert einen Beleg. Es weist 16 Namen auf.9 Neun ihrer Träger wurden zwischen 1930 und 1935 geboren, zwei davor, die übrigen danach.10 Vier Jahre später, auf dem Höhepunkt ihrer Deutungsmacht, zogen drei von ihnen zusammen mit weiteren 31 Autoren - fast ausnahmslos Männer - in einem Sammelband Zwischenbilanz, in der sie in Gestalt von »Stichworten zur geistigen Situation der Zeit« eine überaus kritische Zeitdiagnose stellten.11 Näher in der Gegenwart übernahm Wehler in seinem Nachruf auf Wolfgang J. Mommsen mit leichtem Sträuben »den semantischen Modetrend mit seiner Aufwertung des Generationenbegriffs« und sprach nun selber von der »Generation '45«, die er mit den Jahrgängen 1926/27 bis 1941/42 so auslegte, dass von Thomas Nipperdey bis Winfried Schulze alle diejenigen hineinpassten, die gemeinsam ein Generationenprojekt betrieben.12 Wie dieses beschaffen war, hat Wehler wieder und wieder beschrieben und kann als bekannt vorausgesetzt werden. Auch noch so viele Personenlisten könnten jedoch den Eindruck nicht widerlegen, dass von der Eintracht einer ganzen Generation ernsthaft nicht die Rede sein kann. Man muss sich nur das Autorenverzeichnis im Sammelband zum Historikerstreit ansehen, in dem, von Richard Löwenthal (1908-1991) einerseits und Micha Brumlik (geb. 1947) andererseits abgesehen, alle Beteiligten grosso modo den von Wehler umrissenen Jahrgängen angehören.13 Einige wie etwa Nipperdey und der ansonsten von Wehler ebenfalls zu den Seinen gezählte Karl Dietrich Bracher14 stehen hier freilich auf der Gegenseite, nicht weil sie Ernst Noltes fragwürdige Behauptungen teilen, sondern weil sie die von Wehler und Habermas errichtete »Herrschaft des Verdachts« (Nipperdey) bekämpfen. Bei näherem Zusehen umfasst die von Wehler, Mommsen und anderen solchermaßen apostrophierte »Generation '45« nicht mehr als ungefähr 15 Historiker für Neueste 9

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Helmut Berding, Klaus von Beyme, Dietrich Geyer, Albert Jeck, Jürgen Kocka, Reinhart Koselleck, Wolf Lepenies, Wolfgang J. Mommsen, Hans-Jürgen Puhle, Reinhard Rürup, Fritz Sack, Wolfgang Schieder, Hans-Christoph Schröder, Richard H. Tilly, Hans-Ulrich Wehler, Heinrich August Winkler. Trotz einiger Austritte und etlicher Kooptationen blieb diese Gruppe bis gegen Ende der 1980er Jahre um den anfänglichen Jahrgangskern zentriert. Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur geistigen Situation der Zeit, 2 Bde., Frankfurt a. M. 1979. Hans-Ulrich Wehler, Wolfgang J. Mommsen 1930-2004, in: GG 31 (2005), S. 138 f. Er nennt an dieser Stelle Dahrendorf, Habermas, Lepsius, Christian Meier, Nipperdey, Böckenförde, Kocka, Grimm, Rürup, Winkler, Hans u. Wolfgang J. Mommsen. Drei Jahre später hat Wehler alle Bedenken gegen das Generationenkonzept abgelegt; die etwa zwischen 1929 und 1941 geborenen Wissenschaftler und engagierten Demokraten stellten seiner Meinung nach »ein auffalliges Unikat« dar; Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 5 (1949-1990), München 2008, S. 186. Ernst Piper (Hg.), »Historikerstreit«. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München/Zürich 1987. Zu Bracher als Opfer »klerikal-konfessionalistischen« oder politischen Widerstandes am Beginn seiner Hochschulkarriere Hans-Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, in: Habermas, Stichworte, Bd. 2, S. 722 f.

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Geschichte, die mit vergleichbar motivierten Personen in den Nachbarfächern Soziologie15 und Politikwissenschaft eng zusammenarbeiten, institutionell gut verankert, forschungs- und entsprechend finanzstark sind und nicht zuletzt über eine ungewöhnlich große Medienpräsenz verfügen. Von ihrem Gegenstück lässt sich jedoch vielfach dasselbe sagen, was nur bedeutet, dass die deutsche Geschichtswissenschaft inzwischen dank ihrer Größe eine ganze Reihe von >Parallelgesellschaften< zu beherbergen vermag, von denen in der Neueren und Neuesten Geschichte wenigstens zwei exakt derselben Alterskohorte angehören und einige ihrer Führungsfiguren denselben akademischen Lehrer - Theodor Schieder - haben. Das alles mahnt zu großer Vorsicht, was das Thema >Generation< betrifft, das die Historiker seit ca. 20 Jahren wieder verstärkt rezipieren. Da es sich um einen Grandbegriff der politisch-sozialen Sprache handelt, ist er als Konzept fast interessanter denn als analytisches Instrument. Bernd Weisbrod lieferte vor kurzem eine Dekonstruktion des oft vorschnell zur Hand genommenen Generationenparadigmas: Es sei ein typisch deutsches, männerzentriertes und tief in der nationalen Tradition verankertes Deutungsschema zur Interpretation politisch-kulturellen Wandels.16 Was sich in den Worten Wehlers als Generation der »45er« darstellt, ist eher eine »Erzählgemeinschaft«, die sich - eine kultursoziologische Trivialität - desto eher Gehör verschafft, je besser sie die Regeln des gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses beherrscht. In dieser Hinsicht haben die Wehler'sehen »45er« allerdings die Nase vorn. Vertreter konkurrierender Erzählgemeinschaften sind beispielsweise im Interviewband »Versäumte Fragen« nur in Gestalt von Lothar Gall, Imanuel Geiss und Michael Stürmer vertreten. Die übrigen 14 kann man der von Wehler dominierten Erzählgemeinschaft zurechnen, wenn auch nicht in allen Fällen dem inneren Zirkel. Für die Angehörigen des Jahrgangs 1943 gilt das nicht. Und damit bin ich endlich beim Thema.

2. Die 1943er, methodisch gesehen Es geht um ein Forschungsprojekt, das von Heinz Duchhardt und dem Verfasser angestoßen, von Jürgen Reulecke begleitet und von Barbara Stambolis durchgeführt worden ist.17 Ein klar umrissenes Sample sollte aus Anlass seines mehr oder weniger kurz bevorstehenden Eintritts in den Ruhestand auf der Grundlage lebensgeschichtlicher Inter15

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»Na, für uns war diese >Mission der Soziologie< doch die Überwindung der nationalsozialistischen Kategorien. Soziologie war die kognitive Befreiung vom Nationalsozialismus«; M. Rainer Lepsius, Soziologie als Profession, hrsg. v. Adalbert Hepp/Martina Low, Frankfurt a. M., New York 2008, S. 14. Bernd Weisbrod, Cultures of Change: Generations in the Politics and Memory of Modern Germany, in: Stephen Lovell (Hg.), Generations in Twentieth Century Europe, Basingstoke 2007, S. 19-35. Barbara Stambolis, Leben mit und in der Geschichte. Deutsche Historiker Jahrgang 1943, Essen 2010.

Keine Neigung, die » Väter in die Pfanne zu hauen«

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views über Kindheit, Jugend, Werdegang und Berufsausübung Auskunft geben. Außerdem lagen natürlich die >harten< biographisch-beruflichen Daten vor und schließlich sollten die Befragten auch noch sowohl ca. zehn ihrer wichtigsten eigenen Produkte Bücher oder Aufsätze - benennen als auch solche Titel, die ihnen für ihre Auffassung von Geschichte am bedeutsamsten waren. Damit hebt sich diese Studie in mehrfacher Hinsicht von vergleichbaren Untersuchungen ab: 1. fehlen den 1943ern alle Attribute einer Erzählgemeinschaft. Nur ein Bruchteil kennt sich persönlich - dann aber nicht wegen des Geburtsdatums - , keiner hatte einen annähernd vollständigen Überblick. Wir rechneten anfangs mit etwas mehr als 20 Personen und erst gründliche und aufwendige Recherchen förderten dann eine doppelt so große Zahl von Probanden zutage. Es ist auch unwahrscheinlich, dass die Untersuchungen von Barbara Stambolis die 1943er zu einer solchen machen. Das hat sich schon in Hofgeismar gezeigt, wo zur Halbzeit des Projekts eine Zwischenbilanz gezogen wurde,18 und nicht mehr als 13 Angehörige des Jahrgangs anreisten. Der Bedarf zur Selbststilisierung hält sich erkennbar in Grenzen. 2. fehlten den 1943ern selbst dann alle Attribute einer Generation, wenn sie mehrere Jahrgänge umfassen würden. Das jedenfalls sagen uns Spezialisten wie Heinz Bude und Ulrich Herrmann. Letzterer stellt für die zwischen 1939 und 1948 Geborenen fest, dass für sie so gut wie keine Konflikte das kollektive Erleben bestimmt, sondern nach den ersten fünf bis zehn Lebensjahren sich angesichts von Wirtschaftswunder, Vollbeschäftigung und Frieden die Dinge gewissermaßen von selbst geregelt hätten.19 Herrmann bezeichnet diese Alterskohorte unter Berufung auf Reulecke und andere als »Brücken-« bzw. »Zwischengeneration«.20 Bude jedoch hält aus denselben Gründen das Prädikat »Generation« in diesem Falle überhaupt für unzulässig, weil es die Diskontinuität betonen soll, d. h. ein »Sezessions-« und »Durchsetzungsbegriff« sei.21 3. wurde kein anderer Jahrgang, geschweige denn eine Kohorte oder Generation bislang auch nur annähernd so lückenlos erfasst, befragt und interpretiert.22 Man mag ein18

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Tagungsbericht »Jahrgang 1943 - zu den Konturen einer Historikerkohorte«, 3. bis 5.9.2008 in (http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=2273). In den Interviews stellen die meisten dies allerdings anders dar. Ulrich Herrmann, »ungenau in der Welt« - kein Krawall, kein Protest: Der unaufhaltsame Aufstieg um 1940 Geborener in einer »Generationen«-Lücke, in: Jürgen Reulecke (Hg.), Generationalität und Lebensgeschichte im 20. Jahrhundert, München 2003, S. 178, 185. Heinz Bude, »Generation« im Kontext. Von den Kriegs- zu den Wohlfahrtsstaatsgenerationen, in: Ulrike Jureit/Michael Wildt (Hg.), Generationen. Zur Relevanz eines wissenschaftlichen Grundbegriffs, Hamburg 2005, S. 34. Das Sample umfasst sämtliche Historiker dieses Jahrgangs, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind oder hier als Professoren oder in vergleichbarer forschungsrelevanter Spitzenstellung arbeiten: Gerd Althoff, Bodo v. Borries, Peter Borscheid, Hans-Joachim Braun, Hinnerk Bruhns, Johannes Burkhardt, Eberhard Demm, Christof Dipper, Dieter Dowe, Heinz Duchhardt, Jost Dülffer, Bernd Faulenbach, Dieter Geuenich, Raban v. Haehling, Heinz-Gerhard Haupt, Dirk

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wenden, das sei bei einem Sample von 44 Personen (plus zwei >Totalverweigerernkritische Masse< vorhanden ist, die vier zusammenfassende Feststellungen erlaubt. Eine erste betrifft die Generativität, die intergenerationelle Lagerungsbedingung dieses Jahrgangs, und gilt darum vielleicht für seine Gesamtheit. Die 1943er traten in die Welt der Geschichtswissenschaft ein, als die »45er« allgemein und besonders die um >Bielefeld< gescharte Erzählgemeinschaft deren Erscheinungsbild bereits tiefgreifend zu ändern begonnen hatten. Die 101 Professoren des Jahres 1960 hatten das Fach noch weitgehend unter Kontrolle, die 405, die es 15 Jahre später in der alten Bundesrepublik gab, 32 nicht mehr. Daraus folgt, dass Pluralismus zu den Urerfahrungen der 1943er gehört und diesen Jahrgang mehr als seine Vorgänger prägt. Es mussten keine >Väter< 32

Die Zahlen bei Raphael, Beruf, S. 40. Viel geringere Zahlen referiert Wehler aus einem Aufsatz Conzes: Hans-Ulrich Wehler, Geschichtswissenschaft heute, in: Habermas, Stichworte, Bd. 2, S. 739, Tab. I.

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beiseitegeschoben werden, es brauchte keinen »zornigen Blick« 33 auf die deutsche Geschichte als Antriebsmoment, es gab, anders gesehen, mehr Handlungs- und Interpretationsspielräume, mehr Freiheit. Das ist schädlich für Prozesse der Vergemeinschaftung - eine von den 1943ern dominierte wissenschaftliche Gruppe, Thematik oder ein Zugriff sind nicht zu erkennen - , erhöht aber natürlich die Optionen. Historiographisch schlug sich diese Grundkonstellation in zweifacher Form nieder. Geschichte als Historische Sozialwissenschaft war diesem Jahrgang keine unerhörte Neuigkeit und schon gar keine Ketzerei mehr - das gilt ausdrücklich bis hin zur Alten Geschichte 34 - , sondern ein anerkannter, von vielen auch praktizierter Zugang zur Geschichte, der die Deutungsmöglichkeiten der Vergangenheit erheblich bereichert. Es findet sich bei ihm aber schwerlich ein Beitrag, der daraus eine neue Orthodoxie machen möchte, wie das namentlich Wehler und Kocka immer wieder versucht haben. Die kulturgeschichtliche Erweiterung dieses Ansatzes stieß bei den 1943ern nicht auf Widerstand, ja, die Alltagsgeschichte hat in Alf Lüdtke einen 1943er, der ihr mit Entschiedenheit und Erfolg den Weg bereitete. Eine zweite Folge der Urerfahrung des Pluralismus ist die von Stambolis diagnostizierte Distanz der 1943er gegenüber Meistererzählungen. Der linguistic turn, der die 1943er in einem Alter erreicht hat, das sie gleichermaßen vor reflexartiger Abwehr wie übertreibender Unterwerfung bewahrt hat, wirkte als Verstärker ihrer Vorbehalte. Die Sonderwegsthese erschien »so gut wie keinem der Interviewten [...] überhaupt noch diskutierenswert«, 35 die Modernisierungstheorie betrachten sie als hilfreiches, inzwischen aber obsolet gewordenes Verfahren der vergleichenden Betrachtung und noch weniger vermögen sie mit der These eines säkularen Prozesses der Verwestlichung als Ziel der deutschen Geschichte anzufangen. Das alles mag auch in anderen Alterskohorten zu beobachten sein, nur war der Jahrgang 1943 diesen Deutungsangeboten wohl viel massiver ausgesetzt als spätere. Offenbar bewirkte der institutionalisierte Pluralismus, dass die Schüler der »skeptischen Generation« dieser selbst mit Skepsis begegneten. Das gilt auch für anderes. Schon eingangs war darauf hingewiesen geworden, dass die 1943er den Wissenschaftsbetrieb nicht als Abfolge von Deutungskämpfen zu verstehen pflegen. Dementsprechend finden sich ihre Namen auch kaum in den Dokumenten solcher Auseinandersetzungen. Die Fischer-Kontroverse erlebten sie noch ziemlich jung, einige hautnah als Schüler, und zwar auf beiden Seiten. Ein gutes Dutzend Jahre später, beim Streit zwischen Intentionalisten und Funktionalisten, verhielt es sich ebenso, und in beiden Fällen sahen sie vielleicht früher als die direkt Beteiligten die Grenzen der davon erwarteten Erkenntnisfortschritte. Im Historikerstreit war es nicht anders, doch diesmal meldeten sich mit Horst Möller und Hagen Schulze zwei Jahrgangsangehörige zu Wort, weil sie die von Habermas und Wehler vorgetragene Verschwörungstheorie für unzutreffend und gegenüber ihren Lehrern für ehrverletzend hielten. Aber im 33 34 35

Stambolis Leben, S. 233, in Anlehnung an Conzes Diktum von der »zornigen Abkehr«. Ebd., S. 237. Ebd., S. 224.

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Grunde betraf der Streit die 1943er nicht; es diskutierte hier »die Generation der >45erFlakhelfer-< oder »skeptische Generation«^ 6 mit der für sie typischen Vorstellung, eine Mission erfüllen zu sollen. So gesehen ist es eben doch nicht so »zufällig«, wie Thamer selber es sieht,37 sondern im Gegenteil wohl viel eher symptomatisch, dass ein 1943er das Bedürfnis nach weithin angemahnter Historisierung des Nationalsozialismus als einer der ersten befriedigt und die bis heute Maßstäbe setzende Gesamtdarstellung des Nationalsozialismus geschrieben hat.38 Es ist die nüchtern-konstruktive Antwort auf jahrzehntelange Kämpfe um ein nationalpädagogisch angemessenes Geschichtsbild, das so ganz anders beschaffen ist, als es sich viele der »45er« wohl gewünscht hatten. Vergleichbares lässt sich auch für andere Zeitepochen finden. Schulze beispielsweise lieferte fast zeitgleich zu Thamers »Drittem Reich« eine unaufgeregte, an dem, was als europäische Normalität gelten kann, ausgerichtete Geschichte der deutschen Nationswerdung - immerhin dem Objekt hemmungsloser Hypostasierung in früheren Zeiten und dann, nach zwei Jahrzehnten Trauer und Tragik, gnadenloser Abrechnung vor allem durch die >Bielefelder< Erzählgemeinschaft.39 Orientierung an europäischer Normalität verrät auch das dreibändige Projekt, das Schulze gemeinsam mit einem anderen 1943er, Etienne François, zu den deutschen Erinnerungsorten organisiert hat, ohne dass dadurch der von und in Deutschland herbeigeführte Zivilisationsbruch verharmlost oder an den Rand gerückt würde. Aber Auschwitz ist eben nicht der Ort, auf den sich die deutsche Geschichte, seit wann auch immer, zwingend hinbewegt hätte.40 Dieter Langewiesche, der einzige Leibniz-Preisträger dieses Jahrgangs, verfolgt mit seinem in etlichen Anläufen unternommenen Versuch, die Varianten des europäischen Nationalstaats zu beschreiben, ebenfalls das Ziel, vergangenheitspolitische Geschichtsschreibung durch umfassende Vergleiche zu neutralisieren und die Vielfalt geschichtlicher Möglichkeiten zu betonen.41 Schon an diesen wenigen Beispielen werden zwei weitere Merkmale des den 1943er Jahrgang wohl kennzeichnenden Umgangs mit der Geschichte deutlich. Da ist zum einen das offene Bekenntnis zum Historismus - in den Augen der >Bielefelder< eine Todsünde, da sie Historismus zu assoziieren pflegen mit Verstehensorientiertheit, Theoriefeindlichkeit, blutleerer Ideengeschichte, Gegenwartsverweigerung, und deshalb mit

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Ulrich Herbert, zit. ebd., S. 231. Ebd., S. 229. Hans-Ulrich Thamer, Verfuhrung und Gewalt. Deutschland 1933-1945, Berlin 1986. Hagen Schulze, Der Weg zum Nationalstaat. Die deutsche Nationalbewegung vom 18. Jahrhundert bis zur Reichsgründung, München 1985. Etienne François/Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 3 Bde., München 2001; Bd. 1, Einleitung. Dieter Langewiesche, Europa zwischen Restauration und Revolution (1815-1848), München 1984; ders., Reich, Nation, Föderation. Deutschland und Europa, München 2008. Auf weitere Belege wird verzichtet.

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dem Programm einer »Geschichtswissenschaft jenseits des Historismus« antraten.42 Die 1943er wissen natürlich um die Schwächen des im 19. Jahrhundert entwickelten Verstehens- und Beschreibungsmodells und vertreten einen erneuerten, geläuterten Historismus, am treffendsten von Langewiesche beschrieben als Verfahren, demzufolge die Geschichte »nicht auf die Gegenwart ausgerichtet [wird], doch der Gegenwart werden Fragen entnommen, mit deren Hilfe der Blick in die Vergangenheit die vorherrschenden Deutungsspuren verläßt«.43 Auch die Beiträge zum begriffsgeschichtlichen Lexikon (Burkhardt, Dipper, Klippel), das in >Bielefeld< von Anbeginn an unter Historismusverdacht stand und entsprechend abgelehnt wurde,44 gehört hierher.45 Zum anderen kennzeichnet die 1943er im Vergleich mit ihrer Lehrergeneration, dass sie den Blick, ja sogar den Schritt ins Ausland ganz entschieden wagen. Von Lammers und Rebas abgesehen, gingen nicht weniger als sechs dauerhaft ins Ausland (Bruhns, Demm, Kaiser, von Müller, Richter, Schwinges), drei weitere wechselten zwischen Inund Ausland (Haupt, Hoerder, Schulze) - insgesamt fast ein Viertel des Jahrgangs. Das ist, wie die Interviews verraten, teils ein Effekt knapper Stellen in Deutschland, teils aber auch eine bewusste Entscheidung, eine direkte und produktive Antwort auf die Westintegration der Bundesrepublik mit ihren intellektuellen Horizonterweiterungen. Letztere wird auch sichtbar beim Blick auf die Publikationsverzeichnisse. Wer sich mit ausländischer Geschichte befasst, hat kaum die klassischen bilateralen Beziehungen im Blick, sondern wagt das Eintauchen in die fremde Kultur. Auch hier schlägt sich der Pluralismus nieder: Bei den 1943ern gibt es keine Konzentration, man könnte auch sagen: keine Beschränkung auf angloamerikanische Geschichte, wie sie vor allem aus nationalpädagogischen Absichten bei den >Bielefeldern< populär war. Skandinavien, Irland, Frankreich, Italien sowie die Nachbarkulturen der Schweiz und Österreichs kommen nun hinzu. Schließlich Europa, und zwar im Wortsinne, nicht als Schlagwort, mit dem gerne grenzüberschreitende Ausflüge aufgewertet werden. Es mag genügen, hier als Beleg Duchhardt zu nennen, der anders als seine Vorgänger auf dem Mainzer Direktorenposten europäische Geschichte nicht nur organisiert, sondern praktiziert.46

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So der Titel von Wolfgang J. Mommsens Düsseldorfer Antrittsvorlesung von 1970, 2. Aufl. d. Druckausgabe, Düsseldorf 1972. Langewiesche, Reich, S. 10, und ganz allgemein seine Gesammelten Aufsätze: Zeitwende. Geschichtsdenken heute, Göttingen 2008. Die Begriffsgeschichte »wird m. E. schon auf mittlere Sicht in die historistische Sackgasse führen«; Wehler, Geschichtswissenschaft, S. 725. Die größere Unbefangenheit der 1943er schlägt sich auch nieder in Themen wie Kirche, Raum und Umwelt. Radkaus in Bielefeld (!) geschriebene Max-Weber-Biographie stellt an kritischer Distanz Wolfgang J. Mommsens Dissertation von 1959 bei weitem in den Schatten - auch das ein Beleg, wie unbefangen-provokant sich ein 1943er am Halbgott der Historischen Sozialwissenschaft abarbeitet. Stambolis weist daraufhin, dass es allein drei Festschriften mit Europabezug gibt; Leben, S. 222, Anm. 30.

Keine Neigung, die »Väter in die Pfanne zu hauen«

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Das vierte und letzte Stichwort gilt dem Thema > Sichtbarkeit^ Aus vielen Interviews geht hervor, dass die 1943er sich vielfach als >eingeklemmt< zwischen den »45ern« und den »68ern« sehen und entsprechend wenig sichtbar sind. Daran sind zunächst einmal die ganz unterschiedlichen Größenordnungen schuld, von denen bereits die Rede war. Es hat aber auch mit Netzwerken und dem geringen Geburtsabstand zu den »45ern« zu tun. Stambolis demonstriert das an den Beispielen der Zeitschrift »Geschichte und Gesellschaft« und dem »Arbeitskreis für moderne Sozialgeschichte«: Mit Langewiesches Präsenz in beiden, Dippers im Arbeitskreis seien die 1943er »ausgesprochen unterrepräsentiert«, die nächste Generation um so stärker 47 Auf den ersten Blick ist das richtig. Aber wenn man Klaus Tenfelde, Jahrgang 1944, hinzunimmt, der in beiden Gremien Mitglied ist, stellt sich die Lage schon wieder anders dar, ganz abgesehen von Stambolis' eigenem Hinweis, dass die Präsenz der 1943er als Autoren darunter offenbar nicht gelitten habe. Der Arbeitskreis war, nachdem die Gründerväter (Jahrgänge 1898-1912) ihre Schüler (Jahrgänge 1920-1935 plus Ausnahmen) kooptiert hatten, tatsächlich für Historiker lange Zeit eine Art geschlossene Gesellschaft, aber nur, weil er, wie der langjährige Geschäftsführer versichert, möglichst Erweiterungen in Nachbardisziplinen suchte.48 Als dieses Konzept in den späten 1990ern endgültig in die Krise kam, holte sich der Arbeitskreis tatsächlich neue Mitglieder, die alle nach 1950 geboren waren, denn von ihnen erhoffte man sich 25 Jahre aktiver Mitarbeit. Die Vorstellung einer Generationengerechtigkeit widerspricht der Idee der Wissenschaft. Außerdem kann wohl festgestellt werden, dass es um Einfluss und Prestige der 1943er besser bestellt ist, als der Jahrgang sich offenbar selber sieht. Nehmen wir nur das Beispiel Zeitschriften: Dipper, Dowe und Möller gaben beziehungsweise geben jahrzehntelang Periodika geschäftsführend heraus,49 gar als Zeitschriftengründer fungierten Duchhardt, Lüdtke und von Müller.50 Über herausgehobene Ehrenämter geben die Kurzbiographien bei Stambolis Auskunft. Aus der Fülle der Angaben, die mannigfach belegen, dass dieses Sample längst seinen Platz in den Organisationen der Geschichtswissenschaft des In- und Auslandes gefunden hat, seien nur summarisch die Mitgliedschaften in Akademien (Duchhardt, Langewiesche, Schwinges, Tennstedt) und Vorsitze in herausgehobenen historischen Leitungsgremien aufgeführt: Braun als Präsident des »International Comittee for the History of Technology«, Faulenbach als Vorsitzender der »Historischen Kommission beim Parteivorstand der SPD«, Langewiesche und Dipper leiteten jeweils für vier Jahre den Fachgutachterausschuss Geschichte der DFG, Duchhardt ist Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA). 47 48 49

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Ebd., S. 217. Schriftliche Mitteilung Ulrich Engelhardts an den Verfasser, 30.3.2010. Neue Politische Literatur, Archiv für Sozialgeschichte, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Einfache Mitgliedschaften in Herausgebergremien bleiben hier ausgeblendet. Jahrbuch für Europäische Geschichte und Majestas, Historische Anthropologie, Journal für Geschichte.

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Sichtbarkeit ist ein Kriterium der massenmedial gesteuerten Gesellschaft. Ob es für die binnendisziplinäre Wahrnehmung von Wissenschaftlern - und die Geschichtswissenschaft ist eine hochgradig selbstreferenzielle Disziplin - ebenfalls als Kriterium taugt, wäre überhaupt noch zu prüfen. Und ob sie für die Welt außerhalb erstrebenswert ist, muss jeder für sich entscheiden. Empirisch aber scheint es eindeutig - und Selbstzeugnisse bestätigen die Befunde - , dass sich verschiedene Alterskohorten, cum grano salis jedenfalls, unterschiedlich dazu verhalten. Angehörige der Generation der »45er« würden die Frage eher bejahen als der Jahrgang 1943, was gemeinhin auf ihre unterschiedlichen Kindheits- und Jugenderfahrungen und, davon abgeleitet, Lebensentwürfe, zurückgeführt wird. Das muss hier nicht wiederholt werden. Weil diese Erfahrungen zunehmend auch von Historikern reflektiert werden, nimmt das Nachdenken über die Zusammenhänge von Historie und Leben ebenfalls zu. Das vollzieht sich zunächst ganz traditionell auf der Ebene des Individuums, aber eine durch das Stahlbad der Historischen Sozialwissenschaft gegangene Geschichtsschreibung kann sich damit nicht begnügen. Serielle Erhebungen bieten sich an; »Versäumte Fragen« sind ein erstes, Stambolis' Untersuchung ein zweites Beispiel, weitere folgen hoffentlich. Denn während wir seit Kosellecks bahnbrechender Untersuchung wissen, wie sich die Zuordnung von Erfahrung und Erwartung im Laufe der Geschichte verschoben hat, sind uns die sich ebenfalls verändernden Bezüge von Biographie und Wissenschaft noch weithin unbekannt. Vielen ist sogar der Gedanke daran geradezu suspekt. In diesem Sinne müsste dann die Metafrage lauten, weshalb gerade der Jahrgang 1943 sich als erster auf die Suche nach den Zusammenhängen von Historie und Leben begeben hat, während die »45er« bzw. die spezifische Erzählgemeinschaft in ihren Reihen sich gewissermaßen von wütenden »68ern« auf diesen Konnex haben stoßen lassen müssen. Es ist zu hoffen, dass das Ergebnis mehr bietet als die von vielen erwartete Präsentation »Alte Historiker stellen sich vor«.51

Richard Bessel am 4.9.2008 in Hofgeismar.

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Wissenschaftler und Parteigänger Ost- und westdeutsche Historiker in den 1970er und 1980er Jahren1

Wolfgang J. Mommsen war nicht nur ein Experte für deutsche Geschichte, sondern auch für das Werk Max Webers sowie die Beziehungen zwischen Politik und historischem Wissen.2 Nun war Weber ein höchst parteiischer Wissenschaftler, doch zugleich stritt er vehement für die Trennung von Wissenschaft und Parteilichkeit. Die auch von Mommsen thematisierte Bilanz historischer Ansätze in Ost- und Westdeutschland in den 1970er und 1980er Jahren, zu der er nicht nur aktiv beitrug, sondern die er zugleich kritisch kommentierte, stellt einen besonders geeigneten Ort dar, um zum einen detailliert die Merkmale geschichtswissenschaftlicher Forschung zu untersuchen und zum anderen aufzuzeigen, wie sehr historische Ansätze sowohl in ihre Entstehungskontexte eingebunden sind als auch diese zugleich transzendieren können. Im Hinblick auf die Dichotomien des Kalten Krieges ergab sich eine gewisse anstrakte Symmetrie. So zogen viele Historiker in der kapitalistischen Bundesrepublik - soweit sie überhaupt explizit theoretische Fragen berücksichtigten - eine klare Linie zwischen dem, was sie als westliche »Objektivität« und dem, was sie als kommunistisches >Dogma« bezeichneten. In der kommunistischen Deutschen Demokratischen Republik hingegen wurde eine spiegelbildliche Unterscheidung zwischen der vermeintlichen »Objektivität« der marxistisch-leninistischen Herangehensweise und der »bourgeoisen Ideologie« vorgenommen, die sich als Geschichtswissenschaft in einem westlichen kapitalistischen Staat ausgebe. Aus größerer Entfernung betrachtet erscheinen solche dichotomischen Herangehensweisen nicht nur überzogen und theoretisch unterentwickelt, sondern auch nur wenig hilfreich, wenn es darum geht, ein nuancierteres Verständnis der historischen Forschung, ob östlich oder westlich der innerdeutschen Grenze, zu erlangen. Mommsen selbst war ein scharfer Kritiker der Art von Parteilichkeit, die mit den Geschichtswissenschaften in der DDR assoziiert wurde:

Aus dem Englischen übersetzt von Birte Meinschien, Kiel. Als Beispiel sei genannt: Wolfgang J. Mommsen, Afterword. Toward a new interpretation of Max Weber, in: Ders., Max Weber and German Politics 1890-1920, Chicago 1990, S. 4 1 5 ^ 5 4 [Englischsprachige Ausgabe übersetzt von Michael Steinberg, deutscher Titel: Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, div. Aufl., erstmals Tübingen 1959],

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»Zwischen Parteilichkeit im Sinne einer Interpretation geschichtlicher Entwicklungen von einem bestimmten Parteistandpunkt aus, die die gewonnenen Ergebnisse zu fundamentalistischen Aussagen hypostasiert, die angeblich aus dem objektiven Geschichtsprozess selbst resultieren oder doch aus ihm ableitbar sind, und einer Interpretation vergangener Wirklichkeit aufgrund einer bestimmten, auf Wertgesichtspunkten und/oder theoretischen Einsichten, die sich der Partialität ihrer selbst bewußt bleibt, ist ein himmelweiter Unterschied. Während es sich bei der ersten Verfahrensweise um reinen Dogmatismus handelt, gerade weil er ausschließlich >aus der Sache heraus< zu argumentieren vorgibt, ist die zweite Verfahrensweise offen gegenüber intersubjektiver Überprüfung, sei es gemessen an den eigenen Prämissen, sei es im Lichte von vernachlässigten oder neu zutage geforderten Tatsachen.«3

Wie viele andere zu dieser Zeit, so bezog sich auch Mommsen mit seiner Unterscheidung auf die Umstände der intellektuellen Auseinandersetzung und die Offenheit des Diskurses für intersubjektive Kritik und die Bereitschaft zu Änderungen, sobald neue Erkenntnisse auftauchten.4 Auf dieser Grundlage war aber kein ebenbürtiger Vergleich zwischen den Ergebnissen der historischen Forschung, die im engen Korsett des DDR-Staates erfolgten, und jenen, die in der freieren demokratischen Bundesrepublik erzielt wurden, möglich. Und doch publizierten ostdeutsche Historiker während der 1970er und 1980er Jahre eine Reihe von Werken, welche im Westen ein unerwartet positives Echo hervorriefen. Zudem waren einige der damaligen geschichtswissenschaftlichen Kontroversen in Westdeutschland allem Augenschein nach mehr politischer Natur. Sie basierten keineswegs allein auf tatsächlichen oder auch nur vermeintlich historischen Erkenntnissen. Die Frage des Verhältnisses von Wissenschaft und Parteilichkeit stellt sich also als weit komplexer dar, als es auf den ersten Blick erscheinen mag, und ein Rückblick auf die geschichtswissenschaftlichen Ansätze während dieser entscheidenden Jahrzehnte kann somit zur Erhellung einiger grundlegender Fragen beitragen, die noch heute die Beschäftigung mit Geschichte anleiten.

1. Standortgebundene Historiker Für die Historiker im Westen war die Beschreibung, Erklärung und Interpretation der Vergangenheit nicht länger durch jenen naiven Realismus gekennzeichnet, der sich in der Aussage manifestiert, der Historiker solle beschreiben >wie es wirklich gewesen istGroßen Erzählungen< noch nicht vollständig an ein Ende gekommen war, kannten dennoch viele westdeutsche Historiker die einschlägigen Debatten, die von den USA auf Europa übergriffen und von den Werken Hayden Whites und 3

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Wolfgang J. Mommsen, Der perspektivische Charakter historischer Aussagen und das Problem von Parteilichkeit und Objektivität historischer Erkenntnis, in: Reinhart Koselleck/Wolfgang J. Mommsen/Jörn Rüsen (Hg.), Objektivität und Parteilichkeit in der Geschichtswissenschaft (= Theorie der Geschichte. Beiträge zur Historik. Bd. 1), München 1977, S. 441-468, hier S. 448. Als Beispiel sei genannt: Jürgen Kocka, Angemessenheitskriterien historischer Argumente, in: Koselleck/Mommsen/Rüsen, Objektivität und Parteilichkeit, S. 469-475.

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anderer inspiriert worden waren. Gleichwohl wies das westdeutsche Universitätssystem einige Besonderheiten auf, gab es doch hier Lehrstühle mit einer engen Bindung an eine politische Richtung und Nachwuchswissenschaftler, die während einer langen Zeit von ihren bekannten Förderern in fast feudalen Abhängigkeiten >gehalten< wurden. In diesem Zusammenhang springen einige generationelle Veränderungen ins Auge: So wurde die »Fischer-Kontroverse« zwar von Fritz Fischer (geb. 1908) angestoßen, also einem Angehörigen der >Kriegsjugendgeneration< und sogar späteren NSDAPMitglied, doch aufgegriffen und vorangetrieben wurde sie vor allem von den mehrheitlich lautstarken Angehörigen einer neuen Generation. So gehörten viele von ihnen zu der Alterskohorte, die für die Bundesrepublik lose als die »45er« bezeichnet wird (und die Wolfgang und Hans Mommsen, geb. 1930, und Hans-Ulrich Wehler, geb. 1931, umfasst) und die ich für die DDR eher als »1929er« bezeichnen würde. Dennoch unterließen es viele von ihnen, die braun eingefarbte Vergangenheit ihrer DoktorväterGeneration, darunter Theodor Schieder und Werner Conze, aufzuhellen. Erst seit den späten 1990er Jahren wurde die Ironie des Umstands von den Angehörigen einer jüngeren Generation westdeutscher Historiker publik gemacht, die darin begründet liegt, dass mehrere Sozialhistoriker, bekannt für ihre >linksliberale< Ausrichtung, sich älteren Historikern verpflichtet fühlten, deren völkische Konzepte und Verbindungen zu den Nationalsozialisten ihre Karrieren im »Dritten Reich« gefördert hatten.5 In der westdeutschen Historikerzunft der 70er und 80er Jahre waren aber karrieretypische Zwänge (inklusive politischer Sympathien) bei der Auswahl von Themen und dem Zugang zu Publikationsmöglichkeiten nicht die einzigen begrenzenden und kanalisierenden Bestimmungsfaktoren. So war es für Frauen ausgesprochen schwierig, eine Position zu erreichen, in der ihre Stimme gehört und ernst genommen wurde - bemerkenswerte Ausnahmen sind Helga Grebing (geb. 1930), Adelheid von Saldern (geb. 1938) und Dorothee Wierling (geb. 1950). Damit ist noch nichts über den sozialen Bias eines Bildungssystems gesagt, das dazu führte, dass in den frühen 1960er Jahren nur vier Prozent der Studentenschaft aus der Arbeiterklasse kamen. Folglich reduzierten sich die Stimmen, die in den historiographischen Debatten auch tatsächlich gehört wurden, auf nur wenige ausgewählte Männer aus den eher professionellen Schichten. In der DDR war die Situation natürlich in vielerlei Hinsicht eine andere: Innerhalb weniger Jahre nach dem Ende des Krieges wurde die ursprüngliche Vielfalt der historiographischen Landschaft rasch abgebaut. Die Historiker mussten sich den Vorgaben der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) unterstellen und wurden danach für politische Zwecke eingespannt. Viele, für die eine solche Entwicklung untragbar war, verließen die DDR in den 1950er Jahren in Richtung Westen. Ständige politisch motivierte Eingriffe in Inhalte und Organisationsform der historischen Forschung führ5

Vgl. z.B. Rüdiger Hohls/Konrad Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, München/Stuttgart 2000; Winfried Schulze/Otto Gerhard Oexle (Hg.), Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1999; Winfried Schulze, Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945, München 1989.

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ten bis 1958 nicht nur dazu, dass Walter Ulbricht selbst direkt in die Formulierung von Thesen zur Revolution von 1918 eingriff, sondern es auch zu einer institutionellen Trennung von dem (nun rein westdeutschen) »Verband der Historiker Deutschlands« und zur Gründung der »Deutschen Historiker Gesellschaft« kam, die sich nur auf die DDR beschränkte.6 Aber auch in der DDR setzte in den 1970er und 1980er Jahren eine Diversifizierung und innere Auflockerung ein, wenn auch in einem bescheidenen Maße. Parallel zur Arbeit an dem älteren und fortgeführten Programm im Geist der parteipolitischen Orthodoxie wurden neue Ansätze entwickelt und neue Themenkomplexe erschlossen. Während teleologische Dogmen, durchbrochen von den berüchtigten >weißen FleckenKriegsjugendgenerationKontinuitäten< und >unbewältigte Vergangenheit in Westdeutschland ansahen. Irgendwo in ihrem Schatten und gleichzeitig diesen antifaschistischen Gründungsvätern< eng verbunden, befand sich die Generation derer, die in den späten Jahren der Weimarer Republik geboren, gänzlich im »Dritten Reich« sozialisiert und in der Gründungsphase der DDR junge Erwachsene waren. Diese Kohorten, für die ich die Bezeichnung »die 1929er« vorziehe, umfasste nicht nur eine überproportional große Zahl von Funktionären in Politik und Wirtschaft und bedeutende Schriftsteller wie Christa Wolf (geb. 1929), sondern auch herausragende Historiker wie Ingrid Mittenzwei (geb. 1929) und Kurt Pätzold (geb. 1930).10 Das für diese Generation auffallige politische Engagement sticht wesentlich weniger bei denjenigen hervor, die nur einige Jahre jünger sind - den während des »Dritten Reiches« geborenen >Kriegskindern< wie Hartmut Zwahr (geboren 1936) und Jörg Roesler (geboren 1940). Dennoch leisteten auch sie sehr wichtige Beiträge. 11 In dieser und den nachfolgenden Kohorten machte sich außerdem in zunehmendem Maße die wachsende Erwerbstätigkeit der Frauen in der DDR bemerkbar - als Beispiel sei hier nur Helga Schultz (geb. 1941) genannt - , auch wenn keine Historikerin in eine institutionelle Führungsposition aufzusteigen vermochte, denn diese verblieben weiterhin fest in männlicher Hand. 12 Die nach dem Krieg geborenen ostdeutschen Historiker scheinen den politischen Konformitätsdruck in einem größeren Maße gespürt zu haben: Unter der >Ersten FDJ-Generation< stechen Stefan Wolle und Armin Mitter heraus, welche in den Anfangsjahren der DDR geboren wurden und aufwuchsen, sich danach nur widerwillig an die Zwänge des Systems anpassten und schließlich zu denjenigen gehörten, die bei seiner Zerstörung mitwirkten. 13 Andere schafften erst gar nicht 10

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Zu den alternativen Bezeichnungen zählen der noch junge Begriff »45er« unter Bezug auf die intellektuellen Vertreter dieser Altersgruppe in Westdeutschland (wo sich jedoch die generationellen Dynamiken deutlich anders auswirkten) sowie die älteren und weniger zutreffenden Termini »Flakhelfergeneration« und »Hitler-Jugend-Generation«. Im Bezug auf die Wahrnehmung des Drucks zur damaligen Zeit sei als Beispiel genannt: Hartmut Zwahr, Die erfrorenen Flügel der Schwalbe. DDR und »Prager Frühling«. Tagebuch einer Krise 1968-1970, Bonn 2007. Zwahr, der Mitglied der SED wurde, war einer der wenigen, dessen Leistungen als Sozialhistoriker sowohl in der DDR akzeptiert wurden, aber auch von Historikern aus dem Westen positiv bewertet wurden. Es gelang ihm erfolgreich, den Umbruch von 1989/90 zu bewältigen, er gab gemeinsam mit Hartmut Kaelble und Jürgen Kocka ein bedeutendes Werk heraus: Hartmut Kaelble/Jürgen Kocka/Hartmut Zwahr (Hg.), Sozialgeschichte der DDR, Stuttgart 1994. Siehe hierfür ζ. B. die Auswahlen aus den Arbeiten von Sigrid Jacobeit, Susanne Schötz und Helga Schultz in Georg Iggers (Hg.), Marxist Historiography in Transformation. Orientations in Recent East German History, Oxford 1991. Aufmerksamkeit aus dem Westen erhielten Mitter und Wolle das erste Mal für ihre editierte Sammlung von Stasi-Dokumenten: Armin Mitter/Stefan Wolle (Hg.), »Ich liebe euch doch alle!«

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den Zutritt in die Welt der professionellen Historiker, sei es, weil sie in der Schule negativ aufgefallen waren, sei es, weil sie sich geweigert hatten, Militärdienst zu leisten, oder weil sie sich als Studierende an nicht systemkonformen politischen Aktivitäten beteiligten.

2. >Objektivität< und Parteilichkeit in Ost und West In der DDR wurde Parteilichkeit keineswegs als das Gegenteil von Objektivität gesehen, mehr noch, sie wurde im Wesentlichen gleichgesetzt mit Objektivität. Selbst als die Historiker aus dem Westen sich von der Idee der >Meistererzählung< abkehrten, blieben die DDR-Historiker der Idee des 19. Jahrhunderts verpflichtet, wonach der Fortschrittsglaube und das Vertrauen in die Wissenschaft Gesetze hervorbrächten, welche die Evolution von Gesellschaft und Natur beschrieben. Außerdem erforderte die ostdeutsche Definition von >ObjektivitätObjektivität< im >Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie< behauptete zum Beispiel: »Die Objektivität] der wissenschaftlichen Erkenntnis überhaupt besteht in der adäquaten Widerspiegelung objektiver Gesetzmäßigkeiten der Wirklichkeit«.14 Anschließend wurde dieses den subjektiven Wünschen< und dem >Wollen und Denken< des einzelnen Forschers gegenübergestellt, welche vollständig abgetrennt werden sollten. Die praktischen Ziele des Forschers lagen in der Wissenschaft selbst begründet. Denn in einer marxistischleninistischen Herangehensweise »ist die Grundlage der objektiven Erkenntnis das ständige Bestreben, zu den materiellen Grundlagen der einzelnen sozialen Erscheinungen vorzudringen, d. h. eine konsequent materialistische Grundhaltung«.15 Wenn in der DDR >Subjektivismus< verurteilt wurde, so bezeichnete >Objektivität die parteiische Unterstützung für die Sache der Partei. Implizit enthalten war in dieser Definition und der dazugehörigen Herangehensweise jedoch genau die fundamentale Ambivalenz, besser gesagt der Selbstwiderspruch, der sich auch in Marx' eigenen Theorien findet. Denn die >wissenschaftlichen Gesetze< des historischen >Fortschritts< sollten letztlich zeigen, dass der Kapitalismus unausweichlich

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Befehle und Lageberichte des MfS. Januar bis November 1989, Berlin 1990. Ihr nachfolgendes Werk dies., Untergang auf Raten. Unbekannte Kapitel der DDR-Geschichte, München 1993, war ein kommerzieller Erfolg und wurde auch von der Kritik positiv im Bezug darauf bewertet, dass es eine sowohl emotionale als auch historisch fundierte Kritik der Repression in der DDR bot, obwohl es von Historikern, die die »Unterdrückungsthese« in Frage stellten, weniger positiv bewertet wurde. Georg Assmann (Hg.), Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, 3. Aufl., Berlin 1983, S. 461. Das entsprechende Wörterbuch der Geschichte beschränkte sich selbst primär auf bedeutende geschichtliche Themen und verzichtete auf Ausflüge in die Sphären von Theorie und Philosophie der Sozialwissenschaften. Ebd., S. 462.

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unter dem Gewicht seiner eigenen Widersprüche zerbrechen werde und dass das Proletariat mit seinem Kampf für die eigene Befreiung zugleich die gesamte Menschheit befreien werde. Doch aufgrund des Problems des >falschen Bewusstseins< und der damit verbundenen Möglichkeit, von den herrschenden Ideen einer Zeit< in die Irre geführt zu werden, war das Proletariat im Kapitalismus sich nicht unbedingt dessen bewusst, was im Sinne seiner vermeintlichen w a h r e n Klasseninteressen< war. Es bedurfte daher - vor allem in Lenins Deutung - der Unterstützung der avantgardistischen Partei, um ihm den Weg zu weisen, auch wenn diese sich damit im Gegensatz zu dem befand, was das Proletariat vordergründig zu wollen glaubte. Folglich stellte die Verdeutlichung der Gesetze des historischen Fortschritts eine politische Kernaufgabe dar. 16 In der Formulierung Ernst Engelbergs waren die Historiker mit den folgenden Pflichten betraut: »[...] zur sozialistischen Bewußtseinsbildung beizutragen, die wissenschaftliche Einsicht in die verschiedenen Seiten des sozialistischen Aufbaus zu vertiefen und zu verbreiten, an der Ausarbeitung der Lehre von der Leitung und Entwicklung der Gesellschaft teilzunehmen.« 17

Die Anhebung des historischen Bewusstseins in eine bestimmte politische Richtung blieb unhinterfragt, da sie angeblich den unterschwelligen Gesetzen der historischen Entwicklung folgte. Die westdeutsche Historiographie dagegen war in dem Sinne offen, dass sie die Möglichkeit zu verschiedenen Herangehensweisen an die Geschichte bot, welche in Frage gestellt und auch angefochten werden konnten, ohne dass ein einzelnes Paradigma eine eindeutige Vormachtstellung erlangte oder auch die Unterstützung sämtlicher politischer Kräfte. Wertneutralität war aber auch im Westen nicht immer ein besonders auffallendes Merkmal der historischen Zunft. Bei einer Betrachtung von außen ergibt sich vielmehr eine bemerkenswerte Verbindung verschiedener theoretischer und methodologischer Ansätze mit politischen Ausrichtungen. Während die Politikgeschichte und >Geschichte von oben< oft als >konservativ< oder >nationalkonservativ< tituliert wurden, verband sich die Zuschreibung >linksliberal< häufig mit der >Gesellschaftsgeschichte< der sogenannten Bielefelder SchuleAlltageschichteGeschichte von unten< oder dem sich langsam entwickelnden Bereich der 16

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Vgl. beispielsweise Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (Hg.), Dokumente der SED. Beschlüsse und Erklärungen des Parteivorstandes des Zentralkomitees sowie seines Politbüros und seines Sekretariats. Bd. 3, Berlin 1952, S. 581. Ernst Engelberg, Der umfassende Aufbau des Sozialismus und die Aufgaben der Historiker, Berlin 1964, S. 3. Vgl. zum Beispiel Stefan Berger, The Search for Normality. National Identity and Historical Consciousness in Germany since 1800, Oxford 1997, Kapitel 3 und 4.

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Gender-Geschichte. Aus ihren Reihen sind herausragende Beiträge von so unterschiedlichen Forschern wie Alf Lüdtke oder Detlev Peukert hervorgegangen, die sich nicht einfach einer Kategorie zuordnen lassen. Aufgrund des Kalten Krieges konnten jedoch >marxistische< oder >neo-marxistische< Positionen in der westdeutschen akademischen Landschaft nicht wirklich Fuß fassen, obwohl diese Ansätze in der anglophonen Welt immer mehr Unterstützung erhielten - und das durchaus nicht nur in den radikalen Studierendengruppen im Gefolge von >1968Wertneutralität< der historischen Forschung und Deutung fest. Einige vertraten eine etwas aufgeklärtere Idee der >Standortgebundenheit< nicht nur im Bezug auf die Wissenschaftler selbst, sondern auch ihre spezifischen Herangehensweisen an die Vergangenheit, welche unvermeidbar durch Begriffe und interpretatorische Analyseinstrumente geprägt werden. Dennoch betonten sie die Bedeutung der demokratischen politischen Umstände, und sie klammerten sich an den Glauben, dass die intersubjektive Debatte angemessen sei, um Erkenntnisfortschritte auf der Basis rationaler Argumente und neuer empirischer Beweise zu ermöglichen, zumal sich diese unabhängig von politischer Zweckdienlichkeit oder anderen Überlegungen einstellten. Ob dies wirklich eine hinreichende Begründung fur eine wertneutrale Wissenschaft ist, bleibt dahingestellt. Und diese Frage hat nicht nur mit dem persönlichen Standpunkt der Historiker zu tun, sondern hat auch tiefere theoretische Wurzeln.

3. Theoretische Annahmen Eine >a-theoretische< Geschichte gibt es nicht: Alle historischen Darstellungen werden sowohl von den ihnen zugrunde liegenden Annahmen als auch durch die Beschaffenheit des Untersuchungsgegenstandes strukturiert. Ferner sind sie bestimmt durch die Auswahl der Analyseeinheiten {units of analysis), die Verwendung von ausgewählten Begriffen und Methoden, Annahmen über die Natur einer adäquaten Interpretation und sogar durch Stil und Tonfall in der Verschriftlichung der Ergebnisse. Kurz gesagt, alle historischen Ansätze gründen im Kontext unterschiedlicher Paradigmen - selbst die Historiker, die vorgeben, nichts fur Theorie übrig zu haben, arbeiten unter Verwendung bestimmter impliziter Annahmen, welche ihre Darstellungen konstituieren, strukturieren und prägen. Max Weber hatte also, um es kurz zu fassen, Unrecht, wenn er davon ausging, dass historische Fragen sich nur im Laufe der Zeit verändern würden und dass innerhalb einer gegebenen >Epoche< sogar Menschen mit radikal divergierenden politischen Ansichten sich darauf verständigen könnten, was die vorliegenden Schlüsselprob-

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lerne seien und wie man an sie herangehen sollte. Die Fülle von Paradigmen ist eng mit der Frage von Wertneutralität und dem Status des historischen Wissens jenseits von Mythen und politischen Ideologien verbunden, ein Status, der von den Postmodernisten noch weiter in Frage gestellt wurde. 19 Für ostdeutsche Historiker hingegen war der theoretische Denkansatz vorgegeben, obwohl er eine weitere Ausarbeitung von und kritische Beschäftigung mit der marxistischen Theorie nicht ausschloss. 20 Das Erbe des Historischen Materialismus gab sowohl den Gegenstand der historischen Forschung als auch die zu verwendenden Konzepte vor: Dazu gehörte als das dominierende Erklärungsmuster der historischen Entwicklung die Bezugnahme auf die Produktionsverhältnisse und die dazugehörigen Klassenkämpfe, eine historische Epocheneinteilung anhand der Produktionsverhältnisse, die Vorstellung, dass der geschichtliche Fortschritt durch revolutionäre Sprünge von einer Phase zur nächsten erzielt werde, sowie die Idee, dass der Kommunismus das endgültige Ziel der Geschichte und die DDR einen Abschnitt dieses Weges darstelle. Sich zu diesem theoretischen Zugang zu bekennen, war wichtig, wenn auch nicht von gleicher Bedeutung für alle Epochen und Themen, standen doch die Alte und die Mittelalterliche Geschichte, aber auch die Regionalgeschichte/Landesgeschichte und bis zu einem gewissen Grad auch die Kirchengeschichte nicht in dem gleichen Zwang wie die Neuzeitgeschichte und die Behandlung politisch relevanter Themen. 21 Von ebenfalls essentieller Bedeutung war die Verwendung eines parteiischen Tonfalls, wie Engelberg zusätzlich betonte: »Das Nur-Wissenschaftlertum schränkt ebenso den wissenschaftlichen Erkenntnisbereich ein, wie ein untheoretischer Praktizismus die schöpferische Bewältigung der Aufgaben hemmt. Reiner Intellektualismus wird der Würde und Größe der Geschichtswissenschaft nicht gerecht. Zum Beziehungsreichtum von Denken und Handeln gehört auch das dialektische Wechselverhältnis von Vernunft und Gefühl. Ohne Haß und Liebe wird das krönende Werk des Historikers, die Geschichtsschreibung, blaß in Inhalt und Form.«22

Letzteres ist eine Hervorhebung, die sich nur selten in westdeutschen akademischen geschichtswissenschaftlichen Arbeiten finden lässt - zumindest unter der Vielfalt derjenigen Werke, die als Habilitationsschriften vorgelegt wurden. Doch das Aufkommen der sogenannten >Erbe-Tradition-DebatteErbeTradition< positiv dargestellt und daher mit Stolz betrachtet und in der Forschung weiter vertieft werden sollten, eröffnete den ostdeutschen Historikern wesentlich mehr Spielraum bei der Wahl ihrer Themen. 23 Bereits in den 1960er Jahren war Unbehagen über einen über Gebühr restriktiven Zugang zu Geschichte laut geworden, sodass das Aufkommen neuer Schwerpunkte sich weder allein auf die gerade diskutierten Unterschiede zurückführen lässt noch auf das Ziel des Erwerbs von >nationalem< Prestige in einem Feld, in dem die Teilung international anerkannt war. Gleichwohl, Ingrid Mittenzwei verdeutlichte die Bedeutung dieser Veränderung nochmals in ihrer viel gepriesenen Biographie über Friedrich den Großen. Mittenzwei zufolge waren sich die Historiker bewusst geworden, »dass sich die sozialistische Gesellschaft als Resultat der gesamten bisherigen deutschen Geschichte dem ganzen Erbe in all seiner Widersprüchlichkeit zu stellen habe, auch wenn die Traditionen, auf denen sie fußt, die sie pflegt und fortsetzt, immer einen besonderen Stellenwert in ihrem Erbeverständnis einnehmen werden. Das Bemühen um eine differenzierte Aneignung des historischen Erbes schloss Territorialstaaten und Epochen nicht aus, in denen die Repräsentanten dieser Staaten eine reaktionäre Politik betrieben bzw. sich nur durch den Druck von unten oder den Zwang der Umstände zu Reformen verstanden.«24

Auf diesem Weg schienen sich die erlaubten Themen< in der DDR Geschichte zunehmend jenen des Westens anzugleichen. Der Fokus lag nicht mehr allein auf der Geschichte der Arbeiterklasse, sondern auch auf jener der Eliten. Es war außerdem ein Fokus, der nicht mehr allein auf die soziale Klasse, sondern ebenso auf das Individuum gerichtet war, und ein Fokus nicht mehr allein auf den Klassenkampf, sondern auch auf die Ideologie, welche das Thema Rassismus im »Dritten Reich« mit einschloss. Um es allgemeiner zu fassen, sowohl Ideen als auch materielle Interessen konnten nun berücksichtigt werden. Das bedeutete, dass heikle Themen, über die zuvor allein in Westdeutschland gearbeitet worden war, jetzt ebenfalls für DDR-Historiker zugänglich wurden. Ihre Arbeiten zur Reformation und zum Bauernkrieg, Ernst Engelbergs gewaltige zweibändige Bismarckbiographie, Hartmut Zwahrs Untersuchung des Leipziger Proletariats, die Anerkennung des bürgerlichen Widerstands gegen Hitler in der Gestalt des Attentats vom 20. Juli und die Hinwendung zur Beschäftigung mit dem Antisemitismus im »Dritten Reich«, dies besonders in den Arbeiten Kurt Pätzolds und denen seiner Mitarbeiter, fanden bei westdeutschen Historikern ein unerwartet positives Echo. 25 23

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Vgl. beispielsweise Helmut Meier/Walter Schmidt (Hg.), Erbe und Tradition in der DDR. Die Diskussion der Historiker, Berlin 1988. Ingrid Mittenzwei, Friedrich II. von Preußen, Berlin 1979, S. 7. Siehe beispielsweise Bob Scribner/Gerhard Benecke (Hg.), The German Peasant War of 1525. New Viewpoints, London 1979; Ernst Engelberg, Bismarck. Urpreuße und Reichsgründer, Berlin 1985; ders., Bismarck. Das Reich in der Mitte Europas, Berlin 1990; Hartmut Zwahr, Zur Konstituierung des Proletariats als Klasse. Strukturuntersuchung über das Leipziger Proletariat während der industriellen Revolution, Berlin 1978; Jürgen Danyel (Hg.), Die geteilte Vergangenheit. Zum Umgang mit Nationalsozialismus und Widerstand in beiden deutschen Staaten, Berlin 1995; Ines Reich, Das Bild vom deutschen Widerstand in der Öffentlichkeit und Wissenschaft der DDR, in:

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Es stellt sich jedoch die Frage, in welchem Umfang die neuen thematischen Orientierungen ebenfalls zu einer größeren Offenheit bei den theoretischen Vorannahmen führten und dem, was tatsächlich einen >marxistischen< Zugang zur Geschichte ausmacht. Zwischen Werken dieser Kategorie gibt es große Unterschiede, doch gewisse Kernelemente bleiben weit verbreitet. Zu diesen gehört zum Beispiel die Verwendung einer bestimmten Terminologie für historische Epochen und Entwicklungsstufen; die Bereitschaft, die Klasseninteressen herauszustellen, eine wertende Vorstellung davon, was als >Fortschritt< und was als >Reaktion< zu sehen ist, und explizite Werturteile in der Hinsicht, dass die Leserschaft einseitig in eine bestimmte politische Richtung beeinflusst werden sollte. Die ostdeutschen Historiker der 70er und 80er Jahre bleiben, um es mit anderen Worten auszudrücken, noch immer mutwillige Parteigänger und verwenden das anerkannte allgemeine meta-theoretische System aus den Werken von Marx. Doch gleichzeitig deutet sich eine bemerkenswerte neue Entwicklung an, denn in einigen dieser Werke wird der >relativen Autonomie< der Ideen mehr Raum gegeben oder den wie Max Weber sie genannte hätte - >ideellen Interessen< neben den materiellen InteressenKlasseninteressenPrimat der Politik< auf, an denen damals anerkannte westliche marxistische Wissenschaftler wie Tim Mason beteiligt waren, sondern es kann auch auf fruchtbare Weise mit anderen Ansätzen zu diesen noch ungeklärten Fragen in Verbindung gesetzt werden. Pätzolds Beharren darauf, dass der Rassismus des Nationalsozialismus nicht von den rationalen Planungsverfahren für ein >Nach-dem-EndsiegMitgefühl< für die deutschen Truppen dar, die an der Ostfront kämpften, in einem Werk, das dazu beitrug, den berüchtigten Historikerstreit loszutreten. Daneben stehen Ernst Noltes Wiederaufwärmen von alten nationalsozialistischen Phrasen über den angeblichen >Verteidigungskrieg< und Michael Stürmers expliziter Anschluss an Kanzler Helmut Kohls Streben nach einer Geschichte, auf die die Deutschen >stolz sein< konnten.27 In Hillgrubers Fall stellte der Mangel an offenkundiger Empathie mit den Opfern des nationalsozialistischen Rassismus ein Problem dar, wurde doch deren Leiden durch die Verteidigung des Vaterlandes bis zum bitteren Ende verlängert. Ein anders geartetes Problem war, dass viele westdeutsche Wissenschaftler sich in eine distanzierende Verurteilung flüchteten, statt eine nüchterne Analyse des »Dritten Reiches« durchzuführen. Der aufgrund seiner Arbeiten zu den Strukturen des nationalsozialistischen Staates und den Mustern der öffentlichen Meinung angesehene Historiker Martin Broszat warf die Frage auf, ob die Geschichte dieser Zeit in dem Sinne >normalisiert< werden sollte, dass sie mit denselben Analyseinstrumenten untersucht und dass über sie in demselben Tonfall wie über andere historische Epochen geschrieben werden sollte, um so über eine bloße Kombination von Chronologie und Verurteilung hinauszukommen. Doch es war Saul Friedländer, der das triftigste Plädoyer für die Unmöglichkeit einer solchen Wertneutralität entwickelte. >Wertneutral< zu sein, stelle ebenfalls ein Werturteil dar und betone Grauzonen, Kontinuitäten, die >Normalität des Alltags< wie in den Werken der Alltagshistoriker (die er übrigens als links beschreibt). Tatsächlich aber handelte es sich beim Nationalsozialismus um einen fundamentalen Bruch mit jeglicher Vorstellung von >Normalitätlinguistischen< und >kulturellen< Wenden (welche im Übrigen sich gut mit Webers Idee der >Wahlver27

28

Andreas Hillgruber, Zweierlei Untergang. Die Zerschlagung des deutschen Reiches und das Ende des europäischen Judentums, Berlin 1986; die Beiträge von Nolte und Stürmer und ihren Kritikern sind wiederabgedruckt in Piper Verlag (Hg.), »Historikerstreit«. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München u. a. 1987. Siehe die Beiträge von Martin Broszat und Saul Friedländer in: Peter Baldwin (Hg.), Reworking the Past. Hitler, the Holocaust and the Historians' Dispute, Boston 1990.

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wandtschaften< verbinden ließen), blieben zahlreiche Annahmen über die Beziehungen zwischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Strukturen einerseits und Kulturund Subjektivitätsmustern sowie individuellem Handeln andererseits ungeklärt. Die Anhänger sozialgeschichtlicher Ansätze unter den Historikern spielten die Rolle von Kultur, Mentalitäten und Handlungsfähigkeit (»agency«) häufig herunter, während der Fokus auf die >großen Männer< oder Ideen häufig die Beschränkungen durch gesellschaftliche und ökonomische Strukturen sowie die Rollen der verschiedenen sozialen Klassen missachtete. In diesem Zusammenhang dürfen wir einen bedeutsamen Punkt nicht übersehen. Ungeachtet der Einstellungen und Sympathien des einzelnen Historikers und ungeachtet der politischen Verbindungen und Interessen, gründen sämtliche historische Denkansätze, ob marxistische oder nicht-marxistische, zwangsläufig in apriorischen Annahmen, die nicht empirisch falsifiziert werden können. Die fundamentale Differenz lässt sich wahrscheinlich an der Frage festmachen, ob die Ansichten der Menschen als eigenständige Faktoren gesehen werden, deren Wurzelgrund in bestimmten intellektuellen und kulturellen Kontexten oder auch Mentalitäten identifiziert werden kann, oder ob sie in einer gewissen Weise allein als bloße Folge von Indoktrination eingestuft werden (was eine vielfach im Westen vertretene Ansicht über die Rolle der öffentlichen Meinung in repressiven Regimen darstellte). Gleichermaßen wurden sie in einer marxistischen Denkweise als bloße Folge der ihnen zugrunde liegenden Klasseninteressen und als >Übertölpelung< durch die herrschende Klasse< gedeutet. Die letzteren Annahmen, ob marxistisch oder nichtmarxistisch, zeichnen sich dadurch aus, dass es in ihnen einen versteckten Widerwillen gibt, Meinungen, mit denen man nicht übereinstimmt, als valide anzuerkennen. In den erstgenannten Annahmen hingegen gibt es eine Unbestimmtheit und Schwierigkeiten dabei, Strukturen und Subjektivitäten zu verknüpfen; wobei dieses Verhältnis wissenschaftlich noch weiter ergründet werden muss.

4. Was bleibt? Aus Sicht vieler ostdeutscher Historiker riss die Integration der sich auflösenden DDR in die nun vergrößerte Bundesrepublik der eigenen Karriere den Boden unter Füßen weg. Der Triumph der westdeutschen Historiographie war daher für sie weder apolitisch noch wertneutral. Bei Helga Schultz heißt es dazu: »Was vorgeht, ist ein ideologisch-politisch verbrämter Verteilungskampf um Stellen und Forschungsmittel. Nein, aus unserer Sicht ist es kein Verteilungskampf, sondern eine Landnahme. Und wie bei der ersten Kolonisation des ostelbischen Deutschland beugen wir den Rücken und nehmen die Segnungen der überlegenen Zivilisation hin.« 29

Helga Schultz, Zum Schicksal der Geschichts- und Sozialwissenschaften der DDR seit der Vereinigung. Text vom März 1992 für die »Koordinierungs- und Abwicklungseinrichtung für die In-

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Mary Fulbrook

Nicht nur auf die unmittelbar Betroffenen und Benachteiligten wirkte die weitreichende Transformation der Eliten nach 1989 in gewisser Hinsicht so, als ob im Westen nicht zuletzt der Wunsch handlungsleitend war, die Lehren aus der unzureichenden Entnazifizierung und dem begrenzten Austausch von Funktionsträgem nach 1945 zu ziehen, ja sogar diese im Umgang mit dem DDR-Erbe zu »kompensieren^ Doch für einige marginalisierte ostdeutsche Historiker entpuppte sich genau das Gegenteil als Problem, verstanden es doch viele Mitglieder der alten Garde ihre Pfründe über die Wendejahre hinweg zu retten, während jüngeren und regimekritischeren Köpfen noch immer der Weg verstellt blieb. Aus ihren Reihen war die Kritik zu hören, dass politisch belastete Historiker in die Lage versetzt worden seien, >alte Seilschaften< zu benutzen, um ihre Karrieren nach 1990 fortzusetzen. Jürgen Kocka, kommissarischer Direktor des neugegründeten Forschungsschwerpunkts Zeithistorische Studien in Potsdam (heute: Zentrum für Zeithistorische Forschung [ZZF]), musste sich gegen eine von Armin Mitter und Stefan Wolle ausgelöste Welle der Kritik wehren, als ihm vorgeworfen wurde, dass er belastete DDR-Historiker auf diese Weise >gerettet< habe.30 Hinzu kam, dass durch die Abwicklung der ostdeutschen Akademie-Institute und die drastische Stellenstreichung in der ostdeutschen universitären Geschichtswissenschaft sich die Perspektiven für dortige Historiker auch aus strukturellen Gründen weiter verschlechterten, während eine Flut von westdeutschen Historikern die begrenzte Zahl von offenen Stellen in den >fünf neuen Ländern< in Besitz nahm.31 Wenig bleibt also von der ostdeutschen Historiographie als institutionalisierter >Legitimationswissenschaft< übrig. Doch was bleibt von den Denkweisen der marxistischen Historiker? Und was bleibt von den Herangehensweisen der westdeutschen Historiker in den 1970er und 1980er Jahren, deren Beiträge und Karrieren - im Gegensatz zu jenen ihrer ostdeutschen Kollegen - nicht zum Gegenstand einer genauen Untersuchung wurden? In der gerade erweiterten Bundesrepublik verbreitete sich rasch die Ansicht, wonach mit dem Untergang des >real existierenden Sozialismus< alle theoretischen Herangehensweisen, die unter den einengenden Umständen der DDR entwickelt worden waren, ebenfalls rundherum hinweggefegt worden seien. Nach dieser Auffassung sollte eine Geschichtswissenschaft, die als Legitimationswissenschaft gedient hatte, selbst zur Geschichte werden, und zwar gemeinsam mit dem Staat, der sie sowohl genährt als auch entblößt hatte.

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stitute der Akademie der Wissenschaften der DDR«, (httpV/www.helgaschultz.de/media// DIR_40398/32563b6efcdc2b91ffff863facl44232.pdf). Armin Mitter/Stefan Wolle, Der Bielefelder Weg. Die Vergangenheitsbewältigung der Historiker und die Vereinigung der Funktionäre, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 10.8.1993; zusammen mit vielen nachfolgenden Beiträge zu dieser Debatte abgedruckt in Eckert/Kowalczuk/Stark, Hure oder Muse?, S. 260 ff. Siehe beispielsweise Jürgen Kocka, Die Geschichtswissenschaft in der Vereinigungskrise und die Vereinigung der Wissenschaften, in: Ders., Vereinigungskrise. Zur Geschichte der Gegenwart, Göttingen 1995, S. 47-55.

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Vom Standpunkt des Historikers ist es natürlich höchst wünschenswert, historische Fragen diskutieren zu können, ohne etwaige negative persönliche oder politische Konsequenzen befürchten zu müssen. Weiterhin sind relativ freie Diskussionsmöglichkeiten (denn es ist eine Illusion zu glauben, dass es keine Beschränkungen in westlichen kapitalistischen Demokratien gibt) eine Voraussetzung fur eine genuin durchdachte und selbstkritische Historiographie. Die unbestreitbare Tatsache, dass ost- und westdeutsche Historiker in den 1970er und 80er Jahren ihre Profession unter politisch stark unterschiedlichen Umständen ausübten, sollte uns jedoch nicht dazu verleiten, unzureichende theoretische Schlussfolgerungen zu ziehen. Westdeutsche Herangehensweisen konnten genauso wenig wie ihre ostdeutschen Gegenstücke den immanenten politischen Implikationen der verschiedenen Paradigmen entkommen, auch wenn es im Westen mehr Paradigmen und dadurch größere Wahlmöglichkeiten gab als im Osten. Der wesentliche Unterschied bestand darin, dass in Westdeutschland historische Herangehensweisen offen diskutiert und evaluiert werden konnten, aus Gründen die sich nicht auf ihre Funktionalität in politischen Kontexten oder ihre Fähigkeit zur Instrumentalisierung beschränkten. Es ist ungeheuer wichtig, dass die Formulierung von Bewertungskriterien anhand von Begriffen erfolgen sollte, die von Historikern und nicht von tonangebenden Politikern entwickelt wurden. Doch diese Tatsache birgt noch keine Antwort auf die umfassenderen theoretischen Fragen. Denn unabhängig von ihren politischen Implikationen und Verbindungen können historische Paradigmen bezüglich ihrer zugrundeliegenden Prämissen in großem Umfang differieren, besonders im Hinblick auf ihre Annahmen zu Struktur und Handlungsfähigkeit {structure and agency) und im Hinblick auf die Beziehungen zwischen politischen, sozialen und kulturellen Ungleichheiten auf der einen und >IdeologieSubjektivitätKultur< und >Diskurs< auf der anderen Seite. Keineswegs sind die historiographischen Probleme der 1970er und 1980er mit dem Untergang der DDR im Jahr 1990 sämtlich aufgelöst worden. Um im Geist der durch Wolfgang J. Mommsen vorgenommenen Bewertung Max Webers zu sprechen, bleibt im kritischen Blick auf die Sichtweisen der Vergangenheit die Schlüsselerkenntnis, dass es fur die Historiker unklug wäre, alle interessanten theoretischen Kinder< mit dem abstoßenden politischen Bade auszuschütten.

IAN KERSHAW

Die Mommsen-Brüder: Einige persönliche Eindrücke1 Für alle, die in England mit ihnen in Berührung kamen, stellten die MommsenZwillinge etwas Anderes, Dynamisches und Aufregendes, ja sogar Exotisches dar. Am Anfang stand natürlich der berühmte Name, aber die Attraktivität der Mommsens ging darüber hinaus. Sie leitete sich auch nicht einfach aus ihren herausragenden Büchern und Aufsätzen ab, wenngleich diese ein entscheidender Faktor waren. Grund für ihre Attraktivität war auch die Art, wie sie ihre wissenschaftliche Arbeit als Teil einer notwendigen intellektuellen Partizipation an öffentlichen Debatten über die jüngste Vergangenheit in Deutschland betrachteten, sowie die aktive Beteiligung an der Ausformung demokratischer Strukturen und Werte in ihrem Land. Teils taten sie dies durch den häufigen Gebrauch der Presse und anderer Massenmedien, zu denen sie leichten Zugang hatten. Dieser Weg steht nur wenigen Intellektuellen in Großbritannien - A.J.P. Taylor war eine Ausnahme - offen, und noch weniger betrachten ihre akademische Arbeit als Beitrag zu einer größeren politischen Agenda. Teils beruhte ihr Wirken auch auf der unerschöpflichen Energie, mit der sie ihre nachdrücklich vertretenen Ansichten auf Konferenzen und bei Gastvorträgen in ganz Großbritannien und anderen Ländern ebenso wie in Deutschland vortrugen. Die Mommsen-Brüder teilten dieses öffentliche Engagement mit anderen bemerkenswerten Intellektuellen der Generation, welche als Jugendliche die letzte Phase des Hitler-Regimes erlebt hatten - mir fallen Namen wie Ralf Dahrendorf, Jürgen Habermas, Hans-Ulrich Wehler, Martin Broszat und Eberhard Jäckel ein. Wenn überhaupt hatten nur wenige Intellektuelle in Großbritannien - abgesehen von jenen, die aus den besetzten Teilen Europas geflohen waren - irgendwelche persönlichen Erfahrungen, die sich denen der besonderen generationellen Kohorte der Mommsen-Brüder auch nur annäherten. Dadurch hoben sie sich von der Masse ebenso ab wie durch ihre Persönlichkeiten. Augenfällig bei beiden Brüdern war nicht nur ihr außerordentlicher Intellekt, sondern das emotionale, nicht kühl-abgeklärte Bekenntnis zu historischem Verstehen als Schlüssel zum Bau einer aufgeklärteren und progressiveren Zukunft. Ihre energischen Persönlichkeiten, klaren Ansichten und die Bereitschaft, sich an oftmals scharfen Debatten zu beteiligen, machten sie jenseits des Personenkreises bekannt, der auf ihren unmittelbaren Forschungsfeldern der deutschen Geschichte arbeitete. Obwohl ich Wolfgang vielfach sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien traf, besonders während der Jahre, in denen er ein brillanter Direktor des DHI in Lon1

Aus dem Englischen übersetzt von Carsten Mish, Kiel.

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don war, kann ich nicht behaupten, ihn gut gekannt zu haben. Natürlich hatte ich viele seiner Publikationen über Max Weber und das Kaiserreich gelesen und, wenn ich auch nie in seinen speziellen Fachgebieten forschte, diese Schriften intensiv in der Lehre verwandt. Aber ich begegnete Wolfgang vornehmlich auf Konferenzen, oftmals denen im DHI London. Meine eigenen Forschungen zur neuesten deutschen Geschichte hatten in den 1970er Jahren begonnen, nachdem ich in einer fachlichen Metamorphose meine frühere Existenz als Mediävist hinter mir gelassen hatte. Nach meiner Rückkehr von einem einjährigen Forschungsaufenthalt am Institut für Zeitgeschichte in München, wo ich mit Martin Broszat gearbeitet hatte, kam ich 1977 das erste Mal mit Wolfgang in Kontakt. Es war eine wunderbare Zeit, um in Großbritannien über deutsche Geschichte zu forschen. Eine Gruppe damals junger Wissenschaftler hatte von anregenden Lehrern profitiert, die in einigen Fällen, wie Francis Carsten, aus dem >Dritten Reich< geflohen waren, oder, wie James Joll, Krieg und Besatzungszeit als Angehörige der britischen Streitkräfte erlebt hatten. Außerdem gab es jüngere akademische Lehrer, die aus Deutschland kamen und sich in Großbritannien niederließen. Als prominente Beispiele seien Volker Berghahn und Hartmut Pogge von Strandmann genannt. Die Generation jener, bei denen Nationalsozialismus und Krieg dauerhafte Eindrücke hinterlassen hatten - das Kriegsende war zum damaligen Zeitpunkt noch ein relativ junger Erinnerungsbestand - , schaffte es in den 1960er und 1970er Jahren an den britischen Universitäten eine junge Generation von aufstrebenden Historikern dafür zu begeistern, ihre Forschung auf Deutschland zu konzentrieren. Zu den prominentesten Köpfen zählten Tim Mason, Jeremy Noakes, Jane Caplan, Geoff Eley, David Blackbourn, Richard Evans, Dick Geary, John Breuilly und andere. Es gab meines Erachtens drei Zentren, in denen sich die gänzlich verschiedenen britischen Deutschlandhistoriker von Zeit zu Zeit trafen, wodurch der Grundstein sowohl für enge Zusammenarbeit als auch für intellektuelle Freundschaften gelegt wurde. Dies waren St. Antony's College in Oxford, wo Anthony Nicholls eine zentrale Rolle spielte, die University of East Anglia, wo Richard Evans eine wichtige Reihe innovativer Seminare über die Entwicklungen der neuesten deutschen Sozialgeschichte veranstaltete, und, als wichtigster Knotenpunkt, das DHI in London unter dem einzigartigen, inspirierenden Direktorat von Wolfgang J. Mommsen. Mit größerem Antrieb und Vorsatz, als es danach bis in die alleijüngste Vergangenheit der Fall war, sah Wolfgang es als eine wichtige Teilaufgabe des DHI an, neben dem offensichtlichen Institutsauftrag der Förderung deutscher Großbritannienstudien auch die Forschung britischer Historiker über Deutschland anzuregen und zu vernetzen. Unermüdlich besuchte er unsere Universitäten als Gastredner und wir waren oft in London, um prominente deutsche Redner zu hören. Er versammelte eine herausragende Gruppe junger Forscher am DHI, und Kollegen wie Bernd Weisbrod oder Gerhard Hirschfeld waren bei uns bald wohl bekannt und stellten persönliche Verbindungen her, die bis heute andauern. Wolfgang spielte ebenfalls eine maßgebliche Rolle bei der Gründung und Belebung der German History Society, die bald zentraler Bezugspunkt

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für alle wurde, die in diesem Land über deutsche Geschichte forschten. Die Gesellschaft stellte naturgemäß eine enge Verbindung zum DHI her, wo ihre Jahrestreffen stattfanden. Letztere wurden durch großzügige Aufnahme im DHI unterstützt, die Wolfgang immer sicherstellte. Fast wichtiger als die eigentlichen Vorträge und Diskussionen war in gewisser Weise die soziale Seite dieser Treffen sowie der informelle Ideenaustausch auf den dazugehörigen Empfängen samt den anschließenden langen Abenden, die oft von erheblichen Alkoholmengen begleitet wurden. Wolfgang war bei den Versammlungen zugegen und machte es sich zum Prinzip, an so gut wie allen regionalen Konferenzen der German History Society teilzunehmen, wo sein temperamentvolles Wesen ihn ausnahmslos in den Mittelpunkt stellte. Ich erinnere mich an ein Ereignis in den frühen 1980er Jahren, als er an die University of Manchester kam, wo ich seinerzeit unterrichtete und eine Konferenz mit Unterstützung des örtlichen Goethe-Instituts organisiert hatte. Meine Erinnerung an die Veranstaltung selbst ist heute verblasst bis auf die Tatsache, dass die Hälfte der deutschen Teilnehmer wegen Schneetreibens auf dem Frankfurter Flughafen strandete und die Heizung des klirrend kalten Raumes in der Universität, wo die Konferenz stattfand, nicht funktionierte. Aber ich erinnere, wie Wolfgang und einige andere eines Abends zu unserem Haus zurückkamen. Später am Abend nach einigen Gläsern Wein sprach er - und dies war das einzige Mal, dass ich von ihm oder Hans persönliche Meinungen hörte - über seine Unzufriedenheit ob dem modus vivendi, den sein Vater mit dem NS-Regime zu finden sich gezwungen gefühlt hatte. Des Weiteren berichtete er von der Ungerechtigkeit, mit der sein Vater glaubte behandelt worden zu sein, als er nach dem Krieg daran gehindert wurde, seine Professur wieder zu bekleiden. Vor diesem Abend hatte ich sowohl Wolfgang als auch Hans auf der bemerkenswertesten Tagung in Aktion gesehen, an der ich je teilgenommen habe: der berühmtberüchtigten Cumberland Lodge-Konferenz von 1979 im Windsor Great Park nahe London zum Thema »Der >Führerstaatzu trivialisierenIntentionalisten< und >Strukturalisten< bzw. >Funktionalisten< bestimmte. Im Nachhinein war die Konferenz noch in anderer Hinsicht bemerkenswert, wenngleich dies damals niemand zur Kenntnis nahm: In drei Tagen intensiver Diskussion über den >Führerstaat< beschäftigte sich nicht ein einziges Referat mit dem Zweiten Weltkrieg oder dem Holocaust. Die Verlagerung des historiographischen Fokus auf Krieg und

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Genozid, die Essenz des NS-Regimes, stand zu dieser Zeit noch am Anfang. Sie trat innerhalb weniger Jahre auf und ließ alles andere von der Bildfläche verschwinden. Wolfgang traf ich regelmäßig am DHI in London, bei den Treffen der German History Society oder bei Konferenzen in den frühen 1980er Jahren, Hans aber war ich, abgesehen von der Cumberland Lodge Konferenz, zu jener Zeit kaum begegnet. Dies sollte sich ändern. Aus heiterem Himmel erhielt ich etwa Anfang 1983 die Einladung, Hans im Wintersemester an der Ruhr-Universität Bochum zu vertreten. Ich genoss sechs denkwürdige Monate an der Ruhr-Universität, wo ich den >Mommsen-Mythos< unter seinen hingebungsvollen Studenten und Kollegen persönlich erlebte. Ich sah Hans einige Male, als er aus Berlin zu Besuch kam, wo er sich der Vorzüge eines Forschungsaufenthaltes am Wissenschaftskolleg erfreute, und meine Monate in Bochum sollten den Anfang einer sowohl persönlich als auch intellektuell engen Freundschaft mit ihm markieren, die im Laufe der Zeit nicht schwächer geworden ist. Hans und ich haben in unserer Interpretation des »Dritten Reiches< immer viel gemein gehabt, aber es hat hier auch signifikante Unterschiede gegeben. Ich konnte mich niemals der ultra-funktionalistischen Linie verschreiben, die Hans vertrat. Von Anfang an war ich viel mehr bereit, als es er jemals war, Hitler selbst eine signifikante Rolle bei der Ausformung der NS-Politik einzuräumen und eine ideologische Triebkraft hinter der Radikalisierung des Regimes zuzugestehen, was Hans immer ablehnte. Unsere Meinungsverschiedenheiten wogen aber niemals schwerer als unsere persönliche Freundschaft, selbst wenn wir entgegengesetzte Standpunkte einnahmen. Unsere guten persönlichen Beziehungen wurden zweifellos einmal auf die Probe gestellt, als ich mir ein Kolleg mit Hans' Doktoranden in seinem Haus in Bochum aussuchte, um seine These zu verwerfen, Hitler sei ein schwacher Diktator gewesen. An jenem Abend war ich in der Minderheit, weil Hans' Studenten unausweichlich den >Meister< unterstützten. Aber ich habe es überlebt und misere Freundschaft blieb unversehrt. Eine andere Begebenheit trug sich im Herbst 1990 zu, als Hans und ich in Molveno in Norditalien ein Seminar für Stipendiaten der Studienstiftung des deutschen Volkes veranstalteten. Eines Abends, nachdem das Seminar für den Tag beendet war, erklärte ich ihm in einer Bar, dass es meine Absicht sei, eine Biographie über Hitler zu schreiben. »I wouldn't if I were you«, war Hans' ernste Ermahnung - in Englisch, obwohl das Gespräch ansonsten auf Deutsch verlief. Eine Hitlerbiographie war einfach nicht nach seinem Geschmack, sie widersprach im Kern seinem ganzen Zugang zum »Dritten ReichDritten Reiches< festhält als sein Bruder, sind die historiographischen Veränderungen der letzten Zeit nicht einfach gewesen und er hat zunehmend den Eindruck gewonnen, sich am Rande des heutigen historiographischen Mainstreams zu befinden. Sein Bestehen darauf, politische Entwicklungsprozesse in der NS-Herrschaftsstruktur zu untersuchen, um auf funktionalem Wege die >kumulative Radikalisierung< des Regimes zu erklären - ein Konzept, dass er sicherlich dauerhaft in der Forschung zum »Dritten Reich< verankert hat - ist frontal angegriffen worden im Zuge des neuerlichen Beharrens auf die Triebkraft von Ideologie, der Motivation einzelner Täter und dem Einfluss des Gefühls von Volksgemeinschaft - einem Terminus, den Hans weiterhin als nicht mehr als ein Propa-

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gandaschlagwort verwirft. Wolfgangs viel betrauerter vorzeitiger Tod hat seine Stimme zum Schweigen gebracht, die ohne Zweifel in den gegenwärtigen Debatten fortdauernd an prominenter Stelle zu hören gewesen wäre. Große Bewunderung für die aktive Teilnahme von Hans im Alter von 79 Jahren kam kürzlich auf einer Tagung in London zum Thema Volksgemeinschaft zum Ausdruck.2 Dort war er meiner Ansicht nach erfreut zu sehen, dass sein eigener Skeptizismus über den modischen Gebrauch des Terminus von vielen britischen Konferenzbesuchern geteilt wurde, wenn auch weniger von der großen Gruppe anwesender deutscher Kollegen. Dies war ein Hinweis darauf, dass trotz des berechtigten Lobes im eigenen Land Hans sich bezüglich seines Zugangs zum >Dritten Reich< in mancherlei Hinsicht auf dieser Seite des Ärmelkanals eher heimisch fühlen könnte.

Vgl. dazu Ralf Forsbach, Hitlers Volk. Eine Begriffskarriere, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung,

10.04.2010.

Abb. 8: Wolfgang J. Mommsen, 1984 [Quelle: Sabine Mommsen]

Schriftenverzeichnis Wolfgang J. Mommsen 1957 bis 2009 (ohne Rezensionen)

Zusammengestellt von

STEFAN WIEDERKEHR 1

D i e verzeichneten Titel sind chronologisch angeordnet. Dabei stehen die Verfasserschriften vor den Herausgeberschriften und diese vor den unselbstständigen Beiträgen eines Jahres. In den drei Unterkategorien ist die Ordnung alphabetisch nach Titeln. Unveränderte Neuauflagen besitzen keinen eigenständigen Eintrag.

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1957 Die Tradition der europäischen Universität, in: Universitätsführer, Köln 1957, S. 14-25. 1959 Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920, Tübingen 1959 [Veränderte Neuaufl. , ; Übers, siehe ], 1961 Imperialismus in Ägypten. Der Aufstieg der ägyptischen nationalen Bewegung 1805-1956, München 1961. Art. Historisches Denken der Gegenwart, in: Waldemar Besson (Hg.), Das Fischer Lexikon Geschichte, Frankfurt a. M. 1961, S. 92-102. Art. Parlamentarismus, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaften. 3. völlig neu bearb. Aufl., Bd. 5, Tübingen 1961, Sp. 115-117. Art. Universalgeschichte, in: Waldemar Besson (Hg.), Das Fischer Lexikon Geschichte, Frankfurt a. M. 1961, S. 322-332. Art. Wahlrecht, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaften. 3. völlig neu bearb. Aufl., Bd. 6, Tübingen 1962, Sp. 1509-1511. 1963 Le XXVe congrès des historiens allemands, in: Cahiers Pologne - Allemagne 16 (1963), S. 110-112.

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Max Weber-Gesamtausgabe für Vorarbeiten zu diesem Schriftenverzeichnis sowie Christian Jädicke (Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften) für die Recherche und Transliteration der japanischen Titel.

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Schriftenverzeichnis Mommsen Zum Begriff der »plebiszitären Führerdemokratie« bei Max Weber, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 15 (1963), S. 295-322 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 44-71; Übers, ins Japan, in , Span, in ], 1965 Diskussionsbeiträge [zu den Themen »Max Weber und die Machtpolitik« sowie »Industrialisierung und Kapitalismus«], in: Otto Stammer (Hg.), Max Weber und die Soziologie heute. Verhandlungen des 15. Deutschen Soziologentages, Tübingen 1965, S. 130-138, 215 f. Max Weber's political sociology and his philosophy of world history, in: International Social Science Journal 17 (1965), S. 23—45 [Gek. Wiederabdruck ; erw. dt. Fassung ; Übers, ins Japan. ], Les relations entre le gouvernement et l'opinion en Allemagne de 1914 à 1917, in: Historiens et géographes 55 (1965/66), S. 808 f. Universalgeschichtliches und politisches Denken bei Max Weber, in: HZ 201 (1965), S. 557-612 [Wiederabdruck , in , S. 97-143; frühere engl. Fassung ; Übers, ins Japan, in , Span, in ]. 1966 Wolfgang Mommsen (Bearb.), Friedrich Naumann. Schriften zur Verfassungspolitik, Köln 1966 (= Werke / Friedrich Naumann 2). Wolfgang Mommsen (Bearb.), Friedrich Naumann. Schriften zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Köln 1966 (= Werke / Friedrich Naumann 3). Einleitung, in: Wolfgang Mommsen (Bearb.), Friedrich Naumann. Schriften zur Verfassungspolitik, Köln 1966 (= Werke / Friedrich Naumann 2), S. XXXIII-LX. Einleitung, in: Wolfgang Mommsen (Bearb.), Friedrich Naumann. Schriften zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Köln 1966 (= Werke / Friedrich Naumann 3), S. XIXXXII. The Debate on German War Aims, in: Journal of Contemporary History 1 (1966), H. 3, S. 47-72 [Dt. Fassung , ], Neue Max-Weber-Literatur, in: VSWG 53 (1966), S. 92-96. 1967 Die deutsche Kriegszielpolitik 1914-1918. Bemerkungen zum Stand der Diskussion, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 17 (1967), Β 25, S. 3-17 [Dt. Fassung von ]. Die deutsche Kriegszielpolitik 1914-1918. Bemerkungen zum Stand der Diskussion, in: Walter Laqueur, George L. Mosse (Hg.), Kriegsausbruch 1914. Deutsche Buchausgabe des Journal of Contemporary History Heft 3, 1966, München 1967 [2. Aufl. 1972], S. 60-100 [Erw. dt. Fassung von ]. 1968 Boyd C. Shafer, Michel François, Wolfgang J. Mommsen, A. Taylor Milne (Hg.), Historical Study in the West. France, Great Britain, Western Germany, the United States, New York 1968.

Schriftenverzeichnis Mommsen 23. 24.

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118. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Stadtbürgertum und Adel in der Reformation. Studien zur Sozialgeschichte der Reformation in England und Deutschland / The Urban Classes, the Nobility and the Reformation. Studies on the Social History of the Reformation in England and Germany, Stuttgart 1979, S. 7-9. 119. »Wir sind wieder wer«. Wandlungen im politischen Selbstverständnis der Deutschen, in: Jürgen Habermas (Hg.), Stichworte zur »Geistigen Situation der Zeit«, Bd. 1 : Nation und Republik, Frankfurt a. M. 1979 [6. Aufl. 2002], S. 185-209 [Wiederabdruck in , S. 27-53; Übers, ins Poln. ], 120. Zur Entstehung der Kriegszielrede Lloyd Georges vom 5. Januar 1919 [i.e. 1918], in: Werner Pols (Hg.), Staat und Gesellschaft im politischen Wandel. Beiträge zur Geschichte der modernen Welt. Walter Bußmann zum 14. Januar 1979, Stuttgart 1979, S. 446-468. 1980 121. Imperialismustheorien. Ein Überblick über die neueren Imperialismusinterpretationen. 2. erg. Aufl., Göttingen 1980 [1. Aufl. ], 122. Theories of Imperialism, New York 1980 [zahlreiche Neuaufl., zuletzt Chicago 1995, engl. Übers, von ]. 123. Der Erfolg und der Gnadenstand. Max Weber: »Die protestantische Ethik und der ,Geist' des Kapitalismus« (1905), in: Günther Rühle (Hg.), Bücher, die das Jahrhundert bewegten. Zeitanalysen - wiedergelesen, Frankfurt a. M. 1980, S. 12-17 [Taschenbuchausg. von ], 124. An illusion of freedom S. 10 f., in: Times Higher Education Supplement, 11.4.1980, S. 10 f. [Dt. Fassung ], 125. Eine Illusion von Freiheit, in: Die Deutsche Universitätszeitung (1980), H. 15, S. 461-464 [Dt. Fassung von ], 126. [Worufugangu J. Momuzen] Makkusu Wêbâ to jiyü-shugi-mato kachi-taikei no kiki, in: Shisö 1980, H. 8 (674), S. 114-140 [Japan. Übers, von ], 127. Nationalism, Imperialism and Official Press Policy in Wilhelmine Germany 1850-1914, in: Opinion publique et politique extérieure. Colloque organisé par l'École française de Rome et le Centro per gli studi di politica estera e opinione publica de l'Université de Milan, Bd. 1: 1870-1915, Rome, 13-16 février 1980, Milano 1981, S. 367-383. 128. 'Towards the Iron Cage of Future Serfdom'? On the Methodological Status of Max Weber's Ideal-Typical Concept of Bureaucratization, in: Transactions of the Royal Historical Society. Fifth Series 30 (1980), S. 157-181. 1981 129. Max Weber. Sociedad, política e historia, Barcelona 1981 [Span. Übers, von ]. 130. Probleme der nationalen Identität der Deutschen. Festvortrag am 8. Oktober 1981 in Regensburg anlässlich der 67. Fortbildungstagung für Ärzte, Regensburg 1981. 131. Probleme der nationalen Identität der Deutschen. Vortrag gehalten vor Mitgliedern des Industrie-Clubs Düsseldorf am 7. Oktober 1981, Düsseldorf 1981. 132. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), The Emergence of the Welfare State in Britain and Germany 1850-1950, London 1981 [Dt. Fassung ], 133. Die antinomische Struktur des politischen Denkens Max Webers, in: HZ 233 (1981), S. 35-64 [Übers, ins Engl. ],

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134. Das britische Empire. Strukturanalyse eines imperialistischen Herrschaftssystems, in: HZ 233 (1981), S. 317-361. 135. Die Deutschen auf der Suche nach nationaler Identität, in: EG-Magazin 10 (1981), S. 1011.

136. Einleitung, in: Gerhard Hirschfeld, Lothar Kettenacker (Hg.), Der »Führerstaat«. Mythos und Realität. Studien zur Struktur und Politik des Dritten Reiches, Stuttgart 1981, S. 9-19. 137. A Functionalist Interpretation of German Imperialism before 1914, in: Sergio Bertelli (Hg.), Per Federico Chabod (1901-1960), Bd. 2: Equilibrio europeo ed espansione coloniale (1870-1914), Perugia 1981, S. 93-117 [Rev. Wiederabdruck in , S. 75-100; engl. Übers, von ], 138. Gegenwärtige Tendenzen in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik, in: GG 7 (1981), S. 149-188 [Übers, ins Japan. ]. 139. The German Revolution 1918-1920. Political Revolution and Social Protest Movement, in: Richard Bessel, Edgar J. Feuchtwanger (Hg.), Social Change and Political Development in Weimar Germany, London 1981, S. 21-54 [Wiederabdruck in , S. 233-254; engl. Übers. von]. 140. Großbritannien vom Ancien Régime zur bürgerlichen Industriegesellschaft 1770-1867, in: Theodor Schieder (Hg.), Handbuch zur europäischen Geschichte, Bd. 5: Europa von der Französischen Revolution zu den nationalstaatlichen Bewegungen des 19. Jahrhunderts, hg. v. Walter Bußmann, Stuttgart 1981, S. 319-403. 141. Preface, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), The Emergence of the Welfare State in Britain and Germany 1850-1950, London 1981, S. 1-5 [Dt. Fassung ], 142. Die Lage der Unterschichten in der Durchbruchskrise der industriellen Revolution in England, 1825-1847, in: Hans Mommsen, Winfried Schulze (Hg.), Vom Elend der Handarbeit. Probleme historischer Unterschichtenforschung, Stuttgart 1981, S. 274—292. 143. Max Weber and Roberto Michels. An assymetrical partnership, in: Archives européenes de sociologie 22 (1981), S. 100-116. 144. Lebensläufe aus der ersten Zeit des deutschen Kaiserreiches, in: Hundert zeitgenössische Biographien berühmter Personen des 19. Jahrhunderts. Zusammengestellt aus der 3. Auflage von Meyers Konversationslexikon in 15 Bänden mit 6 Nachtragsbänden 1874-1884. Mannheim 1981, S. 122-128. 145. Die »reine Wahrheit« über das nationalsozialistische Herrschaftssystem?, in: GWU 32 (1981), S. 738-741. 146. [Worufugangu J. Momuzen] Sei-doitsu-ni okeru rekishi-jojutsu no genzai no sho-keiko, in: Shisö (1981), H. 1 (679), S. 95-136 [Japan. Übers, von ], 147. The Topos of Inevitable War in Germany in the Decade before 1914, in: Volker R. Berghahn, Martin Kitchen (Hg.), Germany in the Age of Total War. Essays in Honour of Francis Carsten, London 1981, S. 23^15 [Dt. Fassung in , S. 380-406; gek. dt. Fassung ; Übers, ins Franz. ]. 148. Triebkräfte und Zielsetzungen des deutschen Imperialismus vor 1914, in: Klaus Bohnen, Sven-Aage J0rgensen, Friedrich Schmöe (Hg.), Kultur und Gesellschaft in Deutschland von der Reformation bis zur Gegenwart. Eine Vortragsreihe, Kopenhagen 1981, S. 98-129 [Rev. Fassung in , S. 182-213; Übers, ins Engl. ], 149. Zur Entwicklung des Englandbildes der Deutschen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, in: Lothar Kettenacker, Manfred Schlenke, Hellmut Seier (Hg.), Studien zur Geschichte Eng-

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165. Lothar Kettenacker, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Research on British History in the Federal Republic of Germany 1978-1983, London 1983. 166. The Antinomical Structure of Max Weber's Political Thought, in: Current Perspectives in Social Theory 4 (1983), S. 289-311 [Wiederabdruck in , S. 2¿M3; engl. Übers, von ], 167. Das Deutsche Historische Institut London. Eine Brücke zwischen deutscher und britischer Geschichtswissenschaft, in: Die Zeit, 23.10.1983. 168. Das Ende des Imperialismus und die stetige Wiederkehr imperialistischer Herrschaft, in: Merkur 37 (1983), S. 873-882. 169 Foreword, in: Wolfgang J. Mommsen, Lothar Kettenacher (Hg.), The Fascist Challenge and the Policy of Appeasement, London 1983, S. IX-XII. 170. [Sammelrezension zu:] Fritz Fischer, Juli 1914: Wir sind nicht hineingeschliddert. Das Staatsgeheimnis um die Riezler-Tagebücher. Eine Streitschrift, Reinbek bei Hamburg 1983 / Berndt Sösemann, Die Tagebücher Kurt Riezlers. Untersuchungen zu ihrer Echtheit und Edition, in: HZ 236 (1983), S. 327-369 / Karl-Dietrich Erdmann: Zur Echtheit der Tagebücher Kurt Riezlers. Eine Antikritik, in: ebd., S. 371—402, in: Bulletin / German Historical Institut London 14 (1983), S. 28-33. 171. Introduction, in: Lothar Kettenacker, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Research on British History in the Federal Republic of Germany 1978-1983, London 1983, S. 3 f. 172. Jacob Burckhardt. Defender of Culture and Prophet of Doom, in: Government and Opposition 18 (1983), S. 458-475 [Wiederabdruck ], 173. Max Weber und die historiographische Methode in seiner Zeit, in: Storia della Storiografia 3 (1983), S. 2 8 ^ 3 . 174. Preußen/Deutschland im frühen 19. Jahrhundert und Großbritannien in der Viktorianischen Epoche. Eine komparative Betrachtung, in: Adolf M. Birke, Kurt Kluxen (Hg.), Viktorianisches England in deutscher Perspektive, München 1983, S. 31—48. 175. Rationalisierung und Mythos bei Max Weber, in: Karl Heinz Bohrer (Hg.), Mythos und Moderne. Begriff und Bild einer Rekonstruktion, Frankfurt a. M. 1983 [5. Aufl. 1996], S. 3 8 2 ^ 0 2 [Übers, ins Engl, in , S. 133-144], 176. La storia come scienza sociale storica, in: Pietro Rossi (Hg.), La teoria della storiografia oggi, Milano 1983 [2. Aufl. 1988], S. 79-116. 177. Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 als dilatorischer Herrschaftskompromiß, in: Otto Pflanze (Hg.), Innenpolitische Probleme des Bismarck-Reiches, München 1983, S. 195-216 [Wiederabdruck in , S. 39-65; Übers, ins Engl, in , S. 20-40], 178. Wandlungen der nationalen Identität, in: Werner Weidenfeld (Hg.), Die Identität der Deutschen, München 1983, S. 170-192 [Wiederabdruck in , S. 55-86; andere Ausg. Bonn 1983; Taschenbuchausg. ], 1984 179. [W. J. Momuzen] Kanryö-sei no jidai. Makkusu Webä no seiji shakaigaku, Tökyö 1984 [2. Aufl. 2001, japan. Übers, von ], 180. Max Weber and German Politics, 1890-1920, Chicago 1984 [Engl. Übers, von ], 181. Two Centuries of Anglo-German Relations. A Reppraisal, London 1984.

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182. Wolfgang J. Mommsen, Hans-Gerhard Husung (Hg.), Auf dem Wege zur Massengewerkschaft. Die Entwicklung der Gewerkschaften in Deutschland und Großbritannien 1880— 1914, Stuttgart 1984 [Übers, ins Engl. ]. 183. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 15: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, Tübingen 1984. 184. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen, Hans-Gerhard Husung (Hg.), Auf dem Wege zur Massengewerkschaft. Die Entwicklung der Gewerkschaften in Deutschland und Großbritannien 1880-1914, Stuttgart 1984, S. 7-16 [Übers, ins Engl. ], 185. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 15: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, Tübingen 1984, S. 1-20. 186. Foreword, in: Kaspar von Greyerz (Hg.), Religion and Society in Early Modern Europe 1500-1800, London 1984, S. IX-X. 187. Introduction, in: Kaspar von Greyerz (Hg.), Religion, Politics and Social Protest. Three Studies on Early Modern Germany, London 1984, S. IX-XII. 188. Makkusu Webä, in: Hans-Ulrich Wehler (Hg.), Doitsu-no-rekishika, Bd. 4, Tokyo 1984, S. 7-57 [Japan. Übers. Von ], 189. Die politische Rolle des deutschen Liberalismus im 19. Jahrhundert und in der Weimarer Republik, in: Referate anläßlich der Tagung zum 100. Geburtstag von Theodor Heuss »Zukunft für den Liberalismus« vom 20. bis 22. Januar 1984 in der Evangelischen Akademie Tutzing, Tutzing 1984, S. 1-29. 190. Preußisches Staatsbewußtsein und deutsche Reichsidee. Preußen und das Deutsche Reich in der jüngeren deutschen Geschichte, in: GWU 35 (1984), S. 685-705 [Wiederabdruck in , S. 66-85; Übers, ins Engl, in , S. 41-56]. 191. Die Sprache des Historikers, in: HZ 238 (1984), S. 57-81. 192. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 15: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, Tübingen 1984, S. XI-XIV. 193. Wandlungen der nationalen Identität, in: Werner Weidenfeld (Hg.), Die Identität der Deutschen. Fragen, Positionen, Perspektiven, München 1984 [Taschenbuchausg. von ]. 1985 194. Max Weber et la politique allemande, 1890-1920, Paris 1985 [Franz. Übers, von ], 195. Peter Alter, Wolfgang J. Mommsen, Thomas Nipperdey (Hg.), Geschichte und politisches Handeln. Studien zu europäischen Denkern der Neuzeit. Theodor Schieder zum Gedächtnis, Stuttgart 1985. 196. Wolfgang J. Mommsen, Hans-Gerhard Husung (Hg.), The Development of Trade Unionism in Great Britain and Germany, 1880-1914, London 1985 [Engl. Übers, von ], 197. Capitalism and Socialism. Weber's Dialogue with Marx, in: Robert J. Antonio, Ronald M. Glassmann (Hg.), A Weber-Marx Dialogue, Lawrence 1985, S. 234—261 [Wiederabdruck in S. 53-73, ], 198. Introduction, in: Wolfgang J. Mommsen, Hans-Gerhard Husung (Hg.), The Development of Trade Unionism in Great Britain and Germany, 1880-1914, London 1985, S. 1-10 [Engl. Übers, von ].

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199. Max Weber. Persönliche Lebensführung und gesellschaftlicher Wandel in der Geschichte, in: Peter Alter, Wolfgang J. Mommsen, Thomas Nipperdey (Hg.), Geschichte und politisches Handeln. Studien zu europäischen Denkern der Neuzeit. Theodor Schieder zum Gedächtnis, Stuttgart 1985, S. 261-281 [Übers, ins Engl. ]. 200. Pax Britannica. Probleme der Friedenswahrung in der Dritten Welt, in: Historisches Seminar der Universität Düsseldorf (Hg.), Frieden in Geschichte und Gegenwart, Düsseldorf 1985, S. 111-121. 201. The Slow Death of Imperialism, in: Nobutoshi Hagihara [u.a.] (Hg.), Experiencing the Twentieth Century, Tokio 1985, S. 77-100. 202. Thirty Years of British-German Diplomatic Relations. A Reappraisal, in: 30 Years of Diplomatic Relations between the United Kingdom and the Federal Republic of Germany, London 1985. 203. Vom Beruf des Historikers in einer Zeit beschleunigten Wandels. Theodor Schieders historiographisches Werk, in: VfZ 33 (1985), S. 387-405 [Wiederabdruck ], 204. Vom Beruf des Historikers in einer Zeit beschleunigten Wandels. Theodor Schieders historiographisches Werk, in: Andreas Hillgruber (Hg.), Vom Beruf des Historikers in einer Zeit beschleunigten Wandels. Akademische Gedenkfeier für Theodor Schieder am 8. Februar 1985 in der Universität zu Köln, München 1985, S. 33-59 [Wiederabdruck von ]. 205. Vorwort, in: Josef Foschepoth (Hg.), Kalter Krieg und Deutsche Frage. Deutschland im Widerstreit der Mächte 1945-1952, Göttingen 1985, S. 7-9. 206. Peter Alter, Wolfgang J. Mommsen, Thomas Nipperdey, Zum Geleit, in: Peter Alter, Wolfgang J. Mommsen, Thomas Nipperdey (Hg.), Geschichte und politisches Handeln. Studien zu europäischen Denkern der Neuzeit. Theodor Schieder zum Gedächtnis, Stuttgart 1985, S. 9-11. 1986 207. Britain and Germany 1800 to 1914. Two Developmental Paths Towards Industrial Society, London 1986. 208. Wolfgang J. Mommsen, Jürgen Osterhammel (Hg.), Imperialism and After. Continuities and Discontinuities, London 1986. 209. Bismarck, the concert of Europe and the future of West Africa, 1883-1885, in: Kum'a N'dumbe III (Hg.), L'Afrique et l'Allemagne de la colonisation à la coopération 1884— 1986. Le cas du Cameroun, Yaoundé 1986, S. 16-40. 210. The End of Empire and the Continuity of Imperialism, in: Wolfgang J. Mommsen, Jürgen Osterhammel (Hg.), Imperialism and After. Continuities and Discontinuities, London 1986, S. 333-358. 211. Idealtypus und reiner Typus. Zwei Varianten der idealtypischen Methode Max Webers, in: Wolfgang Küttler (Hg.), Marxistische Typisierung und idealtypische Methode in der Geschichtswissenschaft, Berlin/Ost 1986, S. 60-76 [Übers, ins Engl, in , S. 121-132]. 212. Introduction, in: Gerhard Hirschfeld (Hg.), The policies of genocide. Jews and Soviet prisoners of war in Nazi Germany, London 1986, S. XI-XIII. 213. Jacob Burckhardt (1818-1897). Defender of Culture and Prophet of Doom, in: John A. Hall (Hg.), Rediscoveries, Oxford 1986, S. 47-63 [Wiederabdruck von ],

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214. Max Webers Begriff der Universalgeschichte, in: Jürgen Kocka (Hg.), Max Weber, der Historiker, Göttingen 1986, S. 51-72. 214a. Preface, in: Wolfgang J. Mommsen, Jürgen Osterhammel (Hg.), Imperialism and After. Continuities and Discontinuities, London 1986, S. IX-XII. 215. Società e politica nell'età liberale. Europa 1870-1890, in: Paolo Pombeni (Hg.), La trasformazione politica nell'Europa liberale 1870-1890, Bologna 1986, S. 15-35 [Dt. Fassung in , S. 86-108; Übers, ins Engl, in , S. 57-74], 216. Der Topos vom unvermeidlichen Krieg. Außenpolitik und öffentliche Meinung im Deutschen Reich im letzten Jahrzehnt vor 1914, in: Jost Dülffer, Karl Holl (Hg.), Bereit zum Krieg. Kriegsmentalität im wilhelminischen Deutschland. Beiträge zur historischen Friedensforschung, Göttingen 1986, S. 194-224 [Erw. Fassung in , S. 380-406; gek. dt. Fassung von ], 217. Die Vergangenheit, die nicht vergehen will. Auseinandersetzung oder Schhißstrich, in: Helmut Dubiel (Hg.), Populismus und Aufklärung, Frankfurt a. M. 1986, S. 211-220 [Wiederabdruck , in , S. 107-118], 218. Vorwort, in: Ralph Uhlig, Die Deutsch-Englische Gesellschaft 1949-1983. Der Beitrag ihrer »Königswinter Konferenzen« zur britisch-deutschen Verständigung, Göttingen 1986, S. 7-10. 219. Weder Leugnen noch Vergessen befreit von der Vergangenheit. Die Harmonisierung des Geschichtsbildes gefährdet die Freiheit, in: Frankfurter Rundschau 1. Dezember 1986 [Wiederabdruck ; Übers, ins Engl. ], 1987 220. Imperialismustheorien. Ein Überblick über die neueren Imperialismusinterpretationen. 3. erw. Aufl., Göttingen 1987 [1. Aufl. ], 221. The Social Sciences in the Contemporary European University, Bologna 1987. 222. Wolfgang J. Mommsen, Jürgen Osterhammel (Hg.), Max Weber and his Contemporaries, London 1987 [zahlreiche NeuaufL, zuletzt 2007; dt. Fassung ; Übers, ins Japan. ], 223. The Academic Profession in the Federal Republic of Germany, in: Burton R. Clark (Hg.), The Academic Profession. National, Disciplinary and Institutional Settings, Berkeley 1987, S. 60-92. 224. Between Revisionism and Neo-Historicism. Recent Trends in West-German Historiography, in: Storia della Storiografia 11 (1987), S. 104-121. 225. Die Deutschen und ihre Nation. Geschichtsschreibung und geschichtliches Bewußtsein in der Bundesrepublik Deutschland, in: Universitas 42 (1987), S. 947-963 [Erw. Fassung ; Wiederabdruck in , S. 119-143], 226. Deutschland und Westeuropa. Krise und Neuorientierung der Deutschen im Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik, in: Horst Renz, Friedrich Wilhelm Graf (Hg.), Troeltsch-Studien, Bd. 4: Umstrittene Moderne. Die Zukunft der Neuzeit im Urteil der Epoche Ernst Troeltschs, Gütersloh 1987, S. 117-132. 227. [Diskussionsbeiträge], in: Die Modernität in der Industriegesellschaft - und danach? 82. Bergedorfer Gesprächskreis am 8. und 9. April 1987 im Hôtel de la Paix, Genf, Hamburg 1987, S. 21-23, 26, 33, 53, 69-72, 91-93, 98. 228. Gegenwärtige Tendenzen in der Geschichtsschreibung der Bundesrepublik Deutschland,

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in: Karl Otmar von Aretin, Gerhard A. Ritter (Hg.), Historismus und moderne Geschichtswissenschaft. Europa zwischen Revolution und Restauration 1797-1815. Drittes deutschsowjetisches Historikertreffen in der Bundesrepublik Deutschland, München, 13.-18. März 1978, Stuttgart 1987, S. 90-115. Geschichte als Historische Sozialwissenschaft, in: Pietro Rossi (Hg.), Theorie der modernen Geschichtsschreibung, Frankfurt a. M. 1987 [2. Aufl. 1990], S. 107-146. Geschichtsschreibung und geschichtliches Bewußtsein in der Bundesrepublik, in: Liberal 29 (1987), H. 2, S. 37-51 [Erw. Fassung von ]. Introduction, in: Wolfgang J. Mommsen, Jürgen Osterhammel (Hg.), Max Weber and his Contemporaries, London 1987 [zahlreiche Neuaufl., zuletzt 2007], S. 1-21 [Dt. Fassung ; Übers, ins Japan, in ], Max Weber and German social democracy, in: Carl Levy (Hg.), Socialism and the intelligentsia, 1880-1914, London 1987, S. 90-105. Personal Conduct and Societal Change, in: Scott Lash, Sam Whimster (Hg.), Max Weber. Rationality and Modernity, London 1987 [zahlreiche Neuaufl., zuletzt 2007], S. 35-51 [Engl. Übers, von ]. Robert Michels and Max Weber. Moral Conviction versus the Politics of Responsibility, in: Wolfgang J. Mommsen, Jürgen Osterhammel (Hg.), Max Weber and his Contemporaries, London 1987 [zahlreiche Neuaufl., zuletzt 2007], S. 121-138 [Wiederabdruck in , S. 87-105; dt. Fassung ; Übers, ins Japan, in ], Die sozialen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges auf die deutsche Gesellschaft, in: Annali della facoltà di lettere e filosofia dell'università di Napoli 30 (1987/88), H. 18, S. 449473. La storiografia tedesca, il problema dell'imperialismo e la storia delle relazioni internazionali, 1870-1914, in: Silvia Pizzetti (Hg.), La storia delle relazioni internazionali nella Germania contemporanea, Milano 1987, S. 99-119. Le thème de la guerre inévitable en Allemagne dans la décennie précédant 1914, in: 1914 les psychoses de guerre? Actes du colloque du 26 au 29 septembre 1979, Rouen 1987, S. 95-123 [Franz. Übers, von ], Die Vergangenheit, die nicht vergehen will. Auseinandersetzung oder Schlußstrich, in: Hilmar Hoffmann (Hg.), Gegen den Versuch, Vergangenheit zu verbiegen. Eine Diskussion um politische Kultur in der Bundesrepublik aus Anlaß der Römerberggespräche 1986, Frankfurt a. M. 1987, S. 83-93 [Wiederabdruck von ], Weder Leugnen noch Vergessen befreit von der Vergangenheit. Die Harmonisierung des Geschichtsbildes gefährdet die Freiheit, in: »Historikerstreit«. Die Dokumentation der Kontroverse um die Einzigartigkeit der nationalsozialistischen Judenvernichtung, München 1987 [9. Aufl. 1995], S. 300-321 [Wiederabdruck von ],

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243. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1/15: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, Tübingen 1988. 244. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen 1988 [Dt. Fassung von ; Übers, ins Japan. ], 245. Bismarck, the Concert of Europe and the Future of West Africa, 1883-1885, in: Stig Förster, Wolfgang J. Mommsen, Ronald Robinson (Hg.), Bismarck, Europe, and Africa. The Berlin Africa Conference 1884-1885 and the Onset of Partition, Oxford 1988, S. 151-170 [Dt. Fassung in , S. 109-139], 246. Die Deutschen und ihre Geschichte, in: Politik und Kultur 15 (1988), H. 1, S. 3-20 [Wiederabdruck in , S. 165-183], 247. Einführung: Deutscher und britischer Liberalismus. Versuch einer Bilanz, in: Dieter Langewiesche (Hg.), Liberalismus im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen Vergleich, Göttingen 1988, S. 211-222. 248. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Leopold von Ranke und die moderne Geschichtswissenschaft, Stuttgart 1988, S. 7-18. 249. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 16: Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918-1920, Tübingen 1988, S. 1-45. 250. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen 1988, S. 11-38 [Dt. Fassung von ; Übers, ins Japan, in ], 251. Max Weber et la pensée sociale contemporaine. Les quatre phases du développement de son influence dans le champ des sciences sociales, in: Bulletin de l'Institut d'histoire du temps présent 32 (1988), S. 24-48. 252. Nachwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-WeberGesamtausgabe, Bd. 1/15: Zur Politik im Weltkrieg. Schriften und Reden 1914-1918, Tübingen 1988, S. 359-368. 252a. Preface, in: Stig Förster, Wolfgang J. Mommsen, Ronald Robinson (Hg.), Bismarck, Europe, and Africa. The Berlin Africa Conference 1884-1885 and the Onset of Partition, Oxford 1988, S. V-XI. 253. Robert Michels und Max Weber. Gesinnungsethischer Fundamentalismus versus verantwortungsethischen Pragmatismus, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen 1988, S. 196-215. [Dt. Fassung von ; Übers, ins Japan, in ], 254. Rationalisierung und individualistische Kultur bei Max Weber, in: Norges Allmennvitenskapelige Forskningsrâd (Hg.), Der deutsche Historikerstreit. Stadtgeschichte und Stadtplanung. Bericht über das 3. deutsch-norwegische Historikertreffen in Trondheim, Juni 1988, Oslo 1988, S. 221-237. 255. The Social Consequences of the First World War. The Case of Germany, in: Arthur Marwick (Hg.), Total War and Social Change, Basingstoke 1988 [Repr. 1994], S. 2 5 ^ 4 [Wiederabdruck in , S. 217-232; dt. Fassung in , S. 441-462], 256. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 16: Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918-1920, Tübingen 1988, S. XIII-XV. 257. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und seine Zeitgenossen, Göttingen 1988, S. 9 f.

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258. Wandlungen im Bedeutungsgehalt der Kategorie des »Verstehens«, in: Christian Meier, Jörn Rüsen (Hg.), Historische Methode, München 1988, S. 200-226. 1989 259. L'Età dell'imperialismo. Europa 1885-1918, Milano 1989 [2. Aufl. 1990; Neuausg. von ], 260. Max Weber und die Moderne Geschichtswissenschaft. Vortrag gehalten am 4. Juli 1989 an der Universität des Saarlandes anläßlich einer gemeinsamen Veranstaltung des Saarländischen Rundfunks und der Fachrichtung Geschichte. Saarbrücken 1989. 261. The Political and Social Theory of Max Weber. Collected Essays, Cambridge 1989 [Taschenbuchausg. ], 262. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Innenpolitische Probleme der Weimarer Republik, Göttingen 1989 (= GG 15 (1989), H. 4). 263. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 10: Zur russischen Revolution 1905. Schriften und Reden 1905-1912, Tübingen 1989. 264. Deutsche Geschichtswissenschaft im 19. Jahrhundert, in: Arnold Esch, Jens Petersen (Hg.), Geschichte und Geschichtswissenschaft in der Kultur Italiens und Deutschlands. Wissenschaftliches Kolloquium zum hundertjährigen Bestehen des Deutschen Historischen Instituts in Rom (24.-25. Mai 1988), Tübingen 1989, S. 70-107. 265. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 10: Zur russischen Revolution 1905. Schriften und Reden 1905-1912, Tübingen 1989, S. 1-54. 266. Der Geist von 1914 und die Zerstörung Europas, in: Konrad von Bonin (Hg.), Deutscher Evangelischer Kirchentag Berlin 1989. Dokumente, Stuttgart 1989, S. 678-684 [Wiederabdruck ], 267. Der Geist von 1914 und die Zerstörung Europas, in: Gerhard Rein (Hg.), Deutsche Einsichten. Reden und Gespräche zwischen Deutschen aus beiden Staaten beim Evangelischen Kirchentag in Berlin, Berlin 1989, S. 128-136 [Wiederabdruck von ], 268. Das Zeitalter des Hochimperialismus, in: August Nitschke [u.a.] (Hg.), Funkkolleg Jahrhundertwende 1880-1930. Die Entstehung der modernen Gesellschaft, Weinheim 1989, Heft 6, S. 11—45. 269. Politik und politische Theorie bei Max Weber, in: Johannes Weiß (Hg.), Max Weber heute. Erträge und Probleme der Forschung. Frankfurt a. M. 1989, S. 515-542. 270. Rückkehr zur Respektabilität. Die deutsche Geschichtswissenschaft und die westliche Welt in den letzten vier Jahrzehnten, in: Gotthilf Hempel, Klaus Fleischmann (Hg.), Rückkehr in die internationale Forschergemeinschaft. 40 Jahre Forschung in der Bundesrepublik Deutschland. Vorträge beim Festkolloquium der Wissenschaftsorganisationen am 26. Oktober 1989 in Bonn, Königswinter 1989, S. 19-27. 271. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 10: Zur russischen Revolution 1905. Schriften und Reden 1905-1912, Tübingen 1989, S. VII-X. 272. Zum historischen Selbstverständnis der Deutschen, in: Frank Niess (Hg.), Interesse an der Geschichte, Frankfurt a. M. 1989, S. 33^13. 273. Zwei Jahrhunderte Liberalismus in Deutschland, in: Wolfgang Mischnick (Hg.), Verantwortung für die Freiheit. 40 Jahre F.D.P., Stuttgart 1989, S. 377^14.

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1990 274. Der autoritäre Nationalstaat. Verfassung, Gesellschaft und Kultur des deutschen Kaiserreiches, Frankfurt a. M. 1990 [2. Aufl. 1992; gek. Übers, ins Engl. ], 275. Nation und Geschichte. Über die Deutschen und die deutsche Frage, München 1990. 276. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Das Ende der Kolonialreiche. Dekolonisation und die Politik der Großmächte, Frankfurt a. M. 1990. 277. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 5: Briefe 1906-1908, Tübingen 1990. 278. Betrachtungen ram Friedensvertrag von Versailles, in: Ferenc Glatz (Hg.), Modern Age Modern Historian. In Memoriam György Ránki (1930-1988), Budapest 1990, S. 249-255. 279. Das britische Empire. Zum Wandel der Ausübung imperialistischer Herrschaft im 19. und 20. Jahrhundert, in: Historische Mitteilungen 3 (1990), S. 45-56. 280. II dilemma della politica liberale. Il liberalismo in Europa tra sinistra e destra, in: Nicola Matteucci, Paolo Pombeni (Hg.), L'organizzazione della politica. Cultura, istituzioni, partiti nell'Europa liberale, Bologna 1988, S. 15-37. 281. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Das Ende der Kolonialreiche. Dekolonisation und die Politik der Großmächte, Frankfurt a. M. 1990, S. 7-23. 282. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 5: Briefe 1906-1908, Tübingen 1990, S. 1-16. 283. Die Epoche des Hochimperialismus. Koloniale Expansion neuen Typs in den 1880er Jahren, in: August Nitschke [u.a.] (Hg.), Jahrhundertwende. Der Aufbruch in die Moderne 1880-1930, Bd. 1, Reinbek bei Hamburg 1990, S. 337-368. 284. Europäische Zusammenarbeit in den Geisteswissenschaften, in: Itinerario 14 (1990), H. 2, S. 9-14. 285. Der Geist von 1914. Das Programm eines politischen »Sonderweges« der Deutschen, in: Wolfgang Greive (Hg.), Der Geist von 1914. Zerstörung des universalen Humanismus?, Rehburg-Loccum 1990, S. 13-30 [Veränderte Fassung in , S. 87-105, in , S. 407-421; Übers, ins Engl, in , S. 205-216], 286. The Germans and Their Past. History and Political Consciousness in the Federal Republic of Germany, in: Kathy Harms, Lutz R. Reuter, Volker Dürr (Hg.), Coping with the Past. Germany and Austria after 1945, Madison 1990, S. 252-269. 287. Die Idee der deutschen Nation in Geschichte und Gegenwart, in: Gewerkschaftliche Monatshefte 41 (1990), H. 5/6, S. 263-273 [Wiederabdruck ], 288. Die Idee der deutschen Nation in Geschichte und Gegenwart, in: Auf dem Weg zur Einheit. Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften im deutschen Einigungsprozeß. Aktualisierte Beiträge aus »Gewerkschaftliche Monatshefte«, Köln 1990, S. 9-19 [Wiederabdruck von ], 289. [Mommzen, Vol'fgang] Istoriografija i sociologija pri nacional-socializme, in: Voprosy istorii (1990), H. 11, S. 3-18. 290. Kaiser Wilhelm II. and German Politics, in: Journal of Contemporary History 25 (1990), S. 289-316. 291. Kultur und Politik im deutschen Kaiserreich, in: Wissenschaftszentrum NordrheinWestfalen/Kulturwissenschaftliches Institut (Hg.), Das Gründungsjahr. Bericht 1990, Essen 1990, S. 179-195.

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292. Der künftige deutsche Staat und die Zukunft Europas, in: Wilhelm von Sternburg (Hg.), Geteilte Ansichten über eine vereinigte Nation. Ein Buch über Deutschland, Frankfurt a. M. 1990, S. 140-153 [Wiederabdruck ]. 293. [Mommzen, Vol'fgang], Maks Veber i istoriceskaja nauka, in: Novaja i novejsaja istorija (1990), H. 4, S. 55-64. 294. Max Weber y la ciencia histórica moderna, in: Arbor 137 (1990), H. 539-540, S. 101-123. 295. Ranke and the Neo-Rankean School in Imperial Germany. State-oriented Historiography as a Stabilizing Force, in: Georg G. Iggers, James M. Powell (Hg.), Leopold von Ranke and the Shaping of the Historical Discipline, Syracuse 1990, S. 124-140. 296. The Varieties of the Nation State in Modern History. Liberal, Imperialist, Fascist and Contemporary Notions of Nation and Nationality, in: Michael Mann (Hg.), The Rise and Decline of the Nation State, Oxford 1990, S. 210-226. 297. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Vorwort, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 5: Briefe 1906-1908, Tübingen 1990, S. VII-IX. 1991 298. The Return to the Western Tradition. German Historiography since 1945, Washington, D.C. 1991. 299. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1/16: Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918-1920, Tübingen 1991. 300. Aufstieg und Niedergang des europäischen Imperialismus 1870-1956, in: Hans Hecker (Hg.), Europa-Begriffund Idee. Historische Streiflichter, Bonn 1991, S. 87-101. 301. Eine »deutschere« Geschichte, in: Heidi Bohnet-von der Thüsen (Hg.), Denkanstöße '92. Ein Lesebuch aus Philosophie, Natur- und Humanwissenschaften. München 1991, S. 109— 114. 302. Das Ende der Epoche der beiden Weltkriege. Die Einigung der beiden deutschen Staaten, in: Das zweite Ende des Zweiten Weltkrieges. Überwindung der Spaltung in Europa. 29. Kooperationstagung der Evangelischen Akademie Tutzing mit der Allianz, 15. bis 16. Januar 1991. Dokumentation, München 1991, S. 7-30. 303. Die englische Deutschlandforschung und die Geschichtswissenschaft der Bundesrepublik, in: Hartmut Boockmann, Kurt Jürgensen (Hg.), Nachdenken über Geschichte. Beiträge aus der Ökumene der Historiker in memoriam Karl Dietrich Erdmann, Neumünster 1991, S. 203-205. 304. German Historiography during the Weimar Republic and the Émigré Historians, in: Hartmut Lehmann, James J. Sheehan (Hg.), An Interrupted Past. German Speaking Refugee Historians in the United States after 1933, Washington, D. C. 1991, S. 32-66. 305. Geschichte und Sozialwissenschaft. Max Weber und die Geschichtswissenschaft seiner Zeit, in: Herbert Hörz, Wolfgang Küttler, Karl-Heinz Noack, (Hg.), Historiographiegeschichte als Methodologiegeschichte. Zum 80. Geburtstag von Ernst Engelberg, Berlin 1991, S. 141-153. 306. L'identité allemande au XIXème siècle, in: François Bafoil, Iván Samson (Hg.), L'Allemagne en puissance, Paris 1991, S. 105-122. 307. Introductory note, in: Storia della Storiografia 19 (1991), S. 11.

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308. Karl Dietrich Erdmanns Verdienste um die internationale Geschichtswissenschaft, in: In Memoriam Karl Dietrich Erdmann. Gedenkfeier anlässlich des ersten Todestages von Karl Dietrich Erdmann am 24. Juni 1991, Kiel 1991, S. 17-24. 309. Kultur in der Gesellschaft der Zukunft. Podiumsgespräch mit Günter Gorschenek, Walter Jens, Georg Lechner, Wolfgang J. Mommsen, Roger de Weck (Leitung: Werner Gephart), in: Werner Gephart, Hans Peter Schreiner (Hg.), Stadt und Kultur. Symposion aus Anlaß des 700jährigen Bestehens der Stadt Düsseldorf, Opladen 1991, S. 15^46. 310. Max Weber i moderna povijesna znanost, in: Rade Kalanj, Zeljka Sporer (Hg.), Max Weber. Suvremene interpretacije. Zbornik radova, Zagreb 1991, S. 107-115. 311. Nachwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-WeberGesamtausgabe, Bd. 1/16: Zur Neuordnung Deutschlands. Schriften und Reden 1918-1920, Tübingen 1991, S. 147-175. 312. Österreich-Ungarn aus der Sicht des deutschen Kaiserreiches, in: Helmut Rumpier (Hg.), Innere Staatsbildung und gesellschaftliche Modernisierung in Österreich und Deutschland 1867/71-1914. Historikergespräch Österreich - Bundesrepublik Deutschland 1989, Wien 1991, S. 205-220. 313. Public Opinion and Foreign Policy in Wilhelmian Germany, 1897-1914, in: Central European History 24 (1991), S. 381-401 [Wiederabdruck , in , S. 189-204; dt. Fassung in , S. 358-379], 314. Public Opinion and Foreign Policy in Wilhelmian Germany, 1897-1914, in: John C. Fout (Hg.), Politics, Parties and the Authoritarian State. Imperial Germany, 1871-1918. Festschrift für Otto Pflanze, Bd. 2, St. Paul 1991 [Wiederabdruck von ]. 315. Stadt und Kultur im deutschen Kaiserreich, in: Tilo Schabert (Hg.), Die Welt der Stadt, München 1991, S. 69-116 [Wiederabdruck in , S. 11—45]. 316. Wilhelm Deist zum 70. Geburtstag, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 60 (2001), S. IXXVI. 1992 317. The Political and Social Theory of Max Weber. Collected Essays, Chicago 1992 [Taschebuchausg. von ], 318. Wolfgang J. Mommsen, Jaap A. de Moor (Hg.), European Expansion and Law. The Encounter of European and Indigenous Law in 19th- and 20th-century Africa and Asia, Oxford 1992. 319. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Der lange Weg nach Europa. Historische Betrachtungen aus gegenwärtiger Sicht, Berlin 1992 [Übers, ins Engl. ], 320. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 17: Wissenschaft als Beruf. 1917/1919 - Politik als Beruf. 1919, Tübingen 1992. 321. Die »deutsche Idee der Freiheit«. Die deutsche Historikerschaft und das Modell des monarchischen Konstitutionalismus im Kaiserreich, in: Staatswissenschaften und Staatspraxis 3 (1992), S. 43-63 [Wiederabdruck in , S. 133-157], 322. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Der lange Weg nach Europa. Historische Betrachtungen aus gegenwärtiger Sicht, Berlin 1992, S. VII-XXI [Übers, ins Engl. ], 323. Eröffnung des 38. Historikertags in Bochum. Ansprache des Vorsitzenden des Verbandes der Historiker Deutschlands, in: Rainer Eckert, Wolfgang Küttler, Gustav Seeber (Hg.),

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Schriftenverzeichnis Mommsen Krise, Umbruch, Neubeginn. Eine kritische und selbstkritische Dokumentation der DDRGeschichtswissenschaft 1989/90, Stuttgart 1992, S. 236-241. Geschichte und Geschichten. Über die Möglichkeiten und Grenzen der Universalgeschichtsschreibung, in: Saeculum 43 (1992), S. 124-135. Die Geschichtswissenschaft in der DDR. Kritische Reflexionen, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (1992), Β 17/18, S. 35-43. Die Geschichtswissenschaft und die Soziologie unter dem Nationalsozialismus, in: Helmut Coing [u.a.], Wissenschaftsgeschichte seit 1900. 75 Jahre Universität Frankfurt, Frankfurt a. M. 1992, S. 54-84. Historisches Erinnern. Die Tradierung historischer Quellen und die historische Forschung. Vortrag zur Eröffnung des 62. Deutschen Archivtages, in: Der Archivar 45 (1992), Sp. 1928.

328. Introduction, in: Wolfgang J. Mommsen, Jaap A. de Moor (Hg.), European Expansion and Law. The Encounter of European and Indigenous Law in 19th- and 20th-century Africa and Asia, Oxford 1992, S. 1-14. 329. Der künftige deutsche Staat und die Zukunft Europas, in: Wilhelm von Sternburg (Hg.), Geteilte Ansichten über eine vereinigte Nation. Ein Buch über Deutschland, Bergisch Gladbach 1992 [Wiederabdruck von ]. 330. Max Weber. Ein politischer Intellektueller der Jahrhundertwende, in: Universitas 47 (1992), S. 671-683. 331. Perspektivengebundenheit und Objektivität historischer Forschung, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 40 (1992), S. 341-349. 332. Die Zerstörung Europas, in: Carola Wolf (Hg.), Grau ist die Farbe der Hoffnung. Auf dem Weg nach Europa, München 1992, S. 28-38. 1993 333. Großmachtstellung und Weltpolitik. Die Außenpolitik des Deutschen Reiches 1870 bis 1914, Frankfurt a. M. 1993. 334. [Worufugangu J. Momuzen cho] Makkusu Wêbâ to doitsu seiji 1890-1920. 2 Bde., Tokyo 1993-1994 [Japan. Übers, von ], 335. Max Weber e la politica tedesca, 1890-1920, Bologna 1993 [Ital. Übers, von ], 336. Das Ringen um den nationalen Staat. Die Gründung und der innere Ausbau des Deutschen Reiches unter Otto von Bismarck 1850 bis 1890, Berlin 1993. 337. Gangolf Hübinger, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Intellektuelle im Deutschen Kaiserreich, Frankfurt a. M. 1993. 338. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik. Schriften und Reden 1892-1899, 2 Halbbde., Tübingen 1993. 339. Die DDR in der deutschen Geschichte, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (1993), Β 29/30, S. 20-29. 340. Gangolf Hübinger, Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: Gangolf Hübinger, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Intellektuelle im Deutschen Kaiserreich, Frankfurt a. M. 1993, S. 7-11. 341. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 17: Wissenschaft als Beruf. 1917/1919 - Politik als Beruf. 1919, Tübingen 1992, S. 1^*6.

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342. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik. Schriften und Reden 1892-1899, 2 Halbbde., Tübingen 1993, Halbbd. 1, S. 1-68. 343. Die Epoche des europäischen Imperialismus, in: Praxis Geschichte (1993), H. 1, S. 4—7. 344. Der Erste Weltkrieg und die Krise Europas, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich (Hg.), Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ... Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Essen 1993, S. 2 5 ^ 1 [Taschenbuchausg. ]. 345. Kaisermacht und Bürgerstolz. Berlin als Hauptstadt des Kaiserreiches, in: Uwe Schultz (Hg.), Die Hauptstädte der Deutschen. Von der Kaiserpfalz in Aachen zum Regierungssitz Berlin, München 1993, S. 181-193. 346. Die Kultur der Moderne im Deutschen Kaiserreich, in: Wolfgang Hardtwig, Harm-Hinrich Brandt (Hg.), Deutschlands Weg in die Moderne. Politik, Gesellschaft und Kultur im 19. Jahrhundert, München 1993, S. 254-274 [Wiederabdruck , in , S. 76-96], 347. Die Kultur der Moderne im Deutschen Kaiserreich, in: Jürgen P. Nautz, Richard Vahrenkamp (Hg.), Die Wiener Jahrhundertwende. Einflüsse, Umwelt, Wirkungen, Wien 1993 [2. Aufl. 1996], S. 856-881 [Wiederabdruck von ], 348. Max Weber. Ein politischer Intellektueller im Deutschen Kaiserreich, in: Gangolf Hübinger, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Intellektuelle im Deutschen Kaiserreich, Frankfurt a. M. 1993, S. 33-61. 349. Neither Denial nor Forgetftilness Will Free Us from the Past. Harmonizing Our Understanding of History Endangers Freedom, in: Forever in the Shadow of Hitler? Original Documents of the Historikerstreit, the Controversy Concerning the Singularity of the Holocaust, Atlantic Highlands 1993 [3. Aufl. 1994], S. 202-215 [Engl. Übers, von ], 350. Il peso del passato e l'identità nazionale dei tedeschi, in: Hans Woller (Hg.), La nascita di due repubbliche. Italia e Germania dal 1943 al 1955, Milano 1993, S. 25^11. 351. Die vielen Gesichter der Clio. Zum Tode Thomas Nipperdeys, in: GG 19 (1993), S. 408423. 352. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 17: Wissenschaft als Beruf. 1917/1919 - Politik als Beruf. 1919, Tübingen 1992, S. VII-IX. 353. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 4: Landarbeiterfrage, Nationalstaat und Volkswirtschaftspolitik. Schriften und Reden 1892-1899, 2 Halbbde., Tübingen 1993, Halbbd. 1, S. XV-XVII. 354. »Znowu jestesmy kims«. Przemiany politycznej samoswiadomosci Niemców, in: Czeslaw Karolak (Hg.), Niemcy o sobie. Naród - pañstwo, »Charakter narodowy« w oczach intelektualistów niemieckich, Poznan 1993, S. 187-208 [Wiederabdruck von ]. 1994 355. Bürgerliche Kultur und künstlerische Avantgarde. Kultur und Politik im deutschen Kaiserreich 1870 bis 1918, Frankfurt a. M. 1994. 356. Die Herausforderung der bürgerlichen Kultur durch die künstlerische Avantgarde. Zum Verhältnis von Kultur und Politik im Wilhelminischen Deutschland, München 1994 [Wiederabdruck , in , S. 158-177>]. 357. Max Weber und die deutsche Revolution 1918/19, Heidelberg 1994.

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358. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), The Long Way to Europe. Historical Observations from a Contemporary View. Foreword by Walter Laqueur, Chicago 1994 [Engl. Übers, von ], 359. fW. J. Momuzen, J. Ösutähameru, W. Schubentokä hencho] Makkusu Wëbâ to sono dôjidainin gunzô, Kyôto 1994 [Japan. Übers, von und ], 360. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 6: Briefe 1909-1910, Tübingen 1994. 361. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter (Hg.), Studienausgabe der Max-WeberGesamtausgabe, Bd. 1/17: Wissenschaft als Beruf. 1917/1919 - Politik als Beruf. 1919, Tübingen 1994. 362. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 6: Briefe 1909-1910, Tübingen 1994, S. 1-10. 363. Capitalism and Socialism. Weber's Dialogue with Marx, in: The Polity Reader in Social Theory, Cambridge 1994 [Repr. 1995], S. 14-22 [Wiederabdruck von ]. 364. Die Demokratische Revolution in Osteuropa und das deutsche Geschichtsbild, in: Gert Kaiser (Hg.), Bücher für die Wissenschaft. Bibliotheken zwischen Tradition und Fortschritt. Festschrift für Günter Gattermann zum 65. Geburtstag, München 1994, S. 99-107. 365. Europa und die außereuropäische Welt, in: HZ 258 (1994), S. 661-695. 366. Die Geschichtswissenschaft nach der »demokratischen Revolution« in Ostmitteleuropa, in: Neue Rundschau 105 (1994), H. 1, S. 75-88. 367. Die Herausforderung der bürgerlichen Kultur durch die künstlerische Avantgarde. Zum Verhältnis von Kultur und Politik im Wilhelminischen Deutschland, in: GG 20 (1994), S. 424-444 [Wiederabdruck von ], 368. Introduction, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), The Long Way to Europe. Historical Observations from a Contemporary View. Foreword by Walter Laqueur, Chicago 1994, S. 1 12 [Engl. Übers, von ]. 369. 1933. Die Flucht in den Führerstaat, in: Carola Stern, Heinrich August Winkler (Hg.), Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990. Überarb. u. erw. Neuausg., Frankfurt a. M. 1994, S. 127-158 [1. Aufl. ; veränderte Neuaufl. ], 370. Der Ort der DDR in der deutschen Geschichte, in: Jürgen Kocka, Martin Sabrow (Hg.), Die DDR als Geschichte. Fragen, Hypothesen, Perspektiven, Berlin 1994, S. 26-39. 371. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Vorwort, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 6: Briefe 1909-1910, Tübingen 1994, S. VII-VIII. 1995 372. Bürgerstolz und Weltmachtstreben. Deutschland unter Wilhelm II. 1890 bis 1918, Berlin 1995. 373. Imperial Germany 1867-1918. Politics, Culture and Society in an Authoritarian State, London 1995 [3. Aufl. 1997; gek. engl. Übers, von ], 374. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Probleme der englischen Sozialgeschichte, Göttingen 1995 (= GG 21 (1995), H. 4). 375. Die Geschichtswissenschaft in der ehemaligen DDR. Kritische Reflexionen, in: Volker Ackermann, Bemd-A. Rusinek, Falk Wiesemann (Hg.), Anknüpfungen. Kulturgeschichte,

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Landesgeschichte, Zeitgeschichte. Gedenkschrift für Peter Hüttenberger, Essen 1995, S. 45-56. L'«idea tedesca di libertà». Gli storici tedeschi e il modello del costituzionalismo monarchico nella Germania imperiale, in: Lorenzo Riberi (Hg.), La Germania allo specchio della storia. Storiografia, politica e società nell'Otto e Novecento, Milano 1995, S. 113-138. Die »Jahresberichte für deutsche Geschichte«, in: GG 21 (1995), S. 455^157. Die Jahresberichte für deutsche Geschichte, in: HZ 261 (1995), S. 101-104. Max Weber und die Entstehung der Demokratischen Republik von Weimar, in: Berliner Journal fiir Soziologie 5 (1995), S. 301-312. Die Mitteleuropaidee und die Mitteleuropaplanungen im Deutschen Reich vor und während des Ersten Weltkrieges, in: Richard G. Plaschka, Horst Haselsteiner, Arnold Suppan, Anna M. Drabek, Birgitta Zaar (Hg.), Mitteleuropa-Konzeptionen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Wien 1995, S. 3-24 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 94-117], Möglichkeiten und Grenzen einer liberalen Außenpolitik. Eine historische Betrachtung, in: Liberal 37 (1995), H. 2, S. 30^t0. Die moralische Verantwortlichkeit des Historikers, in: Kristin Platt, Mihran Dabag (Hg.), Generation und Gedächtnis. Erinnerungen und kollektive Identitäten, Opladen 1995, S. 131-145. Die Reichsversicherungsordnung vom Jahre 1911, in: Winfried Speitkamp, Hans-Peter Ullmann (Hg.), Konflikt und Reform. Festschrift für Helmut Berding, Göttingen 1995, S. 255-264.

1996 384. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München 1996. 385. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1/10: Zur russischen Revolution 1905. Schriften und Reden 1905-1912, Tübingen 1996. 386. Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn im Ersten Weltkrieg. Die Herabdrückung Österreich-Ungarns zum Vasallen der deutschen Politik, in: Helmut Rumpier, Jan Paul Niederkorn (Hg.), Der »Zweibund« 1879. Das deutsch-österreichisch-ungarische Bündnis und die europäische Diplomatie. Historikergespräch Österreich - Bundesrepublik Deutschland 1994, Wien 1996, S. 383-407. 387. Einleitung. Die deutschen kulturellen Eliten im Ersten Weltkrieg, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München 1996, S. 1-15 [Wiederabdruck in , 178-195], 388. Das Englandbild der Deutschen und die britische Sicht seit dem Ende des 18. Jahrhunderts, in: Hans Süssmuth (Hg.), Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden. Dokumentation der Tagung Deutschlandbilder in Dänemark und England, in Frankreich und den Niederlanden, 15.-18. Dezember 1993, Leutherheider Forum, Baden-Baden 1996, S. 215-234. 389. Der Erste Weltkrieg und die Krise Europas, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), »Keiner fühlt sich hier mehr als Mensch ...«. Erlebnis und Wirkung des Ersten Weltkriegs, Frankfurt a. M. 1996, S. 30-52 [Taschenbuchausg. von ],

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Mommsen

390 Homosexualität, aristokratische Kultur und Weltpolitik. Die Herausforderung des wilhelminischen Establishments durch Maximilian Harden 1906-1908, in: Uwe Schultz (Hg.), Große Prozesse. Recht und Gerechtigkeit in der Geschichte, München 1996 [3. Aufl. 2001], S. 279-288 [Übers, ins Tschech. ], Introduzione, in: Beatrice de Gerloni (Hg.), Problemi e metodi della storiografia tedesca 391. contemporanea, Torino 1996, S. VII-XIV. 392, The Kehrite Approach Thirty Years After, in: Bulletin / German Historical Institute London 18 (1996), H. 2, S. 5-14. 393. Der Liberalismus in der gegenwärtigen Weltsituation. Triumph und Herausforderung, in: Peter Gerlich, Krzystof Glass, Barbara Serloth (Hg.), Im Zeichen der liberalen Erneuerung, Wien 1996, S. 11-20. 394. Nachwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-WeberGesamtausgabe, Bd. 1/10: Zur russischen Revolution 1905. Schriften und Reden 19051912, Tübingen 1996, S. 339-359. 395. Nationalität im Zeichen offensiver Weltpolitik. Das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz des Deutschen Reiches vom 22. Juni 1913, in: Manfred Hettling, Paul Nolte (Hg.), Nation und Gesellschaft in Deutschland. Historische Essays. Hans-Ulrich Wehler zum 65. Geburtstag, München 1996, S. 128-141. 396. New Directions. Historiography after the Great Turnover, in: Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte 25 (1996), S. 5-13. 397. Die Siebecks und Max Weber. Ein Beispiel für Wissenschaftsorganisation in Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und Verlegern, in: GG 22 (1996), S. 19-30. 398. Le trasformazioni dell'idea di nazione nella scienza storica tedesca del XIX e XX secolo, in: Beatrice de Gerloni (Hg.), Problemi e metodi della storiografia tedesca contemporanea, Torino 1996, S. 5-28. 399. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Kultur und Krieg. Die Rolle der Intellektuellen, Künstler und Schriftsteller im Ersten Weltkrieg, München 1996, S. VII-VIII.

1997 400. German artists, writers and intellectuals and the meaning of war, 1914-1918, in: John Home (Hg.), State, society and mobilization in Europe during the First World War, Cambridge 1997, S. 21-38. 401. Der historische Ort des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte, in: Holger Afflerbach, Christoph Cornelißen (Hg.), Sieger und Besiegte. Materielle und ideelle Neuorientierungen nach 1945, Tübingen 1997, S. 365-386. 402. Homosexualita, aristokratická kultura a svëtovà politika. Maximilian Harden vyzyvá spicky vilémovské spolecnosti 1906-1908, in: Velké procesy. Právo a spravedlnost ν déjinách, Praha 1997, S. 274-283 [Tschech. Übers, von ]. 403. Kultur und Wissenschaft im kulturellen System des Wilhelminismus. Die Entzauberung der Welt durch die Wissenschaft und ihre Verzauberung durch Kunst und Literatur, in: Gangolf Hübinger, Rüdiger vom Bruch, Friedrich Wilhelm Graf (Hg.), Kultur und Kulturwissenschaften um 1900. Bd. 2: Idealismus und Positivismus, Stuttgart 1997, S. 24-40. 404. Max Weber and the Regeneration of Russia, in: Journal of Modern History 69 (1997), S. 1-17.

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405. Max Weber as a Critic of Marxism, in: Raymond Boudon, Mohamed Cherkaoui, Jeffrey Alexander (Hg.), The Classical Tradition in Sociology. The European Tradition, London 1997, Bd. 2, S. 129-155 [Wiederabdruck von ], 406. Die Verfassung des deutschen Kaiserreichs als Sondertypus innerhalb der europäischen Verfassungsgeschichte, in: Roland Lhotta, Janbernd Oebbecke, Werner Reh (Hg.), Deutsche und europäische Verfassungsgeschichte. Sozial- und rechtswissenschaftliche Zugänge. Symposium zum 65. Geburtstag von Hans Boldt, Baden-Baden 1997, S. 193-199. 407. Die Wirtschaftsgesinnung des modernen marktorientierten Kapitalismus, in: L'éthique protestante de Max Weber et l'esprit de la modernité. Textes réunis par le Groupe de Recherche sur la Culture de Weimar, Paris 1997, S. 208-224. 1998 408. 1848. Die ungewollte Revolution. Die revolutionären Bewegungen in Europa 1830-1849, Frankfurt a. M. 1998 [andere Ausg. Bonn 1998; Taschenbuchausg. ]. 409. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 7: Briefe 1911-1912, 2 Halbbde. Tübingen 1998. 410. Die DDR-Geschichtsschreibung aus westdeutscher Perspektive, in: Georg G. Iggers [u.a.] (Hg.), Die DDR-Geschichtswissenschaft als Forschungsproblem, München 1998, S. 153— 156. 411. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 7: Briefe 1911-1912, 2 Halbbde., Tübingen 1998, S. 1-16. 412. Heinrich Heine und die Deutschen, in: Joseph A. Kruse, Bernd Witte, Karin Füllner (Hg.), Aufklärung und Skepsis. Internationaler Heine-Kongreß 1997 zum 200. Geburtstag, Stuttgart 1998, S. 119-136 [Wiederabdruck in , S. 113-132], 413. Der Historismus als Weltanschauung des aufsteigenden Bürgertums, in: Horst Walter Blanke, Friedrich Jaeger, Thomas Sandkühler (Hg.), Dimensionen der Historik. Geschichtstheorie, Wissenschaftsgeschichte und Geschichtskultur heute. Jörn Rüsen zum 60. Geburtstag, Köln 1998, S. 382-394 [Rev. Wiederabdruck in , S. 97-112], 414. Kolonialgeschichte und Imperialismus. Ein Blick zurück, in: Hans-Martin Hinz, Christoph Lind (Hg.), Tsingtau. Ein Kapitel deutscher Kolonialgeschichte in China 1897-1914, Eurasburg 1998, S. 208-213. 415. Kultur als Instrument der Legitimation bürgerlicher Hegemonie im Nationalstaat, in: Claudia Rückert, Sven Kuhrau (Hg.), »Der Deutschen Kunst...«. Nationalgalerie und nationale Identität 1876-1998, Amsterdam 1998, S. 15-29 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 59-75, ], 416. Max Weber and the Peace Treaty of Versailles, in: Manfred F. Boemeke, Gerald D. Feldman, Elisabeth Glaser (Hg.), The Treaty of Versailles. A Reassessment after 75 Years, Cambridge 1998, S. 535-546. 417. Max Weber und die Vereinigten Staaten von Amerika, in: Ragnhild Fiebig-von Hase, Jürgen Heideking (Hg.), Zwei Wege in die Moderne. Aspekte der deutsch-amerikanischen Beziehungen 1900-1918, Trier 1998, S. 91-104. 418. Die nationale Frage in der Revolution von 1848/49, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 43 (1998), S. 348-358.

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Mommsen

419. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Vorwort, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 7: Briefe 1911-1912, 2 Halbbde., Tübingen 1998, S. VII-VIII. 1999 420. Zur Entstehung von Max Webers hinterlassenem Werk »Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie«, Berlin 1999. 421. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und das moderne Japan, Göttingen 1999. 422. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Die ungleichen Partner. Deutsch-britische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens der Deutsch-Englischen Gesellschaft e.V., Stuttgart 1999. 423. Capital Cities at War. Paris, London, Berlin 1914-1919, in: Jahrbuch 1997/98 / Wissenschaftskolleg - Institute for Advanced Study - zu Berlin, Berlin 1999, S. 171 f. 424. Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker, Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und das moderne Japan, Göttingen 1999, S. 1137. 425. Die europäische Reaktion auf Woodrow Wilsons »New Diplomacy«, in: Gerhard A. Ritter, Peter Wende (Hg.), Rivalität und Partnerschaft. Studien zu den deutsch-britischen Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Festschrift für Anthony J. Nicholls, Paderborn 1999, S. 145-162 [Wiederabdruck in , S. 181-199], 426. Fritz Klein. Ein Historiker im zweigeteilten Deutschland, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47 (1999), S. 722-730. 427. Krieg und Kultur. Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle im Ersten Weltkrieg, in: Jahrbuch 1997/98 / Wissenschaftskolleg - Institute for Advanced Study - zu Berlin, Berlin 1999, S. 261-276 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 196-215], 428. Die Leistungen und Fehlleistungen der Intellektuellen in der deutschen Politik, in: Jahrbuch 1997/98 / Wissenschaftskolleg - Institute for Advanced Study - zu Berlin, Berlin 1999, S. 121-124. 429. Die Reaktion der Intellektuellen, Schriftsteller und Künstler auf den Ersten Weltkrieg, in: Margarethe Jochimsen (Hg.), Otto Dix. Der Krieg - Radierwerk 1924, Bonn 1999, S. 164177. 430. Die Reichsverfassungskampagne vom Sommer 1849. Die letzte Phase der Revolution von 1848/49, in: Wilfried Reininghaus (Hg.), Die Revolution 1848/49 in Westfalen und Lippe. Tagung der Historischen Kommission für Westfalen am 18. und 19. Februar 1999 in Iserlohn, Münster 1999, S. 1-12. 431. Die Renaissance des Nationalstaates und die Historiker, in: Hartmut Lehmann, Hermann Wellenreuther (Hg.), Nationalismus in den USA und in Deutschland, vergleichende Perspektiven, Krefeld 1999, S. 121-140 [Übers, ins Engl. ], 432. The Renaissance of the Nation-State and the Historians, in: Hartmut Lehmann, Hermann Wellenreuther (Hg.), German and American Nationalism. A Comparative Perspective, Oxford 1999, S. 283-300 [Engl. Übers, von ], 433. Die Revolution von 1848/49 und der Liberalismus, in: Jahrbuch zur LiberalismusForschung 11 (1999), S. 181-198.

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434. Schleswig-Holstein, das Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848 und die europäischen Revolutionen von 1848/49, in: Schleswig-holsteinische Anzeigen 1 (1999), S. 2-7. 435. The Social Acceptability of Jews in Germany, Austria and Great Britain. A Comment on Niall Ferguson, in: Michael Brenner, Rainer Liedtke, David Rechter (Hg.), Two Nations. British and German Jews in Comparative Perspective, Tübingen 1999, S. 327-330. 436. Vom Kriegsgegner zum Partner, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Die ungleichen Partner. Deutsch-britische Beziehungen im 19. und 20. Jahrhundert. Aus Anlaß des fünfzigjährigen Bestehens der Deutsch-Englischen Gesellschaft e. V., Stuttgart 1999, S. 184-215. 437. Vom »Volkstumskampf« zur nationalsozialistischen Vemichtungspolitik in Osteuropa. Zur Rolle der deutschen Historiker unter dem Nationalsozialismus, in: Winfried Schulze, Otto Gerhard Oexle (Hg.), Deutsche Historiker im Nationalsozialismus, Frankfurt a. M. 1999 [4. Aufl. 2000], S. 183-214. 438. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schwentker (Hg.), Max Weber und das moderne Japan, Göttingen 1999, S. 9 f. 2000 439. 1848. Die ungewollte Revolution. Die revolutionären Bewegungen in Europa 1830-1849, Frankfurt a. M. 2000 [Taschenbuchausg. von ], 440. Das Zeitalter des Imperialismus, Augsburg 2000 [Neuausg. von ], 441. Bürgerliche Kultur und politische Ordnung. Künstler, Schriftsteller und Intellektuelle in der deutschen Geschichte 1830-1933, Frankfurt a. M. 2000. 442. Die Geschichtswissenschaft am Ende des 20. Jahrhunderts, in: Christoph Comelißen (Hg.), Geschichtswissenschaften. Eine Einführung, Frankfurt a. M. 2000 [3. Aufl. 2004], S. 2638. 443. Intellettuali, scrittori, artisti e la Prima guerra mondiale, 1890-1915, in: Vincenzo Cali, Gustavo Corni, Giuseppe Ferrandi (Hg.), Gli intellettuali e la Grande guerra, Bologna 2000, S. 41-58. 444. »Die Jungen wollen ganz unbefangen die alte Generation in die Pfanne hauen«, in: Rüdiger Hohls, Konrad H. Jarausch (Hg.), Versäumte Fragen. Deutsche Historiker im Schatten des Nationalsozialismus, Stuttgart 2000, S. 191-217. 445. Kriegsalltag und Kriegserlebnis im Ersten Weltkrieg, in: Militärgeschichtliche Zeitschrift 59 (2000), S. 125-138 [Wiederabdruck in , S. 137-154], 446. Max Weber in America, in: The American Scholar 69 (2000), H. 3, S. 103-109. 447. Max Weber's »Grand Sociology«. The Origins and Composition of Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie, in: History and Theory 39 (2000), S. 364-383 [Wiederabdruck ], 448. Die nationalgeschichtliche Umdeutung der christlichen Botschaft im Ersten Weltkrieg, in: Gerd Krumeich, Hartmut Lehmann (Hg.), »Gott mit uns«. Nation, Religion und Gewalt im 19. und frühen 20. Jahrhundert, Göttingen 2000, S. 249-261 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 168-180], 449. Wissenschaft, Krieg und die Berliner Akademie der Wissenschaften. Die Preußische Akademie der Wissenschaften in den beiden Weltkriegen, in: Wolfram Fischer (Hg.), Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1914-1945, Berlin 2000, S. 3-23 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 216-239]. 450. Die zweite Revolution, die nicht sein sollte. Die Reichsverfassungskampagne. Die letzte Phase der Revolution von 1848/1849, in: Christof Dipper, Lutz Klinkhammer, Alexander

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Nützenadel (Hg.), Europäische Sozialgeschichte. Festschrift für Wolfgang Schieder, Berlin 2000, S. 113-126. 2001 451. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilbd. 1: Gemeinschaften, Tübingen 2001 [Übers, ins Ital. ]. 452. Edith Hanke, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zu Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001. 453. Anfange des ethnic cleansing und der Umsiedlungspolitik im Ersten Weltkrieg, in: Eduard Mühle (Hg.), Mentalitäten - Nationen - Spannungsfelder. Studien zu Mittel- und Osteuropa im 19. und 20. Jahrhundert. Beiträge eines Kolloquiums zum 65. Geburtstag von Hans Lemberg, Marburg 2001, S. 147-162 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 118-136], 454. Edith Hanke, Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: Edith Hanke, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zu Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001, S. 1-16. 455. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilbd. 1: Gemeinschaften, Tübingen 2001, S. 1-65 [Übers, ins Ital. ], 456. History of political theory in the Federal Republic of Germany. Strange death and slow recovery, in: Dario Castiglione, Iain Hampsher-Monk (Hg.), The history of political thought in national context, Cambridge 2001, S. 40-57. 457. Kultur als Instrument der Legitimation bürgerlicher Hegemonie im Nationalstaat, in: Hermann Danuser, Herfried Münkler (Hg.), Deutsche Meister, böse Geister? Nationale Selbstfindung in der Musik, Schliengen 2001, S. 61-74 [Wiederabdruck von ]. 458. 1933. Die Flucht in den Führerstaat, in: Carola Stern, Heinrich August Winkler (Hg.), Wendepunkte deutscher Geschichte 1848-1990. Durchges. Neuausg., Frankfurt a. M. 2001 [3. Aufl. 2005], S. 127-158 [1. Aufl. ]. 459. Otto von Bismarck (1815-1898), in: Michael Fröhlich (Hg.), Das Kaiserreich. Portrait einer Epoche in Biographien, Darmstadt 2001, S. 52-64. 460. Die Paulskirche, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, Bd. 2, München 2001 [zahlreiche Neuaufl., zuletzt 2009], S. 47-66 [Wiederabdruck ], 461. Politik im Vorfeld der »Hörigkeit der Zukunft«. Politische Aspekte der Herrschaftssoziologie Max Webers, in: Edith Hanke, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Webers Herrschafitssoziologie. Studien zu Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001, S. 303-319. 462. Der Vertrag von Versailles. Eine Bilanz, in: Gerd Krumeich (Hg.), Versailles 1919. Ziele Wirkung - Wahrnehmung, Essen 2001, S. 351-360 [Wiederabdruck mit verändertem Titel in , S. 200-211], 463. Vorwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I: Schriften und Reden, Bd. 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilbd. 1: Gemeinschaften, Tübingen 2001, S. XIXXXI.

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464. Edith Hanke, Wolfgang J. Mommsen, Vorwort, in: Edith Hanke, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Webers Herrschaftssoziologie. Studien zu Entstehung und Wirkung, Tübingen 2001, S. III. 465. Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Zur Edition von »Wirtschaft und Gesellschaft«. Allgemeine Hinweise der Herausgeber der Max Weber-Gesamtausgabe, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. I.Schriften und Reden, Bd. 22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilbd. 1: Gemeinschaften, Tübingen 2001, S. VII-XVII [Übers, ins Ital. ], 2002 466. Der große Krieg und die Historiker. Neue Wege der Geschichtsschreibung über den Ersten Weltkrieg, Essen 2002. 467. Die Urkatastrophe Deutschlands. Der Erste Weltkrieg 1914-1918. Stuttgart 2002 (= Gebhardt. Handbuch der deutschen Geschichte. 10. völlig neu bearb. Aufl., Bd. 17). 468. War der Kaiser an allem schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten, Berlin 2002 [2. Aufl. 2003, Taschenbuchausg. ]. 469. [Worufugangu J. Momuzen hen] Teikoku-shugi to kokumin-tôgô, Tôkyô 2002 [Japan. Übers, von ]. 470. Deutscher Nationalismus im 19. und 20. Jahrhundert, in: Bernd Sösemann (Hg.), Der Nationalsozialismus und die deutsche Gesellschaft. Einführung und Überblick, Stuttgart 2002, S. 11-24 [andere Ausg. Darmstadt 2002], 471. Die Kontinuität des Irrtums. Das Deutsche Reich an der Schwelle zum totalen Krieg, in: Manfred Hettling, Uwe Schirmer, Susanne Schötz (Hg.), Figuren und Strukturen. Historische Essays für Hartmut Zwahr zum 65. Geburtstag, München 2002, S. 43-55 [Wiederabdruck in , S. 79-93], 472. Sozialpolitik im Deutschen Reich, in: Wolfgang Woelk, Jörg Vögele (Hg.), Geschichte der Gesundheitspolitik in Deutschland. Von der Weimarer Republik bis in die Frühgeschichte der »doppelten Staatsgründung«, Berlin 2002, S. 51-66. 2003 473. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 8: Briefe 1913-1914, Tübingen 2003. 474. Deutschland, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2003, S. 15-30 [andere Ausg. Zürich 2003; Wiederabdruck in , S. 37-60, , ], 475. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Einleitung, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 8: Briefe 1913-1914, Tübingen 2003, S. 1-16. 476. »Gestürzte Denkmäler«? Die »Fälle« Aubin, Conze, Erdmann und Schieder, in: Jürgen Elvert, Susanne Krauß (Hg.), Historische Debatten und Kontroversen im 19. und 20. Jahrhundert. Jubiläumstagung der Ranke-Gesellschaft in Essen, 2001, Wiesbaden 2003, S. 96-109. 477. Hans-Dietrich Genscher. Visionär der Außenpolitik in einer demokratischen Weltgesellschaft, in: Hans-Dieter Lucas (Hg.), Genscher, Deutschland und Europa, Baden-Baden 2002, S. 395—411.

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Schriftenverzeichnis

Mommsen

478. Art. Kriegsziele, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2003, S. 666-668 [andere Ausg. Zürich 2003; Wiederabdruck , ], 479. [Japanische Übersetzung von Max Weber's Political Sociology and his Philosophy of World History], in: Dennis Wrong (Hg.), Max Weber. Sebuah Khazanah, Yogyakarta 2003 [Japan. Übers, von ], 480. Neohistoristische Tendenzen in der Historiographie der Bundesrepublik, in: Karl-Egon Lonne (Hg.), Historismus in den Kulturwissenschaften. Zehntes Partnerschaftskolloquium der Facoltà di Lettere e Filosofia der Università degli Studi di Napoli, Federico II, und der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vom 6.-8. November 1995 in Düsseldorf, Tübingen 2003, S. 207-213. 481. M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Vorwort, in: M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. II: Briefe, Bd. 8: Briefe 1913-1914, Tübingen 2003, S. VII-IX. 2004 482. Der Erste Weltkrieg. Anfang vom Ende des bürgerlichen Zeitalters, Frankfurt a. M. 2004 [andere Ausg. Bonn 2004]. 483. Max Weber und die deutsche Politik 1890-1920. 3., verb. Aufl., Tübingen 2004 [1. Aufl. ]. 484. Deutschland, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg. 2. durchges. Aufl., Paderborn 2004, S. 15-30 [Wiederabdruck von ], 485. Art. Kriegsziele, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg. 2. durchges. Aufl., Paderborn 2004, S. 666-668 [Wiederabdruck von ]. 486. Max Weber als Nationalökonom. Von der theoretischen Nationalökonomie zur Kulturwissenschaft, in: Sociologia internationalis 42 (2004), H. 1, S. 3-35. 487. Nation und Freiheit im Widerstreit. Schleswig-Holstein, das Staatsgrundgesetz vom 15. September 1848 und die europäischen Revolutionen von 1848/49, in: Bea Lundt (Hg.), Nordlichter. Geschichtsbewußtsein und Geschichtsmythen nördlich der Elbe, Köln 2004, S. 227-242. 488. Reform und Reformverweigerung in der jüngeren deutschen Geschichte, in: Wolfgang Bergsdorf, Dietmar Herz, Hans Hoffmeister (Hg.), Reformen in Deutschland. Ringvorlesung der Universität Erfurt im Wintersemester 2003/04, Weimar 2004, S. 73-97. 2005 489. War der Kaiser an allem schuld? Wilhelm II. und die preußisch-deutschen Machteliten, Berlin 2005 [Taschenbuchausg. von ]. 490. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber. Economia e società. L'economia in rapporto agli ordinamenti e alle forze sociali. Comunità. Edizione italiana condotta sul nuovo testo critico della Max Weber-Gesamtausgabe, hg. ν. Massimo Palma, Roma 2005 [Ital. Übers, von ],

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Mommsen

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491. Jürgen Kocka, Wolfgang Mommsen (Hg.), Karl Dietrich Erdmann. Toward a Global Community of Historians. The International Historical Congresses and the International Committee of Historical Sciences 1898-2000, New York 2005. 492. Lenkung und Selbstzensur der deutschen Presse im Kaiserreich, in: Michal Andël [u.a.] (Hg.), Propaganda, (Selbst-)Zensur, Sensation. Grenzen von Presse- und Wissenschaftsfreiheit in Deutschland und Tschechien seit 1871, Essen 2005, S. 15-31. 493. Introduzione, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber. Economia e società. L'economia in rapporto agli ordinamenti e alle forze sociali. Comunità. Edizione italiana condotta sul nuovo testo critico della Max Weber-Gesamtausgabe, hg. ν. Massimo Palma, Roma 2005, S. XXIX-CXXIII [Ital. Übers, von ]. 494. Max Weber's »Grand Sociology«. The Origins and Composition of Wirtschaft und Gesellschaft. Soziologie, in: Charles Camic, Philip S. Gorski, David M. Trubek (Hg.), Max Weber's Economy and Society. A Critical Companion, Stanford 2005, S. 70-97 [Wiederabdruck von ]. 495. Die Paulskirche, in: Etienne François, Hagen Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte. Eine Auswahl, München 2005, S. 177-196 [andere Ausg. Bonn 2005; Wiederabdruck von ], 496. Horst Baier, M. Rainer Lepsius, Wolfgang J. Mommsen, Wolfgang Schluchter, Sull'edizione di Economia i società. Indicazioni generali dei curatori della Max WeberGesamtausgabe, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber. Economia e società. L'economia in rapporto agli ordinamenti e alle forze sociali. Comunità. Edizione italiana condotta sul nuovo testo critico della Max Weber-Gesamtausgabe, hg. ν. Massimo Palma, Roma 2005, S. XI-XXVIII [Ital. Übers, von ], 2007 497. [Volfgkangk G. Mommzen] Imperialismos. Oi pneumatikés, politikés kai oikonomikés rizes tou. Athina 2007 [Griech. Übers, von ]. 2009 498. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften, Bd. 1: Allgemeine (»theoretische«) Nationalökonomie. Vorlesungen 1894-1898, Tübingen 2009. 499. Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1/22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilbd. 1 : Gemeinschaften, Tübingen 2009. 500. Deutschland, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Akt. u. erw. Studienaufl., Paderborn 2009, S. 15-30 [Wiederabdruck von ], 501. Einleitung, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Max Weber Gesamtausgabe, Abt. III: Vorlesungen und Vorlesungsnachschriften, Bd. 1 : Allgemeine (»theoretische«) Nationalökonomie. Vorlesungen 1894-1898, Tübingen 2009, S. 1-79. 502. Art. Kriegsziele, in: Gerhard Hirschfeld, Gerd Krumeich, Irina Renz (Hg.), Enzyklopädie Erster Weltkrieg. Akt. u. erw. Studienaufl., Paderborn 2009, S. 666-668 [Wiederabdruck von ],

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Schriftenverzeichnis Mommsen

503. Nachwort, in: Wolfgang J. Mommsen (Hg.), Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Bd. 1/22: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilbd. 1 : Gemeinschaften, Tübingen 2009.

Anhang: Mitgliedschaft in Herausgebergremien und Beiräten von Zeitschriften Bulletin / German Historical Institute London - Herausgeber 1 (1979) - 19 (1985). German History. The Journal of the German History Society - Mitglied des Editorial Board 5 (1987)-22 (2004) Geschichte und Gesellschaft - Mitherausgeber 1 (1975) - 24 (1998) History and Theory - Mitglied des Editorial Committee 26 (1987) - 43 (2004) History of European Ideas - Mitglied des Board of Advisory Editors 1 (1980) - 20 (1995) Jahresberichte fur deutsche Geschichte - Projektleiter N.F. 44 (1992) - 55 (2003) Journal of Contemporary History - Mitglied des Editorial Board 15 (1980) - 34 (1999) Max Weber Gesamtausgabe - Mitherausgeber Politik und Kultur - Mitherausgeber 1 (1974) - 17 (1990) Storia della Storiografia - Mitglied des Editorial Board 1 (1981) - 18 (1990) Staatswissenschaften und Staatspraxis - Mitherausgeber 1 (1990) - 9 (1998) Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London - Herausgeber

Abkürzungsverzeichnis

AfW BAdW CRID DFG DGIA DHI FAZ FDJ GWU GG HZ KRiG MEGA MfS MGFA MWG NPL NWB OKW RSDRP SBZ VfZ VSWG WRV WWR ZHF ZZF

Arbeitskreis für Wehrforschung Bayerische Akademie der Wissenschaften Collectif de recherche international et de débat sur la guerre de 1914-1918 Deutsche Forschungsgemeinschaft Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland Deutsches Historisches Institut Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Deutsche Jugend Geschichte in Wissenschaft und Unterricht Geschichte und Gesellschaft Historische Zeitschrift Krieg in der Geschichte Marx-Engels-Gesamtausgabe Ministerium fur Staatssicherheit Militärgeschichtliches Forschungsamt Max Weber-Gesamtausgabe Neue Politische Literatur Neue Wissenschaftliche Bibliothek Oberkommando der Wehrmacht Sozialdemokratische Arbeiterpartei Russlands Sowjetische Besatzungszone Vierteljahreshefte fur Zeitgeschichte Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Weimarer Reichsverfassung Wehrwissenschaftliche Rundschau Zeitschrift für historische Forschung Zentrum für Zeithistorische Forschung

Autorinnen- und Autorenverzeichnis

AFFLERBACH, HOLGER, Professor of Central European History, University of Leeds. ALDENHOFF-HÜBINGER, Rita, Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Europa-Universität Viadrina Frankfort (Oder). ANTER, ANDREAS, Professor für das Politische System der Bundesrepublik, Universität Leipzig. BARTH, BORIS, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Konstanz. BLASIUS, DIRK, Professor für Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsgeschichte, Universität Duisburg-Essen. CHICKERING, ROGER, Professor of History, Georgetown University. CORNELISSEN, CHRISTOPH, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, ChristianAlbrechts-Universität zu Kiel. DAHLMANN, DITTMAR, Professor für Osteuropäische Geschichte, Universität Bonn. DIPPER, CHRISTOF, Professor für Neuere und Neueste Geschichte, Technische Universität Darmstadt. DÜLFFER, JOST, Professor für Neuere Geschichte, Universität zu Köln. FÖRSTER, STIG, Professor für Neueste Geschichte, Universität Bern. FULBROOK, MARY, Professor of German History, University College London.

Autorinnen- und Autorenverzeichnis

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HANKE, EDITH, Dr., Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Redaktion der Max Weber Gesamtausgabe, Bayerische Akademie der Wissenschaften. HIRSCHFELD, GERHARD, Direktor der Bibliothek fiir Zeitgeschichte an der Württembergischen Landesbibliothek und Professor für Neuere Geschichte, Universität Stuttgart. HÜBINGER, GANGOLF, Professor für Vergleichende Kulturgeschichte der Neuzeit, Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). KERSHAW, IAN, Professor of Modern History, Sheffield University. KROLL, THOMAS, Professor für Westeuropäische Geschichte, Friedrich-Schiller-Universität Jena. KRUMEICH, GERD, Professor für Neuere Geschichte, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. LENGER, FRIEDRICH, Professor für Neuere Geschichte, Justus-Liebig-Universität Gießen. WIEDERKEHR, STEFAN, Dr., Leiter der Akademie-Bibliothek an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

Personenregister

Adenauer, Konrad 261 Adorno, Theodor W. 182, 213 Albertin, Lothar 72 Albertini, Rudolf von 161, 167, 172 f. Althoff, Gerd 281, 285 Althusser, Louis 126 Aly, Götz 277 f. Angel-Volkov, Shulamit 120 Angermann, Erich 286 Arndt, Adolf 155 Aron, Raymond 155, 157 Audoin-Rouzeau, Stéphane 106-110 Baier, Horst 207, 212-227 Bamberger, Ludwig 73 Bangemann, Martin 77 Barth, Boris 168 Barth, Theodor 73 Barthas, Louis 108 Bauer, Otto 118 Baumgarten, Eduard 155, 218 f. Beaupré, Nicolas 104 Bebel, August 100 Beck, Ludwig 55 Becker, Annette 107-110 Becker, Jean-Jacques 104-106 Beckmann, Max 143, 145 Beetham, David 235, 241 Bendix, Reinhard 126, 152 f., 192, 218 Bengtson, Hermann 286 Berding, Helmut 29, 119, 279

Berg, Nicolas 17 Berghahn, Volker 59, 61, 64, 66, 175, 310 Bergsträsser, Arnold 47, 258 f. Bernhardt, Friedrich von 91 Bernstein, Eduard 118 Bethmann Hollweg, Theobald von 38, 65, 68,91,93,96, 139, 183 f., 231 Beyme, Klaus von 279 Bismarck, Otto von 38 f., 59, 67, 86 f., 92 f , 95, 122, 140, 151, 158, 160, 176-178, 184, 203,311 Blackbourne, David 90, 310 Böckenförde, Emst-Wolfgang 20, 279 Böhme, Hartmut 59 Bolte, Karl Martin 215 Borchardt, Knut 221, 223 Borries, Bodo von 281, 287 Borscheid, Peter 281 Bosl, Karl 195, 221 f. Bourdieu, Pierre 128 f., 191 Bracher, Karl Dietrich 27, 54, 279, 286, 311 Braubach, Max 286 Braudel, Ferdinand 162, 180 Braun, Hans-Joachim 281, 291 Brausch, Gerd 50 Brandt, Willy 30 Brecht, Arnold 260 Brentano, Lujo 117 Breuilly, John 310

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Personenregister

Breysig, Kurt 117 Brötel, Dieter 161 Broszat, Martin 17, 40, 57, 304, 309 f. Brüggemeier, Franz-Josef 127 Brüning, Heinrich 150 Bruhns, Hinnerk 281, 290 Brunner, Otto 194 Brunschwig, Henri 167 Brumlik, Micha 35, 279 Bruun, Hans Henrik 218 f. Bubnov, Nikolaj 248 Bucharin, Nikolai Iwanowitsch 169 Buchheim, Hans 40 Bude, Heinz 13, 24, 281 Bülow, Bernhard von 67, 170 Bulgakov, Sergej 249 Burckhardt, Jacob 180, 281 Burkhardt, Johannes 288, 290 Bush, George W. 174 Cain, Peter J. 170, 172 Caplan, Jane 310 Caprivi, Leo von 67 Carsten, Francis 310 Cazals, Rémy 108 Chickering, Roger 40, 72 Clausewitz, Carl von 87, 89 Collins, Randall 242 Conrad, Sebastian 179, 181 Conze, Werner 21, 26 f., 118-120, 178, 180,183, 194, 196, 286, 294, 295 Cru, Jean Norton 107-109 Dahrendorf, Ralf 20, 27, 235, 279, 309 Daniel, Ute 103, 124, 129 Davydov, Jurij N. 245 f. Decker-Hauff, Hansmartin 286 Dehio, Ludwig 29 Deist, Wilhelm 45 f., 52, 54, 59 f., 85 f., 92, 175 Delbrück, Hans 86

Demm, Eberhard 235, 281, 290 Dilthey, Wilhelm 118, 180 Dipper, Christoph 14, 281, 290 f. Disraelis, Benjamin 170 Ditt, Karl 123 Dix, Otto 143, 145 Dörner, Friedrich Karl 286 Donde, A. S. 245 Donson, Andrew 103 Dorpalen, Andreas 28 Dowe, Dieter 281, 291 Dragomanov, Michail 248 Drechsler, Horst 172 Droysen, Johann Gustav 180 Duchhardt, Heinz 280 f., 285, 290 f. Dülffer, Jost 281, 285 Eichmann, Adolf 290 Eichhorn, Jaana 282 Eichstädt, Ulrich 50 Emrich, Wilhelm 23 Engelberg, Ernst 296, 299, 301 f. Engels, Friedrich 118,210 Eley, Geoff 90, 131,310 Erdmann, Karl-Dietrich 21, 27, 30, 35, 47, 58, 63, 286 Etzemüller, Thomas 179 Evans, Richard 69, 310 Ewig, Eugen 286 Eyck, Erich 77 Faber, Karl-Georg 75 f. Faulenbach, Bernd 281, 291 Fehrenbach, Elisabeth 86, 180 Feldman, Gerald D. 140 Fiedler, Gudrun 103 Fieldhouse, David K. 163 Fischer, Fritz 20 f., 27 f., 31, 39, 59, 62 f., 72, 100, 112, 138, 144 f., 167, 182-185,285,288, 295 Fischer, Wolfram 119

358 Flex, Walther 145 Förster, Stig 168 Foster, John 124 Foucault, Michel 125, 131, 191 Fraenkel, Ernst 148, 152 f., 262, 270 Francis, Emerich K. 215 François, Etienne 295 Franklin, Benjamin 242 Freund, Michael 286 Frevert, Ute 125 Freyer, Hans 179 Fríe, Ewald 71 Friedjung, Heinrich 170 Friedländer, Saul 304 Friedrich II. von Preußen 302 Friessner, Hans 50 Fussel, Paul 97 Gajdenko, Piama 245 f. Gall, Lothar 72-81, 86, 180, 280 Gallagher, John 160, 164, 166, 168 f., 174 Geary, Dick 310 Geertz, Clifford 191 Geiss, Imanuel 16, 72, 100, 182 f., 185, 280 Geitner, Curt von 48 Georg. V. (v. England) 102 Gerschenkron, Alexander 121, 192, 198 Gercenstejn, Michail 248 f. Gervinus, Georg Gottfried 75, 83 Gessen, Iosif 247 Gessen, Sergej I. 247 Gestrich, Andreas 9 Geuenich, Dieter 281, 285 Geyer, Dietrich 279 Giddens, Anthony 127, 235 Gierke, Otto von 118 Göhring, Martin 52 f. Goldhagen, Daniel J. 71, 304

Personenregister

Gooch, George Peabody 46 Gordon, Harold 53 Gothein, Eberhard 117 Grebing, Helga 22, 295 Greuenich, Dieter 288, 292 Grevs, Ivan M. 244, 249 Grewe, Wilhelm 47 Grimm, Dieter 279 Groethuysen, Bernhard 118 Groh, Dieter 121 Gross, Otto 242 Grüttner, Michael 127 Habermas, Jürgen 13, 20, 33, 116, 119, 155, 182, 209-211, 264, 279, 288, 309 Haehling, Raban von 281 Hämmerle, Christa 103 Hättich, Manfred 259 Hagemann, Karen 124 Hagen, Manfred 255 Halder, Franz 49, 51, 53 Haies, Oron 100 Hallgarten, Friedrich 170 Hamilton, Richard F. 94 Hanke, Edith 238, 242 Hansemann, David 79 Harnack, Adolf 118 Hart, Basil Henry Liddell 53 Hartmann, Nicolai 47 Haupt, Heinz Gerhart 123, 281, 290 Heidegger, Martin 286 Heimpel, Hermann 52 Heisenberg, Werner 237 Helle, Horst J. 228 Hennis, Wilhelm 30, 11, 208, 210. 235 f., 260, 266 Herrmann, Ulrich 281 Hertz, Anselm 77 Herwig, Holger H. 94 Herzfeld, Hans 21, 26 f., 179

359

Personenregister Heuer, Renate 23 Heuss, Alfred 190 Heuss, Theodor 72, 82, 156, 196, 261 Hildebrand, Klaus 14, 59, 64, 67, 311 Hildermeier, Manfred 239 Hilferding, Rudolf 100, 118, 169 Hill, Christopher 300 Hillgruber, Andreas 14, 45 f., 48 f., 52 ff., 58 ff., 64, 86, 285, 304, 311 Hindenburg, Paul von 106 Hintze, Otto 117, 180, 192 f., 193, 218, 233 Hirschfeld, Gerhard 97, 310 Hitler, Adolf 49, 50, 54-59, 92, 94, 113, 150-153, 156 f., 176-178, 182, 259, 262-264, 302, 309, 312 Hobsbawm, Eric 117, 300 Hobson, John A. 170 Hoerder, Dirk 123, 282, 290 Hoetzsch, Otto 255 Hofer, Waither 47 Hoffmann, Stanley 112 Hohls, Rüdiger 285 Holl, Karl 72 f., 81 Hollerbach, Alexander 77 Homer 257 Honigsheim, Paul 152 f. Hopkins, Anthony G. 170, 172 Hubatsch, Walter 53, 55 Hübinger, Gangolf 229, 238 Hümmelchen, Gerhard 54 Iggers, Georg G. 198 Ipsen, Gunther 119, 179 Jacobeit, Sigrid 297 Jacobsen, Hans-Adolf 14,40, 45-49, 50, 52-54, 56-59 Jäckel, Eberhard 45-48, 52, 54, 57-59, 317,311 Jäger, Wolfgang 138

Jaffé, Edgar 246, 249 Jagow, Gottlieb von 91 Jahr, Christoph 97, 109, 112 Jarausch, Konrad H. 285 Jeck, Albert 279 Jellinek, Georg 247 Jochmann, Werner 56 Jodl, Alfred 48 Joll, James 137, 310 Jones, Gareth Stedman 129, 131 Jospin, Lionel 112 f. Jünger, Ernst 141 f., 145 Kaelble, Hartmut 119, 185, 297 Käsler, Dirk 116,210 Kahl, Hans-Dietrich 286 Kaiser, Joachim 13 Kaiser, Reinhold 282,290 Kapp, Wolfgang 228 Kaufman, Aleksabndr 249 Kautsky, Karl 118 Kehr, Eckart 87-90, 119, 170, 192 Keim, August 91 Kennan, George F. 111 Keyserling, Hermann Graf 256 Kielmannsegg, Johann von 55 Kistjakovskij, Bogdan 247 f. Klee, Karl 47 Klippel, Diethelm 282, 285, 290 Klöcker, Michael 282 Klönne, Arno 13 Kluke, Paul 286 Kocka, Jürgen 14, 32, 59, 61, 116 f., 119, 121, 123, 125, 128, 140 f., 175, 184 f., 189 f., 193, 196-198, 203, 227, 235, 279, 288, 297, 299, 306 Köllmann, Wolfgang 119 König, René 153 Kohl, Helmut 14, 34, 39, 304 Kolb, Eberhard 29, 286

360 Kollwitz, Käthe 145 Koselleck, Reinhart 13, 119, 279, 286, 292, 298 Krausnick, Hermann 57 Krumeich, Gerd 85, 92, 97 Krockow, Christian Graf von 19 Kustarev, Afanasij 245 Kühn, Heinz 218 Kuczynski, Jürgen 296 Lammers, Karl Christian 282, 290 Lamprecht, Karl 179 Landes, David 166 Langer, William L. 67, 161 Langewiesche, Dieter 123, 282, 285, 289-291 Lanz, Hubert 48 Lehmann, Hartmut 86, 243 Lenin, Wladimir Iljitsch 169, 299 Lepenies, Wolf 279 Lepsius, M. Rainer 20, 37, 210, 212 f., 218, 220-224, 230 f., 288 Lequin, Yves 124 Lefèvre, Wolfgang 227 Linde, Hans 110 Lipp, Anne 97, 104 Lipset, Seymour M. 126 List, Günther 72 Löwe, Heinz 286 Loewenstein, Karl 152-154, 228, 260, 262, 264 Löwenthal, Richard 35, 279 Löwith, Karl 151 Ludendorff, Erich 89 f. Lübbe, Hermann 17, 20, 27, 211, 217 f., 222 Lüdtke, Alf 33, 127, 282, 288, 291, 300 Luhmann, Niklas 125, 131, 213 Luther, Martin 296 Luxemburg, Rosa 169

Personenregister MacKenzie, John 173 Maier, Hans 208, 211, 215, 222, 259 Mann, Golo 204 Mann, Heinrich 90 Mann, Katia 23 Mann, Thomas 23 Mannheim, Karl 17-19 Manstein, Erich von 49 f. Marcuse, Herbert 210 f., 227 Marquardt, Frederick D. 119 Marquart, Odo 20 Martens, Dr. 23 Marx, Karl 79, 116, 118, 121, 124-131, 180, 192, 195, 197, 199-201, 207, 209 f., 226 f., 237, 298, 303 Mason, Tim 303, 310 f. Mayer, Gustav 118 Medick, Hans 33, 126 f. Medusevskij, Andreij N. 245 f. Mehring, Franz 118 Meier, Christian 279, 285 f. Meinck, Gerhard 50 Meinecke, Friedrich 12, 16, 28 f., 178 Menzel, Eberhard 47 Messerschmidt, Manfred 14, 45 f., 52, 54 f., 60, 86, 175 Mevissen, Gustav von 79 Michel, Henri 53 Michels, Robert 117 Millecker, Erich 34 Mittenzwei, Ingrid 297, 302 Mitter, Armin 297, 306 Mitzman, Arthur 235 Mock, Wolfgang 168 Möller, Horst 282, 288, 291 Möhler, Armin 215 Moltke, Helmuth Karl Bernhard Graf von 89 Moltke, der Jüngere 91, 96 Mommsen, Hans 18, 23, 30, 33, 36, 40, 57,85, 279, 285, 295, 304, 311-314

Personenregister

Moore, Barrington 121 Mooser, Josef 123 Moraw, Peter 286 Morus, Thomas 46 Moses, A. Dirk 9, 13 f., 46, 175, 185 Mosse, George L. 110, 113 Müller, Achatz von 282, 290 f. Müller, Hans-Peter 243 Müller, Klaus-Jürgen 14, 4 5 ^ 7 , 52-55 Müller, Konrad 213, 286 Murvar, Vatro 240-242, 254 Napoleon I. 89 Naumann, Friedrich 72-75, 80, 82-85, 229 Nehring, Karl 282 Neumann, Sigmund 118 Neumann, Franz L. 118, 260 Neusychin, Aleksandr I. 244 Nicholls, Anthony 316 Niethammer, Lutz 121 Nietzsche, Friedrich 211, 228, 237 Nikolaj I. 250 Nipperdey, Thomas 29, 30, 31, 37, 61,75, 180-182, 184 f., 279, 285 Noakes, Jeremy 310 Nolte, Ernst 35, 112, 268, 280, 285 f., 304 Nolte, Paul 13 Oakes, Guy 235 Oertzen, Peter von 29 f. Oestreich, Gerhard 218 Osterhammel, Jürgen 159, 168 Osvobozdenija, Sojuz 247 f., 252 Pätzold, Kurt 297, 302 f. Palme, Anton 255 Papen, Franz von 150 Parson, Talco« 122, 193

Petri, Franz 286 Petrusevskij, Dimitrij M. 244 Petry, Ludwig 286 Pettenkofer, Max von 237 Peukert, Detlev 17 f., 204, 300 Philippi, Alfred 51 Picht, Robert 278 Pietschmann, Horst 173 Pipes, Richard 240 Pogge, Hartmut 310 Pohl, Karl Heinrich 282 Poincaré, Raymond 106 Pommerin, Reiner 282, 285 Preuss, Hugo 118 Prinzing, Günter 282, 287 Prost, Antoine 109 Puhle, Hans-Jürgen 175, 185,279 Quarthai, Franz 282 Quidde, Ludwig 73 Radkau, Joachim 243, 282, 290 Ranke, Leopold von 28, 178 Rappl, Hans-Georg 23 Rathenau, Walther 0 Raulff, Ulrich 9 Raupach, Hans 215, 222 f. Rebas, Hain 282, 290 Reichardt, Sven 128 Reif, Heinz 123 Reimann, Norbert 282 Reimers, Werner 167, 212-214, 217-220, 229 Reinhard, Wolfgang 161 f., 173 Remer, Ernst 48 Repgen, Konrad 286 Reulecke, Jürgen 18, 280 f., 283 Richert, Dominik 113 Richter, Eugen 75 Richter, Michael 282, 290 Rickert, Heinrich 73

362 Riehl, Wilhelm Heinrich 118 Riesebrodt, Martin 224, 232 Riezler, Kurt 63, 100 Ritter, Gerhard 21,27 f., 29, 36,45-47, 52, 54 f., 62 f., 86 f., 140, 176-179, 183-185. Ritter, Gerhard A. 32, 118, 180 f., 189 Ritter, Joachim 20, 208 Robinson, Ronald 160, 162-164, 166169, 174 Rödder, Andreas 130 Rönnefarth, Helmuth 50 Roesler, Jörg 297 Rohwer, Jürgen 14, Α5-ΑΊ, 52, 55 Rosenberg, Arthur 118 Rosenberg, Hans 119, 178, 180, 192 Rosenstock-Huessy, Eugen 118 Rossi, Pietro 235 Roth, Günter 218, 220, 226-228 Rothermund, Dietmar 162 Rothfels, Hans 21, 23, 26, 30, 55, 177179, 183 Röhl, John C. G. 138, 144 Rudolf, Hans Ulrich 282, 285, 287 Rürup, Reinhard 75, 279 Sack, Fritz 279 Saldern, Adelheid von 295 Scheel, Walter 30 Scheibe, Siegfried 231 Schelsky, Helmut 13, 211 f., 215, 278 Scheuch, Manfred 211 Schieder, Theodor 21, 23, 26 f., 36,40, 118, 140, 147, 161, 178, 180-182, 184-187, 193 f., 229, 279 f., 286, 295 Schieder, Wolfgang 40, 184 f., 279 f., 285 f., 292 Schieffer, Theodor 293 Schleicher, Kurt von 150 Schlesinger, Martin 255

Personenregister

Schlieffen, Alfred Graf von 90, 93 Schluchter, Wolfgang 207,210, 218220,224, 229, 231 242 Schmale, Franz-Josef 286 Schmid, Karl 285 Schmid, Michael 93 Schmitt, Carl 15 f., 149-157, 257, 263-266 Schmoller, Gustav 117 Schnabel, Franz 36 Schoelch, Alexander 161 Schön, Manfred 207, 224, 234 Schörken, Rudolf 13 Schötz, Susanne 297 Schofer, Lawrence 1 lß Schramm, Gottfried 45, 48 Schramm, Percy Ernst 46-50, 52-54 Schröder, Hans-Christoph 119, 170, 279 Schubert, Dietrich 143 Schulin, Ernst 12, 28 Schultz, Helga 297, 305 Schulze, Hagen 282, 288-290 Schulze, Winfried 176 f., 279 Schulze-Delitzsch, Hermann 75, 83 Schumpeter, Joseph Alois 117, 170, 204 Schwab, Dieter 286 Schwabe, Klaus 29 Schwenkter, Wolfgang 219 Schwertheim, Elmar 282, 287 Schwinges, Rainer Christoph 282, 290, 291 Semmel, Bernard 173 Seraphim, Hans-Günther 50 Sewell, William H. 131 Shils, Edward 235, 249 Siebeck, Georg 9, 223 f. Siebeck, Hans Georg 221, 223 Sieveking, Kurt 222 Simensen, Jarle 162

363

Personenregister

Simmel, Georg 247 Smelser, Neil 126 Sodenstern, Georg von 51 Solov'ev, Vladimir S. 248 Sombart, Werner 103, 115-117, 198, 252 Sontheimer, Kurt 27, 30, 77, 211, 259 Stadelmann, Rudolf 119 Stalin, Stalin 244 f. Stambolis, Barbara 280 f., 283f., 286288, 290-292 Stein, Lorenz von 117 Stepun, Fedor 247 f. Stern, Fritz 59 Sternberger, Dolf 260 Stone, Norman 34 Stramm, August 147 Straub, Johannes 286 Strauß, Franz Josef 215 Strauss, Leo 258 f. Stresemann, Gustav 73 Struve, Petr 247, 249 Stürmer, Michael 14, 59, 175, 280, 285 f., 304 Svjatlovskij, V. V. 249 Szeftel, Marc 255 Taylor, Alan J. P. 309 Telpuchowski, Boris S. 54 Tenbruck, Friedrich H. 235-237 Tenfelde, Klaus 123, 291 Tennstedt, Florian 282, 291 Teppe, Karl 282 Teuteberg, Hans-Jürgen 286 Thamer, Hans-Ulrich 282, 289 Thompson, Edward P. 126 f. Tilly, Richard H. 279 Timpe, Dieter 286 Tirpitz, Alfred von 59 Tocqueville, Alexis de 180 Toller, Ernst 258

Tolstoij, Lev 242, 253, 256 Toppe, Alfred 51 Tramitz, Angelika 113 Treiber, Hubert 239, 256 Treitschke, Heinrich von 30 Troeltsch, Ernst 117 Tugan-Baranovskij, Michail 249 Unruh, Fritz 145 Ulbricht, Walter 296 Ulrich, Bernd 104, 112 f. Urban, Ralf 282, 285 Vagts, Alfred 170 Vanweckenhuysen, Jan 53 Vierhaus, Rudolf 13, 285 f. Voegelin, Eric 258 f. Vogt, Martin 54 Voßler, Otto 286 Wallerstein, Immanuel 171 Walter, Dierk 93 Warlimont, Walter 48 Weber, Christoph 282 Weber, Marianne 157, 212 f., 230, 233, 362 Weber, Max 9, 11, 12, 27, 34, 36 f., 61, 73-75, 80-85, 86, 92, 116 f., 125, 137, 143 f., 147-158, 159, 169, 180-182, 184 f., 89-205, 207-238, 239-255, 257-273, 293, 300, 303 f., 307,310,313 Wegerer, Alfred von 62 Wehler, Hans-Ulrich 13, 18, 22, 24, 28-30, 32-34, 37, 59, 61, 64, 66, 86-90, 92-96, 100, 119-121, 123, 125, 132, 158, 160, 175, 180-185, 189, 191 f. 194, 196-204, 244, 277280, 282, 284-288, 295, 299, 309 Weisbrod, Bernd 19, 280, 310 Weiß, Peter 282

364 Weiß, Johannes 251 Weizsäcker, Richard von 34 Welskopp, Thomas 128 Welz, Wolfgang 261 Wendt, Reinhard 173 Wernecke, Klaus 100 Werner, Karl Ferdinand 22 Wesseling, Henk 162 Westphal, Siegfried 50 Wette, Wolfram 112 Whimster, Sam 235 White, Hayden 294 Wierling, Dorothee 295 Wilhelm II. 38, 67, 144, 251 Winckelmann, Johannes 212-225, 230, 234, 236, 251 Windelband, Wilhelm 247 Winkler, Heinrich August 14, 29, 37, 72, 75-78, 80 f., 83, 185,279

Personenregister

Winter, Jay 97 Witkop, Philipp 145 Witt, Peter-Christian 72, 282 Wittram, Reinhard 19, 30, 194 Wolf, Christa 297 Wolle, Stefan 297, 306 Zastoupil, Lynn 173 Zechlin, Egmont 47, 52, 184 Zeeden, Ernst Walter 286 Ziebura, Gilbert 39, 286 Ziemann, Benjamin 104, 112 Zirkel, Kirsten 168 Zivago, Sergej I. 247 Zmarzlik, Hans-Günter 72 Zorn, Wolfgang 286 Zwahr, Hartmut 124, 297, 302, 303